Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und
Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich
Ihnen noch folgendes mitzuteilen. In der gestrigen Sit-
zung wurde der Antrag der Fraktion der PDS zum
Vermögenszuordnungsgesetz auf Drucksache 14/17
zur federführenden Beratung an den Ausschuß für An-
gelegenheiten der neuen Länder und zur Mitberatung an
den Ausschuß für Wirtschaft und Technologie, an den
Rechtsausschuß und an den Haushaltsausschuß überwie-
sen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
Federführung jedoch beim Rechtsausschuß liegen. Sind
Sie mit dieser Änderung einverstanden? - Das ist offen-
bar der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fortsetzung der Aussprache zur Regierungserklä-
rung des Bundeskanzlers
Die Themenbereiche sind jetzt Finanzen und Steuern.
Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte 10 a bis
10 c sowie den Zusatzpunkt 3 auf:
10. a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002
- Drucksache 14/23 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß ({0})
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Aussschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuß für Bildung und Forschung
Ausschuß für Tourismus
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
b) Beratung des Antrags der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Zur Kindergeldauszahlung und zur Er-
stellung der Lohnsteuertabellen 1999
- Drucksache 14/28 -
c) Beratung des Antrags der Fraktion der PDS
Wiedererhebung der Vermögensteuer
- Drucksache 14/11 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß ({1})
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
ZP3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Christa Luft, Heidemarie Ehlert,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Besteuerung von Luxusgegenständen
- Drucksache 14/27 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Es wird mir gerade mitgeteilt, daß das Plenum nach
dieser Debatte für zirka 30 Minuten wegen einer Fraktionssitzung der SPD unterbrochen werden soll. Ich bitte
um Ihr Einverständnis.
({2})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine.
({3})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung
das wichtigste Ziel der Bundesregierung deutlich gemacht: Das ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Ich glaube, daß alle in diesem Hause zustimmen werden,
wenn ich sage, daß wir, solange die Arbeitslosenzahl im
Jahresdurchschnitt etwa 4 Millionen beträgt, nicht von
einer zufriedenstellenden Situation, nicht von einem
wohlbestellten Haus sprechen können.
({0})
Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß wir uns auch
mit den Oppositionsparteien in dem Ziel einig sind, die
Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Diese Feststellung ist
mir wichtig.
Die Diskussion geht also lediglich um die Frage:
Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die
Arbeitslosigkeit zurückzuführen? Eine der Maßnahmen,
die wir ergreifen wollen, ist eine Veränderung des
Steuerrechts. Ich möchte aber zu Beginn darauf hinweisen, daß ich nicht der Auffassung bin, daß man allein
oder auch nur in erster Linie mit dem Steuerrecht die
Aufgabe bewältigen kann, die Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Das kann man auch nicht ausschließlich mit
Maßnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten. Vielmehr braucht man, wenn man die Arbeitslosigkeit zurückführen will, ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die
aufeinander abgestimmt sein müssen. Eine dieser Maßnahmen ist die Reform des Steuerrechts.
({1})
Ich sage das deshalb, weil - sicherlich aus Überzeugung - von Vertretern der jetzigen Oppositionsparteien
im Bundestagswahlkampf immer wieder geäußert wurde, das Steuerrecht sei der Schlüssel zur Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit. Ich werde nachher noch im einzelnen darauf eingehen.
Wir sind der Auffassung, daß das Steuerrecht eine
wichtige Rolle spielt. Aber wir würden das Steuerrecht
insbesondere angesichts der Tatsache, daß wir in
Deutschland die niedrigste Steuerquote in Europa haben,
überfordern, wenn wir glaubten, das Steuerrecht biete
die Möglichkeit, ganz entscheidende Impulse zu geben,
mit denen die Arbeitslosigkeit zurückgeführt werden
kann.
Die unterschiedlichen Steuerkonzepte standen bei der
Bundestagswahl zur Diskussion. Die ehemaligen Regierungsparteien haben ebenso für ihre Konzepte geworben,
wie SPD und Grüne für die ihren geworben haben; die
Konzepte unterscheiden sich deutlich voneinander. Insofern kann man wirklich davon sprechen - da die Steuerpolitik ein Hauptthema der Bundestagswahl war -, daß
die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler die Steuerkonzeption befürwortet und gutgeheißen hat, die wir Ihnen
jetzt in Form eines Gesetzentwurfes vorstellen.
({2})
Unsere Steuerpolitik hat einen Ansatz, von dem wir
glauben, daß er in den letzten Jahren viel zuwenig beachtet worden ist, nämlich den Ansatz, daß das Steuerrecht auch Steuergerechtigkeit herstellen muß, um von
der großen Mehrheit der Bevölkerung angenommen zu
werden.
({3})
Verstößt man gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit im Steuerrecht, dann ist das nicht in erster Linie
eine ökonomische Frage, sondern betrifft in erster Linie
die Gesamtgesellschaft. Es geht hier um den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Der Zusammenhalt einer
Gesellschaft wird gestärkt und gefestigt, wenn die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler den Eindruck haben: Es
geht in unserem Staate gerecht zu.
({4})
Deshalb haben die Meinungsforschungsinstitute insgesamt von der Gerechtigkeitslücke gesprochen, und
diese hat die Diskussion im Vorfeld der Bundestagswahlen bestimmt. Sie haben festgestellt, daß es Auftrag
der Wählerinnen und Wähler war, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen. Die Regierung Schröder nimmt diese
Aufgabe an und setzt sie jetzt in die Tat um.
({5})
Unsere Steuerrechtsvorschläge zielen darauf ab, die
große Mehrheit der Bevölkerung zu entlasten. Es ist keine Aussage, die nur aus dem Dialog der Parteien entstanden ist, wenn wir feststellen, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten Jahren überproportional belastet worden sind, während andere Gruppen
unserer Bevölkerung überproportional entlastet worden
sind. Das gilt nach der Statistik insbesondere für die
Belastung der Arbeitnehmerschaft im Verhältnis zu
Beamten, zu Selbständigen, zu Unternehmern und anderen Gruppen der Bevölkerung. Deshalb war es notwendig, gezielt die Arbeitnehmerschaft und die Familien zu
entlasten.
({6})
Diesem politischen Anliegen trägt dieser Gesetzentwurf
Rechnung.
Dieser Gesetzentwurf unterscheidet sich an einer
wichtigen Stelle von den üblichen Verhaltensweisen von
Regierungen - nicht nur in Deutschland, sondern in
vielen Staaten der Welt. Häufig sind vor den Wahlen
Steuersenkungen versprochen worden, während nach
den Wahlen die Steuern erhöht wurden.
({7})
Eine solche Vorgehensweise bevorzugte auch die alte
Koalition. Nicht zuletzt deshalb haben Sie in der Bevölkerung soviel Vertrauen verloren.
({8})
Wir setzen mit diesem Steuerreformentwurf genau das
um, was wir den Wählerinnen und Wählern vor der
Wahl versprochen haben. Das ist, so glaube ich, tatsächlich ein Neuanfang der Politik in Deutschland.
({9})
Diese Steuerreform ist arbeitnehmerfreundlich, sie ist
aber auch familienfreundlich. Ich habe kein Verständnis dafür gehabt, daß im Vorfeld der Auseinandersetzungen immer wieder, auch von Industrieverbänden,
behauptet wurde - von der Sache her im übrigen fälschlicherweise -, die Erhöhung des Kindergeldes schaffe
keinen einzigen Arbeitsplatz. Der ökonomische Zusammenhang ist die eine Sache - klar ist, daß die Familien, die auf jede Mark angewiesen sind, diese auch ausgeben, und somit wird sie in Nachfrage umgesetzt -,
({10})
aber uns geht es um etwas anderes: Es genügt nicht,
immer nur die Bedeutung der Familie zu beschwören;
wir müssen auch die materiellen Grundlagen dafür
schaffen, daß die Familien in unserem Staate gefördert
werden.
({11})
Deshalb haben wir kein Verständnis dafür, daß die Oppositionsparteien so hartnäckig Widerstand gegen die
Verbesserung der Stellung der Familien im Steuerrecht
({12})
und die Erhöhung des Kindergeldes geleistet haben.
({13})
Ich bin der Auffassung: Es wäre auch in Ihrem Interesse,
diese Haltung zu korrigieren. Es ist nicht übertrieben,
wenn die Familienverbände und die Kirchen feststellen,
daß die Familien auch im Steuerrecht in den letzten Jahren zu schlecht gestellt worden sind. Deshalb wollen wir
das korrigieren.
({14})
Im Zusammenhang mit einer Steuerreform, die arbeitnehmerfreundlich und familienfreundlich ist, wird
von Ihrer Seite, meine Damen und Herren, immer der
Vorwurf der Umverteilung erhoben. Dies ist ein ganz
und gar spaßiger Vorwurf, und zwar deshalb, weil das
Steuerrecht stets - in welcher Form auch immer - eine
Umverteilung darstellt. Die Frage ist nur, wem gegeben
und wem genommen wird, wer der Nutznießer und wer
der Benachteiligte der Umverteilung ist.
({15})
Wenn also die einen Umverteiler die anderen Umverteiler Umverteiler nennen, dann mag das zwar ganz
spaßig sein; aber hier wird auch der Unterschied deutlich: Man kann von unten nach oben umverteilen in dem
Glauben, daß damit die Wachstumskräfte und die Investitionskräfte gestärkt würden; man kann aber auch für
mehr Steuergerechtigkeit sorgen und Ungerechtigkeiten
abbauen im Hinblick darauf, daß wir in der Wirtschaftspolitik zwei Augen haben müssen, Angebot und Nachfrage, und unter Beachtung der Tatsache, daß eine ständige Schwächung der Nachfrage zum Verlust von Arbeitsplätzen führt.
({16})
Ihr Vorwurf der Umverteilung trifft uns mitten ins
Herz. Sie haben recht: Ihre Umverteilung haben wir
rückgängig gemacht. Die Umverteilung von unten nach
oben ist gestoppt. Jetzt wird der großen Mehrheit des
Volkes gegeben. Das ist unser Wählerauftrag; und genau
den setzen wir um.
({17})
Bei der sogenannten Gegenfinanzierung, meine
Damen und Herren, sind natürlich auch die Verteilungswirkungen und die ökonomischen Auswirkungen
zu beachten. Wir haben Ihrem Steuerkonzept widersprochen, weil es einen systematischen Fehler hatte; daß
Entlastungswirkungen zwar immer wieder angepriesen
worden sind, aber zuwenig darauf geachtet wurde, was
die Entlastung für den einzelnen bedeutet.
Es hat keinen Sinn, von Steuerentlastungen zu reden,
wenn dabei - wie das in der Debatte immer wieder geschehen ist - die Begriffe völlig durcheinandergemengt
werden. Steuerentlastung für die Gesamtheit, also Nettoentlastung, sagt zunächst noch gar nichts darüber aus,
wer der Nutznießer und wer der Benachteiligte einer
solchen Entlastung ist. Wir haben das durchgerechnet.
Im Gegensatz zu Ihrem Steuerkonzept werden bei uns
die Leistungsträger der aktiven Arbeitnehmerschaft
nicht belastet, sondern entlastet. Das ist der Unterschied
zwischen Ihrem und unserem Konzept.
({18})
Sie haben - das ist ja nicht zu bestreiten - mit steuersystematischen Gründen dafür geworben, die Schichtarbeiter zu besteuern. Sie haben - das ist ja nicht zu bestreiten - mit steuersystematischen Gründen dafür geworben, die Kilometerpauschale drastisch zu reduzieren.
Sie haben - das ist ja nicht zu bestreiten - auch dafür
geworben - von der Steuerwissenschaft, wie ich meine,
falsch beraten -, den Arbeitnehmerpauschbetrag deutlich zu reduzieren. Aber Sie haben versäumt, durchzurechnen, was dies im einzelnen heißt. Dies korrigiert die
Bundesregierung. Die Facharbeiter, die Krankenschwestern, die Fernfahrer, die Busfahrer, sie dürfen nicht die
Verlierer einer Steuerreform sein; sie sind bei uns die
Gewinner der Steuerreform.
({19})
Natürlich, meine Damen und Herren, würden wir
gern auch bei der Nettoentlastung noch größere Schritte
machen. Obwohl sich die Vorurteile hartnäckig halten,
obwohl viele meinen, Deutschland sei ein Hochsteuerland, sind die Tatsachen ganz, ganz andere. Tatsache ist,
daß wir die niedrigste Steuerquote in der Europäischen
Gemeinschaft haben. Wer in einer solchen Situation
sagt, wir müßten die Steuerquote noch weiter zurückführen, der ist damit auch für schlechtere Schulen, schlechtere Forschung, schlechtere Straßen, schlechtere Ausbildung, schlechtere Krankenhäuser, schlechtere Kindergärten usw. Man darf den Leuten doch nicht Dinge erzählen, die nicht zusammenpassen!
({20})
Wer für ein weiteres Absenken der Steuerquote plädiert, plädiert auch für ein deutliches Zurückfahren der
öffentlichen Infrastrukturleistungen. Das muß einmal
gesagt werden, um die Debatte wieder auf eine rationale
Grundlage zu stellen.
({21})
Wenn ich höre, meine Damen und Herren, wie vorbildlich die Holländer sind, wie vorbildlich die Dänen
sind, dann bin ich manchmal versucht, in Deutschland
die Steuer- und Abgabenquote Hollands oder Dänemarks einzuführen. Dann möchte ich das Geschrei derjenigen hören, die Holland und Dänemark immer als
große Vorbilder in der Europäischen Gemeinschaft darstellen.
({22})
Natürlich entlasten wir nicht nur Arbeitnehmer und
Familien. Vielmehr greifen wir Vorschläge der Wirtschaftsverbände auf, die darauf abzielten, die nominalen
Steuersätze der Wirtschaft zu senken, sie aber gegenzufinanzieren durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Darüber diskutieren wir jetzt viele Jahre.
Interessanterweise haben eine Reihe von Vorschlägen
zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, die insbesondere in Nordrhein-Westfalen entwickelt worden sind,
auch in das Steuerkonzept der ehemaligen Regierung
Eingang gefunden. Daran ist nichts Verwerfliches.
Wenn wir da einer Auffassung sind, ist das in Ordnung.
Nur besteht hier ein Konflikt, den man mit den Wirtschaftsverbänden austragen muß. Die Wirtschaftsverbände wollen nämlich in einem falschen Verständnis
von Lobbyismus die Öffentlichkeit glauben machen,
man könnte amerikanische Steuersätze und deutsche
Abschreibungsmöglichkeiten haben. Das geht nicht. Das
ist unehrlich. Deshalb bitten wir hier um etwas mehr
Wahrhaftigkeit.
({23})
Meine Damen und Herren, es ist immer wieder kritisiert worden, daß wir die Steuersätze erst schrittweise
senken. Aber das ergibt sich aus der Systematik: Wenn
wir Steuersubventionen abbauen, dann bauen sich die
Mehreinnahmen des Staates erst langsam auf. Wenn wir,
wie wir überall lesen, bei der niedrigsten Steuerquote in
Europa - ich wiederhole das - Haushaltsprobleme haben, wäre es fahrlässig und nicht verantwortbar, Steuersenkungen weiterhin auf Pump zu finanzieren. Deshalb
mußten wir diesen Weg gehen und die Steuersätze
schrittweise in dem Maße senken, in dem der Staat
Mehreinnahmen hat.
({24})
Im übrigen haben wir 70 Subventionstatbestände in
den Gesetzentwurf geschrieben. Selbstverständlich kann
an diesen Listen einiges geändert werden. Die Bundesregierung hätte ein ganz falsches Verständnis von parlamentarischer Beratung, wenn wir der Auffassung wären: Wir bringen ein solch umfangreiches Gesetz in die
Ausschüsse ein, und es kommt genauso aus den Ausschüssen, wie es in die Ausschüsse hineingegangen ist.
Es gibt eine ganze Reihe von sachbezogenen Argumenten, bei denen wir nicht sicher sind, ob sie nicht eine
Überprüfung bestimmter Streichtatbestände erfordern.
Aber eines möchte ich für die Bundesregierung sagen: Das Gesamtkonzept muß insoweit durchgehalten
werden, als nicht in unvertretbarem Ausmaße Einnahmeausfälle beschlossen werden. Denn es ist klar: Steuersenkungen will jeder, aber bei der Gegenfinanzierung
sind dann viele zurückhaltend und zögerlich.
({25})
Insoweit glauben wir, eine in sich ausgewogene Vorlage gemacht zu haben, die wir immer auch - das sage
ich auch bei allen anderen Maßnahmen, die ich anspreche - im Hinblick auf die Europäische Gemeinschaft
sehen müssen. Das ist vielleicht noch zuwenig bedacht
worden. Aber wir müssen uns angewöhnen, fast alle
Vorlagen, die wir zu Steuer-, Sozial- und ähnlichen Gesetzen machen, immer auch auf die Vereinbarkeit mit
den Zielsetzungen der Europäischen Gemeinschaft hin
durchzuchecken. Denn die Europapolitik wird mehr und
mehr zur Innenpolitik, und das verlangt eine schrittweise
Harmonisierung der jeweiligen Vorschriften in den einzelnen Ländern.
({26})
Hier genau ergibt sich auch die Verbindung zu den
Lohnnebenkosten. Auch bei den Lohnnebenkosten haben wir ein anderes Konzept als Sie. Im ersten Punkt des
Konzeptes stimmen wir sicherlich überein. Dieser lautet:
Die Lohnnebenkosten sind zu hoch; sie müssen auch
durch strukturelle Reformen gesenkt werden. Ich möchte
hier ganz klar sagen - der Bundeskanzler hat es in seiner
Regierungserklärung angesprochen -: Wer bei der Höhe
der Lohnnebenkosten glaubt, man komme ohne strukturelle Reformen aus, der macht einen Fehler.
({27})
Worüber wir wieder streiten müssen, ist, wie das im
einzelnen aussehen soll. Das hatte ich hier an Hand der
Rentenformel erläutert. Ich will es wiederholen, damit
man mir nicht den Vorwurf macht: Der redet nur so allgemein daher. Wir haben bei der Rentenformel kritisiert,
daß die Kürzungen über den gesamten Rententarif vorgenommen worden sind. Dann wurden wir mitten im
Wahlkampf mit der jetzt vielleicht schon wieder vergessenen Tatsache konfrontiert, daß die Unionsparteien
insbesondere vor der bayerischen Landtagswahl die
Rentenkürzung für die Rentnerinnen und Rentner
mit mindestens 45 Versicherungsjahren zurücknehmen
wollten.
Das macht nun im Rahmen von Reformvorstellungen
gar keinen Sinn, nämlich daß die höheren Renten von
Kürzungen ausgenommen werden und die kleinsten
Renten gekürzt werden. Solche Wege können wir nicht
gehen. Deshalb mußten wir hier Ihre sogenannte Reform
zurücknehmen,
({28})
zumal Sie selbst - das möchte ich bei der öffentlichen
Diskussion der Redlichkeit halber sagen - Ihre sogenannte Reform zurücknehmen wollten, allerdings an der
falschen Stelle.
Bei der Senkung der Lohnnebenkosten wollen wir
einem weiteren Prinzip unserer Regierungsarbeit Rechnung tragen; das ist das Prinzip der Gerechtigkeit. Dieses gilt auch für das Steuerrecht. Was meine ich damit? Auf Grund der Struktur der Zusammensetzung der
Sozialversicherungsbeiträge nimmt derjenige, der die
Sozialkassen über Gebühr in Anspruch nimmt, auch
Umverteilungseffekte in Kauf. Er belastet nämlich über
Gebühr den Teil der Arbeitnehmerschaft, der die
Hauptlast der Sozialversicherungsbeiträge trägt. Insofern
war es ein Fehler von Ihnen, zur Finanzierung der
deutschen Einheit nicht in erster Linie die Steuer, sondern die Sozialabgaben heranzuziehen. Das war eine
falsche Umverteilung, die wir schrittweise korrigieren
müssen.
({29})
Das Gerechtigkeitsempfinden unseres Volkes besagt,
daß die Finanzierung des Aufbaus Ost nicht in erster
Linie eine Aufgabe desjenigen Teils der Bevölkerung
ist, der Sozialversicherungsbeiträge zahlt, natürlich ergänzt um die Beiträge der Unternehmerschaft; vielmehr
ist dies eine Aufgabe der Allgemeinheit, also aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland, nach
dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Deshalb war dies
eine Fehlentscheidung, die Sie getroffen haben, deren
Ursache und Entstehen wir verfolgen konnten. Ich
wollte das hier noch einmal anmerken.
Neben der Gerechtigkeit haben wir bei der Senkung
der Lohnnebenkosten noch ein anderes Ziel im Auge,
das darin besteht, Arbeit und Umwelt miteinander zu
versöhnen. Es ist in der ganzen Europäischen Gemeinschaft nicht mehr streitig, daß es richtig ist, die Besteuerung der Arbeitsplätze zurückzuführen und die Besteuerung des Umweltverbrauchs schrittweise und maßvoll zu
erhöhen. Deshalb sehen wir diese beiden Reformvorstellungen im Zusammenhang. Sie dienen der Gerechtigkeit. Sie entlasten die Arbeit, und sie dienen auch längerfristig bei der Neuordnung des Abgabenrechts dem
Umweltschutz. Insofern handelt es sich um eine wirkliche Reform, die wir auf den Weg bringen mußten, von
der wir wußten, daß viele von Ihnen hier ähnliche Vorhaben umsetzen wollten, aber Sie konnten sich nicht
darauf verständigen. Deshalb mußte eine neue Regierung gewählt werden, um jetzt diese Reform in Angriff
zu nehmen.
({30})
Auch bei den Lohnnebenkosten und der Energieverbrauchsbesteuerung möchten wir auf die Notwendigkeit
der europäischen Harmonisierung hinweisen. Es ist
schlicht und einfach eine Tatsache, daß wir auch bei
dem Vergleich unserer Steuern und Abgaben mit anderen immer wieder die europäischen Nachbarn im Auge
haben müssen und daß wir bei der Harmonisierung einen Bedarf haben. Hier ergibt sich insgesamt eine große
Aufgabe für die Europäische Gemeinschaft, die heute
angesprochen werden muß. Der Steuerwettbewerb, wir
sagen: Steuersenkungswettlauf zwischen den einzelnen
europäischen Mitgliedstaaten, ergänzt um die sogenannten Steueroasen, hat zu einem nicht haltbaren Zustand der Ungerechtigkeit innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft geführt. Man kann es nicht oft genug sagen: Während sich diejenigen, die Geld, hohe Einkommen und Gewinne haben, durch Wohnsitzverlagerung,
Kontoverlagerung, Firmensitzverlagerung oder Gewinnverlagerung der nationalen Besteuerung entziehen
konnten und noch immer können, mußten die Arbeitnehmer in ganz Europa immer höhere Lohnsteuern,
Verbrauchsteuern und Sozialabgaben zahlen. Das müssen wir ändern, um Gerechtigkeit auch auf europäischer
Ebene herzustellen.
({31})
Im übrigen sind uns bei der Verwirklichung dieses
Prinzips andere Staaten vorangegangen, Staaten, die
- ich nenne Holland und Dänemark als Beispiele; ich
erwähne auch den extrem hohen Benzinpreis in Großbritannien - uns immer wieder als Vorbilder hingestellt
wurden. Diese Staaten sind bei der Veränderung der
Steuer- und Abgabenstruktur in bezug auf Lohnnebenkosten und die Belastung durch Energieverbrauchsteuern vorangeschritten. Insofern sehen wir eine Maßnahme
vor, die sich sehr wohl in den Kontext der europäischen
Zusammenarbeit einbetten läßt.
Neben der Steuerpolitik und der Politik bei den Sozialversicherungsausgaben ist natürlich auch die Haushaltspolitik stets heranzuziehen, wenn wir über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit reden. Nur, meine Damen und Herren, es ist mittlerweile unstreitig in ganz
Europa, daß auf Grund des hohen Schuldenaufbaus der
letzten Jahre - das gilt nicht nur für Europa, das gilt
auch für die großen Industrienationen außerhalb Europas
- die Möglichkeiten der Haushaltspolitik, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, immer mehr reduziert worden
sind.
Auch hierzu noch einmal etwas zur Debatte der letzten Tage. Es mag ja sein, daß der eine oder andere die
gegenwärtige Haushaltssituation als außerordentlich befriedigend ansieht. Darüber will ich mich gar nicht
streiten. Nur, eine Kennziffer jeden Haushalts ist die
Zins-Steuer-Quote. Bei einer Zins-Steuer-Quote von 26
Prozent sind wir der Auffassung, daß der Haushalt im
Ungleichgewicht ist und daß die Spielräume der Haushaltspolitik so gering sind, wie sie in der Bundesrepublik
Deutschland noch nie waren. Das ist doch eine Tatsache.
({32})
Ich wurde in früheren Jahren - wenn Sie mir diese
Reminiszenz gestatten - immer mit dem Einwurf
„Saarland“ konfrontiert. Das Erbe, das ich dort angetreten hatte, war noch relativ gemäßigt, weil die ZinsSteuer-Quote nur bei 19 Prozent lag. Es ist leider nicht
gelungen, sie deutlich zu senken - sie liegt jetzt bei 21
Prozent.
({33})
Aber Ihr Marsch bei der Zins-Steuer-Quote von 12
Prozent auf 26 Prozent ist beachtlich und sollte keine
Selbstzufriedenheit in Ihren Reihen hervorrufen.
({34})
Die Haushaltspolitik hat also keine großen Spielräume.
Aber eines wollen wir im Bundeshaushalt wirklich
wieder einführen, nämlich daß wir uns darum bemühen,
auch dem Prinzip der Haushaltswahrheit und der
Haushaltsklarheit wieder zum Durchbruch zu verhelfen; denn dieser Wust von Schatten- und Nebenhaushalten führt doch dazu, daß die wahre Verschuldung in
Deutschland überhaupt nicht mehr bekannt ist.
({35})
Immer wieder geistern unterschiedlichste Zahlen über
die Verschuldung, die Zins-Steuer-Quote und andere
Meßziffern des Haushaltes durch die Gegend, weil im
Haushaltsbuch nicht mehr das steht, was eigentlich in
das Haushaltsbuch hineingehört, nämlich die gesamte
Last der Schulden, die gesamte Last der Ausgaben und
natürlich auch das gesamte Bündel der Einnahmen.
Wenn wir darüber streiten, ob denn die Strukturen
des Haushaltes so, wie Sie ihn übergeben, in Ordnung
seien, dann ist ein ganz einfacher Sachverhalt Beweis
dafür, daß sie eben nicht in Ordnung sind: Sie haben
sowohl im Haushalt 1998 als auch im Haushalt 1999
Veräußerungen von Bundesvermögen in einer Größenordnung von über 20 Milliarden DM angesetzt. Das
ist genau das strukturelle Defizit, das wir festgestellt haben; denn das Tafelsilber steht nicht grenzenlos zur Verfügung. Was soll also die Diskussion? Bleiben wir doch
bei den Tatsachen. Diese Defizite sind schlicht und einfach vorhanden.
({36})
Mittlerweile wird dies nicht nur in Deutschland so
gesehen, sondern in ganz Europa. Diese Erkenntnis
führte zu der Frage, die auch in der letzten Zeit die Gemüter beschäftigt hat: Welche Politik kann zur schrittweisen Zurückführung der Arbeitslosigkeit gemacht
werden, wenn die Möglichkeiten der Steuerpolitik, die
Möglichkeiten der Neuordnung der Sozialversicherungsstrukturen und die Möglichkeiten der Haushaltspolitik zwar gegeben, aber begrenzt sind? Es wäre fahrlässig, zu sagen, allein wegen des Vorhandenseins der
Möglichkeiten könnte ein deutlicher und dramatischer
Abbau der Arbeitslosigkeit eingeleitet werden.
Wenn man sich solche Fragen stellt, dann blickt man
eben auch über den Zaun zu anderen Ländern. Ich hatte
vorhin gesagt: Wer das Heil in der Steuerpolitik sucht,
der muß schlicht und einfach von der Sache her beantworten, warum in früheren Jahrzehnten bei höheren
Grenzsteuersätzen, etwa bei der privaten Einkommensteuer, und bei einer höheren Besteuerung der Unternehmen gleichwohl ein größeres Wachstum und ein
stärkerer Abbau der Arbeitslosigkeit oder gar ein Aufwuchs der Beschäftigung vorzufinden waren. Dieser
Sachfrage muß er sich zunächst einmal stellen.
Bei den Lohnnebenkosten ist es ohne Zweifel so, daß
sie auf Grund der Entscheidungen im Zusammenhang
mit der Vereinigung ein Rekordniveau erreicht haben.
Dies ist eine strukturelle Fehlentwicklung, insbesondere
im Hinblick auf die personalintensiven Betriebe im Einzelhandel, im Mittelstand und im Handwerk.
Bei der Haushaltspolitik sind die Spielräume nicht
mehr vorhanden. Das muß man in aller Klarheit sagen.
Also: Wo und wie kann angesetzt werden, um wieder
zu mehr Beschäftigung zu gelangen?
Wenn wir beispielsweise auf die Vereinigten Staaten blicken, dann sehen wir, daß dort eine selbstverständliche Diskussion im Gange ist, von der ich mir
wünschen würde, daß sie auch in Deutschland in derselben Sachbezogenheit und Unaufgeregtheit in Gang
kommen könnte. Es handelt sich um eine Diskussion
darüber, was die Fiskalpolitik, also die Haushalts- und
Steuerpolitik, was die Lohn - und Einkommenspolitik
und was die Geldpolitik - vielleicht koordiniert - tun
können, um Wachstum und Beschäftigung zu erreichen
und die Arbeitslosigkeit langsam abzubauen.
Ich möchte Sie mit einem Zitat konfrontieren, um
auch hier einmal etwas von der Debatte, die in anderen
Ländern stattfindet, einzuführen. Im Hinblick auf das
Zusammenwirken von Haushaltspolitik und Geldpolitik
hat mein französischer Kollege Dominique StraussKahn kürzlich in einem Vortrag gesagt:
Wir stehen doch vor verschiedenen Konzepten,
entweder das Konzept Reagan/Volcker oder Clinton/Greenspan, was das Zusammenwirken von
Haushaltspolitik und Geldpolitik angeht.
Er hat sich dafür ausgesprochen, daß wir in Zukunft versuchen sollten, eher dem Konzept Clinton/Greenspan zu
folgen als dem Konzept Reagan/Volcker. Was ist damit
gemeint? Damit ist gemeint, daß der Irrglaube, es sei
nicht notwendig, die Haushaltspolitik und die Geldpolitik zu koordinieren, zu erheblichen Beschäftigungsverlusten führt.
({37})
Dieser Irrglaube hat nicht nur in Amerika dazu geführt,
sondern auch in Deutschland, wie ich gleich ausführen
werde.
Reagan hat eine expansive Haushaltspolitik mit
großer Staatsverschuldung betrieben. Die Geldpolitik
konnte darauf nur mit Zinsen im zweistelligen Bereich
reagieren. Eine solche Konstellation ist auf Grund der
Haushaltsentwicklung nicht machbar. Sie ist auch gar
nicht wünschenswert, weil ein solches Bremsen der
Geldpolitik längerfristig zu Beschäftigungsverlusten
führen muß, wie sie Anfang der 90er Jahre in den Vereinigten Staaten zu verzeichnen waren. Auf der anderen
Seite besteht jetzt in Amerika eine Situation, in der
Haushaltspolitik - in den USA gibt es sogar leichte
Überschüsse - und Geldpolitik so aufeinander abgestimmt sind, daß, abgesehen von der Rezession zu Beginn der 90er Jahre, ein langsames und schrittweises
Wachstum mit ständig zunehmenden Beschäftigungserfolgen stattgefunden hat. Was hindert uns eigentlich
daran, in der Zukunft eine ähnliche Abstimmung, und
zwar nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene - das geht
jetzt nämlich nicht mehr -, sondern auf europäischer
Ebene, zu versuchen?
({38})
In diesem Zusammenhang möchte ich ein paar Bemerkungen zur Geldpolitik machen, wobei ich wirklich
darum bitten möchte, mich wörtlich zu zitieren und nicht
irgendwelche Dinge in die Welt zu setzen, die von der
Sache her nicht gedeckt sind.
Erstens. Niemand stellt die Unabhängigkeit der Geldpolitik in Frage.
({39})
- Es kann sein, daß Sie nicht lesen oder nicht zuhören;
das ist dann Ihre Sache.
({40})
Ich muß Ihnen noch einmal sagen: Niemand stellt die
Unabhängigkeit der Geldpolitik in Frage. Die Unabhängigkeit der Geldpolitik hat einen einfachen Grund,
der in den Schwächen all derjenigen liegt, die hier rechts und links - jetzt zuhören. Wenn die Unabhängigkeit der Geldpolitik nicht gegeben wäre und die Politik
über die Geldpolitik zu entscheiden hätte, dann bestünde
vor Wahlen immer die Gefahr, daß sachgemäße Entscheidungen im Interesse des Hauptziels der Geldpolitik,
der Wahrung der Preisstabilität, nicht getroffen würden;
deshalb ist es richtig, die Geldpolitik einer unabhängigen Instanz zu übertragen und dem politischen Zugriff
zu entziehen. Daran gibt es keinen Zweifel.
({41})
Wenn wir darin einig sind, dann ist das in Ordnung.
Kein Zweifel besteht auch daran, daß das vorrangige
Ziel der Geldpolitik - so heißt es überall in Amerika und
in Europa - die Preisstabilität ist, weil alle ökonomischen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte gezeigt
haben, daß ohne Einhaltung des Ziels der Preisstabilität
Wachstum und Beschäftigung nicht in Gang kommen
können. Aber aus dem Begriff „vorrangiges Ziel“ ergibt
sich schon, daß es daneben weitere Ziele der Geldpolitik
geben muß. Genau darüber diskutiert man in Amerika
und in Gesamteuropa. Die Antwort, die die Mehrheit
mittlerweile gibt, ist einfach: In dem Maße, in dem die
Preisstabilität gewahrt bleibt und gesichert ist - ich nenne einmal die deutschen Zahlen: jetzt beträgt die Inflationsrate 0,7 Prozent; die Bundesbank sagt: davon sind
0,75 auf Grund von Qualitätssteigerungen überzeichnet;
demnach hätten wir, wenn man das so rechnet, ein Minus von 0,05 -, ist die Geldpolitik gehalten, Wachstum
und Beschäftigung zu unterstützen. Das kann man für
richtig oder falsch halten; es ist unsere Auffassung.
({42})
- Das steht wörtlich auch im Vertrag, Frau Kollegin
Matthäus-Maier, das ist richtig. In der jetzigen Situation
stellt sich die Frage: Was kann die Geldpolitik tun?
Ich möchte noch einen Irrtum ansprechen. Meine
Damen und Herren, es hat keinen Sinn mehr, sich in diesen drei, vier Wochen noch über die deutsche Geldpolitik zu streiten.
({43})
- Sie müssen zuhören und nachlesen. Ich sage Ihnen
noch einmal: Wenn Sie nicht in der Lage sind, wörtlich
zu zitieren, zuzuhören und nachzulesen, dann laufen Sie
Gefahr, irgendwelche Märchen in die Welt zu setzen,
weil Sie die Zusammenhänge nicht verstanden haben.
Das liegt dann aber an Ihnen; es tut mir leid.
({44})
Deshalb ist die Frage, ob wir jetzt in Europa Spielräume haben, um über die Geldpolitik die Beschäftigung
und das Wachstum zu unterstützen. Diese Frage wird in
Gesamteuropa beantwortet, und zwar auch ohne die Debatte hier. Acht europäische Banken sind dabei, die
Geldmarktzinsen Schritt für Schritt zurückzunehmen.
({45})
- Ja, sie liegen höher; ich will das ja gerne aufgreifen.
Aber daß es mittlerweile zu einer Veränderung der gesamteuropäischen Geldpolitik gekommen ist, können
Sie daran erkennen, daß es ursprünglich einmal hieß das können Sie überall nachlesen -, daß sich die Geldpolitik, was die Geldmarktzinsen angeht, schrittweise
einem höheren Niveau als dem deutschen annähern
müsse. Ursprünglich war einmal ein Ziel von 5 Prozent
in der Diskussion. Dann kam ein Ziel von 4 Prozent in
die Diskussion. Dann kam vor vielen Monaten die Entscheidung, den Repro-Satz um 0,3 Prozent anzuheben.
Mittlerweile ist die Preisstabilität so stark, daß man insgesamt eine Annäherung nach unten vertreten kann. Genau das ist doch gewollt: daß bei Wahrung der Preisstabilität sinkende Geldmarktzinsen in Europa günstigere
Bedingungen für Wachstum und Beschäftigung schaffen. Meine Damen und Herren, es war an der Zeit, dies
hier noch einmal klarzustellen.
Herr Minister Lafontaine, ich muß Sie darauf hinweisen, daß die für Sie
vereinbarte Redezeit schon überschritten ist. Das weitere
geht auf das Konto der SPD-Fraktion.
({0})
Vielen Dank, Herr Präsident. Die Fraktion hat mir in ihrer Großzügigkeit freigestellt, ruhig zwei, drei Minuten
länger zu sprechen.
({0})
Ich bin jetzt bei der vierten Minute und werde versuchen
alsbald zum Ende zu kommen.
({1})
Meine Damen und Herren, das Entscheidende ist, daß
wir Fehler der 70er und 80er Jahre und auch Fehler, die
zu Beginn der 90er Jahre gemacht wurden, nicht wiederholen. Hier wurde beispielsweise von Herrn Wissmann - ich sehe ihn im Moment nicht - gesagt, wir seien jetzt dabei, die alten Hüte der 70er Jahre wieder hervorzunehmen und eine veraltete Politik zu machen. Solche Äußerungen finden sich auch in vielfältigen Stellungnahmen, die leider eine Auseinandersetzung mit den
Fakten und Daten vermissen lassen.
Genau die Konstellation, die wir in den 70er Jahren
hatten, als nämlich die Lohnpolitik weit über das Produktivitätsziel hinausschoß - jeder erinnert sich an die
zweistelligen Forderungen der ÖTV -, die Geldpolitik
mit einem ganz harten Kurs gegenhalten mußte und damit eben auch Wachstum und Beschäftigung ausbremste, müssen wir in Zukunft vermeiden. Deshalb müssen
wir über die Frage diskutieren, wie die wesentlichen
Politikbereiche in Deutschland und Europa zusammenspielen müssen.
({2})
Meine Damen und Herren, gerade weil es für unsere
Diskussion wichtig ist, möchte ich noch die Situation zu
Beginn der 90er Jahre ansprechen. Zu Beginn der 90er
Jahre haben Sie exakt den gleichen Fehler gemacht, natürlich gestützt durch eine besondere Situation, ohne aus
den früheren Konstellationen die immer zu Beschäftigungseinbrüchen geführt haben, zu lernen. Sie haben
gegen den Rat auch der Bundesbank und der Sachverständigen den Aufbau Ost über Gebühr kreditfinanziert,
also eine expansive Finanzpolitik betrieben. Auf Grund
von Plakaten, die ich in Berlin gesehen habe - man hört
diesen Quatsch ja schon wieder: gleicher Lohn für gleiche Arbeit -, setzte man dann auch noch eine Lohndrift
in Gang, die weit über das Produktivitätsziel hinausschoß. Man hatte genau die Konstellation der 70er Jahre,
und die Geldpolitik konnte nur durch scharfes Treten auf
die Bremse mit einem Diskontsatz von 83/4 Prozent gegenhalten. Dieses unabgestimmte Vorgehen, aus dem
Sie offensichtlich immer noch nichts gelernt haben, hat
dann zu einem deutlichen Wiederanstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Ich bitte Sie, einmal über diese Zusammenhänge nachzudenken und dann vielleicht auch zu
den entsprechenden Schlußfolgerungen zu kommen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Entschuldigung, daß ich die Redezeit etwas überzogen habe.
({4})
- Das überlassen wir immer den Wählerinnen und
Wählern, verehrter Herr, und da haben Sie in letzter Zeit
ein bißchen schlecht ausgesehen.
({5})
Wir stellen fest, daß die Wählerinnen und Wähler uns
den Auftrag gegeben haben, die Wirtschafts- und Finanzpolitik zu ändern.
({6})
Sie haben uns den Auftrag gegeben, die Steuerpolitik zu
ändern. Sie haben uns den Auftrag gegeben, die Lohnnebenkosten zu senken und dabei Fehlentwicklungen
aus der deutschen Einheit zu korrigieren, und sie haben
uns den Auftrag gegeben, eine Wirtschafts- und Finanzpolitik zu machen, um die Arbeitslosigkeit abzubauen.
Ich will an einem Satz noch einmal deutlich machen,
warum Ihre Ablösung notwendig war. Wie oft haben Sie
hier gestanden und gesagt: Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause! Die Regierung Schröder sagt: Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause, aber mehr
und mehr auch auf europäischer Ebene. Deshalb wartete
ganz Europa auf eine neue deutsche Regierung.
({7})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lafontaine, Sie
haben viel über Europa gesprochen. Das hatte durchaus
einen Sinn. Aber wir hätten doch erwartet, daß Sie heute
morgen einmal zu den Spekulationen, die Sie selbst in die
Welt gesetzt haben, ein Wort sagen, nämlich ob Sie nun
hier in Deutschland ein Finanzminister auf Abruf sind,
({0})
ob Sie also die Lage, in der Sie jetzt sind, nämlich die
Nummer zwei zu sein, eben nicht so lange ertragen und
wieder die Nummer eins werden wollen. Herr Lafontaine, dazu hätte von Ihnen heute morgen durchaus ein klärendes Wort kommen können.
({1})
- Die Tatsache, daß Sie so unruhig werden, zeigt doch,
daß Sie sich offensichtlich mit dem Gedanken anfreunden, Ihren Parteivorsitzenden zu verlieren.
({2})
Meine Damen und Herren, ich will zu Beginn auf
einige Punkte zu sprechen kommen, die Sie, Herr Lafontaine, in Ihrer Einführung dargelegt haben. Lassen
Sie mich zunächst zu dem Thema der Zinsquote im
Bundeshaushalt etwas sagen. Es ist wahr, die Zinsquote
des Bundeshaushaltes ist relativ hoch. Sie ist aber auch
deshalb so hoch, weil wir die finanziellen Lasten, die
mit der Überwindung der deutschen Teilung verbunden
waren, ganz überwiegend über den Bundeshaushalt finanziert haben. Dazu, Herr Lafontaine, haben Sie nicht
ein einziges Wort gesagt.
({3})
Beim Bundeshaushalt haben wir schon eine etwas andere Lage als beim Haushalt des Saarlandes, den Sie bis
vor kurzem noch zu verantworten hatten, Herr Lafontaine. Ich werde auch auf die Geldpolitik gleich noch zu
sprechen kommen.
Lassen Sie mich vorweg etwas zu den versicherungsfremden Leistungen sagen, die Sie angesprochen
haben. Herr Lafontaine, richtig ist, daß auch die Sozialversicherungssysteme in der Bundesrepublik Deutschland über eine gewisse Zeit - wie alle öffentlichen
Haushalte - von den Konsequenzen aus der Überwindung der deutschen Teilung betroffen waren. Aber Sie
selbst, die SPD-Bundestagsfraktion, wir alle haben in
diesem Jahr gemeinsam eine Mehrwertsteuererhöhung
beschlossen.
({4})
Diese ist am 1. April 1998 in Kraft getreten. Der Bundesrat hat dem mit der Mehrheit der SPD-geführten
Bundesländer zugestimmt. Mit Leistungen aus dem
Bundeshaushalt von jetzt insgesamt gut 100 Milliarden DM im Jahr 1999 sind sämtliche sogenannten versicherungsfremden Leistungen, die die Rentenversicherung zu tragen hat, abgegolten. Das Thema versicherungsfremde Leistungen, Herr Lafontaine, ist erledigt.
({5})
Das, was Sie jetzt beginnen, ist eine Umverteilung aus
dem Steuerhaushalt in die Sozialhaushalte. Ich zitiere hier
einmal aus dem Buch Ihres Ministerkollegen Bodo Hombach - der jetzt gerade nicht da ist -, einem Buch, das ich
mit großem Interesse gelesen habe, das ich mir beinahe
sogar gekauft hätte, um einen Beitrag dazu zu leisten, daß
er irgendwann einmal sein Haus bezahlen kann.
({6})
In diesem Buch schreibt Herr Hombach:
Langfristig darf es aber nicht einfach bedeuten, daß
beitragsfinanzierte Lasten nun auf steuerfinanzierte
Lasten umgewälzt werden.
Wörtlich heißt es weiter:
Das hieße, von einer Tasche in die andere zu wirtschaften.
Herr Lafontaine, mit der Umfinanzierung aus dem Steuerhaushalt in die Sozialhaushalte beginnen Sie genau mit
diesen Umfinanzierung von einer Tasche in die andere.
({7})
Nachdem Sie, Herr Bundeskanzler, am Dienstag in
Ihrer Regierungserklärung - man mußte schon ziemlich
aufmerksam zuhören, um das auch wahrzunehmen - zu
Recht einen Hinweis darauf gegeben haben, daß die
Staatsquote in Deutschland weiter sinken müsse, hätten
wir nun von Ihnen, Herr Lafontaine, als dem dafür zuständigen Bundesfinanzminister erwartet, daß Sie dieses
etwas konkreter darlegen. Denn aus der Summe von
Abgabenquote und Sozialleistungsquote, also aus dem
Staatsverbrauch, ergibt sich die Staatsquote. Gegenwärtig sinkt die Staatsquote in der Bundesrepublik
Deutschland - richtigerweise.
({8})
Wenn Sie weitere Umfinanzierungen vornehmen, wird
die Staatsquote steigen. Nun sagen Sie bitte nicht, dies
sei nur eine akademische Größe, über die sich vielleicht
irgendwelche Finanzpolitiker unterhalten, die aber gesamtwirtschaftlich keine Bedeutung habe. Das Gegenteil
ist richtig.
Die Bundesregierung unter Helmut Kohl hat in den
Jahren von 1982 bis 1991 die Staatsquote in der Bundesrepublik Deutschland von den gut 51 Prozent, die sie
von Helmut Schmidt übernommen hatte, auf gut 46 Prozent abgesenkt. Das Ergebnis war, daß in diesen Jahren
in Deutschland 3,2 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen konnten.
({9})
Wenn Sie, Herr Lafontaine, ohne Rückführung der gesamten Abgabenbelastung eine reine Umfinanzierung
durch Umschichtung von Geldern aus den Steuerhaushalten in die Sozialhaushalte vornehmen, werden Sie das
Ziel, das Sie sich gesetzt haben und das wir teilen, nämlich die Absenkung der Arbeitslosigkeit, nicht erreichen.
Damit schon zu Beginn - wir reden ja über die
Schluß- und die Eröffnungsbilanz - die richtigen Zahlen
unserer weiteren Diskussion zugrunde gelegt werden,
will ich nicht nur die Arbeitslosenzahlen, sondern vordringlich noch einmal die Beschäftigtenzahlen nennen.
In der Zeit zwischen Dezember 1982 - das war der Beginn der 16jährigen Amtszeit von Helmut Kohl - und
Herbst 1992 - das war der Höhepunkt des Aufbaus an
neuer Beschäftigung - haben wir eine Zunahme der Zahl
der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 20,1
Millionen auf 23,3 Millionen erlebt. Die Zahl der soziFriedrich Merz
alversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland
ist also um 3,2 Millionen gestiegen. Von diesen 3,2
Millionen zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnissen gibt es heute in den alten
Bundesländern immer noch 1,8 Millionen.
Damit wir von den richtigen und den gleichen Zahlen
ausgehen, Herr Lafontaine, wenn wir uns in den nächsten Jahren hier im Hause häufiger über Mißerfolge und
Erfolge der Politik Ihrer Regierung unterhalten, halte ich
fest: Wir haben heute in den alten Bundesländern immer
noch 21,9 Millionen Beschäftigte. Ich nenne diese Zahlen deswegen und lasse sie auch im Protokoll festhalten,
damit Sie nicht in einem Jahr herkommen und sagen:
Wir haben dadurch, daß wir mehrere hunderttausend
Menschen in die Frühverrentung oder in die Rente geschickt und ein paar hunderttausend Jugendlichen neue
Arbeit verschafft haben, das Problem der Arbeitslosigkeit gelöst. Herr Lafontaine, das Problem der Arbeitslosigkeit in Deutschland werden Sie nur lösen, wenn die
Arbeitslosenquote sinkt und die Beschäftigtenquote in
Deutschland steigt. Anderes lassen wir nicht durchgehen.
({10})
Sie haben erfreulicherweise - ich sage das wirklich
ohne irgendwelche Hintergedanken - im wesentlichen
darauf verzichtet, eine Rede über die Erblast zu halten,
die Sie von Helmut Kohl und Theo Waigel übernommen
haben.
({11})
- Herr Poß, ich komme auf die Haushaltszahlen gleich
noch zu sprechen. Aber, Herr Bundeskanzler, diesen
Hinweis kann ich mir nicht verkneifen: Der einzige Teil
ihrer Regierungserklärung, den Sie am Dienstag in freier
Rede gehalten haben und in dem eine gewisse Emotion
bei Ihnen zu erkennen war - ansonsten war Ihre Rede
völlig emotionslos, wie das die Presse zutreffend beschrieb -, war der Teil, in dem Sie sich mit der Jugendarbeitslosigkeit beschäftigt haben.
({12})
Herr Schröder und Herr Lafontaine, es ist in der Tat
wahr: Wir haben in Deutschland ein Problem im Bereich
der Jugendarbeitslosigkeit.
({13})
Dieses Problem stellt sich in den einzelnen Bundesländern aber höchst unterschiedlich dar.
({14})
Ich will Ihnen die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit
nicht vorenthalten: Wir haben im Saarland eine Jugendarbeitslosigkeit von 11,2 Prozent, in Niedersachsen
von 11,5 Prozent, in Hamburg von 14,2 Prozent, in
Brandenburg von 15,7 Prozent und in Sachsen-Anhalt,
wo jetzt die DVU im Landtag sitzt - das eine hat etwas
mit dem anderen zu tun -, von 16,5 Prozent.
({15})
Das ist in der Tat für die neue rotgrüne Regierung
unter Oskar Lafontaine eine Erblast, die Sie mit nach
Bonn bringen. In Bayern liegt die Jugendarbeitslosigkeit
bei 5,8 Prozent und in Baden-Württemberg bei
7 Prozent.
({16})
In diesen Ländern gibt es das Problem in dem von Ihnen
so emotional beschriebenen Umfang nicht, Herr Bundeskanzler.
({17})
Lassen Sie mich noch einmal auf die Ausgangslage
zu sprechen kommen, die Sie vorfinden. Zur Schlußbilanz der Regierung Helmut Kohl und zur Eröffnungsbilanz der Regierung Lafontaine
({18})
- Entschuldigung: der Regierung Schröder - gehört:
({19})
Die Währung ist stabil, die Arbeitslosigkeit sinkt, die
Gesamtverschuldung ist rückläufig, das Staatsdefizit
wird in diesem Jahr weit unter dem MaastrichtKriterium von 3 Prozent, nämlich bei ungefähr 2,5 Prozent liegen. Damit liegen alle gesamtwirtschaftlichen
Rahmendaten und Plandaten für den Bundeshaushalt auf
dem Tisch - und nicht erst seit dieser Woche, Herr Lafontaine, sondern schon seit drei oder vier Wochen. Es
gab zu keinem Zeitpunkt irgendeine Zahl, die Sie nicht
kennen konnten und die Ihnen die Beamten Ihres Hauses
- Sie haben aus der gesamten Führungsetage nur einen
Beamten übernommen - nicht vorgelegt haben. Alle
Rahmendaten und alle Plandaten liegen Ihnen vor.
({20})
Das Fazit lautet: Die neue Bundesregierung übernimmt
nicht eine Erblast, sondern sie trifft auf alle Voraussetzungen für einen dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland in den nächsten Jahren.
({21})
Dies wird durch die gestern veröffentlichte Steuerschätzung eindrucksvoll belegt.
({22})
Im Jahre 1998, im ersten Jahr eines beginnenden
wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland, werden
die Staatseinnahmen aller Gebietskörperschaften, also
des Bundes, der Länder und der Gemeinden, um
7,8 Milliarden DM höher sein, als noch im Mai dieses
Jahres geschätzt. Davon entfallen - ich will diesen Punkt
nur der Vollständigkeit halber erwähnen, weil an uns
häufig die Kritik geübt worden ist, wir ließen die Gemeinden allein - über 5 Milliarden DM auf die Kommunen. Dies ist ein großartiger Erfolg der Finanz- und
Wirtschaftspolitik des Jahres 1998, die wir noch zu verantworten hatten.
({23})
Herr Lafontaine, es gibt im nächsten Jahr nicht etwa
eine große Lücke und Defizite auf Grund der Verhältnisse, die Sie vorgefunden haben. Vielmehr werden die
Gebietskörperschaften insgesamt im nächsten Jahr höhere Steuereinnahmen von insgesamt 38 Milliarden DM
gegenüber dem laufenden Jahr 1998 haben. Davon entfallen mehr als 26 Milliarden DM auf den Bund. Sie finden einen Haushaltsplan und einen Etat für das nächste
Jahr vor, Herr Lafontaine, der Ihnen 26 Milliarden DM
höhere Einnahmen als im laufenden Haushaltsjahr 1998
bringt. Das heißt im Klartext: Der Bund hat gegenüber
dem laufenden Jahr 1998 um 7,5 Prozent höhere Steuereinnahmen. Ich komme auf dieses Thema noch zu sprechen.
Diese Zahlen zeigen zweierlei: Erstens. Die von Ihnen häufig zitierte Steuerquote steigt. Zweitens. Sie finden im Bundeshaushalt den Spielraum für eine durchgreifende Steuerreform mit Nettoentlastungen bei
gleichzeitiger Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage vor.
({24})
Herr Minister Lafontaine, wenn Sie jetzt bestreiten,
daß Sie bei diesen Steuermehreinnahmen des kommenden Jahres den Spielraum für eine durchgreifende Steuerreform haben, dann haben Sie mit den Steuereinnahmen, die Sie im nächsten Jahr zusätzlich haben werden,
etwas anderes vor als eine vernünftige Steuerpolitik.
({25})
Ich sage Ihnen vorsorglich - denn es gab heute in den
Zeitungen wieder Hinweise auf Art. 115 des Grundgesetzes, der die Grenze der Neuverschuldung des Bundeshaushaltes bestimmt -:
({26})
Die steigenden Steuereinnahmen, die sich langsam abbauende Arbeitslosigkeit in Deutschland, die zurückgehende Verschuldung der öffentlichen Haushalte und die
anhaltende Preisstabilität verbieten Ihnen schon jetzt für
das gesamte nächste Jahr die Feststellung der Störung
des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.
({27})
Herr Lafontaine, es gibt jetzt im übrigen überhaupt
keinen Grund mehr dafür, daß Sie dem Bundestag den
Entwurf des Haushaltsplanes für das Jahr 1999 vorenthalten. Wir erwarten, daß Sie spätestens in der ersten
Dezemberwoche den Etatentwurf für das Jahr 1999
vorlegen.
({28})
Nun lassen Sie mich noch einmal auf die Steuerpolitik im engeren Sinne zurückkommen und auf einige
grundlegende Unterschiede hinweisen, die uns in der Tat
trennen. Zunächst zu dem von Ihnen immer wieder angesprochenen Begriff der Steuerquote. Herr Lafontaine,
Sie wissen genauso gut wie wir, daß die volkswirtschaftliche Steuerquote überhaupt nichts darüber aussagt, wie hoch die tatsächliche Steuerbelastung der einzelnen Steuerzahler ist. Ich will Ihnen auch sagen, warum die Steuerquote kein Parameter für eine gute und
vernünftige Steuerpolitik ist. Wir haben durch die Anhebung bzw. Verdoppelung des Grundfreibetrages, die
im Jahre 1996 - ich gebe zu, durch das Bundesverfassungsgericht erzwungen - vom Gesetzgeber durchgesetzt worden ist, und durch die Neuregelung beim Kindergeld rund 30 Prozent der Arbeitnehmerhaushalte in
Deutschland steuerfrei gestellt. Das betrifft die von Ihnen immer wieder zitierten unteren Einkommen.
({29})
Herr Lafontaine, Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen zahlen also seit 1996 praktisch keine Steuern mehr.
({30})
Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang noch etwas
zu Ihrer im wesentlichen nachfrageorientierten Steuerund Finanzpolitik sagen: Wenn Ihre Theorie stimmen
würde, daß durch eine Stärkung der Massenkaufkraft,
wie Sie das im Wahlkampf immer ausgeführt haben, die
Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu lösen seien, dann
hätte es im Jahre 1996 eine durchgreifende Veränderung
auf dem Arbeitsmarkt geben müssen.
({31})
Denn, Herr Lafontaine, im Jahre 1996 hat es durch
die Verdoppelung des Grundfreibetrages und durch die
Anhebung des Kindergeldes eine Entlastung der Arbeitnehmer in Deutschland in Höhe von netto 12 Milliarden
DM gegeben. Die Wahrheit ist - wir haben das nicht anders erwartet -, daß im Jahre 1996 durch diese Maßnahmen praktisch keine Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt eingetreten sind. Sie sagen jetzt ja noch nicht
einmal eine Nettoentlastung für die Jahre 1999 ff. voraus, sondern Sie nehmen eine reine Umfinanzierung vor,
wobei für die Steuerzahler netto keine D-Mark mehr
herauskommt.
Wir sagen Ihnen, Herr Lafontaine, voraus: Diese einseitig auf die Nachfragekraft konzentrierte Steuerpolitik
der Bundesregierung wird auf dem Arbeitsmarkt keine
positiven Ergebnisse bringen.
({32})
Wenn Sie sich einmal über die Wirkungen einer so einseitig nachfrageorientierten Steuer- und Finanzpolitik informieren wollen, dann können Sie meinetwegen
darauf verzichten, alle diesbezüglichen Dokumente der
alten Regierung zu lesen. Sie brauchen nur ein Dokument der neuen Regierung heranzuziehen. Ich zitiere
noch einmal aus dem Buch Ihres Kabinettskollegen Bodo Hombach, der richtigerweise darauf hingewiesen hat
- ich habe es gestern noch einmal nachgelesen, daß bei
einer Zunahme des verfügbaren Einkommens einer Arbeitnehmerfamilie um 100 DM für den Binnenmarkt
27,23 DM übrigbleiben.
({33})
Er weist zudem darauf hin, daß aus der Sicht des Unternehmers eigentlich nicht 100 DM, sondern 121 DM aufgewendet werden müssen, weil der Arbeitgeber natürlich einen zusätzlichen Anteil an Sozialversicherungsbeiträgen zu zahlen hat.
({34})
Also, Herr Lafontaine, die Arbeitskosten und die
Steuerquote und damit die Steuerbelastung in Deutschland müssen gesenkt werden, damit wir zu einer durchgreifenden Entlastung der Familien und der Betriebe
kommen.
Damit hier gar keine Mißverständnisse auftreten:
Niemand von uns widerspricht der Anhebung des Kindergeldes.
({35})
Jeder von uns wünscht sich, daß wir noch höhere Leistungen an die Familien zahlen könnten. Aber was nützt
es einem Familienvater, wenn er am 1. Januar 1999 ein
höheres Kindergeld bekommt und am 1. Juli 1999 arbeitslos wird? Das nützt ihm überhaupt nichts, Herr Lafontaine.
({36})
Entscheidend ist, daß wir die strukturellen Probleme
auf dem Arbeitsmarkt - das sind die strukturellen Probleme unseres Steuersystems und unserer Sozialversicherung - lösen. Hier sage ich Ihnen noch einmal: Wir
vertreten eine völlig andere Philosophie.
Das Problem, das die Bundesrepublik Deutschland im
international sich verschärfenden Wettbewerb hat, ist
nicht in erster Linie eine Nachfrageschwäche, sondern
das Problem, das wir in der Bundesrepublik Deutschland
haben, ist eine trotz aller Bemühungen der letzten Jahre
anhaltende Investitions- und Wachstumsschwäche der
deutschen Volkswirtschaft.
Ich will Ihnen das an einem ganz einfachen Beispiel
nachweisen, einem Beispiel, das nun wirklich nichts mit
ungezügeltem Shareholder-Kapitalismus zu tun hat,
sondern es sind Fakten, die noch nicht einmal Ihre Ehefrau in Frage stellen dürfte, Herr Lafontaine.
({37})
Wir in der Bundesrepublik Deutschland haben im internationalen Vergleich mit die geringste Risikoprämie
für eingesetzes Eigenkapital. Diese Risikoprämie, die
sich als der Abstand zwischen den Zinsen definiert, die
Sie für risikolose Staatsanleihen bekommen, und den
Zinsen, die Sie für risikobehaftetes Eigenkapital in unternehmerischer Tätigkeit bekommen, beträgt in der
Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig zwischen 0,5
und 1 Prozent.
Das heißt im Klartext: Ein Unternehmer in Deutschland, der sein Geld nicht zur Bank trägt, sondern es als
Investitionskapital in das Unternehmen steckt - risikobehaftet, mit vollem persönlichen Risiko - hat in
Deutschland gegenwärtig die Chance, 0,5 bis 1 Prozent
mit Arbeit mehr zu verdienen, als wenn er es - ohne Arbeit - auf der Bank ließe.
({38})
Die Risikoprämie in den wichtigsten Wettbewerbsländern der Bundesrepublik Deutschland - ich nenne nur
einmal zwei: Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika - beträgt 10 Prozent.
Jetzt lassen Sie mich, weil Sie es angesprochen haben, noch ein Wort zu Amerika sagen. Sie können sich
natürlich nicht immer nur die Rosinen herauspicken und
sagen: „Was dort in Amerika so gut ist, übernehmen
wir,“ aber den Rest verschweigen Sie großzügig. Herr
Lafontaine, Sie wissen es, - und der Bundeswirtschaftsminister wird es vielleicht aus eigener Anschauung noch besser wissen -, daß die Amerikaner die notwendige Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die wir
hier von dieser Stelle aus immer wieder angemahnt und
die Sie immer wieder blockiert haben, längst hinter sich
haben.
({39})
Herr Lafontaine, das konnten Sie jetzt nicht sehen.
Ich will fair bleiben, aber beim Bundeswirtschaftsminister war ein leichtes Nicken zu erkennen.
Die Amerikaner haben die strukturellen Reformen
des Arbeitsmarktes und der Sozialversicherungssysteme
- soweit man in Amerika überhaupt von Sozialversicherung sprechen kann - längst gemacht. Wenn Sie also mit
Amerika vergleichen, Herr Lafontaine, dann bitte doch
nur dann, wenn Sie gleichzeitig zugestehen, daß wir einige grundlegende Reformen unseres Sozial- und Steuersystems zusätzlich brauchen.
Da offensichtlich Tony Blair - lassen Sie mich nun
etwas zu Großbritannien sagen - eines Ihrer großen
Vorbilder ist, lassen Sie mich anmerken, daß der Premierminister von Großbritannien bereits zweimal nach
seiner erfolgreichen Wahl die Körperschaftsteuersätze
gesenkt hat. Herr Lafontaine, Sie stellen die Senkung
der Körperschaftsteuersätze für das Jahr 2002 in Aussicht.
({40})
Bis dahin werden Sie durch die Verbreiterung der
steuerlichen Bemessungsgrundlage die Unternehmen in
der Bundesrepublik Deutschland mit höheren Steuern
massiv belasten. Das ist die Wahrheit in Deutschland.
({41})
Ich will wegen der Kürze der Zeit darauf verzichten,
zu einzelnen Aspekten - wir werden dazu noch Gelegenheit haben - Ihrer steuerpolitischen Vorschläge
Stellung zu nehmen. Ich hätte gerne noch etwas zum
Thema steuerliche Bemessungsgrundlage, Teilwertabschreibung und all diesen Dingen gesagt. Sie haben aber
zugesichert - dafür bedanke ich mich -, daß darüber im
Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal geredet
werden kann. Darüber muß geredet werden, weil es eine
Reihe von höchst problematischen Vorschlägen gibt, die
Sie hier gemacht haben.
Lassen Sie mich noch etwas Grundsätzliches sagen.
Herr Kollege Merz,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Poß?
Das tue ich deswegen
gern, weil er dann aufhören kann, zu schreien.
({0})
Herr Kollege Merz, ich höre
gern auf, zu schreien, wenn Sie aufhören, die Unwahrheit zu sagen.
({0})
Könnten Sie dem Hohen Hause bitte bestätigen - Sie
sind doch sicher in der Lage, Gesetzentwürfe zu lesen -,
daß die Körperschaftsteuer nach unserem Gesetzentwurf
im ersten Schritt schon im Jahre 1999 von 45 auf
40 Prozent gesenkt wird? Das Ziel von 35 Prozent ist für
das Jahr 2002 - wenn möglich, schon früher - angepeilt.
Könnten Sie dem Hohen Hause bitte bestätigen, daß dadurch eine nachhaltige Entlastung der Wirtschaft erfolgt?
Herr Poß, wenn es zu
Ihrer Beruhigung beiträgt, bestätige ich Ihnen gern, daß
Sie eine marginale Absenkung
({0})
- lassen Sie mich doch wenigstens aussprechen - des
Steuersatzes für die betrieblichen Einkünfte im Einkommensteuergesetz und eine geringfügige Absenkung
des Körperschaftsteuersatzes zum 1. Januar 1999 vorschlagen. Gleichzeitig treten fast alle Maßnahmen in
Kraft, die zur Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage herangezogen werden. Dies heißt im Klartext:
Sie werden in den Jahren 1999, 2000 und 2001 die Betriebe in Deutschland mit erheblich höheren Steuern belasten, als sie im laufenden Jahr 1998 belastet wurden.
Das ist die Wahrheit.
({1})
Herr Poß, wenn Sie uns nicht glauben, dann lesen Sie
doch die frei gehaltene Rede des Bundesfinanzministers,
dem ich gut zugehört habe!
({2})
Er hat sich ausdrücklich dazu bekannt, daß die Steuerbelastung für die Betriebe steigen und für die Arbeitnehmer sinken muß. Das ist seine Philosophie.
({3})
Das ist die Wahrheit, Herr Poß.
({4})
Herr Poß möchte
noch einmal nachfragen.
Nein, ich möchte jetzt
gern zum Schluß kommen.
Gestatten Sie eine
Zwischenfrage des Kollegen Solms?
Dann lasse ich auch
noch eine weitere Zwischenfrage von Herrn Poß zu.
Herr Solms, bitte schön.
Herr Kollege,
würden Sie bitte, um die Fakten richtigzustellen, dem
Kollegen Poß mitteilen, daß von der rotgrünen Regierung geplant ist, den Körperschaftsteuersatz erst zum
1. Januar 2000 in einer ersten Stufe zu senken.
({0})
Ich habe es hier: Die gewerblichen Einkünfte für Personengesellschaften werden zum 1. Januar 1999 gesenkt,
die Körperschaftsteuersätze zum 1. Januar 2000 in einer
ersten Stufe.
({1})
Ich habe es nun wirklich schriftlich hier. Ich bitte, es
entgegenzunehmen.
Herr Poß, möchten Sie
eine weitere Zwischenfrage stellen?
({0})
Bitte, Herr Poß.
Herr Kollege Merz,
({0})
können Sie dem Hohen Hause bestätigen, daß Sie vorhin
wahrheitswidrig behauptet haben, wir würden die Unternehmensteuersätze nicht vor dem Jahre 2002 senken?
Das können wir ja dann dem Protokoll entnehmen.
Herr Kollege Poß,
wenn es denn zur Klarheit beiträgt
({0})
- und zur Wahrheit -, will ich Ihnen gerne noch einmal
bestätigen, daß Ihre steuerpolitische Konzeption vorsieht
- das ist auch gar nicht ehrenrührig;
({1})
das haben Sie ausdrücklich so gewollt, ich habe Sie nur
auf die Konsequenzen hingewiesen -, daß die Steuerbelastungen zuerst eintreten und die Steuerentlastungen
später. Das ist die Konsequenz.
({2})
Das, was der Kollege Solms gerade zitiert hat, ist die
Wahrheit. Sie planen zuerst die Steuererhöhungen und
stellen für das Wahljahr 2002 geringfügige Steuerentlastungen in Aussicht. Das ist die Wahrheit.
({3})
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß
noch einmal auf die Geld- und Zinspolitik zu sprechen
kommen. Herr Lafontaine, die Zeit reicht jetzt nicht
mehr aus, um ausführlich über diese Frage zu diskutieren. Ich will nur den wesentlichen Kernpunkt unserer
Kritik an Ihren Äußerungen der letzten Wochen wiederholen. Man kann sich über die Funktion von Geldpolitik
und Notenbankentscheidungen durchaus unterhalten.
Aber wenn Sie ein Ergebnis in Ihrem Sinne gewollt
hätten, dann hätten Sie nicht mit diesen maßlosen Angriffen die Deutsche Bundesbank in die Rolle hineinversetzen sollen, überhaupt nicht anders entscheiden zu
können, als sie in der letzten Woche entschieden hat.
Herr Lafontaine, das Ergebnis Ihrer Attacken - Sie haben in Wahrheit die Europäische Zentralbank und nicht
die Deutsche Bundesbank gemeint - ist heute in den
Zeitungen nachzulesen. Das erste Ergebnis ist nicht, daß
die Geldmarktzinsen sinken, sondern das erste Ergebnis
ist, daß es einen massiven Vertrauensschwund der Öffentlichkeit in die Stabilität des Euro gibt. Das ist das
Ergebnis Ihrer Attacken auf die Notenbank.
({4})
Geldwertstabilität ist kein Selbstzweck und ist nicht
etwas, was irgendwo in den Büchern steht und was dunkel gekleidete Herren in den Elfenbeintürmen der Notenbanken für sich entscheiden. Geldwertstabilität - das
ist die Erfahrung von 50 Jahren Geldpolitik in der Bundesrepublik Deutschland - ist die Grundlage für die
Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit von Investitionen,
sie ist die Grundlage für wirtschaftliches Wachstum und
neue Arbeitsplätze, und, Herr Lafontaine, sie ist die
Grundlage für die Sicherheit von Renten, von kleinen
Einkommen und von kleinen Ersparnissen. Inflation ist
der Taschendieb des kleinen Mannes.
({5})
Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, daß Sie
ein Ablenkungsmanöver starten, indem Sie es zulassen,
daß die zwei neuen beamteten Staatssekretäre Ihres
Hauses ständig über Deflation in Deutschland reden,
und damit eine höhere Geldentwertung in Deutschland
für die Zukunft billigend in Kauf nehmen. Mit uns wird
ein solcher Weg nicht zu machen sein.
({6})
Herr Präsident, meine Damen und Herren, lassen Sie
mich zum Schluß etwas sagen, weil es notwendig ist, in
einer solchen grundsätzlichen ersten Aussprache über
die zukünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik darüber zu
sprechen. Sie werden sich auch mit der Flucht in eine,
wie Sie es formuliert haben, Politik der Wechselkurszielzonen nicht den Erfordernissen in der Bundesrepublik Deutschland entziehen können. Ich sage es sogar
umgekehrt: Die Erfahrungen, die die asiatischen Länder
gemacht haben - Indonesien, Malaysia, Korea, Thailand
-, Länder, die zum Teil seit Anfang der 80er Jahre eine
feste Wechselkursbindung an den Dollar vorgenommen
haben, sind genau andersherum gewesen. Dort, wo es
eine zu lange Bindung an Währungen gegeben hat, sind
Spekulationsblasen entstanden. Es war mit eine Ursache
für die Finanzkrise in Asien, daß die Wechselkurse nicht
die realen Austauschverhältnisse dargestellt haben.
({7})
Dies ist der falsche Weg. Die Ursachen für Krisen
internationaler, europäischer und auch nationaler Art
liegen nicht in den Wechselkursentwicklungen, sondern
in den entscheidenden politischen Weichenstellungen in
den nationalen Volkswirtschaften. Zu diesen Weichenstellungen, im Sinne des Arbeitsmarktes, im Sinne der
gesunden Entwicklung der Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, Herr Lafontaine, fordern wir Sie
auf. Wenn Sie auf dem Weg, den Sie heute morgen beschrieben haben, weiter voranschreiten, wird es nicht
mehr Beschäftigung, sondern weniger Beschäftigung,
und nicht weniger Arbeitslose, sondern mehr Arbeitslose
in Deutschland geben. Dies wird unseren entschiedenen
Widerspruch zu jeder Zeit herausfordern.
({8})
Das Wort zu einer
Kurzintervention erteile ich der Kollegin Ingrid Matthäus-Maier, SPD.
Meine sehr verehrten
Damen und Herren, der Kollege Merz hat behauptet, im
Jahr 1999, also im nächsten Jahr, werde der Körperschaftsteuersatz nicht gesenkt,
({0})
sondern erst im Jahre 2002. Der Kollege Solms hat dies
noch ausdrücklich unterstützt. Ich weise darauf hin: In
dem hier auf den Tischen liegenden Gesetzentwurf steht
auf Seite 2: Senkung des Körperschaftsteuersatzes für
einbehaltene Gewinne auf 40 Prozent ab 1. Januar 1999.
Das gleiche steht im Gesetzestext auf Seite 137, und es
steht in der Begründung zum Gesetzestext auf Seite 278.
Ich gehe davon aus, daß Sie vielleicht nicht bewußt die
Unwahrheit gesagt haben. Allerdings kommt es mir vor,
als wäre es so, weil der Kollege Poß Sie darauf hingewiesen hat. Ich fordere Sie hiermit offiziell auf,
({1})
hier heute morgen Ihre unwahre Behauptung zurückzunehmen und zu bestätigen, daß der Körperschaftsteuersatz sinkt.
({2})
Herr Kollege Merz,
Sie haben Gelegenheit zu einer Antwort.
({0})
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Es ist immer so,
wenn man frei spricht und kein ausformuliertes Manuskript hat
({0})
- Entschuldigung -, daß man Gefahr läuft, mißverstanden zu werden. Ich will das noch einmal ausdrücklich
klarstellen: Ich bezweifle nicht, daß Sie nach dem Gesetzestext, der uns gegenwärtig vorliegt - das ändert sich
ja immer wieder -,
({1})
die Absicht haben, die Steuersätze des Körperschaftsteuergesetzes bereits im nächsten Jahr zu senken.
({2})
Ich lege aber Wert auf die Feststellung - ich bleibe
dabei -, daß die Bilanz zwischen Entlastung und Belastung - ({3})
- Wir können das ja gemeinsam, Frau Matthäus-Maier,
im Protokoll noch einmal nachlesen. Ich habe gesagt
und bleibe auch dabei, daß für das Jahr 1999, für das
Jahr 2000 und für das Jahr 2001 - vor dem Zeitpunkt,
für den Sie eine weitere Absenkung der Körperschaftsteuersätze vage in Aussicht stellen; das steht nicht
in diesem Gesetzentwurf -, für diese drei Jahre, für die
Wirtschaft und damit für die Arbeitsplätze in Deutschland nicht eine geringere, sondern eine höhere Steuerbelastung kommt. Das ist die Konsequenz Ihres Gesetzentwurfes.
({4})
Davon, Frau Matthäus-Maier, habe ich nicht nur nichts
zurückzunehmen, sondern den Nachweis, daß dies so ist,
werden wir Ihnen Jahr für Jahr in den nächsten drei Jahren von dieser Stelle aus führen.
({5})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, um die Atmosphäre ein wenig zu besänftigen, erlaube ich mir, der Kollegin Kerstin Müller herzlich zu ihrem 35. Geburtstag zu gratulieren.
({0})
Ich freue mich, daß Sie Ihren Geburtstag mit uns zusammen verbringen. Alles Gute für Sie!
Nun erteile ich das Wort der Kollegin Christine
Scheel, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Nachdem
wir ja jetzt geklärt haben, wer lesen oder wer nicht lesen
kann, Herr Solms, denke ich, daß wir zur Senkung von
Unternehmensteuern 1999 an dieser Stelle zumindest
keine so klaren Aussagen mehr zu machen brauchen. Ich
brauche das alles nicht noch einmal vorzulesen. Ich denke, Sie wissen jetzt mittlerweile, wo es steht.
({0})
Herr Merz, ich finde es allerdings etwas eigenartig,
wenn Sie sagen, Sie hätten hier in freier Rede natürlich
Schwierigkeiten gehabt, die Zuordnung der Steuersatzsenkungen auf die nächsten Jahre klar vorzutragen oder
das klar im Hinterkopf zu haben. Wir waren ja auch lange genug in der Opposition. Jetzt sind wir Regierungsparteien. Man sollte doch einmal von folgendem ausgehen - das muß man wirklich einmal sagen, gerade an die
Adresse der Steuerfachleute; das gilt für Herrn Solms
genauso, wie es für Herrn Merz gilt -: Die Leute, die
sich hier hinstellen und zu einer Steuerreform reden, die
jetzt von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt
worden ist und die in kürzester Zeit zuwege gebracht
worden ist, sollten wenigstens wissen, wie die Steuersätze in den nächsten Jahren aussehen.
({1})
Mit einem Punkt, Herr Merz, ist es mir als Frau - ich
sage das wirklich bewußt - sehr ernst: Sie haben in Ihren Ausführungen Herrn Lafontaines Ehefrau, Christa
Müller, angesprochen. Anscheinend ist es für Sie unerträglich, daß eine Frau so denken kann.
({2})
Eine weitere Bemerkung vorab: Ich dachte eigentlich,
die CDU habe gelernt, daß die Vergleiche der Bundesländer, mit denen Sie durch alle Lande gezogen sind,
({3})
Ihnen im Wahlkampf nicht dienlich waren. Denn
schließlich haben sie nicht dazu geführt, daß Sie die
Wahl gewonnen haben. Ich glaube, auch in dieser DeIngrid Matthäus-Maier
batte nutzen sie nichts; denn sie bringen uns in keiner
Weise weiter.
Zum Gesetzentwurf selbst: Dieser Gesetzentwurf ist
solide durchgerechnet und sauber finanziert. Das ist der
große Unterschied zu den Entwürfen, mit denen wir es
in der Vergangenheit, in der letzten Legislaturperiode,
zu tun hatten.
({4})
Mit diesem Gesetzentwurf wird die Investitionskraft der
Unternehmen gestärkt, und die Binnennachfrage wird
entsprechend nachhaltig belebt. Es ist, Herr Merz, in
keiner Weise richtig, wenn Sie sagen, damit werde nur
Nachfragepolitik betrieben. In diesem Gesetzentwurf ist
vielmehr ein ausgewogenes Verhältnis von angebotsund nachfrageorientierter Politik verankert.
Wir haben im Wahlkampf immer gesagt, daß wir die
Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entlasten
wollen, daß wir das Zusammenleben mit Kindern begünstigen wollen. Das haben wir hier umgesetzt. Zudem
wurde - dies ist für die Ländervertreter, Herr Faltlhauser, sehr wichtig - der sehr schwierigen Situation der öffentlichen Haushalte Rechnung getragen. Auf Grund
dieser angespannten Haushaltslagen mußte in der ersten
und zweiten Stufe eine strikte Aufkommensneutralität
gewahrt werden, und erst in der dritten Stufe konnte eine
Nettoentlastung von rund 15 Milliarden DM vorgesehen
werden. Das ist richtig und finanzpolitisch äußerst vernünftig.
Nun zu dem Punkt, der immer wieder angesprochen
wird, nämlich inwiefern die Entlastung bei der Einkommensteuer mit dem Ziel der Senkung der Lohnnebenkosten und der Erhebung von Ökosteuern vereinbar
ist. Ich finde, diese Bereiche müssen zumindest punktuell in Verbindung gesehen werden. Schließlich kommt
es doch darauf an, was den Leuten am Schluß bleibt.
Das ist es, was interessiert. Die Zahlen aus bestimmten
Teilbereichen, die irgendwo herumschwirren, verunsichern die Leute nur.
Alleinerziehende mit zwei Kindern und 2 500 DM
brutto im Monat werden, Stand 1998, insgesamt mit 277
DM an Steuern und Abgaben belastet. Nach der Umsetzung der ökologisch-sozialen Steuerreform und der
Einkommensteuerreform wird ebendiese alleinerziehende Mutter oder dieser alleinerziehende Vater mit
zwei Kindern um monatlich 127 DM entlastet. Ich denke, das ist ein Schritt in die richtige Richtung; damit
wird - unter Einbeziehung der Erhebung der Ökosteuern
und der Senkung der Einkommensteuern - in diesen
Einkommensgruppen der richtige Effekt erzielt.
({5})
Um der Kritik vorzubeugen, wir hätten die Tarife
weiter senken sollen: Natürlich wäre dies wünschenswert gewesen; das wissen alle. Aber das Erbe der KohlRegierung - das muß auch in diesem Zusammenhang
betont werden - hat uns im Haushalt keinen Spielraum
gelassen. Der Bundeshaushalt weist allein für 1999 gegenüber der Waigelschen Vorstellung Risiken in Höhe
von mehr als 10 Milliarden DM aus, und den Ländern
und Kommunen geht es - ich denke, ich kann das beurteilen - auch nicht besser.
Eine alte Mär, mit der wir vielleicht endlich einmal
aufräumen sollten, ist: Wir haben die Finanzierung deswegen so geplant, weil wir den öffentlichen Kassen wie es in den Petersberger Beschlüssen der alten
Koalition vorgesehen war - Einnahmeausfälle in Höhe
von 57 Milliarden DM ersparen wollten. Herr Waigel
hat damit - das ist das Problem - immer wieder
Begehrlichkeiten geweckt, die in keiner Weise erfüllt
werden konnten. Es waren schlicht unseriöse
Vorschläge, mit denen er und auch andere aus der CDU,
CSU und F.D.P. durch den Wahlkampf gezogen sind.
Die Finanzpolitik steht jetzt endlich wieder auf einer
soliden Grundlage.
({6})
Meine Damen und Herren, auch im Wirtschaftsbereich haben wir insgesamt gute Ergebnisse erzielt. Der
Spitzensteuersatz für gewerbliche Einkünfte wird im
nächsten Jahr, wie gesagt - das haben wir jetzt alle gelernt -, auf 45 Prozent und im Jahr 2000 auf 43 Prozent
gesenkt. Die Körperschaftsteuer - das ist jetzt klar wird im nächsten Jahr von 45 auf 40 Prozent gesenkt.
Natürlich streben wir eine Unternehmensteuerreform an. Demnächst wird dafür eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese Unternehmensteuerreform hat als Ziel die
rechtsformunabhängige Besteuerung von Unternehmen,
und zwar mit einem Steuersatz von etwa 35 Prozent. Es
wäre natürlich wunderbar - dafür werden wir uns gemeinsam einsetzen -, wenn diese Reform nicht erst im
Jahr 2002, sondern schon im Jahr 2000 umgesetzt werden könnte.
({7})
Wir gehen auch einen Schritt in Richtung Gleichbehandlung aller Einkunftsarten, indem wir zukünftig zum
Beispiel - das ist ein heikles Thema, das weiß ich; ich
nenne es trotzdem - Einkünfte in der Landwirtschaft
über einen bestimmten Sockel ähnlich bzw. gleich behandeln wie gewerbliche Einkünfte. Wir haben hier natürlich auch eine soziale Komponente eingeführt: Kleinen bäuerlichen Familienbetrieben bis zu 15 Hektar soll
die Durchschnittsbesteuerung erhalten bleiben. Das ist
auch in Ordnung so.
Insgesamt - auch das muß man einmal zur Kenntnis
nehmen - gehen wir einen sehr mutigen Schritt in
Richtung Steuervereinfachung und Abbau von Steuervergünstigungen. Es gibt über 70 Maßnahmen zur Bereinigung der Bemessungsgrundlage. Das ist vom Umfang, von der Dimension her die größte Steuerreform,
die in der Geschichte der Bundesrepublik jemals mit
einer solch affenartigen Geschwindigkeit - positiv gesehen - und so gut durchgerechnet vorgelegt worden ist.
({8})
Außerdem ist es gelungen - da hatten Sie angeblich
immer Ihre Probleme -, durch eine frühzeitige Einbindung der Bundesländer in die Beratungen sicherzustellen, daß im Bundesrat die nötigen Abstimmungsergebnisse erzielt werden können, um diese Reform sehr
schnell auf den Weg zu bekommen.
Es gibt einen negativen Begleiteffekt der Diskussionen, die in den letzten Tagen, in den letzten Wochen geführt worden sind. Man muß feststellen, daß die Erarbeitung dieses Konzeptes teilweise regelrecht zu einem
Spießrutenlaufen geworden ist. Ich meine, es ist ziemlich einmalig, daß, bevor ein Gesetz im Entwurf vorliegt, von allen möglichen Gruppen und Kreisen aus der
Opposition, aus der Bevölkerung und vor allen Dingen
von einigen wenigen aus der Wirtschaft Kritik geübt
wurde, Nebelkerzen ins Blaue geworfen wurden. In den
laufenden Beratungen müssen sie aber feststellen, daß
sich einige der Vorbehalte und auch Teile der Kritik erübrigen. Dies ist natürlich etwas schwierig, weil so bestimmte Stimmungen erzeugt werden.
Es ist auch unwahr, daß insbesondere die kleinen und
mittleren Unternehmen die Hauptlast dieser Reform zu
tragen haben. Kleine und mittlere Unternehmen werden
entlastet, und zwar in einer Größenordnung von etwa
4 Milliarden DM. Belastet werden Großunternehmen
und Konzerne. Das sind genau die, die in den letzten
Jahren einen Gestaltungsspielraum genutzt haben. Das
hatte mit Steuergerechtigkeit und mit leistungsgerechter
Besteuerung überhaupt nichts mehr zu tun. Das fahren
wir zurück, um die Gerechtigkeit auch innerhalb des
Unternehmensbereiches wiederherzustellen.
({9})
Die Gesamtgewinnbelastung der Unternehmen wird
übrigens nicht geschmälert; es gibt eine zeitliche Verschiebung bei der Besteuerung. Heute werden sehr früh
stille Reserven gebildet, die am Ende der Besteuerung
irgendwann wieder aufgelöst werden. Dies wollen wir in
der nächsten Zeit verhindern. Das ist auch richtig.
So zeigt dieser Entwurf, daß die meisten Befürchtungen auch in der Frage der Unternehmensbesteuerung
unbegründet sind und daß gerade im Bereich des Mittelstandes einiges getan wird.
Ich sage Ihnen noch ein Beispiel. Unternehmerische
Verluste bleiben trotz neuer Mindestbesteuerung voll
verrechenbar. Der Verlustrücktrag wird für Verluste
bis 2 Millionen DM auf ein Jahr begrenzt. Bis Ende 2000 bleibt dies erhalten; dann haben wir sehr niedrige Steuersätze, dann ist das in Ordnung. Der Verlustvortrag bleibt weiter unbegrenzt möglich. Die Mär, daß
die kleinen und mittelständischen Unternehmen von den
Möglichkeiten, die sie heute haben, nicht mehr Gebrauch machen können, ist einfach falsch. Deswegen ist
es notwendig und richtig, hier zu sagen, daß wir selbstverständlich die ganze Zeit vor allem an die kleinen und
mittelständischen Unternehmen gedacht haben.
({10})
Es ist auch für die Arbeitgeber sinnvoll, daß wir vom
1. Januar an die Kindergeldauszahlungen nicht mehr
über die Arbeitgeber vornehmen. Dies wird nach Berechnungen des Deutschen Industrie- und Handelstages
eine Entlastung von 60 Millionen DM bei den Verwaltungskosten bringen. Das ist, finde ich, ein gutes Angebot an die Arbeitgeber.
({11})
Wenn hier von der Opposition immer wieder der
Topf aufgemacht wird, wir würden die Unternehmen in
der Bundesrepublik Deutschland über Gebühr schröpfen, so möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen, Herr Dr.
Waigel, daß in den - ({12})
- Ich sagte ja: Ich rufe in Erinnerung. Ich habe nicht gesagt, daß Sie etwas gesagt haben. Ich möchte nur bitten,
daß Sie sich in Erinnerung bringen, daß die alte Regierung
({13})
in den Petersberger Steuerbeschlüssen zum Beispiel
Regelungen zum Thema außerordentliche Einkünfte
hatte. Das hatten Sie in gleicher Form vorgesehen, wie
wir es jetzt tun: Wegfall des halben durchschnittlichen
Steuersatzes, statt dessen progressionsmildernde Besteuerung durch rechnerische Verteilung auf fünf Jahre.
Deswegen braucht es hier von seiten der jetzigen Opposition überhaupt kein Geschrei zu geben. Das ist das,
was damals sinnvoll war; das haben wir übernommen.
Was nicht sinnvoll war, haben wir eben anders gestaltet.
({14})
Aus bündnisgrüner Sicht sind die wesentlichen Reformziele bei der Einkommensteuer erreicht worden: die
dringende Entlastung von Durchschnittsverdienern,
Aufkommensneutralität, Lichtung des Steuerdschungels.
Aber in einigen Punkten wären wir - das müssen wir der
Ehrlichkeit halber sagen; ich finde es gut, daß wir das so
handhaben können - natürlich gern weitergegangen. Das
ist klar.
Wir hätten gerne eine stärkere Erhöhung des Kindergeldes gehabt, um den Kinderfreibetrag überflüssig zu
machen. Aber wir denken, daß wir in den nächsten Jahren noch Zeit genug haben, um gemeinsam einen Schritt
weiterzukommen.
({15})
Nachbesserungsbedarf gibt es aus unserer Sicht auch
bei der Kilometerpauschale. Nach wie vor setzen wir
uns für eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale ein, die auch den Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel gerecht wird.
({16})
Wir wissen ja, daß die heutige Kilometerpauschale mißbrauchsanfällig ist und weit über den realen Kosten
liegt.
({17})
Wir wollen uns auch weiterhin für eine weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes stark machen, um verstärkt Impulse für ausländische Unternehmen, die hier
investieren und bei denen es auch darum geht, was der
Manager verdient und wie hoch er besteuert wird, zu
setzen.
Zusammenfassend möchte ich sagen, daß vom vorgelegten Steuerentlastungsgesetz mit Sicherheit Impulse
für mehr Beschäftigung und Binnennachfrage ausgehen
werden. Daß die bisher in der Bundesrepublik Deutschland geäußerten Befürchtungen im Ausland so überhaupt nicht gesehen werden, wie Sie das immer gern
darstellen, zeigt ein Artikel aus der „Financial Times“
vom 13. Oktober 1998. Dort steht geschrieben:
Dieser Steuerplan gibt einigen Grund zur Hoffnung. Er ist ziemlich vernünftig und stufenweise
vielleicht unvermeidbar angesichts des ungünstigen
globalen Wirtschaftsklimas. Aber seine Betonung
auf Transparenz ist ein definitiver Schritt in die
richtige Richtung. Die Entscheidung, den Plan fiskalisch neutral zu halten, ist ebenso begrüßenswert. Mit einer Staatsverschuldung von immerhin
2,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts hat Deutschland nicht viel Spielraum für Neuverschuldung.
({18})
Das ist eine Aussage, die deutlich macht, wie wir im
Ausland wahrgenommen werden. Ich finde es sehr
schön, daß das so ist.
({19})
Außerdem scheint die Börse die Aufregung der konservativen Kreise nicht ganz zu teilen. Der DAX hat sich
soweit konsolidiert; die Baisse ist überwunden.
({20})
Das hat sicherlich damit zu tun, Herr Glos, daß im Unternehmensbereich jetzt das nachgeholt wird, was woanders längst üblich ist, nämlich eine objektivierte Gewinnermittlung mit reeller Ausweisung der tatsächlichen Gewinnsituation der Unternehmen. Das ist eine Anpassung
an internationale Standards, die sonst von der Industrie
immer eingefordert wurde. Dies tun wir. Ich sage: Die
Sache ist rund und schafft Steuergerechtigkeit in diesem
Land. Wir sind auf einem verdammt guten Weg.
({21})
Das Wort hat für die
F.D.P.-Fraktion der Abgeordnete Dr. Hermann Otto
Solms.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke
mich bei Frau Scheel, daß sie so sehr an den Mittelstand
gedacht hat. Nur, das hilft dem Mittelstand, der sogenannten Neuen Mitte, nichts. Sie hätten dafür etwas
durchsetzen müssen.
({0})
Der ganze Erfolg der Grünen bei der steuerpolitischen
Konzeption war, daß sie die SPD gezwungen haben, den
Spitzensteuersatz von 49 Prozent auf 48,5 Prozent zu
senken. Ein toller Erfolg, immerhin ein halber Prozentpunkt. Das wird den mittelständischen Unternehmen
nicht helfen.
Ich bestätige ausdrücklich, Herr Poß und Frau Matthäus-Maier, daß Sie bereits ab 1999 damit beginnen,
die Tarife zu senken. Nur, Sie beginnen vorsichtig zu
senken. Aber Sie setzen die Gegenfinanzierung sowie
den Abbau von Steuersubventionen und Abschreibungsbedingungen in der Wirtschaft sehr schnell durch.
({1})
Das Ergebnis wird sein, daß gerade in der Neuen
Mitte, die dazu beigetragen hat - während des Wahlkampfes auf vielfältige Weise vom Bundeskanzler geködert -, daß anders gewählt wurde, die Betrogenen zu
finden sein werden. Sie müssen die Zeche bezahlen. Die
Belastung für die mittelständischen Unternehmen steigt.
Das ist das Ergebnis. Das wird den Investitionsprozeß,
den wir brauchen, um Arbeitsplätze zu schaffen, eben
nicht in Gang setzen.
({2})
Herr Kollege
Solms, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Poß?
Bitte schön.
Herr Kollege Solms, würden
Sie bestätigen, daß auch bei den Plänen von Herrn Waigel, die erste Stufe voll gegenfinanziert war, weil der
Steuersenkungsspielraum auch nach Meinung von
Herrn Waigel nicht gegeben war, höchstens in einem
Umfang von 1,5 Milliarden DM? Diese Zahl hat er jedenfalls in der Haushaltsdebatte und in seiner Vorlage
zur symmetrischen Finanzplanung genannt.
Der ursprüngliche Plan war, die erste Stufe aufkommensneutral zu gestalten. Ihre erste Stufe ist gerade für die mittelständischen Unternehmen nicht aufkommensneutral, sondern
führt zu einer erheblichen Mehrbelastung.
({0})
Der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel hatte
auf Grund der guten Entwicklung bei den Steuereinnahmen vor der Wahl in Aussicht gestellt, daß wir bei
der ersten Stufe schon eine Nettosteuerentlastung von
10 Milliarden DM ermöglichen könnten.
({1})
Das ist alles bekannt. Die Haushaltszahlen und die Steuermehreinnahmen, wie es Herr Merz auch dargestellt
hat, würden das auch für Sie zulassen. Aber Sie brauchen ja das Geld, um Ihre Wahlgeschenke zu finanzieren. Deswegen bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als den
Steuerzahler, der zu hoch belastet ist, nicht zu entlasten.
({2})
Ich bin dem Bundesfinanzminister ausgesprochen
dankbar, daß er hier bestätigt hat - es ist ja erst ein anderer Eindruck erweckt worden -, daß er Systemkorrekturen und -reformen im Sozialsystem für notwendig hält.
Ich bin dankbar, daß Sie das bestätigen.
Nur, was Sie angekündigt haben, ist doch das genaue
Gegenteil von dem, was Sie tun. Sie wollen die Rentenreform mit dem Einbau eines Altersfaktors aussetzen.
Sie wollen eine Frühverrentung einführen. Irgendein
Fonds soll das finanzieren. Natürlich müssen das Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlen - das wird dazu
nicht gesagt. Sie wollen die Gesundheitsreform wieder
so korrigieren, daß Mehrbelastungen herauskommen.
Sie wollen die Lohnfortzahlung korrigieren. Sie wollen
den Kündigungsschutz rückabwickeln.
All das wird die Belastungen erhöhen und nicht senken, wird weniger Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen und wird ihn belasten. Wenn schon Strukturreformen, dann richtige!
({3})
Ich würde von Ihnen erwarten, daß Sie Ihren Haushaltsplan, den Sie längst vorgelegt haben müßten - so
wie wir unseren Haushaltsplan vor der Bundestagswahl
vorgelegt haben -, jedenfalls vor der hessischen Landtagswahl vorlegen, damit nicht der Eindruck eines
Wahlbetrugs oder Wahlmanövers entsteht.
({4})
Das heißt: spätestens im Januar des nächsten Jahres.
Nein, die Tarifreform, die Sie vorlegen, ist nicht ausreichend. Sie erreichen nämlich nicht die notwendige
Senkung der Steuerbelastung, die Voraussetzung dafür
ist, daß der Leistungsprozeß angeregt und finanziert
wird und daß Investitionen in Gang kommen.
Sie vergessen dabei - darüber ist kein Wort gesagt
worden -, daß Sie den Solidaritätszuschlag nicht abschaffen oder senken wollen. Wenn Sie ihn zum Spitzensteuersatz addieren, bleiben Sie bei über 50 Prozent.
Das ist eine viel zu hohe Besteuerung, die eine entsprechende Abwehr in der Öffentlichkeit erzeugen wird.
({5})
Das kann so nicht weitergehen.
Wissen Sie, was Ihr zentraler Fehler ist? - Wie Sie
die Menschen hinters Licht führen wollen. Sie rechnen
Steuerbelastung und -entlastung und Kindergeld zusammen. Nur, das Kindergeld nützt den Familien mit
Kindern.
({6})
Das ist aber ein kleinerer Prozentsatz.
Die große Masse der Arbeitnehmer, die zu einem gut
Teil nicht vom Kindergeld begünstigt wird, wird dadurch nicht entlastet. Deren Steuerbelastung bleibt hoch.
Gerade die vom Bundesfinanzminister angeführten
Facharbeiter - Krankenschwestern, Fernfahrer und wer
dabei alles zu nennen ist - werden eben fast nicht entlastet, weil Sie den Tarif zwischen dem entlasteten Eingangssteuersatz und dem gesenkten Spitzensteuersatz
kaum korrigieren. In diesem Bereich schlägt der Tarif
zu.
({7})
Daher müssen die Facharbeiter weiterhin die hohen
Grenzsteuersätze in Kauf nehmen.
({8})
Das führt dazu, daß es nicht nur die kleinen und
mittleren Unternehmen sind, die diese Last zu tragen
haben, sondern daß es eben auch die Facharbeiter sind,
die diese Last zu tragen haben. Das sind die beiden
Gruppen, die die Wirtschaft in Gang halten und den Leistungsprozeß voranbringen. Um deren Entlastung wäre
es in Wirklichkeit gegangen.
({9})
Das Steuerrecht wird durch Ihre Vorschläge auch
nicht einfacher. Sie führen zwei neue Steuerarten ein.
Wann hat es das gegeben? Wir haben in den letzten Jahren viele Steuerarten beseitigt. Eine Mindeststeuer und
eine Stromsteuer sind die zwei neuen Steuerarten.
Bei der Mindeststeuer ist sowieso die Frage, ob sie
verfassungsrechtlich möglich ist. Sie wollen die sogenannten passiven Einkünfte besteuern, obwohl beispielsweise die Tätigkeit im Immobilienbereich keine
passive Tätigkeit ist. Damit erreichen Sie außerdem eine
zusätzliche Steuerungerechtigkeit, weil Einkünfte unterschiedlich behandelt werden: die einen mit Mindeststeuer, die anderen ohne Mindeststeuer. Überlegen Sie sich
noch einmal, ob Sie dabei bleiben wollen.
Die Stromsteuer führt uns zu dem Thema Einstieg in
die ökologische Steuerreform. Was ist darüber alles verbreitet worden, und was ist dabei herausgekommen? Die
Grünen, ruhmreich wie häufig, sind angetreten mit
5 DM pro Liter Benzin und sind bei 6 Pfennig mehr gelandet. Tolle Leistung! 6 Pfennig Erhöhung der Mineralölsteuer wird das Verhalten der Verbraucher in keiner Weise ändern.
({10})
Das wird also keine ökologische Wirkung auslösen.
Wegen eines um 6 Pfennig höheren Benzinpreises wird
niemand einen Kilometer weniger fahren. Das zeigt, daß
die ökologische Steuerreform nichts anderes als eine
gute Begründung für mehr Steuereinnahmen ist. Darum
geht es Ihnen ja auch.
({11})
Sie brauchen diese Steuereinnahmen eben, um die
verschiedenen Wahlgeschenke zu finanzieren.
({12})
- Die Wahlgeschenke, mit denen Sie die Wähler der
Mitte geködert haben, beispielsweise die Kindergelderhöhung, die Gesundheitspolitik, die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge,
({13})
aber auch der interessante neue Vorschlag vom Bundesfinanzminister - den ich mit Interesse zur Kenntnis genommen habe -, die Pflegeversicherung durch Steuern
zu finanzieren. Das ist ein interessanter Vorschlag.
Herr Lafontaine, wo waren Sie als Ministerpräsident
des Saarlandes, als es um die Einführung der Pflegeversicherung ging? Die F.D.P. hat damals händeringend gefordert und nach Unterstützung gesucht, die Pflegeversicherung einzuführen. Sie sollte allerdings anders finanziert werden, nicht im Umlageverfahren, sondern im
Kapitaldeckungsverfahren.
({14})
Man hätte natürlich die Lösung finden können, die
Pflegeversicherung für die pflegenahen Jahrgänge vorübergehend steuerzufinanzieren und für die jüngeren
Jahrgänge ein eigenständiges, kapitalgedecktes Versicherungssystem aufzubauen. Aber, Herr Bundesfinanzminister, auch das Saarland hat damals einem Antrag
des Bundesrates zugestimmt - 16 : 0 Stimmen -, die
umlagefinanzierte Pflegeversicherung einzuführen. Ich
will keine alten Wunden wieder öffnen. Ich sage nur:
Wir sehen jetzt, daß diese Entscheidung falsch war, weil
sie dazu beigetragen hat, daß die Arbeitsplätze durch
höhere Lohnzusatzkosten auf Grund der Beiträge zur
Pflegeversicherung belastet werden. Wir erkennen, daß
wir von diesem Weg herunterkommen müssen.
({15})
Insofern bin ich gern bereit, in der Zukunft über diese
Frage mit Ihnen zu diskutieren. Aber das muß im Sinne
einer Übergangsregelung durch Steuerfinanzierung geschehen, die zu einer individuellen, kapitalgedeckten
Pflegeversicherung hinführen muß.
Ihre Pläne zu einer Steuerreform sind so chaotisch und
wirr, weil Sie versucht haben, die unterschiedlichsten Interessen miteinander zu verbinden. Dabei herausgekommen ist eben nur der kleinste gemeinsame Nenner.
Das Ergebnis der Steuerreform wird sein, daß diejenigen, auf die es ankommt, nämlich die Facharbeiter, die
Leistungsbereiten, die Leistungsträger der Gesellschaft,
die Ingenieure, aber auch die kleinen und mittleren Unternehmen - zum Beispiel die Handwerker -, die die
Arbeitsplätze anbieten müssen, die Geld in die Hand
nehmen müssen, um etwas auf den Weg zu bringen und
zu investieren, enttäuscht sind, sich abwenden werden
und möglicherweise ins Ausland gehen werden. Genau
das ist die Gefahr, die damit verbunden ist.
Das Hinausschieben auf neue Kommissionen führt
dazu, daß wir wichtige Jahre verlieren, in denen wir im
Wettbewerb mit den Konkurrenzländern in Europa und
in der Welt zurückfallen werden. Ich kann nur an Sie
appellieren: Überprüfen Sie Ihre Pläne, machen Sie mit
uns eine Steuerreform, die für niedrigere Steuersätze
sorgt und das Steuersystem einfacher und gerechter
macht. Nur dann erzielen wir die notwendige Wirkung.
Wir müssen uns an den Konkurrenzländern und deren
Steuersystemen messen. Wenn wir deren Niveau nicht
erreichen, dann fallen wir zurück. Ihre Pläne taugen
nichts.
Vielen Dank.
Das Wort hat für die
PDS-Fraktion Frau Dr. Christa Luft.
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Wenn es wirklich so wäre,
wie die Abgeordneten der Fraktionen von CDU/CSU
und F.D.P., die hier gesprochen haben, gesagt haben,
daß eine sinkende Steuerbelastung der Wirtschaft zu
mehr Arbeitsplätzen führt, dann hätte es in der Zeit der
Regierung Kohl geradezu einen Beschäftigungsboom
geben müssen.
({0})
Denn es war die Regierung Kohl, die die Vermögensteuer ausgesetzt hat. Sie hat die Körperschaftsteuer reduziert. Sie hat den Solidarbeitrag für die Unternehmen
gesenkt, und sie hat die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft. Der Anteil der Unternehmensteuern am Gesamtsteueraufkommen in diesem Lande beträgt noch
ganze 18 Prozent.
Ich habe aber nicht vernommen, daß die Wirtschaft
inzwischen ihre nicht unerheblichen Ansprüche an die
Finanzierung öffentlicher Leistungen zurückgenommen
hat. Ich denke beispielsweise an eine exzellente öffentlich finanzierte Infrastruktur, die wir in diesem Lande
haben und die ein hervorragender Wettbewerbsfaktor ist.
Ich denke an Kultur und an eine gute Schulbildung der
Lehrlinge, die die Arbeitgeber aufzunehmen haben. Es
wird immer wieder verlangt, daß die Lehrlinge, wenn sie
in die Ausbildung kommen, mehr Schulbildung mitbringen müssen. Dies alles stellt höhere Anforderungen an
die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen. Das alles ist
teuer, das alles muß die öffentliche Hand bezahlen. Diesen Zusammenhang zwischen dem, was man von der öffentlichen Hand fordert, und dem, was man in den öfDr. Hermann Otto Solms
fentlichen Topf hineinzutun bereit ist, muß die Wirtschaft natürlich erkennen und beachten.
({1})
Trotz der erheblichen Steuerentlastungen in den vergangenen Jahren beobachteten wir aber einen ganz rigiden Personalabbau. Insbesondere die Großunternehmen haben Scheinselbständige produziert, um sich von
Sozialabgaben zu entlasten. Ihre wachsenden Gewinne
aber investierten sie nicht in die Produktion, um damit
Beschäftigung zu schaffen, sondern sie nutzten wachsende Gewinne für Finanzanlagen und Immobiliengeschäfte. Wie man diese spekulativen Geschäfte bekämpfen oder zumindest begrenzen kann, davon habe ich von
der CDU/CSU und vom F.D.P.-Sprecher leider nichts
vernommen.
({2})
Insofern ist das jetzt einsetzende Standortverschlechterungsgeschrei der Vertreter der Großindustrie wirklich
fehl am Platze. Hoffentlich läßt sich die neue Bundesregierung davon auch nicht beeindrucken.
Als durchsichtig empfinde ich es auch, wenn sich die
Großindustrie nun zum Fürsprecher des Mittelstandes
macht.
({3})
Wenn sie wirklich mit dem Mittelstand solidarisch sein
wollte, dann hätte sie ihn längst entlastet, indem sie sich
an den erheblichen Kosten für die Ausbildung junger
Menschen beteiligt hätte. Damit läßt sie jedoch den
Mittelstand, Handwerk und Gewerbe, allein. Gleichwohl
macht sie sich jetzt zum angeblichen Fürsprecher des
Mittelstandes; das ist schon ziemlich zynisch.
Wir jedenfalls halten den vorgesehenen Abbau der
steuerlichen Bevorzugung von Großunternehmen für gerechtfertigt. Wir halten das auch für fair gegenüber dem
Mittelstand, der die meisten Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze in diesem Lande schafft.
({4})
Wir könnten uns eine stärkere Förderung des Mittelstandes vorstellen, indem insbesondere eine direkte
Wirtschaftsförderung und nicht nur eine Förderung auf
dem indirekten Wege, also über Steuerentlastungen erfolgt.
({5})
Wir brauchen hier einen anderen Ansatz; den sollten wir
nicht aus dem Auge verlieren.
Vorbehaltlos ja sagen wir ebenfalls zur stärkeren Besteuerung von Veräußerungsgewinnen beim Handel
mit Wertpapieren und privaten, nicht selbstgenutzten
Grundstücken. Das ist endlich der Einstieg in die Spekulationsbekämpfung. Auch wir haben das lange gefordert, und diese Tendenz unterstützen wir ausdrücklich.
({6})
Meine Damen und Herren, das hat nichts mit Sozialneid zu tun, sondern das ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit. Es ist unsere Verpflichtung, die Sozialpflicht des
Eigentums, die die Verfassung dieses Landes vorsieht,
einzufordern.
({7})
Es muß doch aufhören, daß das Steuerrecht für eine Gesellschaftspolitik zielgebend ist, wie es die alte Bundesregierung vorhatte. Es muß doch umgekehrt sein: Gesellschaftspolitische Ziele müssen Steuerpolitik und
Steuerrecht bestimmen.
({8})
Insofern unterstützen wir die Intention des neuen Bundesfinanzministers.
Aber, Herr Bundesfinanzminister, es gibt auch
Schritte in Ihrem uns vorgelegten Paket, das ja ziemlich
umfangreich ist, die uns auf dem Wege zu mehr sozialer
Gerechtigkeit viel zu kurz ausgefallen sind. Ich nenne
zum Beispiel die Senkung des Eingangssteuersatzes und
die Kindergelderhöhung.
Die marginale Senkung des Eingangssteuersatzes
1999 wird - das vermute ich - durch Mieterhöhungen,
durch Erhöhung von Abgaben und von Tarifen aufgefressen werden, wie sie sich in den Kommunen und
überall in diesem Lande anbahnt.
Bei dem Schrittmaß, mit dem Sie die Kindergelderhöhung angehen - Sie wollen es in vier Jahren um
40 DM anheben -, bräuchten wir mehr als eine Generation, um an das Existenzminimum von Kindern heranzukommen. Das ist keine akzeptable Aussicht,
({9})
zumal diese Regierung bei der Familienpolitik neue
Maßstäbe setzen will, was wir natürlich ausdrücklich
unterstützen. Frau Scheel, wir werden Sie an das erinnern, was Sie eben gesagt haben: daß auch Sie sich ein
höheres Schrittempo bei der Erhöhung des Kindergeldes
vorstellen könnten. Wir werden darauf zurückkommen
und meinen, daß im Laufe dieser Legislaturperiode dafür noch Nachbesserungen notwendig sind.
Warum könnte man nicht, Herr Bundesfinanzminister
- auch das sollte in dem Katalog der Überlegungen einen Platz finden können -, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Kinderbekleidung und Kinderschuhe ins
Auge fassen?
({10})
Wer Kinder oder Enkelkinder hat, der weiß, wie viele
Hundertmarkscheine jeden Monat herausgehen, vor allem bei Kindern, die sich noch in der Wachstumsphase
befinden.
({11})
Auf jeden Fall - das ist unsere grundsätzliche Kritik
an Ihrem Entwurf -: Mit den vorgesehenen richtigen,
aber doch sehr marginalen Verbesserungen für untere
Einkommen und Familien läßt sich nicht kaschieren, daß
Sie die Wurzeln der in 16 Jahren Kohl-Regierung entstandenen sozialen Schieflage in diesem Lande nur sehr,
sehr zaghaft anpacken. Der Zustand wird doch eher eingefroren. Ich nenne den Grundfreibetrag.
Die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums
auf 13 000 DM im Jahre 1999 läßt sich nun wahrlich
nicht als große Errungenschaft verkaufen. Die SPD war
in der vergangenen Legislaturperiode der Auffassung,
daß dieser Grundfreibetrag bereits 1996 auf 13 000 DM
zu erhöhen sei. Die Bündnisgrünen sprachen damals von
mindestens 14 000 DM, um dem Gebot des Bundesverfassungsgerichtes nach Steuerfreistellung des Existenzminimums gerecht zu werden. Berücksichtigt man die
Erhöhung der Lebenshaltungskosten seit 1996, dann
sind 13 000 DM und auch die 14 000 DM, die ab dem
Jahr 2002 als steuerfreies Existenzminimum vorgesehen
sind, zu gering.
Die Nationale Armutskonferenz hat sich Anfang
dieses Monats dafür ausgesprochen, den Grundfreibetrag auf etwa 17 000 DM anzuheben, und das ist auch
unsere Forderung.
({12})
Den Spitzensteuersatz wollen Sie, beginnend mit
dem Jahr 2000, senken. Wir sehen, ehrlich gestanden,
dafür keine Spielräume. Auch das ist kein Ausdruck von
Sozialneid. Ich kann daran erinnern, daß es erst wenige
Monate her ist, daß die Finanzexpertinnen und -experten
der SPD-Bundestagsfraktion ebenfalls keine Spielräume
für eine Absenkung des Spitzensteuersatzes gesehen haben. Ich frage mich: Wo ist denn dieser Spielraum in
den wenigen Monaten hergekommen?
Was tatsächlich an Vergünstigungen für Besserverdienende und Unternehmen abgebaut wird, bleibt bislang noch unklar. Jeden Tag gelingt es mal diesem, mal
jenem Minister, mal auch den Unternehmerverbänden,
die Streichliste weiter schrumpfen zu lassen. Herr Bundesfinanzminister, Sie werden sich, wenn das mit der
Schrumpfung der Streichliste so weitergeht, bei gleichbleibender Wirtschaftsentwicklung ganz erhebliche Finanznöte organisieren.
Unsere Forderung ist, daß die Mehreinnahmen durch
die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage nicht zur
Finanzierung der Senkung der Spitzensteuersätze bei der
Einkommen- und Körperschaftsteuer, sondern zur Erhöhung des Grundfreibetrages und zur Senkung des Eingangssteuersatzes genutzt werden.
({13})
Damit könnte ein wirksamer Beitrag zur Entlastung gerade unterer und mittlerer Einkommen und auch der
kleinen und mittleren Unternehmen geleistet werden.
Ein darüber hinausgehendes freies Finanzierungsvolumen sollte für eine steuerbegünstigte Investitionsrücklage verwendet werden, die aus unserer Sicht für den
Mittelstand ebenfalls unendlich wichtig wäre.
Wenn ich sage, daß Sie soziale Ungerechtigkeit eher
einfrieren als spürbar abbauen, dann meine ich damit
beispielsweise, daß Sie unverständlicherweise auf die
sofortige Wiedererhebung der Vermögensteuer verzichten. Milliarden lassen Sie sich auf diese Weise entgehen. Wir können das nicht verstehen und stoßen heute
mit einem entsprechendem Antrag dazu die Debatte in
diesem Hause wieder an.
Eine weitere Kritik: Die Steuerreformpläne erwecken
über weite Teile den Eindruck, als habe man bei der
SPD nicht so richtig mit dem Wahlsieg gerechnet. Denn
sonst müßten Sie doch schon viel mehr ausgearbeitete
Konzepte in der Schublade haben. Aber hier wird vieles
auf dem Verschiebebahnhof verschoben,
({14})
indem man eine Kommission hierfür, eine Kommission
dafür bildet. Früher haben wir in der DDR gesagt: Wenn
du nicht mehr weiterweißt, bilde einen Arbeitskreis!
({15})
Ich denke, die SPD hatte Zeit genug, ihre Pläne ausgearbeitet in der Schublade zu haben.
Ich komme zum Schluß und sage Ihnen, meine Damen und Herren: Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung mehr Mut zum Ausprobieren neuer Modelle gefordert. Auf steuerpolitischem Gebiet, meinen
wir, könnte ein Weg dafür sein, beispielsweise über eine
Wertschöpfungsabgabe nachzudenken, mit der nicht
nur die Personalkosten mit Sozialversicherungsausgaben
belegt werden, sondern die gesamte Wirtschaftsleistung.
Das würde die personalintensiven kleinen und mittleren
Unternehmen entlasten. Die PDS wurde bei der Bundestagswahl 1998 von 30 Prozent der Selbständigen in
den neuen Ländern gewählt. Sie können uns glauben wir sind dort mit vielen im Gespräch -, daß diese sich
einen solchen Weg sehr wünschen.
({16})
Ich muß Sie bitten,
zum Schluß zu kommen.
Ja.
Man könnte auch neue Modelle ausprobieren. So
könnte eine Debatte über eine Devisentransaktionssteuer, zunächst zwischen den Ländern der Europäischen
Union und schließlich darüber hinaus, angeschoben
werden. All das wären aus unserer Sicht angemessene
Innovationen.
Wir werden an Ihrer Seite stehen, Herr Bundesfinanzminister, wenn es darum geht, durch die Steuerpolitik soziale Gerechtigkeit zu befördern, Anreize für
die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu stimulieren und die
Binnennachfrage anzufachen.
Danke schön.
({0})
Das Wort hat für die
SPD-Fraktion die Kollegin Frau Ingrid Matthäus-Maier.
Sehr geehrter Herr
Präsident Seiters! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Bemerkung vorweg: Auch Herr Merz hat eine
süffisante Bemerkung darüber gemacht, daß sich Christa
Müller, die Frau des Finanzministers, zur WirtschaftsDr. Christa Luft
und Finanzpolitik äußert. Das geht nun schon die ganze
Woche so. Ich habe mir das angehört. Es begann mit
Herrn Schäuble und ging mit anderen weiter, so kam das
zum Beispiel gleich mehrfach in der Rede von Herrn
Wissmann vor, der ja ein ausgewiesener Spezialist für
das partnerschaftliche Zusammenleben von Mann und
Frau ist.
({0})
Ich sage Ihnen - ich hoffe, daß damit die Debatte darüber in dieser Woche ein Ende hat,
({1})
- wer austeilt, muß auch einstecken, meine Damen und
Herren, ich war dabei, als Herr Wissmann hier geredet
hat: Die Zeiten, in denen Ehepartner von führenden
Politikern Denk- und Diskussionsverbot hatten, sind
endgültig vorbei. Und das ist gut so.
({2})
Wenn Sie meinen, daß Sie mit solch einem MachoGerede Wähler und Wählerinnen zurückgewinnen, liegen Sie schief. Deswegen bitte ich Sie, das zu lassen.
({3})
Die SPD hält Wort: Keine drei Wochen nach der
Kanzlerwahl liegt dem Deutschen Bundestag der Gesetzentwurf zur großen Steuerreform vor. Die SPD ist
von der Opposition in die Regierungsverantwortung in
einem Tempo durchgestartet, von dem die heutige Opposition nur träumen kann.
({4})
Aber nicht nur das Tempo der Politik hat sich geändert,
auch der Inhalt der Politik und schließlich auch noch das ist ganz wichtig - der Stil der Politik. Nachdem es
vorher jede Menge Steuerlügen gegeben hat, können wir
nämlich ein Gesetzespaket vorlegen, in dem genau das
verwirklicht wird, was wir vor der Wahl versprochen
haben. Das hat es in diesem Lande in steuerpolitischen
Fragen selten gegeben. Es ist gut, daß wir das ändern.
({5})
Wir haben versprochen, drei Schwerpunkte anzugehen: Erstens. Wir stoppen die bisherigen Umverteilungen zu Lasten der Arbeitnehmer und ihrer Familien und
entlasten eine Familie mit zwei Kindern und durchschnittlichem Einkommen stufenweise. Im nächsten
Jahr werden es 1 000 DM sein, im Jahre 2002 sogar
2 700 DM.
Zweitens. Wir senken die Steuersätze für die Unternehmen, für die großen, aber auch für den Mittelstand,
und reduzieren dafür Ausnahmeregelungen, Schlupflöcher, Steuervergünstigungen und Rückstellmöglichkeiten auf ein international übliches Niveau.
Drittens. Wir steigen in eine ökologische Steuerreform ein, in der die Entlastung der Arbeit durch eine
Verteuerung der Energie finanziert wird. Wir beginnen
damit schon 1999. Der Rentenversicherungsbeitrag, so
hat es Herr Riester vorgestern gesagt, wird am 1. Januar
1999 auf 19,5 Prozent abgesenkt, nachdem Sie ihn dauernd angehoben haben.
Drei Wochen, nachdem wir die politische Mehrheit
erhalten haben, haben wir in drei wichtigen Fragen das,
was wir versprochen haben, eingehalten. Darauf sind wir
stolz, meine Damen und Herren.
({6})
Zum ersten Schwerpunkt gehören die Anhebung des
Grundfreibetrages und die Absenkung des Eingangssteuersatzes. Beides, besonders aber die Anhebung des
Grundfreibetrages, ist geboten, - vor allen Dingen verfassungsrechtlich. Meine Damen und Herren von der
Opposition, ich habe nie verstanden, warum Sie nicht
mit uns zusammen den Grundfreibetrag, also das steuerfreie Existenzminimum, auf 14 000 DM im Jahr erhöhen wollen. Sie haben doch immer das Thema Lohnabstandsgebot, also einen ausreichenden Abstand zwischen
Sozialhilfe und niedrigen Einkommen, in die Debatte
gebracht. Sie reden doch so gerne davon, daß sich Leistung lohnen muß. Dies ist ein guter Satz; er darf aber
nicht auf Ihre Weise interpretiert werden. Sie argumentieren nämlich folgendermaßen: Leistung muß sich lohnen! Frage: Wer leistet etwas? Antwort: Derjenige leistet etwas, der viel verdient. Folge: Derjenige, der viel
verdient, muß noch etwas oben draufgelegt bekommen.
Sie wollen daher die Steuersätze insbesondere für Spitzenverdiener senken.
Das ist nicht unsere Philosophie. Für uns ist derjenige
Leistungsträger, der eine Familie ernährt, der Kinder
großzieht, der morgens ins Büro oder an die Werkbank
geht. Diese Menschen sind bei Ihnen und Ihrer Steuerpolitik schmählich unter die Räder gekommen. Das hört
auf.
({7})
Frau Kollegin Matthäus-Maier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Thiele?
Bitte.
Frau Kollegin Matthäus-Maier, würden Sie dem Hohen Haus bestätigen,
daß in der letzten Periode das Existenzminimum für alle
Steuerpflichtigen, auch für Kinder, von der alten Koalition erheblich erhöht wurde, daß der Familienleistungsausgleich komplett neu geregelt wurde und daß das Kindergeld von seinerzeit 70 DM auf derzeit 220 DM erIngrid Matthäus-Maier
höht wurde? Wir haben also erhebliche Leistungen für
die Familien erbracht.
({0})
Und können Sie bestätigen, daß durch das Jahressteuergesetz 1996 und durch den Fortfall des Kohlepfennigs
im Jahre 1996 die Bürger in unserem Lande mit etwa
30 Milliarden DM entlastet wurden und daß insbesondere die niedrigen Einkommen diese Entlastung erfahren
haben?
({1})
Herr Kollege, es
steht fest, daß nicht Sie, die alte Koalition, sondern wir,
der Bundestag, zusammen mit dem Bundesrat und dem
Vermittlungsausschuß das Kindergeld erhöht haben.
Ich darf daran erinnern, daß Herr Waigel bis zum letzten
Tag dagegen war, das Kindergeld von 70 DM weiter anzuheben. Wir haben es gegen Ihren Widerstand durchgesetzt.
({0})
Bis zum letzten Tag in diesem Wahlkampf haben Sie
gesagt: 250 DM Kindergeld ist nicht drin. Viele von
Ihnen haben die Erhöhung des Kindergeldes herabwürdigend als eine Art Steuergeschenk bezeichnet, was
man besser sein lasse, womit man sich Wähler kaufen
würde. Ist Ihnen nicht klar, daß nicht nur der normale
Steuerzahler das Recht auf ein steuerfreies Existenzminimum hat - das erreichen wir über den Grundfreibetrag -, sondern daß auch die Familien mit Kindern das
Recht auf Steuerfreiheit in Höhe der Kosten für die
Ausgaben für die Kinder haben? Die Steuerfreistellung
geschieht in Deutschland zu 95 Prozent über das Kindergeld. Deswegen ist es notwendig, daß wir entgegen
Ihren dauernden Äußerungen das Kindergeld auf
250 DM anheben.
Auch den Grundfreibetrag wollen Sie nicht auf
14 000 DM anheben. Wenn sich Ihre Meinung in dieser
Frage geändert hat - nach Ihrer Zwischenfrage zu
schließen, könnte das der Fall sein -, dann kann ich nur
sagen: Machen Sie mit uns mit! Das Angebot liegt vor.
Es ist nichts einfacher, als daß Sie zustimmen.
({1})
Daß auch Spitzenforscher - ich will das einmal so sagen - nicht vor Torheit in dieser Frage geschützt sind,
sieht man daran, daß in ihrem Herbstgutachten die sechs
wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute meinen, man könnte auf die Erhöhung des Transfers - gemeint war das Kindergeld - verzichten, um etwas anderes mit dem Geld zu finanzieren.
({2})
Ich darf Ihnen einmal § 31 des Einkommensteuergesetzes vorlesen, damit dieser Quatsch, von einem Wahlgeschenk zu reden, aufhört.
Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes
wird durch den Kinderfreibetrag . . . oder durch das
Kindergeld . . . bewirkt.
Sie sehen, ein Blick in das Gesetz erleichtert manchmal
die Rechtsfindung.
({3})
Wir werden im Jahre 2002 die Höhe des Kindergeldes auf 260 DM anheben. Wir finanzieren das durch
eine wirklich maßvolle Reduzierung des Ehegattensplittings, beginnend oberhalb eines zu versteuernden
Einkommens von 170 000 DM.
({4})
Ich habe in diesem Hause oft darüber gesprochen, aber
lassen Sie mich eines dazu sagen: Wir gelten steuerlich
auf der ganzen Welt als ein besonders ehefreundliches
Land, nicht aber als ein kinderfreundliches. Denn wenn
Sie sechs Kinder haben und großziehen, erhalten Sie
keine so hohe Steuerentlastung wie ein Ehepaar mit
einem hohen Einkommen, das keine Kinder hat. Wo
sind wir eigentlich hingekommen?
({5})
Erst ab dem siebten Kind haben Sie mehr Kindergeld,
als im Vergleich dazu der maximale Splittingvorteil ergeben würde. Wenn wir das ein wenig umschichten,
dann ist das eine maßvolle, richtige Reform.
Frau Eichhorn sagte in diesen Tagen, sie habe Zweifel an der Wirksamkeit der Kindergelderhöhung. Denn
das Kindergeld für das erste und das zweite Kind sei
nicht so wichtig. Wichtiger sei die Höhe des Kindergeldes für Familien mit mehr Kindern. Liebe Frau Eichhorn, vielleicht ist Ihnen entgangen, daß eine Familie
mit vier oder fünf Kindern auch ein erstes und ein
zweites Kind hat. Auch diese Familie wird also eindeutig entlastet.
({6})
Herr Merz sagte in seiner Rede, eine Erhöhung des
Kindergeldes sei nicht in Ordnung.
({7})
- Also gut, es ist doch in Ordnung. - Eigentlich finde er
es nicht so gut. Denn was habe der Familienvater davon,
wenn er mehr Kindergeld habe, aber arbeitslos werde?
Das führt zu einer grundsätzlich unterschiedlichen
Betrachtungsweise dessen, was wir hier tun. Meine Partei war immer der Ansicht, es sei ein vernünftiges Miteinander von Nachfragepolitik und Angebotspolitik erforderlich. Klar ist auch: Wenn ein Familienvater nicht
genug Geld in der Tasche hat, um einzukaufen, dann
kann auch die Wirtschaft nicht die Produkte verkaufen,
die sie gerne verkaufen möchte.
Ich weiß, daß Sie das nie glauben, wenn die SPD das
sagt. Das betrifft das alte Wort von Ford: Autos kaufen
keine Autos. Aber ich las in diesen Tagen ein Wort des
BMW-Chefs Pischetsrieder; vielleicht überzeugt Sie das
eher. Er sagte:
Arbeitsplätze werden nicht von Unternehmen geschaffen,
- das ist eben ein weitverbreiteter Irrtum sondern von Kunden. Nur wenn wir Kunden finden, die unsere Produkte oder Dienstleistungen so
attraktiv finden, daß sie bereit sind, Teile ihres Einkommens dafür auszugeben, dann können wir mehr
Arbeitsplätze schaffen.
Deswegen sage ich Ihnen: Eine richtige Mischung von
Angebots- und Nachfragepolitik zu schaffen, diese Politik unterscheidet uns von Ihrer. Dafür hat uns der Wähler eine Mehrheit gegeben. Denn Ihre Politik war abgewirtschaftet.
({8})
Wir werden die Steuerreform in Stufen durchführen.
Im Jahre 2002 wird es zu einer Nettoentlastung in Höhe
von 15 Milliarden DM kommen.
In den Zeitungen ist zu lesen, daß man uns mehr Mut
gewünscht hätte, daß wir kleinmütig seien. Mein Eindruck ist, daß viele, die so vornehm von „mehr Mut“
sprechen, mehr Schulden meinen.
({9})
Manche sagen es auch. Ich habe zum Beispiel ein Interview mit Herrn Wohlers, einem Vertreter der Forschungsinstitute, gelesen. Er sagte zur Steuerreform unserer Koalition, ein etwas höheres Staatsdefizit kollidiere nicht mit den Stabilitätskriterien des MaastrichtVertrages. Ich hätte eigentlich erwartet, daß dieser Herr
nicht nur den Maastricht-Vertrag kennt, sondern auch
Art. 115 des Grundgesetzes. Nachdem Herr Waigel uns
einen Haushalt lieferte, der bei den Ausgaben für Investitionen nur 1 Milliarde DM über dem Betrag der Verschuldung liegt, wäre es wirklich fahrlässig zu meinen,
hier könnte man netto noch etwas drauflegen.
({10})
Oder ein von mir wirklich geschätzter Journalist
schreibt in der „Süddeutschen Zeitung“ noch offener:
Es ehrt Rotgrün, daß es keine Schuldenwirtschaft
betreiben will. Auf dem Wege zu einer durchschlagenden Steuerreform aber ist soviel Seriosität hinderlich. Es wäre besser, die Steuersätze kompromißlos zu drücken und dafür steigende Haushaltsdefizite in Kauf zu nehmen.
Nein, ich antworte: Finanzpolitische Seriosität ist nie
hinderlich. Gerechte Steuern und solide Finanzen gehören zusammen. Wir haben vor der Wahl versprochen:
Unsere Steuerreform ist bescheidener, aber solide finanziert. Dafür haben wir den Wählerauftrag. Das werden
wir tun.
({11})
Ein weiterer Schwerpunkt: Senkung der Unternehmensteuersätze, nicht nur für die Großen, sondern auch
für Mittelstand, Handwerk und Einzelhandel auf 35 Prozent in Stufen und dafür Beseitigung bzw. Reduzierung
von Ausnahmen und Rückstellungsmöglichkeiten.
Das Feldgeschrei, das entstanden ist, hatte ich erwartet. Ich will nicht verhehlen: Ich habe meine Partei immer gewarnt, daß die Steuersenkungen sehr schnell einkassiert würden, aber bei jeder Gegenfinanzierungsmaßnahme ein großes Wehklagen anheben würde. Aber hier
handelt insbesondere die Wirtschaft nach dem System
der Rosinenpicker. Sie sagt: Steuersätze wie in Amerika
und die Ausnahmen weg. Tatsächlich aber wollen sie
sich die Rosinen aus beiden Systemen herauspicken,
nämlich niedrige Steuersätze wie in Amerika und viele
Ausnahmen wie in Deutschland. Beides geht aber nicht
zusammen. Das werden wir auch nicht tun.
({12})
Drei Argumente, warum dieses Wehklagen nicht besonders glaubwürdig ist. Erstes Argument: Hätten wir
der Steuerreform von CDU/CSU und F.D.P. im letzten
Jahr zugestimmt - wozu uns die Wirtschaftsverbände
aufgefordert hatten -, dann würde der Großteil der Gegenfinanzierungsmaßnahmen, über die sie jetzt klagen,
bereits im Gesetzblatt stehen. Es kann ja wohl nicht sein,
daß Gegenfinanzierung bei Schwarzgelb besser als bei
Rotgrün ist.
Zweitens. Sie finden bei denen, die uns sagen, wir
sollten die Steuersätze senken und viele Ausnahmen
abschaffen, dann, wenn es um Ihren persönlichen geschäftlichen Bereich geht, immer wieder genau die entgegengesetzte Haltung.
Mir kommt ein neues Buch in die Hand: „Aktie, Arbeit, Aufschwung“ mit einem Vorwort von Rolf E.
Breuer. Beredte Forderung, daß die Steuersätze gesenkt
und keine Ausnahmen gemacht werden sollen. Dann lese ich auf Seite 153:
Weiteren Auftrieb könnte der Finanzplatz durch eine andere steuerliche Ausnahmebestimmung erhalten: eine zeitlich befristete Senkung der Steuersätze für ausländische Experten. Dabei sollte man
nicht bei Halbherzigkeiten bleiben. Das Beste wäre
eine vollständige Steuerfreiheit auf fünf Jahre. Das
hätte mit den sonstigen Ausnahmebestimmungen,
etwa Verlustzuweisungen und Sonderpauschbeträge für einzelne Berufsgruppen, nichts gemein.
Nein, es ist unglaubwürdig, das Prinzip zu fordern und
bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit von
uns Politikern dann eine Sondervorschrift für die eigene
Klientel zu verlangen.
({13})
Drittes Beispiel - ich muß zugeben, ich wußte nicht
recht, ob ich mich nun ärgern sollte oder ob es geradezu
unverschämt ist -: Heute morgen steht in der Zeitung,
wie sich die Versicherungswirtschaft über unsere Pläne
beschwert. Eigentlich hatte ich erwartet, es kämen Dankesschreiben. Ich erinnere mich daran, daß im Steuerreformpaket der alten Koalition zum Beispiel eine scharfe
Besteuerung der Lebensversicherung vorgesehen war,
und zwar im Bestand. So etwas gibt es bei uns nicht.
Trotzdem beschwert sich die Versicherungswirtschaft.
Ich lese Ihnen einmal einen Kommentar von meiner örtlichen Zeitung, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, vor. Sie
schreibt:
Jammern gehört zum Geschäft, das ist beim Versicherungsverband nicht anders als bei anderen Lobbyisten. Doch sollten die Versicherer bei ihrer Kritik an den Bonner Steuerplänen die Kirche im Dorf
lassen. . . . Viele Konkurrenten im Ausland beneiden die hiesigen Unternehmen seit langem um die
üppigen Abschreibungs- und Rückstellungsregeln . . .
Platte Drohungen, man werde Stellen abbauen,
Ausbildungsplätze kürzen oder gar ins Ausland
abwandern, sind vor diesem Hintergrund ziemlich
fehl am Platze. Rationalisieren wird die Branche,
die in den letzten sechs Jahren bereits rund 20 000
Stellen strich, weiterhin, auch ohne die Bonner
Pläne.
Daß Sie uns deswegen angreifen und uns den Arbeitsplatzabbau, den die Unternehmen zwecks Rationalisierung ohnehin vorhatten, in die Schuhe schieben
wollen, weise ich zurück. Manche bekommen den Hals
nicht voll.
({14})
Nun zum Mittelstand. Viele vergessen, daß sowohl
von der Verbesserung des Grundfreibetrages als auch
von der Senkung des Eingangssteuersatzes und der Erhöhung des Kindergeldes selbstverständlich auch der
Mittelstand, Handwerker und Einzelhändler, profitiert.
Da gesagt wird, es gebe diese und jene Mehrbelastung:
Wenn es Mittelständler gab - und vereinzelt muß es diese gegeben haben -, die exzessiv von Ausnahmevorschriften Gebrauch gemacht haben, die wir abschaffen,
dann kann es sein, daß diese stärker belastet werden.
Tatsache aber ist: Auch der Mittelstand wird durch unser
Konzept entlastet.
({15})
Wir haben gerade die Frist für Sonderregelungen zugunsten des Mittelstandes verlängert.
Diese - ich darf es einmal etwas frech formulieren Spitzensteuersatzfetischisten, die so tun, als käme in aller erster Linie dem Mittelstand die Spitzensteuersatzsenkung zugute, darf ich einmal darauf aufmerksam machen, daß der Spitzensteuersatz für die gewerblichen
Betriebe - und darum geht es -, der 47 Prozent beträgt,
von einem Mittelständler, zum Beispiel Handwerker,
dann erreicht wird, wenn er als Verheirateter im Jahr
mehr als 214 000 DM zu versteuern hat. Ich weiß aus
vielen Gesprächen in meinem Wahlkreis, daß die Masse
der Einzelhändler, der Handwerker, des Mittelstandes,
nicht 214 000 DM zu versteuerndes Einkommen im Jahr
hat. Deswegen ist eines klar: Wer etwas für den Mittelstand tun will, der muß auch den Mut haben, mittelstandsfreundliche Sonderregelungen zu machen. Das tun
wir mit unserem Paket, und dabei bleibt es.
Wissen Sie, woran es mich erinnert, wenn sich zum
Beispiel Herr Henkel als Schutzpatron des Mittelstandes
aufführt? Ich habe noch die Zeiten miterlebt, in denen
Herr von Heereman der Präsident des Bauernverbandes
war, ein Großgrundbesitzer - den Hof im Münsterland
hätten Sie einmal sehen sollen. Wenn es darum ging, die
Subventionen für die großen Bauern zu streichen oder
anzutasten, dann setzte er die kleinen Bauern in Hessen
und Bayern in Gang, damit sie für ihn die Kartoffeln aus
dem Feuer holen. So kommt es mir vor, wenn sich Herr
Henkel zum Mittelstand äußert. Nein, die Bedrohung
kommt nicht durch das Steuerrecht, sondern durch die
großen Konzerne, die die kleinen schlucken.
({16})
Letzter Punkt: Herr Solms, Sie haben gesagt, wir erfänden neue Steuern, und nannten die sogenannte Mindeststeuer.
({17})
Nein, wir führen keine neue Steuer ein. Wir begrenzen
die Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten. Gestern habe ich in der Zeitung die Anzeige gelesen:
„Hohe Verlustzuweisungen locken - Flugzeugleasing“.
Darin ist von Verlustzuweisungen in Höhe von
198 Prozent in vier Jahren die Rede. Dazu kann ich nur
sagen: Wir verhindern, daß Einkommensmillionäre
durch die Verrechnung der Verluste aus anderen Einkunftsarten überhaupt keine Steuern mehr zahlen, während die Edeka-Verkäuferin enorm zur Kasse gebeten
wird.
({18})
Das ist keine Steuer. Wir stellen eine Mindestbemessungsgrundlage her. Wer will, mag sich an solchen
Verlustzuweisungsgesellschaften gerne auch in Zukunft
beteiligen. Aber die Gewinne, die er daraus zieht, werden wir kräftig reduzieren.
Das, meine Damen und Herren, hat der Wähler gewollt. Ihre Politik, die empirisch, durch Erfahrung gescheitert ist, wollte er nicht mehr. Er hat uns die Chance
gegeben, all das, was wir vor der Wahl zur Steuerpolitik
gesagt haben, umzusetzen. Das werden wir tun. Damit
werden Sie sich abfinden müssen.
({19})
Das Wort hat für die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Kollegin Gerda Hasselfeldt.
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Lobeshymne, Frau Matthäus-Maier, auf das, was Sie uns als
Steuerreform vorgelegt haben, war völlig unangebracht.
In Wahrheit ist es nichts anderes als ein Finanzierungsmanöver, ein Umverteilungsmanöver, ein Abkassierungsmanöver.
({0})
Es belastet zusätzlich diejenigen, die Arbeitsplätze zur
Verfügung stellen sollen. Es belastet die Betriebe, die
Unternehmen, es belastet die Wirtschaft zugunsten des
Konsums. Das kann es nicht sein, wenn es darum geht,
Herr Lafontaine, daß diese Steuerreform auch - natürlich nicht alleine - dazu beitragen soll und muß, die
wirtschaftliche Situation zu verbessern und für mehr Investitionen und für mehr Arbeitsplätze zu sorgen.
({1})
Daß mit diesem Vorhaben ein Umverteilungsmanöver verbunden ist, hat der Finanzminister selbst zugegeben. Er hat zugegeben, daß diejenigen, die die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen sollen, in der Vergangenheit schon entlastet wurden und jetzt nicht mehr entlastet
werden müssen. Er hat völlig außer acht gelassen, wie
die Situation im internationalen Vergleich ist. Herr Lafontaine, wir müssen uns dort orientieren, wo wir sind.
Wir sind nicht auf einer Insel der Seligen. Wir haben uns
an die Bedingungen in den anderen Ländern anzugleichen.
({2})
Wir können nicht einfach zusehen, daß wegen der besseren steuerlichen Bedingungen in anderen Ländern um
uns herum die Arbeitsplätze aus Deutschland weg verlagert werden und die Arbeitslosen, diejenigen, die dringend auf Arbeit angewiesen sind, dann die Leidtragenden sind.
Ich weiß sehr wohl, daß die Steuerreform dies nicht
alles alleine schultern kann, aber sie ist ein ganz wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Instrument zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
({3})
Deshalb muß sich jede Steuerreform daran messen lassen: Ist sie dazu geeignet, Wachstumskräfte zu stimulieren, ist sie dazu geeignet, das Steuerrecht an die internationalen Bedingungen anzugleichen, ist sie dazu geeignet, Arbeitsplätze und Investitionen zu schaffen?
Da stellt sich natürlich die zentrale Frage: Brauchen
wir dazu mehr Nachfrage, oder brauchen wir mehr Investitionen? Diese Frage ist von den Fachleuten beantwortet, die brauchen wir uns gar nicht erneut zu stellen.
Wir haben nicht in erster Linie ein Nachfrageproblem.
Unser Problem liegt auf der Angebotsseite. Die Bedingungen für die Unternehmer müssen verbessert werden.
({4})
Da steht an allererster Stelle die Senkung der Steuersätze. In unserem Konzept war eine deutliche Senkung
auf 15 Prozent Eingangssteuersatz, 39 Prozent Spitzensteuersatz und 35 Prozent Steuersatz für die Unternehmen vorgesehen. Wir brauchen die Senkung nicht erst
irgendwann, sie darf nicht nur in Aussicht gestellt werden. Wir brauchen sie als erstes. Die Senkung der Steuersätze ist der zentrale Punkt.
({5})
Sie haben sie nur in Trippelschritten vorgesehen; beim
Eingangssteuersatz ganz minimal und beim Spitzensteuersatz nur als Kosmetik.
Wenn Sie von 35 Prozent Steuersatz bei Unternehmen sprechen, so wollen wir das erst einmal sehen.
({6})
Das sind nichts als vage Versprechungen. Die Gegenfinanzierung haben Sie ohnehin schon verbraten. Sie verbraten sie schon jetzt zu Lasten derjenigen, die die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen sollen, um das Kindergeld zu erhöhen. Das nämlich ist Ihre Finanzierungsquelle. Einen Steuersatz von 35 Prozent haben wir also
noch nicht.
Im übrigen ist das Problem, das sich verfassungsrechtlich zeigt, noch gar nicht gelöst. Herr Lafontaine
sprach heute davon, es müsse gerecht zugehen, es müse
Steuergerechtigkeit herrschen. Wie ist es - vorausgesetzt, Sie schaffen die 35 Prozent wirklich - denn mit
der Gerechtigkeit, wenn Einkommen aus unselbständiger Arbeit um vieles höher besteuert wird als Einkommen aus selbständiger Arbeit? Diese Spreizung der
Steuersätze müssen Sie nicht nur dem Verfassungsgericht, sondern auch den Betroffenen erst einmal erklären!
({7})
Mit Gerechtigkeit hat dies überhaupt nichts zu tun.
({8})
Notwendig wäre es, neben niedrigeren Steuersätzen
und durch sie eine Nettoentlastung zu erreichen.
({9})
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Von Ihnen wird
immer wieder argumentiert: Das können wir uns nicht
leisten, weil die Haushaltsspielräume nicht so sind. Erst vor wenigen Wochen haben Wirtschaftsforschungsinstitute deutlich gemacht, daß für das Jahr 1999
Entlastungsspielräume von 20 bis 30 Milliarden DM
möglich seien.
({10})
- Von der Steuerschätzung, deren Ergebnis in diesen Tagen bekanntgegeben wurde, Herr Poß, hat Herr
Lafontaine bei seinen Ausführungen überhaupt nicht gesprochen; er hat sie einfach totgeschwiegen. Eine der
wichtigsten Nachrichten in diesen Tagen, wenn wir über
Steuerpolitik diskutieren, ist doch, daß die Steuerschätzung ergeben hat, daß in diesem Jahr 7,8 Milliarden DM
mehr zu erwarten sind, als dies Anfang des Jahres zunächst einmal angenommen werden mußte. Herr Lafontaine, da können Sie nicht einfach zur Tagesordnung
übergehen und das totschweigen. Das ist eine Tatsache.
Das ist nicht von allein gekommen, sondern das ist das
Ergebnis der vernünftigen, soliden, sparsamen Haushalts- und Finanzpolitik von Theo Waigel.
({11})
Die Spielräume, die wir haben, müssen genutzt werden, um die Steuerpflichtigen zu entlasten, nicht, um Ihre Haushaltslöcher zu schließen, die daraus entstanden
sind, daß Sie das Geld schon verbraten haben. Es geht
darum, diese Entlastungsspielräume den Steuerpflichtigen, den Frauen und Männern in unserem Land, zugute
kommen zu lassen; es geht darum, Spielräume für Arbeitsplätze und Investitionen zu schaffen.
({12})
Sehr wichtig ist dabei auch, das Ganze gerecht zu gestalten, es solide zu finanzieren und dabei natürlich die
Bemessungsgrundlage zu verbreitern. Auch das hatten
wir vorgesehen. Allerdings hatten wir vorgesehen - das
ist ein ganz entscheidender Unterschied -, das nur in
Verbindung mit deutlichen Steuersatzsenkungen zu
machen. Das haben Sie so nicht vorgesehen. Wir haben
es auch vom zeitlichen Ablauf her anders vorgesehen als
Sie. Sie machen es nämlich so, daß Sie die steuerliche
Entlastung weit in die Zukunft hinein verschieben; erst
in einigen Jahren soll sie kommen.
({13})
Selbst die Kindergelderhöhung zum jetzigen Zeitpunkt führt nicht zu einer Nettoentlastung. Das Ausmaß
dieser Entlastung ist eigentlich lächerlich. Sie finanzieren obendrein das Ganze über Belastungen,
({14})
und zwar nicht erst dann, wenn die Entlastung eintritt,
sondern schon jetzt, nämlich über zusätzliche Belastungen für diejenigen, die Arbeitsplätze zur Verfügung
stellen sollen. Das machen Sie, um konsumtive Ausgaben zu finanzieren.
({15})
Das führt nicht nur nicht zu zusätzlichen Arbeitsplätzen,
sondern es ist darüber hinaus kontraproduktiv.
({16})
Es wird mit Sicherheit dazu führen, daß wir einen Verlust von Arbeitsplätzen haben. Alles, was sich in den
letzten Wochen und Monaten auf Grund unserer Politik
am Arbeitsmarkt positiv getan hat, nämlich daß die Arbeitslosenzahlen zurückgegangen sind und daß die
Staatsquote zurückgegangen ist, all das, was wir in den
vergangenen Jahren trotz schwierigster Ausgangsposition durch die Wiedervereinigung geleistet haben, wird
durch Ihre einseitige nachfrageorientierte Steuerpolitik
wieder aufs Spiel gesetzt.
({17})
Es wird einem dann gelegentlich gesagt, man habe ja
viele Nachbesserungen vorgenommen. Welche Nachbesserungen haben Sie, gerade für den Mittelstand,
denn vorgesehen? Sie haben nur etwas verschoben; Sie
haben nur Anspar- und Sonderabschreibungen nicht
gleich abgeschafft, sondern wollen das erst in ein paar
Jahren tun. Beim Verlustrücktrag genauso. Sie haben
hier nur minimale Korrekturen vorgenommen; Sie haben
nichts Substantielles gemacht. Sie haben vor allem zu
keiner Zeit - das ist meines Erachtens ein ganz wichtiger
Punkt - über die Verringerung der Staatsquote diskutiert. Bei Ihnen waren weder die Verringerung der
Staatsquote und der Staatsausgaben noch Ausgabenkürzungen ein Thema. Wir haben diese Trendwende bei den
Staatsausgaben eingeleitet; Sie verspielen sie wieder.
Meine Damen und Herren, Sie hätten die gute Gelegenheit gehabt, am Anfang Ihrer Regierungszeit durch
Vorlage eines vernünftigen, ausgewogenen, vor allem
zielgerichteten Steuerreformkonzeptes dazu beizutragen,
mehr Arbeitsplätze und mehr Investitionen in Deutschland zu ermöglichen. So aber, wie Sie sich in der vergangenen Legislaturperiode einer sinnvollen Lösung
verweigert haben, sind Sie auch heute zu einer richtigen
Lösung nicht bereit. Sie haben damit schon am Anfang
Ihrer Regierungszeit eine große Chance selbst vertan.
({18})
Ich gebe das Wort
für Bündnis 90/Die Grünen dem Kollegen Klaus Müller.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Auch ich kann es mir nicht
verkneifen, noch einmal auf den Kollegen Merz zurückzukommen. Ich habe heute morgen gelernt, daß es ihm
leider nicht möglich war, sich das Buch des Herrn
Staatsministers Hombach zu leisten. Nun ist es ja so, daß
auch Bundestagsabgeordnete von Steuersatzsenkungen
profitieren. Ich schlage vor, daß Sie das Geld, das ab
dem 1. Januar 1999 auch bei Ihnen mehr im Geldsäckel
ist, für dieses Buch ausgeben und so die Wirtschaft fördern. Es gibt noch mehrere andere Bücher - eines von
dem Herrn Finanzminister, eines von den Herren Mosdorf und Kleinert -, bei denen das Geld sicherlich gut
angelegt ist.
({0})
Aber jetzt zum Thema: Neben der Ökosteuer und der
Einkommensteuerreform werden wir in dieser Legislaturperiode noch ein drittes Reformpaket anschieben: eine wirtschafts- und finanzpolitisch sinnvolle Unternehmensteuerreform. Dabei stehen wir vor einer etwas
paradoxen Situation: Einerseits klagen Unternehmen,
Verbände und demnächst bestimmt auch die Opposition
- Herr Solms hat damit heute schon angefangen - über
die hohen Steuersätze für Unternehmen. Andererseits
hat man sich im Zuge der größten Fusion der jüngeren
deutschen Geschichte, der von Daimler und Chrysler, sicherlich nicht aus ideologischen Gründen für den Steuerort Deutschland entschieden. Ich bin sicher, das hat
etwas mit der steuerpolitischen Realität in diesem Lande
zu tun. Auch daran, daß der Anteil des Steueraufkommens der deutschen Wirtschaft von 1980 bis 1996 von
27 Prozent auf 15 Prozent gesunken ist, erkennen wir,
daß die Realität anscheinend anders ist, als es die Klagen glauben machen wollen. Wie kann das sein angesichts der vielzitierten hohen Tarife?
Das Problem des deutschen Steuerrechtes im Bereich
der Unternehmen ähnelt dem Dilemma bei der Einkommensteuer: Die Steuertarife sind vergleichsweise hoch,
die Bemessungsgrundlage aber, also der ausgewiesene
Gewinn der Unternehmen, ist im Vergleich zu anderen
Ländern auffällig gering. Für eine seriöse Debatte in den
kommenden Wochen und Monaten müssen wir also
zwischen den nominellen Steuersätzen und der realen
Steuerbelastung unterscheiden.
Wenn wir jetzt die Steuerreform im Unternehmensbereich durchführen wollen, sind wir, so glaube ich, gut
beraten, aus der Debatte um die Einkommensteuerreform zu lernen. Kollegin Christa Luft, wir setzen nicht
umsonst Arbeitskreise ein - nicht weil wir nicht wüßten,
was wir sonst tun sollten, sondern weil wir die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Funktionäre von Anfang
an dabeihaben wollen. Ob in einer Bund-LänderKommission oder im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, es sind sicherlich verschiedene Möglichkeiten
denkbar. Aber wichtig ist eben, daß man dies nicht lediglich von oben herab vorschlägt und durchsetzt, sondern es gemeinsam diskutiert.
({1})
Trotz des Shareholder-value-Gedankens gilt in
Deutschland der handelsrechtliche Bilanzierungsgrundsatz: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Deswegen sollten wir gemeinsam diskutieren, wie wir es in
Zukunft mit der Bewertung von immateriellem Vermögen, materiellem Anlagevermögen, Wertpapieren, Verbindlichkeiten und mit der Rückstellungsbildung halten
wollen. Fragen der Bilanzierungsvorschriften und das
Verhältnis von Steuer- und Handelsrecht werden wir
sehr sorgsam diskutieren müssen, da das sehr viele Unternehmen betrifft. Sinnvoll wäre hier eine Umkehr der
Beweislast. Das heißt, je breiter wir die Bemessungsgrundlage machen, je realitätsnäher die Bilanzierung,
desto weiter können die Grenzsteuersätze sinken. Ich bin
froh, daß sowohl Bundeswirtschaftsminister Müller gestern als auch Finanzminister Lafontaine heute ausgeführt haben, daß unser Ziel eine schrittweise Reduzierung der Sätze auf 35 Prozent ist. Mit konstruktiver Unterstützung der Verbände und vielleicht sogar der Opposition werden wir dieses Ziel, so glaube ich, erreichen.
Zumindest in dem Ziel müßten wir uns mit dem ehemaligen Finanzminister Herrn Dr. Theo Waigel eigentlich einig sein, der im August letzten Jahres an dieser
Stelle ausführte:
Wir brauchen das Stopfen der Schlupflöcher, damit
mehr Geld zur Schaffung von arbeitsplatzschaffenden Investitionen eingesetzt wird als zur Suche nach
dem günstigen Steuersparmodell.
Ich kann nur sagen: Dieses Ziel, Herr Waigel, verfolgen
auch wir.
({2})
Internationale Vergleichbarkeit und Vereinfachung ist
unser Ziel. Die internationale Vergleichbarkeit ist insbesondere auch deshalb von Bedeutung, da in der Wirtschaftspolitik die Zeit der Nationalstaaten längst vorbei
ist. Wenn wir wirksam politisch gestalten wollen, dann
im europäischen Rahmen.
In einer europäischen Steuerharmonisierung liegt
die politische Aufgabe der kommenden Jahre.
({3})
Selbstverständlich gehören dazu ein stabiler Euro und
eine unabhängige und transparente Europäische Zentralbank.
({4})
Eine europäische Einigung über die steuerliche Behandlung von Kapital und Gewinnen eröffnet auch den
nationalen Regierungen neue Gestaltungsmöglichkeiten.
Kapitalflucht und Betriebsverlagerungen verlieren dann
einen Teil ihres Schreckens. Ich gehe davon aus, daß die
europäische Steuerpolitik und -harmonisierung ein wesentliches Thema der deutschen Ratspräsidentschaft sein
wird.
Im Hinblick auf die Europäische Union ist noch ein
anderer Punkt von Bedeutung. Spätestens mit der EUOsterweiterung wird die Weiterentwicklung des europäischen Finanzsystems auf der Tagesordnung stehen.
Auch wenn die Fragen einer europäischen Steuerhoheit
verfassungsrechtlich und die Diskussion eines Finanzausgleichs politisch nicht ganz einfach sind, sollten wir
uns dieser Debatte stellen.
Aber auch auf deutscher Ebene ist die Finanzverfassung reformbedürftig. Gerade die Gemeinden haben
unter dem steuersystematisch sinnvollen Wegfall der
Gewerbekapitalsteuer gelitten. Auch wenn die Einnahmeausfälle durch höhere Umsatzsteueranteile teilweise
kompensiert worden sind - ein Autonomieverlust war es
allemal. In unseren Augen sind Städte und Gemeinden
im Hinblick auf die Agenda 21 wichtige Träger des
Nachhaltigkeitsprozesses. Hier müssen wir wieder
Handlungsspielräume schaffen. Deshalb haben wir uns
im Koalitionsvertrag entschlossen, die Finanzkraft der
Gemeinden zu stärken und das Gemeindefinanzsystem
einer umfassenden Prüfung zu unterziehen.
Wir haben uns vorgenommen, die Neuordnung der
Finanzverfassung für das Jahr 2005 vorzubereiten. Dafür
wollen wir eine Enquete-Kommission einrichten. Im
Vordergrund stehen dabei natürlich finanzpolitische
Fragen, insbesondere, wie es für alle Länder wieder attraktiv sein kann, zusätzliche Einnahmen zu erzielen.
Ich möchte den Bogen aber gerne noch etwas weiter
spannen und an die Antrittsrede des neuen Bundesratspräsidenten, Herrn Ministerpräsident Eichel, vor einer
Woche anknüpfen. Ich stimme ihm ausdrücklich zu, daß
die Bundesländer nicht zu „regionalen Verwaltungskörperschaften des Bundes absinken“ dürfen. Ich kann mir
vorstellen, daß das auch auf die Unterstützung der CDU
trifft.
Klaus Wolfgang Müller ({5})
Wir sollten deshalb neu über die Verzahnung und
Aufgabenverteilung von Bund und Ländern und über
die Funktion der Mischfinanzierungen und Gemeinschaftsaufgaben nachdenken. Die Rahmen- und die konkurrierende Gesetzgebung dürfen die Länder nicht zu
gefesselten Tigern machen. Es geht bei der Diskussion
auch um eine größere Transparenz und um erweiterte
parlamentarische Spielräume für unsere Kolleginnen
und Kollegen in den Länderparlamenten.
Aufgabenzuweisungen seitens des Bundes dürfen in
Zukunft nicht mehr allein zu Lasten von Ländern und
Gemeinden gehen und diese mit den Kosten belasten.
Wir erinnern uns nur ungern an die Nebenwirkungen des
Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz oder die
Verpflichtungen aus dem Bundesnaturschutzgesetz. Das
Konnexitätsprinzip - auf deutsch: „Wer bestellt, der bezahlt“ - muß gelten, insbesondere solange Länder und
Gemeinden nicht über eigene Einnahmespielräume verfügen.
Im Rahmen der Enquete-Kommission sollten wir uns
Gedanken über das steuerpolitische Trennsystem machen, ohne dabei allerdings die berechtigten Interessen
der Länder an stabilen Steuereinnahmen zu ignorieren.
Wir werden uns Gedanken über die Gratwanderung der
Länder zwischen Pluralität und Wettbewerb untereinander machen müssen.
Ich gehe davon aus, daß wir hier über Fraktionsgrenzen hinweg eine konstruktive Debatte erleben werden,
inklusive der Beiträge der Ministerpräsidentin und Ministerpräsidenten von Bayern bis Schleswig-Holstein.
Rotgrün hat sich für die kommenden vier Jahre viel
vorgenommen. Wie heißt es so schön: Packen wir's an!
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat der
bayerische Staatsminister der Finanzen, Professor
Dr. Kurt Faltlhauser.
Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser ({0}): Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt nicht nur
in Kirchen und in barocker Umgebung Weihrauchfaßschwenker. Die gibt es auch - das wissen wir alle - in
der Politik:
({1})
Die neugewählte Finanzausschußvorsitzende, Frau
Scheel, hat sich heute in die Reihe der politischen Weihrauchschwenker eingereiht, indem sie verkündet hat:
Diese Steuerreform ist die größte, die bisher in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt wurde, sozusagen die
GröStaZ.
Das fordert natürlich einen Vergleich heraus. Wir
müssen in das Jahr 1982 zurückgehen. Damals ist der
Bundeskanzler, der jetzt hier in den Reihen sitzt, mit einer Steuerreform angetreten, die in drei Stufen umgesetzt wurde und ein Entlastungsvolumen von
44 Milliarden DM umfaßte, 44 Milliarden DM in einer
Zeit, in der das Steueraufkommen insgesamt etwas mehr
als die Hälfte von heute ausmachte. Sie müssen das
Ganze also etwa auf 88 Milliarden DM Nettoentlastung
verdoppeln. Dann wollen Sie das, was Sie heute vorlegen, damit vergleichen?
Was wichtiger ist: Gestartet wurde diese Steuerreform damals schon mit einem ersten Schritt von
11 Milliarden DM Nettoentlastung.
({2})
Der Kollege Uldall hat erst neulich noch einmal eine
Zusammenstellung gemacht. Die würde ich Ihnen empfehlen. Danach gab es mehr als 10 Milliarden DM
Steuerentlastung für die Wirtschaft. Das Ergebnis: In
einer langanhaltenden wirtchaftlichen Wachstumsentwicklung wurden Arbeitsplätze geschaffen. Das war in
den 80er Jahren das Resultat der drei Stufen einer - auch
systematisch - vernünftigen Steuerreform.
({3})
Jetzt sagt der neue Finanzminister Lafontaine: Mit
Steuern alleine kann man ja letztlich keine Arbeitsplätze schaffen; das wird die wirtschaftliche Entwicklung
nicht entsprechend beeinflussen. Herr Lafontaine - Herr
Schlauch, unterbrechen Sie einmal kurz die Unterhaltung, dann kann er zuhören -, genau das Gegenteil haben aber alle wirtschaftswissenschaftlichen Gutachten in
den 80er Jahren bestätigt: Durch die vernünftig gestaltete Nettoentlastung der Bürger wurden damals tatsächlich Arbeitsplätze geschaffen. Sogar das Institut von
Herrn Flaßbeck, das DIW, hat damals bestätigt, daß dies
das Ergebnis der Steuerpolitik war. Heute wollen Sie
gewissermaßen zur Steuerpolitik sagen, sie könne sowieso nicht helfen, aber nur, weil Sie einen Vorschlag
gemacht haben, der völlig unzureichend ist.
Natürlich haben Sie, Frau Matthäus-Maier, 5 Prozent
Senkung der Körperschaftsteuersätze für 1999 angekündigt. Haben wir denn vergessen, daß die Bundesregierung, die am 27. September abgelöst wurde, die Körperschaftsteuer um 16 Prozentpunkte gesenkt hat? Das
waren noch Zeiten: 16 Prozent! Das sind große Schritte.
({4})
Genau das wurde damals gemacht: Entlastung der
Wirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Und heute
- wir haben es genau nachgerechnet - das Gegenteil: Ihre Steuerreform führt zu einer Belastung der Wirtschaft von insgesamt 16,5 Milliarden DM.
Damit wollen Sie die Konjunktur und die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes fördern? Ich glaube, es ist
der gegenteilige Weg, den Sie gehen. Ich habe von Gerechtigkeit gehört. Vor den Wahlen, Herr Lafontaine,
habe ich immer gehört, Sie wollen Arbeitsplätze schaffen! Hätten Sie doch das Instrument des Steuerrechts
Klaus Wolfgang Müller ({5})
genutzt, um Arbeitsplätze zu schaffen! Sie haben die Sache hier völlig verfehlt.
({6})
Die große Reform in den 80er Jahren, die ich gerade
erwähnt habe, und die Petersberger Beschlüsse verdienen vom Volumen und vom Konzept her den Begriff
„groß“, Frau Scheel. Das, was hier vorgelegt wird, können Sie bestenfalls als Mickymausreform darstellen.
({7})
Lassen Sie mich noch etwas zur Unausgewogenheit
des Konzeptes sagen. Wir haben errechnet, Herr Lafontaine, daß die Unternehmer, die vom Steueraufkommen
insgesamt 21 Prozent erbringenen, 77 Prozent der gesamten Gegenfinanzierung tragen. Im übrigen - das sage
ich insbesondere als Bayer -: Die Landwirtschaft, die
bisher 1 Prozent des Steueraufkommens erbringt, wird
jetzt durch die Gegenfinanzierung mit 3 Prozent belastet. Eine Verdreifachung der steuerlichen Belastung das nenne ich Bauernlegen, meine Damen und Herren.
Mir ist aber jetzt eine zweite Anmerkung zum neuen
Finanzminister noch wichtiger. Herr Lafontaine, Sie haben heute hier ausdrücklich noch einmal betont: Sie
wollen die Unabhängigkeit der Bundesbank und des
künftigen Systems der europäischen Zentralbanken nicht
antasten. Gleichzeitig haben Sie gesagt - ich habe genau
mitgeschrieben -, daß Sie in Zukunft Haushalts- und
Geldpolitik abstimmen wollen.
({8})
Die Haushaltspolitik ist Aufgabe der Exekutive, dieses
Finanzministeriums und dieser Regierung, und des Bundestages. Sie ist Aufgabe der Politik. Die Philosophie
der Geldpolitik in diesem Land und jetzt auch in Europa
ist, daß Geldpolitik alleine von der Bundesbank und in
Zukunft von der Europäischen Zentralbank gemacht
wird, alleine und unbeeinflußt. Wer abstimmen will, will
beeinflussen. Wer abstimmen will, will die Unabhängigkeit dieses Systems gezielt aushöhlen. Das ist der
Punkt! Sie haben es hier gesagt.
({9})
Dieser Punkt verstößt auch gegen den Artikel 108 des
Maastrichter Vertrages, in dem es ausdrücklich heißt ich erlaube mir, Herr Lafontaine, das vorzulesen -:
Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft - ({10})
- Offenbar nicht.
Herr Staatsminister,
darf ich Sie kurz unterbrechen? - Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen, die im hinteren Teil des Saales
Gespräche führen, bitten, diese Gespräche draußen zu
führen. - Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
({0})
Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser ({1}): Ich
möchte fortfahren, indem ich noch einmal anfange, den
letzten Satz des Artikels 108 des Maastrichter Vertrags
zu zitieren:
Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft
sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz
- der Nichtbeeinflussung zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder
der Beschlußorgane der EZB oder der nationalen
Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.
Jetzt frage ich einmal: Was bedeutet „abstimmen“ denn
anderes als beeinflussen?
({2})
Dieser Vorschlag und diese Rede des Bundesfinanzministers waren nichts anderes als ein Angriff auf die Unabhängigkeit des Systems der europäischen Zentralbanken.
({3})
Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zu dem Wort
machen, das dem Finanzminister offenbar so sehr gefällt, die Zins-Steuer-Quote. Die Zins-Steuer-Quote, die
Sie mit 23 Prozent angegeben haben, beträgt nach meinen Unterlagen - die Zahl kann jedermann aus der Bibliothek dieses Hauses herausholen - 17 Prozent.
({4})
- 17 Prozent. Ich gebe es dem Finanzminister dann
weiter. - Wichtig sind jedoch nicht Ihre 23 Prozent im
Saarland oder die 4 Prozent in Bayern. Wichtig ist die
Steigerungsrate. Von 1969 bis 1982 - das ist die Zeit der
Regierungen von Brandt und Schmidt - ist diese Quote
von 2,8 Prozent auf 12,1 Prozent gestiegen. Während
der Regierungszeit von Stoltenberg und Waigel ist sie
lediglich von 12,1 Prozent auf 17 Prozent gestiegen,
obwohl die Lasten der deutschen Einigung bewältigt
werden mußten.
({5})
Das ist der entscheidende Unterschied. Trauen Sie sich
ja nicht, hier mit irgendwelchen Zahlen anzukommen;
da schauen Sie schlecht aus.
({6})
Zum Abschluß möchte ich - ich bitte Sie, daß Sie mir
diese Zeit noch gönnen - etwas zu einer Angelegenheit
Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser ({7})
zwischen Bund und Ländern sagen, Herr Finanzminister. Sie haben mit diesem Steuergesetz vorgeschlagen, das Kindergeld zu erhöhen. Wir widersprechen
dem nicht. Nur, man muß das finanzieren, und vor allem
muß man in dem Gesetz auch festlegen, wer das bezahlen soll. Das steht in keiner Zeile in diesem Gesetz. In
diesem Zusammenhang erinnere ich mich - der ehemalige Finanzminister Waigel wird das sicherlich auch
tun - an folgendes: Damals saßen uns in der nordrheinwestfälischen Vertretung unter anderem Herr Schleußer
und Frau Matthäus-Maier
({8})
gegenüber. Sie haben uns damals gesagt, daß unbedingt
ins Grundgesetz hineingeschrieben werden muß - ein
ungewöhnlicher Vorgang -, daß bei der Umstellung der
Kindergeldzahlungen die Länder tatsächlich entlastet
werden müssen. Die Länder sollten also ihren entsprechenden Anteil haben. Das wurde ungewöhnlicherweise
in Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes festgelegt. In § 1
des Finanzausgleichsgesetzes wurde nach langen Verhandlungen die Quote von 74 Prozent zu 26 Prozent
festgelegt. Wenn dies rechtlich so klar ist, Herr Lafontaine, dann müssen Sie Ihren Haushalt so gestalten, daß
die 1,8 Milliarden DM, um die die Kindergelderhöhung
die Länder über diese Quote hinaus belastet - insgesamt
kostet die Kindergelderhöhung 5,7 Milliarden DM -,
den Ländern unmittelbar weitergegeben werden; sonst
machen Sie sich eines Gesetzesbruchs und eines Verfassungsbruchs schuldig.
({9})
Das hat nichts zu tun mit dem üblichen Streit um die
Deckungsquote, der durch alle Regierungen hindurchgeht. Das ist ein abgekoppeltes Geschäft. Das müssen
Sie den Ländern zugestehen. Darüber hinaus müssen Sie
übrigens auch weitere Beträge - ich habe das auf der Finanzministerkonferenz entsprechend vorgetragen - von
insgesamt 9,5 Milliarden DM vorsehen.
Ich komme - in einem letzten Schlußsatz, Herr Präsident - noch einmal auf etwas zurück: Ich hatte eigentlich nach so langer Ablehnung eines guten Steuerkonzeptes, der sogenannten Petersberger Beschlüsse, erwartet, daß eine neue Regierung mit Mut und mit Gestaltungskraft eine Steuerreform vorlegt, die Arbeitsplätze schaffen kann. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist
bitter enttäuschend.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.
({10})
Das Wort hat für die
F.D.P.-Fraktion der Kollege Carl-Ludwig Thiele.
Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir
beraten heute in erster Lesung ein Gesetz, welches die
Überschrift „Steuerentlastungsgesetz“ trägt.
Schon der Titel dieses Gesetzes ist falsch und irreführend. Es handelt sich nämlich um ein Steuererhöhungsgesetz.
({0})
Denn obwohl in den nächsten vier Jahren die Steuereinnahmen nach der Steuerschätzung ohne die Steuererhöhung durch die Ökosteuer um 160 Milliarden DM steigen werden, will die neue rotgrüne Koalition lediglich
im vierten Jahr, im Jahr 2002, die Bürger um 15 Milliarden DM entlasten. Selten hat es eine solch drastische
Steuererhöhung gegeben, die ohne entsprechende Entlastungen der Bürger zu einer weiteren Strangulierung
der Wirtschaft unseres Landes führen wird.
({1})
Viele Bürger haben nach dem Wahlsieg der neuen Koalition gehofft, daß diese neue Koalition zu neuen Ufern
aufbrechen würde und daß eine Steuerreform vorgelegt
würde, die diesen Namen tatsächlich verdient. Das Gegenteil ist der Fall. Dies haben wir insbesondere Ihnen,
Herr Bundesfinanzminister Lafontaine, zu verdanken;
denn diese Koalition kennt einen Kanzler - der in den
Koalitionsverhandlungen nicht anwesend war - und einen
Regierungschef, nämlich Sie, Herr Bundesfinanzminister
Lafontaine. Deshalb ist es gut, daß diese Debatte als zentrale Debatte auch ohne Anwesenheit des Kanzlers, aber
mit Ihrer Anwesenheit hier geführt werden kann.
({2})
Nach Ihrem Selbstverständnis, Herr Minister Lafontaine, hatte in den vergangenen Jahren nicht nur
Deutschland, sondern letztlich auch Europa auf den Makroökonomen Oskar Lafontaine gewartet. Ich habe den
Eindruck, daß Ihr persönliches Ziel nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern Europa ist. Sie sind hier
auf der Durchreise und wollen zukünftig weite Teile Europas mit Ihrer Auffassung von Politik und Wirtschaft
beglücken.
Ihre Auffassung von Politik vertraut eben nicht den
Bürgern in unserem Lande. Ihre Auffassung von Politik
vertraut nur auf den allmächtigen, alles regelnden Staat:
Steuerung der Konjunktur durch Nachfrage, Beschädigung der Unabhängigkeit der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank, Aufweichen der Stabilitätskriterien. Damit gehen Sie das Risiko ein, die Stabilität des
Euro langfristig zu gefährden. Das ist die falsche Politik
zur Lösung der Probleme unseres Landes.
({3})
Das jetzt vorgelegte Steuerkonzept trägt eindeutig die
Handschrift einer strukturkonservativen SPD. Die Grünen mit ihren ursprünglichen Vorstellungen fanden sowieso nicht statt. Wenn Frau Scheel erklärt, Sie wollten
sich jetzt bemühen, dann muß ich dazu sagen: Das reicht
nicht, Sie werden sich durchsetzen müssen! Sie haben
sich nicht durchgesetzt, und Sie werden sich auch zukünftig nicht durchsetzen, weil Ihre Politik der SPD
ziemlich egal ist.
({4})
Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser ({5})
Denn - das möchte ich noch einmal in die Diskussion
bringen - wo bleibt eigentlich die drastische Vereinfachung des Steuerrechts? Wo bleibt die Umsetzung des
Bareis-Gutachtens, nämlich die Streichung aller Ausnahmen, die die Grünen ursprünglich vorgesehen haben?
Wo bleiben die deutlichen Steuersenkungen über den
gesamten Tarif?
Nichts ist vom Steuerkonzept der Grünen übriggeblieben. Das einzige, was in diesem Steuergesetz übriggeblieben ist, ist eine massive steuerliche Mehrbelastung, die für die Wirtschaft seitens der neuen Koalition
auch eingeräumt wird.
Den einfachen Bürgern wird vorgegaukelt, daß eine
Steuerentlastung für sie stattfinde. Aber nicht einmal das
ist richtig. In der Steuertabelle der Koalition wird das zu
versteuernde Einkommen in D-Mark miteinander verglichen. Dabei unterschlagen Sie die schleichende Steuererhöhung durch den Progressionstarif. Eine Familie mit
zwei Kindern und 60 000 DM zu versteuerndem Einkommen wird in drei Jahren ein erheblich höheres steuerpflichtiges Einkommen haben als in diesem Jahr. Bei
einer Steigerung der Bruttolohns um 4 Prozent hat eine
Familie mit zwei Kindern bei erhöhtem Kindergeld im
Jahr 2001 300 DM mehr Steuern zu zahlen als derzeit.
Wenn ein Ehepaar keine Kinder hat, dann haben diese
Bürger in unserer Gesellschaft sogar 1 000 DM mehr
Steuern zu zahlen, als sie es derzeit tun müssen. Das ist
keine Entlastung der Bürger; das ist ein schamloses Abkassieren der Bürger durch den Staat.
({6})
In den nächsten vier Jahren steigen die Steuereinnahmen um 160 Milliarden DM, um etwa 20 Prozent
des derzeitigen Steueraufkommens. Davon lediglich
15 Milliarden DM zurückzugeben bedeutet mehr Staatseinnahmen, Abzocken der Bürger. Die Neue Mitte wird
von Ihnen als Melkkuh der Nation betrachtet.
({7})
Herr Bundesfinanzminister, ich frage Sie: Wie sollen
auf diesem Wege die von Ihrer Regierung propagierten
neuen Arbeitsplätze entstehen? Wie sollen mit diesem
Steuerreformkonzept die Weichen für die Zukunft unseres Landes so gestellt werden, daß mehr in zukünftige
Arbeitsplätze investiert wird? Wie sollen bei diesem
Steuerkonzept ausländische Investoren ermutigt werden,
in Deutschland und nicht in anderen - auch europäischen - Mitbewerberländern zu investieren? Das wird
mit diesem Konzept nicht passieren!
Sehr geehrter Herr Finanzminister, das Problem in
Deutschland besteht nach wie vor nicht darin, daß wir
zuwenig Staatseinnahmen haben; vielmehr besteht das
Problem darin, daß wir zu viele Staatsausgaben haben.
({8})
Ein ernster Sparwille ist bei Ihnen nicht vorhanden. Die
Sanierung der öffentlichen Haushalte über die Ausgabenseite findet nicht statt. Deshalb wird nach Ihrem Rezept die Staatsquote nicht sinken. Das ist der Punkt, der
allerorts vermißt wird. Es kann doch nicht angehen, daß
der Sozialstaat weiter ausufert. Diejenigen, die Vorsorge
betreiben, werden höher belastet, während diejenigen,
die keine Vorsorge betreiben, durch einen ausufernden
Sozialstaat zu Lasten der Leistungsfähigen in unserem
Land belohnt werden.
Zugleich entdecken Sie neue Mehrbelastungen in
Ihrem Haushalt in Höhe von 10 Milliarden DM im
Jahr 1999. Wenn man sich die Pressemeldungen genauer
anschaut - den Haushaltsentwurf haben wir ja bis heute
nicht -, dann kann man feststellen, daß von den
10 Milliarden DM angeblicher Mehrbelastung allein
3 Milliarden DM dadurch entstehen, daß Bremen und
das Saarland zusätzlich mit 3 Milliarden DM beglückt
werden sollen.
({9})
Sie, Herr Finanzminister Lafontaine, haben sich
schon in Ihrer Zeit als Ministerpräsident des Saarlandes
vom Bund die Kosten Ihrer politischen Führung bezahlen lassen. Daß Sie nun auch als neuer Finanzminister
eine Morgengabe in dieser Größenordnung Ihrem Nachfolger im Saarland - zu Lasten aller anderen Steuerzahler, zu Lasten der neuen Bundesländer, die dringend auf
Hilfe angewiesen sind, und zu Lasten von Investitionen
im neuen Haushalt - zukommen lassen, das ist schon eine besondere Form der Vetternwirtschaft.
({10})
Die F.D.P. bekennt sich zur freien und zur sozialen
Marktwirtschaft. Aber Leistung muß sich in unserem
Lande auch lohnen, und das kann nicht dadurch erfolgen, daß für diejenigen, die Leistung erbringen, die
Steuerlast erheblich erhöht wird. Die F.D.P. hat in der
vergangenen Legislaturperiode darauf gedrängt, daß die
Bürger um 30 Milliarden DM netto entlastet werden.
Das, Frau Matthäus-Maier, hat - ebenso wie die Erhöhung des Kindergeldes - nicht die SPD durchgesetzt.
Wenn Sie ehrlich sind, dann werden Sie zugeben müssen, daß die Mehrheit in den letzten vier Jahren bei der
Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. und nicht bei Ihnen
war.
({11})
Diese Koalition hat den Familienleistungsausgleich
durchgesetzt und die Leistungen für Kinder in unserer
Gesellschaft von 70 DM auf 220 DM erhöht.
({12})
Herr Kollege Thiele, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten
Wagner?
Ja.
Herr Kollege Thiele,
wären Sie bereit, zuzugeben, daß das, was Sie als Beglückungsaktion des Herrn Lafontaine für das Saarland
bezeichnet haben, auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts beruht und daß Ihre Regierung die weiteren Hilfen für Bremen und das Saarland im Haushalt
1999 - zwar ohne Zahlen, aber dem Grunde nach - vorgesehen hatte, über den wir in erster Lesung beraten haben?
Herr Kollege Wagner,
Sie werden mir vermutlich zustimmen, daß im derzeit
geltenden Finanzausgleichsgesetz geregelt ist, welche
Mittel die Länder Bremen und Saarland bis zum Jahr
1998 erhalten. Mir ist aber kein Gesetz bekannt, welches
den Bundestag und den Bundesfinanzminister zwingt,
entsprechende Sonderzuweisungen für Bremen und
das Saarland in den Haushalt 1999 einzustellen. Eine
gesetzliche Grundlage gibt es also nicht. Es gibt das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ich vermute, daß
der Herr Finanzminister irgendwann einen Entwurf zur
Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vorlegen wird,
weil er ja eine gesetzliche Grundlage für diese Morgengabe braucht. Dann werden wir darüber diskutieren
können, ob diese Mittel seitens des Saarlandes und seitens Bremens tatsächlich zum Schuldenabbau verwandt
wurden, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt
hatte, oder nur dazu, den Spardruck von den Haushalten
in Bremen und dem Saarland zu nehmen.
({0})
Diese Diskussion werden wir noch führen. Eine gesetzliche Grundlage für die 3 Milliarden DM ist derzeit nicht
vorhanden.
Gestatten Sie eine
weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wagner?
Gern, ja.
Herr Kollege Thiele,
können Sie mir sagen, welche Beweggründe der ehemalige Bundesfinanzminister Dr. Waigel hatte, Hilfen für
Bremen und das Saarland in den Haushaltsentwurf 1999
hineinzuschreiben?
({0})
Außerdem ist doch von allen Finanzministern in unserer
Republik festgestellt worden, daß beide Bundesländer
ihre Aufgaben erfüllt haben, was den Schuldenabbau
angeht. Ich verstehe Ihre jetzige Haltung nicht, wenn Sie
behaupten, das sei für Schönwetterzeiten des Saarlandes
oder Bremens gedacht. Das ist unzutreffend; das müssen
Sie mir bitte zugeben.
Herr Kollege Wagner,
ich möchte Sie doch bitten, sich einmal mit dem neuen
Finanzstaatssekretär Diller zu unterhalten, der zu dem
Haushaltsentwurf des jetzigen Abgeordneten und damaligen Bundesfinanzministers Dr. Waigel erklärt hat, er
sei so gut, daß er von der SPD neu in den Bundestag
eingebracht werden könne.
({0})
In diesem Haushalt des ehemaligen Bundesfinanzministers Dr. Waigel gibt es keine Leistung für das Saarland und Bremen. Es ist überhaupt nichts beziffert. Insofern soll diesen beiden Ländern eine Morgengabe überreicht werden. Wir werden darüber diskutieren müssen.
Aber es ist ganz interessant, daß eine solche - nicht unwichtige - Information derzeit zwischen den Zeilen aus
der Presse herausgelesen werden kann. Dies zeigt, daß
es Ihnen nicht darum geht, zu sparen und über die Ausgabenseite die öffentlichen Haushalte zu sanieren, sondern daß es Ihnen nur um Umverteilung und stärkere
Belastung der Bürger und der Wirtschaft unseres Landes
geht.
({1})
Der wirtschaftswissenschaftliche Sachverstand hat
festgestellt, daß die Bürger schon im nächsten Jahr entlastet werden könnten. Aber Sie tun es nicht. Sie könnten die Bürger entlasten, aber Sie wollen es nicht. Sie
brauchen das Geld, um es in Ihrem Sinne umzuverteilen.
Dann aber erzählen Sie den Bürgern nicht, daß Sie sie
entlasten wollten. Das genaue Gegenteil ist der Fall.
Bleiben Sie bitte einfach bei der Wahrheit!
({2})
Ich möchte hier abschließend feststellen: Die neue
rotgrüne Koalition will mehr Staat, mehr Bürokratie,
mehr Umverteilung zu Lasten der Leistungswilligen.
Das ist der falsche Weg. Deshalb werden Sie von den
gesamten Medien und dem gesamten wissenschaftlichen
Sachverstand kritisiert. Es kommt doch nicht von ungefähr, daß sich diejenigen, die Sie im Wahlkampf positiv
begleitet haben, enttäuscht abwenden, weil sie etwas anderes erwartet haben. Es kommt auch nicht von ungefähr, daß viele Bürger, die möglicherweise durch Wählen der SPD eine große Koalition wollten, sich jetzt getäuscht sehen und von den Reformkonzepten, die Sie
tatsächlich vorgelegt haben, enttäuscht sind. Nehmen
Sie einfach diese Kritik auf, orientieren Sie sich an dem
Steuerkonzept der F.D.P.,
({3})
das von allen gelobt worden ist. Dann können wir Sie
auf diesem Wege auch positiv begleiten.
Herzlichen Dank.
({4})
Ich gebe das Wort
für die SPD-Fraktion dem Kollegen Joachim Poß.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Weil hier einige mit Zahlen, Daten, Fakten
und Wahrheiten auf Kriegsfuß stehen, möchte ich zunächst einmal etwas zu den Steuersenkungsspielräumen sagen, die wir auf Grund der neuen Steuerschätzung haben. Sie hat gegenüber der Mai-Schätzung festgestellt, daß wir in diesem Jahr unter anderem
900 Millionen DM weniger an die EU abführen müssen,
der Bund 700 Millionen DM mehr zu erwarten hat, bei
den Ländern 2,4 Milliarden DM mehr eingehen sollen
und die Gemeinden insbesondere als Nachzahlung aus
der Gewerbesteuer 4,9 Milliarden DM mehr erhalten.
Das ergibt Schätzabweichungen von insgesamt
7,8 Milliarden DM. Für 1999 kommen die Steuerschätzer zu folgendem Ergebnis: für den Bund minus 1 Milliarde DM, für die Länder minus 1,2 Milliarden DM, für
die Gemeinden plus 1,1 Milliarden DM. Das heißt im
Klartext: Der Steuersenkungsspielraum beim Bund für
1998 und 1999, den der frühere Bundesfinanzminister
Waigel, auf das Jahr bezogen, noch mit rund 1,5 Milliarden DM beziffert hat, wird durch die Steuerschätzung
keineswegs vergrößert, sondern eher verringert. Das ist
die Feststellung, die hier zu treffen ist.
({0})
Von Abgeordneten dieses Hauses - nicht von Konjunkturforschern, auch wenn sie Professoren sind, die
offensichtlich die Zusammenhänge nicht kennen -, ob
sie jetzt Hasselfeldt oder Thiele heißen, muß ich die
Kenntnis des Art. 115 des Grundgesetzes verlangen.
({1})
Danach haben wir den Spielraum von 20 bis
30 Milliarden DM für Steuersenkungen eben nicht. Das
ist die Wahrheit, meine Damen und Herren, die hier
festzustellen ist. Wir haben diesen Steuersenkungsspielraum nicht.
({2})
Historische Wahrheit ist aber, Herr Kollege Thiele,
daß die alte Koalition ein umsetzungsfähiges Steuerreformkonzept nicht vorgelegt hat.
({3})
Ihre Vorschläge waren unfinanzierbar.
({4})
Sie haben aus wahltaktischen Gründen der Bevölkerung
eine Schaufensterauslage ohne Preisauszeichnung präsentiert.
({5})
Für diese Absicht hatte Waigel in seinem Haushalt keinerlei Vorsorge getroffen.
({6})
Das hat er doch am 2. September in seiner Haushaltsrede, in seinen Ausführungen zur „symmetrischen Finanzpolitik“ hier festgestellt. Das heißt: Wenn Sie bei der
Bundestagswahl noch einmal gewonnen hätten, was der
Wähler ja Gott sei Dank verhindert hat, dann hätten Sie
erst noch die Entscheidung über die Finanzierung treffen
müssen. Dabei hätten Sie dann die Mehrwertsteuererhöhung ins Auge fassen müssen, die Sie ja schon angekündigt hatten, die bereits im Konzept enthalten war. Ich
frage mich nur, was Herr Philipp vom Handwerksverband,
({7})
der unser Konzept so kritisiert, dazu sagt. Natürlich
hätten Sie das nur mit einer Mehrwertsteuererhöhung
finanzieren können, was im Moment, wie wir wissen,
für die Binnenkonjunktur Gift wäre.
({8})
Sie hätten Ausgaben streichen müssen, ohne konkret sagen zu können, welche.
Nein, meine Damen und Herren, der wesentliche
Unterschied zwischen alter und neuer Regierung ist der:
Bei Kohl, Waigel & Co. galt nur das Versprechen, das
gebrochene Wort. Wir halten unser Wort. Das ist der
wesentliche Unterschied.
({9})
Deswegen werden wir unsere Steuerreform in drei
Stufen in den Jahren 1999, 2000 und 2002 umsetzen.
Was erreichen wir damit? Damit nähern wir uns dem
Verfassungsgebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, das bei Ihnen in den letzten
Jahren und Jahrzehnten unter die Räder gekommen ist.
Die alte Bundesregierung und insbesondere die F.D.P.
haben das Steuerrecht verwüstet, aber hier spielen sie
sich als große Reformer auf. So sind die Tatsachen.
({10})
Jetzt ist es an der Zeit, die wahren Leistungsträger
der Gesellschaft zu entlasten: Arbeitnehmer und Familien, aber auch den Mittelstand. Es darf doch nicht so
weitergehen, daß die Finanzierung unserer Gemeinschaftsaufgaben nur noch von Arbeitnehmern, Verbrauchern und Teilen des Mittelstandes vorgenommen wird.
Wir dürfen nicht akzeptieren, daß Krankenschwestern,
Handwerker, Industriefacharbeiter und Ingenieure weiter
die Lastesel der Nation sind, die sie bei Ihnen waren.
({11})
Unsere Steuerreform ist auch mutig. Darauf ist schon
hingewiesen worden. Steuersubventionen von mehr als
40 Milliarden DM abzubauen, gegen den Widerstand
der Betroffenen, ist ein mutiger Schritt. Bei Stoltenberg
waren es 18 Milliarden DM, Herr Kollege Faltlhauser.
Unser Entwurf unterscheidet sich in entscheidenden
Punkten von Ihrer Vorlage:
({12})
Unsere Steuerreform führt zu mehr Steuergerechtigkeit,
sie ist solide finanziert, sie ist wirtschaftspolitisch vernünftig - alles Anforderungen, die Ihr Konzept nicht erfüllt hat. Ihr Konzept hätte - was Sie genau wissen - dazu geführt, daß Bund, Länder und Kommunen eine ungedeckte Finanzierungslücke von über 50 Milliarden
DM hätten hinnehmen müssen. Sie hätten hier den
Staatsruin beschlossen. Das war doch unsolide bis zum
gehtnichtmehr, was Sie sich geleistet haben.
({13})
Die Kritik der Verbände nehmen wir doch locker
hin. Was hat denn der BDI zu dem Gesetzentwurf der
alten Regierung geschrieben? „Im Unternehmensbereich
sehen wir nur Verlierer“, hat der BDI 1997 geschrieben,
wobei er die Vorschriften zur Objektivierung der Gewinnermittlung meinte, die Abschaffung des halben
durchschnittlichen Steuersatzes für außerordentliche
Gewinne. Das hat er angesprochen, aber auch die Beschneidung des Verlustvortrages, was Sie vorhatten. Das
haben wir gar nicht vor. Eine Verschlechterung der Bedingungen bei der degressiven Abschreibung wollten
Sie durchsetzen. Dagegen haben wir uns gewehrt. In unserem Konzept hat die degressive Abschreibung Bestand. Das heißt, unser Entwurf, wenn man die Sicht des
BDI zugrunde legt, ist in diesen Teilbereichen wirtschaftsfreundlicher als Ihr Entwurf. Ich bedauere nur,
daß der BDI, der zu den Wahlverlierern gehört, und speziell Herr Henkel nicht die Kraft aufbringen, das auch
einmal sachlich festzustellen.
({14})
Im übrigen ist eine wie auch immer geartete Steuerund Abgabenreform kein Wundermittel zur Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit und auch keine Jobmaschine. Das
gilt für jedes Konzept.
({15})
Herr Lafontaine hat heute morgen zu Recht darauf hingewiesen. Seriöse wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben - egal, ob man Ihr Konzept, das
nicht finanzierbar ist,
({16})
oder unseres zugrunde legt -, daß man, wenn es gutgeht,
150 000 bis 250 000 Arbeitsplätze schaffen kann.
({17})
Das ist gut für die Menschen, die davon profitieren, aber
das geht auch nicht von heute auf morgen. Unserem
Konzept werden dieselben Qualitäten zugetraut. Ich
kann Ihnen da eine einschlägige RWI-Untersuchung
zeigen.
({18})
- Nein, die wäre dann vom DIW. Sie kennen sich da offenbar nicht so gut aus.
({19})
Meine Damen und Herren, es muß endlich Schluß
damit sein, daß Sie den Standort schlechtreden. Erinnern wir uns: Das Bundeswirtschaftsministerium hat erst
vor wenigen Monaten - fast verschämt - gemeldet, daß
Deutschland aus der Sicht internationaler Investoren
konkurrenzfähig ist und die ausländischen Investitionen
in Deutschland kräftig gestiegen sind.
({20})
Unsere Steuerreform wird einen geeigneten Beitrag sowohl zur dauerhaften Stabilisierung der wirtschaftlichen
Entwicklung als auch zur Wiederherstellung einer geordneten Finanzwirtschaft leisten. Darauf lege ich großen Wert: Unsere Steuerreform ist ein Beitrag zur Wiederherstellung des inneren Friedens in unserem Volke,
indem endlich mehr Steuergerechtigkeit verwirklicht
wird.
({21})
Das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Peter Rauen.
({0})
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz einer
Ankündigung von Bundeskanzler Schröder, in den Koalitionsvereinbarungen Nachbesserungen für den Mittelstand vorzunehmen, ist das Gesetz noch schlimmer geworden, als ursprünglich anzunehmen war.
({0})
Dieses Gesetz kassiert den Mittelstand ab; es entlastet
ihn nicht, sondern belastet ihn ganz massiv. Herr Lafontaine, Sie haben vor ein paar Tagen gesagt, daß nur
die Verbände gegen das Gesetz seien und die Unternehmer selbst nichts dagegen sagen würden. Frau Matthäus-Maier, für mich braucht nicht Herr Henkel zu sprechen. Ich bin seit 32 Jahren selbständiger Bauunternehmer und habe alle Höhen und Tiefen eines Unternehmers erlebt.
({1})
Ich habe Geld verdient, war aber auch in Gefahr, in
Konkurs zu gehen und vor dem Nichts zu stehen. Ich
weiß also sehr genau, wovon ich hier rede. Wenn Sie,
Herr Poß, sagen, daß die Gewinnermittlungsvorschriften
in aller Regel die kleinen und mittleren Unternehmen
nicht betreffen würden, dann ist dieses ausweislich des
Gesetzentwurfes unwahr, irreführend und fast schon zynisch.
({2})
Welchen Begriff haben Sie überhaupt vom Mittelstand? Der Mittelstand in Deutschland umfaßt die
Eigentümer-Unternehmer, vom Einzelhändler bis hin
zum modernen 500-Mann-Betrieb im Maschinen- und
Anlagenbau. Das sind 98 Prozent aller Unternehmen, sie
erwirtschaften über 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, in ihnen arbeiten zwei Drittel aller Menschen,
und sie bilden über 80 Prozent unserer jungen Menschen
aus. Es sind die Betriebe, die von 1983 bis 1990 in den
alten Bundesländern 3 Millionen und von 1991 bis 1996
- ebenfalls in den alten Bundesländern - über 1 Million
zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben; auch in den
neuen Bundesländern tragen diese Betriebe maßgeblich
zur Beschäftigung bei.
({3})
Wer diese Betriebe be- und nicht entlastet, vernichtet
mittelfristig Arbeitsplätze. Genau das tut diese Reform.
Ausweislich Ihrer Zahlen im Gesetzentwurf entlasten
Sie die Wirtschaft in der dreistufigen Reform durch Tarifsenkungen um ca. 13 Milliarden DM, während Sie
gleichzeitig durch veränderte Gewinnermittlungsvorschriften die Wirtschaft um ca. 35 Milliarden DM belasten. Sie holen sich dieses Geld teilweise bei den großen
Konzernen, vor allem aber - trotz aller Dementis, Beteuerungen und Täuschungen - überwiegend beim Mittelstand. Die Abschaffung des hälftigen Steuersatzes bei
Betriebsveräußerungen trifft den Mittelstand ins Mark,
({4})
vor allem die Hunderttausende von Unternehmern, die
alles in den Betrieb gesteckt haben, um Arbeitsplätze zu
schaffen und zu sichern, und die den Betriebswert als
Altersversorgung angesehen haben.
({5})
- Herr Poß, auch wir hatten die Abschaffung des hälftigen Steuersatzes des § 34 Einkommensteuergesetz vorgesehen, jedoch mit der Maßgabe, daß sich der durchschnittliche Steuersatz dann zwischen den Grenzen von
15 und 39 Prozent bewegt und nicht zwischen 23,9 und
53 Prozent liegt.
({6})
- Halten Sie jetzt einmal den Mund, Herr Poß!
Auch der ab 2002 vorgesehene Tarif von 19,9 Prozent Eingangssteuersatz und 48,5 Spitzensteuersatz mildert diese Zumutung für den Mittelstand nur unwesentlich. Mit der Abschaffung der Sonderabschreibungen
und der Ansparabschreibung ab dem Jahr 2000 bzw.
2001 treffen Sie die Kleinbetriebe mit einem Einheitswert unter 400 000 DM zutiefst in ihrer Liquidität, ohne
sie andererseits maßgeblich zu entlasten. Für den Mittelstand sind jedoch vor allem die Maßnahmen der Gegenfinanzierung gravierend, die bei der alten Bundesregierung nicht vorgesehen waren. Ich kann den Sachverhalt
aus zeitlichen Gründen nur an zwei Beispielen deutlich
machen:
Erstes Beispiel: Mit der Streichung der Teilwertabschreibung legen Sie nicht nur die Axt an das Steuerrecht, Sie gefährden damit auch die Existenz vieler Betriebe.
({7})
Sie zwingen Betriebe nicht nur, sich in der Steuerbilanz besser darzustellen, als sie sind - wenn Sie dies in
der Handelsbilanz täten, würden Sie sich strafbar machen, sogar möglicherweise wegen Konkursverschleppung ins Gefängnis gehen -, Sie zwingen sie sogar, auf
Waren oder Betriebsanlagen, die nichts mehr wert sind,
Steuern zu zahlen. Was muß demnächst ein Textilhändler mit Modeartikeln tun, die nicht mehr zu verkaufen
sind und daher nichts mehr wert sind? Sie zwingen ihn,
die Ware zum Einkaufspreis zu bilanzieren und damit
Steuern zu zahlen, obwohl er durch diese Waren keine
Einnahmen hat.
({8})
Was soll ich als Bauunternehmer mit genormten Gerüst- und Schalungsteilen tun, die auf drei Jahre abgeschrieben werden, die aber nach einem Jahr kaputt sind?
Ich muß sie weiter bilanzieren, Steuern zahlen und nach
Liquidität suchen, um die neuen Gerüst- oder Schalungsteile zu kaufen, damit meine Leute arbeiten können.
({9})
Das ist schlicht und einfach die Wahrheit über das, was
Sie mit der Teilwertabschreibung bewirken.
({10})
Zweites Beispiel: Begrenzung des Verlustrücktrags
auf ein Jahr, Rückführung auf 2 Millionen DM und Abschaffung ab dem Jahr 2001. Das ist ein Frontalangriff
auf die Existenz moderner mittelständischer Betriebe.
Ich habe einen Betrieb in Baden-Württemberg vor
Augen, den ich kürzlich besucht habe. Er wurde vor
16 Jahren gegründet; er hat 280 hochbezahlte Spezialisten als Mitarbeiter und beschäftigt sich mit modernstem
Anlagenbau und der Entwicklung von Prototypen, die in
der ganzen Welt reißenden Absatz finden. Der Gründer
und Firmenchef nannte mir als die beiden Probleme für
seine Firma, erstens qualifizierte Mitarbeiter zu finden
und zweitens - auf Grund überbordender Gewährleistungs- und Bürgschaftsverpflichtungen - Kapital zu beschaffen. Dieser Betrieb verdient gutes Geld, bezahlt
viel Steuern, läuft aber auch permanent Gefahr, auf
Grund der Produktenhaftpflicht - zum Beispiel in Amerika - ein oder zwei Geschäftsjahre total „in den Sand zu
setzen“. Dieser Betrieb soll nun nicht mehr - ansonsten
verkraftbare - Verluste auf ein oder zwei Jahre zurücktragen können, um sich Liquidität beim Finanzamt zu
besorgen, Liquidität, die er möglicherweise bei den
Kreditinstituten nicht mehr bekommt. Das gilt gleiPeter Harald Rauen
chermaßen für Hunderttausende von mittelständischen
Betrieben.
({11})
Wer solche Gewinnermittlungsvorschriften durchsetzen
will, hat vom Mittelstand in Deutschland keine Ahnung.
({12})
Meine Damen und Herren, viel aufschlußreicher im
Rahmen der Gegenfinanzierung ist aus meiner Sicht eine
Maßnahme, die Sie nicht durchführen, obwohl die alte
Bundesregierung den Mut dazu hatte. Ich spreche von
der Begrenzung der Verlustvorträge auf 50 Prozent
der Gewinne bei einem Freibetrag von 2 Millionen DM
für mittelständische Betriebe. Ihr Verzicht auf diese Gegenfinanzierung begünstigt nicht den Mittelstand. Im
Gegenteil: Er begünstigt ausschließlich die Großindustrie, die es verstanden hat, durch Mantelkäufe nach dem
Umwandlungssteuerrecht unter anderem große Verluste
preiswert einzukaufen. Daß es in Deutschland zur Zeit
Verlustvorträge in Höhe von zirka 400 Milliarden DM
gibt, hat nur zum Teil mit operativen Verlusten zu tun,
in hohem Maße aber mit diesen Mantelkäufen. Mit diesen Verlustvorträgen ist in Deutschland teilweise ein
schwunghafter Handel getrieben worden, weil man sich
damit leicht Liquidität verschaffen konnte.
({13})
Ein großes deutsches Unternehmen hatte - Stand Ende 1996 - einen Verlustvortrag in Höhe von 16,6 Milliarden DM. Dieses Unternehmen hat in 1997 ausweislich
des eigenen Geschäftsberichtes einen Gewinn von 4,3
Milliarden DM gemacht. Zahlung von Körperschaftund Gewerbeertragsteuer: null DM. Stünde das Gesetz
der alten Bundesregierung im Gesetzblatt, würde dieser
Konzern 1998 bei einem gleichen Gewinn 2,15 Milliarden DM mit Verlusten verrechnen können, aber von den
anderen 2,15 Milliarden DM Körperschaft- und Gewerbeertragsteuer in Höhe von über 1 Milliarde DM zahlen.
Ich kann Ihnen aus der Erinnerung fünf ähnlich gelagerte Fälle großer deutscher Konzerne nennen.
Von dieser Maßnahme läßt die neue Bundesregierung
die Finger. Es ist ja auch einfacher, Zehntausende kleiner Betriebe mit der Novellierung der Sonder- und Ansparabschreibung um Liquidität zu bringen,
({14})
als sich mit den Interessen derjenigen anzulegen, mit
denen man jahrelang im gleichen Aufsichtsrat gesessen
hat.
({15})
Ich muß zum Schluß kommen. Die rund 3 Millionen
selbständigen Unternehmen des Mittelstandes werden
dies alles sehr genau beobachten. Wer in Deutschland
gegen den Mittelstand Arbeitslosigkeit abbauen will,
mag bei der Arbeitsbewirtschaftung möglicherweise Erfolge vorweisen können, nicht aber bei der Zunahme
von Arbeitsplätzen bzw. von Beschäftigung, was zu
mehr Zahlungen von Steuern und Abgaben führen würde, wodurch letztlich der Staat finanziert wird.
Ich bleibe dabei: Dieser Gesetzentwurf zur Steuerreform ist ein Mittelstands- und Arbeitsplatzvernichtungsprogramm.
({16})
Das Wort für die
PDS-Fraktion hat Frau Dr. Barbara Höll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler pries in seiner Regierungserklärung die Steuerreform als Einsicht in ökonomische Notwendigkeiten, in welcher sich moderner
Pragmatismus mit einem starken Sinn für soziale Fairneß verbindet. Frau Professor Luft sagte schon, daß wir
viele Maßnahmen der Steuerreform begrüßen. Aber die
soziale Fairneß vermissen wir an einigen Stellen. Oder
meinen Sie, daß betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Halbierung der Freibeträge im Rahmen
von Abfindungen als sozial fair empfinden werden und
daß die bereits ab 1. Januar 1999 vorgesehene Streichung des Vorkostenabzuges bei eigenheimzulagebegünstigten Wohnungen den Häuslebauern Freude machen wird? Wo ist die Individualisierung des Steuerrechtes, wo seine größere Transparenz?
Es gibt auch viel Diskussionsstoff bezüglich der Ökosteuer.
Ich sage aber auch: Wir unterstützen Ihren Antrag bezüglich der Kindergeldauszahlung und der Erstellung
der Lohnsteuertabellen. Hier tut Eile tatsächlich not.
Aber ich frage Sie: Warum lassen Sie sich andererseits
bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag Zeit? Wer mehr soziale
Gerechtigkeit will, wer Armut bekämpfen will, muß
Reichtum begrenzen.
({0})
Gerade weil die alte Regierung von Christdemokraten
und Liberalen eine große finanzielle Erblast hinterlassen
hat, reicht es nicht aus, nur erste kleine Entlastungsschritte zu machen, die zum Teil schon gesetzlich verankert waren und nur erste Schritte sein können. Es
reicht nicht aus, in der Regierungserklärung die alte Leier der staatlichen Ausgabenbeschränkung und der Mißbrauchskontrolle - nur neu arrangiert - weiter zu spielen. Es gilt, den Mut aufzubringen, tatsächliche Einnahmeerhöhungen anzustreben.
Hier sind wir bei dem Stichwort Vermögensteuer.
Im Koalitionsvertrag stellen Sie in Aussicht, eine Sachverständigenkommission einzuberufen, die die Grundlage für eine wirtschafts- und steuerpolitisch sinnvolle
Vermögensbesteuerung schaffen soll. Ich frage Sie: Was
soll denn das, meine Damen und Herren von der Regierungskoaltion? Ein elegantes Begräbnis? - Damit sind
wir von der PDS nicht einverstanden.
Wir fordern Sie deshalb mit unserem Antrag auf, bis
zum 30. März nächsten Jahres einen Gesetzentwurf für
die Wiedererhebung der Vermögensbesteuerung auf der
Basis einer reformierten Bemessungsgrundlage vorzulegen.
({1})
Ich muß Ihnen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der SPD und von den Grünen: Sie scheinen vergessen zu haben, daß Sie selber schon fix und fertige Gesetzentwürfe dazu hatten: Drucksache 13/5504 und
Drucksache 13/4838. Nehmen Sie sie, schauen Sie, wo
Ihre Berührungspunkte sind. Sie sind zu finden. Sie von
der SPD haben unter anderem noch vor zwei Jahren fast
einheitliche Tarife für natürliche und juristische Personen gefordert.
Sie legten Vorschläge für die Neugestaltung der Freibeträge vor. Von den Grünen gab es dazu ein Änderungsgesetz. Sie können also sofort handeln. Ich verstehe nicht, warum sich die Regierung berechtigterweise
den Vorwurf von Matthias Geis gestern in der „Zeit“
machen läßt:
Wir warten auf Reformkonzepte, die diesen Namen
verdienen. In den Schubladen jedenfalls liegt wenig.
Herr Bundeskanzler, seien Sie froh, daß die PDS als
linke Opposition im Bundestag ist. Wir werden Sie veranlassen, ruhig ein bißchen tiefer in Ihren Schubladen zu
kramen und auch die alten Gesetzentwürfe hervorzuholen. Auf dieser Basis soll ein Neuvorschlag zur Vermögensbesteuerung bis zum 30. März vorgelegt werden.
({2})
Im Grundgesetz ist nicht nur der Schutz des Eigentums verankert. Im Grundgesetz ist eben auch das Sozialstaatsprinzip verankert, die Verantwortung des Staates für den Ausgleich sozialer Gegensätze und für eine
gerechte Sozialordnung. Diese Verantwortung muß er
unserer Meinung nach vor allem auch mit der Erhebung
von Steuern wahrnehmen.
Wir unterbreiten Ihnen noch einen zweiten Vorschlag. Herr Poß hat zu Recht darauf hingewiesen, daß
es notwendig ist, zum Prinzip der Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zurückzukehren.
Deshalb schlagen wir Ihnen vor: Erarbeiten wir gemeinsam ein Gesetz zur Besteuerung des Erwerbs von Luxusgütern; denn die Menschen, die sich zum Beispiel
ein Schmuckstück im Wert von 10 000 DM kaufen können, können auch auf die 16 Prozent Mehrwertsteuer die
6 Prozent einer erhöhten Verbrauchssteuer drauflegen.
({3})
Lassen Sie uns hier anfangen. Dann haben wir wirklich ein Zeichen für soziale Gerechtigkeit und für Ausgleich gesetzt, auch bei der Steuerreform.
Ich danke Ihnen.
({4})
Ich schließe die
Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 14/23, 14/11 und 14/27 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Das Steuerentlastungsgesetz auf Drucksache 14/23
soll zusätzlich an den Ausschuß für Tourismus und an
den Ausschuß für Bildung und Forschung überwiesen
werden. Der Haushaltsausschuß soll diesen Gesetzentwurf zur Mitberatung gemäß § 96 der Geschäftsordnung
erhalten. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen zur Kindergeldauszahlung und zur Erstellung
der Lohnsteuertabellen 1999 auf Drucksache 14/28. Wer
stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der
Koalition und der PDS bei Enthaltungen der Fraktionen
von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion beabsichtigt die Durchführung einer kurzen Fraktionssitzung. Daher unterbreche
ich die Sitzung für etwa 30 Minuten. Der Wiederbeginn
wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt.
({0})
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag
der Bundesregierung
Deutsche Beteiligung an der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo
- Drucksachen 14/16, 14/32 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Christoph Zöpel
Karl Lamers
Dr. Helmut Lippelt
Wolfgang Gehrcke
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die
Aussprache über diese Vorlage namentlich abstimmen
werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist
für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Ich erteile das Wort dem Vorsitzenden des Auswärtigen
Ausschusses, Hans-Ulrich Klose.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Gemäß § 66 Abs. 1 der Geschäftsordnung erstatte ich Ihnen im Einvernehmen mit den
Kollegen Vorsitzenden des Rechts-, Haushalts- und
Verteidigungsausschusses Bericht über die Beratung des
Antrages der Bundesregierung „Deutsche Beteiligung an
der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo“, „NATO Kosovo Air Verification Mission“, Drucksache 14/16.
Dieser Antrag ist am Dienstag dieser Woche dem
Auswärtigen Ausschuß federführend und den genannten
Ausschüssen zur Mitberatung überwiesen worden. Unmittelbar nach der Konstituierung am heutigen Morgen
haben sich die Ausschüsse in ihren ersten Arbeitssitzung
eingehend mit diesem Antrag befaßt.
Der Rechtsausschuß empfiehlt, dem Antrag zuzustimmen. Der Beschluß wurde mit den Stimmen der
Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses
90/Die Grünen sowie der F.D.P. gegen die Stimmen der
Fraktion der PDS bei einer Enthaltung seitens der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gefaßt.
Der Haushaltsausschuß hat mehrheitlich mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSUFraktion und der F.D.P.-Fraktion bei drei Stimmenthaltungen der Fraktion der SPD
({0})
gegen die Stimmen der Fraktion der PDS empfohlen,
dem Antrag zuzustimmen.
Der Verteidigungsausschuß hat mit den Stimmen
der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses
90/Die Grünen und der F.D.P. gegen die Stimmen der
Fraktion der PDS ebenfalls den Beschluß gefaßt, dem
Plenum zu empfehlen, dem Antrag der Bundesregierung
auf Drucksache 14/16 seine Zustimmung zu erteilen.
Der Auswärtige Ausschuß hat in Anwesenheit des
Bundesministers des Auswärtigen und des Bundesverteidigungsministers beraten und beschlossen. Beiden
danke ich für die ausführlichen Erläuterungen. Ich stelle
fest, daß sich schon in der ersten Sitzung des Ausschusses eine gute Zusammenarbeit zwischen Parlament und
Regierung gezeigt hat. So soll es sein, und so soll es
bleiben.
Der Auswärtige Ausschuß hat in Kenntnis der Voten
der mitberatenden Ausschüsse beschlossen. Er empfiehlt
dem Hohen Hause mit der großen Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU-Fraktion
und der F.D.P.-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion
der PDS die Annahme des Antrags der Bundesregierung. Damit verbindet sich unsere Hoffnung auf eine,
wie es im Antrag heißt, „Stabilisierung der Verhältnisse
im Kosovo“ und auf die Schaffung eines Umfeldes, welches zu einer dauerhaften und tragfähigen Friedensregelung beiträgt und auf die Abwendung einer humanitären Katastrophe abzielt. In diesem Sinne empfehlen alle
Ausschüsse die Zustimmung zu dem Antrag.
Ich bedanke mich.
({1})
Es spricht jetzt der
Bundesaußenminister Joseph Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung bittet heute den Deutschen Bundestag, der
Entsendung deutscher Kräfte zur Teilnahme an einer
NATO-Operation zur Luftüberwachung der VNSicherheitsratsresolutionen 1160 und 1199 zuzustimmen. Die Bundesregierung beabsichtigt, nach der Zustimmung des Deutschen Bundestages an dieser Operation mit unbewaffneten, unbemannten und ferngesteuerten Aufklärungsflugzeugen teilzunehmen.
Für die Bedienung einschließlich des Schutzes dieses
empfindlichen Geräts sollen bis zu 350 Soldaten eingesetzt werden. Darüber hinaus soll deutsches Personal im
fliegenden NATO-Frühwarn- und -führungssystem
AWACS eingesetzt werden.
Ich möchte nochmals den Zusammenhang zu der
Sondersitzung des 13. Deutschen Bundestages herstellen, der in seiner letzten Sitzung beschlossen hat, an
einer möglichen NATO-Militäraktion teilzunehmen. Die
Konsequenz dieses Beschlusses war dann eine in letzter
Minute erreichte Einigung zwischen dem USSondergesandten Richard Holbrooke und der Regierung
in Belgrad. Sie hat eine Militäraktion verhindert. Diese
geplante Militäraktion hatte zum Zweck, eine humanitäre Katastrophe im Kosovo angesichts zahlloser Flüchtlinge, zerstörter Dörfer, zerstörter Wohnungen und des
drohenden Winters abzuwehren.
Heute können wir sagen, daß die humanitäre Katastrophe - alle vor Ort berichten dies - abgewehrt werden
konnte. Ich denke, das ist ein erster wichtiger Erfolg.
({0})
Die Flüchtlinge sind zum überwiegenden Teil in ihre
Dörfer und Häuser zurückgekehrt. Worauf es jetzt ankommt, ist, die Abwendung der humanitären Katastrophe in eine Verstetigung des friedlichen Zusammenlebens, des friedlichen Alltags, des Wiederaufbaus, der
Hilfe zum Wiederaufbau und einer politischen Lösung
zu führen.
Holbrooke hatte drei Körbe verhandelt. Die Umsetzung von allen drei Körben wird für die Abwendung der
humanitären Katastrophe, für die Beendigung des Krieges und für eine politische Lösung letztendlich unabweisbar sein. Es besteht hier ein Sachzusammenhang;
deswegen müssen wir den Bundestag heute erneut mit
einem Beschluß beschäftigen und werden ihn in absehbarer Zukunft mit einem weiteren Beschluß zu beschäftigen haben. Ich füge gleich hinzu: Das liegt nicht an der
Bundesregierung, sondern allein an den Problemen, die
sich aus dem Konsultationsprozeß des NATO-Rates und
der Beschlußfassung dort ergeben. Wir hätten dies gern
in einem Beschluß zusammengefaßt.
Lassen Sie mich in aller Kürze auf die Realisierung
der drei Körbe zu sprechen kommen.
Zum ersten, dem humanitären Korb: Mit dem nach
Meinung westlicher Beobachter und der entsprechenden
NATO-Stellen weitestgehend umgesetzten Rückzug der
jugoslawischen Truppen und Sondereinheiten ist die
Rückkehr der Flüchtlinge ermöglicht worden. Damit ist
eine humanitäre Katastrophe abgewendet worden.
Der zweite Korb ist die Überwachung dieses Prozesses. Auch dieser Korb ist sowohl für die Sicherheit der
Menschen im Kosovo als auch für den Fortgang der politischen Lösung unabweisbar. Dafür hat die BundesreHans-Ulrich Klose
gierung in ihrer ersten Kabinettssitzung beschlossen, daß
wir uns mit bis zu 200 zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der OSZE-Mission beteiligen.
Ich habe es an anderer Stelle schon gesagt: Hierin
liegt ein entscheidender Schritt nach vorne für die Rolle
der OSZE im Peacekeeping, das heißt im Überwachen
des Friedens, in der Durchsetzung des Friedens mit zivilen Mitteln in Europa. Ich sehe hier ebenfalls einen
großen Fortschritt.
({1})
Der Kollege Scharping und das Auswärtige Amt
werden je 80 Personen, das Bundesinnenministerium
wird 40 Personen - jeweils als Höchstgrenze - bereitstellen und in den Kosovo entsenden. Die Entsendung
wird im Dezember, nachdem alle Vorarbeiten getroffen
sind und die Einstellungen entsprechend abgeschlossen
wurden, vorgenommen werden.
Wenn man sich dazu durchringt, diesen Schritt zu tun
- ich sehe in diesem zivilen Peacekeeping einen wirklich historischen Durchbruch -, dann wird es entscheidend sein, daß man den Menschen, die man dort hinschickt, optimale Bedingungen schafft. Ich weiß, sehr
viele Kolleginnen und Kollegen - auch und gerade auf
der linken Seite des Hauses - haben, als sie in der Sondersitzung zugestimmt haben, auf Grund der rechtlichen
Aspekte und auch der politischen Folgen, die sich daraus
ergeben können, offene Fragen gehabt. Ich weiß, es gibt
nach wie vor Fragen und Probleme in diesem Zusammenhang. Ich bitte aber alle, die sich mit der Zustimmung schwertun, zu bedenken, daß die Verifikation der
OSZE-Mission daran hängt, daß die militärische, aber
unbewaffnete Luftraumüberwachung ebenfalls stattfindet.
({2})
Die Bundesregierung bittet Sie heute um Ihre Zustimmung; denn es geht nicht nur um die Verifikation
am Boden; vielmehr muß diese Verifikation am Boden
durch eine militärische, aber unbewaffnete Luftraumüberwachung gestützt werden. Da es sich hier um
hochgeheimes Gerät handelt - der Kollege Scharping
wird noch auf das Erfordernis einer klaren Vereinbarung
mit der Regierung in Makedonien zu sprechen kommen
-, wird es hier ebenfalls zum Einsatz von bewaffneten
Kräften seitens der Bundeswehr zwecks Bewachung des
unbemannten Fluggeräts kommen. Der Fall, der hier
eingetreten ist, ist konstitutiv. Deswegen muß der Gesetzgeber, der Deutsche Bundestag, darüber abstimmen.
Ich hoffe, Sie werden mit Ja stimmen.
Lassen Sie mich noch auf den dritten und, ich glaube,
schwierigsten Punkt zu sprechen kommen, den Korb 3,
die politische Lösung. Wir müssen davon ausgehen, daß
die beiden beteiligten Konfliktparteien sich ausschließende, hochsymbolisch aufgeladene Interessen verfolgen. Die albanische Seite will die Unabhängigkeit, die
Sezession des Kosovos. Ich kenne keine politische Kraft
in Belgrad, die bereit ist, dies zu akzeptieren.
Wir haben hier eine sehr schwierige Situation. Die
Haltung des Westens ist klar definiert. Die Haltung des
Westens, die der Bundesrepublik Deutschland, die der
Vorgängerregierung und auch die dieses Hauses war
immer die, daß wir Sezession, Unabhängigkeit nicht
unterstützen; vielmehr unterstützen wir die Durchsetzung der Menschenrechte und ein weitgehendes Autonomiestatut, allerdings im Rahmen der Bundesrepublik
Jugoslawien. Dies ist Gegenstand der HolbrookeMilosevic-Vereinbarung.
({3})
Gestern habe ich, wie ich heute den Ausschüssen berichtete - auch hier möchte ich es noch einmal erwähnen
-, in einem Gespräch im Ministerium mit Vertretern der
Kosovo-Albaner aus Pristina und auch mit hier lebenden
Exilalbanern auch darauf hingewiesen, daß wir mit großer Sorge die Entwicklung von Gewalteinsatz auf albanischer Seite sehen. Der Friedensprozeß setzt Gewaltverzicht auf beiden Seiten voraus.
({4})
Damit es in diesem Friedensprozeß im Interesse der
Bevölkerung tatsächlich zu positiven Ergebnissen kommen kann, brauchen wir jetzt diese OSZE-Mission und
die dazu notwendige Luftraumüberwachung. Sie ist Bestandteil dieser Mission. Wir brauchen jetzt vor allen
Dingen eine Einigung über das entsprechende Statut, ein
Autonomiestatut für die Dauer von drei Jahren. Auf
der Grundlage dieses Statuts kann dann im Kosovo ein
konstitutioneller Prozeß beginnen, begründend auf freien Wahlen, begründend auf einem aus diesen freien
Wahlen hervorgegangenen Regionalparlament, begründend auf einer eigenen Justiz, begründend auf einer
eigenen Polizei. Ich denke, das ist es, was jetzt angegangen werden muß. Hier liegen allerdings noch erhebliche
Schwierigkeiten. Nur glaube ich nicht, daß wir, ohne
daß wir hier zu einem positiven Abschluß kommen, tatsächlich eine Entwicklung hin zu dauerhafter Gewaltfreiheit und zu Frieden in dieser Region erleben werden.
An einer solchen Entwicklung haben wir aber großes
Interesse.
({5})
Ich bitte Sie also, dem Antrag der Bundesregierung
zuzustimmen. Ich möchte auch all diejenigen, die aus
nachvollziehbaren Gründen mit einem Ja Schwierigkeiten haben, bitten, nochmals über ihre Entscheidung
nachzudenken. Ich sage Ihnen ganz persönlich - das
gilt für den Kollegen Scharping und für den Kollegen
Schily -:
({6})
Wir schicken unbewaffnete zivile Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in eine sehr schwierige Mission. Die Bundesregierung tut dies als Ganzes; aber ich betone auch
die persönliche Seite. Gerade dann, wenn wir politisch
von der Notwendigkeit einer stärkeren Rolle der OSZE
überzeugt sind, müssen wir den Menschen, die bereit
sind, dieses Risiko in unserem Auftrag einzugehen, optimale Bedingungen schaffen. Dazu gehört ein Ja zur
heutigen Beschlußvorlage.
Ich bedanke mich.
({7})
Das Wort hat jetzt
der Abgeordnete Paul Breuer, CDU/CSU.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSUFraktion unterstützt den Antrag der Bundesregierung
betreffend die Beteiligung der Bundeswehr an der
NATO-Luftraumüberwachungsoperation über dem Kosovo. Es geht uns darum, daß Deutschland seinen verantwortungsvollen und verantwortungsbewußten Beitrag
dazu leistet, daß die Menschen im Kosovo nicht nur vor
der humanitären Katastrophe geschützt werden, die sich
hier angedeutet hatte und zum Teil schon eingetreten
war, sondern auch auf Dauer eine Lebens- und Friedensperspektive im Kosovo erhalten.
({0})
Es wäre natürlich gut gewesen, Herr Minister Fischer,
wenn wir heute auch über die Entsendung der Schutzund Evakuierungstruppe, der sogenannten Extraction
Force, hätten debattieren und entscheiden können. Aber
es ist richtig: Die Zeitabläufe bei der NATO ließen dies
nicht zu. Gleichwohl müssen wir heute beides im Zusammenhang debattieren und würdigen.
Meine Damen und Herren, für uns muß feststehen,
daß Milosevic im Abkommen mit dem US-Sonderbotschafter Holbrooke nicht zu derart weitreichenden
Zugeständnissen, wie sie zustande gekommen sind, hätte
gebracht werden können, wenn nicht auch der Deutsche
Bundestag, wenn nicht Deutschland seine Verantwortung in der Art und Weise wahrgenommen hätte, wie
wir es getan haben.
({1})
Deswegen ist es für mich unverständlich - wir werden
im Laufe der Debatte sicherlich noch einiges dazu hören -, daß es in diesem Hause nach wie vor Kollegen
gibt, die meinen, die Debatte von gestern über Rechtsgrundlagen usw. erneut führen zu müssen.
Wir müssen heute sagen: Es war ein Erfolg der internationalen Staatengemeinschaft, es war ein Erfolg insbesondere der NATO, Milosevic zu diesen Zugeständnissen zu bringen. Wir können das, was wir heute einleiten,
nur auf der Basis dieses Prozesses, der unter Druck zustande kam, weiter beraten.
Es ist wichtig, daß wir nun den zweiten Schritt tun,
indem wir unseren Willen bekunden, die Einhaltung dieser Zusagen auch wirkungsvoll zu überwachen. Solange
nicht eindeutig nachprüfbar ist, inwieweit die Bundesrepublik Jugoslawien in allen vereinbarten Teilen die Zusagen einhält, muß die Drohkulisse der NATO so bestehenbleiben, wie sie besteht.
({2})
Der Abzug der serbischen Sicherheitskräfte, der wohl
weitestgehend erfolgt ist - das wurde auch von der Bundesregierung deutlich gemacht -, ist nur der erste
Schritt. Vorrangig wird sein, wie rasch die Modalitäten
dafür geschaffen werden können, daß alle Flüchtlinge,
die zum Teil nach wie vor in den Wäldern hausen müssen, die Angst haben und vom Winter bedroht sind, in
ihre zerstörten Dörfer oder andere Liegenschaften zurückkehren können.
Ich begrüße ausdrücklich, daß sich die neue Bundesregierung zur, wie sie sagt, Kontinuität deutscher Außen- und Sicherheitspolitik bekennt. Aber es muß
schon erlaubt sein, darauf hinzuweisen, daß es die alte
Koalition war, die die neue Verantwortungsrolle
Deutschlands in der Staatengemeinschaft zu Beginn der
90er Jahre maßgeblich befördert hat, und daß Sie damals
auf einer anderen Seite gestanden haben.
({3})
Ohne uns hätten das Ansehen Deutschlands in der Welt
und die Berechenbarkeit der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik damals schweren Schaden erlitten.
Wir nehmen die innere und äußere Anpassungsfähigkeit des neuen Außenministers zur Kenntnis. Der Lernprozeß, den Sie, Herr Minister Fischer, vollzogen haben, ist
nun in gleichem Maße auch von Ihren Kolleginnen und
Kollegen in der bündnisgrünen Fraktion nachzuvollziehen.
Ich möchte darauf hinweisen - weil man es muß -,
daß am 16. Oktober bei der Abstimmung des alten Bundestages immerhin nur 26 von 47 Mitgliedern der Grünen-Fraktion dem Einsatz zugestimmt haben. Das war
etwas mehr als die Hälfte. Bei so wenig Unterstützung
aus den eigenen Reihen von einer Kontinuität der Politik
zu reden, das, Herr Minister Fischer, ist schon etwas
verwegen. Auch das muß deutlich gesagt werden.
({4})
Wir werden schon genau darauf achten, und zwar
heute wie in Zukunft, ob die neue Bundesregierung in
der Lage ist,
({5})
für Auslandseinsätze hier im Deutschen Bundestag, in
diesem Hohen Hause, die erforderlichen Mehrheiten sicherzustellen. Um es klar zu sagen, Herr Kollege
Schlauch: Wir stellen uns unserer Verantwortung, gar
keine Frage; das wissen Sie auch. Aber wir sind natürlich
nicht dazu bereit, Unstimmigkeiten bei Ihnen durch unsere Stimmen zu überdecken. Wir achten genau darauf und
werden Sie in namentlicher Abstimmung fordern.
({6})
Spielen Sie also bitte nicht - da möchte ich Sie persönlich ansprechen, Herr Minister - die Qualität des
heute und in der kommenden Woche zu beratenden Einsatzes herunter! Sie sprachen eben von einem zivilen
Peacekeeping. Dieser Einsatz, und zwar sowohl die
Luftverifikation wie der Einsatz am Boden, der Einsatz
der 2 000 OSZE-Beobachter ist eine höchst gefährliche
Unternehmung und kein Weihnachtsspaziergang.
Wenn ich heute in der „Bild“-Zeitung lese - sicher
etwas falsch, etwas überzogen dargestellt -, daß die
Bundesrepublik Jugoslawien Waffeneinkäufe bei der
Russischen Föderation tätige - ich denke, ich weiß es
richtig einzuschätzen; da besteht nach wie vor ein Rüstungsabkommen -, dann weiß ich, daß deutsche Streitkräfte dort auch modernsten Waffensystemen begegnen
können.
Wenn man weiß, daß es ständig - täglich - Provokationen zwischen UCK und serbischen Sicherheitskräften
gibt - wir sehen beide Seiten -, dann weiß man, in welches schwierige Szenario jeder einzelne OSZEBeobachter dort jeden Tag kommen kann, dann weiß
man, wie notwendig es ist, daß bewaffnete Streitkräfte
als Schutz- und Evakuierungstruppe, und zwar gut ausgebildet, bestausgebildet, zur Verfügung stehen. Hier
dann von einem zivilen Peacekeeping zu reden, könnte,
wenn man es so verstehen will, schon dazu dienen, daß
Sie Ihren Leuten, insbesondere in der Grünen-Fraktion,
verkaufen wollen, daß das alles einfach sei, und daß Sie
eine hohe Zustimmungsrate bekommen wollen. Das ist
nicht zugelassen. Wir müssen den Menschen in unserem
Lande, den Beobachtern und den Soldaten, schon klar
sagen, daß es um eine gefährliche Operation geht. Nur
wenn wir dies feststellen, besteht auch mental die Sicherheit, daß diese Menschen wohlbehalten wieder nach
Hause kommen können.
({7})
Das ist verantwortliche Politik, meine Damen und Herren.
In diesem Zusammenhang will ich eines sagen: Wenn
es darum geht, die deutschen Truppenteile für die
Schutz- und Evakuierungstruppe festzustellen, zu identifizieren - das wird ja in der kommenden Woche geschehen -, dann fordern wir schon, daß es die Besten sind,
die die Bundeswehr hat. Das heißt dann, daß in der Einsatzreserve - die braucht man nicht nach Mazedonien zu
schicken - das Kommando Spezialkräfte vorgehalten
wird. Das sind die in bestimmten Szenarien am besten
ausgebildeten Soldaten. Es kann nicht sein, daß deshalb,
weil die Grünen-Fraktion in der Vergangenheit etwas
dagegen hatte, daß diese Truppen aufgestellt werden,
möglicherweise davon abgesehen wird. Auch das will
ich hier deutlich feststellen.
({8})
Ein letztes Wort zur Finanzierung des Einsatzes.
Dieser Einsatz kostet viel Geld. Er wird - so schreiben
Sie es ja in der Vorlage - in diesem Jahr das Geld des
Verteidigungsetats kosten; das soll aus dem Einzelplan
14 erwirtschaftet werden. Ich spreche jetzt einmal mit
der Sprache, in der die SPD-Opposition - jetzt in der
Regierung - in der Vergangenheit mit uns geredet hat.
Sie haben den damaligen Finanzminister, den Kollegen
Dr. Waigel, ständig dazu aufgefordert, daß er das Geld
aus dem Gesamthaushalt geben solle. Ich fordere auch
Sie jetzt dazu auf. Sollten Sie, Herr Minister Scharping,
damit Schwierigkeiten haben: Unsere Unterstützung ist
Ihnen sicher.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({9})
Es spricht jetzt der
Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Maßnahmen, die die internationale Staatengemeinschaft
trifft, müssen im Zusammenhang gesehen werden. Darauf hat mein Kollege Fischer hingewiesen. Der Aufbau
militärischen Drucks hat zu dem Abkommen zwischen
Herrn Milosevic und Herrn Holbrooke geführt. Ich will
an dieser Stelle sagen, damit das auch für die weiteren
Debatten klar ist: Die Bundesrepublik Deutschland hat
keine Schwierigkeiten mit dem serbischen Volk und
hegt keine Animositäten und schon gar nicht Feindschaft
gegen das serbische Volk; sie bedauert aber, daß das
serbische Volk eine diktatorische Regierung hat, die das
eigene Land und andere unter Druck setzt.
({0})
Mit diesem Abkommen und den Folgevereinbarungen ist erstens die Verifikation am Boden, also die Mission durch die OSZE, und zweitens die bemannte und
unbemannte Verifikation in der Luft geregelt. Hierfür
gibt es mehrere Rechtsgrundlagen, über die ich Sie jetzt
informiere: Neben diesem Abkommen, das häufig erwähnt wird, gibt es ein zweites zwischen dem NATOOberbefehlshaber und dem jugoslawischen Generalstabschef; außerdem gibt es einen entsprechenden Beschluß des Ständigen Rates der OSZE und schließlich
auch die Resolution des Weltsicherheitsrates mit der
Nummer 1203, die all dies aufgreift und bekräftigt und
die Staatengemeinschaft ermuntert, in diesem Sinne zu
verfahren.
Hinsichtlich der Bedenken gegenüber einer Verifikation am Boden kann ich das Haus darüber informieren,
daß mittlerweile alle Staaten begonnen haben, ihre Beobachter zu notifizieren, also anzumelden. Das gilt übrigens für alle europäischen Staaten, einschließlich Rußlands und der Ukraine, sowie für die Vereinigten Staaten
von Amerika. Ich sage das deshalb, damit sich einzelne
Mitglieder des Hauses oder möglicherweise eine Fraktion nicht hinstellen und sich für klüger halten kann als
die internationale Staatengemeinschaft, Rußland und die
Ukraine eingeschlossen.
({1})
Im übrigen unterliegen diese 2 000 Beobachter einer
Gefahr. Es hat keinen Sinn, daran vorbeizureden. Die
Gefahr ergibt sich daraus, daß in dem Abkommen zwar
geregelt ist, daß die Bundesrepublik Jugoslawien für
die Sicherheit der OSZE-Beobachter die Gewährleistung
zu übernehmen hat, daß aber die UCK eigene Interessen
verfolgt. Im Kosovo gibt es nicht nur von beiden Seiten
verursachte Scharmützel, sondern auch den Anspruch,
bestimmte Gebiete mit angemaßter ziviler Autorität
zu kontrollieren. Aus diesem Widerstreit einerseits zwischen den Garantien des Abkommens und andererseits den Ansprüchen, die die UCK stellt, ergeben sich
Risiken. Es gibt leider auch andere, aber ich wollte
das an diesem einen Beispiel deutlich machen. Es sollte
uns also bewußt sein, daß wir mit der Entsendung
der Verifikateure auch ein gewisses Risiko eingehen,
das für diese Menschen erheblich werden kann. Das ist
- ich stimme dem Kollegen Breuer ausdrücklich zu kein Spaziergang, sondern ein mit Risiko behafteter Einsatz.
Um so wichtiger wird es sein, daß die Verifikation in
der Luft funktioniert. Da wird eine Drohnenbatterie der
Bundeswehr entsandt; diese Informationen haben Sie
alle. Deswegen will ich mich jetzt auf den Hinweis beschränken, daß die Stationierung dieser Batterie erst erfolgen wird, wenn es zu einer entsprechenden Vereinbarung mit der mazedonischen Regierung gekommen ist.
Dazu konnte es wegen des Regierungswechsels in diesem Lande nicht kommen. Er hat nicht so gut funktioniert wie hier. Aber das ist eine eher scherzhafte Bemerkung am Rande.
Ich möchte darauf aufmerksam machen - damit
komme ich auf eine Bemerkung zurück, die ich in der
ersten Debatte am Dienstag schon gemacht habe -, daß
wir für politische Lösungen nur ein sehr enges Zeitfenster haben. Auch wenn das Abkommen eine Zeit von
drei Jahren vorsieht und wenn jetzt für ein halbes Jahr
Entscheidungen innerhalb der OSZE oder der NATO
getroffen werden, für die politische Lösung gibt es vermutlich nur ein sehr enges Zeitfenster. Es gibt hier eine
gegenseitige Verantwortung. Man muß das auf mehreren
Seiten klarmachen. Deswegen will ich in diesem Zusammenhang sagen, daß Waffenlieferungen gleich welchen Staates - das gilt auch für Rußland - und aus welchen Motiven auch immer in dieses Gebiet hinein angesichts der Chance eines Friedensprozesses ein unverantwortliches Verhalten darstellen. Dabei ist es ganz
egal, von wem es kommt.
({2})
Ich will auch deutlich machen, daß beispielsweise innerhalb der OSZE die Weigerung Rußlands, im Rahmen
der OSZE-Maßnahmen auch eine unabhängige Berichterstattung durch Journalisten aus dem Kosovo heraus zu
ermöglichen, die Situation ebenfalls eher erschwert als
erleichtert.
({3})
Denn für eine demokratische Entwicklung braucht man
mehreres, darunter auch eine unabhängige und freie
Presse.
({4})
Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund des
engen Zeitfensters, eines nicht sehr konsistenten Verhaltens einzelner Staaten und der Risiken, die dadurch
entstehen, wird es um so wichtiger sein, auch die Entscheidungen sorgfältig vorzubereiten, die sich mit der
sogenannten Notfalltruppe ergeben werden. Ich will Sie
darüber informieren, daß im Militärausschuß der NATO
die entsprechenden Operationspläne abgeschlossen sind.
Das geschah gestern abend und ist heute dann folgerichtig im Verteidigungsausschuß wie im Auswärtigen Ausschuß berichtet worden.
Ich greife diesen Gesichtspunkt deshalb auf, weil aus
den Planungen der NATO und aus den Absichten aller
Mitgliedstaaten ganz eindeutig hervorgeht, daß mit
dieser Notfalltruppe nichts verbunden ist, was militärische Intervention bedeuten würde. Der Auftrag ist vielmehr absolut klar: den OSZE-Beobachtern im Falle
eines Risikos, das sehr verschieden eintreten kann, die
Hilfe zu geben, die sie brauchen, und sie notfalls aus den
Gebieten, in denen sie bedroht sind, herausholen zu
können.
Ich weiß, welche Diskussionen hier und da darum
herumgeflochten werden. Ich will deswegen in aller
Deutlichkeit sagen: Es ist eine Notfalltruppe, die helfen
soll, gegebenenfalls auch zu evakuieren. Sie hat aber
keinen Auftrag, die OSZE-Mission in dem Sinne durchzusetzen, daß militärisch interveniert würde.
({5})
Ich sage das in aller Deutlichkeit, weil hier im Hause
häufiger einmal das Wort der militärischen Intervention
eine Rolle gespielt hat.
Mit Blick auf aktuelle Berichterstattung und weil Sie
schon etwas dazwischenrufen, Herr Kollege Rossmanith, will ich auch sagen: Es gibt jetzt Gerüchte über einen angeblichen Geheimbericht. Das Bundesministerium der Verteidigung pflegt nicht nur in diesem Jahr,
sondern seit vielen Jahren die gute Praxis, die Ausschüsse regelmäßig über die Umstände des Einsatzes der Soldaten im Rahmen von SFOR zu informieren. In diesem
Zusammenhang ist dem Verteidigungsausschuß bzw.
seinem damaligen Vorsitzenden am 15. Oktober ein Bericht zur Verfügung gestellt worden, der referiert, was
Diplomaten aus den Kreisen Moskauer Militärattachés
beispielsweise in Belgrad hören. Das wird heute öffentlich als ein angeblicher Geheimbericht dargestellt. Das
ist er nicht. Diese Darstellung könnte man noch hinnehmen. Aber die Prüfung von Fragen, die sich mit möglichen Luftschlägen der NATO ergeben, die Gott sei
Dank nicht erforderlich geworden sind, in einen Zusammenhang mit der Aufstellung einer Notfalltruppe zu
bringen, die die OSZE-Beobachter schützen soll, was
etwas Grundverschiedenes und etwas ganz anderes ist,
ist in jeder Hinsicht unzulässig
({6})
und erweckt übrigens auch in der Öffentlichkeit den
Eindruck, als wolle man gewissermaßen herbeischreiben, was von keinem der NATO-Partner gewollt ist,
nämlich militärische Intervention gewissermaßen „auf
Teufel komm raus“.
({7})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man
diese Maßnahmen alle im Zusammenhang sieht, dann
bleibt am Schluß nur eine einzige Feststellung: Wenn wir
es mit der Verifikation und mit dem Schutz der Menschen, die sie in unserem Auftrag übernehmen, ernst meinen, wenn wir es mit dem Friedensprozeß, der eine Chance, aber noch längst keine Gewißheit ist, ernst meinen,
wenn wir es mit den über 50 000 Menschen, die die Wälder verlassen konnten, aber noch keine dauerhafte Sicherheit in ihren Wohngebieten haben, ernst meinen, dann ist
es dringend erforderlich, daß wir neben den Maßnahmen,
die unter Begleitung des Militärs getroffen werden und
auch getroffen werden müssen, die politischen Bemühungen unterstützen und verstärken, damit das - so befürchte
ich - leider nur sehr schmale Zeitfenster, das uns zur Verfügung steht, genutzt wird und die eingesetzten Menschen
nicht länger als unbedingt erforderlich einem Risiko ausgesetzt sind, das sie jetzt eingehen.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat der
Abgeordnete Ulrich Irmer, F.D.P.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die F.D.P.-Fraktion wird dem Antrag
der Bundesregierung zustimmen. Dieser Antrag ist die
logische Folge des Beschlusses, den der 13. Deutsche
Bundestag am 16. Oktober gefaßt hat.
Ich möchte auf eines hinweisen: Das Beste an dem
Beschluß vom 16. Oktober ist jetzt, in der Rückschau,
daß die damals als möglich beschlossene militärische
Zwangsmaßnahme bisher nicht ergriffen werden mußte.
Richtig ist es aber, daß die Drohkulisse aufrechterhalten
bleiben muß, weil wir nicht wissen, wie sich ein unberechenbares Regime wie das von Milosevic in Zukunft
verhalten wird.
({0})
Manchmal erlebt man ja Situationen, die einen etwas
gespenstisch anmuten.
({1})
Wenn ich höre, wie Herr Außenminister Fischer das
vorschlägt und gut begründet, überkommt mich ein wenig die Erinnerung
({2})
an eine Zeit, die noch gar nicht so lange zurückliegt.
Was haben wir uns in diesem Hause alles anhören müssen! Ich will einmal daran erinnern, daß wir seinerzeit,
als die Rechtsgrundlage für die Beteiligung der Bundeswehr an friedenserhaltenden Maßnahmen noch ungeklärt war, der SPD vorgeschlagen haben, man möge
durch eine Klarstellung im Grundgesetz diese Zweifel
beseitigen, und daß die SPD dies abgelehnt hat, nicht
weil sie rechtliche Bedenken hatte, sondern weil sie es
politisch nicht wollte. Das ist erst wenige Jahre her.
({3})
Ich habe noch im Ohr, wie insbesondere eine Kollegin und ein Kollege aus der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen - ich nenne sie mit Namen -, Frau Kollegin
Beer - sie nickt zustimmend; danke, Frau Kollegin und der Kollege Ludger Volmer, uns, als wir die Beteiligung Deutscher an den AWACS-Einsätzen beschlossen haben, vorgehalten haben, wir täten dies nicht aus
humanitären Gründen, wir täten dies nicht, um den Frieden zu erhalten, sondern wir täten dies ganz bewußt und
bösartig, um die deutsche Außenpolitik zu militarisieren.
({4})
Und heute steht der frühere Fraktionssprecher und jetzige Außenminister, Joseph Fischer, vor uns und empfiehlt uns dringend - in Richtung seiner Fraktion fast beschwörend - die Zustimmung zu dem Vorschlag der
Bundesregierung. Ich kann nur sagen: Ich freue mich
über diese Entwicklung. Aber ich sage in Abwandlung
eines alten Spruches: Welch eine Wendung durch
Joschkas Fügung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas sehr Ernstes sagen. Herr Fischer hat auf den dritten
Korb der Vereinbarungen Holbrooke-Milosevic hingewiesen. Wir müssen uns über eines klar sein: Wir haben
immer betont, militärische Maßnahmen können nur das
letzte Mittel sein, wenn politische Maßnahmen nicht gefruchtet haben. Ich beschwöre alle Beteiligten, eine
Friedenslösung für den Kosovo zu suchen. Ich rege an,
daß die Staatengemeinschaft ein zweites DaytonAbkommen initiiert und vorbereitet. In diesen Prozeß
müssen alle Interessen eingebunden werden. Die Positionen stehen sich heute unversöhnlich gegenüber. Die
einen wollen nicht Autonomie, sondern Unabhängigkeit,
die anderen sagen: An unserem Staatsverband wird keinen Deut gerüttelt. Hier muß, auch durch äußeren
Druck, eine Vereinbarung politischer Natur zustande
kommen. Ansonsten werden wir Jahr für Jahr, auch in
ferner Zukunft, hier stehen und werden immer wieder
solche Beschlüsse zu fassen haben wie heute.
Auch das Völkerrecht muß weiterentwickelt werden.
Das Völkerrecht ist nicht darauf eingestellt, daß es Konflikte innerhalb von Staaten gibt. Wir müßten im Völkerrecht für Situationen wie im Kosovo Regeln entwikBundesminister Rudolf Scharping
keln, wonach eine Bevölkerung ihre legitimen Rechte
wahrnehmen kann, ohne sich aus einem Staatsverband
zu lösen.
Ich wiederhole: Die F.D.P.-Fraktion stimmt der Vorlage der Bundesregierung zu.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Es spricht jetzt die
Abgeordnete Heidi Lippman-Kasten, PDS.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Die Entscheidung des bereits
abgewählten 13. Bundestages vom 16. Oktober, durch
einen völkerrechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr im
Rahmen der NATO Jugoslawien gegebenenfalls zu
bombardieren, stellte einen tiefen Einschnitt in die deutsche Geschichte dar.
({0})
Wer allerdings erwartet hatte, daß Rotgrün neue friedenspolitische Wege beschreiten würde, der wurde arg
enttäuscht. Der unter Mißachtung des Völkerrechts zustande gekommene Beschluß wurde, nachdem Abkommen über die Entschärfung des Konflikts erzielt wurden,
nicht etwa zurückgenommen, sondern der Angriffsbefehl wurde aufrechterhalten.
Durch die Entsendung von Kampftruppen nach Mazedonien, über die wir in den nächsten Tagen beraten
werden, wird Mazedonien als bisher unbeteiligtes Land
in den Strudel des Konfliktes hineingezogen,
({1})
und zwar ohne daß Mazedonien bis heute einer Stationierung zugestimmt hat. Man hofft lediglich darauf, daß
die neue Regierung zustimmen wird.
Die aktuelle Debatte und auch die Koalitionsvereinbarung beweisen, daß die neue Regierung nicht den versprochenen Wechsel bringen wird, sondern die altbekannte Machtpolitik der Regierung Kohl nahezu nahtlos
von Kanzler Schröder und Außenminister Fischer fortgesetzt wird und die Dominanz des Militärischen in der
Außenpolitik unseligerweise fortbesteht.
({2})
Statt sich auf den Verfassungsauftrag des Grundgesetzes
rückzubesinnen, wonach die Bundeswehr nur zu Verteidigungszwecken eingesetzt werden darf, machen Sie
sich durch Ihre Zustimmung zu Kampfeinsätzen im vorauseilenden Gehorsam zu Befehlsempfängern der USA
und der NATO.
An der Verschärfung der Situation im Kosovo trägt
die bisherige deutsche Außen- und Innenpolitik ein Teil
Mitverantwortung, zum Beispiel auf Grund des Rücknahmeabkommens, das 1996 Herr Kinkel mit Herrn
Milosevic unterzeichnet hat, mit dem man die Apartheids- und Vertreibungspolitik gegen die KosovoAlbaner unterstützte. Denkbare Sanktionen unterhalb eines militärischen Einsatzes wurden nicht ausreichend
genutzt, und auch im Dayton-Vertrag wurde die Kosovo-Frage ausgeklammert.
Die PDS-Fraktion hat die Entsendung einer OSZEBeobachtermission begrüßt.
({3})
Nicht einverstanden sind wir mit der Stationierung von
Bundeswehrkräften im Rahmen eines NATO-Einsatzes.
Denn dadurch wird der zunächst positiv erscheinende
Ansatz der Einbeziehung der OSZE, die Ausweitung
und Stärkung ihrer Rolle bei der zivilen Konfliktbearbeitung, konterkariert.
Meine Damen und Herren, das bleibt, auch wenn sich
die UN-Resolution 1203 als Mandat für die Überwachungs- und sogenannten Notfallmaßnahmen interpretieren lassen sollte, ein falscher Weg. Meine Fraktion
wird dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen.
Ich warne ausdrücklich davor, daß die heutige Entscheidung zu einem Präzedenzfall dafür wird, künftige
humanitäre, zivile Missionen generell durch das Militär
zu unterstützen. An die neue Regierung appelliere ich:
Verzichten Sie auf eine bellizistisch ausgerichtete Politik, und beenden Sie Ihre Politik militärischer Interventionen! Dann werden Sie auch unsere Unterstützung bekommen.
({4})
Danke.
({5})
Frau Kollegin Lippmann-Kasten, das war Ihre erste Rede in diesem Hohen
Hause. Ich gratuliere Ihnen dazu.
({0})
In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und im Sinne
eines flüssigen Ablaufs der namentlichen Abstimmung
bitte ich um Ruhe in diesem Haus.
Jetzt hat noch einmal Bundesminister Joseph Fischer
das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung wurde
von der CDU/CSU-Fraktion nachdrücklich gebeten - da
wir keinen Formalstreit wollen und es aus unserer Sicht
darüber nichts zu streiten gibt, komme ich diesem
Wunsch im Einverständnis mit den anderen Fraktionen
gerne nach -, eine aktuelle Unterrichtung über die IrakKrise zu geben. Wir haben darüber heute morgen im
Auswärtigen Ausschuß bereits ausführlich unterrichtet
und diskutiert. Ich will in der gebotenen Kürze die
wichtigsten Punkte hier vortragen.
Wir sehen die Zuspitzung der Lage im Irak als sehr,
sehr ernst an. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß es in
der kommenden Woche zu einer sehr ernsten Konfrontation kommen könnte.
Die Bundesregierung unterstützt vorbehaltlos die
Position des Sicherheitsrates. Alle Mitglieder des Sicherheitsrates verurteilen das Vorgehen des Irak und
fordern den Irak auf - der Sicherheitsrat vertritt, wenn
man die jetzige Situation mit der Situation in der letzten
Irak-Krise vor etwa einem halben Jahr vergleicht, eine
sehr einmütige Haltung -, die Resolution des Sicherheitsrates und die Vereinbarung zwischen dem UNGeneralsekretär Kofi Annan und der irakischen Regierung vollständig und rückhaltlos zu erfüllen.
({0})
Ich möchte vor der Abstimmung in aller Kürze, es ist
wirklich nur im Telegrammstil möglich, - ({1})
- Ich schleudere nicht. Sie wollten die Unterrichtung.
Ich wußte ganz genau, daß es nicht um eine Unterrichtung geht. Ich dachte mir, daß wir uns in einer solch zugespitzten Situation, in einer solchen Krise zumindest
darin einig sind, daß wir die Position des Sicherheitsrates inhaltlich voll unterstützen.
({2})
Ich weiß gar nicht, wo es da ein Schleudern gibt.
Wenn es am Ende zu einem Zusammenprall kommt,
ist es, so sage ich Ihnen, allein die Schuld der irakischen
Regierung
({3})
und eines, wie ich finde, verbrecherischen Regimes,
({4})
dessen Vorgehensweise von der Völkergemeinschaft
und auch von der Volksrepublik China, von Rußland,
von Frankreich, von allen ständigen und nichtständigen
Mitgliedern abgelehnt wird.
({5})
- Dies ist eine ernsthafte Unterrichtung in einer Situation, in der es unter Umständen in der nächsten Woche
eine militärische Konfrontation geben kann, die das, was
seit dem Golfkrieg im Bereich des Denkbaren ist, durchaus übersteigen kann. Solch eine Unterrichtung quittieren Sie - seien Sie mir nicht böse - mit nicht gerade sehr
kompetenten Zwischenrufen. Deshalb frage ich mich,
was der Wunsch nach Unterrichtung in diesem Hause
wirklich soll.
({6})
Ich dachte, Sie wollten eine ernsthafte Unterrichtung
haben.
Ich wollte Ihnen nochmals klarmachen, daß es nun
vor allem beim Irak liegt, der Arbeit der UNAbrüstungsbehörde entgegenzukommen, sie aktiv zu
unterstützen, um die Aufhebung der schwer auf dem
Land lastenden Maßnahmen des Boykotts und der Isolation, die vor allen Dingen die Bevölkerung treffen, zu
erreichen. Hier betreibt die irakische Regierung ein zynisches Spiel mit den Schwächsten in der eigenen Bevölkerung.
({7})
Die Aufhebung dieser Maßnahmen ist gebunden an
die volle Erfüllung der UN-Sicherheitsratsresolution.
Das ist die Haltung der Bundesregierung. Ich möchte
hier noch einmal klarmachen, warum. Die Haltung des
Irak ist nicht akzeptabel. Wir unterstützen die Haltung
des Sicherheitsrates. Die Präsidentschaft des Sicherheitsrates haben gegenwärtig die USA inne. Insofern
unterstützen wir selbstverständlich alle Bemühungen,
um einen Zusammenprall zu verhindern. Wir haben mit
Frau Albright und mit Präsident Clinton gesprochen, der
Bundeskanzler hat gestern noch mit Präsident Clinton
telefoniert. Ziel der US-Regierung ist es, eine militärische Konfrontation zu verhindern. Das bedeutet, daß der
Irak auf die Grundlage der Erfüllung der Sicherheitsratsresolution zurückgehört.
({8})
Sie werden hieraus keine kleinliche parteipolitische
Münze schlagen können. Das verspreche ich Ihnen.
Ich möchte hier nochmals klarmachen, meine Damen
und Herren: Das atomare Potential des Irak ist weitestgehend erfaßt und zerstört. Das sogenannte atomare
Dossier kann nach Meinung der UN-Abrüstungskommission geschlossen werden. Beim Lenkwaffen-Dossier
gibt es noch Probleme, gibt es noch offene Fragen, auch
wenn sie weitestgehend abgearbeitet sind. Bei den Chemiewaffen gibt es noch sehr ernste Fragen, die allerdings nach Meinung von Herrn Butler, dem Leiter der
UN-Abrüstungskommission für den Irak, innerhalb von
drei bis vier Monaten hätten abgearbeitet werden können. Dann wäre in der Tat die Möglichkeit eröffnet gewesen, zumindest eine teilweise Aufhebung des von den
Vereinten Nationen angeordneten Boykotts gegenüber
dem Irak zu beraten und dann auch zu beschließen. Bei
den biologischen Waffen sind nach wie vor noch sehr
viele ernste Fragen offen. Das ist die Situation. Der Irak
hat sich aus dieser Zusammenarbeit verabschiedet, obwohl die UN-Abrüstungsbehörde seinen Vorstellungen
immer wieder entgegengekommen ist. Daß er sich darBundesminister Joseph Fischer
aus verabschiedet hat, ist die eigentliche Ursache der
Krise.
Ich sage Ihnen nochmals: Wenn es auch manchmal
schwierig ist, die Dinge zu Ende zu denken, kann es
nicht akzeptiert werden - niemand im UN-Sicherheitsrat, weder ein ständiges noch ein nicht ständiges Mitglied, ist bereit, das zu akzeptieren - daß Massenvernichtungsmittel in den Händen von Saddam Hussein
verbleiben. Das kann nicht akzeptiert werden.
({9})
Hier muß die irakische Führung wissen, daß die Völkergemeinschaft - ich betone nochmals: alle Mitglieder des
UN-Sicherheitsrates - nicht bereit ist, dieses zu akzeptieren. Ich entnehme Ihrem Beifall, daß Sie hier die
Haltung der Bundesregierung unterstützen.
Vielen Dank.
({10})
Der letzte Redner in
der Debatte ist der Abgeordnete Volker Rühe.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist in einer
Situation, in der nicht ausgeschlossen werden kann, daß
es bis zum nächsten Zusammentreten des Deutschen
Bundestages zu schwerwiegenden militärischen Handlungen kommt, angemessen, daß die CDU/CSUFraktion um diese Unterrichtung gebeten hat und daß
wir uns hier im deutschen Parlament abstimmen. Unser
Interesse muß sein, daß die deutsche Stimme in dieser
zugespitzten Situation klar, deutlich und von einem
möglichst breiten Konsens getragen wird.
({0})
Nur dann haben wir auch einen Einfluß auf die Entwicklung.
Wir stimmen dem zu, was hier gesagt worden ist:
natürlich die Unterstützung für den Weltsicherheitsrat,
natürlich weiterhin alle Bemühungen. Aber die Frage ist
offengeblieben: Was passiert - und das zeichnet sich
ab -, wenn das nicht zu einem Erfolg führt?
Saddam Hussein hat einseitig die Kooperation mit der
Weltgemeinschaft aufgekündigt. Tony Blair, der englische Premierminister, hat heute gesagt: Dies hat
schwerwiegende Konsequenzen für die ganze Welt.
Wenn es nötig ist, mit Waffengewalt - und das kann in
den nächsten Tagen erfolgen - durch die amerikanischen
Freunde, durch die Engländer auf einer klaren rechtlichen Grundlage der Vereinten Nationen zu handeln,
dann ist meine herzliche Bitte, damit der deutsche Einfluß zum Tragen kommt, daß wir uns darüber verständigen, daß Deutschland an der Seite derjenigen steht, die
dafür sorgen, daß dem Irak nicht durchgehen kann, sich
aus der Weltgemeinschaft durch die Aufkündigung dieser Vereinbarung zu entfernen. Das ist eine Haltung, die
wir von der Bundesregierung in dieser Situation erwarten.
Im Februar hat der damalige Bundeskanzler, Helmut
Kohl, - wir waren in München zusammen auf der Sicherheitskonferenz; Herr Kollege Scharping hat sich
damals schon sehr eindeutig geäußert - gesagt: Wenn es
zur Anwendung von Waffengewalt kommt, dann stehen
wir an der Seite unserer amerikanischen Verbündeten.
Wir werden alle Möglichkeiten nutzen - auch logistisch,
was die Basen angeht -, um sie zu unterstützen. Herr
Außenminister Fischer und Herr Bundeskanzler, das ist
das, was wir gerne auch von Ihnen hören möchten.
Bis zur letzten Minute muß versucht werden, den Irak
wieder in die Weltgemeinschaft und in die Verabredung
zurückzuführen.
({1})
Falls das scheitert, muß klar sein: Deutschland steht an
der Seite unserer Freunde und Verbündeten, auch wenn
es zu einer militärischen Aktion kommt.
({2})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Debatte wird fortgesetzt. Deswegen
erteile ich jetzt das Wort dem Abgeordneten Gernot Erler, SPD.
Ich bitte, daß die Kolleginnen und Kollegen vielleicht
doch noch einmal die Plätze einnehmen.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich sehe einen Unterschied, Herr Kollege Rühe, zwischen Ihrer Position und
der, die der Bundesaußenminister dargelegt hat. Der
Bundesaußenminister hat deutlich gemacht, daß es auch
in einer solchen prekären Situation vernünftiger ist, noch
einmal in einem Restoptimismus auf eine Lösung zu
setzen, die eben nicht zu einem militärischen Einsatz
führt. Sie dagegen machen hier nichts weiter als einen
Appell, der darauf abzielt, einer anderen Lösung zuzustimmen. Dazu muß ich sagen: Ich finde das, was Herr
Fischer hier vorgetragen hat, sympathischer
({0})
und konstruktiver, und ich finde, daß das in einer besseren deutschen Tradition steht.
({1})
Wir haben in den letzten Stunden und Tagen durchaus noch Signale bekommen, die anzeigten, daß es eine
Möglichkeit gibt, in letzter Minute noch ein Einlenken
der irakischen Führung zu erreichen. Herr Fischer hat
mit aller notwendigen Deutlichkeit hier zum Ausdruck
gebracht, daß es keine andere Möglichkeit gibt. Unsere
Appelle richten sich an niemand anderen als an die iraBundesminister Joseph Fischer
kische Führung, als an Saddam Hussein selbst. Er hat es
in der Hand, Unheil von seinem Land und seiner Bevölkerung abzuwenden. Darüber sind wir uns doch hoffentlich einig.
Wir sind uns auch darüber einig - das hat Herr Fischer deutlich gesagt -, daß es einfach nicht akzeptabel
ist - es ist vor allem deshalb nicht akzeptabel, weil hier
die Autorität der Vereinten Nationen, der Weltorganisation, auf dem Spiel steht -, daß sich der Irak einseitig
aus seinen Verpflichtungen verabschiedet hat. Aber es
gab auch Signale in den letzten Stunden, die darauf hindeuteten, vielleicht durch eine Vermittlung, um die geradezu gebeten wurde, einen Ausweg aus der Falle, die
hier entstanden ist, zu finden.
Herr Rühe, leider haben Sie dazu gar nichts gesagt.
Das heißt, ich hab den Eindruck, daß Sie eher wünschen,
daß es hier zu einer solchen Auseinandersetzung kommt.
({2})
Herr Rühe, warum haben Sie denn dem Außenminister nicht zugestimmt, daß bis zum letzten Moment - ich
habe darauf gewartet, daß Sie, Herr Rühe, das sagen hier verhandelt wird? Ich habe nur festgestellt, daß eine
solche Äußerung nicht gekommen ist.
({3})
Ich möchte noch etwas Grundsätzliches zu der ganzen Politik gegenüber dem Irak anmerken. Wir haben
heute morgen hier eine sehr akzeptable und sehr vernünftige Diskussion mit dem Außenminister im Auswärtigen Ausschuß geführt. Wir müssen auch darüber
nachdenken, daß die bisherige Politik des Embargos den
Irak in eine Situation von individueller Ausweglosigkeit
geführt hat. Es ist eine grundsätzliche Überlegung, ob es
richtig ist, eine solche Situation aufrechtzuerhalten. Es
muß auch in Zukunft wieder die Möglichkeit geben, ein
politisches Mittel in der Hand zu haben.
Wir haben eine ganz ähnliche Situation bei Milosevic
in der Bundesrepublik Jugoslawien.
({4})
Hier haben wir kein politisches Mittel mehr in der Hand.
- Ich sehe Herrn Kinkel. Sie haben uns einmal im Auswärtigen Ausschuß über Gespräche mit Milosevic berichtet. Sie haben gesagt: Er hat mir geantwortet: Ihr
könnt machen, was ihr wollt, ihr könnt mir nicht mehr
weh tun; ihr könnt mich mit nichts mehr bedrohen. Deswegen waren auch die Möglichkeiten reduziert, mit
ihm überhaupt ein Agreement, einen Konsens zu finden.
Leider verhält es sich ähnlich - das ist eine grundsätzliche Frage - in bezug auf den Irak.
({5})
Deswegen müssen wir gemeinsam darüber nachdenken.
Solche Fragen, wie es überhaupt zu solchen Fallen
kommen kann, in der Außenpolitik mitzubedenken, ist
wichtiger, als einseitige Forderungen zu stellen, die
meines Erachtens spekulativ sind.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat jetzt
der Abgeordnete Klaus Kinkel, F.D.P.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin in der Tat der
Meinung, daß wir eine sehr zugespitzte Situation in der
Region haben. Anders als im Februar, wo es relativ lange danach aussah, daß die Situation durch politischdiplomatische Gespräche bereinigt werden könnte, ist
die Situation diesmal komplizierter, weil eben Saddam
Hussein zum wiederholten Male das, was er dem Generalsekretär der Vereinten Nationen fest zugesagt hatte,
nicht eingehalten hat. Das ist der entscheidende Unterschied.
Trotzdem glaube ich, daß wir uns hier im Haus gemeinsam - deshalb bin ich an das Rednerpult gegangen
- über folgende Verfahrensweisen einig sein sollten:
Erstens. Es muß alles, aber auch wirklich alles versucht werden, um auf politisch-diplomatischem Wege zu
einer Lösung zu kommen. Deshalb fordere ich Kofi
Annan nochmals auf - ich habe das heute schon an anderer Stelle getan -, unverzüglich in den Irak zu reisen
und genau wie im Februar den Versuch zu machen, doch
noch in letzter Minute zu einer politisch-diplomatischen
Lösung zu kommen, zumal der Irak erklärt hat, daß er zu
solchen Gesprächen mit Kofi Annan bereit ist. Das ist
Aufgabe des Generalsekretärs. Der Sicherheitsrat sollte
nicht nur darüber reden, sondern ihm den Auftrag erteilen, hinzureisen und diese letzte politisch-diplomatische
Anstrengung zu machen, um doch noch zu einer friedlichen Lösung zu kommen.
({0})
Zweitens. Wenn das nicht gelingt, dann allerdings
glaube ich, daß es diesmal wirklich zwingend notwendig
ist, Saddam Hussein zu zeigen, wohin die Reise zu gehen hat. Denn - ich habe mich mit der Materie auch
selbst sehr beschäftigt; was der Kollege Fischer vorhin
erklärt hat, ist zutreffend - wir haben nach wie vor absolute Unsicherheit im Bereich der biologischen Waffen. Was das für die Region und für die Welt bedeuten
kann, brauche ich hier nicht auszumalen.
Das würde bedeuten, daß wir, wenn die Amerikaner
bereit sind und die notwendige Rechtsgrundlage gegeben ist - ich glaube, daß sie gegeben ist; ich habe mich
gestern noch einmal damit beschäftigt -, auf Grund der
Sicherheitsratsresolution 687 - vor allem der alten,
aber auch der neuen Resolution vom 5. November Gernot Erler
politische und logistische Unterstützung zu leisten
haben. Zu mehr werden wir nicht gefordert werden, aber
das ist notwendig; die alte Bundesregierung hat es im
Februar zugesagt.
({1})
Dazu sollten wir uns in einer so ernsten Situation dann
aber gemeinsam bereit finden.
Deshalb nochmals mein Appell - ich glaube, es sollte
unser aller Appell sein -, alles politisch und diplomatisch Mögliche zu versuchen. Für meine Begriffe hat neben Rußland und Frankreich, die Einfluß haben, im
Grunde - wenn überhaupt - nur Kofi Annan die Chance,
die Sache nochmals zu wenden.
Deshalb der Appell an den Sicherheitsrat: Gebt ihm
den Auftrag! Redet nicht immer nur darüber, sondern
gebt ihm in der Funktion als Sicherheitsrat den klaren
Auftrag, dorthinzureisen! Im Sicherheitsrat wird nämlich immer herumgeredet - heute kann ich das einmal
deutlich sagen. Gebt ihm den Auftrag, als Generalsekretär dorthinzureisen und eine diplomatische, politische
Lösung zu suchen. Wenn das allerdings keinen Erfolg
hat, müssen diejenigen, die handeln, wissen, daß sie unsere politische und logistische Unterstützung haben.
Vielen Dank.
({2})
Nächste Rednerin ist
die Abgeordnete Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau
Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine
Fraktion sieht die aktuelle Entwicklung im Irak mit
allergrößter Sorge. Wir wissen wohl, daß die Situation
noch ein Stückchen ernster und gefährlicher ist als zu
dem Zeitpunkt, zu dem wir sie im Frühjahr hier diskutieren mußten.
Gerade in dieser Minute, in diesen Stunden laufen die
letzten diplomatischen Bemühungen, um zu erreichen,
daß Kofi Annan überhaupt noch einen Vermittlungsversuch starten kann.
Ich finde es richtig, daß wir in dieser Situation vom
Bundesaußenminister Fischer über die aktuelle Situation
unterrichtet wurden.
({0})
Ich finde es vollkommen fahrlässig, Herr Kollege Rühe,
wenn diese Situation parteipolitisch mißbraucht wird,
({1})
um hier jetzt - zu einem Zeitpunkt, zu dem wir die internationale Unterstützung und Verurteilung Saddams
benötigen, um klarzumachen, daß dieser Diktator, dieser
Vernichter der Zivilisation im Irak, international auf der
Anklagebank sitzt - mit einer Bundesregierung, die genau diesen diplomatischen Weg unterstützt, eine militärische Diskussion zu führen, die uns aus dem Dilemma,
das doch offensichtlich ist, nicht herausführt.
Es ist nun einmal so, Herr Kollege Rühe - als Verteidigungsminister haben Sie sehr viel zurückhaltender geredet, als Sie das eben getan haben -,
({2})
daß Luftangriffe allein keine politische Lösung für diese
Situation im Irak sind. Wir wissen doch, daß die Menschen zu leiden haben und daß wir in der fatalen Situation sind, daß Saddam glaubt, sich in dieser Notsituation
auch noch selbst stärken zu können, und daß er Luftschläge deshalb fast schon provoziert. Das ist doch das
Zynische an dieser Politik des - man kann es eigentlich
nicht mehr so nennen - irakischen Regimes. Eigentlich
müßte man von einem Amoklauf sprechen, der geradezu
eingefordert wird. Die Herausforderung an die internationale Staatengemeinschaft besteht doch darin, nicht
einfach zu sagen: „Wir hauen jetzt drauf“, sondern nach
einer Lösung in dieser Region zu suchen.
({3})
Das heißt, daß wir jede Sekunde nutzen müssen, die
Diplomatie zu unterstützen, zu stärken, um die Arbeit
der UNSCOM nicht leichtfertig - wie etwa durch einen
Luftangriff - aufs Spiel zu setzen. Wir müssen vielmehr
mit allen Mitteln versuchen, die UNSCOM dort wieder
arbeiten zu lassen - auch im Sinne der Bevölkerung im
Irak - und müssen in sehr engen Kontakten mit den
Partnern und den Verbündeten in genau diese Richtung
wirken.
Wenn das geschieht, Herr Kollege Rühe, dann wird da bin ich zuversichtlich - unsere Regierung rechtzeitig
verantwortlich diskutieren und unterrichten; denn das,
was dort bei einem Militärschlag passiert, wird schlimmere Folgen als alles andere zusammen haben.
Ich will hier betonen: Unsere Sorge gilt auch Israel
und der Bevölkerung dort. Fahrlässige Militärschläge
könnten auf Grund des unberechenbaren und verantwortungslosen Regimes im Irak eine Eskalationsspirale
hervorrufen. Das heißt, daß wir dort mit Fingerspitzengefühl und nicht mit Parteipolitik zu agieren haben. Die
können wir jetzt nicht gebrauchen.
({4})
Letzter Redner ist
der Abgeordnete Wolfgang Gehrcke, PDS.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Der Zwischenruf war: „Das
fehlt uns gerade noch“. Darauf habe ich geantwortet:
„Ja, das fehlt Ihnen auch noch.“
Man hätte diese Debatte nach der sehr ernsthaften
und differenzierten Information durch den Bundesaußenminister vermeiden können, wenn es nicht die maßlose und, wie ich fand, schamlose Rede von Volker Rühe gegeben hätte - maßlos und schamlos!
({0})
Der Bundesaußenminister hat hier das Gefühl signalisiert, daß in der Tat auch die Bundesregierung versuchen
wird, ihren Einfluß geltend zu machen, so daß nicht auf
die Ultima ratio, den Militärschlag, gesetzt wird, sondern daß alle Möglichkeiten zur Verhandlung, die
Saddam Hussein dazu zwingen, die Resolution des UNSicherheitsrates einzuhalten und die übrigens auch das
Leiden der Zivilbevölkerung im Irak mildern können,
genutzt werden, um diesen Militärschlag zu verhindern.
Für diesen Militärschlag gibt es ein Wort, das man hier
im Bundestag auch ansprechen sollte: Krieg. Es handelt
sich um Krieg, bei dem Menschen in großer Zahl umkommen werden. Wenn man dies zu einer scharfmacherischen Rede nutzt, in der nicht gesagt wird: „Nutzt alle
Verhandlungen!“, sondern die Losung ausgegeben wird:
„Jetzt Augen zu und durch!“, dann versündigt man sich
an der Sicherheitspolitik und macht das eigene Anliegen
unglaubwürdig.
({1})
Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, daß vor
dem Hintergrund der komplizierten Situation, die wir in
der europäischen Region, im Kosovo und anderswo, haben, ein solcher Militärschlag nicht ohne Auswirkungen
bleiben wird.
Der Bundesaußenminister hat deutlich gemacht, daß
sich der UN-Sicherheitsrat, was die Verurteilung der
Politik von Saddam Hussein angeht, einig ist. Er muß
aber gleichzeitig sagen, daß in der Frage eines Militärschlages die Meinungen im UN-Sicherheitsrat sehr unterschiedlich sein werden. Auch das mahnt zur Besonnenheit, zu Verhandlungen und zur Vernunft. Dieses
Zeichen sollte von diesem Hause ausgehen und nicht
solche Reden wie die, wie wir sie uns hier anhören
mußten.
Danke sehr.
({2})
Ich schließe damit
die Aussprache.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich be-
kannt, daß es zwei schriftliche Erklärungen zur Ab-
stimmung nach § 31 der Geschäftsordnung gibt. Es han-
delt sich zum einen um eine schriftliche Erklärung der
Kollegin Annelie Buntenbach und anderer1) und zum
anderen um eine schriftliche Erklärung des Kollegen
Winfried Nachtwei und anderer.2)
Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem
Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung
an der NATO Luftüberwachungsoperation über dem
Kosovo, Drucksachen 14/16 und 14/32. Der Ausschuß
empfiehlt, dem Antrag zuzustimmen. Die Fraktion der
CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung.
Bevor ich die Abstimmung eröffne, bitte ich um Ihre
Aufmerksamkeit für folgenden Hinweis: Es sind sechs
Urnen aufgestellt; jeder Urne ist eine bestimmte Buchstabengruppe zugeordnet. Sie dürfen Ihre Stimmkarte
ausschließlich in diejenige Urne werfen, deren Buchstabengruppe den Anfangsbuchstaben Ihres Nachnamens
umfaßt. Achten Sie bitte darauf, daß die von Ihnen benutzte Abstimmungskarte Ihren Namen trägt.
Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle
Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Damit schließe ich die Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
({0})
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung über die Beschlußempfehlung des Auswär-
tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung
zur deutschen Beteiligung an der NATO-Luftüber-
wachungsoperation über dem Kosovo auf den Druck-
sachen 14/16 und 14/32 bekannt. Abgegebene Stim-
men 582. Mit Ja haben gestimmt 540, mit Nein haben
gestimmt 30, Enthaltungen 12.
------
1) Anlage 2
2) Anlage 3
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 582;
davon:
ja: 540
nein: 30
enthalten: 12
Ja
SPD
Adler, Brigitte
Andres, Gerd
Arnold, Rainer
Bachmaier, Hermann
Bahr, Ernst
Barnett, Doris
Bartels, Dr. Hans-Peter
Barthel ({0}), Eckhardt
Barthel ({1}), Klaus
Becker-Inglau, Ingrid
Behrendt, Wolfgang
Berg, Dr. Axel
Bertl, Hans-Werner
Beucher, Friedhelm Julius
Bierwirth, Petra
Bindig, Rudolf
Binding ({2}), Lothar
Bodewig, Kurt
Brandner, Klaus
Brandt-Elsweier, Anni
Brase, Willi
Brecht, Dr. Eberhard
Brinkmann ({3}),
Bernhard
Brinkmann ({4}),
Rainer
Bruckmann, Hans-Günter
Bulmahn, Edelgard
Burchardt, Ursula
Bürsch, Dr. Michael
Bury, Hans Martin
Büttner ({5}), Hans
Caspers-Merk, Marion
Catenhusen, Wolf-Michael
Däubler-Gmelin, Dr. Herta
Danckert, Dr. Peter
Deichmann, Christel
Diller, Karl
Dreßen, Peter
Dreßler, Rudolf
Dzembritzki, Detlef
Dzewas, Dieter
Eckardt, Dr. Peter
Edathy, Sebastian
Eich, Ludwig
Elser, Marga
Enders, Peter
Erler, Gernot
Ernstberger, Petra
Faße, Annette
Fischer ({6}), Lothar
Fograscher, Gabriele
Follak, Iris
Formanski, Norbert
Fornahl, Rainer
Forster, Hans
Freitag, Dagmar
Friedrich ({7}), Lilo
Friedrich ({8}), Peter
Friese, Harald
Fuchs ({9}), Anke
Fuhrmann, Arne
Ganseforth, Monika
Gleicke, Iris
Gloser, Günter
Göllner, Uwe
Gradistanac, Renate
Graf ({10}), Günter
Graf ({11}), Angelika
Grasedieck, Dieter
Großmann, Achim
Grotthaus, Wolfgang
Haack ({12}),
Karl-Hermann
Hacker, Hans-Joachim
Hagemann, Klaus
Hampel, Manfred
Hanewinckel, Christel
Hartenbach, Alfred
Hasenfratz, Klaus
Heil, Hubertus
Hemker, Reinhold
Hempel, Frank
Hempelmann, Rolf
Hendricks, Dr. Barbara
Herzog, Gustav
Heubaum, Monika
Hiller ({13}), Reinhold
Hilsberg, Stephan
Höfer, Gerd
Hoffmann ({14}), Iris
Hoffmann ({15}),
Jelena
Hoffmann ({16}),
Walter
Hofmann ({17}), Frank
Holzhüter, Ingrid
Humme, Christel
Ibrügger, Lothar
Imhof, Barbara
Irber, Brunhilde
Iwersen, Gabriele
Jäger, Renate
Janssen, Jann-Peter
Janz, Ilse
Jens, Dr. Uwe
Jung ({18}), Volker
Kahrs, Johannes
Kasparick, Ulrich
Kaspereit, Sabine
Kastner, Susanne
Kirschner, Klaus
Klappert, Marianne
Klemmer, Siegrun
Klose, Hans-Ulrich
Körper, Fritz Rudolf
Kolbow, Walter
Kramme, Anette
Kressl, Nicolette
Kröning, Volker
Krüger-Leißner, Angelika
Kubatschka, Horst
Küchler, Ernst
Kühn-Mengel, Helga
Küster, Dr. Uwe
Kumpf, Ute
Kunick, Konrad
Labsch, Werner
Lafontaine, Oskar
Lambrecht, Christine
Lange, Brigitte
Lange ({19}), Christian
Larcher von, Detlev
Lehder, Christine
Lehn, Waltraud
Leidinger, Robert
Lennartz, Klaus
Leonhard, Dr. Elke
Lewering, Eckhart
Lörcher, Christa
Lohmann ({20}),
Götz-Peter
Lotz, Erika
Lucyga, Dr. Christine
Maaß ({21}), Dieter
Mante, Winfried
Manzewski, Dirk
Marhold, Tobias
Mark, Lothar
Mascher, Ulrike
Matschie, Christoph
Matthäus-Maier, Ingrid
Mattischeck, Heide
Mehl, Ulrike
Merten, Ulrike
Mertens, Angelika
Moosbauer, Christoph
Mosdorf, Siegmar
Müller ({22}), Jutta
Müller ({23}), Michael
Müntefering, Franz
Neumann ({24}),
Volker
Neumann ({25}), Gerhard
Niehuis, Dr. Edith
Niese, Dr. Rolf
Nietan, Dietmar
Ohl, Eckhard
Onur, Leyla
Opel, Manfred
Ortel, Holger
Ostertag, Adolf
Palis, Kurt
Papenroth, Albrecht
Penner, Dr. Willfried
Pfannenstein, Georg
Pflug, Johannes
Pick, Dr. Eckhart
Poß, Joachim
Rehbock-Zureich, Karin
Renesse von, Margot
Rennebach, Renate
Reuter, Bernd
Robbe, Reinhold
Rossmann, Dr. Ernst Dieter
Roth ({26}), Birgit
Roth ({27}), Michael
Rübenkönig, Gerhard
Rupprecht, Marlene
Sauer, Thomas
Schäfer, Dr. Hansjörg
Schaich-Walch, Gudrun
Scharping, Rudolf
Scheelen, Bernd
Scheer, Dr. Hermann
Scheffler, Siegfried
Schild, Horst
Schily, Otto
Schloten, Dieter
Schmidbauer ({28}),
Horst
Schmidt ({29}),
Dagmar
Schmidt ({30}), Silvia
Schmidt ({31}), Ulla
Schmidt ({32}),
Wilhelm
Schmidt-Zadel, Regina
Schmitt ({33}), Heinz
Schneider, Carsten
Schnell, Dr. Emil
Schöler, Walter
Scholz, Olaf
Schönfeld, Karsten
Schösser, Fritz
Schreiner, Ottmar
Schröder, Gerhard
Schröter, Gisela
Schubert, Dr. Mathias
Schütz ({34}), Dietmar
Schuhmann ({35}),
Richard
Schulte ({36}), Brigitte
Schultz ({37}),
Reinhard
Schultz ({38}), Volkmar
Schumann, Ilse
Schurer, Ewald
Schuster, Dr. R. Werner
Schwall-Düren, Dr. Angelica
Schwanhold, Ernst
Schwanitz, Rolf
Seidenthal, Bodo
Simm, Erika
Skarpelis-Sperk, Dr. Sigrid
Sonntag-Wolgast,
Dr. Cornelie
Sorge, Wieland
Spanier, Wolfgang
Spielmann, Dr. Margrit
Spiller, Jörg-Otto
Staffelt, Dr. Ditmar
Steen, Antje-Marie
Stiegler, Ludwig
Stöckel, Rolf
Streb-Hesse, Rita
Struck, Dr. Peter
Stünker, Joachim
Tappe, Joachim
Tauss, Jörg
Teuchner, Jella
Thalheim, Dr. Gerald
Thierse, Wolfgang
Thönnes, Franz
Titze-Stecher, Uta
Tröscher, Adelheid
Urbaniak, Hans-Eberhard
Veit, Rüdiger
Violka, Simone
Vogt ({39}), Ute
Vizepräsidentin Petra Bläss
Wagner, Hans Georg
Wegener, Hedi
Wegner, Dr. Konstanze
Weiermann, Wolfgang
Weis ({40}), Reinhard
Weisheit, Matthias
Weißgerber, Gunter
Weisskirchen ({41}),
Gert
Weizsäcker von,
Dr. Ernst Ulrich
Welt, Hans-Joachim
Wend, Dr. Rainer
Wester, Hildegard
Westrich, Lydia
Wettig-Danielmeier, Inge
Wetzel, Dr. Margrit
Wieczorek, Dr. Norbert
Wieczorek ({42}),
Helmut
Wieczorek ({43}), Jürgen
Wiefelspütz, Dieter
Wiese ({44}), Heino
Wiesehügel, Klaus
Wimmer ({45}),
Brigitte
Wistuba, Engelbert
Wittig, Barbara
Wodarg, Dr. Wolfgang
Wohlleben, Verena
Wolf ({46}), Hanna
Wolff ({47}), Waltraud
Wright, Heidemarie
Zapf, Uta
Zöpel, Dr. Christoph
Zumkley, Peter
CDU/CSU
Adam, Ulrich
Aigner, Ilse
Barthle, Norbert
Bauer, Dr. Wolf
Baumann, Günter
Baumeister, Brigitte
Belle, Meinrad
Bernhardt, Otto
Blank, Renate
Blens, Dr. Heribert
Bleser, Peter
Blüm, Dr. Norbert
Böhmer, Dr. Maria
Bonitz, Sylvia
Borchert, Jochen
Börnsen ({48}),
Wolfgang
Bosbach, Wolfgang
Brähmig, Klaus
Brauksiepe, Dr. Ralf
Breuer, Paul
Brudlewsky, Monika
Brunnhuber, Georg
Bühler ({49}), Klaus
Büttner ({50}),
Hartmut
Buwitt, Dankward
Caesar, Cajus
Deittert, Hubert
Deß, Albert
Diemers, Renate
Dörflinger, Thomas
Dött, Marie-Luise
Doss, Hansjürgen
Eppelmann, Rainer
Eymer, Anke
Falk, Ilse
Faust, Dr. Hans Georg
Fink, Ulf
Fischbach, Ingrid
Fischer ({51}), Axel E.
Frankenhauser, Herbert
Friedrich ({52}),
Dr. Gerhard
Friedrich ({53}),
Dr. Hans-Peter
Fritz, Erich G.
Fromme, Jochen-Konrad
Gehb, Dr. Jürgen
Geis, Norbert
Geißler, Dr. Heiner
Girisch, Georg
Glos, Michael
Göhner, Dr. Reinhard
Grill, Kurt-Dieter
Gröhe, Hermann
Grund, Manfred
Hasselfeldt, Gerda
Hauser ({54}),
Hansgeorg
Hauser ({55}), Norbert
Heinen, Ursula
Heise, Manfred
Helias, Siegfried
Henke, Hans Jochen
Hinsken, Ernst
Hintze, Peter
Hörster, Joachim
Hofbauer, Klaus
Hohmann, Martin
Holetschek, Klaus
Hollerith, Josef
Hornhues, Dr. Karl-Heinz
Hornung, Siegfried
Hüppe, Hubert
Jaffke, Susanne
Janovsky, Georg
Jork, Dr.-Ing. Rainer
Kansy, Dr. Dietmar
Karwatzki, Irmgard
Kauder, Volker
Klaeden von, Eckart
Klinkert, Ulrich
Königshofen, Norbert
Kohl, Dr. Helmut
Kolbe, Manfred
Kors, Eva-Maria
Koschyk, Hartmut
Kossendey, Thomas
Kraus, Rudolf
Krogmann, Dr. Martina
Krüger, Dr. Paul
Kues, Dr. Hermann
Lamers, Karl
Lamers ({56}),
Dr. Karl A.
Lammert, Dr. Norbert
Laumann, Karl-Josef
Lengsfeld, Vera
Lensing, Werner
Letzgus, Peter
Lietz, Ursula
Link ({57}), Walter
Lischewski, Dr. Manfred
Lohmann ({58}),
Wolfgang
Luther, Dr. Michael
Maaß ({59}),
Erich
Marschewski, Erwin
Mayer ({60}),
Dr. Martin
Meckelburg, Wolfgang
Meister, Dr. Michael
Merz, Friedrich
Michels, Meinolf
Müller ({61}), Bernward
Müller ({62}), Elmar
Müller, Dr. Gerd
Nooke, Günter
Obermeier, Franz
Ost, Friedhelm
Oswald, Eduard
Otto ({63}), Norbert
Paziorek, Dr. Peter
Pfeifer, Anton
Pflüger, Dr. Friedbert
Philipp, Beatrix
Pofalla, Ronald
Pretzlaff, Marlies
Protzner, Dr. Bernd
Pützhofen, Dieter
Rachel, Thomas
Raidel, Hans
Ramsauer, Dr. Peter
Reichard ({64}), Christa
Reiche, Katherina
Reinhardt, Erika
Repnik, Hans-Peter
Riegert, Klaus
Romer, Franz
Ronsöhr, Heinrich-Wilhelm
Rossmanith, Kurt
Röttgen, Norbert
Ruck, Dr. Christian
Rühe, Volker
Rüttgers, Dr. Jürgen
Schäfer, Anita
Schäuble, Dr. Wolfgang
Schauerte, Hartmut
Schemken, Heinz
Scherhag, Karl-Heinz
Scheu, Gerhard
Schlee, Dietmar
Schmidbauer, Bernd
Schmidt ({65}),
Andreas
Schmidt ({66}), Christian
Schmidt ({67}),
Dr.-Ing. Joachim
Schnieber-Jastram, Birgit
Schockenhoff, Dr. Andreas
Scholz, Dr. Rupert
Schorlemer Freiherr von,
Reinhard
Schuchardt, Dr. Erika
Schwarz-Schilling,
Dr. Christian
Seehofer, Horst
Seiffert, Heinz
Seiters, Rudolf
Siemann, Werner
Späte, Margarete
Stetten Freiherr von,
Dr. Wolfgang
Störr-Ritter, Dorothea
Storm, Andreas
Straubinger, Max
Strobl, Thomas
Süssmuth, Dr. Rita
Tiemann, Dr. Susanne
Töpfer, Edeltraut
Uhl, Dr. Hans-Peter
Vaatz, Arnold
Volquartz, Angelika
Voßhoff, Andrea
Waigel, Dr. Theodor
Weiß ({68}), Gerald
Weiß ({69}),
Peter
Widmann-Mauz, Annette
Wiese ({70}), Heinz
Wilhelm ({71}), Hans-Otto
Willner, Gert
Willsch, Klaus-Peter
Wittlich, Werner
Wöhrl, Dagmar
Wolf, Aribert
Wülfing, Elke
Würzbach, Peter Kurt
Zeitlmann, Wolfgang
Zöller, Wolfgang
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Altmann ({72}), Gila
Beck ({73}), Marieluise
Beck ({74}), Volker
Beer, Angelika
Berninger, Matthias
Deligöz, Ekin
Dückert, Dr. Thea
Eichstädt-Bohlig, Franziska
Eid, Dr. Uschi
Fell, Hans-Josef
Fischer ({75}), Andrea
Fischer ({76}),
Joseph
Göring-Eckardt, Katrin
Grießhaber, Rita
Hermann, Winfried
Hermenau, Antje
Heyne, Kristin
Höfken, Uli
Hustedt, Michaele
Köster-Loßack, Dr. Angelika
Lippelt, Dr. Helmut
Loske, Dr. Reinhard
Müller ({77}), Kerstin
Müller ({78}),
Klaus Wolfgang
Nachtwei, Winfried
Özdemir, Cem
Probst, Simone
Roth ({79}), Claudia
Scheel, Christine
Schlauch, Rezzo
Schmidt ({80}), Albert
Vizepräsidentin Petra Bläss
Sterzing, Christian
Vollmer, Dr. Antje
Voß, Sylvia Ingeborg
Wilhelm ({81}), Helmut
Wolf ({82}), Margareta
F.D.P.
Braun ({83}),
Hildebrecht
Brüderle, Rainer
Burgbacher, Ernst
Essen van, Jörg
Flach, Ulrike
Frick, Gisela
Friedhoff, Paul K.
Friedrich ({84}), Horst
Funke, Rainer
Gerhardt, Dr. Wolfgang
Goldmann, Hans-Michael
Guttmacher, Dr. Karlheinz
Haupt, Klaus
Heinrich, Ulrich
Hirche, Walter
Homburger, Birgit
Hoyer, Dr. Werner
Irmer, Ulrich
Kinkel, Dr. Klaus
Kolb, Dr. Heinrich Leonhard
Kopp, Gudrun
Lenke, Ina
Niebel, Dirk
Nolting, Günter Friedrich
Otto ({85}),
Hans-Joachim
Parr, Detlef
Pieper, Cornelia
Rexrodt, Dr. Günter
Schmidt-Jortzig, Dr. Edzard
Schüßler, Gerhard
Schwaetzer, Dr. Irmgard
Sehn, Marita
Solms, Dr. Hermann Otto
Stadler, Dr. Max
Thiele, Carl-Ludwig
Thomae, Dr. Dieter
Türk, Jürgen
Westerwelle, Dr. Guido
Nein
SPD
Hiksch, Uwe
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Knoche, Monika
PDS
Balt, Monika
Bläss, Petra
Fink, Dr. Heinrich
Fuchs, Dr. Ruth
Gebhardt, Fred
Gehrcke-Reymann,
Wolfgang
Grehn, Dr. Klaus
Gysi, Dr. Gregor
Hübner, Carsten
Jelpke, Ulla
Jünger, Sabine
Jüttemann, Gerhard
Kenzler, Dr. Evelyn
Knake-Werner, Dr. Heidi
Kutzmutz, Rolf
Lippmann-Kasten, Heidi
Lötzer, Ursula
Lüth, Heidemarie
Marquardt, Angela
Müller ({86}),
Manfred
Naumann, Kersten
Neuhäuser, Rosel
Ostrowski, Christine
Rössel, Dr. Uwe-Jens
Schenk, Christina
Schur, Gustav-Adolf
Seifert, Dr. Ilja
Wolf, Dr. Winfried
Enthaltungen
SPD
Gilges, Konrad
Hauer, Nina
Kortmann, Karin
Nahles, Andrea
Oesinghaus, Günter
Röspel, René
CDU/CSU
Carstens ({87}), Manfred
Wimmer ({88}), Willy
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Buntenbach, Annelie
Schewe-Gerigk, Irmingard
Simmert, Christian
Ströbele, Hans-Christian
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im
Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen
Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der
OSZE oder der IPU
Abgeordnete({89})
Verheugen, Günter, SPD
Zierer, Benno, CDU/CSU
Damit ist die Beschlußempfehlung und zugleich der
Antrag der Bundesregierung angenommen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 18. November 1998, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.