Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/6/1999

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Morgen! Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich zunächst folgendes mitteilen: Für den noch vakanten Stellvertretersitz im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt schlägt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Karin Knöbelspies vor. Sind Sie damit einverstanden? Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist Frau Karin Knöbelspies als stellvertretendes Mitglied in den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt gewählt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die Ihnen in einer Zusatzpunktliste vorliegenden Punkte zu erweitern: ZP3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({0}) a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Überein- kommens vom 4. August 1963 zur Errichtung der Afrikanischen Entwicklungsbank - Drucksache 14/907 - b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Jäger, Dr. Mathias Schubert, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Norbert Barthle, Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Dirk Fischer ({1}), weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU, sowie der Abgeordneten Ulrich Heinrich und Dr. Edzard Schmidt-Jortzig: Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas - Drucksache 14/941 - c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard, Andrea Nahles, Dr. Eckhart Pick, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten HansJoachim Otto ({2}), Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter der Fraktion der F.D.P., sowie der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Heinrich Fink, weiterer Abgeordneter der Fraktion der PDS: Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas - Drucksache 14/942 - d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gert Weisskirchen ({3}), Eckhardt Barthel ({4}), Hans-Werner Bertl, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Dr. Rita Süssmuth, der Abgeordneten Volker Beck ({5}), Gila Altmann ({6}), Marieluise Beck ({7}), weiterer Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Errichtung eines Denk- mals für die ermordeten Juden Europas - Drucksache 14/943 - e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Roth ({8}), Karin Kortmann, Nina Hauer, weiterer Abge- ordneter der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Cem Özdemir, Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeord- neter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Errich- tung eines Denkmals für die ermordeten Juden Euro- pas und eines „Hauses der Erinnerung“ - Drucksache 14/944 - f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette Wid- mann-Mauz, Dr. Martina Krogmann, Ursula Heinen und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU: Er- richtung eines Mahnmals für die Opfer der nationalso- zialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Drucksache 14/965 - g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Fischer ({9}), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Hannelore Rönsch ({10}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Satellitennavigationssystem Galileo Drucksache 14/945 ZP4 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache ({11}) a) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({12}): Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens - Drucksache 14/828 - b) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({13}): Sammelübersicht 43 zu Petitionen - Drucksache 14/961 - c) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({14}): Sammelübersicht 44 zu Petitionen - Drucksache 14/962 - d) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({15}): Sammelübersicht 45 zu Petitionen - Drucksache 14/963 - e) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({16}): Sammelübersicht 46 zu Petitionen - Drucksache 14/964 - ZP5 a) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Peter Struck, Otto Schily, Wilhelm Schmidt ({17}) und weiteren Abgeordneten der Fraktion der SPD, den Abgeordneten Kerstin Müller ({18}), Rezzo Schlauch, Kristin Heyne und weiteren Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie den Abgeordneten Dr. Wolfgang Gerhard, Dr. Guido Westerwelle, Jörg van Essen und weiteren Abgeordneten der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts - Drucksache 14/533 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jürgen Rüttgers, Erwin Marschewski, Günter Baumann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts ({19}) - Drucksachen 14/535, 14/867 - b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({20}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Jürgen Rüttgers, Erwin Marschewski, Günter Baumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Integration und Toleranz - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Jürgen Rüttgers, Erwin Marschewski, Günter Baumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Modernes Ausländerrecht - Drucksachen 14/534, 14/532, 14/867 Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Außerdem soll die bisher für Freitag vorgesehene erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten SGB-IIIÄnderungsgesetzes bereits heute in verbundener Beratung mit dem Einzelplan 11 - Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - erfolgen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Bevor wir die Haushaltsberatungen fortsetzen, bitte ich aus gegebener Veranlassung um Ihre Aufmerksamkeit für folgenden Hinweis: Wir werden heute im Laufe des Tages insgesamt 14 namentliche Abstimmungen durchführen. Wenn Sie nachher die Stimmkarten aus Ihren Stimmkartenfächern entnehmen, achten Sie bitte unbedingt darauf, daß alle Stimmkarten Ihren Namen tragen. Hoffentlich haben Sie nicht noch Stimmkarten zu Hause in Ihren Schreibtischschubladen liegen; denn dann reichen die, die in den Fächern sind, nicht. Bitte verwenden Sie auch keine Stimmkarten aus abgelaufenen Wahlperioden. ({21}) Das automatische Stimmkartenauswertungssystem akzeptiert Karten aus vergangenen Wahlperioden nicht; das ist ja auch in Ordnung so. Bevor Sie bei den einzelnen Abstimmungen die Stimmkarten in eine der Wahlurnen geben, überprüfen Sie bitte noch einmal, ob die von Ihnen verwendeten Stimmkarten Ihren Namen tragen. Wir setzen nun die Haushaltsberatungen fort: I. Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 ({22}) - Drucksachen 14/300, 14/760 Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({23}) - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1998 bis 2002 - Drucksachen 14/350, 13/11101, 14/272 Nr. 79, 14/625 Berichterstattung: Abgeordnete Dietrich Austermann Oswald Metzger Dr. Günter Rexrodt Ich rufe den Einzelplan 09 auf: 18. Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie - Drucksachen 14/609, 14/622 Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Hampel Antje Hermenau Dr. Werner Hoyer Es liegen acht Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU, ein Änderungsantrag der F.D.P.-Fraktion und zwei Änderungsanträge der PDS-Fraktion vor. Ich verweise darauf, daß wir im Anschluß an die Aussprache über drei Änderungsanträge namentlich abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Dankward Buwitt, CDU/CSU-Fraktion.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Anfang der Aussprache über den Einzelplan 09 - Wirtschaft und Technologie möchte ich den Mitarbeitern des Ministeriums recht herzlich für die Zusammenarbeit und die Zuarbeit danken, die sie uns wieder haben angedeihen lassen. ({0}) Wie ein roter Faden ziehen sich neben dem Thema Kosovo-Krieg die Themen Wirtschaftsentwicklung, Arbeitsplätze und Arbeitslosigkeit durch die Debatte der letzten Tage. Das ist kein Wunder; diese Themen bewegen und berühren viele Menschen in unserem Lande. Die Entwicklung 1998 war positiv. Wir hatten ein Wachstum von 2,8 Prozent, wir hatten - im Gegensatz zu den namentlichen Abstimmungen - keine Inflation, sondern nur 1 Prozent Teuerungsrate, wir hatten extrem niedrige Zinsen, und wir hatten eine Million Arbeitslose weniger; das ergibt im Jahresdurchschnitt 400 000 Arbeitslose weniger. Ich nehme an, daß das auch Bundeskanzler Schröder bekannt war, so daß seine Argumentation mit dem Vergleich der Märzzahlen von 1998 und 1999 nicht besonders seriös war. 400 000 Arbeitslose weniger bedeuten eine Entlastung für den Bundeshaushalt, für die Bundesanstalt für Arbeit und für die Versicherungsträger. Die Richtung hat also gestimmt. Das Umfeld für 1999 ist günstig. Die sechs führenden wirtschaftswissenschaftlichen Institute bestätigen uns dies. Die Krisenherde Asien und Lateinamerika beruhiPräsident Wolfgang Thierse gen sich. Die Höhe der Zinsen ist auch wegen der letzten Senkung äußerst günstig, und die Teuerungsrate bleibt nach wie vor gering. Die Steuereinnahmen steigen. Diese Situation hätten wir uns in den letzten Jahren gewünscht. Denn aus jeder Steuerschätzung resultierten neue Einsparnotwendigkeiten. Wir hätten uns höhere Steuereinnahmen gewünscht. Es sind jetzt Steuermehreinnahmen in Höhe von 30 Milliarden DM zu verzeichnen. Hinzu kommen die von Ihnen verteufelten Privatisierungserlöse, die von 1998 auf 1999 verschoben worden sind, wahrscheinlich deshalb, um zu verhindern, daß das Ergebnis des Jahres 1998 zu gut aussah, wodurch Ihre Feindbilder dann völlig zerstört worden wären. - Insgesamt sind dies - wie Sie es immer nennen - Erblasten, die die CDU/CSU 1982 gerne in vergleichbarem Maße übernommen hätte. Der Einzelplan 09 hat neben vielen anderen Reserven eine besondere Reserve, nämlich die Rohölreserve. Hier haben Sie Einnahmen in Höhe von 450 Millionen DM nicht etatisiert, obwohl es sicher vernünftig und richtig gewesen wäre, angesichts der ansteigenden Ölpreise eine Veräußerung vorzunehmen. In der Vergangenheit war es so, daß zur Absenkung des Volumens des Bundeshaushalts alle ihren Beitrag dazu leisten mußten. Man kann sich darüber streiten, ob das richtig oder falsch ist. Jetzt steigt das Volumen des Haushaltes um happige 6,3 Prozent. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, daß Sie überhaupt nicht sparen wollen. Der Haushalt des Wirtschaftsministeriums profitiert davon nicht. Ganz im Gegenteil: Durch eine pauschale Minderausgabe, die wesentlich erhöht wurde, nämlich auf 323 Millionen DM, wird jede marginale Verbesserung in Frage gestellt. Man hat nicht das Gefühl, daß die Koalition und die Regierung die Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen und die Arbeitslosigkeit senken wollen. Ganz im Gegenteil: Viele vernünftige Gesetze, die im vorigen Jahr beschlossen wurden und die eine Wende auf dem Arbeitsmarkt bewirkt haben - auch ohne eine Steuerreform, die haben Sie ja aus parteipolitischem Egoismus verhindert -, wurden rückgängig gemacht. Hinzu kamen Ihre Fehlleistungen: das Gesetz hinsichtlich der 630Mark-Beschäftigten, das Gesetz gegen die angebliche Scheinselbständigkeit, das Öko-Abschöpfgesetz, die Streichung von Steuervorteilen ohne steuerliche Entlastung usw. So schafft man keine Sicherheit für die Wirtschaft, keine Arbeit, keine Steuermehreinnahmen, keinen Aufschwung und auch keine Zufriedenheit bei den Bürgern. ({1}) Die Auswirkungen sind bereits geschildert worden: Im Hinblick auf die Wachstumsprognose ist Deutschland im Vergleich zu allen anderen EU-Ländern das Schlußlicht. Folgerichtig ist: Die Zahl der Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt nimmt nicht zu, sondern ab. Nun ist es immer leichter, Kritik zu üben, als zu regieren. Zur jetzigen Zeit machen Sie hier einschneidende Erfahrungen. Große Versprechungen haben Sie an die Regierung gebracht; erfüllen wollen Sie diese wohl nicht. Ich möchte dazu zwei Beispiele anführen: Stichwort: Absatz ostdeutscher Produkte. Bei der Beratung des Haushalts 1998 beklagte Herr Hampel, daß die diesbezügliche Förderung zurückgefahren wird. Er sagt dann wörtlich - ich zitiere -: Mit falsch verstandener Sparwut … ist es nicht getan; das ist nicht ausreichend. Mit kräftigen Hilfen dagegen tragen Sie dazu bei, daß die ostdeutsche Industrie auf die Beine kommt und die viel zu große Produktionslücke schneller geschlossen wird. In der diesjährigen Haushaltsberatung ist der Antrag der CDU/CSU auf eine Erhöhung der entsprechenden Mittel um 10 Millionen DM abgelehnt worden. Es hat sich überhaupt nichts verändert. Um es ganz deutlich zu sagen: Das Ergebnis ist null. Stichwort: Sanierung der Wismut GmbH. Hier beklagte Herr Hampel, daß die notwendigen Sanierungsmaßnahmen bei der Wismut GmbH auf die Zukunft verschoben werden sollen. Ich zitiere: Nicht zuletzt hat es auch negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf die Privatisierung und Vermarktung von Flächen für Gewerbeansiedlungen. Die wirtschaftlichen Nachteile dieser Region werden mit dem Verzögern der Sanierung erheblich verschärft. Wie stellt sich dies im jetzigen Haushalt dar? Im Haushalt 1998 wurden für die Wismut GmbH Mittel in Höhe von 485 Millionen DM eingestellt. Der erste Entwurf für 1999 sah 454 Millionen DM vor, im zweiten wurde schon einmal um 10 Millionen DM gekürzt, und bei den Haushaltsberatungen haben die Leute um Herrn Hampel und die Koalition insgesamt den Betrag noch einmal um 4 Millionen DM abgesenkt, also minus 45 Millionen DM. Die Versprechungen, die Sie der Bevölkerung gemacht haben, werden also in keiner Weise eingelöst. ({2}) Viele Tränen wurden bei der Beratung des Haushalts 1998 von Vertretern der jetzigen Koalition vergossen, als es um Gelder für den Mittelstand, für das Handwerk, für moderne Technologieförderung usw. ging. Schauen wir uns doch einmal an, wie es in diesem Jahr wirklich aussieht. Die Mittel für die Handwerkerförderung wurden um 3 Millionen DM reduziert, und das im Bereich Beratung, Fortbildung und Unternehmensführung. Das trifft die Leute, die Arbeitsplätze für andere zur Verfügung stellen sollen. Die Gelder für die Förderung von Lehrgängen im Rahmen der überbetrieblichen beruflichen Bildung in Handwerk wurden im Haushaltsausschuß um 6 Millionen DM gekürzt, obwohl die Kammern einen immer höheren Beitrag zu leisten haben und am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angekommen sind. Beim sogenannten Meister-BAföG, das dem Handwerker als Grundlage zur Selbständigkeit und zur Schaffung von Arbeitsplätzen dienen soll, wurden die Gelder im Haushaltsentwurf im Vergleich zu den entsprechenden Beträgen davor schon um 66 Millionen DM abgesenkt. Wir wollen nicht verheimlichen, daß es in der Vergangenheit Schwierigkeiten - auf Grund eines Hin und Her - mit der Annahme gegeben hat. Jetzt - das bestätigt auch das Ministerium - gibt es ein großes Interesse daran. Ergebnis der Haushaltsberatungen ist: Die Mittel sind noch einmal um 20 Millionen DM gekürzt worden, und sie sind praktisch auf die Hälfte reduziert worden. Die Mittel für die Existenzgründungsberatung wurden von 14,2 auf 12 Millionen reduziert; die Gelder für die Förderung der Leistungssteigerung in kleinen und mittleren Unternehmen wurden vom ersten zum zweiten Entwurf um 2 Millionen DM auf 13 Millionen abgesenkt. Ein anderes Thema. Niemand, der die Materie kennt, wird zwei Dinge bestreiten. Erstens. Die Deutsche Zentrale für Tourismus leistet nach vielen schwierigen Jahren jetzt eine sehr, sehr gute Arbeit. Zweitens. Erfolg in der Tourismuswerbung hat unmittelbaren Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen. Hier konnten wir in den Haushaltsberatungen nur das Schlimmste verhindern, nämlich einen Antrag der Koalition, der vorsah, die Mittel um 5 Millionen abzusenken. Unser eigener Antrag, der vorsah, den Titel um 5 Millionen zu erhöhen, war leider nicht durchsetzbar. ({3}) Einer der Bereiche, der sich am schnellsten verändert und der am zukunftsträchtigsten ist, ist der Bereich Multimedia. Um das Potential dieser Anwendungsmöglichkeiten für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu erschließen, gilt es, frühzeitig neue Entwicklung anzustoßen und zu erproben. So steht es jedenfalls im Haushalt. Das Ministerium wies zusätzlich auf das Jahrtausendproblem hin. Ergebnis ist: 10 Millionen DM weniger, also eine Kürzung in diesem Jahr um 20 Prozent. Das gleiche gilt für die Beteiligung am Innovationsrisiko von Technologieunternehmen. Hier wurde eine Kürzung der Mittel um etwas unter 10 Prozent vorgenommen. Bei der Forschungsförderung von Technologievorhaben der zivilen Luftfahrtindustrie will sich der Bund durch die Hintertür verabschieden; seine Aufgabe sollen in Zukunft die Länder und verstärkt die Industrie wahrnehmen. Das ist für Sie anscheinend das Ziel einer modernen Technologiepolitik. Auch die von Ihnen vorgesehene Unterstützung der Werftindustrie kann nicht zufriedenstellen. Obwohl während der Beratung eine Aufstockung der Verpflichtungsermächtigungen für die Wettbewerbshilfe erreicht werden konnte, ist der Endbetrag trotzdem nicht ausreichend. Darüber hinaus sind die Mittel für die Zinshilfe reduziert worden - und das zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Werftindustrie in einer sehr schwierigen Situation befindet. ({4}) - Daß sie sich schriftlich bedankt haben, zeigt, daß die Erwartung, die an diese Regierung gerichtet wird, nicht mehr besonders groß ist, Herr Wagner. ({5}) Nun zum Thema Ausstieg aus der Kernenergie. Der Streit, den Sie untereinander austragen, füllt mittlerweile Bücher. Egal, wie dieser Streit ausgeht: Völlig unverständlich und nicht hinnehmbar ist, daß Sie an der notwendigen Sicherheitsforschung für kerntechnische Anlagen sparen. Die Argumentation ist auch unehrlich: auf der einen Seite Ausstieg wegen Gefährlichkeit und ungeklärter technischer Fragen, auf der anderen Seite Einsparungen bei der Sicherheitsforschung. Das ist im Interesse der Bevölkerung nicht hinnehmbar. ({6}) Nein, meine Damen und Herren, mit diesem Haushalt können Sie keinen Staat machen. So unterstützt oder fördert man nicht technische Innovationen; so bewirkt man keinen Kompetenzgewinn und keinen Ausgleich von Nachteilen; so leisten Sie keinen Beitrag zum Aufschwung und zu mehr Arbeitsplätzen in Deutschland. Daher können wir nur sagen: Es tut uns leid. Dieser Haushalt bietet zuwenig, um die Entwicklung in Deutschland voranzutreiben. Wir können ihm nicht zustimmen. Recht herzlichen Dank. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die Kollegin Brunhilde Irber, SPD-Fraktion, hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet.

Brunhilde Irber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Buwitt, Sie haben gerade kritisiert, daß der Tourismushaushalt um 5 Millionen DM gekürzt werden soll. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß es erstmals gelungen ist, die Mittel für diesen Bereich des Haushaltes zu erhöhen. Sie dagegen haben in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung eine Absenkung um genau den Betrag vorgesehen, um den wir die Mittel erhöht haben - also um 2,6 Millionen DM für die Deutsche Zentrale für Tourismus und um 5 Millionen DM im Bereich der Leistungsanbieter. Es kann also keine Rede davon sein, daß hier etwas gekürzt wurde. Im Gegenteil: Es wurden mehr Mittel aufgebracht. Allerdings wäre es wünschenswert, hier noch mehr Mittel einzusetzen. Angesichts der Haushaltslage, die Sie in den letzten 16 Jahren verschuldet haben, ist dies allerdings nicht möglich. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen und keine Legendenbildung anzufangen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Buwitt, Sie haben die Gelegenheit zur Reaktion.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Kollegin, ich nehme folgendes zur Kenntnis: Der erste HausDankward Buwitt haltsentwurf, der noch unter Waigel eingebracht worden ist, hat genau die Summe vorgesehen, die Sie genannt haben, nämlich 41,6 Millionen DM. Um es deutlich zu sagen: Sie haben überhaupt nichts aufgestockt. Die SPD hat vielmehr einen Antrag auf Kürzung um 5 Millionen DM gestellt und hat verbittert dafür gekämpft. Sie mußte sich aber von allen davon überzeugen lassen, daß dies um es deutlich zu sagen - Unsinn ist. Es bleibt dabei: Wir haben einen Antrag auf Erhöhung um 5 Millionen DM gestellt, den Sie abgelehnt haben. Es war also vollkommen richtig, wie ich es dargestellt habe. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ernst Schwanhold, SPD-Fraktion.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Sie hatten - zu Recht - erwartet, daß der Kollege Manfred Hampel diese Rede hält. Ihn möchte ich an dieser Stelle entschuldigen. Er ist verhindert, weil es in seiner Familie einen Trauerfall gibt. Ich will mich bei ihm wie auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums aber ausdrücklich für die intensive Arbeit an der Gestaltung dieses Haushaltes bedanken. ({0}) Sie, Herr Buwitt, und die Opposition machen im Moment einen Fehler, den Sie aus Ihrer Regierungszeit fortschreiben. ({1}) Sie haben in Ihrer Regierungszeit den Standort Bundesrepublik Deutschland schlechtgeredet. Das war damals ein Fehler. Heute machen Sie wiederum diesen Fehler und versuchen, den Standort Bundesrepublik Deutschland weiterhin schlechtzureden. Er ist nicht schlecht! ({2}) Sie müssen eine noch nicht gemachte Abstimmung in Ihren Reihen nachholen. Gestern und am ersten Tag dieser Debatte gab es heftige Forderungen nach dem Abbau von Subventionen. Sie aber haben nolens volens in drei, vier und fünf Bereichen den Aufbau von Subventionen gefordert. Ich empfehle Ihnen, sich zu entscheiden, was Sie wollen. Machen Sie sich die Mühe zu sagen, wo Sie Subventionen abbauen wollen. Dann haben Sie das Recht zu sagen, wo Sie Subventionen aufbauen wollen, weil Sie sich dann vor beiden Gruppen verantworten können: vor denen, denen Sie etwas zusagen, und vor denen, denen Sie etwas wegnehmen wollen. Aber so zu tun, als ob man einerseits anonym über den Abbau von Subventionen reden könnte und andererseits darüber, daß man überall Subventionen aufbauen muß, ist verlogen und entspricht nicht den Tatsachen der Haushaltslage. ({3}) Wie Sie wissen, haben wir die Regierung in einer schwierigen ökonomischen Situation übernommen. Zum Vergleich der Arbeitslosenzahlen möchte ich folgende Bemerkung machen: Der Vergleich der monatlichen Arbeitslosenzahlen der Jahre 1998 und 1999 ist real. Der direkte Vergleich der Monate ergibt die einzig reale Aussage; alle anderen Zahlen müssen Sie sonst um saisonale Einflüsse bereinigen. Im Januar 1999 hatten wir im Vergleich zum Januar 1998 über 400 000 Arbeitslose weniger. Das läßt sich bis zum März beobachten, in dem wir mehr als 350 000 Arbeitslose weniger hatten. Das ist eine gute Bilanz der ersten drei Monate dieses Jahres. Ich füge aber hinzu: Diese Bilanz reicht nicht aus; wir müssen noch besser werden. Die Zahl der Arbeitslosen ist noch immer bedrückend hoch. Aber die Tendenz ist weiter nach unten gerichtet. Das ist das Ergebnis der Politik der ersten Monate unserer Regierungszeit. ({4}) Dies haben übrigens auch die Wirtschaftsforschungsinstitute sowie der Internationale Währungsfonds in ihren aktuellen Frühjahrsgutachten bestätigt. Die Institute sehen insgesamt - ich zitiere - „gute Voraussetzungen für eine baldige Festigung der Konjunktur“ und prognostizieren entsprechend ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent für dieses Jahr und 2,6 Prozent für das nächste Jahr. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für Deutschland im aktuellen „World Economic Outlook“ sogar 2,8 Prozent die höchste Zuwachsrate in Europa. Eine ausgesprochen positive Tendenz und eine ausgesprochen positive Beurteilung! Wir sollten diese Tendenz verstärken, weil die deutsche Volkswirtschaft stark ist. Wir müssen darüber nachdenken: Wo gibt es Verbesserungsbedarf? Wo gibt es Schwächen? Aber wir dürfen den Standort Deutschland durch leichtfertige Reden nicht immer wieder kaputtreden. ({5}) Wir haben ausreichend Risiken zu berücksichtigen. Selbst wenn sich die weltwirtschaftliche Situation verbessert, haben wir innerhalb der EU daran zu arbeiten, daß aus der gegenwärtig schwierigen Handelsbeziehung zwischen der EU und den USA kein Handelskrieg wird; denn jeder Handelskrieg hat eine deutliche Dämpfung der nationalen Konjunktur - auch bei uns - zur Folge. Wir müssen den Bananenstreit beenden, wir müssen beim Hormonrindfleisch weiterkommen, weil wir uns diese Risiken in der gegenwärtig labilen internationalen Situation nicht erlauben können. Da brauchen wir eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Anstrengungen der Europäer. Diese zu unterstützen wäre Ihre Aufgabe und nicht, schlecht darüber zu reden. ({6}) Besonders erfreut mich, daß auch die Wirtschaftsforscher im laufenden und noch mehr im kommenden Jahr eine spürbare Abnahme der Arbeitslosigkeit in Deutschland prognostizieren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt nimmt die Arbeitslosigkeit ab. Ich hoffe, daß dies bei einem moderaten Preisanstieg auch so bleibt. Ich teile die Ansicht der Institute, daß wir wirtschaftspolitisch jetzt im Kern daran zu arbeiten haben, noch vorDankward Buwitt handene Investitionshemmnisse zu beseitigen und die Einstellung von Arbeitskräften attraktiver zu machen. Um diese Aufgabe haben wir uns zu kümmern. Der Finanzminister hat am Dienstag in seiner Rede anläßlich der Einbringung des Haushalts Ausführungen zur Steuerreform gemacht. Es wird schwer genug, die dort vorgestellten Maßnahmen umzusetzen. Sie sind aber Voraussetzung, um die Investitionshemmnisse beseitigen zu können. Wir werden Sie, Herr Minister, dabei unterstützen. Ich will noch ein paar Minuten beim Subventionsabbau verweilen. Um Investitionen zu beschleunigen, um neue Produkte in den Markt hineinzubringen, um der ostdeutschen Wirtschaft auf den Weltmärkten zu helfen, um den Dienstleistungssektor weiterzuentwickeln, wird es immer notwendig sein, Subventionen in die Wirtschaft hineinzugeben. An anderer Stelle wird es notwendig sein, bewahrende Subventionen abzubauen; dies ist uns klar. Aber sagen Sie doch einmal: Wollen Sie in der Situation, in der die Kvaerner-Werft und Werften in Ostdeutschland sind, Subventionsabbau betreiben? Sie haben uns diese Subventionen als „konservierende Subventionen“ vorgeworfen. Sie müssen sich entscheiden, in welchem Bereich Sie Subventionen abbauen wollen und in welchem nicht. ({7}) Wir brauchen Unternehmensteuersenkungen; darüber habe ich schon gesprochen. Wir brauchen insbesondere für Ostdeutschland - auch dies ist ein Ergebnis der Untersuchungen der Wirtschaftsinstitute und der internationalen Beobachter - besondere Maßnahmen. Jahrelang sind die ostdeutschen Länder - völlig egal, ob SPD- oder CDU-regiert - bei uns aufgelaufen und haben uns gebeten, dafür zu sorgen, daß die jährlichen Kürzungsorgien, die Sie angedroht haben und die später verhindert worden sind, in eine kontinuierliche Aussage und eine langfristige Planbarkeit der Investitionen in Ostdeutschland umgemünzt werden. Es ist jetzt das erste Mal gelungen, zu sagen: Ostdeutschland wird über einen längeren Zeitraum unsere besondere Unterstützung benötigen. Wir werden diese absichern und nicht jedes Jahr neu zur Disposition stellen. Das Wichtigste sind sichere Rahmendaten. ({8}) Dabei geht es nicht mehr ausschließlich um Investitionen in Infrastruktur. Da ist Erhebliches geleistet worden, auch unter Ihrer Regierungsverantwortung. Es geht heute vielmehr um Investitionen in Humankapital, es geht heute um Investitionen in zusätzliche Existenzgründungen und Existenzsicherung, es geht um Investitionen in Technologietransfer, und es geht in besonderem Maße um Investitionen zur Erschließung neuer Märkte für die Unternehmen, die es schwer haben, sich in den Märkten zu etablieren. Das alles hat mit Subventionen zu tun. Man erreicht nichts, wenn man diese von vornherein abbaut; statt dessen muß man die außenwirtschaftliche Orientierung möglicherweise ein kleines Stück stärker ausrichten. Wir haben die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in den neuen Bundesländern auf Dauer stabilisiert. Daß 58 Milliarden DM für Investitionen in den Haushalt 1999 eingestellt werden können, ist angesichts der desolaten Haushaltssituation, die Sie uns hinterlassen haben, eine großartige Leistung. ({9}) Wir benötigen für die mittelständische Wirtschaft - nun komme ich zu dem Teil, bei dem man zwischen dem, was man einsparen kann, und dem, was man zusätzlich ausgeben muß, differenzieren muß - natürlich weiterhin eine bessere Eigenkapitalausstattung der kleinen und mittleren Unternehmen durch Entlastungen auf der Steuerseite. Diese werden allerdings eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage nach sich ziehen. Wir benötigen, insbesondere für die neuen Unternehmen und die Existenzgründer, die Fortführung der Eigenkapitalhilfeprogramme. Daß hier aufgestockt worden ist, ist eine besondere Leistung. Genauso ist es eine Leistung, den Technologietransfer, den Wissenstransfer in die handwerklichen Unternehmen zu stärken. Hier ist aufgestockt worden, und das sichert einen Wirtschaftszweig, der sich modernsten Herausforderungen stellen muß und diese offensiv annehmen will. Wir müssen ihm dabei aber auch staatliche Hilfe gewähren. Dazu zusätzlich 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt zu haben, sichert Arbeitsplätze und die Zukunftsfähigkeit mittelständischer Unternehmen. ({10}) Darüber, daß wir dabei, insbesondere im Dienstleistungssektor, einzelne Teile aus dem Bereich der Schattenwirtschaft herausholen müssen, sind wir uns im klaren. Zu Ihrer verlogenen Debatte über die 630-MarkArbeitsplätze will ich noch einiges sagen: Hier so zu tun, als seien nur damit Unternehmen zu erhalten und als sei dies die einzige Möglichkeit zur Existenzsicherung von Unternehmen, heißt zumindest, den Wunsch der Leute, die auf der Basis von 630-Mark-Arbeitsplätzen arbeiten, in die sozialen Sicherungssysteme hineinzukommen und einen Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsplatz zu erhalten, der die eigene Existenz finanziell sichert, nicht zu beachten. Erst dann, wenn Ihnen dieser Bereich genauso wichtig ist wie die Sicherung der Unternehmen, wird Ihre Argumentation glaubwürdig, und erst dann, nicht vorher, kann man über Fehlentwicklungen nachdenken. ({11}) Das gleiche will ich Ihnen zur Scheinselbständigkeit sagen. Sie führen eine Scheindebatte über die Scheinselbständigkeit, weil Ihnen die Betroffenen, die von einzelnen Auftraggebern abhängig und unterdrückt sind und keine eigene Existenzsicherung aus ihrer scheinbar unternehmerischen Tätigkeit haben können, völlig egal sind. Ihnen sind nämlich nur die nicht egal, die davon profitieren, daß sie diese Menschen ausbeuten. Wer Mißbrauch bekämpfen will, muß das in den Vordergrund stellen. Erst dann können wir über Fehlentwicklungen, wenn es sie denn gegeben hat, reden. Nur so und nicht anders wird ein Schuh daraus. ({12}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will aus dem Haushalt und den positiven Tendenzen des Haushalts nur noch einen Aspekt herausgreifen, weil ich ihn für besonders wichtig halte. In diesen Haushalt werden rund 200 Millionen DM für den Einstieg in den Ausstieg aus der Kernenergie zusätzlich eingestellt. Das ist ein Programm zur Energieeinsparung, es ist ein Programm für alternative Energieträger, und es ist insbesondere ein Programm für kleinere und mittlere Unternehmen zum flächendeckenden Aufbau von Beschäftigung und zur Entwicklung neuer Dienstleistungs- und Arbeitsplatzangebote in diesem Bereich. Das ist eine großartige Leistung, weil wir hier genau jene dezentralen Strukturen der Energieversorgung befördern, die arbeitsplatzsichernd und arbeitsplatzschaffend ist und die gleichzeitig auch die ökologische Situation verbessert. Herr Präsident, gestatten Sie mir einen Schlußsatz. ({13}) - Daß Ihnen das vielleicht nicht gefällt, ist klar. Ich möchte am Schluß gerade in Verbindung mit dem Programm zur Energieeinsparung die Banken und Sparkassen bitten, ihre Zurückhaltung bei der Umsetzung dieses Programms aufzugeben und auch dann, wenn in diesem Bereich keine ausgesprochen große Renditeerwartung vorhanden ist, gemeinsam mit dem Handwerk die Chancen für mehr Arbeitsplätze und Investitionen in eine energiesparende, ökologisch vernünftige Zukunft zu nutzen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({14})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Dankward Buwitt das Wort.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schwanhold, Sie haben von einer „verlogenen Debatte“ gesprochen. ({0}) Ich will Ihnen einmal sagen, was ich als verlogen bezeichne. Unter „verlogen“ verstehe ich, wenn man der Bevölkerung Riesenversprechungen macht und diese nicht einhält. ({1}) Drei Sätze später sagen Sie in Ihrer Rede, es müssen besondere Maßnahmen für Ostdeutschland ergriffen werden. Schauen Sie sich meine Beispiele an! Das alles waren Forderungen, die Sie einmal aufgestellt haben; und das alles sind Kürzungen, die genau diesen Bereich betreffen. Das nenne ich - um es ganz deutlich zu sagen verlogen. Lassen Sie mich noch etwas zum „Schlechtreden“ sagen. Mir fiel das gestern schon bei Bundeskanzler Schröder auf. Wer hat denn in den vergangenen Jahren den Standort Deutschland schlechtgeredet? ({2}) Sie waren das doch! ({3}) Wer hat denn gesagt: Wir wollen einmal sehen, wann die fünf Millionen vor den Arbeitsämtern stehen? Das waren Sie doch; das waren wir doch nicht. Das ist doch alles nachlesbar. ({4}) Sie haben in den letzten sieben Monaten doch einen Realitätsverlust erlitten, der einmalig ist. ({5}) Was das Schlechtreden anbelangt: Sie reden heute die Vergangenheit ja noch schlecht. Nur die Gegenwart möchten Sie gerne gutgeredet haben, und zwar bessergeredet haben, als sie in Wirklichkeit ist. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Zur Antwort hat der Kollege Schwanhold das Wort.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Buwitt, wir alle haben die Aussagen von Herrn Wirtschaftsminister Rexrodt und von Kollegen Ihrer Fraktion noch in den Ohren. Sie fingen an, zu sagen, an dem Standort Bundesrepublik Deutschland arbeiteten die Menschen kürzer als an jedem anderen Standort und sie seien ständig krank. Es war die Rede vom Freizeitpark Bundesrepublik Deutschland, von den schlechten Produkten in der Bundesrepublik Deutschland, von dem schlechten Innovationsklima, von den zu hohen Steuern und von den Rahmenbedingungen, die es für ausländische Investoren angeblich unmöglich machten, in diesen Standort zu investieren. Wir waren diejenigen, die aus der Opposition heraus darauf hingewiesen haben, daß es an diesem Standort soziale Sicherheit gibt, daß man zum Beispiel im Jahr 1997 für den März 1998 eine Maschine bestellen kann und die pünktlich geliefert wird, daß sozialer Friede herrscht und es ein hohes technisches Vermögen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Das sind Stärken dieses Standorts, die wir hervorzuheben haben und für die wir im Ausland zu werben haben. Wir dürfen diesen Standort nicht weiter schlechtreden. Das alles können Sie in den Protokollen des Deutschen Bundestages nachlesen. ({0}) Wenn Sie bei den Debatten dabei gewesen wären, hätten Sie das auch noch in Erinnerung. Nun will ich Ihnen etwas zum Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums sagen. Die Energieforschung ist deutlich aufgestockt worden. Deutlich aufgestockt - um 180 Millionen DM - worden ist der Titel „Rationelle Energieanwendung“. Deutlich aufgestockt worden ist der Titel „Forschung, Entwicklung und Innovation“. Deutlich aufgestockt worden ist der Titel „Gewerbeförderung für den Mittelstand“. Deutlich aufgestockt worden sind auch andere Titel, auf die ich nur hinweisen möchte. Wenn Sie so tun, als ob es eine Wirtschaftspolitik Ost und eine Wirtschaftspolitik West gäbe, dann haben Sie das Problem nicht verstanden. Es gibt Sonderbedingungen Ost, die wir zu bedienen haben, aber ansonsten haben wir eine Wirtschaftspolitik für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt zu machen, weil nur dadurch die Schwierigkeiten behoben werden können. Deshalb lohnt es nicht, einzelne Titel herauszugreifen, sondern nur, eine Gesamtschau des Haushalts vorzunehmen. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Paul Friedhoff, F.D.P.-Fraktion, das Wort.

Paul K. Friedhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000588, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als der Finanzminister Oskar Lafontaine am 11. März von seinem Amt desertierte, ({0}) hinterließ er einen Scherbenhaufen: ({1}) in der Wirtschaftspolitik, in der Finanzpolitik, in der Steuerpolitik, in der Währungspolitik ({2}) und das nicht nur national, sondern auch international. In den Tagen nach seinem Rücktritt kam Hoffnung auf: Hoffnung darauf, daß der neue Finanzminister zu einer Haushalts- und Steuerpolitik zurückkehrt, die Vertrauen schafft und Investitionen in Arbeitsplätze unterstützt; ({3}) Hoffnung darauf, daß der Wirtschaftsminister mit mehr Gewicht zu einer soliden Wirtschaftspolitik findet, die den Standort Deutschland sichert. ({4}) Von einem möglichen Neuanfang und von der Chance, die Verunsicherung unserer Betriebe zu überwinden, war die Rede - angesichts der labilen konjunkturellen Lage bitter nötig. Denn statt 2,8 Prozent Wachstum im vergangenen Jahr gehen wir inzwischen von mageren 1,5 Prozent für dieses Jahr aus. ({5}) Wahrlich ein Erfolg rotgrüner Politik! Wenn Sie das als „Schlechtreden“ bezeichnen, Herr Schwanhold, dann sage ich Ihnen: Wir müssen noch auf Fakten hinweisen dürfen, ohne von Ihnen dafür angegriffen zu werden. ({6}) Was ist denn heute, nur acht Wochen später, von unserer Hoffnung geblieben? - Nichts. Alle Blütenträume sind bereits verflogen. Die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik versinkt weiter im Chaos. Der Finanzminister verspricht Solidität. Das allein reicht nicht. Von den notwendigen steuerlichen Entlastungen, von allen Experten gefordert, ist nichts zu sehen. ({7}) Ich stelle auch an dieser Stelle die Frage, die ich von Unternehmern, von Handwerksmeistern, von Freiberuflern fast täglich höre: Wo bleibt der Wirtschaftsminister? Was unternimmt Minister Müller jetzt, wo er mehr Spielraum gewonnen hat, um die Politik der wirtschaftlichen Vernunft durchzusetzen? ({8}) Was unternimmt der Minister, um Ludwig Erhards Erbe zu retten und die alte Schlagkraft des Wirtschaftsministeriums, dem Lafontaine so übel mitgespielt hat, wiederherzustellen? ({9}) Nichts. Was unternimmt der Minister zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit? ({10}) - Nun, er gibt Interviews. Auf die Arbeitsplatzvernichtung durch das 630-DMGesetz angesprochen, meint Herr Minister Müller am Montag in der „Bild-Zeitung“ - ich zitiere wörtlich -: „Solche notwendigen Reformen sind eben unbequem.“ ({11}) In der „Chemnitzer Freien Presse“ stellt er fest, daß sich von den fünf Millionen Billigjobbern doch nur eine Million beklage. Man muß sich das einmal vorstellen, meine Damen und Herren: Hunderttausenden Familien wird ein Teil ihres Einkommens entzogen, dem deutschen Mittelstand, der Gastronomie, den Sportvereinen, den Gesangsvereinen, den Zeitungen, den Volkshochschulen laufen fähige Mitarbeiter weg, weil sich Leistung wegen der hohen Abgaben und Steuern für sie eben nicht mehr lohnt - und der Wirtschaftsminister kommentiert das mit derartigem Zynismus. ({12}) Sie haben hingenommen, Herr Minister Müller, daß die Reformen zur Lohnfortzahlung, zum Kündigungsschutz und zur Rentenversicherung von der rotgrünen Bundesregierung zurückgenommen wurden. Diese Rücknahmen der Reformen sind gravierende Maßnahmen zu Lasten der kleinen und mittleren Betriebe und zu Lasten der Arbeitsplätze. ({13}) Sie haben hingenommen, daß die Energiewirtschaft und unsere Partner in Frankreich und Großbritannien durch die unausgegorenen Pläne Minister Trittins zum sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie fundamental verunsichert wurden. Konkrete Ergebnisse bleiben aus - aber Verunsicherung allerorten. So riskiert man das Vertrauen der Wirtschaft, schädigt einen Wirtschaftsbereich, der auf Verläßlichkeit und Langfristigkeit besonders angewiesen ist, der am Standort Deutschland kapitalintensiv arbeitet und - noch - investitionsbereit ist. Sie haben hingenommen, Herr Minister Müller, daß Unternehmen und Investoren mit den Steuergesetzen 1999 deutlich höher belastet worden sind. Sie haben die unökologische ökologische Steuerreform akzeptiert. Wo bleiben denn die so häufig versprochenen Entlastungen für die Betriebe, für die Fleißigen in diesem Land, die Risiken übernehmen und Arbeitsplätze schaffen? Wo bleibt Ihre Position zur Unternehmensteuerreform? Sie werden doch keinen einzigen Mittelständler in unserem Land mehr finden, der Ihnen die Mär von der Steuerentlastung noch abnimmt. Gerade die kleinen und mittleren Betriebe werden auch weiterhin von dieser rotgrünen Regierung geschröpft werden, ({14}) zumal der Bundesfinanzhof gerade die sozialdemokratischen Wunschträume zunichte gemacht hat, daß es möglich sei, zwischen guten und schlechten Einkommen zu unterscheiden. Die F.D.P. hat schon im letzten Jahr die geplante Spreizung der Steuersätze kritisiert. Der Bundesfinanzhof zitiert sogar unseren F.D.P.-Entschließungsantrag vom Dezember 1998. Die Spreizung zwischen Unternehmensteuersatz von 35 Prozent und nichtgewerblichem Steuersatz von 48,5 Prozent widerspricht unserer Verfassung. ({15}) Viele ahnen es: Auf Ihren Fahnen steht längst nicht mehr eine große Steuerreform. Alle sozialdemokratischen Wünsche von Umverteilung und Dirigismus werden in einer Mehrwertsteuererhöhung enden. Sie haben angesichts der anstehenden Wahlen nur noch nicht die Traute, es dem Wähler zu sagen. Sie, Herr Minister Müller, haben das Gesetz gegen die sogenannte Scheinselbständigkeit passieren lassen - neben der Neuregelung der 630-DM-Jobs der unbestrittene Höhepunkt in der nunmehr siebenmonatigen Geisterfahrt der rotgrünen Regierungsdschunke. ({16}) Ankündigungen zur Revision irrlichtern durch die Gazetten - was sind sie wert ohne Kabinettsbeschluß? Nun darf man von einem Leichtmatrosen vielleicht auch nicht erwarten, daß er den Kurs des Schiffes nennenswert beeinflußt, ({17}) vor allem wenn der Kahn schon derartig löchrig ist und kurz vor dem Absaufen steht. ({18}) Nur: Dann sollte man auch nicht so tun, als könnte man diesen Kahn anders steuern. Jedenfalls zeugt es schon von einer gehörigen Portion Mut, wenn sich der Bundesminister für Wirtschaft in aller Öffentlichkeit als marktwirtschaftlicher Erneuerer geriert: Der Sozialismus in Deutschland sei nicht mehr zu bezahlen. Die persönliche Verfügbarkeit über das selbst Erarbeitete müsse endlich wieder zunehmen. Ob Leistungsgesetze oder Subventionen - alles müsse auf den Prüfstand. Schon richtig, Herr Minister. Das muß alles auf den Prüfstand. Aber auch Ihre Rolle und Ihre Politik, mit der Sie das erreichen wollen, gehören dann auch auf den Prüfstand. ({19}) Sie sind vollmundig in Interviews und auf Tauchstation in den Kabinettssitzungen. Sie spielen offenbar gerne den Don Quichotte der deutschen Wirtschaftspolitik. Trotz des Rücktritts von Oskar Lafontaine hat die SPD-Linke weiterhin das Sagen. Die SPD-Bundestagsfraktion so meint der „Spiegel“ zu Beginn dieser Woche, ist gleichsam der verlängerte Arm der Sozialstaatsmafia. Unternehmer gibt es hier nicht, dafür aber Gewerkschafter, die jeden Firmengründer gern reflexartig zum Feind erklären. Nicht wir, sondern der „Spiegel“ stellt dies fest. Herr Minister, Schaufensterreden sind unangebracht. Sie sind kein Kommentator der Politik. Sie sind Mitglied der Exekutive. Die Bürger und Unternehmer warten auf Taten. In der SPD-Fraktion und bei den Grünen müssen Sie Überzeugungsarbeit leisten. Hier müssen Sie für solide Wirtschaftspolitik werben, nicht in der breiten Öffentlichkeit. Diese hat die Notwendigkeit zu strukturellen Reformen längst eingesehen, nur diese Koalition noch nicht. ({20}) Was ist mit den sogenannten anderen wirtschaftspolitischen Modernisierern in der SPD? Bei näherem Hinsehen muß man auch hier feststellen, daß kein Anlaß zur Euphorie besteht. Es reicht eben nicht, nur 30 Prozent weniger Unsinn als die anderen zu erzählen. Kanzleramtsminister Hombach kündigt groß in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ eine Änderung des 630DM-Gesetzes an, um sich kurz darauf in einem Interview mit dem „Kölner Express“ wieder hinter ArbeitsPaul K. Friedhoff minister Riester wegzuducken. Was gilt denn nun, Herr Minister Hombach? Oder haben Sie zwischenzeitlich einfach nur den Überblick darüber verloren, was Pest - 630-DM-Gesetz - oder was Cholera - Neuregelung für die sogenannten Scheinselbständigen - ist? Bei uns in Nordrhein-Westfalen gibt es noch einen angeblichen Kämpfer für mehr wirtschaftliche Vernunft, nämlich Ministerpräsident Wolfgang Clement. Er bringt seit Monaten Bedenken gegen die verheerenden Wirtschaftsgesetze der rotgrünen Bundesregierung vor. Aber er stimmt ihnen dann im Bundesrat zu. ({21}) Jetzt werden gerade in Nordrhein-Westfalen mit der Novelle der Gemeindeordnung die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Kommunen dem Mittelstand die Aufträge wegschnappen können. Mit marktwirtschaftlicher Reformpolitik, Herr Minister Müller, hat dies überhaupt nichts zu tun. ({22}) Statt dessen gilt noch immer: postsozialistische Staatswirtschaft statt marktwirtschaftlicher Reform. Das kennen wir aus vielen Reden, die Sie damals in der Opposition gehalten haben. Es gibt keine zukunftsfähige, moderne SPD-Wirtschaftspolitik, die uns hier immer vorgegaukelt wird. Uns werden in Sonntagsreden und Interviews lediglich Luftblasen vorgegaukelt. Die tagtäglich ergriffenen Maßnahmen sprechen eine andere, nämlich die alte ideologische Sprache. Wir haben keine Neue Mitte, sondern die alte Linke. ({23}) Rotgrün weigert sich weiterhin, sich der Wirklichkeit zu stellen und die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands, der Bürger, der Arbeitnehmer, der Arbeitslosen und der Unternehmer zu lösen - und das sieben Monate nach dem Regierungswechsel. Ich bedanke mich. ({24})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollegin Margareta Wolf, Bündnis 90/Die Grünen.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Friedhoff, es wäre spannend gewesen, wenn Sie in Ihrer Rede einmal vorgestellt hätten, was Sie unter moderner Wirtschaftspolitik verstehen, anstatt die ewige Nörgelei fortzusetzen. ({0}) Herr Buwitt, Sie haben lediglich ein Mehr an Leistungen gefordert. Aber gleichzeitig fordern Sie eine Konsolidierung des Haushaltes. Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie eine Konsolidierung oder eine Politik des leichtfertigen Umgangs mit Geld betreiben wollen. Am deutlichsten wird das für meine Begriffe an Ihrem Antrag zum Meister-BAföG, den ich für ausschließlich populistisch halte. Sie wissen, daß im letzten Jahr der Abfluß beim Meister-BAföG 66 Millionen DM betragen hat. Jetzt stellen wir 80 Millionen DM ein, damit mehr Mittel als im letzten Jahr abfließen. Sie hätten die Chance gehabt, das Meister-BAföG auf Tauglichkeit zu überprüfen und es zu verändern. Ihre Vorlage ist ein reiner Schaufensterantrag. Die zusätzlichen Mittel werden nicht abfließen, bevor wir nicht novellieren. Das werden wir machen, und es wird auch wieder einen Aufwuchs geben. Das wissen Sie genau. ({1}) Zentrale Projekte dieser Bundesregierung sind die Haushaltskonsolidierung, der Abbau der Arbeitslosigkeit, die Verbesserung der Wettbewerbssituation der Unternehmen sowie der Einstieg in die Energiewende. Diesen Prämissen wird der vorliegende Haushalt gerecht. Unter anderem mit dem Titel zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien sowie mit der Einrichtung der Zukunftskommission „Neue Energieversorgung“ durch den Bundeswirtschaftsminister wird deutlich, daß Rotgrün aus umwelt- und beschäftigungspolitischen Gründen auf eine Neuorientierung in der Energiepolitik setzt. Meine Fraktion wünscht dieser Kommission viel Erfolg bei ihrer Arbeit. Wir sagen ihr unsere massive Unterstützung zu. Durch die primäre Orientierung der Haushaltsansätze bei den Förderprogrammen für die mittelständische Wirtschaft an den Abflußzahlen des Vorjahres machen wir erstens deutlich, daß die mittelständische Wirtschaft nicht weniger stark als die anderen Unternehmen ist - das halte ich für wichtig -, und zweitens, daß wir in Deutschland auf dem Weg sind, zu einem der interessantesten Beteiligungsmärkte in Europa zu werden. Der deutsche Markt für Unternehmensbeteiligungen ist in den letzten Monaten kräftig gewachsen. Wir werden diesen Prozeß, der zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft und der innovative Unternehmen tatsächlich stärkt, durch eine Gleichstellung aller Anlageformen im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz politisch flankieren - etwas, was Sie versäumt haben -, und wir werden den Chancenkapitalmarkt mit einer ausgeprägten seed-Kultur in Deutschland verstetigen. ({2}) Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben in ihrem Gutachten darauf hingewiesen, daß wir in diesem Jahr eine Wachstumsrate von 1,7 Prozent haben werden. Damit sind sie optimistischer als die Bundesregierung. Die Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren für das nächste Jahr ein Wachstum von 2,6 Prozent. Sie sagen deutlich, daß die Aussichten günstiger sind, als es in der öffentlichen Diskussion und von den Verbänden dargestellt wird. An dieser Stelle kann ich es mir nicht verkneifen, etwas in Richtung der Verbandslobbyisten zu sagen. Ich halte es für geradezu grotesk, daß sich die Verbände jetzt, nach Vorlage des Kommissionsberichts zur Unternehmensteuerreform und in Kenntnis der Haushaltslage, hinstellen und sagen - das konnte man gestern in der Zeitung lesen -: Wir werden zum Subventionsabbau - den wir seit Jahren in jedem Wahlkampf fordern überhaupt nicht Stellung nehmen, bevor die Bundesregierung nicht klarstellt, um wieviel wir netto entlastet werden. Das ist wie ein Spiel kleiner Jungen, das einer Zumutung gleichkommt. ({3}) Vielleicht sollten die Verbandslobbyisten einmal zur Kenntnis nehmen, daß es die Unternehmen waren, die ihnen in Hannover auf der Messe gesagt haben, daß ihnen das larmoyante und destruktive Herumgenörgele endgültig auf die Nerven gehe. ({4}) Wir leben in einem Verbändestaat, und in einem Verbändestaat haben alle Verbände eine Verantwortung für das Gemeinwohl in diesem Land. ({5}) - Es ist richtig, daß wir in einer parlamentarischen Demokratie leben; aber wir leben auch in einem Verbändestaat. Wir wissen schon, daß Sie hier dauernd die Verbände vertreten. Klar ist - mein Kollege Schwanhold hat das schon gesagt -, daß diese positiven Daten auch eine Aufforderung beinhalten. Klar ist, daß wir eine Unternehmensteuerreform brauchen, über die seit Jahren geredet wurde. Klar ist aber auch, daß wir vor der Sommerpause im Interesse von Planungssicherheit, im Interesse der Menschen in diesem Land und im Interesse der Entlastung von Gesellschaft und Wirtschaft Eckpunkte für eine Unternehmensteuerreform, für die ökologische Steuerreform und für den Familienlastenausgleich hier vorlegen werden. Wir wollen in diesem Land mehr Planungssicherheit herstellen und den Familien verdeutlichen, wie sie infolge dieses Urteils entlastet werden. ({6}) - Herr ehemaliger Staatssekretär, wenn Sie selber hier nicht reden durften, dann müssen Sie nicht dauernd dazwischenrufen. ({7}) Bei allem Optimismus glaube ich gleichzeitig, daß die Wirtschaftspolitik auf Grund des Strukturwandels vor großen Herausforderungen steht. Wir müssen die Chancen erkennen, die im Übergang von der Industriezur Dienstleistungsgesellschaft liegen, und diesen Wandel im Interesse von neuen Arbeitsplätzen, im Interesse von neuen Ausbildungsplätzen und im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft politisch begleiten. Der am stärksten wachsende Bereich unserer Volkswirtschaft ist der Informations- und Kommunikationsbereich. Der IuK-Bereich befindet sich auf einem rasanten Wachstumskurs; seit 1994 gab es in der Branche - es handelt sich um einen klassischen wissensbasierten Dienstleistungsbereich - pro Jahr ein Wachstum von bis zu 10 Prozent. Der IuK-Bereich ist in Deutschland mit zirka 2 Millionen Beschäftigten der drittgrößte Arbeitgeber. Mit diesem Boom einher geht aber ein ganz dramatischer Mangel an Fachkräften. Allein im Jahr 1998 fehlten 50 000 Informatiker in Deutschland. Ich halte es für alarmierend, wenn auf der einen Seite eine erhebliche Nachfrage besteht, aber auf der anderen Seite nicht entsprechendes Personal zur Verfügung steht, das eingestellt werden könnte. Das zeigt doch deutlich, daß Bewerberinnen und Bewerber mit der nötigen Qualifikation für diesen Bereich fehlen. Hierin sollte die Politik eine Aufforderung sehen, die Kooperation zwischen Wirtschaft und Hochschulen, zwischen Wirtschaft und Schulen sowie zwischen Wirtschaft und Arbeitsämtern zu verstetigen. Wir müssen unsere Ausbildungsordnungen rascher anpassen und die Berufsbilder aktualisieren. All diese Dinge sind in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt worden. Der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft macht deutlich, daß dem Staat heute eine völlig andere Aufgabe als in der Vergangenheit zukommt. Es geht heute, wie ich glaube, nicht vornehmlich darum, zu verteilen und zu alimentieren. Es geht vielmehr darum, in die soziale Infrastruktur und in die Menschen zu investieren. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Menschen und die Gesellschaft in Bewegung bleiben, sich mental verändern und sozial nicht verhärten. An diesem Kriterium muß sich ein guter Staat und eine gute Wirtschaftspolitik in Zukunft messen lassen. ({8}) Vor diesem Hintergrund muß es uns alarmieren, daß nach allen Studien die Weiterbildungsneigung in Deutschland die niedrigste in Europa ist. ({9}) Wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen, ob wir in Deutschland in den vergangenen Jahren nicht systematisch Zugangsbarrieren zum Arbeitsmarkt aufgebaut haben bzw. ob diese aufgebaut wurden. Ich bin davon überzeugt, daß das der Fall ist. Ich glaube, daß insbesondere die zahlreichen standesrechtlichen und juristischen Vorschriften - zum Beispiel der wettbewerbsfreie Raum der Industrie- und Handelskammern mit Zwangsbeiträgen, aber auch der wettbewerbsfreie Raum, in dem sich die Berufsgenossenschaften bewegen - tatsächlich Zugangsbarrieren zum Arbeitsmarkt darstellen. Die überbordenden bürokratischen und verwaltungsrechtlichen Vorschriften behindern den Wandel von der Arbeitsgesellschaft der Gegenwart zur GesellMargareta Wolf ({10}) schaft der Zukunft. Unsere verkrusteten bürokratischen Strukturen müssen im Interesse von mehr Arbeitsplätzen und des Strukturwandels auf den Prüfstand. Nur wenn wir das angehen, haben wir eine Chance. Auch hierfür gilt das Motto, das für Hannah Arendt immer prägend war: Die Aufgabe von Politik ist Freiheit. ({11}) - Schreien Sie doch nicht so schrecklich. - Ich weiß, daß wir für die Umsetzung dieser mikroökonomischen Vorhaben, was ein sehr langwieriger Prozeß ist - Stichwort Verbändestaat -, die Unterstützung vieler junger Unternehmerinnen und Unternehmer und Verbände in diesem Lande haben. Meine Fraktion wird in den nächsten Wochen in Abstimmung mit der SPD-Fraktion entsprechende Gesetzentwürfe wieder zur Debatte stellen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Solms?

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bitte schön, Herr Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Wolf, wie vereinbaren Sie Ihre Klage über Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt mit Ihrer Zustimmung zur Einschränkung der sogenannten Scheinselbständigkeit? ({0})

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist diese Woche ein Running Gag. Keine Debatte in dieser Haushaltswoche, in der nicht die 630-Mark-Jobs oder die Scheinselbständigkeit angesprochen werden. Fällt Ihnen nichts mehr ein? ({0}) Sie wissen, daß es in der vergangenen Sitzungswoche Gespräche zwischen meinem Fraktionsvorsitzenden, dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion und dem Bundeskanzler gab. Es ist eine Kommission eingerichtet worden, Herr Kollege Solms, der ich auch angehöre und die dieses Gesetz auf seine Tauglichkeit hin überprüft. Ich bin der Meinung, es gibt unterhalb der Ebene - ({1}) - Wollen Sie die Antwort hören oder nicht? Es gibt unterhalb der Ebene der Gesetzesänderung in diesem Gesetz Anpassungsbedarf, den ich vor allen Dingen darin sehe, Herr Kollege Solms, daß man zum ersten eine Wahlfreiheit bei der Altersvorsorge einräumt, wodurch nicht nur die Lebensversicherungen als rentenversicherungsadäquat gelten. Zum zweiten bin ich der Meinung, daß man für die Existenzgründer, für die Selbständigen eine Frist einbauen sollte, und sie nach fünf Jahren nachweisen müssen, ob sie selbständig oder scheinselbständig sind. Wir haben das mit den Verbänden und mit Unternehmen besprochen, wir bringen das in diese Kommission ein. ({2}) Ich bin nach der Rede des Bundeskanzlers von gestern sehr optimistisch, daß wir damit erfolgreich sein werden. ({3}) Ich möchte jetzt fortfahren, Herr Präsident.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Nachfrage des Kollegen Solms?

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bitte schön. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, warum sind Ihnen diese Gedanken, obwohl das öffentlich bereits breit diskutiert worden war, nicht gekommen, bevor das Gesetz verabschiedet worden ist? Warum kommen sie Ihnen jetzt erst, hinterher? ({0})

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Solms, ich gebe die Frage zurück: Warum sind Ihnen keine Gedanken zur Regelung dieses in den letzten Jahren zunehmenden Problems der Erosion der Sozialversicherung gekommen? Warum ist Ihnen dazu in den 29 Jahren nichts eingefallen? Ich gebe zu, daß wir das Gesetz vor der Verabschiedung nicht ordentlich auf seine Praxistauglichkeit überprüft haben. ({0}) Seit der Verabschiedung diskutieren wir aber mit allen Betroffenen darüber, und Sie werden sehen, daß dieses Gesetz praxistauglich werden wird. Dann können Sie Ihren Running Gag in die Tasche packen und müssen sich für Ihre Zwischenfragen etwas Neues überlegen, Herr Solms. ({1}) Meine Damen und Herren, über den Abbau der bürokratischen Hemmnisse hinaus wird es aber auch notwendig sein, eine arbeitsmarktpolitische Strategie zu entwickeln, um die Barrieren zwischen den dauerhaft Margareta Wolf ({2}) Beschäftigten und den Langzeitarbeitslosen tatsächlich zu senken. Ich möchte hier einen Vorschlag machen. ({3}) - Wissen Sie was, meine Damen und Herren? Wir räumen das auf, was Sie in den letzten 16 Jahren angerichtet haben. Daß Sie nicht modern sind, haben Sie mit Ihren Debattenbeiträgen zum Haushalt bewiesen. Ich würde Sie jetzt bitten, mir vielleicht einmal zuzuhören. Vielleicht können wir ja ein bißchen was lernen. ({4}) In Dänemark kann man seit zehn Jahren eine Strategie beobachten, die die Barrieren zwischen Vollzeitbeschäftigung und Arbeitslosigkeit überwindet. Das zugrunde liegende Konzept nennt sich Jobrotation. Dänemark verfügt über ein System modular aufgebauter Weiterbildungen, mit dem ungelernte Beschäftigte in mehreren Schritten eine Berufsausbildung nachholen können. Außerdem können sich Beschäftigte zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen in erheblichem Umfang aus ihren Beschäftigungsverhältnissen beurlauben lassen. Sie erhalten während dieser Zeit Arbeitslosengeld und machen einen Platz für diejenigen frei, die arbeitslos bzw. langzeitarbeitslos sind. Sie können sich qualifizieren. Durch diese Art von Jobrotation gab es in Dänemark nicht nur einen Schub bei der Weiterbildung, sondern es ist eine erhebliche Zahl von Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit herausgekommen. Dänemark - das ist bekannt - ist ein Land mit einer sehr niedrigen Arbeitslosenquote. Es wurde von einem Berliner Professor errechnet, daß wir, wenn wir den Einstieg in dieses Modell wagen würden, was bekanntlich eine doppelte Wirkung hätte, in einem Jahr zirka 300 000 neue Beschäftigungsverhältnisse schaffen könnten. Ich halte das für ein diskussionswürdiges Modell, das allerdings voraussetzt, daß wir es bei der SGB-III-Novelle auch entsprechend berücksichtigen. Meine Damen und Herren vor allen Dingen der F.D.P., wir werden mutig und kreativ Wirtschaftspolitik betreiben. ({5}) Wir werden sie stärker, als Sie das getan haben, mit Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik verzahnen. Ich bin sicher, dann wird das Gutachten der Forschungsinstitute im nächsten Jahr noch wesentlich optimistischer ausfallen. ({6}) Den Mitgliedern der Verbände kann ich nach dem, was wir in den letzten Monaten erlebt haben, nur wünschen, daß sie sich selbst eine Verjüngungskur an der Spitze gönnen, um ihre Rolle als begleitender und gestaltender Faktor der neuen, zukunftsfähigen, modernen Wirtschaftspolitik auch tatsächlich genießen zu können. Dann kommt unser Land voran. Ich bin optimistisch, daß wir die Arbeitslosenquote senken können, daß wir zur Verstetigung von Investitionen kommen werden, daß dieses Land in Europa tatsächlich wieder vorn sein wird, daß wir all die verstaubten Strukturen, die Sie in den letzten Jahren aufgebaut haben, sukzessive abbauen können. Das kommt den Menschen und der Wirtschaft in diesem Land zugute. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Danke. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Rolf Kutzmutz, PDS-Fraktion.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den zweieinhalb Monaten, die seit der ersten Beratung des Haushalts vergangen sind, hat sich auch wirtschaftspolitisch zumindest zweierlei dramatisch verändert. Erst kam der größten Koalitionspartei nicht nur ihr Vorsitzender, sondern auch ein wirtschaftspolitisch einflußreicher Kopf abhanden. Sehen Sie, Herr Friedhoff, an dieser Stelle gibt es unterschiedliche Hoffnungen: Wir können nach wie vor nur hoffen, daß die Regierung nach Lafontaines Abgang nicht vollends vor den Lobbyisten der Großkonzerne einknickt. ({0}) Völlig zu Recht wird im Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute festgestellt - ich zitiere -: Konkrete Vorhaben wie die Verringerung der Körperschaftsteuer oder die Abschaffung von Steuervergünstigungen oder Subventionen können nicht Gegenstand von Verhandlungen mit den betroffenen Unternehmen sein. Statt vorauseilenden Gehorsam gegenüber Managern muß und kann die Regierung eigenverantwortlich Politik für mehr Beschäftigung, soziale Gerechtigkeit und schnelleren ökologischen Umbau betreiben, wenn sie denn nur will. Momentan - das ist die zweite dramatische Veränderung - macht sie noch etwas anderes: Sie ist an einem Krieg beteiligt, der auch eine wirtschaftliche Dimension hat. Im „Handelsblatt“ vom Dienstag war unter der Überschrift „Balkankrise drückt Europas Wachstum“ über den aktuellen Wirtschaftsbericht der UNO-Wirtschaftskommission für Europa zu lesen - ich zitiere -: In Westeuropa seien die Kriegsfolgen zwar geringer - als in Osteuropa -, Margareta Wolf ({1}) aber dennoch deutlich zu spüren. Abgesehen von Exportverlusten führe der Konflikt zu einer Erhöhung der Militärausgaben. Angesichts strenger Begrenzung der Etatdefizite werde das entweder zu Ausgabenkürzungen oder zu Steuererhöhungen führen. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Zuversicht der Konsumenten und der Unternehmen leide. Alles in allem rechnet die UNECE - die UNO-Wirtschaftskommission im laufenden Jahr in Westeuropa mit einem Rückgang der Wachstumsrate von 2,7 auf nur noch knapp 2% … Das ist wirtschaftlich der Preis einer Politik, die das Leid keines einzigen Kosovaren lindert, aber darüber hinaus noch unzähligen anderen Menschen Not und Unglück bringt. Ich sage deutlich: Sofortige Waffenruhe ist auch wirtschaftspolitisch das Gebot der Stunde. ({2}) Abgesehen davon also, daß niemand die Halbwertszeit des heute zu beschließenden Etats auf Grund von Haushaltssperren und dergleichen kennt, muß man fragen: Was hat sich in den Beratungen geändert? Unsere Vorschläge und Anträge zielten und zielen lediglich auf den Erhalt des Ausgabenniveaus 1996/97 in arbeitsplatzschaffenden Bereichen. Die dafür aufzuwendenden Mittel würden sich - davon bin ich überzeugt - durch höhere Einnahmen bei Steuern und Sozialabgaben sowie durch geringere Ausgaben für Arbeitslose ausgleichen. Befriedigt sind wir darüber, daß die Kritik der PDSFraktion an der unzureichenden Förderung regenerativer Energien gefruchtet hat. Die Koalition lenkte in den Ausschüssen ein und hat nun mehr Mittel dafür eingestellt. Ob das Sparpotential bei den Steinkohlesubventionen, insbesondere bei den direkt an die Deutsche Steinkohle AG zu zahlenden tatsächlich nur 5 Millionen DM beträgt, wie jetzt veranschlagt, wird sich zeigen. Absolut indiskutabel bleibt aber der Verzicht auf jegliche ernst zu nehmenden Signale zur Vorbereitung eines Ausstiegs aus der Atomenergie oder zur massiven Förderung innovativer, forschungsintensiver kleiner Unternehmen. Ich bin schon erstaunt - das will ich hier deutlich sagen -, daß ein glühender Verfechter der neuen Informationstechnologien aus der letzten Wahlperiode, Herr Kollege Mosdorf, den ich deshalb sehr schätze, jetzt als Staatssekretär verantworten kann, daß die Förderung von Existenzgründungen im Multimediabereich um ein Fünftel niedriger ausfallen soll, als es noch die alte Bundesregierung geplant hatte. Das ist ein deutlicher Widerspruch zu den warnenden Worten, die Frau Wolf zu diesem Thema gefunden hat. Indiskutabel bleiben auch die Ansätze für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in West und Ost. Bemerkenswert, daß hier auch die früheren Regierungsparteien mit Änderungsanträgen ansetzen, obwohl sie doch selber - ich kann Ihnen diese Kritik nicht ersparen - die sich in diesem Etat zeigende Auszehrung seit Jahren praktiziert haben. Aber vielleicht befördert die Oppositionsrolle ja auch neue Ideen, Gedanken und Erkenntnisse. Eine gleiche Situation finden wir bei der Erdölreserve vor. Ich will Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, wie vehement Sie sich dagegen gesträubt haben, die Erdölreserve in den Haushalt einzustellen. Da gab es aber noch richtig Geld für Erdöl. Jetzt einen Schnellschuß zu starten lohnt sich nicht. Warten Sie ab, bis die Preise wieder ordentlich gestiegen sind! ({3}) So optimistisch das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsforscher insgesamt war, für den Osten konnten sie auch für die nächsten Jahre keinen Hoffnungsschimmer vermelden. Die Beschäftigtenzahlen verharren auf historischem Tiefstand, die Einkommen stagnieren. Und nicht einmal im kommenden Jahr sollen die 1996/97 gemessenen knapp 57 Prozent der Wirtschaftskraft des Westens wieder erreicht werden. Hinzu kommt, daß sich eine Tendenz fortsetzt, die auch vorher schon zu beobachten war: Es kommt zu Produktionsverlagerungen und Schließung selbst bei Betrieben, die schwarze Zahlen schreiben, wie im Falle des Unternehmens Elektronische Motorengerätewerke Schleusingen, das nach Tschechien verlegt wird. Oder man nimmt, wie im Fall des Dessauer Unternehmens Humboldt Wedag ZAB, Tochter der Deutz AG, einer der wenigen erhalten gebliebenen industriellen Kerne der Muldestadt, unmittelbar nach Ablauf der Vertragsfrist mit der BvS - auch das ist keine Seltenheit - eine weitere Reduzierung der Belegschaft vor und bereitet das Aus für das Unternehmen systematisch vor. All das sind eigentlich Gründe dafür, endlich neue Strategien zu einer selbsttragenden Entwicklung der Wirtschaft Ostdeutschlands zu konzipieren und zu praktizieren. Aber - dies sage ich sehr kritisch - diese Regierung nutzt ja noch nicht einmal die bewährten Instrumente. Staatsminister Schwanitz hat hier am Dienstag eine flammende Rede für den Aufschwung Ost gehalten. ({4}) - Ich stimme Ihnen ja voll zu; ich habe sogar geklatscht. Ich bin der Meinung: Das war gut, was er gesagt hat. Aber der Widerspruch ist doch folgender: Er sagt, man müsse Mittel für ABM einstellen, wenn Menschen tatsächlich geholfen werden soll, und ist dann noch nicht einmal in der Lage, sich gegen ein paar Ministerialbürokraten durchzusetzen, wenn es um einen kümmerlichen Haushaltsvermerk geht. ({5}) - Das ist richtig. Ich meine die diesen Einzelplan betreffende Fortführung zweier Arbeitsfördergesellschaften der Wismut, die nicht nur den Abbau der Arbeitsplätze von mehr als 20 000 Wismut-Kumpeln sozial flankiert haben, sondern durch die Schaffung von bisher rund 7 000 Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose und sozial Benachteiligte auf dem zweiten Arbeitsmarkt zur hohen Akzeptanz der Wismut-Sanierung in Ostthüringen und Westsachsen beigetragen haben. Neben den bereits laufenden Maßnahmen für mehr als 1 000 Menschen haben die beiden Gesellschaften für die kommenden Jahre mittlerweile 33 zusätzliche Maßnahmen in 25 Städten und Gemeinden vereinbaren können, mit denen weitere 542 Frauen und Männer in Lohn und Brot gebracht werden können. Statt dessen soll stur daran festgehalten werden, daß die Gesellschaften Ende August ihre Tätigkeit beenden. Dabei würde die Geschäftsführung der Wismut die zur Fortführung nötigen weniger als 2,5 Millionen DM aus ihrem bestehenden Etat bezahlen. Das braucht niemanden zu wundern: Schließlich stehen die 28 Leute, die das betrifft, ohnehin auf der Gehaltsliste der Wismut. Nur, im Falle der Verweigerung gibt es eben die Gesellschaften nicht mehr. Jeder, der die Freigabe dieser Mittel nachher in namentlicher Abstimmung ablehnt, sollte sich daher darüber im klaren sein: Wenn überhaupt, dann spart der Bund an dieser Stelle höchstens 400 000 DM. Er bringt aber exakt 1 547 Menschen und ihre Familien um mindestens ein Jahr Perspektive - und die öffentlichen Hände um Steuern und Sozialabgaben. Herr Buwitt ist vehement für die Wismut eingetreten. Ich bin sehr gespannt auf das Verhalten bei der Abstimmung über diesen Antrag. ({6}) Lassen Sie uns eine Absurdität des Haushaltsrechtes beseitigen! Wann haben wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon einmal Gelegenheit, Gutes zu tun, ohne daß es einen Pfennig kostet? Danke schön. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Bundesminister für Wirtschaft, dem Kollegen Werner Müller. ({0})

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit meinem Amtsantritt habe ich bei etlichen Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen und ähnlichem mitgemacht, bei denen auch Vertreter der Oppositionsparteien beteiligt waren. ({0}) Jedesmal erstaunt mich aufs neue, was ich da von Politikern der CDU/CSU und F.D.P. so höre. Sie halten mir vor, daß der Bundeshaushalt defizitär ist, der Sozialstaat zu teuer, die Steuer- und Abgabenlast zu hoch, die Leistungsbereitschaft zu gering, die Arbeitslosigkeit zu hoch usw. Jedesmal frage ich mich und dann natürlich auch die Zuhörer: Kommt dieser oppositionelle Kollege frisch eingeschwebt von einem anderen Stern? ({1}) War er nicht gerade noch 16 Jahre lang hier in der Regierung tätig? ({2}) - Moment! - Aber sehen wir es doch einmal menschlich: In der Opposition sieht man besser und beschreibt klarer, welch beklagenswerten wirtschafts- und finanzpolitischen Zustand man vererbt hat. ({3}) Das Erbe, das die neue Bundesregierung zu übernehmen hatte, ist zusammenfassend durch vier Punkte gekennzeichnet. Erstens: Der Staat hat zu viele Ausgaben. Zweitens: Der Staat lebt immer mehr auf Kosten der Zukunft. Drittens: Alle Teile der Gesellschaft haben zu hohe Ansprüche an den Staat. Viertens und vor allem: An den Punkten eins bis drei etwas zu ändern ist nicht nur unbequem, sondern erfordert große politische Kraft, Überzeugung und Führung. ({4}) Ihre jahrelange Kapitulation vor diesem vierten Punkt geschah also aus Bequemlichkeit. Aber mit Bequemlichkeit gewinnt man keine Zukunft. ({5}) Ein Beispiel: Vorgestern hat Herr Merz kritisiert, daß ich die Wirtschaft um Mitarbeit beim Subventionsabbau gebeten habe. Er sagte sinngemäß, daß ein Subventionsabbau notwendig sei, daß dies aber politische Vorgaben und politische Führung erfordere. ({6}) Absolut richtig, volle Zustimmung! Dann ist natürlich klar, warum es jahrelang keinen Subventionsabbau gegeben hat. ({7}) Ich will noch einen Gedanken von Herrn Merz aus dieser Rede aufgreifen, der über seine Bemerkung vom Subventionsabbau weit hinausgeht. Herr Merz forderte eine grundsätzliche Kurskorrektur in der Wirtschaftsund Finanzpolitik. Wieder sage ich: Absolut richtig, volle Zustimmung! ({8}) Nun sprach Herr Merz allerdings vor Herrn Eichel; er konnte seine Rede also noch nicht kennen. Aber gerade eingedenk seiner Forderung zur Kurskorrektur, der ich, wie gesagt, voll zustimme, stimmt Herr Merz vielleicht auch mir zu, wenn ich sage: Mit allem Respekt vor Herrn Waigel - die erste Rede von Bundesfinanzminister Eichel war meines Erachtens die beste und sachRolf Kutzmutz verständigste Rede eines Bundesfinanzministers in den letzten Jahren hier im Bundestag. ({9}) Er hat nämlich erstmals die grundsätzliche Kurskorrektur in der Finanzpolitik genau beschrieben und zu seiner Aufgabe erklärt. ({10}) Herr Eichel hat ebenso ehrlich wie nüchtern und ernüchternd die Lage der Staatsfinanzen beschrieben. Das versetzt Sie noch jetzt in Unruhe, wie man merkt. ({11}) Er hat klar gesagt, daß diese Kurskorrektur ein harter Weg sein wird, zum Beispiel weil alle Ausgaben des Staates auf den Prüfstand kommen. Dann wird sich zeigen, was die neue Bundesregierung in den letzten Monaten öfter erfahren mußte: Die größte Schwierigkeit liegt darin, daß wir die Bürgerinnen und Bürger von der Tatsache überzeugen müssen, daß Reformen nicht nur notwendig, sondern oft auch unbequem sind. ({12}) Es gehört leider auch zum schlechten Erbe, daß viele zwar eine Reformnotwendigkeit sehen, aber ein bequemes „Weiter so!“ wünschen. Das sieht man zum Beispiel an der Diskussion über Scheinselbständigkeit und 630-Mark-Jobs. Es kann doch wohl keinen Streit darüber geben, daß sich in diesen beiden Bereichen über Jahre hinweg viel Mißbrauch auf dem Arbeitsmarkt zu Lasten der sozialen Sicherheit entwickelt hat. ({13}) Die alte Regierung hat das des öfteren klar erkannt und hat auch Lösungen erörtert, diesen Mißbrauch zu beenden. Regelmäßig aber hat sie sich entschieden, lieber den Mißbrauch weiterwachsen zu lassen, weil das bequemer war, als Politik zu machen. ({14}) Bemerkenswerterweise fordert die Opposition jetzt, daß ausgerechnet die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung den Mißbrauch des Faktors Arbeit noch weiter wachsen lassen soll. Aber Sie erwarten doch nicht ernsthaft, daß wir uns Ihrer jahrelangen bequemen und unpolitischen Konzeptionslosigkeit anpassen! ({15}) An die Adresse der Wirtschaft bemerke ich angesichts ihrer Kritik an diesen beiden Neuregelungen: Mir fehlt bei der Kritik der Wirtschaft ein bißchen Selbstkritik als Basis. ({16}) Denn den wachsenden Mißbrauch hat nicht zuerst die Politik zu verantworten, sondern die Wirtschaft. ({17}) Gleichwohl - so ist es verabredet und eingeleitet - wird die Kritik der Wirtschaft sorgfältig und zügig, auch von neutralem Sachverstand, auf Richtigkeit geprüft und das Prüfergebnis umgesetzt. Nachdem ich in meiner letzten Rede hier im Bundestag eine deutliche Kritik am Verhalten etlicher Vertreter der Wirtschaft gegenüber der Bundesregierung äußern mußte, will ich heute feststellen, daß das öffentliche und interne Miteinanderumgehen von Wirtschaft und Bundesregierung wesentlich konstruktiver und kooperativer geworden ist. ({18}) Ich will das dankbar vermerken und hinzufügen, daß die Bundesregierung alles daransetzen wird, diese Art des Umgangs zu erhalten. Vor allem habe ich aus vielen Gesprächen mit der Wirtschaft den Eindruck gewonnen, daß die Wirtschaft eine glaubwürdige, zielgerichtete und konsistente Reformpolitik auch dann konstruktiv mitträgt, wenn sie unbequem ist. Und das wird sie sein; denn die harte Tatsache, daß nicht mehr alles Wünschbare auch machbar ist, gilt selbstredend auch für die Wirtschaft. ({19}) So bin ich zum Beispiel mit dem Ergebnis der von mir angestoßenen Diskussion über den Subventionsab- bau sehr zufrieden. Denn insgesamt hat sich ergeben: a) Die Notwendigkeit an sich ist breit einsichtig ge- worden, erstens aus Gründen der unverzichtbaren Not- wendigkeit der Senkung der Staatsausgaben, aber zwei- tens auch, da Subventionen den Wettbewerb verzerren, meistens zu Lasten von Handwerk und Mittelstand. b) Die Wirtschaft hat der Öffentlichkeit deutlich ge- macht, daß Subventionsabbau vor allem und zuerst Sache der Politik ist, bei der sie nicht hineinreden, son- dern statt dessen und folgerichtig das Ergebnis der poli- tischen Entscheidung akzeptieren will. Dafür bin ich der Wirtschaft dankbar. c) Die Wirtschaft hat vor allem gebeten, möglichst bald verläßliche Rahmendaten zu den wichtigen finanzund wirtschaftspolitischen Bereichen zu nennen. Das ist zugesagt worden. Vor der Sommerpause wird die Bundesregierung ein verbindliches Paket zu Eckdaten vorlegen: erstens zur Unternehmensteuerreform, zweitens zur Verwirklichung des Familienurteils, drittens zur weiteren Gestaltung der Ökosteuer, ({20}) viertens zur Höhe der Senkung von Staatsausgaben und Subventionen. Mir persönlich wäre lieb, es käme noch ein fünfter Punkt hinzu, nämlich zur Umschichtung von direkten auf indirekte Steuern. ({21}) Unser Ziel ist, auch angesichts der dramatischen Kassenlage, Rahmendaten für die Wirtschaft zu setzen, die dieses Land zu einem der attraktivsten Standorte für Unternehmen und Investitionen des In- und Auslandes machen. ({22}) Wir wollen der Skepsis und dem Attentismus in der Wirtschaft den Boden entziehen. ({23}) Wir wollen eine Politik für und mit der Wirtschaft machen und nicht gegen sie. ({24}) Diesem Ziel dient auch der Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Sein Volumen ist im korrekten Vorjahresvergleich um 0,8 Milliarden DM geringer, was äußerlich nicht sofort auffällt, da Titel des Forschungsministeriums in den BMWi-Haushalt verlagert wurden. Lassen Sie mich an dieser Stelle dem Haushaltsausschuß und seinen Berichterstattern - Frau Professor Luft, Frau Hermenau, Herrn Hampel, Herrn Buwitt und Herrn Dr. Hoyer - für die konstruktive Arbeit herzlich danken. ({25}) Im BMWi-Haushalt werden - trotz Einsparungen klare Prioritäten, wie Aufbau Ost, und neue Akzente, namentlich in der Forschungsförderung und Energiepolitik, gesetzt. Stichwort „Forschungsförderung“. Wir wollen vor allem ein Signal für die Stärkung der Innovationskraft des Mittelstandes setzen. Deshalb haben wir die Technologie- und Innovationsförderung für kleine und mittlere Unternehmen um 70 Millionen DM auf 830 Millionen DM aufgestockt. Bei der angewandten Forschung im Mittelstandsbereich werden künftig wettbewerbliche Vergabeverfahren eine größere Rolle spielen. Damit werden wir der Kreativität zusätzliche Impulse geben und die Kosten-Nutzen-Relation der unterstützten Projekte spürbar verbessern. Die Luftfahrtforschung stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftfahrt- und Ausrüstungsindustrie. Sie festigt Standorte und Arbeitsplätze im Einigungsprozeß der europäischen Luftfahrtunternehmen, aber auch im globalen Wettbewerb. Deshalb bleibt es bei begrenzten Bundeshilfen. Ich erwarte hingegen ein stärkeres Engagement der Industrie und auch der Bundesländer. ({26}) Stichwort: „Energie“. Die Förderung erneuerbarer Energien wird deutlich ausgebaut. Das 100 000-DächerProgramm zur Förderung der Solarenergie umfaßt über einen Zeitraum von sechs Jahren ein Fördervolumen von 1,1 Milliarden DM, mit dem bei voller Ausschöpfung Investitionen von 2,5 Milliarden DM angestoßen werden. Das Markteinführungsprogramm für erneuerbare Energien ist jetzt mit 200 Millionen DM dotiert. Aber damit kein Mißverständnis aufkommt: Langfristig streben wir auch im Bereich der erneuerbaren Energien subventionsfreie Versorgungsstrukturen an. Bevor ich zum Stichwort „Aufbau Ost“ komme, will ich betonen, daß zu den Positionen, die in meinem Haushalt erhöht wurden, die Förderung des Tourismus gehört. Daß man für die Tourismusförderung bei allen Fraktionen relativ heftig kämpfen muß, verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht ganz. Denn für mich ist das eine nationale Aufgabe mit wirklich großen Chancen in Ost und West. ({27}) Die ostdeutsche Industrie hat sich in den letzten Jahren beachtlich entwickelt. Der starke Einbruch der Baubranche hat das etwas verdeckt. In diesem Jahr dürfte das Wachstum in Ostdeutschland wieder etwas höher ausfallen als in Westdeutschland. Bei der Gemeinschaftsaufgabe Ost bewegt sich das Bewilligungsvolumen für 1999 zusammen mit Länder- und EU-Mitteln auf dem weiterhin hohen Niveau von rund 6 Milliarden DM.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Burgbacher, F.D.P.?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Gerne.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben gerade über die Tourismusförderung gesprochen. Ich halte mich gerne an die Devise: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Sie haben auf der ITB öffentlichkeitswirksam erklärt, sich für einen reduzierten Mehrwertsteuersatz in der Hotellerie einsetzen zu wollen. Ich frage Sie: Liegt dazu schon eine Kabinettsvorlage vor, bzw. wie ist hier der Stand? Ein solcher Mehrwertsteuersatz wäre für die Branche äußerst interessant. ({0})

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

So wie ich im letzten halben Jahr die Regierungsgeschäfte kennengelernt habe, kann ich eine Kabinettsvorlage erst dann machen, wenn ich mit dem Finanzminister einig bin. Ich habe entsprechende Gespräche geführt und werde dies weiter tun. Es gibt dazu gelegentlich Anfragen hier im Parlament. Ich denke, die entsprechenden Antworten haben Sie gelesen. Damit sind Sie über den Stand der Dinge informiert. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Burgbacher möchte noch einmal nachfragen.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ich will es konkret wissen: Halten Sie sich an die vor Tausenden von Menschen gegebene Zusage, diesen reduzierten Mehrwertsteuersatz herbeizuführen?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Ich habe gesagt, daß ich mich dafür einsetzen werde, daß es so kommt. Das tue ich bisher. ({0}) Ich will hinzufügen: Wenn Sie die gelegentlichen diesbezüglichen Anfragen und Antworten darauf lesen, können Sie erkennen, daß sich die entsprechenden Texte von einer zunächst völligen Ablehnung dieses Gedankens hin zu etwas weicheren Formulierungen entwickelt haben. ({1}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. ({2}) Insgesamt folgt der diesjährige Haushalt des BMWi der Leitlinie: sparen und dennoch Perspektiven für die Zukunft schaffen. Übersetzt in die gesamtwirtschaftliche Problematik heißt das: Rückführung der Staatsquote und Konzentration des Staates auf seine Kernaufgaben. Ich bin zuversichtlich, daß wir mit dieser Politik zur wohlverstandenen sozialen Marktwirtschaft zurückfinden werden. Noch einmal zu den oppositionellen Beobachtern von einem anderen Stern: Bald werden Sie sehen und sagen: Donnerwetter, die regieren ja; die packen an. Die schaffen das, was wir jahrelang nicht geschafft haben. ({3}) Lassen Sie mich dann noch ein Wort - fast hätte ich gesagt: in persönlicher Sache - sagen. Einige Referate der Grundsatzabteilung, die vormals zu meinem Ministerium gehörten, sind derzeit im Finanzministerium. ({4}) Das hindert mich aber nicht daran, wirtschaftspolitische Grundsätze zu vertreten, und ich freue mich, daß die Opposition auch heute wieder festgestellt hat, daß ich das kräftig tue, und daß sie meine Reden gerne nachliest und daraus zitiert. Herzlichen Dank. ({5}) Aber - jetzt frage ich einmal - was soll denn das dauernde Genörgele daran, daß sie nun unbedingt sofort wieder in das Wirtschaftsministerium zurück müßten? Darf ich Sie einmal daran erinnern, daß Sie jahrelang diese Grundsatzabteilung gehabt haben? ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, will ich mitteilen, daß sich die Fraktionen darauf geeinigt haben, morgen die Plenarsitzung bereits um 8 Uhr mit einer Debatte zum Thema Kosovo-Einsatz zu beginnen. Nun erteile ich dem Kollegen Gunnar Uldall, CDU/ CSU-Fraktion, das Wort.

Gunnar Uldall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ziehen wir die erste Halbjahresbilanz einer rotgrünen Wirtschaftspolitik. Ich habe versucht, irgend etwas Positives zu finden, was man auf die Aktivseite dieser Bilanz hätte buchen können. Ich habe nichts gefunden - nichts, mit dem die Bedingungen für die Investoren, die Existenzgründer, den Mittelstand oder den Arbeitsmarkt verbessert worden wären. ({0}) Andererseits gibt es vieles, was man auf die Passivseite dieser Bilanz buchen müßte, nämlich Investitionszurückhaltung bei den Unternehmern, Demotivation bei den Arbeitnehmern. Die erste wirtschaftspolitische Bilanz dieser Regierung ist im doppelten Sinne des Wortes tiefrot. ({1}) Noch plastischer formuliert es der „Stern“, der ja nicht gerade als ein Förderer der CDU/CSU-Fraktion bekannt ist. Er schreibt heute, in seiner jüngsten Ausgabe: Im Saldo negativ. - Herr Minister, diesem Urteil schließe ich mich voll und ganz an. Sie haben eben in Ihrer Rede das Wort von Minister Eichel aufgegriffen: Sparen, sparen, sparen. Ich frage mich, warum sparen Sie denn nicht? ({2}) Jetzt sind doch die Haushaltsberatungen; jetzt müßten die entsprechenden Weichen gestellt werden. Der Haushalt steigt dieses Jahr um 6,2 Prozent - in solchem Maße sind die Haushalte unter unserer Regierung in den letzten Jahren nicht gestiegen. Warum verschieben Sie das Sparen auf das Jahr 2000? Schon 1999 kann man mit dem Sparen anfangen, wenn es so wichtig ist. Herr Minister Eichel, Herr Minister Müller, Sie sind dafür verBundesminister Dr. Werner Müller antwortlich, daß wir gesunde Finanzen haben, und verschieben Sie das nicht auf die Zukunft. ({3}) Sie haben von der alten Regierung eine sehr gute Vorlage bekommen. Im vergangenen Jahr gab es eine Wachstumsrate von 2,8 Prozent; es war eine solide, sich nachhaltig entwickelnde Volkswirtschaft. Allgemein wurde sogar erwartet, daß auf Grund der Rahmendaten, die wir gesetzt hatten, die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahren sehr viel schneller vor sich gehen würde. Leider ist genau das Gegenteil eingetreten. Die Erwartungen werden ständig nach unten korrigiert. Wurde vor einem Jahr noch das Wachstum für 1999 auf 2,7 Prozent veranschlagt, geht das Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute nur noch von 1,7 Prozent aus, und die Regierung selbst glaubt nur noch an 1,5 Prozent Wachstum. Das bedeutet, daß sich innerhalb eines halben Jahres das Wachstum faktisch halbiert hat. Ein Fremdverschulden daran ist jetzt nicht mehr festzustellen. Die vorsorglich von SPD und Grünen vorgebrachten Verteidigungsgründe sind sämtlich nicht haltbar. Was hat Lafontaine noch gesagt? Die Zinsen müssen herunter, sonst bekommen wir kein Wachstum hin. Die Zinsen sind so niedrig wie noch nie. Das System der Wechselkurse muß durch Zielzonen ersetzt werden, hat Lafontaine gesagt. Die Wechselkurse sind nicht mehr so, wie sie früher waren; vielmehr wirken sie sich bei uns exportfördernd aus. Die Weltkonjunktur würde lahmen und die deutsche Wirtschaft herunterziehen, wurde hier behauptet. Wir stellen fest: In Südostasien entwickelt sich die Wirtschaft gut, die amerikanische Konjunktur läuft stabil. - Es gibt kein Fremdverschulden; die Verantwortung für diese Misere in unserer wirtschaftlichen Entwicklung liegt allein bei dieser Regierung. ({4}) Dabei mag ich dem Bundesminister Dr. Müller, der so manches interessante Interview gibt und so manche gute Rede hält, ({5}) die Sachkenntnis nicht absprechen. Ich selbst habe erlebt, Herr Minister, mit welchem Engagement Sie sich im Ausland für die Belange der deutschen Wirtschaft eingesetzt haben. Das erkenne ich ausdrücklich an. Aber nach sechs Monaten Arbeits- und Amtszeit müssen Sie sich die Frage gefallen lassen: Reicht das? Reicht es, sich verbal in einigen Punkten von der Koalition mit dem leisen Hinweis „parteilos“ abzusetzen? Reicht es, einen guten Eindruck zu hinterlassen? Oder muß nicht gelegentlich auch einmal etwas durchgesetzt werden, Herr Minister? ({6}) Schauen wir uns einmal an, was Sie durchsetzen wollten und was Sie tatsächlich durchgesetzt haben: ({7}) Im Dezember kam der Vorschlag, der Strom solle - zusätzlich zur Ökosteuer - mit einem Zukunftspfennig belastet werden. Dieser Vorschlag ist verschwunden ich füge hinzu: Gott sei Dank. Bei der Diskussion um das sogenannte Steuerentlastungsgesetz forderten Sie regelmäßig: „Wir müssen Nachbesserungen zugunsten der Wirtschaft vornehmen.“ ({8}) Nachbesserungen gab es in so marginalem Umfange, daß man sagen kann: Es wurde nichts erreicht. Beim Thema Scheinselbständigkeit haben Sie - als Minister zuständig für Existenzgründer - noch am 18. April 1999 dafür plädiert, „die verständliche Scheu vor einer schnellen Korrektur“ abzulegen. Gegen den Arbeitsminister konnten Sie sich aber nicht durchsetzen. Herausgekommen ist in dieser Frage nichts. Nein, ich korrigiere mich: Herausgekommen ist die Gründung eines Arbeitskreises. ({9}) Bei dem Versuch, die Grundsatzabteilung in das Wirtschaftsministerium zurückzuholen, hatten Sie, Herr Minister Müller, alle guten Argumente auf Ihrer Seite. ({10}) Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik müssen von den Tagesfragen der Budgetpolitik getrennt werden. Auch wir haben Sie bei dieser Frage im Ausschuß unterstützt. Erreicht wurde aber nichts. Es bleibt alles beim alten. Herr Minister, ich sage Ihnen: Parteilos muß nicht bedeuten: einflußlos! Setzen Sie sich im Kabinett stärker durch! ({11}) Selbst bei einem zentralen Vorhaben der Regierung, nämlich beim Ausstieg aus der Kernenergie, bei dem Sie auf Grund Ihrer persönlichen Erfahrung am ehesten Erfolge hätten einfahren können, kann man keine klare Linie, sondern nur ein Durcheinander erkennen. Das Thema ist Ihnen inzwischen völlig entglitten. Nicht über die Sicherheit der Kerntechnologie wird gestritten, nicht über die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft wird gerungen, nicht über die Arbeitsplätze wird gesprochen - nein, es streiten sich Steuerberater und Wirtschaftsprüfer über die schlichte Frage, welche Methodik bei der Auflösung von Rückstellungen anzuwenden ist. Das ist das Ergebnis dieses großen Werkes, das Sie, Herr Minister, in Gang setzen wollten. Sie wollten den Ausstieg unumkehrbar machen. Ein neues technisches Zeitalter sollte anbrechen. Bis heute ist aber von einem energiepolitischen Gesamtkonzept nichts zu sehen. ({12}) Doch jetzt gründen Sie einen Arbeitskreis, der ein Jahr lang einen Gedankenaustausch über dieses Thema pflegen soll - gemäß der Devise: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis. Gerade auf diesem Gebiet hätten Sie, wenn Sie gewollt hätten, die Entscheidungen vorantreiben können. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Ich halte den Ausstieg aus der Kernenergie nicht für eine kluge Entscheidung zugunsten unserer Volkswirtschaft und des Arbeitsmarktes. Aber Unklarheit ist das Schlimmste für einen wirtschaftspolitischen Standort. Hier müssen Sie schnell für Klarheit sorgen. ({13}) Die Medien berichteten kürzlich, Bundeskanzler Schröder habe gegenüber Betriebsräten von Kernkraftwerken erklärt, die betriebswirtschaftliche Laufzeit solle dafür bestimmend sein, wann ein Kernkraftwerk abgeschaltet würde. Gestern und heute berichten mehrere Zeitungen, daß Sie, Herr Minister Müller, ebenfalls Laufzeiten von über 20 oder 30 Jahren anstreben. Wenn man diesen Weg geht, wenn man sagt „Wir wollen die Kraftwerke so lange laufen lassen, wie es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist“, dann braucht man das nicht gesetzlich zu regeln, denn kein Vorstand würde eine Anlage, ein Kernkraftwerk länger laufen lassen, als es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Das heißt, hier wird durch Gesetz festgeschrieben, was ohnehin eintreten würde. Deswegen sage ich: Verzichten Sie auf ein solches Gesetz! Es würde inhaltlich nichts anderes erreichen als das, was sowieso passiert. ({14}) Aber wir würden damit unsere Volkswirtschaft festlegen, unsere Flexibilität, unsere Entscheidungsmöglichkeiten einschränken und die Handlungsmöglichkeiten der unternehmerischen Vorstände einengen. Deswegen: Lassen Sie dieses Vorhaben fallen, Herr Minister! ({15}) Betrachte ich diese magere Bilanz, dann verstehe ich gut, warum Sie, Herr Minister Müller, versucht haben, Teile Ihrer Zuständigkeit auf andere zu übertragen. Das Thema Subventionsabbau sollten nun - so wollten Sie es - die Spitzenverbände der Wirtschaft bearbeiten. Auch auf diesem Wege sind Sie steckengeblieben. Ich habe heute in der „Berliner Zeitung“ gelesen, daß Sie erkannt haben, daß dies nicht der richtige Weg ist und daß Sie hier nicht vorankommen können. Verantwortlich für die Ergebnisse wie auch für die Nicht-Ergebnisse bleiben allein die Regierung und der zuständige Minister. Wir werden es Ihnen nicht durchgehen lassen, wenn Sie demnächst erklären: Tut mir leid, die Verbände halten nichts vom Subventionsabbau. Sie haben nichts vorgeschlagen. Nun können wir keine Unternehmensteuerreform machen. - Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, Herr Minister. Sie sind aufgefordert zu handeln. ({16}) Wir erwarten von Ihnen, Herr Minister Müller, daß Sie die Belange der Wirtschaftspolitik im Kabinett von nun an energischer und nachdrücklicher durchsetzen. Denn sonst würde bestätigt, was der „Spiegel“ in seiner jüngsten Ausgabe so formulierte: Müllers Ideen langen oft nur für die Schlagzeilen der Tageszeitung - und dann ab ins Altpapier. ({17}) Dem habe ich nichts hinzuzufügen. ({18})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Kollege Bury.

Hans Martin Bury (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000312, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Moderne Wirtschaftspolitik muß die Weichen für Wachstum und Beschäftigung stellen, indem sie drei zentrale Herausforderungen annimmt. Wir brauchen eine deutliche Reduzierung der Steuer- und Abgabenbelastung. Wir müssen die sozialen Sicherungssysteme reformieren und eine neue Balance von Eigenverantwortung und sozialer Sicherheit schaffen. Wir starten eine Innovationsoffensive, um in den Märkten der Technologien und Produkte der Zukunft eine führende Rolle einzunehmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kollege Uldall hat sich hier als Bilanzbuchhalter betätigt. Ich nehme Ihr Bild, Herr Uldall, einmal auf. Die Schlußbilanz der Vorgängerregierung, unsere Eröffnungsbilanz, war in der Tat nicht gut. ({0}) Schlag auf Schlag bestätigen höchstrichterliche Entscheidungen, daß CDU/CSU und F.D.P. selbst diese magere Schlußbilanz nur mit „Windowdressing“ zustande gebracht haben. ({1}) Ob Verfassungsgericht oder Bundesfinanzhof - die Richter bestätigen, was die Wählerinnen und Wähler am 27. September letzten Jahres schon wußten: Die steuerpolitische Flickschusterei muß aufhören. ({2}) Wir werden ein Gesamtkonzept vorlegen, das eine deutliche Senkung der Steuersätze mit einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage verbindet und so auch zu einer Vereinfachung des Steuerrechts führt. Zu einem schlüssigen Gesamtkonzept gehören neben der Unternehmensteuerreform die Verbesserung des Familienleistungsausgleichs und die Neuregelung der Kapitalertragsbesteuerung. Die alte Regierung hat hier mit einer ungeheuer bürokratischen Regelung hohe KapitalGunnar Uldall abflüsse ins Ausland initiiert und damit weder das Ziel der Steuergerechtigkeit erreicht noch die erwarteten Einnahmen erzielt. ({3}) Ich schlage vor, mit einer Abgeltungssteuer nach österreichischem Vorbild das bürokratische Ungetüm der Zinsabschlagsteuer zu ersetzen. ({4}) Wir würden damit nicht nur einen entscheidenden Anreiz für Kapitalrückflüsse nach Deutschland und damit zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland setzen; ({5}) - Herr Michelbach, die Erfahrungen zeigen auch, daß eine Abgeltungssteuer positive Haushaltseffekte hat. Insgesamt gilt für die notwendigen Reformen des Steuersystems: Neben der Vereinfachung muß das Ergebnis der Steuerreform eine spürbare Nettoentlastung für Bürger und Wirtschaft sein. Das ist psychologisch und ökonomisch gleichermaßen wichtig, schafft Leistungsanreize und trägt zur Überwindung des bestehenden Investitionsattentismus bei. ({6}) Mit der notwendigen Reform der sozialen Sicherungssysteme, die wir anpacken, müssen wir das Vertrauen wiedergewinnen, das Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in Ihrer Regierungszeit systematisch verspielt haben. ({7}) Bei aller zum Teil durchaus berechtigten Kritik an den Umsetzungs- und Anpassungsschwierigkeiten in der Folge der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse und der Scheinselbständigkeit würde ich an Ihrer Stelle den Mund nicht allzu voll nehmen. Sie haben wider besseres Wissen durch jahreslanges Nichtstun erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten kleiner und mittlerer Unternehmer, Handwerker und Mittelständler zu vertreten. Es waren ja nicht die Handwerksmeister, die ihre Gesellen als Scheinselbständige outsourcten. ({8}) Es waren gerade die kleinen Einzelhändler, die unter der mißbräuchlichen Umwandlung regulärer Beschäftigungsverhältnisse in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse durch große Filialisten zu leiden hatten. Diese Form von Sozialdumping abzustellen war richtig und notwendig. ({9}) Die Schwierigkeiten in der Umsetzung, die ich nicht bestreite, liegen zum Teil an fehlenden Übergangsfristen und damit Anpassungsmöglichkeiten. Sie liegen auch an der unsäglich bürokratischen Umsetzung, die wir kurzfristig verbessern müssen und verbessern werden. Falls sich bestätigen sollte, daß Existenzgründer oder ganze Branchen durch die Regelungen zur Scheinselbständigkeit bzw. zu den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen in anders nicht lösbare Schwierigkeiten geraten, werden wir das Notwendige tun, um die Probleme zu lösen. ({10}) - Wer viel macht, macht möglicherweise auch einmal einen Fehler. ({11}) Das rechtfertigt aber nicht, das jahrelange Nichtstun der jetzigen Opposition fortzusetzen. ({12}) Auf Dauer werden wir die Erosion der sozialen Sicherungssysteme nur stoppen, wenn diese wieder so solide, solidarisch und attraktiv werden, daß weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer ein Interesse daran haben, sich daraus zu verabschieden. Mit der großen Rentenreform werden wir dafür sorgen, daß der berüchtigte Satz „Die Rente ist sicher“ nicht mehr zum Standardrepertoire der Kabarettisten, sondern zur Gewißheit der Bürgerinnen und Bürger wird. ({13}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Innovationsoffensive gehört nicht nur die Förderung neuer Technologien, Produkte und Verfahren. Hierfür haben wir im Bundeshaushalt 1999 die entsprechenden Incentives gesetzt, so beispielsweise mit dem 100 000-Dächer-Solarprogramm, mit der Förderung von Energieeffizienz und regenerativen Energien, mit den Innovationshilfen für mittelständische Unternehmen im Rahmen der Forschungskooperationen, mit der industriellen Gemeinschaftsforschung und den Forschungshilfen für Ostdeutschland. Es geht aber um mehr. Es geht nicht zuletzt um eine Modernisierung des Staates selbst, um eine Reduzierung der Staatsquote. Mehr Effizienz und gute Ideen sind besser als das konzeptionslose Aufstocken von Haushaltstiteln. Wenn wir uns die Anträge der Opposition zum Einzelplan 09 anschauen, wird deutlich, daß Sie immer noch in der Mentalität der Scheckbuchpolitik verharren. Mit zusätzlichen Subventionen hier und Mehrausgaben da versuchen Sie, Partikularinteressen zu befriedigen und Lobbyisten für sich einzunehmen. Herr Uldall hat Sparen, Sparen, Sparen gefordert. Herr Uldall, hätten Sie sich doch Ihre Rede und die ErHans Martin Bury höhungsanträge zum Haushalt, die Sie heute eingebracht haben, gespart! ({14}) Diese Form der Gefälligkeitspolitik ist zu Ende; denn es ist wichtiger, Steuern und Abgaben zu senken und den am Wirtschaftsleben Beteiligten mehr Freiraum zu geben, als permanent Ausgaben zu erhöhen, die am Ende alle über höhere Steuern und Abgaben oder eine wachsende Staatsverschuldung zu tragen haben. ({15}) Wenn zum Beispiel, um nur einen Ihrer scheinheiligen Erhöhungsanträge herauszugreifen, die Mittel für das Meister-BAföG in den letzten Jahren nur zur Hälfte ausgeschöpft worden sind, kann es doch nicht darum gehen, diese Mittel zu erhöhen, sondern darum, das Meister-BAföG effizient neu zu gestalten. ({16}) - Herr Buwitt, in den vergangenen Jahren sind sie nur zur Hälfte ausgeschöpft worden. Jetzt einfach zu sagen „Ich lege noch einmal etwas drauf, ich stelle zusätzliche Mittel in den Haushalt ein“ ist - um es mit äußerster Höflichkeit zu formulieren - keine sonderlich intelligente Politik. ({17}) - Sie wissen, daß die Betroffenen einen Rechtsanspruch haben und alle ihre Mittel bekommen. Wir wollen die der Aufstiegsfortbildung intelligent weiterentwickeln. Dazu gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten. Dazu gehört zum Beispiel die Überlegung, die niedrigen Freibeträge bei der Anrechnung des Einkommens und des angesparten Vermögens zu erhöhen. Denn es ist widersinnig, einerseits zu fördern, daß sich die Leute qualifizieren, um sich selbständig zu machen, und andererseits die Förderung zu schmälern, wenn die Leute parallel Vermögen bilden, um auch die materielle Basis für die Existenzgründung zu haben. Das ist widersinnige Politik. Solche Probleme löst man nicht durch Aufstockung der Mittel, sondern durch eine Umstrukturierung der Förderung und durch neue, bessere Kriterien. ({18}) Im Zusammenhang mit Existenzgründungen könnten, meine ich, auch flexiblere Möglichkeiten zum Erlaß von Darlehen ins Auge gefaßt werden. Wir sollten meines Erachtens das Meister-BAföG in Zukunft auch bei einer berufsbegleitenden Meisterschulung gewähren und nicht die in der Meisterausbildung befindlichen Gesellen zur Aufgabe ihrer Tätigkeit nötigen. ({19}) Notwendig und besonders wichtig: Die Antrags- und Bewilligungsverfahren für das Meister-BAföG müssen vereinfacht werden. ({20}) Um einen zweiten durchsichtigen Änderungsantrag der Unionsfraktion aufzugreifen: Daß wir die Länder und die Industrie stärker am Luftfahrtforschungsprogramm beteiligen wollen, ist angesichts entsprechender Beteiligungen in anderen Förderprogrammen - Schiffbau- und Kohlehilfen - nur logisch. Eine solche Kofinanzierung derjenigen, die von der Förderung profitieren, stärkt die Effizienz solcher Programme. Wer dabei nur Regionalinteressen vertritt, wird seiner bundespolitischen Verantwortung nicht gerecht. Ich betrachte mit einer Mischung aus Belustigung und Sorge, wie sich die große Volkspartei CDU soeben unfreiwilligerweise aus der Gefangenschaft der F.D.P. befreit hat, um nun schnurstracks in die Gefangenschaft der CSU zu laufen. ({21}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leiten eine radikale Kurskorrektur ein. Wir nehmen Kurs auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen und die Förderung von Innovations- und Investitionsbereitschaft sowie von Kreativität und Eigeninitiative. Wir überwinden den Innovationsattentismus, der die Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren geprägt hat. ({22})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ernst Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wirtschaftsminister Dr. Müller, ich schätze Sie persönlich sehr, möchte aber gleich eingangs feststellen, daß ich vieles von dem, was Sie heute ausführten, nicht nachvollziehen kann. Das betrifft insbesondere Ihre Aussage, daß Finanzminister Eichel die beste Rede eines Finanzministers der letzten Jahre gehalten habe. Sie waren doch in den letzten Jahren überhaupt nicht an den Debatten im Parlament beteiligt. Sie können da nur bedingt urteilen. Ich meine, schon die Frage stellen zu müssen, ob denn Herr Stollmann, für den Sie ja eingewechselt wurden, auch so argumentiert hätte, wie Sie das heute getan haben. ({0}) Eine zweite Bemerkung. Sie sind von meinem Kollegen Burgbacher nach den Mehrwertsteuersätzen gefragt worden, die Sie zu Recht insbesondere im Beherbergungsgewerbe reduzieren wollen. Von meinem Kollegen Uldall wurde schon darauf hingewiesen: Sich dafür einsetzen ist zu wenig; Sie müssen etwas durchsetzen! ({1}) Das gilt auch für das, was Herr Bury gesagt hat. Ihr „Wir wollen...! Wir wollen...! Wir wollen...!“ und Ihr „Wir werden...! Wir werden...! Wir werden...!“ hilft uns nicht weiter. Sie müssen sagen, wie Sie es konkret machen wollen. In der Zwischenzeit sind Sie 161 Tage in Regierungsverantwortung. Das Ergebnis ist, daß die Situation für die deutsche Wirtschaft und den Mittelstand immer schlechter wird. Vor den Wahlen haben Sie viel versprochen, haben vor allen Dingen versucht, den Mittelstand zu ködern. Jetzt können Sie das, was Sie versprochen haben, einfach nicht halten. So etwas, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nennt man im Handelsgebrauch Irreführung des Verbrauchers, ja unlauteren Wettbewerb. Dessen möchte ich Sie bezichtigen. ({2}) Ich darf noch darauf verweisen, daß sich momentan in Bonn schon langsam der Begriff „schrödern“ etabliert. Was ist darunter zu verstehen? - Frühmorgens vollmundig etwas ankündigen und am Abend das Ganze kleinlaut wieder zurücknehmen. Auch das ist keine Politik, die zukunftsweisend ausgerichtet ist. Herr Minister Müller, Sie stehen ja auch für die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung. Wenn eine Firma so wirtschaften würde wie diese Bundesregierung, wäre sie längst gezwungen, den Offenbarungseid zu leisten. So schlecht ist das, meine Damen und Herren, was Sie hier machen. ({3}) Und dann gehen Sie noch her und sprechen von „handwerklichen Fehlern“. Meine Damen und Herren, ich fühle mich hier als Handwerksmeister ganz, ganz tief gekränkt, und ich meine, es ist eine Beleidigung für das gesamte deutsche Handwerk, so zu reden. Was Sie machen, ist, um im Handwerksjargon zu bleiben, Murks und nichts anderes. Das aber können wir nicht brauchen. ({4}) Ich möchte nur drei Dinge nennen: einmal die 630-DMRegelung, zum zweiten die Scheinselbständigkeit und zum dritten den Etikettenschwindel bei der Ökosteuer. Erstens zu den 630-DM-Beschäftigungsverhältnissen: Klagen über Klagen von Hoteliers, von Gastwirten, von Handwerkern, von Zeitungsverlegern, von Sportvereinen usw. usf. Vorgestern hat mich ein Taxifahrer vom Bahnhof hierher gefahren. Er hat mich gefragt, ob ich Politiker sei. Ich habe das bejaht. Daraufhin hat er freimütig bekannt, daß er am 27. September die SPD gewählt hat. ({5}) - Warten Sie nur ab! - Bis zum Jahresende war er ja zufrieden, weil er für seine zwei Kinder 60 DM Kindergeld mehr bekommen hat. Aber dann, so sagte er mir, mußte er feststellen, daß sich auf Grund dieser Neuregelung durch das 630-DM-Gesetz sein Einkommen um 330 DM mindert. Und was sagte er noch? - „Niemals wieder diese SPD! Sie hat mich geködert. Das kommt nicht mehr in Frage!“ ({6}) Werte Kolleginnen und Kollegen, für uns gilt bei aller Gesetzgebung in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft: Wir denken zuerst, und dann wird gehandelt. Bei Ihnen ist es anders. ({7}) Ich frage mich, meine Damen und Herren insbesondere von der SPD: Was für einen Einfluß in Ihrer Partei haben denn Ihre Steigbügelhalter im Bundesrat überhaupt? Ich nenne den Ministerpräsidenten Clement, ich nenne den Ministerpräsidenten Glogowski, die schon, bevor sie dafür gestimmt haben, dieses 630-DM-Gesetz laufen zu lassen, erklärt haben, es bedarf dringend einer Nachbesserung. Das ist nicht die Politik aus einem Guß, die die Bundesrepublik Deutschland braucht, sondern eine Politik, die sich verhängnisvoll auf die Arbeitnehmer und die Schaffung von Arbeitsplätzen auswirkt. ({8}) Meine Damen und Herren, Sie von der SPD und den Grünen, aber auch verschiedene Mitglieder der Bundesregierung beklagen sich immer wieder, daß wir zuwenig Selbständige haben. Ja, es wird geradezu einer neuen Selbständigenkultur gefrönt, man fordert sie. Ich meine auch, es ist als sehr erfreulich zu werten, daß 58 Prozent der Bundesbürger dem Unternehmer eine hohe Bedeutung beimessen. Bei den 18- bis 29jährigen liegt dieser Satz bei über 70 Prozent. Frau Kollegin Wolf, ich meine schon, Sie haben recht, wenn Sie hier die Feststellung treffen, man muß in den jungen Menschen investieren, man muß ihm auch die Möglichkeit geben, sich zu entfalten. Aber ich frage mich: Wo ist der Anreiz für junge Menschen, in die Selbständigkeit zu gehen? Wo werden diejenigen belohnt, die ihr ganzes Hab und Gut einsetzen, um eine eigene Existenz zu schaffen? - Fehlanzeige auf breiter Ebene! Man wird einfach das Gefühl nicht los, daß Sie von der SPD und von den Grünen weiterhin frei nach dem Motto handeln: Wie ersticke ich den Mittelstand mit Maßnahmen aus der sozialistischen Mottenkiste? ({9}) Sie können es nicht lassen, nach wie vor Ihre Umverteilungsideologie vor die Schaffung von Arbeitsplätzen zu stellen. - Herr Kollege Bury, da können Sie ruhig den Kopf schütteln; ich erwarte schon, daß Sie mich hier widerlegen, indem Sie deutlich machen, was Ihre Regierung und die sie tragenden Fraktionen tatsächlich tun wollen. Wenn ich mit Mittelständlern vor Ort rede und sie frage, was sie am meisten bedrückt, dann sagen sie, daß sich die Leistung nicht mehr lohne, daß die Steuern zu hoch seien, daß die Sozialabgaben zu hoch seien und daß es zuviel Bürokratie gebe. Sie weisen des weiteren darauf hin, daß sie zu wenig Geld zum Investieren hätten, daß es aber zu viele Paragraphen gebe, die sie hemmen. ({10}) Wenn ich hier einen Vergleich zur letzten Bundesregierung Kohl, Waigel und Gerhardt ziehe, ({11}) dann muß ich feststellen - diese Feststellung treffe nicht nur ich alleine; das sagen auch viele andere -: Wie gut die frühere Bundesregierung war, ist erst jetzt ersichtlich, weil Sie so schlecht sind. ({12}) Ihrem selbstgestellten Anspruch auf Modernisierung werden Sie doch in keiner Weise gerecht. Wir kommen doch der Lösung der Probleme unseres Landes keinen Schritt näher. Bessere statt schlechtere Investitionsbedingungen sind für unsere Wirtschaft erforderlich. Letztere brauchen wir nicht! ({13}) Unternehmer brauchen Rückenwind statt Gegenwind. Aber den ermöglichen Sie nicht. Mit Ihrer Steuer- und Sozialpolitik sind Sie doch zum Konjunkturrisiko Nummer eins in der Bundesrepublik Deutschland geworden. ({14}) Sie handeln schlicht und einfach wie ein Fahranfänger, der mit einem Fuß Gas gibt und mit dem anderen bremst. Das hemmt. ({15}) Ich möchte darauf verweisen, daß die rotgrüne Politik leider von uns allen ertragen werden muß und daß viele nicht rotgrün, sondern leider schwarz sehen müssen. Hier hilft es nichts, wenn man dem Mittelstand nach dem Mund redet. Wenn in verschiedenen Zeitungen immer wieder darauf verwiesen wird, daß der Mittelstand die Jobmaschine in der Bundesrepublik Deutschland sei, dann muß man auch Taten folgen lassen und nicht nur Worte ins Blaue reden, wie wir es heute wieder von Vertretern der Bundesregierung und der Regierungsparteien gehört haben. ({16}) Vor einiger Zeit war ich im Urlaub im Schwarzwald. ({17}) Dort habe ich auf einer alten Steintafel am Dom zu St. Blasien gelesen, daß es drei Kategorien von Menschen gebe, wenn man im Zusammenhang mit Menschen überhaupt von Kategorien sprechen darf. Zur ersten Kategorie gehören die wenigen, die dafür sorgen, daß etwas geschieht. Zur zweiten Kategorie gehören die vielen, die zuschauen, wie etwas geschieht. Zur dritten Kategorie gehört die überwältigende Mehrheit, die überhaupt nicht weiß, was geschieht. ({18}) Für die erste Kategorie steht für mich der Mittelstand in der Bundesrepublik Deutschland mit seinen vielen Leistungsträgern, die unsere Nation nach vorne bringen sollen und müssen. Für die zweite Kategorie stehen Sie, die Regierung und Ihre Fraktionen, weil Sie nur zuschauen, was geschieht. Und zum dritten: Wir sind alle aufgefordert, Grundlagen dafür zu schaffen, daß die Wirtschaft wieder richtig läuft, daß sich der Mittelstand entfalten kann und daß er dann die Möglichkeit hat, sich weiterhin als Jobmaschine der Nation zu verstehen. In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({19})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zunächst zu den Abstimmungen über die Änderungsanträge. Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/928 abstimmen. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind die Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich jetzt die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. Wir setzen die Beratungen mit einer weiteren namentlichen Abstimmung fort. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/929. Es wurde namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Urnen wieder besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Ich eröffne damit die Abstimmung. Ist bei dieser zweiten namentlichen Abstimmung noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben. Wir setzen jetzt die Beratungen mit der dritten namentlichen Abstimmung fort. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/966. Die Fraktion der PDS verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte wieder, die Urnen zu besetzen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das in dieser dritten namentlichen Abstimmung seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich jetzt diese Abstimmung und bitte darum, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis auch dieser Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben werden. Wir setzen die Abstimmungen fort, aber da wir jetzt nicht namentlich abstimmen, sondern mit Handaufheben, bitte ich darum, daß ich etwas mehr Übersicht bekomme. Setzen Sie sich also bitte hin, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/913. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU bei Enthaltung der F.D.P. abgelehnt worden. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/925. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/926. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden, während sich die PDS enthalten hat. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/930. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/931. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/948. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/918. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt. ({0}) Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/967. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des ganzen Hauses mit Ausnahme der PDS, die dafür gestimmt hat, abgelehnt. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt: Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes, Einzelplan 09, Drucksache 14/928. Abgegebene Stimmen 619. Mit Ja haben gestimmt 293, mit Nein haben gestimmt 326. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt worden. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 617; davon: ja: 291 nein: 326 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({0}) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({1}) Hartmut Büttner ({2}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({3}) Peter H. Carstensen ({4}) Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({5}) Axel E. Fischer ({6}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich ({7}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({8}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Hermann Gröhe Manfred Grund Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Gottfried Haschke ({9}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({10}) Hansgeorg Hauser ({11}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Thomas Kossendey Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({12}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({13}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({14}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({15}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({16}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({17}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Hans Michelbach Meinolf Michels Bernward Müller ({18}) Elmar Müller ({19}) Bernd Neumann ({20}) Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({21}) Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({22}) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({23}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Adolf Roth ({24}) Norbert Röttgen Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Gerhard Scheu Norbert Schindler Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({25}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({26}) Andreas Schmidt ({27}) Hans Peter Schmitz ({28}) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({29}) Clemens Schwalbe Horst Seehofer Heinz Seiffert Werner Siemann Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß ({30}) Gerald Weiß ({31}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({32}) Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({33}) Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({34}) Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Horst Friedrich ({35}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({36}) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({37}) Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({38}) Rosel Neuhäuser Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Winfried Wolf Nein SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Ernst Bahr Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({39}) Klaus Barthel ({40}) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({41}) Kurt Bodewig Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({42}) Bernhard Brinkmann ({43}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Hans Büttner ({44}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({45}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({46}) Harald Friese Arne Fuhrmann Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({47}) Angelika Graf ({48}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({49}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({50}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({51}) Walter Hoffmann ({52}) Iris Hoffmann ({53}) Frank Hofmann ({54}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({55}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({56}) Detlev von Larcher Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({57}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({58}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({59}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({60}) Jutta Müller ({61}) Christian Müller ({62}) Andrea Nahles Volker Neumann ({63}) Gerhard Neumann ({64}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({65}) Birgit Roth ({66}) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({67}) Ulla Schmidt ({68}) Silvia Schmidt ({69}) Dagmar Schmidt ({70}) Wilhelm Schmidt ({71}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({72}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({73}) Brigitte Schulte ({74}) Volkmar Schultz ({75}) Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({76}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({77}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({78}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({79}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({80}) Jürgen Wieczorek ({81}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Heino Wiese ({82}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({83}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({84}) Waltraud Wolff ({85}) Heidemarie Wright Uta Zapf Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({86}) Volker Beck ({87}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({88}) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Klaus Wolfgang Müller ({89}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Simone Probst Claudia Roth ({90}) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({91}) Werner Schulz ({92}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({93}) ({94}) Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({95}) Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, Einzelplan 09, Drucksache 14/929. Abgegebene Stimmen 605. Mit Ja haben gestimmt 280, mit Nein haben gestimmt 325. Der Änderungsantrag ist damit ebenfalls abgelehnt worden. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 605; davon: ja: 280 nein: 325 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({96}) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({97}) Hartmut Büttner ({98}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({99}) Peter H. Carstensen ({100}) Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({101}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({102}) Axel E. Fischer ({103}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich ({104}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({105}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Hermann Gröhe Manfred Grund Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({106}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({107}) Hansgeorg Hauser ({108}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr.-Ing Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Thomas Kossendey Dr. Martina Krogmann Dr.-Ing. Paul Krüger Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({109}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({110}) Eduard Lintner ({111}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({112}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({113}) Erwin Marschewski Dr. Michael Meister Friedrich Merz Hans Michelbach Meinolf Michels Bernward Müller ({114}) Elmar Müller ({115}) Bernd Neumann ({116}) Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Anton Pfeifer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({117}) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({118}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Kurt J. Rossmanith Adolf Roth ({119}) Norbert Röttgen Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Norbert Schindler Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({120}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({121}) Andreas Schmidt ({122}) Hans Peter Schmitz ({123}) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard Schütze ({124}) Clemens Schwalbe Horst Seehofer Heinz Seiffert Werner Siemann Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß ({125}) Gerald Weiß ({126}) Heinz Wiese ({127}) Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({128}) Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({129}) Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Horst Friedrich ({130}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({131}) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({132}) Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({133}) Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Winfried Wolf Nein SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Dr. Hans Peter Bartels Eckhardt Barthel ({134}) Klaus Barthel ({135}) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({136}) Kurt Bodewig Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({137}) Bernhard Brinkmann ({138}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Büttner ({139}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({140}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({141}) Harald Friese Arne Fuhrmann Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({142}) Angelika Graf ({143}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({144}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({145}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({146}) Walter Hoffmann ({147}) Iris Hoffmann ({148}) Frank Hofmann ({149}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({150}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({151}) Detlev von Larcher Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({152}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({153}) Winfried Mante Dirk Manzewski Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({154}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({155}) Jutta Müller ({156}) Christian Müller ({157}) Andrea Nahles Volker Neumann ({158}) Gerhard Neumann ({159}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({160}) Birgit Roth ({161}) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({162}) Ulla Schmidt ({163}) Silvia Schmidt ({164}) Dagmar Schmidt ({165}) Wilhelm Schmidt ({166}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({167}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({168}) Brigitte Schulte ({169}) Volkmar Schultz ({170}) Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({171}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({172}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({173}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({174}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Helmut Wieczorek ({175}) Jürgen Wieczorek ({176}) Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Heino Wiese ({177}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({178}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({179}) Waltraud Wolff ({180}) Heidemarie Wright Uta Zapf Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({181}) Volker Beck ({182}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({183}) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Oswald Metzger Klaus Wolfgang Müller ({184}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Simone Probst Claudia Roth ({185}) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({186}) Werner Schulz ({187}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({188}) ({189}) Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({190}) Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Christa Luft und anderer, Einzelplan 09, Drucksache 14/966. Abgegebene Stimmen 615. Mit Ja haben gestimmt 30. Mit Nein haben gestimmt 585. Auch dieser Änderungsantrag ist damit abgelehnt worden. Endgültiges Erggebnis Abgegebene Stimmen: 614; davon: ja: 30 nein: 584 Ja PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({191}) Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Winfried Wolf Nein SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({192}) Klaus Barthel ({193}) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({194}) Kurt Bodewig Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({195}) Bernhard Brinkmann ({196}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Büttner ({197}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({198}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({199}) Harald Friese Arne Fuhrmann Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({200}) Angelika Graf ({201}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({202}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({203}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({204}) Walter Hoffmann ({205}) Iris Hoffmann ({206}) Frank Hofmann ({207}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({208}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({209}) Detlev von Larcher Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({210}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({211}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({212}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({213}) Jutta Müller ({214}) Christian Müller ({215}) Andrea Nahles Volker Neumann ({216}) Gerhard Neumann ({217}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({218}) Birgit Roth ({219}) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({220}) Ulla Schmidt ({221}) Silvia Schmidt ({222}) Dagmar Schmidt ({223}) Wilhelm Schmidt ({224}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({225}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({226}) Brigitte Schulte ({227}) Reinhard Schultz ({228}) Volkmar Schultz ({229}) Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({230}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Simone Violka Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Ute Vogt ({231}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({232}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({233}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({234}) Jürgen Wieczorek ({235}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Heino Wiese ({236}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({237}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({238}) Waltraud Wolff ({239}) Heidemarie Wright Uta Zapf Peter Zumkley CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({240}) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({241}) Hartmut Büttner ({242}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({243}) Peter H. Carstensen ({244}) Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({245}) Axel E. Fischer ({246}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich ({247}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({248}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Hermann Gröhe Manfred Grund Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({249}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({250}) Hansgeorg Hauser ({251}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Thomas Kossendey Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({252}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({253}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({254}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({255}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({256}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({257}) Dr. Michael Meister Friedrich Merz Hans Michelbach Meinolf Michels Bernward Müller ({258}) Elmar Müller ({259}) Bernd Neumann ({260}) Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({261}) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({262}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Kurt Rossmanith Adolf Roth ({263}) Norbert Röttgen Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Gerhard Scheu Norbert Schindler Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({264}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({265}) Andreas Schmidt ({266}) Hans Peter Schmitz ({267}) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({268}) Clemens Schwalbe Horst Seehofer Heinz Seiffert Werner Siemann Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß ({269}) Gerald Weiß ({270}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({271}) Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({272}) Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Benno Zierer Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({273}) Volker Beck ({274}) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({275}) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Oswald Metzger Klaus Wolfgang Müller ({276}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Simone Probst Claudia Roth ({277}) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({278}) Werner Schulz ({279}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({280}) Margareta Wolf ({281}) F.D.P. Hildebrecht Braun ({282}) Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Horst Friedrich ({283}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({284}) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({285}) Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({286}) Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU Ich bitte nun diejenigen, die dem Einzelplan 09 in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? Der Einzelplan 09 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen worden. Ich rufe auf: 19. Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - Drucksachen 14/611, 14/622 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Konstanze Wegener Hans-Joachim Fuchtel Dr. Christa Luft Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze ({287}) - Drucksache 14/873 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({288}) Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Zum Einzelplan 11 liegen drei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU und je ein Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. und der Fraktion der PDS vor. Die Fraktion der CDU/CSU hat zwei Entschließungsanträge, die Fraktion der F.D.P. hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über die heute abend nach der Schlußabstimmung abgestimmt wird. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über einen Änderungsantrag namentlich abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Im größten Einzelhaushalt gibt es einen politischen Gestaltungsspielraum von zirka 8 bis 9 Milliarden DM. Die Regierung bedient damit den zweiten Arbeitsmarkt. Aus unserer Sicht geschieht dies vor allem in den alten Bundesländern völlig überdimensional. Die Mitnahmeeffekte werden sichtbar stärker. ({0}) Wenn nicht aufgepaßt wird - das möchte ich ernsthaft sagen -, werden hier bald neue Subventionsmentalitäten entstehen. Was macht die Regierung? - Sie antwortet mit alten Rezepten. Das heißt: Chancen werden verplempert Chancen zur verstärkten Haushaltskonsolidierung, Chancen, um einen kräftigen Investitionsschub auszulösen, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer auch Chancen, die Beiträge an die Sozialversicherungen weiter zu senken. ({1}) Angesichts der noch engeren Finanzlage im kommenden Jahr wird es diese Chancen nicht noch einmal geben, Herr Minister. Sie aber lassen diese Chancen in diesem Jahr ungenutzt verstreichen. ({2}) Man hätte jetzt den Mut zu innovativem Handeln haben müssen. Die CDU/CSU tritt für weitere Senkungen der Sozialversicherungsbeiträge ein, weil dadurch die Arbeitskosten entlastet werden. Das wäre in dieser Stunde unsere Lösung als Regierung. ({3}) Anders wird es nirgendwo auf der Welt gemacht. Dadurch nämlich entstehen auch neue Jobs. In Deutschland aber gibt es heute 339 000 Arbeitsplätze weniger als im Zeitpunkt Ihrer Regierungsübernahme, Herr Minister Riester. Dieses traurige Ergebnis müssen wir heute feststellen. Herr Minister Riester, Sie sitzen mit Ihrem politischem Ansatz ganz offensichtlich auf dem falschen Pferd. Mal sehen, wer Sie da herunterholt - vielleicht Herr Hombach. ({4}) Die mühsam erarbeiteten Reformschritte der Regierung Kohl wurden zurückgenommen - das war aus unserer Sicht schon grottenfalsch -; ({5}) das war vor knapp vier Monaten. Und seit einigen Tagen spricht Herr Finanzminister Eichel von einem eisernen Sparkurs. Das kann doch nur heißen, daß man das Geld, das man zunächst ausgegeben hat, jetzt wieder einsammelt. Das ist keine glaubwürdige Politik, meine Damen und Herren. ({6}) Allein der Demographiefaktor schlägt bei der Finanzierung der Rente jährlich mit 0,1 Beitragspunkten zu Buche, das ist nicht weniger als 1,8 Milliarden DM Jahr für Jahr, und das mit dynamischer Entwicklung. Herr Minister Riester, woher wollen Sie eigentlich das zusätzliche Geld dafür nehmen, wenn Herr Eichel doch einkassieren möchte? Hier klafft eine immer größere Lücke. Sie bleiben die Antworten schuldig. Die Lohnfortzahlung beginnt sich bei den Unternehmen wieder in Milliardenhöhe niederzuschlagen. Es finden also Belastungen statt. Dabei reden alle Sachverständigen davon, daß die Unternehmen weiter entlastet werden müssen. Auch das ist also ein völlig falscher Ansatz. ({7}) Völlig unnötigerweise werden die Meldekontrollen bei den Arbeitsämtern abgeschafft, ({8}) und die Zumutbarkeitsregelung wird gelockert. Damit wurde in der Vergangenheit erfolgreich der Leistungsmißbrauch bekämpft. ({9}) Sie setzen auch hier wieder in Form von Laissez-faire falsche Signale, Herr Minister Riester. ({10}) Wenn der Maßstab für Gerechtigkeit immer weiterhin zur Verteilungsgerechtigkeit verlagert wird, bleibt die gerechte Bewertung der individuellen Leistung auf der Strecke. Das darf nicht sein. Mit der Union war Deutschland auf dem Weg zu einer weichen Landung im umgebauten Sozialstaat. Wir sagen Ihnen: Sie werden erst den Karren gegen die Wand fahren und dann erkennen, daß es keinen anderen Weg gibt als den, den wir mit unseren Reformschritten eingeleitet haben. ({11}) Das derzeit Schlimmste im Sozialbereich ist allerdings der unglaubliche Niedergang der Kultur der parlamentarischen Gesetzgebung. Wer nach halbjähriger Tätigkeit von seriösen und wohlwollenden Zeitungen - aus menschlicher Sympathie, Herr Minister, möchte ich nur eine harmlose Bemerkung zitieren - zum Beispiel als „Mogelminister“ bezeichnet wird, dem kann die Union nur noch ihr Beileid aussprechen. ({12}) Riester steht für Gesetzesmobbing mit 100prozentiger Verunsicherungsgarantie. Das müssen wir hier feststellen. ({13}) Man fühlt sich geradezu in ein Studentenparlament versetzt; aber da ginge es nur um den Streik auf dem Parkplatz oder in der Aula. Hier geht es um Millionen von direkt betroffenen Menschen, die Sie mit Ihrer Gesetzgebung verunsichern, denen Sie schlaflose Nächte bereiten, die ihre private Finanzierungslücke bisher mit 630-Mark-Jobs geschlossen haben und denen Sie jetzt schlichtweg das Geld wegnehmen. ({14}) Es geht um die Selbständigen, die sich aus kleinsten Anfängen heraus entwickeln möchten. Denen hauen Sie - ich muß es so hart sagen, wie es uns von der Bevölkerung gesagt wird - voll auf die Schnauze. ({15}) Namens der CDU/CSU-Fraktion fordere ich als Berichterstatter für diesen Einzelplan daher die Bundesregierung noch einmal auf, die Regelung zur Scheinselbständigkeit und die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse unverzüglich zurückzunehmen und den Vollzug sofort auszusetzen. ({16})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Fuchtel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Urbaniak?

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Natürlich.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Fuchtel, Sie werden zugeben müssen, daß die Regelungen zu den 630-DM-Jobs und zur Scheinselbständigkeit unter der Regierung Kohl systematisch aufgebläht worden sind. ({0}) Können Sie es als ehemaliger Sozialpolitiker eigentlich verantworten, daß damit Millionen und aber Millionen Beiträge der Sozialversicherung verlorengehen, die wir für eine Stabilität der Beiträge dringend benötigen, und daß, wenn die Leute unter diesen Bedingungen arbeiten, sie nur noch die Perspektive der Sozialhilfe haben? Ist das Ihr gesellschaftspolitisches Bild? ({1})

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Urbaniak, als Sie noch in der Opposition waren, haben Sie den Menschen vor der Wahl suggeriert, alle Probleme könne man einfach lösen; das sei sozusagen eine kleine Maus unter den Gesetzgebungen. Jetzt, da Sie in der Regierung sind, ist es auf einmal ein großer Elefant, mit dem Sie nicht fertig werden. Wir haben den Leuten in dieser Deutlichkeit schon vorher gesagt, daß hier ein sehr schwieriges Problem in der Gesellschaft zu lösen ist. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. ({0}) Lieber Kollege, wenn diese Frage anzugehen ist, muß man das mit Sicherheit differenzierter machen. Ich garantiere Ihnen: Eine Unionsfraktion hätte in eine solche Regelung niemals die Vereine einbezogen. ({1}) Es ist doch ein Skandal erster Güte, daß Sie zu dieser Differenzierung nicht fähig waren. ({2}) Was Ihnen völlig fehlt, ist ein Gesamtkonzept. Das wäre bei der Dimension der Problematik wohl notwendig gewesen. Wir hätten ein Gesamtkonzept gehabt; Ihnen fehlt es. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Fuchtel, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Kollegen Urbaniak?

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Natürlich. Den ganzen Morgen kann er mich fragen.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Fuchtel, wenn Sie so vereinstreu sind - Sie gehören sicherlich vielen Vereinen an, wie viele von uns ({0}) - Herr Kalb, Sie gehören natürlich einem Trachtenverein an; das ist mir klar -: ({1}) Warum haben Sie denn in der Vergangenheit keine Regelung für die Vereine geschaffen, die wir jetzt nachträglich schaffen müssen? Sie haben doch auf der ganzen Linie versagt. Das können doch wohl alle hier bestätigen. ({2})

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Urbaniak, Ihnen ist anscheinend entgangen, daß es in diesem Zusammenhang die 2 400-DM-Regelung gibt. Ihnen ist entgangen, daß es in unserem Programm für diese Legislaturperiode bereits einen Passus gab, in dem steht, daß auf diesem Gebiet für die Vereine eine Verbesserung erfolgen muß. Insoweit gibt es hier überhaupt keinen Nachholbedarf. Das, was Sie vorhaben, sieht, wenn man es durchrechnet, so aus: Sie wollen zu einer Regelung in Höhe von maximal 4 800 DM gelangen. Wenn Sie aber dagegenrechnen, was 12 mal 630 DM ausmachen, dann ist festzustellen, daß Sie den Vereinen auf jeden Fall etwas genommen haben. Das ist Fakt, und das geht so nicht. ({0}) Ich komme zurück auf mein eigentliches Thema. Ich habe gesagt, daß wir verlangen, diese Regelungen auszusetzen und abzuschaffen. Ich habe bewußt nicht von „aussitzen“, sondern von „aussetzen“ gesprochen. ({1}) Ob Sportvereine oder Existenzgründer, ob Studenten oder Hinzuverdiener - diese Regelungen sind eine ungerechte Strafe für Millionen von arbeitswilligen Bürgern und für die gesamte Gesellschaft. ({2}) Sie treffen die Menschen völlig unvorbereitet und ohne ausreichende Übergangsphase. Das ist besonders gemein. Im württembergischen Konditorengewerbe haben schon 50 Prozent aller betroffenen Arbeitskräfte gekündigt. Was kommt an deren Stelle? Reguläre Arbeitsverhältnisse werden nur in minimalen Zahlen geschaffen. Herr Minister, wenn Sie schon so viele Gesetzesleichen produzieren, dann denken Sie wenigstens an die Sargträger und lassen Sie ihnen die 630-Mark-Jobs. ({3}) Niemand spricht bisher über die verheerenden volkswirtschaftlichen Wirkungen im Sekundärbereich. ({4}) - Da müssen Sie natürlich laut werden; das verstehe ich. Man kann das nicht aussitzen, wie der Minister das möchte. Geben Sie ihm den richtigen Stoß, damit er weiß, daß er hier etwas ändern muß, und schlagen Sie hier nicht nur Krawall. Viele Produktions- und Dienstleistungen in Deutschland werden entweder teurer, oder die dort Beschäftigten werden in der Schwarzarbeit verschwinden. Das werden die Ergebnisse sein, und das darf nicht sein. So kann man in einer globalen Welt keine Arbeitsmarktpolitik betreiben. Es rächt sich jetzt bitter, daß Sie während Ihrer Zeit in der Opposition zusammen mit der Mehrheit in den Gewerkschaften eine rechtzeitige Neuordnung des gesamten Arbeitsmarktgeschehens verweigert haben. Sie haben völlig falsch eingeschätzt, daß es angesichts der Dimension der vorliegenden Problematik nicht mehr mit bruchstückhaften Lösungen getan ist. Sie hätten eine Gesamtkonzeption vorlegen müssen und nicht erst dieses Machwerk und anschließend Ankündigungen. Die CDU/CSU fordert eine Gesamtkonzeption, die den Bedürfnissen der Beschäftigungsverhältnisse von Kleinverdienern mit einem Verdienst bis zirka 1 500 DM Rechnung trägt. Sie kommen statt dessen mit Einzelangeboten an Gruppen daher und hoffen, daß man dankbar ist, wenn es am Ende nicht ganz so schlimm wird. Diese Rechnung wird in dieser fundamentalen Frage nicht aufgehen. Alle haben Sie gewarnt. Die DeHoGa hat am 23. Februar dieses Jahres einen letzten dramatischen Appell an die Regierung gerichtet. Wenn sich die Bürger nicht mehr auf die Gesetzgebung verlassen können, dann erleidet der Staat einen echten Vertrauensverlust. Deswegen sagen wir: So nicht, Herr Riester! ({5}) Deutschland darf nicht von Apo-Manieren eingeholt werden. ({6}) Meine Damen und Herren, die großen Aufgaben - so wird auch im gestrigen „Handelsblatt“ geschrieben kommen erst noch. Deswegen kritisieren wir die Art der Gesetzgebung so nachhaltig. Es ist doch schlimm, wenn heute schon davon gesprochen wird - ich zitiere das SPD-nahe Institut „Forsa“ -, daß die Deutschen das Vertrauen in die Rente verlieren. ({7}) Wenn Sie die diesbezügliche Gesetzgebung genauso liederlich machen wie in den letzten Fällen, ist das etwas ganz Schlimmes und richtet sich das gegen die ältere Generation. Das darf im Gesamtinteresse nicht geschehen. ({8}) Wir werden ebenfalls nicht zulassen, daß Sie die Arbeitslosenstatistik schönreden. Der Abbau der Arbeitslosigkeit um 200 000 ist nicht Ihre Leistung; vielmehr ergibt er sich aus der Demographie. Die jüngsten Gutachten des Sachverständigenrates heben diesen Effekt bereits hervor. Wir werden auch nicht akzeptieren, daß Sie anfangen, die Arbeitsmarktstatistik zu manipulieren. Einen ersten Vorgeschmack haben wir schon dadurch bekommen, daß man darüber redet, wie man die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse künftig hier hereinmogeln kann. Dazu sage ich: Nein, schaffen Sie mehr Beschäftigung in der Wirklichkeit und nicht auf dem Papier. Das haben Sie den Leuten versprochen, und das fordern wir ein. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner.

Dr. Konstanze Wegner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Fuchtel, auch bei Ihren Ausführungen fiel mir folgendes wieder auf: Es ist Ihr gutes Recht, uns zu kritisieren; das müssen Sie sogar. Aber was mich immer wieder wundert, ist jegliches Fehlen von Selbstkritik angesichts des Scherbenhaufens, den Sie nach 16 Jahren hinterlassen haben. ({0}) Sie treten hier immer so auf, als hätten Sie einen harmonisch geregelten Arbeitsmarkt, Vollbeschäftigung und gefüllte Staatskassen hinterlassen. Wir haben diesen Scherbenhaufen übernommen, und wir stehen deshalb nach wie vor vor einer schwierigen Situation. ({1}) Für diese Bundesregierung steht die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nach wie vor im Mittelpunkt auch der Sozialpolitik. ({2}) Mit 4,28 Millionen registrierten Arbeitslosen Ende März - wir werden morgen die neuen Zahlen bekommen - befindet sich die Arbeitslosigkeit immer noch auf einem bedrückend hohen Stand. Niemand wird das leugnen. Allerdings - dies ist ein Hoffnungsschimmer - liegt sie damit um 0,335 Millionen unter dem Stand des Vorjahres. Die Regierung Schröder hat sofort nach ihrer Amtsübernahme eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Sie hat ein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit aufgelegt, das hervorragend angenommen wird. ({3}) Mein Kollege Ewald Schurer wird nachher dazu ausführlich Stellung nehmen. Sie hat die aktive Arbeitsmarktpolitik des Staates, die ja von der Regierung Kohl aus haushaltspolitischen und wahltaktischen Gründen meist nach dem Prinzip des Stop-and-go durchgeführt worden ist, auf hohem Niveau verstetigt, und sie hat damit Planungssicherheit für die Träger geschaffen und viele Arbeitsplätze vor allem im Osten Deutschlands gesichert. ({4}) Diese Regierung hat das unter der Regierung Kohl gescheiterte „Bündnis für Arbeit“ wiederbelebt. Sie hat in der ersten Stufe der Steuerreform vor allem die Familien mit Kindern und auch den Mittelstand entlastet. Sie hat damit auch zur Belebung der Nachfrage beigetragen. ({5}) Die Regierung hat im Rahmen der ersten Stufe der Ökosteuer die Rentenbeiträge um 0,8 Prozent gesenkt und damit den Einstieg in die überfällige Senkung der Lohnnebenkosten begonnen. Sie hat das Entsendegesetz entfristet, um Lohn- und Sozialdumping auf dem Bau dauernd einzuschränken, ({6}) und Sie versucht zur Zeit, durch Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung und der Scheinselbständigkeit wieder mehr Ordnung und Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. ({7}) Dies ist überfällig, und es ist richtig und mutig, daß der Minister Riester diesen Schritt getan hat. ({8}) Welchen Niederschlag finden die Bemühungen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Bundeshaushalt? Mit 11 Milliarden DM liegt der Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit auf einem hohen Niveau. Einen Zuschuß in dieser Höhe hatten bereits die Mehrheit des Verwaltungsrats und der Präsident der Bundesanstalt gefordert, um die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Die Anträge der Opposition- sie hat sie während der Haushaltsberatungen im Ausschuß gestellt und stellt sie auch hier -, den Bundeszuschuß drastisch, also weit über die Hälfte zu kürzen, sind angesichts dieser Einschätzungen der Fachleute, die ich eben zitiert habe, arbeitsmarktpolitisch schlichtweg Unsinn. ({9}) Angesichts der hohen Vorbindungen aus dem Wahljahr 1998, in dem die Regierung aus durchsichtigen Gründen die Arbeitsmarktpolitik auf einmal rasant hochgefahren hatte, müßten die Arbeitsämter, wenn wir jetzt Ihre Kürzungsanträge annehmen würden, sofort einen Stopp für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, berufliche Weiterbildung und Einarbeitungszuschüsse verhängen. Das kann niemand wünschen, der seine fünf Sinne beisammenhat. ({10}) Auch haushaltspolitisch wären solche Kürzungen Unsinn. Wenn wir so verfahren würden, dann würden wir zu den verfehlten Rezepten der alten Regierung Kohl zurückkehren, die den Zuschuß für die Bundesanstalt zu Beginn der Beratungen immer bewußt zu niedrig angesetzt hat. Der Erfolg war, daß am Ende des Jahres eine riesige überplanmäßige und angeblich völlig unvorhersehbare Ausgabe nachgeschoben werden mußte. Das wollen wir gerade nicht tun. ({11}) Bei allen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist der Mittelabfluß im Sozialhaushalt sehr gut. Daran zeigt sich, wie hoch der Bedarf auf diesem Feld ist. Das gilt für das Langzeitarbeitslosenprogramm mit einem Volumen von 750 Millionen DM pro Jahr, für das Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit mit einem Volumen von 2 Milliarden DM und besonders für die sogenannten Strukturanpassungsmaßnahmen, für die auch 2 Milliarden DM im Haushalt stehen. Falls die Mittel für diese Strukturanpassungsmaßnahmen im Osten im Verlauf des Jahres nicht ausreichen sollten, werden wir sie durch die Inanspruchnahme des entsprechenden Haushaltsvermerkes - durch Einsparungen beim Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit - aufstocken. Ich wiederhole hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich schon in der Generaldebatte gesagt habe: Natürlich sind Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt die, die wir wünschen. Arbeitsplätze im zweiten Arbeitsmarkt sind ein Notbehelf. Sie sind aber in Zeiten hoher Massenarbeitslosigkeit unverzichtbar. ({12}) Deshalb bemühen wir uns um Verstetigung der aktiven Arbeitsmarktpolitik; denn sie muß berechenbar sein für diejenigen, die eingestellt werden, und für die Träger. Die Haushälterinnen und Haushälter der Koalition hatten sich für die Beratungen das Ziel gesetzt, in jedem Einzelplan über den Regierungsentwurf hinaus 0,5 Prozent einzusparen und damit ein erstes Zeichen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen zu setzen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert?

Dr. Konstanze Wegner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, natürlich.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Kollegin, können Sie mir erklären, warum in Berlin zum Beispiel im Bereich der Behindertenarbeit sehr viele Stellen radikal abgebaut werden? Ich nenne hier nur SAM. Sie sagen doch, daß das verstetigt wird? Ich halte den Wegfall der sozialen Dienstleistungen für eine Katastrophe.

Dr. Konstanze Wegner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich stimme Ihnen zu. Das aber hat die alte Regierung zu verantworten. ({0}) - Ja, hören Sie mir zu! - Sie hat die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik im Wahljahr aus wahltaktischen Gründen stark hochgefahren. Fast alles ist durch Vorbindungen belegt; das Geld ist sozusagen verfrühstückt. Deshalb mußten wir soviel draufsatteln, damit überhaupt noch etwas Neues möglich ist. Ich weiß, daß bei SAM der Bedarf enorm hoch ist. Wir werden einen Weg finden, damit es in diesem Jahr keine Kürzungen gibt. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, auch der Kollege Fuchtel möchte eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie das auch zu?

Dr. Konstanze Wegner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Dr. Wegner, Sie haben gerade ausgeführt, daß Sie möglicherweise eine Unterdeckung bei der Arbeitslosenhilfe haben. Der Etat ist, wie Sie wissen, mit 28,5 Milliarden DM sehr knapp berechnet. Sie brauchen dort mehr Mittel und wollen diesen Mehrbedarf aus dem Bundeszuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit decken.

Dr. Konstanze Wegner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe nicht von der Arbeitslosenhilfe gesprochen.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie möchten Sie eigentlich mit der Unterdeckung bei der Arbeitslosenhilfe umgehen, die Sie trotz der 10 Milliarden DM, die Sie für den Bundeszuschuß ausgeben, noch haben werden? Sind Sie mit mir einer Meinung, daß überplanmäßige Ausgaben die Folge sein werden und daß der Haushalt, den Sie vorlegen, geschönt ist? ({0})

Dr. Konstanze Wegner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe gar nicht von der Arbeitslosenhilfe gesprochen, Herr Kollege Fuchtel. Es kann sein, daß die angesetzten 28 Milliarden DM nicht ganz ausreichen werden. Ich hoffe, daß sie ausreichen. Wenn das nicht der Fall ist, werden wir eine ÜPL machen müssen, weil das gesetzlich vorgeschrieben ist. Aber unsere Ansätze sind insgesamt wesentlich realistischer als alle Ansätze, die ich zu Ihrer Regierungszeit erlebt habe. ({0}) Ich fahre in meiner Rede fort. ({1}) Wir haben auch den Sozialhaushalt gekürzt, und zwar um insgesamt 874 Millionen DM. Das wurde vor allem durch realitätsnahe Kürzung von Schätztiteln und auch von Einzeltiteln erreicht. Die Berichterstatterinnen haben gegenüber dem Regierungsentwurf auch einige inhaltliche Änderungen vollzogen. Diese haben wir durch Umschichtungen und Kürzungen an anderer Stelle gegenfinanziert. So haben wir zum Beispiel den Etat der Ausländerbeauftragten im Hinblick auf Öffentlichkeitsarbeit und Personal aufgestockt. Das gilt auch für die Mittel des Behindertenbeauftragten. Beide Aufstockungen scheinen uns gerechtfertigt zu sein; denn sowohl bei den hier lebenden Ausländern wie auch bei den Behinderten handelt es sich um sehr wichtige Gruppen der Bevölkerung, zu deren besserer Integration es höherer Geldmittel, vielfach allerdings auch neuer Ideen bedarf. Die von den Haushältern der Koalition durchgesetzte zusätzliche Einsparung von 0,5 Prozent in jedem Einzelhaushalt ließ sich gegenüber den Fachgruppen und den betroffenen Ressorts - das darf man schon sagen nur unter beträchtlichen Schwierigkeiten durchsetzen. Kraftausdrücke gegenüber den ungeliebten Haushältern waren an der Tagesordnung, ebenso Sitzungsunterbrechungen, um die Gemüter zu besänftigen. Das gilt übrigens nicht für den Sozialhaushalt; das muß ich voller Anerkennung sagen. ({2}) Die dortigen Einsparungen sind in durchaus konstruktiver Zusammenarbeit mit dem Minister und seinem Haus vorgenommen worden. ({3}) Insgesamt war die Kürzungsquälerei in diesem Bundeshaushalt durchaus erfolgreich. Ich darf das wiederholen: Es ist gelungen, die Gesamtausgaben des Haushalts um 2,3 Milliarden DM und die Nettokreditaufnahme um 2,7 Milliarden DM zu senken. Außerdem wurde eine Absenkung der Verpflichtungsermächtigungen um 10 Prozent beschlossen, um so die Vorbelastung künftiger Jahre zu reduzieren. Damit wird im Haushalt 1999 ein erstes, wenn auch bescheidenes Zeichen zur Konsolidierung gesetzt. ({4}) Diese Konsolidierung muß im Haushalt 2000 entschieden fortgesetzt werden. Es ist schon gesagt worden, aber man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Situation des Haushalts 2000 wird uns vor ungleich größere Schwierigkeiten und Probleme stellen als der Haushalt 1999. Das Tafelsilber des Bundes ist auf Grund der Entscheidungen der früheren Regierung weitgehend „verfrühstückt“ kann man das nicht nennen - verkauft. ({5}) Die alte Regierung hat ein strukturelles Defizit von 20 Milliarden DM hinterlassen. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Besserstellung der Familien, die wir in der Sache durchaus begrüßen, wird den Bund mindestens 10 Milliarden DM kosten. Dazu kommen weitere Belastungen durch den Konflikt in Jugoslawien und durch die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge, die auf jeden Fall geleistet werden muß. Schließlich muß auch die von vielen Seiten geforderte Reform der Unternehmensteuern irgendwie finanziert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den Konsolidierungsdebatten, die in der Öffentlichkeit geführt werden, ist auch der Sozialhaushalt als größter Einzelhaushalt des Bundes mit einem Volumen von 172,4 Milliarden DM für manche Objekt der Begehrlichkeit. Diese Diskussion sollte nüchtern und realistisch geführt werden. Natürlich ist auch der Sozialhaushalt keine heilige Kuh und daher nicht unantastbar. ({6}) Wer jedoch Kürzungen im Sozialhaushalt fordert, Herr Niebel, der muß sich darüber im klaren sein, daß dort mit Ausnahme der freiwilligen Leistungen fast alles gesetzlich festgelegt ist. ({7}) Das heißt im Klartext: Wer im Sozialhaushalt kürzen will, muß genau wissen, was er tut. Entweder kürzt er bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik des Staates - das dürfte bei der zur Zeit hohen Massenarbeitslosigkeit absolut kontraproduktiv sein -, ({8}) oder er nimmt Einschnitte in gesetzliche Leistungen vor. Dies träfe vor allem die sozial Schwächeren in unserem Lande und würde die soziale Kluft, die sich in den 16 Regierungsjahren unter Kohl erheblich vergrößert hat, weiter vertiefen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer den Bundeshaushalt sanieren will, der steht in jedem Fall vor unangenehmen und unpopulären Entscheidungen. Wer sich dieser Aufgabe stellt - wir müssen das tun -, der braucht Augenmaß, soziales Verantwortungsgefühl und politisches Stehvermögen. Das wünsche ich uns allen. Vielen Dank. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Kollegin Irmgard Schwaetzer.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir haben es alle noch im Ohr: „Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser.“ ({0}) Das war der Wahlkampfspruch von Gerhard Schröder, mit dem er die neue Mitte geködert und getäuscht hat; denn außer Enttäuschung bei den Wählern - daß sie enttäuscht sind, haben wir schon mehrfach gehört, und wir treffen auch kaum noch diejenigen, die sich dazu bekennen, SPD gewählt zu haben ({1}) ist nichts übriggeblieben. Der Haushalt des Bundesarbeitsministers ist der Ausweis dafür, daß die Modernisierung der Politik gegen die Traditionskompanien der Gewerkschaften - das wird man sicherlich so formulieren dürfen - gerade in der Sozialpolitik nicht möglich ist. ({2}) Wir werden uns sicherlich noch häufiger damit auseinandersetzen müssen; denn die SPD hatte Modernisierung versprochen. ({3}) Sie hat zum Beispiel auch die Modernisierung der Sozialversicherung versprochen. Was aber passiert statt dessen? Herr Bundesarbeitsminister, Sie wollen die Dienstleistungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts in die Sozialversicherung des 19. Jahrhunderts pressen, statt die Sozialversicherung zu modernisieren, damit sie wirklich in der sich verändernden Arbeitswelt, die Sie nicht zur Kenntnis nehmen, Schutz bietet. ({4}) Sie gehen es jetzt ganz konsequent an; das muß man schon sagen. Sie blasen zur Jagd auf die Selbständigen. Sie treffen alle Dienstleistungsberufe vom Unternehmensberater über die Werbeagenturen und Journalisten bis zum Musikerzieher. Damit Ihnen nicht eine einzige Seele entgeht, erfassen Sie die Existenzgründer allgemein. ({5}) Frau Kollegin, Sie haben soeben gesagt, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stehe für Sie im Mittelpunkt. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir mit Ihnen darüber hätten ernsthaft diskutieren können - das haben Sie verweigert -, wie viele Arbeitsplätze durch Ihre Gesetzgebung zu den 630-Mark-Jobs und den sogenannten Scheinselbständigen verlorengehen. Ihre Gesetze werden die Arbeitslosigkeit erhöhen, statt eine Verbesserung zu bringen. ({6}) Die Existenzgründer werden alle zu abhängig Beschäftigten umfunktioniert. Sie kommen alle zwangsweise in die sowieso schon notleidende Sozialversicherung hinein. Dabei entgeht Ihnen, daß das alles eine sehr kurzfristige Rechnung ist. Herr Bundesarbeitsminister, kurzfristig führen Sie der Rentenversicherung zusätzliche Mittel zu. Aber dann, wenn die Leistungen fällig werden, wird die Rechnung nicht mehr aufgehen. Das war Ihnen, Frau Dückert, sehr bewußt; denn genau an der Stelle haben Sie den Schluß der Debatte im Ausschuß beantragt, ({7}) weil es Ihnen unangenehm war, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. ({8})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin Schwaetzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gern.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Kollegin, würden Sie auch einmal Beispiele zur Kenntnis nehmen, die anders sind und die ich in meinem Wahlkreis im Moment erlebe? Dort hat beispielsweise eine große Einzelhandelskette die 630-Mark-Jobs abgeschafft und sie in ordentliche, sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeitsverhältnisse umgewandelt. ({0}) Würden Sie auch zur Kenntnis nehmen, daß es jetzt - auch darum habe ich mich nach Ihrer ganzen Propaganda gekümmert - erste Erfahrungen mit den sogenannten Scheinselbständigen gibt? Wir haben festgestellt: Im Falle einer echten Selbständigkeit kommen jetzt die ersten Bescheide der Krankenkassen, die belegen, daß diese Menschen wirklich selbständig sind. Würden Sie auch diese Fälle, die das Gegenteil dessen beschreiben, was Sie behaupten, einfach einmal zur Kenntnis nehmen und aufhören, Propaganda zu machen? ({1})

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Tauss, wer Propaganda macht, ist immer noch die Frage. Sie haben mit Ihren Regelungen all denjenigen, die auf den Zuverdienst von 630 DM angewiesen sind, die sich aber ausgebeutet fühlen, wenn ihnen solche Abzüge zugemutet werden, die Beschäftigung genommen. ({0}) Ich finde, das ist unsozial. ({1}) Zu den Existenzgründern: Sie müssen sich einmal anschauen, was Sie zum Beispiel bei jungen Rechtsanwälten angerichtet haben. Sie zwingen die alle in die Sozialversicherung. Da wird ein richtiger Kahlschlag entstehen. ({2}) Sie müssen sich auch einmal anschauen, was die ganzen Informationsberater - Herr Tauss, das ist doch der Markt, auf dem Sie sich ganz besonders tummeln -, die über ein Jahr nur einen Auftraggeber haben, erleben. Die bekommen den Auftrag nicht verlängert, weil der Auftraggeber Angst hat, er werde als Arbeitgeber rückwirkend für die Sozialversicherungsbeiträge zur Kasse gebeten. Sie sind nicht in der Lage, in den Dienstleistungsstrukturen des 21. Jahrhunderts zu denken, ({3}) weil Sie nach wie vor nicht Ihren Frieden mit den Selbständigen gemacht haben. Für Sie besteht die Gesellschaft immer noch aus den gewerkschaftlich organisierten Industriearbeitnehmern und den Großbetrieben. Darin besteht Ihre gesamte Argumentation. ({4}) Aber damit werden Sie nicht weiterkommen. Ich sage Ihnen: Alle diese Selbständigen, die Sie zu sogenannten Scheinselbständigen machen und denen Sie ihre Existenz nehmen, werden es Ihnen bei den nächsten Wahlen zeigen. ({5}) Sie werden in dieser Frage von uns so lange getrieben werden, bis Sie diese Gesetze endlich aufheben, damit Selbständigkeit in Deutschland wieder eine wirkliche Chance hat.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin Schwaetzer, die Kollegin Thea Dückert möchte auch eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber gerne. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Tauss, ich sehe, daß Sie eine weitere Nachfrage stellen möchten. Jetzt nehmen wir aber erst einmal die Kollegin Dückert.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Schwaetzer, ich möchte Sie auf folgenden Widerspruch hinweisen: Bei der Frage der Rentenversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte argumentieren Sie doch immer wieder damit, daß diese Frauen und Männer, die über dieses Gesetz in die Rentenversicherung hineinkommen, sehr geringe Ansprüche erwerben. ({0}) Das haben Sie uns immer wieder vorgerechnet und vorgeworfen. Eben haben Sie sich nun darüber beklagt, daß die Rentenkassen, wenn diese Ansprüche irgendwann geltend gemacht werden, möglicherweise in eine große finanzielle Schwierigkeit geraten könnten. Können Sie mir und dem Hohen Haus diesen Widerspruch erklären?

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Dückert, Sie verwechseln mich mit jemandem aus der Union. ({0}) Die Union hat in der Tat so argumentiert. Ich habe immer gesagt, daß das eine Fehlkalkulation für die Rentenversicherung ist, weil - so, wie Sie es beschlossen und begründet haben - mit diesem kleinen Beitrag der volle Anspruch auf vorzeitiges Altersruhegeld, auf Erwerbsunfähigkeitsrente, auf Berufsunfähigkeitsrente und auf Teilrente - das alles ist nicht durch Beiträge finanziert erworben wird. Deswegen ist das - das habe ich auch den Kollegen von der Union gesagt - eine Fehlkalkulation. Auch aus diesem Grunde werden Sie, Frau Dükkert, mit dieser Regelung nicht durchkommen. Es ist hier aber auch noch etwas ganz anderes von Bedeutung: Es gibt nämlich auch diejenigen, die ihre Freiheit haben wollen. Mir kommen die Tränen, wenn immer wieder behauptet wird, diese Menschen würden hinterher alle der Sozialhilfe anheimfallen. Ich hätte gern mal Zahlen - aber ich bekomme ja keine -, wie häufig das heute der Fall ist. Sie können es nicht nachweisen, das ist eine schlichte Behauptung. Diese Menschen sorgen selbst für ihr Alter. Sie wollen frei sein. Sie wollen diese Freiheit haben. Aber Sie beschneiden ihnen diese Freiheit. Doch die Menschen werden sich diese Freiheit nehmen, und sie werden für sich selber sorgen. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es bestehen noch zwei Wünsche nach Zwischenfragen. Ich bitte aber, wenn Sie diese Fragen noch zulassen wollen, wirklich kurze Fragen zu stellen und auch möglichst kurz zu antworten.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber gerne.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann zunächst der Kollege Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, Sie sprachen soeben von den neuen Selbständigen. Würden Sie dazu die Toilettenfrau in einer Raststätte rechnen, wo ein Schild steht: „Ich bitte um ein Trinkgeld. Ich bin selbständig“ und wo eine Nachfrage ergibt, daß diese Frau als selbständig tätige Unternehmerin dort ohne einen Pfennig Gehalt und ohne Sozialabsicherung steht, als freiberufliche Existenzgründerin? Ist es das, was Sie unter neuer Selbständigkeit verstehen, oder stimmen Sie uns wenigstens darin zu, daß diese Form des Mißbrauchs unterbunden gehört? ({0})

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Kollege, wenn Sie die letzten Urteile des Bundesarbeitsgerichtes zu diesen Fragen gelesen hätten, dann wäre Ihnen völlig klar, daß diese Frau einen Anspruch darauf hat, eingestellt zu werden. Dazu brauchen Sie keine Gesetzesänderung. ({0}) Dazu müssen Sie nicht den gesamten Bereich der Selbständigkeit kaputtschlagen, sondern Sie müssen lediglich die geltende Rechtsprechung anwenden, die wir selbstverständlich unterstützen und akzeptieren. Das ist überhaupt keine Frage. Nur, Sie nehmen immer die falschen Argumente, um Ihre ideologischen Ziele durchzusetzen. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt die Kollegin Doris Barnett.

Doris Barnett (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002621, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Schwaetzer, dann erklären Sie mir einmal ideologisch, wie ich es dem Familienvater erklären soll, der in seiner Firma Überstunden kloppt, um ein paar Mark extra zu verdienen, daß er diese Überstunden sozialversichern und versteuern muß, während sein cleverer Nachbar zwar bei der gleichen Firma acht Stunden arbeitet, dann aber zum Arbeitgeber B geht und dort sein Zubrot von 630 DM bisher sozusagen an der Steuer und der Sozialversicherung vorbei - verdienen darf. Wie erkläre ich das dem Familienvater?

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, dann erklären Sie mir doch bitte einmal, wie dieser gleiche Arbeitnehmer seiner Ehefrau erklärt, daß sie ihre 630 DM unversteuert behalten darf, obwohl er selber ein ganz ordentliches Einkommen hat, während zum Beispiel seine geschiedene Schwägerin, die unterhaltsberechtigt ist und einen Unterhalt von etwas über 1 200 DM bekommt, ihre 630 DM voll versteuern muß. ({0}) Sie haben so viele Widersprüche und so viele unsoziale Regelungen dort eingebaut, Sie können das ja selber nicht mehr erklären. Deswegen muß das weg! Letzter Satz zu diesem Thema, meine Damen und Herren - ich habe gleich noch zwei andere Themen, die auch ganz wichtig sind -: Es freut einen ja immer, wenn man auch kritische Stimmen aus den Reihen der Sozialdemokraten und der Grünen hört. Aber angesichts dessen, daß der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Herr Clement, im Bundesrat jetzt schon zweimal gekniffen, anschließend aber wieder gesagt hat, es müsse sofort etwas geändert werden, kann ich wirklich nur sagen: Diese Doppelzüngigkeit ist unerträglich. ({1}) Genau das gleiche gilt für Herrn Glogowski, Ministerpräsident in Niedersachsen, der ebenfalls sofortige Änderungen gefordert und anschließend gegen den Antrag gestimmt hat, diese Regelungen auszusetzen. Aus den Reihen der Grünen war Herr Schlauch der Meinung, es müsse sofort etwas geändert werden. Ich bin ganz sicher, daß er nicht den Mumm hat, unserem Antrag, mit dem er das schaffen könnte, heute zuzustimmen. ({2}) Frau Wolf, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, verkündet in Interviews am Wochenende groß: So geht das nicht! - Ich bin sicher, sie wird heute abend unserem Antrag nicht zustimmen. Das heißt, Sie werden wortbrüchig. Sie kündigen nur an, ohne Konsequenzen zu ziehen. ({3}) - Liebe Ulla Schmidt, ich hätte dich ganz gern gefragt, ob du denn den Finanzminister schon einmal gefragt hast, ob jetzt tatsächlich der Freibetrag für die Übungsleiter in Sportverbänden verdoppelt wird. Im übrigen vermisse ich hier Ihren Antrag. Wir hätten ihm ja gern zugestimmt, aber ich vermisse einen solchen Antrag. Sie betreiben Ankündigungspolitik, weil Herr Riester mit seinem Rücktritt gedroht hat, wenn in dem Bereich irgend etwas passiert. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? - Ich möchte jetzt aber die Kolleginnen und Kollegen doch bitten, keine weiteren Zwischenfragen mehr zu stellen. Wir haben heute noch einen sehr langen Debattentag. - Bitte.

Rüdiger Veit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Schwaetzer, Sie beklagten soeben die Versicherungspflicht für junge Rechtsanwälte. Ist es vielleicht Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß beispielsweise vor nunmehr rund 15 Jahren in Hessen auf Initiative der Anwaltschaft diese Versicherungspflicht für alle Anwälte, auch für die selbständigen und jungen Rechtsanwälte, eingeführt worden ist?

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, das ist natürlich meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen. Aber in Ihrem Gesetz steht, daß die berufsständischen Versorgungswerke keine Alternative zur gesetzlichen Rentenversicherung bieten. ({0}) Deswegen können die Rechtsanwälte nicht mehr Mitglied in diesen Versorgungswerken werden, sondern müssen in die gesetzliche Rentenversicherung gehen. Das ist der Unfug. Sie wollen die berufsständischen Versorgungswerke austrocknen. Das werden wir nicht zulassen. ({1}) Ich möchte noch auf einen ganz anderen wichtigen Bereich der Tätigkeit des Bundesarbeitsministers zu sprechen kommen, der auch in diesem Haushalt verankert ist, aber irgendwie im Windschatten verschwindet: das Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit. ({2}) Herr Bundesarbeitsminister, Sie erklären immer wieder mit großer Euphorie, daß bereits über 75 000 Jugendliche in die Maßnahmen des Programms aufgenommen worden seien. ({3}) Aber ich habe von Ihnen bisher nicht gehört - obwohl die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit vorliegen; auf diese beziehe ich mich -, daß von diesen 75 000 Jugendlichen etwa 35 000 - also so ungefähr die Hälfte in lediglich drei Monate dauernden Qualifizierungsmaßnahmen sind. Hier möchte ich Ihnen die Frage stellen: Halten Sie das wirklich für einen Erfolg? ({4}) Hier wird eine Menge Geld ausgegeben, das anschließend fehlt, um die Jugendlichen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Es wäre in der Tat besser, das Geld dafür auszugeben. Ihr Programm, Herr Bundesarbeitsminister, ist ein Windei. Es ist Propaganda zu Lasten der jungen Generation. Lassen Sie mich zum Schluß noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen: In Ihrem Koalitionsvertrag steht, daß Sie eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes in Angriff nehmen wollen. Nun denn! Dazu muß man einfach anmerken, daß der Bundesarbeitsminister als Gewerkschafter zu den Mitunterzeichnern einer Gewerkschaftsinitiative zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes gehörte. Wir können also erwarten, daß die Bundesregierung in etwa das gleiche auf den Tisch legen wird. Aber der Präsident des Deutschen Industrieund Handelstages, Herr Stihl, hat Ihnen, Herr Riester, bereits angekündigt, daß die Umsetzung dieser Pläne für die Arbeitgeber der Casus belli sei. Das heißt: Auszug aus dem „Bündnis für Arbeit“. Ich stelle mir und Ihnen die Frage - Sie reden ja heute noch; ich hoffe, daß ich dann umfassend darüber aufgeklärt werde -: Wollen Sie Ihrem Bundeskanzler das „Bündnis für Arbeit“ kaputtmachen? Oder werden Sie in diesem Fall wiederum einen Rückzieher hinnehmen, wie Sie das schon in manchen anderen Fällen getan haben? Oder kündigen Sie wieder Ihren Rücktritt an? Vielleicht machen Sie ihn dann auch einmal wahr. Auch auf diesem Feld muß offensichtlich noch der Kampf zwischen Modernisierern und Besitzstandswahrern geführt werden. ({5}) Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben unter den Gewerkschaftern als fortschrittlicher Reformer gegolten. Aber offensichtlich sind die Gewerkschaften noch weniger in der Lage, sich selbst zu modernisieren, als wir es bisher befürchtet haben. ({6}) Der Haushalt des Bundesarbeitsministers ist kein Stück Zukunftsbewältigung. Wir werden ihn deswegen ablehnen. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Antje Hermenau.

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenden wir uns doch wieder dem Haushalt zu, über den wir heute verhandeln. Wenden wir uns bitte auch den Änderungsanträgen zu, die hier vorliegen - natürlich von der Opposition. Betrachten wir einmal mit einem gewissen Interesse, was sich die Opposition traut, hier als Änderungsanträge vorzulegen, aber auch das, worüber sie sich nicht zu sprechen traut; denn Herr Fuchtel ist darauf kaum eingegangen. Jetzt wollen wir einmal prüfen, woran das liegen könnte. Die Opposition schlägt vor, die Mittel für Strukturanpassungsmaßnahmen um 0,2 Milliarden DM zu erhöhen, weil zum Beispiel im Land Sachsen, aus dem auch ich stamme, die Mittel für Strukturanpassungsmaßnahmen fast erschöpft sind. - Das ist völlig korrekt. Die Mittel sind fast verausgabt. Wir kommen darauf gleich zu sprechen. - Die Opposition schlägt vor, im Gegenzug den Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit um 7,8 Milliarden DM abzusenken, so daß er dann insgesamt noch bei 3,2 Milliarden DM liegt. Ich sage Ihnen von vornherein: Einen der beiden Änderungsanträge werden Sie zurückziehen müssen. Hören Sie mir jetzt gut zu, damit ich Ihnen dabei helfen kann, zu entscheiden, welcher das sein wird. ({0}) Es ist interessant, daß Sie es wagen, einen Antrag einzubringen, den Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit abzusenken, nachdem Herr Waigel, der vorhin noch im Plenum saß, als Finanzminister in seinem Entwurf für den Haushalt 1999 diesen Zuschuß auf 11 Milliarden DM - also auf denselben Betrag, den wir jetzt einstellen - festgesetzt hatte. ({1}) Wir haben den Zahlen Ihres Herrn Waigel offensichtlich mehr Glauben geschenkt als Sie selbst. Das ist der erste Beweis dafür, daß dieser Änderungsantrag von Ihnen wirklich nicht ernst gemeint sein kann. Er gewinnt auch dann nicht an Glaubwürdigkeit, wenn man sich einmal ansieht, was im letzten Jahr wirklich gewesen ist. Wir haben hier schon mehrmals über die Aufblähung von Mitteln für Maßnahmen zur Strukturanpassung und anderen Maßnahmen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik gesprochen. Genau diese vielumstrittenen Strukturanpassungsmaßnahmen wurden von 1997 auf 1998 verdoppelt. Der Grund dafür war die Wahl im September. Wir haben diese Strukturanpassungsmittel jetzt sogar von 4,6 Milliarden DM im letzten Jahr auf 5,5 Milliarden DM in diesem Jahr erhöhen müssen. Das ist notwendig geworden, weil Sie durch diese Aufblähung im letzten Jahr eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, die jetzt fortgesetzt werden mußten; zum Beispiel dauert eine Weiterbildung gut und gerne anderthalb Jahre. Sie müssen davon ausgehen, daß sie im Prinzip für zwei Jahre finanziert werden muß. Wir müssen das fortsetzen, was Sie aus Gründen des Wahlkampfes angefangen haben. Trotzdem müssen wir auch noch eigene Akzente, zum Beispiel in den fünf neuen Bundesländern, setzen. Und Sie kommen daher und beantragen, den Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit abzusenken.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fuchtel?

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber sicher.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Hermenau, nachdem Sie uns das alles so schön vorgerechnet haben, frage ich Sie, ob Sie uns einmal sagen können, wie der Haushalt 1998 hinsichtlich des Bundeszuschusses abgeschlossen hat.

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben recht, er lag darunter. Er hat die 11 Milliarden DM nicht ausgeschöpft. ({0}) - Dann lesen Sie es doch nach! Ich glaube, es waren 4,3 Milliarden DM. ({1}) - Gut, dann wissen Sie es besser als ich. ({2}) - Herr Fuchtel, es ist Ihnen gelungen, mich dabei zu erwischen, daß ich eine Zahl nicht präsent hatte. Das haben Sie geschafft. Aber das ändert nichts daran, daß Ihre Argumentation nicht stimmt. Das ändert nichts daran, daß Sie nach einer Soll-Zahl aus dem letzten Jahr gefragt haben. Sie haben versucht, davon abzulenken, daß Sie selbst für 1999 einen Zuschuß in Höhe von 11 Milliarden DM erwartet haben. Darum geht es eigentlich. ({3}) - Doch, natürlich geht es darum.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Lassen Sie eine zweite Zwischenfrage zu?

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich glaube, Herr Fuchtel kann die Zahlentests erledigen, indem er selber einfach nachliest. Es reicht jetzt. ({0}) Gehen wir doch einmal auf Ihre tollen Änderungsanträge ein, von denen Sie hier gesprochen haben. Sie können sich jetzt daran berauschen, daß ich eine Zahl nicht im Kopf gehabt habe. Wenn das alles ist, was Sie zu bieten haben, dann werden wir die Diskussion nicht fortführen können. ({1}) - Das ist doch nicht wahr. Die Zahlen stimmen alle. Sie haben gewußt, daß es einen Deckungsvermerk gibt. Das heißt: Ihr Antrag auf Kürzung der Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit ist unsinnig, weil man, wenn es notwendig ist, einen Deckungsvermerk zur Arbeitslosenhilfe und einen Deckungsvermerk zu den Strukturanpassungsmitteln hat. Alles ist finanztechnisch untereinander beweglich. Es ist nicht nötig, Einzelanträge zu Kürzungen oder Hebungen einzubringen und Testfragen zu Zahlen zu stellen. Die Bundesanstalt für Arbeit ist selbst in der Lage, mit all den Finanzmitteln, die wir zur Verfügung gestellt haben, zu manövrieren und sich den Gegebenheiten anzupassen. So einfach ist das. Aber damit Sie in Ihren Wahlkreisen behaupten können, gekämpft zu haben, stellen Sie im Parlament diese Anträge, die Sie selber öffentlich nicht verteidigen. ({2}) Sehen wir uns doch einmal - ich habe Frau Schwaetzer aufmerksam zugehört - ernsthaft an, welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente wirklich etwas bringen. Ich bin in der letzten Woche durch die fünf neuen Länder gereist. Wir haben uns zum Beispiel auch über die Strukturanpassungsmaßnahmen unterhalten. Was stellte sich dabei heraus? Es gibt einen hohen Zuspruch für die Lohnkostenzuschüsse. Das kann ich bei einem Maximalzuschuß von über 2 000 DM im Monat gut verstehen. Als Unternehmer würde ich genauso handeln. Hier aber wird dann darüber geredet, daß es Mitnahmeeffekte immer nur auf der Arbeitnehmerseite gebe, daß bei den Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern immer Mitnahmeeffekte auftreten würden. ({3}) Schauen wir uns einmal das „Jump-Programm“ an, in dem auch eine Maßnahme mit Lohnkostenzuschüssen vorgesehen ist. Diese fallen aber niedriger aus, weil der Lohnkostenzuschuß für einen jungen Menschen, den man im Betrieb einstellt, niedriger liegt als der für einen Erwachsenen. Was geschieht? Die Unternehmer nehmen natürlich den höheren Lohnkostenzuschuß und scheren sich einen Teufel darum, daß sie einem jungen Menschen eine Chance geben könnten; für ihn bekämen sie ja weniger Geld. Wir haben uns danach bei den Industrie- und Handelskammern, bei den Handwerkskammern und nicht bei den Arbeitsämtern erkundigt. Das sollte Ihnen zu denken geben. ({4}) Sie bauen hier eine Chimäre auf, indem Sie so tun, als ob Lohnkostenzuschüsse das A und O in der Arbeitsmarktpolitik seien. Das sind sie aber offensichtlich dann nicht mehr, wenn die Subvention nicht hoch genug ausfällt. Es wäre ehrlich, in dieser Debatte zuzugeben, daß es Mitnahmeeffekte auf beiden Seiten gibt. Jeder Mensch versucht, so gut wie möglich mit seinem Leben klarzukommen. Das versuchen die Arbeitslosenhilfeempfänger genauso wie die Unternehmer, die den Lohnkostenzuschuß in Anspruch nehmen. ({5}) Wir können uns vielleicht auf folgenden Satz einigen: Mitnahmeeffekte treten automatisch auf, wenn öffentliche Gelder verausgabt werden. Damit wäre die Debatte für mich im Prinzip beendet. Sie aber beharren darauf, den Lohnkostenzuschuß zu ideologisieren. Sie haben den Lohnkostenzuschuß in einer Art und Weise hochstilisiert, daß man darüber fast nicht mehr debattieren kann. Ich gehe jetzt noch einmal auf die Notwendigkeit ein, die Strukturanpassungsmaßnahmen enger zu schnüren. Sie haben die Strukturanpassungsmaßnahmen im letzten Jahr allen möglichen Altersgruppen zugänglich gemacht. Wir wollen sie wieder auf Zielgruppen beschränken. Das halte ich für einen völlig logischen Vorgang. ({6}) Die Arbeitsämter nennen Ihnen, wenn Sie sich dort umhören und fragen, welche Zielgruppen das sein könnten, aus gutem Grunde die Langzeitarbeitslosen. Natürlich ist es für einen Unternehmer interessant, wenn er zu einem Maximalzuschuß von 2 000 DM einen jungen Menschen einstellen könnte, den er wahrscheinlich sowieso genommen hätte; so kann er auch noch Geld mitnehmen. Aber einen älteren Langzeitarbeitslosen einzustellen, für den diese 2 000 DM Lohnkostenzuschuß eigentlich gedacht sind, würde ihm dann im Traume nicht mehr einfallen. Doch solche Wirkungen sollten wir mit unseren Diskussionen über Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik eigentlich erreichen. ({7}) Wir sprachen ja gerade schon über „Jump“, das Programm für junge Leute. Ich kann mir gut vorstellen, Herr Riester, daß wir vielleicht am Ende dieses Jahres oder am Anfang des nächsten Jahres darüber sprechen, ob nicht vielleicht einige Maßnahmen, die sich in „Jump“ bewährt haben, Aufnahme in den normalen Maßnahmenkatalog der Bundesanstalt für Arbeit finden können. Ich gehe nämlich davon aus, daß sich einige der Instrumente als sehr wirksam erweisen werden. ({8}) Das ist nicht bei allen so, aber es geht ja auch nicht um den gesamten Katalog dieses Programmes. Das Schöne an dem Programm ist, daß man viele Maßnahmen zum selben Zeitpunkt ausprobieren und danach feststellen kann, welche wirklich etwas taugen und welche nicht. Auf dieses Sortieren freue ich mich. Vielleicht können wir uns auch einmal darüber unterhalten - die entsprechende Diskussion hat Frau Schwaetzer eben angefangen -, um welche Art von Maßnahmen es sich handeln soll. Sie haben davon gesprochen, die auf drei Monate befristeten Maßnahmen würden nicht viel bringen. Man muß sich aber erst einmal klarmachen, welches Ziel eine bestimmte Art von Maßnahme hat. Mir haben Vertreter der Industrieund Handelskammern gesagt, sie seien sehr froh über kurzfristige Trainee- und Qualifizierungsprogramme, die dafür sorgen, daß jemand, der fast die richtige Qualifikation hat, noch genau die Zusatzqualifikation bekommt, die der Betrieb braucht, um ihn doch noch zu nehmen. Insofern sollte man vorsichtig sein, wenn man Programme nach der Zeitdauer beurteilt. Es geht wirklich um die Möglichkeiten, die hinterher für den einzelnen Jugendlichen daraus erwachsen. Wir haben eine ganze Reihe von falsch ausgebildeten oder nicht ganz vollständig ausgebildeten Jugendlichen. Hier Ergänzungen vorzunehmen und sich damit den Bewegungen des Arbeitsmarktes anzupassen halte ich für einen großen Fortschritt; dadurch könnte den jungen Leuten sehr geholfen werden. ({9}) In diesem Zusammenhang können wir vielleicht auch noch einmal über die Lohnkostenzuschüsse im Rahmen des Jump-Programmes sprechen. Sie fallen nun einmal niedriger aus als die aus dem normalen Maßnahmenkatalog der Bundesanstalt für Arbeit. Ich persönlich würde mir wünschen, daß die Unternehmer diesem Programm mehr Aufmerksamkeit schenken und sich dieses Programmes bewußt werden. Ich habe mich über den zögerlichen Abfluß der Gelder für die Einzelmaßnahme Lohnkostenzuschuß aus dem Jump-Programm für junge Leute sehr gewundert. Ich war ärgerlich darüber. Mir wurde von seiten der Vertreter der Industrie- und Handelskammern und anderen immer wieder versichert, man werde wahrscheinlich im Laufe dieses Jahres noch etwas mehr Gelder abrufen. Es gibt auch Arbeitsämter, die sich gedacht haben: Vielleicht wachen die Unternehmer im Sommer auf, falls dann zum Beispiel - dafür bin ich Ihnen dankbar, Herr Riester - die Zielgruppenorientierung bei den normalen Strukturanpassungsmitteln und damit den Lohnkostenzuschüssen greift. Damit hätten wir es dann geschafft, daß Langzeitarbeitslose wieder am meisten davon profitieren. Dann werden die Lohnkostenzuschüsse für junge Leute im Jump-Programm für die Unternehmer wieder interessant; denn auch die Unternehmer strecken sich natürlich immer nach dem dicksten Brocken, der ihnen vor der Nase baumelt, und das ist dann im Sommer wahrscheinlich das JumpProgramm. Schönen Dank. ({10})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Fuchtel das Wort. ({0})

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Hermenau, bitte sehen Sie mir nach, daß ich Sie vor dem Plenum des Deutschen Bundestages nach einer einzelnen Zahl gefragt habe. Eine solche Frage ist sicher sehr schwierig zu beantworten - das weiß jeder hier im Raum -, aber damit müssen Sie rechnen, wenn Sie Änderungsanträge der CDU/CSU so billig abqualifizieren. Zur Erläuterung möchte ich Ihnen noch sagen: Im letzten Jahr hatten wir einen Bedarf von 7,7 Milliarden DM. Nach einer Prognose der Bundesregierung soll die Zahl der Arbeitslosen um 200 000 zurückgehen. ({0}) Frau Kollegin Ulla Schmidt hat uns letzthin im Plenum vorgerechnet, daß 100 000 Arbeitslose Ausgaben in Höhe von 4 Milliarden DM bedeuteten. ({1}) Wenn das stimmt - wir rechnen allgemein so -, dann sind zweimal 4 Milliarden DM 8 Milliarden DM. Damit liegt der Zuschußbedarf unter null Mark, wenn man die 7,7 Milliarden DM des letzten Jahres zugrunde legt. Sie aber stellen hier wieder 11 Milliarden DM ein, und aus dem Grund ist das Ganze überzogen. Wenn ich dann noch davon ausgehe, daß ein Rückgang der Arbeitslosenzahlen um 200 000 auf Grund demographischer Faktoren noch dadurch ergänzt wird - wie die Bundesregierung angekündigt hat -, daß tatsächlich mehr Arbeitsplätze entstehen sollen, sich also die Arbeitslosenzahl um mindestens weitere 100 000 verringert, dann haben wir noch einmal 4 Milliarden DM Einsparung. Das wären insgesamt 12 Milliarden DM Einsparung. Das heißt, die von uns gestellten Anträge wären absolut der richtige Weg. Ich bitte, das ernst zu nehmen. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie antworten? ({0})

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Fuchtel, Sie schwanken immer zwischen dem Zahlenspiel auf der einen Seite und den ideologischen Debatten, die wir führen, auf der anderen Seite. Sie haben den Begriff der ideologischen Debatte in diese Auseinandersetzung eingeführt. Wissen Sie, das Problem ist folgendes: Man kann natürlich einerseits, wie Sie das gemacht haben, diese Zahlenanträge vorlegen. Auf der anderen Seite steht jedoch die Frage, was als Überzeugung dahintersteht. Wir haben uns im Ausschuß mehrmals darüber unterhalten, wir haben mehrmals darüber gestritten, was als wichtig zu erachten ist und was nicht. Sie haben die Auffassung, daß es den zweiten Arbeitsmarkt eigentlich nicht geben dürfte. Wir teilen diese Auffassung insofern, als wir sagen, es wäre natürlich besser, wenn der erste Arbeitsmarkt das alles schaffen würde. Aber so ist es nicht. Sie haben jetzt wieder versucht, über den Daumen gepeilt vorzurechnen, was eventuell eintreten wird. Sie wissen ganz genau, daß der Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit ein Schätztitel ist. Das heißt, man geht davon aus, es könnte so oder anders kommen. Ich habe Ihnen gerade vorhin in der Debatte noch einmal erklärt, was alles aus dem Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit bezahlt werden soll und kann, unter anderem das, was Sie erhöhen wollen, nämlich die Mittel für die Strukturanpassungsmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund ist auch ein erhöhter Ansatz gerechtfertigt. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Dr. Heidi Knake-Werner.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir alle hier im Haus wissen, daß es bei dem Regierungswechsel im vergangenen September in allererster Linie um eine neue Politik für mehr Arbeitsplätze ging, und daran wollen Sie sich ja auch messen lassen. Nun kann man natürlich nicht erwarten, daß in knapp sieben Monaten die vielbeschworene Wende auf dem Arbeitsmarkt bereits erreicht ist. Doch mit einer Art Kurswechsel darf man wohl nach sieben Monaten rechnen. Ich muß Ihnen deshalb sagen: Für eine Regierung mit Ihren Ansprüchen ist Ihr erster Haushalt leider ein grob enttäuschendes Dokument. ({0}) Selbst wenn ich in Rechnung stelle, daß die von Ihnen übernommene Erblast groß ist, daß in diesem Land über 7 Millionen Arbeitsplätze fehlen, daß in den vergangenen Jahren massenhaft Vollzeitarbeitsplätze in versicherungsfreie Billigjobs und Scheinselbständigkeit verwandelt wurden, selbst wenn ich weiß, daß den sozialen Sicherungssystemen die Finanzierungsgrundlage mehr und mehr entzogen wurde und in diesem Bereich sofort Abhilfe nötig ist, muß ich Ihnen doch ganz offen sagen: Sie müssen endlich aufhören, im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ dringend notwendige Sofortmaßnahmen für mehr Arbeitsplätze auf irgendwann zu vertagen. So werden Sie dieses Problem nicht lösen. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, eine erste Bilanz Ihrer Arbeit zeigt, daß Sie beim Abbau der Massenarbeitslosigkeit nicht so richtig vorankommen. Wenn ich Ihnen zuhöre, muß ich fürchten, daß Ihnen dafür einfach die neuen Ideen fehlen. Wo bitte schön unterscheiden sich Ihre Rezepte von denen der Vorgängerregierung, wenn Sie gebetsmühlenartig wiederholen, daß Arbeit billiger gemacht und Unternehmensteuern gesenkt werden müssen, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen? Nachdem dieser neoliberale Quark seit 16 Jahren ohne Erfolg breitgetreten worden war, haben wir erwartet, daß Sie nun endlich innovativ sind und die Weichen neu stellen. Aber bisher leider Fehlanzeige. ({2}) Wer heute immer noch der Theorie anhängt, daß niedrige Löhne und großzügige Steuergeschenke Arbeitsplätze schaffen, der wende seinen Blick nach Ostdeutschland. Wenn es nicht so zynisch wäre, müßte man Sie darauf hinweisen, daß sich diese Theorie dort in einem gigantischen Feldversuch gründlich blamiert hat. Wenn Billiglöhne und Steuergeschenke Arbeitsplätze schaffen würden, müßten sich die neuen Länder längst zum Vollbeschäftigungsparadies entwickelt haben. Aber Sie wissen selbst, was sich dort abspielt. ({3}) Wenn ich jetzt lese, daß für die Juni-Sitzung des „Bündnisses für Arbeit“ Vereinbarungen zur Schaffung von Niedriglohnbereichen und Kombilohnmodellen angekündigt werden, dann sage ich Ihnen: Das ist nicht innovativ; das sind die alten Hüte aus der neoliberalen Mottenkiste von vorgestern. ({4}) - Meinetwegen auch von gestern. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, wer Arbeitslosigkeit bewältigen und die Sozialsysteme armutsfest machen will, muß mit seiner Politik an den strukturellen Ursachen der Arbeitslosigkeit ansetzen und dafür zukunftsfähige Konzepte entwickeln. ({5}) Deshalb erwarten wir Initiativen zur Umverteilung der vorhandenen Arbeit, zum Abbau der Überstunden, zur radikalen Arbeitszeitverkürzung oder zu akzeptablen Teilzeitmodellen und Initiativen für neue Arbeit, zum Beispiel in einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Vorschläge dazu sind massenhaft vorhanden. Auch von Ihnen - aber vor allen Dingen von uns - gibt es Vorschläge. Wir haben gar nichts dagegen, wenn Sie diesbezüglich ein paar Anleihen bei uns machen. ({6}) Zum Einzelplan 11 des Arbeitsministers. Er ist in der Tat ein kleiner Lichtblick im Konzert der gesamten Haushaltsberatung; das geben wir gerne zu. Die Regierungskoalition will die aktive Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau verstetigen. Mit Mehrausgaben von über 6 Milliarden DM soll dazu beigetragen werden, daß junge Menschen endlich bessere Chancen für Ausbildung und Arbeit bekommen. Daß das auch für die nächsten Jahre notwendig sein wird, ist hoffentlich auch Ihnen klar. Wir finden es richtig, daß Sie durch Einstellen von Sachkostenzuschußmitteln an die Träger die ABMStrukturen in Ostdeutschland sichern wollen. Wenn Sie dies nicht nur kurzatmig, sondern langfristig angehen, werden Sie auch in diesem Bereich unsere Unterstützung finden. ({7}) Schließlich folgen wir auch Ihren Vorstellungen bei der Aufstockung von Strukturanpassungsmaßnahmen und anderen Eingliederungsmaßnahmen. Daß deshalb die Bundesanstalt für Arbeit auch in diesem Jahr - trotz leicht rückläufiger Arbeitslosenzahlen, die im übrigen nicht Ihr Verdienst sind, was man inzwischen überall nachlesen kann - mit einem Zuschuß von 11 Milliarden DM rechnen kann, geht unserer Auffassung nach völlig in Ordnung. Kann es doch damit erstmals gelingen, daß passive Kosten der Arbeitslosigkeit gedrosselt werden und endlich Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert wird, wie wir es hier seit langem fordern. ({8}) Genau deshalb lehnen wir die Kürzungsanträge von CDU/CSU und F.D.P. ab. ({9}) Meine Damen und Herren von der Regierung, auch in der Arbeitsmarktpolitik setzen wir uns für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung tarifrechtlicher und sozialer Standards ein. Deswegen halten wir bestimmte Instrumente der Arbeitsmarktpolitik für absolut förderungsunwürdig. Dies gilt insbesondere für die völlig sinnlose private Arbeitsvermittlung und für Projekte der Arbeitnehmerhilfe. Was soll denn hier passieren? Damit läuft man sich doch nur für Kombilohnmodelle auf äußerst niedrigem Niveau warm. Das lehnen wir ab. ({10}) Wir schlagen statt dessen vor, daß diese Ansätze gekürzt und die Mittel für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik frei gemacht werden, zugunsten eines dritten Sektors, eines Non-profit-Sektors - zwischen privater Wirtschaft und öffentlichem Dienst im ersten Arbeitsmarkt -, der nicht nur massenhaft tarifvertraglich bezahlte Arbeitsplätze sichert und somit existenzsichernd wirkt, sondern auch dazu führt, daß Projekte entstehen, mit deren Hilfe viele Aufgaben im sozialen, im kulturellen und im ökologischen Bereich erledigt, die Lebensbedingungen der Menschen verbessert und die Zukunftsfähigkeit dieser Gesellschaft insgesamt gesichert werden können. In unserem Änderungsantrag haben wir dafür ein ganz konkretes Projekt vorgeschlagen: ein Modellprojekt zur integrierten Berufsausbildung von jungen rußland- und kasachstandeutschen ausländischen und hier geborenen Jugendlichen. Soviel zu diesem Haushaltsplan. Ich weiß, daß die Opposition auf der Rechten die Diskussion auf die 630Mark-Jobs und die Scheinselbständigkeit konzentrieren will. Auch wir waren gegen das Gesetz zu den 630Mark-Jobs. Es gibt sicherlich vieles in diesem Bereich, was man besser machen könnte. Aber wenn Sie oder die Hombachs und Clements das in die Hand bekommen, dann wird nichts besser. ({11}) Dann wird sich für diejenigen, die den größten Schutz in dieser Gesellschaft benötigen, nichts verändern. Lassen Sie mich bitte einen letzten Satz sagen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin, Sie haben Ihre Redezeit schon um einiges überschritten.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Zum Abschluß nur eine ganz persönliche Bemerkung: Vieles von dem, worüber wir uns hier die Köpfe heißreden, hat vielleicht schon bald keinen Bestand mehr. Jeder Tag, um den der Krieg in Jugoslawien verlängert wird, schafft neues menschliches Leid und kostet Unsummen von Geld. Wenn dieser Krieg einmal zu Ende ist, wenn Sie den Mut haben, die Bombardierung zu stoppen, dann wird nichts mehr so sein wie vorher. Unter diesem Eindruck, so muß ich offen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, fällt es mir sehr schwer, über Haushaltsansätze und Kostenstellen zu diskutieren. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Hermann Kues.

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist, so glaube ich, gut und ganz normal, daß man im Zuge einer Haushaltsdebatte über die Grundfragen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik diskutiert. Ich könnte es mir hier ganz einfach machen und lediglich das vortragen, was die Zeitungen in Deutschland an Schlagzeilen liefern. Ich glaube, die Widersprüche innerhalb der Regierungskoalition könnten nicht deutlicher, die Kritik an der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik dieser Regierung könnte nicht härter ausfallen. ({0}) In der „Zeit“ etwa lautet eine Überschrift: „Solo für Riester“. In diesem Stile sind fast alle Überschriften. Als der Bundeskanzler hier gestern redete, dachte ich zunächst, er werde zu den Gesetzen über die 630-MarkJobs und die Scheinselbständigkeit etwas ganz Neues sagen. Er hat uns erklärt, wie das alles zusammenhängt. Normalerweise überlegt man das, bevor man ein Gesetz auf den Weg bringt. Ich habe Sie beobachtet, Herr Minister Riester, und gedacht, daß Sie mir ein bißchen leid tun. Denn das große Problem in Ihrer Regierung derzeit ist doch, daß zwischen Regierung und Fraktionen, aber auch zwischen Arbeitsministerium und Kanzleramt sowie zwischen Arbeitsminister und Kanzler der Kurs jeweils verschieden ist, daß Überlegungen, die angestellt werden, schon am nächsten Tag wieder überholt sind. So kann man keine sachgerechte Politik machen. ({1}) Sie sollten sich auch überlegen, ob es richtig war, wie Sie am 1. Mai argumentiert haben; denn Sie haben versucht, die Ursache dafür, daß es in breiten Schichten der Bevölkerung große Unruhe gibt, uns bzw. irgendwelchen gesellschaftlichen Gruppen in die Schuhe zu schieben. Das liegt doch entscheidend daran, daß Sie Gesetze verabschieden und Diskussionen führen, die an der Realität vorbeigehen. Sie haben die Sensibilität für die Probleme der Menschen in Deutschland verloren. ({2}) Es ist schlimm, wie Sie Gesetze machen. Aber bisher haben Sie ja nur relativ einfache Dinge geregelt, zum Beispiel die 630-Mark-Jobs und die Scheinselbständigkeit. Wenn ich an die von Ihnen angekündigte große Rentenreform denke, dann wird mir angst und bange. ({3}) Ich erinnere daran, daß der Bundeskanzler - das war zugegebenermaßen vor Weihnachten - gesagt hat: Alle können ab dem 60. Lebensjahr ohne Abschläge in Rente gehen. Es ist mittlerweile bekannt, daß das schlichtweg gelogen war. Mir wird wirklich angst und bange bei dem Gedanken, wie es weitergehen wird. Schlimm sind die Gesetze und deren Auswirkungen. Noch viel schlimmer aber ist die Art und Weise, wie Sie mit den Menschen in Deutschland umspringen. ({4}) Ich will hier noch etwas ganz Aktuelles ansprechen - man kann jeden Morgen solche Beispiele in den Zeitungen finden -: Heute morgen, nicht am Wochenende, hat der Ministerpräsident von Niedersachsen, Herr Glogowski - Sie können meinetwegen sagen, er sei unwichtig; aber er ist immerhin Ministerpräsident -, gesagt, daß von den Regelungen zu den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen einige Gruppen ausgenommen werden sollen. Ich lese Ihnen seine Ausführungen einmal vor - Ihnen wird das sowieso irgendwann mitgeteilt -: Von der eingeführten Steuer- und Sozialabgabenpflicht sollen Zeitungsträger, Chorleiter und Übungsleiter von Sportvereinen ausgenommen werden. - Er hat also alle Gruppen genannt, die sich in letzter Zeit beklagt haben. Eine Gruppe allerdings hat er vergessen: die Pizzaboten. Ich vermag nicht einzusehen, warum derjenige, der morgens Zeitungen austrägt, anders behandelt werden soll, als der, der abends Pizzen ausfährt. Ich finde, da müßte eine Gleichbehandlung erfolgen. ({5}) Ich halte es schon für ein starkes Stück, wie Sie mit den Sorgen der Menschen spielen. Der Bundeskanzler stellt sich nun hierhin - ich habe bei seiner Rede gestern auch in Ihre Gesichter gesehen, meine Damen und Herren von der SPD; da war große Betroffenheit zu erkennen - und tut so, als würden ihn die Gesetze überhaupt nichts angehen. Drei Monate lang hat man Gesetze verabschiedet, und die nächsten drei bis vier Monate ist man damit beschäftigt, diese wieder zu korrigieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Kues, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Andres?

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sofort. - Das ist auch der Grund, weshalb ich gesagt habe, daß Sie, Herr Minister Riester, mir in gewisser Weise sogar leid tun können. Bitte schön.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Andres. ({0})

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kues, Sie haben eine tolle Anregung gegeben und damit faktisch das Argument dafür geliefert, daß man überhaupt keine Ausnahmen machen darf. ({0}) Wenn Sie nämlich sagen, wer für den Zeitungsboten eine Ausnahme vorsehen wolle, müsse das dann auch bei dem Pizzaboten tun, und mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz argumentieren, dann ist völlig klar, daß man eigentlich überhaupt keine Ausnahmen machen darf. Ansonsten liegt dieses Problem wieder ungeregelt auf dem Tisch. Sehen Sie das so oder nicht? ({1})

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich sehe das nicht so. Im übrigen: Auch Sie kennen doch die Umfrageergebnisse der Institute, die besagen, daß die Masse Ihrer Anhänger - ich glaube, über 80 Prozent -, sowohl bei der SPD als auch bei den Grünen, dies genauso sehen wie ich. Diese nämlich sagen, daß ein in sich schlüssiges Konzept für den gesamten Niedriglohnsektor vorgelegt werden muß, damit sich die Arbeit in Deutschland lohnt. Sie aber bestrafen diejenigen, die arbeiten wollen. ({0}) Insofern sehe ich das nicht so wie Sie. ({1}) - Jetzt will ich zunächst einmal weiterreden, Herr Präsident. Herr Riester, mir fällt noch eine Sache ein: Als ich Sie gestern dort sitzen sah, hatten Sie einen Gesichtsausdruck wie ein Schrankenwärter, dem man vergessen hat zu sagen, daß die Strecke, an der er arbeitet, längst geschlossen ist. ({2}) Sie haben vor einiger Zeit in einem Interview gesagt: „Die Realität frißt sich durch die Systeme der Sozialversicherung.“ Ich habe eher das Gefühl, daß sich die Realität durch Ihre Regierungsarbeit frißt. Das hat etwas damit zu tun, daß Sie von einer Arbeitsgesellschaft ausgehen, die heute einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Sie haben übersehen, daß sich mittlerweile viel Flexibilität breitgemacht hat und daß sich die Selbständigkeit so entwickelt hat, daß nun Menschen, die bislang nicht dazwischengekommen sind, versuchen, auf ihre Art und Weise dazwischenzukommen, um arbeiten zu können. Das ist die Wirklichkeit, und das übersehen Sie. Sie machen eine rückwärtsgewandte Politik mit dem Leitbild einer Arbeitsgesellschaft, das der Realität nicht mehr entspricht. ({3}) Das Ziel, das Sie ursprünglich im Auge hatten, nämlich Arbeitslosigkeit abzubauen und Beschäftigung aufzubauen, haben Sie nicht erreicht. Der Bundeskanzler hat gestern versucht, mit Zahlen zu jonglieren, ebenso Herr Schwanhold heute morgen. Zwei Zahlen stimmen: 360 000 Arbeitsplätze sind verlorengegangen, seitdem Sie an der Regierung sind, und wir haben 320 000 Arbeitslose mehr; das ist ein Faktum. Ich sage Ihnen noch etwas, weil über ABMaßnahmen diskutiert wurde: Sie haben behauptet, wir hätten das alles im Wahlkampf angeschoben. Der Bestand an Beschäftigten in AB-Maßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen ist im Vergleich zum Vorjahr um 300 000 gestiegen. Das ist die Wirklichkeit. Ich sage Ihnen auch noch etwas zu Ihrem Programm für 100 000 arbeitslose Jugendliche: Dadurch wird die Statistik um weitere 50 000 Arbeitslose bereinigt. Es wird klar, was Sie vorhaben: Sie wollen sich mit dem Geld und auf Kosten von Beitrags- und Steuerzahlern statistische Erfolge anrechnen lassen. ({4}) Dazu paßt auch ein Interview mit dem „Stern“, in dem Sie kürzlich bemerkt haben: Noch nie hat eine Regierung die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik so massiv mit Geld unterstützt. Das ist ein großes Problem. Wer glaubt, daß man die Probleme heute dadurch lösen kann, daß man mehr Geld ausgibt, ohne Strukturen zu ändern, der ist auf dem Holzweg. Mehr Geld für soziale Leistungen gleich mehr soziale Gerechtigkeit gleich Abbau von Arbeitslosigkeit - diese Rechnung geht in Deutschland immer weniger auf; das weiß jeder. ({5}) Ich will aber auf den Ausgangspunkt zurückkommen und darstellen, weshalb wir diese Probleme eigentlich haben. ({6}) - Das Argument zählt immer weniger; das wissen Sie auch. - Sie haben im Wahlkampf ein kleines Kärtchen verteilt, auf dem zehn Punkte aufgezählt waren, die Sie umsetzen wollten. Das haben Sie auch gemacht. Die Zuzahlung für Arzneimittel haben Sie aber nicht, wie versprochen, abgeschafft, sondern Sie haben Sie reduziert. Sie haben in der Rente Korrekturen angebracht ({7}) - ja, Sie können ruhig klatschen - und dabei den Rentnerinnen und Rentnern etwas vorgemacht: Sie haben so getan, als könne alles so weitergehen, obwohl Sie genau wissen, daß das nicht geht. Jetzt brauchen Sie Geld, weil es in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung natürlich Lücken gibt. Dieses Geld versuchen Sie jetzt durch gesetzliche Schnellschüsse den kleinen Leuten aus der Tasche zu ziehen. Das ist die Wahrheit. ({8}) Im Mittelpunkt Ihrer Politik steht der Versuch, die Menschen vor allem zu bewahren, was auch nur im entferntesten an Beschwerlichkeit oder an Zumutung erinnern könnte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Kues, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brandner?

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, das möchte ich jetzt nicht mehr, weil ich zum Ende kommen möchte. Sie reden allen Menschen nach dem Munde. Jetzt werden die Kosten deutlich, und Sie präsentieren den Menschen die Rechnung. Deswegen sage ich: Ihre Politik ist - subjektiv ist das vielleicht nicht gewollt - im Ergebnis ungerecht und unsozial. ({0}) Das Programm für 100 000 arbeitslose Jugendliche ist verschiedentlich angesprochen worden. Es trifft aber nicht diejenigen, denen geholfen werden muß, nämlich das große Heer der Ungelernten, die keine Chance haben dazwischenzukommen. Ich nenne Ihnen einmal die Zahlen derjenigen, die in den Projekten sind: 42 Prozent haben mittlere Reife oder Abitur; 45 Prozent haben einen Hauptschulabschluß; 15 Prozent sind ungelernt; 35 000 befinden sich in kurzfristigen Trainingsmaßnahmen, was beispielsweise das Einüben des Fliegens mit einem Gleitschirm umfaßt. Das ergibt sich aus den Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Arbeit. Wenn ich das einmal bilanziere, dann muß ich feststellen: Da ist mit großem Bohei ein Programm aufgelegt worden, mit dem aber nicht denjenigen geholfen wird, die wirklich Hilfe benötigen. Was Sie dort betreiben, ist im Grunde genommen Effekthascherei. Die Menschen werden sehr bald feststellen, wie es sich tatsächlich verhält. ({1}) Die Bilanz der Regierung Schröder auf dem Arbeitsmarkt und in der Sozialpolitik ist verheerend. ({2}) Das ist nicht das Ergebnis handwerklicher Fehler. Das hat vielmehr damit etwas zu tun, daß die ganze Richtung nicht stimmt. Herr Riester, Sie sind auf dem Holzweg. Wenn Sie sich selbst eine zweite Chance geben wollen, dann kehren Sie um! ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Ewald Schurer.

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst noch ein Wort zu Herrn Kues von der Union: Sie gebärden sich hier wie ein Dieb in der Nacht, der am nächsten Tag die Ermittlungen über seine Schandtat selbst führen möchte. Dem, was Sie hier zum 630-Mark-Gesetz gesagt haben, wird Minister Riester sicherlich fundiert und dezidiert entgegentreten. Ich möchte auf das 100 000-Jobs-Programm für Jugendliche zu sprechen kommen. Im Oktober 1998 waren knapp 428 000 Jugendliche unter 25 Jahren ohne Arbeit. Das entsprach einer Quote von fast 11 Prozent. Von Januar bis Oktober 1998 waren davon im Durchschnitt sogar 476 000 junge Menschen betroffen. Vor diesem Hintergrund hatte das neue Bundeskabinett schon am 25. November 1998 die Eckpunkte des Programms für den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und für die Ausbildung und Qualifizierung Jugendlicher gebilligt. 1999 werden 2 Milliarden DM zur Verfügung gestellt, davon 600 Millionen DM aus dem Europäischen Sozialfonds. Das Sofortprogramm richtet sich wie es auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition sicherlich schon mitbekommen haben -, an junge Menschen bis 25 Jahre, um den Betroffenen ein Angebot zu unterbreiten, noch bevor sie - das ist wichtig - ein halbes Jahr arbeitslos sind. Ein wesentliches Merkmal dieses Programms ist es also, daß man die Arbeitslosigkeit frühzeitig durch positive Akzente durchbrechen möchte. ({0}) Die Folgen von Jugendarbeitslosigkeit und fehlender Ausbildung sind in dieser Gesellschaft offenkundig. Die Identifikation junger Menschen mit wichtigen gesellschaftlichen und sozialen Werten ist ganz wesentlich mit ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen und damit natürlich am wirtschaftlichen Prozeß verbunden. Die Entfaltung der Persönlichkeit junger Frauen und junger Männer benötigt ganz unverzichtbar positive Aspekte von Ausbildung und Beschäftigung. ({1}) Langfristig arbeitslose Jugendliche resignieren, verlieren ihre Selbstsicherheit, ihr inneres Gleichgewicht sowie ihre gesellschaftliche und persönliche Orientierung. Dies ist eine große Vernichtung von wichtigen gesellschaftlichen Ressourcen, die wir nicht hinnehmen können. ({2}) Das darauffolgende Abrutschen in entsprechende Milieus - in Ostdeutschland sind sehr viele Jugendliche in eine rechtsradikale Subkultur geraten - ist nicht hinnehmbar, ({3}) mittlerweile aber bei uns in Deutschland - auch in Regionen, die nicht strukturell benachteiligt sind - zum Teil schon zur gesellschaftlichen Realität geworden. Also benötigen gerade junge Menschen Perspektiven in Beruf und Bildung. ({4}) Nicht vergessen sollten wir die demographische Entwicklung in dieser Gesellschaft. Wir brauchen diese jungen Menschen, um sie in unsere tragenden Sozialsysteme, die auf Leistung und Gegenleistung beruhen, einbinden zu können. Dies ist eine ganz wichtige Voraussetzung für den Fortbestand dieser Gesellschaft und seiner sozialstaatlichen Systeme. ({5}) Das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit besteht aus zwei Teilen: Erstens werden Angebote für ausbildungssuchende Jugendliche gemacht, und zweitens geht es um Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen für arbeitslose Jugendliche. So heißt es in der Broschüre der Bundesanstalt für Arbeit wörtlich - hören Sie zu, das ist auch für Sie sehr wichtig -: Sie sind dabei, wenn Sie keine oder nur eine unzureichende Ausbildung haben, und wenn Sie bei Beginn der Maßnahme das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben … oder wenn Sie keinen Job haben. Das sind die elementaren Voraussetzungen zur Teilnahme an diesem Programm. Verschiedene Chancen werden diesen Jugendlichen seit Januar 1999 ganz gezielt eröffnet. Es wurden in einer großen Aktion Tausende von Betrieben besucht, um zu erreichen, daß dort Auszubildende neu oder zusätzlich eingestellt werden. Es wurden und werden Ausbildungsverbünde zwischen Betrieben und Bildungseinrichtungen organisiert oder auch dreimonatige Trainings- und Kurzpraktika vermittelt, um die VoraussetDr. Hermann Kues zungen dieser Jugendlichen für eine berufliche Ausbildung überhaupt erst zu schaffen oder sie zu verbessern. Was ganz entscheidend ist: Die außerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen sollen ja später in betrieblichen Bildungsmaßnahmen, also in Maßnahmen der freien Wirtschaft, vollendet werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Es gibt sehr viele Jugendliche, die die Voraussetzungen nicht erfüllen, weil ihnen der Hauptschulabschluß fehlt. Auch sie sollen auf Grund von speziellen Maßnahmen die Chance bekommen, den Hauptschulabschluß nachzuholen. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, um mit einer qualifizierten beruflichen Ausbildung überhaupt beginnen zu können. ({6}) Auch Jugendliche mit einer abgebrochenen Ausbildung - auch an sie muß man denken - haben auf Grund dieses Programms die Chance, sich hier entsprechend zu qualifizieren. Nicht zuletzt gibt es - das wurde hier schon erwähnt - Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die vom Arbeitsamt mit Lohnkostenzuschüssen an die Arbeitgeber unterstützt werden. Anfangs waren die Reaktionen zögerlich. Aber ich denke, jetzt sind wir auf einem guten Weg. Ein neues Instrumentarium ist ebenfalls sehr wichtig, nämlich daß die Arbeitsämter in Zusammenarbeit mit Sozialpädagogen in die Lage versetzt werden, die Jugendlichen dort zu erreichen, wo sie sich bewegen, wo sie leben, zum Beispiel in ihrem sozialen Umfeld, sie anzusprechen, sie aus einer vielleicht bestehenden Frustration herauszuholen, sie pädagogisch und sozial zu erreichen und sie aufzubauen, damit sie sich in solche Programme hineinfinden können. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, daß hier sozialpädagogische Vorfeldarbeit mit hinzukommt. Niemand sollte sich darüber lustig machen. Denn die soziale Stabilisation gewisser Jugendlicher in gewissen Lebensmomenten ist unwahrscheinlich wichtig, um überhaupt solche Bildungsvoraussetzungen erwerben zu können. ({7}) Das ist - neudeutsch gesagt - proaktive Arbeits- und Ausbildungsberatung. Aus vielen persönlichen Gesprächen mit Mitarbeitern von Arbeitsämtern weiß ich, daß diese Möglichkeiten zielführend sind und für viele Jugendliche eine große Chance bedeuten. Die bisherigen Erfolgszahlen sind ganz ohne Beschönigung - im Gegensatz zu dem, was Sie hier gesagt haben; da war noch viel Unverständnis und Desinformation im Spiel - phantastisch. Die Zahlen sind - ich wiederhole mich - wirklich phantastisch. ({8}) Diese Zahlen haben das Sofortprogramm schon jetzt gerechtfertigt. Allein im ersten Quartal, von Januar bis März 1999, haben die Arbeitsämter 436 500 junge Menschen angesprochen - das ist eine enorme Leistung und eine Viertelmillion, 251 500, Angebote für Trainingsmaßnahmen, für Ausbildung, für Fortbildung, für Arbeitsstellen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gemacht - eine wirkliche große konzertierte Aktion in diesem Lande. ({9}) Für 75 200 Jugendliche - das ist jetzt nur eine Zahl; dahinter stehen Einzelschicksale; das sind junge Menschen mit persönlichen Chancen, die darauf angewiesen sind, daß wir so etwas in Ergänzung zur wirtschaftlichen Entwicklung anbieten; das sind wirklich Hoffnungen für diese jungen Menschen - haben konkrete Maßnahmen begonnen. Daß das nicht in allen Fällen sofort zu Ausbildungsverträgen führt, versteht sich doch angesichts der Problematik - wenn man sich ein bißchen hineindenkt - von selbst. 42 300 dieser Maßnahmen wurden im Westen und fast 33 000 im Osten vermittelt. Man muß erwähnen, daß dort dieses Programm vor dem Hintergrund zum Teil desolater Strukturen am Arbeitsmarkt von ganz besonderer Bedeutung ist. Mit „desolaten Strukturen“ meine ich eine Entwicklung, die Sie nach der Wiedervereinigung nicht in den Griff bekommen haben, nämlich daß dort zum Teil ganze Regionen deindustrialisiert wurden, was eben auch Folge einer völlig inkompetenten Wirtschafts- und Sozialpolitik der alten Regierung war. Das ist die Wahrheit und sonst nichts. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Schurer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bei meiner ersten Rede würde ich Ihnen gerne den Genuß antun, meine Rede komplett vermittelt zu bekommen. Das hilft Ihnen weiter und tut der Sache gut. Insgesamt ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren durch dieses Programm bereits im ersten Quartal um knapp 40 000 auf 450 000 gesenkt worden. Vor einem Jahr, im März 1998, waren noch 506 000 Jugendliche arbeitslos. Diese Zahlen sind signifikant und sprechen dafür, daß das Programm bei den jungen Menschen bereits viel Anklang gefunden hat. Der Anteil der Frauen lag im ersten Quartal bei 42,4 Prozent und dementsprechend der Anteil der Männer bei 57,6 Prozent. Ausländische Jugendliche - das muß gesagt werden sind mit 11 Prozent beteiligt. Die Gruppe der Jugendlichen - auch das ist wichtig -, die in ihrer sozialen und in ihrer Bildungsbiographie benachteiligt sind, wird von der Fachbehörde mit 17 Prozent angegeben. Ich möchte kurz auf die Zahl 75 000 eingehen, zu der Frau Schwaetzer schon etwas gesagt hatte. Es ist systemimmanent, daß zum Beispiel Trainingsprogramme vermittelt - im ersten Quartal waren es 15 000 -, daß außerbetriebliche Ausbildungen in einer Größenordnung von rund 16 000 initiiert und daß außerdem rund 1 000 Nachholprogramme für junge Leute angeboten wurden, die den Hauptschulabschluß noch nicht haben. Das alles ist sehr wichtig. Sie haben eben versucht, die sozialen Begleitmaßnahmen etwas lächerlich zu machen. Verstehen Sie es aus dem Programm heraus: Es gibt Jugendliche - junge Frauen und junge Männer - , die zunächst einmal erst soziale Begleitprogramme brauchen, um in die Lage versetzt zu werden, bildungsmäßig qualifiziert zu werden. Sie sind in diesen 75 000 enthalten. ({0}) Zu erwähnen ist, daß die Mittelbindung im ersten Quartal von diesen 2 Milliarden DM, die bereitgestellt wurden, bereits nach 90 Tagen bei 1,262 Milliarden DM lag; also 64 Prozent - das sind knapp zwei Drittel - der bereitgestellten Mittel im Etat waren bereits gebunden. Auch das ist eine Zahl, die eindeutig für den großen Erfolg dieses Programmes spricht. Ich komme zum Schluß. Ich denke, das Sofortprogramm hat bewiesen, daß es gesamtgesellschaftlich einen riesigen Bedarf für weitere mittel- und langfristige Maßnahmen auf diesem Gebiet gibt. Hier versucht man strukturell, junge Leute über Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes so zu qualifizieren, daß sie in den ersten Arbeitsmarkt hineinwachsen können und sich dort mit profunden Kenntnissen durchsetzen können. Nur sehr wenige Jugendliche haben diese Maßnahmen abgelehnt. Deshalb resümiere ich, daß das Bündnis für Arbeit die große gesellschaftliche Aufgabe hat, nachdem wir hier diese Vorleistungen gebracht haben, mit entsprechenden Initiativen, die unter Arbeitgebern, Gewerkschaften und Staat abgestimmt sind, diese Programmatik weiterzuführen. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Nirgends in dieser Gesellschaft sind Investitionen für Wirtschaft und Gesellschaft so gut angelegt, wie wenn es darum geht, junge Menschen durch Ausbildung und Qualifizierung in die Lage zu versetzen, sich später in ihrem Leben über die Arbeitswelt gesellschaftlich zu integrieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Schurer, ich habe Ihnen sehr viel Zeit gelassen. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Den Bundesministern Bulmahn und Riester und dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Herrn Jagoda, möchte ich an dieser Stelle samt ihren Mitarbeiterstäben herzlich danken. Diesem Dank könnte sich auch die Opposition anschließen. Es geht um die Perspektiven der jungen Menschen von morgen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe auf die Lernfähigkeit der Opposition. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Schurer, ich beglückwünsche Sie zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. ({0}) Deswegen sind wir mit Ihrer Redezeit auch sehr großzügig verfahren. ({1}) Beim nächsten Mal bitte ich, die Uhr zu beachten. Als nächster Redner spricht der Kollege Dirk Niebel von der F.D.P.-Fraktion. ({2})

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dreßen, ich habe sogar noch mehr Redezeit als geplant, weil Frau Schwaetzer sich so kurz gefaßt hat, nachdem Sie Ihr durch Zwischenfragen dankenswerterweise die Gelegenheit gegeben haben, liberale Politik darzustellen. Das ist auch dringend notwendig; denn wenn man sich sowohl diesen Haushaltsplan als auch das Vorschaltgesetz zum Arbeitsförderungsgesetz ansieht, das wir hier heute mitberaten, muß man wieder feststellen, daß Sie die Weichen eindeutig falsch gestellt haben. ({0}) Sie setzen Ihre Schwerpunkte auf den zweiten Arbeitsmarkt, und Sie vernachlässigen den ersten Arbeitsmarkt, Herr Kollege Riester. Ich erlaube mir, das an Beispielen deutlich zu machen. Wie Sie sich vielleicht erinnern, haben Sie mir in der ersten Lesung des Haushaltsplans in diesem Hause zugestimmt ({1}) - ja, er hat mir zugestimmt; man kann sich das kaum vorstellen, nicht wahr, Frau Wegner? -, daß Nachbeschäftigungspflicht bei BHI ein probates Mittel zur Integration von Langzeitarbeitslosen im ersten Arbeitsmarkt ist. Wenn ich mir das Vorschaltgesetz zum Arbeitsförderungsgesetz ansehe, stelle ich allerdings fest, daß diese Nachbeschäftigungspflicht bei älteren Arbeitnehmern gestrichen wird. Das begründen Sie damit, daß die sonst nicht eingestellt werden würden. Wir kommen dann exakt zu dem, was die Kollegin Hermenau vorhin so beklagt hat: zu Mitnahmeeffekten. Denn diese Menschen werden mit Lohnkostenzuschüssen eingestellt - das ist gut so -, sie werden für die Dauer der Förderungszeit beschäftigt und dann im schlimmsten Fall - ohne Nachbeschäftigungsfrist, wie Sie das planen entlassen und stehen dem Arbeitsamt noch älter und noch schwerer vermittelbar wieder zur Verfügung. Das sind Mitnahmeeffekte, die wir nicht wollen. Deswegen sagen wir: Das ist der falsche Weg. Die aktive Arbeitsmarktpolitik nimmt 41 Milliarden DM in Anspruch. Der Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit ist mit 11 Milliarden DM veranschlagt. Im Jahr 1998 haben Sie einen tatsächlichen Bedarf von 7,72 Milliarden DM gehabt. Sie rechnen mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahl um 150 000; zumindest sagen Sie uns das dauernd. Wir haben vorhin gehört, daß 100 000 Arbeitslose 4 Milliarden DM kosten. Weshalb, Herr Riester, veranschlagen Sie so viel Geld für mehr Arbeitslose, wenn Sie mit weniger Arbeitslosen rechnen? ({2}) - Herr Dreßen, Sie finanzieren Beschäftigung, aber keine Arbeit. Das ist ein Unterschied; das sollten Sie langsam lernen. ({3}) Sie haben unsere Vorschläge im Ausschuß abgelehnt, den Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 6 Milliarden DM zurückzunehmen; die Summe bezieht sich auf die Zahl der Arbeitslosen, die Sie weniger erwarten. Das aber hätte Impulse geschaffen, die Beiträge zu senken, das hätte die Rahmenbedingungen der deutschen Wirtschaft verändert, und das hätte zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt geführt. Sie machen eine falsche Weichenstellung; das müssen wir Ihnen hier heute vorhalten. ({4}) Es verwundert mich nicht, daß Sie noch immer nicht gemerkt haben, daß Beschäftigungsprogramme keine langfristige Verbesserung am Arbeitsmarkt bringen. Es wundert mich auch nicht, daß altes Denken der alten Linken vorherrscht und nicht die neue Mitte, wenn ich sehe, daß von 298 Kolleginnen und Kollegen der SPDFraktion 244 Gewerkschaftsmitglieder sind - auch Sie gehörten dazu -, also nur 54 nicht. Dann soll ich mich noch wundern, daß der Gewerkschaftsblock die Richtlinien der Politik bestimmt und nicht der Herr Bundeskanzler? ({5}) Sie sollten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen fördern, indem Sie auch psychologische Folgewirkungen Ihrer Gesetzesvorhaben berücksichtigen. Wenn Sie Menschen verängstigen, die Arbeitsplätze schaffen wollen, dann holen Sie die Arbeitslosen nicht von der Straße. Das aber ist das Ziel, an dem wir Sie jederzeit messen lassen wollen, Herr Riester. ({6}) Sie argumentieren mit der Klamottenkiste des Klassenkampfes. ({7}) Sie verhindern neue Arbeitsplätze im Bereich der sogenannten Scheinselbständigkeit. Sie nehmen Ihren Wählerinnen und Wählern - das allerdings waren Sie wahrscheinlich das letzte Mal - mit der 630-MarkRegelung die letzte Möglichkeit, selbst Arbeitseinkommen zu verdienen. Herr Kollege Dreßen, Sie haben mir am letzten Dienstag im Deutschlandfunk bestätigt - ich habe die Sendung mitgeschnitten -, daß Sie allein aus dem Grund, Ihre Wahlversprechen finanzieren zu müssen, darauf verzichtet haben, die von uns beantragte Übergangsfrist bei dieser Regelung als Minimallösung einzuführen. Allein der Umstand, Herr Minister Riester, daß Bundeskanzler Schröder es sich nicht wird leisten können, innerhalb von sechs Monaten den zweiten Minister zu verlieren, sorgt dafür, daß diese Murksgesetze nicht zurückgenommen werden. Herr Riester, ich fordere Sie auf: Bewegen Sie sich! Nehmen Sie diese Gesetze zurück! Bessern Sie sie nicht nach! Schmeißen Sie sie auf den Müll! Wenn Sie dazu nicht den Mumm haben, dann machen Sie den Weg frei für jemanden, der ihn hat. Vielen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Dr. Thea Dückert vom Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir die Debatte anhöre, dann scheint mir eines noch sehr viel problematischer als die Haushaltsprobleme, die wir übernommen haben, zu sein: der Tatbestand, daß nach 16 Jahren christlich-liberaler Koalition das Vertrauen in den Sozialstaat in erheblicher Weise untergraben worden ist, und zwar in größerem Maße, als wir uns das jemals haben vorstellen können. ({0}) Herr Fuchtel hat es benannt. Er hat uns vorgeworfen, daß viele hier im Land, vor allem die junge Generation, mißtrauisch und unsicher gegenüber der Rentenversicherung sind. Das ist Ihre Hinterlassenschaft, mit der wir es hier zu tun haben. ({1}) Es ist Ihr Hü und Hott in den letzten Jahren gewesen, das die Rentner verunsichert hat. ({2}) Sie haben nicht nur die Rentner verunsichert. Sie haben das Vertrauen in die Solidargemeinschaften dieser Gesellschaft untergraben. Das macht mich nachdenklich. Das macht es auch so schwierig, die Aufgaben, die vor uns liegen, zu definieren. Wir müssen nämlich das Vertrauen der Bevölkerung in den Sozialstaat zurückgewinnen. ({3}) Die materiellen Hinterlassenschaften, die sattsam bekannt sind, sind die Dinge, mit denen wir uns im ersten Schritt auseinandersetzen müssen. Sie kennen diese Hinterlassenschaften alle. Die gestiegenen Sozialabgaben sind eines der Probleme, weil Sie eine vollständig falsche Finanzierung der deutschen Einheit zu Lasten der Sozialkassen durchgesetzt haben. Ein anderes Problem, das auf dem Fuße folgt, ist die Massenarbeitslosigkeit. Weitere Probleme sind der Ausbildungsplatznotstand bei den Jugendlichen, der zum Himmel schreit, und last but not least, eine Schuldenlast, die einzig und allein zu Lasten der zukünftigen Generation geht. Das sind die Schlaglichter der materiellen Hinterlassenschaft, die wir vorgefunden haben und die wir noch lange abarbeiten müssen, zu denen wir in diesem ersten Übergangshaushalt aber durchaus schon adäquate Antworten gefunden haben. Wir haben die Lohnnebenkosten bereits gesenkt, und zwar zum 1. April. Herr Niebel, der Antrag, den Sie eingebracht haben, um die Lohnnebenkosten zu senken, ist hübsch. Sie haben sie in den letzten Jahren hochgetrieben, wir haben sie jetzt schon gesenkt. Das Geld, das Sie einsparen wollen, wollen Sie bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik einsparen. Das ist wirklich lächerlich. ({4}) Wir wollen da nicht einsparen, sondern verstetigen. Deswegen haben wir in diesem Haushalt den Ansatz mit 4,7 Milliarden DM erhöht. Wir wollen gegen die Jugendarbeitslosigkeit, die Sie uns hinterlassen haben, vorgehen. Deswegen haben wir bereits das Programm für 100 000 Ausbildungsplätze für jugendliche Arbeitslose auf den Weg gebracht. Wir reden nicht darüber, sondern wir sind mittendrin, und dieses Programm läuft gut an. Wir haben noch etwas anderes gemacht: Uns ist es in einer sehr schwierigen Situation - Sie haben mit Ihrem gescheiterten Bündnis für Arbeit sehr viel Vertrauen zerstört - gelungen, endlich wieder in ein Bündnis für Arbeit einzusteigen und Mißtrauen abzubauen. Meine Damen und Herren, das ist die eine Seite. Viel schwerer wiegt aber die andere, die nicht materielle Seite. In der Gesellschaft ist das Gefühl dafür verlorengegangen, was ihr eine Solidargemeinschaft geben kann. ({5}) Das ist unsere Herausforderung, die Schwierigkeiten bereitet. Das zeigt auch die Debatte um die Scheinselbständigkeit und die 630-Mark-Jobs. Meine These ist, daß es Ihnen hier in Wahrheit überhaupt nicht um die Praxisprobleme geht, die bei der Umsetzung aufgetreten sind und die niemand leugnen will. Das sind Praxisprobleme, mit denen wir uns natürlich auseinandersetzen werden, wenn sie nicht der Intention der Gesetze zuwiderlaufen. Frau Schwaetzer, ich habe sehr wohl begriffen, was Sie hier gerade gemacht haben: Sie haben nämlich wieder einmal Fehlinformationen und Verunsicherung in die Bevölkerung gestreut. ({6}) Sie haben sich hier hingestellt und haben zum wiederholten Mal behauptet, daß Versicherte in berufsständischen Gesellschaften mit diesem Gesetz in irgendwelche Krisen getrieben würden. Das ist falsch. Auf diese Menschen trifft dieses Gesetz gar nicht zu. ({7}) Sie arbeiten mit Fehlinformationen, weil Sie die Intention dieses Gesetzes bekämpfen. ({8}) Die Intention dieses Gesetzes ist: Mißbrauch abbauen und verhindern. Die Intention des Gesetzes ist auch, zu verhindern, daß Menschen immer mehr in unversicherte Zustände hineingedrängt und aus den Sozialversicherungen herausgedrängt werden, weil ihre Arbeitgeber die Sozialabgaben umgehen wollen. Das kann nicht sein. Das wollen wir verhindern. ({9}) Ich sage Ihnen auch: Wir setzen uns durchaus mit dem auseinander, was in dieser - auch sehr ideologischen - Diskussion passiert. Wir wollen das gerade Genannte erreichen. Was wir aber nicht wollen, ist natürlich, zum Beispiel Existenzgründerinnen und Existenzgründer zu behindern. Das wollen wir nicht, und das werden wir nicht tun. ({10}) Wir haben bis zum heutigen Tage schon mehr für Existenzgründerinnen und Existenzgründer getan als Sie in Ihrer ganzen Regierungszeit. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Dückert, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schemken?

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich erlaube eine Zwischenfrage sofort, wenn ich den Gedanken zu Ende geführt habe. ({0}) Zu dem Gedanken gehört noch, daß wir für die Existenzgründerinnen und Existenzgründer auch in dieser Sitzung etwas zur Abstimmung stellen, zum Beispiel innerhalb des SGB III. Wir arbeiten nicht nur an einzelnen Gesetzen, sondern beispielsweise bei der Steuerreform an Unterstützungsleistungen für Übergangszahlungen für Arbeitslose, die eine Existenzgründung planen. In vielen Punkten arbeiten wir an diesem Problem. Genau das macht die doppelte Aufgabe unserer Sozialpolitik aus: für die abhängig Beschäftigten etwas zu tun, und für die, die flexibel in die eigene Existenzgründung gehen, ebenfalls etwas zu tun. ({1}) - Sie können sich gerne zu einer Zwischenfrage melden, das ist kein Problem. Herr Schemken, Sie können jetzt gerne Ihre Zwischenfrage stellen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Schemken, bitte schön.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Dückert, ich habe eine Frage: Halten Sie es wirklich für berechtigt - ich unterstelle und gebe das auch zu: Wir haben die Frage des 630-DM-Gesetzes in den letzten Jahren nicht regeln können, weil das ein komplizierter Vorgang ist -, daß Sie jetzt einen Rundumschlag machen, mit dem Sie die Elemente des Ehrenamtes im Sport, die Elemente des Ehrenamtes in der Kultur und in der Sozialarbeit so stark treffen, daß die Leute draußen dies nicht mehr verstehen, und sind Sie sich dessen bewußt, daß es eine ganze Reihe von Menschen gibt - auch in der Sozialarbeit -, die nicht mehr bereit sind, diese komplizierten Vorgänge nachzuvollziehen - sie auch nicht nachvollziehen können -, und die bis zu 40 Prozent und mehr Abgaben für eine Nebenbeschäftigung zahlen, die sie im Ehrenamt tätigen? ({0}) Halten Sie es nicht für richtig, daß das Gesetz wenigstens in diesen Teilen sofort einer anderen Regelung bedarf? ({1})

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, schönen Dank für Ihre Zwischenfrage und auch schönen Dank dafür, daß Sie zugegeben haben, daß Sie diesen Zustand in Ihrer Regierungszeit sozusagen nicht bearbeitet haben, ({0}) sich aber auch nicht getraut haben, ihn zu bearbeiten. Sie sind sehenden Auges in die exorbitante Zunahme von unversicherten, nicht in der Sozialversicherung abgesicherten Beschäftigungsverhältnissen hineingerannt. Sie machen in der Tat auf ein Problem aufmerksam; ich weiß aber auch - wir setzen uns damit auseinander -, daß hinsichtlich der Übungsleiter zur Zeit eine Debatte läuft, in der sehr vieles miteinander vermischt wird und in der man sehr vieles den Regelungen des 630-DMGesetzes in die Schuhe schieben will. Es ist das Problem der Trainingsleiter, der Trainer, die überhaupt nicht in den Bereich von 630-DM-Tätigkeiten fallen, sondern die in der Vergangenheit und auch jetzt sehr viel höher bezahlt worden sind, die in der Vergangenheit und auch jetzt eben nicht richtig abgeführt haben; das gilt auch für die Vereine. Das wird vermischt. Wir werden uns mit diesem Problem auseinandersetzen, aber es hat nichts mit den 630 DM zu tun. Wir werden uns auch mit dem Problem ehrenamtlicher Tätigkeiten auseinandersetzen. Aber auch dieses ist nicht über das 630-DM-Gesetz zu regeln und muß dort auch nicht geregelt werden. Das ist ein Problem, das wir erkannt haben und auch angehen werden. Meine Damen und Herren, es geht Ihnen - ich wollte Ihnen das vorhin schon sagen - aber gar nicht um die Intention des Gesetzes und um die Probleme der Praxis, sondern Sie wollen das Gesetz in seinem Kern nicht. ({1}) - Der Herr Niebel sagt es gerade: Weg damit! Genau. Sie wollen gegen den Mißbrauch von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nichts tun. ({2}) Sie wollen nichts dagegen tun, daß reihenweise zum Beispiel Lkw-Fahrer, die in einer abhängigen Beschäftigung sind, einfach aus der Sozialversicherungspflicht hinausgekickt werden. Sie wollen - jetzt komme ich zurück zu meinem Gedanken, mit dem ich begonnen habe - deshalb nichts dagegen tun, weil für Sie so etwas wie Sozialversicherungshinterziehung ein Kavaliersdelikt ist. ({3}) Das ist der Skandal an dieser Stelle. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Dückert, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ich erlaube noch eine Zwischenfrage.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Dückert, würden Sie denn vielleicht zumindest zugestehen, daß es in diesem Haus große Übereinstimmung darüber gab und gibt, daß überall da, wo die 630-DMRegelung mißbraucht wird, Regelungsbedarf anerkannt ist, daß es aber möglicherweise Ihr Grundfehler war, daß über das schnelle Handeln - und das ist ja wirklich schnelles Handeln mit der heißen Nadel gewesen ({0}) nicht nur Mißbrauch bekämpft worden ist - Entschuldigung, das ist ein schwieriges Problem, und wir haben nicht nur heute, sondern immer wieder gesagt, daß es schwer zu regeln ist -, daß also der Grundfehler einfach der war, daß Sie grundsätzlich bei 630-DM-Jobs angeDr. Thea Dückert setzt und gesagt haben: das ist alles Mißbrauch, das wird jetzt alles geregelt, und genau dadurch die Probleme entstanden sind, daß nämlich im Gaststättengewerbe, im Bereich des Zeitungsaustragens und in vielen anderen Bereichen das, was man nicht in sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeit umsetzen kann, ({1}) jetzt kaputtgeht und auf der Straße liegt? Das ist das Kernproblem, und deswegen ist das, was Sie gemacht haben, ein völliger Fehler gewesen. Stimmen Sie damit überein? ({2})

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, ich möchte Ihnen darauf gern zwei Dinge sagen. Ich denke, Sie haben eine große Verantwortung für dieses Problem, weil Sie 16 Jahre lang zugesehen haben, ({0}) wie sich dieser Bereich zu einem Problem in der Gesellschaft entwickelt hat. ({1}) Es war höchste Zeit, in diesem Bereich sehr schnell zu handeln. Die Zahl dieser Beschäftigungsverhältnisse - das können wir auch zeigen - hat sich in der Bundesrepublik Deutschland in kurzer Zeit um Millionen erhöht, und gleichzeitig sind die Sozialkassen erodiert. Das ist das eine Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Das andere Problem, das jetzt Ihren Widerspruch gefunden hat - ich will Ihnen gern noch in einem zweiten Punkt antworten, Herr Kollege -, ist, daß wir es hier mit einer Art Doppelmoral der Sozialstaatsbürger zu tun haben, nämlich derjenigen, die wie Sie auf der einen Seite verbal die soziale Absicherung für die beschäftigten Menschen einklagen, auf der anderen Seite mit den Kosten nichts zu tun haben wollen, die auch Gegenstand des Streits in der politischen Auseinandersetzung sind, weil sich in den letzten Jahren mit diesen Millionen von Arbeitsverhältnissen bei Scheinselbständigen und bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen Nischen entwickelt haben, in denen Leute sich eingerichtet haben, weil es diese Regelung gab. Diese Menschen kommen natürlich mit diesem Gesetz jetzt in schwierige Situationen. An dieser Stelle zeigt sich bezüglich des Sozialstaatsgedankens eine gesellschaftliche Doppelmoral, die uns in der Tat große Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung um die geringfügig Beschäftigten bereitet. ({2}) - Ja, das war meine Antwort. ({3}) - Sie können gerne noch stehen bleiben. Das irritiert mich nicht. Vielleicht steht mir dadurch sogar eine noch längere Redezeit zur Verfügung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Uhr halten wir jetzt nicht mehr an.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich weiß, Herr Präsident. Es bleibt an dieser Stelle noch viel zu sagen. Vieles bleibt auch offen. Wir werden noch häufig darüber diskutieren. Ich wollte zum Ausdruck bringen, daß wir in dieser Situation versuchen wollen, einen Sozialstaat modern zu gestalten. Aber gleichzeitig sind wir in eine Situation geraten, in der keiner so richtig begreifen will, daß Flexibilität und soziale Sicherheit zusammen gehören und daß wir Regelungen sowohl für neue Lebensverhältnisse als auch für Existenzgründungen, für den Wechsel zwischen Beschäftigung und Nichtbeschäftigung sowie für den Wechsel zwischen Arbeit und Bildung und auch für ganz normale Beschäftigung finden müssen. Wir müssen auch Regelungen sowohl für flexible Arbeitsverhältnisse als auch für feste Beschäftigungsverhältnisse finden. Die Veränderung der gesellschaftlichen Entwicklung ist eine sehr schwierige Aufgabe. Sie haben sich in den letzten Jahren um diese Debatte gedrückt. Wir müssen die entsprechenden Bereiche des Arbeitsmarktes und der Rentenversicherung verändern. Das heißt - das glaube ich mit Sicherheit -, auch hier werden uns noch sehr heftige Debatten ins Haus stehen, weil wir mit sehr unterschiedlichen Ansätzen zur Sozialpolitik in die Debatte einsteigen werden. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Irmgard Schwaetzer. Bitte schön. ({0})

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich kann mir vorstellen, liebe Kollegen von der SPD, daß Sie das nicht so gerne hören. Frau Kollegin Dückert, Sie hatten mich direkt angesprochen und mir bzw. der F.D.P. unterstellt, sie wolle nichts gegen Mißbrauch tun und würde sich deshalb um dieses Thema nicht kümmern. ({0}) Das Gegenteil ist der Fall. ({1}) Schauen wir uns zuerst einmal die Zahlen an, bevor wir von Mißbrauch sprechen. Der von Ihnen beklagte Anstieg der Zahl geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse ist nach einer Untersuchung des sozialwissenschaftlichen Max-Planck-Instituts in Köln - dieses Institut steht uns nicht besonders nah - im wesentlichen auf eine Zunahme der Saisonarbeiter um 500 000 - diese Arbeiter werden von Ihrer Regelung überhaupt nicht erfaßt - und auf eine Zunahme der Beschäftigten im Haushalt von 300 000 zurückzuführen. Das kann man diskutieren. Aber ich würde das nicht unbedingt als Mißbrauch bezeichnen. Deswegen kann von einem massenhaften Mißbrauch, den Sie immer behaupten, wirklich keine Rede sein. ({2}) Ein weiterer Punkt. Statt Ihrer überbürokratisierten Regelung, mit der Sie die Leute nur aus ihrer Arbeit vertreiben, brauchen wir eine wirklich vernünftige Regelung für einen Niedriglohnsektor. ({3}) Aber das können Sie mit den Traditionskompanien der Gewerkschaften, die dort drüben sitzen, nicht durchsetzen. Ich bin gespannt, wie Sie auf die Entwicklungen im Niedriglohnsektor reagieren werden. Das wird ja auch im Bündnis für Arbeit diskutiert. Wir, die F.D.P. arbeiten an einem schlüssigen Konzept für diesen Niedriglohnsektor, mit unserem Bürgergeld. Das werden wir demnächst im Bundestag und auch in der Öffentlichkeit vorstellen. Es wäre vernünftig, Frau Dückert, in diesem Sektor an einer Regelung zu arbeiten. Aber Ihre bisherigen Regelungen sind nicht vernünftig, weil sie nichts von dem bewirken, was Sie erreichen wollen. Diese Regelungen bewirken lediglich, daß Menschen aus Arbeit vertrieben werden. ({4}) Bürokratie ist nicht modern. Sie haben gesagt, Sie wollten einen modernen Sozialstaat schaffen. Statt dessen haben Sie nichts weiter als zusätzliche Bürokratie geschaffen. Das ist 19. Jahrhundert. Sie sollten besser unserem Antrag zustimmen, in dem vorgesehen ist, diese Regelungen abzuschaffen. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Dückert, wollen Sie erwidern? - Bitte schön.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Schwaetzer, allein die Tatsache, daß und wie wir in den letzten Wochen über den Mißbrauch diskutiert haben, beweist, daß es einen erheblichen Mißbrauch in diesem Bereich gibt. Das ist das erste, was ich Ihnen sagen möchte. ({0}) Das zweite: Daß Sie nichts gegen diesen Mißbrauch unternehmen wollen, beweisen a) die Vergangenheit, in der Sie es schon lange hätten tun müssen, und b) Ihr Antrag, in dem Sie uns auffordern, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Monika Balt von der PDS-Fraktion das Wort.

Monika Balt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003030, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit großer Erwartung und mit viel Hoffnung schauten Hunderttausende ostdeutsche Rentnerinnen und Rentner am 28. April nach Karlsruhe. Es ging um die durch ihre Arbeit in der DDR erworbenen rechtmäßigen Ansprüche auf eine Zusatzund Sonderversorgung. Jede und jeder Abgeordnete wußte, daß in diesem ersten Halbjahr mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen war. Das spielte auch in den Haushaltsdebatten des Haushalts- und des Finanzausschusses eine Rolle. Es ist daher unverständlich, daß dafür keinerlei finanzielle Vorsorge getroffen wurde. ({0}) Wir wollen, daß die Rentnerinnen und Rentner die verfassungsrechtliche Korrektur noch erleben, bevor die „biologische Lösung“ eintritt. ({1}) Betrachtet man die vier Urteile des Bundesverfassungsgerichts im einzelnen, dann erkennt man, daß bei den Rentnerinnen und Rentnern zweifellos sehr unterschiedliche Wertungen vorgenommen werden. Insgesamt wird der Richterspruch nicht glücklich machen; aber er ist ein bedeutender Fortschritt in Richtung Rentengerechtigkeit. ({2}) Von grundlegender Bedeutung ist, daß die in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche und -anwartschaften unter den Eigentumsschutz des Grundgesetzartikels 14 gestellt worden sind - ein Recht, das bereits seit 1980 für die alten Bundesländer gilt. Einen wichtigen Erfolg haben jene Klägerinnen und Kläger errungen, die gegen das Rentenstrafrecht und gegen willkürliche, politisch motivierte Rentenkürzungen kämpften. Die Botschaft des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber lautet: Die politisch-moralische Wertneutralität des Rentenrechts ist ein hohes, durch das Grundgesetz geschütztes Gut, das niemand verletzen darf. ({3}) Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz und den Eigentumsschutz des Grundgesetzes dürfen nicht geduldet werden. ({4}) Die Karlsruher Urteile sind eine schwere Schlappe für die abgewählte Kohl-Regierung. Die abgewählte Kohl-Regierung wollte mit Rentenkürzungen politisch strafen. ({5}) Die PDS war die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die von Anfang an konsequent gegen politisch motivierte Rentenkürzungen auftrat. ({6}) Von der jetzigen Bundesregierung fordern wir die schnelle Korrektur der verfassungswidrigen Normen noch in diesem Jahr. Außerdem fordern wir, die dafür nötigen Haushaltsmittel einzustellen. Für die gesetzlichen Neuregelungen sind Mehrausgaben in dreistelliger Millionenhöhe zu erwarten. Diese erforderlichen Mittel müssen im Nachtragshaushalt, spätestens aber im Haushalt für das Jahr 2000 eingeplant werden. ({7}) Rentenkorrekturen und Nachzahlungen sind keine Geschenke, sondern gerechtfertigte Forderungen nach Leistungen, die jahrelang rechtswidrig vorenthalten worden sind. Vielen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Birgit Schnieber-Jastram. Bitte schön. ({0})

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Richtige Vorfreude macht sich breit. Das freut natürlich auch mich. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein gutes Zeichen, daß wir hier streiten. Es zeigt, daß wir alle miteinander viel Engagement für diesen Bereich haben. Vielleicht würden wir weniger streiten, wenn der Bundeskanzler das tun würde, was im Grundgesetz festgeschrieben ist, nämlich die Richtlinien der Politik zu bestimmen. ({0}) Die Väter des Grundgesetzes hatten einen Kanzler vor Augen, der seinen Ministern klare Vorgaben für eine weitsichtige und vernünftige Politik macht. Was tut der Kapitän dieses Schiffes Bundesrepublik? Was tut Kapitän Schröder? Er gibt eben keinen klaren Kurs vor; vielmehr handelt er nach der üblichen Devise: Na, schaun mer mal. Das hat Folgen. Die Fahrtrichtung dieses Schiffes ändert sich ständig. Das bekommt besonders sein Steuermann für das überlastete Sozialschiff zu spüren - Walter Riester. ({1}) Er muß das Ruder des Sozialschiffes nämlich nach den Weisungen des Chefs immer wieder herumreißen. Die Besatzung wird seekrank, der Steuermann immer blasser, und Herr Schröder bringt die sturmerprobte Sozialversicherung auf Schlingerkurs. Gerhard Schröder mutiert zum Käpten Chaos dieser Regierung. ({2}) Zum Thema Rente. Es ist nicht unsere Hinterlassenschaft, Frau Dr. Dückert, durch die die Leute verunsichert werden, sondern es ist vielmehr Ihr Werk, daß die Leute jetzt zutiefst verunsichert werden. ({3}) Ich will gerne noch einmal schildern, was wir hier erlebt haben: Erst mußte der Bundesarbeitsminister Riester den von der alten Bundesregierung eingeführten und dringend notwendigen demographischen Faktor aussetzen. Daran erinnern Sie sich vielleicht noch. ({4}) Dann fällt dem Arbeitsminister auf, daß die Rentenformel ohne den demographischen Faktor überhaupt nicht zu finanzieren ist. Herr Riester unternimmt einen Vorstoß, um die Rentenformel zu korrigieren. Sogleich wird er vom Kanzler, dem Kapitän dieses Schiffes, öffentlich zurückgepfiffen. Nachdem Riester dann auf den Kurs des Chefs zurückgeschwenkt ist, gibt dieser schon wieder ein Kommando - in die entgegengesetzte Richtung: Jetzt will der Kanzler doch wieder einen demographischen Faktor berücksichtigen. Durch dieses ständige Hin und Her dokumentieren auch die Grünen, die bislang immer kreativ waren, die Orientierungslosigkeit, Hilflosigkeit und Selbstlähmung dieser rotgrünen Koalition. ({5}) Daß Sie dabei den Osten Deutschlands zum großen Teil ausblenden, mache ich Ihnen angesichts Ihrer sonstigen Deklamationen besonders zum Vorwurf. Ich nenne nur ein Beispiel: Kein Vertreter der neuen Bundesländer arbeitet mit an der Organisationsreform der Rentenversicherung. Das sollten Sie zügig korrigieren. Noch schlimmer als in der Rentenpolitik - das ist ja in den letzten Tagen und auch heute wieder mehrfach gesagt worden - treibt es der Herr Schröder mit seinem Arbeitsminister. Sie tun mir wirklich leid angesichts der Vorgänge um die 630-Mark-Jobs. Vernünftige Pläne für die Neuregelung der 630-Mark-Jobs, Herr Minister Riester, wurden in Bausch und Bogen über Bord geworfen. Wir erinnern uns an die Aktuelle Stunde, in der ohne vorherige Information des Arbeitsministers, der Fraktion und der vielen Frauen, die viele Jahre für etwas ganz anderes gekämpft haben, hier etwas verkündet worden ist, das man Ihnen, Herr Minister, jetzt in die Schuhe schiebt. Ich halte das für ein starkes Stück. Sie sollten das nicht zulassen. ({6}) Ob Sie, Herr Bundesminister Riester, mit Ihren Methoden und Kriterien das Ziel der Fahrt, das weniger Arbeitslose heißt, wirklich erreichen, frage ich mich schon; ebenso, ob man durch Kriminalisieren und Kanalisieren wirklich eine Senkung der Arbeitslosenzahl in diesem Lande erreichen kann. ({7}) Der Schlingerkurs geht noch weiter. Die Neuregelung der Scheinselbständigkeit ist zum 1. Januar in Kraft getreten. Was Sie, Frau Dr. Dückert, hier dazu gesagt haben, bedarf eigentlich keines weiteren Kommentars. Sie vergiften hier die Atmosphäre und nehmen Existenzgründern den nötigen Hauch von Optimismus, den man bei solchen Vorhaben einfach braucht. Das ist eine Katastrophe. Sie gefährden zigtausend Arbeitsplätze. ({8}) Noch nie hat ein Gesetz in so kurzer Zeit so viel Schaden angerichtet und selten so viel Widerspruch ausgelöst. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Schnieber-Jastram, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brandner?

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Her Brandner.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Schnieber-Jastram, Sie haben gerade noch einmal festgestellt, welche chaotischen Wirkungen die Gesetze zu den 630-Mark-Jobs und der Scheinselbständigkeit ausgelöst haben. In meiner Heimatzeitung „Die Glocke“ vom 4. Mai 1999 lese ich ({0}) - „Die Glocke“ ist eine christliche Heimatzeitung -: Für die Zahlung von Sozialabgaben hat sich hingegen schon seit 1988 die Gebäudereinigung Schniersmeier GmbH in Gütersloh stark gemacht. „Was wird später, woher soll die Rente kommen?“ So habe sie viele ihrer Angestellten davon überzeugen können, auf Steuerkarte zu arbeiten, berichtet die Seniorchefin Ursula Schniersmeier. Ihr ging es dabei u. a. auch um den Aufbau von Stammpersonal, das ihrer Erfahrung nach die Kunden bevorzugten. All ihre derzeit 20 Beschäftigten arbeiten auf Steuerkarte und im Schnitt sieben bis acht Stunden. „Wir sind Befürworter dieses Gesetzes, dann werden die Preise endlich normal“, freut sie sich, beizeiten gehandelt zu haben. ({1}) Stimmen Sie mir zu, daß die Auswirkungen der Gesetze gar nicht so schlimm sind, sondern eher positiv sind, weil sie aufdecken, wieviel Mißbrauch es in der Vergangenheit gegeben hat? Die Gesetze helfen also, daß Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und Gerechtigkeit in den Sozialkassen erhalten bleiben. ({2})

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich frage mich, wo wir eigentlich leben. Wir sind doch mit Ihnen froh, daß es so vernünftige Unternehmer gibt, die sagen: Wir versuchen, reguläre Beschäftigung zu schaffen. ({0}) Aber eines müssen wir doch auch feststellen: Wir treffen auch sehr viele und ganz andere Bereiche. Wenn ich mir einmal die Diskussion im ehrenamtlichen Bereich vor Augen führe, dann frage ich Sie: Mit welcher Argumentation wollen Sie vertreten, daß jemand, der Übungsleiter in einem Sportverein ist, ob als Scheinselbständiger oder als 630-DM-Kraft, in Höhe dieser 630 DM Aufwandsentschädigung erhält? Ich stelle da nicht mehr die Frage, ob diese Tätigkeit ehrenamtlich ist oder nicht. Das Entgelt deckt längst nicht seinen Arbeitseinsatz. Deswegen muß dieses Gesetz zurückgenommen werden. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zusatzfrage?

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte, Herr Brandner.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Schnieber-Jastram, ist Ihnen der Unterschied zwischen der Aufwandsentschädigung für ein Ehrenamt und dem Entgelt für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, also einem Arbeitseinkommen, bewußt?

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Natürlich ist mir der Unterschied bewußt. Sie führen jetzt hier eine kleinkrämerische Diskussion, ({0}) die den letzten ehrenamtlich tätigen Leuten die Lust austreibt, so etwas überhaupt noch zu machen. ({1}) Hunderttausenden von Übungsleitern erteilen Sie eine Ohrfeige für das, was sie jahrelang gemacht haben, um für junge Menschen die Arbeit zu verrichten, die besonders wichtig ist, nämlich ihnen die Freizeit zu gestalten. Das ist wirklich ein starkes Stück. ({2}) Diese Gesetze - darüber gibt es keinen Streit - vertreiben die Gutwilligen und sind eine Einladung zur Schwarzarbeit. ({3}) Ich habe kürzlich in der Zeitung eine Anzeige gelesen, wie man sie übrigens häufiger finden kann. Ich will nur einmal darauf hinweisen, was Sie mit Ihrer Politik auch anrichten. Dort hieß es: Wir - eine Gruppe mittelständischer Unternehmer sind die ständig steigenden Eingriffe und die zunehmende Willkür des Fiskus leid. Deshalb agieren wir wie Multis, lagern Geschäft und Gewinne aus und sichern so den Bestand unserer Unternehmen. Wenn Sie dieses Ergebnis anstreben, nämlich die Leute zu vertreiben, Arbeitsplätze abzubauen, dann sagen Sie das, und stehen Sie dazu. ({4}) Nun will ich, weil von Ihnen immer so gern behauptet wird, wir wollten nichts gegen Scheinselbständigkeit tun, noch folgendes sagen: Es ist ja nicht so, daß es vorher keine Verfahren gegeben hat. Frau Schwaetzer hat das vorhin sehr schön dargestellt. Es gab einen klaren Kriterienkatalog, nach dem geurteilt wurde. Unendlich viele Arbeitsplätze sind auf Grund dieser Urteile in die Betriebe hinein zurückorganisiert worden. - Tun Sie also nicht so, als ob man vorher dem Wildwuchs Raum gelassen hätte. - Auch dies hat stattgefunden. Diese beiden Gesetze, die Sie uns vorgelegt haben, sind nicht nur steuerpolitisch, sondern insbesondere auch sozialpolitisch ein riesengroßer Skandal, die den Sport, die Wohlfahrtsverbände und alle miteinander verschreckt haben, und vieles an Leistung findet nicht mehr statt. ({5}) Deswegen hilft nur eins: Weg mit diesen Gesetzen! Die Gesetze sind das Destruktivste, was wir hier erleben mußten. Nachbessern hilft hier nicht weiter. Im übrigen kann ich nur sagen: Das Wort „nachbessern“ eignet sich als Unwort des Jahres 1999. Stimmen Sie unserem Antrag auf Rücknahme der Gesetze zu, machen Sie es nicht so wie kürzlich Ihre Kollegen im Bundesrat. Das war unaufrichtig, unehrlich und grenzte an politische Schizophrenie. Jetzt noch ein Wort zur Jugendarbeitslosigkeit. Herr Schurer, Sie haben dazu ein paar Ausführungen gemacht. Vielleicht wissen Sie es nicht; deswegen möchte ich es Ihnen gern noch einmal sagen: In der Zeit unserer Regierung hat es in jedem Jahr Mittel gegeben, um 300 000 junge Menschen in überbetriebliche Ausbildung zu schicken. Es ist nicht so, daß wir nichts getan hätten. ({6}) Ich finde es sehr wichtig, daß Sie sich dies zu Gemüte führen. Es waren nicht nur 100 000 Plätze, über die wir gar nicht streiten wollen, sondern 300 000 Plätze jedes Jahr für junge Leute. Ich möchte hier die Bundesregierung auffordern: Schaffen Sie endlich Klarheit in der Sozialpolitik! Wenn Sie so weitermachen, dann brennt dieses Schiff bald lichterloh. Wir machen uns nicht nur Sorgen um den Kapitän, ({7}) der sich vom sympathischen Käpten Blaubär zum Käpten Chaos entwickelt hat, sondern wir machen uns Sorgen um den gemobten Steuermann, um den von Ihnen und dem Bundeskanzler gemobten Steuermann, dem das Ruder immer wieder aus der Hand geschlagen wird. Wir machen uns aber am allermeisten Sorgen um die Passagiere dieses Schiffes, denn sie sind die Leidtragenden dieser Situation. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester. ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Schnieber-Jastram, ich komme auf Ihre Sorgen am Schluß meiner Rede zurück. Ich will mich zuerst dem Haushalt widmen. Der Bundeshaushalt, den die Bundesregierung Ihnen heute vorlegt, ist ein Haushalt der Verantwortung, der Verantwortung für die Arbeitslosen, für die Jugendlichen und für das soziale Sicherungssystem. Mit diesem Haushalt bekämpfen wir die Arbeitslosigkeit und verstetigen die aktive Arbeitsmarktpolitik, und zwar auf hohem Niveau. Wir bauen den Arbeitslosen Brücken in den ersten Arbeitsmarkt. Mit diesem Haushalt unterstützen wir die Bundesanstalt für Arbeit nicht zuletzt mit dem angesprochenen Programm zur zusätzlichen Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit. Frau Schnieber-Jastram, Sie haben recht, auch früher sind erhebliche Mittel eingesetzt worden. Nur die Mittel für dieses Programm werden zusätzlich eingesetzt. Gleichzeitig werden weitere 300 000 Jugendliche über Qualifizierungsmaßnahmen von der Bundesanstalt für Arbeit unterstützt. ({0}) Damit eröffnen wir den Jugendlichen zusätzlich Chancen - wie gesagt: zusätzlich und wahrscheinlich für wesentlich mehr als 100 000 Jugendliche - für Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung. Mit diesem Haushalt entlasten wir die Sozialversicherungen von versicherungsfremden Leistungen und senken damit die Lohnnebenkosten. Der Haushalt des Bundesarbeitsministeriums ist mit 172,4 Milliarden DM der größte Einzelplan des Bundeshaushaltes. Insgesamt werden im Einzelplan 11 für dieses Jahr rund 9 Milliarden DM mehr eingestellt, als dies die alte Bundesregierung vorsah. Das sind 9 Milliarden DM mehr für Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Das ist ein klares Signal an die Bürgerinnen und Bürger: Wir halten, was wir versprochen haben. ({1}) Die Chancen für einen nachhaltigen Abbau der Arbeitslosigkeit sind gut. Alle Prognosen gehen von einem weiteren Rückgang der Arbeitslosenzahlen aus. ({2}) - Es kommt keine Kündigungswelle. - Ich will auf die Zahlen kurz eingehen. Herr Kues sagte, die Zahl der Arbeitslosen habe sich um 320 000 gesteigert. Er erwähnte aber nicht, daß diese Zahl auf den jedes Jahr im Winter wiederkehrenden saisonalen Anstieg der Arbeitslosigkeit basiert. Richtig ist, Herr Kues, daß wir im Jahresvergleich im Januar 360 000, im Februar 360 000 und im März 340 000 Arbeitslose weniger hatten als im letzten Jahr. Ich glaube, im Durchschnitt gesehen sind wir auf einem guten Weg. Wir sollten alle daran arbeiten, daß diese Entwicklung so weitergeht. ({3}) Die Chancen werden also wieder günstiger. Wir werden diese positiven Rahmendaten für unsere Politik nutzen, die die Eckpfeiler für mehr Beschäftigung setzt. Menschen brauchen Chancen, durch Arbeit ihren Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten. Das gilt ganz besonders für die, die auf Grund ihrer Qualifikation, ihres Alters oder ihrer sozialen Situation nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft einen Job zu finden. Darum genießt die aktive Arbeitsmarktpolitik Priorität in unserem sozialpolitischen Handeln. Aktive Arbeitsmarktpolitik erhöht Chancen. Unser Grundsatz lautet deshalb, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. ({4}) Ich betone noch einmal und ausdrücklich, daß unsere aktive Arbeitsmarktpolitik vor allem darauf ausgerichtet ist, Menschen Brücken in den ersten Arbeitsmarkt zu bauen. Deshalb haben wir die Ausgaben des Bundes für die Arbeitsförderung auf rund 43,3 Milliarden DM erhöht. Gegenüber dem Entwurf der alten Regierung ist dies eine Steigerung von rund 1 Milliarde DM. Der Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit steigt von 7,7 Milliarden DM in 1998 auf 11 Milliarden DM. Dabei muß man aber sehen - diese Frage ist schon angesprochen worden -: In dieser Summe sind zusätzliche aktive Maßnahmen der Arbeitsförderung und das ZweiMilliarden-Sonderprogramm für die Jugend enthalten. Das ist Ausdruck eines politischen Kurswechsels. Im Gegensatz zur alten Bundesregierung werden wir die aktive Arbeitsmarktpolitik nicht von Wahlterminen oder von Entscheidungen wie beispielsweise vor dem Hintergrund der Maastricht-Kriterien abhängig machen. ({5}) Um eines klarzustellen: Wir brauchen diese stabilen Brücken. Deshalb lehne ich eine Absenkung des Bundeszuschusses entschieden ab. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und nicht nur eine Aufgabe der Beitragszahler. Mit unserem Bundeshaushalt sorgen wir dafür, daß die Bundesanstalt für Arbeit die Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau verstetigt und neue Maßnahmen zum Abbau der Arbeitslosigkeit durchführen kann. Der Etat der Bundesanstalt für Arbeit für 1999 sieht Ausgaben von 105,2 Milliarden DM vor. Für aktive Arbeitsmarktpolitik sind davon 41 Milliarden DM vorgesehen, knapp 5 Milliarden DM mehr als im Haushalt 1998. Damit investieren Bund und Bundesanstalt für Arbeit zusammen 45,3 Milliarden DM in aktive Arbeitsmarktpolitik; das sind rund 6 Milliarden DM mehr, als von der alten Bundesregierung vorgesehen waren. ({6}) Ich sage bewußt „investieren“; denn das sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes und in die Zukunft unserer Bürgerinnen und Bürger. ({7}) - Für den Eingliederungstitel stehen mit 27,4 Milliarden DM rund 2,7 Milliarden DM mehr zur Verfügung als im letzten Jahr, um die Frage „Wo denn?“ zu beantworten. Die Arbeitsämter können damit Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik finanzieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine der schlimmsten Hinterlassenschaften, die wir vorfanden, ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Es ist und bleibt eine Schande für ein so reiches Land, wenn Hunderttausende von jungen Menschen arbeitslos sind. Und zu den Registrierten kommen die nicht Registrierten: die daheim sind, die auf der Straße sind, die in Bildungsveranstaltungen warten, weil sie keinen Zugang mehr zum Arbeitsmarkt haben. ({8}) Nicht zuletzt deshalb haben wir unmittelbar gehandelt und das Sofortprogramm zur zusätzlichen Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit aufgelegt. Für dieses Programm sind im Haushalt der Bundesanstalt 1999 2 Milliarden DM vorgesehen, davon 600 Millionen DM aus dem Europäischen Sozialfonds. Der Schwerpunkt der Förderung - über 40 Prozent der Mittel - liegt in der Förderung in Ostdeutschland. Das Sofortprogramm findet eine große Resonanz bei den Jugendlichen. Morgen wird der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit die neuesten Zahlen vorlegen. Bis zum gestrigen Tag haben sich insgesamt 117 186 Jugendliche in Maßnahmen aktiv beteiligt. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ja, gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Siegfried Hornung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000961, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich habe eine einfache Frage. Wir sind uns doch sicher einig, daß der Großteil der Arbeits- und Ausbildungsplätze für Jugendliche von Handwerkern und Mittelständlern zur Verfügung gestellt wird. Nun geilen Sie sich geradezu auf - ({0}) - Warum denn so nervös? Der Bundesminister erklärt doch zuhauf: Die Bundesregierung nimmt 2 Milliarden DM in die Hand, um damit 100 000 Jugendlichen für ein Jahr die Chance zu finanzieren, von der Straße wegzukommen - vom Ziel her kein Problem! Haben Sie aber einmal berechnet, wieviel Geld der Staat damit für einen Jugendlichen aufwendet? Wenn ich richtig gerechnet habe, sind es pro Monat 1 700 DM, die Sie dem Jugendlichen, für den Ausbildungsplatz zahlen. Welcher Handwerker wird in Zukunft noch einen Jugendlichen ausbilden mit einem Gehalt in gleicher Höhe, wenn der Staat dieses Geld doch einfach zur Verfügung stellt? ({1}) Das ist eine einfache Frage.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Diese einfache Frage möchte ich auch einfach beantworten: Ich wünsche mir, daß wir dafür keine Mark mehr einsetzen müssen, weil jeder Betrieb, jeder Handwerker Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Solange dies aber nicht so ist, müssen wir diese Mittel einsetzen, weil die Jugendlichen ansonsten auf der Straße liegen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Bundesminister, einen Moment. Herr Kollege Hornung, ich weise Sie darauf hin, daß das Tätigkeitswort, welches Sie gebraucht haben, kein parlamentarischer Ausdruck ist. ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich sagte, daß wir 117 186 Jugendlichen - 41 Prozent davon in Ostdeutschland - die Chance gegeben haben, aktiv mitzumachen. Darauf können wir stolz sein. ({0}) Ich habe das Gefühl, daß dies einige nicht so stehen lassen können und deshalb in die Trickkiste greifen. Ich betone daher: Wir sprechen die Jugendlichen an, die in den letzten Jahren vergessen worden sind. ({1}) Wir sprechen sie so an, daß sie die gebotene Chance ergreifen. Es handelt sich zum Teil um Jugendliche, die keinen Hauptschulabschluß haben, die die Ausbildung abgebrochen haben. Dort müssen wir auch kurzfristige Maßnahmen ansetzen, Frau Schwaetzer. ({2}) Dadurch bekommen sie die Chance, daß ihnen überhaupt eine Ausbildung vermittelt wird. Ausgebildeten müssen wir Trainingsmaßnahmen anbieten, um ihnen die Chance zu geben, überhaupt in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Ziel dieses Programms ist es, diesen Jugendlichen eine Chance zu geben. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Bundesminister, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Niebel?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ja.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, stimmen Sie mir zu ({0}) - ich könnte jetzt eine Frage stellen, worauf Sie mit dieser Antwort ganz blöd dastehen -, daß die jetzige Regierung, als sie noch in der Opposition war, der damaligen Bundesregierung vorgeworfen hat, Jugendliche in Berufsgrundbildungsjahren, in Berufsvorbereitungsjahren oder ähnlichen Maßnahmen seien eigentlich nur versteckte Arbeitslose, würden also die Statistik etwas verbessern? ({1}) Stimmen Sie mir ferner zu, daß exakt diese Jugendlichen nach dem Sofortprogramm für Jugendliche, von dem Sie gerade gesprochen haben, als versorgte Bewerber gelten, also nicht in den Genuß der sogenannten erleichterten Förderung kommen? Stimmen Sie mir letztlich zu, daß damit diejenigen, die sich noch letztes Jahr verweigert haben, an der Integration in den Arbeitsmarkt mitzuwirken, belohnt werden? ({2})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Niebel, in der Tendenz Ihrer Fragen stimme ich Ihnen nicht zu. Ich will dies ganz kurz begründen: Ich glaube, es gibt kaum ein Programm, das so viele Menschen erfaßt hat, die nicht als Arbeitslose gemeldet waren. ({0}) Ich finde es gerade toll, daß so viele, denen bekanntgeworden ist, welche Möglichkeiten bestehen, auf die Arbeitsämter zugehen und fragen: Kann ich mitmachen? Bekomme ich eine Chance? - Zum Teil wirkt sich dies überhaupt nicht statistisch aus. Das ist mir auch völlig egal. Mir geht es um die Menschen und nicht um die Statistik. ({1}) Deswegen spreche ich hier nicht von versteckten Arbeitslosen, ich möchte keine Statistiken bereinigen. Ich möchte, daß den Menschen unter ihren spezifischen Bedingungen geholfen wird, zum Beispiel den Behinderten oder den Leistungsschwachen. Über 3 000 junge Behinderte machen bei diesem Programm mit. Darauf können wir alle stolz sein. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Bundesminister, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich möchte aber darauf hinweisen: Die Zeit ist so fortgeschritten, daß ich darum bitte, daß anschließend keine Zwischenfragen mehr gestellt werden. Herr Kollege Kues.

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben eben, wenn ich das richtig verstanden habe, gesagt, daß Sie - in meinen Worten ausgedrückt - mit dem Programm im Grunde genommen die Schwächsten der Schwachen erreichen wollten. ({0}) Stimmt die Zahl, die ich vorhin genannt habe, daß 45 Prozent derjenigen, die von dem Programm für 100 000 Jugendliche profitieren, einen Hauptschulabschluß und 42 Prozent zusätzlich einen Realschulabschluß bzw. Abitur haben? ({1})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich unterstelle einmal, daß die Zahl stimmt. ({0}) - Ich antworte gerade auf Herrn Kues; ich denke, er will die Antwort von mir haben. ({1}) Ich möchte dazu aber eine Bemerkung machen, Herr Kues. Das Programm schließt natürlich nicht aus, daß beispielsweise jemand mit einem Realschulabschluß oder auch mit einer Ausbildung eine Förderung erhält, wenn er die zweite Hürde, den Sprung in den Arbeitsmarkt, nicht geschafft hat. ({2}) Aber der Schwerpunkt des Programms liegt in der Tat darauf, den Leistungsschwächeren, die auf dem Markt wenig Chancen haben, Unterstützung zu geben. Das ist der Schwerpunkt der Programms; insofern ist es absolut richtig angelegt. ({3}) Vielleicht darf ich Ihnen ein Zitat aus einer der F.D.P. möglicherweise sehr nahe stehenden Zeitung, dem „Handelsblatt“, bringen. Es titelte am 30. März kurz und knapp: „Sofortprogramm ist voller Erfolg“. Dem möchte ich von der Bewertung her eigentlich nichts mehr hinzufügen. ({4}) Unser Programm straft im übrigen all diejenigen Lügen, die behaupten, viele Jugendliche, vielleicht sogar die Mehrheit, wollten gar nicht arbeiten, sondern würden lieber in der sozialen Hängematte faulenzen. Weniger als 3 Prozent der Jugendlichen erhielten Sperrzeiten und Leistungskürzungen, weil sie sich einem zumutbaren Angebot verweigert haben. Diese Zahl zeigt deutlich: Es macht keinen Sinn, über eine Jugend mit Aussteigermentalität zu schwadronieren; es geht vielmehr darum, unserer Jugend einen Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Genau das machen wir, und darauf sind wir stolz. ({5}) Ich rate sehr dazu, auch den Oppositionskreisen zum einen, weil das Programm nicht diskreditiert werden sollte, und zum anderen, weil in der Vergangenheit nicht sehr viele Zusatzaktivitäten dieser Art aufzuweisen waren -, sich mit der Kritik etwas zurückzuhalten. Wer über Jahre hinweg diese Entwicklung hingenommen hat, darf heute nicht in dieser Weise auftreten. ({6}) Wer beispielsweise sagt - das haben wir vor kurzem in der Debatte gehört -, wir wollten mit diesem Programm Jugendliche nur ruhigstellen, und wer unser Programm in verantwortungsloser Weise schlechtzureden versucht, anstatt mitzuhelfen, Jugendliche zur Teilnahme zu motivieren, der dient nicht der Jugend. ({7}) Ein weiteres Element unserer aktiven Arbeitsmarktpolitik sind Strukturanpassungsmaßnahmen. Mit diesen Maßnahmen werden zusätzliche Einstellungen in Wirtschaftsunternehmen gefördert. Hinzu kommen Beschäftigungsmaßnahmen in einer Vielzahl von Bereichen, wie zum Beispiel Denkmalpflege, Umwelt und soziale Dienste. Für Strukturanpassungsmaßnahmen stehen im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit rund 3,5 Milliarden DM bereit. Hinzu kommen weitere 2 Milliarden DM aus dem Bundeshaushalt. Der gesamte Ansatz beträgt also 5,5 Milliarden DM. Mit diesen Mitteln wird 1999 im Jahresdurchschnitt für 210 000 Arbeitslose eine Beschäftigung ermöglicht. Mit rund 190 000 Förderungen liegt der Schwerpunkt eindeutig und notwendigerweise in Ostdeutschland. In der Zukunft werden wir die Strukturanpassungsmaßnahmen noch zielgenauer und effizienter gestalten. Sie sollen damit ein wichtiges Instrument der Arbeitsmarktpolitik insbesondere in Ostdeutschland bleiben. Die Forderung, den Titel „Strukturanpassungsmaßnahmen“ um 200 Millionen DM aufzustocken, lehne ich jedoch ab. Sollte im Laufe dieses Jahres eine Verstärkung dieses Titels erforderlich werden, kann auf noch vorhandene Verstärkungselemente zurückgegriffen werden. ({8}) - Herr Fuchtel hat große Erfahrung damit, nachzufragen, um welche Verstärkungselemente es sich handelt, weil er diesen Titel nie tatsächlich, sondern immer nur aus den Mitteln für das Arbeitslosengeld gedeckt hat. Herr Fuchtel, wenn Sie danach fragen, dann ist dies etwas scheinheilig. ({9}) Es wird auch keinen Bewilligungsstopp geben, wie dies in den letzten Wochen mehrfach behauptet worden ist. Sehr verehrte Damen und Herren, die Strukturanpassungsmaßnahmen und das Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit machen deutlich: Die Bundesregierung nimmt ihre beschäftigungspolitische Verantwortung gegenüber den neuen Bundesländern sehr ernst, und sie handelt. Die Förderung der ostdeutschen Wirtschaft ist für uns kein Lippenbekenntnis, sondern eine Aufgabe, die wir mit ganz konkreten Maßnahmen angehen. Neben der Jugendarbeitslosigkeit ist die Langzeitarbeitslosigkeit eines der drängendsten Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Auch hier ein paar Worte der Klarstellung: Mit dem Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz hat die alte Bundesregierung die Bedingungen für den Zugang von Arbeitslosen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus kurzsichtigen und rein fiskalischen Erwägungen verschärft, indem nur noch Langzeitarbeitslose gefördert wurden. Doch die Langzeitarbeitslosigkeit kann, so denken wir, am wirksamsten bekämpft werden, wenn bereits im Vorfeld angesetzt wird. Daher ist es in Übereinstimmung mit den Zielen der europäischen Beschäftigungspolitik sachgerecht, einen früheren Eintritt der Arbeitslosen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu ermöglichen. Deshalb wollen wir mit dem Zweiten SGB IIIÄnderungsgesetz erreichen, daß Arbeitslose bereits bei sechsmonatiger Arbeitslosigkeit über eine Zuweisung in eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vor Langzeitarbeitslosigkeit möglichst bewahrt werden. ({10}) Ein wichtiges Instrument zur Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser ist aber auch das Langzeitarbeitslosenprogramm. Bis zum Jahr 2001 stehen nun jährlich 750 Millionen DM zur Verfügung. Damit können wir 50 000 Langzeitarbeitslosen zu einem Neuanfang verhelfen. ({11}) - Herr Niebel, was heißt „wie bisher“? Vieles ist wie bisher. Nicht alles ändert sich. Aber wir setzen neue Schwerpunkte. ({12}) Für die Betroffenen ist das ein wichtiges Signal der Hoffnung, der Hoffnung, in den ersten Arbeitsmarkt, in eine reguläre Beschäftigung zurückkehren zu können. Ich betone es nochmals - dies ist das oberste Ziel unserer aktiven Arbeitsmarktpolitik- : Wir wollen Brücken in den ersten Arbeitsmarkt bauen. Darum geht es. ({13}) Ich habe soeben darauf hingewiesen: Unsere arbeitsmarktpolitischen Instrumente müssen präventiv wirken. Deshalb wollen wir in dieser Legislaturperiode auch das Arbeitsförderungsrecht reformieren. Wir wissen: Eine sorgfältige Überarbeitung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch braucht Zeit. Dringende Probleme wollen wir allerdings sofort anpacken. Deshalb bringen wir schon heute den Entwurf eines Zweiten SGB III-Änderungsgesetzes in die parlamentarischen Beratungen ein. Mit diesem Gesetzentwurf verfolgen wir drei Ziele: Erstens. Die aktive Arbeitsmarktpolitik soll effizienter und zielgenauer als bisher auf die Problemgruppen des Arbeitsmarktes ausgerichtet werden. Langzeitarbeitslose, ältere Arbeitslose und Arbeitslose, denen Langzeitarbeitslosigkeit droht, sollen leichter in reguläre Beschäftigungsverhältnisse integriert werden können. Dafür müssen die Arbeitsförderungsleistungen besser auf die besonderen Vermittlungsprobleme gerade dieser Problem- und Personengruppen ausgerichtet sein. Dafür werden wir die Zahlungen von Eingliederungszuschüssen an Arbeitgeber erleichtern, die ältere Arbeitnehmer einstellen. ({14}) - Unsere Diskussion über die Nachbeschäftigungspflicht haben Sie zu Recht angesprochen. Wir setzen damit exakt bei Älteren, besonders schwer Vermittelbaren an. Ich habe Ihnen damals richtigerweise geantwortet: Die unkonditionierten Lohnkostenzuschüsse alter Prägung müssen konditioniert werden. In bezug darauf sehe ich einen anderen Ansatz als bei älteren Arbeitslosen, die integriert werden sollen. ({15}) Die Beschäftigung in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wird in Zukunft nicht mehr an Langzeitarbeitslosigkeit geknüpft sein. In den neuen Bundesländern und in Arbeitsamtsbezirken mit besonders hoher Arbeitslosigkeit werden wir gezielte Strukturanpassungsmaßnahmen anbieten. Die Neuregelung bei den Strukturanpassungsmaßnahmen zielt auch darauf ab, mit diesem Instrument gezielter als bisher die besonders förderungswürdigen Personengruppen wieder in Beschäftigung zu bringen. Zweitens. Ein weiteres Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist es, sozialpolitische Härten, die mit der Gesetzgebung der früheren Koalition eingetreten sind, zu beseitigen. Drittens. Wir entlasten die Arbeitsämter von überflüssiger Verwaltungsarbeit und Bürokratie. Zu den letzten beiden Zielen möchte ich nur ein Beispiel nennen: Die frühere Bundesregierung hat die Arbeitslosen grundsätzlich verpflichtet, ihre persönliche Arbeitslosmeldung im Abstand von drei Monaten zu erneuern. Das hat bei den Arbeitsämtern zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand geführt und wichtige Beratungskapazitäten blockiert. Ertrag und Aufwand standen - das hat im übrigen schon mein Vorgänger erkannt - in keinerlei Verhältnis zueinander. Diese Meldepflicht soll entfallen, und ich denke, es ist richtig, daß sie entfällt. ({16}) Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, den wir heute einbringen, enthält wirksame Soforthilfen für Arbeitslose und für Arbeitsämter. Er ist aber nur ein erster Schritt. Er soll keineswegs die grundlegende Reform der Arbeitsförderung ersetzen, die wir in dieser Legislaturperiode vornehmen werden. Wir haben unseren Wählerinnen und Wählern versprochen, die Lohnnebenkosten zu senken. Auch dieses Wahlversprechen haben wir gehalten. ({17}) Der Beitragssatz bei der Rentenversicherung wurde zum 1. April 1999 auf 19,5% abgesenkt. Das ist die erste Senkung des Rentenbeitrages seit vielen, vielen Jahren. ({18}) Diese Senkung wird dadurch ermöglicht, daß wir die Beitragszahlung für die Kindererziehung an die Rentenversicherung übernehmen. Sie beläuft sich allein in diesem Haushaltsjahr auf 13,6 Milliarden DM. Außerdem erstattet der Bund die einigungsbedingten Leistungen in der Rentenversicherung. Für das nächste Jahr bedeutet das eine Entlastung der Rentenversicherung um 25 Milliarden DM. Es ist das erste Mal, daß wir sagen können: Die Diskussion über die versicherungsfremden Leistungen im Rentenversicherungssystem ist zu Ende. Das ist ein wichtiger und guter Schritt. ({19}) Meine Damen und Herren, es ist leider keine Selbstverständlichkeit, daß eine Regierung so schnell die Versprechen einlöst, die sie im Wahlkampf gemacht hat. ({20}) Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, sage ich: Natürlich akzeptieren wir Kritik, ({21}) sofern sie inhaltlich begründet ist. Wir sind aber nicht gewählt worden, weil wir genau das gleiche wollen wie Sie. Was ich allerdings nicht akzeptiere, ist eine doppelbödige Argumentation. ({22}) Sie haben die versicherungsfremden Leistungen in der Rentenversicherung auf ein Rekordniveau angehoben. Jetzt kritisieren Sie unsere Gegenmaßnahmen. ({23}) Sie haben tatenlos zugesehen, daß die Jugendarbeitslosigkeit immer stärker zunimmt. Jetzt werfen Sie uns vor, wir wollten mit unserem Sofortprogramm ein Strohfeuer entfachen ({24}) und - schlimmer noch - Jugendliche nur ruhigstellen. Das finde ich schon ein starkes Stück. ({25}) Sie haben es versäumt, die Sozialversicherung an die neue Arbeitswelt anzupassen. Darauf habe ich nur eine klare Antwort: Wenn es modern ist, tatenlos zuzusehen, wie sich die Arbeitswelt verändert und wie immer weniger Menschen vor den großen Lebensrisiken geschützt werden, wenn es modern ist, einerseits soziale Sicherheit zu fordern, andererseits aber keinen Pfennig dafür aufzubringen, wenn es modern ist, arbeitslose Jugendliche im Regen stehen zu lassen - wenn das alles modern ist, dürfen Sie mich unmodern schimpfen. Allerdings müssen wir uns dann aber, so glaube ich, auf einen neuen Begriff der Modernität verständigen. ({26}) Wir bringen heute ein Vorschaltgesetz ein, das die aktive Arbeitsmarktpolitik effizienter, zielgenauer und gerechter macht. Dafür bitte ich um Zustimmung. Wir legen heute vor allem aber einen Haushalt der Verantwortung vor - einen Haushalt, der für unsere Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Botschaft enthält. Diese Botschaft lautet, daß seit dem letzten Herbst in der Politik nicht nur versprochen, sondern auch gehalten wird. ({27}) Deshalb bitte ich um Zustimmung für diesen Bundeshaushalt und um Ablehnung der Anträge der Opposition. Herzlichen Dank! ({28})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es folgen jetzt noch eine Kurzintervention und anschließend ein Redebeitrag. Danach kommen wir zur namentlichen Abstimmung. Ich bitte Sie, den Rednern jetzt noch Gehör zu schenken und etwas Ruhe walten zu lassen. Wer das nicht will, kann so lange in der Lobby warten. Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Schnieber-Jastram.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Riester, Sie hatten zu Beginn der Rede gesagt, Sie würden auf das Bild eingehen, das ich in meinem Debattenbeitrag gemalt habe. Es handelt sich um das Bild von dem Schiff, auf dem Käpten Chaos Gerhard Schröder regiert und auf dem Sie der Steuermann sind, dem das Steuer ständig herumgerissen wird. Ich würde mich freuen, wenn Sie darauf noch eingingen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Der Minister will nicht erwidern. Wir kommen nun zur Rede des Kollegen Johannes Singhammer von der CDU/CSU-Fraktion.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesarbeitsminister Riester, Sie haben - in einem Satz zusammengefaßt - ein großes Problem; das dokumentieren heute die Zeitungen und die Umfragen, denen Sie gegenüberstehen. Das Problem ist: Seit dem Regierungsantritt von Rotgrün ist es in Deutschland nicht sozial gerechter, sondern sozial ungerechter geworden. ({0}) Nirgendwo sonst als in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik fühlen sich immer mehr Menschen in Deutschland enttäuscht und getäuscht, wenn sie die Ankündigungen von Rotgrün vor der Wahl mit der Wirklichkeit neun Monate nach der Wahl vergleichen. ({1}) Das betrifft vor allem die Menschen mit kleinem Geldbeutel. ({2}) Was Sie jetzt gestartet haben - heute in der Presse nachzulesen -, ist die Ankündigung von neuen Einschnitten und, damit verbunden, eine schlimme Kampagne zur Verunsicherung der Menschen. ({3}) Was soll noch alles gekürzt werden? Heute wurde in den Zeitungen spekuliert: Pensionen sollen gekürzt werden, Personal des Bundes soll entlassen werden, Erziehungsgeld soll gekappt werden, und der Wohnungsbau soll gekürzt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der selbstgewählte Erfolgsmaßstab dieser Regierung soll - darauf hat gestern schon unser Landesgruppenvorsitzender hingewiesen - der Arbeitsmarkt sein. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung formuliert: Wir wollen uns jederzeit - nicht erst in vier Jahren - daran messen lassen, in welchem Maße wir zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen. Heute, am 6. Mai 1999, legen wir die Meßlatte an. Die entscheidende Erfolgszahl ist die Beschäftigtenzahl. Seit dem Amtsantritt dieser rotgrünen Regierung ist die Zahl der Beschäftigten nicht mehr und nicht weniger als um die Einwohnerzahl einer Stadt wie Bonn samt Vorstädten gesunken; saisonale Aspekte sind dabei berücksichtigt. Das sind 337 000 Personen. ({4}) Die Zukunft verheißt nichts Gutes. Als eine neue Ikone der Gesetzgebungskunst angekündigt, ist Ihnen das 630-Mark-Gesetz gründlich mißraten. ({5}) Auf uns kommt - das kündigen die Verbände schon an eine riesige Flutwelle von Entlassungen zu. Das ist ein politischer Tsunami ungeahnten Ausmaßes. ({6}) Wie viele Arbeitsplätze zertrümmert werden, kann zur Stunde noch keiner sagen. Durch die Bekämpfung der sogenannten Scheinselbständigkeit wird die Schaffung neuer Existenzen verhindert. Sehr geehrter Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben hier eine gespaltene Richtlinienkompetenz geschaffen: Die Richtlinienkompetenz im Kabinett hat der Bundeskanzler, die Richtlinienkompetenz in der SPD-Fraktion hat der Bundesarbeitsminister, und die Richtlinienkompetenz in Ihrem Ministerium hat der Staatssekretär Andres, der schon heftig mit den Füßen scharrt. Das ist aber nicht nur ein Problem dieser Bundesregierung; denn wenn der Regierungschef den Eindruck erweckt bzw. nicht widerspricht, daß dieser Arbeitsminister ein Arbeitsminister auf Abruf ist, dann sind dessen Möglichkeiten der Durchsetzung von großen Vorhaben und Reformen in dieser schwierigen Zeit mehr als begrenzt, weil ihn niemand mehr ernst nimmt. Dann ist es ein Problem dieses Staates und auch der vielen Arbeitslosen, die auf Sie zunächst einmal Hoffnungen gesetzt haben. ({7}) Auch die Rechnung mit dem „Bündnis für Arbeit“ geht nicht auf. Statt klarer Richtungsentscheidungen fasert dieses Bündnis in ein Gestrüpp von Arbeitsgruppen, Unterarbeitsgruppen, Kreisen und Zirkeln aus. Welchen Erfolg soll dieses Bündnis haben, wenn einer der Partner, die am Tisch sitzen, nämlich die Bundesregierung, einen Entwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes in der Schublade hat, der von einem anderen Partner, in dem Fall der Arbeitgeberseite, als Angriffsplan gegen unternehmerische Selbständigkeit gewertet wird? Das kann doch nicht gutgehen. Morgen soll der Doppelpaß beschlossen werden. ({8}) Sie wollen den Doppelpaß durch die Hintertür einführen. ({9}) Das Ganze ist umstritten. Eines steht aber fest - das können auch Sie nicht leugnen -, nämlich daß dieses Gesetzgebungsvorhaben zumindest mittelfristig erhebliche Auswirkungen auch auf den Arbeitsmarkt haben wird. Es steht fest, daß die Zahl der Arbeitsuchenden durch dieses neue Vorhaben nicht kleiner, sondern größer wird; und der Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt wird nicht abnehmen, sondern zunehmen. Um speziell die ausländischen Arbeitnehmer besser zu integrieren, wäre unser Vorschlag gewesen, beispielsweise ein Programm zur verbesserten Sprachförderung aufzulegen. Damit hätten Sie mehr für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit getan als mit diesen Scheinintegrationsmaßnahmen. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. ({11}) Mit den Gesetzen zu den 630-Mark-Jobs und zur Scheinselbständigkeit ist Ihnen ein gesetzgeberischer GAU geglückt, der in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispiellos ist. Ich sage Ihnen allen, auch Ihnen, Herr Schösser, heute schon voraus: Das Gesetz, das Sie morgen verabschieden wollen, ({12}) ist sowenig durchdacht und noch schlampiger gemacht als das bisherige, so daß es in all seinen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ein gesetzgeberischer Super-GAU werden wird. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schlie- ße die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/933. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind die Plätze eingenommen? - Das scheint der Fall zu sein. Ich eröff- ne die Abstimmung. Sind alle Stimmkarten abgegeben worden? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.*) Wir setzen die Abstimmungen fort. Darf ich Sie bitten, die Plätze einzunehmen und sich hinzusetzen, damit man das Ergebnis richtig feststellen kann. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/932. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Dann darf ich feststellen, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden ist. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/935: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung von CDU/CSU und F.D.P. und Enthaltung der PDS abgelehnt worden. Abstimmung über den Antrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/919. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der PDS bei einigen Enthaltungen der CDU/ CSU-Fraktion, einigen Zustimmungen der CDU/CSUFraktion und voller Zustimmung der F.D.P.-Fraktion abgelehnt worden. Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/968. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. bei Zustimmung der Fraktion der PDS abgelehnt worden. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({0}) ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder er- öffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift- führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/933 bekannt. Abgegebene Stimmen 615. Mit Ja haben gestimmt 288, mit Nein ha- ben gestimmt 327, Enthaltungen keine. Der Änderungs- antrag ist abgelehnt. ------ *) Seite 3268-3270 Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 615; davon: ja: 288 nein: 327 JA CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({0}) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({1}) Hartmut Büttner ({2}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({3}) Peter H. Carstensen ({4}) Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({5}) Axel E. Fischer ({6}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich ({7}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({8}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Hermann Gröhe Manfred Grund Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({9}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({10}) Hansgeorg Hauser ({11}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Thomas Kossendey Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({12}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({13}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({14}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({15}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({16}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({17}) Elmar Müller ({18}) Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({19}) Anton Pfeifer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({20}) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({21}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Adolf Roth ({22}) Norbert Röttgen Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({23}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({24}) Andreas Schmidt ({25}) Hans Peter Schmitz ({26}) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Diethard W. Schütze ({27}) Clemens Schwalbe Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Werner Siemann Bärbel Sothmann Margarete Späte Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß ({28}) Gerald Weiß ({29}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({30}) Hans-Otto Wilhelm ({31}) Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({32}) Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({33}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Horst Friedrich ({34}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({35}) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({36}) Vizepräsident Rudolf Seiters Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Dr. Gregor Gysi Dr. Barbara Höll Carsten Hübner Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Manfred Müller ({37}) Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Winfried Wolf Nein SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({38}) Klaus Barthel ({39}) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({40}) Kurt Bodewig Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({41}) Bernhard Brinkmann ({42}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Büttner ({43}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({44}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({45}) Harald Friese Arne Fuhrmann Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({46}) Angelika Graf ({47}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({48}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({49}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({50}) Walter Hoffmann ({51}) Iris Hoffmann ({52}) Frank Hofmann ({53}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({54}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({55}) Detlev von Larcher Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({56}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({57}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({58}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({59}) Jutta Müller ({60}) Christian Müller ({61}) Andrea Nahles Volker Neumann ({62}) Gerhard Neumann ({63}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({64}) Birgit Roth ({65}) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({66}) Ulla Schmidt ({67}) Silvia Schmidt ({68}) Dagmar Schmidt ({69}) Wilhelm Schmidt ({70}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({71}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({72}) Brigitte Schulte ({73}) Reinhard Schultz ({74}) Volkmar Schultz ({75}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({76}) Dr. Angelica Schwall-Düren Vizepräsident Rudolf Seiters Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({77}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({78}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({79}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({80}) Jürgen Wieczorek ({81}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Heino Wiese ({82}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({83}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({84}) Waltraud Wolff ({85}) Heidemarie Wright Uta Zapf Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({86}) Volker Beck ({87}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Klaus Wolfgang Müller ({88}) Kerstin Müller ({89}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Simone Probst Claudia Roth ({90}) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({91}) Werner Schulz ({92}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({93}) Margareta Wolf ({94}) Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({95}) Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU Ich bitte nun diejenigen, die dem Einzelplan 11 in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 11 ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 14/873 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen; der Gesetzentwurf soll allerdings nicht dem Ausschuß für Gesundheit überwiesen werden. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe auf: Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern - Drucksachen 14/606, 14/622 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Werner Hoyer Lothar Mark Oswald Metzger Carl-Detlev Freiherr v. Hammerstein Herbert Frankenhauser Einzelplan 33 Versorgung - Drucksache 14/300 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Günter Rexrodt Josef Hollerith Oswald Metzger Heidemarie Ehlert Zum Einzelplan 06 liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein. ({96})

Carl Detlev Hammerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 06, den wir heute verabschieden, erweckt in mir ein bißchen Verwunderung und Erstaunen; denn Minister Schily hat mit wenigen Ausnahmen den Vizepräsident Rudolf Seiters Entwurf von Herrn Kanther übernommen. Es freut mich, daß er ihn übernommen hat, zeigt dies doch, daß die Vorplanung sehr gut war. Über einige Teilbereiche bin ich allerdings erstaunt, Herr Kollege Schily, so über den der inneren Sicherheit. Wenn ich noch daran denke, wie Sie sich im letzten Herbst vor der Bundestagswahl ständig massiv gegen die innenpolitischen Vorschläge unserer Koalition ausgesprochen haben, dann bin ich erstaunt darüber, wie schnell Sie sich in diesem Bereich gewandelt haben. Ich möchte zunächst die Bereiche ansprechen, die ich für positiv halte. Als erstes möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei den Frauen und Männern des BGS für ihre Arbeit und Engagement bedanken. Wie flexibel und hochmotiviert diese Polizei des Bundes sein kann, hat sich unter anderem bei den Einsätzen im Zusammenhang mit der Kosovo-Krise gezeigt. Ich begrüße es deshalb, daß es uns gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg mit dem Minister in den Haushaltsberatungen gelungen ist, zahlreiche Hebungen im Bereich des mittleren und des gehobenen Dienstes vorzunehmen; denn ich bin der Auffassung, daß gute Leistung auch belohnt werden muß. Ich bin überzeugt, daß der BGS gut ausgebildete und hochmotivierte Mitarbeiter braucht, um die Sicherheit in unserem Land auch zukünftig zu gewährleisten. Bereits in meiner Rede zur ersten Lesung hatte ich darum gebeten, Herr Minister, auch dafür Sorge zu tragen, daß die BGS-Mitarbeiter mit gutem Material ausgestattet werden; denn es gibt inzwischen Probleme in vielen Bereichen des Verbrechens, weil die Methoden immer raffinierter werden. Deshalb ist es meines Erachtens unsere Aufgabe, die Frauen und Männer des BGS mit gutem Material auszurüsten. Ein weiterer positiver Aspekt: Ich möchte im Namen meiner Fraktion auch dem THW ganz herzlich danken. Ich bin froh, daß die Koalitionsmitberichterstatter, nachdem sie zunächst 5 Millionen DM einsparen wollten, meinem Vortrag gefolgt sind und dies nicht getan haben. Nur verärgert sein kann man dagegen - das ist im Bereich des Amtes für Zivilschutz, Herr Minister, schon fast ein Kahlschlag - über die gewaltigen Kürzungen im Ausbildungsbereich von 4 Millionen DM auf 2,9 Millionen DM. Um 5 Millionen DM werden die Gelder für Wartung und Instandsetzung zusammengestrichen. Zusätzlich werden noch weitere Millionen in verschiedenen Teilbereichen eingespart. Diese Kahlschlagpolitik führt zu hoher Frustration bei den vielen ehrenamtlichen Helfern im Zivilschutz und belastet darüber hinaus die Kommunen, die den Brandschutz nun ohne Unterstützung durch Gerät des Bundes gewährleisten müssen. Ich denke hier, Herr Minister, nur an die Katastrophen bei der Deutschen Bahn, bei denen gerade die Feuerwehr immer als erste vor Ort war. Sie trägt damit große Verantwortung. Hier ist meines Erachtens eine Nachbesserung nötig. Ich freue mich, daß Sie, Herr Minister, und Ihre Kollegen sich meinen Sachargumenten angeschlossen haben, als es um die den THW betreffenden Kürzungen ging. Es ist gut, daß wir es so verabschiedet haben. Zum Einzelplan 06 gehört auch der Sport - ein Thema, das uns allen sehr wichtig ist. Es handelt sich um einen Bereich, in dem die SPD im Vorwahlkampf riesengroße Versprechungen gemacht hat, und zwar insbesondere mit dem Goldenen Plan Ost, mit dem dafür gesorgt werden sollte, daß die Sportstätten im Osten erneuert und modernisiert werden. Man hatte vor, mit diesem Plan große Investitionen vorzunehmen und Arbeitsplätze zu schaffen. Dieser Plan ist aus meiner Sicht heute nur noch ein „Plänchen“. Nur dank der Hartnäckigkeit der CDU/ CSU-Fraktion ist im jetzigen Haushalt statt einer Summe von 0 DM eine Summe von 15 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Diese 15 Millionen DM sind für den Neubau von Sportstätten für den Breitensport wichtig. Herr Minister, ich hoffe, daß die Ankündigungen und die Verpflichtungsermächtigungen für die nächsten Jahre in Höhe von jeweils 30 Millionen DM wirklich zum Tragen kommen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die neuen Länder die erforderlichen Eigenmittel in Höhe von 67 Prozent der Gesamtfinanzierung aufbringen können. Herr Kollege Schily, wir beobachten auch die geplanten Stadienneubauten in Berlin und Leipzig sehr kritisch. Hierzu finden wir zur Zeit einen Leertitel. Sie wissen, daß Ihr Kanzler mit dem Präsidenten des DSB, Herrn von Richthofen, eine Absprache getroffen hat; denn der Deutsche Fußball-Bund muß am 1. Juli seine Bewerbung für die Weltmeisterschaften einreichen. Wir wissen, daß für beide Stadien vom Bund jeweils 100 Millionen DM kommen sollen. Ich hoffe, daß die Aussage des Kanzlers gilt und daß unser nationaler Fußballverband die Chance bekommt, die Fußballweltmeisterschaft in der Bundesrepublik Deutschland auszurichten. Dem Spitzensport stehen 223,5 Millionen DM zur Verfügung. Diese Summe entspricht exakt dem, was wir vorgelegt haben, als Herr Kanther Innenminister war. Herr Kollege Schily, ich hoffe sehr, daß Sie bei den Entwürfen für das Olympiajahr 2000 weiterhin Kontinuität beweisen bzw. die Mittel erhöhen; zumal wir von unserer sportlichen Elite bei den Olympischen Spielen in Sydney ähnliche Erfolge wie bei den vergangenen Olympischen Spielen erwarten. Bei der Förderung des Leistungssportes können Sie diesbezüglich mit der Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion rechnen, falls Ihnen die Koalition wieder einmal die Mittel kürzen will. Herr Minister, genauso wichtig ist für uns die Förderung des Behindertensports. In bezug auf den Behindertensport fordere ich Sie daher auf, ihn analog dem Spitzensport zu behandeln. Gerade unsere behinderten Athleten brauchen unsere Unterstützung und unsere Solidarität. Zur Problematik des Dopings möchte ich nur einige kurze Gedanken äußern. Doping muß seitens der Bundesregierung weiterhin klar und eindeutig bekämpft werden. ({0}) Jedem Spitzensportler muß drastisch vor Augen geführt werden, daß der Gebrauch von Dopingmitteln zum Ende der sportlichen Karriere führt. Gerade unsere Spitzensportler müssen als Vorbilder glaubhaft sein. Als verantwortliche Politiker dürfen wir nicht wanken, wenn es bei Mißachtung von Dopingregeln zu harten und drastischen Maßnahmen gegen die betroffenen Sportler kommt. Allerdings müssen wir den Dopingmißbrauch nicht nur im Spitzensport bekämpfen, sondern auch im Breitensport. Dazu ist eine deutliche Verschärfung des Arzneimittelrechts notwendig. ({1}) Wir müssen den Besitz von Dopingmitteln ebenso wie den Handel mit Dopingmitteln unter Strafe stellen. Doping schadet nicht nur der Gesundheit, sondern auch dem Ansehen des Sports. ({2}) Auch deshalb ist in meinen Augen eine entsprechende Forschung notwendig, für die ich mich eingesetzt habe. Ich freue mich, daß die Mitberichterstatter aus den Koalitionsfraktionen zugestimmt haben, in diesem Bereich weitere 500 000 DM vorzusehen. Ich hoffe, daß wir im nächsten Jahr ein Stück weiterkommen. Zur gleichen Thematik paßt auch die ablehnende Haltung der Koalition gegenüber den Forschungseinrichtungen im IAT- und FES-Bereich. Dort haben wir folgendes Problem: Wir haben hervorragend ausgebildete Manager, aber keine Geräte für Trainings- und Wettkampfforschung. Ich erinnere Sie, Herr Schily, an Kapitel IX.14 des Koalitionsvertrages - ich zitiere -: Die neue Bundesregierung wird die finanziellen Rahmenbedingungen für den Sport verbessern ... Von dieser groß angekündigten Sportförderung ist meines Erachtens wenig übriggeblieben. ({3}) Ein Satz zum Kosovo: Herr Kollege Schily, Sie haben vor wenigen Tagen die Aufnahme von weiteren 10 000 Flüchtlingen in der Bundesrepublik empfohlen. Obwohl wir die bisherige Politik der Bundesregierung mitgetragen haben, können wir uns mit dieser Aussage nicht einverstanden erklären. Mit jedem Flüchtling, den wir hier aufnehmen, stützen wir die Politik von Milosevic. ({4}) Unsere deutschen Aufnahmecamps sind vorbildlich und werden von allen gelobt. Ich möchte klar und deutlich sagen: Alle Innenminister, sowohl der A- als auch der B-Länder, lehnen zur Zeit eine Aufnahme weiterer Flüchtlinge nicht aus finanziellen Gründen, sondern aus humanitären Gründen strikt ab. Wir müssen bei dem derzeitigen Versuch, die verbrecherische Politik im Kosovo zu beenden, stets daran denken, daß es das vorrangige Ziel ist, den Vertriebenen wieder die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Diesen Satz hat vor wenigen Minuten Bundeskanzler Schröder im Beisein von Clinton gesagt. Ich glaube, das ist auch richtig so. Einen Punkt, der mich doch etwas erstaunt, möchte ich noch ansprechen: Bei der haushaltspolitischen Prüfung hatte ich vorgeschlagen, die Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung um 2 Millionen DM zu kürzen, um die Effektivität der Arbeit der Bundeszentrale zu gewährleisten; jetzt haben die Berichterstatter der Koalition plötzlich eine Mittelsperre in Höhe von 2,9 Millionen DM verordnet. Offensichtlich ist bei der Bundeszentrale doch ein Einsparpotential vorhanden. Wir sollten uns über die Parteigrenzen hinweg alsbald zusammensetzen, um über die Einsparpotentiale zu beraten und darüber, wie die Effizienz bei der Bundeszentrale für politische Bildung gesteigert werden kann. Von Ihnen, Herr Minister, erwarten wir als Berichterstatter einen Bericht über den IVBB, um die Mittelverwendung kontrollieren zu können. Hierfür sind über 40 Millionen DM angesetzt. Wir hoffen, daß wir von Ihnen kontinuierlich Nachricht darüber bekommen. Wir wissen, daß nach augenblicklichem Stand gut 60 Prozent Ihrer Mitarbeiter in Berlin sitzen sollen und der Rest hier in Bonn bleiben wird. Ich hoffe, daß die Zusammenarbeit zwischen den beiden Häusern auch in Zukunft gut funktioniert. Das ist mein Wunsch. Ich bin gespannt, wie Ihr Entwurf für den Haushalt 2000 aussehen wird, ({5}) der sicherlich nicht so einfach aufzustellen sein wird wie der Haushalt 1999. Herr Präsident, meine liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Wieland Sorge.

Wieland Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002193, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr von Hammerstein, einige Aussagen, die Sie hier getroffen haben, veranlassen mich, manches richtigzustellen. Ist Ihnen bekannt, daß die SPD im Jahre 1992 versucht hat, die Defizite, die hinsichtlich der ostdeutschen Sportanlagen bestehen, durch ein gesondertes Förderprogramm zu beseitigen, und daß der DSB im Jahre 1993 dieses in einer Untersuchung aufgegriffen hat, bei der er festgestellt hat, daß für die Sanierung und den Neubau von Sportstätten ein Betrag in Höhe von 25 Milliarden DM fehlt? Ist Ihnen bekannt, daß wir dieses Programm jedes Jahr im Sportausschuß vorgelegt haben und damit immer an der Koalition, die damals das Sagen hatte, gescheitert sind, und zwar immer mit der Begründung, daß der Bund für den Breitensport nicht zuständig ist, mit der Annahme des Programms ein Verstoß gegen die Verfassung vorläge und es aus diesem Grund nicht umgesetzt werden könne? Wir haben immer gemeinsam versucht, eine Lösung herbeizuführen, die beiden Dingen gerecht wird. Aus diesem Grund haben wir es dann in unser Wahlprogramm ({0}) und auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Angesichts der schwierigen Finanzsituation, die wir vorfanden, haben wir Wege gesucht, wie wir diesem Anliegen trotzdem Rechnung tragen können. So haben wir den Vorschlag gemacht, in diesem Jahr 15 Millionen DM einzustellen. Sie wissen, daß das nur ein Drittel dessen ist, was wir insgesamt damit verbinden, nämlich 45 Millionen DM für dieses Programm. Insgesamt kommen noch einmal 100 Millionen DM für die nächsten drei Jahre hinzu, so daß wir auch dort noch einmal 300 Millionen DM für die Entwicklung der Sportstätten zur Verfügung haben. Wie kommen Sie eigentlich dazu, hier zu behaupten, daß es nur mit Hilfe der CDU gelungen sei, diese Sache in Gang zu setzen? ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zu einer Kurzintervention zur Erwiderung erhält Kollege von Hammerstein das Wort.

Carl Detlev Hammerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, Sie sind nun einmal kein Haushaltspolitiker und haben nicht an den Berichterstattergesprächen teilgenommen. Dort hätten Sie erleben können, wie aus Ihrer Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Vehemenz gegen den Goldenen Plan gewettert wurde. Nur mit Unterstützung der CDU/CSUFraktion ist es gelungen, nicht nur einen Leertitel, sondern einen Haushaltsansatz von 15 Millionen DM einzuführen. ({0}) Ihre Forderung, 25 Milliarden DM in einen Plan Ost einzubringen, habe ich hier gar nicht erwähnt, weil es philosophisch und illusorisch ist, so etwas überhaupt zu machen. Deshalb ist es besser, wenn wir die 25 Milliarden DM aus dem Spiel lassen. Wir hoffen ja jetzt, daß man mit den 15 Millionen DM und den zukünftig zu erwartenden 30 Millionen DM ein Stück weiterkommt. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es gibt eine weitere Kurzintervention der Kollegin Christa Luft.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Meine Bemerkung ist wirklich ganz kurz. Herr Kollege von Hammerstein, ich stimme Ihnen zu: In den Berichterstattergesprächen gab es diesbezüglich einige Turbulenzen. Aber wenn wir der Wahrheit die Ehre geben, dann muß gesagt werden, daß es die PDS gewesen ist, ({0}) die den einstimmigen Beschluß des Sportausschusses, nämlich 15 Millionen DM im Jahr 1999 und Verpflichtungsermächtigungen einzustellen, aufgegriffen und einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Leider ist dieser Antrag von der Seite der Koalition nicht gekommen. Ich sage, wir haben daran unseren Anteil. Wir haben den einstimmig von den Vertretern aller Parteien im Sportausschuß gefaßten Beschluß aufgegriffen und ihn in Form eines Antrags auf den Weg gebracht. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort dem Kollegen Gunter Weißgerber von der Fraktion der SPD.

Gunter Weißgerber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002464, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema dieser Debatte ist der Einzelplan 06. Frau Luft, Sie erhoben gerade Ansprüche auf Urheberrechte bezüglich des Goldenen Plans. Wenn ich höre, wer hier alles Urheberrechte anmeldet, könnte man auch vermuten, daß es nicht einmal die PDS war, sondern deren Vorgängerpartei auf ihrem VIII. Parteitag. ({0}) - Hören Sie doch zu, wer hier alles Urheberrechte einfordert. Am Ende waren es alle! ({1}) - Na, nicht frech werden! ({2}) Bei Betrachtung des Einzelplans 06 befiel mich etwas Wehmut. Der Bereich Kultur ist nicht mehr Bestandteil des Einzelplans, ein sehr interessanter Bereich mit einem Umfang von immerhin 1,6 Milliarden DM. Natürlich akzeptiere ich die Entscheidung des Bundeskanzlers und halte sie auch für richtig. Ich bin der Auffassung, daß der Bereich Kultur bei Herrn Staatsminister Naumann in den besten Händen ist. Viel Erfolg von dieser Stelle. ({3}) Zum Thema Sport - Stichwort: Goldener Plan - wird Lothar Mark sprechen. Der Einzelplan 06 weist im Ansatz ein Volumen von 7,26 Milliarden DM aus. Der Personalkostenanteil beträgt 55,08 Prozent. Das zeigt die schwierige Aufgabe, vor der die Berichterstatter standen. Allein die Tariferhöhung des Frühjahrs schlägt in diesem Haushalt mit 120 Millionen DM zu Buche, die zusätzlich erbracht werden mußten. Gleichzeitig mußten - das haben die Berichterstatter der Koalition so beschlossen - 0,5 Prozent zusätzlich eingespart werden, was einem Betrag von 36 Millionen DM entspricht. Es war also eine schwierige Aufgabe im Hinblick auf einen Haushalt, dessen Personalkostenanteil über 55 Prozent liegt. Diese Aufgabe haben wir gelöst. Ich bin der Auffassung, daß der Bundesinnenminister seine Aufgaben mit diesem Haushalt gut bewältigen kann. Ich möchte mich im folgenden zu einzelnen Aspekten des Einzelplans äußern. Im Bereich der Spätaussiedler haben wir eine Verlagerung zugunsten der Integration vollzogen; wir wollen die Gelder weniger für die Heimatländer der Aussiedler und mehr für die Integration verwenden. Wer einmal hier ist, bedarf der besonderen Anteilnahme und der besonderen Fürsorge. ({4}) Nur so werden in unserem Land die Chancen für alle steigen. Dazu die entsprechenden Zahlen: Für diesen Bereich sind im Einzelplan 06 42 Millionen DM eingeplant. Das ist ein Plus von 16,7 Millionen DM und entspricht einer Steigerung von 66 Prozent. Ein weiteres Thema ist die sogenannte GauckBehörde. Der Name ist ja irreführend, weil es um Mielkes Akten und nicht um Gaucks Akten geht. Es scheint so zu sein, daß auch die CDU/CSU die Position des Bundesrechnungshofes eingenommen hat, die Zahl der Außenstellen dieser Behörde in Ostdeutschland zu reduzieren und in jedem Land nur noch eine Behörde beizubehalten. Die Berichterstatter der Koalitionsfraktionen, Herr Metzger und ich, stehen hier im Wort: Wir haben durchgesetzt, daß es für längere Zeit bei der jetzigen Anzahl der Außenstellen bleiben wird. Für uns ist die Reduzierung der Außenstellen kein Thema. Zu diesem Thema gehört auch die in den letzten Jahren und Monaten erschienene Meldung, daß es eine Software zum Zusammensetzen der Schnipsel aus Mielkes Hinterlassenschaft gebe. Berechnungen zeigen, daß 150 Jahre benötigt werden würden, um die Papierschnipsel aus den Säcken zusammenzusetzen, wenn weiter so wie bisher gearbeitet wird. Das ist ein unerträglicher Zustand, der so nicht bleiben kann. Es soll angeblich eine Software geben, die diese Aufgabe schneller bewältigen kann. Daß dies im Moment aber noch nicht der Fall ist, ist einer entsprechenden Stellungnahme des BMI zu entnehmen. Ich zitiere: Im Ergebnis bestätigten sechs Anbieter, daß nach ihrer Kenntnis keine entsprechende Systemlösung auf dem Markt vorhanden ist, und bekundeten gleichzeitig ihr Interesse an der Entwicklung einer entsprechenden IT-Lösung. ... In Auswertung der übergebenen Unterlagen wurden vom BStU folgende Schlußfolgerungen gezogen: Auf Grund der bestehenden Unklarheiten und der nicht kalkulierbaren Risiken sowie des sehr hohen Kostenaufwandes, der den Haushalt des BStU weit überschreitet, wird auf die Durchführung eines Testverfahrens verzichtet. - Das Testverfahren würde ungefähr 1 Millionen DM kosten. Mit den Anbietern werden Gespräche geführt mit der Zielstellung, präzise Angaben zur technischen Machbarkeit und dem Kostenrahmen für ein Gesamtprojekt zu erhalten. Erst wenn nähere Angaben zu einer Gesamtlösung bekannt sind, können Fragen zum weiteren Vorgehen und zur Klärung der Finanzierung beantwortet werden. Ich meine, die Entscheidung ist richtig. Die Aufgabe bleibt aber, und wir müssen sie, sofern es die Möglichkeit gibt, eine entsprechende Software einzusetzen, in Angriff nehmen. Das ist wichtig für die Aufarbeitung. Ich komme zu den politischen Stiftungen. Ich bin ja nun kein Freund der PDS. ({5}) Demzufolge bedaure ich es sehr, daß entsprechend der Regeln, die in diesem Haus entstanden sind, jetzt auch die PDS in den Genuß der Stiftungsförderung kommen muß. ({6}) - Ich respektiere dieses Ergebnis, kann aber doch mein Mißfallen äußern, daß ich diese Regelung nicht für gut halte. ({7}) Bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung wird also analog zu der anfänglichen Förderung der Grünen-Stiftung verfahren, was bedeutet: 100 plus x. Das „x“ wird dabei aus dem Gesamthaushalt genommen. Die zukünftigen Aufwüchse können finanziert werden, weil der Bautitel in den nächsten Jahren sinkt. Es kam das Argument, die Grünen seien eher in den Genuß der Bezuschussung gekommen. Das stimmt, allerdings hatten die Grünen auch von Anfang an Fraktionsstärke. Das müssen Sie, Frau Professor Luft - ich kenne Ihr Schreiben -, in dem Zusammenhang beachten. Schließlich zu den Kosovo-Flüchtlingen. Ursprünglich war geplant, im Einzelplan 06 66 Millionen DM für diesen Bereich unterzubringen. Letztendlich hat man die Entscheidung gefällt, dies im Rahmen des Einzelplans 60 zu finanzieren - eine, wie ich meine, richtige Entscheidung. Auch dazu habe ich eine Anmerkung an die Adresse der PDS: In dem Ihnen nahestehenden Blatt „Neues Deutschland“ habe ich neulich gelesen, die NATO überfalle einen souveränen Staat. Die Gedanken, die ich dabei habe, sind: Auch Deutschland war in den 30er Jahren souverän. Hätten die Westmächte damals bloß eingegriffen! Hätte Ihr Friedensfreund Stalin beim Warschauer Aufstand eingegriffen, wäre damit vielen Juden das Leben gerettet worden. Das müssen Sie sich dabei einmal überlegen. ({8}) Besonders angesichts der deutschen Geschichte ist es heute notwendig, Vertreibungen und ethnische Säuberungen zu verhindern. Zum Schluß: Ich bedanke mich bei den Berichterstatterkollegen im Haushaltsausschuß für die gute Zusammenarbeit, bei den Beamten im BMI und selbstverständlich auch beim Minister und seinen Staatssekretären. ({9})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Max Stadler von der F.D.P.-Fraktion.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich, wie meine beiden Vorredner, einigen Daten des Einzelplans 06 zuwende, gestatten Sie bitte einige allgemeine Bemerkungen zur Politik des Bundesinnenministers im ersten Halbjahr seiner Amtszeit. Aus Sicht der F.D.P. lassen sich drei Charakteristika feststellen: Erstens. Ein einziges großes Reformvorhaben wird in dieser Woche vollendet, woran die F.D.P. einen wesentlichen Anteil hat: die überfällige Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes. ({0}) Zweitens. In vielen Bereichen der Innenpolitik pflegt Herr Schily nicht Distanz zu seinem konservativen Amtsvorgänger, sondern Kontinuität. ({1}) Ich komme im einzelnen noch darauf zurück. Drittens. Es liegt aber nur ein schmaler Pfad zwischen begrüßenswerter Kontinuität und beklagenswerter Stagnation. Ein Innenminister ist für die innere Sicherheit verantwortlich. Minister Schily ist offensichtlich darauf bedacht, etwaige Vorurteile über seine Zuverlässigkeit als Minister für Recht und Ordnung zu zerstreuen. Das ist - im wahrsten Sinne des Wortes - in Ordnung. ({2}) Aber ein Aufbruch zu mehr innerer Liberalität geht von seiner bisherigen Amtsführung nicht aus. ({3}) Innere Sicherheit und innere Liberalität sind in der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes keine Gegensätze, sondern einander bedingende konstitutive Elemente des Staatswesens. Ohne Sicherheit keine Freiheit, ohne Freiheit kein liberaler Rechtsstaat! ({4}) Ein besonderes Bemühen der neuen Bundesregierung, beide Akzente im Sinne einer wirklich liberalen Innenpolitik zu betonen, ist bisher nicht zu erkennen - mit einer einzigen Ausnahme: der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Die ist allerdings überfällig; denn nach manchmal quälender, schier endloser jahrelanger Debatte ist das Thema entscheidungsreif. ({5}) Die F.D.P. hat für eine Lösung gesorgt, die eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung finden wird. Der Bundesinnenminister hat sich dabei als fairer und zuverlässiger Verhandlungspartner erwiesen. ({6}) Deshalb wird der Bundestag morgen in dieser zentralen gesellschaftspolitischen Frage eine konstruktive Entscheidung treffen, die in der letzten Legislaturperiode mit der CDU/CSU leider nicht zustande zu bringen war. ({7}) Kontinuität kennzeichnet die Beamtenpolitik. Mit der großen Dienstrechtsreform und den schmerzhaften, aber notwendigen Maßnahmen zur Sicherung der Finanzierbarkeit der Pensionen haben die Union und die F.D.P. noch vor der Bundestagswahl die Weichen für die Zukunft gestellt. Es ist vernünftig, erst einmal die praktische Erprobung der von uns durchgesetzten Reformen abzuwarten, ehe entschieden wird, ob der Gesetzgeber in diesem Bereich wieder tätig werden muß. Ferner hat noch die alte Koalition notwendige Maßnahmen unter dem Stichwort „schlanker Staat“ eingeleitet. Nun wissen wir alle: Politik ist auch ein Wettstreit um das Besetzen von Begriffen. Deswegen nehmen wir in Kauf, daß die neue Regierung nun vom „aktivierenden Staat“ spricht. Daß sich dahinter nichts wesentlich Neues verbirgt, wird jeder aufmerksame Betrachter unschwer erkennen. Minister Schily hat auch an der von uns durchgesetzten Strukturreform des Bundesgrenzschutzes festgehalten. Ein Problem damit haben nur diejenigen Wahlkreisabgeordneten der SPD, die zu Hause voreilig und fälschlich eine Totalrevision der Standortentscheidungen versprochen haben. ({8}) Ein letzter Punkt zum Stichwort Kontinuität: Die neue Koalition hat bei der sogenannten Bannmeilenregelung für Berlin auf einen Vorschlag des früheren Bundestagsvizepräsidenten Burkhard Hirsch zurückgegriffen. Gute Ideen entfalten also offenbar ihre Wirksamkeit manchmal sogar dann - vielleicht auch erst recht dann - wenn ihr Urheber dem Parlament gar nicht mehr angehört. Nun zur Kritik. Das Leitmotiv „Mehr innere Liberalität wagen“ geht von der neuen Regierung nicht aus. Stagnation allenthalben! Die Themen, die ich aus Zeitgründen nur stichwortartig nennen kann, betreffen zwar nicht allein das Innenministerium, gehören jedoch zu einer Gesamtschau der Innen- und Rechtspolitik. Neue Ansätze in der Drogenpolitik kommen nur dürftig. Der Schutz des Berufsgeheimnisses für Journalisten bei selbst recherchiertem Material läßt auf sich warten. Initiativen der Regierung zu Detailkorrekturen im Flughafenverfahren für Asylbewerber wären längst überfällig. Eine Verzahnung von Innen- und Außenpolitik etwa bei der Fortführung des Schengen-Prozesses ist nicht erkennbar; dabei ist doch offenkundig, daß man zwischen Staaten wie der Tschechischen Republik und der Slowakei eine totale Abschottung unmöglich zustande bringen kann. Zur Aufnahme von KosovoFlüchtlingen hört man vom Bundeskanzler und seinem Innenminister Unterschiedliches. ({9}) Vielleicht gibt es heute noch eine Klarstellung von Herrn Schily. Grundrechte werden keineswegs immer gebührend beachtet. So verliert nach dem neuen Gesetz über die repräsentative Wahlstatistik derjenige sein Wahlrecht, Herr Wiefelspütz, der nicht bereit ist, an dieser Statistik mitzuwirken. Ein unglaublicher Vorgang! ({10}) Seit über einem Jahr gibt es den sogenannten großen Lauschangriff. Versprochen war - auch von Otto Schily dem Bundestag jährlich über die praktischen Auswirkungen zu berichten. Dieser Bericht liegt jedenfalls jetzt noch nicht vor. ({11}) Die große Koalition in Berlin verabschiedet ein neues Polizeigesetz, wonach die verdachtsunabhängige Kontrolle in besorgniserregender Weise ausgedehnt wird. Wo bleibt hier die mahnende Stimme des Bundesinnenministers? Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat bei der Vorstellung seines neuesten Berichts vor wenigen Tagen zu Recht daran erinnert, daß der Staat nach dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht jedermann als potentiellen Verbrecher betrachten darf. Daran muß man leider immer wieder erinnern. Ich könnte noch auf die Trennung von Polizei und Verfassungsschutz zu sprechen kommen, die der Thüringer SPD-Innenminister Dewes neuerdings in Frage stellt, obwohl das Bundesverfassungsgericht längst klargestellt hat, daß diese Trennung aus rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Erwägungen geboten ist. Meine Damen und Herren, all diese Beispiele zeigen, daß sich die rotgrüne Regierung mit der notwendigen Balance zwischen innerer Sicherheit und innerer Liberalität äußerst schwertut. ({12}) Abschließend einige Bemerkungen zum Einzelplan 06: Wir beantragen eine Änderung des Haushaltsgesetzes, nach der die Ausnahme von der allgemeinen Stellenkürzung von 1,5 Prozent auf alle Stellen bei Bundesgrenzschutz und Bundeskriminalamt ausgedehnt werden soll. ({13}) Wir halten dies für eine personell und materiell gut ausgestattete und motivierte Polizei für notwendig. Zudem wäre es dringend geboten, die neuen Planstellen für den Bundesgrenzschutz nach der Verabschiedung des Haushalts im Vorgriff schon heute und nicht erst nach Veröffentlichung des Haushaltsgesetzes zu besetzen. ({14})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wiefelspütz?

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mit der Beantwortung der Frage dann auch zum Schluß kämen.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wollte Sie, Herr Stadler, nur kurz um Stellungnahme bitten zu der Tatsache, daß die Bundesregierung gerade erst ein halbes Jahr im Amte ist ({0}) und daß in diesem halben Jahr in Zusammenarbeit mit der liberalen Fraktion einige wichtige Dinge auf den Weg gebracht worden sind. Morgen soll ein besonders wichtiges Gesetz verabschiedet werden, aber auch andere Gesetze sind beschlossen worden, zum Beispiel zur Bannmeile und zur Kontrolle der Geheimdienste. Es wird auch noch das eine oder andere folgen, zum Beispiel sind Regelungen zum Datenschutz auf dem Weg. Haben Sie nicht auch den Eindruck, daß Sie - ein wenig interessengeleitet - ein Zerrbild der Innenpolitik des Bundesinnenministers gezeichnet haben? ({1})

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Verehrter Herr Kollege Wiefelspütz, Sie haben meinen Ausführungen sicherlich aufmerksam gelauscht und festgestellt, daß ich in sehr differenzierter Weise Lob und Tadel verteilt habe, wie es einer Oppositionspartei gebührt. ({0}) Die Aspekte der Innenpolitik der neuen Koalition, die positiv zu würdigen sind, betreffen zwar wichtige Vorhaben. Aber Sie müssen sich einmal bei all denen umhören, zum Beispiel bei den Verbänden, den Flüchtlingsverbänden und anderen, die gegenüber der neuen Koalition Erwartungen gehegt haben, die Sie in keiner Weise erfüllen. Auch daran muß man in dieser Debatte erinnern. ({1}) Ich komme, wie der Herr Präsident mich gebeten hat, zum letzten Punkt. Ich darf Sie bitten, unserem Änderungsantrag, der den Sport, nämlich die Aufstockung der Mittel für den Behindertensport um 2,5 Millionen DM, betrifft, zuzustimmen. Wenn Sie ihn, wie Sie es bisher getan haben, ablehnen, ist dies mit ein Anlaß, den Haushalt zum Einzelplan 06 abzulehnen. Vielen Dank. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort für Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Cem Özdemir.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu den eigentlichen Schwerpunkten meiner Rede zum Einzelplan 06 des Innenministeriums komme, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Wir werden uns ja morgen in aller Ausführlichkeit, drei Stunden lang, mit dem Thema Staatsbürgerschaftsrecht beschäftigen. Deshalb erspare ich mir hierzu eine Bemerkung. Aber es kamen immer wieder die Fragen: Was ist Kontinuität? Was ist Wandel? Was ist Erneuerung? Kollege Max Stadler hat es angesprochen: sehr viel Kontinuität, wenig Wandel. Dazu will ich nur eines sagen: In einem Punkt sind wir, zumindest was die Mehrheit des Hauses angeht, einig: Wir haben einen Innenminister, dem die Integration von Nichtdeutschen in diese Gesellschaft ein Herzensanliegen ist. Allein dafür hat es sich gelohnt, daß es einen Wechsel im Innenministerium gegeben hat. ({0}) Der letzte Innenminister hat persönlich dafür gesorgt, daß sich in Sachen Staatsbürgerschaft, am Zusammenleben von Deutschen und Nichtdeutschen nichts ändert. ({1}) Einen großen Teil der Probleme, die wir heute haben, muß die jetzige Koalition abarbeiten und sucht dafür jetzt - hoffentlich mit Ihrer Unterstützung - eine Mehrheit. Es ist sehr bemerkenswert, daß die F.D.P. in der Opposition die Liberalität wiederentdeckt. Das freut uns. Wir brauchen kritische Begleitung und kritische Unterstützung. Aber in den letzten 16 Jahren hätte ich mir etwas mehr Mut von seiten der F.D.P. beim Durchsetzen manch ihrer Vorstellungen gewünscht. ({2}) - Warten Sie nur ab, Herr Westerwelle; Sie werden sich noch wundern. ({3}) Ich sage das gar nicht frei von Selbstkritik. Ich darf nur daran erinnern, daß alle Gesetze der letzten 16 Jahre zu einer Verschärfung in der Innenpolitik mit Ihrer Unterstützung durchgesetzt worden sind. In den letzten 16 Jahren wurden Zivilität und Liberalität dieser Republik abgebaut, was in den Jahren davor nicht der Fall war. Wir als Bündnis 90/Die Grünen verstehen uns in dieser Koalition als die Anwälte der Bürgerrechte. Bei den wenigen Gesetzen, die wir seit der Regierungsübernahme verabschiedet haben oder über die wir noch diskutieren - ich erinnere an die Diskussion über die Bannmeile, aber auch an die Diskussion zum Datenschutz, die wir begonnen haben -, werden wir als Bündnis 90/Die Grünen in dieser Koalition versuchen, als Anwälte der Bürgerrechte aufzutreten. ({4}) Jetzt aber zu einem Thema, das bisher noch nicht angesprochen wurde, was ich sehr bedaure. Ich hoffe, daß die folgenden Redner auf das Thema eingehen, denn ich denke, es hat unmittelbar mit der Arbeit des Innenressorts, aber auch mit der Arbeit des ganzen Hauses zu tun. Ich meine die Bekämpfung des Rechtsradikalismus. Ich will Ihnen dazu einen Satz nicht vorenthalten, den der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Peter Frisch, in seinem jüngsten Bericht gebracht hat: In Ostdeutschland ist der Rechtsextremismus jünger und gewalttätiger als im übrigen Bundesgebiet. In einem diesbezüglichen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ heißt es weiter: Im Osten leben zwar nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung, doch werden hier 46 Prozent der rechtsextremistischen Gewalttaten begangen - vorzugsweise von jugendlichen Tätern. Wir sind uns sicherlich einig darin, daß es nicht angehen kann, daß man mit erhobenem Zeigefinger auf die neuen Länder zeigt. Gerade ich als jemand, der aus Baden-Württemberg kommt, wo die Republikaner von sehr vielen Menschen erneut in den Landtag gewählt worden sind, muß allerdings sagen, daß das ein Problem für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ist. Eines ist aber auch klar: An die Bilder, die am vorletzten Wochenende aus Magdeburg veröffentlicht wurden, wo ein Punk zusammengeschlagen wurde und versucht wurde, ihm den Schädel zu zertrümmern, wollen und dürfen wir uns nicht gewöhnen. Ich wünsche mir, daß wir gemeinsam mit der Opposition ein klares Signal setzen: Rechtsradikalismus darf in Deutschland keine Chance haben. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Jelpke?

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege Özdemir, ich teile Ihre Auffassung, daß es ein Erstarken des Rechtsextremismus und des Antisemitismus gibt. Sie wissen, daß wir diese Fragen hier im Parlament und auch im Innenausschuß immer wieder behandelt haben und beraten haben, wie dagegen vorgegangen werden kann. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Bundeshaushalt haben wir leider die Erfahrung machen müssen, daß die Mittel für Organisationen, die rechtsextremistisches und antisemitisches Gedankengut verbreiten, keineswegs reduziert werden. Ich möchte Sie ganz konkret fragen: Warum ist es nicht gelungen - ich weiß, daß die Grünen einen entsprechenden Antrag gestellt haben -, die Mittel für diese Organisationen im Bundeshaushalt 1999 um wenigstens 50 Prozent zu reduzieren? Beantworten Sie mir bitte die Frage, was sich nach dem Haushalt von Herrn Kanther in dem neuen rotgrünen Haushalt geändert hat.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir haben beispielsweise im Bereich der Sprach- und Integrationsförderung die Mittel erhöht. Ich gebe Ihnen aber recht, daß im Bereich der Bekämpfung des Rechtsradikalismus noch viel mehr getan werden kann und getan werden muß. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die das Spiel mitmachen, die Verantwortung vom Bund auf die Länder zu wälzen. Die Länder wälzen sie dann auf den Bund zurück, und gemeinsam wälzen wir sie dann auf die Kommunen. Wir müssen vielmehr die Bekämpfung des Rechtsextremismus auf allen Ebenen zum Hauptziel erklären. Denn dies ist eine Frage, bei der es nicht nur um das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland geht. Es geht auch darum, welche Lebensqualität wir in dieser Gesellschaft haben. Aus diesen Ereignissen haben wir eines gelernt: Vor wenigen Jahren waren es nur Nichtdeutsche, denen man angesehen hat, daß sie nicht schon immer hier gelebt haben. Heute trifft es bereits Punks, es trifft Langhaarige, es trifft Homosexuelle, es trifft Obdachlose und es trifft Behinderte. Die Frage ist: Wen trifft es morgen? Allein deshalb, glaube ich, müssen wir uns darüber klarwerden, daß es erforderlich ist, in dieser Frage zusammenzuarbeiten. Frau Kollegin Jelpke, ich kann Ihre Frage nur dahin gehend beantworten, daß wir seit einem halben Jahr in der Regierung sind. Lassen Sie uns noch ein bißchen Zeit, bis wir diese Fragen in Angriff nehmen. In der Koalitionsvereinbarung steht, daß wir uns gemeinsam vorgenommen haben, eine Initiative gegen Rechts zu starten. Diese Einladung gilt auch an die Opposition. Eine Verbesserung dieser Situation kann man als Regierung nicht mit der Mehrheit, also mit 51 Prozent gegen 49 Prozent, durchsetzen. Das Thema ist zu wichtig, als daß es die Regierung allein bearbeiten kann. Dies ist eine ernstgemeinte Einladung, hier zusammenzuarbeiten. ({0}) Da wir gerade über das Thema Rechtsradikalismus diskutieren: Auch Sie haben wahrscheinlich von der Sendung „Frontal“ im ZDF gehört, in der zum Ausdruck kam, daß die Rechtsradikalen bereits versuchen, Freiwillige für den Einsatz in Serbien zu werben. Allein dies macht deutlich, welche Strukturen man hier aufbauen möchte. Um auf mein eigentliches Thema zurückzukommen: Unsere erste Aufgabe muß die Bekämpfung des Rechtsradikalismus sein. Damit Sie sehen, daß es hier nicht um parteipolitische Spielereien geht, möchte ich ausdrücklich sagen: Das Bundesland Sachsen beispielsweise hat mit seiner „Soko Rechts“ eine sehr wichtige Maßnahme ergriffen, die außerordentlich begrüßenswert ist. Manches andere Bundesland könnte sich eine Scheibe abschneiden, was das polizeiliche Vorgehen gegen den Rechtsradikalismus angeht. Auf der anderen Seite ist aber auch klar: Wir können gar nicht so viele Polizeibeamte einsetzen. Wir können gar nicht einen solch repressiven Apparat finanzieren, wie er notwendig wäre, um das Problem in den Griff zu bekommen, wenn wir nicht gleichzeitig auch an den Aufbau der Zivilgesellschaft herangehen und dafür sorgen, daß die Demokratie und das Vertrauen in den Rechtsstaat gestärkt werden und die Kultur des Zuschauens - das scheint mir das entscheidende Problem zu sein - wirklich beendet wird. ({1}) Daher ist es wichtig, daß wir mit der Frage des Zusammenlebens von Deutschen und Nichtdeutschen und mit dem Umgang mit Minderheiten verantwortungsvoll umgehen. Dies ist auch ein kleiner Appell mit Blick auf morgen; denn ich kann mir ungefähr vorstellen, welche Schlammschlachten uns morgen erwarten werden. Ich bitte Sie wirklich, sich zu überlegen, welche Wirkung bei den Jugendlichen in den neuen Ländern und im restlichen Bundesgebiet die Art und Weise der morgigen Debatte zum Staatsbürgerschaftsrecht auf die Frage des Zusammenlebens haben wird. ({2}) - Herr Kollege Marschewski, Sie sind durchaus gemeint. Ich weiß schon, warum ich das sage. ({3}) - Es wäre schön, wenn es so wäre, Herr Marschewski. Das würde mich freuen. ({4}) Ich komme zum Thema Flüchtlinge; auch dieses Thema wurde hier ja mehrfach angesprochen. Ich wünsche mir, daß wir auch bei diesem Thema die parteipolitische Polemik etwas beiseite lassen. ({5}) Es geht darum, daß wir gemeinsam Überlegungen anstellen müssen, wie wir die Hilfsbereitschaft, die in der Bevölkerung in erstaunlichem Maße vorhanden ist, nutzen können. Das geht über alle Grenzen hinweg; es gibt zum Beispiel Arbeitgeber, die sich engagieren. Ein Sektor, der übrigens gar nicht angesprochen wurde, ist der Gesundheitsbereich. Es melden sich Apotheker und Ärzte bei uns, die sagen: Wir möchten helfen; wir möchten etwas tun. Es verhält sich im Grunde fast schon so, daß wir diese Hilfsbereitschaft gar nicht abrufen können, so viel kommt aus der Bevölkerung. Man muß das ausdrücklich loben. Daß sich Hilfsbereitschaft in so großem Maße zeigt, ist eine sehr erfreuliche Erscheinung. ({6}) Es ist aber auch klar: Gerade in außenpolitischer Hinsicht ist es doch geradezu absurd, wenn wir eine Situation wie in Mazedonien haben, das kurz vor dem Zusammenbruch steht, das mit der Flüchtlingssituation völlig überfordert ist, und wenn wir uns dann hinstellen und sagen: Weil die anderen europäischen Länder ihre Aufgaben noch nicht erfüllt haben - wir sind uns ja in der Kritik einig -, nehmen wir keine weiteren Flüchtlinge mehr auf. Das ist mit Sicherheit nicht die Antwort, die wir brauchen. ({7}) Denn ich möchte Sie einmal sehen, wenn Mazedonien zusammenbricht. Was ist los, wenn das Regime in Mazedonien zusammenbricht und wir es dann mit Zuständen zu tun haben, die ich Ihnen gar nicht weiter ausmalen möchte? Es kann sich, glaube ich, niemand vorstellen, was dann los sein wird. Gerade wenn wir den Krieg so schnell wie möglich beenden wollen, müssen wir dazu beitragen, daß die Nachbarländer stabilisiert werden. Wir sind uns darin einig, daß sie natürlich die Hauptaufnahmeländer sind. Wir sind uns darin einig, daß unsere europäischen Freunde natürlich mehr leisten müssen, auch um in dieser Frage glaubwürdig zu sein. Wir sind uns aber hoffentlich auch darin einig, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland, die wir immer noch vergleichsweise wohlhabend sind, mehr leisten können und mehr leisten müssen. Deshalb begrüße ich die Initiative des Innenministers, weitere 10 000 Flüchtlinge aufzunehmen. ({8}) Ich appelliere gleichzeitig an alle Länder, vor allem an die unionsregierten Länder, ihre sture Haltung aufzugeben und kein parteipolitisches Spielchen daraus zu machen. Das haben die Flüchtlinge nicht verdient. Übrigens sind Ihre Wählerinnen und Wähler in dieser Frage, glaube ich, weiter als Sie. Die Bereitschaft, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, ist größer, als wir uns das vorstellen. Im Zusammenhang mit der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen komme ich zu einem weiteren Punkt. Den Vorwurf, daß wir damit Milosevic stabilisieren, halte ich für sehr zynisch. ({9}) Ich glaube nicht, daß dieser Vorwurf so stehenbleiben sollte. Dieser Vorwurf ist, bezogen auf alle hier, ein ungerechter Vorwurf, der uns in der Sache nicht hilft. Es ist ein unglaublicher Vorwurf, der an Zynismus nicht zu überbieten ist. Niemand von uns möchte Milosevic stabilisieren. Vielmehr geht es darum, daß wir dazu beitragen müssen, daß die Flüchtlinge menschlich aufgenommen werden. Ich empfehle Ihnen, einmal den Bericht der OSZE durchzulesen. Er stellt in sehr eindringlichen Worten die Situation dar, die in Mazedonien und den anderen Nachbarländern herrscht. Das sind Zustände, die man nicht länger hinnehmen kann, wenn man sich ein bißchen Menschlichkeit bewahrt hat. ({10}) Ich komme zu einem letzten Punkt, der mir sehr wichtig ist. Im Grunde leitet das Thema der Flüchtlinge zu diesem Punkt über, nämlich zu Europa. Man kann die deutsche Innenpolitik gar nicht mehr von der Frage Europa trennen. Wir haben an dieser Stelle ja gesehen, wie wichtig es ist, daß wir zu einer Koordination in Europa kommen. Diese Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß es für das Problem der Flüchtlingsaufnahme eine europäische Lösung gibt. Das hat die Vorgängerregierung zum Teil bereits auch versucht. Wir wollen dies durchsetzen. Dazu ist es notwendig, daß wir geschlossen agieren und daß wir unser Gewicht in Europa stärken, damit wir uns in dieser Frage durchsetzen. Das ist mit eine Grundvoraussetzung für die Vertiefung der europäischen Bindungen und die Einigung innerhalb Europas. Wenn es eine Solidarität in den Fragen der Migrationspolitik, der Zuwanderungspolitik, der Flüchtlings- und Bürgerkriegspolitik nicht gibt, dann, glaube ich, werden wir Schwierigkeiten bekommen, bei unserer Bevölkerung Sympathien für Europa, die wir wollen und brauchen, auch weiterhin zu wekken. Deshalb ist es mir sehr wichtig, daß wir uns in den nächsten Jahren in der deutschen Innenpolitik vor allem dafür einsetzen, daß Europa nicht nur ein Wirtschaftsbündnis oder ein Agrarbündnis ist. Vielmehr muß Europa auch ein Bündnis sein, bei dem die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben: Unsere Grundrechte sind dort gut aufgehoben. Deshalb wollen wir eine europäische Menschenrechts- und Grundrechtscharta. ({11}) Die erfolgreiche Tradition, die wir mit unserem Grundgesetz auf den Weg gebracht haben, wollen wir in ähnlicher Form auf europäischer Ebene fortführen. Diese Europäische Union braucht eine Verfaßtheit; diese Europäische Union benötigt einen solchen Grundrechtskatalog. Auch hier ergeht die Einladung an die Opposition: Arbeiten Sie mit uns gemeinsam an einem solchen Grundrechtskatalog für die Europäische Union. Vielen Dank. ({12})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort der Kollegin Ulla Jelpke, PDS-Fraktion.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Özdemir, Sie haben recht: Sie sind erst ein halbes Jahr an der Regierung. In diesem halben Jahr haben Sie aber immerhin Zeit gehabt, die Mittel für rechtsextremistische Organisationen, zum Beispiel für die Vertriebenenverbände - das habe ich hier schon letztes Mal kritisiert -, auf 25 Millionen DM zu erhöhen. ({0}) - Wir haben nichts gegen Integrationsmaßnahmen, die mit diesen Mitteln gefördert werden sollen. Daß man allerdings als Träger Organisationen wie den Vertriebenenverbänden diese Gelder in die Hand gibt, ist mit Sicherheit nicht in Ordnung. Selbst die alte Bundesregierung, die Kohl-Regierung, mußte zugeben, daß in den Vertriebenenverbänden rechtsextremistische Tendenzen vertreten und rechtsextremistische Inhalte publiziert werden. Außerdem möchte ich an unsere kleine Geste für mehr Aufklärungsarbeit erinnern: Wir haben heute einen Antrag vorgelegt, die Mittel zur Aufklärung und Bekämpfung von Antisemitismus und anderer Vorurteile von 800 000 DM um 2 Millionen DM zu erhöhen. Herr Kollege Özdemir, es ist nicht sehr glaubwürdig, wenn man sich hier hinstellt und sagt: Wir sind erst seit einem halben Jahr im Amt. Sie wissen sehr wohl, mit welchen Mitteln man was fördert; aber auf unsere Anträge - von Ihnen einmal abgesehen - wird mit keinem Wort Bezug genommen. Nach der letzten Debatte - das möchte ich ganz klar sagen - sind Sozialdemokraten aus dem Innenausschuß zu mir gekommen und haben gesagt: Das darf so nicht bleiben, das muß sich ändern. Bis heute hat sich aber nichts geändert. Da meine Redezeit begrenzt ist, möchte ich zu dem Thema nichts weiter ausführen. Dafür möchte ich ein anderes wichtiges Thema aufgreifen, das in den vergangenen Tagen eine Rolle gespielt hat: die neue Flüchtlingspolitik der Bundesregierung; meine Kollegen „Wini“ Wolf und Gregor Gysi haben es bereits angesprochen. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herr Volmer, mußte in den vergangenen Tagen den Lagebericht zum Kosovo zurückziehen. Ich zitiere: Das Papier entsprach nicht der empirischen Wahrheit, sondern war aus innenpolitischen Gründen von der alten Regierung so verfaßt worden. Mit anderen Worten: Er erhebt hier den Vorwurf, daß man offensichtlich keine Asylbewerber in unserem Land aufnehmen will. Wie wir aus der Praxis wissen, sind viele Menschen aus dem Kosovo abgeschoben worden. Entgegen allen Behauptungen, die in den letzten Tagen von einigen Abgeordneten verschiedener Fraktionen immer wieder aufgestellt wurden, möchte ich folgendes deutlich sagen: Die PDS hat die Situation im Kosovo seit 1992 immer wieder problematisiert, wie man auch in einem Entschließungsantrag von 1992 nachlesen kann. Aber auch im Innenausschuß haben wir über einen Abschiebestopp diskutiert. Wir stehen mit der Meinung, daß das Ganze ein Skandal ist, nicht alleine da. Beispielhaft nenne ich den Richter am Oberverwaltungsgericht Münster, Dieter Deiseroth. Er hat in den letzten Tagen erklärt - ich zitiere -: Wenn das zutreffend wäre, was zur Rechtfertigung der NATO-Luftangriffe gesagt wird, daß nämlich systematisch Menschenrechtsverletzungen, ethnische Säuberungen und Völkermord im Kosovo stattgefunden haben, dann wären die amtlichen Auskünfte, die in Asylverfahren bis März 99 erteilt worden sind, nicht haltbar, dann wären die Urteile, die auf dieser Grundlage ergangen sind, falsch, den Asylbewerbern wäre Unrecht geschehen. Umgekehrt: Wenn die amtlichen Auskünfte in Asylverfahren, die von seiten des Auswärtigen Amtes erteilt worden sind, zutreffend waren und sind, dann wären die öffentlichen Rechtfertigungen für die NATO-Luftangriffe nicht zu halten. Das ist ein Fall, der von seiten des Parlaments aufgeklärt werden muß, dem die Öffentlichkeit nachgehen muß. Die PDS fordert, daß hier Aufklärung erfolgt. Was ist mit Flüchtlingen passiert, die auf der Grundlage dieser Urteile abgeschoben wurden? Ich sage wahrscheinlich nichts Neues - es ist von Herrn Stadler schon gesagt worden -: Diese Regierung macht keine andere Politik als die Regierung Kohl/Kanther. ({1}) Millionen werden in die Abschottungspolitik investiert, damit weiterhin unmöglich gemacht wird, daß Flüchtlinge in dieses Land kommen. Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne noch das Hickhack ansprechen, das hier zwischen den Innenministern der Länder und dem Bundesinnenminister bzw. innerhalb der Bundesregierung läuft, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht. In Albanien sind bereits über 380 000 Flüchtlinge. Wer das auf die Bundesrepublik Deutschland - pro Kopf, nicht wirtschaftlich umrechnet, wird feststellen, daß Deutschland acht Millionen Flüchtlinge aufnehmen müßte. Ich meine, daß dieser Streit peinlich und menschenunwürdig ist, daß es skandalös ist, wie hier über das Schicksal von Menschen verhandelt und vor allen Dingen auch geurteilt wird. Die PDS-Fraktion fordert: Öffnen Sie die Grenzen für die Menschen aus den Krisengebieten. Nehmen Sie sie nicht nur auf, sondern helfen Sie intensiv, daß sie hier unterkommen und versorgt werden. Der Krieg kostet jeden Tag etwa soviel, wie Sie insgesamt für die Flüchtlinge ausgeben wollen. 10 000 Flüchtlinge kosten etwa 15 Millionen DM. Wenn Sie bei den Kosten des Krieges Einsparungen vornehmen würden, könnten Sie effektiver helfen. Ich werde Ihnen jetzt wahrscheinlich nichts Neues sagen: Wir werden diesen Haushalt natürlich ablehnen. Er ist unzumutbar und für die Flüchtlinge, die aus den Krisengebieten zu uns kommen, eine Katastrophe. Danke. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die SPDFraktion spricht der Kollege Lothar Mark.

Lothar Mark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003190, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal ist festzuhalten: Der Sport hat einen finanziellen Zuwachs von - egal, wie man es rechnet - mindestens 18,1 Millionen DM erfahren. Damit fließen in diesen Bereich insgesamt 238,5 Millionen DM. Das heißt, daß wir zum Beispiel die Spitzensportförderung weiter mit 3,2 Millionen DM begünstigen können. Wir wollen, daß auch in Zukunft Europameister, Weltmeister und Olympiasieger aus Deutschland kommen. ({0}) Die Bundesregierung hat hier einen neuen Akzent gesetzt. Ich denke, daß es scheinheilig ist, nun zu fragen „Warum macht ihr insgesamt nicht mehr?“; denn dazu hätte man viele Jahre lang die Möglichkeit gehabt. ({1}) Das gleiche wäre zur Dopingforschung und zur Dopinganalytik zu sagen. Wir haben die finanziellen Mittel für diesen Bereich immerhin um 500 000 DM erhöht. Wenn hier gesagt wird, dies sei zuwenig, dann frage ich mich: Warum hat nicht schon die alte Regierung eine Erhöhung vorgenommen? ({2}) In gleicher Weise muß man beim leistungsbezogenen Behindertensport argumentieren. Wir haben die Mittel dafür immerhin - wiederum global gesehen - um 670 000 DM auf 5,82 Millionen DM erhöht. Wenn hier von der F.D.P. gesagt wird, wir würden den Antrag auf Erhöhung des Zuschusses auf 2,5 Millionen DM ablehnen, dann frage ich: Warum, meine Damen und Herren von der F.D.P., haben Sie den Behindertensport in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht stärker gefördert? Wir machen jetzt einen ersten großen Schritt nach vorne. ({3}) Meine Damen und Herren, damit komme ich zu dem Thema, das in den letzten Debatten sehr heftig angesprochen wurde, dem Goldenen Plan Ost. Es ist schon sehr verwunderlich, daß Herr von Hammerstein sagt, dieser Goldene Plan sei wegen der Hartnäckigkeit der CDU/CSU aufgelegt worden. Der Goldene Plan ist von der SPD sieben Jahre lang gefordert und von der damaligen Regierung sieben Jahre lang abgelehnt worden. ({4}) Wir haben in den Besprechungen, Berichterstattergesprächen und im Haushaltsausschuß versucht, diese Position zunächst einmal offenzuhalten, weil wir nicht wußten, wieviel wir letztendlich würden einsetzen können. Aber daß wir gezwungen waren, den Goldenen Plan Ost nun tatsächlich umzusetzen, hängt damit zusammen, daß Sie noch für den 31. Dezember 1997 beschlossen hatten, daß der Neubau von Sportstätten nach dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost, in dem 6,6 Milliarden DM enthalten sind, nicht mehr möglich ist. Wir haben diese Lücke geschlossen, indem wir sagen, der Neubau wird durch den Goldenen Plan Ost möglich. ({5}) Komplementär finanziert bedeuten 15 Millionen DM für 1999 45 Millionen DM. Das wird Arbeitsplätze schaffen. Die Verpflichtungsermächtigung für die nächsten drei Jahre in Höhe von 100 Millionen DM bedeutet komplementär finanziert 300 Millionen DM. Dies ist ebenfalls ein ganz gewaltiger Investitionsschub in Richtung Osten. ({6}) Ich denke, daß wir damit einen wesentlichen Impuls für den Aufbau Ost ausgelöst haben. Der Präsident zeigt mir an, daß ich Schluß machen muß. Ich gehe sofort darauf ein, Herr Präsident. Ich will nur noch erwähnen, daß wir für die Stadien in Berlin und Leipzig einen Leertitel haben, denn wir wollen, daß dann, wenn die Zusage für die Weltmeisterschaft kommt, dieser Titel gefüllt werden kann. Vielen Dank. ({7})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Wolfgang Zeitlmann.

Wolfgang Zeitlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002588, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über den Etat des Bundesinnenministeriums, und es ist selbstverständlich und normal, daß insbesondere die Fragen der derzeitigen Flüchtlingssituation in unserem Land eine Rolle spielen. Der Bundesinnenminister hat am Anfang seiner Amtszeit große Aufmerksamkeit erreicht, als er davon sprach, daß die Grenze der Belastbarkeit, was die Zuwanderung anbelangt, überschritten sei. Da hatte er wohl recht. ({0}) Der Innenminister spricht jetzt davon, daß das Flüchtlingskontingent von 10 000 auf 20 000 verdoppelt werden muß. Ich frage mich: Wie ist das mit der überschrittenen Belastungsgrenze vereinbar? Und: Sind die Flüchtlingszahlen der Kosovo-Albaner, die ich höre, richtig oder falsch? In einer Presseerklärung heißt es, in der Bundesrepublik Deutschland leben derzeit 320 000 Kosovo-Albaner. Die Frage der Belastung im Zusammenhang mit der Verdoppelung darf nicht auf die 10 000 begrenzt sein. Man muß der deutschen Öffentlichkeit schon mitteilen, welche Belastungen dieses Land seit vielen Jahren, auch bezüglich der KosovoAlbaner, zu tragen hat. In meinem Heimatland Bayern sind 50 000. Davon, so sagt der bayerische Innenminister, seien allein 45 000 ausreisepflichtig. Ich sage das, damit klar ist, daß die Frage der Abschiebung in das Kosovo schon seit langem praktisch keine Rolle mehr spielt. Meine Damen und Herren, ich halte das für eine typische Zickzackpolitik: Auf der einen Seite wird den Menschen im Land gesagt, ich achte auf die Grenze der Belastbarkeit dieses Landes, und auf der anderen Seite wird sie still und heimlich überschritten. In der letzten Woche hat der Innenminister gesagt, im Grunde sei die Entscheidung richtig, die Flüchtlinge vor Ort und in der nächsten Nachbarschaft zu versorgen und nicht auf Europa zu verteilen, in dieser Woche will er das Gegenteil. Zwei Dinge stören mich gewaltig: Das eine ist die Tatsache, daß in dieser Diskussion von Vertretern der linken Seite die Frage der deutschen Vertriebenen völlig anders gesehen wird. Bezüglich der deutschen Vertriebenen wird der Eindruck erweckt, als seien das Menschen besonderer Radikalität, als hätten sie nicht ein schweres Schicksal zu tragen. Ich meine, sie haben nun einen Anspruch darauf, daß in einem freien Staat auf ihr Schicksal Rücksicht genommen wird und ihren Verbänden eine ganz normale, friedliche Integrations- und Kulturarbeit durch staatliche Leistungen erleichtert wird. Ich halte es für unfair, in einem Atemzug Vertriebene unterschiedlich zu behandeln. Ein Zweites, was mich hier stört, ist, daß von vielen Seiten, besonders von links, die Frage des Extremismus nur noch auf rechts fokussiert wird, als gäbe es keinen Ausländer- und Linksextremismus. Ich rede überhaupt nicht davon, daß es schamlos ist, ({1}) wenn die Vertreterin der PDS hier auftritt und in allen Anfragen nur nach rechtsaußen schaut, als gäbe es nicht - von diesem Innenminister nach wie vor beobachtet in der PDS deutliche Tendenzen zum Linksextremismus. Die innere Sicherheit in diesem Lande ist ein ganz wichtiges Thema. Deswegen glaube ich, daß man allein mit Foren für Kriminalprävention nicht überzeugend handeln kann. Ich habe überhaupt nichts gegen Prävention; im Gegenteil, man möge sie betreiben. Man muß aber auch deutlich sagen, daß Prävention in vielen Bereichen der inneren Sicherheit nicht ausreicht. Denken Sie einmal an den Prozeß gegen Öcalan, der demnächst in der Türkei stattfinden wird. Daß diese Regierung Öcalan hätte haben können und nicht wollte, ist das eine Thema. Das ist diskutiert und abgeschlossen worden. Jetzt kommt es aber zu dem Prozeß und irgendwann auch zu einem Urteil - wer weiß, zu welchem. Dann wird es auf deutschen Straßen wahrscheinlich wieder Sicherheitsdefizite geben. Hier aber erwähnt man dieses Thema überhaupt nicht und tut so, als könne man es durch Prävention in den Griff bekommen. Jeder Insider weiß aber, daß Sie in diesem Bereich mit Prävention und mit Foren überhaupt nichts bewerkstelligen. Vielmehr müssen Sie knallharte Vorsorge treffen und alle Sicherheitsorgane auf äußerste Vorsicht „schalten“, damit sie solchen Situationen gewachsen sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Zeitlmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wiefelspütz?

Wolfgang Zeitlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002588, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dem Kollegen Wiefelspütz immer.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Zeitlmann, bei allem Respekt vor unterschiedlichen Meinungen und Bewertungen: Ich fühle mich verletzt durch die Behauptung, wir seien einäugig, wenn es um Extremismus geht. Haben Sie den Verfassungsschutzbericht, den der Bundesinnenminister zu verantworten hat und in den sicherlich auch manche Vorarbeiten seines Amtsvorgängers eingeflossen sind, in seiner ganzen Bandbreite - Linksextremismus wie Rechtsextremismus, einschließlich eines Teils über die PDS - überhaupt gelesen? Sind Sie bereit, zuzugeben, daß Sie diesen Bericht nicht gelesen haben, sondern hier - entsprechend Ihrem Wunschdenken - Pappkameraden aufbauen? ({0})

Wolfgang Zeitlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002588, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wiefelspütz, ich sage Ihnen ganz offen - da hätte es Ihrer Frage nicht bedurft -: Natürlich habe ich den Verfassungsschutzbericht gelesen und natürlich weiß ich, daß im Verfassungsschutzbericht beide Formen des Extremismus behandelt werden. Es wäre auch schlimm, wenn ein Innenminister das nur einseitig machen würde. Aber hierzu sage ich Ihnen - dazu habe ich eine Presseerklärung gemacht, und dazu stehe ich auch -: Es gibt - in der letzten Woche vorgestellt - das Bündnis für Demokratie und Toleranz. In diesem Bündnis ist mit keinem Wort auf Linksextremismus verwiesen worden; vielmehr wurde nur auf Rechts geprügelt. ({0}) Deswegen sage ich Ihnen: Ich bleibe bei meinem Vorwurf, daß der Bundesinnenminister auf einem Auge blind ist. Ich begründe dies mit dem Hinweis auf dieses Bündnis für Demokratie und Toleranz: Da ist nur von der einen Seite die Rede. Wenn Sie etwas anderes sagen, dann haben Sie nichts über dieses Bündnis gelesen. ({1}) Eine Anmerkung muß aber noch erlaubt sein: Wenn wir das Thema Innenpolitik behandeln, dann spielt eine entscheidende Rolle, daß der Bundesinnenminister gleichzeitig Ratspräsident ist und daß es ein europäisches Vorhaben gibt, die Flüchtlings- und die Asylpolitik zusammenzuführen und zu vergemeinschaften. In dem halben Jahr Ihrer Ratspräsidentschaft - ich gebe zu, es ist erst ein halbes Jahr - ist aber im Grunde genommen nichts passiert. Ich kenne keine Konferenz, keinen Bericht und auch keine Diskussion dieser Präsidentschaft zu dem Thema. ({2}) Der Bundesinnenminister selbst hat in dieser Woche zugegeben, daß die Frage eines gemeinsamen Handelns in der Flüchtlingspolitik schwierig bzw. nicht lösbar ist. Dann möge man dies auch öffentlich sagen und erklären, wer Hinderungsgrund ist, in welchem Land es die größten Widerstände gibt und warum man nicht weiterkommt. ({3}) Mit einer verdeckten, stillen Diskussion ist nicht geholfen. Vielmehr muß man auch in aller Öffentlichkeit dazu Stellung nehmen. ({4}) Es wäre natürlich unvollständig, das Thema Innenpolitik zu behandeln, ohne darauf einzugehen, daß Sie morgen den Schlußpunkt in der Frage des Staatsangehörigkeitsrechts setzen wollen. Meine Damen und Herren, der gleiche Innenminister, der morgen dieses Gesetz vortragen wird, hat noch zur Jahreswende gegen das Optionsmodell, das Sie jetzt vorlegen, größte verfassungsrechtliche Bedenken gehabt. Dies ist nachweisbar. Jetzt plötzlich spielt es keine Rolle mehr. Er hat noch zum Jahresende öffentlich erklärt, daß der Verwaltungsaufwand, der mit diesem Gesetz, das morgen verabschiedet werden soll, verbunden ist, unerträglich hoch ist und daß er ihn vermeiden will. Er wird es nicht können, weil er jetzt genau dieses Gesetz vorlegt. Meine Damen und Herren, das ist für mich keine klare und vorausschauende Innenpolitik, sondern ich sage Ihnen ganz offen: Mit diesem Staatsangehörigkeitsrecht schaffen Sie morgen eher Anreize zu weiterem Zuzug und damit eine weitere Belastung für unser Land. Jedenfalls sagen Sie in diesem Gesetz keinen Satz über Integration, auch nicht über Zuzugsbegrenzung. Dies wird weltweit als falsches Zeichen verstanden. Deswegen sind wir gegen diese Regelungen, die morgen verabschiedet werden sollen. Im übrigen - auch dies ein Novum -: Noch nie ist zu unserer Regierungszeit im Innenausschuß ein Gesetzesvorhaben so durchgepaukt worden wie dieses Gesetz. ({5}) Das sage ich ganz offen, und dabei bleibe ich. Das kann ich im Ernstfall auch belegen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Otto Schily.

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Herr Kollege Zeitlmann, ich würde gern auf Ihre Ausführungen eingehen, aber Ihr Denken scheint mir doch etwas chaotisiert zu sein. ({0}) Sie wettern hier gegen Prävention, und im nächsten Satz sagen Sie, es bedürfe einer knallharten Vorsorge. Also, Prävention ist nun mal Vorsorge. Wie soll ich das zusammenbringen? ({1}) Und wenn Sie die Protokolle der EU-Ratspräsidentschaft nicht kennen, dann polemisieren Sie doch nicht dagegen, wenn Sie nicht wissen, um was es geht. ({2}) Ich denke, so kann man sich nicht verständigen. Daher glaube ich, ich sollte mich doch den wesentlicheren Fragen zuwenden. Vornehmste Aufgabe der Innenpolitik, Herr Präsident, meine Damen und Herren, ist die Bewahrung des inneren Friedens. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen selbstverständlichen Anspruch darauf, daß der Staat die innere Sicherheit umfassend gewährleistet, die Bürgerinnen und Bürger vor Straftaten schützt und ihnen ein Leben in Freiheit und Sicherheit ermöglicht. Die Europäische Union hat es deshalb zu ihrem Programmsatz erhoben, Europa zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes auszugestalten. Das alles gehört zusammen, Herr Kollege Stadler, da gebe ich Ihnen völlig recht. Ich habe sehr oft Wilhelm von Humboldt zitiert, der gesagt hat: „Die Freiheit kann der Mensch nur entwickeln in Sicherheit, also ist die Sicherheit auch eine Vorbedingung für die Freiheit.“ Aber beides ist gemeint. Die rechtsstaatliche Ordnung verbürgt diesen Zusammenhang. Ich weiß mich jedenfalls in meiner Verantwortung als Bundesinnenminister dieser Zielsetzung der Europäischen Union verpflichtet. Dank der guten Arbeit von Bundeskriminalamt, Bundesgrenzschutz, des Bundesamtes für Verfassungsschutz, aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums und vieler anderer dem Bundesinnenministerium zugeordneter Institutionen und dank der guten Zusammenarbeit mit den Länderinnenministern und den Länderpolizeien gehört Deutschland das kann man hier durchaus einmal hervorheben - zu den sichersten Ländern auf der ganzen Welt. ({3}) Das ist einer der wichtigsten Standortvorteile im wirtschaftlichen Wettbewerb. Deshalb müssen wir auch mit Entschiedenheit Äußerungen entgegentreten, die den Staat gewissermaßen als Kostgänger der Wirtschaft in Mißkredit zu bringen versuchen. ({4}) Auch die Wirtschaft kann nur gedeihen, wenn der Staat für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit sorgt. Die Leistungen des Staates gehören daher auch im Bereich der Wirtschaft nicht zu den Belastungs-, sondern zu den Produktionsfaktoren. Die Erfolge bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit und die hohe Leistungsfähigkeit unserer Sicherheitsinsititutionen lassen sich auch an konkreten Beispielen darstellen. Ich will Ihnen ganz offen sagen: Im vergangenen Jahr hat mir ein Erpressungsfall zu Lasten der Deutschen Bahn sehr große Sorge gemacht. Den Beamten des Bundeskriminalamtes und des Bundesgrenzschutzes ist es gelungen, diesen Sachverhalt sehr schnell aufzuklären. Ich möchte diesen Beamten, die mich einer großen Sorge enthoben haben, meinen besonderen Dank aussprechen. ({5}) Es ist ein Ausweis guter polizeilicher Arbeit, daß es in den letzten Wochen gelungen ist, einigen gefährlichen Schleuserbanden das Handwerk zu legen. Es ist ebenso bedeutsam, daß eine Reihe von Personen, die im Verdacht stehen, an den gewalttätigen Aktionen der PKK beteiligt gewesen zu sein, inzwischen festgenommen werden konnte. Das sind nur einige Beispiele aus der Erfolgsbilanz polizeilicher Arbeit. ({6}) Diese Erfolgsbilanz, meine Damen und Herren Kollegen, ist auf den engagierten Einsatz der beteiligten Beamtinnen und Beamten zurückzuführen, aber auch auf die Tatsache, daß man sich bei der polizeilichen Arbeit der modernsten wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten bedient. Gleichwohl bleibt auch die technische und organisatorische Erneuerung der polizeilichen Institutionen auf der Tagesordnung. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, daß wir nunmehr mit den Ländern Einvernehmen darüber erzielt haben, die Polizeiführungsakademie in Hiltrup bei Münster zu einer internen Hochschule der Polizei auszubauen. ({7}) Das entspricht nach meinem Verständnis einem modernen Bild des Polizisten - etwa im Rahmen des „community policing“ -, der seine Tätigkeit auf Grund einer umfassenden Bildung und einer breiten Wissensgrundlage ausübt. Natürlich ist die Polizei keine Militäreinheit, wie wir alle wissen. Aber ich möchte bewußt ein Beispiel aufführen, an dem deutlich wird, was ich meine. Sie werden sich erinnern: Es ist das Verdienst von Georg Leber, daß für die Bundeswehr Universitäten geschaffen worden sind. Die beiden Bundeswehruniversitäten, die eingerichtet worden sind, haben wesentlich dazu beigetragen, daß es einen neuen Offizierstypus gibt, mit dem wir es geschafft haben, die Bundeswehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie ich mir auch die zukünftige polizeiliche Arbeit vorstelle. Bei unseren Reformvorhaben können wir in mancher Hinsicht an gute Vorarbeiten meines Amtsvorgängers anknüpfen. Dies anzuerkennen fällt mir um so leichter, als wir seinerzeit viele Reformprojekte in kritischer, aber immer in konstruktiver Opposition unterstützt haben. Ich lade die heutige Opposition dazu ein, sich in ähnlich konstruktiver Form an den künftigen Reformvorhaben zu beteiligen. ({8}) Bis jetzt habe ich über objektive Faktoren der Sicherheit gesprochen. Auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung hat sich deutlich verbessert, seit die neue Bundesregierung im Amt ist. Das Bundeskriminalamt hat in unserem Auftrag eine Untersuchung durchgeführt. Aus dieser ergibt sich, daß sich 80 Prozent der Befragten im Osten und 83 Prozent im Westen „ziemlich sicher“ bis „sehr sicher“ fühlen. Das ist ein guter Ausweis für die Politik der inneren Sicherheit der deutschen Bundesregierung. ({9}) Innere Sicherheit läßt sich aber wahrlich nicht mehr allein im nationalstaatlichen Rahmen erreichen. Wir müssen daher die internationale Sicherheitsarchitektur ausbauen. Auf diesem Gebiet haben wir erhebliche Fortschritte erzielen können. Vor wenigen Tagen habe ich in der Schweiz ein bilaterales Abkommen zur umfassenden polizeilichen Zusammenarbeit unterzeichnet. Ein weiteres Abkommen dieser Art mit Österreich ist in Vorbereitung. Vor wenigen Tagen habe ich in Moskau ein Abkommen mit Rußland unterschrieben, das der Intensivierung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität dient. ({10}) Dieses Abkommen, das auf Grund von Meinungsunterschieden innerhalb der alten Bundesregierung lange Zeit auf Eis lag, konnte damit zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden, einfach deshalb, weil inzwischen die Verständigung zwischen Justizministerium und Innenministerium besser funktioniert als in der vergangenen Legislaturperiode. ({11}) In Polen ist im Zusammenhang mit den deutschpolnischen Gesprächen in der vergangenen Woche ein Geheimschutzabkommen unterzeichnet worden, das ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zur besseren polizeilichen Zusammenarbeit leisten wird. Mit vielen anderen Ländern wird auf bilateraler Basis die polizeiliche Zusammenarbeit ausgeweitet und intensiviert. Zu diesen Ländern gehören unter anderem Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien. Im europäischen, das heißt im multilateralen Rahmen ist es unter der deutschen Ratspräsidentschaft gelungen, sicherzustellen - das ist ein sehr großer Erfolg -, daß Europol am 1. Juli dieses Jahres die Arbeit aufnehmen wird und daß die Zuständigkeiten Europols auf die Bekämpfung des Terrorismus und der Geldfälschungsdelikte erweitert wird. Das ist nach jahrelangen Bemühungen ein großer Erfolg. ({12}) Ich will auch darauf hinweisen, daß uns eine Einigung über EURODAL gelungen ist. Auch diesen wichtigen Punkt sollten wir erwähnen. Nicht zuletzt dank der deutschen Bemühungen war es in bilateralen Gesprächen möglich, die letzten Hindernisse für eine Implementierung der Schengen-Kooperation im Amsterdamer Vertrag auszuräumen. Wir alle haben feststellen müssen: Uns sind nur homöopathische Dosen zugeteilt worden, um in unseren Redebeiträgen auf die weitgefächerten Probleme der Innenpolitik einzugehen. Aber die Aktualität gebietet es, ein Thema besonders anzusprechen - dies gilt auch angesichts einiger Beiträge meiner Vorredner -: Ich meine den Kosovo und die aktuelle Situation in den Nachbarregionen. Weil Herr Zeitlmann und andere Kollegen immer wieder behaupten, es gebe einen Zickzackkurs, sage ich Ihnen, damit hier gar keine Mißverständnisse entstehen: Der deutsche Innenminister ist sich mit allen Innenministern der Europäischen Union und mit beiden für diese Fragen zuständigen EU-Kommissarinnen, Frau Gradin und Frau Bonino, und mit der UNO-Kommissarin für Flüchtlingsfragen, Frau Ogata - ich telefoniere praktisch alle zwei Tage mit ihr, Herr Zeitlmann -, einig, daß die Hilfe vor Ort Vorrang hat. Der Grund dafür ist, daß eine Evakuierung der Vertriebenen aus den Nachbarregionen nach Möglichkeit vermieden werden soll, damit Herr Milosevic nicht den Eindruck gewinnen kann, die Vertreibung sei endgültig. ({13}) - Und sie wollen auch gar nicht aus den Gebieten weg; deshalb wird im Einvernehmen mit der albanischen Regierung eine Evakuierung aus Albanien grundsätzlich nicht stattfinden. Eine andere Situation ergibt sich in Mazedonien. Ich bitte Sie, sich die Dinge so vor Augen zu führen, wie sie wirklich sind. Mazedonien ist ein Land mit 2,2 Millionen Einwohnern. Es hat ein sehr labiles ethnisches Gleichgewicht. Dort sind in diesen Tagen zusätzlich 56 000 Vertriebene angekommen. Sie können den heutigen Agenturmeldungen entnehmen, daß das Land seine Grenze geschlossen hat. ({14}) Mazedonien mit seinen 2,2 Millionen Einwohnern hat insgesamt 200 000 Flüchtlinge aufgenommen. Das entspricht 10 Prozent seiner Bevölkerung. Für unser Land würde ein vergleichbarer Fall bedeuten, daß wir 8 Millionen Vertriebene aufgenommen hätten. Ich möchte einmal sehen, was Sie, Herr Zeitlmann, dann sagen würden. In einer solchen Situation muß man in der Lage sein, einem solchem Land beizustehen, und man darf nicht kleinlich an irgendwelchen Zahlen herumkaspern. ({15}) Der deutsche Innenminister hat sich über die vergangenen Wochen hinweg wahrlich bemüht, die Handlungsweise der europäischen Kolleginnen und Kollegen zu verändern. Ich lasse mir von niemandem sagen, irgend etwas unterlassen zu haben - von niemandem! Das hat seine Wirkung getan. Sie sehen doch: Die Angebote haben sich von Woche zu Woche gesteigert. Am Montag ist der Kollege aus Großbritannien, Jack Straw, bei mir zu Besuch. Ich bin sicher, daß er seine Angebote erhöhen wird. Man muß verstehen - das hat auch etwas mit Europa zu tun; Sie waren lange genug in der Regierungsverantwortung, um das zu wissen und dem deutschen Volk keinen Unsinn zu erzählen -, daß es in solchen Fragen natürlich unterschiedliche Standpunkte gibt und daß man versuchen muß, sich in das hineinzudenken, was Vertreter anderer Länder sagen. Mir sagt der spanische Kollege, er müsse die besondere Situation gegenüber Nordafrika berücksichtigen; auch in dieser Frage habe er Probleme. Dafür muß ich Verständnis haben, Herr Zeitlmann. Wenn ich mich nicht in die Lage anderer Leute hineinversetzen kann, sollte ich die Politik lieber meiden. ({16}) Nehmen Sie doch einmal ernst, was in Ihrer eigenen Fraktion gesagt wird. Wenn Herr Schwarz-Schilling, der nun tatsächlich über Kenntnisse in diesem Gebiet verfügt, mir recht gibt, dann glaube ich ihm - das muß ich Ihnen ehrlich sagen - eher als Herrn Zeitlmann. Das ist nun einmal so. ({17}) Sie mögen sich an Ihrem Stammtisch in Bayern so verhalten, Herr Zeitlmann. Aber wenn Sie hier so argumentieren, hat das für mich keine Bedeutung. ({18}) Ich schlage jetzt wieder einen etwas versöhnlicheren Ton an: Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Haushältern für die konstruktive und sehr angenehme Zusammenarbeit. ({19}) Ich weiß, daß wir in einer Zeit leben, in der wir auf schwere Belastungen im Haushalt Rücksicht nehmen müssen. Der Bundesminister des Innern kann zufrieden sein, daß er für seinen Haushalt von allen Seiten des Hauses in vielen Fragen Unterstützung erhalten hat. Daß sich alle als Mütter und Väter der Erfolge bei der Sportförderung darstellen, nehme ich zur Kenntnis; ich will mich nicht in diese Reihe stellen, aber nehme diese ErBundesminister Otto Schily folge dankbar entgegen. Das ist gut für die Arbeit des Bundesinnenministers. Ich bin froh darüber, daß wir uns über die Wichtigkeit der Dopingbekämpfung einig sind. Wir müssen dafür sorgen, daß der Sport frei von solchen Machenschaften, sauber und ehrlich bleibt. Wenn wir uns bemühen, auch bei Themen anderer Art zu einem Konsens zu kommen, dann kann das der deutschen Politik nicht schaden, sondern nur nutzen. Deshalb lade ich Sie ein, den Konsens gerade auch in Fragen des inneren Friedens und der inneren Sicherheit zu suchen. Ich glaube, daß ein solcher Konsens, wie wir ihn in diesem Hause bei Fragen der äußeren Sicherheit erreicht haben, auch bei Fragen der inneren Sicherheit erforderlich ist. Daß wir ihn finden, ist mir ein wichtiges Anliegen. In dem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal ansprechen, was der Kollege Cem Özdemir hier gesagt hat. Es gibt Strukturen und Spaltungstendenzen in unserem Lande, die uns besorgt machen und mit denen wir uns beschäftigen sollten. Wenn es uns nicht gemeinsam gelingt, diese Spaltungstendenzen zu überwinden, sehe ich Gefahren für unsere Demokratie. Wir werden uns ja morgen darüber zu unterhalten haben, in welcher Weise wir die Spaltungstendenzen gegenüber der Zuwanderungsbevölkerung überwinden können. Wenn ich es richtig wahrgenommen habe - damit möchte ich schließen -, hat hier ein Zwischenrufer aus den Reihen der Opposition sinngemäß gesagt, ich sei mit meinem Amtseid nicht auf die Ausländer vereidigt. ({20}) Darauf möchte ich Ihnen sagen: Ich verstehe meinen Amtseid so, daß ich für die Würde jedes Menschen eintrete, wie sie im Grundgesetz verankert ist. ({21})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Dietmar Schlee das Wort.

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einige wenige Bemerkungen zu den Ausführungen des Bundesinnenministers zur Flüchtlingspolitik machen. Herr Schily, zunächst müssen wir einmal festhalten, daß dieses Land eine ganz große Hilfsbereitschaft in bezug auf die Flüchtlinge an den Tag legt. Daß mittlerweile mehr als 200 Millionen DM an Spenden eingingen, ist ein ganz wichtiges Faktum. Bisher haben wir 10 000 Kontingentflüchtlinge aufgenommen. Ich glaube, daß man mit Sicherheit sagen kann, daß im Laufe des letzten Jahres und in diesem Jahr über diese 10 000 hinaus etwa 160 000 bis 170 000 Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen sind. Das heißt, unsere Bevölkerung hat nicht nur Geld gestiftet, sondern sie hat ein hohes Maß an Hilfsbereitschaft und Unterstützung bei der Flüchtlingsaufnahme an den Tag gelegt. Wie gesagt, das verdient Dank und Anerkennung. Auf der anderen Seite - Herr Schily, wir spüren das doch alle - ist es so, daß die Bevölkerung natürlich schon beobachtet, wie die Flüchtlingsprobleme in Europa gelöst werden. Zunächst einmal ist all das, was Sie zur Regionalisierung und zur Hilfe vor Ort gesagt haben, absolut richtig. Alles andere wäre einfach daneben. Sicherlich kann man die Hilfe in Mazedonien auch noch weiter verstärken und verbessern. Aber, Herr Schily, wenn dann die Bevölkerung sieht, daß wir unser Kontingent innerhalb von zehn Tagen erfüllen und andere einfach nicht nachkommen - ich will überhaupt gar nicht in Zweifel ziehen, daß Sie mit Frau Ogata und Ihren Kollegen telefonieren und da Druck machen -, wenn man die Entwicklung auch nach den Geschehnissen in Bosnien bedenkt, als wir 350 000 Flüchtlinge aufgenommen haben und die Franzosen 15 000, die Briten 13 000 und die Spanier 2 500 Flüchtlinge, dann gilt das Uraltargument, daß die Spanier natürlich auf die Marokkaner und die Franzosen auf die Algerier verweisen, nur noch bedingt. Diese Frage muß europaweit gelöst werden. Ich habe es Ihnen gestern schon gesagt: Ich bin der festen Überzeugung, daß diese Probleme auf Fachministerebene nicht mehr zu lösen sind. Die Innenminister hängen an den Finanzministern. Das muß auf der Ebene der Regierungschefs gelöst werden. Sie müssen sich am Rande einer Konferenz, meine ich, einigen. Daraus muß ein gemeinsamer Wille resultieren, der dann auch so rasch wie möglich umgesetzt wird. Zusagen zwischen Tür und Angel reichen überhaupt nicht mehr aus. Wenn unsere Bevölkerung sieht, daß die Dinge hier ungerecht vonstatten gehen, dann fühlt sie sich ausgenutzt. Das können wir alle zusammen nicht wollen, weil wir diese Hilfsbereitschaft brauchen. Wenn Sie an die Flüchtlingsproblematik der nächsten Wochen denken, wenn Sie daran denken, welche Probleme wir beim Wiederaufbau im Kosovo bekommen werden, wenn Sie das alles bedenken, dann muß, so meine ich, eine große Kraftanstrengung unternommen werden. Vielen Dank. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Bundesminister Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schlee, wir sind doch überhaupt nicht unterschiedlicher Meinung darüber, daß wir gegenüber der Bevölkerung zu großem Dank verpflichtet sind, daß wir eine Welle der Hilfsbereitschaft haben. Ich bin überzeugt, daß diese Welle der Hilfsbereitschaft auch anhalten wird, wenn wir jetzt weitere 10 000 Flüchtlinge aufnehmen. Ich war gerade während des Besuchs von Herrn Clinton mit dem amerikanischen Botschafter Kornblum und Kollegen Scharping in einem Flüchtlingsheim. Die Flüchtlinge haben sich für die ausgesprochen warmherzige Aufnahme in der deutschen Bevölkerung sehr bedankt. Ich weiß, wieviel Geld gespendet worden ist. Alles das ist richtig, und ich weiß es sehr zu würdigen. Ich habe in einem Beitrag hier einmal sehr deutlich dargestellt, was von den humanitären Organisationen vor Ort geleistet wird. Ich habe sehr ausführlich die Verdienste der Beamten des BGS, die ich dorthin geschickt habe, dargestellt. Sie haben dort ein besonderes Lob geerntet. Der UNFlüchtlingskommissar hat mir einen Brief geschrieben, in dem er die Bundesregierung besonders mit Lob für die vorbildliche Arbeit auf diesem Gebiet bedacht hat. Da gibt es wohl keinen Unterschied zwischen uns. Aber nun zu glauben, Herr Kollege Schlee, es sei zwischen Tür und Angel eine Zusage gemacht worden, das ist schlicht ein Irrtum; das muß ich Ihnen sagen. In der Luxemburger Dringlichkeitskonferenz, die ich nach Ostern einberufen habe, haben sich alle EUMitgliedsländer im Grundsatz bereit erklärt, sich an der Evakuierung, vor allen Dingen aber auch an Hilfen vor Ort zu beteiligen. Damit ich das Bild hier vollständig zeichne, sage ich noch dies: Ich war am Ostersonntag in Tirana. Ich habe dort eine Zusage erhalten, daß zur Entlastung von Mazedonien Albanien - ich darf noch einmal darauf hinweisen: es gibt in Albanien organisatorische und logistische, aber keine politischen Probleme - auch Flüchtlinge aus Mazedonien aufnimmt. Von dieser Zusage wird zur Entlastung von Mazedonien jetzt auf die Weise Gebrauch gemacht, daß der UNO-Flüchtlingskommissar einen Korridor nach Mazedonien öffnet und die NATOKräfte, die in Albanien sind, in der Nähe von Korca ein Flüchtlingslager für 50 000 bis 60 000 Vertriebene bauen. Sie müssen aber auch den Zeithorizont sehen und erkennen, daß wir nicht die von Ihnen praktizierte einseitige Sichtweise haben können. Nun weisen Sie auf das Problem der BosnienFlüchtlinge hin. Da es dieses Flüchtlingsproblem schon damals gegeben hat, kann ich Ihnen nur sagen: Ihnen ist es damals auch nicht gelungen, eine Kontingentierung in der damaligen europäischen Konstellation durchzusetzen. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich sehe für die nächste Zeit keine Einigungsmöglichkeit in dieser Frage. Wir haben im Rahmen der EU-Präsidentschaft ein sogenanntes Pledging-Verfahren vorgeschlagen, indem wir gesagt haben, jeder Staat solle auf freiwilliger Basis erklären, wieviel Flüchtlinge er aufnehmen will. Da aber das Quotensystem immer im Hintergrund steht, war es etwas schwierig, die Vertreter der einzelnen EUMitgliedstaaten darauf festzulegen, welches Kontingent sie nun aufnehmen wollen. In der Praxis erweist sich aber, daß sie durchaus zur Aufnahme bereit sind. Um die Situation richtig zu beurteilen, muß man sehen, daß uns einige Länder in dieser Frage voraus sind. Ich nehme gleich an der Schaltkonferenz der Länderinnenminister teil und kann deswegen sagen, daß es ein Land gibt, das sich bisher immer noch weigert, nämlich Bayern. Bayern hat im Moment weniger Flüchtlinge, bezogen auf die Einwohnerzahl, aufgenommen als Österreich. Österreich will bis Ende Mai bis zu 5 000 Flüchtlinge aufnehmen. ({0}) - Die Österreicher haben ebenfalls eine große Zahl von Flüchtlingen aufgenommen. Vertun Sie sich da einmal nicht! Herr Schlee, Sie sind ein Mann, der die Gegend gut kennt. Wir haben doch einen gemeinsamen Nenner: Wir wollen Mazedonien nicht destabilisieren. Mit Rechthaberei erreichen wir nichts. ({1}) Wir müssen binnen kurzer Zeit handeln. Das ist der entscheidende Punkt. Deshalb habe ich gesagt, daß wir alle Möglichkeiten nutzen müssen, sogar die, die ich eigentlich für die schlechteste halte, nämlich Flüchtlinge in die Vereinigten Staaten von Amerika zu bringen. Ich habe mich mit Frau Ogata darüber geeinigt, daß wir von dieser Möglichkeit Gebrauch machen müssen. Es muß also rasch gehandelt werden. In dieser Verantwortung steht der Bundesinnenminister. Ich bin übrigens davon überzeugt: Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie nicht anders handeln, Herr Schlee. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- plan 06 - Bundesministerium des Innern - in der Aus- schußfassung. Dazu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor, über die wir zunächst abstimmen. Änderungsantrag auf Drucksache 14/969. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen des Hauses abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 14/970. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhält- nis wie zuvor abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 14/971. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhält- nis wie zuvor abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 14/972. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhält- nis wie zuvor abgelehnt. Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 06 in der Aus- schußfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt da- gegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 06 ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen. Abstimmung über den Einzelplan 33 - Versorgung - in der Ausschußfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 33 ist mit den Stimmen des Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte V. a bis c und die Zusatzpunkte 3a bis g auf: V. Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({0}) - Drucksache 14/758 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß ({1}) Innenausschuß Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Gesundheit Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines … Strafrechtsänderungsgesetzes - § 323a StGB ({2}) - Drucksache 14/759 - Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß c) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1998 - Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes ({3}) - Drucksache 14/737 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß ZP3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({4}) a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens vom 4. August 1963 zur Errichtung der Afrikanischen Entwicklungsbank - Drucksache 14/907 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({5}) Finanzausschuß b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Jäger, Dr. Mathias Schubert, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Norbert Barthle, Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Dirk Fischer ({6}), weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU, sowie der Abgeordneten Ulrich Heinrich und Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas - Drucksache 14/941 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Kultur und Medien ({7}) Innenausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Haushaltsausschuß c) Beratung des Antrag der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard, Andrea Nahles, Dr. Eckhart Pick, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Hans-Joachim Otto ({8}), Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter der Fraktion der F.D.P., sowie der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Dr. Heinrich Fink, weiterer Abgeordneter der Fraktion der PDS Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas - Drucksache 14/942 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Kultur und Medien ({9}) Innenausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Haushaltsausschuß d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gert Weisskirchen ({10}), Eckhardt Barthel ({11}), Hans-Werner Bertl, weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Dr. Rita Süssmuth, der Abgeordneten Volker Beck ({12}), Gila Altmann ({13}), Marieluise Beck ({14}), weiterer Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas - Drucksache 14/943 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Kultur und Medien ({15}) Innenausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Haushaltsausschuß e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Roth ({16}), Karin Kortmann, Nina Hauer, weiterer Abgeordneter der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Cem Özdemir, Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas und eines „Hauses der Erinnerung“ - Drucksache 14/944 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Kultur und Medien ({17}) Innenausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Haushaltsausschuß f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Dr. Martina Krogmann, Ursula Heinen und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Drucksache 14/965 Vizepräsident Rudolf Seiters Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Kultur und Medien ({18}) Innenausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Haushaltsausschuß g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Fischer ({19}), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Hannelore Rönsch ({20}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Satellitennavigationssystem Galileo - Drucksache 14/945 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({21}) Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuß Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesordnung um den Zusatzpunkt 6 zu erweitern: Beratung des Antrags der Abgeordneten Wilhelm-Josef Sebastian, Hans-Otto Wilhelm, Dr. Gerd Müller und weiterer Abgeordneter zur Errichtung eines zentralen Mahnmals - Drucksache 14/981 Der Antrag soll jetzt gleich ohne Debatte zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Kultur und Medien sowie zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Finanzausschuß, den Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder und an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. - Sie sind damit einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt VI auf: Abschließende Beratungen ohne Aussprache Zunächst kommen wir zu Tagesordnungspunkt VIa: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. Oktober 1997 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über die Seeschiffahrt - Drucksache 14/390 ({22}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({23}) - Drucksache 14/594 Berichterstattung: Abgeordneter Konrad Kunick Der Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen empfiehlt auf Drucksache 14/594, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt VIb: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Notenwechsel vom 29. April 1998 über die Rechtsstellung der dänischen, griechischen, italienischen, luxemburgischen, norwegischen, portugiesischen, spanischen und türkischen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 14/584 ({24}) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({25}) - Drucksache 14/959 Berichterstattung: Abgeordneter Hans-Ulrich Klose Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 14/959, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt VIc: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, Wolfgang Gehrcke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ({26}) - Drucksache 14/554 ({27}) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({28}) - Drucksache 14/869 Berichterstattung: Abgeordnete Joachim Stünker Dr. Wolfgang Götzer Rainer Funke Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 14/869, den Gesetzentwurf abzulehnen. Bevor ich abstimmen lasse, gebe ich das Wort der Kollegin Evelyn Kenzler zu einer Erklärung zur Abstimmung.

Dr. Evelyn Kenzler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003159, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz mein Abstimmungsverhalten begründen. Vizepräsident Rudolf Seiters Ich werde der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, den Gesetzentwurf der PDS zur Verlängerung der Verjährungsfrist für Schadensersatzforderungen aus Zwangsarbeit unter dem NS-Regime abzulehnen, nicht zustimmen. Mein Abstimmungsverhalten resultiert dies möchte ich hier ausdrücklich feststellen - nicht daraus, daß ich den Rechtsweg für besonders geeignet halte, um die berechtigten Forderungen der Opfer zu erfüllen. Ich weiß sehr wohl, wie langwierig, kompliziert und kostspielig zivilrechtliche Verfahren sein würden. Die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sollten nicht automatisch auf die Gerichte verwiesen werden. Meine ablehnende Haltung widerspricht auch nicht meinem Standpunkt, daß ich den politischen Weg einer großzügigen und gerechten Entschädigung durch Stiftungen natürlich für besser halte. Ich bin für diesen Weg. Leider sind nicht einmal grobe Konturen eines solchen Weges erkennbar. Meine Ablehnung ergibt sich auch daraus, daß die Antwort der Regierung auf eine entsprechende Kleine Anfrage der PDS völlig unbefriedigend ist. Die Regierung ist nicht in der Lage, eine einigermaßen genaue Auskunft über die Ausgestaltung der Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen zu geben. Das hat mich in meinem Abstimmungsverhalten bestärkt. Sie kennt keine Einzelheiten über die in der Koalitionsvereinbarung angekündigte Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“. Die Betroffenen wissen bis heute nicht, was sie erwarten können. Ich stimme deshalb mit Nein, weil meiner Meinung nach den Betroffenen in dieser Situation der Rechtsweg als letzter Ausweg offengehalten werden sollte. Ich kann der Beschlußempfehlung nicht zustimmen, weil nach meiner Auffassung die Betroffenen selber darüber zu entscheiden haben, ob sie diesen Weg gehen wollen oder nicht. Die drohende Verjährung würde diesen Weg versperren. Ich bin davon überzeugt, daß die Opfer auf den Rechtsweg verzichten werden, wenn es angemessene Stiftungsregelungen gibt. Ich sehe im Offenhalten des Rechtsweges keinen Ersatz für eine Lösung des Problems über eine Stiftung. Unser Gesetzentwurf soll vielmehr diese Lösung befördern. Auch deshalb kann ich dem Rechtsausschuß nicht folgen. Die Bundesregierung, die Koalitionsparteien und die Wirtschaft haben es selbst in der Hand, durch eine zügige und angemessene Entschädigung durch die Fonds von Stiftungen Klagen vor Gericht überflüssig zu machen. Ich stimme gegen die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, weil ich es rechtsstaatlich nicht vertreten kann, daß der Rechtsweg ohne Fristverlängerung verschlossen wird, bevor Stiftungsregelungen verbindlich, transparent und für die Betroffenen akzeptabel festgeschrieben sind. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf der PDS zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen des übrigen Hauses abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt VId: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({0}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Joachim Tappe, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Angelika Köster-Loßack, Hans-Christian Ströbele, Kerstin Müller ({1}), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Reform der europäischen Entwicklungspolitik durch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ralf Brauksiepe, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Europäische Entwicklungszusammenarbeit reformieren - zu dem Antrag der Abgeordneten Joachim Günther, Gerhard Schüßler, Dr. Helmut Haussmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. Eigenverantwortlichkeit der AKP-Staaten fördern - zu dem Antrag der Abgeordneten Carsten Hübner, Heidi Lippmann-Kasten, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS Zukunft der EU-AKP-Entwicklungszusammenarbeit - Drucksachen 14/538, 14/537, 14/531, 14/164, 14/879 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. R. Werner Schuster Klaus-Jürgen Hedrich Dr. Angelika Köster-Loßack Gerhard Schüßler Carsten Hübner Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/ Die Grünen zu einer Reform der europäischen Entwicklungspolitik durch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, Drucksache 14/879, Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/538 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen. Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zu einer Reform der europäischen Entwicklungszusammenarbeit, Drucksache 14/879, Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/537 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen. Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der F.D.P. zu einer Förderung der Eigenverantwortlichkeit der AKP-Staaten, Drucksache 14/879, Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/531 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen der F.D.P. angenommen. Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der PDS zur Zukunft der EU-AKP-Entwicklungszusammenarbeit, Drucksache 14/879, Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/164 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen des übrigen Hauses gegen die Stimmen der PDS angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt VIe: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über ein transparentes System harmonisierter Bestimmungen über Fahrverbote für schwere Lastkraftwagen im grenzüberschreitenden Güterverkehr auf ausdrücklich bezeichneten Straßen - Drucksachen 14/272 Nr. 156, 14/702 Berichterstattung: Abgeordneter Wilhelm-Josef Sebastian Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Wir kommen jetzt zu weiteren abschließenden Beratungen ohne Aussprache, und zwar zunächst zu Zusatzpunkt 4a: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({3}) Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens - Drucksache 14/828 Berichterstattung: Abgeordnete Anni Brandt-Elsweier Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Zusatzpunkt 4b: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({4}) Sammelübersicht 43 zu Petitionen - Drucksache 14/961 Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Diese Sammelübersicht ist bei Enthaltung der PDS mit den Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen. Zusatzpunkt 4c: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({5}) Sammelübersicht 44 zu Petitionen - Drucksache 14/962 Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Diese Sammelübersicht ist gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen des übrigen Hauses angenommen. Zusatzpunkt 4d: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({6}) Sammelübersicht 45 zu Petitionen - Drucksache 14/963 Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 45 ist mit den Stimmen des übrigen Hauses gegen die Stimmen von CDU/CSU angenommen. Zusatzpunkt 4e: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({7}) Sammelübersicht 46 zu Petitionen - Drucksache 14/964 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 46 ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen. Ich rufe nunmehr den Einzelplan 12 auf: Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen - Drucksachen 14/612, 14/622 Berichterstattung: Abgeordnete Bartholomäus Kalb Gerhard Rübenkönig Dietmar Schütz ({8}) Dr. Günter Rexrodt Dr. Uwe-Jens Rössel Vizepräsident Rudolf Seiters Es liegen drei Änderungsanträge der CDU/CSU, ein Änderungsantrag der F.D.P. und vier Änderungsanträge der PDS vor. Die Fraktion der CDU/CSU hat zwei Entschließungsanträge, die Fraktion der F.D.P. einen Entschließungsantrag eingebracht. Über diese Entschließungsanträge wird nach der Schlußabstimmung abgestimmt. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache drei namentliche Abstimmungen durchführen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort zunächst dem Kollegen Bartholomäus Kalb von der CDU/CSU-Fraktion.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir vorhin eine sehr bewegte Debatte und einen Gedankenaustausch zwischen Herrn Schlee und dem Herrn Bundesinnenminister über eine Frage, die uns alle berührt, erlebt haben, müssen wir uns jetzt den nüchterneren Fragen des Haushalts für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zuwenden. Sie, Herr Bundesminister, haben in der ersten Lesung zu diesem Haushalt ausgeführt: Der Haushalt für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat im wesentlichen zwei Zielen zu genügen, nämlich einmal dem Ziel, daß wir unsere Städte vernünftig weiterentwickeln, daß wir menschenwürdige Wohnungsbedingungen in Deutschland haben und daß wir die Mobilität im Lande sichern, das heißt, daß wir eine vernünftige Verkehrspolitik machen. ({0}) Er hat zum zweiten dem Ziel zu genügen, daß wir mit diesen Politikbereichen Beschäftigung sichern helfen. Soweit das Zitat. Ich kann dem gerne zustimmen; das klingt alles ganz vernünftig und richtig. ({1}) Nur, in der Konsequenz hätte das bedeuten müssen, daß im Zuge der Ausschußberatungen entsprechend dieser Zielsetzung die Ansätze für Investitionen, insbesondere für Verkehrsinvestitionen, wesentlich verstärkt worden wären. Denn kein anderer Haushalt bietet sich mehr für die Verstärkung von Investitionen an als der Haushalt für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Viele Kollegen aus der Regierungskoalition, insbesondere der Kollege Metzger, weisen immer wieder darauf hin - ich habe eine Reihe von Zitaten in meinen Unterlagen -, daß wir wesentliche strukturelle Veränderungen im Haushalt und insbesondere eine Verstärkung der Investitionen brauchen und daß wir die ungleichgewichtige Entwicklung aufgeben müssen, nämlich daß wir eine immer stärkere Schlagseite hinsichtlich der konsumtiven Ausgaben bekommen und der Anteil der investiven Ausgaben immer stärker zurückgeht. Das ist nicht nur ein Problem des Bundeshaushalts - das will ich hier gerne einräumen -, sondern das ist ein Problem fast aller öffentlichen Haushalte. Damit wird mittelfristig und längerfristig natürlich auch die Zukunftsfähigkeit aufs Spiel gesetzt, weil wichtige Zukunftsinvestitionen unterbleiben, weil notwendige Infrastruktur nicht geschaffen werden kann und weil vorhandene Infrastruktur nicht mehr im erforderlichen Umfang erhalten werden kann. Damit ist zu befürchten, daß Qualitäts- und Substanzverluste eintreten. Nun kenne ich all die Zwänge, die wir in den Haushalten haben, insbesondere seit dem Jahr 1990, wo wir infolge der Wiedervereinigung enorme Aufgaben zu bewältigen und zu schultern hatten. Aber nicht weniger Investitionen wäre das Gebot der Stunde gewesen, sondern mehr Investitionen, insbesondere mehr Verkehrsinvestitionen, wären angesagt gewesen. Herausgekommen ist bei den Haushaltsberatungen aber exakt das Gegenteil. Der Spielraum für eine Verstärkung von Investitionen wäre vorhanden gewesen; der Kollege Austermann hat es in seinem Debattenbeitrag in der ersten Runde deutlich zum Ausdruck gebracht. Wäre man unseren Einsparvorschlägen gefolgt, hätte man ausreichend Spielraum zur Verstärkung von Investitionen gehabt. ({2}) Ich darf darauf hinweisen, daß wir in den zurückliegenden Jahren während des Beratungsverfahrens immer Möglichkeiten gefunden haben, die Mittel insbesondere für den Fernstraßenbau zu verstärken. Wir wissen ja, daß die Finanzminister von Haus aus bei den Haushaltsansätzen etwas knickerig sein müssen. Wir kennen natürlich auch die Zwangslage, in der sie sich befinden, weil sie in nicht allzu vielen Bereichen überhaupt noch disponibel sind. ({3}) - Das war früher nicht anders als heute. Die Finanzminister finden viele Bereiche vor, in denen sie wegen der gesetzlichen Bindungen kaum etwas verändern können. Deswegen müssen sie dort Veränderungen vornehmen, wo sie noch disponieren können. Gerade uns war es aber in den entsprechenden Ausschußberatungen immer ein Anliegen, die Straßenbaumittel aufzustocken. Das ist hier nicht geschehen. Darüber hinaus wird dieser Haushalt, Herr Bundesminister, durch eine globale Minderausgabe von 121 Millionen DM belastet. Es ist zu befürchten, daß Sie nicht darum herumkommen, einen Teil dieser globalen Minderausgabe zu Lasten der Verkehrsinvestitionen zu erwirtschaften. Der Bewilligungsrahmen wird zusätzlich eingeschränkt durch die Entscheidung in der Bereinigungssitzung, die Verpflichtungsermächtigungen zugunsten der Flughafenanbindung Berlin-Brandenburg - dies soll zu Lasten der Fernstraßenbaumittel vorgenommen werVizepräsident Rudolf Seiters den - zu kürzen. Es kann gute Gründe geben, warum man sich bei den Vertragsgestaltungen darauf verständigt hat, daß der Bund hier die Kosten übernimmt. Aber eine Förderung des Luftverkehrs - dies ist es ja letztlich zu Lasten von Straßenbauinvestitionen kann meines Erachtens nicht angehen. Sie, Herr Bundesminister, haben wiederholt angekündigt und ausgeführt, daß der Bundesverkehrswegeplan unterfinanziert sei. Ich gebe Ihnen recht, wenn Sie darauf hinweisen, daß er dies seit Jahren ist. Das wissen wir. Auch wir haben uns mit diesem Problem herumgeschlagen. Die bestehenden Probleme werden aber nicht dadurch gelöst, daß Sie ankündigen, den Bundesverkehrswegeplan völlig neu überarbeiten zu wollen. Mit dem Herausstreichen von Maßnahmen wird die Situation nicht geändert. ({4}) Der Bundesverkehrswegeplan ist nach langwierigen und intensiven Beratungen und dem Ringen aller Abgeordneten in ihren Wahlkreisen so beschlossen ({5}) und die Dringlichkeit bestimmter Maßnahmen festgestellt worden. Diese Dringlichkeit ändert sich nicht dadurch, daß man jetzt sagt: Wir schreiben den gesamten Plan um. Ich denke schon, daß wir die bisher beschlossenen, wichtigen Maßnahmen brauchen, um den strukturschwachen Gebieten zu helfen, um insbesondere die Infrastruktur in den neuen Ländern zu verbessern, um die Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und die Voraussetzung für eine Verbesserung der Lebensqualität zu schaffen sowie um den Menschen Schutz vor Unfallgefahren in Innerortsbereichen, aber auch vor schädlichen Emissionen zu gewähren. ({6}) Wenn man die Situation in den neuen Ländern betrachtet, stellt man fest, daß dort in den letzten Jahren unglaublich viel geschehen ist. Aber man wird auch sehen, daß noch sehr viel zu tun ist. Beides ist wahr. Durch zahlreiche Anstrengungen ist viel erreicht worden. Auch in der Zukunft wird noch viel zu tun sein. In diesem Zusammenhang ist es angebracht, den Mitarbeitern der Bauverwaltungen des Bundes und der Länder sowie der DEGES von dieser Stelle aus einen herzlichen Dank für ihre Anstrengungen zu sagen. ({7}) Wir haben auch in den alten Bundesländern in der Zukunft viel zu tun. Alle uns bekannten Verkehrsprognosen sagen einen steigenden Umfang des Verkehrs voraus. Wir werden diesen steigenden Umfang nur bewältigen können, wenn wir unsere Investitionsanstrengungen verstärken, wenn wir die Potentiale aller Verkehrsträger, und zwar die der Straße, der Schiene und der Wasserstraße, noch mehr als bisher nutzen und wenn wir vor allen Dingen die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn stärken. Das ist nicht nur mit den Investitionen in die Schiene und das rollende Material getan. Hier muß natürlich auch, insbesondere an den Knotenpunkten, viel geschehen; es muß bei der Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger viel geschehen. Sie, Herr Bundesminister, haben ja in der ersten Lesung, wie ich meine, zu Recht darauf hingewiesen, daß die Wasserstraßen, von denen wir in Deutschland viel mehr haben, als man gemeinhin annimmt, neben der Schiene die große Chance bieten, Güter von der Straße wegzubekommen und damit die Straße zu entlasten. Ich kann das nur unterstreichen. Wir werden diese Potentiale ausschöpfen müssen. Wir werden die Leistungsfähigkeit der Bundeswasserstraßen verbessern müssen. Hier werden natürlich auch - ob das beim Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17 oder an anderen Stellen ist; ich will hier auf Einzelheiten nicht eingehen - Baumaßnahmen notwendig sein; es werden Investitionen notwendig sein. Möglicherweise werden sie vor Ort dann umstritten sein. Es gibt ja auch in bezug auf die Verkehrsinvestitionen das Dilemma, daß sich zwar im Grundsatz meistens alle einig sind, daß aber dann, wenn es um den Einzelfall geht, wenn es darum geht, das Projekt vor Ort durchzusetzen, meistens die gleichen Leute, die dem Projekt im Grundsatz zugestimmt haben, vor Ort mit dabei sind, wenn es gegen die Investitionen geht. ({8}) Ich will auch eine Lanze für die staatlichen Stellen, die Institutionen und Institute brechen, die uns helfen, die Entscheidungen vorzubereiten. Es wird ja oft von Gegnern Mißtrauen geschürt. Ich selber hatte beispielsweise mehrfach Gelegenheit, mich bei der Bundesanstalt für Wasserbau vor Ort zu erkundigen. Ich kann nur sagen: Ich bin davon sehr angetan, mit welch hohem fachlichen und wissenschaftlichen Sachverstand dort mit einem Höchstmaß an Objektivität Entscheidungsgrundlagen erarbeitet werden. Wir alle zusammen werden dann die Entscheidungen auf der Grundlage dieser Vorarbeiten treffen müssen. Ich denke, es ist nicht angebracht, diesen Leuten und diesen Einrichtungen von vornherein mit Mißtrauen zu begegnen. ({9}) Ich möchte noch etwas zu den Entscheidungen des Hauptpersonalrates zu der Veräußerung der Eisenbahnerwohnungen sagen. Auch hier muß eine schlüssige Antwort gegeben werden. Hier wird auch der Finanzminister gefragt sein, und er muß sagen, wie er sich vorstellt, wie die Dinge weitergehen sollen. Ich möchte die Frage in den Raum stellen, ob auf der Schiene des Hauptpersonalrats und unter Mitwirkung einiger Leute in München, die gewisse Interessen mit Blick auf die Oberbürgermeisterwahl haben, versucht wird, das hinauszuschieben, damit vielleicht ein örtlicher Kandidat vor einem bestimmten Wahltermin nicht das Gesicht verliert. Ich unterstelle ausdrücklich nicht Ihnen, Herr Minister, daß Sie sich haben instrumentalisieren lassen. Denn ich weiß, wie Sie die Verhandlungen geführt haben. Ich unterstelle das ausdrücklich nicht Ihnen. Aber ich denke schon, daß hier andere Schienen gefahren worden sind. Hier muß eine klare Antwort gegeben werden. Ich könnte natürlich auch nach der Rolle der beamteten Staatssekretärin, der Frau Ferner, fragen. Ich will mir das ersparen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Kalb, Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich werde sofort zum Schluß kommen. Wir dürfen keine Politik betreiben, die immer zu Lasten des Autofahrers, zu Lasten der Menschen und der Autofahrer im ländlichen Raum geht. Ich nenne hier nur das Stichwort: Erhöhung der Mineralölsteuer im Zusammenhang mit der sogenannten Ökosteuer. Wir dürfen nicht unter Einsatz von Steuermitteln in unseren Städten und Gemeinden eine Politik betreiben, durch die sich der Autofahrer wegen der Umbauten, der Rückbauten und der Schikanen, die eingebaut werden, schikaniert fühlen muß. Auch diesem Treiben muß ein Ende bereitet werden. ({0}) Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bedanke mich - trotz aller unterschiedlichen Auffassungen - bei den Mitberichterstattern, aber auch bei Ihnen, Herr Minister, und bei den Mitarbeitern Ihres Ministeriums für die ansonsten sehr gute Zusammenarbeit. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Für die SPDFraktion spricht nun Kollege Gerhard Rübenkönig.

Gerhard Rübenkönig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002767, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesministerien Verkehr und Bau sind unter der neuen Regierung zu einem Ministerium zusammengefaßt worden. Das hat zur Folge, daß die beiden Haushalte - die Einzelpläne 12 und 25 - zu einem Einzelplan zusammengeführt sind. Damit hat dieser Haushalt zwei Zielen zu genügen; diese haben wir vom Minister, der sie in seiner Rede zur ersten Lesung genannt hat, und eben von dem Kollegen Kalb gehört. Diese Ziele - besonders das zweite - möchte ich hier bewußt wiederholen, weil Sie, Herr Kollege Kalb, das zweite Ziel vernachlässigt haben. Zum einen sollen die Städte weiterentwickelt werden, es sollen menschliche Wohnbedingungen in Deutschland geschaffen werden, und es soll nicht nur eine vernünftige, sondern - das betone ich besonders - auch eine zu realisierende Verkehrspolitik gemacht werden. Zum zweiten - das ist für mich auch ein wesentlicher Teil - trägt dieser Haushalt, der durch sein hohes Investitionsvolumen der größte Investitionshaushalt der Bundesrepublik und der umfangreichste Investitionshaushalt Europas ist, wesentlich zur Sicherstellung von Beschäftigung bei. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Rübenkönig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb?

Gerhard Rübenkönig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002767, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Rübenkönig, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß mir der Wohnungsbau nicht weniger wichtig ist als der Verkehr. Bei uns ist es aber so, daß der Kollege Pützhofen über diesen Bereich sprechen wird. Darum habe ich mich auf den Verkehrsbereich beschränkt. Danke schön.

Gerhard Rübenkönig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002767, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie haben mich vielleicht mißverstanden. Ich meine als zweiten Teil nicht den Bereich Wohnen, sondern die Beschäftigungspolitik, die von diesem Haushalt ausgeht. Das ist für mich einer der wesentlichsten Aspekte in diesem Haushalt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben diesen Zielen verspreche ich mir außerdem, daß durch die Zusammenlegung langfristig Synergieeffekte eintreten, die dann insbesondere durch die kombinierte Planung von Mobilität und Wohnen auch im administrativen Bereich dieses Einzelplanes finanziell wirksam werden. Gestatten Sie mir als Haushälter zunächst ein paar grundsätzliche Bemerkungen. Für uns war es wichtig, daß wir zunächst einmal für Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit gesorgt haben, indem die Schuldendiensthilfen von 5,9 Milliarden DM des Bundeseisenbahnvermögens vom Einzelplan 12 in den Einzelplan 32 zurückgeführt wurden. Denn durch die Waigelsche Haushaltsführung - das will ich an dieser Stelle ganz besonders deutlich machen -, durch die insbesondere im investiven Bereich Wunsch und Wirklichkeit verwechselt wurden, sind viele Begehrlichkeiten geweckt worden; das haben Sie, Herr Kollege Kalb, eben deutlich gemacht. Dadurch ist gerade hier eine sehr kritische Finanzsituation entstanden. Gerechnet wurde mit fiktiven Mehr- und Mindereinnahmen, die durch diesen Haushalt tatsächlich nicht gelöst werden können. Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich machen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition und der damaligen Bundesregierung, haben in den vergangenen Jahren im Verkehrsbereich 27 Projekte begonnen, die privat vorfinanziert wurden. Diese Projekte, die wir fortsetzen werden und wollen, führen über die Vorfinanzierung in den nächsten Jahren zu erheblichen Belastungen dieses Haushaltes; denn die Konsequenz lautet: Wir müssen heute enorme Geldsummen für Maßnahmen einsetzen, die bereits in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden. ({0}) Allein im Haushalt 2001 werden diese mit zirka einer halben Milliarde DM zu Buche schlagen. Wie unsolide die Verkehrspolitik finanziert war, wird auch an dem Bundesverkehrswegeplan, den Sie, Herr Kalb, auch angesprochen haben, deutlich. ({1}) Hier werden Maßnahmen und Projekte aufgeführt, die finanziell nicht abgesichert sind. Wir rechnen zur Zeit mit einer Unterdeckung von über 80 Milliarden DM. Das war Ihre Finanz- und Verkehrspolitik in der Vergangenheit. ({2}) Aus diesem Grunde bitte ich Sie, Herr Bundesminister Müntefering, um eine schnelle Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes, der dann nur noch solche Projekte und Maßnahmen enthält, die auch finanzierbar und machbar sind. Dies muß bald geschehen, Kolleginnen und Kollegen, damit auch die Betroffenen wissen, woran sie sind. Dies ist auch im Hinblick auf die Beschäftigung in unserem Lande wichtig; denn dieser Haushalt trägt auch dazu bei, daß Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden. ({3}) Als Haushälter der Koalitionsfraktionen haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, einen Konsolidierungsbeitrag zu erbringen und, wie Sie wissen, eine Einsparung von 0,5 Prozent zu leisten. Dies ist uns gelungen. ({4}) Ich lege aber Wert darauf, zu sagen, daß wir keine Einsparungen bei den Investitionen vorgenommen haben. Dafür stehen uns weiterhin zirka 20 Milliarden DM zur Verfügung. An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich mich bei den Mitberichterstattern, aber auch bei Ihnen, Herr Bundesminister, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die konstruktive und, wie ich glaube, auch zielorientierte Zusammenarbeit im Rahmen dieser Haushaltsplanberatung herzlich bedanken. ({5}) Der Schwerpunkt in diesem Haushalt liegt auf den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“, die entsprechend den jeweiligen Planungs- und Baufortschritten vorrangig finanziert werden. Darüber hinaus werden der Erhalt und der schrittweise Ausbau des Verkehrsnetzes in den alten Bundesländern konsequent fortgeführt. Für die neuen Bundesländer stehen in den drei großen Verkehrsinfrastrukturbereichen Schiene, Straße und Wasserstraße überproportional 49 Prozent der investiven Bundesmittel für den Aus- und Neubau zur Verfügung. Daß die Straße der Verkehrsträger Nummer eins und das Auto das Verkehrsmittel Nummer eins ist, wissen wir. In 1999 sind für die Bundesfernstraßen deshalb Gesamtausgaben in Höhe von 10,2 Milliarden DM vorgesehen. Die Investitionen belaufen sich dabei auf 8,4 Milliarden DM, wovon 3,9 Milliarden DM für die neuen Länder eingeplant sind. Im Bedarfsplan des Bundesfernstraßenhaushalts sind 4,8 Milliarden DM eingestellt. Davon entfallen auf die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ 2,4 Milliarden DM. Damit fließt die Hälfte der Mittel für die Bedarfsplanmaßnahmen in die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“, wodurch der Priorität dieser Projekte Rechnung getragen wird. ({6}) Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus ist die zeitgerechte Fertigstellung der Expo-relevanten Bundesfernstraßen A 2 und A 7 gewährleistet. Wir haben also insgesamt eine Bilanz, die sich trotz der sehr angespannten Haushaltslage durchaus sehen lassen kann. Daß Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Vorgängerregierung, jetzt einen Antrag einbringen, der die Bedarfsplanmaßnahmen insgesamt um eine halbe Milliarde DM erhöht - das hätten wir in der Opposition vielleicht auch gemacht -, zeigt die Verantwortungslosigkeit für die Bundesfinanzen insgesamt. ({7}) Wir können nicht mehr Geld ausgeben, als zur Verfügung steht. Hier denke ich daran, wie Ihnen der neue Bundesfinanzminister Hans Eichel den Spiegel vorgehalten und geschildert hat, wie Sie die Bundesfinanzen zerrüttet haben. Außer einer guten Verkehrspolitik ist es unser Ziel, zu erreichen, daß die Unfallzahlen in den alten Bundesländern weiter sinken. Für Aufklärungs- und Erziehungsmaßnahmen haben wir zusätzlich 4 Millionen DM einstellen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur das Auto und die Straße werden von uns gut bedient, auch die Schiene hat höchste Priorität. Deswegen werden wir alles daransetzen, eine europäische Eisenbahn zu bekommen, die Teil eines transeuropäischen Verkehrsnetzes ist. Um die Schiene auch weiterhin zu favorisieren, muß es uns endlich gelingen, den wachsenden Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. ({8}) Deshalb war es wichtig, im Haushalt Bundesmittel in Höhe von rund 6,7 Milliarden DM für Investitionen in die Schieneninfrastruktur einzusetzen. ({9}) Der langgehegte Wunsch der SPD-Fraktion, Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Verkehrslärm zu beschließen, konnte erstmalig in diesem Haushalt mit 100 Millionen DM umgesetzt werden. ({10}) Auch wenn Sie heute den Antrag stellen, die Mittel um 150 Millionen DM zu erhöhen, weiß ich genau, wie Sie früher zu diesem Thema gestanden haben. Deshalb können wir mit großem Stolz verzeichnen, daß wir das leisten. ({11}) Neben den gesamten verkehrspolitischen Maßnahmen haben wir auch eine Ausbildungsvariante eingebracht. Es ist uns einstimmig mit den Berichterstattern gelungen, 3 Millionen DM für die Ausbildung in der Binnenschiffahrt in den Haushalt einzustellen. Ich denke, auch das ist ein Beitrag für mehr Ausbildung in diesem Land. ({12}) Gestatten Sie mir noch einen Satz zum Transrapid. Hier stehen wir zu den Koalitionsvereinbarungen zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Die Ausgaben sind in diesem Haushalt veranschlagt. Ich will an dieser Stelle sagen: Ich bin voller Zuversicht, daß der Bundesminister Franz Müntefering das hinbekommt, was sein Vorgänger immer versprochen und nicht gehalten hat. Ich gehe davon aus, daß noch in diesem Jahr das entsprechende Eckpunktepapier, das wir dringend brauchen, auf die Schiene kommt. ({13}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluß folgendes feststellen: Dieser Haushalt ist von einer Verkehrspolitik geprägt, die zielgerichtet nach vorn schaut. Wir werden das, was gut angefangen wurde, weiterführen. Wir setzen aber mit diesem Haushalt auch neue Akzente in der Verkehrspolitik. Dieser Haushalt steht finanziell auf gesunden Füßen. Damit ist für die Zukunft die finanzielle Solidität und die Mobilität in unserem Lande gesichert. In diesem Sinne darf ich Sie bitten, dem Einzelplan 12 zuzustimmen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({14})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Horst Friedrich, F.D.P.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn wir mitten in den Haushaltsberatungen sind, müssen wir über den Ausbau, den Zustand und die Zukunft der Verkehrsinfrastruktur aller Verkehrsträger in Deutschland reden. Deswegen möchte ich ein paar grundlegende Überlegungen dazu anstellen. Nach Ansicht der Bundesgemeinschaft der Ingenieurkammern Deutschlands steht die Bundesverkehrswegeplanung vor dem Kollaps. Nach einer bisher unveröffentlichten Prognose des Verkehrsministeriums für die Jahre 1995 bis 2015 ergibt sich eine Zunahme des Personenverkehrs um rund 25 Prozent auf den Autobahnen und um 18 Prozent auf den Bundesstraßen. Der Güterverkehr wird sich im gleichen Zeitraum auf den Autobahnen im Osten um 78 Prozent und im Westen um 51 Prozent steigern. Der BGL mit seinem Hauptgeschäftsführer Karl Heinz Schmidt hat erklärt, die Eisenbahn wird uns vor dem Verkehrsinfarkt nicht, um nicht zu sagen niemals, retten. Auch der BGL verweist auf diese Zuwachsprognose und vor allem darauf, daß in diesen Zahlen die Dynamisierung, die sich aus der Globalisierung und der Öffnung nach Osten ergeben, noch gar nicht enthalten sind. Zeitgleich - das macht das Problem nicht einfacher - verfallen in den Bundesländern mehr und mehr Planfeststellungsbeschlüsse, weil sie nicht innerhalb der Fünfjahresfrist umgesetzt werden können. Allein in Baden-Württemberg verfallen im nächsten Jahr Anträge für 230 Millionen DM. (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist das Ergebnis der Spatenstichmentalität! Der Verkehrsminister erklärt - aus Sicht der F.D.P. richtigerweise - sachlich, daß er die Bestandssicherung des bestehenden Netzes stärker in den Vordergrund stellen will. Das ist richtig, wenn man weiß, daß zwei Drittel des Netzes der Fernstraßen in Deutschland älter als 20 Jahre sind. Dann muß das aber auch durch entsprechende Zahlen im Haushalt abgesichert sein. ({0}) Wie schaut es tatsächlich im Haushalt aus? Der Ansatz der alten Koalition, der angesichts der geschilderten Situation auch nicht üppig, aber immer noch höher als der jetzige war, wird nochmals um 500 Millionen DM reduziert. Die Haushaltsberatungen ergänzen diesen Prozeß negativ, und durch weitere Kostenverlagerungen - was die Last angeht - innerhalb des Haushaltes stehen für den Straßenbau rund 1 Milliarde DM weniger als bisher geplant zur Verfügung. ({1}) Damit geht die Schere aus der Belastung des Straßenverkehrs - rund 80 Milliarden DM - und den Ausgaben für den Straßenverkehr - bisher rund 30 Milliarden DM - noch weiter auf. Diese Tendenz wird durch die sogenannte Ökosteuer noch weiter verschlimmbessert, weil die zusätzlichen Pfennige aus der Mineralölsteuererhöhung zweckgebunden zur Finanzierung der Rentenbeitragssenkung verwendet werden - aber der Autofahrer muß es bezahlen! ({2}) Das Ganze steht im Kontext mit dem Ergebnis des Alpen-Transitabkommens mit der Schweiz. Die Umstellung der Lkw-Maut von einer zeitbezogenen auf eine streckenbezogene Gebühr, ohne gleichzeitig die KfzSteuer in Deutschland auf das im Hinblick auf Europa notwendige und mögliche Mindestmaß abzusenken, erhöht die Belastung des Verkehrsträgers Straße weiter. ({3}) Wenn es denn aber richtig ist, daß eine gut ausgebaute und gepflegte Verkehrsinfrastruktur für Wirtschaftsentwicklung, für Arbeitsplätze und für Wohlstand wesentlich und wichtig ist, dann, Herr Minister Müntefering, gibt Ihr Haushalt aus meiner Sicht die falschen Signale. Wie soll - vor allem in den neuen Bundesländern - ein Neubaubeginn denn noch erfolgen, wenn die Instandhaltung des Bestandsnetzes ausgeweitet wird und wenn - was hoffentlich unstrittig ist - die Priorität der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit beibehalten wird? Wo findet denn in Ihrem Haushaltsansatz noch ein Neubau in den alten Bundesländern statt? Wo bleibt die Planungssicherheit für die Behörden und - vor allen Dingen - für das Baugewerbe und die dortigen Arbeitsplätze? Wo bleibt die Antwort auf die ausbleibenden Privatisierungserlöse aus dem bisher gescheiterten Verkauf von Eisenbahnerwohnungen? ({4}) Offenbar hatten Sie mit 4,6 Milliarden DM Einnahmen gerechnet. Diese Lücken werden Sie entsprechend auffüllen müssen. Rotgrün als Totengräber für die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland? ({5}) Aus Sicht der F.D.P. dazu folgendes: Ein Verkehrsminister, der die wesentlichen Antworten auf die Infrastrukturproblematik schuldig bleibt, der den Straßenverkehr offensichtlich nur als willkommene Melkkuh ansieht, ohne gleichzeitig die Ausgaben für den Straßenbau entsprechend zu erhöhen, ({6}) der sich immer noch in die falsche Hoffnung flüchtet, die Güterverkehrsprobleme Deutschlands allein mit dem Verkehrsträger Schiene lösen zu können, ({7}) ohne auf die tatsächliche Entwicklung Rücksicht zu nehmen, und der glaubt, daß er auch ohne echte Privatfinanzierung mittelfristig überleben kann, der sollte darüber nachdenken, ob er seinem Regierungsauftrag tatsächlich gerecht werden kann. Die F.D.P. hält die Verkehrspolitik dieser Regierung auf jeden Fall vom Ansatz her für falsch. Sie setzt die falschen Signale für die jetzt notwendigen Antworten, und sie ist nicht geeignet, die Probleme, die die Verkehrsinfrastruktur Deutschlands aufweist, auch nur annähernd zu lösen. ({8}) Deshalb werden wir diesen Haushalt nicht mittragen. Herzlichen Dank. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Albert Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kalb, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, wie wichtig Investitionen sind und wie wünschenswert die Verstärkung von Investitionen gerade in dieser Zeit ist. Ich kann Ihnen ausdrücklich zustimmen. Es ist aber gerade die Leistung dieses Verkehrshaushaltes, daß es trotz einer reduzierten Neuverschuldung und trotz verordneter globaler Minderausgaben gelungen ist, die Investitionsmittel im Einzelplan 12 noch einmal zu steigern und eine Investitionsquote von über 53 Prozent zu erzielen. ({0}) - Ich kann Ihnen eines versichern, Kollege Oswald: Wir werden mit Sicherheit auch in der Zukunft manche Diskussion um die Verteilung dieser Investitionsmittel auf die verschiedenen Verkehrsträger in der Koalition haben. Da haben Sie ganz recht. Ich kann Ihnen aber auch versichern, daß wir die Höhe dieser Investitionen auch gegenüber künftigen Anstrengungen gemeinsam mit Klauen und Zähnen verteidigen. Denn das ist unmittelbar arbeitsplatzrelevant, und das müssen wir auch zukünftig garantieren. Haushaltssystematische Korrekturen wurden vom Kollegen Rübenkönig bereits angesprochen. Das Thema Bundesverkehrswegeplan, Herr Kalb, hat bei Ihnen eine Rolle gespielt. Sie haben gesagt, Sie verstünden gar nicht, weshalb der ganze Verkehrswegeplan noch einmal neu überarbeitet werden solle. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Generalrevision der Bundesverkehrswegeplanung ist keine rotgrüne Marotte, sondern der ausdrückliche Auftrag des Gesetzes. Der Plan ist seit 1992 in Kraft. Es besteht der Auftrag, alle fünf Jahre substantiell zu revidieren, nachzuschauen: Wie haben sich die Prognosedaten, der Verkehr, die Preise und Kosten entwickelt? Wie müssen also die Projekte neu bewertet und in eine neue Priorität gebracht werden? Das werden wir tun. Und das Leitmotiv wird eben nicht - wie in der Vergangenheit - sein, daß allen alles versprochen wird, daß überall Spatenstiche gemacht werden und nachher nichts oder ganz wenig eingehalten wird, sondern das Leitmotiv wird eine neue Ehrlichkeit sein. Wir werden nur das auflisten, was nachher auch wirklich solide finanzierbar ist. ({1}) Horst Friedrich ({2}) Damit komme ich - das Stichwort neue Ehrlichkeit leitet sehr gut dazu über - zu den Änderungs-, Ergänzungs- und Entschließungsanträgen, die uns von verschiedenen Fraktionen hier vorgelegt worden sind. Ich beginne beim Änderungsantrag der CDU/CSU zum Thema Lärmsanierung an bestehenden Schienensträngen. In der Tat, das ist ein Riesenproblem. Das hat in der letzten Legislaturperiode niemand immer wieder so deutlich gemacht wie die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Wir haben lange dafür gekämpft und darum gerungen, daß endlich begonnen wird, den gigantischen Bedarf, der in der Tat bei mehr als 4 Milliarden DM liegt, abzuarbeiten, um den Menschen, die entlang solcher lauten Bahnstrecken wohnen, endlich eine Erleichterung zu geben und um die Akzeptanz der umweltfreundlichen Schiene zu verbessern. Daß ausgerechnet diejenigen, die jahre- und jahrzehntelang nichts, keine Markfuffzig, dafür ausgegeben haben, jetzt, nachdem wir einen ersten bescheidenen Schritt tun, unqualifiziert höhere Beträge verlangen, - eine solche Position ist völlig unglaubwürdig. ({3}) Gleichzeitig wird in einem Entschließungsantrag der CDU/CSU verlangt, daß das Bundesministerium einen Bericht über den Stand dieses Sanierungsprogramms geben möge. Dazu kann ich nur sagen: Es ist eine schiere Selbstverständlichkeit, daß, nachdem diese Förderrichtlinie, die die Kriterien dafür liefern wird, welche Projekte in dieses Programm hineinkommen, vorliegen wird, der Bundestag in allen beteiligten Gremien darüber informiert wird; das muß man nicht beantragen. Aber einen Bericht darüber kann man halt erst geben, wenn das Programm abgewickelt ist, nicht aber im vorhinein, wenn es erst noch gemacht werden muß. Ich will auch zu dem Stichwort „Transrapid“ gern etwas sagen, nachdem dieses ja von anderer Seite schon angesprochen worden ist. Hier stehen wir, Herr Kollege Rübenkönig, genauso zu dem, was im Koalitionsvertrag steht, nämlich daß die Deckelung der Kosten im Sinne des Eckpunktepapiers vom April 1997 bei 6,1 Milliarden DM liegt. Es sind ja in den letzten Wochen verschiedene Zahlen und Meldungen durch die Presse gegeistert. Wenn sich bestätigen sollte, daß sich der Fahrwegpreis von 6,1 Milliarden DM nur dann halten ließe, wenn die Strecke über weite Teile einbahnig statt zweibahnig gebaut und die Taktfrequenz von 20 auf 30 Minuten erweitert würde, dann kann ich nur sagen: Ein gleicher Preis bei halbierter Leistung ist in Wahrheit ein doppelter Preis. Das Eckpunktepapier gilt natürlich in Gänze und nicht nur im Sinne einer einzigen Zahl. In diesem Sinne bin ich ganz zuversichtlich, daß wir hier eine sachgerechte und verantwortliche Entscheidung treffen werden, übrigens auch im Interesse der Deutschen Bahn AG, die ein unvertretbares Risiko nicht aufgebürdet bekommen darf. Es hat einen Brief des Bundesverfassungsgerichtes an den Präsidenten des Deutschen Bundestages gegeben, in dem ausdrücklich darum gebeten wurde, mitzuteilen, inwieweit denn das Parlament auf der Basis etwaiger neuer Datengrundlagen an einer sogenannten Anpassungsentscheidung, also einer erneuten Befindung über den tatsächlichen Bedarf, beteiligt werden wird, nachdem der Bedarf ja damals ein für allemal, ohne Revisionsklausel, beschlossen wurde. Hier wird es sicherlich darauf ankommen, daß eine entsprechende Antwort an das Bundesverfassungsgericht geht. Ich möchte für meine Fraktion sagen: Wir gehen selbstverständlich davon aus, daß zu gegebener Zeit, so es denn neue Daten gibt, das ganze Parlament von diesen Daten offiziell Kenntnis erhält und sich dann auch entsprechend dazu verhalten kann. ({4}) Die Fraktion der CDU/CSU hat aber nicht nur in Sachen Lärmsanierung draufgesattelt, sondern auch - in der Pose des billigen Jakobs: wer bietet mehr? - gefordert, den Titel für den Straßenbau um eine halbe Milliarde DM zu erhöhen. Diese Forderung stellen auch die Länder. Ich kann dazu nur eines sagen: Wer in dieser Größenordnung mehr Geld für den Straßenbau fordert, der soll bitte gleichzeitig sagen, welche Steuern dafür erhöht und welche Sozialleistungen dafür eingeschränkt werden sollen; denn nur die Erhöhung des Straßenbautitels zu fordern, ohne die Finanzierung mitzuliefern, ist übelste Oppositionsarbeit. Das haben wir in der vergangenen Legislaturperiode nie gemacht. ({5}) - Da muß sogar der Kollege Brunnhuber klatschen. Es gibt noch einen Show-Antrag der F.D.P. zu dem bedeutenden Thema Emssperrwerk. Dazu kann ich nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P.: Man spürt die Absicht und ist amüsiert. Es waren nicht die Grünen, sondern das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, das den Sofortvollzug des Planfeststellungsbeschlusses kassiert und einen Baustopp verhängt hat. Sie wissen auch, daß bei der Europäischen Kommission diverse Beschwerden unter anderem wegen Verstoßes gegen die FFH-Richtlinie eingegangen sind. Diese Dinge läßt man in einem Rechtsstaat getrost ihren Lauf nehmen. Ich möchte nicht vorgreifen, was dabei herauskommt. Nur, daß im Bundeshaushalt für den Fall, daß sich die ganze Planung doch noch als rechtens erweist, vorsorglich Mittel bereitgestellt werden, ist doch nicht zu kritisieren. Darüber sollten Sie sich freuen. Deshalb sollten Sie bei Ihrem lächerlichen Antrag auf namentliche Abstimmung verzichten. Wir werden selbstverständlich auch diesen Titel des Haushaltes mittragen. Die einzige, die Sie mit Ihrem Antrag ärgern wollen, ist die verehrte Kollegin Gila Altmann. Sie werden sie aber nicht ärgern können, weil sie an dieser Abstimmung wegen Krankheit nicht teilnehmen kann. Ich wünsche ihr von hier aus gute Besserung. ({6}) Wenn wir uns künftig auf Ihr Niveau begeben, nämlich daß wir über jeden einzelnen Titel des Haushaltes namentlich abstimmen, dann werden wir Weihnachten Albert Schmidt ({7}) noch hier sitzen. Bitte erlösen Sie uns von solchen Spielchen. Kehren Sie zu einer grundsätzlichen und sachlichen Auseinandersetzung zurück. Zu einer solchen sind wir jederzeit bereit. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Winfried Wolf, PDS-Fraktion.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Obwohl die Ressorts Bauen, Wohnen und Verkehr recht verschieden sind, versuche ich mich in einer übergreifenden Bilanzierung. Dies tue ich unter drei Überschriften: erstens grundsätzliche Ausrichtung; zweitens Beitrag zur Beschäftigungssituation und drittens Großprojekte oder bürgernahe Ausgabenpolitik. Zum ersten Aspekt, zur Generallinie des gesamten Einzelplans. Es war zu erwarten: Wenn SPD und Bündnisgrüne regieren würden, dann müßte in der Wohnungs- und Städtebaupolitik die soziale Komponente gestärkt und Urbanität ins Zentrum gerückt werden. Gleichzeitig, so die Erwartungen, würden in der Verkehrspolitik der ökologische Aspekt in den Mittelpunkt gestellt und die Autozentriertheit abgebaut werden. Diesen Erwartungen wird mit dem Einzelplan 12 in keiner Weise entsprochen. Bereits der Posten „Die soziale Stadt“, der im Einzelplan mit 5 Millionen DM Gesamtvolumen ausgewiesen ist, ist eher peinlich. Das Attribut „sozial“ ist deutlich unterfinanziert. Sodann wird von Ihnen, Herr Müntefering, die Politik der Privatisierung bundeseigener Wohnungen fortgesetzt, entgegen den SPD-Wahlversprechen. Gestern hat im Fall der Privatisierung Tausender Bahnwohnungen sogar der Personalrat den Plänen Ihres Hauses widersprochen. Diese seien unsozial und mieterfeindlich. Herr Kalb, ich muß schon sagen: Wer hat das denn alles eingefädelt? Bereits Herr Wissmann wollte dies. Jetzt wird es eben durchgezogen. Noch wichtiger und Millionen betreffend: Kein Wohngeldempfänger erhält in diesem Jahr mehr Wohngeld. Eine Erhöhung des Wohngelds war auch ein konkretes Wahlversprechen der SPD. Wir greifen es mit unserem Antrag auf. Nicht anders fällt die Bilanz im Verkehrsbereich aus. Die Umweltexperten des BUND haben im März dieses Jahres die letzten Verkehrsetats miteinander verglichen. Sie ziehen eine vernichtende Bilanz. Im Etat von 1999, so der BUND, setzte sich die überzogene Förderung der Straße bei gleichzeitig völlig unzureichenden Investitionen in die Schiene fort. Selbst Straßenbauprojekte, bei denen SPD-Vertreter vor der Wahl ausdrücklich erklärt hatten, daß sie unter Rotgrün gestoppt würden, werden fortgesetzt. Ich nenne nur das Stichwort „Schweinfurt, A 71“. Bei der dortigen SPDBasis können sich Vertreter des Bundesverkehrsministeriums kaum sehen lassen. Auch die ökologisch besonders zerstörerische und allen Wirtschaftslichkeitskriterien hohnsprechende Autobahn Dresden - Prag soll gebaut werden. Die Menschen lebten in DDR-Zeiten zwar wegen fehlenden West-Fernsehempfangs im „Tal der Ahnungslosen“. Daß nun jedoch in ihrer wunderschönen und touristisch wertvollen Sächsischen Schweiz eine „Bahn der Ahnungslosen“ gebaut werden soll, haben sie nicht verdient. Übrigens, Herr Minister, eine unserer wichtigsten Forderungen könnten Sie mißverstanden haben, die nach Verkehrsvermeidung. Gemeint war damit nicht, den Senioren mit einer gesetzlich festgelegten Altersgrenze für Führerscheinbesitz die Fahrerlaubnis wegzunehmen. Gemeint war nicht eine geriatrisch bedingte Verkehrsvermeidung. Gemeint ist vielmehr eine Städte- und Raumplanung, mit welcher die künstlich verlängerten Wege wieder verkürzt und Autofahrten überflüssig gemacht werden. Ich denke an grüne und soziale Städte mit Erholungswert und an kurze Einkaufs- und Verwaltungswege. Das führt dann zum massenhaften freiwilligen Verzicht auf das heilig's Blechle. Sehen Sie sich doch die Städte Groningen, Delft, Amsterdam, Zürich und in Ansätzen auch Münster, Freiburg und Templin an. Dort gibt es eine erheblich andere Zusammensetzung der Verkehrsaufteilung, eine wesentlich ökologischere und wesentlich stadtverträglichere. Übrigens, auf einen Beitrag kommt Rotgrün erst gar nicht, nämlich auf die Verwirklichung all der eigenen Parteitagsbeschlüsse nach einem allgemeinen Tempolimit. Damit würden Milliardensummen im Straßenbau und an Unfallkosten gespart. Doch auch hier bleibt es bei Kotau und Kontinuität und bei der nach oben offenen Raserskala. Die PDS stellt inzwischen als einzige Fraktion in diesem Parlament einen solchen Antrag. Zweite Bilanzzwischenüberschrift: Arbeitsplätze. Erklärtes Ziel der Regierung Schröder ist es, die Massenarbeitslosigkeit abzubauen. Im Bau- und Verkehrsetat - der erste Redner hat das stark betont - als demjenigen mit dem größten Investitionseffekt könnte dies verdeutlicht werden. Auch in diesem Bereich ist eher das Gegenteil der Fall. Die Städtebauförderung in den neuen Ländern wird reduziert und das Modernisierungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau wird nicht in bisheriger Höhe fortgesetzt. Es gibt die allgemeine Sperrung von 10 Prozent aller Verpflichtungsermächtigungen, was sich - Herr Kansy hat darauf hingewiesen - gerade im Bau- und Verkehrsetat massiv negativ auswirken muß. All das wird und muß Arbeitsplätze kosten. Bei der Bahn wird der Belegschaftsabbau mit jährlich 15 000 bis 18 000 Jobs fortgesetzt. Daran hat der Bund als Alleinaktionär der Bahn und mit seiner verfehlten Schienenwegepolitik erheblichen Anteil. Dem Kahlschlag an der Basis steht eine verfehlt gönnerhafte Beschäftigungspolitik an der Spitze gegenüber. Nach Heinz Dürr steht mit Dieter Vogel ein Ex-Thyssen-Manager und Investmentbanker an der Spitze des Bahn-Aufsichtsrats. Ich zitiere dazu nur die „Süddeutsche Zeitung“, die nach Vogels Berufung kühl schrieb: Albert Schmidt ({0}) Der Verdacht, Vogel habe - im Rahmen der Abwicklung des ehemaligen DDRAußenhandelskombinats Metallurgiehandel den Bund um viel Geld geprellt, konnte nie hinreichend bewiesen werden, und so wurde das Verfahren - gegen Vogel und elf weitere Thyssen-Manager eingestellt. Thyssen zahlte allerdings für das NichtUrteil zehn Millionen DM - auch ein Urteil. Dritte Bilanzüberschrift: Großprojekte. Auch hier erkennen wir nicht den erforderlichen Bruch. Sie, Herr Müntefering, wollen mit einer Wasserstraßenpolitik weitermachen, bei welcher sich die Gewässer neuen Mammutschiffen anpassen müssen - nicht umgekehrt. Ein vor Ort breit geforderter Stopp für das Wasserstraßenprojekt 17 oder Teile desselben könnte Hunderte Millionen Mark an Einsparungen bringen und anderswo weit mehr neue Jobs schaffen. Sie, Herr Müntefering, halten weiter am Transrapid fest. Allein mit der von uns geforderten Streichung der Mittel für den Transrapid im Etat 1999 könnten eine viertel Milliarde DM und in den weiteren Jahren bis zu 10 Milliarden DM gespart werden. Sie halten damit zumindest in Mark und Pfennig am Transrapid fest, obgleich sich gerade in diesen Tagen, wie schon vorher gesagt worden ist, alle Berechnungen für die Wirtschaftlichkeit dieser Magnetbahn als Zahlensalat erweisen. Jetzt heißt es, das Ding solle als „Transrapid light“ eingleisig fahren, weniger Fahrgäste und zum Ausgleich höhere Tarife haben. Für einen richtigen Bahnhof in Berlin fehlt das Geld, also werde es, so wörtlich, am Lehrter Bahnhof einen „angeflanschten Magnet-Bahnhof“ geben. Ich finde, diese Bahn weist zunehmend ins Transzendentale und Pathologische; auf sie scheint folgender Kinderschüttelreim wie gemünzt: Dunkel war's, der Mond schien helle, Schnee bedeckt die grüne Spur, Als ein Wagen blitzeschnelle langsam um die runde Ecke fuhr. Übrigens habe ich festgestellt, daß dieser Spruch in Ost und West bekannt ist. Vielleicht könnte er auch ins Chinesische übersetzt werden, wenn zwischen Hamburg und Berlin nichts laufen sollte und Herr Schröder demnächst nach China reist, um dort den Transrapid - übrigens, erneut mit Steuermilliarden - zu verschenken. Herr Müntefering, ich nehme bedauernd zur Kenntnis, daß Sie unsere Feststellung einer Kontinuität von Krause und Wissmann zu Müntefering nicht als Vorwurf oder wenigstens als Zumutung empfinden. Wir bleiben dabei: In diesem Einzelplan finden wir nicht die vom Wählerwillen gewünschte Wende. Dieser Teiletat ist zu wenig sozial, zu wenig ökologisch. Wir lehnen ihn ab. Danke schön. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dieter Pützhofen, CDU/CSU-Fraktion.

Dieter Pützhofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001759, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Bauetat im Einzelplan 12 läßt sich das Verfallsdatum sozialdemokratischer Versprechen feststellen. ({0}) Die wohnungs- und städtebauliche Bilanz von Rotgrün nach gut einem halben Regierungsjahr läuft auf eine Rücknahme aller Versprechungen, Zusagen und Forderungen der SPD aus der Zeit von vor der Bundestagswahl hinaus. Teilweise ist man dabei, die Koalitionsvereinbarungen wieder auszuhebeln. ({1}) Versprochen war eine Stärkung der Städtebauförderung. Tatsache ist: Es gibt nicht nur keine Verstärkung der Städtebauförderung, sondern eher eine Schwächung durch Haushaltssperren und durch mit den Ländern verspätet abgeschlossene Verwaltungsvereinbarungen. Versprochen war eine Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus, im Neubau- wie im Bestandsbereich. Tatsache ist: Die Koalition führt die Bundesförderung noch weit hinter die Ansätze der Haushaltsplanungen der Kohl-Regierung für 1999 zurück. ({2}) Versprochen war eine Wohngeldreform bis zur Sommerpause. Tatsache ist, daß 1999 für Wohngeld weniger als im Waigel-Entwurf vorgesehen ausgegeben wird. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren ist überhaupt noch nicht in Gang gekommen. ({3}) Die Koalition kann selbst ihre Versprechungen vom Jahresanfang, Kollege Schütz, wenigstens in diesem Jahr noch eine Wohngeldanpassung vorzunehmen, nicht mehr einhalten. Versprochen war, die Eigenheimförderung nicht anzutasten. Tatsache ist: Gerade der Bestandserwerb wird durch die Anfang dieses Jahres in Kraft getretene Streichung des Vorkostenabzuges nachhaltig geschwächt. Die SPD will dem ideologischen Anliegen der Grünen und der PDS beitreten, das auf Abbau der Eigenheimförderung hinausläuft. Das, meine Damen und Herren, ist älteste Ballonmützenpolitik: möglichst kein Eigentum, möglichst kein eigenes Häuschen! ({4}) Versprochen war, die Eisenbahnerwohnungen nicht zu verscherbeln. Das war versprochen. ({5}) - Sie hatten es versprochen, ich rede doch nicht über uns, sondern über Sie. - Sie haben versprochen, die Eisenbahnerwohnungen nicht zu veräußern. - Tatsache ist: Seit Mitte März sind Sie dabei, das Tafelsilber zu verscherbeln. ({6}) Versprochen war, die gesetzliche Begrenzung der Mieterhöhungsspielräume für ältere Mietwohnungen auf 20 Prozent, die Ende August 1998 ausgelaufen war, sofort wieder einzuführen. Tatsache ist, heute rät sogar Ihre Fraktion dem Bundesrat davon ab, eine entsprechende Gesetzesinitiative durchzuführen. ({7}) Meine Damen und Herren, zu dieser Bilanz gehört, daß es der rotgrünen Regierung mit ihrem Kurs der Immobilienbesteuerung und der Wohnkostenbelastung in kurzer Zeit gelungen ist, eine Wende auf den Wohnungsmärkten herbeizuführen. Ich gehe heute mit jedem eine Wette ein, daß 1998 das letzte Jahr war, in dem wie in den vorherigen Jahren der Kohl-Regierung über 500 000 Wohnungen erstellt wurden. ({8}) - Die Wette ist heute schon gewonnen. Der Deutsche Mieterbund - und nicht wir - befürchtet steigende Mieten, Erhöhung der Wohnkosten pro Haushalt und auf Grund des Ökosteuergesetzes eine neue Wohnungsnot. Die kommunalen Spitzenverbände erklären, daß sie diese Koalition nicht aus ihren Versprechungen entlassen wollen und kritisieren, daß bislang nichts passiert ist. Bei den Bausparkassen stößt die Politik dieser Regierung auf heftigsten Widerstand. Die Bauwirtschaft fürchtet zu Recht, daß der gutlaufende Eigenheimbau, die zur Zeit wichtigste Stütze der Bauwirtschaft, auch noch wegbricht. Sagen Sie uns doch einmal, für wen - nicht gegen wen - Sie eigentlich in diesem Staat noch Wohnungspolitik und Städtebaupolitik machen. ({9}) Beim Deutschen Mieterbund erleben wir zur Zeit eine bemerkenswert schizophrene Situation. Ich weiß nicht, wie ich es anders umschreiben soll, was der Präsidentin des Deutschen Mieterbundes bzw. der SPDBundestagsabgeordneten Anke Fuchs derzeit abverlangt wird. Als Präsidentin - so lese ich in der „Welt“ vom 19. April - geht sie mit der Bundesregierung ins Gericht. ({10}) Beispielhaft ist da von der Enttäuschung über den Bauetat, das Ausbleiben notwendiger Gelder für die Wohngeldnovelle usw. die Rede. Das ist dieselbe Frau Fuchs, die in dieser Woche den Etat mit beschließen wird. ({11}) Dann spricht sie von den dramatischen Auswirkungen des Steuerentlastungsgesetzes auf den Mietwohnungsbau. Das ist dasselbe Steuerentlastungsgesetz, das Frau Fuchs im Bundestag mit beschlossen hat. ({12}) Dann spricht sie von der Explosion der zweiten Miete durch das Ökosteuergesetz. Das ist das Ökosteuergesetz, dem Frau Fuchs zugestimmt hat. ({13}) An anderer Stelle spricht sie vom Ausverkauf von Bundeswohnungen, dem die SPD im März zugestimmt hat und den sie nach wie vor betreiben will. Meine Damen und Herren, das ist nicht schizophren, so etwas ist Schmierentheater. ({14}) - Der Mieterbund wird das nicht abdrucken, lieber Edi. Es geht mir dabei auch weniger um Frau Fuchs. Sie muß selbst wissen, was sie unter Glaubwürdigkeit und unter Politikverdrossenheit versteht. Es geht mir vielmehr um die Gefahr, daß eine für jeden zweiten Deutschen wichtige und ernstzunehmende Interessenvertretung wie der Deutsche Mieterbund den Respekt leichtfertig aufs Spiel setzt, denn diese Interessenvertretung will doch auch weiterhin im Dialog mit den Organisationen und den Verbänden bleiben, will doch weiterhin Gesprächspartner für den Deutschen Bundestag sein. Wie will der Mieterbund von unserer Fraktion oder irgendeiner Fraktion in diesem Bundestag noch ernst genommen werden, wenn dieses Schmierentheater widerspruchslos bleibt? ({15}) Ein Beispiel dafür: Als die alte Bundesregierung ihren Haushaltsentwurf für das Jahr 1998 vorlegte und darin Bundesfinanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau in Höhe von 1,34 Milliarden DM vorsah, läuteten beim Mieterbund die Alarmglocken. In der „Mieter-Zeitung“, in der diese Rede nicht erscheinen wird, war damals vom „Ende der sozialen Wohnungspolitik in Deutschland“ die Rede, von „Skandal“ und von „Gesetzesbruch“, wohlgemerkt bei einem Etat von 1,34 Milliarden DM. Was sagt der Mieterbund heute bei einer Reduzierung dieses Ansatzes auf 1,1 Milliarden DM bzw., wenn wir die Haushaltssperren berücksichtigen, auf 1,0 Milliarden DM? Er nennt das, was da stattfindet, „ernüchternd“, meine Damen und Herren. Zur Städtebauförderung: Es hat in den letzten Wahlperioden keine Haushaltsdiskussion gegeben, bei der die SPD nicht massive Forderungen in der Städtebauförderung gestellt hat. ({16}) - Frau Kollegin, Sie erinnern sich an diese Sätze. Herr Kollege Niese hat bei der Debatte zum Haushalt 1998 folgendes wörtlich erklärt: In jeder Rede der letzten Jahre zum Einzelplan 25 versuchen wir Ihnen - also uns deutlich zu machen, wie wichtig die Städtebauförderung für die Beschäftigung, den Erhalt unserer Innenstädte und die Wiedernutzbarmachung von Industriebrachen ist - aber vergeblich. Der erneut viel zu niedrige Ansatz dokumentiert, daß nicht rationales, ökonomisches Handeln die Politik des Bundesbauministers bestimmt, sondern ein kurzsichtiger und in diesem Zusammenhang sogar verfehlter Sparzwang, der dem Ziel einer Haushaltskonsolidierung zuwider läuft. Das waren die Ausführungen des Herrn Kollegen Niese zur Debatte über den Haushalt 1998. Anschließend hat er Erhöhungen um 380 Millionen DM für die alten Bundesländer gefordert. Damit er das in diesem Jahr nicht wiederholen kann, hat ihn seine eigene Fraktion bei der Diskussion über den Bauetat vorsichtshalber aus dem Verkehr gezogen. ({17}) Andere mit ähnlichen aufgeblasenen Formulierungen sind dagegen immer noch in Amt und Würden, wie zum Beispiel der Parlamentarische Staatssekretär Großmann, der zur 98er Städtebauförderung erklärte: Wir entlarven Sie bei der Städtebauförderung, wir Sozialdemokraten sehen erheblichen Korrekturbedarf, finanzpolitisch ist das alles nicht vertretbar. Das ist Originalton Großmann. Heute wissen wir: Ob Niese oder Großmann, ob Fuchs oder Mertens - alles nur leeres Gerede, alles nur aufgeblasenes Lamentieren. ({18}) Der Wahrheitsgehalt sozialdemokratischer Aussagen ist gleich Null. Wer in die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zum Kapitel 1225 schaut, der wird feststellen, daß die Städtebauförderungsmittel nicht um eine einzige Mark erhöht worden sind. Statt dessen gibt es noch eine zehnprozentige Sperrung des Verpflichtungsrahmens, und das nannte Kollege Rübenkönig soeben Beschäftigungsförderung. Auf welch tönernen Füßen die Behauptung der Bonner Koalition steht, man werde über den Etat 1999 die Voraussetzung für Investitionen schaffen, demonstriert das Laienspiel um die sogenannte „soziale Stadt“. Weil sich nicht nur die Opposition, sondern selbst die Haushaltspolitiker der Koalition die Arroganz der Regierung nicht gefallen lassen wollten, erst das Geld zu bewilligen und anschließend zu erfahren, wofür man es denn verwenden will, sperrte der Haushaltsausschuß kurzerhand die Ausgaben für 1999 und die Verpflichtungsermächtigungen. Der Bauetat ist ein exemplarisches Beispiel für den Nullwert sozialdemokratischer Versprechungen. Diese miserable Bilanz und der Mißerfolg haben verständlicherweise dazu geführt, daß Herr Minister Müntefering zunehmend aus wohnungs- und städtebaulichen Auseinandersetzungen wegtaucht. Im Fachausschuß - so hat mir der Kollege Dr. Kansy versichert - sind inzwischen elementare Diskussionen, wie die zum Steuerentlastungsgesetz, zum Bundeshaushalt und zur Wohngeldnovelle, ohne Minister und sachzuständige Staatssekretäre geführt worden. Leitende Fachbeamte müssen im Ministerium bleiben oder den Mund halten. ({19}) Herr Präsident, eine letzte Bemerkung. Wegtauchen, Herr Minister, nennt man in der Psychoanalyse Verdrängen. Sigmund Freud hat gesagt: ({20}) Verdrängen hemmt die positiven Kräfte, trübt die Erkenntnis, verunreinigt das Gefühl, führt zu Angsterscheinungen und hysterischen Symptomen und letztlich zu Neurosen. - Davor möchten wir Sie bewahren. Herr Minister, stellen Sie sich den Problemen des Bauetats! ({21})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Anke Fuchs.

Anke Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Pützhofen, ich bitte um Entschuldigung, daß ich erst jetzt an dieser Debatte teilnehmen kann. Auf einem Kongreß des Gesamtverbandes der deutschen Wohnungswirtschaft in Berlin mußte und durfte ich für den Deutschen Mieterbund sprechen. Ich will wiederholen, was ich dort gesagt habe. Natürlich stimme ich dem Haushalt zu; denn ich freue mich, daß die jetzige Bundesregierung die richtige Richtung einschlägt. Wenn wir von Ihnen nicht so eine große Erblast übernommen hätten, ({0}) könnten wir manche Dinge leichter gestalten. ({1}) Jetzt wird der erste Schritt getan. Ich muß als Präsidentin des Deutschen Mieterbundes keine Sorgen mehr haben, daß das soziale Mietrecht zu Lasten der Mieterinnen und Mieter verschlechtert wird. Hier ist ein Stück soziale Gerechtigkeit erreicht worden. Ich freue mich auch, daß in den vorliegenden Vorschlägen von Herrn Müntefering hinsichtlich des Themas, das heute auch in Berlin eine Rolle spielte, „Soziale Stadt - Wie verhindern wir, daß Wohnquartiere abrutschen? Wie können wir Urbanität erhalten?“, die richtige Richtung eingeschlagen wird. Ich stimme Ihnen zu, daß die finanzielle Unterfütterung nicht so ist, wie ich sie mir wünsche. Deswegen wiederhole ich: Die Erblast ist so groß, daß größere Spielräume in diesem ersten Schritt nicht möglich sind. ({2}) Diese Bundesregierung fängt ja erst mit ihrer Arbeit an. Wir werden weitere Schritte mit ihr zusammen gehen. Stichwort Wohngeld: Darüber wird offensichtlich noch verhandelt. Ich erwarte von dieser Bundesregierung - das weiß auch mein Kollege Müntefering -, daß das Wohngeld angepaßt wird. Es muß seine soziale Schutzfunktion wieder wahrnehmen können. Wenn auch das auf Grund Ihrer Erblast nicht in einem Schritt geregelt werden kann, dann machen wir eben mehrere Schritte. Hauptsache, es geht voran und die Richtung stimmt. Ein letzter Punkt. Viele meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen stimmen mir zu, daß es falsch ist, die Eisenbahnerwohnungen zu verkaufen. In diesem Punkt sind wir anderer Auffassung als Herr Müntefering. Ich habe gelesen, daß der Personalrat dem Verkauf nicht zugestimmt hat. Wir stehen hier in erfolgversprechenden Verhandlungen. Damit Sie mich hier richtig verstehen, sage ich, daß ich mit meiner Funktion als Präsidentin des Deutschen Mieterbundes und meiner Abgeordnetentätigkeit insofern keine Probleme sehe, ({3}) weil die Richtung stimmt. Herr Müntefering weiß, daß ich bei den Forderungen, die ich aus guten Gründen vortrage, nicht einknicke, sondern sehr genau abwäge, welche Position ich vertrete. Ich will, daß diese Regierung Erfolg hat. Deswegen stimme ich dem Haushalt zu. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Pützhofen, Sie haben das Wort.

Dieter Pützhofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001759, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Fuchs, es verstärkt sich bei den Mitgliedern des Bundestages der Eindruck, daß Sie mit gespaltener Zunge reden. ({0}) Ich zitiere doch nur das, was Sie sagen. Ich zitiere aus einem Artikel in der „Welt“ vom 19. April 1999, daß Sie „mit der Bundesregierung ins Gericht“ gehen. Ich zitiere weiterhin: Enttäuschung über den Bauetat. Ich zitiere: Ausbleiben notwendiger Gelder für die Wohngeldnovelle. Ich zitiere: dramatische Auswirkungen des Steuerentlastungsgesetzes. ({1}) Ich zitiere: Explosion der zweiten Miete durch das Ökosteuergesetz. Ich zitiere: kein Ausverkauf von Bundeswohnungen. Frau Kollegin Fuchs, ich habe nicht mehr getan, als Sie persönlich zu zitieren. Sie blasen hier einen Ballon auf, aber draußen stellen Sie den Sachverhalt ganz anders dar. Wenn Sie draußen, vor den Türen des Bundestages, reden, klingt das ganz anders, als wenn Sie hier sprechen. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dietmar Schütz, SPD-Fraktion.

Dietmar Schütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002093, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr einfach, werter Herr Kollege Pützhofen, völlig zu vergessen, daß man aus der Regierung kommt, zu ignorieren, was man selbst alles hätte machen können und welche Finanzen Sie uns überlassen haben, und dann zu sagen, wir sollten nun auf einmal alle Träume, die Sie gehabt haben, erfüllen. Das ist ein schönes Rollenspiel, aber so geht das nicht. (Norbert Otto [Erfurt] [CDU/CSU]: Ihr habt es doch versprochen!] Wir müssen mit der Finanzlage, die Sie uns hinterlassen haben, klarkommen. ({0}) Im Baubereich haben wir einen Haushalt vorgelegt, der sich sehen lassen kann. Trotz aller Einsparverpflichtungen ist es kein Haushalt unter der Knute blinder Spardisziplin. Vielmehr haben wir die volle Handlungsfähigkeit des Hauses erhalten und gesichert, und wir eröffnen Perspektiven für die Zukunft. Trotz der schwierigen Haushaltslage, die Sie uns überlassen haben, können sich die von uns beschlossenen Eckdaten sehen lassen. Ich will noch einmal darauf hinweisen - mein Kollege Gerhard Rübenkönig hat das vorhin schon gesagt -: Der Bau- und Verkehrsminister hat immer noch den mit Abstand größten Investitionshaushalt: ({1}) Die Investitionen in Höhe von 25,7 Milliarden DM entsprechen 53 Prozent der Ausgaben; es sind 400 Millionen DM mehr als im Vorjahr. Wir müssen uns also klarmachen, worüber wir eigentlich reden: Es ist ein Bauinvestitionshaushalt, der sich sehen lassen kann. ({2}) Wir investieren nachhaltig in den Erhalt und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur und initiieren dadurch wertvolle unmittelbare und mittelbare Beschäftigungsimpulse in Bauindustrie und Bauhandwerk. Damit trägt unser Haushalt nach wie vor in besonderem Maße zu den Bemühungen unserer Bundesregierung im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit bei. Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß die investiven Ausgaben gerade auch den neuen Bundesländern zugute kommen. In den Bereichen sozialer Wohnungsbau und Städtebau sind zu mehr als 59 Prozent Mittel für die neuen Bundesländer vorgesehen. Auch bei den KfW-Mitteln, die wir um stattliche 5 Milliarden DM auf jetzt 75 Milliarden DM aufgestockt haben, geht der Löwenanteil in die neuen Länder. Wir Anke Fuchs ({3}) tragen damit dem weiterhin großen Nachholbedarf beim Wohnungsbau und bei der Städtesanierung Rechnung. ({4}) Zugleich setzen wir erste baupolitische Akzente, indem wir - Herr Pützhofen hat das schon angesprochen ein komplett neues Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt“ auflegen. Dazu werde ich später noch etwas sagen. Die Ausgabenschwerpunkte unseres Haushaltes liegen immer noch eindeutig im Bereich Wohnungswesen und Städtebau. Ich betone noch einmal nachdrücklich: Menschenwürdiges und bezahlbares Wohnen ist ein hohes Gut, das wir mit besonderem Blick auf die Familien schützen müssen. ({5}) Den sozialen Wohnungsbau fördern wir mit einem Verpflichtungsrahmen von 1,1 Milliarden DM. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist insgesamt erfreulicherweise entspannter als noch vor einigen Jahren. Auf Grund der Tatsache, daß es derzeit keinen dringenden flächendekkenden Bedarf beim sozialen Wohnungsbau gibt, werden wir die Mittel auf bestimmte regionale sowie soziale Bedarfsschwerpunkte ausrichten. Hierzu gehören insbesondere junge Familien in städtischen Ballungsgebieten sowie die Modernisierung und Instandsetzung von Wohnungsbeständen in den neuen Ländern. Bei der Städtebauförderung erhalten wir den Verpflichtungsrahmen von 600 Millionen DM aufrecht. Mit 500 Millionen DM liegt der Aufgabenschwerpunkt wieder eindeutig in den neuen Ländern, in denen nach wie vor ein außerordentlich hoher Erhaltungs- und Erneuerungsbedarf besteht. ({6}) Ich möchte an dieser Stelle die Bedeutung der Städtebauförderung als Motor für Investition und Beschäftigung nachdrücklich betonen: Nach einer Studie des DIW lösen wir mit jeder DM Städtebauförderung öffentliches und privates Bauvolumen in Höhe von 8 DM aus. Das bedeutet, daß wir 1999 mit den zur Verfügung stehenden Bundesmitteln bauwirksame Investitionen in einer Größenordnung von rund 5 Milliarden DM auslösen. Mit dem Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt“ haben wir einen neuen Förderrahmen für Stadtteile mit besonderen sozialen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Problemen geschaffen, um innovative und nachhaltige Stadtteilentwicklungen zu unterstützen. Wir wollen damit die unterschiedlichen stadtentwicklungsrelevanten Faktoren zusammenführen: Verbesserung der Wohnverhältnisse und der sozialen Infrastruktur, bedarfsgerechte Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, öffentliche Sicherheit, Umweltschutz und Nahverkehr. Für dieses neue Programm haben wir einen Verpflichtungsrahmen in Höhe von 100 Millionen DM eingestellt. Zusammen mit den Komplementärmitteln der Länder werden wir mehrere hundert Millionen DM mobilisieren und gezielt für infrastrukturelle Verbesserungen investieren können. ({7}) - Da darf man richtig Beifall klatschen; denn das ist ein vernünftiges Programm. ({8}) Damit stärken wir die Attraktivität und Lebensfähigkeit in städtischen Problembereichen und schaffen wertvolle Beschäftigungsimpulse vor Ort. Wir haben auf Wunsch von Herrn Pützhofen dem Vorschlag der CDU zugestimmt, die erste Tranche für dieses Programm mit einer qualifizierten Sperre zu versehen, weil wir die ersten Ergebnisse dieser neuen Förderstruktur im Haushaltsausschuß sehen und bewerten wollen. Dies richtet sich nicht gegen das Haus. Es soll uns vielmehr helfen, noch zielgenauer zu fördern. Wir wollen damit auch der Opposition helfen, dieses Programm anzunehmen und zu unterstützen, lieber Herr Kollege Pützhofen. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben 4,02 Milliarden DM für das Wohngeld eingestellt. Dies entspricht der realistischerweise zu erwartenden Ausgabenentwicklung im laufenden Jahr und hat zunächst keine Aussagekraft hinsichtlich einer dringend erforderlichen Wohngeldnovelle. Über die Notwendigkeit einer solchen Novelle brauchen wir keine Belehrungen; wir wissen das genauso gut wie Sie. Seit 1990 reden wir darüber und fordern wir dies. Jahrelang haben Sie in der damaligen Regierung immer wieder eine solche Novelle versprochen, getan aber haben Sie nichts. Statt dessen haben Sie das Wohngeld in die Unteretatisierung geführt und tatenlos zugesehen, wie das Ungleichgewicht zwischen Pauschal- und Tabellenwohngeld immer mehr zugenommen hat. ({10}) Dagegen haben Sie überhaupt nichts getan! ({11}) Die Ursachen für dieses Ungleichgewicht waren die hohe Arbeitslosigkeit und die steigende Zahl der sozialhilfebedürftigen Haushalte. Vor einigen Wochen wollten Sie mit Schnellschüssen das Wohngeld erhöhen. Wir haben gesagt, daß wir das nicht so schnell machen können. Wir müssen nämlich mit den Ländern über die Finanzierung reden - wir denken an ein Volumen von etwa 1,5 Milliarden DM - und gemeinsam mit ihnen das Finanzierungsprogramm abstimmen. Ende dieses Jahres werden wir ein Gesetz vorlegen, das seriös und durchgerechnet ist. Das versprechen wir Ihnen. ({12}) Dietmar Schütz ({13}) In bezug auf den Bauhaushalt sind auch die Bonn/ Berlin-Probleme angesprochen worden. Ich möchte noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der uns Parlamentarier besonders betrifft, nämlich die Baumaßnahmen des Bundes im Zusammenhang mit unserem Umzug nach Berlin. In den vergangenen Monaten ist darüber manches gesagt und geschrieben worden, einiges davon war nicht abwegig. Mit dem näherrückenden Termin des Umzugs nimmt auch die Aufgeregtheit zu, zum Beispiel was die Finanzierung angeht. Eines möchte ich vorab sagen: Der Gesamtrahmen mit einem Deckel von 20 Milliarden DM wird eingehalten. Bei allen Baumaßnahmen des Bundes wird von uns allergrößtes Augenmerk darauf gelegt, daß der Kostenrahmen eingehalten wird - nach dem Motto: Der Deckel muß halten. Allerdings gebietet es die Aufrichtigkeit, daß wir einräumen, daß das nicht bei jeder einzelnen Baumaßnahme gelingen kann. Auf Grund des Umfanges und der Komplexität der gesamten Maßnahme ist es nur natürlich, daß Abweichungen auftreten können. Das ist bei privaten Bauherren nicht anders als bei öffentlichen Bauherren. Wir müssen aber auf den Gesamtkostenrahmen achten. Wir müssen leider sagen, daß bei der Finanzierung des Bundeskanzleramtes schon jetzt eine Mehrkostenbelastung in Höhe von 10 Prozent erkennbar ist. Das ist - das sage ich ganz offen - deutlich zuviel. In geringem Umfang werden auch bei den Parlamentsbauten Mehrkosten anfallen. Die Baugrundsanierungen haben beim Jakob-Kaiser-Haus zu Verzögerungen bei den nachfolgenden Gewerken und anderen Baumaßnahmen geführt. Ebenfalls nicht vorhersehbar waren die Terminschwierigkeiten bei der Fertigstellung des Paul-Löbe-Hauses durch die verspäteten Baumaßnahmen des Berliner Senats für den U-Bahnhof. Insgesamt bewegen sich jedoch die Mehrkosten in einem Rahmen, der keinen Anlaß zu Tataren-Meldungen bietet. Die Kostenrisiken sowie die denkbaren Einsparpotentiale werden in enger Zusammenarbeit zwischen Bundesbaugesellschaft, Baukommission, Ältestenrat und Haushaltsausschuß ständig überprüft. Ich denke, daß wir alle uns darüber einig sind, daß der Bund als Bauherr seiner Aufgabe der Kostenkontrolle nach bestem Wissen und Gewissen nachkommen wird. Dies liegt in unser aller Interesse. Ebenso deutlich will ich jedoch auch eine Lanze für die Qualität der zu errichtenden Bauten brechen. ({14}) Ich denke, am Beispiel des insgesamt sehr gelungenen Reichstagsgebäudes wird deutlich, daß die Demokratie als Bauherr auch architektonische Zeichen setzen muß. ({15}) Bei aller Angemessenheit und Bescheidenheit darf sich die Demokratie als Bauherr nicht unter Wert verkaufen. Sie darf und kann, ja sie sollte sogar, durch ihre Bauten Zeichen ihres legitimen Selbstbewußtseins setzen. ({16}) Ich sage deshalb: Wir sind als Bauherr natürlich in besonderer Weise zur Effizienz und zum verantwortungsvollen Umgang mit uns anvertrauten Steuergeldern verpflichtet. Wir dürfen aber auch nicht als billiger Jakob auftreten. ({17}) Ein letztes Wort zu den Ausgleichszahlungen für Bonn: Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag hinterlassen mit ihrem Umzug keine Brache. Ganz im Gegenteil: Durch die sehr auskömmlichen Zahlungen des Bundes hat sich die Region ein neues Standbein als Dienstleistungs- und Telekommunikationsstandort erobert. Wir haben viel für Bonn getan. Ich sage, daß wir uns an die Gesetze, die wir für Bonn gemacht haben, halten werden. Deswegen - ich betone dies, weil ich ein nachdrücklicher Berlin-Befürworter bin - müssen wir Berichte, wie sie heute in der „Berliner Zeitung“ erschienen sind, daß für Berliner Bauten von Ministerien, die in Bonn bleiben sollen, schon Geheimpapiere bestünden, nachdrücklich zurückweisen. Wir werden uns an die Gesetze halten. Wir werden den Berlin/BonnVertrag erfüllen. Wir werden als Bauherren unserer Verantwortung gerecht werden. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({18})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Für die F.D.P.Fraktion spricht nun Kollege Michael Goldmann.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Auftritt von Frau Fuchs, bei dem ich sehr lange nicht wußte, ob sie nun als Präsidentin des Mieterbundes oder als Abgeordnete des Bundestages spricht, werde ich mich darum bemühen, sehr ehrlich mit dem umzugehen, was ich Ihnen zu sagen habe. Ich bitte gerade Sie, Herr Schmidt, mir dabei zuzuhören, weil ich vor den Menschen, die für eine Sache stehen - wie zum Beispiel Ihr Parteifreund Gottfried Sandmann aus der Stadt Papenburg, der sehr klar sagt, daß er gegen das Emssperrwerk ist - Respekt habe. Vor solchen Leuten wie Ihnen, die im Wort sehr stark und in der Tat sehr undurchsichtig sind, fürchte ich mich politisch, ({0}) weil ich bei Ihnen und den übrigen Vertretern der Grünen nicht weiß, was man davon zu halten hat, wenn man sich mit ihnen politisch auseinandersetzt. Auf der einen Seite toben Sie in Papenburg und in Gandersum auf dem Deich herum ({1}) - ich meine die Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Partei -, und Ihre Delegierten erklären auf dem Landesparteitag Ihrer Partei in Hannover, wie sehr sie gegen das SperrDietmar Schütz ({2}) werk sind. Auf der anderen Seite sagen Sie dann hier vor Ort: Natürlich machen wir eine solche Titelstelle mit, warum denn nicht; so ein bißchen grünes Vergackeiern muß doch möglich sein. ({3}) Wissen Sie, Herr Schmidt, ich finde das übel. ({4}) Sie haben vorhin Dinge angesprochen, die ich hochinteressant finde. Sie sagen, daß es jetzt eine EUWettbewerbsklage gegen das Sperrwerk gibt. Man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Nicht Thyssen Nordsee, nicht die Howaldtswerke, nicht irgendein Mitbewerber klagt gegen das Sperrwerk - das ja, wie Sie wissen, auch der Meyer-Werft hilft. Nein, Umweltverbände, von Ihnen gesponsert und finanziell unterstützt, machen das. ({5}): Von uns gesponsert? Das weise ich zurück, Herr Goldmann!) Dafür wurde ein Fonds gebildet, in den Sie über die Abgaben, die Sie an die Partei zu leisten haben, wahrscheinlich sogar eingezahlt haben. Es ist interessant, ({6}) daß Umweltverbände die Verbandsklagen nutzen manchmal auch mißbrauchen -, um aus ökologischen Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann, gegen das Sperrwerk vorzugehen. Ich gestehe es ihnen zwar zu, daß Sie diese Möglichkeit nutzen, aber es geht darum, daß sie nun auch das Wettbewerbsrecht mißbrauchen, um Zukunft zu zerstören. ({7}) Herr Schmidt, ich will Ihnen das sehr direkt sagen: Wenn Sie von diesen Dingen keine Ahnung haben, dann sollten Sie den Mund halten. Wenn Sie sich erkundigt haben, werden Sie wissen, daß alle Fachleute sagen: Das Sperrwerk ist nötig - nicht für Meyer, auch wenn der damalige Ministerpräsident Schröder sich mit Herrn Meyer in der Presse hingestellt und gesagt hat, wir machen das mal eben. Jeder Fachmann weiß, daß sonst auf über 100 Kilometer die Deiche in diesem Bereich um einen Meter erhöht werden müssen. ({8}) - Erkundigen Sie sich, Frau Kollegin. Die Holländer haben das schon lange. Sie schützen ihre Menschen zukunftsorientiert. ({9}) Wir kämpfen mit dem Sperrwerk darum, das gleiche zu tun. Herr Schmidt und liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, die Menschen vor Ort verstehen nicht, daß Sie gegen dieses Werk - wir haben es heute nur exemplarisch zur namentlichen Abstimmung gestellt in einer Form zu Felde ziehen, die wirklich unerträglich ist. ({10}) Ich bin von der Ausbildung her Biologe; ich kenne Nonnengänse. Ich bin dafür, daß wir prioritäre Vogelarten schützen. ({11}) Aber ich bin auch dafür, daß wir nicht die Deiche erhöhen, sondern ein Sperrwerk bauen, das zukunftsorientierten Küstenschutz sicherstellt. ({12}) Ich bin dafür, daß wir auch die Arbeitsplätze in dieser Region sichern.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Goldmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schütz?

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gerne, Herr Schütz.

Dietmar Schütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002093, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Goldmann, wir sind ja hier in der Haushaltsdebatte. Stimmen Sie mir zu, daß dieser von uns vorgelegte Haushalt ein Sperrwerk in Gandersum ermöglicht und den Bau des Sperrwerks absichert? ({0})

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Schütz, ich gebe Ihnen recht. Wir wollen in namentlicher Abstimmung erfragen, wie Ihr Koalitionspartner, mit dem Sie zukunftsorientierte Politik, Politik gegen den Verlust von Arbeitsplätzen und für einen vernünftigen ökologischen und ökonomischen Ausgleich machen wollen, wie Sie selbst immer betonen, zu dieser Frage steht. ({0}) Es ist interessant, Herr Schütz, welchen Wirbel dieser Antrag bei Ihnen ausgelöst hat. Ich unterhalte mich ja gerne mit Kollegen aus der SPD. ({1}) Ich respektiere die Arbeit von Herrn Robbe. Ich finde es hochinteressant, welche Verwirrung, welche Irritation und welcher Eifer bei Ihnen entstanden sind, weil Sie genau wußten, daß wir hier den Finger in eine Wunde legen. ({2}) Herr Schmidt, jetzt will ich noch einmal etwas zu dem anderen Bereich sagen, den Sie angesprochen haben, nämlich zum Transrapid. Wissen Sie, wer im Aufsichtsrat der Bahn ist, der sollte sich beim Thema Transrapid zurückhalten. ({3}) Jeder weiß, daß die Bahn den Transrapid im Grunde genommen abmurksen will, um das hier einmal sehr deutlich zu sagen. ({4}) Sie sind derjenige, der das in besonderer Weise betreibt. ({5}) Ich finde, Herr Schmidt, Ihre Kolleginnen und Kollegen von den Grünen sollten das, was Sie machen, nicht durchgehen lassen. Sie sollten hier nicht diese populistische Wortreiterei betreiben, ({6}) sondern sie sollten zu Taten stehen. Sie sollten klipp und klar sagen: In einer Region, die von Arbeitslosigkeit bedroht ist, einer Region peripheren Raums, wo die Menschen es sowieso schon schwer haben, setzen wir ein aktives, ein kämpferisches Zeichen für den Küstenschutz, für ein Zukunftsprojekt und für Arbeitsplätze. ({7}) Deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu. Sagen Sie konsequent und klar ja zu einem Sperrwerk an der Ems, und sagen Sie das, weil Sie der Meinung sind, daß dieses Sperrwerk - das ist mein letztes Wort dazu - wirklich eine vernünftige Sache ist, die alle Unterstützung eines jeden hier im Deutschen Bundestag verdient. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Albert Schmidt.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr verehrter Herr Kollege Goldmann, ich hätte niemals geglaubt, daß ich als gestandener Oberbayer hier einmal eine Kurzintervention zum Küstenschutz abgeben würde. ({0}) Ich werde das aber gerne tun. Herr Kollege Goldmann, Sie haben hier beeindrukkend ausgeführt, daß sich alle über die Notwendigkeit dieses Sperrwerkes einig seien. Ich möchte Sie nur ganz sachlich an folgendes erinnern. Lesen Sie doch einmal im „Generalplan Küstenschutz“ der Bezirksregierung Weser-Ems von 1997 nach. Diese Landesbehörde bestreitet dort, daß die Sturmflutsicherheit an der Ems gefährdet sei. - Ich zitiere nur. Ich erinnere Sie weiterhin daran, daß niemand anderes als das Oberverwaltungsgericht Lüneburg massiv bemängelt hat, daß eine echte und tiefgehende Alternativenprüfung nicht stattgefunden habe. Das war einer der Gründe für das Urteil. - Ich zitiere nur. Ich erinnere Sie weiterhin daran, daß das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in mehreren Urteilen ausgeführt hat, daß eine juristisch einwandfreie Interessenabwägung sowohl bei den Belangen des Natur- und Umweltschutzes als auch bei den ökonomischen Interessen nicht stattgefunden habe. - Ich zitiere nur. Wenn Sie dies alles ignorieren wollen, ist das Ihre Sache. Die Bundesregierung hat jedenfalls dafür gesorgt, daß für den Fall, daß die juristische Bremse, die im Moment gezogen worden ist, wieder entsichert werden sollte, Haushaltsmittel bereitstehen, damit das Sperrwerk gebaut werden kann. Herr Kollege Goldmann, ich kann Ihnen versichern: Auch dieser Haushaltsposten wird mit der Mehrheit der Regierungskoalition verabschiedet werden. Sie können sich Ihre diesbezügliche namentliche Abstimmung sparen. Sie überschätzen sich in Ihrer Show, die Sie hier abziehen, maßlos. Das ist nicht das, was die Menschen wirklich interessiert. Die Unterstellung übrigens, wir würden Verbände sponsern, ist geradezu lächerlich. Ich bin Mitglied im Bund Naturschutz Bayern und zahle gern Mitgliedsbeiträge. ({1}) Sie wissen, daß die im Zusammenhang mit dem Sperrwerk aktiven Verbände parteipolitisch unabhängig sind. Klagen, die diese als Fachverbände erheben, sind in einem Rechtsstaat etwas ganz Normales. Daß es Ihnen von der F.D.P. manchmal nicht gefällt, daß auch Verbände juristische Möglichkeiten wahrnehmen, das weiß ich wohl. Nun aber zum Stichwort Transrapid: Ich weise mit allem Nachdruck zurück, daß ich mich jemals hier im Bundestag als Mitglied des Aufsichtsrates der Bahn geäußert habe. Das werde ich auch nie tun. Aber als Verkehrspolitiker, dem die Bahn schon immer - auch in den vergangenen Jahren - ein großes Anliegen war - und auch heute noch ist -, weise ich mit großem Nachdruck Ihre Behauptung zurück, hier wolle irgendein Mitglied dieses Unternehmens ein Projekt „abmurksen“, wie es Ihre Wortwahl war. Das ist eine unverschämte Unterstellung, für die Sie keinerlei Beleg haben. Ich behaupte, daß die Bahn - im Gegenteil - in verantwortlicher Führung sowohl auf der Vorstandsebene als auch in allen anderen beteiligten Gremien die FakHans-Michael Goldmann ten sehr präzise analysieren wird und auf dieser Grundlage nicht alleine, sondern im Benehmen mit den anderen Projektbeteiligten, sprich mit dem Konsortium und mit der Bundesregierung, entscheiden wird. So und nicht anders wird es ablaufen. Die anstehende Entscheidung wird nachvollziehbar sein. Alles andere, was Sie hier in die Welt setzen, ist Fama bzw. eine üble Verleumdung. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Goldmann, bitte schön. ({0})

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schmidt, ich sage es offen: Was Sie soeben getan haben, ist typisch. Da zitieren Sie aus alten Stellungnahmen der Bezirksregierung. ({0}) Wissen Sie nicht, daß Regierungspräsident Theilen, mit dem ich zusammen im Landtag gesessen habe und der Mitglied der SPD ist, zur Zeit dabei ist, einen neuen Antrag vorzubereiten? ({1}) Wissen Sie nicht, daß dieser Regierungspräsident den alten Antrag sehr mühsam und mit viel Engagement auf den Weg gebracht hat? Warum machen Sie das hier schon wieder kaputt? ({2}) Sagen Sie doch ja zum Sperrwerk, und gehen Sie vor Ort! ({3}) Angesichts der Tatsache, daß die Bezirksregierung einen neuen Antrag stellt, der hoffentlich qualifizierter ist als der alte ({4}) und der den Gesichtspunkt des Küstenschutzes und die Staufunktion integriert, können Sie doch sagen: Wir sind jetzt dafür, daß dieser Antrag angenommen wird, daß er nicht beklagt wird, daß er also im Ergebnis umgesetzt wird, damit das herauskommt, was sich die Menschen dort wünschen. ({5}) Herr Schmidt, ich finde es unaufrichtig und nicht gut - ich sage Ihnen ganz ehrlich, daß ich das früher von den Grünen nicht angenommen habe -, wenn man in solchen Fragen die Ebenen trennt. Wenn Sie hier für diesen Titel sind und dazu nachher in namentlicher Abstimmung ja sagen, dann sollten Sie nicht vor Ort Stimmung machen und über diesen Weg Stimmen kassieren, ({6}) um dann hier eine von hinten in die Brust gerichtete Politik zu betreiben, die eine Umsetzung solcher Projekte verhindert. Herr Schmidt, genauso ist das beim Transrapid. Sagen Sie doch ehrlich, daß Sie nicht für den Transrapid sind. Machen Sie aber den Transrapid nicht durch Ihre Arbeit bei der Bahn AG kaputt. Sie wissen doch ganz genau, daß es die Bahn AG ist, die dem Tansrapid im Moment einen Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine wirft. Ich möchte Ihnen noch etwas zu den Verbänden sagen. Meine Partei und ich sind eindeutig dafür, daß Verbände ein Klagerecht haben. ({7}) Aber ich bin dagegen, daß Verbände ihr Klagerecht mißbrauchen. ({8}) Ich bin dagegen, daß Verbände, die den Gedanken des Umweltschutzes für sich in Anspruch nehmen und die ihren Mitgliedern sagen: „Wir betreiben Umweltschutz“, sich solchermaßen mit dem EU-Wettbewerbsrecht auseinandersetzen, es mißbrauchen, um einen High-TechStandort sowie Arbeits- und Ausbildungsplätze zu zerstören. Das ist das, wogegen ich bin, und dagegen sollten auch Sie sein. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Eichstädt-Bohlig, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Goldmann, es hat mich ein wenig verwirrt, daß Ihnen das Ems-Sperrwerk so wichtig ist, daß Sie zum Bauhaushalt kein einziges Wort gesagt haben. ({0}) Ich weiß nicht, wie bei Ihnen die Prioritäten und Verantwortlichkeiten gesetzt werden. ({1}) Ich möchte nach dieser ganzen Diskussion über das Ems-Sperrwerk auf den Bauhaushalt zu sprechen kommen und möchte mich an den Kollegen Pützhofen wenden. Sie haben soeben mit großer Verve überwiegend Albert Schmidt ({2}) die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aber indirekt auch uns dahin gehend beschimpft - das haben Sie schon einmal so gemacht -, daß die Koalitionsfraktionen vor der Wahl einige Hoffnungen hatten, sie würden im Haushalt mehr Geld vorfinden und dann in der Baupolitik auch mehr verteilen können, als dann tatsächlich vorzufinden war. Ich spreche gerade Sie an, weil Sie Mitverantwortung dafür tragen, daß wir ein Defizit von 30 Milliarden DM vorgefunden haben und jetzt mit dieser schweren Last umgehen müssen. ({3}) Man sollte niemanden verurteilen, der ohne genaue Kenntnis der wahren Haushaltslage mehr Geld verteilen wollte, als er hinterher vorgefunden hat, wenn man solche Anträge stellt, wie Sie es getan haben, und dem Bürger gegenüber behauptet, man könne mehr Geld verteilen, als im Haushalt vorhanden ist. Insofern frage ich Sie, wieso Sie hier in Kenntnis der Haushaltslage Anträge stellen auf Aufsattlung bei der Städtebauförderung, auf ein Wohngeld, das in dieser Form gar nicht finanzierbar ist. Die F.D.P. möchte nicht nur das Emssperrwerk, sondern auch beim sozialen Wohnungsbau aufsatteln. Ich frage die, die bis September 1998 Regierungsverantwortung gehabt haben, nach ihrem Umgang mit den Prinzipien von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit und dem, was man dem Bürger gegenüber verantwortlich darstellen kann. Ich bitte Sie, darauf endlich konkret zu antworten. ({4}) Zum nächsten Punkt. Das Schwerpunktthema der Wohnungspolitik zur Zeit ist immer wieder die Wohngeldreform. Wir sind uns alle einig, daß wir eine Wohngeldreform brauchen. Wir arbeiten daran, sie zum 1. Januar 2000 umsetzen zu können. Ich sage sehr bewußt: Wir arbeiten daran. ({5}) Ich möchte in Richtung des Kollegen Oswald und des Kollegen Kansy deutlich sagen: Sie haben einen Antrag zum Wohngeld gestellt, den man nicht einmal mehr mit den von uns dringend gesuchten 1,5 Milliarden DM finanzieren könnte, den man aber auf keinen Fall mit den 250 Millionen DM finanzieren kann, die seinerzeit Kollege Oswald - noch nicht einmal per Kabinettsbeschluß, sondern als einfaches Papier - bereitstellen wollte. Er hat sich nicht einmal getraut, mit den Ländern darüber zu verhandeln. ({6}) Also: Das, was Sie dem Bürger versprechen und der Koalition jetzt mit Änderungsanträgen abringen wollen, haben Sie selbst nie und nimmer gekonnt. Trotzdem gehen Sie scheinheilig hin und fragen: Warum schafft ihr das nicht aus der Hüfte? Warum braucht ihr ein halbes Jahr, bis ihr das Geld zusammengesammelt habt? ({7}) Ein weiterer Punkt. Wir sind so ehrlich und so sparsam, daß wir sagen: Wir können das nicht aus einem Haushaltsaufwuchs finanzieren. Wir suchen das Geld vielmehr in den Bereichen, von denen wir meinen, daß Subventionen da bisher etwas zu großzügig gewährt worden sind. Wir prüfen derzeit, ob bei der Eigenheimzulage Senkungen der Einkommensgrenzen vorgenommen werden sollen; ich habe das schon in der letzten Legislaturperiode gefordert, ich überzeuge schrittweise auch andere davon. Hierbei handelt es sich nicht um willkürliche Kürzungen, sondern endlich um die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips. Ich sage es ganz deutlich: Staatssekretäre und Abgeordnete bekommen so gute Gehälter, daß sie es nicht nötig haben, eine Eigenheimzulage in Anspruch zu nehmen. Ich hoffe, daß endlich auch die Konservativen und die Liberalen Subsidiarität ernst nehmen und nicht immer fordern: Vermögensbildung bei den Vermögenden. Sie bedeutet vielmehr, die Prioritäten da zu setzen, wo die soziale Bedürftigkeit wirklich Vorrang haben muß. ({8}) Von daher bitte ich Sie darum, hier mit offenen Karten zu spielen und nicht so zu tun, als könnte man alles gleichzeitig verwirklichen. Nicht nur die Regierungsfraktionen, sondern auch die Opposition muß bereit sein, endlich soziale Prioritäten zu setzen. Das erwarte ich auch von Ihnen. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin EichstädtBohlig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele?

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, die Einkommensgrenzen sind momentan, glaube ich, doch so, daß Minister und Staatssekretäre keine Eigenheimzulage erhalten.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da irren Sie sich. Die Einkommensgrenzen sind sehr wohl so. Sie kennen meine Diäten. Ich nehme an, daß Ihre relativ ähnlich sind. Ich würde mit meiner Familie unter die 240 000-DM-Grenze fallen und sehr wohl 64 000 DM Eigenheimzulage bekommen, während ein Haushalt, dem im Monat nur 3 500 DM zur Verfügung stehen, vielleicht 100 DM Wohngeld bekommt. Damit hat dieser Haushalt die Chance, innerhalb von 54 Jahren insgesamt genausoviel Geld zu bekommen, wie ich innerhalb von acht Jahren bekäme, wenn ich morgen ein Eigenheim bauen würde. Das halte ich politisch für ungerecht, Kollege Thiele. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine Nachfrage des Kollegen Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Eichstädt-Bohlig, Sie haben in Ihrer Rede von Staatssekretären und Ministern gesprochen.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, von Staatssekretären und Abgeordneten.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Von Staatssekretären und Ministern; das habe ich zufällig gehört.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann bitte ich um Entschuldigung.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Frage, die ich gerade gestellt habe, betraf nicht Ihr Einkommen; denn Sie sind derzeit ja noch nicht Staatssekretärin oder Ministerin. Ich habe vielmehr danach gefragt, ob Staatssekretäre und Minister bei etwa 300 000 DM Einkommen pro Jahr Eigenheimzulage erhalten. Sie haben zu Abgeordneten geantwortet. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zu Staatssekretären und Ministern antworten würden; denn die erhalten keine Eigenheimzulage.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Entschuldigung, ich meinte Abgeordnete und Staatssekretäre. ({0}) Minister habe ich ausgeklammert. Ich bilde mir auch ein, Abgeordnete gesagt zu haben. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte schon noch ein ernstes Wort - auch in Richtung unserer Koalition - sagen. Denn bei der Suche nach Einsparungen im Haushalt ist unter anderem auch von Kolleginnen und Kollegen, die den beiden Koalitionsfraktionen angehören, die Diskussion um den sozialen Wohnungsbau losgetreten worden. Ich möchte aus aktuellem Anlaß ein sehr ernstes Wort zum Thema „sozialer Wohnungsbau“ sagen. Richtig ist: Der soziale Wohnungsbau ist ohne Zweifel reformbedürftig. Aber er ist auch reformfähig. Das sage ich in alle Richtungen. Ich möchte das an einem ganz wichtigen Beispiel verdeutlichen. Der soziale Wohnungsbau ist gerade in Ballungsgebieten ein ganz wichtiger Baustein für die Familienentlastung. Würde der soziale Wohnungsbau - auch die Bestände, die wir im öffentlichen Bereich haben - abgebaut, liefen wir Gefahr, daß Familien mit Kindern über kurz oder lang praktisch nicht mehr in Ballungsräumen wohnen könnten. ({2}) Es wäre ein Schildbürgerstreich - ich sage das laut -, wenn der soziale Wohnungsbau, der Familien heute im Durchschnitt rund 120 DM im Monat Entlastung bringt - in Ballungsgebieten ist es teilweise sehr viel mehr -, gestrichen würde, um damit 20 DM oder 50 DM mehr Kindergeld zu finanzieren. ({3}) Insofern müssen wir auch den Zusammenhang zwischen Wohnungspolitik und Familienentlastung sehr ernsthaft diskutieren. Es ist kein sinnvoller Schritt zur Familienentlastung, das Kindergeld zu erhöhen, gleichzeitig aber erhebliche Wohnkostensteigerungen für Familien zu provozieren. Das dürfen wir nicht machen. Deswegen bitte ich um eine sehr ernsthafte fraktionsübergreifende Diskussion. ({4}) - Ich habe eben deutlich gesagt, daß ich einen Teil meiner Rede an alle, auch an die Koalitionäre, richte. Damit habe ich überhaupt keine Probleme, Herr Kansy. Was gesagt werden muß, muß gesagt werden - in welche Richtung auch immer. Folgendes möchte ich deutlich sagen - und da ist sich die Koalition einig -: Wir wollen die Reform des sozialen Wohnungsbaus; wir wollen die Vereinfachung des Förderinstrumentariums; wir wollen kostspielige Neubauprogramme zurückfahren und uns sehr viel mehr an den Wohnungsbeständen orientieren. Es muß aber auch allen klar sein: Wenn wir in diesem Bereich weiter abbauen - nach den jetzigen gesetzlichen Regelungen laufen viele Sozialbindungen aus - wird es in wenigen Jahren kaum mehr Sozialwohnungen geben. Das verantworten im wesentlichen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Oppositionsseite. Wenn wir nicht gegensteuern, wird es im Jahre 2005 nur noch 900 000 Sozialwohnungen und im Jahre 2010 - das ist gar nicht mehr lange hin - nur noch 230 000 Sozialwohnungen geben. Deswegen bitte ich alle Beteiligten, sich für die Reform des sozialen Wohnungsbaus einzusetzen und nicht für eine Demontage. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat der Kollege Dirk Fischer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich glaube, die Uhr, die meine Redezeit anzeigt, ist nicht richtig eingestellt. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt ist die Stunde der Wahrheit. Bei einer vernünftigen Politik sind Reden und Handeln eins. Heute hat sich gezeigt, daß die Regierungskoalition mit falscher Münze zahlt. Beweise gibt es dafür sehr, sehr viele. Sie, Herr Minister, haben im letzten November bei der Vorstellung Ihres Arbeitsprogramms für diese Legislaturperiode im Ausschuß die Zusammenlegung der beiden Ministerien Verkehr und Bau als echte Verschmelzung bezeichnet, mit der der Auftrag, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Ländern zu schaffen, zielgerichtet umgesetzt werden solle. Die Zusammenlegung zeigt sich aber immer mehr als ein personenbezogener Unfug, der sowohl im Ministerium als auch in den parlamentarischen Gremien eine vernünftige Arbeit eher behindert. Wenn man nach der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen fragt, stellt man fest, daß sich die Koalition weiter denn je davon entfernt hat. Mit den steuerpolitischen Fehlschlägen ist das Gefälle der Lebensbedingungen zwischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen nur noch verstärkt worden. ({0}) Der Bundesverkehrswegeplan soll - das haben Sie angekündigt - überarbeitet werden. Nach zehn Jahren Gültigkeit ist es auch sicher sinnvoll, die Prognosen der Verkehrsentwicklung zu überprüfen und zu aktualisieren; das hatte Ihr Amtsvorgänger Wissmann gleichfalls vorgesehen und auch schon eingeleitet. Sie wollen neue Kriterien entwickeln und die Bewertungsmethodik modernisieren. Ihr Vortrag im Ausschuß am 21. April dieses Jahres war diesbezüglich allerdings ohne jede konkrete Substanz. Sie hätten ebensogut die Erläuterungen zu den bisherigen Bundesverkehrswegeplänen vorlesen können. Für uns haben die regionalen Wirtschafts- und Beschäftigungsaspekte ein besonderes Gewicht. Die Frequenz eines Verkehrsweges als Hauptkriterium würde dazu führen, daß nur noch Projekte in Ballungsräumen zum Zuge kämen. Das darf nicht sein. Wir werden sehr darüber wachen, daß die Interessen der ländlichen Räume gewahrt bleiben und Gerechtigkeit für alle Regionen gegeben ist. ({1}) Gutes und Bewährtes zu ändern macht wenig Sinn. Ich bin deshalb der Meinung, daß nicht alle Projekte, für die der Gesetzgeber den Bedarf bereits festgestellt hat, erneut auf den Prüfstand gestellt werden müssen, wie Sie das jetzt ankündigen. Ihre Aussage vom November 1998 klang sehr viel vernünftiger: In Einzelfällen - so haben Sie gesagt werden wir Maßnahmen und Projekte anpassen und optimieren. Das heißt für mich, daß alle heute schon baureifen oder nach Auffassung der Länder besonders dringlichen Projekte und insbesondere jene, die in künftige Fünfjahrespläne aufgenommen werden sollen, auch überprüft werden. Ich halte es aber nicht für sinnvoll, für ungefähr 7 500 Projekte erneut ein ganz großes Faß aufzumachen, auch wenn darunter unendlich viele sind - vielleicht Hunderte und Tausende -, deren Realisierung Jahrzehnte entfernt ist. Das angekündigte Investitionsprogramm 1999-2002 ist eine Bankrotterklärung, weil die deutlich gekürzten Mittelansätze - so Ihre Aussage - für die Bundesfernstraßen nur geringen Gestaltungsspielraum lassen. Es ist in Wahrheit nur ein Ablenkungsmanöver, wenn Sie das dem geltenden Verkehrswegeplan anlasten und bei einer Unterfinanzierung auf Grund unrealistischer Ansätze von „Luftschlössern“ und „Wunschkatalogen“ reden. Ich muß Sie darauf hinweisen, daß der Bundesverkehrswegeplan kein Finanzplan ist. Er stellt nur den nach Auffassung der Bundesregierung objektiven Bedarf dar und wird hier im Parlament insoweit nur zur Kenntnis genommen. Der vordringliche Bedarf - nicht der Bundesverkehrswegeplan - wird über Ausbaugesetze durch den Gesetzgeber festgestellt. Es ist klar, daß bei dieser Systematik, insbesondere in Zeiten knapper Kassen, der Bedarf größer als die Möglichkeiten der Finanzierung ist. Gleichwohl darf objektiver Bedarf nicht wegmanipuliert werden. ({2}) Wenn Sie den objektiven Bedarf herausstreichen, dann ist dies das Verschließen der Augen vor Tatsachen, die wir uns immer wieder präsent machen und mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Schon der erste Verkehrswegeplan von SPDVerkehrsminister Lauritz Lauritzen - er umfaßte den Zeitraum von 1976 bis 1985 - hatte bei seiner überarbeiteten Fortschreibung 1985 einen Überhang unerledigter Vorhaben in Höhe von etwa 36 Milliarden DM nach dem Preisstand 1985. So ist der Überhang von etwa 80 Milliarden DM - so die Prognose - nach dem heutigen Preisstand bei dem 20-Jahres-Zeitraum des jetzigen Plans keine dramatische und völlig andere Entwicklung. Ihr Vorwurf, das seien Luftschlösser, ist in Wahrheit eine Unterstellung gegenüber den Ländern und der Bahn, daß sie bei ihren Anmeldungen unredlich vorgegangen seien. Ich meine, daß diese Unterstellung unsachlich und falsch ist. ({3}) Sie versuchen damit, über Kürzungen im eigenen Haushalt hinwegzutäuschen und suchen ein Alibi für fehlende Haushaltsmittel. Sie haben den Ansatz für den Straßenbau um 175 Millionen DM verringert gegenüber den Zahlen Ihres Amtsvorgängers Wissmann. Die Folge ist, daß Baubeginne in den alten Bundesländern praktisch unmöglich geworden sind. Jetzt hat die Koalition im Haushaltsausschuß sogar die Mittel für Unterhalt und Erneuerung der Bundesfernstraßen um weitere 50 Millionen DM gekürzt. Sie haben im Ausschuß den Vorwurf erhoben, daß für diesen Bereich bisher zuwenig getan worden sei, und angekündigt, mehr Gewicht auf die Erhaltung der Substanz der Bundesfernstraßen legen zu wollen. Ihr Dirk Fischer ({4}) Haushalt spricht eine andere Sprache. In diesem Punkt sind Sie völlig unglaubwürdig; es wird anders gehandelt als geredet. ({5}) Der Investitionsbedarf für Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur muß zukunftsorientiert auf hohem Niveau gesichert werden. Das Volumen baureifer Projekte, deren Finanzierung offen ist, liegt heute schon bei etwa 4 Milliarden DM. Deshalb fordern wir mit unserem Antrag eine Aufstockung der Straßenbaumittel um 500 Millionen DM, um wenigstens dem dringlichsten Bedarf Rechnung zu tragen. ({6}) Man muß doch auf die Situation reagieren! Man kann als Minister die Sache nicht schleifen lassen, man muß durch aktives Handeln reagieren, und dieses um so mehr, als Sie durch die Steuererhöhung auf Kraftstoffe rund 4,5 Milliarden DM beim Autofahrer abkassieren und zwei weitere Erhöhungen in der gleichen Größenordnung schon beschlossen haben. Das heißt, am Ende holen Sie vom Autofahrer zusätzliche 15 Milliarden DM in die Kasse. Dabei muß doch wohl dieser Gestaltungsspielraum eröffnet worden sein. Ich finde das sonst empörend. ({7}) Klar ist auch, daß wir für künftige Haushalte vorsorgen müssen. Der erste Schritt ist die Einführung der streckenbezogenen und nutzungsabhängigen LkwStraßenbenutzungsgebühr bis spätestens 2002 und ihre Zweckbindung für das Bundesfernstraßensystem. Der nächste Schritt muß die effizientere Bewirtschaftung dieser Mittel durch privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen sein. Hinzu kommen muß eine verstärkte Mobilisierung privaten Kapitals für die Infrastruktur und somit eine Ausweitung des heute zu engen EU-Rechts. Das sind Ziele, Herr Minister, die wir mit Nachdruck bei der Bundesregierung einfordern werden. Es ist bereits einiges über den Verkauf der Eisenbahn-Wohnungsgesellschaften gesagt worden. Ich denke, es muß darauf hingewiesen werden, daß die heutigen Staatssekretäre Ihres Hauses, Frau Ferner und Herr Großmann, vor der Wahl lautstark verkündet haben, daß der von der Bundesregierung Kohl beabsichtigte Verkauf - sie haben sogar von „Verschleuderung“ gesprochen - bundeseigener Wohnungen verhindert werden müsse. Jetzt erweisen sich diese Wahlkampfparolen als große Wahllüge. Sie stehen nicht zu Ihrem Wort. Ich will das gar nicht kritisieren, weil ich in der Sache auch schon damals anderer Meinung war. Die SPD hat in Wahrheit eine 180-Grad-Wende vollzogen. Sie, Herr Minister, haben sich die Entscheidungen Ihres Amtsvorgängers zu eigen gemacht, die Wohnungen zu verkaufen. Heute müssen wir Sie fragen, wie Sie das Defizit beim Bundeseisenbahnvermögen ausgleichen wollen. Die Bahn mußte Ende 1998 wegen des nicht rechtzeitig vollzogenen Verkaufs der Wohnungen 850 Millionen DM als Kredit aufnehmen. Diesen Betrag kann sie jetzt wohl in den Wind schreiben. ({8}) Hierzu erwarten wir klare Aussagen. Wir haben einen Antrag zum Thema Lärmsanierung Schiene gestellt. Der geschätzte Bedarf liegt bei 5 Milliarden DM. Wenn Sie da in unzureichender Weise herangehen, dann wecken Sie Erwartungen, die Sie nie erfüllen können. Durch eine Erhöhung der Mittel auf 250 Millionen DM im Jahr wollen wir den Bedarf in 20 Jahren decken. ({9}) Ihre Einstellungen im Haushalt hingegen führen zu einem 75-Jahres-Programm. Damit brechen Sie Versprechungen und halten nicht ein, was Sie gesagt haben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Fischer, Sie haben Ihre Redezeit schon überschritten.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich möchte abschließend - und nahezu wunschgemäß - folgendes sagen. Der Kollege Schmidt hat sich durch die Kritik des Kollegen Goldmann beeinträchtigt gefühlt. ({0}) Deshalb will ich sagen: Weil ich das Projekt will und weil ich möchte, daß die Vertragspartner jetzt auf der Basis einer aktualisierten Verkehrsprognose und einer Wirtschaftlichkeitsberechnung II sehr bald zu Vertragsvereinbarungen kommen, bin ich - wunschgemäß - bereit, Sie, Herr Kollege Schmidt, für Ihren positiven und verantwortungsbewußten Umgang mit dem Projekt Transrapid zu loben. Machen Sie weiter so, ({1}) dann werden wir an Ihnen Freude haben!

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Fischer, Sie müssen zum Schluß kommen.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich komme zum Schluß.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Sie können doch mit einem Lob enden.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hatte zu Beginn darauf hingewiesen, daß die Redezeit falsch eingestellt war. Dirk Fischer ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nein, sie war richtig eingestellt.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verkehrspolitik braucht Innovation: durch Transrapid, durch moderne Eisenbahntechnik und durch lärmarme Flugzeuge. ({0}) Darauf setzen wir. Wir wissen, daß im Verkehrsbereich Akzeptanz und eine gedeihliche Zukunft nur zu erreichen sind, wenn wir das leisten und damit eine umweltgerechtere und sichere Gestaltung des Verkehrs bewirken. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Lieber Kollege Fischer, Ihre Redezeit war dadurch verkürzt worden, daß Fraktionskollegen von Ihnen schon vorher deutlich ihre Redezeit überschritten hatten. Man hat es Ihnen offenbar nicht mitgeteilt. Nun hat Bundesminister Franz Müntefering das Wort.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Haushalt für dieses Jahr werden wir die Weichen für eine bessere Bauund Verkehrspolitik in Deutschland stellen. Dabei werden eine ganze Reihe von Fehlern und Versäumnissen aus der alten Zeit aufzuarbeiten sein. ({0}) Damit will ich mich aber nicht lange aufhalten, sondern etwas zu unseren Vorstellungen einer modernen und zeitgemäßen Bau- und Verkehrspolitik sagen. Erstens. Die Stadtentwicklungspolitik braucht neue Impulse. Stadt ist mehr als viele Häuser. Deshalb müssen wir auf der Bundesebene dafür sorgen, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß die Städte in eine gute Zukunft gehen können. Dazu gehören die Stadtentwicklungsmittel und die Städtebauförderungsmittel in Höhe von 600 Millionen DM, die auch in diesem Jahr zur Verfügung stehen und von denen 520 Millionen DM in die neuen Länder gehen. Dieser Weg muß weitergegangen und mit dem verbunden werden, was für die Verbesserung der Wohnsituation im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und der sozialen Stadt eingesetzt wird. ({1}) Mit den Mitteln der Städtebauförderung, mit den Mitteln, die für die soziale Stadt eingesetzt werden - sie sollen dafür sorgen, daß Stadtteile nicht absacken; manche Stadtteile sind in Gefahr abzusacken -, und mit den Mitteln für den sozialen Wohnungsbau werden wir die gute Zukunft unserer Städte finanzieren helfen. Wir werden darauf achten, daß wir die Mittel für den sozialen Wohnungsbau stärker als bisher auf die Bildung von Eigentum im Bestand ausrichten. Wir brauchen im Augenblick nicht mehr viele soziale Mietwohnungen; das wissen wir. Dafür gibt es einen einigermaßen ausgeglichenen Markt. Wir werden den Wohnungsbau nicht gegen den Markt organisieren können. Wir müssen und wollen aber die Eigentumsbildung - insbesondere im Bestand - verbessern. ({2}) Das stabilisiert die soziale Situation, und es führt dazu, daß mehr Wohneigentum insbesondere in den Städten gebildet werden kann, wo die Grundstückspreise hoch sind und wo wir mit einer Finanzierung im Bereich des sozialen Wohnungsbaus besonders wirksam sein können. Da liegt also der Schwerpunkt für die nächsten Jahre. ({3}) Der Neubau der Wohnungen wird nicht in der Höhe von 500 000 bleiben. Man kann da nicht gegen den Markt organisieren, aber es läßt sich der Bereich der Eigentumsbildung mobilisieren. Wir werden achten auf den Bereich des Altschuldenhilfegesetzes, wo der Lenkungsausschuß die ersten Entscheidungen getroffen hat. Es gilt, weitere Entscheidungen zu treffen, weil wir nicht möchten, daß die Genossenschaften und Gesellschaften in den neuen Ländern, die ihre Aufgabe nicht erfüllen können, stranguliert werden. Wir wollen ihnen helfen. Sie müssen von den Aufgaben entlastet werden. ({4}) Zur Stadtentwicklungskonzeption gehört auch, daß wir etwas für das Anwohnerparken tun. Auch dazu werden wir uns in den nächsten Monaten melden. Zweiter Punkt, der dazugehört: Wohngeld, in diesem Jahr 250 Millionen DM mehr, 500 Millionen DM zusammen mit den Ländern - was meistens vergessen wird. Das ist eine halbe Milliarde DM Wohngeld mehr, die in diesem Jahr in Deutschland gezahlt wird. Das Problem ist, daß Sie vergessen haben, die Struktur zu verändern, so daß alles in das Pauschalwohngeld fließt und nichts mehr in das Tabellenwohngeld, wo die Erhöhungen stattfinden müßten. ({5}) Das werden wir korrigieren. Das haben wir zugesagt, und das werden wir auch tun, ({6}) so wie die Mieter sich darauf verlassen können, daß die Sozialdemokraten und die Grünen in dieser gemeinsamen Koalition darauf achten, daß die Interessen der Mieter in unserer Bundesrepublik auch in Zukunft gewahrt bleiben. ({7}) Ein knappes Wort zum Umzug von Parlament und Regierung: Berlin und Bonn können sich darauf verlassen, daß das, was aufgeschrieben ist, daß das, was Gesetz ist, auch eingehalten wird. Das gilt für beide Städte. Für Bonn sind in diesem Jahr etwa 400 Millionen DM bereitgestellt. Von den 2,81 Milliarden DM, die Bonn bis 2004 zugesagt sind, sind 2,555 Milliarden DM freigegeben. Das hat bisher sehr gut funktioniert, und das kann auch weiterhin funktionieren, wenn in beiden Städten, in Berlin und in Bonn, von allen Beteiligten gewußt wird: Dieser Umzug ist kein Anlaß für Wahlkampf. Bisher hat es gut funktioniert, weil alle an einem Strang gezogen haben, und zwar in eine Richtung. Dieser ganze Umzug, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch eine Frage des Ansehens der Demokratie, und ich appelliere an alle Beteiligten, jetzt, in der letzten Phase, nicht die Nerven zu verlieren. Lassen Sie uns dieses miteinander ordentlich organisieren und fair miteinander umgehen! ({8}) Zum Bereich der Verkehrspolitik: Für den Städtebau- und Wohnungsbereich 5,6 Milliarden DM Investitionen, für den Bereich Verkehr 20,1 Milliarden DM, 400 Millionen DM mehr als im letzten Jahr - entgegen allem, was dazu von der Opposition offensichtlich falsch abgelesen worden ist. Man könnte es aber besser wissen, wenn man es denn wissen wollte. Erstens: Bundesverkehrswegeplan. Der Bundesverkehrswegeplan war ausgerichtet auf 20 Jahre, von 1992 bis 2012. Daß sich in 20 Jahren etwas verändert und daß man in der Zwischenzeit, nach der Hälfte der Wegstrekke, etwas nachjustieren muß, ist doch wohl selbstverständlich. ({9}) Der Bundesverkehrswegeplan ist entwickelt worden, als man noch gar nicht genau wußte, wie sich denn nach der deutschen Einheit die Verkehrsflüsse überhaupt entwikkeln würden. Heute wissen wir das genauer. Wir sammeln die Fakten. Wir überarbeiten die Methoden. In der Methodik werden die Komponenten der europäischen Dimension, der Raumordnungsdimension und der ökologischen Dimension stärker als bisher berücksichtigt. Auf dieser Basis wird der Bundesverkehrswegeplan fortgeschrieben werden. Dazu habe ich dem zuständigen Ausschuß des Bundestages ja ausführliche Informationen gegeben. Wir werden dabei zu beachten haben, daß wir mehr als in den vergangenen Jahren dafür sorgen, daß der Bestand der Infrastruktur gesichert und erhalten bleibt. Wir haben in den letzten Jahren - das ist mein Vorwurf an Sie -, was die Infrastruktur angeht, in Deutschland in erheblichem Maße von der Substanz gelebt. Daran kranken wir heute, und da müssen wir nacharbeiten. ({10}) Sie hatten offensichtlich großen Spaß daran, mit neuen Projekten zu prunken. Das verstehe ich auch. Aber der Bestand muß erhalten und gesichert bleiben. Das gilt ganz besonders für die Schiene, wo in den nächsten Jahren unendlich viel nachzuholen ist. Daran werden wir arbeiten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fischer? ({0})

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Bitte schön, Frau Präsidentin.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich verstehe nach wie vor nicht, wie Sie die Ankündigung, daß mehr für die Substanzerhaltung bei den Bundesfernstraßen geschehen muß, mit dem Beschluß der Koalition zum Haushalt, diese Mittel um 50 Millionen DM zu kürzen, verbinden bzw. realisieren können. Ich verstehe es nach wie vor nicht.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Ich stelle noch einmal fest, Herr Kollege: Es werden in diesem Jahr insgesamt 386 Millionen DM mehr im investiven Bereich eingesetzt. Wenn man mehr Mittel für den Erhalt des Bestands verwendet, kann man allerdings nur weniger für Neubauten ausgeben. Das ist klar. Die Decke ist nicht lang genug, um beides gleichzeitig zu bedecken. Wir werden dafür sorgen, daß sowohl bei der Bahn als auch im Straßenbereich die vorhandene Infrastruktur voll belastbar bleibt. Wir werden auch dafür sorgen, daß es nicht wieder Situationen geben wird, die uns teuer zu stehen kommen. Wenn man zum Beispiel drei Jahre lang die Schlaglöcher einer Straße nicht flickt, dann wird die Sanierung der Straße nach fünf oder acht Jahren richtig teuer. Ähnliches gilt auch für den Schienenbereich. Deshalb werden wir besonderes Gewicht darauf legen, daß Instandhaltungsmaßnahmen rechtzeitig durchgeführt werden. ({0}) Im Bundesverkehrswegeplan wird deutlich, daß wir alle vier Verkehrsträger brauchen: die Straße, die Schiene, das Wasser und die Luft. Hier muß keiner Angst haben, daß der eine Bereich auf Kosten des anderen ausgebaut wird. Alle vier Verkehrsträger werden in gleicher Weise gebraucht. Dafür sprechen folgende markante Zahlen: In den nächsten Jahren wird das Verkehrsaufkommen weiter wachsen. Das Wachstum im Verkehrsbereich läßt sich nicht vom Wachstum des Bruttoinlandsprodukts entkoppeln. Deshalb wird das Verkehrsaufkommen in den nächsten Jahren um jeweils 2 Prozent - manche sagen: eher um 3 Prozent - steigen. Das heißt, daß in den nächsten 15 Jahren - das ist für Verkehrsplaner eine kalkulierbare Größe - das Verkehrsaufkommen im Güterbereich noch einmal um etwa 30 Prozent steigen wird. Heute werden etwa 65 Prozent der Güter auf der Straße und etwa 16 Prozent auf der Schiene transportiert. Wenn man sich vorstellt, daß das Verkehrsaufkommen auf der Straße gleichbleibt - das ist ja schon zuviel - und daß die neu benötigten Transportkapazitäten auf die Schiene verlagert werden, dann würde sich das Verkehrsaufkommen auf der Schiene verdreifachen. Das macht deutlich, vor welchen Aufgaben wir bei den verschiedenen Verkehrsträgern stehen. Wir müssen deshalb auch im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans erreichen, daß der kombinierte Verkehr eine größere Chance bekommt und daß die Verkehrsträger Straße, Schiene, Wasser und Luft in gleicher Weise optimiert werden. Nur wenn wir alle Verkehrsträger optimieren, werden wir unsere Mobilität behalten können. Mobilität, also die Fähigkeit, sich pünktlich, preiswert und ökologisch vernünftig zu bewegen, ist die Voraussetzung für Wohlstand. Wir wollen diesen Wohlstand erhalten. Wir wollen deshalb auch die Mobilität in diesem Land erhalten. Das ist keine Frage. ({1}) Die Koalition hat zugesagt, daß es eine Alternativprüfung im Bereich der großen Schienenkorridore „MitteDeutschland-Bahn“ - grob gesprochen: von Erfurt bis Görlitz, die Sachsen-Franken-Magistrale von Nürnberg bis Leipzig und die Magistrale von Erfurt nach Nürnberg geben wird. Die Prüfung ist bereits angelaufen. Wir werden uns in wenigen Wochen eine abschließende Meinung bilden. Danach werden wir die zuständigen Stellen und das Parlament informieren. Ich möchte noch etwas zur Deutschen Bahn AG und über die Schienennetze in Europa sagen. Wir haben die Harmonisierung der unterschiedlichen Eisenbahn- und Schienensysteme in Europa an die erste Stelle in den Beratungen im Verkehrsrat gesetzt. Wir brauchen eine europäische Eisenbahn. Wir werden die Frage, wie die Verkehrsträger Straße, Schiene, Luft und Wasser vernünftig miteinander kombiniert werden können, nur dann richtig beantworten, wenn wir dafür sorgen, daß die Güter, die über lange Strecken transportiert werden müssen, auf die Schiene verlagert werden. Das ist die Stärke der Schiene. Deshalb müssen die 15 verschiedenen Signal- und Leitsysteme, die fünf oder sechs verschiedenen elektrischen Systeme und die verschiedenen Schienenbreiten in Europa kompatibel gemacht werden. Wir müssen dafür sorgen, daß in Europa eine gemeinsame Politik für die Bahn gemacht wird, damit die Güter, die über lange Strecken transportiert werden müssen, von der Straße auf die Schiene verlagert werden können. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Dreßen?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Bitte schön.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ein Oppositionskollege hat vorhin behauptet, daß in BadenWürttemberg 245 Millionen DM für den Bau von Ortsumgehungsstraßen nicht mehr ausgegeben werden können, weil die Planfeststellungsverfahren älter als fünf Jahre sind und deshalb nicht mehr umgesetzt werden können. Stimmt es, daß die vorgesehenen Ortsumgehungsstraßen in Baden-Württemberg einen Gesamtwert von 1,9 Milliarden DM haben und daß auch die alte Bundesregierung Baden-Württemberg nur 200 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat? Es bedürfte doch einer immensen Anstrengung, wenn das alles in vier Jahren gebaut werden sollte.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Herr Kollege, das ist das Problem, dessen Existenz der Kollege Fischer eben bestritten hat: der Zusammenhang zwischen dem Bundesverkehrswegeplan und dem, was hinsichtlich der Planung im Lande stattfindet. Natürlich ist mit dem Bundesverkehrswegeplan, auch wenn die Finanzierung damit nicht gesichert war, im Lande die Erwartung geweckt worden, daß dies alles gebaut wird. Man hat geplant und stellt jetzt fest: Es ist mehr geplant worden, als finanziert werden kann. Hinzu kommen baurechtliche Probleme. Man kann den im Baurecht enthaltenen Zeitraum von fünf auf zehn Jahre verlängern. Das wird an einigen Stellen möglich sein. Man kann sich darüber streiten, ob ein im Baurecht verankerter Zeitraum von zehn Jahren ausreicht. Man kann mit mir über eine Verlängerung des Zeitraumes sprechen. Insgesamt wird an dieser Stelle aber deutlich: Das, was die alte Koalition im Bereich des Straßenbaus gemacht hat, war in erheblichem Umfang nach dem Modell Wunsch und Wolke gestrickt. Es hatte mit der Realität relativ wenig zu tun. ({0}) Wir haben im Haushalt eine Summe von 100 Millionen DM für den Lärmschutz entlang den Bahnstrekken eingesetzt. Das wird nicht reichen, um im ganzen Land systematisch diesen Lärmschutz zu garantieren. Aber wir werden mit diesem Geld einige wichtige Projekte in Angriff nehmen können. ({1}) Ich möchte ein Wort zu den Wohnungen des Bundeseisenbahnvermögens sagen. Ich weiß, es tut manchen Kollegen in diesem Haus weh, daß wir diese Wohnungen an ein deutsches Bieterkonsortium verkaufen wollen. Wir haben uns das nicht leichtgemacht. Wir haben den Vertrag der alten Regierung nachbessern können. Wir haben die verbriefte Wohnungsfürsorge in qualifizierter Weise und dauerhaft für die Eisenbahner - auch für die pensionierten Eisenbahner - und für ihre Familien gesichert. Es ist sichergestellt, daß die Sozialeinrichtung der Eisenbahnerwohnungen bestehen bleibt. Ich denke, man kann das verantworten, nachdem dies alles erreicht worden ist. Gestern hat nun der Hauptpersonalrat des Bundeseisenbahnvermögens der Maßnahme nicht zugestimmt. Ich habe entschieden, daß die Einigungsstelle, die für solche Fälle vorgesehen ist, angerufen wird. Die Einigungsstelle soll nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen innerhalb von zwei Monaten entscheiden. Ich bin sicher, daß das geschieht, und ich bin zuversichtlich, daß eine positive Entscheidung zustande kommt. Das heißt, daß diese Wohnungen im Sinne dessen, was wir in Verträgen fixiert haben, Eigentum des deutschen Bieterkonsortiums werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Blank?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Bitte schön.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben ausgeführt, daß Sie zum Verkauf der Eisenbahnerwohnungen stehen. Sie bemühen sich um das Zustandekommen einer Einigung über die Einigungsstelle. Gelingt dies nicht, fehlen Ihnen im Haushalt 4,6 Milliarden DM. Wie stehen Sie allerdings zu den Aussagen Ihres Nürnberger SPD-Kollegen Schmidbauer, so etwas sei ein Spekulationsgeschäft, er habe keinerlei Verständnis für die Absicht des Ministers, er mißbillige diese Entscheidung und sei vom Kurs des Ministers nicht überzeugt?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Ich selbst bin lange genug Wohnungspolitiker, um zu wissen, daß eine solche Entscheidung nicht leichtfällt. Ich habe eben deutlich gemacht: Der Verkauf ist geprüft und für gut befunden worden. Ich fühle mich völlig sicher, sowohl was die Komponente Wohnungsfürsorge als auch was die Sozialeinrichtungen angeht. Das kann man verantworten. Ich selbst werde das vor denjenigen vertreten, die betroffen sind. Ich bin sicher, daß wir eine Entscheidung im Sinne dessen bekommen werden, was wir wollen. ({0}) Ich möchte noch einen verkehrspolitisch wichtigen Punkt ansprechen. Wir wollen dazu beitragen, bald ein europäisch mitbestimmtes Satellitennavigationssystem zu bekommen und auf dieser Basis die Möglichkeiten der Telematik im Verkehr und auch in anderen Bereichen besser nutzen zu können. Wir sind heute vom amerikanischen System GPS abhängig. Das System ist nicht voll belastbar. Es wird vor allen Dingen in seiner zweiten Generation, ab dem Jahre 2008, ein System sein, bei dem wir zum Beispiel nicht mehr selbst die Freiheit besitzen, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe wir Gebühren für dieses System zu zahlen bereit sind. Deshalb wollen wir zusammen mit den anderen europäischen Ländern - dazu gibt es inzwischen eine Entscheidung des Kabinetts - ein solches Satellitensystem entwickeln und installieren. Das richtet sich nicht gegen die USA oder gegen die GUS-Staaten. Es soll möglichst mit ihnen zusammen organisiert werden und allen für zivile Zwecke zur Verfügung stehen: der Luftfahrt und eben auch dem Straßenverkehr. Aber Europa soll dabei eine wichtige Rolle spielen. Für die entsprechenden Konsortien in den EULändern ist das eine große Chance. Sie können viel dazu beitragen; bisher ist es ihnen verwehrt geblieben. Wenn man sich die heutige Ausgangssituation auf dem Satellitenmarkt anschaut, stellt man fest, daß Europa weltweit einen Anteil von 5 Prozent, nur auf Europa bezogen einen Anteil von etwa 15 Prozent hat. Wir könnten aber weltweit in der Spitzengruppe sein. Unsere Industrie ist dazu in der Lage. Wir wollen unsererseits dazu beitragen, daß von den Arbeitsplätzen, die in diesem Bereich entstehen werden, auch Deutschland und Europa profitieren. Wir wollen mit Verkehrsleitsystemen am Objekt, im Auto, in der Lokomotive oder im Schiff, stärker als bisher dafür sorgen, daß Staus im Verkehrssystem vermieden werden und die Sicherheit im Straßen- und Luftverkehr zunimmt. Von den zukünftigen Möglichkeiten der Telematik sollen natürlich auch die Unternehmen in unserem Lande profitieren, die sie in Zukunft anbieten werden. Ich bin sicher, daß sich in 10 Jahren in allen Neuwagen mehr oder weniger qualifizierte Leitsysteme befinden. Das ist gut, weil sie große Chancen für die Sicherheit und den Verkehrsfluß bieten. Sie sind kein Wundermittel, aber sie können unsere Straßen um 20 bis 30 Prozent entlasten und für weniger Staus sorgen. Dies müssen wir nutzen. Es handelt sich auch um eine große industriepolitische Chance. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Vorab gebe ich bekannt, daß verschiedene Kollegen nach § 31 der Geschäftsordnung persönliche Erklärungen zu Protokoll geben. Es handelt sich um die Kollegen Hans-Josef Fell und andere und die Kollegen Fritz Schösser und ande- re.*) Wir kommen nun zu den Änderungsanträgen. Ich rufe zunächst den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/937 auf. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe- nen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. - Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später mitgeteilt werden.**) ------ *) Anlagen 2, 3 und 4 **) Seite 3317B Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs- antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/938. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt auch hier- über namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftfüh- rerinnen und Schriftführer, die Plätze einzunehmen. Sind die Urnen besetzt? - Dann eröffne ich die Abstim- mung. - Ist noch jemand anwesend, der seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die zweite namentliche Abstimmung und bitte, mit der Aus- zählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.*) Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs- antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksa- che 14/936. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/922. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsan- trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden. Abstimmung über den Änderungsantrag der Frakti- on der PDS auf Drucksache 14/973. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungs- antrag ist mit den Stimmen des ganzen Hauses mit Ausnahme der PDS, die zugestimmt hat, abgelehnt worden. ------ *) Seite 3320A Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/974. Wer stimmt dafür? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit demselben Stimmenverhältnis ebenfalls abgelehnt worden. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/975. Wer stimmt dafür? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit demselben Stimmenverhältnis ebenfalls abgelehnt worden. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/976. Wer stimmt dafür? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen der PDS abgelehnt worden. Das Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung liegt mir bereits vor. Wir müssen aber noch das Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung abwarten, bis wir fortfahren können. Deshalb unterbreche ich jetzt die Sitzung. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 14/937 bekannt. Abgegebene Stimmen 601. Mit Ja haben gestimmt 240. Mit Nein haben gestimmt 361. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt worden. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 601; davon: ja: 240 nein: 361 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({0}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({1}) Hartmut Büttner ({2}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({3}) Peter H. Carstensen ({4}) Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({5}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({6}) Axel E. Fischer ({7}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich ({8}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({9}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Hermann Gröhe Manfred Grund Gottfried Haschke ({10}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({11}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr.-Ing Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr.-Ing. Paul Krüger Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Dr. Karl A. Lamers ({12}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({13}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({14}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({15}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({16}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Hans Michelbach Meinolf Michels Bernward Müller ({17}) Elmar Müller ({18}) Dr. Gerd Müller Günter Nooke Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({19}) Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Christa Reichard ({20}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({21}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth ({22}) Norbert Röttgen Anita Schäfer Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({23}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({24}) Andreas Schmidt ({25}) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Diethard Schütze ({26}) Clemens Schwalbe Horst Seehofer Heinz Seiffert Werner Siemann Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Peter Weiß ({27}) Gerald Weiß ({28}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({29}) Hans-Otto Wilhelm ({30}) Klaus-Peter Willsch Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({31}) Jörg van Essen Gisela Frick Horst Friedrich ({32}) Rainer Funke Joachim Günther ({33}) Dr. Karlheinz Guttmacher Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({34}) Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle Nein SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Dr. Hans Peter Bartels Eckhardt Barthel ({35}) Klaus Barthel ({36}) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({37}) Kurt Bodewig Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({38}) Bernhard Brinkmann ({39}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Büttner ({40}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({41}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({42}) Harald Friese Anke Fuchs ({43}) Arne Fuhrmann Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({44}) Angelika Graf ({45}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({46}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({47}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({48}) Walter Hoffmann ({49}) Iris Hoffmann ({50}) Frank Hofmann ({51}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({52}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({53}) Detlev von Larcher Christine Lehder Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({54}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({55}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({56}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({57}) Jutta Müller ({58}) Christian Müller ({59}) Andrea Nahles Volker Neumann ({60}) Gerhard Neumann ({61}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({62}) Birgit Roth ({63}) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({64}) Ulla Schmidt ({65}) Silvia Schmidt ({66}) Dagmar Schmidt ({67}) Wilhelm Schmidt ({68}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({69}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({70}) Brigitte Schulte ({71}) Reinhard Schultz ({72}) Volkmar Schultz ({73}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({74}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({75}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({76}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({77}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Helmut Wieczorek ({78}) Jürgen Wieczorek ({79}) Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Heino Wiese ({80}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({81}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({82}) Waltraud Wolff ({83}) Heidemarie Wright Uta Zapf Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({84}) Volker Beck ({85}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({86}) Joseph Fischer ({87}) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Klaus Wolfgang Müller ({88}) Kerstin Müller ({89}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Simone Probst Claudia Roth ({90}) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({91}) Werner Schulz ({92}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Dr. Antje Vollmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({93}) Margareta Wolf ({94}) PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Dr. Gregor Gysi Dr. Barbara Höll Carsten Hübner Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({95}) Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({96}) Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Ich gebe nun das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 14/938 bekannt. Abgegebene Stimmen 600. Mit Ja haben gestimmt 272. Mit Nein haben gestimmt 328. - Auch dieser Änderungsantrag ist damit abgelehnt worden. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 600; davon: ja: 272 nein: 328 JA CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({97}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({98}) Hartmut Büttner ({99}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({100}) Peter H. Carstensen ({101}) Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({102}) Axel E. Fischer ({103}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich ({104}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({105}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Hermann Gröhe Manfred Grund Gottfried Haschke ({106}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({107}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Dr. Karl A. Lamers ({108}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({109}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({110}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({111}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({112}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({113}) Elmar Müller ({114}) Günter Nooke Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({115}) Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Christa Reichard ({116}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({117}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Adolf Roth ({118}) Norbert Röttgen Anita Schäfer Hartmut Schauerte Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({119}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({120}) Andreas Schmidt ({121}) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Diethard W. Schütze ({122}) Clemens Schwalbe Horst Seehofer Heinz Seiffert Werner Siemann Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Peter Weiß ({123}) Gerald Weiß ({124}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({125}) Hans-Otto Wilhelm ({126}) Klaus-Peter Willsch Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({127}) Jörg van Essen Gisela Frick Horst Friedrich ({128}) Rainer Funke Joachim Günther ({129}) Dr. Karlheinz Guttmacher Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Sabine LeutheusserSchnarrenberger Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({130}) Cornelia Pieper Dr. Günther Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Dr. Gregor Gysi Dr. Barbara Höll Carsten Hübner Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({131}) Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Christine Ostrowski Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Winfried Wolf Nein SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({132}) Klaus Barthel ({133}) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({134}) Kurt Bodewig Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({135}) Bernhard Brinkmann ({136}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Büttner ({137}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({138}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({139}) Harald Friese Anke Fuchs ({140}) Arne Fuhrmann Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({141}) Angelika Graf ({142}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({143}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({144}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({145}) Walter Hoffmann ({146}) Iris Hoffmann ({147}) Frank Hofmann ({148}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({149}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({150}) Detlev von Larcher Christine Lehder Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({151}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({152}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({153}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({154}) Jutta Müller ({155}) Christian Müller ({156}) Andrea Nahles Volker Neumann ({157}) Gerhard Neumann ({158}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({159}) Birgit Roth ({160}) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({161}) Ulla Schmidt ({162}) Silvia Schmidt ({163}) Dagmar Schmidt ({164}) Wilhelm Schmidt ({165}) Regina Schmidt-Zadel Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({166}) Brigitte Schulte ({167}) Reinhard Schultz ({168}) Volkmar Schultz ({169}) Ilse Schumann Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({170}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({171}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({172}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({173}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({174}) Jürgen Wieczorek ({175}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Heino Wiese ({176}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({177}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({178}) Waltraud Wolff ({179}) Heidemarie Wright Uta Zapf Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({180}) Volker Beck ({181}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({182}) Joseph Fischer ({183}) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Klaus Wolfgang Müller ({184}) Kerstin Müller ({185}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Simone Probst Claudia Roth ({186}) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({187}) Werner Schulz ({188}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Dr. Antje Vollmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({189}) Margareta Wolf ({190}) Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({191}) Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU Damit kommen wir zum Einzelplan 12 in der Ausschußfassung. Die Fraktion der F.D.P. verlangt zu einem Titel getrennte - namentliche - Abstimmung, nämlich zu Kapitel 12 03 Titel 882 61, Zuweisung für den Bau des Ems-Sperrwerkes. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Ich eröffne die Abstimmung. Ist jemand anwesend, der in dieser dritten namentlichen Abstimmung seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich die Sitzung. ({192})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe jetzt die übrigen Titel des Einzelplans 12 in der Ausschußfassung auf. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die übrigen Titel des Einzelplans 12 sind mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen. Ich gebe jetzt das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Kapitel 12 03 Titel 882 61, Zuweisung für den Bau des Ems-Sperrwerkes, bekannt. Abgegebene Stimmen 606. Mit Ja haben gestimmt 569, mit Nein haben gestimmt 32, Enthaltungen 5. Kapitel 12 03 Titel 882 61 ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 605; davon: ja: 569 nein: 31 enthalten: 5 Ja SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({0}) Klaus Barthel ({1}) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({2}) Kurt Bodewig Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({3}) Bernhard Brinkmann ({4}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Büttner ({5}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({6}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({7}) Harald Friese Anke Fuchs ({8}) Arne Fuhrmann Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({9}) Angelika Graf ({10}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({11}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({12}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({13}) Walter Hoffmann ({14}) Iris Hoffmann ({15}) Frank Hofmann ({16}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({17}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({18}) Detlev von Larcher Christine Lehder Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({19}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({20}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({21}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({22}) Jutta Müller ({23}) Christian Müller ({24}) Andrea Nahles Volker Neumann ({25}) Gerhard Neumann ({26}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos Renßé Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({27}) Birgit Roth ({28}) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({29}) Ulla Schmidt ({30}) Silvia Schmidt ({31}) Dagmar Schmidt ({32}) Wilhelm Schmidt ({33}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({34}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({35}) Brigitte Schulte ({36}) Reinhard Schultz ({37}) Volkmar Schultz ({38}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({39}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({40}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({41}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({42}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({43}) Jürgen Wieczorek ({44}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Heino Wiese ({45}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({46}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({47}) Waltraud Wolff ({48}) Heidemarie Wright Uta Zapf Peter Zumkley CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({49}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({50}) Hartmut Büttner ({51}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({52}) Peter H. Carstensen ({53}) Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({54}) Axel E. Fischer ({55}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich ({56}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({57}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Hermann Gröhe Manfred Grund Gottfried Haschke ({58}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({59}) Hansgeorg Hauser ({60}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Dr. Karl A. Lamers ({61}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({62}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({63}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({64}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({65}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({66}) Elmar Müller ({67}) Günter Nooke Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({68}) Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Christa Reichard ({69}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({70}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Adolf Roth ({71}) Norbert Röttgen Anita Schäfer Hartmut Schauerte Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({72}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({73}) Andreas Schmidt ({74}) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Diethard W. Schütze ({75}) Clemens Schwalbe Horst Seehofer Heinz Seiffert Werner Siemann Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Peter Weiß ({76}) Gerald Weiß ({77}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({78}) Hans-Otto Wilhelm ({79}) Klaus-Peter Willsch Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Benno Zierer Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({80}) Volker Beck ({81}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({82}) Joseph Fischer ({83}) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Oswald Metzger Klaus Wolfgang Müller ({84}) Kerstin Müller ({85}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Simone Probst Claudia Roth ({86}) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({87}) Werner Schulz ({88}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Helmut Wilhelm ({89}) Margareta Wolf ({90}) F.D.P. Hildebrecht Braun ({91}) Jörg van Essen Gisela Frick Horst Friedrich ({92}) Rainer Funke Joachim Günther ({93}) Dr. Karlheinz Guttmacher Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({94}) Vizepräsidentin Dr. Anje Vollmer Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle Nein BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Sylvia Voß PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Dr. Gregor Gysi Dr. Barbara Höll Carsten Hübner Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({95}) Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Petra Pau Gustav-Adolf Schur Dr. Winfried Wolf Enthalten SPD Antje-Marie Steen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt PDS Dr. Uwe-Jens Rössel Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({96}) Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU Damit ist auch der Einzelplan 12 insgesamt angenommen. Ich unterbreche jetzt die Sitzung für etwa eine Stunde. Der Wiederbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal bekanntgegeben. Die Sitzung ist hiermit unterbrochen. ({97})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe auf: 23. Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Drucksachen 14/615, 14/622 Berichterstattung: Abgeordnete Waltraud Lehn Jochen Borchert Oswald Metzger Heidemarie Ehlert Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU, ein Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. und zwei Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über einen Änderungsantrag namentlich abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Peter Paziorek.

Dr. Peter Paziorek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001685, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Haushaltsplan der rotgrünen Regierung ist ein Haushaltsplan der umweltpolitischen Untätigkeit. ({0}) Er ist damit ein Spiegelbild der Leistungsbilanz dieses Bundesumweltministers. ({1}) Uns hat diese Tatsache eigentlich nicht überrascht. Am Anfang der Tätigkeit der neuen Regierung, als die Kabinettsliste bekanntgegeben wurde, fragten die Journalisten danach, welche umweltpolitischen Tätigkeiten der neue Umweltminister bis dahin entfaltet hatte. Sie waren ganz erstaunt, festzustellen: Umweltpolitische Schwerpunkte gab es in seinem politischen Leben vorher nicht. Genau dieser Weg zeigt sich jetzt in diesem Haushaltsplan. Deshalb möchte ich in Erinnerung rufen, was der Bundesumweltminister bisher erreicht hat. Die Liste ist nicht lang. Sie, Herr Minister, haben sich selbst ein Atomausstiegsfiasko beschert und eine unsinnige, unter Umweltschutzgesichtspunkten sogar schädliche Ökosteuer mit initiiert. Das war es; mehr haben Sie nach 7 Monaten im Amt als Bilanz nicht vorzuweisen. Diese Bilanz ist miserabel. ({2}) Dabei trägt der Bundesumweltminister eine hohe fachliche Verantwortung für eine vernünftige Lösung der Entsorgungsfrage in der Atompolitik, für das Erreichen des von uns allen gesetzten Klimaschutzziels, für die Erarbeitung eines Umweltgesetzbuches usw. Ich stelle fest: Der Bundesumweltminister ist dieser Verantwortung unter keinem Gesichtspunkt gerecht geworden. ({3}) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Wie widersprüchlich die Umwelt- und Energiepolitik des Umweltministers konzipiert ist, läßt sich an den Ausstiegsplänen hinsichtlich der Kernenergie eindeutig belegen. ({4}) Sie, Herr Minister, haben in der Umweltausschußsitzung am 20. Januar noch ganz stolz erklärt: In einem ersten Schritt werden wir das Atomgesetz novellieren. Wir haben uns in der vergangenen Woche auf einen Gesetzentwurf geeinigt. - Sie haben dann weiter ausgeführt: Er enthält unter anderem die Streichung des Förderzwekkes, das Verbot von Genehmigungen für neue Atomkraftwerke und Wiederaufbereitungsanlagen. So ging es weiter. Nur, bis jetzt hat niemand im Umweltausschuß und niemand in diesem Hause diesen Gesetzentwurf gesehen. Er ist bei uns nicht angekommen. So verhält es sich bei Ihnen eben mit Ankündigungen und deren tatsächlicher Umsetzung. Ein Ausstieg aus der Kernenergie ist natürlich auch inhaltlich mit dem Hauptanliegen unserer gemeinsam verabredeten Klimaschutzpolitik überhaupt nicht zu vereinbaren. Es steht doch selbst im rotgrünen Koalitionsvertrag, daß sich die Bundesregierung in allen Bereichen für den Schutz des Klimas einsetzen wolle. Nun wissen wir aber, daß in Deutschland dank der Kernenergie jährlich zwischen 100 Millionen t - so die eine Rechnung und 160 Millionen t CO2 - so die andere Rechnung - im Vergleich zur Stromerzeugung selbst mit modernsten Kohlenkraftwerken vermieden werden. Wir sind uns alle gemeinsam darüber im klaren, daß wir als Industriestaat zuviel CO2 in die Atmosphäre ausstoßen. 1997 haben wir uns in Kioto verpflichtet, bis zum Jahre 2008 den CO2-Ausstoß, verglichen mit dem Jahr 1990, um zirka 200 Millionen t zu reduzieren. Das ist eine gewaltige Herausforderung. Wenn nun aber alle Kernkraftwerke abgestellt würden, dann erhöhte sich das Ziel noch einmal um 100 bis 160 Millionen t CO2. Das wären insgesamt nahezu 350 Millionen t CO2. ({5}) - Herr Müller, Sie wissen doch ganz genau, daß das stimmt. Sie müssen das jetzt nur rufen, um von Ihrer unsinnigen Ausstiegspolitik abzulenken. ({6}) Es ist spannend, zu hören, wie Sie, wenn Sie bei Ihrer überzogenen, unrealistischen und wissenschaftlich überhaupt nicht nachvollziehbaren Kernenergieausstiegspolitik verbleiben, das Ziel erreichen wollen, im Schnitt fast 1 Million t CO2 täglich bis zum Jahre 2008 abzubauen. ({7}) - Herr Müller, wenn das alles so einleuchtend wäre, wie Sie das gerade rufen, dann frage ich mich, warum der Bundesumweltminister den Entwurf eines Atomausstiegsgesetzes, den er am 20. Januar im Umweltausschuß angekündigt hat, bis heute nicht eingebracht hat. Oder geht es bei Ihnen nur um vielleicht noch unklare betriebswirtschaftliche Fragen? Die Antwort wäre interessant. Sie haben den Gesetzentwurf noch nicht eingebracht, weil Sie kein schlüssiges Konzept dafür haben, wie mit Ihrer Ausstiegspolitik eine sinnvolle Klimaschutzpolitik verbunden werden soll. ({8}) Das ist das Hauptproblem Ihrer ganzen Ankündigungen, meine Damen und Herren. ({9}) Sie haben bis jetzt auch den Zweiflern in der Wissenschaft keine überzeugende und schlüssige Antwort geben können. Deshalb flüchten Sie - die Regierung und Ihr ganzes Haus - nun aus der Verantwortung, und zwar mit dem Motto - ich zitiere -: Wir werden im Laufe eines Jahres an einem runden Tisch mit den gesellschaftlichen Gruppen ein solches schlüssiges Konzept erarbeiten. Damit geben Sie zu erkennen: Sie haben zum jetzigen Zeitpunkt dieses schlüssige Konzept noch nicht. Ich warne Sie: Schieben Sie die Verantwortung in dieser Frage nicht auf die gesellschaftlichen Gruppierungen ab! Sie können und müssen sich mit diesen gesellschaftlichen Gruppierungen auseinandersetzen, unbestritten. Aber wir werden es Ihnen nicht durchgehen lassen, wenn Sie später die Verantwortung für eine gescheiterte Klimaschutzpolitik auf die gesellschaftlichen Gruppen abschieben wollen. Das wird es mit uns nicht geben. Sie stehen in der Pflicht, zunächst ein Konzept vorzulegen, nicht die anderen. ({10}) Die Ökosteuer, die Sie durchgesetzt haben, wird an dieser drohenden negativen CO2-Bilanz Ihrer Politik nicht viel ändern. Die Ökosteuer belegt nur, wie konzeptlos Rotgrün in den letzten Wochen umweltpolitisch agiert hat. Dieses Gesetz hat nichts mit Ökologie zu tun, wohl aber eine ganze Menge mit Steuererhöhungen und Abkassieren. Sie behaupten, mit diesem Gesetz eine doppelte Dividende einfahren zu können. Sie spekulieren auf eine Verbesserung von Umweltqualität. Das ist schon die erste Fehlspekulation. Weiterhin argumentieren Sie immer wieder mit einer ökologischen Lenkungsfunktion. Man muß ganz klar sagen: Eine ökologische Lenkungsfunktion ist bei dieser sogenannten Ökosteuer überhaupt nicht zu erkennen. Es ist schon ein tolles Stück, wenn im Augenblick in den kommunalen Parlamenten berichtet wird, daß zum Beispiel der öffentliche Personennahverkehr teurer wird. Sie haben in den Kommunen immer wieder das Umsteigen vom Auto auf den ÖPNV propagiert. Aber gleichzeitig sagen Sie den Leuten: Wir haben jetzt eine Steuer eingeführt, die zum Beispiel die Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs im ländlichen Raum noch verteuert. Ich frage Sie: Wo ist bei einem solchen Gesetz die umweltpolitische Lenkungswirkung? - Sie ist nicht vorhanden. Es ist ein reines Abkassiermodell. ({11}) Die Beispiele Atomausstieg und Ökosteuer belegen, wie wenig bei der Regierung in der Umweltpolitik die Gedanken noch zusammenpassen. Sie propagieren vollmundig den Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie, müssen aber gleichzeitig zugeben, daß Sie ein geschlossenes energiewirtschaftliches Alternativkonzept noch gar nicht haben. Da liegt ja auch der tiefere Grund für die Auseinandersetzungen zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Umweltministerium. Sie sprechen von der ökologischen Lenkungswirkung Ihrer sogenannten Ökosteuer und wollen letztlich auch damit nur dem Finanzminister die Taschen füllen. Es wird immer deutlicher, welch geringe Rolle die Umweltpolitik bei SPD und Grünen in den letzten Wochen und Monaten gespielt hat und zukünftig spielen wird. Sie, SPD und Grüne, sind keine Umweltparteien mehr. ({12}) - Das waren sie auch nie; Sie haben recht. Aber das Erstaunliche dabei ist, wie diese Entwicklung eigentlich ohne Diskussion in Ihren Parteien und Fraktionen hingenommen wird. Der geringe Stellenwert der Umweltpolitik auf Ihrer politischen Agenda in den letzten Monaten hat sicherlich auch damit zu tun - das ist nun einmal so; das können wir bedauern -, daß Sie in der Regierung sind und nun merken, daß sich die oberflächliche Instrumentalisierung der Umweltpolitik zugunsten Ihrer parteipolitischen Ziele so einfach nicht mehr umsetzen läßt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie in unserer Regierungszeit sowohl Vertreter der SPD als auch Vertreter der Grünen aus der Opposition heraus ({13}) völlig ohne Realitätsbezug überzogene Maßnahmen gefordert, überzogene finanzielle Forderungen für ihre Umweltziele gestellt haben und mit welcher Härte sie, auch in der Wortwahl, unsere Umweltpolitik einschließlich der Politik unserer Umweltministerin Angela Merkel angegriffen haben. Jetzt gibt es Berichte an den Umweltausschuß von Ihnen - auch am 20. Januar -, in denen Sie auf einmal die Umweltpolitik auch auf europäischer Ebene loben. Sie, Herr Minister, haben wörtlich davon gesprochen, daß Europa sich als umweltpolitischer Motor der internationalen Klimaschutzpolitik dargestellt hat. Als Frau Merkel das im Ausschuß dargelegt hat, als Frau Merkel das hier im Plenum dargelegt hat, haben Sie das bestritten. Ein paar Wochen später, als Sie in der Regierung sind, sagen Sie: Jawohl, das stimmt; es ist eine hervorragende Umweltpolitik auf europäischer Ebene gemacht worden. Sie erkennen jetzt, daß Sie mit dieser oberflächlichen Beschreibung und mit diesem oberflächlichen Einsatz der Umweltpolitik zugunsten parteipolitischer Ziele in der Regierung nicht mehr weiterkommen. Sie haben Ihre Forderungen in den letzten Jahren immer gleich begründet, nämlich letztlich - auch Sie, Frau Ganseforth - mit Katastrophenszenarien und Untergangsszenarien. Sie befinden sich nun - das kann ich auch verstehen - in großen inhaltlichen Schwierigkeiten, weil Sie Ihren bisherigen Stil als Regierungspartei nicht mehr fortsetzen können. Es wird ja immer deutlicher, wenn man mit vielen Vertretern von Umweltschutzverbänden spricht, daß die Beschreibung von Weltuntergangsszenarien - Herr Müller, Sie haben das mehrfach im Plenum so vorgetragen - für eine sinnvolle Umweltpolitik völlig kontraproduktiv ist. Frau Homburger hat voll und ganz recht: Derartige Szenarien haben der Sache des Umweltschutzes nie genützt und werden auch in Zukunft wertlos bleiben. Wer Umweltprobleme immer so beschreibt, als wären sie in einer modernen Gesellschaft überhaupt nicht lösbar oder als könnten sie nur durch eine total veränderte Lebensweise gelöst werden, der kann letztlich dem Bürger eine aufgeklärte Umweltpolitik überhaupt nicht mehr vermitteln. ({14}) Wir müssen erkennen: Wir werden mit unserer Umweltpolitik nur erfolgreich sein, wenn wir dem Bürger darlegen, daß wir die Probleme Schritt für Schritt im Sinne einer vernünftigen, rational begründeten Umweltpolitik lösen wollen. Deshalb wird es gerade in dieser Frage darauf ankommen, einen völlig neuen Stil zu entwickeln und einen neuen Diskurs zu starten. Herr Minister Trittin, zu einer solchen Haltung haben Sie sich nicht durchgerungen. Sie wollen das wohl auch nicht. Aus diesem Grunde ist Ihre Umweltpolitik - wie man an diesem Haushalt sehen kann - nichts anderes als die Politik der großen, aber auch der leeren Worte und der Untätigkeit im konkreten Fall. Das ist die bisherige Bilanz Ihrer Umweltpolitik in den letzten sechs Monaten. ({15}) Sie haben zwar versucht, die Widersprüche zu überspielen. Sie haben auch gegenüber den europäischen Partnern eine Atomausstiegspolitik nach dem Motto gemacht: Hoppla, jetzt komm‘ ich! Alle in Europa hören auf mein Kommando! - Sie haben wohl gar nicht verstanden, daß man mit europäischen Partnern und Freunden, auch wenn es unterschiedliche inhaltliche Positionen gibt, so nicht umgehen kann. Gleiches gilt für die Umweltpolitik, so wie sie sich in den Verlautbarungen des rotgrünen Lagers darstellt. Deshalb sage ich an die Adresse der Koalition: Wir werden mit überzogenen Zielvorstellungen die Probleme der Zukunft nicht lösen können. Worauf kommt es jetzt in den nächsten Monaten an? Wir alle in diesem Hause sind uns in dem Punkt einig, daß gerade vor der Wende zum nächsten Jahrtausend die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen ein zentrales Zukunftsproblem ist, das wir gemeinsam bewältigen müssen. ({16}) Das in Rio beschlossene Leitbild der nachhaltigen Entwicklung - darüber gab es in diesem Hause KonDr. Peter Paziorek sens - ist darauf ausgerichtet, gerechte Chancen für alle Staaten der Erde zu schaffen. Deshalb sind gerade wir als Industrieländer verpflichtet, immer wieder zu prüfen, ob wir unsere Produktions- und Konsumweisen im Hinblick auf die begrenzten natürlichen Ressourcen und Möglichkeiten noch aufrechterhalten können. Aber ein schrittweises, unter Standortgesichtspunkten verträgliches Umsteuern wird nur gelingen, wenn auf allen Ebenen - sowohl auf staatlicher und politischer wie auch auf privater und wirtschaftlicher Ebene - alle Entscheidungsträger in einen solchen Prozeß tatsächlich einbezogen werden und wenn wir im Sinne der Agenda 21 auf allen politischen Ebenen und in allen Bereichen der Gesellschaft unsere Kräfte bündeln. Diesen Weg hat mit großem Erfolg Angela Merkel beschritten, ({17}) als sie zum Beispiel alle relevanten Umwelt- und Wirtschaftsverbände zu einem Dialog eingeladen hat und diesen Dialog sinnvoll geführt hat. ({18}) Sie aber, Herr Trittin, stoßen die Menschen vor den Kopf, wenn Sie meinen, Sie könnten durch eine Nadelstichpolitik Investitionen unwirtschaftlich machen oder mit einer Ökosteuer private Haushalte nur zu Steuern und Abgaben heranziehen. Sie haben noch nicht erkannt, daß man im Rahmen einer modernen Umweltpolitik Menschen, Vereine und Organisationen - kurz: die gesamte Gesellschaft - auch davon überzeugen muß, daß das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung von allen getragen werden muß. Ihr Stil und Ihr Weg sind falsch. Somit stellt sich die Frage, ob dieser Weg im Sinne einer aufgeklärten Umweltpolitik in Deutschland weiterhin so beschritten werden kann. Wir sagen: Nein, es ist der falsche Weg; er führt leider in eine falsche Richtung. ({19}) Ihre Umweltpolitik ist konturenlos. Sie konzentriert sich nur auf ein einziges Thema, nämlich auf den Atomausstieg. Dadurch wird deutlich, welche anderen wichtigen Bereiche Sie vernachlässigen und daß Sie in weiten Bereichen der Umweltpolitik kein Konzept und keine Politik haben, die geeignet sind, die Herausforderungen des nächsten Jahrtausends tatsächlich zu bewältigen. Konzeptionslos und verschwommen: So muß Ihre Umweltpolitik leider bezeichnet werden. Deutschland braucht eine andere Umweltpolitik als diejenige, die Sie vertreten. ({20}) Herr Minister, Sie haben die Chancen für den Beginn einer neuen Umweltpolitik nicht sinnvoll genutzt. Das Traurige ist, daß Sie in der Umweltpolitik die Weichen falsch gestellt haben. ({21}) - Herr Kubatschka, ich habe es gerade deutlich ausgeführt; aber es ist genauso wie im Umweltausschuß. Sie wollen die Ausführungen zur Ökosteuer nicht wahrnehmen. Sie wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, daß der von Ihrer Koalition getragene Minister im Umweltausschuß erklärt hat: „Wir haben uns in Sachen Atomausstiegspolitik geeinigt“, obwohl in dieser Beziehung nichts kommt. Wir können der Presse entnehmen, daß selbst das einzige Thema, von dem der Minister sich vorgenommen hat, es in den ersten Monaten seiner Regierungszeit zu bewältigen, im Augenblick irgendwo versackt und versandet ist. Es ist weder im Umweltausschuß noch im Plenum angekommen. Herr Kubatschka, daraus kann ich nur die Schlußfolgerung ziehen: Mitglieder Ihrer Fraktion und vielleicht auch Sie haben erkannt, daß viele dieser Weichenstellungen falsch sind. Sie haben mitgeholfen, daß manches von dem, was vollmundig angekündigt worden ist, aber nicht realitätsbezogen ist, dieses Haus noch nicht erreicht hat. Es kann nicht so weitergehen, daß wir Umweltpolitik in dieser Form gestalten. Deshalb lautet heute abend unser Appell an Sie als Mitglieder der rotgrünen Regierungskoalition und an Sie persönlich, Herr Minister: Machen Sie Schluß mit einer einseitigen Politik, die nur auf den Atomausstieg konzentriert ist! Machen Sie Schluß damit, daß Ihre Politik auf ein einziges Thema verengt ist, um damit Ihre Parteibasis, Ihre Parteiorganisation und letztlich auch Ihre Fraktion hinter sich zu bekommen! Helfen Sie mit, in Deutschland eine Umweltpolitik zu gestalten, die sämtliche Herausforderungen annimmt und internationalen Standards entspricht! Sie haben mit diesem Haushaltsplan diese Möglichkeiten nicht ergriffen. Sie haben mit diesem Haushaltsplan nicht belegt, daß Sie diese Weichenstellungen vornehmen wollen. Aus diesem Grunde können wir diesem Haushaltsplan nicht zustimmen. ({22})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die SPDFraktion spricht jetzt die Kollegin Waltraud Lehn.

Waltraud Lehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002719, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Paziorek, Ihr Vorwurf, der von uns vorgelegte Haushalt sei ein Haushalt der Untätigkeit, veranlaßt mich zu folgenden Bemerkungen am Beginn: Sie haben es wirklich nötig, diesen Vorwurf zu erheben. Ihre Tätigkeit im Umweltbereich bestand doch darin - man kann schon fast von Jahrzehnten sprechen -, Probleme schlichtweg auszusitzen. Was den Energiebereich angeht, kann man hinzufügen, daß das Augenzumachen das Höchstmaß der Bewegung bei Ihnen darstellt. ({0}) Zur langjährigen Problemverdrängung kommt heute die Realitätsverdrängung hinzu. Ein Blick in den Haushalt hätte Ihnen hier wirklich weitergeholfen. Es wäre bei den Vorbereitungen auf die heutigen Beratungen wirklich nicht zuviel verlangt gewesen, wenn Sie das gemacht hätten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem ersten Haushalt der rotgrünen Regierung haben wir auch im Umweltbereich eindeutig Prioritäten gesetzt ({1}) und einen Politikwechsel eingeleitet. ({2}) Der Schutz der Umwelt und die Sicherung der Ressourcen ist eine der wichtigsten Aufgaben einer modernen Gesellschaft. Wir sind es unseren Kindern und Enkeln schuldig, ihnen eine intakte und lebenswerte Umwelt zu übergeben. Auch in diesem Sinne gibt unser Haushalt nicht nur eine Antwort auf gegenwärtige Probleme, sondern auch eine Basis für die Zukunft. Wir haben in einem ersten Schritt nur einen Teil - sicherlich nicht alle - unserer umweltpolitischen Ziele im Haushalt verankert. Dabei hat uns das finanzpolitische Chaos, das uns die alte Bundesregierung hinterlassen hat, leider nur wenig Spielraum gelassen. ({3}) - Ich kann verstehen, daß Sie das nicht gerne hören wollen, aber wenn man jede vierte Mark für Schulden, die Sie, CDU/CSU und F.D.P., gemacht haben, ausgeben muß und nicht mehr zur Verfügung hat, dann kann man das mit Erblast nur noch unzureichend beschreiben. ({4}) Mit dem Umsteuern, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir gleichwohl begonnen, insbesondere in der Frage der Endlager. Aber auch eine Erweiterung der gegenseitigen Deckungsfähigkeit und damit die flexiblere Verwendung bereitgestellter Mittel sind hier zu nennen. Größere Änderungen klassischer Ausgabenpositionen setzen allerdings eine kritische und sorgfältige Bestandsaufnahme und Analyse voraus. Auch für den Umwelthaushalt gilt: Effizienz und Zielgenauigkeit sind gerade bei Sparzwang im Umgang mit den Mitteln unverzichtbare Bestandteile. Inhaltliche Ziele erreicht man eben nicht nur dadurch, daß einfach nur zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Wenn sie die Fähigkeit zu ein wenig Selbstkritik und ein wenig Sachlichkeit hätten, müßten das auch die Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und F.D.P. zugeben. Deren Aktivitäten haben sich in den Beratungen bislang darin erschöpft, die alten Anträge von SPD und Grünen aus der letzten Legislaturperiode auszugraben. ({5}) Auch das beweist uns, Herr Paziorek: Die neue Opposition hat keine eigenen Ideen. ({6}) Sie verzichtet darauf, Zukunft zu gestalten. Sie leben ja nicht einmal mehr in der Gegenwart, Ihr Blick ist nur noch rückwärts gewandt. ({7}) Die SPD-Fraktion und die rotgrüne Koalition insgesamt haben Ziele und Perspektiven, ({8}) mit realistischem Blick für die Möglichkeiten auch und gerade in finanzieller Hinsicht, mit Mut zum Umdenken und mit der Kraft, Neues zu gestalten. Wir ändern das Endlagerkonzept und leiten den Ausstieg - auch wenn es Ihnen nicht paßt - aus der Kernenergie ein. Wir fördern erneuerbare Energien durch ein Programm, das Marktanreize schafft und durch die Ökosteuer gegenfinanziert wird. Wir haben ein 100 000-Dächer-Programm zur Förderung der Photovoltaikanlagen auf den Weg gebracht. Wir erhöhen die Mittel zur Förderung des Naturschutzes und steigern die Fördermittel für Projekte der Umwelt- und Naturschutzverbände. ({9}) Trotz der Vorgabe, in diesem Haushalt - wie auch in allen Haushalten - 0,5 Prozent einzusparen, ist es uns gelungen, insgesamt wichtige Akzente zu setzen. Wir haben die Kürzungen nämlich so vorgenommen, daß die Qualität unserer umweltpolitischen Ziele nicht berührt und die Funktionsfähigkeit des Ministeriums nicht beeinträchtigt wird. Etwas weniger Mittel beispielsweise für die Einrichtungen von Dienstzimmern sind wahrlich verkraftbar; das beeinträchtigt die Umweltpolitik nicht. Nun könnte ein oberflächlicher Blick auf den Haushalt allerdings zu einem erschreckten Zusammenzucken führen, denn im Vergleich zum Vorjahr sinken die Ausgaben um 7,2 Prozent auf 1,126 Milliarden DM. Also weniger Mittel für Umwelt und Naturschutz ausgerechnet bei einer rotgrünen Koalition? Natürlich trifft das nicht zu, im Gegenteil. Beim Umwelthaushalt gibt es nämlich den ganz besonderen Sachverhalt, der die Entwicklung verzerrt, und das ist die Absenkung der Mittelansätze im Endlagerbereich. Die Ausgaben im Endlagerbereich gehen weit überproportional zurück, und zwar um 172,5 Millionen DM. Damit setzen wir eine unserer Koalitionsvereinbarungen zum Ausstieg aus der Atomenergie und zur Änderung des Endlagerkonzeptes um. ({10}) Wir lösen damit die arrogante Politik der alten Bundesregierung ab, die jahrelang den Willen der Menschheit ({11}) der Mehrheit der Menschen in diesem Land ignorierte. ({12}) - Sehen Sie, im Gegensatz zu Ihnen merke ich manchmal meine Fehler und kann mich noch korrigieren. Ich wünschte, Sie hätten so viel davon. ({13}) Seit langem hat sich in der Bevölkerung ein Meinungswandel vollzogen. Es sind nicht mehr nur einige „Spinner“, sondern es ist die überwiegende Mehrheit der Menschen, die immer größere Bedenken gegen die Kernenergie haben und deshalb den Ausstieg wollen. Die alte Bundesregierung hat trotzdem bis zu ihrer Abwahl starr an ihrem verfehlten Konzept festgehalten, und das werden wir ändern. ({14}) Es wird nur noch ein einziges Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle geben. ({15}) - Die Frage nach dem Ort bereitet Ihnen Kopfzerbrechen, denn die Tatsache, daß wir hier etwas Bewegung machen, hat ja ganz Bayern, jedenfalls auf seiten der CSU, ins nachdenkliche Chaos gestürzt. ({16}) Das müssen Sie einmal mit Ihren Kollegen besprechen. Das Planfeststellungsverfahren für das Projekt Schacht Konrad soll nur noch im notwendigen Umfang entsprechend der Abstimmung mit Niedersachsen bis zu einer Entscheidung fortgeführt werden. Die Änderung der Endlagerkonzeption macht ein deutliches Absenken der bisherigen Ansätze möglich. Der Stammhaushalt der BMU, aus dem die umweltpolitischen Ausgaben finanziert werden, steigt um 0,9 Prozent und beträgt jetzt immerhin 728,4 Millionen DM. Trotz der schwierigen finanzpolitischen Rahmenbedingungen für den Haushalt 1999 ist es uns gelungen, in umweltpolitisch wichtigen Bereichen Prioritäten zu setzen und deutliche Aufstockungen der Mittel vorzunehmen. Hervorheben möchte ich hier insbesondere die Erhöhung des Ansatzes für den Naturschutz. Hier steigen die Fördermittel um 5,9 Millionen DM. Das ist eine Erhöhung um 8,2 Prozent. ({17}) - In der Tat, das hätten Sie nicht fertiggebracht. ({18}) Das mag für Sie unglaublich gewesen sein; Sie hätten es nie geschafft, aber wir haben es geschafft. Für uns ist der Naturschutz von ganz besonderer Bedeutung, da er keine wirtschaftliche Lobby hat. Eine ausreichende staatliche Finanzierung ist daher jetzt und auch in Zukunft besonders wichtig. ({19}) Einzelne Ansätze im Naturschutzbereich steigen weit überproportional, so etwa der Ansatz für Naturschutzforschung um 19,6 Prozent auf 11,6 Millionen DM. Auch die Fördermittel für Naturschutzgroßprojekte konnten wenigstens leicht auf 43 Millionen DM erhöht werden. Eine deutliche Steigerung gibt es auch bei den Projektfördermitteln für die Umwelt- und die Naturschutzverbände. Gerade sie leisten einen wichtigen Beitrag für die ökologische Modernisierung in vielen Lebensbereichen. ({20}) Der Ansatz für die Umwelt- und Naturschutzverbände steigt um 23 Prozent auf 5,6 Millionen DM. Durch die zusätzliche Deckungsfähigkeit mit anderen Haushaltsposten haben wir hier unseren Handlungsspielraum sogar darüber hinaus noch erweitern können. Damit stehen für bundesweit bedeutsame Projekte wesentlich mehr Fördermittel zur Verfügung als unter der alten Bundesregierung. Von Untätigkeit kann somit auch nicht ansatzweise die Rede sein. ({21}) Für einen modernen Naturschutz ist die Verwirklichung des Leitbildes „nachhaltige Entwicklung“ ein wichtiger Baustein, vor allem in einem so dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik Deutschland. Solange der Verbrauch an Naturflächen, die Zerstörung gewachsener Landschaftsstrukturen und die Gefährdung biologischer Vielfalt weiterhin voranschreiten, wird sowohl bewahrender als auch auf Entwicklung bedachter Naturschutz nötig sein. Eine weitere umweltpolitisch besonders bedeutsame Änderung hat der Haushaltsausschuß im Zusammenhang mit der ökologischen Steuerreform beschlossen. Zusätzlich zum Regierungsentwurf werden in den Haushalt des Wirtschaftsministeriums 180 Millionen DM für ein Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Energien aufgenommen, das aus der Ökosteuer gegenfinanziert wird. Zusammen mit den bisher vorgesehenen 20 Millionen DM zur Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien ergibt sich ein neuer Ansatz für 1999 in Höhe von 200 Millionen DM. Damit ist der Mittelansatz zur Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien verzehnfacht worden. Dies ist ein deutliches Zeichen, in welche Richtung unsere Energiepolitik gehen wird. Für dieses Förderprogramm wird in vollem Umfang das Steueraufkommen eingesetzt, das sich aus der Besteuerung der erneuerbaren Energien ergibt. Damit ist die politische Forderung erfüllt, daß ein Ausgleich für die Einbeziehung der erneuerbaren Energien in die Strombesteuerung geschaffen werden muß. Dem Bundeswirtschaftsminister stehen die finanziellen Mittel für zahlreiche Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Profitieren werden unter anderem: Solarkollektoranlagen, Biomasse- und Biogasanlagen, geothermische Anlagen, Wasserkraftanlagen, Photovoltaikanlagen und solarthermische Anlagen zur Stromerzeugung. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch das 100 000-Dächer-Programm zur Förderung von Photovoltaikanlagen. Dieses Programm, ebenfalls angesiedelt im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers, hat, bezogen auf die nächsten beiden Jahre, ein Fördervolumen von 181 Millionen DM. Insgesamt stellt die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren mehr als 1 Milliarde DM zur beschleunigten Markteinführung erneuerbarer Energien zusätzlich bereit. ({22}) Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Energiewende, das heißt: zu einer Energieversorgung, die Umwelt und Ressourcen besser schont und vor allem die CO2-Emission vermindert. ({23}) Welche Bedeutung den erneuerbaren Energien nicht nur für eine nachhaltige Entwicklung, sondern auch als zukunftsorientierte Technologie zukommt, zeigt uns die Windenergie, wie sie sich in den letzten Jahren entwikkelt hat. Mit rund 3 000 Megawatt installierter Leistung hat diese Branche im letzten Jahr ihre weltweite Spitzenplazierung vor den USA und vor Dänemark festigen können. Dadurch konnten in diesem Bereich mittlerweile rund 15 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. ({24}) Die anderen erneuerbaren Energien sollen folgen, insbesondere die Solarenergie zur Warmwasserbereitung und Stromerzeugung, Biomasse, Biogas und weitere kleinere Wasserkraftwerke und Geothermie. Unser Ziel ist dabei eine Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien bis zum Jahre 2010. ({25}) Die alte Bundesregierung hat es versäumt, Anreize zu schaffen, vorhandene Energiesparpotentiale auszuschöpfen, erneuerbare Energien stärker auszubauen und energiesparende und ressourcenschonende Produkte und Produktionsverfahren zu entwickeln. Mit Ihrer einseitigen Ausrichtung auf die Atomenergie haben Sie Forschung und Entwicklung anderer Energieträger sträflich vernachlässigt. ({26}) - Ich wünschte, es wäre so; ({27}) denn dann brauchte ich mich nicht mit den Problemen, die Sie hinterlassen haben, so auseinanderzusetzen, wie ich das tue. ({28}) Die Alternative zur Kernenergie ist nicht die Klimakatastrophe, wie Sie ständig behaupten, sondern eine Verbesserung der Effizienz und eine Nutzung erneuerbarer Energien. Das klare Signal zum Ausstieg aus der Atomenergie setzt zugleich ein deutliches Zeichen für den Einstieg in eine verstärkte Anwendung der KraftWärme-Kopplung, des Erdgases und erneuerbarer Energien. Dies ist ein deutliches Zeichen für unsere ernstzunehmende Absicht, den weiteren Ausbau dieser umweltfreundlichen und zukunftsfähigen Energien voranzutreiben. Der Ausbau der erneuerbarer Energien sowie die Verbesserung der Energieeffizienz und Maßnahmen zur Energieeinsparung sind die Schlüsselbereiche zur Schaffung eines nachhaltigen Systems der Energieversorgung und auch der Energienutzung. Beide Strategien müssen Hand in Hand gehen; denn beide sind unverzichtbare Bestandteile einer wirksamen Klimaschutzstrategie. In einem dichtbesiedelten und hochindustrialisierten Land wie Deutschland ist die Flächennutzung als Schnittstelle zum Naturschutz ebenfalls ein wichtiger Bereich. Von besonderer Bedeutung wird in den nächsten Jahren die Fortführung der Arbeiten am Umweltgesetzbuch sein. Für all diese Aufgaben haben wir mit unserem Haushalt einen Rahmen geschaffen. Vieles bleibt noch zu tun, aber vieles kann auch mit diesem Haushalt bereits in Angriff genommen, und einige wenige gute Sachen können fortgeführt werden. Wichtig ist aber auch, daß eine effiziente Politik der Nachhaltigkeit nicht isoliert betrachtet wird, sondern in eine Gesamtstrategie eingebunden ist. Eine nachhaltige Politik kann nur erfolgreich sein, wenn an ihr nicht nur der Staat, sondern auch Unternehmen, wissenschaftliche Institute, Verbände und gesellschaftliche Gruppen mitarbeiten. Von ihnen allen können wichtige Impulse für ein gemeinsames Konzept der Nachhaltigkeit ausgehen. Umweltschutz lebt von der Kooperation und Teilhabe aller Beteiligten. Wir alle sollten uns bewußt sein, daß auch die Umweltpolitik nur als Querschnittsaufgabe im klassischen Sinn erfolgreich sein wird. Allein hat es die Umweltpolitik schwer, ihre Ziele durchzusetzen. Nur gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Politikbereiche, nicht nur der Wirtschafts- oder der Agrarpolitik, sondern nahezu aller anderen Politikbereiche ist eine effiziente Umweltpolitik möglich. Eine verbesserte Effizienz im Umweltbereich kann aber nur erreicht werden, wenn wir nicht nur in der Politik auf Kooperation setzen, sondern in der Gesellschaft insgesamt. Erfolgreiche Umweltpolitik muß sich auch daran messen lassen, ob es ihr gelingt, bei allen Teilen der Gesellschaft ein Zuständigkeits- und Verantwortungsgefühl für die Umwelt zu bewirken. Vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen, vom Chemiekonzern bis zum Landwirt, letztlich bis zu jeder Bürgerin, bis zu jedem Bürger, alle in diesem Land müssen ihre Verantwortung für eine intakte Umwelt übernehmen. ({29}) Abschließend möchte ich mich herzlich bei meinen Mitberichterstattern der anderen Fraktionen für die manchmal streitige, aber insgesamt konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Mein Dank gilt auch dem Ministerium, insbesondere den Mitarbeitern des Haushaltsreferates im Bundesumweltministerium, ({30}) die mir die Einarbeitung in den auch für mich neuen Aufgabenbereich durch exzellente und schnelle Vorund Zuarbeit sehr erleichtert haben. Bei Ihnen bedanke ich mich für das mehr oder minder geduldige Zuhören. ({31})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie alle darauf hinweisen, daß die F.D.P.-Fraktion ihren Antrag auf namentliche Abstimmung ihres Änderungsantrags auf der Drucksache 14/923 aus zeitlichen Gründen zurückgezogen hat. ({0}) Ich bedanke mich ausdrücklich - sicherlich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen - für das Entgegenkommen der F.D.P.-Fraktion. Es spricht jetzt für die F.D.P.-Fraktion die Kollegin Birgit Homburger.

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So sind wir nun doch wieder bei der F.D.P. Aber wir wollen uns nun einmal mit dem Haushalt auseinandersetzen. Wenn ich die Ankündigungen des Wahlkampfes dazu sehe: Da hätte man auf eine breite umweltpolitische Offensive schließen müssen. Insbesondere die Grünen haben geradezu eine Palette auch finanziell aufwendiger und umstrittener Umweltmaßnahmen vorgeschlagen und angekündigt. Entgegen dieser Ankündigungen ist dieser Umwelthaushalt klein, vor allen Dingen aber auch ideologisch geprägt. ({0}) Natürlich steht nicht alles im Haushalt; das wissen wir wohl. Über die Maßnahmen, die sich nicht direkt im Haushalt niederschlagen, haben wir teilweise schon geredet. Auf das eine oder andere werde ich nachher zurückkommen. Der Gesamteindruck der rotgrünen Umweltpolitik erinnert an die beliebte Fernsehserie „Pleiten, Pech und Pannen“. Eine Pleite war beispielsweise die Brennelementediplomatie des Ministers in Paris und London. Pech hatten Sie, Herr Minister, bei Ihrem Versuch, dem Kanzler und dem Kabinett fundamentale grüne Vorstellungen schmackhaft zu machen. Pannen ereignen sich schon öfter einmal, wenn Statements in englischer Sprache gegeben werden, die die Politik der eigenen Regierung als Fehler bezeichnen, oder wenn eine der Staatssekretärinnen Aufrufe gegen die Politik der Bundesregierung unterschreibt. Pleiten, Pech und Pannen sind auch beim Haushalt direkt festzustellen. Die Gesamtausgaben wurden Ihnen um 86 Millionen DM gekürzt. Da hat es Ihnen nun auch nichts genützt, daß wir als Opposition bei den Beratungen im Umweltausschuß Mittelaufstockungen für Themen und Projekte gefordert haben, von denen wir wissen, daß sie ihnen lieb sind und bei denen Sie selber, die Grünen, früher in Ihrer Oppositionszeit mehr Einsatz und mehr Mittel verlangt haben. Es erschöpft sich aber nicht darin. Wir haben eine Reihe eigener Anträge gestellt, die sich mit Ihren Vorstellungen in keiner Weise decken, wie die Ausführungen hier zeigen. Wir sind nämlich nicht mit den Etatkürzungen für die Erkundung des Salzstocks Gorleben als Endlager für stark radioaktive Abfälle einverstanden. Genausowenig sind wir mit der Kürzung der Mittel für die Fertigstellung und Inbetriebnahme der Schachtanlage Konrad als Lager für schwach radioaktive Abfälle einverstanden. In beiden Fällen ersparen Sie nämlich dem Steuerzahler keine Mark; denn die Kosten der Erkundung und des Ausbaus werden sowieso in voller Höhe von den künftigen Nutzern erstattet. Sie schaden damit natürlich der Volkswirtschaft, weil Stillstandskosten entstehen und schon getätigte Investitionen nicht zu Ende geführt werden. ({1}) Dazu kommt noch, daß Sie sagen, wir würden zukünftig nur noch ein einziges Endlager haben. Dann sagen Sie doch einmal, wo das sein sollte! Sie haben ein Konzept angekündigt, haben gesagt, daß Sie einen neuen Standort erkunden wollen, haben Mittel eingestellt, die gerade einmal dazu reichen, eine wissenschaftliche Literaturstudie zu machen. Dann hat sich die Sache erschöpft. Von einem Endlager ist da weit und breit nichts in Sicht. Dafür werden die Betreiber von Kernkraftwerken mit quasi-religiösem Eifer bekämpft, ({2}) werden mit Nadelstichen traktiert und in den Zustand der Verstopfung manövriert. Verbrauchte Brennelemente dürfen weder zur Wiederaufarbeitung geschickt noch in bereitstehende aufnahmebereite Zwischenlager transportiert werden. ({3}) Wenn die knappen Zwischenlagerkapazitäten an den Kraftwerken erschöpft sind, muß abgeschaltet werden. Darauf zielen Sie ab, das ist Ihre Strategie. Ich frage mich, Herr Trittin, wann Ihr Koalitionspartner diesen Ausstieg durch die Hintertür stoppt. Ich denke, spätestens dann, wenn es ernst wird, wird es wieder heißen: Sie sind als Tiger gesprungen und unterm Bettvorleger geendet. ({4}) Von international eingegangenen Verpflichtungen halten Sie wohl ebensowenig, sei es mit England und Frankreich auf dem Gebiet der Wiederaufarbeitung, sei es mit der Ukraine auf dem Gebiet der Stillegung alter und der sicherheitstechnischen Ausrüstung neuer Kernkraftwerke. Von all dem wollen Sie offensichtlich nichts wissen. Sie schaden mit Ihrem Vorgehen eben nicht nur dem Ansehen Deutschlands und den Exportchancen der deutschen Industrie, sondern vor allen Dingen dem Schutz der Menschen vor Unfällen in Kernkraftwerken. Deswegen verurteilen wir dieses Vorgehen und sind mit diesem Ansatz nicht einverstanden. Auch sonst scheinen Ihnen, Herr Trittin, das Ansehen Deutschlands im Ausland und die angemessene Vertretung deutscher Interessen im europäischen Rahmen nicht viel zu bedeuten. Denn anders kann ich mir nicht erklären, daß das Europäische Parlament im Februar in Straßburg die Wasserrahmenrichtlinie beraten hat, im übrigen eine Sache, die früher, als die Grünen in der Opposition waren, unheimlich wichtig war. Und wehe, wenn damals nicht die Ministerin da war, sondern womöglich ein Staatssekretär; dann war schon die Hölle los. Wo waren Sie? ({5}) Nirgends waren Sie! Sie sind mit Ihrem kompletten Gefolge nach Gorleben gereist. Dort hatten Sie schließlich auch Wichtigeres zu tun. Sie haben dort den Besetzern der Bohrtürme öffentlich versprochen, sie vor Strafverfolgung zu schützen. ({6}) International treten Sie also nur negativ auf. ({7}) Sie ergreifen keinerlei Initiativen. ({8}) - Nein, Initiativen zu ergreifen ist etwas anderes, als irgendwo aufzutreten und eine eigene Position durchzusetzen. Es geht darum, Initiativen - ich komme gleich noch darauf - zum Thema internationaler Bodenschutz und zum Thema internationaler Klimaschutz zu entwickeln. Es geht darum, daß man neue Initiativen entwickelt, um voranzukommen und internationale Verständigung zu erzielen. Da hat Deutschland immer eine wichtige Funktion gehabt, die wir jetzt nicht mehr haben, denn das findet schlichtweg nicht statt. ({9}) - Wenn man mitbekommt, was Sie bisher auf internationaler Ebene gemacht haben, wenn man Ihre Auftritte in England und Frankreich verfolgt, ({10}) ist man schon fast versucht, zu sagen, daß es vielleicht besser ist, wenn Sie keine Initiativen im Klimaschutz ergreifen. Sie würden dabei wahrscheinlich mehr kaputtmachen. ({11}) Das ist das entscheidende Manko bei der Umweltpolitik. Sie interessieren sich nur für den Atomausstieg. Dankenswerterweise hat es der Kollege von der CDU/CSU schon erwähnt. Dabei ist Ihnen jedes Mittel recht, sei es der Maulkorb, den Sie der Wissenschaft durch Zensur von Veröffentlichungen beim Bundesamt für Strahlenschutz verpaßt haben, ({12}) sei es der Versuch, die Reaktor-Sicherheitskommission und die Strahlenschutzkommission durch Satzungsänderung zu reinen Instrumenten des Ausstiegs zu degradieren. Was wir brauchen, sind nicht Wissenschaftszensur und Ideologie, sondern die Aufrechterhaltung des hohen Sicherheitsstandards in Deutschland und außerdem ein ausgewogenes Konzept für eine dauerhaft sichere Energieversorgung. Dazu gehören natürlich Energieeffizienz und die Nutzung regenerativer Energien; das haben wir auch nie bestritten und nie anders gesehen. ({13}) - Natürlich haben wir verdammt viel gemacht. ({14}) Vorhin haben Sie, Frau Kollegin Lehn, dafür als Beleg angeführt, daß wir 1998 bei der Windkraft eine Steigerung gehabt hätten und wie hervorragend das gewesen sei: In den letzten Jahren haben wir immer gehört, daß da nichts passiert. Plötzlich hören wir, daß sich zu Zeiten der alten Regierung auf diesem Gebiet etwas bewegt hat, was man jetzt zum eigenen Erfolg macht. Das klappt nicht. Man muß schon darauf hinweisen, daß da in der Vergangenheit einiges getan worden ist. ({15}) Was passiert zum Beispiel auf dem Gebiet der technisch hochinteressanten und von dynamischer Entwicklung gekennzeichneten Abfallwirtschaft? In der Koalitionsvereinbarung steht, Sie wollen den Abfallbegriff sowie die Begriffe Verwertung und Beseitigung neu definieren. ({16}) Dann definieren Sie doch einmal! Sie haben das im Umweltausschuß angekündigt. Ein paar Wochen später hat Ihre Staatssekretärin auf eine Nachfrage erläutert, man könne ein solches Konzept jederzeit vorgelegt bekommen. Wir haben es dann von seiten der F.D.P.Fraktion beantragt. Was kam, war nichts außer einer Verschiebung auf Juni, weil nämlich nichts vorliegt, weil das Thema nicht behandelt wird, weil es Sie nicht interessiert, weil es eben nicht um den Ausstieg aus der Kernenergie geht. ({17}) Das ist eine Politik, die wir nicht mitmachen. Es gibt noch mehr Felder, die in Bewegung sind und auf denen man etwas tun muß. ({18}) Für die Zeit der deutschen Präsidentschaft in der EU hatten Sie sich ebenfalls viel vorgenommen: eine Richtlinie über die Verbrennung gewöhnlicher und gefährlicher Abfälle, eine Deponierichtlinie und eine Altautorichtlinie. Von den ersten beiden haben wir nichts gehört. Die Altautorichtlinie, die, europaweit akzeptiert, auf hohem Umwelt- und Verbraucherschutzniveau im März dieses Jahres verabschiedungsreif gewesen wäre, haben Sie im Alleingang gestoppt. Gründe hierfür haben Sie keine geliefert; das scheint nicht notwendig zu sein. Solange Sie uns keine überzeugenden Gründe liefern, gehen wir davon aus, daß Sie dem Drängen der Automobilindustrie auf Weisung des Kanzlers nachgegeben haben. Es stehen jetzt insgesamt noch knapp zwei Monate der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aus. Wir sparen uns die Bilanz der restlichen EU-Vorlagen bis Ende Juni dieses Jahres auf. Nach dem, was wir bisher wissen, kann man damit rechnen, daß auch hier von dem, was großartig angekündigt wurde, nichts verwirklicht worden ist. Sie haben weiterhin mit einem Feldzug gegen den motorisierten Straßenverkehr durch die Ankündigung von Geschwindigkeitsbegrenzungen bei Sommersmogwetterlagen begonnen. Da haben Ihnen Wissenschaftler gleich widersprochen. ({19}) Auch hier geht es nicht um Sachlichkeit, sondern um Aktionismus. ({20}) Insgesamt vermisse ich bisher in der Umweltpolitik Konzepte - ein fundiertes Abfallwirtschaftskonzept, ein Luftreinhaltekonzept, ein Konzept zur Lärmbekämpfung, zur Reduktion der CO2-Emissionen im Rahmen der gegebenen Klimaschutzkonvention, zur Dämpfung der Kosten für die Entsorgung von Abwasser und Abfall sowie eine Strategie zum weiteren internationalen Vorgehen beim Bodenschutz und beim Klimaschutz. Ich stelle schlicht fest: überall Fehlanzeige, Herr Minister. ({21}) Das ökologische Konzept der sogenannten Ökosteuer, die zum 1. April 1999 in der ersten Stufe eingeführt worden ist, haben Sie uns auch noch nicht verraten. Es ist vielmehr so, daß mit dem Wörtchen „Öko“ ein Etikettenschwindel betrieben wird. Steuererhöhungen sind der eigentliche Zweck der Übung. ({22}) Ich räume natürlich gern ein, daß Ihr Einfluß auf dieses Ökosteuerkonzept begrenzt war, weil die Federführung beim Finanzminister lag. Was ich Ihnen aber vorwerfe, ist, daß Sie noch nicht einmal den Versuch unternommen haben, den Mißbrauch des Ökobegriffs für gewöhnliche Steuererhöhungen zu verhindern. Sie haben damit der Akzeptanz der Umweltpolitik und dem Engagement breiter Kreise der Bevölkerung für die Umweltpolitik einen Bärendienst erwiesen. ({23}) Sie erkennen an meinen Ausführungen, daß die F.D.P. weder diesem Haushalt noch Ihrer Politik zustimmen kann. Deswegen werden wir entsprechend abstimmen. Vielen Dank. ({24})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab ein paar Worte zu den Heldinnen und Helden der Opposition. ({0}) - Ja, die sitzen rechts, manchmal auch links, diesmal aber rechts. - Frau Homburger, Sie hätten sich eine andere Metapher ausdenken sollen; denn mit den Bettvorlegern ist das so eine Sache. Sie sprechen andauernd von Bettvorlegern, schauen aber selbst kaum darunter hervor. Das ist ein echtes Problem. Wenn Sie also diese Metapher wählen, dann bekommen Sie ein Vermittlungsproblem. ({1}) Auch der Kollege Paziorek hat einige Bonmots zum besten gegeben. Beispielsweise hat er in Frage gestellt, daß die Grünen überhaupt noch eine Umweltpartei sind. Das klingt natürlich aus dem Munde der CDU/CSU in besonderer Weise berufen. Ich denke an all die Leute, die bei Ihnen ökologisches Profil hatten: Ich fange an mit Herrn Gruhl, den Sie in die Wildnis gejagt haben. Ich ende mit Herrn Töpfer, der nach Nairobi geschickt wurde. Der fühlt sich dort gut, kommt aber hierhin und attestiert Herrn Trittin, daß die Ökosteuer eine feine SaBirgit Homburger che ist. Das wollt ihr nicht haben. Das kann ich verstehen. Aber die Umweltpartei sind wir und nicht ihr. ({2}) Zu der goldenen Zeit, als Frau Merkel noch Umweltministerin war, wurde gerne das Hohelied der freiwilligen Selbstverpflichtung und der Dialogorientierung gesungen. Feine Sache, wunderbar, nichts dagegen! Wir haben vor kurzem vom RWI den neuen Monitoring-Bericht bekommen. Die Experten des RWI beobachten systematisch die Ergebnisse der freiwilligen Selbstverpflichtungen. Wenn man das zusammenfassen will, könnte man sagen: Es war im wesentlichen weiße Salbe. Sie haben sich zu dem verpflichtet, was ohnehin passiert. - Das wäre ungefähr so, als wenn Bayern München sich heute verpflichten würde, in dieser Saison deutscher Meister zu werden. Diese Qualität hat das. ({3}) Freiwillige Selbstverpflichtungen sind eine wunderbare Sache. ({4}) Ich werde gleich, wenn ich über die ökologische Steuerreform - ({5}) - Meine Damen und Herren auf den Oppositionsbänken, etwas mehr Ruhe! Ich komme ja gar nicht zum Reden. Das ist wirklich problematisch. Wir werden auf jeden Fall in der nächsten Stufe der ökologischen Steuerreform freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft anerkennen. Dazu komme ich gleich noch. Aber sie müssen Hand und Fuß haben; sie müssen substantiell sein; sie müssen nachprüfbar sein. Das war bei den freiwilligen Selbstverpflichtungen bisher nicht der Fall. ({6}) Das Hohelied der Dialogorientierung - wer wäre dagegen? Für uns ist absolut zentral, den Dialog mit den betroffenen Menschen, mit den Gruppen und Verbänden und mit den Unternehmen zu suchen. Aber bei dem nationalen Nachhaltigkeitsdialog von Frau Merkel, dem sogenannten Round table, ({7}) waren in der ersten Runde die Verbandsfürsten da, in der zweiten Runde die Referenten und in der dritten Runde die Hilfsreferenten der Referenten. Das war die Qualität der Diskussion. Es gab keinerlei konkrete Ergebnisse. ({8}) Dialog ist gut, aber Dialog ohne Ziel führt zu nichts, führt zu politischem Attentismus. Genau das haben Sie gemacht. ({9}) Noch einmal zur ökologischen Steuerreform. Man kann es wirklich nicht mehr hören: immer die gleiche Soße, kein neues Argument. ({10}) - Aus Ihrem Munde klingt das absolut nicht berufen. ({11}) Ihr Finanzminister Waigel hat die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zweimal heftig über den Löffel balbiert: ({12}) 1991 wurde die Mineralölsteuer um 25 Pfennig erhöht, 1994 noch einmal um 12 Pfennig hoch. Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist, daß wir das Geld an die Sozialversicherung zurückgeben. Ihr habt es im allgemeinen Staatshaushalt untergehen lassen. ({13}) Nun will ich trotzdem noch einmal, weil er mir jüngst wieder in die Hände fiel, den Umweltbericht 1998 der Bundesregierung zitieren. Anscheinend nehmen Sie doch irgendeinen diffusen Zusammenhang zwischen Benzinpreisniveau und ökologischer Lenkungswirkung an. Dort heißt es nämlich wörtlich: Die Pkw-Fahrleistung - in Deutschland ist - im Zeitraum von 1990 bis 1995 ... trotz der sprunghaften Motorisierung in den neuen Bundesländern ... lediglich um 3,6 Prozent angestiegen. Nächster Satz - „Hört! Hört!“ kann man nur sagen -: Darin zeigt sich auch die dämpfende Wirkung der Mineralölsteuererhöhung von 1991 und 1994. ({14}) Da gilt es, jetzt soll es plötzlich nicht mehr gelten. Ganz so einfach kann man es sich nicht machen, Kollege Paziorek. ({15}) Jetzt komme ich zum Haushalt. Ich habe schon die Hälfte der Redezeit verbraucht, weil ich auf diese Vorwürfe eingehen muß. Aber das Parlament ist ja ein Ort des Dialogs; insofern ist das wunderbar. Kollege Paziorek, der Haushaltsplan ist keineswegs ein Dokument der umweltpolitischen Untätigkeit, wie Sie gesagt haben. Mit Verlaub: Das ist völlig daneben. Ganz im Gegenteil: Das ist ein Haushalt, der einerseits eine gewisse Kontinuität hat. Denn er ist eine Fortschreibung dessen, was vorher war. Wie sollte es auch anders sein? Aber er setzt andererseits in dem einen oder anderen Bereich auch neue Akzente. Der erste Bereich ist der Naturschutzbereich. Der zweite Bereich ist die Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung. Der dritte Bereich ist ein Umsteuern im Energiesektor. Die Kollegin Lehn hat die Haushaltsposten vorgetragen; deswegen werde ich sie hier nicht zitieren. Jedenfalls ist der Stammhaushalt des BMU zugunsten des Naturschutzes und zugunsten der Bürgerbeteiligung erhöht worden, und das ist gut so. ({16}) Wir wissen alle, daß Umweltpolitik mehr ist und mehr sein muß als das, was im Umwelthaushalt stattfindet. Das reicht nicht aus; Umweltpolitik und Nachhaltigkeit sind ein Politikfeld, das alle angeht. Herr Kollege Lippold, Sie haben das schon öfter im Ausschuß angemahnt; ich betrachte es als großen Fortschritt, daß im Jahreswirtschaftsbericht 1999 der Bundesregierung - nicht im Umweltbericht - erstmalig systematisch die ökologische Frage untersucht wird und der Zusammenhang zwischen Ökologie, Beschäftigung und Innovation hergestellt wird. Das alles hat es zu Ihrer Regierungszeit nicht gegeben. Das muß man klar festhalten. ({17}) Auch ich finde - das führt mich zu meinem nächsten Punkt -, daß der Nachhaltigkeitsgedanke - das wurde bereits von mehreren Kollegen gesagt - über den Umweltbereich hinausgeht. Ich freue mich beispielsweise, daß der Finanzminister Eichel und der Kollege Metzger in dieser Woche, jedenfalls soweit ich zugehört habe, bislang die eigentlichen Nachhaltigkeitsreden gehalten haben. Vielleicht kommt ja eine noch bessere. ({18}) Der Grundgedanke ist, daß man das Prinzip Zukunftsverantwortung nicht nur auf die Umweltpolitik, sondern auch auf die Finanzpolitik, die Haushaltspolitik und übrigens auch auf die sozialen Sicherungssysteme überträgt; da werden wir noch manche Konflikte auszufechten haben. ({19}) - Wir haben gerade erst zu regieren begonnen; vielleicht darf ich daran erinnern. - Wir dürfen nicht auf Kosten zukünftiger Generationen leben. ({20}) Die verbleibenden drei Minuten will ich verwenden, um über den Klimaschutz zu reden. Frau Homburger, es ist eine Mär, daß wir nichts zum Klimaschutz machen. Das ist natürlich völlig daneben. ({21}) Die Wahrheit ist: ({22}) Wir haben von dem Klimaschutzziel der alten Bundesregierung - 25 Prozent - 12 bis 13 Prozent erreicht. Das ist ungefähr die Hälfte. Wir alle wissen: Das ist uns im wesentlichen durch den industriellen Zusammenbruch in den neuen Bundesländern in den Schoß gefallen. Das hat mit dem Klimaschutz so viel zu tun wie die Kuh mit dem Sonntag. ({23}) Die 12 oder 13 Prozent, die wir noch schaffen müssen, bedeuten wirkliche Arbeit. Da müssen wir etwas tun. Wir haben erst Schritte unternommen. Diese reichen noch nicht aus; das wissen wir selber. Aber sie weisen in die richtige Richtung. Ich nenne hier nicht nur die ökologische Steuerreform. ({24}) - Sie kennen die Details nicht und reden immer auf der Meta-Ebene. Das ist Ihr Problem. Es geht eben nicht nur um die allgemeine Lenkungswirkung, sondern auch um die spezifische Begünstigung der Kraft-WärmeKopplung, der Blockheizkraftwerke, der erneuerbaren Energie und der Energiedienstleistungen. ({25}) - Heute herrschen eine Unruhe und ein Lärm hier. Also wirklich! Ich will hier heute nicht über die Förderprogramme reden. Was muß noch geschehen? Wir haben ein paar wichtige Themen vor uns. ({26}) - Herr Möllemann, Machogehabe klingt aus Ihrem Mund wirklich sehr berufen. Das muß ich hier einmal sagen. ({27}) Was muß noch geschehen? Wir werden sehr bald die Energiesparverordnung verabschieden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Loske, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Möllemann? ({0})

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Selbstverständlich. Ich beantworte meinem Landsmann Möllemann - er kommt aus dem Münsterland, ich aus der Soester Börde, wir sind quasi Nachbarn - gerne eine Frage.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, Herr Kollege Möllemann.

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich mir nur auf Grund Ihres Hinweises, hier sei ein solcher Lärm im Raum, erlaubt habe zu sagen: Eine einzige zarte Frau gibt einen sachdienlichen Hinweis, wie Sie auf den Weg der Tugend zurückfinden können. Das habe ich gesagt. Ich frage mich, wie Sie mit Blick auf diese dezente Bemerkung von Machogehabe sprechen können. Das irritiert mich und macht mich traurig. ({0})

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Wortkombination Möllemann und Dezenz macht mir etwas zu schaffen; das gebe ich zu. Ich bin mit Ihrem Einwand aber einverstanden. Ich habe nicht souverän auf die Situation reagiert. Danke für Ihren Hinweis. ({0}) Ich muß zum Schluß kommen, weil meine Zeit abgelaufen ist. ({1}) Ich möchte nur noch sagen: Wir wollen im Bereich der Energieeffizienz, der Energieeinsparungen, der umweltverträglichen Technologien usw. quasi im Sinne einer Schaufensterfunktion zeigen, wie es geht, damit Deutschland auf den Weltmärkten, um die es in Zukunft geht, etwas vorzuzeigen hat. Dafür brauchen wir zu Hause eine anspruchsvolle Politik. Wir dürfen nicht darauf warten, daß es uns andere vormachen. Deswegen glaube ich - diese Auffassung steht im krassen Gegensatz zu der von Frau Homburger -, daß das, was wir tun, unserer internationalen Glaubwürdigkeit dient. Wir haben allerdings gerade erst angefangen. Danke schön. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt die Kollegin Eva Bulling-Schröter, PDS-Fraktion.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn zwei Vorbemerkungen. Erstens. Der Krieg im Kosovo wird wie alle Kriege - denken wir nur an den Golfkrieg - die Umwelt nachhaltig schädigen. Das ganze Ausmaß der Zerstörungen wie etwa durch die Bomben auf Chemiewerke, Raffinerien, Düngemittelfabriken oder öffentliche Infrastruktur wie Kanalisation werden wir, wenn überhaupt, erst nach Kriegsende erfahren. Zweitens. Es steht zu befürchten, daß dieser Krieg weltweit die Rüstung anheizen wird. Das geht immer auf Kosten von ökologischen und/oder sozialen Investitionen - nicht nur hier, sondern insbesondere in der dritten Welt. Nun darf die Umweltpolitik nicht wie in den vergangenen Jahren von der Konjunktur abhängig gemacht werden. Die Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen fordern die Bundesregierung auf, auf dem Angebotskurs der Vorgängerregierung zu verharren. Das bedeutet für die Umweltpolitik, daß sie nichts oder nur wenig kosten darf. Und die Hombachsche Angebotspolitik von links ist das gleiche in Rotgrün. Es gibt aber auch andere Stimmen. Die Memorandumgruppe kritisiert in ihrem Gutachten diese Strategien und fordert ganz klar einen Kurswechsel, und zwar ein entschlossenes Gegensteuern durch Investitionen der öffentlichen Hand auch und gerade im ökologischen Bereich. Der DGB kommt in seinem kürzlich veröffentlichen Positionspapier „Arbeit und Umwelt“ zu ganz ähnlichen Vorschlägen. Kerstin Müller sagte gestern, die rotgrüne Regierung sei angetreten, um den Reformstau zu überwinden und Zukunftsfähigkeit herzustellen, und hat die ökologische Steuerreform als Haupthebel herausgestellt. Ich werde später noch näher darauf eingehen. Eines aber ist klar: Keine müde Mark aus der allzu moderaten Verteuerung der Energie fließt in den ökologischen Umbau. Ich frage mich: Welche Akzente setzt die rotgrüne Bundesregierung ({0}) - Albert, du kannst dich ja melden ({1}) in Richtung einer materiellen Verbesserung der Umweltsituation, der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Umweltinvestitionen und hinsichtlich des Ziels der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit? Wo wird der Unterschied zur Vorgängerregierung deutlich? Wo ist der gewollte und auch gewählte Politikwechsel? Ich glaube, „bescheiden“ wäre hier noch geprahlt. Ich habe Ihnen bereits in der ersten Lesung dieses Haushalts meine Kritik vorgetragen. Ich vermag leider nicht zu erkennen, daß die Bundesregierung im Umweltbereich initiativ geworden wäre. Nicht einmal Ansätze zur Verwirklichung der in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebenen Ziele sind erkennbar. Ich kann sie Ihnen nennen: Atomausstieg - Sendepause bei der Stillegung der Schrottmeiler, kein Ende der Wiederaufbereitung, statt dessen werden bald wieder die CastorBehälter rollen. Die Message von Schröder lautet: Ausstieg in 30 Jahren; denn - so seine Aussage im „Spiegel“ von dieser Woche - er sei doch nicht verrückt. - Na, herzlichen Dank. Also, Frau Homburger, Ihre Einschätzung ist ganz falsch. Die wollen überhaupt nicht aussteigen. ({2}) Frau Müller hat in ihrer gestrigen Rede den Konsens mit den Energiekonzernen noch einmal angemahnt und die Pläne von Wirtschaftsminister Müller gelobt, zusätzlich zu den sogenannten Energiekonsensgesprächen einen weiteren Gesprächskreis zum Atomausstieg und zur zukünftigen Energieversorgung zu installieren. „Die Zeit“, der PDS-Nähe und der Wirtschaftsfeindlichkeit gleichermaßen unverdächtig, kommentierte dies am 29. April 1999 so: Bonn im Bündnisfieber - Minister Müller plant ein überflüssiges Energiepalaver. Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, was Sie tun können, um den Atomausstieg zu bewerkstelligen, wie Frau Müller das gestern auch wieder vollmundig vorgetragen hat: Stimmen Sie heute unserem Änderungsantrag zu, mit dem unter anderem ausreichende Mittel für die Suche und Erkundung eines geeigneten Endlagers in einem öffentlichen, demokratischen Verfahren bereitgestellt werden sollen! Stimmen Sie in der nächsten Sitzungsperiode unserem Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetzes zu! Dann sind wir auf dem Weg. ({3}) Oder, Herr Trittin, Sie bringen jetzt endlich einen eigenen Gesetzesantrag ein. Wir sind ja gar nicht so: Wenn er gut ist, ziehen wir unseren zurück. Nächster Punkt. Unterschutzstellung von 10 Prozent der Fläche im Biotopverbund - Funkstille. Ich habe gedacht, daß nach dem Urteil zum Nationalpark Elbtalaue bei Ihnen die Alarmglocken klingeln und Sie aktiv werden. Sie wissen auch, daß Sie bis zum 10. Juni 1999 die FFH-Gebiete bundesweit nach Brüssel melden müssen. Das Verhältnis von Verkehrsflächen zu Schutzgebieten beträgt zirka 13 Prozent zu 2 Prozent der Gesamtfläche. Die Flächenversiegelung geht ungebrochen weiter. Aber Sie stellen gerade einmal 43 Millionen DM für die gesamtstaatlich repräsentativen Teile von Natur und Landschaft ein. Auch in diesem Bereich haben Sie heute Gelegenheit nachzubessern. Zur Abfallpolitik. Da herrscht bei Ihnen Schweigen im Walde. Sie müssen sich zum Beispiel vom Naturschutzbund Deutschland kritisieren lassen, daß Sie mit der Verschiebung der Novellierung der Verpackungsverordnung das Mehrwegsystem gefährden - so die Presseerklärung des NABU vom 2. Mai 1999. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ist dringend zu novellieren, wenn der zunehmenden Verbrennungswut Einhalt geboten werden soll. Für die neuen Bundesländer wäre zumindest eine Novellierung der TA Siedlungsabfall notwendig. Altauto-Verordnung und Elektroschrottverordnung sind weitere Beispiele; Frau Homburger hat sie schon genannt. Aber ich muß Sie natürlich kritisieren, Frau Homburger: Sie hätten 16 Jahre Zeit gehabt, das ökologisch zu regeln. Sie haben es nicht gemacht. ({4}) Hier wird die Politik der Kohl-Regierung unserer Meinung nach nahtlos weitergeführt. Was ist von Ihren umweltpolitischen Versprechen noch übrig? Zu den erneuerbaren Energien: Immerhin haben Sie erreicht, daß die Markteinführung mit 200 Millionen DM statt mit 20 Millionen DM gefördert werden soll, allerdings gekoppelt mit der zweiten und dritten Stufe der ökologischen Steuerreform. Wir haben sie kritisiert, wir kritisieren sie noch immer. Erstens ist sie unsozial, zweitens nach wie vor halbherzig. Auch von Ihrer Seite wurde die soziale Frage schon angesprochen, Herr Loske. Es scheint, mit der Lohnkostendebatte gerät in Vergessenheit, worum es eigentlich geht: Es geht um die international eingegangenen Verpflichtungen zur CO2Reduktion, und es geht auch darum, ein positives Beispiel zu geben. Hier hätte diese Regierung weitermachen können. Ich denke, da ist noch einiges zu tun. Es ist aber nicht nur Selbstzweck, es geht auch nicht nur um das gegenseitige Auf-die-Schulter-Klopfen. Es geht um Zukunftsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung. Sie erfordern den ökologischen Umbau, der mit der Lösung des Beschäftigungsproblems und der sozialen Sicherung einhergehen muß. Dies wird aber nicht erreicht, wenn weiter rein additive Umweltpolitik gemacht wird. Es wird vor allem dann nicht erreicht, wenn nicht das ganze Instrumentarium genutzt wird. ({5}) Niemand spricht hier mehr von Umweltabgaben, von den Möglichkeiten, die ein nationaler Umweltplan bieten könnte - ich denke dabei vor allem an eine gesellschaftliche Mobilisierung - oder von einer institutionellen Aufwertung der Umweltpolitik durch Initiativ- oder Vetorechte der Umweltminister in den Kabinetten. Schlußendlich, um wieder das am Anfang gebrauchte Wort vom Gegensteuern aufzugreifen: Ich meine, hier waren die Grünen in ihrem Umbauprogramm von 1986 schon wesentlich weiter. Von all dem, was ich hier angesprochen habe, finde ich im Einzelplan 16 nur wenig. Einen Bruch mit der Politik der Kohl-Regierung, eine in Zahlen gegossene Reformpolitik kann ich nicht feststellen. Deswegen wird meine Fraktion den Haushalt ablehnen. ({6})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt die Kollegin Monika Ganseforth, SPD.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir sind angetreten, um den ungeheuren Reformstau in diesem Land zu überwinden. Das gilt auch für die Umweltpolitik. ({0}) Der Haushalt läßt unserer Regierung nur wenig Spielraum, weil Sie bereits so viele Kosten auf die Zukunft übertragen haben. Das gilt auch für den Haushalt des Umweltministeriums, für den Einzelplan 16. Es besteht aber die Möglichkeit, eine neue Umweltpolitik zu betreiben - mit anderen Schwerpunkten und strukturellen Veränderungen. Das haben wir gemacht. Mit diesem Haushalt beginnen wir, den umweltpolitischen Stau aufzulösen, der in 16 Jahren Regierung Kohl entstanden ist. ({1}) Dieser Stau ist auf Grund Ihrer Deregulierungspolitik sowie des Abbaus von Umweltstandards entstanden. Sie haben die Beteiligungsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern und von Verbänden zurückgedrängt. ({2}) Sie haben die Möglichkeiten der Beteiligung und die Mitspracherechte im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zum Beispiel bei den Anhörungen zu den Beschleunigungsgesetzen zurückgenommen. ({3}) Wir erhöhen die Mittel für die Verbände, damit sie wieder mehr Möglichkeiten erhalten, sich zu Wort zu melden. ({4}) Für Sie galt das Motto: Umweltschutz können wir uns jetzt nicht leisten, wir brauchen eine Atempause. Das hat man Ihrer Politik angemerkt. Und das ist die Ursache für Fehlentwicklungen zu Lasten von Umwelt, Arbeitsplätzen und Innovation. Ich möchte das an einem Beispiel klarmachen: Sie tragen die Verantwortung dafür, daß die Umweltinvestitionen des Staates, aber auch des produzierenden Gewerbes in den vergangenen Jahren zurückgefahren wurden. Das Statistische Bundesamt spricht davon, daß die Kosten für Umweltinvestitionen in Staat und Wirtschaft zwischen 1992 und 1995 um 5 Milliarden DM zurückgegangen sind. ({5}) Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat Sie gewarnt, es dürfe keine Atempause in der Umweltpolitik geben. Er hat gesagt, das schade dem Wirtschaftsstandort Deutschland. ({6}) - Wenn Sie etwas sagen wollen, müssen Sie fragen. Ich kann Sie nicht verstehen. - Sie wollten nicht zur Kenntnis nehmen, was der Sachverständigenrat gesagt hat, daß nämlich unterlassener Umweltschutz Arbeitsplätze gefährdet. ({7}) Wir haben unter Ihrer Ägide die Spitzenposition als Exportweltmeister von Umwelttechnologien verloren. Die USA und Japan haben uns - so der Vorsitzende der Umweltkommission des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft, Herr Menke-Glückert - inzwischen überholt. Der DGB hat gerade vorgerechnet, daß zirka eine halbe Million Arbeitsplätze wegen fehlenden Umweltschutzes unter Ihrer Regierung brachliegen. Mit dem vorliegenden Haushalt leiten wir über den Einzelplan 16 hinaus eine Trendwende ein. Das nützt der Umwelt, der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen. ({8}) Das Krebsübel unserer Gesellschaft, nämlich die Arbeitslosigkeit, kann auch durch die Umweltpolitik bekämpft werden, und das tun wir. Lassen Sie mich dazu ein paar Beispiele nennen: In den Bereichen Gewässerschutz, Luftreinhaltung sowie Abfall, Boden- und Naturschutz gibt es große Beschäftigungspotentiale. Zum Thema Klimaschutz möchte ich als Beispiel die Ökosteuer nennen, zu dem Sie immer Ihre alte Leier wiederholen. Kommen wir einmal zu den Blockheizkraftwerken! Blockheizkraftwerke bedeuten doppelte Nutzung der Energie; sie erzeugen Wärme und Strom gleichzeitig. Wir waren uns immer alle einig: Klimaschutz kann man nur hinbekommen, wenn man der Kraft-Wärme-Kopplung einen größeren Stellenwert einräumt. Was ist passiert? In den letzten Jahren sind die Neuinstallationen von Blockheizkraftwerken dramatisch zurückgegangen: im Vergleich zu den Zahlen von Mitte der 90er Jahre in den letzten 2 Jahren um 60 Prozent. Es geschieht also genau das Gegenteil von dem, was nötig ist, um Klimaschutz zu machen, aber auch, um Arbeitsplätze im Handwerk, in der Projektierung, im Ingenieurbereich und in der Unterhaltung zu schaffen. Durch die Ökosteuer sind die Blockheizkraftwerke und die Kraft-Wärme-Kopplung wieder in die Vorhand gekommen. Ich will Ihnen einmal aus einer Pressemitteilung der Fördergemeinschaft Blockheizkraftwerke von dieser Woche einen Satz vorlesen: Ökosteuer stellt die Weichen in Richtung umweltfreundliche Energieerzeugung. Ich habe jetzt nicht die Zeit, Ihnen die Pressemitteilung im einzelnen vorzulesen. Ich will aber noch einen Punkt nennen, den wir gleich mit erledigt haben. Sie hatten diese unsinnige bürokratische Hürde, daß Blockheizkraftwerke an die Ortsfestigkeit gebunden waren, wollten sie für die Energie nicht eine zigmal höhere Steuer zahlen. Ortsfestigkeit heißt: Von der Steuerbefreiung profitierten zum Beispiel nicht diejenigen Kraftwerke, die im Sommer ein Freibad und im Winter das Rathaus heizten. Eine doppelte Nutzung war wegen dieser unsinnigen Ortsfestigkeit nicht möglich. Diese Regelung haben wir gestrichen. So werden wir weiterkommen. ({9}) Ein anderes Beispiel für die Schaffung von Arbeitsplätzen sind die Wärmeschutz- und Energiesparverordnungen. Die IG Bau-Agrar-Umwelt sagt, daß im Baugewerbe 80 000 Arbeitsplätze zusätzlich entstünden, wenn die Energiesparverordnung geändert würde. Wir sind dabei; das wird kommen. Zur gezielten Nutzung der Windenergie und der Photovoltaik. Wir haben schon auf das 100 000-DächerProgramm hingewiesen. Das Fraunhofer-Institut hat ermittelt, daß durch die Nutzung dieser Energie über 30 000 Arbeitsplätze gewonnen werden können. Sie sehen: Umweltschutz schafft Arbeitsplätze. Die Förderung des Bodenschutzes, der Naturschutz, für den wir mehr Mittel eingesetzt haben, die Naturparks - all das bringt Arbeit und hilft der Umwelt. Das sind nur einige Beispiele für das, was wir auf den Weg gebracht haben und was in Arbeit ist. Darin liegt die Trendwende, die wir in der Umweltpolitik brauchen und die wir eingeleitet haben. Umweltschutz muß wieder der Motor für ökologische Modernisierung, Innovation, Investitionen und Beschäftigung werden. ({10}) Wir haben angefangen, den Stau aufzulösen. Der Haushalt ist ein Beispiel dafür. Schönen Dank. ({11})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Dr. Christian Ruck, CDU/CSU. ({0})

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf meinen eigentlichen Schwerpunkt, die Klimapolitik, zu sprechen komme, möchte ich - damit es im Protokoll steht - auf einige Dinge eingehen, die meine Vorredner von der SPD und den Grünen in die Debatte geworfen haben. ({0}) - Herr Schlauch! Sind Sie auch wieder da? Das freut mich. Ich habe schon etwas vermißt. Erstens zu den Naturschutzgroßprojekten. Es freut mich wirklich, daß Sie die 40 Millionen DM noch um einen Beitrag von 3 Millionen DM aufstocken. Von mir aus - das sage ich Ihnen ganz ehrlich - können Sie auch gern so weitermachen. Das war ein gemeinsames Anliegen. Man muß dazusagen, daß wir die Institution Naturschutzgroßprojekte erst eingeführt haben; Sie haben es dann ein bißchen aufgestockt. Herzlichen Glückwunsch! ({1}) Ich möchte auch - nur damit es im Protokoll steht daran erinnern, daß es in den letzten eineinhalb Jahrzehnten in vielen Bereichen wirklich einen dramatischen Rückgang an Schadstoffen gegeben hat, zum Beispiel beim Schwefeldioxid, zum Beispiel beim Blei. Und es kommt natürlich auch nicht von ungefähr, wenn im Rhein wieder Lachse schwimmen. Ich möchte daran erinnern, daß der große Aufschwung für Umweltarbeitsplätze, ungefähr eine halbe Million, natürlich nicht von Ihrer halbjährigen Regierung stammt, sondern von der Vorgängerregierung, ({2}) zum Beispiel durch die Einrichtung der Bundesstiftung Umwelt und die Umwandlung des Werks in Salzgitter. Auch das war eine ganz gezielte und bewußte Politik der Vorgängerregierung. Ich erinnere daran, daß auch, - dies ist international anerkannt - der Rio-Prozeß erst durch Kanzler Kohl & Co. losgetreten und gesichert wurde. Darüber war immer Konsens, wenigstens bei denen, denen Umweltpolitik wirklich am Herzen liegt. Nun zur Windenergie, Frau Lehn. Natürlich freuen wir uns alle, daß es zu dem gewaltigen Aufschwung bei der Windenergie gekommen ist. Aber auch das ist natürlich nicht auf Ihre Politik in dem halben Jahr zurückzuführen, sondern war das Ergebnis des Stromeinspeisungsgesetzes, und das haben wir „verbrochen“. ({3}) - Herr Loske, zu dem Einwurf, es habe sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten nichts getan: Das ist einfach falsch, da muß ich Sie korrigieren. ({4}) Sie müssen in bezug auf die Windenergie den Menschen nur erklären, daß dies eine ganz besonders auch landschaftlich schöne Form der Energienutzung ist, und da haben wir noch einiges zu tun. Damit bin ich auch schon bei dem Thema Energiepolitik. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sowohl Ökonomie als auch Ökologie brauchen eine moderne, durchdachte Energiepolitik, die auf rationalen wissenschaftlichen Argumenten beruht. Ich glaube, darin sind wir uns noch alle einig. Aber von dieser durchdachten Energiepolitik kann bei Ihnen und im Haushalt 1999 überhaupt keine Rede sein. ({5}) Sie waren so stolz auf die Ökosteuer. Jetzt sage ich Ihnen: Ihre Ökosteuer zieht ausgerechnet den regeneraMonika Ganseforth tiven Energien 300 Millionen DM aus der Tasche. Als laschen Ausgleich bieten Sie ein Programm für 200 Millionen DM an, und zwar zu Bedingungen, die sicherstellen, daß es todsicher ein Flop wird. Das kann ich Ihnen schon jetzt garantieren. ({6}) Dafür setzen Sie nicht nur wie bisher, sondern noch verstärkt mit 700 Millionen DM auf die Kohleförderung und damit noch stärker als bisher auf eine veraltete, teure und wenig klimafreundliche Energie. Sie jubeln die Photovoltaik und das 100 000Dächer-Programm hoch. Auch hier, meine Damen und Herren, ist die Frage, ob nicht schon die konkrete Ausgestaltung des Projektes über Hausbanken dafür sorgt, daß der gewünschte Schneeballeffekt überhaupt nicht zustande kommt. Die Photovoltaik ist unter den regenerativen Energieträgern leider die Technik, bei der mit dem meisten Geld am wenigsten Effekt erzielt wird. Selbst wenn Sie mit einem gigantischen Aufwand Ihre 100 000 Dächer verwirklichen könnten, entspräche dies gerade mal einem Anteil von 0,05 Prozent unseres Stromaufkommens. Wichtig wäre dagegen die konsequente Umsetzung der Energiesparverordnung, einer Verordnung, die noch von der vorigen Bundesregierung unter Bundesbauminister Oswald kabinettsreif vorangetrieben worden war. Hier sind auch Sie, Herr Umweltminister Trittin, gefordert: Statt die Programme zur energiesparenden Gebäudesanierung zu gefährden, sollten Sie sie aufstokken. Denn hierin steckt nicht nur ein gewaltiges Potential an Energiesparmaßnahmen, sondern auch Potential für weit über 100 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze im Baubereich. ({7}) - Ja, dann machen wir es doch! ({8}) - Was heißt: Von euch kommt ja nichts? Wir haben sie doch so weit vorangetrieben, daß Sie sie jetzt verabschieden können. Also tun Sie es doch! ({9}) - Keine Unruhe auf den Plätzen! Wir könnten nämlich eigentlich über das alles, meine Damen und Herren, in Ruhe im Detail miteinander diskutieren. Nur, mit Umweltminister Trittin und seinen Gefolgsleuten kann man überhaupt nicht mehr vernünftig diskutieren; denn Sie, Herr Trittin, haben mit Ihrer Politik des Kernenergieausstiegs um jeden finanziellen und politischen Preis auch jeden Anspruch auf Vernunft und Sachverstand verloren. ({10}) Sie sind ein blanker Ideologe, ein politischer Saboteur ({11}) und nehmen es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau, auch nicht gegenüber den eigenen Kabinettskollegen. ({12}) Herr Kollege Schmidt, Ihr Umweltminister Trittin behauptet immer, so auch im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, daß niemand mehr Atomkraftwerke baut. Auf meine ausdrückliche Anfrage in diesem Ausschuß wollte er mir und den anderen Kollegen weismachen, daß auch die Entwicklungsländer keine Zukunft mehr in der Kernenergie sehen. Aber die Wirklichkeit ist, daß nicht nur Japan mehr als ein Dutzend neue Kernkraftwerke ({13}) inklusive Wiederaufbereitungsanlagen baut und Rußland und die Ukraine neue Reaktoren planen und bauen, sondern daß auch China und Südafrika in unsere Hochtemperaturreaktortechnologie einsteigen und Rußland seine Reaktoren an Iran und Irak verkauft. In Wirklichkeit will niemand außer uns aus der Kernenergie aussteigen. Aber viele wollen einsteigen. Es bleibt dabei: Nach der Liberalisierung des europäischen Energiemarktes werden wir bei einem Ausstieg aus der Kernenergie gezwungen sein, große Teile unseres Strombedarfs aus unsicheren Kernanlagen aus dem Ausland oder auch aus alten CO2-Kohleschleudern zum Beispiel in Rußland zu beziehen. Es ist Politsabotage, wenn Sie auf der einen Seite dafür sorgen, daß wir aus dem Konzept der Endlagerung aussteigen, und auf der anderen Seite gleichzeitig bejammern, daß es keine Möglichkeiten zur Endlagerung gebe, und deshalb den Ausstieg aus der Kernenergie fordern. ({14}) Es paßt zu dieser infamen Politik, daß Sie an die Spitze des bisher international renommierten Bundesamtes für Strahlenschutz einen Mann berufen, dessen einzige Qualifikation es ist, ein erklärter Atomkraftgegner zu sein, und daß Sie auch die Reaktor-Sicherheitskommission um seriöse und international hoch angesehene Wissenschaftler wie Professor Birkhofer „strukturbereinigt“ haben. ({15}) - Herr Trittin, das ist nicht nur ein Zeichen fehlender demokratischer Gesinnung, sondern auch ein Anschlag auf das Ansehen unserer deutschen Forschungslandschaft, von der Sie, Herr Kubatschka, eigentlich mehr verstehen sollten, als Sie es hier bisher zum Besten geben. Ihre Energiepolitik hat nichts mehr mit einer seriösen Abwägung unterschiedlicher Risiken zu tun. Es geht Ihnen einzig und allein darum, das gewalttätige Symbol Ihrer linksgrünen Ideologie abzusichern. In Ihrem Drang, bestehende Gesetze und völkerrechtliche Verträge zu ignorieren, sind Sie zu einem politischen Irrlicht geworden, das oft keine sachlichen Beiträge mehr leistet. ({16}) Trittin arbeitet am Sofortausstieg, während Kanzler Schröder von Fristen zwischen 30 und 40 Jahren für den Ausstieg spricht. Dazwischen liegt punktgenau die Prognose von Herrn Müller, der von 20 Jahren ausgeht. Das soll dann die verläßliche Energiepolitik der Regierung Schröder mit ihrem Umweltminister Trittin sein! Es ist in der Tat so, wie es auch schon angesprochen worden ist: Sie reduzieren die Umweltpolitik auf den Atomausstieg. Dies tut mir leid für die vielen kompetenten und hoch engagierten Beamten im Umweltministerium. Es tut mir auch leid für die vielen aufrichtigen Kämpfer für die Erhaltung der Schöpfung. ({17}) Dies ist auch zum Schaden von Ökonomie und Ökologie. Wir hoffen, daß wir vom Wähler sehr schnell die Gelegenheit bekommen, zu zeigen, daß wir die bessere Umwelt- und Energiepolitik machen. ({18})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Ruck, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Eva Bulling-Schröter?

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, jetzt bin ich fertig - und von der PDS sowieso nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Redner ist der Kollege Kubatschka, SPD.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Wochenmagazin aus Hamburg betitelt in dieser Woche eine Story zur Kernenergie mit „Stiller Abschied“. Die Überschrift stimmt. Die Industrie hat sich nämlich bereits still aus der Kernenergie verabschiedet. Seit Harrisburg - das ist jetzt 20 Jahre her - ist in den USA kein neues Kernkraftwerk mehr bestellt worden. ({0}) Auch unser jüngstes Kernkraftwerk hat bereits das Zehnjährige gefeiert. Selbst Befürworter der Kernenergie sprechen mehr von Restlaufzeiten der vorhandenen Kraftwerke als von einem Neubau. Auch die Industrie erkennt: Kernenergie ist eine Übergangsenergie. Im Wahlkampf haben wir Sozialdemokraten versprochen, den Ausstieg aus der Kernenergie einzuleiten. Dazu hat die Koalition den Wählerauftrag erhalten. Im Koalitionsvertrag haben wir das Procedere festgelegt. Wir haben uns unter anderem darauf geeinigt, daß die Bundesregierung einen Konsens mit den EVUs aushandeln soll. Dabei ist der Konsens nicht das Ziel, sondern das Mittel, um den Wählerauftrag zu erfüllen. Ein tragbarer Konsens heißt aber auch Kompromiß. Die Gleichsetzung von Restlaufzeiten mit den technischen Laufzeiten von Kernkraftwerken stellt keinen Kompromiß dar. Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie ist aber auch der Einstieg in eine ökologische Energieversorgung verbunden. ({1}) Man sollte dieses Konsensjahr, dieses Verhandlungsjahr aber auch nicht mit Randproblemen belasten, wie bisher geschehen. ({2}) Die Besteuerung von Rückstellungen bei den EVUs ist für mich so ein Randproblem. ({3}) Die EVUs sollten mit ihren Zahlen glaubwürdig bleiben. ({4}) Sarkastisch könnte man einwenden: Wer seine Steuerschuld nicht richtig berechnen kann, kann auch die Sicherheit von Kernkraftwerken nicht richtig berechnen. ({5}) Die Energieversorgungsunternehmen kämpfen natürlich auch für die Arbeitsplätze in den AKWs. Die Zahlen der Beschäftigten schwanken zwischen 15 000 und 37 700. Letztere Zahl stammt übrigens von der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke. Wo war aber eigentlich der Widerstand, als zwischen 1990 und 1998 mindestens 40 000 Arbeitsplätze vernichtet wurden - von den EVUs? ({6}) Die Arbeitsplatzvernichtung geht weiter. In den Schätzungen wird davon ausgegangen, daß die Liberalisierung des Strommarktes noch einmal 40 000 Arbeitsplätze vernichtet. ({7}) Sollten nach einjährigen Konsensverhandlungen keine Ergebnisse vorliegen, so sind wir entschlossen, den gesetzlichen Weg einzuleiten. Die Konzernchefs sollten sich nicht täuschen: Die SPD und die Koalition sind entschlossen, aus der Kernenergie auszusteigen. ({8}) Die Bürgerinnen und Bürger werden den Erfolg der Koalition auch an der Ausstiegsfrage messen. ({9}) - Weil Sie gerade Stamokap sagen, Herr Kollege: Kennen Sie überhaupt den Unterschied zwischen „Eurokap“ und Stamokap? Ich nehme an, Sie wissen es nicht. Oberste Maxime ist aber die Sicherheit von Kernkraftwerken. Da kann es keine Kompromisse geben. Die Sicherheit muß daher laufend überprüft werden; denn über das Alterungsverhalten von Atomkraftwerken wissen wir nicht mit letzter Sicherheit Bescheid. Daneben ist aber auch der technische Zustand entscheidend. Deshalb dürfen die Kernkraftwerke in den mittel- und osteuropäischen Staaten und in den neuen unabhängigen Staaten keine lange Zukunft haben. Das Aufrüsten und Umrüsten schafft falsche Sicherheit. Ich möchte auch noch ganz kurz auf die Anträge von CDU/CSU und F.D.P. eingehen. Den Antragstellern müßte es eigentlich klar sein, daß die Bundesregierung ein anderes Entsorgungskonzept ausgearbeitet hat bzw. daran arbeitet. ({10}) In dieses Konzept passen die Anträge von CDU/CSU und F.D.P. nicht. Deswegen werden wir sie ablehnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zahlen belegen, daß wir weltweit keinen Spitzenplatz beim Einsatz erneuerbarer Energien einnehmen. Andere Staaten sind viel weiter, vor allem dann, wenn sie nicht in die Kernenergie eingestiegen sind. Die Kernenergie hat nämlich Kapital gebunden. Die erneuerbaren Energien haben bisher nicht ausreichende Chancen erhalten. Der Einzelplan 16 ist ein relativ kleiner Haushalt. Trotzdem müssen von ihm die entscheidenden Impulse zur ökologischen Modernisierung unserer Industriegesellschaft ausgehen. Umweltschutz ist mit Recht eine Aufgabe, die in alle Fachbereiche integriert ist. Deswegen stecken in anderen Teilen des Bundeshaushaltes viel höhere Mittel für den Umweltschutz. Auch der Amsterdamer Vertrag verpflichtet uns zu mehr Nachhaltigkeit in der Europäischen Union. ({11}) Mehr Umweltschutz kostet nicht notwendigerweise mehr Geld. Oft kann Geld gespart werden. Wenn wir Umweltstandards auf hohem Niveau in Europa und auf internationaler Ebene vereinbaren und festsetzen, schützen wir die Umwelt, fördern den Export von Umwelttechnologie und erhalten und schaffen in Deutschland Arbeitsplätze. Ökologie und Ökonomie sind kein Widerspruch. Wenn die Ökonomie die Ökologie mißachtet, wird die Ökonomie Schiffbruch erleiden. ({12}) Langfristig gefährdet mangelnde Ökologie unseren Wohlstand; vor allem gefährdet sie die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder. Wir sind die Nutznießer, die anderen zahlen die Rechnung. Unser Ziel muß eine ökologische Kreislaufwirtschaft sein. Umweltpolitik muß wieder zu einem echten Reformwerk werden, wie sie es in Zeiten der sozialliberalen Koalition war. ({13}) - Sie haben anscheinend keinen zeitgeschichtlichen Horizont, Herr Kollege. ({14}) Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({15})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Lehn, ich gebe ausdrücklich den Dank zurück; es war eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Berichterstatterinnen und Berichterstattern aller Fraktionen. Ich möchte mich hier für die konstruktive Arbeit ausdrücklich bedanken. In der Tat sind wohl die globalen Klimaveränderungen die größte Herausforderung, vor der die Umweltpolitik heute steht. In den letzten Tagen hat es erneut einen Tornado in Oklahoma, Tennessee und Texas gegeben. Die zunehmende Häufung dieser Erscheinungen stellen nicht irgendwelche Ökologen fest, sondern die kühl kalkulierende Versicherungswirtschaft sagt heute, daß in dem Gebiet des sogenannten TornadoHighways, der quer durch die USA geht, Häuser wegen der zunehmenden Häufung von Tornados nicht mehr versichert werden. ({0}) Für mich heißt das: Tatenlosigkeit, gerade beim Klimaschutz, ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können. ({1}) Es geht bei dieser Frage schon lange nicht mehr um unsere Kinder, sondern es geht um die heutige Zeit, um das hier und jetzt, und natürlich auch um sehr massive wirtschaftliche Interessen. Deswegen ist es richtig, daß wir am Ziel der Reduktion von klimarelevanten Emissionen festhalten. Man muß sich einmal die Zahlen anschauen, die Sie uns hinterlassen haben. Herr Loske hat die Zahlen genannt: Es wurde eine CO2-Reduktion um 13 Prozent erreicht, die Hälfte des Weges ist zurückgelegt. Wenn Sie sich aber die Zahlen etwas genauer anschauen, werden Sie feststellen, daß wir einheitsbedingt nicht nur einen deutlichen Rückgang der Emissionen bei der Industrie verzeichnen können, sondern durch einen massiven AnHorst Kubatschka stieg im Bereich des Verkehrs auch neue Emissionen produziert worden sind. Zu dieser problematischen Klimasituation sagen CDU/CSU und F.D.P.: Wer das Klima schützen will, muß auf die Nuklearenergie setzen. ({2}) Sie müssen mir einmal darlegen, meine Damen und Herren, wie viele LKWs nuklear angetrieben oder wie viele private Haushalte - in diesem Bereich sind die Emissionen übrigens auch angestiegen - aus der Abwärme eines Atomkraftwerkes beheizt werden. ({3}) Sie wissen sehr genau, daß der Anteil der Kernenergie am Primärenergieeinsatz in diesem Lande einmal 12,7 Prozent beträgt. Deswegen ist es im Sinne einer vernünftigen Klimaschutzpolitik richtig, sich auf die Hauptbereiche, in denen der Anstieg stattfindet, zu konzentrieren, und das sind der Verkehrsbereich und der Bereich der privaten Haushalte. ({4}) Deswegen - gnädige Kollegen, Sie haben hier von ,,internationaler Untätigkeit“ gesprochen - ist es eben richtig, daß wir im Dezember im Rat mit durchgesetzt haben, daß künftig in Europa nur noch Lkw mit einer vorgeschriebenen Abgasnachbehandlung, mit einem Partikelfilter und einem Stickoxidkatalysator auf die Straße kommen. Deswegen ist es richtig, daß es dieser international so fürchterlich untätige Umweltminister zum erstenmal geschafft hat, aus dieser Erkenntnis heraus zusammen mit den Vertretern der acht großen Industrienationen eine Position zu formulieren, die besagt: Diese großen Industrienationen sind der Auffassung, daß sich die ökologischen Kosten auch und gerade im Verkehr in den Preisen niederschlagen müssen, und verpflichten sich dazu, dafür einzutreten, daß auch die Steuerbefreiung für Schiffstreibstoffe und für Flugzeugtreibstoffe, also Kerosin, abgeschafft wird. - Soviel zur internationalen Untätigkeit dieses Umweltministers. ({5}) Wenn wir von Klimaschutz reden, dann bedarf es an dieser Stelle des Hinweises, daß gerade bei der Produktion und bei der Konsumtion von Energie eine Effizienzrevolution brauchen. Deswegen ist es richtig, daß wir zum 1. April 1999 den Einstieg in die ökologische Steuerreform geschafft haben. ({6}) Wir finden uns hier in guter europäischer Nachbarschaft: ({7}) Nicht nur die skandinavischen Länder und beispielsweise die Niederlande gehen diesen Weg, auch Italien hat in diesem Jahr eine entsprechende CO2-Steuer mit vier Stufen bis zum Jahr 2004 eingeführt. Die Briten, meine Damen und Herren, haben nicht nur die jährliche Anhebung der Mineralölsteuer um 6 Prozent beschlossen, sondern in diesem Jahr auch explizit zusätzlich eine Klimaabgabe für die Industrie eingeführt. Deswegen sind wir mit unserem Plan, in einer zweiten und dritten Stufe mit der ökologischen Steuerreform voranzukommen, eben nicht europäisch isoliert, sondern hier zeigt sich eine klare Entwicklung in Gesamteuropa. ({8}) Überall in Europa hat man begriffen: Es ist vernünftiger, Kilowattstunden einzusparen als Arbeitsplätze wegzurationalisieren. Nur Sie haben das noch nicht begriffen. ({9}) Wenn Sie an dieser Stelle der Auffassung sind, das, was wir machen, sei alles lächerlich, will ich Sie nur einmal darauf hinweisen, daß die 180 Millionen DM, die wir im Jahr 1999 zur Förderung erneuerbarer Energien einsetzen, mehr ist als das, was innerhalb der Europäischen Union zur Förderung regenerativer Energien in vier Jahren ausgegeben wird. Wenn Sie sich hier in besonderer Weise auf die Windenergie berufen, so sage ich: Ich erinnere mich noch sehr gut, werte Kollegen, daß es der Wirtschaftsminister der F.D.P. gewesen ist, der versucht hat, das Stromeinspeisungsgesetz abzuschaffen und damit die Nutzung der Windenergie zu behindern. ({10}) Wenn Sie nach Alternativen für eine andere Energiepolitik fragen, dann sage ich Ihnen: Die Alternative ist im Einsparen, Effektivieren und Erneuern. Zuallererst brauchen wir einen Abbau von Überkapazitäten. Dabei geht es nicht allein um eine Energieeinsparpolitik. Allein die Erhöhung des Wirkungsgrades jetziger Kraftwerke, der ungefähr bei 30 Prozent liegt, auf über 50 Prozent würde heute schon den Anteil nuklearer Energie problemlos substituieren können. ({11}) Schon heute erzielen beispielsweise Kraft-WärmeKopplungsanlagen einen Wirkungsgrad von 70 bis 80 Prozent. Das ist der Grund, warum wir diese Anlagen bei der ökologischen Steuerreform bewußt ausgenommen haben. ({12}) In solche Anlagen gilt es zu investieren, statt krampfhaft an bestimmten Risikotechnologien festzuhalten. ({13}) Wenn Sie, meine Damen und Herren, von guter Nachbarschaft und von Partnerschaft mit unseren Nachbarn in Frankreich und in Großbritannien reden, dann sage ich Ihnen in aller Ruhe, aber auch mit allem Nachdruck: Es zeugt nun wahrlich nicht von guter Nachbarschaft, wenn man über Jahre hinweg am Rande des geltenden Rechtes - und im übrigen auch am Rande des geltenden französischen Rechts - andere Länder als Zwischen- und Endlager für den eigenen Müll benutzt. Das ist in der Tat kein Zeichen guter Nachbarschaft. ({14}) Sie präsentieren Beispiele, wo überall neue Atomkraftwerke gebaut werden. Wenn Sie genau zugehört hätten, dann wüßten Sie, daß ich gesagt habe: Überall dort, wo Marktwirtschaft und Demokratie herrschen, sind die Atomkraftwerke umstritten. ({15}) Schauen Sie sich Ihre Beispiele daraufhin einmal in aller Ruhe an! Glauben Sie etwa, daß Länder wie zum Beispiel die Ukraine und China auf eigene Kosten Kernkraftwerke bauen? Der Bau soll von uns regelmäßig mit Krediten bezuschußt und subventioniert werden. Soviel möchte ich zu Ihrer Überzeugung sagen, daß Atomkraftwerke ökonomisch rechenbar sind. Sie sind es erklärtermaßen nicht. ({16}) Weil Sie den Vorwurf der Untätigkeit des Umweltministers so in den Vordergrund gestellt haben, will ich an dieser Stelle noch eine Bemerkung machen: Ich habe Sie schon in der ersten Lesung des Haushaltes darauf hingewiesen, daß wir von Ihnen eine beschämende Bilanz übernommen haben. ({17}) Wir haben von Ihnen zum Beispiel übernommen, daß wir bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten auf dem zweitletzten Platz in Europa stehen, weit hinter Spanien, Italien und auch weit hinter den dicht besiedelten Niederlanden. Trotzdem sagen Sie, diese Bundesregierung sei untätig. Herr Paziorek, wir haben in den letzten sechs Monaten mehr Schutzgebiete bei der Europäischen Union angemeldet als Sie in den gesamten 16 Jahren Ihrer Regierungszeit. Soviel zu Ihrem Vorwurf der Untätigkeit und zu der vernichtenden Bilanz Ihrer Regierungszeit! ({18}) Liebe Kollegin Bulling-Schröter - diese Bemerkung sei mir am Rande erlaubt -, ich freue mich über das Engagement für den Nationalpark Elbtalaue. Es ist gut, daß in diesem Zusammenhang Klage erhoben wurde. In dieser Angelegenheit streiten wir Seit’ an Seit’. Ich würde mich aber freuen, wenn die PDS insgesamt mit dieser aufrechten Haltung auch dann an der Seite der Ökologie zu finden wäre, wenn es etwa um das untere Odertal geht. ({19}) Ich weiß, daß dies eine sehr strittige Frage bei Ihnen ist. Aber ich würde mir Ihr Engagement an dieser Stelle wünschen. Abschließend möchte ich sagen: Sie haben versucht, die Ökologie mehr oder weniger als einen Anschlag auf Arbeitsplätze in diesem Lande hinzustellen. ({20}) Eine Politik der Energiewende ist heute in der Lage, bis zu 200 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen: im Bauhandwerk, im Anlagenbau, in Ingenieurbüros und in der Energiewirtschaft. Die Frage der Windkraft als Jobmotor müssen wir ebenso aufwerfen wie die Frage der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen durch Wärmedämmungsprogramme und Niedrigenergiestandards. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze aus umweltpolitischer Sicht und die Erörterung im Dialog mit Arbeitgebern, mit Gewerkschaften und mit den Naturschutzverbänden werden zentrale Bestandteile des Forums „Arbeit und Umwelt“ sein, das im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ stattfinden wird und das im Juni hier tagen soll. Wir wollen damit eines deutlich machen: Ökologie ist kein Hindernis für Arbeitsplätze; Ökologie ist kein Standortnachteil und kein Ballast; Ökologie ist ein produktiver Faktor mit allergrößter Wirkung für eine nachhaltige Entwicklung und für die Modernisierung der Bundesrepublik Deutschland. ({21})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Dr. Klaus Lippold.

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon eine Zumutung, wenn man sich hier anhören muß, was Sie als eigene Leistung verkaufen. Bei den Fortschritten in der europäischen Verkehrspolitik, insbesondere was die Energieeinsparung und die Abgasreduktion angeht, bauen Sie doch auf das, was wir gemacht haben. Sie haben nichts anderes vorzuzeigen! Wo Sie im Rahmen Ihrer Ratspräsidentschaft etwas hätten weiterentwickeln können, haben Sie versagt. So einfach ist das. ({0}) Sie stellen sich hier hin und sprechen von den Anmeldungen der FFH-Gebiete. Das läuft über die Länder, aber nicht über Sie. Zu Ihrem Haushalt hat der Kollege Paziorek hinreichend viel gesagt. Sie haben früher kritisiert, wir würden in der Klimaschutzpolitik nicht weit genug voranschreiten. Was ist denn mit Ihnen? Bei Ihnen ist die neue Bescheidenheit ausgebrochen. Die Ziele, die wir genannt haben, haben Sie heute übernommen. Sie haben kein Wort der Kritik von damals wiederholt, weil Sie in keinem einzigen Punkt weiter sind. Sagen Sie doch einmal, wer in der europäischen Umweltschutzpolitik und in der europäischen Klimapolitik am weitesten ist! ({1}) Sie zitieren die nordischen Länder. Was ist denn mit Dänemark und seiner Besteuerung, mit dem Zuwachs der CO2-Emissionen, Herr Trittin? Es geht doch nicht darum, ob jemand falsche Programme macht, sondern es geht darum, daß jemand eine effiziente Umweltpolitik macht. Sie haben das Wort „Effizienz“ immer wieder im Munde, aber bei Ihnen läuft nichts. ({2}) Herr Trittin, wo sind denn die Arbeitsplätze im Umweltschutz hergekommen? Als Sie noch in Hanau Arbeitsplätze vernichtet haben, haben wir mit Herrn Töpfer und Frau Merkel Arbeitsplätze im Umweltschutz geschaffen. Wir haben uns an die Spitze der Exporteure in der Welt gestellt. ({3}) Dazu haben Sie nichts beigetragen. Wenn es hier und heute um Arbeitsplätze geht, dann können Sie sich einmal die Diskussion um die 630-DM-Gesetzgebung anschauen: Was Sie schaffen, ist Chaos, aber keine neuen Arbeitsplätze. Sie sitzen hier und reden davon, daß wir bei der Frage der Endlager nicht weitergekommen sind. Sie blockieren die aktuelle Situation und haben als Konzept 19 neue Zwischenlager vorgeschlagen. Das ist doch - ehrlich gesagt - das allerletzte. ({4}) Früher haben Sie zu sicheren Konzepten nein gesagt. Aber wenn wir Ihre Lösung mit den Zwischenlagern im Wasser an den bestehenden Kernkraftwerken je vorgeschlagen hätten, dann hätten Sie Zeter und Mordio geschrien und gesagt, wir wollten die Republik an den Rand des Abgrunds bringen. Die Konzepte, die sicher sind, verweigern Sie. Sie wollen neue Lösungen, die Scheinlösungen sind. Das müssen wir ablehnen. Sie haben davon gesprochen, daß Energie eingespart werden muß, insbesondere im Altbaubestand. Wo bleibt die Energiesparverordnung, Herr Trittin? Nichts haben Sie geleistet! Das, was an Vorarbeit geleistet worden ist, bleibt in Ihrem Ministerium liegen. So könnten wir die Beispiele fortsetzen. Nein, was dort sitzt, ist der erfolgloseste Umweltminister seit Beginn dieser Republik! Das Schlimme ist: Er freut sich noch darüber. ({5}) Es mag sein, daß Sie als Enfant terrible dieses Parlaments im Umgang mit Journalisten einen gewissen Aufmerksamkeitswert haben. ({6}) Aber das ist auch das einzige. Was wir uns wünschen würden, wäre ein Umweltschutzminister, der uns weiterbringt. Das allerdings sind Sie nicht! ({7})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Erwiderung Herr Bundesminister Trittin, bitte.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Lieber Herr Lippold, in einen Wettbewerb des „enfant“ - in welcher Form auch immer - möchte ich mit Ihnen nicht eintreten. ({0}) Ich möchte Sie in aller Ruhe auf ein paar Fakten hinweisen. Das, was wir im Rahmen der Anmeldungen von FFH-Schutzgebieten nach Brüssel weitergeleitet haben, waren nicht etwa die jetzt beschleunigt nachgelieferten Angaben der Länder, sondern war das, was unter Ihrer Regierung innerhalb der Verwaltung des Bundes liegengeblieben ist. Das haben wir abgeräumt und nichts anderes! ({1}) Wenn Sie sich auf mich beziehen - das einzige Beispiel, was ich Ihnen genannt habe, ist die LkwRichtlinie -, dann empfehle ich Ihnen einen einfachen Blick in die Drucksache. Sie werden dann feststellen, daß diese Lkw-Richtlinie im Dezember und ausdrücklich durch unser Wirken und fernab Ihrer Regierungsbeteiligung entstanden ist. - Entschuldigung, jetzt ist mein Rechner angegangen. ({2}) - Er sollte mich mahnen, an der namentlichen Abstimmung teilzunehmen. Das ist weniger Technikbegeisterung als Respekt vor dem Parlament, Herr Kollege. ({3}) Ich will an dieser Stelle zum Abschluß noch eines sagen, lieber Herr Lippold: Daß Sie hier in echauffierter Rede beklagen, daß wir nicht früher an der Regierung gewesen sind, das hat mich schon überrascht. ({4}) Ich hätte Ihnen gerne den Gefallen getan, aber nun war es eben nicht so. Dr. Klaus W. Lippold ({5}) Nun haben wir das Problem, daß Sie das Verschieben von Atommüll ins Ausland über Jahre hinweg als Entsorgungsnachweis akzeptiert haben. Sie haben über Jahre hinweg geduldet, daß Atommüll unter der Aufschrift Wiederaufarbeitung nach Frankreich und England geschickt wurde, ohne daß dieser, wie es das Gesetz vorsieht, schadlos wiederverwertet worden ist. Wenn er denn schadlos wiederverwertet worden wäre, wie kommt es dann, daß wir mittlerweile 20 Tonnen Plutonium in Frankreich liegen haben, von dem wir nicht wissen, wie wir damit umgehen müssen? Sie sind die letzten, die in dieser Frage auch nur im Ansatz das Wort ergreifen und von Verantwortung reden dürfen! ({6})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt noch der Kollege Grill für die CDU/CSU.

Kurt Dieter Grill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002665, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Trittin, ich will das letzte, was Sie gesagt haben, hier deutlich zurückweisen. Sie haben überhaupt kein Recht dazu, der Union und der alten Koalition in der Frage der Wiederaufarbeitung deutscher Brennstäbe in Frankreich so etwas vorzuwerfen. Sie haben dazu überhaupt keine Veranlassung! ({0}) Erstens: Das hat mit der SPD unter Helmut Schmidt begonnen. ({1}) Das zweite ist: Sie waren Mitglied der niedersächsischen Landesregierung von 1990 bis 1994, die seit 1990 die Castor-Transporte nach Frankreich hat laufen lassen, damit sie nicht nach Gorleben müssen. Bleiben Sie da, wo Sie sind, und tun Sie uns den Gefallen, mit einer solchen Unwahrhaftigkeit letztendlich das zu ermöglichen, was wir jetzt brauchen: nämlich den Regierungswechsel. Ihr Abteilungsleiter Renneberg hat am Montag in Hannover die Katze aus dem Sack gelassen. Er hat nämlich gesagt: Wir dürfen die Untersuchung mit Gorleben nicht zu Ende führen, weil sonst die Gefahr besteht, daß sich herausstellt, daß der Salzstock geeignet ist. Das ist Ihre Politik! ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe hiermit diese zweifellos außergewöhnlich temperamentvolle Debatte. Wir kommen nun zur Abstimmung, und zwar zunächst über die Änderungsanträge. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/923, über den jetzt nicht namentlich abgestimmt wird. Deshalb frage ich Sie: Wer stimmt für diesen Änderungsantrag der F.D.P.? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Änderungsantrag gegen die Stimmen von F.D.P. und CDU/CSU abgelehnt. Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 14/939: Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag gegen die Stimmen von CDU/CSU und der F.D.P. abgelehnt. Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 14/940: Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag gegen die Stimmen der CDU/CSUund der F.D.P.-Fraktion abgelehnt. Änderungsantrag der PDS-Fraktion auf Drucksache 14/977: Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag gegen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt. Änderungsantrag der PDS-Fraktion auf Drucksache 14/978: Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe! Enthaltungen? - Damit ist dieser Änderungsantrag gegen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 16 in der Ausschußfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 16? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan 16 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS angenommen. ({0}) Ich rufe nun Tagesordnungspunkt I. 24 auf: Haushaltsgesetz 1999 - Drucksachen 14/623, 14/624 Berichterstattung: Abgeordnete Dietrich Austermann Michael von Schmude Oswald Metzger Dr. Günter Rexrodt Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. Wer stimmt für den Änderungsantrag der F.D.P. auf der Drucksache 14/924? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag gegen die Stimmen der F.D.P. und der CDU/CSU abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU-Fraktion, F.D.P.-Fraktion und PDS angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft auf der Drucksache 14/625 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses einstimmig angenommen. Wir kommen jetzt zur Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Finanzplan des Bundes 1998 - 2002 auf Drucksache 14/625 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, die Unterrichtung auf Drucksache 13/11101 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung einstimmig angenommen. Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt II auf: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 ({1}) - Drucksachen 14/300, 14/760, 14/601 bis 14/621, 14/622, 14/623, 14/624 Es liegen fünf Entschließungsanträge der Fraktion der CDU/CSU, drei Entschließungsanträge der Fraktion der F.D.P. und ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS vor. Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache die Schlußabstimmung und die Abstimmung über die fünf Entschließungsanträge namentlich durchführen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. ({2}) Ich höre keinen Widerspruch. ({3}) Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Adolf Roth. ({4})

Adolf Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001889, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe durchaus Verständnis für Ihre Reaktion; aber ein großer Teil von Ihnen hat sich in der Zwischenzeit zu dieser ungewöhnlichen Stunde etwas stärken können, so daß wir auch die letzte Etappe dieser Haushaltsberatung 1999 in geordneter Form durchführen können. Es gehört zu den guten Traditionen unseres Hauses, daß in der dritten Lesung zum Bundesetat der Vorsitzende des Haushaltsausschusses das Wort ergreift. Dies ist erstmals seit 16 Jahren - Gott sei's geklagt! - wieder ein Mitglied der CDU/CSU-Fraktion, das jetzt vor Ihnen steht. ({0}) - Ich bedanke mich für den freundlichen Applaus, ({1}) aber Sie wissen: Ich gehöre einer sehr traditionsbewußten Partei an, und wir wissen diese Tradition zu schätzen. Deshalb werden wir mit aller Kraft und mit aller Entschlossenheit daran arbeiten, daß dieser Zustand alsbald beendet wird und diese wichtige parlamentarische Funktion wieder an einen geeigneten Vertreter oder eine geeignete Vertreterin aus Ihren Reihen übergehen kann. Das jedenfalls ist unsere politische Absicht. ({2}) Wann dies geschieht, entscheiden allerdings nicht wir, sondern die Wählerinnen und Wähler. Der neue Bundesfinanzminister kommt, wie ich, aus dem Bundesland Hessen. Wir haben gerade aktuell die Erfahrung gemacht, daß diese Mechanismen des politischen Wechsels - der Wechsel ist ja das einzig Beständige in der Demokratie - durchaus funktionieren. Ziehen Sie sich also warm an, Herr Bundesfinanzminister; auch hier sind Ihrer Tätigkeit zeitliche Grenzen gesetzt. ({3}) Meine Damen und Herren, wenn sich die Qualität der Politik auch im Zahlenwerk des Bundeshaushalts ausdrückt, dann werden wir gerade am Ende dieser etwas ungewöhnlich abgelaufenen parlamentarischen Haushaltswoche in der eigenen Erwartung bestärkt, daß wir nicht erst fünf Anläufe brauchen, bis Deutschland wieder aus der Situation herauskommt, die Sie bereits in den ersten sieben Monaten angerichtet haben und die ein Menetekel hinsichtlich der weiteren Entwicklung ist. Ich habe anläßlich der Debatte in dieser Woche das Gefühl gehabt, daß Sie die ersten sieben Monate Ihrer Regierungstätigkeit am liebsten vergessen machen möchten. Sie sind hier zwar zum Haushalt 1999 angetreten, haben aber jeweils über diesen zeitlichen Horizont hinausgeblendet. Sie haben weder eine eigene Finanzplanung vorgelegt, noch gibt es eine aktualisierte Steuerschätzung, noch wurde vom neuen Bundesfinanzminister ein Rahmen vorgelegt. Das alles deutet darauf hin, daß Sie gerade in dieser Haushaltswoche allen Grund hatten, die letzten sieben Monate in Bonn vergessen zu machen. Meine Damen und Herren, bevor ich zu meinen politischen Bewertungen komme, möchte ich noch kurz einige Anmerkungen zur Arbeit des Haushaltsausschusses in den letzten Monaten machen. Dieser Ausschuß mit seinen 42 Mitgliedern hat nach dem Regierungswechsel und der letzten Bundestagswahl eine erhebliche Veränderung erfahren. ({4}) In die Reihen der Opposition sind ehemalige Regierungsmitglieder als Verstärkung eingerückt. In die Phalanx der SPD sind zehn neue Kolleginnen und Kollegen eingerückt. Insgesamt kann ich sagen, daß sich das personelle Gefüge unseres Ausschusses gefestigt hat und daß wir in den letzten Wochen haben unter Beweis stellen können, daß wir unseren Auftrag durch einen strafVizepräsidentin Petra Bläss fen und effizienten Beratungsablauf ordnungsgemäß erledigen konnten. Einen wesentlichen Anteil daran - es gehört zu unseren Üblichkeiten, das auszusprechen - hatten die verantwortlichen haushaltspolitischen Sprecher der Fraktionen, allen voran auf der Seite der Regierungskoalition die Kollegen Hans Georg Wagner und Oswald Metzger, die ihre Truppen zusammengehalten haben, wenn notwendig auch mit Auszeiten und Sitzungsunterbrechungen. ({5}) In der neuen Rolle auf der Gegenseite, der Opposition, waren dies die Kollegen Dietrich Austermann und Dr. Günter Rexrodt und - nicht zu vergessen - mein Stellvertreter im Amt, Manfred Hampel, sowie die Vorsitzenden der Unterausschüsse, Uta Titze-Stecher und Bartholomäus Kalb. Ihnen allen, aber auch den nicht namentlich genannten Ausschußmitgliedern möchte ich meinen herzlichen Dank für das kollegiale Miteinander und für die Handhabung der einschlägigen Haushältertugenden aussprechen. ({6}) Etatberatungen nach einem Regierungswechsel haben zwangsläufig ihre eigene Dramaturgie. Gerade der Ablauf der letzten Tage hat deutlich gemacht, daß am Ende dieser Haushaltsberatungen einige Einschätzungen und einige Zusammenfassungen möglich sind. Ich möchte zunächst einmal feststellen, daß der im rotgrünen Koalitionsvertrag angekündigte „umfassende Kassensturz ... über die tatsächliche Lage der Staatsfinanzen“ in dieser behaupteten Form niemals stattgefunden hat. ({7}) Ich füge für die Kenner hinzu: Es ist natürlich absurd, dies überhaupt als Programmpunkt aufzuführen. Denn wenn eine Opposition, die über 16 Jahre die Geschehnisse verfolgt hat, öffentlich bekennen müßte, sie wisse über die Haushaltslage nicht Bescheid - wie es damals der jetzige Bundeskanzler im Wahlkampf immer wieder gesagt hat -, würde sie sich ein großes Armutszeugnis ausstellen. ({8}) Es hat keinen Kassensturz gegeben. Der ist uns auch nie authentisch bzw. in Form von überprüfbaren Ergebnissen vorgelegt worden. ({9}) Herr Bundesfinanzminister, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsseite, die permanente Flucht in die Diskussion über strukturelle Defizite und Erblasten hängt den kundigen Thebanern seit Wochen und Monaten zum Halse heraus. Namhafte Sprecher der Koalition haben das öffentlich bekannt. Sie müssen sich jetzt den inhaltlichen Herausforderungen stellen. Wenn schon von einer Bilanz gesprochen wird, Herr Bundesfinanzminister: In dieser Woche ist immer wieder das aktuelle Frühjahrsgutachten der Institute zitiert worden. Ich möchte Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, daß in diesem Gutachten ausgewiesen wird, daß im Jahre 1998 - das ist das Jahr der Wende und des Wechsels -, also zehn Jahre nach Beginn des Wiedervereinigungsprozesses, sämtliche einschlägigen Finanzdaten, also die Staatsausgabenquote, die Abgabenquote, die Steuerlasten und das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit in Deutschland, besser gewesen sind als zehn Jahre zuvor, vor dem Fall der Mauer. ({10}) Herr Bundesfinanzminister, Sie wissen ganz genau, wer 1980 Inhaber der Regierungsverantwortung war. Das ist die aktenkundige Schlußbilanz ({11}) - wenn dieses Thema überhaupt auf der Tagesordnung steht - der Bundesregierung von Helmut Kohl, die Finanzminister Theo Waigel vorlegen konnte. ({12}) Ein Zweites möchte ich sagen: Sie waren auf die Übernahme der Regierungsverantwortung - das allerdings haben die letzten Monate bewiesen - inhaltlich und konzeptionell überhaupt nicht vorbereitet. Sie haben im letzten Jahr Bilder von der Haushaltslage skizziert, die nach der Wahl sofort in sich zusammengebrochen sind. Alle düsteren Prophezeiungen über den „geschönten Wahlhaushalt 1998“ sind in sich zusammengefallen. Punktgenau in den Ausgaben und im Finanzierungsdefizit hat der Haushalt 1998 abgeschlossen, und nicht nur das: Er hatte sogar einen übertragbaren, nicht realisierten Einnahmeüberhang von 10 Milliarden DM als Polster für die neue Bundesregierung. ({13}) Das ist die Situation gewesen. ({14}) Sie haben es selber bestätigt, und dann sollten Sie auch zu Ihren Aussagen der letzten Wochen stehen noch in dieser Woche ist es an diesem Pult gesagt worden -: 95 Prozent des von Theo Waigel vorgelegten Haushalts 1999 haben Sie lediglich abgekupfert. Offenbar ist Ihnen in sieben Monaten nichts anderes eingefallen, als die Richtigkeit der Grundanlage des Zahlengefüges dieses Haushaltes zu bestätigen. Herr Finanzminister, Sie haben vorgestern den Begriff der unverwechselbaren eigenen Handschrift in die Diskussion eingebracht. Eine unverwechselbar eigene Handschrift in diesem Haushalt ist allerdings die Expansion auf der Ausgabenseite von 6,3 Prozent; das hat es hier seit vielen Jahren nicht gegeben. Das ist allerdings eine Position, die bei Theo Waigel nicht vorgesehen war. ({15}) Adolf Roth ({16}) Meine Damen und Herren, mit dem chaotischen Hin und Her der letzten Monate - das ist in dieser Woche oft besprochen worden - haben Sie doch letztlich bewirkt, daß die Öffentlichkeit Zweifel daran anmelden kann und anmelden mußte, ob die Kernziele Ihrer Regierungspolitik mit einer solchen verfehlten Anlage bereits in der ersten Etappe überhaupt erreichbar sind. Die Wachstumsrate von 2,8 Prozent im letzten Jahr ist mittlerweile nahezu halbiert. Die Arbeitsmarktsituation, auf die Sie als Kernstück Ihrer Regierungsarbeit immer wieder abgehoben haben, ist - ich muß noch einmal auf die Zahl von 1982 zurückgreifen - in ihrer Deutlichkeit kaum zu übertreffen: 1982 war die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland in den letzten zwölf Monaten vor dem Regierungswechsel um 600 000 gestiegen - das war damals im heutigen Westdeutschland -; im Jahr 1998 ist die Arbeitslosenzahl in den letzten zwölf Monaten vor dem Regierungswechsel um 350 000 zurückgegangen. Das ist der Unterschied. ({17}) Dieses Hin und Her, die Eintrübung der Konjunktur und der Zusammenbruch der wirtschaftlichen Perspektiven und Wachstumsaussichten sind das Ergebnis Ihrer Politik. Als Sie zu Jahresbeginn nicht recht weiterkamen, haben Sie die inzwischen reichlich überstrapazierte Formel vom Übergangshaushalt 1999 gewählt. Damals haben Sie allerdings noch nicht geahnt, welche unerwartete Stichhaltigkeit und Aktualität diese Formel vom Übergangshaushalt bekommen würde, nämlich als die Turbulenzen im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Oskar Lafontaine Sie politisch niedergestreckt haben. ({18}) Das war die Situation: Erst wurden die Kompetenzen dieses Ressorts üppig zu einem Superressort aufgepolstert; dann kam es wenige Tage nach der parlamentarischen Vorlage des allerersten Haushaltsentwurfs vor diesem Hohen Hause zur Flucht aus der Verantwortung. Das war der schlimmste Verantwortungsboykott, den es in Deutschland je gegeben hat. Das ist Ihre Ausgangsposition für die weitere Entwicklung. ({19}) Die Verwalter des parlamentarischen Königsrechts des Budgetrechts - sind der Haushaltsausschuß und das Parlament insgesamt. Diese Souveränität des Parlamentes hat in diesen Wochen eine eindrucksvolle Bestätigung erfahren; denn die Haushaltsberatungen 1999 haben in nahezu vollständiger Abwesenheit einer intakten Ressortleitung des Bundesfinanzministeriums stattgefunden, sie waren ausschließliche Arbeit des Parlaments. Ich sage Ihnen bei aller Unterschiedlichkeit der Bewertung: Wir können damit ganz gut leben. Wir hatten auch ohne die Ressortspitze nicht eine Sekunde Anlaß dazu, unseren Beratungsfahrplan zu ändern. Herr Minister, Sie haben vorgestern dem Hohen Hause mitgeteilt, daß Sie sich in den ersten Wochen Ihrer Amtstätigkeit erst einmal einen Überblick über die Lage verschafft haben - mehr haben wir an Einflüssen aus Ihrer Richtung auch nicht verspüren können. Das ist das Unaufrichtige an der ganzen Strategie, die wir in der Außendarstellung in dieser Woche erlebt haben: Vor der Bundestagswahl hieß es, Deutschland braucht einen neuen Anfang. ({20}) - Klatschen Sie nur! - 130 Tage später konnte man hören: Deutschland und Schröder brauchen eine zweite Chance. Jetzt, 180 Tage später, teilt der neue Finanzminister dem Hohen Hause mit: Freunde, die eigentliche Vorstellung beginnt erst im nächsten Jahr, im Jahr 2000; wir brauchen jetzt zur Einschätzung der aktuellen Politikgestaltung keine entscheidenden Regierungsschritte zu unternehmen. Der neue Bundesfinanzminister hat sich vor diesem Haus in einer für mich als Beobachter seiner vorherigen politischen Tätigkeit etwas ungewohnten Rolle präsentiert. Er ist sozusagen als Terminator der Finanzpolitik, als gnadenloser Tabubrecher mit folgenden Sprüchen aufgetreten: Nieder mit den Neuschulden; Abbau der Neuschulden; Sparen bis zum Abwinken. Es hat sich ein zeitlich und inhaltlich völlig neuer Horizont der Finanzpolitik eröffnet. - Wenn man aber dann den Debatten gelauscht hat, hörte man aus dieser Ecke immer die Musik: Jetzt konnten wir noch nicht so richtig aufdrehen, weil ihr uns nicht genug Geld in der Kasse gelassen habt, aber im nächsten Jahr werden wir originär rotgrüne Haushaltspolitik und Politik in Deutschland gestalten! Mit dieser Formel werden Sie nicht weiterkommen. ({21}) Am 21. April hat es im Haushaltsausschuß eine erste Begegnung mit dem Finanzminister gegeben. Er wird sich gefragt haben: Sind die immer so harmlos? Sind die immer so freundlich? Ich kann Ihnen für die entspannte Atmosphäre zwei Gründe sagen. Der erste Grund: Wir Haushaltspolitiker sind von unserem ganzen Naturell her sehr verträgliche, aufgeschlossene Menschen, ({22}) die auch im Umgang mit neuen Regierungsmitgliedern wissen, was sich gehört. Ich muß allerdings die Einschränkung machen: Wir sind nur so lange so freundlich, solange man uns nicht reizt, Herr Bundesfinanzminister. Wären Sie an diesem Tag etwas aus Ihrer blumigen Abstraktion herausgegangen, hätten Sie nicht nur wolkige, allgemeine Andeutungen mit dem permanenten Hinweis gemacht, auf gar keinen Fall das Geheimnis Ihrer Regierungsabsichten zu lüften, wären Sie also konkret geworden - dann wären wir auf unserem Posten gewesen. Das werden wir aber dann sein, wenn Sie am 30. Juni wieder im Haushaltsausschuß sind und Ihr großes Wunderpaket der zusammengefügten Perspektiven rotgrüner originärer HausAdolf Roth ({23}) halts- und Finanzpolitik für die nächsten Jahre vorlegen; das sichere ich Ihnen zu. Der zweite Grund - er ist vielleicht etwas ernsthafter -: Sie haben dem Haushaltsausschuß gegenüber ein offenes Eingeständnis gemacht. Sie haben nämlich gesagt, daß unter allen staatlichen Ebenen der Bund mit seiner Finanzausstattung bekanntlich am schlechtesten dran sei und daß dieser Zustand nicht in den letzten viereinhalb Monaten entstanden sei. So habe ich mir den Satz aufgeschrieben. Herr Bundesfinanzminister, das ist ein bemerkenswertes Eingeständnis des ehemaligen SPDFinanzkoordinators im Bundesrat, der für viele Entwicklungen in unserem bundesstaatlichen Finanzgefüge, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, mitverantwortlich war. ({24}) Ich will das noch einmal zu Protokoll geben, Herr Finanzminister, weil auch namhafte Haushaltspolitiker der sozialdemokratischen Fraktion ({25}) genau diese Einschätzung seit Jahren im Haushaltsausschuß und auch hier im Plenum vertreten haben. Unser Hauptvorwurf an Ihre Adresse war immer: Die Verweigerung bundesstaatlicher Finanzverantwortung Herr Staatssekretär Diller, da nehme ich Sie besonders ins Visier - unter Mithilfe der strukturellen Mehrheit im Bundesrat in den letzten zehn Jahren gehörte zu den schwerwiegendsten Fehlern, die Sie in Ihrer Anlaufphase zur Regierungsübernahme gemacht haben. Allerdings werden Sie heute von diesem Fehler eingeholt und zahlen dafür Ihren Preis. ({26}) Herr Eichel, Sie haben als Verantwortlicher im Bundesrat zehn Jahre lang - dies ist der zehnte Haushalt seit Beginn des Wiedervereinigungsprozesses - eine aktive Politik als Gegengewicht zu der Bonner Politik auf Ihr Panier geschrieben. Das war der Kern Ihrer politischen Strategie. Wenn Sie dies heute als Bundesfinanzminister auszubaden haben, ist unser Mitgefühl Ihnen gegenüber reichlich eingeschränkt. Meine Damen und Herren, Sie haben jede Konsolidierung verweigert. Sie haben nichts dazu beigetragen, die Finanzierungsdefizite zurückzuführen. Sie haben gerade in den Jahren, in denen die Ausweitung der Finanzierungsdefizite im Zusammenhang mit dem deutschen Einigungsprozeß unausweislich gewesen ist, den Versuch gemacht, in die Haushaltsgesetzgebung des Bundes einzugreifen. Der Zeuge dieses Versuchs sitzt hier auf seinem Abgeordnetenplatz: Theo Waigel. Der Bundeshaushalt sollte über den Bundesrat gekippt und verändert werden. ({27}) Kein Komma ist geändert worden. Aber ihr Verhalten hat uns damals in einer schwierigen wirtschaftlichen Zeit Monate gekostet, Monate mit einer vorläufigen Haushaltsführung, die ausgesprochen negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung gehabt hat. ({28}) Deshalb sage ich mit großem Selbstbewußtsein: Wir haben uns durch diese zehn Jahre durchgekämpft. Theo Waigel ist der Architekt des europäischen Stabilitätspaktes gewesen. Er hat mit unserer Mehrheit die Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrages eingehalten, gegen alle negativen Ankündigungen. Diesen Erfolg werden wir uns von Ihnen nicht wegreden lassen. ({29}) Ein Weiteres, Herr Bundesfinanzminister - ich denke, das muß ich Ihnen als langjährigem Ministerpräsidenten nicht in Erinnerung rufen -: Es ist ein Fakt, daß sich der Anteil des Bundes am gesamtstaatlichen Steueraufkommen in den Jahren von 1991 bis 1998 von damals 48 Prozent auf nur noch 41 Prozent zurückentwickelt hat. Im gleichen Zeitraum hat sich der Länderanteil um genau diese 7 Prozentpunkte von 34 Prozent auf ebenfalls 41 Prozent erhöht. Das heißt, umgerechnet auf das heutige Steueraufkommen im Haushaltsjahr 1999: Knapp 60 Milliarden DM sind, wenn man die alten und die neuen Haushaltsstrukturen und Steuerverteilungen in Deutschland vergleicht, vom Bund auf die Länder übergegangen, und zwar in einer Zeit, in der wir jährlich 60 Milliarden DM höhere Rentenaufwendungen zu finanzieren hatten, in einer Zeit, in der die Aufwendungen für die Umstrukturierung der Arbeitsmärkte im wiedervereinigten Deutschland auf das Fünffache angestiegen waren, in einer Zeit, als wir den Kohlepfennig finanzieren mußten und viele andere Sonderlasten zu tragen hatten. ({30}) Herr Bundesfinanzminister, ich habe diese Rechnung aufgemacht, weil ich es wirklich für nicht in Ordnung gehalten habe - um es ganz neutral auszudrücken -, daß Sie die Stirn hatten, in dieser Woche vor dieses Parlament zu treten und die 500 Milliarden DM kommunistischer Erblastschulden der DDR dem damaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel in die Schuhe zu schieben. ({31}) Sie haben von einem von der Vorgängerregierung aufgehäuften Schuldenberg von 1 500 Milliarden DM gesprochen. ({32}) Sie sind ein Meister in Fußnoten- und Nettoberechnungen, und ich weiß nicht, was Sie sonst noch alles zustande bringen. Es ist nicht anständig, so miteinander umzugehen, wenn man weiß, welche Lasten dem Bund, auch durch die Machtverhältnisse im Bundesrat, in diesen Jahren aufgebürdet worden sind. ({33}) Adolf Roth ({34}) Am gleichen Tag, Herr Finanzminister Eichel, hatte dieses Parlament in abschließender Lesung das Unkenntlichmachen der kommunistischen Erblastschulden der DDR in der Finanzstatistik des Bundes per Gesetz zu beschließen. Sie haben unter dem Deckmantel der sogenannten Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit per Gesetz das, was Sie über Jahre hinweg kritisiert haben, wenn gewisse Streckungen notwendig waren, zum Dauerzustand gemacht, und zwar aus zwei Motiven heraus: zum einen, um die Schulden pauschal Ihrer Vorgängerregierung in die Schuhe schieben zu können, zum anderen, um sich einen zusätzlichen Finanzierungsspielraum im Bundeshaushalt zu schaffen. Zu den Tilgungsleistungen der letzten Jahre: Es sind immerhin 48 Milliarden DM der Erblastschulden seit 1994 getilgt worden, und zwar nicht nur durch Bewertungsgewinne der Deutschen Bundesbank. Auch mit regulären Haushaltsmitteln ist ein Betrag von knapp 15 Milliarden DM getilgt worden, und zwar im Rahmen des gegebenen Kreditrahmens. Genau das wird mit diesem Gesetz unkenntlich gemacht. Sie wollen das, was an Abfinanzierung innerhalb einer Generation vereinbart worden war, aussetzen, um sich selber einen höheren Ausgabenspielraum zuzumessen. ({35}) Deshalb, glaube ich, ist der Ruf des Erfinders der neuen Sparsamkeit und des Entdeckers der deutschen Sparpolitik - so schimmerte es in manchen Kommentierungen fast schon durch - etwas voreilig. ({36}) Wenn Sie sich wirklich drei Wochen lang um einen Überblick bemüht haben - das bestreitet Ihnen niemand -, dann werden Sie auch festgestellt haben, daß zwischen 1993 und 1998 die Bundesregierung Helmut Kohl mit dem Finanzminister Theo Waigel einen außerordentlich strikten Konsolidierungskurs gefahren ist. Die Ausgaben des Jahres 1998 waren vom Niveau her nicht höher als die Ausgaben des Jahres 1993. Sie müssen also mit diesem Kurs nicht erst anfangen, sondern Sie wären gut beraten gewesen, wenn Sie diesen Kurs fortgesetzt hätten, statt jetzt mit einem expansiven Schritt in die andere Richtung zu gehen. ({37}) - Die Zahlen sprechen eine deutliche, nicht widerlegbare Sprache, Herr Kollege Schmidt: Der letzte Haushalt der Bundesregierung von Helmut Kohl hatte mit einer Ausgabenquote von 12 Prozent des Bruttoinlandprodukts den niedrigsten Ausgabenanteil seit 50 Jahren, und das am Ende dieses schwierigen Wiedervereinigungsjahrzehnts. Das ist die Wahrheit. ({38}) Sie prangern heute kritisch an, daß Deutschland in diesen zehn Jahren im Durchschnitt ein vorübergehend um 1,3 Prozent höheres staatliches Finanzierungsdefizit hatte als in den Jahren vor der Wiedervereinigung - es hat damit übrigens im europäischen Umfeld eine absolut unauffällige Entwicklung genommen -, mit dem Ergebnis, daß 1998 das Finanzierungsdefizit mit 2 Prozent Herr Minister, Sie sollten durchaus die Darlegung der Zahlen für einen Moment verfolgen - niedriger gewesen ist als zehn Jahre davor, vor dem Fall der Mauer im Jahre 1988. Tatsächlich ist das die authentische Schlußbilanz, von der Sie so oft in negativer und abschätzender Form öffentlich geredet haben. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. ({39}) Meine Damen und Herren, Sie wollen das bestreiten, aber Sie werden es nicht bestreiten können. Deshalb sind wir auf die Politik, die Sie in den nächsten Wochen und Monaten vorbereiten, gespannt. Wir sind sehr gespannt, wie Sie aus dem konzeptionellen Dickicht Ihres ersten Regierungshalbjahres herausfinden. Für mich ist sicher diesen Punkt möchte ich am Ende auch noch ansprechen -, daß die uns durch die Vertragsverpflichtungen von Maastricht auferlegte Nachhaltigkeit der Finanzpolitik nicht nur - was in Ordnung ist und was von uns mit Sicherheit mitgetragen wird - quantitative Einschnitte fordert, sondern uns auch eine qualitative Veränderung unserer Staatstätigkeit und insbesondere eine Veränderung unserer heutigen bundesstaatlichen Finanzverfassung abverlangt. Sie haben gesagt, wir müßten wirtschaftlich gute Jahre - offenkundig rechnen Sie alsbald damit; im Moment sieht es nicht danach aus - zur Konsolidierung nutzen. Die Wahrheit in allen parlamentarischen Demokratien mit dieser Erfahrung stehen wir leider nicht allein - ist, daß wirklich wirkungsvolle Konsolidierungsstrategien regelmäßig erst dann funktioniert haben, wenn den jeweiligen Parlamenten und Regierungen - ich sage das einmal so vorsichtig - die Verhältnisse etwas eng geworden sind. Das war 1974/75 so, das war in den Jahren 1981 bis 1983 so, und leider war das Mitte der 90er Jahre auch so, als wir zu unserer Konsolidierungsstrategie gezwungen waren, die wir zu einem guten Ergebnis gebracht haben. ({40}) - Ja, wir werden auf Ihren Datenkranz mit Geduld und Gelassenheit warten, Herr Kollege Diller. Ich halte es für einen schwerwiegenden Fehler, daß die neue Bundesregierung die notwendige Neuordnung unserer Finanzverfassung überhaupt nicht thematisiert, sie auf die lange Bank schiebt und lediglich eine Kommission bildet. Sie haben in Ihrem ergreifenden Grundsatzreferat in diesem Hause kein einziges Wort dazu gesagt. ({41}) Mit der im Koalitionsvertrag festgelegten Festschreibung richten Sie sich auf Jahre hin auf eine Verhärtung der bestehenden Verhältnisse ein. Adolf Roth ({42}) Mein Amtsvorgänger, ein Sozialdemokrat, hat den damaligen Bundeskanzler, Helmut Kohl, bei der Haushaltsdebatte im Herbst 1997 dafür gelobt, daß er in einem Gespräch mit dem Haushaltsausschuß angekündigt hat, das vorrangigste und wichtigste Thema der neuen, nämlich dieser 14. Legislaturperiode sei eine politische Generalbetrachtung des bundesstaatlichen Finanzsystems unter Einschluß aller Ebenen. Dazu gehört insbesondere eine Bewertung der Situation in unseren Gemeinden, also nicht allein im Bund und in den Ländern. Mein Amtsvorgänger hat damals triumphierend gesagt: Dazu wird es gar nicht mehr kommen; diese Aufgabe nehmen wir Ihnen ab. Die neue Regierung hat das aber nicht thematisiert; sie hat es auf die Bank geschoben. Ich möchte Ihnen prophezeien, daß Sie ohne den Wettbewerb unter den Bundesländern, ohne die Entflechtung der Aufgaben und ohne die Stärkung der Verantwortung der einzelnen Ebenen in unserem Staat nicht vorankommen. Deshalb sollten Sie sich wenigstens bemühen, erste Schritte zu einer solchen Neuordnung zu machen. Ich rate ihnen dringend, die Beseitigung der Mischfinanzierung und die Beseitigung der Gemeinschaftsaufgaben dabei als erstes in Betracht zu ziehen. ({43}) Ich möchte eines ohne Polemik sagen. Herr Bundesfinanzminister, niemand in diesem Hause und wahrscheinlich kaum jemand in der Öffentlichkeit will, daß Sie in die politischen Fußstapfen Ihres Vorgängers treten. Die spannende Frage ist jedoch, ob es Ihnen gelingen wird, aus diesen Fußstapfen herauszukommen. Das, was in dieser Woche in der Haushaltsdebatte im Parlament abgelaufen ist, spricht dafür, daß Sie vom Ansatz einer solchen neuen Entwicklung noch meilenweit entfernt sind. ({44}) Weil das so ist, werden wir diesen Haushalt nicht mittragen, ihn in dritter Lesung ablehnen und werden Sie sich darauf einrichten müssen, einen sehr kritischen Kontrapartner auf den Bänken der Opposition zu haben. Bevor ich abtrete, möchte ich ein Wort des Dankes sagen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien sowie beim Bundesrechnungshof und besonders - wenn ich meinen Blick nach hinten richte, sehe ich sie dort noch zu später Stunde sitzen - an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Sekretariat des Haushaltsausschusses, die ihre Arbeit weit über den üblichen Rahmen ihrer Verpflichtungen hinaus geleistet und die mit Bravour Ordnung in die Flut unserer Anträge, Berichte und Unterlagen gebracht haben. ({45}) Sie haben den störungsfreien Ablauf gesichert. Sie haben uns beraten, sie haben uns geholfen. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. Damit möchte ich für meinen Teil sagen: Wir sind jetzt in einer noch nicht definierten Phase der deutschen Finanzpolitik. Es wird in den nächsten Jahren sehr spannend werden. Aber wir werden mit aller Entschlossenheit dafür kämpfen, daß wirklich eine Wende in der Finanzpolitik, auch im Gefüge zwischen dem Bund und den Ländern, in Deutschland eintritt. Wir werden Ihnen nämlich abverlangen, daß Sie das, was Sie vor diesem Hause angekündigt haben, auch in der Praxis Ihrer Regierungsarbeit durchsetzen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({46})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Hans Georg Wagner.

Hans Georg Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002406, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei aller Wertschätzung, Herr Kollege Roth, muß ich Ihnen sagen, daß das - für mich überraschend - die erste extrem parteipolitisch gefärbte Rede eines Vorsitzenden des Haushaltsausschusses gewesen ist, in klarer Überschreitung Ihrer Kompetenzen. ({0}) Ich habe nichts dagegen, will Sie auch nicht politisch isolieren, aber wir werden darauf zurückkommen müssen. Manches in Ihrer Verhandlungsführung erklärt sich am heutigen Abend. ({1}) - Herr Glos, Sie waren ja nicht dabei, Sie können nicht mitreden. Setzen Sie sich bitte hin! Sie müssen hier nicht herumstehen. Seit Dienstag habe ich eines gelernt. Ich war bisher der Auffassung, daß es Menschen gibt, die ein Langzeitgedächtnis haben, und Menschen, die ein Kurzzeitgedächtnis haben. Von Dienstag bis heute habe ich erlebt, daß es auch Menschen gibt, die überhaupt kein Gedächtnis haben. Das sind nämlich Sie auf der rechten Seite des Hauses, gedächtnislose Gesellinnen und Gesellen, die nicht wissen, daß sie bis zum 27. September 1998 die Mehrheit hatten. Alles, was Sie heute für die letzten sieben Monate gefordert haben, hätten Sie längst erledigt haben können. Sie haben nichts davon getan. ({2}) Das kann daran gelegen haben, Herr Kollege Waigel, daß Ihr Freund und Oberbefehlshaber aus München in dieser Haushaltsdebatte heute nicht hier war, so daß Sie nicht gewußt haben, was Sie eigentlich sagen sollten. ({3}) Aber vielleicht ist er beim nächstenmal wieder dabei, dann geht es geordneter zu. Eines ist doch klar: Nachdem überhaupt keine Alternativen sichtbar wurden, nachdem überhaupt keine konkreten Vorschläge gemacht wurden, ({4}) Adolf Roth ({5}) sondern nur Erhöhungsanträge gestellt worden sind, muß ich Ihnen sagen: Das hängt damit zusammen, daß Ihr Oberbefehlshaber nicht da war. ({6}) Wie es bei Ihnen aussieht, steht doch heute zum Beispiel in den bedeutenden „Lübecker Nachrichten“. Dort steht die Überschrift: „Schäuble muß mehr tun“. Ich zitiere jetzt einmal diesen Artikel, weil er so schön ist: Die Junge Union … hat den CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble angegriffen: Er tue zu wenig, ({7}) um die Partei aus ihrem politischen Tief herauszuholen und sie programmatisch zu erneuern. In der Partei herrsche „unproduktiver Stillstand“, ({8}) - das kann ich ausdrücklich bestätigen warfen die JU-Bundesvorsitzende Hildegard Müller und der schleswig-holsteinische JU-Chef Oliver Frankenberg Schäuble vor. Frankenberg sagte den LN, die CDU dürfe sich nicht von dem Wahlerfolg in Hessen sowie den günstigen aktuellen Umfragewerten täuschen lassen und sich einer falschen „Wir-sind-wieder-da“-Stimmung hingeben. Er forderte Schäuble auf, sich entschlossen für Veränderung und Fortentwicklung der CDU einzusetzen - „wie vor zwei Jahren als Fraktionsvorsitzender“. In der Innenpolitik müsse die Union verlorene Kompetenz zurückgewinnen. „Die grandios verlorene Bundestagswahl war kein Ausrutscher“, betonte Frankenberg. Recht hat er, so ist es in der Tat. ({9}) Kraft- und saftlos in der Opposition, ohne irgendeine eigene Initiative. Das sind Sie, wie Sie es in den letzten 16 Jahren in der Regierung gewesen sind, auch in der Opposition gewesen: saft- und kraftlos! ({10}) Wir reden nachgewiesenermaßen über ein strukturelles Defizit. ({11}) - Herr Kollege Waigel, ich höre den Zwischenruf schon. Ich komme nachher bei Ihnen vorbei und erzähle es Ihnen. ({12}) Sind Sie damit einverstanden? - Danke. Dann erzähle ich Ihnen, wie es Oskar Lafontaine geht. Es geht ihm übrigens gut. Ihm geht es besser als Ihnen. Denn Sie sind ja noch saft- und kraftlos hier im Bundestag; das hat er jetzt nicht mehr nötig. ({13}) Das strukturelle Defizit, Herr Waigel, das Sie uns hinterlassen haben, beträgt 30 Milliarden DM. Wenn man die gewinnfinanzierten Investitionen hinzuzählt, sind es 90 Milliarden DM, die eigentlich aus diesem Haushalt erwirtschaftet werden müßten, um den Haushalt wieder auf eine ganz solide Grundlage zu stellen. Sie haben diese 90 Milliarden DM so oder so zu verantworten. Sie sollten nicht darum herumreden. Ich möchte zur Erinnerung auch des Kollegen Roth noch auf folgendes hinweisen: 1982, zum Ende der sozialliberalen Koalition unter Helmut Schmidt, lag die Verschuldung bei 300 Milliarden DM. Sie haben es bis 1990 geschafft - ohne Einheit -, diesen Betrag auf 600 Milliarden DM zu verdoppeln. Bis heute haben Sie die Verschuldung auf 1,5 Billionen DM, also 1 500 Milliarden DM, anwachsen lassen. Das ist die Erblast Ihrer Regierung. Sie, Herr Kollege Waigel, waren neun Jahre als Finanzminister daran beteiligt. ({14}) Sie haben die längste Zeit, die jemals ein Finanzminister im Amt war, dazu genutzt, den Schuldenberg unentwegt ansteigen zu lassen. Das ist Ihr Verdienst, Herr Kollege Waigel. Die Zinsbelastung ist mit 25 Prozent so hoch wie seinerzeit die der Länder Saarland und Bremen. Diese Länder haben 1992, wie Sie wissen, vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt und gewonnen. Etwas höher ist die Zinslastquote des Bundeshaushaltes. Da haben Sie wirklich schön gewirtschaftet. Das kann man Ihnen bestätigen. ({15}) Wir haben dafür gesorgt, daß die Kosten der Teilentschuldung von Bremen und des Saarlandes in den Haushalt 1999 aufgenommen wurden. Sie haben das damals in Ihrem Entwurf nicht berücksichtigt. Dafür haben Sie viele Begründungen angeführt. Ich bedauere, daß damals diesem Entwurf Leute zugestimmt haben, die davon betroffen waren. Sie haben die Kohleregelung nicht aufnehmen wollen. Das ist jetzt auch gemacht worden; denn nach der Vereinbarung vom 13. März 1997 mußte eine klare Finanzierungsregelung für den Abbau der Subventionen im Steinkohlebergbau bis zum Jahre 2005 geschaffen werden. Ich weiß, daß Sie eine solche Regelung schneller schaffen wollten. Aber erst der Protest der Bergarbeiter vor unserer Haustür hat dafür gesorgt, daß diese Regelung geschaffen wurde, die halbwegs sozialverträglich umgesetzt werden kann. Ich möchte noch eines zum Subventionsabbau hinzufügen: Man muß wissen, daß im deutschen Steinkohlebergbau die einzige Vereinbarung getroffen worden ist, nach der die Unternehmen Vorleistungen erbringen und Konzepte über Betriebsschließungen vorlegen mußten. Wenn jetzt die Regierung - Herr Müller und Herr Eichel - fordert, daß die deutsche Wirtschaft endlich sagen soll, wo Subventionen abgebaut werden solHans Georg Wagner len, dann sagen Sie in völliger Übereinstimmung mit der deutschen Wirtschaft - Sie übernehmen eigentlich wie immer deren Argumente -: Das soll zuerst die Regierung vorlegen. Damals haben das Saarland und Nordrhein-Westfalen für seine Steinkohlezechen an der Ruhr Stillegungspläne vorgelegt. Deshalb sage ich: Die beiden Minister haben ihre Forderung zu Recht erhoben. Die Industrie soll endlich einmal sagen, wo Subventionen abgebaut werden sollen. ({16}) Derjenige, der kassiert, weiß doch am besten, was man zurückgeben kann. Wenn so bedeutende Wirtschaftsführer und Sprecher von Organisationen wie die Herren Hundt, Stihl, Philipp und wie sie sonst noch heißen mögen - vielleicht habe ich einen vergessen - sagen, ({17}) das können wir nicht machen, soll die Regierung doch erst einmal die Gegenfinanzierung der Steuerreform vorlegen und mitteilen, was wir an Stelle der Subventionen erhalten, dann muß ich darauf antworten, daß das so nicht geht. Das wird es mit uns und der Koalition so nicht geben. ({18}) Die alte Regierung hat nur geringe Bereitschaft gezeigt, dieses Thema aufzugreifen. Die Regelung für den Steinkohlebergbau, die es vor der Vereinbarung vom 13. März gab, war überstürzt, unüberlegt und in höchstem Maße unsozial. Das muß man Ihnen auch heute noch vorhalten, obwohl inzwischen schon einige Jahre ins Land gegangen sind. ({19}) Wenn man den Subventionsabbau überall so betreiben würde wie im Steinkohlebergbau, dann hätte man jährliche Einsparungsmöglichkeiten von 140 Milliarden DM. Diese Zahl stammt nicht von mir, sondern vom Kieler Weltwirtschaftsinstitut, das im Juli 1998 ein Gutachten über den Stand der Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt hat. Ich möchte die Zahlen aus dem Gutachten einmal nennen: 1997 betrug das Subventionsvolumen 291 Milliarden DM. Davon entfielen 187 Milliarden DM auf den privaten Unternehmenssektor. Der gesamte Bergbau wurde 1997 mit 12,4 Milliarden DM subventioniert. In dieser Summe sind noch einige Anpassungsgelder enthalten, so daß die Höhe der Nettosubventionen für den deutschen Steinkohlebergbau bei 8,9 Milliarden DM lag. Das ist sehr wenig. Das macht nur einen Anteil von 3,5 Prozent an den Gesamtsubventionen in Deutschland aus. Trotzdem wird der Bergbau beim Thema Subventionsabbau immer wieder als erster genannt. Deshalb habe ich heute abend diese Zahlen genannt, damit jeder weiß, wie es tatsächlich aussieht. Ich füge hinzu: Es wäre gut gewesen, wenn Sie auch noch andere Subventionsbereiche früher in Angriff genommen hätten. In Nordrhein-Westfalen und im Saarland haben jedenfalls die Bergbauunternehmen ihren Anteil finanziert. Da ich gerade von Subventionsabbau spreche: Sie haben damals gesagt, daß der Abbau von Subventionen für den Steinkohlebergbau eine regionale Aufgabe sei. Ich sage voraus: In Verbindung mit der Agenda 2000 wird der Abbau von Subventionen in der Landwirtschaft und der Abbau von Subventionen in anderen Wirtschaftsbereichen eine regionale Aufgabe sein. Das heißt, der Bund kann nicht alleine die Lasten des Subventionsabbaus tragen; vielmehr müssen auch die in der Hauptsache betroffenen Länder den Subventionsabbau mitfinanzieren, so wie es das Saarland und NordrheinWestfalen getan haben. ({20}) - Es ist jedem unbenommen, was er hier tut. Sie grinsen, er klatscht nicht. Jeder kann machen, was er will. Es ist ein frei gewähltes Parlament. Man kann niemandem sein Verhalten vorschreiben. Sie freuen sich, und Herr Diller ist nachdenklich geworden, weil er daran denkt, daß auch Rheinland-Pfalz mit seinen Winzern einen Subventionstatbestand erfüllt. Er denkt über das nach, was dort passieren wird. ({21}) Wir sollten den Subventionsabbau anpacken, möglicherweise gemeinsam. Das sollte aber nicht nur dort geschehen, wo das Wort „sozial“ steht. Es sollte zuerst einmal dort geschehen, wo es wirklich niemandem weh tut. Wenn man so vorgeht, dann dauert es eine ganze Zeit, bis man zum Abbau sozialer Leistungen gelangt. Man könnte Milliardenbeträge zum Abbau des Defizits im Bundeshaushalt heranziehen, wenn man Steuerflucht, vor allen Dingen Steuerhinterziehung verhindern würde und Steuerschlupflöcher stopfen würde. Deshalb sollten wir an die Sache herangehen und versuchen, das zustande zu bringen. Deshalb ran an die Sache! ({22}) Um fair zu sein, sage ich in Richtung derer, die sich insbesondere mit sozialen Leistungen befassen: Natürlich muß man auch darüber nachdenken, wie man zu mehr Zielgenauigkeit kommt und wie man dafür sorgt, daß Mißbrauch abgebaut wird. So wie wir im Bereich Steuern und in anderen Bereichen Mißbrauch abbauen wollen, muß es möglich sein, daß der Bezug von sozialen Leistungen nicht mißbraucht wird. Das ist selbstverständlich. Die Fachleute auf diesem Gebiet müssen darüber nachdenken, wie man den Abbau dieses Mißbrauchs erreichen kann. Herr Minister Eichel, ich bin der Meinung, daß wir alle freiwilligen Leistungen des Bundes überprüfen müssen. ({23}) - Herr Kollege Rezzo Schlauch, dazu komme ich noch. - Adolf Roth hat gesagt, er wolle, daß alle Gemeinschaftsaufgaben - Hochschulbau, Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur; an diese zwei kann ich mich erinnern - abgeschafft werden. Abgesehen davon, daß das nicht geht, möchte ich sagen: Es sind immerhin Gemeinschaftsaufgaben mit freiwilligen Leistungen des Bundes. Das gilt für den sozialen Wohnungsbau. Im Gesetz heißt es, daß der soziale Wohnungsbau Sache der Länder ist. Es gibt also schon einige Möglichkeiten, wo man Einsparungen vornehmen und auf eine Konsolidierungsphase umstellen könnte. Ich möchte noch ein paar Sätze zum Haushalt selber sagen. Wir haben die Anteile für Forschungsvorhaben zugunsten kleiner und mittlerer Betriebe im Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie um 1 Milliarde DM erhöht. Daß wir gar nicht so schlecht liegen, entnehme ich unserer künftigen Heimatzeitung, der „Berliner Zeitung“, von heute. Unter der Überschrift „Mittelstand investiert wieder stärker“ heißt es dort: Die mittelständischen Unternehmen investieren wieder: „Die Lage ist besser als die Stimmung“, sagte der Vorstandssprecher der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau ({24}), Gerd Vogt. Denn zwischen Januar und April - also ganz eindeutig in der Zeit dieser Bundesregierung hat die Förderbank des Bundes inländische Investitionskredite in Höhe von 18,6 Milliarden Mark … zugesagt, das waren sechs Milliarden mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Davon entfielen neun Milliarden Mark auf Kredite für kleine und mittlere Unternehmen, ein Plus von rund 50 Prozent. ({25}) Sie haben drei Tage lang versucht, uns weiszumachen, die mittelständische Wirtschaft investiere nicht mehr, sie sei enttäuscht und laufe mit Tränen in den Augen herum. Hier steht schwarz auf weiß, daß die mittelständische Wirtschaft unter einer rotgrünen Regierung investiert. Danke schön, mittelständische Wirtschaft! ({26}) Ich nenne eine weitere Zahl. Täglich gehen in Frankfurt mehr als 1 000 Anträge mit der Bitte um Finanzierung ein. Im März und im April sind es sogar täglich 2 000 Anträge gewesen. Als Europäer finde ich es im übrigen gut, daß auch kleine und mittelständische Betriebe - das haben wir immer gefordert - in stärkerem Maße in anderen Ländern der Europäischen Union investieren. Es ist wünschenswert, daß nicht nur die großen Betriebe in anderen Ländern investieren, sondern daß auch die mittelständische Wirtschaft in Kooperation mit der mittelständischen Wirtschaft der anderen EU-Länder tritt. Ich finde, das ist eine gute Sache. Wir haben, um auf den Haushalt zurückzukommen, die Mittel für Friedens- und Konfliktforschung verdoppelt. Früher standen diese Ausgaben in Ihrem Streichorchester an erster Stelle. Sie haben sie gestrichen, wir haben sie verdoppelt, denn die Zahl der Krisen ist ja nicht kleiner, sondern größer geworden. ({27}) Ich freue mich auch, daß wir - da mußten wir eine Auszeit nehmen, wie Sie, Herr Kollege Roth, kritisch angemerkt haben - für humanitäre Hilfe und für den Aufbau im Kosovo 300 Millionen DM in den Haushalt eingestellt haben, zusätzlich zu den Mitteln, die in den vier Etats Entwicklungshilfe, Inneres, Äußeres und Verteidigung enthalten sind. Ob die zusätzlichen 300 Millionen DM ausreichen, weiß niemand von uns, auch Sie nicht. Verschiedentlich wurde hier davon gesprochen, daß wir endlich Mittel für den sogenannten Marshallplan ich bin Gerhard Schröder übrigens sehr dankbar dafür, daß er die Idee eines Marshallplanes für den Balkan entwickelt hat - einstellen sollten. Ihre Forderung, heute schon etwas einzustellen, belegt, daß Sie noch nie wußten, wie so etwas geht. Europa müßte Ihnen eigentlich eine Warnung sein. Theo Waigel hat 1994 den Finanzierungsvertrag, der uns auf Dauer zum größten Nettozahler in der Europäischen Union gemacht hat, wahrscheinlich deshalb unterschrieben, weil er es so gesehen hat, daß wir Europa bezahlen sollen, damit die anderen mitmachen. Wenn wir aber heute schon sagen, wieviel Geld wir zu einem Marshallplan für den Balkan beisteuern, dann reduzieren die anderen von vornherein ihre Beiträge. Es gilt also, zunächst einmal Verhandlungen darüber zu führen. Wenn es soweit ist, werden wir schon die entsprechenden Geldmittel im Haushalt zur Verfügung stellen. Ich hoffe dabei auf Ihre Mithilfe. ({28}) Für den militärischen Einsatz haben wir 441 Millionen DM eingestellt. Wir hoffen, daß die Summe ausreicht bzw. geringer ausfällt, aber die Hoffnung ist wahrscheinlich vergebens, wie Sie alle wissen. Nun haben Herr Austermann und andere die Woche über und auch heute mit den Steuermehreinnahmen in Höhe von 30 Milliarden DM geaast. Ich sage Ihnen jetzt, wofür wir diese Mehreinnahmen verbraucht haben: Die Erlöse aus der Umsatzsteuererhöhung zum 1. April letzten Jahres fließen als Zuschuß der Rentenversicherung zu. Diesen Beschluß, die Mehrwertsteuer um 1 Prozent zu erhöhen, haben wir im April vergangenen Jahres gemeinsam gefaßt; hierbei handelt es sich um 4 Milliarden DM. Damit bleiben noch 26 Milliarden DM übrig. Die Ökosteuereinnahmen dienen der Absenkung der Beiträge zur Rentenversicherung; hier geht es um 8,5 Milliarden DM. Die Abnahme der Privatisierungseinnahmen im Einzelplan 60 als erster Schritt zur Schließung der strukturellen Lücke macht 9 Milliarden DM aus. Die Absenkung der Nettokreditaufnahme gegenüber 1998 schlägt mit 3 Milliarden DM zu Buche und die Finanzierung des Ausgabenzuwachses im Bundeshaushalt von nur 1,2 Prozent mit 5 Milliarden DM. In diesen Bereichen werden, wie Sie sehen können, die 30 Milliarden DM eingesetzt; sie sind völlig für die eben hier genannten Maßnahmen draufgegangen. Schon diese wenigen Zahlen belegen, daß Ihre Behauptungen schlichter Unfug sind. ({29}) Versuchen Sie doch nicht die Menschen dadurch zu täuschen, daß Sie den Eindruck erwecken, die Steuermehreinnahmen in Höhe von 30 Milliarden DM stünden ganz oder zu einem großen Teil für Steuerentlastungen zur Verfügung. Sie sind nicht mehr da, sondern schon ausgegeben worden. Es freut mich sehr, daß die Investitionen im Haushalt nicht zurückgefahren worden sind. Durch sie werden Arbeitsplätze gesichert und geschaffen. Das gilt für den Verkehrshaushalt und andere Bereiche, die investive Aufgaben wahrnehmen. Dieser Haushalt kann sich sehen lassen. ({30}) Wir werden bei der Vorlage des nächsten Haushaltes sehen, inwieweit Sie bereit sind, zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes das Ihrige beizutragen. In dieser Woche war davon absolut nichts zu spüren. Schönen Dank. ({31})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Jürgen Koppelin von der F.D.P.-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zwei Vorbemerkungen machen: Zunächst möchte ich auch für die F.D.P.-Fraktion, einer guten Tradition folgend, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Haushaltsausschusses für ihre Zuarbeit und vor allem für die Geduld, die sie mit uns Abgeordneten gehabt haben, meinen herzlichen Dank aussprechen. ({0}) Erlauben Sie mir - das sage ich jetzt einmal, um etwas Stimmung aufkommen zu lassen - außerdem eine Bemerkung an die Kolleginnen und Kollegen der Union: Sie hatten ja in dieser Woche den Wunsch geäußert, die Abstimmung über den Haushalt am Freitag stattfinden zu lassen. Wenn ich einen Blick auf die Uhr werfe, glaube ich, daß wir das noch hinbekommen. ({1}) Meine Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt ist mehr als eine Auflistung von Einnahmen und Ausgaben, er stellt Weichen für die Finanzpolitik und die Gesellschaftspolitik. Er ist natürlich auch Voraussetzung dafür, daß neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden. Der Herr Finanzminister Nummer zwei dieser Regierung sagte ({2}) - belassen wir es bei Nummer zwei; der andere war ja nur kommissarisch tätig -, er wolle die Verschuldung verringern, Veränderungen bei den Ausgaben vornehmen und eine solide Finanzpolitik betreiben. Das ist zu begrüßen, um so mehr, als man befürchten mußte, daß sich Deutschland unter dem Finanzminister Lafontaine international ins Abseits manövrieren und vor allem finanzpolitisch in einem Sumpf versinken würde. Da Herr Kollege Wagner, der aus dem Saarland kommt, eben gesprochen hat, kann ich es mir nun doch nicht verkneifen, noch ein Wort zu Lafontaine zu sagen. Sein Verhalten ist meines Wissens bisher einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gewesen. Da schmeißt der Finanzminister einer Bundesregierung während der laufenden Haushaltsberatungen die Brocken hin und sucht fluchtartig das Weite. Dann wird das Finanzministerium kommissarisch vom Wirtschaftsminister geleitet, um dann Hans Eichel übergeben zu werden. Noch als abgewählter Ministerpräsident bleibt er so lange im Amt, um der wachstumsschädlichen und arbeitsplatzvernichtenden Steuergesetzgebung von Rotgrün im Bundesrat zustimmen zu können. ({3}) Das, Herr Eichel, haben Sie getan, obwohl Sie nach der Wahl gesagt haben, Sie wollten an den Abstimmungen im Bundesrat nicht teilnehmen. Das waren natürlich keine besonders guten Voraussetzungen für die Übernahme Ihres neuen Amtes. Auch Sie, Herr Eichel, tragen Verantwortung dafür, daß die Ökosteuer nichts anderes ist als das Abkassieren der Bürger. ({4}) Da Sie ja auf uns, auf F.D.P. oder CDU/CSU, nicht hören wollen, zitiere ich einmal jemanden, auf den Sie vielleicht hören. Gerhard Schröder hat sich zur Ökosteuer 1997 in einem Interview mit dpa - noch als Ministerpräsident - wie folgt geäußert: Schröder: Die erhoffte Lenkungswirkung zum Wohl der Umwelt wird nur gering sein. Für die Bürger in Flächenstaaten wie Bayern ist ein höherer Benzinpreis aber eine empfindliche Mehrausgabe. ({5}) Die SPD muß dann in Kauf nehmen, daß die Leute die Schnauze voll von uns haben. ({6}) Ich glaube, wir können dem Bundeskanzler Vollzug melden. Die Leute haben inzwischen die Schnauze voll. Von der vor der Wahl versprochenen Entlastung der Steuerzahler ist ebenfalls nicht viel übriggeblieben. Kleine Wohltaten wie die Anhebung des Kindergeldes werden zu Lasten der Unternehmen und damit zu Lasten der Arbeitsplätze finanziert. Auch dafür, Herr Eichel, tragen Sie Verantwortung. Ich muß noch einmal auf einen Punkt zurückkommen, den gestern der Bundeskanzler angesprochen hat. Er hat uns, der alten Koalition, vorgeworfen, wir hätten das Thema Steuerreform in unserer Regierungszeit überhaupt nicht angepackt. Die Wahrheit ist: Es gab in diesem Parlament Anträge zur Steuerreform von der F.D.P., der CDU/CSU und auch vom Bündnis 90/Die Grünen; es gab aber keine Anträge von der SPD. ({7}) Das brauchte die SPD auch nicht, denn das Rezept war ja einfach: Wir lehnen alles ab und blockieren alles im Bundesrat. Das war die Methode Lafontaine, und der jetzige Finanzminister Eichel hatte das als hessischer Ministerpräsident im Bundesrat als Wortführer der SPDBundesländer umzusetzen. Ich sage es einmal sehr deutlich: Herr Eichel trat im Bundesrat als die Taschenbuchausgabe von Oskar Lafontaine auf. Das ist die Wahrheit. ({8}) War es nicht Rotgrün, die angetreten waren, auch in der Haushaltspolitik einen politischen Neuanfang zu starten? Waren Sie es nicht, die von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit gesprochen haben? - Nichts davon ist übriggeblieben: Da wird die Ausgabenentwicklung schöngerechnet, indem man eine fragwürdige Unterscheidung zwischen Netto- und Bruttozuwächsen vornimmt. Nur so gelingt es, den Ausgabenzuwachs nominell auf 1,2 Prozent zu begrenzen. Da werden Erblastentilgungsfonds, Bundeseisenbahnvermögen und Kohleverstromungsfonds in den Bundesetat übernommen. Dies ist auf zweierlei Weise für die rotgrüne Bundesregierung sicher zweckmäßig: zum einen, weil der Bund ohnehin für die Schulden dieser Sondervermögen aufkommen muß, zum anderen - und das ist der eigentliche Grund -, weil der Finanzminister jetzt Luft hat, eine weitere Neuverschuldung vorzunehmen. Da wird der Bundeshaushalt 1999 in Höhe von rund 23 Milliarden DM durch Einmaleffekte finanziert, indem man rund 17 Milliarden DM aus Privatisierungserlösen aus dem Jahr 1998 in das Jahr 1999 verschiebt und 6 Milliarden DM aus dem Verkauf von Kreditforderungen an die Bahn in den Haushalt einstellt, und so geht das in einem fort. Ohne diese Mitgift wäre es nicht gelungen, die Neuverschuldung auf 53,5 Milliarden DM zu begrenzen. Doch wie unsolide Ihre Haushaltspolitik ist, zeigt die gestrige Entscheidung des Hauptpersonalrats des Bundeseisenbahnvermögens, den Verkauf von 110 000 Eisenbahnerwohnungen abzulehnen. Damit fehlen Ihnen plötzlich in Ihrem Haushalt schon wieder 4,6 Milliarden DM. Wenn Herr Müntefering nun erklärt, dann müsse man bei den Investitionen streichen, darf man Herrn Müntefering einmal darauf aufmerksam machen, daß er damit dann allerdings in Schwierigkeiten mit Art. 115 des Grundgesetzes kommen wird. Er sollte das einmal nachlesen. Aber vielleicht hat sich Herr Müntefering noch nicht mit der Haushaltspolitik seiner Regierung beschäftigt. Investitionen zu kürzen, wie Herr Müntefering es ankündigt, heißt natürlich auch, Arbeitsplätze zu vernichten. ({9}) Bei dieser Politik wundert es nicht, daß die Arbeitsmarktausgaben mehr als reichlich angesetzt werden und daß die Bundesanstalt für Arbeit mit einem Zuschuß von 11 Milliarden DM ausgestattet wird. Dieser Zuschuß zeigt doch, daß die rotgrüne Koalition schon jetzt nicht mehr daran glaubt, daß die Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann. Ja, sie rechnet sogar mit einer höheren Arbeitslosigkeit. Anders ist dieser Zuschuß nicht zu erklären. Wer, wie die rotgrünen Haushälter, daherkommt und von einer eingeleiteten Wende in der Finanzpolitik spricht, der muß anscheinend an Realitätsverlust besonderer Art leiden; denn der Haushalt zeichnet sich durch Unfähigkeit, Dilettantismus und Schönrederei aus, was sich wie ein roter Faden durch Ihre Politik zieht. Angefangen mit der Ökosteuer über die Regelungen zur Scheinselbständigkeit bis hin zu den 630-Mark-Jobs und zu dieser Haushaltsvorlage: alles Dilettantismus und Schönrederei, aber keine arbeitsmarktpolitischen Signale. ({10}) Die Wirkung Ihrer Politik ist doch, daß auf Grund der Neuregelungen zur Scheinselbständigkeit und zu den 630-Mark-Jobs zigtausend Arbeitnehmer kündigen und Freiberufler und junge Selbständige um ihre Existenz fürchten müssen. Die Gründung von Existenzen wird noch zusätzlich durch die Bürokratie bei den Finanzämtern erschwert. Eines erreichen Sie mit Ihrer Politik auf jeden Fall: die radikale Steigerung von Schwarzarbeit. ({11}) An einer Stelle sind Sie ja schon leiser geworden. Das nach der Bundestagswahl groß angekündigte „Bündnis für Arbeit“ ist, so meine ich, inzwischen zu einer reinen PR-Veranstaltung für den Bundeskanzler verkommen. Wenn das „Bündnis für Arbeit“ Sinn haben soll, dann hätten Sie die Gesetze zu den 630-Mark-Jobs, zur Scheinselbständigkeit und zur Ökosteuer einmal mit den Betroffenen erörtern sollen. Das haben Sie natürlich nicht getan. ({12}) Wenn Arbeitsminister Riester erklärt, man dürfe bei diesen Gesetzen vor den Verbänden und deren Kritik nicht einknicken, dann zeigt das doch, daß Ihnen an der Meinung der Arbeitgeber überhaupt nicht gelegen ist. Sie liegen doch voll im Gewerkschaftstrend. Der Kollege Niebel hat schon dargelegt, wie groß Ihre Besetzung bei den Gewerkschaften ist. ({13}) Jeden Tag kündigen Regierungsmitglieder und Abgeordnete der Koalition Änderungen zu den verkorksten Gesetzen an. Wann können aber die Betroffenen mit entsprechenden Veränderungen rechnen? In dieser Frage haben Sie bisher gekniffen. Mir und allen anderen ist heute aufgefallen, daß Sie dem Bundesarbeitsminister einen sehr langanhaltenden Beifall gegeben haben. Offen gesagt, habe ich gedacht: Nun verabschieden Sie ihn. ({14}) Denn das letzte Mal, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rotgrün, haben Sie einen so langen Beifall im Hause nach der letzten Rede von Oskar Lafontaine gegeben. - Danach war er weg. ({15}) Der Bundesarbeitsminister sollte nicht Arbeitsminister heißen, er ist inzwischen ein Arbeitsplatzvernichtungsminister geworden. Das ist die Wahrheit, die wir hier ansprechen müssen. Die F.D.P. hat bei den Beratungen in den verschiedenen Ausschüssen immer wieder Vorschläge eingebracht, die Verbesserungen in der Haushalts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik bedeutet hätten. Aber alle Anträge sind abgelehnt worden. Ich verstehe das: Wer wie Rotgrün ideologisch verblendet ist, der wird sich nicht an den Realitäten orientieren können. An dem, was in der SPD-Fraktion passiert, merkt man, daß Sie sich gar nicht mehr bewegen können. Dafür hat es in diesen Tagen ein Beispiel gegeben. Der Gewerkschaftsboß der IG BAU, der SPD-Abgeordnete Wiesehügel, startete in der SPD-Fraktion einen Antrag zur Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes. Darüber schreibt die „Berliner Zeitung“ - ich finde, es ist ein sehr aufschlußreiches Dokument -: Das Vorgehen stieß auf heftigen Protest von SPDFraktionschef Peter Struck. Nachdem er den Abgeordneten wegen dessen eigenmächtigen Vorgehens einbestellt hatte, wies Struck die Initiative im Fraktionsvorstand lautstark mit scharfen Worten zurück. Im nächsten Absatz heißt es: Danach schlossen sich weitere Abgeordnete der Unterschriftenaktion an. ({16}) So läuft das in der SPD. Das ist ein Beispiel für Ihre Doppelzüngigkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluß. ({17}) - Ich danke Ihnen für den Beifall. - Erlauben Sie mir eine Bemerkung: Früher hat an dieser Stelle für die Sozialdemokraten die Kollegin Matthäus-Maier gesprochen. Wir haben alle zur Kenntnis genommen, daß sie demnächst aus diesem Hause ausscheiden wird und einen anderen beruflichen Weg einschlägt. Ich möchte an dieser Stelle der Kollegin Matthäus-Maier für ihr Engagement im Parlament Dank sagen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung gewesen sind. Ich möchte ihr vor allem Dank sagen - das werden Sie verstehen für den ersten Teil ihrer Parlamentsarbeit. ({18}) Für den zweiten Teil bedanke ich mich etwas weniger. Da bitte ich Ingrid um Verständnis. Aber insgesamt möchte ich einen Dank aussprechen. Sie ist eine engagierte Parlamentarierin gewesen und hat unseren Respekt verdient. Ich will noch süffisant bemerken: Bei mir wird sie als die Parlamentarierin in Erinnerung bleiben, die bei allen Forderungen, die aus der SPD gekommen sind, immer wieder den Deckungsvorschlag gemacht hat, die Anschaffung des Euro-Fighters abzulehnen. Ingrid, herzlichen Dank. ({19}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt 1999 ist eher ein Schritt zurück und nicht nach vorn. Der erste Haushalt der rotgrünen Koalition ist ein Dokument der Einfallslosigkeit und der Hilflosigkeit. Er ist unseriös. Er ist vor allem nicht geeignet, einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Probleme unseres Landes zu leisten. Sie müssen verstehen, daß wir so einen Haushalt nicht mittragen können und ihn ablehnen. Vielen Dank. ({20})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Matthias Berninger das Wort.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haushaltsdebatten zu so später Stunde lassen erwarten, daß der Schlagabtausch der vergangenen Tage in den alten Schützengräben fortgeführt wird. Offen gestanden war ich von dem Aufguß, der dabei zum Teil herauskam, von dem, was schon in den letzten Wochen immer wieder behauptet wurde, etwas enttäuscht. Eines wurde heute zwischen den Zeilen zugestanden. Herr Kollege Roth, Sie haben gesagt, Sie wollen dem neuen Bundesfinanzminister abverlangen, das Angekündigte durchzusetzen. Das, finde ich, ist die Rolle, die ich mir von der Opposition in Zukunft wünsche. Das ist auch ein verstecktes Lob für das, was der Bundesfinanzminister in seiner ersten Stellungnahme zum Haushalt 1999 und zu den Perspektiven hier deutlich gemacht hat. ({0}) Er hat deutlich gemacht, daß es nicht mehr so weitergeht, den Haushalt mal ein bißchen über, mal ein bißchen unter der verfassungsmäßig festgelegten Grenze zu fahren, wie das sein Vorgänger Waigel mit einer Mischung aus Erhöhung der Schulden und Verkauf von Tafelsilber gemacht hat. Ein Ergebnis der BestandsaufJürgen Koppelin nahme in den Haushaltsberatungen 1999 ist doch wohl, daß in den vergangenen 16 Jahren von dem Tafelsilber der Bundesrepublik Deutschland allenfalls noch ein Espressolöffel übriggeblieben ist. Genau das ist eines der Grundprobleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben. ({1}) Wir werden das Haushaltsloch im nächsten Jahr und in den Folgejahren nicht mehr durch Privatisierungserlöse, durch Tricksereien oder was auch immer verkleinern oder die Haushaltsmisere kaschieren können. Es gibt nur einen Weg, die strukturellen Probleme, die im Haushalt vorhanden sind und auf die der Finanzminister in seiner Rede vor zwei Tagen eingegangen ist, anzupacken. Strukturelles Problem Nummer eins ist die Neuverschuldung. Wir haben angekündigt, den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen, die Neuverschuldung herunterzufahren. Wir wollen die Neuverschuldung im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung in dieser Legislaturperiode halbieren, was ich schon für ein sehr ehrgeiziges Ziel halte, auch wenn es Herr Lafontaine formuliert hat. Die Halbierung der Neuverschuldung in einer Legislaturperiode und das Ziel, in den nächsten acht Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren, sind ein ehrgeiziges Vorhaben, das nur dann gelingt, wenn die Konsolidierungsanstrengungen von dieser Koalition getragen werden. Nun sagen Sie, Herr Kollege Roth, Sie wollen den Finanzminister dabei unterstützen, diese Konsolidierungsanstrengungen durchzusetzen. Ich bin neu im Haushaltsausschuß. Wir als Haushälter der Koalitionsfraktionen haben versucht, zu sparen, bei den einzelnen Titeln nicht mit globalen Minderausgaben oder ähnlichem zu operieren. Dabei haben wir immer wieder folgende Feststellung gemacht: Abstrakt sind Sie von der Opposition der Meinung, man müsse kürzen, sparen und dürfe nicht soviel ausgeben. Bei jedem Kürzungsvorschlag haben Sie aber protestiert und Gegenanträge gestellt, um einzelne Ansätze doch noch zu erhöhen oder zu verdoppeln. ({2}) Das ist Ihr gutes Recht. Das ist im übrigen auch das Rezept gewesen, mit dem die Opposition 1983 auf die Finanzpolitik der neuen Bundesregierung reagiert hat. Das können Sie ruhig für eine ganz lange Zeit machen. So werden Sie auch, Herr Roth - das hoffe ich sehr -, sehr lange Ausschußvorsitzender bleiben. Aber Sie werden keinen Beitrag dazu leisten, daß wir den Haushalt wieder ins Gleichgewicht bringen. Wenn man sich die Beiträge der Kolleginnen und Kollegen angehört hat, die für den Haushalt nicht direkt verantwortlich sind, sondern für die jeweilige Fachpolitik, dann hat man festgestellt, daß es sich abstrakt leicht über die Reduzierung der Neuverschuldung und über den Schuldenabbau reden läßt. Wenn es aber, so wie jetzt, konkret wird - jede Kollegin und jeder Kollege weiß das -, stehen natürlich eine Reihe von Versprechungen, die wir alle gemacht haben, eine Reihe von Besitzständen, eine Reihe von Wohltaten und eine Reihe von guten Dingen, die wir durch Staatsausgaben finanzieren, auf dem Prüfstand. Sie werden verstehen, daß wir nicht unmittelbar nach der Wahl - so wie wir es in verschiedenen Bereichen gemacht haben; wie ich meine, nicht immer mit dem größten Erfolg - den Haushalt komplett umgebaut haben, sondern uns für den Haushalt 1999 Zeit genommen haben, um ihn uns sehr genau anzusehen und zu schauen, ob das, was wir in Oppositionszeiten schon vermutet hatten - nämlich, daß es ein enormes strukturelles Defizit gibt -, zutrifft, um dann mit dem Haushalt 1999 die Maßnahmen vorzubereiten, die im Jahr 2000 folgen müssen. Am Haushalt 2000 messen wir dann auch Ihre Ankündigung, den Herrn Finanzminister zu unterstützen; denn im Haushalt 2000 steht ganz konkret eine veränderte Prioritätensetzung an. Es steht auch ganz konkret an, daß wir tatsächlich beginnen, mit massiven Einschnitten zu sparen. Sie von der Opposition gestehen ja auch ein - sei es in der Kneipe, sei es in den Ausschußsitzungen -, daß Sie es uns nicht zugetraut hätten, dieses halbe Prozent, das wir Parlamentarier uns als erstes Ziel gesetzt haben, einzusparen. Ihr Lob für die guten Haushaltsberatungen, Herr Kollege Roth, macht deutlich, daß die Koalitionsfraktionen hier mit großer Geschlossenheit etwas erreicht haben - gegen den Widerstand in den eigenen Reihen und von Lobbyisten. Ein Beispiel von vielen ist, daß das Branntweinmonopol fällt. Sie gestehen ja ein, daß wir dabei auf einem ganz vernünftigen Weg sind. ({3}) Im nächsten Jahr wird es schwerer; denn dann wird ein halbes Prozent Einsparung nicht ausreichen. Dann müssen wir mehr tun, als dieses halbe Prozent einzusparen. Ein Punkt, der dann eine sehr wichtige Rolle spielen wird, wird die Reform der Rentenversicherung sein. Wir bringen den Haushalt nämlich nur dann ins Gleichgewicht, wenn wir neben der Reduzierung der Neuverschuldung die immer stärker wachsenden Ausgaben für die Alterssicherung in den Griff bekommen. Wenn wir das nicht schaffen, dann werden Sie uns in den nächsten Jahren mit Recht kritisieren können, nach dem Motto: Das Haushaltsvolumen wächst immer mehr, Sie suchen sich neue Steuereinnahmen - wie etwa durch die Ökosteuer - und wollen die Ausgabenzuwächse in der Rentenversicherung damit finanzieren. Das ist es nicht, was hinter der ökologischen Steuerreform steht. Da müssen wir alle von seiten der Koalitionsfraktionen den Menschen auch sehr unangenehme Wahrheiten sagen, zum Beispiel die unangenehme Wahrheit, daß neben der Umfinanzierung, neben der Finanzierung weg von den Beiträgen hin etwa zu indirekten Steuern - wir meinen, die Ökosteuer ist der richtige Weg -, auch strukturelle Reformen nötig sind. ({4}) Das wird sehr schwer werden. Der jetzige Finanzminister wird aber scheitern, wenn das nicht gelingt. ({5}) Insofern sage ich Ihnen, daß wir Grünen beim Thema Rentenreform in den nächsten zwei Jahren sehr genau hinsehen werden. Wir werden aber nicht da anschließen, wo Sie aufgehört haben, nämlich die Rentenreform so zu gestalten, daß vor allem bei den ärmeren Rentnerinnen und Rentnern gekürzt wird. Sie haben vor allem bei denen gekürzt, die es bitter nötig haben, im Alter auch staatliche Unterstützung zu bekommen. Wir wollen eine Rentenreform machen, die die Lasten gerecht verteilt: nicht nur zwischen Alten und Jungen, sondern auch innerhalb der älteren Generation. ({6}) Ich erwarte vom Bundesfinanzminister und vom Bundesarbeitsminister, daß sie hier in den nächsten zwei Jahren Vorschläge machen, an deren Ende ein modernes, dauerhaftes und für alle Generationen tragfähiges Rentenversicherungssystem steht. Wir haben aber nicht nur gekürzt. Das ist etwas, was diesen Haushalt von den Haushalten unterscheidet, deren Beratungen ich als Oppositionsabgeordneter verfolgen konnte. Ich habe gesehen, daß man immer gesagt hat: Wir müssen für kommende Generationen sparen. Damit hat man beispielsweise begründet, daß man nichts für junge Menschen getan hat, die keinen Arbeitsplatz bekommen haben. ({7}) Wir haben über Jahre beobachten können, wie der Bildungsetat von der Vorgängerregierung beständig gekürzt wurde. Ich denke, zur Generationengerechtigkeit gehört, daß man einerseits für kommende Generationen, andererseits aber auch für die Spielräume der Tagespolitik sorgt, indem man weniger Schulden macht, aber auch - das scheint mir ebensowichtig zu sein - andere Akzente setzt. Daher freue ich mich, daß es uns gelungen ist, nahezu 1 Milliarde DM mehr im Bildungsbereich bereitzustellen. ({8}) Das ist dem ehemaligen Herrn Finanzminister - der jetzt aufsteht -, soweit ich mich erinnere, nie gelungen. ({9}) - Kann ich leider nicht, weil Sie diese zusätzliche Milliarde nie bereitgestellt haben. Im Gegenteil: Herr Rüttgers ist in seinem Bereich letzten Endes immer mit den meisten Einsparungen nach Hause gegangen. Vor dem Hintergrund haben Sie an der falschen Stelle gespart und zu Recht die letzten Wahlen verloren. Ich glaube, daß dieser Weg, einerseits in bestimmten Bereichen Akzente zu setzen, andererseits aber auch mutig zu sparen, der vernünftigste Weg ist. - Wenn Sie jetzt den Kollegen Metzger ansprechen, Herr Waigel: Der ist auch der Meinung, daß man Akzente setzen muß; da müssen Sie nur seine Rede hören. ({10}) Er ist, ebenso wie wir alle in der Koalition, der Meinung, Herr Kollege Waigel, daß einfach nur Sparen nicht ausreicht, sondern daß man darüber hinaus auch Akzente setzen muß. Diese Akzente haben wir gesetzt, indem wir 2 Milliarden DM für junge Leute bereitgestellt haben, die aus der Arbeitslosenstatistik herausgefallen sind und gar nicht mehr als junge Arbeitslose vorkamen. Natürlich kann man sagen, daß von den 2 Milliarden DM nicht jede Mark optimal angekommen ist. Aber daß der Kollege Austermann in seiner Rede zum Haushalt gesagt hat, das Programm sei insgesamt Blödsinn, halte ich für absolut unangemessen und, wenn Sie sich die Schicksale betrachten, aus meiner Sicht für zu kurz gedacht. ({11}) Wenn hier die Rede davon ist, daß wir zuviel für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgeben, will ich Ihnen sagen: Das halte ich für eine ziemliche Heuchelei. Vor Wahlen, Herr Kollege Koppelin, ist auch die F.D.P. dabei, die Menschen zu beruhigen und zum Beispiel Programme aufzulegen. Unmittelbar nach der Wahl wollen Sie die Leute wieder aus dem Arbeitsmarkt, und sei es nur aus dem zweiten Arbeitsmarkt, herausschicken. Diese Heuchelei machen wir nicht mit. Insofern freue ich mich darüber, daß wir im Bereich der Arbeitsmarktpolitik auch den Versuch machen, statt der Arbeitslosigkeit Arbeit und sinnvolle Beschäftigung für die Menschen zu finanzieren. ({12}) Das ist etwas, was noch über Jahre nötig sein wird, weil die Arbeitslosigkeit nicht in dem Maße zurückgehen wird, wie wir uns das alle wünschen. Die Haushaltsberatungen sind nach dem alten Muster abgelaufen. Auch wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß die Hinterlassenschaften der Vorgängerregierung unsere Spielräume einschränken. Wir hatten natürlich auch den einen oder anderen Spagat zu machen, weil auch die Koalitionsfraktionen im Wahlkampf weit mehr versprochen haben, als sie in der Regierungsverantwortung halten können. Das Thema Wohngeld, das heute eine Rolle spielte, ist ein Beispiel. Man sollte die Debatte über den Haushalt 2000 nicht in diesem Stil fortsetzen. Bei der Debatte über den Haushalt 2000 steht an, daß wir gemeinsam versuchen, neue Akzente zu setzen, aber auch zu sparen. Da erwarte ich von denen, die uns vorhalten, wir würden unsolide Finanzpolitik machen, Einsparvorschläge statt der Forderung nach Erhöhungen, von denen Sie genau wissen, daß wir sie nicht realisieren können. ({13}) Ich gehe fest davon aus, daß der neue Kurs, obwohl es ein unangenehmer Kurs ist, in der Bevölkerung weit mehr Widerhall finden wird als die Finanzpolitik der Waigelschen Haushaltslöcher. Ich gehe deshalb fest davon aus, weil die Menschen spüren, daß wir über Jahre über unsere Verhältnisse gelebt haben und daß wir sie in der Gegenwart nicht schonen können, wie Sie beispielsweise bei der deutschen Wiedervereinigung versucht haben, die Besserverdienenden zu schonen und den Großteil der Wiedervereinigung auf Pump zu finanzieren, so daß wir noch heute die Lasten tragen. ({14}) Ich gehe davon aus, daß diese Politik zwar sehr unbequem sein wird, aber zumindest von den Koalitionsfraktionen getragen werden wird. Meiner Einschätzung nach können wir dann das Ziel erreichen, in dieser Legislaturperiode die Nettoneuverschuldung zu halbieren und die Spielräume für die Politik zu erweitern, so daß wir genügend Spielräume haben, um neue Akzente setzen zu können, Akzente, die in der Haushaltsdebatte immer wieder deutlich wurden; die 1 Milliarde DM für Bildung habe ich genannt. Wir haben zum erstenmal das Ungleichgewicht von Investitionen in die Straße und die Schiene zugunsten der Schiene verändert. ({15}) Es ist uns gelungen, im Bereich der regenerativen Energien 200 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, die die Markteinführung regenerativer Energien fördern. Das 100 000-Dächer-Programm wird ein sehr ehrgeiziges Programm sein. ({16}) - 1 Million. Wir haben eine Reihe von Akzenten setzen können, und wir werden diesen Weg fortsetzen. Aber wir werden keine Akzente mehr zu Lasten kommender Generationen setzen und deshalb unsere Versprechen darauf ausrichten, daß der Haushalt in Zukunft ins Gleichgewicht kommt. Ich freue mich, daß der Finanzminister genau diesen Weg eingeschlagen hat. Es wird der richtige Weg sein, der auch erfolgversprechend ist. Vielen Dank. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die PDS spricht nun die Kollegin Dr. Christa Luft.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir zunächst ein großes Lob an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschußsekretariats für ihre stets umsichtige Arbeit. ({0}) Den Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsparteien möchte ich sagen: Es war auffällig bzw. ein Novum, daß Sie - ganz im Unterschied zu den Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. während der vergangenen Legislaturperiode - versucht haben, die Hoheit der Mehrheitsfraktionen über den Haushalt zurückzugewinnen. Das war durchaus ein Novum, und das war bemerkenswert. ({1}) Sie von der CDU/CSU und der F.D.P. haben den Regierungsentwurf früher immer nur durchgewunken. Da gab es ja nicht einmal irgendwo eine Veränderung um 10 000 DM. Aber ich muß Ihnen von der SPD sagen: Grund zum Feiern dafür, daß Sie die Neuverschuldung um 2,7 Milliarden DM abgesenkt haben, haben Sie vermutlich nicht. Ich denke eher, daß das ein Pyrrhussieg ist. Allein die Kosten für den Kosovo-Krieg, die noch anfallen werden, werden diese Absenkung zu einem Pyrrhussieg machen. Dem neuen Ausschußvorsitzenden, Adolf Roth, habe ich eigentlich für seine umsichtige und faire Beratungsführung Respekt zollen wollen. ({2}) Ich muß aber sagen, daß diese Fairneß nicht bis zu seiner heutigen Rede angehalten hat. Denn es gibt im Haushaltsausschuß auch Vertreterinnen und Vertreter der PDS, die ebenfalls eine anständige Arbeit machen. Das hätte vielleicht nicht unter den Tisch fallen dürfen, auch wenn es sich im Moment um eine späte Stunde handelt. ({3}) Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zur Ausschußarbeit. Wir von der PDS gehörten in der vergangenen Legislaturperiode zur Opposition, und wir befinden uns auch jetzt in der Opposition. Wenn man sich aus dieser Sicht anschaut, wie nicht nur die Rollen, sondern auch die Argumente vertauscht worden sind, dann ist das mitunter sehr absurd. Die früheren Koalitionsabgeordneten und heutigen Oppositionsabgeordneten vergessen, welche Argumente und Forderungen sie damals hatten. Die neuen Koalitionäre tun dies genauso und vergessen Argumente, die sie in der Opposition hatten. ({4}) Ich will mich nun besonders an die rechte Seite wenden. Wenn heute von Ihrer Seite Anträge auf Ausgabenanhebungen in dreistelliger Millionenhöhe gestellt werden, ohne daß Sie einen einzigen Finanzierungsvorschlag dazu machen, dann müssen Sie noch allerhand lernen. Denn das haben Sie uns immer vorgeworfen. Wir haben das inzwischen gelernt. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Luft, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Koppelin. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Luft, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die F.D.P. heute auch Sparanträge zur Abstimmung gestellt hat? Wenn nicht, bin ich gerne bereit, Ihnen diese nachher zur Verfügung zu stellen und an Ihren Platz zu bringen.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Die haben Sie heute zur Abstimmung gestellt. Im Ausschuß haben Sie diese Anträge zu einem großen Teil nicht eingebracht. ({0}) Die kommen jetzt in allerletzter Minute. Das sage ich, um das Bild wieder geradezurücken. ({1}) Jetzt verrate ich Ihnen, vor allen Dingen den Koalitionsabgeordneten, ein Geheimnis: Meine Fraktion wird diesen Haushalt in der Schlußabstimmung nicht annehmen. ({2}) Wir tun dies nicht deshalb, weil wir zur Fundamentalopposition neigten oder weil wir überhaupt nichts Zustimmungsfähiges fänden. In den Debatten zu den Einzelplänen haben wir gesagt, wo auch wir Zustimmungsfähiges sehen. Ich nenne Ihnen in aller Kürze unsere hauptsächlichen Ablehnungsgründe und verbinde damit einige inhaltliche Bemerkungen. Erstens. Dieser erste Haushalt von Rotgrün leitet keine von der Mehrheit dieses Landes erhoffte nachhaltige Politikwende in Richtung auf soziale und ökologische Erneuerung ein. Eine Politikwende ist für Sie - das muß ich insbesondere den Haushaltspolitikerinnen und -politikern der Grünen sagen - weitestgehend auf den Einstieg in die Haushaltskonsolidierung geschrumpft. Das ist natürlich kein unwichtiges Ziel. Das ist völlig klar. Aber so haben Sie Ihre Prioritäten im Wahlkampf nicht gesetzt. ({3}) Im übrigen: Eingesparte Zinsen - darum geht es ja, wenn man die Neuverschuldung absenken möchte muß man irgendwann einmal in ein angemessenes Verhältnis zu Steuerausfällen setzen, die zu erwarten sind, wenn Subventionen und Investitionen gekürzt werden, wenn man Stellen streicht und wenn man Kürzungen für Zuwendungsempfänger vornimmt. Das alles bleibt nicht wirkungslos. Wir müssen den einen Effekt und den anderen zusammen bilanzieren. Nur dann wird ein Schuh daraus. Nun kündigen Sie an, daß die eigentliche Haushaltskonsolidierung erst im Jahr 2000 bevorstehe. Da wird von drastischem Sparen gesprochen. Sie müssen aufpassen, daß aus solchen Ankündigungen nicht eine Art Drohkulisse wird und daß sich nicht Unsicherheit ausbreitet, nicht nur bei Zuwendungsempfängern, sondern auch bei den auf Förderung angewiesenen kleinen und mittelständischen Unternehmen, ({4}) bei Existenzgründern, bei Rentnerinnen und Rentnern und bei kranken Menschen. Zweitens. Die positiven, auch für uns zustimmungsfähigen Akzente dieses Haushaltes werden im kommenden Jahr wahrscheinlich - da muß ich sagen: leider zum großen Teil nicht wiederholbar sein. Sie werden nicht dauerhaft sein. Sie sind im Gegenteil Einmaleffekte im ersten Jahr der Regierung. Das betrifft auch das in diesen Debatten - wie ich finde, zu Recht - hochgelobte, auch von uns begrüßte Sonderprogramm zur Ausbildung und Beschäftigung von 100 000 jungen Leuten. Wir brauchen nur jeden Tag einen Blick in die Zeitungen zu werfen. Ich sage Ihnen eine einzige Zahl: In den neuen Bundesländern ist jetzt schon klar, daß das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen 1999 das Angebot von 1998, das schon bescheiden genug war, noch einmal um 10 Prozent unterschreiten wird. ({5}) Viele der jungen Leute, die jetzt dank dieses Programms in eine Ausbildung oder eine Beschäftigung kommen, werden wir also wahrscheinlich im kommenden Jahr um diese Zeit wieder als Arbeitslose auf der Straße finden, weil sie keine Anschlußbeschäftigung oder Anschlußausbildung in einem Betrieb finden. ({6}) Drittens. Bei einer ganzen Reihe von aufgestockten Titeln haben Sie sich leider verweigert, auch einmal einen neuen Weg zu gehen. Sie sind, was die aktive Arbeitsmarktpolitik betrifft, im Grunde bei den EinjahresABM geblieben. Wir hatten vorgeschlagen, wenigstens einmal zu probieren, in personalintensiven Bereichen, die nicht rationalisierbar sind und die folglich von privaten Unternehmen als wenig attraktiv angesehen werden, einen Einstieg in eine öffentliche Beschäftigungsförderung vorzunehmen und damit Dauerarbeitsplätze zu schaffen. ({7}) Das haben Sie abgelehnt. Wir bedauern das zutiefst. Im übrigen brüskieren Sie damit auch Genossinnen und Genossen aus Ihren eigenen Reihen. Ich zitiere nur Frau Simonis, sozialdemokratische Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein. Wir wollen sie nicht für uns vereinnahmen. Aber auch sie spricht davon, daß wir ohne eine öffentlich geförderte Beschäftigung in bestimmten personalintensiven Bereichen, insbesondere bei humanen Dienstleistungen, nicht aus dieser schlimmen Massenarbeitslosigkeit herauskommen werden. Absolute Kontinuität - auch das ist ein Grund für uns, diesen Haushalt abzulehnen - wahrt Rotgrün beim Verteidigungshaushalt. Die meisten von uns, die wir hier sitzen, werden sich erinnern, welche Vorkämpferin für den Verzicht auf die Anschaffung des Eurofighters Frau Matthäus-Maier immer gewesen ist. ({8}) Verzicht auf die Anschaffung des Eurofighters und Frau Matthäus-Maier - das war sozusagen ein Zwillingspaar. Jetzt ist es leider so gekommen, daß Frau Matthäus-Maier geht und der Eurofighter kommt. Uns wäre es umgekehrt lieber gewesen. ({9}) Ich komme zum letzten Punkt. Wir kritisieren, daß die neue Koalition zwar sehr viele Ausgabenposten viele davon natürlich zu Recht - auf den Prüfstand gestellt hat, sich aber bei den möglichen Einnahmequellen einfach den Schneid hat abkaufen lassen. Sie haben nicht von Anfang an das getan, was zu Oppositionszeiten auch von der SPD und von sehr vielen Bündnisgrünen immer gefordert worden ist, nämlich die private Vermögensteuer sofort wieder zu erheben. Das haben Sie versäumt. Das wäre zwar keine Einnahmequelle für den Bund gewesen; aber das hätte die Länderhaushalte konsolidiert. Dann wäre manches kozufinanzierende Projekt besser auf den Weg zu bringen gewesen. ({10}) Sie haben leider auch nicht den Konsens mit den Ländern über die Einstellung von zusätzlichen Betriebsprüfern und Steuerfahndern gesucht. Experten nennen Ihnen die Summen, die damit hereinzuholen wären.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Luft, ich bitte, zum Schluß zu kommen.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich bin sofort fertig. Es gibt Bundesrechnungshofsberichte, die auf die Verschwendung von Steuermitteln hinweisen. Auch dies wäre ein Handlungsfeld für die neue Koalition gewesen. Lassen Sie uns in der nächsten Runde nicht nur die Ausgabenposten weiter kritisch unter die Lupe nehmen! Lassen Sie uns gemeinsam auch daran arbeiten, wie wir zu Einnahmenverbesserungen für diesen Haushalt kommen! Danke schön. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner in dieser Haushaltsdebatte hat das Wort der Bundesfinanzminister Hans Eichel. ({0}) Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß im Anschluß fünf namentliche Abstimmungen und eine Reihe weiterer einfacher Abstimmungen stattfinden. Ich bitte Sie, ein wenig Ruhe zu bewahren, damit diejenigen, die zuhören wollen, der Rede des Bundesfinanzministers folgen können. Ich denke, er wird es Ihnen danken, indem er die Redezeit einhält. Bitte schön, Herr Minister.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde es Ihnen danken, indem ich meine Redezeit nicht einhalte. Ich werde sie stark verkürzen, ({0}) da es keinen Sinn macht, am Ende der Debatte alles zu wiederholen - und sei es nur in Kurzfassung -, was wir in den letzten Tagen diskutiert haben. Ich möchte von meiner Seite aus dem Haushaltsausschuß herzlichen Dank sagen, der insgesamt, so glaube ich, eine hervorragende Arbeit geleistet hat. Es ist von allen Seiten gewürdigt worden, daß er die Aufgabe, unter diesen Bedingungen dafür zu sorgen, daß wir auch mit weniger Geld auskommen und eine gute Politik machen können, so ernst genommen hat. Dafür will ich herzlichen Dank sagen. ({1}) Eine weitere Bemerkung richtet sich an Sie, verehrter Kollege Roth. Ich habe Ihre Rede als gar nicht so polemisch empfunden. Es mag sein, daß die Töne im hessischen Landtag gelegentlich rauher sind. Ich sage nur: Wenn ich mir Sie angehört habe, dann hätte ich, als ich hier ankam, zu allen anderen schönen Dingen eigentlich noch ein hübsches Sparbuch und einen Bausparvertrag vorfinden müssen. So ungefähr war die Finanzsituation des Bundes nach Ihren Schilderungen. ({2}) Das wirkliche Problem ist ganz einfach: Oberflächlich betrachtet, stimmen alle Ihre Zahlen. Sie haben nur schlicht übersehen, daß wir auf einem riesigen Fundament von Schulden stehen. ({3}) Ich habe darauf verzichtet - ich wiederhole das nochmal -, Schuldzuweisungen zu machen; das ist gar nicht das Thema. Es ist aber nicht zu leugnen, daß von 1982 bis heute die Bundesschuld von 300 Milliarden DM auf 1,5 Billionen DM gestiegen ist. Sie haben recht: In diesen Kosten sind die Kosten der deutschen Einheit enthalten. Es ist wahr, daß sich die DDR, die der Bund einmal als einen großen Zugewinn betrachtet hat - das müssen wir festhalten -, als Bruchladen herausgestellt hat und daß aus der Lust plötzlich eine Last wurde. 1990 hätten Sie tun müssen, was Ihnen so viele - auch die damalige Opposition - geraten haben: Sie hätten auf die Einkommensteuersenkung, die sie pünktlich zum Wahljahr vorgenommen haben, verzichten müssen. Sie hätten sagen müssen: Wir brauchen das Geld für den Aufbau. Ihnen haben auch die Wirtschaft und der Deutsche Gewerkschaftsbund gesagt: Wir sind bereit, auf die Steuersenkung zu verzichten; wir sind bereit, Steuererhöhungen zuzustimmen und zu beschließen, weil wir sie für die Finanzierung der Einheit brauchten. Hätten Sie das gemacht, säßen wir nicht auf dem großen Schuldenberg, auf dem wir heute sitzen. Das ist die einfache, traurige Wahrheit. ({4}) Die andere Zahl, die Sie nicht in den Mund genommen haben, betrifft die Verdoppelung der Zins-SteuerQuote, von 12 auf jetzt über 22 Prozent. Fast jede vierte Mark, die wir einnehmen, ist für Zinsen - ohne jede Leistung für die Bürger - sofort wieder weg. Das ist eine dramatische Zahl. Um diesen Sachverhalt können Sie mit Ihren kleinen Zahlenspielereien nicht herumreden. ({5}) Das heißt, wir sind eingeschnürt. Folgende Tatsache ist auch wahr: Der soziale Bereich ist mit 200 Milliarden DM der größte Brocken. Keiner der Teile dieses Haushaltes kann ungeprüft weitergeschrieben werden. Herr Kollege Roth, Sie sagten etwas zum Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Bezüglich der Verschiebung muß ich den Kollegen Waigel in Schutz nehmen. Das, was Sie dazu gesagt haben, wäre, wenn es richtig gewesen wäre, eine einzige Anklage gegen Ihre eigene Regierungstätigkeit. Wenn die Länder schon Gauner sind, Herr Roth, dann lege ich großen Wert darauf, daß auch der Herr Stoiber, der Herr Teufel und der Herr Vogel dazuzählen. Sie waren immer alle mit dabei. Ach ja, „windfall profits“ für Niedersachsen hat es auch gegeben. ({6}) Hinter der betreffenden Zahl, die dramatisch aussieht, der Verschiebung der Finanzverhältnisse zwischen Bund und Ländern, steckt im wesentlichen nichts anderes als die Hereinnahme der neuen Länder in den horizontalen Finanzausgleich. Das wurde dadurch finanziert - vorher hatte der Bund die Länder finanziert -, daß der Bund Umsatzsteueranteile an die Länder übertragen hat. So konnten die neuen Länder gleichberechtigt in den Länderfinanzausgleich einbezogen werden. Das ist der wesentliche Hintergrund. Insofern muß ich Herrn Kollegen Waigel da wirklich in Schutz nehmen. Trotzdem stimmt es, daß der Bund die schlechteste Finanzsituation der drei Staatsebenen hat. Jetzt komme ich auf die Rolle des Bundesrates zu sprechen, weil natürlich auch diese Bundesregierung, weil natürlich auch ich mit dem Bundesrat arbeiten muß. Wir hatten gar nicht immer die parteipolitische Situation, wie sie am Schluß gegeben war. Die Wahrheit, Herr Roth, ist eine ganz andere, nämlich daß wir das föderale Konsolidierungsprogramm, das die Frage beantworten sollte, wie wir die deutsche Einheit finanzieren können, die Postreform, die Bahnreform bis hin zu den Jahressteuergesetzen zusammen gemacht haben. Es gab nur einen großen Streitpunkt: Das war Ihr Entwurf einer Steuerreform. Das hatte zwei Gründe. Es war ein schwerer handwerklicher Fehler, eine solche Reform anstatt am Anfang einer Wahlperiode an ihrem Ende zu machen; das wissen Sie auch selber. ({7}) Der zweite Grund hängt mit der Finanzsituation zusammen, die auch bei den Ländern schlecht ist, aber noch dramatischer beim Bund ist: daß sich niemand - es gab da eine klammheimliche massive Unterstützung der CDU-Ministerpräsidentenkollegen - eine Steuerreform vorstellen konnte, die zusätzliche Einnahmeausfälle von 30 Milliarden DM bis 40 Milliarden DM verursacht. Das war der eigentliche Hintergrund. ({8}) Meine Damen und Herren, wir stehen da vor einer ganz schwierigen Situation. Wir werden aus ihr nur mit einer Kombination aus Einsparungen und Förderung des wirtschaftlichen Wachstums herauskommen. Ich wiederhole: Allein mit Einsparungen werden wir das Problem nicht lösen. Wir werden es nur lösen, wenn wir gleichzeitig ein Wirtschaftswachstum bekommen, das uns hilft, aus diesem Defizit herauszukommen. Das ist eine kombinierte Strategie, die viel Arbeit erfordert. Meine Damen und Herren, die Lage im Lande - davon bin ich auf Grund vieler Indikatoren fest überzeugt - ist besser als die gegenwärtige Stimmung. ({9}) Ich denke, daß das zunehmend auch die Wirtschaft so sieht. Wir hatten das übrigens schon einmal: Da waren Sie selbst sauer darauf, wie sehr einige Vertreter der Wirtschaftsverbände dieses Land heruntergeredet haben. Ich weiß, daß das in der Mitte der vorigen Wahlperiode selbst Ihnen zu weit gegangen ist. Ich freue mich, wenn jemand wie Herr Wössner oder Herr Kopper - ich bin sicher: es kommen noch eine Menge andere hinterher - sagen: Uns reicht das jetzt. Wir wollen nicht, daß das Land so heruntergeredet wird. Auch mit Psychologie kann man Wirtschaft kaputtmachen. - Das ist wohl wahr. ({10}) Die Wirtschaftsforschungsinstitute, die uns für dieses erste Halbjahr eine schlechtere Entwicklungsperspektive vorausgesagt haben, sind dieselben, die jetzt sagen: Aber in der zweiten Hälfte dieses Jahres beschleunigt sich das Wirtschaftswachstum wieder. Nächstes Jahr haben wir wieder eines vergleichbar der Situation, wie wir sie im vergangenen Jahr gehabt haben. Also kann auch die Analyse „Es liegt vor allem an der Tätigkeit dieser Regierung, daß es wirtschaftlich in diesem Frühjahr schlechter läuft“ schlechterdings nicht stimBundesminister Hans Eichel men. Sonst wäre auch die andere Analyse, daß es wieder aufwärts geht, gar nicht möglich. ({11}) Ich sage allerdings auch, daß das noch nicht ungefährdet ist. Wenn Sie genauer hinsehen, werden Sie feststellen, daß wir in der Weltwirtschaft noch eine Reihe von Problemen haben. Alle sind sich darin einig, daß uns in diesem Frühjahr die Auswirkungen des Abschwungs in Südostasien, in Brasilien und vor allem in Rußland erreicht haben. Das sind übrigens Risiken, die in Ihrem Haushaltsentwurf für 1999 noch nicht berücksichtigt waren, die wir unsererseits erst in den Haushaltsentwurf haben einarbeiten müssen. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben eine gute Chance, dieses Land voranzubringen. Wir haben aber einen harten, schwierigen, sehr steinigen Weg vor uns. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Ich sage auch zum Kollegen Waigel: Daß auch Sie sich um Einsparungen bemüht haben, bestreite ich gar nicht. Wahr ist auch, daß schon in Ihren Haushalten vieles nicht mehr finanziert wurde, was noch als öffentliche Propaganda über Ihre Regierungsarbeit zu lesen war. Ein typisches Beispiel ist der Bundesverkehrswegeplan. ({12}) Ich habe übrigens im letzten Wahlkampf nicht mehr kritisiert, daß der Bund so wenig Geld hatte. Ich habe nur kritisiert, daß Sie den Eindruck erweckten, als könnten Sie noch eine Fülle von Projekten durchführen, obwohl sie alle nicht mehr finanzierbar waren. Das ist doch das Problem gewesen. ({13}) Sie haben eine Politik des Als-ob gemacht: als ob wir mehr Steuereinnahmen hätten, als ob wir ein höheres Wirtschaftswachstum hätten und als ob wir weniger Arbeitslose hätten und deswegen weniger an die Bundesanstalt für Arbeit überweisen müßten. Jedes halbe Jahr ist das mit jeder neuen Steuerschätzung zusammengebrochen. Das kann so nicht weitergehen. Auf realistischer Basis aufzubauen und den schweren, steinigen Weg aus der Staatsverschuldung zu gehen, damit dieses Land wieder handlungsfähig wird, ist das Vertrauenssignal nach draußen. Das ist auch ein gutes Signal, um das Wirtschaftswachstum in diesem Land wieder anzukurbeln und den jungen Menschen in diesem Land das Vertrauen zu geben, daß die ältere Generation eine Politik betreibt, die auch der jüngeren eine Zukunft gibt. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zusammenarbeit. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz 1999, Drucksachen 14/300, 14/760, 14/601 bis 14/621, 14/622, 14/623 und 14/624. Die Fraktion der SPD hat namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Es gibt Verwirrung an einer Urne. Wir sind in der Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz 1999. Den Antrag auf namentliche Abstimmung hat die SPD gestellt. Ich glaube, jeder weiß jetzt, wie er abzustimmen hat. Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit dem Auszählen zu beginnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat eben Verwirrung über die Frage gegeben, welcher Punkt zur Abstimmung stand. Deswegen bitte ich, auch weiterhin aufzupassen. Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/920. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen bzw. zu behalten. - Die Urnen sind besetzt. Ich eröffne die Abstimmung. - Sind alle Stimmkarten abgegeben? ({0}) Sind jetzt alle Stimmkarten abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben. Wir setzen die Beratungen fort und kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/927. Die Fraktion der CDU/CSU hat namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, an ihren Plätzen zu bleiben. Die Urnen sind besetzt. Ich eröffne die Abstimmung. Das ist jetzt die dritte namentliche Abstimmung. Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich gebe zwischenzeitlich das von den Schriftführerinnen und Schriftführer ermittelte Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung über den Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1999 bekannt. Abgegebene Stimmen 611. Mit Ja haben gestimmt 332, mit Nein haben gestimmt 277, Enthaltungen 2. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. ({1}) Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/947. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Die Urnen sind besetzt. Ich eröffne die Abstimmung. Das ist jetzt die vierte namentliche Abstimmung. Wir kommen dann noch zu einer fünften. Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben. Vor der nächsten Abstimmung gebe ich Ihnen das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag zum Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Drucksache 14/920, bekannt. Abgegebene Stimmen 609. Mit Ja haben gestimmt 246, mit Nein haben gestimmt 363, Enthaltungen keine. Der Entschließungsantrag auf Drucksache 14/920 ist abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/911. Auch hier ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich eröffne die Abstimmung. Das ist die letzte namentliche Abstimmung. Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich gebe jetzt das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1999, Einzelplan 11, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Drucksache 14/927, bekannt. Abgegebene Stimmen 604. Mit Ja haben gestimmt 243, mit Nein haben gestimmt 361, Enthaltung keine. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Wir setzen nun die Abstimmungen fort; allerdings handelt es sich um einfache Abstimmungen. Ich bitte, die Plätze einzunehmen, damit ich den Überblick behalten kann. Jetzt folgt die Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P., Drucksache 14/949. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der PDS und gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, Drucksache 14/921. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/934. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der PDS und gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/906. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/953. Wer stimmt für den Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und F.D.P. bei Zustimmung durch die PDS-Fraktion abgelehnt. Jetzt gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der vierten namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneter Birgit Schnieber-Jastram und weiterer Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1999, Einzelplan 11, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, auf Drucksache 14/947 bekannt. Abgegebene Stimmen 606. Mit Ja haben gestimmt 246, mit Nein 360, keine Enthaltung. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Ich unterbreche jetzt die Sitzung, bis ich die Ergebnisse der letzten namentlichen Abstimmung bekomme. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich setze die Sitzung fort und gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen und anderer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1999, Einzelplan 11, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, auf Drucksache 14/911 bekannt. Abgegebene Stimmen 612. Mit Ja haben gestimmt 245, mit Nein haben gestimmt 367. Es gab keine Enthaltungen. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. ({0}) Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 7. Mai 1999, 8 Uhr - wohlgemerkt: 8 Uhr - ein. Die Sitzung ist geschlossen.