Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten
Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung
ist eröffnet.
Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung vereinbart, daß in der Haushaltswoche vom 3. Mai keine
Regierungsbefragung, keine Fragestunden und keine
Aktuellen Stunden stattfinden sollen. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist der Fall. Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes
- Drucksache 14/487 ({0})
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1})
- Drucksache 14/812 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Schild
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 14/813 Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Jacoby
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Auch
hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist es so
beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat
die Kollegin Barbara Hendricks von der SPD-Fraktion
das Wort. - Nein, die Parlamentarische Staatssekretärin
Hendricks, Entschuldigung.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es bleibt richtig, Herr Präsident, daß ich natürlich der SPD-Fraktion angehöre. Aber
ich spreche heute in meiner Eigenschaft als Parlamentarische Staatssekretärin.
({0})
Mit dem heute zu verhandelnden Gesetzentwurf tragen wir einem grundsätzlichen Merkmal unseres föderalen Systems Rechnung: Solidarität bei aller Unterschiedlichkeit der Länder in ihrer finanziellen Ausgangslage und Wirtschaftskraft. Diese Solidarität beweist sich gerade dann, wenn sich Glieder der bundesstaatlichen Gemeinschaft in einer unverschuldeten finanziellen Notlage befinden. Um eine solche Maßnahme
zur solidarischen Unterstützung durch die Fortsetzung
der Sanierungshilfen für Bremen und das Saarland handelt es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf.
Bremen und das Saarland befinden sich schon seit
Mitte der 70er Jahre auf Grund der Strukturkrisen von
Schiffbau-, Montan- und Stahlindustrie in einer schwierigen Haushaltslage. Die Zinsbelastungen waren weit
überdurchschnittlich. Die beiden Länder waren nicht
mehr in der Lage, ihre Nettokreditaufnahme verfassungskonform zu begrenzen.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 27. Mai 1992
die extreme Haushaltsnotlage Bremens und des Saarlandes festgestellt und die Unterstützungspflicht der bundesstaatlichen Gemeinschaft hervorgehoben. Deswegen
hat der Bund die beiden Länder in den Jahren 1994 bis
1998 jährlich mit Hilfen in Höhe von zusammen 3,4
Milliarden DM unterstützt.
Gleichzeitig hatten Bremen und das Saarland Auflagen zur Verwendung der Sanierungshilfen zu erfüllen.
Hierzu gehörten die Begrenzung des Ausgabenwachstums, die Nutzung der Zinsersparnisse für wirtschaftskraftfördernde Investitionen oder zur weiteren Rückführung der Verschuldung. Diese Auflagen sind eingehalten
worden, was im Finanzplanungsrat stets anerkannt worden ist.
({1})
- Ja, ein Beifall für die Länder Bremen und Saarland
schadet an dieser Stelle nicht.
({2})
Es ist erfreulich, wenn wir heute feststellen können,
daß die Sanierungshilfen in Bremen und dem Saarland
erste Erfolge zeigen. Die Unterstützung ist nicht wirkungslos verpufft. Der Abstand zur Finanzlage in den
anderen Ländern ist spürbar geringer geworden, und
auch beim Wirtschaftswachstum haben sie wieder Anschluß an die anderen Länder gewonnen. Dies ist für die
längerfristige Gesundung der Finanzen in Bremen und
dem Saarland von zentraler Bedeutung.
({3})
Gleichwohl ist das Sanierungsziel in Bremen und
dem Saarland noch nicht erreicht. Weiterhin ist die
Zinsvorbelastung in beiden Ländern deutlich höher als
im Durchschnitt der Länder. Ohne Sanierungshilfen
könnten beide Länder immer noch keinen verfassungsgemäßen Haushalt aufstellen. Die Nettokreditaufnahme
wäre weit höher als die Investitionen. Dies liegt nicht
zuletzt an den erheblichen Steuermindereinnahmen
auf allen staatlichen Ebenen in den letzten Jahren, die
die finanzschwachen Länder mit entsprechenden Vorbelastungen besonders hart getroffen haben.
Deshalb ist es unstrittig: Um die noch bestehende
Haushaltsnotlage in Bremen und dem Saarland endgültig zu überwinden und die bisherigen Fortschritte in den
beiden Ländern nicht in Frage zu stellen, ist die weitere
Gewährung von Sanierungshilfen notwendig.
Grundsätzlich ist die bundesstaatliche Gemeinschaft,
also Bund und Länder, verfassungsrechtlich zur Hilfe
verpflichtet. Es ist jedoch weder der alten noch der neuen Bundesregierung gelungen, die Länder für eine direkte Beteiligung an den Sanierungshilfen zu gewinnen.
Der Bund kommt deshalb der Verpflichtung des Bundesstaates mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nach,
indem er die Lasten wiederum allein trägt.
({4})
Die Höhe der Sanierungshilfen wird gegenüber dem
Sanierungszeitraum von 1994 bis 1998 insgesamt spürbar abgesenkt werden. Sie betragen im Zeitraum 1999
bis 2004 für Bremen 7,7 Milliarden DM und für das
Saarland 5 Milliarden DM. Bremen erhält dabei höhere
Sanierungshilfen, da die Zinsvorbelastung je Einwohner
spürbar höher als im Saarland ist.
Im Jahre 1999 betragen die Sanierungshilfen für Bremen 1,8 Milliarden DM und für das Saarland 1,2 Milliarden DM. Die gleiche Größenordnung für 1999 hielt auch
der Finanzminister der alten Bundesregierung, Herr Waigel, zur Sanierung für notwendig und hatte dies den betroffenen Ländern schriftlich mitgeteilt. Daß die alte Bundesregierung hierfür jedoch im Haushalt keinerlei Vorsorge getroffen hatte, entlarvt ein weiteres Mal die unsolide Haushaltswirtschaft der Vorgängerregierung.
({5})
Die Sanierungshilfen werden mit der zu erwartenden
Annäherung an die Finanzsituation der anderen Länder
schrittweise bis zum Jahre 2004 auf 700 Millionen DM
in Bremen und 500 Millionen DM im Saarland zurückgeführt. Damit wird ein abrupter Strukturbruch verhindert. Die Länder können sich auf das Auslaufen der Sanierungshilfen vorbereiten. Eine verläßliche Haushaltswirtschaft ist möglich.
Nach Auslaufen der Sanierungshilfen sollen Bremen
und das Saarland einen verfassungsgemäßen Haushalt
vorlegen können. Dabei muß beiden Ländern klar sein:
Mit dem Jahr 2004 muß die Sanierungsaktion abgeschlossen sein; die Sanierungshilfen werden auslaufen.
Genauso wichtig wie die Hilfe des Bundes ist ein
deutlicher Eigenbeitrag. Beide Länder sind hierzu bereit. Dies ist erfreulich, aber zugleich auch eine Selbstverständlichkeit, wenn man Hilfe von anderen erhält.
Die Maßgaben der Sanierungshilfen sind dabei insgesamt strenger als in den Jahren 1994 bis 1998. Bremen
und das Saarland müssen ihre restriktive Haushaltspolitik fortsetzen. Der Ausgabenzuwachs ist unter den Empfehlungen des Finanzplanungsrates zu halten. Die konsumtiven Ausgaben müssen sogar spürbar geringer
wachsen. Bremen und das Saarland sollten versuchen,
diese Obergrenzen im eigenen Interesse klar zu unterschreiten. Weitergehende Einsparungen können längerfristig zusätzliche Freiräume für eine eigenständige Finanzpolitik Bremens und des Saarlandes schaffen.
Die Finanzierungsspielräume, die sich durch die
Zinsersparnisse aus den Sanierungshilfen ergeben, sind
grundsätzlich zur Schuldentilgung zu verwenden. Das
Saarland kann aus den Zinsersparnissen außerdem wirtschaftskraftfördernde Investitionen zur Abfederung des
Abbaus der Beschäftigung im Kohlebergbau tätigen.
Bremen und das Saarland werden jährlich Berichte über
den Fortgang der Haushaltssanierung vorlegen.
Mit dem Gesetzentwurf liegt somit insgesamt ein
schlüssiges Konzept vor, die Haushaltsnotlagen in Bremen und im Saarland in der Verbindung von Sanierungshilfen und deutlichem Eigenbeitrag zu überwinden.
({6})
Ich möchte noch einen ergänzenden Hinweis geben:
Dem Gesetzentwurf wurde im Finanzausschuß ein neuer
Art. 2 zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes angefügt. Hierbei handelt es sich um Änderungen im
Zusammenhang mit der Neuberechnung des Verteilungsschlüssels für den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer, die unter Wahrung des Statistikgeheimnisses den
Informationsfluß an die Gemeinden und ihre Verbände
sicherstellen.
Herzlichen Dank.
({7})
Als
nächster Redner hat der Kollege Peter Jacoby von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! meine
Damen und Herren! Die heute zu beschließende Fortsetzung der Sanierungshilfen für die Bundesländer Bremen
und das Saarland bedeutet in allererster Linie Kontinuität: Kontinuität in der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1992, Kontinuität im solidarischen Verhalten des Bundes gegenüber
zweier Bundesländer, die auf Unterstützung angewiesen
sind, und im übrigen Kontinuität im Blick auf die eingesetzten Instrumente, nämlich Sanierungshilfen in Form
von Sonderbundesergänzungshilfen bereitzustellen
und das Ganze mit entsprechenden Auflagen zu versehen. Daher bedeutet das Dritte Gesetz zur Änderung des
Finanzausgleichsgesetzes mit der auf sechs Jahre angelegten Gewährung weiterer Sanierungshilfen in der Größenordnung von insgesamt 12,7 Milliarden DM die
Fortsetzung einer Politik, die mit dem Jahre 1994 begann und deshalb gerade den Stempel der Vorgängerkoalition aus CDU/CSU und F.D.P. trägt.
Selbstverständlich gelten auch heute noch die zentralen Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes vom
Mai 1992 und die in dem Urteil angelegten Maßstäbe.
({0})
Ich möchte daran erinnern, daß das Gericht damals ausführte, beide Bundesländer befänden sich in einer extremen Haushaltsnotlage, aus der sie sich aus eigener
Kraft nicht befreien könnten. Das normale dreistufige
Instrumentarium des bundesstaatlichen Finanzausgleichs
- Steueraufteilung, horizontaler Finanzausgleich und
Bundesergänzungszuweisungen im Rahmen des vertikalen Finanzausgleichs - reiche zur Behebung der bestehenden Probleme nicht aus. Karlsruhe sah und sieht
in dieser Lage das bundesstaatliche Prinzip als solches
berührt. Es geht - so hat es das Gericht formuliert - „um
das Einstehen füreinander als Ausdruck der im Bundesstaat bestehenden Solidargemeinschaft von“ - meine
Damen und Herren, jetzt kommt eine entscheidende
Passage - „Bund und Ländern“.
({1})
Das Urteil war nicht in den Wind gesprochen; es blieb
auch keine Theorie. Vielmehr war es der Hintergrund, vor
dem im Jahre 1993 Bremen und dem Saarland anläßlich
der damals stattgefundenen Solidarpaktverhandlungen
Sanierungshilfen in Höhe von 1,8 Milliarden DM bzw.
1,6 Milliarden DM, und zwar jährlich über fünf Jahre
hinweg, bewilligt wurden - alles mit dem Ziel, es den
beiden Ländern zu ermöglichen, finanzwirtschaftlich wieder Anschluß an die Gesamtheit der Bundesländer zu finden, an denen es sich zu orientieren gilt.
Ich stelle fest: Auch in der zügigen Umsetzung des
Karlsruher Urteils aus dem Jahre 1992 gab es gerade
auch im Blick auf die zurückliegenden Jahre nicht bloß
ein wohlfeiles, den Föderalismus beschwörendes Lippenbekenntnis. Ganz im Gegenteil: Nicht zuletzt auf
dem Gebiet der öffentlichen Finanz- und Haushaltswirtschaft erwies der Bund schon bisher - das soll auch
heute so sein; insofern stellen wir uns in diese Kontinuität - vor allem im Blick auf Bremen und das Saarland seine handfeste Solidarität.
({2})
Hoffnungen, die 1993 mit den in den Folgejahren
jährlich bereitgestellten Haushaltshilfen verbunden waren, haben sich im Blick auf Bremen und das Saarland
dennoch nicht erfüllt. Das kommt in der Regierungsvorlage zu dem heute zu verabschiedenden Gesetz zum
Ausdruck; das belegen wichtige Indikatoren wie die ProKopf-Verschuldung, die Zinsausgabenquote, die Zinssteuerquote, die Defizitquoten und etliches anderes
mehr. Das eine oder andere mag besser geworden sein
- darauf hat Frau Staatssekretärin Hendricks hingewiesen -; es gibt aber auch berechtigte Kritik, die ebenfalls
angesprochen werden muß.
Die Kritik ist zum Beispiel dergestalt, daß sich die
Landespolitik zuweilen auf das Erschließen von Transferleistungen reduziere, ohne daß der eigentlich entscheidenden Frage, nämlich der Verbreiterung und Modernisierung der wirtschaftlichen Struktur oder der Verbesserung der hausgemachten Standortfaktoren, dieselbe
Aufmerksamkeit zuteil wurde. Dabei gab es im Verlauf
der Sanierung durchaus interessante Unterschiede in der
Gestaltung des Strukturwandels zwischen dem Bundesland Bremen und dem Bundesland Saarland.
Ich möchte daran erinnern, daß es Gutachter gegeben
hat, die vor Jahren von den Landesregierungen selbst
eingeschaltet worden sind und die expressis verbis auf
Papier gebracht haben, daß der Zufluß an hohen Bundesergänzungszuweisungen alleine noch keine hinreichende Erfolgsbedingung für eine definitive Überwindung einer Haushaltsnotlage eines Bundeslandes sei.
Vielmehr - so diese Gutachter - würden die finanzpolitischen Perspektiven eines Landes in erster Linie davon abhängen, ob es gelänge, Bedingungen zu schaffen,
die zukunftsorientierte Industrien, moderne Dienstleistungen anzögen; denn nur dann könne erwartet werden, daß in diesen Ländern die Wachstumsrate des Sozialprodukts zunehme und dadurch die Last der öffentlichen Verschuldung zumindest relativ gesenkt werden
könne.
Es bleibt also auch in einer Debatte wie der des heutigen Tages zu sagen, daß es im Blick auf die Wahrnehmung der landespolitischen Verantwortung nach wie vor
Entscheidendes zu tun gibt. Auch das, glaube ich, gehört
dazu.
({3})
Sei es, wie es sei. An einer Fortführung der Hilfen so hat es auch die vom Finanzplanungsrat eingesetzte
Bund-Länder-Arbeitsgruppe schon im letzten Jahr, also vor dem Regierungswechsel, gesehen - führt kein
Weg vorbei.
Frau Staatssekretärin Hendricks hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, daß dies auch die Sicht von
Bundesfinanzminister Waigel und der Vorgängerregierung gewesen ist. In der Tat gibt es einen Briefwechsel
zwischen Waigel und dem bremischen Finanzsenator
Perschau, in dem die frühere Bundesregierung bekundet
hat, weitere Hilfen über 1998 hinaus zu gewähren.
Ferner heißt es im Entwurf zum Bundeshaushalt
1999, der noch vor dem Regierungswechsel eingebracht
worden ist, expressis verbis - Zitat -:
Es ist beabsichtigt, die 1998 auslaufenden Sanierungshilfen für die Länder Bremen und das Saarland auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern fortzusetzen.
({4})
Aus Bundessicht
- so ist damals formuliert worden kommt dabei für 1999 eine Größenordnung von ca.
3 Milliarden DM insgesamt in Betracht.
3 Milliarden DM ist genau der Ansatz, der jetzt etatisiert wird, zugegebenermaßen in der Verantwortung des
Bundes. Aber dazu ist durchaus die eine oder andere
Bemerkung zu machen; das will ich gern tun.
Ich möchte, was die rückwärtsgewandten Aspekte in
der Rede von Frau Hendricks anbelangt, doch darauf
hinweisen, daß auch die beiden Bundesländer Bremen
und das Saarland sehr wohl davon ausgegangen sind,
daß es eine Fortsetzung der solidarischen Hilfe des Bundes und der Länder, und zwar in der genannten Größenordnung von 3 Milliarden DM, geben wird; denn beide
Länder haben vor dem Regierungswechsel bei ihrer
Etatplanung für 1999 in ihren Haushalten entsprechende
Ansätze ausgebracht. Das heißt, man konnte davon ausgehen - die beiden Länder haben dies getan -, daß dem
bündischen Prinzip weiterhin Rechnung getragen würde.
Insofern hätte ich die herzliche Bitte, Frau Staatssekretärin, daß Sie nicht rückwärtsgewandt die falschen Debatten führen, sondern nach vorne schauen, und das
dann mit Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion.
({5})
Herr
Kollege Jacoby, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kröning aus Bremen?
Selbstverständlich.
Bitte
schön.
Herr Kollege Jacoby, auch
ich möchte die Einmütigkeit, die sich im Hause abzeichnet, nicht in Gefahr bringen. Aber Sie tragen mindestens
in dem Maße wie Frau Staatssekretärin Hendricks zur
Vergangenheitsbewältigung bei. Deshalb darf natürlich
auch eine Bremer Stimme nicht fehlen.
Können Sie dem Haus bestätigen, daß im Haushaltsentwurf von Finanzminister Waigel für 1999 nur
eine Absichtsbekundung stand, daß diese Absichtsbekundung nicht über das Jahr 1999 hinausreichte und daß
sie auch noch nicht mit einer rechtlichen Grundlage versehen war, also mit einem einwandfreien, zwischen
Bund und Ländern abgestimmten Finanzierungsvorschlag? Seien Sie - trotz der Verbeugung, die wir vor
Minister Waigel für die bisherige Zusammenarbeit machen - so freundlich, dies dem Hause zu bestätigen.
Herr Kollege Kröning,
ich will Ihre Frage unter Bezugnahme auf Ihre frühere
Tätigkeit als Finanzsenator des Bundeslandes Bremen
beantworten. Nach den Entscheidungen zum Bundeshaushalt 1999 in der Verantwortung der Bundesregierung hat der bremische Senat aus SPD und CDU eine
Senatsvorlage gefertigt - ich habe sie zu dieser Debatte
mitgebracht -, im folgenden steht:
Erstens würden die im Finanzausgleichsgesetz bis
31.12.1998 befristeten Sanierungshilfen für Bremen und
das Saarland fortgesetzt. Das habe Bundesfinanzminister
Waigel gegenüber dem Land Bremen zum Ausdruck gebracht und es auch im Entwurf des Bundeshaushaltes
mit Rechtsqualität versehen. Zweitens halte der Bund
für 1999 einen Betrag von insgesamt 3 Milliarden DM
für beide Länder für angemessen. Drittens solle die Finanzierung - zugegebenermaßen - je zur Hälfte von
Bund und Ländern erfolgen. Der Bundesfinanzminister
erkläre auch ausdrücklich, daß die Fortsetzung der Sanierungshilfen auf der Grundlage der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 1992 erfolgen
solle.
Weil das so ist, Kollege Kröning, bin ich wirklich der
Auffassung, daß es überhaupt keinen Sinn macht, im
nachhinein - deshalb habe ich mich auf das bezogen,
was Staatssekretärin Hendricks vorgetragen hat - Zweifel an der Entschlossenheit des Bundes aufkommen zu
lassen, sich gemeinsam mit den Ländern voll in die Verantwortung zu stellen, was die Fortsetzung der Sanierungshilfen zugunsten der Bundesländer Bremen und
Saarland anbelangt. Wenn Sie dafür sind, keine rückwärtsgewandten Debatten zu führen, dann unterlassen
Sie es bitte. Das möchte ich zu Ihrer Zwischenfrage sagen.
({0})
Herr
Kollege Jacoby, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Kröning?
Ja.
Herr Kollege Jacoby, zum
parlamentarischen Dialog gehört sicherlich, daß man
verschiedener Auffassung ist, wie man sich einläßt. Sie
haben mit Ihrer Antwort, für die ich Ihnen sehr dankbar
bin, eingeräumt, daß erst in dem Haushaltsentwurf von
Minister Lafontaine Vorsorge getroffen war. Diese Vorsorge haben wir gestern im Haushaltsausschuß endgültig
beschlossen.
Ich möchte aus wohlerwogenen Gründen, und zwar
nicht nur bezogen auf die Jahre 1998 und 1999, sondern
auch auf die Ursprungsjahre 1992 und 1993, an diese
bremisch-saarländische Gemeinsamkeit erinnern; denn
auch dieser Minister hat es fertiggebracht, die GesetzesPeter Jacoby
vorlage, die wir heute verabschieden wollen, ohne Verzug einzubringen. Lassen Sie uns ab jetzt in die Zukunft
gucken!
Zu der Frage, die Sie,
Kollege Kröning, mir gestellt haben, möchte ich noch
einmal sagen: Wir stehen heute in der Kontinuität der
Sanierungshilfen, die über fünf Jahre hinweg geleistet
worden sind. Der Bundesfinanzminister war in Vorbereitung des Bundeshaushaltes 1999 schon vor dem
Regierungswechsel dabei, die vollen Beträge einzustellen,
({0})
und er hat entsprechende Erläuterungen im Haushalt
ausgebracht.
({1})
Bevor nicht eine Verhandlung mit den Ländern stattgefunden hat, kann er eine Zahl noch nicht etatisieren.
Das Bundesland Bremen hat aber in seiner Senatsvorlage bestätigt, daß davon auszugehen sei. Deshalb verstehe ich nicht ganz, warum Sie mit Ihren Fragen diesen
aus meiner Sicht falschen Zungenschlag in diese Debatte
einbringen.
Herr
Kollege Jacoby, erlauben Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Barbara Hendricks?
Bitte schön.
Bitte
schön, Frau Hendricks.
Herr Kollege Jacoby. Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte mich in dieser
Debatte rückwärtsgewandt ausgedrückt. Ich darf Sie
freundlich darauf hinweisen, daß ich eine einzige Bemerkung zur Vergangenheit gemacht habe. Ich habe
nämlich gesagt, daß Bundesfinanzminister Waigel im
Haushaltsentwurf 1999 keine Vorsorge für seine bekundete Absicht getroffen hatte.
Es ist zweifellos richtig - das haben Sie jetzt bestätigt, und ich bin Ihnen dankbar dafür -, daß der Bundesfinanzminister die Absicht hatte, die Sanierungshilfen
für das Saarland und für Bremen fortzusetzen; sonst
hätte er dies seinem Kollegen Finanzsenator Perschau
guten Gewissens nicht schreiben können. Es ist zweifellos aber ebenso richtig - ich darf Sie bitten, dies vor
dem Hohen Hause zur Kenntnis zu nehmen -, daß weder
3 Milliarden DM noch ein kleinerer Anteil des Bundes
etatisiert war. Zumindest hätte ein Anteil des Bundes
etatisiert werden müssen, wenn man von erfolgreichen
Verhandlungen mit den Ländern ausgeht.
Ich darf Sie abschließend darum bitten, zur Kenntnis
zu nehmen, daß somit meine Aussage, dies sei ein weiterer Beweis für die unverantwortliche Haushaltspolitik
der Bundesregierung gewesen, richtig war.
({0})
Frau Staatssekretärin,
daß es Ihnen selbst nicht gelingt, den Zusammenhang
zwischen der Verantwortung des Bundes und der der
Länder völlig auszublenden, ergibt sich ja aus einer
Formulierung, die Sie vor zwei Monaten bei einer Debatte im Bundesrat benutzt haben. Sie sagten: „Der
Bund tritt einseitig in Vorleistung. Der Bund erwartet,
daß die Länder dies in anderem Zusammenhang berücksichtigen.“ Was heißt denn das anderes, als daß bei Ihnen durch die Hintertür und bei uns mit offenem Visier
auf den Gesamtzusammenhang der Verantwortung von
Bund und Ländern hingewiesen wird.
({0})
Ein Zweites möchte ich in diesem Zusammenhang
auch noch sagen: Ich halte es für ein einigermaßen unglaubwürdiges Vorgehen, daß ausgerechnet Sie, die Sie
sich in der Frage der Kindergelderhöhung oder in der
Frage der Finanzierung der Steuerausfälle durch die Änderungen bei den 630-DM-Jobs bisher in einer Weise
über Länderinteressen hinweggesetzt haben, wie es seinesgleichen sucht,
({1})
jetzt in dieser Debatte mit Blick auf die Länder den Versuch unternehmen, sich schadlos zu halten. Das wird Ihnen nicht gelingen. Das ist ein Widerspruch.
({2})
- Ich lasse jetzt keine weiteren Zwischenfragen mehr zu.
({3})
Frau
Kollegin Hendricks, Sie haben nicht das Wort. Herr Jacoby, setzen Sie bitte Ihre Rede fort.
Es ist schon etwas bemerkenswert, Frau Staatssekretärin, wenn Sie eine Redezeit von einer Viertelstunde ausschöpfen und zwei
Minuten später eine Zwischenfrage nach der anderen
stellen.
({0})
Ich denke, das ist nicht die übliche Umgangsform.
({1})
Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Am heutigen
Tage geht es um Kontinuität, um die Fortsetzung einer
Politik auf der Basis einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1992. Es geht auch darum, daß das bündische Prinzip insbesondere durch das
Verhalten des Bundes erneut mit Leben erfüllt wird.
({2})
Ich möchte in dieser Debatte noch einen letzten
Aspekt ansprechen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung spricht nämlich mit Blick auf die erneut zu gewährenden Sanierungshilfen von einer letztmaligen Hilfe,
die zudem degressiv ausgestaltet werden soll. Die Botschaft des Gesetzes, das heute zu beschließen ist, ist also
eindeutig: Den Ländern Bremen und Saarland muß mit
den vorgesehenen Hilfen zur Haushaltssanierung jetzt
auch die Bewältigung ihrer Haushaltsprobleme gelingen.
Die Chancen hierfür sind gegeben. Ansonsten droht eine
ganz andere Konsequenz.
Deshalb richtet sich unser Appell natürlich auch an
die beiden Landesregierungen, nicht nur die Forderung
nach der Selbständigkeit ihrer Bundesländer, für die
auch ich bin, vor sich her zu tragen, sondern auch vor
Ort durch eine tatkräftige Politik Eigenverantwortung
wahrzunehmen, weiterhin nachhaltige Eigenbeiträge zur
Haushaltskonsolidierung zu leisten und im übrigen
auch an einer Reform des Föderalismus, durch die jeder
Ebene eine klarere Verantwortung, als das heute der Fall
ist, zugewiesen wird, mitzuwirken.
Einer erneuten Hilfe zur Selbsthilfe stimmt die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion am heutigen Tage zu.
({3})
Als
nächster Redner hat der Kollege Klaus Müller vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
({0})
Wollen wir das noch fortsetzen?
({0})
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, jetzt hat der Kollege Klaus
Müller das Wort. Ich bitte, ihm auch die Gelegenheit dazu zu geben. - Bitte schön, Herr Müller.
Das Scharmützel ist ja sehr interessant. Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und
Kollegen! Wir sind uns ja sicherlich alle einig darin, daß
es sich bei den neuen Ergänzungszuweisungen des Bundes nicht um irgendwelche Wohltaten handelt, sondern
um einen Rechtsanspruch, den die Bundesregierung jetzt
auch einlöst. Diesen Rechtsanspruch hat das Bundesverfassungsgericht in aller Deutlichkeit festgestellt. Für
Bremen und das Saarland wurden in der Entscheidung
im Mai 1992 auf Grund erheblicher Abweichungen wesentlicher Kennziffern von denen der Ländergesamtheit
eine extreme Haushaltsnotlage festgestellt. Das Urteil
besagt, daß bei solchen Haushaltsnotlagen einzelner
Länder, und zwar unter der Voraussetzung, daß sie sich
nicht selbst helfen können, die Solidargemeinschaft von
Bund und Ländern in die Pflicht eintritt, dem betroffenen Glied der bundesstaatlichen Gemeinschaft Hilfe zu
leisten.
Bremen und das Saarland haben bereits in den Jahren
1994 bis 1998 Bundesergänzungszuweisungen zur
Haushaltssanierung erhalten. In dieser Zeitspanne haben
sich die beiden Länder dazu verpflichtet, eigene Sanierungsleistungen zu erbringen. Wir haben bereits festgestellt - Bund und Länder haben dies einvernehmlich bestätigt -, daß sich beide Länder auch daran gehalten haben. Das Ausgabenwachstum ist sowohl im Saarland als
auch in Bremen deutlich unter den Empfehlungen des
Finanzplanungsrates für das allgemeine Ausgabenwachstum gehalten worden.
({0})
Die Finanzierungsspielräume aus den Sanierungshilfen
sind für wirtschaftskraftfördernde Investitionen oder zur
weiteren Begrenzung der Neuverschuldung genutzt
worden. Das begrüßen wir; das war sicherlich auch Sinn
und Zweck der Zuweisungen.
Insgesamt hat sich der Abstand Bremens und des
Saarlandes zu den anderen Ländern hinsichtlich ihrer
Verschuldung und der daraus folgenden Zinsbelastung
etwas verringert. Bremen und das Saarland sind gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland
nicht weiter zurückgefallen, sondern haben zum Ende
des Sanierungszeitraums Anschluß an die allgemeine
durchschnittliche Wachstumsentwicklung gefunden.
Aber - das haben auch meine Vorrednerinnen und
Vorredner bestätigt - trotz des bisher Erreichten ist die
Haushaltssituation in Bremen und im Saarland noch
immer weitaus schlechter als in anderen Ländern, was
verschiedene Indikatoren - Pro-Kopf-Verschuldung,
Zins-Ausgaben-Quote, Zins-Steuer-Quote usw. - im
Bund-Länder-Bericht eindeutig belegen. Das heißt - die
Konsequenz wird heute wohl konsensual vom Haus getragen -, sie können sich aus ihrer Notlage nach wie vor
nicht aus eigener Kraft befreien. Deshalb ist es, um die
erreichten Sanierungsfortschritte zu sichern und den
dauerhaften Anschluß an die Ländergesamtheit zu erreiPeter Jacoby
chen, notwendig, weitere Sanierungshilfen zu gewähren.
Dies wurde, wie gesagt, konsensual festgestellt.
Um dies zu erreichen, sind natürlich trotzdem auch
eigene Anstrengungen der beiden Bundesländer notwendig. Für den Erfolg der Haushaltssanierung und entsprechend ihren verfassungsrechtlichen Kooperationspflichten sind weitere starke Anstrengungen Bremens und des Saarlandes zwingend notwendig. Die unterschiedliche Höhe der Sanierungshilfen spiegelt die
Zinsvorbelastungen in Bremen und dem Saarland wider.
Die Zinsbelastung des Bremer Haushalts ist spürbar höher und rechtfertigt deshalb entsprechend höhere Hilfen
je Einwohner.
Der Kernpunkt des Gesetzes - an der Stelle stimme
ich meinem Vorredner, dem Kollegen Jacoby, ausdrücklich zu - liegt darin, daß die Sanierungshilfen nach
sechs Jahren auslaufen und daß darüber hinaus keine
Sonderleistungen des Bundes mehr erfolgen werden.
Darauf verweisen auch die degressiv abnehmenden Beträge. Die beiden Länder müssen also in den nächsten
Jahren die Grundlage für solide Finanzen schaffen. Daran führt kein Weg vorbei, es sei denn - das wird sicher
niemand hier wollen -, Bremen und das Saarland würden im Jahre 2005 ihre Selbständigkeit aufgeben.
Die Regelungen - jetzt komme ich zu dem Teil, den
ich politisch etwas interessanter finde als die Scharmützel des Kollegen Jacoby zuvor - des Föderalen Konsolidierungsprogramms mit den neuen Ländern, die in
den Finanzausgleich einbezogen worden sind, laufen
2004 aus. 2004 ist noch weit entfernt, aber ich glaube,
daß es für die Politik manchmal gut ist, rechtzeitig Debatten anzustoßen, die in die Zukunft weisen.
({1})
Das bedeutet, daß wir eine Anschlußregelung finden
müssen, die die Aufbaumaßnahmen in den neuen Ländern auch weiterhin sicherstellt. Wir bekräftigen deshalb
das im Gesetz zur Umsetzung des FKP für den Zeitraum
bis zum Jahre 2004 festgelegte Finanzausgleichssystem.
Die notwendige Neuordnung der Finanzverfassung
muß jetzt aber zügig vorbereitet werden. Die Koalition
will deshalb laut Koalitionsvertrag
eine Enquete-Kommission beauftragen, die notwendige Neuordnung der Finanzverfassung ab dem
Jahr 2005 vorzubereiten. Die Belange der finanzschwächeren Länder und insbesondere der ostdeutschen Länder werden dabei ebenso besondere Berücksichtigung finden wie das Ziel, zu einem Finanzausgleichssystem zu kommen, das es für alle
Länder attraktiver macht, zusätzliche Einnahmen zu
erzielen.
({2})
Aus unserer Sicht ist in den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern tatsächlich ein erheblicher
Korrekturbedarf vorhanden. Die föderale Umverteilung
ist undurchschaubar und komplex geworden. Dies betrifft nicht nur den Steuerverbund und dessen Regelungen, die wir überprüfen wollen.
Die Umverteilungen im Rahmen der Finanzverfassung sind durch eine Vielfalt von Regelungen gekennzeichnet, die die Transparenz und zugleich eine effiziente Mittelverwendung erschweren, aber auch die Entstehung dieser Mittel unter Umständen negativ tangieren. Finanzverantwortung ist kaum noch eindeutig zuzuordnen, und auch die Zuständigkeiten werden verwischt.
Die horizontale Umverteilung zwischen den Ländern,
der eigentliche Finanzausgleich, ist nur ein kleiner Teil
der umverteilenden Maßnahmen. Sie wird überlagert
und ergänzt durch eine Vielzahl von weiteren Umverteilungsinstrumenten.
Ein weiteres Problem liegt aus unserer Sicht in der
geringen Finanzautonomie der Länder. Die Ausgaben
der Länder und Gemeinden werden vielfach durch Bundesgesetze festgelegt und fremdbestimmt. Einsparmöglichkeiten sind deshalb begrenzt, und sie lohnen sich aus
Sicht der Länder vielfach nicht. So wird etwa bei der
Verteilung der Umsatzsteuer auch das Ausgabenzuwachsvolumen der Länder mit berücksichtigt. Dies
schafft natürlich Anreize, die Ausgaben auszuweiten.
Gleichzeitig werden dort Länderausgaben zusätzlich
angeregt, wo sie mit Bundeszuschüssen verknüpft sind.
Steuerquellen zu schaffen und auszuschöpfen lohnt sich
für die Länder kaum, wenn den finanzschwachen Ländern über den horizontalen Finanzausgleich ohnehin
99,5 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft der
Bundesländer zusteht und gleichzeitig den finanzstarken
Ländern 60 bis 70 Prozent der den Durchschnitt übertreffenden Finanzkraft abgenommen wird.
Auch das Konnexitätsprinzip blieb unbeachtet: Aufgaben wurden in der Vergangenheit - die Verantwortungsträger dafür sitzen rechts von mir - auf untere Ebenen verlagert, ohne daß für einen Kostenausgleich gesorgt worden wäre. Ich erinnere nur an die Regelungen
beim Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze sowie an
die Verpflichtungen aus dem Bundesnaturschutzgesetz.
({3})
- Das haben wir wunderbar gegenfinanziert.
({4})
Die Kommission von Bund und Ländern, die jetzt entsprechend dem Beschluß der Länder und einer Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und den Regierungschefs der Länder - eingesetzt wird, muß diese Probleme angehen. Diese Reform wird vom Bund und von
den Ländern in einem kooperativen Verfahren vorbereitet werden, damit hier im Bundestag im kommenden
Jahr ein diesbezügliches parlamentarisches Verfahren
möglich ist. Die Arbeitsgruppe - bestückt aus Experten
der Bundesregierung und der Länderregierungen - wird
ihre Tätigkeit Ende dieses Jahres abschließen. Über die
Ergebnisse wollen die Regierungschefs der Länder Anfang nächsten Jahres beraten. Die Regierungsarbeitsgruppe wird nach ihrer Konstituierung in diesem Frühjahr die Arbeit aufnehmen und für uns bis zum JahresKlaus Wolfgang Müller ({5})
ende eine Vorlage schaffen. Ich glaube, daß wir dann
eine spannende Debatte erleben werden.
Aus unserer Sicht ist dabei das gesamte System der
Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen auf den Prüfstand
zu stellen, damit nicht wiederum - wie schon beim FKP
- Lösungen gefunden werden, die sich für wirtschaftliche oder gesellschaftliche Entwicklungen als nachteilig
erweisen.
Ich möchte vier Punkte nennen, die nach unserer
Sicht Bestandteil dieser Debatte sein sollten, damit man
hier tatsächlich zu einer Neuregelung kommen kann:
Der erste Punkt ist die Verbesserung des Verhältnisses von Ausgaben und Aufgaben. Wir brauchen
eine bessere Abgrenzung der Ausgaben der EU, des
Bundes, der Länder und der Gemeinden im Hinblick auf
Zuständigkeiten und Vollzug.
Der zweite Punkt ist die Neujustierung der Steuereinnahmen und der Mittelzuteilung. Die eigenverantwortlichen Entscheidungsspielräume von Bund, Ländern
und Gemeinden auf steuerlichem Gebiet sollten gestärkt
werden. Dabei sollen die Vorteile eines einheitlichen
Steuergebietes weitgehend gesichert, administrative
Verwerfungen verhindert und die Notwendigkeit von
Ausgleichsmechanismen zur Sicherung und Herstellung
vergleichbarer Lebensverhältnisse nicht grundsätzlich in
Frage gestellt werden. Zu prüfen ist deshalb, inwieweit
die Länder - um deren Eigenverantwortung zu stärken ihre Steuereinnahmen mitgestalten können. Ich glaube,
daß es für unsere Kolleginnen und Kollegen in den Länderparlamenten oft eine quälende Situation ist, die notwendigen Mittel für Aufgaben, die nötig sind, und für
Projekte, die sie politisch befürworten, nicht selbständig
beschließen zu können.
Der dritte Punkt ist: Der horizontale Finanzausgleich sollte auf eine neue Grundlage gestellt werden.
Auch das System des horizontalen Finanzausgleichs besitzt Regelungen, die zu einer straffen Nivellierung und
gleichzeitig zu ungünstigen Anreizen bei den Ländern
führen. Zusätzliche Mehreinnahmen werden in hohem
Maße abgeschöpft. Ebenso werden die Bemühungen,
eigene Steuerquellen auszuschöpfen, im Finanzausgleich
nicht honoriert. Umgekehrt gibt es keinen Sparanreiz für
die Nehmerländer. Notwendig sind Anreize, die Steuerbasis zu pflegen und sie steuer- und wirtschaftspolitisch
sinnvoll auszuschöpfen. Erforderlich ist im Rahmen des
bundesstaatlichen Solidaritätsprinzips ein angemessener
Ausgleich der Finanzkraft. Er sollte transparent und einfach sein.
Der vierte Punkt: Wir würden gern die Kommunalfinanzen einbeziehen. Bund und Ländern muß es verfassungsrechtlich untersagt sein, weiter öffentliche Aufgaben auf die Kommunen zu verlagern, ohne daß diesen
die dafür notwendigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.
Dieses erfordert zum einen eine Grundgesetzänderung und zum anderen die Anpassung der Länderverfassungen bzw. deren strikte Handhabung. In der Finanzverfassung des Grundgesetzes müßte geregelt werden,
daß der Bund dann die Ausgaben für Leistungen zu tragen hat, wenn die Länder und Kommunen Maßnahmen
des Bundes ausführen, bei denen sie kein nennenswertes
Ausführungsermessen haben, das Volumen der Ausgaben also durch das Bundesgesetz vorgegeben ist.
Auch im Verhältnis von Ländern zu Kommunen muß
das Konnexitätsprinzip in gleicher Weise zur Geltung
kommen. In den Ländern, die eine entsprechende Regelung bereits vorsehen, bedarf es ihrer strikten Anwendung.
Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat dazu
Vorgaben formuliert, die die Gesetzgeber in Niedersachsen wie in anderen Ländern mit vergleichbarer Regelung
künftig zu berücksichtigen haben. Die Länder sind danach verpflichtet, für die den Kommunen übertragenen
Aufgaben eine detaillierte Aufgaben- und Kostenanalyse
vorzunehmen, um auf dieser Grundlage über die Kostenerstattung zu entscheiden.
Die von mir vorgetragenen Vorschläge sind sicherlich
sehr weitreichender Natur und dazu gedacht, eine lebhafte Debatte anzustoßen. Ich will auch nicht die Probleme vernachlässigen, die bei einer Reform auftreten
könnten. Ein Ja zum Pluralismus und zu Anreizen ist
keine Befürwortung eines ungehemmten Wettbewerbs
zwischen den Bundesländern. Aber, um zu zitieren:
Der Konsens über die Notwendigkeit einer Reform
des Föderalismus ist sehr viel größer als gemeinhin
angenommen.
({6})
Dies hat Hans Eichel gesagt, als er seine Ansprache als
Bundesratspräsident am 6. November 1998 gehalten hat.
Ich stimme mit ihm absolut überein und möchte gern
einen weiteren Passus aus seiner Rede zitieren. Zu den
Aufgaben der bereits erwähnten Kommission zählte
Hans Eichel damals
nicht nur die Erweiterung der Gesetzgebungskompetenzen der Länder, sondern auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Ziel dieser
Kommission sollte es sein, einen Vorschlag zu unterbreiten, der die Eigenstaatlichkeit der Länder
stärkt, Aufgaben- und Ausgabenverantwortung zusammenführt und die Finanzbeziehungen zwischen
Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern in
einer die verschiedenen Interessen soweit wie
möglich berücksichtigenden … und gleichermaßen
vertretbaren Weise neu ordnet.
Auch dieser Aussage wie den meisten Ausführungen in
seiner sehr bemerkenswerten Rede, die ich jedem zum
Nachlesen empfehlen möchte, möchte ich mich anschließen.
Ich hoffe, daß wir nach dieser Debatte heute das
„Pflichtprogramm“ für Bremen und das Saarland und
die erwähnten statistischen Änderungen beschließen
werden und daß wir in den kommenden Monaten eine
spannende Debatte darüber erleben, welche Reform des
Föderalismus aus unserer Sicht notwendig ist. Ich bin
sicher, daß wir dazu viele Vorschläge aus Hans Eichels
Klaus Wolfgang Müller ({7})
Rede und aus Vorarbeiten aufnehmen werden. Ich bin
auf die Debattenbeiträge in diesem Haus gespannt.
Vielen Dank.
({8})
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie schon an dieser Stelle darauf hinweisen, daß der Antrag auf namentliche Abstimmung beim nächsten Tagesordnungspunkt
zurückgezogen worden ist.
Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr.
Werner Hoyer, F.D.P.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wenn die F.D.P.Bundestagsfraktion dem vorliegenden Gesetz heute zustimmt, dann tut sie das ganz sicherlich nicht ohne
Bauchschmerzen. Sie tut das aus Solidarität mit den beiden Ländern und den Menschen in diesen beiden Ländern, die sich in der Tat in einer schwierigen Notlage befinden. Das erkennen wir ausdrücklich an, und deswegen stimmen wir nolens volens zu.
Bei allem Respekt vor Ihrer Rede, Herr Kollege Jacoby, der ich in fast allen Passagen zustimme, habe ich
bei einem Punkt Bedenken: bei dem Begriff Kontinuität. Wir sind als Bund sicherlich in der Kontinuität der
Solidarität gegenüber den beteiligten Ländern. Aber
was nicht weitergehen darf - deswegen wehre ich mich
gegen den Begriff Kontinuität -, ist die Schlamperei in
den beteiligten Ländern, die dazu geführt hat, daß wir
heute dieses Gesetz erneut beschließen müssen.
({0})
Der Mangel an Solidarität seitens 14 anderer Bundesländer, der hier zum Ausdruck kommt, darf nicht weitergehen.
Wir haben hier ein, wenn Sie so wollen, Reparaturgesetz vor uns.
({1})
Wir nehmen ein Kilo Lack in die Hand und übertünchen
etwas.
({2})
Wir werden schöne Farbe darüberstreichen und das Automobil im Glanz erscheinen lassen, Herr Kollege von
Larcher. Fakt ist aber: Darunter rostet es weiter, wenn
sich nicht nachhaltig etwas ändert. Kollege Müller hat
vollkommen recht: Es wird sich nachhaltig nichts ändern, wenn wir nicht an die Themen Finanzverfassung
und Regelung der Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Gemeinden herangehen.
({3})
Wir tragen mit diesem Gesetz also der extremen
Notlage der Länder Bremen und Saarland Rechnung.
Allerdings muß man hinzufügen, daß wir mit diesem
Gesetz natürlich auch der Notlage Rechnung tragen
müssen, die sich dadurch ergibt, daß die bundesstaatliche Gemeinschaft durch das Bundesverfassungsgericht
zur Hilfe verurteilt worden ist. Wir wollen, wie gesagt,
die Zahlungen an sich nicht anzweifeln. Man könnte
aber Anmerkungen zu der Höhe machen. Ist es wirklich
erforderlich, mehr zu zahlen, als die Länder beantragt
haben? Wir halten es auch für falsch und angesichts der
Haushaltslage erst recht für bedenklich, daß der Bund
hier erneut alleine zur Kasse gebeten wird - eine Tradition, die hier mittlerweile Platz gegriffen hat.
Zum ersten. Es wundert schon sehr, daß der damalige
Finanzminister Lafontaine die Mittel nicht nur ein Jahr
länger als geplant, sondern auch 2 Milliarden DM mehr,
als vom Saarland und von Bremen ursprünglich beantragt, bereitstellte.
Herr
Kollege Hoyer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kröning aus Bremen?
Selbstverständlich.
Herr
Kröning.
Herr Präsident, ich danke
Ihnen. - Herr Kollege Hoyer, ist Ihnen bekannt, daß es
keine Anträge der Länder gegeben hat, sondern daß die
Länder in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Rechenschaft
abgelegt haben und daß die Zahlen, von denen heute die
Rede ist, an die Ergebnisse der Bund-LänderArbeitsgruppe angepaßt und aktualisiert worden sind?
Sie sind wahrhaftig kein Geschenk. Ich habe die objektiv ermittelten Zahlen gelesen und komme zu dem entgegengesetzten Schluß; aber das ist gesetzgeberisches
Ermessen. Diese Zahlen entsprechen der Änderung von
1997 zu 1998. Können Sie das bitte bestätigen?
Erstens. Nein, mir war
das nicht bewußt. Zweitens. Ich habe etwas dazugelernt.
Drittens allerdings möchte ich ergänzen: Die beiden
Länder sind in diese Verhandlungen in der Tat mit Forderungen hineingegangen. Die beliefen sich für Bremen
auf 6,7 Milliarden DM bis zum Jahr 2003, für das Saarland auf 4 Milliarden DM ebenfalls bis zum Jahr 2003.
Auch das ist eine veraltete
Position. Ich nehme an, der saarländische Ministerpräsident wird darauf noch zu sprechen kommen.
Danke.
Herr Ministerpräsident,
ich begrüße es im übrigen außerordentlich, daß Sie heute
hier sind. Die Tatsache, daß der Bremer Bürgermeister
Klaus Wolfgang Müller ({0})
bzw. sein Finanzsenator es nicht für erforderlich gehalten haben, hier heute zu erscheinen, stimmt mich etwas
traurig. Insofern können Sie gleich vielleicht ein paar
Takte für Bremen mitsagen. Ich halte es insgesamt für
einen schlechten Stil, sich hier mal eben 7,7 Milliarden
DM beim Bundesgesetzgeber abzuholen und nicht einmal auf der Bundesratsbank präsent zu sein.
({1})
Zum zweiten. Immer wieder, wenn Gelder des Bundes verteilt werden sollen, findet sich die gleiche unrühmliche Allianz im Bundesrat. Soviel Einigkeit im
Bundesrat macht einen automatisch mißtrauisch. Liest
man das Protokoll aus dem Bundesrat, so erscheint
selbst der bayerische Löwe, normalerweise nicht gerade
der größte Anhänger saarländischer und bremischer
Finanzpolitik, plötzlich wie ein handzahmer Kuschelbär.
Da sagt selbst Herr Bocklet als Vertreter Bayerns, es sei
anzuerkennen, daß sich die beiden Länder so sehr um
Haushaltssanierung bemüht hätten. Der Grund ist klar:
Es geht um fremdes Geld; es geht nämlich allein um
Bundesmittel.
Richtig ist natürlich, daß wir auf Grund des Urteils
des Bundesverfassungsgerichts und auf Grund unserer
Solidaritätsverpflichtung gegenüber den Menschen in
Bremen und im Saarland gefordert sind, zwei Länder
aufzupäppeln, die mit Vollgas und sehenden Auges ins
finanzielle Desaster geschlittert sind. Richtig ist auch,
daß der Bund die Ergänzungszuweisungen bisher alleine
geleistet hat. Richtig ist aber nicht, daß das so bleiben
muß;
({2})
denn das Bundesverfassungsgericht spricht ausdrücklich
davon, daß die bundesstaatliche Gemeinschaft, also auch
die Länder, in der Pflicht seien.
Wir, CDU/CSU und F.D.P., wollten auch die Länder
in die Pflicht nehmen. Dieses Vorhaben halte ich auch
jetzt noch für richtig, nicht nur, um die Lasten auf mehr
Schultern zu verteilen, sondern auch, weil der politische
Druck auf diese Länder für mehr und vor allen Dingen für wirksame Reformen aufrechterhalten bleiben
muß. Dazu können auch die anderen Bundesländer beitragen.
Meine Damen und Herren, man kommt nicht umhin,
etwas zu der jahrelangen Mißwirtschaft in den beteiligten Ländern zu sagen. Bei Bremen denke ich nur an
die Vulkan-Werft und das damit verbundene Fiasko, das
der Bremer Senat, damals noch unter roter Führung,
maßgeblich zu verantworten hatte.
Eine weitere Zahl mag das Bremer Desaster noch
einmal vor Augen führen: Für 1992, also ein Jahr bevor
das Bundesverfassungsgerichtsurteil erging, lag der
Schuldenstand pro Bremer Einwohner bei mehr als
24 000 DM. Das ist fast zehnmal soviel wie zur gleichen
Zeit in Bayern und ein Vielfaches von den Zahlen anderer Bundesländer. Es war und ist die Spitzenposition. Es
sei hier nur am Rande vermerkt, daß der Schuldenstand
pro Einwohner 1996 und 1997 sogar noch darüber lag,
und das trotz laufender Finanztransfers. Bremen ist somit weiterhin einsame Spitze bei der Pro-KopfVerschuldung.
({3})
Es ist geradezu eine Verhöhnung der Arbeitslosen in
Bremen und im Saarland, wenn in der Begründung zum
Gesetzentwurf darauf verwiesen wird, Bremen und das
Saarland hätten Anschluß an die allgemeine Wachstumsdynamik gefunden. Die aktuelle Arbeitslosenquote
im Saarland liegt bei 12,2, in Bremen bei 16,4 Prozent.
Solche Werte erreicht sonst nur Ostdeutschland, und das
ist immerhin 40 Jahre lang von der SED-Planwirtschaft
runtergewirtschaftet worden.
({4})
Herr Präsident, Meine Damen und Herren, die Verlängerung der Leistungen an das Saarland und an Bremen muß ein weiterer Anlaß sein, den jetzigen Länderfinanzausgleich auf den Prüfstand zu stellen. Das immer komplizierter werdende Durcheinander von öffentlichen Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben sowie der
sich jedes Jahr im Vermittlungsausschuß wiederholende
Streit ums Geld zeigen doch nur: Wir brauchen endlich
eine neue Finanzverfassung. Ich freue mich auf die
Enquete-Kommission, Herr Kollege Müller. Ich hoffe
nur, daß das nicht ein Begräbnis erster Klasse wird oder
der Versuch, das Thema ad kalendas Graecas zu vertagen.
Wir brauchen eine Finanzverfassung, die den Bund,
den Ländern, den Gemeinden jeweils eigene Steuereinnahmen zuweist, und zwar in einer Weise, die es ihnen
ermöglicht, die Höhe ihrer Steuereinnahmen und die
Belastung ihrer Bürger im verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen selbst zu bestimmen. Es muß wieder
mehr Trennschärfe geben zwischen Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen des Bundes einerseits und Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen der Länder andererseits.
Für das Verhältnis von Ländern und Kommunen könnte
man ähnliches anführen.
({5})
Das heißt dann auch, daß das Leistungsprinzip auf
allen Ebenen wieder zur Geltung gebracht werden muß.
Es kann nicht angehen, daß übermäßige Anstrengungen
von Ländern insofern bestraft werden, als diese dann
übermäßige Schlamperei anderer Bundesländer ausgleichen müssen. Wir erwarten von der neuen Finanzverfassung mehr Wettbewerb zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften. Ich betone noch einmal: Das betrifft
nicht nur das Verhältnis von Bund und Ländern, sondern
auch das Verhältnis der Länder untereinander und das
Verhältnis der Länder zu ihren Kommunen.
Es ist doch so: Der bisherige Finanzausgleich gibt
kaum Anreize zur Ausschöpfung der eigenen Steuerquellen. Der bisherige Finanzausgleich bestraft die wirtschaftlich erfolgreichen Länder. Der bisherige Finanzausgleich fördert keinen Wettbewerb, er unterstützt
vielmehr Bummelanten und finanzpolitische Irrdenker.
({6})
Die Liberalen wollen eine Reform des Finanzausgleichs, und zwar eine solche, die durchaus das Prinzip
der Solidarität der wirtschaftlich starken mit den wirtschaftlich schwachen Ländern erhält, aber mehr Anreize
für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, für eine verantwortliche Haushaltspolitik und für Ausgabendisziplin
der Länder setzt. Wir müssen endlich Schluß machen
mit der Gleichmacherei und der Schönrederei.
Klare Trennungen bei der Steuerhoheit sowie bei der
Finanzierung staatlicher Aufgaben schaffen auch klare
politische Verantwortlichkeiten - Verantwortlichkeiten, für die der Wähler die jeweiligen verantwortlichen
Politiker dann auch zur Rechenschaft ziehen kann. Eine
neue Finanzverfassung setzt so voraus, daß die Verantwortlichkeiten der verschiedenen Ebenen für die einzelnen politischen Aufgabenfelder deutlicher werden. Es
kann nicht so bleiben, daß in vielen Fällen derjenige, der
für eine politische Ausgabe die Verantwortung trägt,
nicht gleichzeitig auch die Verantwortung für die dafür
erforderliche Einnahmeerzielung trägt. Und es kann
nicht sein - was im Verhältnis zwischen Kommunen
und Ländern häufig genug zu beobachten ist; Sie kennen
das aus Ihren Heimatgemeinden alle -, daß Maßnahmen
nicht deshalb vom Stadtrat beschlossen werden, weil sie
so überaus sinnvoll sind, sondern weil die Chance besteht, hierfür Länderzuweisungen zu bekommen.
({7})
Wir müssen schnellstmöglich die Rahmengesetzgebung des Bundes nach Art. 75 des Grundgesetzes ändern. Das Beamtenrechtsrahmengesetz und auch das
Hochschulrahmengesetz verengen die Handlungsspielräume der Länder über Gebühr.
({8})
Gleiches gilt für die Besoldung und Versorgung im
öffentlichen Dienst.
Wir müssen schleunigst an die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a des Grundgesetzes herangehen.
Insbesondere dann, wenn es sich um originäre Länderaufgaben handelt, ist nicht einzusehen, warum der Bund
Verantwortung in Planung und Finanzierung übernimmt,
obwohl die Zuordnung von Aufgaben, Ausgaben und
Einnahmen eindeutig möglich wäre.
Wir brauchen also mehr Subsidiarität und Dezentralität in den Entscheidungsstrukturen. Wir brauchen mehr
Bürgernähe, mehr Wettbewerb, mehr Transparenz mehr Transparenz übrigens auch in dem Sinne, daß sie
Auskunft darüber geben kann, ob eine Politik erfolgreich war oder auch nicht. Außerdem müssen wir den
Ländern letztendlich mehr Eigenständigkeit und Eigenverantwortung einräumen und so einen konstruktiven
Wettstreit der Ideen ermöglichen. Wir brauchen einen
gesunden Wettbewerbsföderalismus. Wenn wir die
Autonomie der Länder stärken wollen, heißt dies auch,
daß die Länder bereit sein müssen, mehr Verantwortung
zu übernehmen.
Das jetzt vorliegende Gesetz zeigt zweierlei: daß zum
einen die Regierung der Bundesrepublik trotz einer desolaten Haushaltslage sehr solidarisch mit in Not geratenen Ländern ist und daß zum anderen die Länder zwar
mehr Eigenständigkeit wollen, gleichzeitig aber nicht
bereit sind, dafür den Preis zu zahlen.
Herzlichen Dank.
({9})
Als
nächster Redner hat der Kollege Uwe-Jens Rössel von
der PDS-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Freie Hansestadt Bremen und das Saarland befinden sich am Ende der 1998
ausgelaufenen gesetzlichen Sanierungsfrist noch immer
in einer extremen Haushaltsnotlage, aus der sie sich aus
eigener Kraft nicht befreien können. Die Glieder der
bundesstaatlichen Gemeinschaft haben nach dem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 1992 in
einem solchen Fall die Pflicht, dem betroffenen Glied
der bundesstaatlichen Gemeinschaft Hilfe zu leisten. Es
ist daher selbstverständlich, daß die PDS der Verlängerung der Sonder-Bundesergänzungszuweisungen für
Bremen und das Saarland bis zum Jahre 2004 zustimmt. Wir verbinden mit dieser Zustimmung die
Erwartung, daß die damit verbundenen Verpflichtungen
erfüllt werden, daß aber zugleich Bremen und das Saarland auch die ihnen obliegenden sozialen, infrastrukturellen und ökologischen Aufgaben erfüllen können.
({0})
Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in Bremen und
im Saarland ist gewiß eine außerordentliche Herausforderung. Der Ministerpräsident, der kurz nach mir sprechen wird, wird uns sicherlich erklären können, wie das
Saarland mit diesen Problemen umgeht. Ich möchte aber
ausdrücklich darum bitten, daß die Sanierungsverpflichtung auch mit der Verpflichtung einhergeht, die
das Saarland gegenüber seinen Kommunen hat. Der
kommunale Finanzausgleich muß gewährleistet werden, und die dramatische Finanzsituation der Gemeinden
darf nicht unter den Tisch gekehrt werden, auch nicht im
Saarland.
({1})
Der jetzt geltende bundesdeutsche Finanzausgleich ist
bekanntlich seit dem Jahr 1995 in Kraft. Darin sind auch
die ostdeutschen Länder einbezogen worden, die ja aus
hinlänglich bekannten Gründen bis 1994 nicht in diesem
Finanzausgleich verankert werden konnten. Die Einbeziehung der ostdeutschen Länder in den bundesdeutschen Finanzausgleich hat sich bewährt. Sie hat zu
einer deutlichen Verbesserung der Einnahmesituation
der ostdeutschen Bundesländer geführt. Allerdings
- auch das muß hier vermerkt werden - ist diese Einnahmeverbesserung für die ostdeutschen Länder nicht in
gleichem Maße für die Städte und Gemeinden wirksam
geworden. Denn die ostdeutschen Länder haben die größeren Möglichkeiten, aber auch die größeren Freiheiten
in der Verwendung der Mittel aus dem Länderfinanzausgleich vor allem zur Sanierung ihrer Landeshaushalte
genutzt und die Mittel eben nicht in entsprechendem
Maße zur Verbesserung der Finanzausstattung der
Gemeinden weitergeleitet. Beim Fonds „Deutsche Einheit“ waren die Länder gesetzlich verpflichtet, 40 Prozent dieser Mittel an die Gemeinden weiterzuleiten. Mit
der Einbeziehung in den Länderfinanzausgleich ist die
Verpflichtung weggefallen. Das hat dazu geführt, daß in
allen ostdeutschen Bundesländern - wenn auch differenziert - die Kommunen seit 1995 eine weitere Verschlechterung der Einnahmesituation erfahren haben,
womit wir nicht einverstanden sein können.
({2})
Die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs und des
bundesdeutschen Finanzausgleichs allgemein ist erforderlich. Man muß jetzt beginnen, die politische und
fachliche Debatte zu führen. Eine Bund-LänderKommission unter ausdrücklicher Einbeziehung der
Kommunen sollte rasch eingesetzt werden, so wie es
Bundeskanzler Schröder versprochen hat.
Ich möchte nur einige Anforderungen benennen. Eine
erste Anforderung ist: Wir müssen unbedingt am Solidarprinzip festhalten. Das Solidarprinzip, das die Unterschiede in der Finanz- und Wirtschaftskraft der Länder in bestimmter Weise ausgleichen soll, wird auf längere Zeit hin das föderale bundesdeutsche Finanzsystem
bestimmen müssen. Ich möchte allerdings auch sagen,
daß man natürlich auch Möglichkeiten der stärkeren Berücksichtigung von Wettbewerbsgesichtspunkten im
Rahmen dieser Kommission mit prüfen muß, wozu Herr
Hoyer auch einige Anregungen gegeben hat.
Die zweite Anforderung, die wir sehen: Es muß
überlegt werden, ob die derzeitige Aufgabenverteilung
zwischen Europäischer Union, Bund, Ländern und
Kommunen den Anforderungen entspricht. Die Aufgabenverteilung, aus der viele Fehlentwicklungen resultieren, gehört auf den Prüfstand. Subsidiarität und Verstärkung der Dezentralität müssen auch damit verbunden
sein, daß dort, wo die Hauptaufgaben zu lösen sind,
auch die Mittel hinfließen.
({3})
Drittens. Wir brauchen bei einer Neuregelung des
bundesdeutschen Finanzausgleichs auch eine stärkere
Berücksichtigung der Finanzkraftunterschiede der
Kommunen. Das BVG-Urteil aus dem Jahre 1992 hat
ausdrücklich beanstandet, daß die Finanzkraftunterschiede der Kommunen im bundesdeutschen Finanzausgleich nur zu 50 Prozent berücksichtigt werden. Das
kann auf Dauer nicht so bleiben. Denn wenn die ostdeutschen Kommunen pro Kopf nur rund ein Drittel der
Steuereinnahmen von Kommunen im Altbundesgebiet
haben, so liegt auf der Hand, daß diese Frage immer
dringender wird. Bei einer Neuregelung des bundesdeutschen Finanzausgleichs müssen die Finanzkraftunterschiede der Kommunen zu 100 Prozent berücksichtigt
werden.
({4})
Damit bin ich schon beim Gesetzentwurf zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes. Wir stimmen
der Veränderung der Datenbasis zu. Sie ist notwendig,
um den Verteilungsschlüssel zum Anteil der Gemeinden
an der Umsatzsteuer neu zu bestimmen. Das war notwendig geworden, weil 1998 die Gewerbekapitalsteuer
abgeschafft worden ist. In Ostdeutschland ist sie nie eingeführt worden. An dieser Stelle der Hinweis: Durch die
Nichteinführung der Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland, die wir aus wirtschaftlichen Erwägungen
für richtig gehalten haben, sind aber den ostdeutschen
Städten und Gemeinden im Zeitraum von 1990 bis 1997
insgesamt 4,5 Milliarden DM Einnahmen vorenthalten
worden, und zwar in einer extrem schwierigen Finanzlage der ostdeutschen Städte, Gemeinden und Landkreise,
({5})
für die sie nie einen Pfennig Ausgleich bekommen haben. - Herr Michelbach, wir haben darüber diskutiert,
daß es dazu Vorschläge gegeben hat.
Deshalb verlangen wir nicht nur eine punktuelle
technische Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes, sondern die generelle Reform, die Strukturreform
der Gemeindefinanzen, steht auf der Tagesordnung.
({6})
Die Gemeindefinanzen müssen endlich vom Kopf auf
die Füße gestellt, und es müssen konkrete Vorschläge
verwirklicht werden, als gemeinsame Aufgabe von
Bund, Ländern und Kommunen. Dazu ist rasch die Einsetzung einer Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages, des Bundesrates, der kommunalen Spitzenverbände unter Einbeziehung des Sachverstandes der
Wissenschaft notwendig. Die Kommunen brauchen stabile eigene Steuereinnahmen. Sie brauchen die Verwirklichung des Konnexitätsprinzips, und sie brauchen
mehr Verantwortung auch der Länder im Rahmen des
kommunalen Finanzausgleichs. Denn nur das ist die
Voraussetzung, daß der Gemeinwohlauftrag der öffentlichen Hand vollständig erfüllt werden kann.
Vielen Dank.
({7})
Das
Wort hat nun der Ministerpräsident des Saarlandes,
Reinhard Klimmt.
Reinhard Klimmt, Ministerpräsident ({0}):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fortsetzung der Teilentschuldung bis zum Jahre 2004 ist sowohl für Bremen als auch für das Saarland von elementarer Bedeutung. Ich möchte all denen ganz herzlich
danken, die zu dieser für beide Länder so wichtigen Entscheidung beigetragen haben, und tue das auch im Namen von Henning Scherf, der mich ausdrücklich aufgefordert und ermutigt hat, diesen Dank hier auch für ihn
auszusprechen.
({1})
Insofern ist er hier auch anwesend.
Sie werden sicher verstehen, wenn ich an dieser
Stelle dem ehemaligen Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine im Namen der Bürgerinnen und Bürger des
Saarlandes für seinen persönlichen Einsatz ganz besonders danke. Dieser Dank gebührt ihm aus unserer Sicht
wahrlich.
({2})
Mit der Entscheidung, die Teilentschuldung fortzusetzen, hat die neue Bundesregierung gezeigt, daß sie
zur föderalen Grundordnung, hier insbesondere zur
Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, in Deutschland
steht.
Wir wissen, daß wir uns auch in Zukunft auf die neue
Bundesregierung verlassen können, wenn es um die berechtigten Interessen des Saarlandes und Bremens, aber
auch um die der anderen finanzschwachen Länder geht.
Gott sei Dank gibt es auch Länder, die nicht so große
finanzielle Schwierigkeiten haben. Deswegen gilt unser
Dank gleichermaßen all den Ländern, die bereit waren,
die uns gewährte Unterstützung mitzutragen. Es fällt
natürlich leicht, dies zu tun, wenn man selber finanziell
nicht dazu beitragen muß. Ich bin aber dankbar dafür,
daß der Neid, der in unserer Gesellschaft immer wieder
eine Rolle spielt, dadurch bezähmt wird.
({3})
Mit der heutigen Entscheidung des Bundestages wird
die 1994 begonnene Teilentschuldung weitergeführt, deren Grundlage die Anerkennung der extremen Haushaltsnotlage durch das Bundesverfassungsgericht am
27. Mai 1992 war. Dieses hat den Anspruch des Saarlandes und auch Bremens von Verfassungs wegen bestätigt. Ich möchte hier den wichtigsten Punkt des Urteils herausstellen. Das Verfassungsgericht hat eindeutig
klargestellt, daß die Selbständigkeit eines jeden Landes
in Deutschland nicht nur auf dem Papier stehen darf. Jedes Glied der Solidargemeinschaft muß finanzwirtschaftlich in der Lage sein, die ihm von der Verfassung
zugewiesenen Aufgaben in eigener Verantwortlichkeit
wahrzunehmen, um so seine politische Autonomie zu
wahren und den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden zu können. Ist die Eigenständigkeit
und Eigenverantwortlichkeit nicht mehr gewährleistet,
weil sich das betreffende Land in einer extremen Haushaltsnotlage befindet, erwächst der Solidargemeinschaft
von Bund und Ländern auf Grund des bündischen Prinzips des Einstehens füreinander eine konkrete
Hilfspflicht zu.
Das Saarland hat daher keinen Anlaß, sich als Bittsteller zu fühlen. Natürlich sind wir dem Bund und den
übrigen Ländern für die solidarische Umsetzung des
Verfassungsgerichtsurteils sehr dankbar; das ist keine
Frage. Wir äußern unsere Dankbarkeit jedoch in dem
Bewußtsein, daß hier dem Recht Genüge getan wird.
Dieses Bewußtsein gründet sich auch auf die wechselvolle Geschichte unseres Landes: Das Saarland ist
das erste Beitrittsland. Mit der Volksabstimmung von
1955 haben sich die Menschen unseres Landes eindeutig
zum deutschen Kultur- und Sprachraum, zur Bundesrepublik, bekannt, gleichzeitig aber den Weg der Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland gewollt und
letztlich auch ermöglicht. Über das Schicksal der Saar
haben sich Deutschland und Frankreich gefunden. Aus
den einstigen Erbfeinden sind gute Freunde geworden,
und darauf sind wir stolz.
({4})
1957 wurden wir das elfte Bundesland. 1959 erfolgte
die Währungsumstellung; dies liegt nun schon oder erst
- je nachdem, wie man es betrachtet - 40 Jahre zurück.
Neben den damaligen Umstellungsschwierigkeiten der
saarländischen Wirtschaft, die im übrigen Parallelen zu
den neuen Bundesländern aufweisen, haben uns in den
60er Jahren die Kohlekrise und in den 70er und 80er
Jahren die Stahlkrise getroffen. Das Ergebnis dieser
Entwicklung ist Ihnen allen bekannt: Beschäftigungsrückgang, Verfall der Ertragskraft der Unternehmen und
damit auch der Finanzkraft unseres Landes bei gleichzeitig zunehmender Beanspruchung des Landeshaushalts.
Diese Entwicklung in der Regierungszeit von CDU
und F.D.P. in unserem Land - das muß leider gesagt
werden, Herr Hoyer - hat den Landeshaushalt geradezu
malträtiert und - das darf man wohl sagen - nahezu ruiniert. Ich wollte dies nur klarstellen, damit niemand
sagt: Das haben die Sozis angestellt. Im Gegenteil, in
dieser Zeit lag die Regierungsverantwortung bei der
CDU, nachher bei CDU und F.D.P.
Ich möchte das auch gar nicht den damals Verantwortlichen, zum Beispiel Herrn Klumpp von der F.D.P.
und Herrn Zeyer von der CDU, zum Vorwurf machen;
denn bei den schwierigen Entscheidungen, die im Interesse der saarländischen Stahlindustrie getroffen wurden,
haben wir als Opposition damals auch mitgestimmt. Wir
haben also die Verantwortung für diese Entwicklung bei
den Unterstützungsmaßnahmen mit übernommen. Aber
dennoch bleibt zu konstatieren, daß der entscheidende
Aufwuchs der Schulden bei uns im Land eben in der
Zeit zwischen 1980 und 1985 war. Das kann man unschwer an diesem Schaubild erkennen, das mir hier vorliegt. Die schwarzen und roten Balken zeigen das prozentuale Wachstum der Schulden gegenüber dem Vorjahr. Damit wird deutlich, daß man diese Entwicklung
wirklich nicht der jetzigen Landesregierung in die Schuhe schieben kann.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus
Wolfgang Müller [Kiel] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN] - Hans Michelbach [CDU/CSU]:
Der macht den Lafontaine zum Sparminister!]
Zusätzliche Schwierigkeiten machen uns weitere Hypotheken aus unserer Vergangenheit. Wir Saarländer
haben nicht nur fünfmal in diesem Jahrhundert unsere
Ministerpräsident Reinhard Klimmt ({5})
Nationalität gewechselt; vielmehr werden und wurden
wir darüber hinaus als eine im Saar-Lor-Lux-Raum geographisch zusammenhängende und auch nach unserer
Meinung zusammengehörende Region durch eine Vielzahl von Grenzen in unserer Entwicklung gehemmt.
Das Saarland ist eine wichtige Verbindungsstelle zwischen Frankreich und Deutschland. Lothringen, Luxemburg und der südliche Teil Belgiens gehören ebenso wie
die angrenzenden Regionen von Trier und der Westpfalz
dazu. Deswegen sehen wir unsere Zukunft eng an den
europäischen Einigungsprozeß gebunden und halten
auch aus diesem Grund alle Parteien - Herr Jacoby hat
es gesagt; im Saarland tun das alle Parteien - an unserer
Eigenständigkeit fest.
({6})
Die Haushaltsnotlage ist bekanntlich deswegen entstanden, weil das Land auf der Ausgabenseite mit der
Aufbringung von Lasten für den Montanbereich überfordert war. Die Eigenanstrengungen zur Strukturverbesserung haben auch darunter gelitten. Uns wurde zunehmend die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, um die
uns von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen zu können. Vor diesem Hintergrund war die
Klage vor dem Bundesverfassungsgericht notwendig
und im Ergebnis erforderlich.
Die Fortsetzung der Teilentschuldung des Saarlandes
und Bremens ist Gott sei Dank unbestritten. Eine BundLänder-Arbeitsgruppe kam im Februar des vergangenen
Jahres zu dem Ergebnis, daß die Notwendigkeit der
Fortsetzung der Sanierungshilfen über das Jahr 1998
hinaus besteht. Das war also kein Antrag von uns, sondern die vereinbarte Überprüfung der Erfolge der vorgesehenen Entschuldung. Dies ist auch durch den Beschluß der Länderfinanzministerkonferenz am 13. März
1998 bestätigt worden.
Um die bisher erreichten Sanierungsfortschritte zu sichern und einen dauerhaften Anschluß an die Haushaltssituation der anderen Länder zu erreichen, ist die Fortsetzung der Sanierungshilfen richtig und unerläßlich,
nicht zuletzt deshalb, weil beide Länder die Sanierungshilfen des Bundes durch eine konsequente Haushaltspolitik in den vergangenen Jahren flankiert haben. Wir haben also nicht geglaubt, mit Unterstützung des Bundes
die Kuh bei uns im Land fliegen lassen zu können, im
Gegenteil: Das Saarland hat frühzeitig begonnen, auf die
sich kontinuierlich verschlechternde Haushaltslage mit
einer konsequenten Sparpolitik zu reagieren. Wir haben
zum Beispiel als erstes Land überhaupt schon 1986 die
Ministerialzulage gestrichen. Die Zahl der Ministerien
wurde von acht auf sechs reduziert. Damit haben wir die
- wohlgemerkt zahlenmäßig - kleinste aller Landesregierungen.
Die Zusammenlegung von Behörden und Ämtern
brachte neben einer Kostenreduzierung eine effizientere
Aufgabenerfüllung. Mit den Sparmaßnahmen konnte der
Zuwachs bei den Personalausgaben deutlich begrenzt
werden. Ihr Anstieg betrug im Zeitraum von 1988 bis
1998 im Saarland knapp 30 Prozent. Der Durchschnitt
bei den westdeutschen Flächenländern liegt dagegen bei
44 Prozent. Das war also eine wirklich fulminante Anstrengung.
({7})
- Das ist einen Beifall wert. - Damit konnte die Personalausgabenquote von 39,4 Prozent auf 38,4 Prozent gesenkt werden und ist nicht wie in anderen Bereichen gestiegen.
Das Ausgabenwachstum ist im Saarland - übrigens
genauso wie in Bremen - deutlich unterhalb der Empfehlung des Finanzplanungsrates gehalten worden.
Gleichzeitig - auch das ist von Herrn Hoyer angemahnt
worden - haben wir Anschluß an die allgemeine Wirtschafts- und Wachstumsdynamik gefunden. Die Begründung im Gesetzentwurf ist also nicht falsch; denn
mit einem realen Wachstum von 9,9 Prozent je Einwohner seit 1993 konnten wir im Saarland unsere Wirtschaftskraft überdurchschnittlich stärken.
({8})
Wir haben den vorhandenen Handlungsspielraum in den
vergangenen Jahren genutzt, um den Strukturwandel
im Saarland weiter voranzutreiben.
Früher fast ausschließlich durch die Montanindustrie
geprägt, hat sich das Saarland zu einem Standort mit
moderner Industrie- und Dienstleistungsstruktur entwikkelt. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Dienstleistungsbereich hat sich von
45 Prozent im Jahre 1985 auf 56 Prozent im Jahre 1998
erhöht, während sich der Anteil der Beschäftigten im
Bergbau im gleichen Zeitraum von 7 Prozent auf 4 Prozent verringert hat. In absoluten Zahlen ausgedrückt:
Wir haben im Saarland seit 1985 netto mehr als 40 000
Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich geschaffen; das
ist eine stolze Zahl.
({9})
Dem stehen mehr als 10 000 Arbeitsplätze gegenüber, die seit 1985 allein im Bergbau verlorengegangen
sind.
({10})
Dieser Prozeß des Abbaus geht weiter; dieser Prozeß hat
uns in unseren Schwierigkeiten sehr stark getroffen.
Vergessen Sie nicht, daß auf der Grundlage des Kohlekompromisses bis zum Jahre 2005 die Belegschaft im
saarländischen Bergbau - mittlerweile ist die DSK das
verantwortliche Unternehmen - erneut halbiert wird. Ich
bitte Sie, diesen schwerwiegenden und für uns harten
Abbau von Arbeitsplätzen in diesem Sektor zu beachten,
wenn Sie zukünftig in diesem Hause über Energiepolitik
reden. Wir haben damit sehr schwer zu kämpfen.
({11})
Ministerpräsident Reinhard Klimmt ({12})
Bei den Erwerbstätigen - ich möchte auch hier Ihrem Wunsch nach Aufklärung entsprechen - hat das
Saarland mit einem Anstieg von 0,9 Prozent im vergangenen Jahr gegenüber 1997 den stärksten Zuwachs unter
allen Bundesländern zu verzeichnen.
({13})
Wir konnten den Abstand unseres Landes zur Arbeitslosenquote wohlgemerkt der westlichen Bundesländer
von 4,1 Prozentpunkten im Jahr 1985 auf 2 Prozentpunkte im Jahr 1998 halbieren. Das ist immer noch viel
zu hoch - das ist völlig richtig -, aber für uns von großer
Bedeutung. Vergessen Sie dabei aber bitte nicht, daß wir
gern und bereitwillig für unsere Nachbarn in Lothringen
und Rheinland-Pfalz Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Wir haben einen Pendlerüberschuß von 20 000. Das
ist in Relation zur Zahl unserer Arbeitsplätze der höchste Anteil eines Bundeslandes überhaupt, was die Zurverfügungstellung von Arbeitsplätzen für Nachbarn im
In- und Ausland angeht.
Das alles zeigt, daß die Bemühungen des Landes, Anschluß an das Niveau der anderen westdeutschen Länder
zu finden, in den letzten Jahren nicht erfolglos waren.
Ich sage aber auch: Die ungenügende Einnahmenentwicklung in den vergangenen Jahren hat dazu geführt,
daß wir trotz strengster Ausgabendisziplin das Ziel, nach
der letzten Teilentschuldungsrate den Anschluß an die
finanzwirtschaftliche Entwicklung des nächstschwächeren Bundeslandes zu schaffen, nicht erreicht haben. Die
Einnahmen sind seit 1993 hinter den damaligen Erwartungen zurückgeblieben. Die Gründe dafür sind bekannt:
Abschwächung der konjunkturellen Entwicklung in
Deutschland, verbunden mit einer hohen Arbeitslosigkeit und einer Erosion der Steuereinnahmen. Die volkswirtschaftliche Steuerquote in Deutschland ging im Zeitraum von 1993 bis 1998 von 24 Prozent auf 22 Prozent
zurück. Die Differenz von 2 Prozentpunkten macht jahresbezogen für die Bundesrepublik Deutschland einen
Betrag von 65 Milliarden DM aus. Das heißt, den öffentlichen Kassen in Deutschland fehlten 1998 gegenüber den Finanzplanungen von 1993 rund 65 Milliarden
DM. Das bedeutete für uns, daß wir im Sanierungszeitraum rund 3 Milliarden DM weniger eingenommen haben, als 1993, dem Jahr, in dem man die Teilentschuldung festgelegt hatte, erwartet wurde.
({14})
Uns ist trotzdem gelungen, den Schuldenstand um
2 Milliarden DM abzubauen. Der Abstand in der ProKopf-Verschuldung zum nächst finanzschwächeren
Land wurde von 4 937 DM Ende 1993 - ich nenne diese
Zahlen, damit Sie genau informiert sind - auf 1 195 DM
Ende 1998 zurückgeführt. Auch diese Tatsachen müssen
registriert werden.
({15})
Trotz des Sparkurses hat das Saarland seine Investitionsquote im Sanierungszeitraum gesteigert; mit dem Ergebnis, daß wir 1998 und 1999 die dritthöchste Investitionsquote unter den westdeutschen Flächenländern
aufweisen.
Ich darf zusammenfassend feststellen: Die Fortsetzung der Teilentschuldung verbessert die Zukunftschancen des Saarlandes und auch Bremens. Beide Länder wissen, daß weitere eigene Anstrengungen unabdingbar sind. Wir werden den strikten Haushaltskonsolidierungskurs weitergehen und versuchen, weiter kreativ
zu sparen und Investitionen und Wachstum zu fördern.
Zu diesem Weg sehen auch wir keine Alternative. Unsere Politik bleibt darauf ausgerichtet, den Strukturwandel
im Saarland weiter voranzutreiben, um die Wirtschaftsund Finanzkraft unseres Landes zu stärken.
Meine Damen und Herren, mir ging es darum, an dieser Stelle Dank zu sagen, aber auch um Verständnis für
unser Land zu werben, das im äußersten Südwesten
Deutschlands an der Grenze zu Frankreich, aber auch im
Herzen Europas liegt. Wir waren oft genug Schlachtfeld,
lange genug Vorposten. Jetzt wollen wir Brücke sein. Ja,
besser noch: Wir wollen Nahtstelle sein, wo Deutschland und Frankreich und damit Europa zusammenwachsen.
Ich danken Ihnen noch einmal herzlich. Glück auf!
({16})
Als
nächster Redner hat der Kollege Jochen-Konrad Fromme von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Übereinstimmung im Ergebnis, daß wir diese Maßnahme fortsetzen wollen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß
hier grundsätzliche Probleme auf der Tagesordnung stehen. Daß die Sanierung im Saarland und in Bremen
noch nicht vollendet ist, wird in dem vorliegenden Bericht damit begründet, daß sich die Steuereinnahmen anders entwickelt hätten, als man dies angenommen hatte.
Wenn man die Steuerschätzung zu hoch ansetzt und sie
in der Hoffnung zugrunde legt, daß die Vorhersage eintritt, dann braucht man sich über die anders verlaufende
Entwicklung nicht zu wundern. Von dieser Entwicklung
waren aber alle Länder und auch der Bund betroffen.
Es ist heute nicht zu Unrecht schon mehrfach betont
worden, daß der Länderfinanzausgleich die Einnahmenseite zu 99,5 Prozent anzeigt. Deswegen liegen die Probleme weniger auf der Einnahmenseite als auf der Ausgabenseite. Ein Blick in die Statistik zeigt, daß das
Saarland und Bremen bezüglich der Einnahmen pro
Kopf im Vergleich zu den anderen Bundesländern gar
nicht schlecht dastehen. Ich sage noch einmal: Die Probleme liegen eher auf der Ausgabenseite als auf der Einnahmenseite. An der Lösung dieser Probleme muß gearbeitet werden.
Aber es gibt Unterschiede zwischen dem Saarland
und Bremen, die ich einmal deutlich machen will. Wenn
man sich die Zahl der öffentlich Beschäftigten für je
tausend Einwohner ansieht, dann erkennt man, daß
Ministerpräsident Reinhard Klimmt ({0})
Bremen mit 48,8 deutlich unter dem Durchschnitt der
Stadtstaaten mit 60,1 liegt. Das Saarland jedoch liegt mit
25,7 öffentlich Beschäftigten je tausend Einwohner
deutlich über dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer, trotz der Tatsache, daß es ein relativ kleines
Land ist, das eine mittlere Verwaltungsebene, die andere
Länder haben, gar nicht braucht. Selbst im Großstadtvergleich weist Bremen immerhin noch die viertniedrigste Personalausstattung aller zwölf deutschen Großstädte
auf.
Bremen ist es gelungen, die Pro-Kopf-Ausgaben mit
11 659 DM auf den Durchschnitt der Stadtstaaten zu
drücken. Läßt man die Zinsausgaben einmal weg, so liegen die Ausgaben sogar unter dem Durchschnitt. Ganz
anders sieht die Situation im Saarland aus. Dort liegt
man mit 5 823 DM um mehr als 10 Prozent über dem
Durchschnitt der Flächenländer von 5 099 DM. Dieser
Unterschied bleibt auch dann bestehen, wenn man die
Zinsausgaben wegläßt. Das ist um so unverständlicher,
wenn man bedenkt, daß die Kosten in einem kleinen
Bundesland doch kleiner als in einem großen Bundesland sein müßten.
Da es sich bei beiden Ländern um relativ kleine Länder handelt, sind die Struktur und der Prozeß vergleichbar. Das heißt: Es muß unterschiedlich gearbeitet worden sein. Man könnte doch glatt auf die Idee kommen,
daß das unterschiedliche Engagement der jeweiligen
Ministerpräsidenten ausschlaggebend ist. Denn einer der
beiden war mehr im Bund unterwegs als in seinem eigenen Land und hat sich nicht so sehr um die Angelegenheiten des eigenen Landes gekümmert. Aber das hat sich
nun geändert. Jetzt wird derjenige, der verantwortlich
ist, zu 100 Prozent im Saarland tätig sein.
({1})
Meine Damen und Herren, auch wenn die entsprechende Länderarbeitsgruppe einvernehmlich zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die Sanierungsmaßnahme
fortgesetzt werden muß, muß man doch weiter ein kritisches Auge darauf werfen. Die Tatsache, daß die Förderung jetzt von Anfang an degressiv ausgestaltet ist, läßt
hoffen, daß die Maßnahme damit beendet ist. Die Finanzierung - das ist heute mehrfach angeklungen - ist angesichts des Bundeshaushaltes natürlich sehr schwierig.
Aber eins muß klar sein: Finanzminister Eichel hat angekündigt, die 12 Milliarden DM würden demnächst in
die Deckungsquotenberechnung einbezogen, also auf
Länder und Kommunen umgelegt. Das darf aber nicht
dazu führen, daß solche Instrumente mißbraucht werden,
um Wahlgeschenke auf Kosten anderer zu finanzieren.
({2})
Das hat nichts damit zu tun, daß alle verantwortlich
sind; das geht nur einvernehmlich.
In diesem Zusammenhang erinnere ich an das Beispiel des Kindergeldes. Herr Müller, wer im Glashaus
sitzt, darf nicht mit Steinen werfen! Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten in der Vergangenheit Politik auf
Kosten anderer gemacht. Was haben Sie denn gemacht?
Im Grundgesetz findet sich eine Sonderlastenregelung
für den Kindergeldbereich. Den haben die A-Länder im
Zuge der Neuregelung 1996 dem Bund abgetrotzt. Jetzt,
meine Damen und Herren, wo erstmalig diese Regelung
greifen müßte, wollen Sie nichts mehr davon wissen.
Obwohl es eine Sonderregelung gibt, die nach ihrer Entstehungsgeschichte nichts anderes bedeuten kann, als
daß exakt die Frage des Familienlastenausgleichs herausgegriffen und im Verhältnis 76:24 Prozent gelöst
werden soll, stellen Sie sich schlicht und einfach auf den
Standpunkt, man müsse das im Paket sehen, könne das
nur insgesamt machen, und wenn die Länder und Gemeinden insgesamt unter dem Strich - in welchen
Klammern auch immer, die Sie künstlich ziehen - nicht
belastet würden, dann sei das in Ordnung. Nicht einmal
diesen formellen Standpunkt, zu dem ich ausdrücklich
sage, daß er wegen der Entstehungsgeschichte falsch ist,
haben Sie eingehalten. Sie haben vergessen, daß Sie das
Kindergeld mit dem Vorläufer einst aus dem Gesamtpaket herausgeklammert haben. Damit ist nicht einmal
mehr die formelle Voraussetzung dafür erfüllt, daß der
Lastenausgleich sozusagen in einem Paket stimmt. Ich
hoffe, daß ein Bundesland sich aufrafft, seine Rechte
und die Rechte seiner Kommunen wahrnimmt und Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erhebt, um diesen
Punkt anzugreifen. Denn Sie haben die Rechte der anderen mit den Füßen getreten.
({3})
Wenn wir uns heute mit den Sonder-Bundesergänzungszuweisungen befassen, dann macht schon
allein der Ausdruck, allein die sprachliche Bezeichnung
deutlich, daß es eigentlich nur um ein Kurieren am
Symptom geht, aber nicht darum, das Übel an der Wurzel zu fassen. Ich bin froh, daß die Grundsatzdebatte
schon soweit fortgeschritten ist und daß wir uns in den
Grundsätzen - solange es noch nicht an die Realisierung
geht - offenbar weitgehend einig sind. Ein Weg, um zu
einer Verbesserung zu kommen, ist es, die Eigenverantwortung und die Gestaltungsmöglichkeiten für die
Haushalte der Länder auf der Einnahmen- und auf der
Ausgabenseite zu stärken. Dem steht unsere gegenwärtige föderale Ordnung entgegen.
Lieber Herr Müller, ich freue mich, daß Sie das Urteil
des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes angesprochen
haben. Was nützt das beste Urteil, was nützt das beste
Rechtssystem, wenn eine Regierung nicht bereit ist, sich
daran zu halten? Immerhin mußte der niedersächsische
Ministerpräsident und heutige Bundeskanzler sich dreimal vom Staatsgerichtshof bescheinigen lassen, daß er
die Verfassung gebrochen hat. Der vierte Streit bahnt
sich an, weil das Land immer noch nicht bereit ist, die
Strukturen zu akzeptieren, die die Verfassung vorgibt.
({4})
- Herr von Larcher, was das mit dem Thema zu tun hat,
kann ich Ihnen ganz genau sagen. Selbst wenn es uns
gelänge, richtige Strukturen zu erarbeiten - daß sie verändert werden müssen, darüber sind wir uns einig -,
käme es dann natürlich darauf an, daß sie auch eingehalten werden. Dafür stehen Personen, oder sie stehen
eben nicht dafür.
({5})
Genau das haben wir an der Person, die ich erwähnt habe, gesehen.
({6})
Ein wichtiger Bestandteil in diesem Kanon ist der
Länderfinanzausgleich. Gerade das Thema SonderBundesergänzungszuweisungen und die relativ gute
Einnahmesituation der Notständler zeigt, daß grundlegende Erneuerungen notwendig sind. Wir brauchen
mehr Wettbewerbsföderalismus. Daß das funktionieren
kann, haben wir in der Vergangenheit in Deutschland
selbst bewiesen. Als wir nämlich 1947 die erste Finanzverfassung gemacht haben und keinen Länderfinanzausgleich hatten, waren die Länder viel stärker darauf angewiesen, selbst kreativ zu werden.
({7})
Schauen Sie doch einmal auf das Beispiel Bayern
und auf das Beispiel Schleswig-Holstein! SchleswigHolstein befand sich damals am Ende der Leistungsskala. Es verfügte über ein Fünftel der Einnahmen des Spitzenreiters Bayern und hat sich dann nach vorne gearbeitet.
Bei einem System aber - ein solches haben wir im
Laufe der Jahre geschaffen -, bei dem es gar nicht darauf ankommt - ({8})
- Herr von Larcher, hören Sie doch einmal zu!
({9})
Bei einem System, durch das ein Land ohne Rücksicht auf das eigene Verhalten über den Länderfinanzausgleich praktisch zu 99,5 Prozent so gestellt wird wie
ein reiches oder armes Land, braucht man sich nicht zu
wundern, daß sich die einzelnen gar nicht anstrengen, zu
Verbesserungen zu kommen; denn es lohnt sich einfach
nicht, und es kommt zu Ungerechtigkeiten.
Nehmen Sie doch nur einmal das Beispiel Steuervollzug. Warum soll ein Bundesland etwa in eine Betriebsprüfung Geld investieren, seine Betriebe durch das
Anlegen harter Maßstäbe ärgern, um Steuern hereinzuholen, die dann auf alle umverteilt werden? Die Ausgaben bleiben, und die Erfolge gehen weg. Das kann doch
kein Anreiz sein, und es führt zu deutlichen Ungerechtigkeiten. Das muß geändert werden.
({10})
Dem steht auch nicht das Gebot nach Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse entgegen. Die Finanzverfassung kennt dies gerade nicht, sondern diese Klausel
steht im Grundgesetz. Deswegen ist es auch nicht notwendig, daß das gemacht wird. Wir müssen das, was wir
in zwei Schritten, nämlich 1955 und 1969, mit den
Finanzreformen gemacht haben, wieder rückgängig
machen.
1955 haben wir - um es in Ihr Gedächtnis zurückzurufen - den kleinen Steuerverbund und in ersten Schritten den Länderfinanzausgleich eingeführt, allerdings auf
wesentlich niedrigerer Basis. Hätten wir dieses System
beibehalten, so würde das Saarland heute nur noch Zuweisungen im Rahmen des Finanzausgleichs erhalten.
Die Tatsache, daß heute so viele Länder Zuweisungen
erhalten, ist doch nur darauf zurückzuführen, daß der
Prozentsatz für die Sockelgarantie von ursprünglich 88
Prozent auf über 99 Prozent angehoben worden ist. Eine
solche Gestaltung hat zur Folge, daß die Früchte einer
Strukturpolitik eben nicht im eigenen Land bleiben. Die
Länder bleiben einerseits auf den Kosten sitzen, haben
andererseits aber nichts von den Erfolgen. Das jetzige
System sorgt nicht dafür, daß die Länder sich wirklich
anstrengen, auf der Ausgabenseite etwas zu tun. Das sehen wir ja auch daran, wie es gelaufen ist.
({11})
- Herr von Larcher, wenn Sie etwas sagen wollen, dann
melden Sie sich doch zu Wort.
Die Finanzreform von 1969 hat diesen Zustand noch
in einem weiteren Punkt verstärkt. Wir haben nämlich
die Politikverflechtung perfektioniert. Auf der Einnahmenseite wurde der große Verbund geschaffen. Das
heißt, alle steuerlichen Regelungen können nur noch im
Einvernehmen zwischen Bund und Ländern geändert
werden und wirken für alle. Auf der Ausgabenseite wurde dies durch die Gemeinschaftsaufgaben komplettiert.
Außerdem haben wir viel stärker als in der Vergangenheit von der Rahmengesetzgebung Gebrauch gemacht, so daß im Grunde genommen alle jetzt in dem
gleichen Korsett stecken. Kein Land - wollte es auch
noch so gern gegen den Strom schwimmen - kommt
heraus. Das ist der Strukturfehler, den wir im Augenblick haben. Deswegen brauchen wir grundlegende Veränderungen über den Finanzausgleich hinaus.
Der Wissenschaftler Needhams hat die Behauptung
aufgestellt - dafür spricht einiges -, daß Europa im
Mittelalter deshalb stärker geworden ist als das damals
technisch viel weiter entwickelte China, weil in Europa,
bedingt durch die Kleinstaaterei, die natürlich auch
manchen Nachteil hatte, jeder für sich etwas tun konnte.
Jeder konnte eigene Experimente durchführen. Man
konnte sehr schnell und sehr wirksam etwas ausprobieren. Meine Damen und Herren, man muß auch neue
Dinge ausprobieren.
Ich will nicht zur Kleinstaaterei zurück; vielmehr will
ich, daß ein Land eigene Verantwortung tragen kann.
Aber das ist nur über die Einnahmenseite und über die
Ausgabenseite möglich. Wir haben heute selbst im Kulturbereich, von dem wir immer meinen, er sei die Domäne der Länder, gar nicht mehr die Möglichkeit zum
eigenen Handeln; denn kein Land kann über seine
Hochschulen bestimmen. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe geworden, da alle Länder gemeinsam darüber
bestimmen. Deshalb funktioniert an dieser Stelle die
Kulturhoheit der Länder nicht. Wir müssen hier zu erheblichen Verbesserungen kommen.
Das ist möglich. Wie gesagt, wir haben in den Aufbaujahren, den starken 50er und den 60er Jahren, in denen wir dieses System so nicht hatten, große Erfolge erzielt. Ich wiederhole es: Nicht umsonst konnten sich
Bayern und Schleswig-Holstein, beides Flächenländer,
von den letzten Plätzen nach vorne arbeiten, eben weil
sie die Möglichkeiten hatten, eigenverantwortlich zu gestalten und selbst zu bestimmen, ob sie ihre Finanzmittel
in den konsumtiven oder in den investiven Bereich leiten.
({12})
- Natürlich haben die Bayern am Anfang Geld bekommen. Das ist doch gar keine Frage. Aber sie haben etwas
daraus gemacht, und sie haben es geschafft. Darin besteht doch der Unterschied.
({13})
Wir müssen auf diesem Gebiet zu strukturellen
Veränderungen kommen. Dies muß möglich sein, und
es ist auch möglich. Wie gesagt, das System hat deutlich
gemacht, daß man Fortschritte erzielen kann.
Daß Sie von der rotgrünen Koalition sich davor
fürchten, eigenverantwortlich handeln zu müssen, kann
ich verstehen. Nach dem Desaster, das Sie mit Ihren
Hauruckreformen erreicht haben, haben Sie im Augenblick die Nase natürlich voll, was eigenverantwortliches
Handeln angeht.
({14})
Deswegen sprechen Sie sich dagegen aus.
({15})
Wir freuen uns über den neuen Finanzminister. Er hat
uns im Finanzausschuß deutlich gemacht, daß in Zukunft Genauigkeit vor Geschwindigkeit geht. Ich höre,
allein mir fehlt der Glaube. War er es nicht und niemand
anders, der als Ministerpräsident in seiner Person dieses
Hauruckverfahren überhaupt möglich gemacht hat?
({16})
Wir warten auf Beweise, daß sich in diesem Bereich etwas grundlegend verändert.
({17})
Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen.
Die Statistik im Gemeindefinanzreformgesetz hat sich
verändert. In dieser existentiell ganz wichtigen Frage
haben wir einen großen Fortschritt gemacht. Meine Frage im Finanzausschuß, ob die kommunalen Spitzenverbände am Verfahren beteiligt worden sind, wurde mit Ja
beantwortet; das solle in Zukunft immer so sein.
Ich hoffe, daß das in Zukunft nicht nur bei den unwichtigen Fragen der Statistik der Fall ist, sondern auch
bei den wichtigen Fragen. Ich komme auf die Kindergeldregelung zurück. Auf meine Frage, ob mit den
kommunalen Spitzenverbänden darüber überhaupt verhandelt worden sei, hat das Bundesfinanzministerium
geantwortet, es habe in diesem Punkt überhaupt keine
Aufgabenzuständigkeit. Wer so handelt, der braucht sich
nicht zu wundern, wenn ihm der Wind ins Gesicht weht.
Auch das gehört zu strukturellen Veränderungen. Jeder muß für sich handeln. Wenn das geschieht, kann jeder für sich verantwortlich gemacht werden und keiner
wird dazu kommen, seine eigenen politischen Risiken
durch Fehlpolitik auszugleichen. Dies ist beispielsweise
in Bremen geschehen, wo in der Werftenpolitik und gegenüber der Automobilindustrie große Schäden angerichtet worden sind. In einem System, wie wir es uns
vorstellen, würden die Schäden nicht auf den bremischen Schultern landen, sondern auf allen Schultern;
deswegen brauchen wir ein Gesetz, das dies leistet.
Wenn es Eigenverantwortlichkeit gibt, dann werden
sich die Zustände in diesem Bereich verbessern und
dann werden wir uns in Zukunft nicht mehr über Reparaturen, sondern mehr über strukturelle Fragen unterhalten. Das wäre besser. Ich hoffe, daß die Diskussion,
die hierzu angefangen hat, dazu führt, daß wir uns dann,
wenn es an die Umsetzung im Detail geht, einig werden.
Danke schön.
({18})
Als
nächster Redner hat der Kollege Horst Schild von der
SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Der Kollege Hoyer beklagt die Schlamperei
der beteiligten Länder, die sehenden Auges in das finanzielle Desaster hineingeschlittert seien, und darüber hinaus die Mißwirtschaft in den beteiligten Ländern. Die
Botschaft soll wohl lauten: Die F.D.P. war nicht dabei,
sonst wäre das natürlich ganz anders gelaufen.
({0})
Herr Kollege Fromme lobt Bremen und tadelt das Saarland. Das zielt letztlich in die gleiche Richtung.
Nun, so ganz vergeßlich wollen wir nicht sein. Im
Sanierungsbericht des Saarlandes von 1977 wurde darauf hingewiesen - der Ministerpräsident des Saarlandes
hat es ja auch hier schon angedeutet -, daß bereits seit
1974 wesentliche Personalausgaben und sächliche Verwaltungsausgaben durch Kreditaufnahme finanziert
worden sind. Das hat auch kein Ende gefunden, als die
F.D.P. im Saarland in die Regierung kam. Dieser Prozeß hat - daher will ich das Ganze ja gar nicht den beteiligten politischen Parteien anlasten - ganz objektive
Gründe. Auch in Bremen liegt es nicht daran, daß seit
1995 eine andere Koalition als in den Jahren 1991 bis
1995, wo die F.D.P. an der Regierung beteiligt war, regiert, sondern auch dort bestanden die gleichen objektiv
feststellbaren Probleme. Ich will auch gar nicht bestreiten, daß sich die F.D.P. in der damaligen Koalition in
Bremen an Bemühungen zur Sanierung der Finanzen
dieses Bundeslandes durchaus beteiligt hat. Nein, meine
Kolleginnen und Kollegen, es gibt sicherlich ein paar
objektive Gründe, die dazu geführt haben, daß sich diese
beiden Länder in einer ganz extremen Haushaltslage befinden.
Heute geht es darum, ihnen weiterhin die Hand zu
reichen und so die Chance zu eröffnen, diese extreme
Haushaltsnotsituation bis zum Jahre 2004 endgültig zu
überwinden. Es ist ja heute schon gesagt worden, daß
das Bundesverfassungsgericht schon 1992 diese Notlage
konstatiert hat. Auf Grund objektiver Daten ist es trotz
aller Hoffnungen nicht möglich gewesen, im Zeitraum
von 1994 bis 1998 diese extreme Haushaltssituation zu
überwinden. Aber die Daten, die uns zur Verfügung stehen, zeigen eindeutig, daß die Trendwende da ist. Wir
können nur hoffen, daß es die allgemeinen Rahmenbedingungen erlauben, daß diese beiden Länder bis zum
Ablauf des Jahres 2004 das erreicht haben, wofür wir
ihnen heute die Hand reichen.
({1})
Unstrittig, meine Damen und Herren, ist doch, daß in
beiden Ländern in diesen Jahren nachweislich erhebliche Anstrengungen unternommen worden sind.
({2})
Über Parteigrenzen hinweg besteht doch Einigkeit darüber, daß diese Anstrengungen wirklich unternommen
wurden. In dieser Einschätzung sind sich auch die Bundesregierung und der Bundesrat einig.
({3})
Das gilt - auch das ist gesagt worden - nicht erst seit
dem Regierungswechsel im letzten Herbst. Die BundLänder-Arbeitsgruppe zum Fortgang der Haushaltssanierung hat ja bereits 1997 einvernehmlich als Ergebnis
festgestellt, daß beide Länder das Sanierungsziel bis
1998 nicht erreichen werden, weil sie sich - ich zitiere
aus dem Bericht - „weiter in einer extremen Haushaltsnotlage befinden ({4}), aus der sie sich aus eigener
Kraft nicht befreien können, auch wenn sich der Abstand zu den anderen Ländern verringert hat.“ Damit gilt
weiterhin das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
27. Mai 1992, nach dem die bundesstaatliche Gemeinschaft verpflichtet ist, Einzelländern bei bestehenden
extremen Haushaltssituationen zu helfen.
Auch die Finanzministerkonferenz der Länder hat
1998 die Fortsetzung der Sanierungsprogramme unterstützt. Der damalige Finanzminister hat ja exakt die
Summe, die im heutigen Gesetz der Bundesregierung
steht, als notwendig angekündigt. Daß es dabei einige
Differenzierungen gab, ist vorhin deutlich geworden.
Wer sich einmal den Abschlußbericht der Sanierungskommission von 1997 anschaut, kann beim Nachlesen
eindeutig feststellen, welche Position die alte abgewählte Bundesregierung in dieser Frage eingenommen
hat. Ich empfehle das denen, die heute den Eindruck erweckt haben, als ginge es hier sozusagen nur noch um
die Kontinuität in der Fortsetzung dessen, was Minister
Waigel in der letzten Wahlperiode versprochen hat.
({5})
Das Verhalten und die Äußerungen der Bundesregierung, die in den Protokollen der Bund-LänderKommission nachzulesen sind, sind sehr restriktiv und
zurückhaltend; das darf man heute mit aller Deutlichkeit
sagen, ohne daß wir den Blick nur in die Vergangenheit
richten wollten.
({6})
Mit der Zustimmung zu dem heutigen Gesetzentwurf
löst der Bundestag, letztlich wie schon der Bundesrat,
sein Versprechen auf Fortsetzung der Hilfe ein. Das ist
verfassungsrechtlich geboten. Die SPD-Bundestagsfraktion hält die Verlängerung dieser Hilfe auch für finanzpolitisch vertretbar. Sie hat sie deshalb auch in den
Bundeshaushalt eingestellt, im Gegensatz zu der alten
Regierung, die diese Hilfe in dem Entwurf des Bundeshaushaltes im letzten Jahr nicht vorgesehen hatte. Dieser
Gesetzentwurf sieht vor - ich wiederhole das letztlich
nur -, daß beide Länder zusammen im Jahre 1999 3
Milliarden DM erhalten und daß diese Ergänzungszuweisungen bis auf 1,2 Milliarden DM im Jahre 2004
stetig zurückgeführt werden.
Das ist noch nicht alles. Diese Zuweisungen sind mit
entsprechenden Maßgaben für Bremen und das Saarland
verbunden. Das war auch in der Vergangenheit so, aber
diese Maßgaben sind noch präzisiert, man kann auch sagen: verschärft worden. Der Ausgabenzuwachs ist unterhalb der Empfehlung des Finanzplanungsrats für den
allgemeinen Ausgabenzuwachs zu halten. Noch schärfer
sind die Restriktionen im Bereich der konsumtiven Ausgaben. Die Zuweisungen sind ferner unmittelbar zur
Schuldentilgung zu verwenden. In Bremen, das bereits
seit 1994 ein ehrgeiziges Investitionssonderprogramm
durchführt, sind die Zinsersparnisse zur Verminderung
der Verschuldung einzusetzen. Das Saarland soll in die
Lage versetzt werden, stärker als bisher auch Investitionen zu tätigen, die die Wirtschaftskraft fördern. Schließlich müssen die Länder, wie auch in der Vergangenheit,
jährlich über die Fortschritte bei der Haushaltssanierung
berichten.
Diese Maßgaben und die abnehmende Höhe der
jährlichen Zuweisungen sorgen dafür, daß sowohl Bremen als auch das Saarland unter hohem Druck stehen,
weitere Anstrengungen zur Sanierung ihrer Haushalte zu
unternehmen. Es gibt keinen Grund, an dem Willen und
der Fähigkeit dieser Länder zur Haushaltssanierung zu
zweifeln.
({7})
Kollege Fromme, Sie haben, wie ich, die Daten Zinslastquoten, Zinsausgaben usw. - vom BMF bekommen. Wenn man sich einmal nicht nur die Daten des
Saarlandes und Bremens anschaut, sondern auch einen
Vergleich zu den anderen Bundesländern zieht - völlig
unabhängig von den Mehrheiten in diesen Ländern -,
könnte man zu dem Schluß kommen, das sei ein Weg,
den auch andere Bundesländer bisweilen einmal bedenken sollten.
Trotz der eben angedeuteten positiven Tendenzen in
beiden Ländern befindet sich das Wirtschaftsniveau
noch immer deutlich unter dem bundesdeutschen DurchHorst Schild
schnitt; das ist nicht zu verhehlen. Das belegen wichtige
Indikatoren, die heute schon angedeutet worden sind.
Diese Probleme können im System des allgemeinen
Finanzausgleichs in der Tat nicht hinreichend berücksichtigt werden.
Es geht hier und heute jedoch nicht um die Neuordnung der Finanzverfassung und um die Diskussion, wie
diese eventuell umgestaltet werden sollte.
({8})
Das steht auf einem anderen Blatt. Diese Diskussionen
werden sicherlich in Kürze erst einmal Gegenstand der
Bund-Länder-Regierungskommission sein, die im Dezember 1998 vom Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Länder einberufen worden ist. Aber wenn
dort die vorbereitenden Aufgaben diskutiert worden
sind, wird sich sicherlich auch der Deutsche Bundestag
mit diesem Problem befassen müssen. In diesem Zusammenhang will ich - ohne auf das, was zum Thema
Länderfinanzausgleich gesagt worden ist, einzugehen noch sagen: Die Solidarität der Starken mit den Schwachen und insbesondere die Solidarität mit den neuen
Ländern wird dabei einer der unverrückbaren Eckpunkte
sein.
({9})
Hier geht es nur um die Sonderlasten finanzschwacher Länder, die vorübergehend zu einer extremen
Haushaltsnotlage geführt haben. Insgesamt stimmen wir
der Einschätzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu,
daß eine weitere Gewährung von Sanierungsbeihilfen zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt - notwendig
ist, um den bisher erreichten Sanierungsfortschritt zu sichern.
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf
ist ein Beitrag der Solidarität des Bundes mit den Ländern Bremen und Saarland geleistet worden. Nach Ablauf der für weitere sechs Jahre gewährten Ergänzungszuweisungen wird Bremen und dem Saarland der Anschluß an die Haushaltssituation der anderen Länder ermöglicht. Damit wird auch ein Beitrag zur Stärkung des
Föderalismus in dieser Republik geleistet.
({10})
Es ist eine einstimmige Zustimmung des Bundesrates erfolgt. Auch der Finanzausschuß des Bundestages hat
einstimmig zugestimmt. Ich denke, dies wird auch heute
trotz aller unterschiedlichen und differenzierten Bewertungen im Detail so sein.
Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zu dem
zweiten Teil des vorliegenden Gesetzentwurfes machen,
zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes. In
diesem Gesetz wurde 1997 die Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer als Ausgleich für den Fortfall
der Gewerbekapitalsteuer geregelt. Wir haben uns damals verpflichtet, im Jahre 1999 den vorläufigen Schlüssel für die Verteilung der Umsatzsteuer auf die einzelnen Gemeinden an Hand von aktuellen Statistiken zu
überprüfen. Hiermit soll sichergestellt werden, daß die
Gemeinden - wie den kommunalen Spitzenverbänden
versprochen - durch die Umsatzsteuerbeteiligung nicht
schlechtergestellt werden als zu Zeiten des Bestehens
der Gewerbekapitalsteuer.
Auf Grund der Rechtslage ist es nicht möglich, daß
das Statistische Bundesamt diese Zahlen weitergibt. Mit
dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir ermöglichen, daß den kommunalen Spitzenverbänden und den
Gemeinden die erforderlichen Daten zur Überprüfung
des Verteilungsschlüssels zur Verfügung gestellt werden. Nur so können sie die Berechnung des Verteilungsschlüssels nachvollziehen und überprüfen. Ohne diese
Gesetzesänderung wäre dies nicht möglich. Auch damit
leisten wir einen Beitrag dafür, das Vertrauen der Kommunen in die Politik dieses Hauses zu stärken.
Ich danke Ihnen.
({11})
Ich
schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, Drucksachen
14/487 und 14/812. Der Finanzausschuß empfiehlt, den
Gesetzentwurf in der Ausschußfassung mit der neuen
Überschrift „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung
des Gemeindefinanzreformgesetzes“ anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen.
- Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist
der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der
Gesetzentwurf auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 10 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Hildebrecht Braun ({0}), Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der F.D.P.
Entlassung der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Gila Altmann ({1})
- Drucksache 14/798 Ich weise darauf hin, daß das Verlangen nach einer
namentlichen Abstimmung zurückgezogen wurde. Wir
werden heute also keine namentliche Abstimmung
durchführen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Kollege Dr. Guido Westerwelle von der F.D.P.-Fraktion.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Frau Gila
Altmann hat einen Aufruf vom 14. April 1999 unterschrieben, in dem die Kosovo-Politik der Bundesregierung mißbilligt wird. Das bleibt jedem Bürger unbenommen,
({0})
aber wenn jemand Mitglied der Bundesregierung ist und
in einem solchen Aufruf der Bundesregierung vorwirft,
sie unterstütze einen Angriffskrieg, also ein Verbrechen
nach dem Grundgesetz und unserem Strafgesetzbuch,
dann kann er nicht Mitglied der Bundesregierung bleiben.
({1})
Ich habe den in den Tageszeitungen veröffentlichten
Aufruf mitgebracht. Darin heißt es: Den NATOAngriffskrieg gegen Jugoslawien sofort beenden.
({2})
Wer behauptet, unsere deutschen Soldaten würden
sich an einem Angriffskrieg in Jugoslawien beteiligen,
der fällt diesen Soldaten in den Rücken, der diskreditiert
das Organ, dem er angehört, nämlich die Bundesregierung, und der muß, wenn er nicht zurücktritt, wenigstens
vom Bundeskanzler entlassen werden. Ein öffentlicher
Eintrag ins Klassenbuch ohne Konsequenzen ist wohl
kaum ausreichend.
Es ist unerträglich, daß ein Mitglied der Bundesregierung sagt, wir betreiben einen Angriffskrieg, und im
Amt bleiben kann. Das ist der Tiefpunkt der politischen
Kultur auch in diesem Hause.
({3})
Es ist eine geradezu absurde Begründung, wenn die
Behauptung aufgestellt wird, das sei von der Meinungsvielfalt gedeckt. Es geht nicht darum, daß jemand vielleicht einen Vorbehalt hat, in einer Frage anderer Meinung ist; es geht darum, daß jemand der Bundesregierung angehört und sagt, diese Bundesregierung unterstützt einen nach dem Grundgesetz verbotenen Angriffskrieg.
Das ist nicht akzeptabel, nicht von Meinungsfreiheit
gedeckt und erst recht nicht von der Geschäftsordnung
der Bundesregierung, die die Verpflichtung beinhaltet,
in den Grundfragen selbstverständlich eine geschlossene
Position zu vertreten und sich dementsprechend nicht öffentlich in dieser Art und Weise zu äußern.
({4})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem
Aufruf werden die Mitglieder der Bundesregierung
aufgefordert, ihre Unterstützung für den NATOAngriffskrieg zu beenden. Das heißt, es sitzt jemand in
der Bundesregierung, der sich selber auffordert, einen
NATO-Angriffskrieg zu beenden. Treten Sie zurück,
Frau Altmann! Sie sind nicht in der Lage, dieses Land
zu regieren! Sie fallen nicht nur Ihrer eigenen Bundesregierung. Sie fallen nicht nur der deutschen Außenpolitik,
Sie fallen vor allen Dingen den deutschen Bundeswehrsoldaten in den Rücken. Das ist nicht erträglich, das
sagen wir als Oppositionsfraktion.
({5})
Sie scheinen selbst so sehr an Ihrem Dienstsessel und
an Ihrem Dienstwagen zu kleben,
({6})
daß Ihnen der eigene Charakter verbietet zurückzutreten.
Es gibt zwei Gründe, warum Frau Altmann nicht zurücktritt. Der eine ist Verführung durch Nähe und der
andere sind Sie.
({7})
Denn die Bundesregierung hat in Wahrheit in diesem
Hause für ihre Außenpolitik bei den eigenen Fraktionen
keine Mehrheit,
({8})
weil sich die Grünen in einer unbekannten Größe in
Wahrheit als Selbsterfahrungsgruppe der Außenpolitik
gerieren. Das ist der eigentliche Grund.
({9})
Herr Schröder kann Frau Altmann nicht entlassen, weil
er sonst den grünen Koalitionspartner verliert und vor
dem Parteitag der Grünen am 13. Mai Sorge haben muß.
Das ist ein trauriger Zustand für die deutsche Außenpolitik.
Es ist im übrigen interessant, Frau Altmann, daß Sie
bei den Abgeordneten Platz genommen haben. Sie sollten in dieser Debatte auf der Regierungsbank sitzen;
denn dort haben Sie sich zu verantworten, wenn Sie derartige Aufrufe unterschreiben.
({10})
Herr
Kollege Westerwelle, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Koppelin?
Sicher.
Bitte
schön.
({0})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Ich kann die Aufregung
verstehen.
Herr Kollege Westerwelle, Sie haben das Strafgesetzbuch zitiert. Darf ich Sie danach fragen, ob Ihnen
der Text bekannt ist? Halten Sie es für notwendig, daß
wir dem Hause den Text, der im Strafgesetzbuch zum
Thema Angriffskrieg steht, bekanntgeben sollten?
In § 80 StGB heißt es:
Wer einen Angriffskrieg ..., an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet
und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe
nicht unter zehn Jahren bestraft.
Lese ich die Anzeige richtig - vielleicht können Sie
mir dazu etwas sagen -, daß Frau Altmann, die gesagt
hat: „Das ist ein Angriffskrieg“, auf diesen § 80 hinweist, wonach sich die Bundesregierung strafbar gemacht hat?
Das sehe ich in
der Tat ganz genauso.
({0})
Es kommt noch etwas hinzu: Sie spricht von einer
„abenteuerlichen NATO-Politik“. Das mag die Unterstützung der PDS finden. Für ein Mitglied der Bundesregierung ist das ausgesprochen fraglich. Das, was Frau
Altmann unterschrieben hat, ist im Klartext der Vorwurf: Bundeskanzler Schröder, Bundesaußenminister
Fischer sind Angriffskrieger, also Verbrecher. Dann in
dieser Regierung zu bleiben ist ein Stück aus dem Tollhaus!
({1})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Heye,
der Regierungssprecher, stellt sich am Montag hin und
legt Frau Altmann den Rücktritt nah. Danach tritt die
Koalitionsrunde zusammen. Dann darf Frau Altmann
mit einem öffentlichen Tadel davonkommen. Der Grund
dafür ist doch ganz einfach: Den gleichen Vorbehalt,
den Frau Altmann öffentlich ausgesprochen hat, haben
auch große Teile der grünen Fraktion
({2})
hier im Deutschen Bundestag, an der Spitze übrigens
Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der von einem
Fehler in der NATO-Politik spricht. Wenn das ein
Fehler ist, dann kann man nicht Bundesminister in dieser
Regierung bleiben.
({3})
Es ist doch unglaublich, daß die Außenpolitik der Bundesregierung ohne die Opposition de facto gar nicht
stattfinden könnte, weil sie keine Mehrheit hätte.
Herr
Kollege Westerwelle, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Dr. Grehn von der PDS?
Selbstverständlich, klar.
Herr Kollege Westerwelle,
sind Sie mit mir einer Meinung, daß man, bevor man das
Strafgesetzbuch zitiert, zuerst die Bundesverfassung,
also das Grundgesetz, zitieren müßte?
Ja.
Danke.
({0})
Zwischenfragen
sind manchmal wirklich erhellend.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Bundeskanzler erklärt,
man dürfe einen solchen Fehler auch als Regierungsmitglied einmal machen, dann wäre die Konsequenz zumindest, daß Sie, Frau Altmann, wenn Sie selbst und
wenn Ihre Kolleginnen und Kollegen das als Fehler einsehen, Ihre Unterschrift unter diesen Appell zurückziehen. Treten Sie zurück! Sie können nicht im Amt bleiben; denn Sie sind nicht einmal bereit, Ihre Unterschrift
unter diesen Aufruf zurückzuziehen. Es ist unglaublich,
daß sich ein Mitglied der Bundesregierung bei einer der
wichtigsten außenpolitischen Entscheidungen seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland in eine offene
Opposition zur Bundesregierung begibt und glaubt, es
könne Mitglied dieser Bundesregierung bleiben. Sie sind
nur deshalb noch im Amt, weil Sie in Wahrheit Rückendeckung von Herrn Trittin und Ihren Fundamentalisten
haben und weil Herr Schröder fürchten muß, er hätte in
diesem Hause sonst keine Mehrheit mehr bei den Regierungsfraktionen. Es ist ein trauriger Zustand, daß Sie so
sehr an der Macht kleben, daß Sie nicht mehr die Kraft
haben, Ihre Charakterstärke durch einen Rücktritt zum
Ausdruck zu bringen!
({0})
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Ilse Janz von der
SPD-Fraktion das Wort. Das gibt mir die Gelegenheit,
Ihnen, Frau Janz, ganz herzlich zu Ihrem heutigen Geburtstag zu gratulieren.
({0})
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Bundesrepublik durchlebt in diesen Tagen mit dem Konflikt im Kosovo eine ihrer schwierigsten Phasen. Daß
wir in diesem Parlament bis auf wenige Ausnahmen mit
breiter Unterstützung auch der Opposition diese Krise zu
meistern suchen, sehe ich als unbestreitbares Kennzeichen unserer gemeinsamen Verantwortung, wenn Sie so
wollen, als Beleg für die oft gescholtene, aber doch vorhandene politische Kultur in unserem Land an.
({0})
Um so mehr sind wir verwundert, daß ausgerechnet
jetzt, da uns der Konflikt um das Kosovo täglich große
Sorgen bereitet, von der F.D.P.-Fraktion ein solcher
Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wurde.
({1})
Selbstverständlich ist das Ihr gutes Recht. Allerdings
hilft uns die Debatte nicht weiter; sie ist unnütze Spiegelfechterei.
({2})
Spätestens aus den Medien hätten Sie erfahren können, daß die Bundesregierung die Auffassung von Frau
Staatssekretärin Altmann nicht teilt.
({3})
- Schreien Sie doch nicht immer so. Daran merkt man
nämlich, daß Sie mit diesem Antrag eigentlich etwas
ganz anderes wollen.
({4})
Der Bundeskanzler hat keinen Zweifel daran gelassen, daß die Position der Bundesregierung zum KosovoKonflikt uneingeschränkt gilt. Das trifft für die jetzige
Beteiligung am NATO-Einsatz zu, aber auch für die
gleichzeitigen wichtigen politischen Initiativen. Die
Kollegin Altmann ist Mitglied der Regierung; sie war
am Entscheidungsprozeß beteiligt. Deshalb wäre es aus
Sicht der SPD-Bundestagsfraktion besser gewesen, den
Aufruf nicht zu unterschreiben.
({5})
Daß für Sie als F.D.P.-Fraktion die Angelegenheit
damit aber nicht erledigt ist, dachten wir uns schon.
Denn Ihnen geht es ja nicht um die Kollegin Altmann wie wir eben auch bei Ihrer Rede gehört haben -, sondern darum, Unruhe im Kabinett zu schüren.
({6})
Nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ hoffen Sie darauf, daß es Krach im Kabinett gibt - am liebsten wären Ihnen Rücktritte.
({7})
Es ist mehr als offensichtlich, daß Ihr Antrag ein ShowAntrag ist.
({8})
Wenn Sie als Opposition nicht mehr vorzubringen haben
als einen solchen Antrag, dann ist das, so finde ich,
wirklich traurig. Sie sollten Ihre Oppositionsrolle wirklich noch einmal überdenken.
({9})
Eines sollten Sie sich merken: Nicht Sie bestimmen,
welches Personal in der Regierung arbeitet. Darüber
sind wir als SPD-Fraktion auch ziemlich froh.
({10})
Angesichts der schwierigen Situation mit dem Finger
auf eine Kollegin zu zeigen, die es sich mit ihrer Aussage sicherlich nicht leichtgemacht hat
({11})
- Ihr Lachen finde ich in dieser Frage wirklich unverschämt -,
({12})
halte ich angesichts der Lage im Kosovo für politisch zu
kurz gegriffen. Für den Konflikt dort ist niemand anders
verantwortlich als der jugoslawische Ministerpräsident
Milosevic.
({13})
Dieser hat Menschenrechtsverletzungen in einem unglaublichen Ausmaß begangen. Dies muß zu einem Aufschrei aller demokratischen Menschen führen.
({14})
- Nun hören Sie doch einmal auf zu schreien! Wenn Sie
etwas sagen wollen, dann melden Sie sich zu Wort. Das
ist ja unglaublich!
({15})
Wie viele andere in diesem Haus habe auch ich mir
meine persönliche Entscheidung nicht einfach machen
können. Mir bleiben Zweifel, ob die Entscheidung richtig war. Politik heißt doch nicht nur, Kompromisse und
Entscheidungen zu treffen; es gehört auch dazu, Entscheidungen ständig zu überprüfen und auch Selbstzweifel zuzulassen.
({16})
Wir alle wissen ganz genau, wie sehr dieser Konflikt die
Menschen bei uns und in vielen anderen Ländern beschäftigt. Es ist richtig und gut, daß immer wieder darüber diskutiert wird, was wie wann getan werden muß.
Denn die Greueltaten des Herrn Milosevic dürfen niemanden kaltlassen.
({17})
Auch über den Friedensplan des Außenministers wird
viel diskutiert - nicht nur in unserer Bevölkerung, auch
in anderen Ländern. Wenn wir aus den ersten zurückIlse Janz
haltenden Äußerungen die Erkenntnis gewonnen hätten,
dieser politische Weg sei nicht durchsetzbar, und der
Plan zurückgezogen worden wäre, hätte die Bundesregierung vielleicht eine falsche Entscheidung getroffen.
Denn inzwischen halten immer mehr Menschen, immer
mehr Länder den in diesem Plan aufgezeigten Weg für
eine richtige politische Lösung.
({18})
Und das ist es doch, was wir alle wollen: eine friedliche,
politische Lösung und humanitäre Hilfe für die betroffenen Menschen.
({19})
Die öffentliche Diskussion zeigt uns, daß es wichtig ist,
über alle Möglichkeiten zu reden, um dann einen gemeinsamen Weg - und zwar, wie die Bundesregierung
immer wieder deutlich gemacht hat, zusammen mit
Rußland - zu suchen. Argumentieren Sie weiter politisch, meine Damen und Herren von der F.D.P.! Ihr Antrag mit der Rücktrittsforderung ist meiner Ansicht nach
unter Niveau und geht an der Sache völlig vorbei.
({20})
Und noch eines: Gerade die F.D.P.-Fraktion hat aus
unserer Sicht am wenigsten das Recht, die Entlassung
einer Parlamentarischen Staatssekretärin zu fordern, die
eine abweichende Auffassung zu den Beschlüssen der
Bundesregierung geäußert hat. Ich will Ihnen auch gerne
sagen, warum: Gerade im Zusammenhang mit dem Konflikt im ehemaligen Jugoslawien hat die F.D.P. ein politisches Trauerspiel geboten, das in der Geschichte der
Bundesrepublik einmalig ist.
({21})
Erinnern wir uns: Am 2. April 1992 stimmten die
F.D.P.-Minister im Kabinett gegen die Beteiligung deutscher Soldaten bezüglich des UN-Flugverbots über Bosnien-Herzegowina, also des sogenannten AWACSEinsatzes. Wer nun denkt, die F.D.P. forderte den
Rücktritt ihrer Minister, der irrt.
({22})
Natürlich war von Rücktritt keine Rede, im Gegenteil:
Die F.D.P.-Fraktion verklagte sogar die von ihr getragene Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht wegen
verfassungsrechtlicher Unzulässigkeit des Beschlusses.
({23})
Werte Kolleginnen und Kollegen der F.D.P., wer sich
in einer Regierung derart schizophren verhält, kann
nicht erwarten, daß er, wenn er in der Opposition ist,
von uns mit einem derartigen Antrag ernstgenommen
wird. Wir lehnen Ihren Antrag ab.
({24})
Auch von mir
der Kollegin einen herzlichen Glückwunsch.
Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen
Westerwelle das Wort.
Frau Kollegin,
auch von mir herzlichen Glückwunsch, aber nur zu Ihrem Geburtstag.
In der Auseinandersetzung Anfang der 90er Jahre gab
es, wie wir alle wissen, auch in diesem Hause unterschiedliche Auffassungen darüber, wie weit überhaupt
die Beteiligung deutscher Soldaten gehen darf. Das, was
damals gemacht worden ist - übrigens mit ausdrücklicher Billigung der seinerzeitigen Bundesregierung -,
war, einen Feststellungsantrag beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, um Aufklärung darüber zu
bekommen, was das Grundgesetz zuläßt und was nicht.
Das ist ein wesentlicher Unterschied.
Wir als F.D.P. kritisieren hier nicht, daß jemand in
Ihren Reihen anderer Meinung ist. Das ist selbstverständlich von der Gewissensfreiheit gedeckt. Vielmehr
geht es darum, daß ein Mitglied der Bundesregierung
eben dieser Bundesregierung einen NATOAngriffskrieg vorwirft. Um nichts anderes geht es. Sie,
Frau Janz, haben an der Sache vorbeigeredet.
({0})
Zur Erwiderung, Frau Kollegin Janz.
Ich glaube, Herr Kollege Westerwelle, daß ich nicht an der Sache vorbeigeredet habe.
Vielmehr sind Sie es, der an der Sache vorbeigeredet
hat. Ihnen geht es eigentlich - das habe ich ja schon
deutlich gemacht - nicht um den Rücktritt. Wenn Sie
wirklich die große Sorge haben, die uns alle bewegt das haben wir hier ja mehrfach diskutiert; ich nehme Ihnen ab, daß Sie sie haben -, dann sollten Sie bei der politischen Grundlage bleiben; dann sollten wir versuchen,
Lösungen zu finden, die den Menschen helfen. Sie sollten dann aber diese Schaukämpfe, die Sie jetzt hier betreiben, einstellen. Sie wollen einen Spaltpilz in die Regierung hineintragen. Das ist doch Ihr Wunsch; das
möchten Sie am liebsten.
Herr Rexrodt, Sie brauchen gar nicht mit dem Finger
auf Menschen zu zeigen. Ich finde es sehr ehrenwert,
wenn sich eine Kollegin Gedanken über dieses Problem
macht. Wenn einer von Ihnen heute behauptet, er wisse,
was richtig ist und wie man am allerbesten helfen kann,
dann lügt er. Das kann niemand von uns.
({0})
Wir müssen versuchen, darüber zu diskutieren, damit
wir den richtigen Weg finden. Das ist wichtig, und deswegen halte ich das für richtig.
({1})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Eckart von Klaeden.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht nicht, Frau
Kollegin Janz, um die Frage, ob nicht uns alle der Kosovo-Konflikt mit großer Sorge erfüllt. Es spricht für die
Regierungskoalition, daß die Äußerungen von Frau
Altmann in Wirklichkeit von der Mehrheit in Ihren Reihen - das gilt für SPD und Grüne - abgelehnt werden.
Das spricht ja für Sie.
({0})
Aber wenn Sie meinen, daß die Kontrollfunktion des
Parlaments in dieser wichtigen Frage von der Opposition nicht wahrgenommen werden darf,
({1})
daß die Kontrollfunktion quasi in dem Maße weniger
ausgeübt werden darf, wie es um ein schwerwiegendes
Verhalten bzw. Fehlverhalten eines Regierungsmitgliedes geht, so muß ich sagen: Das ist für mich nicht nachvollziehbar.
({2})
Es geht nicht um die Frage, welche Konsequenzen
man daraus zieht, daß man Sorge hinsichtlich des Kosovo-Konflikts hat.
({3})
Es geht auch nicht darum, die Prinzipien des politischen
Pazifismus zu diskreditieren. Ich will offen sagen: Ich
glaube, daß es heute schwieriger ist, sich zum Pazifismus zu bekennen, als das Anfang der 80er Jahre der Fall
war, als die Bundesrepublik Deutschland unter der Käseglocke einer beschränkten Souveränität existiert hat
und man die öffentliche und veröffentlichte Meinung
oder zumindest große Teile davon als Pazifist auf seiner
Seite gehabt hat.
Ich meine auch, daß die Idee des politischen Pazifismus, obwohl ich sie für mit der Idee der Staatsräson unvereinbar halte, nach wie vor Respekt verdient. Aber es
geht hier nicht um die Frage, ob jemand sich zum politischen Pazifismus bekennen darf, sondern es geht um die
Frage, ob hier nicht ein Fall von politischer Schizophrenie vorliegt, von Opportunismus und letztlich unerträglicher Apologie des Vorgehens von Herrn Milosevic.
({4})
Der Antrag, Frau Altmann, den Sie unterzeichnet haben, leistet dem politischen Pazifismus einen Bärendienst. Er bestätigt nämlich den alten Vorwurf, daß die
Wirksamkeit des politischen Pazifismus als Staatsräson
von den Skrupeln der Gegenseite abhängt und deshalb
schon in der Analyse dazu führt, die Brutalität und die
Verbrechen von Diktatoren nicht ausreichend zur
Kenntnis zu nehmen.
Ich bin dagegen, daß man bei der Beschreibung von
Milosevic den Eindruck erweckt, die nationalsozialistischen Verbrechen hätten ihre Einzigartigkeit eingebüßt.
Aber man muß die Verbrechen von Milosevic schon als
das bezeichnen, was sie sind, nämlich rassistisch motivierter und geplanter Massenmord.
({5})
In Ihrem Aufruf ist dagegen lediglich von „nationalistischen Exzessen“ und von „Vertreibung“ die Rede; das
geplante Morden wird in dem Aufruf nicht erwähnt. Sie
sprechen lediglich von „serbischer Unterdrückungspolitik gegen die Kosovo-Albaner“ und von „bewaffneter
Auseinandersetzung“ - so schlimm das auch sein mag.
Aber das ist allein angesichts der Verbrechen, die uns
bekannt sind, Frau Altmann, euphemistisch.
({6})
Wer in diesem Augenblick noch nicht einmal bereit
ist, die uns bekannten Verbrechen im vollen Ausmaß
beim Namen zu nennen, der leistet letztlich einen Verteidigungsdienst für Milosevic.
Statt dessen wird in diesem Aufruf der unerträgliche
Vorwurf gegenüber NATO und Bundesregierung erhoben, sie führten gegen den „souveränen Staat … Bundesrepublik Jugoslawien“ einen „Angriffskrieg“. Darauf
ist hier schon hingewiesen worden. Allein diese Ausdrucksweise stellt, gelinde gesagt, die Verhältnisse auf
den Kopf. Auf Art. 26 des Grundgesetzes ist heute schon
hingewiesen worden, auch auf die Tatsache, daß § 80
des Strafgesetzbuches dieses Verhalten mit lebenslanger
Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bedroht.
Frau Altmann, Sie gehören nach eigener Einschätzung einer Bundesregierung an, die diesen „Angriffskrieg“ nicht nur vorbereitet hat, sondern die ihn auch
führt. Wie Ihr eigenes Verhalten vor dieser Logik juristisch zu qualifizieren ist, will ich gar nicht weiter ausführen. Ich meine jedenfalls, daß Sie, wenn die Zweifel
an Ihrem Verstand und Ihrem Charakter ausgeräumt gehören, zurücktreten müssen.
({7})
Meine Damen und Herren, ich finde, daß der Fall
Altmann nicht alleinsteht. Er gehört vielmehr zu dem
unerträglichen Fehlverhalten an der Spitze des Ministeriums, das sich eigentlich mit dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen beschäftigen sollte. Bundesminister Trittin hat in inakzeptabler Art und Weise die
Politik der NATO und der Bundesregierung, die auch
die ausdrückliche Zustimmung der demokratischen Opposition dieses Hauses findet, kritisiert und hinterher
Mißverständnisse und Übersetzungsfehler geltend gemacht. Meine Bereitschaft, dieser fragwürdigen Darstellung Glauben zu schenken, wird zusätzlich dadurch
getrübt, daß wir das von Herrn Trittin nicht zum erstenmal erleben.
1993 ist er als damaliger niedersächsischer Minister
des Kabinetts Gerhard Schröder in London gewesen und
hat dort eine Rede gehalten, die von der „NordwestZeitung“ unter der Überschrift „Schröder muß handeln“
damals so beschrieben wurde:
Der Auftritt des grünen Ministers Jürgen Trittin in
London - soviel steht mittlerweile fest - dürfte zu
den peinlichsten Entgleisungen eines deutschen
Politikers im Ausland überhaupt zählen.
({8})
Was war geschehen? Trittin hatte Anfang 1993 im
Londoner Goethe-Institut eine Rede gehalten und dabei
gesagt, Deutschland sei ein - ich zitiere - „in allen Gesellschaftsschichten und Generationen rassistisch infiziertes Land“; er hat CDU/CSU und Teilen der SPD vorgeworfen, sie würden eine rassistische Antwort auf die
Flüchtlingsfrage geben, die zudem kein reales Problem
sei, sondern das Produkt ihrer politischen Kampagnen.
Britische Zuhörer haben daraufhin den Saal verlassen, haben die Bundesrepublik Deutschland gegen einen
niedersächsischen Minister in Schutz genommen. In
dem Bericht der deutschen Botschaft heißt es zu diesem
Vorfall wörtlich:
Zu dem Beitrag von Minister Trittin ist folgendes
festzuhalten: Sein Ausdrucksvermögen in der englischen Sprache entsprach nicht dem Schwierigkeitsgrad des Themas Ausländerfeindlichkeit/
Ausländerpolitik,
({9})
so daß seine Darstellung wegen mangelnder Differenzierungsfähigkeit in der fremden Sprache in
Mitleidenschaft gezogen wurde.
Auch in diesem Fall hat er sich, obwohl die Teilnehmer an dieser Veranstaltung die von mir zitierten Äußerungen ausdrücklich bestätigt haben, auf Mißverständnisse und Übersetzungsfehler zurückgezogen.
Frau Altmann, Sie stehen wenigstens zu Ihren Äußerungen und behaupten nicht, Sie seien mißverstanden
worden.
Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ schrieb
damals - ({10})
- Ja, wir sind hier, aber ich möchte einmal die Kontinuität aufzeigen. Als das Verhalten der F.D.P. im
Zusammenhang mit den AWACS-Einsätzen hier eine
Rolle spielte, wurde auf die politische Kontinuität verwiesen.
({11})
Das, Herr Kollege Schlauch, muß nun auch für Bundesminister Trittin gelten.
({12})
Es sind eben nicht einmalige Entgleisungen, Übersetzungsfehler, Mißverständnisse. Vielmehr bricht immer
wieder ein politisches Bewußtsein durch, das hinterher
nur mühsam kaschiert werden kann.
({13})
Damals stand in der „Hannoverschen Allgemeinen
Zeitung“ unter der Überschrift „Nachspiel zu London Trittin trickst“:
Doch wer Schröder kennt und weiß, wie gern er mit
Trittin zusammenarbeitet, wieviel beiden am Erfolg
des rot-grünen Bündnisses gelegen ist, der darf sicher sein, daß der Regierungschef alles versuchen
wird, die Koalition zu stabilisieren. Politisch klug
ist dies nicht.
({14})
Die Ernsthaftigkeit und das Verantwortungsbewußtsein, mit der die überwältigende Mehrheit der Bundesregierung in der Kosovo-Krise handelt - das gilt für den
Bundeskanzler, für Außenminister Fischer und insbesondere für Verteidigungsminister Scharping -, werden
von der demokratischen Opposition dieses Hauses voll
unterstützt. Ich appelliere daher an den Bundeskanzler,
aus dem Vorgang „Altmann“ Konsequenzen zu ziehen.
Dieser Vorgang ist von anderer Qualität als selbst das,
was uns Trittin damals als Landesminister geboten hat.
Herr Bundeskanzler, ich fordere Sie auf: Handeln
Sie!
({15})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Kristin Heyne.
Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Appell grüner Parteimitglieder, den Frau Altmann unterschrieben
hat, nennt sich „Grüne Anti-Kriegs-Initiative“. Er bezeichnet die NATO-Politik als abenteuerlich und fordert
grüne Regierungsmitglieder und Abgeordnete auf, ihren
Einfluß zu nutzen, den, wie es dort heißt, „Angriffskrieg“ sofort zu beenden.
Ich halte unsere Einflußmöglichkeit - „sofort“ lautet
die Forderung - für weit überschätzt. Vor allem aber habe ich große Zweifel, ob diese „Anti-Kriegs-Initiative“
wirklich zu Frieden im Kosovo und auf dem Balkan führen würde.
Unsere Fraktion hat sich mit deutlicher Mehrheit für
den Einsatz militärischer Mittel zur Herstellung des
Friedens entschieden; das ist bekannt. Trotzdem kann
dieser Appell nicht als Initiative verantwortungsloser
Gesinnungspazifisten oder unverbesserlicher Träumer
abgetan werden. Ich kenne viele der Unterzeichner seit
vielen Jahren; etliche von ihnen kenne ich persönlich
und schätze sie. Sie sind ein wichtiger und unverzichtbarer Teil der grünen Partei.
({0})
Es ist wichtig und unverzichtbar, immer wieder zu
fragen, danach zu suchen und nachzubohren, welche
zivilen Mittel jenseits militärischer Logik möglich sind.
({1})
Die ausnahmslose Ablehnung militärischer Mittel, die
ein bedeutsamer Teil unserer Mitglieder vertritt, ist ein
wichtiger Ansporn, zivile Lösungen zu finden. Deshalb
haben die Pazifisten einen festen Platz in unserer Partei.
({2})
Allerdings nehme ich für die Mehrheit meiner Fraktion und für unsere Regierungsmitglieder, insbesondere
für Joschka Fischer, in Anspruch, daß sie mit größtem
Ernst, mit aller Kraft und, wie ich finde, mit beträchtlichem Erfolg versuchen, politische Lösungen in Gang zu
setzen.
({3})
Der Appell fordert nun grüne Regierungs- und Fraktionsmitglieder auf, die Unterstützung der, wie es dort
heißt, „abenteuerlichen NATO-Politik“ zu beenden.
Damit wird der Versuch der Bundesregierung und der
NATO, den Krieg, der im Kosovo gegen die eigene Bevölkerung geführt wird, zu beenden, vollständig abgelehnt. Das mag aus pazifistischer Sicht folgerichtig sein
und ist somit eine legitime Forderung in unserer Partei.
Wenn aber ein Mitglied der Bundesregierung diese
Forderung unterstützt, erhebt sich die Frage: Wie weit
kann und darf ein Regierungsmitglied in der Kritik an
der Entscheidung der eigenen Bundesregierung gehen?
({4})
Die Geschäftsordnung der Bundesregierung gestattet es
den Bundesministern und entsprechend auch den Staatssekretären nicht, gegen die Politik der eigenen Regierung zu wirken.
({5})
Diese Vorschrift soll ein effizientes Wirken der Regierung sicherstellen.
Im Spannungsverhältnis dazu - das wissen Sie alle
auch ganz genau - steht Art. 38 des Grundgesetzes, die
Freiheit des Mandats. Der Widerspruch zwischen der
Ausübung des freien Mandats und der Gebundenheit im
Regierungshandeln ist jeweils politisch zu klären.
Dabei mag Ihnen ein Blick über die Grenzen helfen.
Der französische Innenminister Chevènement hat sich
öffentlich gegen die NATO-Luftschläge ausgesprochen
und ist weiterhin Mitglied der Regierung. Er ist allerdings 1990 auf Grund seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Golf-Krieg aus der Regierung ausgetreten.
({6})
Der Widerspruch zwischen der Freiheit des Abgeordneten und der Einbindung in Regierungshandeln ist
politisch zu entscheiden. Das hat die Regierung in diesem Fall getan. Das haben der Bundeskanzler, der Minister und die Staatssekretärin getan. Sie haben es alle mit
demselben Ergebnis getan.
Meine Damen und Herren von der F.D.P., man muß
sich schon über Ihren vorliegenden Antrag wundern,
wenn dort vollmundig festgestellt wird, „ein Verbleiben
in ihrem Amt als Parlamentarische Staatssekretärin“ gemeint ist Frau Altmann - ist „undenkbar“. Die Unterschrift unter einem Appell ist ja in ihrer Wirkung wohl
kaum mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu vergleichen. Die Kollegin Janz hat darauf bereits hingewiesen.
Kollege Westerwelle, ich möchte noch einmal darstellen, worum es in dieser Klage ging. Ihre Klage bezog
sich auf die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes deutscher Soldaten. Es ging darum, festzustellen, ob der
Beschluß der Bundesregierung, Soldaten in den
AWACS- und anderen Frühwarnsystemen sowie in Einsatzführungssystemen Dienst tun zu lassen, verfassungsgemäß war. Auch Sie haben also die Verfassungsmäßigkeit des Dienstes der Soldaten in Frage gestellt.
Gestatten Sie
eine Zwischenfrage des Kollegen Westerwelle?
Selbstverständlich gestatte ich sie.
Ist Ihnen bekannt,
daß erst durch die Klage der F.D.P.-Fraktion das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, daß wir Parlamentarier solchen Einsätzen zustimmen müssen, bevor
sie durchgeführt werden? Die Tatsache, daß das Parlament bei derartigen Einsätzen erst gefragt werden muß,
geht also auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurück, die die F.D.P. zur Rechtsklarheit herbeigeführt hat. Das stimmt.
({0})
Das
ist mir bekannt. Das halte ich auch für notwendig. Dennoch hat es hier einen viel größeren Gegensatz gegeben.
Die Regierungsmitglieder haben nicht zugestimmt. Die
Fraktion hat sogar geklagt. Aber wenn es einen so großen Gegensatz zwischen Fraktion und Regierung sowie
innerhalb der Koalitionsregierung gibt, dann kann man
eine solche Frage durch eine Klage nicht lösen.
Es ist offenkundig, mit welchem Ziel Sie hier diese
Debatte führen. Ich finde es bedauerlich, daß jetzt auch
parteipolitische Argumente in die Debatte über dieses
schwierige Problem eingebracht werden. Ich weiß, daß
die Mitglieder der Bundesregierung sowie der Fraktionen
und der Parteien von Bündnisgrünen und Sozialdemokraten - jede und jeder auf seine Weise - mit der inneren
Zerrissenheit bezüglich der Frage von Frieden und Krieg
fertig werden müssen. Ich denke, das ist auch das einzig
Angemessene angesichts dieses schwerwiegenden Problems. Ein klares Ja oder Nein kann es hier nicht geben.
Meine Damen und Herren von der F.D.P., gerade von
Ihnen brauchen wir keine Belehrung über die Bedeutung
der Zusammenarbeit innerhalb einer Koalition.
({0})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Roland Claus.
Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Innerhalb der demokratischen Opposition des Deutschen Bundestages gibt es
einen Dissens, Herr Kollege von Klaeden: Die PDSFraktion lehnt den Antrag zur Entlassung von Frau Altmann selbstverständlich ab.
({0})
Größere Sympathie will ich Frau Altmann nicht bekunden, sonst gibt es womöglich die zweite Kanzlerverwarnung.
Mehr noch als der kritisierte Gegenstand von Frau
Altmanns Handeln bewegt mich allerdings der parlamentarische Vorgang.
Frau Janz hat gesagt, den Antragstellern gehe es um
eine Show. Das kann ich nur zum Teil nachvollziehen;
denn in der Regel gehe ich zu einer Show, um mich zu
amüsieren. Ich denke, daß hier eher der Begriff vom
Tiefpunkt der politischen Kultur zutrifft, den der Kollege Westerwelle in einem anderen Zusammenhang gebraucht hat.
({1})
Tiefpunkt der politischen Kultur ist für mich Ihr Antrag,
in dem sie fordern, daß ein Mitglied der Bundesregierung entlassen werden soll, weil es eine eigene Meinung
öffentlich vertreten hat, für die auch noch das Völkerrecht und das Grundgesetz die Argumente liefern.
({2})
Ich habe zunächst nicht glauben wollen, daß dieser
Antrag von der liberalen Fraktion stammt. Ich verhehle
gar nicht, daß es mich durchaus beeindruckt hat, wenn in
der F.D.P. persönliche Meinungen geachtet wurden. Ich
fand es immer bemerkenswert, wenn auch unter dem
Druck eines überwältigend großen Koalitionspartners in
der F.D.P. eigene Meinungen öffentlich vorgetragen
wurden; das Wort vom „schwarzen Joch“ soll ja von Ihnen selbst stammen. Nun aber dieser Antrag einer liberalen Fraktion! In Erinnerung an frühere Zeiten habe ich
mir gesagt, daß so etwas nur ein Generalsekretär vortragen kann, so daß ich jetzt beinahe sagen würde: Nicht
wahr, Genosse Generalsekretär Westerwelle?
({3})
Ihr politischer Zweck liegt auf der Hand: die Destabilisierung der Bundesregierung und der Regierungskoalition. Aber ich frage, ob dieser Zweck jedes Mittel
heiligt, auch um den Preis, eigene Ideale vollends über
Bord zu werfen. Wollen Sie denn jenen unsäglichen
Vorgang fortgesetzt wissen, mit dem die F.D.P.Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger seinerzeit zum
Rücktritt genötigt wurde? Ist das denn alles vergessen?
({4})
Wenn es im Lande Schule macht, daß Politiker keine
eigene Meinung mehr sagen dürfen, sobald sie der Regierung angehören, dann werden daran die Politik insgesamt und die Demokratie Schaden nehmen. Die F.D.P.Fraktion hat es noch in der Hand, diesen Schaden abzuwenden. Meine Damen und Herren, ziehen Sie Ihren
Antrag zurück! Dann könnten wir über Chancen zum
Frieden reden, anstatt Kriegskritikerinnen mundtot zu
machen. Lassen Sie uns über den Hoffnungsschimmer
von gestern reden. Dem Frieden gehört das Wort geredet, der Antrag gehört abgelehnt.
Vielen Dank.
({5})
Zu einer Kurzintervention der Kollege Westerwelle.
({0})
Herr Kollege
Claus, ich empfinde, offen gestanden, Ihre Bemerkungen und Ihre Anrede in meine Richtung, vor allem, da
sie von Ihnen als dem früheren ersten FDJ-Bezirkssekretär kommt, als eine üble Verunglimpfung der
Wahrnehmung meiner demokratischen Rechte in diesem
Parlament.
({0})
Ich rede hier als ein Abgeordneter des frei gewählten
Deutschen Bundestages.
({1})
Ich rede hier als ein Oppositionsabgeordneter, der die
Politik der Bundesregierung in dieser Angelegenheit
unterstützt. Es ist eine Unverschämtheit, daß Sie mich in
einen Zusammenhang mit der Diktatur stellen, die es in
Ostdeutschland bis zur deutschen Einheit gegeben hat.
Das ist eine echte, dreckige Sauerei.
({2})
Ich schließe
die Aussprache.
({0})
- Es liegt in der Natur solcher Themen, daß es zu Emotionen kommt. Natürlich sind alle Mitglieder des Hauses
gehalten, sich auch in ihrer Sprache zu mäßigen. Aber
wir wissen, daß das nicht immer gelingt.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun
zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der
F.D.P. auf Entlassung der Parlamentarischen Staatssekretärin Gila Altmann. Wer stimmt für diesen Antrag? Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der
Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und
F.D.P. abgelehnt.
({2})
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 und 13 sowie
den Zusatzpunkt 11 auf:
12. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr.
Michael Luther, Norbert Geis, Ronald Pofalla,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion der
CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Forderungen der Bauhandwerker ({3})
- Drucksache 14/673 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({4})
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
13. Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Türk, Cornelia Pieper, Rainer Brüderle, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
Zahlungsverzug bekämpfen - Verfahren beschleunigen - Mittelstand stärken
- Drucksache 14/567 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({5})
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
ZP11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf
Kutzmutz, Dr. Christa Luft, Dr. Evelyn Kenzler,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Zahlungsforderungen schneller durchsetzen Zahlungsunmoral bekämpfen
- Drucksache 14/799 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({6})
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
Nach einer interfraktionellen Beratung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat jetzt der
Abgeordnete Jürgen Türk.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben dem
schlimmen Problem Kosovo gibt es noch andere Probleme. Über eines möchte ich jetzt reden.
Auf Initiative der F.D.P. beschäftigen wir uns heute
im Deutschen Bundestag noch einmal innerhalb eines
Jahres - wenn auch in zwei verschiedenen Legislaturperioden - mit der dahinschwindenden Zahlungsmoral in
Deutschland. Dies ist richtig so, da dieses Thema immer
mehr an Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft, gerade für die Zukunftsfähigkeit des Mittelstands, gewinnt.
Die Botschaft der F.D.P. ist eindeutig: Wir müssen
endlich Zahlungsverzug und Zahlungsverweigerung bekämpfen, die Verfahren beschleunigen und denen zu ihrem Recht und Geld verhelfen, die Arbeitsplätze sichern
und schaffen.
({0})
Das sind vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die Handwerker, Händler und Freiberufler. Ist ihre
Existenz bedroht, ist eine noch höhere Arbeitslosigkeit
vorprogrammiert.
Ich erspare mir, den dringenden Handlungsbedarf in
aller Breite zu begründen. Ich will aber darauf hinweisen, daß inzwischen bis zu zwei Drittel der Konkurse in
Ostdeutschland mit schlechter Zahlungsmoral zusammenhängen und daß sich dieser Sittenverfall auch in
Westdeutschland immer mehr ausbreitet. Bewußtes Verschleppen der Zahlung ist kein Kavaliersdelikt. Nein,
wer das Bezahlen erbrachter Leistungen verweigert, begeht eine kriminelle Handlung. Der Rechtsstaat muß
dem Einhalt gebieten bzw. dem Leistungserbringer umgehend zu seinem Recht verhelfen. Dem Zweifel am
Rechtsstaat, am Leistungsprinzip und an der sozialen
Marktwirtschaft darf kein Vorschub geleistet werden.
({1})
Hier ist - wie so oft in der letzten Zeit - kein weiteres
unüberlegtes, sondern zügiges Handeln erforderlich. Sie
wissen, daß wir in der letzten Legislaturperiode einige
Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, wie zum Beispiel die Novellierung des Zwangsvollstreckungsrechts.
Nur müssen die Länder endlich handeln und die Maßnahmen umsetzen. Das gleiche gilt für die Neuregelung
des Schiedsverfahrensrechts. Ich fordere Verbände und
Kammern auf, sich zusammenzutun und in gemeinsamen Pilotprojekten, vielleicht in Form regionaler
Schiedsgerichte, diese Möglichkeit zu nutzen.
Alles in allem haben uns jetzt Mittelständler vom
„Ostdeutschen Selbsthilfeverein zum Schutz vor Insolvenzen“ in einer F.D.P.-internen Anhörung klargemacht,
daß weiterhin - trotz der eingeleiteten Maßnahmen Handlungsbedarf besteht. Welche Maßnahmen müssen
nun unverzüglich eingeleitet werden? Neben der
außergerichtlichen Streitschlichtung brauchen wir in
Deutschland schnellstens vereinfachte Verfahren für
Schuldbeträge unter 30 000 Euro. Über diesen Betrag
kann man noch reden.
Herr Kollege,
gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Bitte.
Verehrter Herr Kollege
Türk, ist es nicht so, daß Ihre wirtschaftsorientierte Partei in der vergangenen Legislaturperiode die außergerichtliche Streitschlichtung dadurch verhindert hat, daß
sie unsinnigerweise - ich wiederhole: unsinnigerweise die Ausgliederung der Handelsregister aus dem ordentlichen Gerichtsbetrieb und eine Zuordnung zu den Industrie- und Handelskammern durchsetzen wollte? Wissen
Sie, daß wir das, was Sie fordern, längst hätten haben
können, wenn Sie nicht so wirtschaftsorientiert gewesen
wären? Auch Sie waren in der 13. Legislaturperiode bereits dabei.
Lieber Kollege, wirtschaftsorientiert zu sein ist immer gut, weil das Arbeitsplätze
schafft. Fakt bleibt, daß wir die Novelle zur außergerichtlichen Streitschlichtung verabschiedet haben. Jetzt
muß sie nur noch genutzt werden.
({0})
Der Werkvertrag muß dahin geändert werden, daß
nicht weiterhin Minimalmängel und konstruierte Mängel
- so weit geht das schon - zu maximalen Vergütungskürzungen bzw. Zahlungsverweigerungen führen.
Weiter muß auf jeden Fall der gesetzliche Verzugszins von jetzt 4 Prozent bzw. 5 Prozent auf einen
marktüblichen Zins bei einem Kontokorrentkredit angehoben werden, damit der Zahlungsverzug nicht mehr als
günstiger Kredit mißbraucht werden kann. Genau das erreichen wir, wenn wir den Zins erhöhen; das ist kein
Strafzins. Übrigens haben die Skandinavier das mit Erfolg gemacht: Dort ist der Zahlungsverzug drastisch zurückgegangen.
Wir müssen schnellstens die Voraussetzungen dafür
schaffen, daß Schuldner eine Zwangsvollstreckung nicht
durch Vermögensverschiebungen - das passiert immer
öfter - behindern können. Das Tricksen muß endlich
aufhören.
({1})
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, daß der Deutsche
Verdingungssauschuß die Verdingungsordnung Bau und
die Verdingungsordnung Leistungen unverzüglich auf
den Prüfstand stellen muß. Es kann zum Beispiel nicht
sein, daß erst nach 30 Tagen festgestellt wird, ob eine
Rechnung überhaupt prüfbar ist oder nicht. Das kann
man in sehr viel kürzerer Zeit machen, beim heutigen
Stand der Technik zum Beispiel in sechs Tagen. Die
Zahlungsfristen müssen verkürzt werden.
Es muß immer wieder eingefordert werden, daß die
Kommunalaufsicht der Länder verbessert wird. Dabei
sind zwei Punkte herauszustellen. Erstens muß sich etwas an den Ausschreibungsmodalitäten ändern. Denn in
den meisten Fällen hat nur der billigste Anbieter eine
Chance, obwohl die VO das wirtschaftlichste Angebot
vorschreibt. Doch was billig ist, muß nicht immer wirtschaftlich sein und umgekehrt. Zweitens muß die Aufsicht dafür sorgen, daß die Zahlungsfristen bei der
öffentlichen Hand eingehalten werden. 100 Tage bis zur
endgültigen Zahlung - das wird jetzt immer häufiger
registriert -, das darf so nicht weitergehen. In solchen
Fällen muß die Kommunalaufsicht der Länder einschreiten, um den Ruin der Handwerker und Mittelständler zu verhindern.
Seit 1994 fordern wir die Länder auf, endlich zentrale
Mahngerichte einzurichten, um die Bearbeitungszeiten
über das automatisierte Mahnverfahren drastisch zu verkürzen. So betrug zum Beispiel 1997 die durchschnittliche gerichtliche Verfahrensdauer in Sachsen-Anhalt,
dem Schlußlicht in der Statistik, fast sieben Monate. In
Brandenburg wurde das in Berlin vorhandene Mahngericht bis heute nicht genutzt. Brandenburg liegt doch um
Berlin herum; das wäre also schon gegangen, denn Berlin ist dazu bereit.
Die F.D.P. ist überzeugt, daß alle angesprochenen
Maßnahmen - sowohl einzeln als auch den Bund betreffend - im Paket vorgelegt und beschlossen werden können. Auf keinen Fall darf die jetzt angedachte Paketlösung zu einem weiteren Zeitverzug führen.
({2})
Jedenfalls ist die F.D.P. nicht nur bereit, wieder die Initiative zu ergreifen, sondern auch bereit, an der schnellen Wiederherstellung der Zahlungsmoral mitzuwirken.
Ich glaube, wir haben in diesem Hause eine gute
Grundlage dafür. Die Grundlage wird an den nachgeschobenen Anträgen der CDU/CSU und der PDS deutlich,
({3})
und man kann Zeitungsberichten entnehmen, daß auch
das Bundesjustizministerium mit dieser Problematik beschäftigt ist.
({4})
Ich glaube, daß wir auf dieser Grundlage eine gemeinsame Lösung hinbekommen müßten. Im Interesse von
unternehmerischen Existenzen und im Interesse von Arbeitsplätzen gibt es also viel zu tun. Wir als F.D.P. sind
dazu bereit. Packen wir es endlich gemeinsam an!
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Sabine Kaspereit.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Werte Kollegen von der
F.D.P., mit Ihrem Antrag haben Sie uns eine Analyse eines aus Ihrer Politik entstandenen Mißstandes geliefert,
wie wir sie besser gar nicht hätten machen können. Sie
bescheinigen sich auch noch selbst, daß all das, was Sie
in der letzten Legislaturperiode gemacht haben - ich zitiere aus Ihrem Antrag -, „noch zu wenig“ ist, „um das
drängende Problem des Zahlungsverzugs wirksam zu
bekämpfen“.
({0})
Sie haben recht. Das haben wir Ihnen allerdings schon in
den vergangenen Jahren gesagt.
({1})
Sie hätten nur unseren Anträgen zustimmen müssen,
dann hätten Sie eine konkrete Grundlage zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges gehabt. Das aber haben Sie
nicht getan.
Frau Kollegin,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Türk?
Bitte.
Frau Kollegin Kaspereit, sind
Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß auch die Mehrheit der SPD im Bundesrat dort Initiativen hätte einleiten können?
({0})
Das hat sie auch getan.
Darauf komme ich noch zu sprechen, Herr Türk. Hören
Sie noch ein Stückchen zu.
({0})
Nun kommen Sie mit einem neuen Antrag daher, der
diesen Wirrwarr der Vergangenheit fortsetzt und mit den
vorgeschlagenen Maßnahmen auch noch am Kern des
Problems vorbeizielt. Hierzu nenne ich Ihnen nur ein
Beispiel. Sie schlagen vor, daß der Fälligkeitstermin
geschuldeter Zahlungen eine bestimmte Anzahl von
Kalendertagen nicht überschreiten darf. Vordergründig
erscheint dieser Vorschlag plausibel. Ich gebe zu, wir
hatten diesen Gedanken auch. Der Vorschlag setzt aber
voraus, daß der Besteller einer Leistung auch rechtstechnisch in Verzug gerät.
In Wirklichkeit ist die Praxis doch so: Viele Auftraggeber verweigern die Abnahme von Leistungen schon
wegen geringfügiger Mängel. Dabei spekulieren die Besteller unter Zuhilfenahme rechtlicher Möglichkeiten
darauf, die Zahlung so lange hinauszuzögern, bis der
Auftragnehmer den Eingang der Zahlung nicht mehr
überbrücken kann. Für das betroffene Unternehmen
bleibt dann nur noch die Möglichkeit, sich auf verlustbringende Abzüge einzulassen.
Die Überschreitung von Fälligkeitsterminen ist doch
nur das vordergründige Symptom, das von mir eben geschilderte spekulative Verhalten aber die tiefer liegende
Ursache. Dieser Ursache wollen wir entgegentreten.
Daß die neue Regierung - wie Sie in Ihrer Begründung schreiben - noch nichts unternommen hat, ist
schlichtweg falsch. Das gilt im übrigen auch für den
Bundesrat. Die Bekämpfung des Zahlungsverzuges ist
ein klares Ziel der rotgrünen Regierungskoalition. Wir
werden dieses Versprechen halten.
({1})
Nun, Herr Türk, hören Sie mir gut zu! Der Justizministerkonferenz lag bereits 1997 ein Vorschlag Sachsen-Anhalts zu dieser Problematik vor. Dieser Vorschlag
wurde von den anderen Ländern, darunter auch Sachsen,
mit der Begründung abgelehnt, es bestünde kein Regelungsbedarf.
({2})
Im Herbst 1998 änderte Sachsen dann plötzlich seine
Meinung. Hatten die cleveren Sachsen inzwischen vielleicht bemerkt, daß noch cleverere Leute - ich sage dazu: in Ost und West - zunehmend auf den Trick mit den
billigen Lieferanten - und Justizkrediten gekommen
sind? Das unsolidarische Verhalten Sachsens mündete in
den vorliegenden Entwurf der CDU/CSU zum Bauvertragsgesetz, der in einem engen Zusammenhang mit dem
F.D.P.-Antrag zu sehen ist. Dieser Vorgang ist parteipolitisch höchst interessant.
Wir werden in Kürze einen an den Bedürfnissen der
Unternehmen ausgerichteten Gesetzentwurf vorlegen,
der im Kern folgende Eckpunkte vorsieht.
Frau Kollegin,
der Kollege Luther möchte ebenfalls eine Zwischenfrage
stellen.
Ja.
Liebe Frau Kollegin Kaspereit, können Sie mir vielleicht erläutern, was
am Verhalten Sachsens undemokratisch ist? Sie haben
gesagt, das Verhalten sei undemokratisch gewesen.
Ich habe „unsolidarisch“
gesagt.
Entschuldigung,
ich habe „undemokratisch“ verstanden. Ich darf die Frage daher anders formulieren.
Es gab in den neuen Bundesländern eine Länderarbeitsgruppe, an der Sachsen-Anhalt genauso beteiligt
war wie Sachsen. Dort hat man gemeinsam Eckpunkte
erarbeitet. Im Wahlkampf hat Sachsen-Anhalt dann diesen gemeinsamen Boden verlassen und das als sein Produkt verkauft. Letztendlich hätte Sachsen-Anhalt dieselbe Chance gehabt wie Sachsen und hätte einen Gesetzentwurf vorlegen können. Ein solcher liegt heute vor.
Ich meine, das ist nicht unsolidarisch, sondern das geschieht im Interesse der Handwerker und ist damit solidarisch. Gehen Sie darin mit mir konform?
Nein, darin gehe ich mit
Ihnen überhaupt nicht konform, weil der Sachverhalt ein
anderer ist. Es gab dazu eine Bund-LänderArbeitsgruppe, in der das Justizministerium gemeinsam
mit den Vertretern der Länder einen Entwurf erarbeitet
hat. Justament kurz vor der gemeinsamen Initiative von
Bund und Ländern hat Sachsen diesen Vorschlag als
seinen eigenen in Form eines Antrages formuliert und
damit den Ball an den Bundestag zurückgespielt. Darüber bin ich nicht ganz traurig. Wie gesagt, von „undemokratisch“ habe ich nicht gesprochen. Für mich handelt es sich schon ein Stück weit um ein eigenartiges
Verhalten.
Noch jemand
möchte eine Zwischenfrage stellen. Ich möchte die
Kollegen ermahnen: Drei Zwischenfragen bei einer kurzen Rede sind genug. Würden Sie die Zwischenfrage des
Kollegen Türk zulassen?
Ja.
Ich möchte ganz kurz fragen,
ob es nicht unwürdig ist und diesem Hause nicht gut zu
Gesicht steht, daß wir in die Vergangenheit zurückkehren und Scharmützel machen, anstatt endlich einmal
nach vorn zu sehen.
Herr Türk, die Frage kann
ich ganz kurz beantworten. Das hat damit überhaupt
nichts zu tun. Sie haben damit angefangen. Wir werden
unseren Gesetzentwurf vorlegen.
({0})
Ich möchte zum Thema zurückkehren. In dem Gesetzentwurf, den wir in Kürze vorlegen werden, sind
folgende Eckpunkte vorgesehen:
Erstens. Der Verzug soll künftig auch durch eine
Rechnung mit angegebenem Zahlungsziel begründet
werden können, ohne noch zusätzlich eine Mahnung an
den Schuldner richten zu müssen; denn das bisherige
Verfahren ist überflüssig, weil der Schuldner bereits an
Hand der Rechnung sieht, was er bezahlen soll.
Zweitens. Der derzeit geltende Verzugszins soll angehoben werden. Der Schuldner muß mit finanziellen
Folgen zu rechnen haben. Der Kredit auf Kosten des
Gläubigers gegenüber banküblichen Kreditzinsen darf
sich nicht mehr lohnen.
Drittens. Im Falle des Verkaufs von Forderungen des
Gläubigers, dem sogenannten Factoring, soll der
Schuldner in angemessenem Umfang an den Kosten beteiligt werden, wenn dem Gläubiger bei dieser Form der
Liquiditätsbeschaffung Kosten entstehen.
Viertens. Es ist bei BGB-Werkverträgen eine Regelung vorgesehen, die die Besteller von Werkleistungen
verpflichtet, für abgeschlossene Teilleistungen und beschafftes Material Abschlagszahlungen oder Vorschüsse
zu leisten. Ich denke, auch das entspricht der Zeit.
Fünftens. Es müssen Möglichkeiten gefunden werden, daß geringfügige Mängel nicht Anlaß dafür sind,
den Eintritt der Fälligkeit insgesamt zu verhindern.
Sechstens. Es müssen auch Möglichkeiten dafür gefunden werden, daß die Fälligkeit des Werklohns
schneller und effizienter herbeigeführt werden kann. Der
Besteller muß von vornherein wissen, daß er mit Berufung auf nicht vorhandene Mängel ein hohes Risiko eingeht.
Siebtens. Schließlich sollte die Wirksamkeit der Sicherungsbürgschaft nach § 648a BGB erhöht werden.
Bei der Insolvenz eines Bauträgers muß der Anspruch
des Unternehmens auf Schadenersatz deutlich verbessert
werden. So könnte man beispielsweise die Sicherungsbürgschaft auch auf Nebenforderungen wie Verzugszinsen und Prozeßkosten erweitern.
Diese sieben Eckpunkte bilden die Richtschnur, an
der wir die Bekämpfung des Zahlungsverzugs ausrichten
werden, weil es nicht darum geht, einfach nur Verfahren
zu beschleunigen. Unsere Maßnahmen setzen an den
Ursachen an und stärken die Position des Gläubigers.
Wir leisten damit einen entscheidenden Beitrag, die
Zahl der durch Zahlungsverzug bedingten Insolvenzen
zu senken. Damit leisten wir nicht zuletzt auch einen
Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen gerade bei
kleinen und mittleren Unternehmen.
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Dr. Michael Luther.
Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer immer in
den neuen Bundesländern mit Unternehmern, speziell
mit denen des Baugewerbes, ins Gespräch kommt, der
muß feststellen, daß die Gespräche immer bei dem
Thema „schlechte Zahlungsmoral“ enden.
({0})
Ich will die Situation kurz beschreiben. Es hat sich in
der Vergangenheit herausgestellt, daß es einige wenige
schwarze Schafe gibt, die bewußt darauf spekulieren,
Zahlungen zu verzögern oder Preisabschläge zu bekommen. Sie bringen die Unternehmen damit letztendlich in Schwierigkeiten. Da andere Firmen dann wegen
des schlechten Zahlungseingangs ebenfalls in Liquiditätsschwierigkeiten kommen, entsteht ein Teufelskreis.
Dieser Teufelskreis muß durchbrochen werden.
Lassen Sie mich einige wenige Zahlen nennen. Nach
Untersuchungen im sächsischen Bau- und Ausbaugewerbe mußten 1997 und 1998 sachsenweit rund 2 bis
3 Prozent aller Forderungen für Bauleistungen abgeschrieben werden. 1995 und 1996 waren das nur etwa 1
bis 1,5 Prozent. Das sind 600 Millionen DM aus Bauleistungen, die jedes Jahr verlorengehen. 4 Milliarden DM
wurden erst nach Mahnungen und unter Zeitverzug von
sechs Monaten ausgeglichen. 20 Prozent aller Forderungen wurden für strittig erklärt. Das ist nicht nur in Sachsen, sondern überall in den neuen Bundesländern so.
Wir sollten weiterhin festhalten: Die Bauhandwerker
in den neuen Bundesländern haben in den letzten Jahren
sehr wohl gelernt, mit dem rechtlichen Instrumentarium
umzugehen. Sie sind nicht zu dumm, Rechnungen zu
stellen oder einzutreiben. Offensichtlich reicht das geltende Recht nicht aus. Deshalb muß an dieser Stelle etwas geschehen.
({1})
Es handelt sich dabei aber nicht nur um ein Phänomen aus den neuen Bundesländern. Auch in den alten
Bundesländern kommen solche Situationen immer häufiger vor. Ich persönlich beschäftige mich schon seit
längerer Zeit mit dieser Thematik und habe in der letzten
Legislaturperiode als Mitglied des Rechtsausschusses
versucht, erst einmal die rechtstatsächliche Problematik
zusammen mit meinem damaligen Kollegen Gerhard
Schulz aus dem Finanzausschuß auszuloten. Wir haben
bei diesen Aktivitäten erlebt, daß dies nicht nur ein Problem der neuen Bundesländer ist; auch Bauverbände aus
den alten Bundesländern sind auf uns zugekommen und
haben gesagt: Hier muß etwas passieren; auch bei uns
geht der Trend dahin, die Zahlungsmoral verschlechtert
sich.
Als Ergebnis kam dabei - das will ich hier festhalten
- am Ende der letzten Legislaturperiode ein Koalitionsantrag heraus, den wir gemeinsam mit der F.D.P. in den
Deutschen Bundestag eingebracht haben. Auch die SPD
hat die Notwendigkeit erkannt und schnell noch einen
Antrag entwickelt.
({2})
Wir haben unseren Antrag im Bundestag verabschiedet.
Er beinhaltete den Auftrag an die Bundesregierung, in
diesem Bereich zu handeln.
({3})
Vielleicht darf ich dazu noch sagen - weil Erfolge
zum Schluß viele Väter haben -, daß es sich so weiterentwickelt hat, daß sich auf Initiative von Sachsen, aber
auch von Sachsen-Anhalt - denn das Problem bestand
insgesamt in den neuen Bundesländern - eine Länderarbeitsgruppe gebildet hat, die sich damit befaßte, Anhörungen durchführte und Handwerker einband. Aus Sachsen weiß ich, daß sich sächsische Handwerker, Richter
und Rechtsanwälte beteiligt haben, um zu einer Lösung
des Problems zu kommen.
Nun kann man eine Vielzahl von Fragen aufschreiben, bei denen man versuchen könnte, eine Lösung zu
finden. Die faktische Unwirksamkeit von § 648a BGB
wirft zum Beispiel die Frage auf, wie man dieses Problem löst. Zu jedem Lösungsvorschlag, den ich zu formulieren versuche, könnte ich direkt sagen, welche Bedenken trotzdem noch vorgetragen werden könnten.
Darin liegt die Schwierigkeit des Problems. Ich danke an
dieser Stelle den Initiatoren und denjenigen, die sich
darum gekümmert haben, insbesondere in den neuen
Bundesländern und speziell natürlich in Sachsen, dafür,
daß man den Mut hatte, diese Fragen aufzuschreiben, zu
durchleuchten und Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
({4})
Während eines Wahlkampfes geht es so wie immer:
Sachsen-Anhalt ergriff die Initiative und hat sich in der
Öffentlichkeit als Urheber präsentiert. Ich glaube, diese
Fragen sind nebensächlich an dieser Stelle. Viel wichtiger ist, daß wir angesichts des Problems, das wir alle erkannt haben und im Deutschen Bundestag lösen wollen,
nun endlich zielführend zu einem Ergebnis kommen.
({5})
Dieses Ziel verbinden wir von der CDU/CSUBundestagsfraktion damit, daß wir das fertig formulierte
Gesetz, das in sich stimmig ist und von Sachsen in den
Bundesrat eingebracht wurde, in den Bundestag einbringen, weil es als Bundesgesetz letztendlich hierhin gehört
und vom Bundestag beschlossen und behandelt werden
muß. Damit haben wir einen Gesetzentwurf und auch
die Möglichkeit, jetzt im Bundestag mit der aktiven
parlamentarischen Beratung zu beginnen und natürlich
alle einzubinden, die Anfragen an oder Bedenken gegen
das Gesetz haben.
Noch ein Wort zu Ihnen, Herr Türk, und zu der
F.D.P. - ich sage das jetzt einmal ein wenig überspitzt -:
Wir haben schon vor einem Jahr einen Antrag eingebracht; Sie bringen nun wieder nur einen Antrag ein; das
ist mir zuwenig. Es stellt sich mir die Frage, was Sie das
letzte Jahr gemacht haben. Sie haben honorige Leute in
Ihren Reihen: Ich sehe den ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretär Funke aus dem Justizministerium wir kennen uns ja gut, auch was diese Sache angeht und will auch den ehemaligen Bundesminister der Justiz
Schmidt-Jortzig nennen. Anträge einzubringen, um zu
einer Lösung zu kommen, ist gut. Das hilft aber nicht
den Handwerkern. Wichtig ist, daß man eine Lösung
vorschlägt. Eine Lösung kann ich in den Vorschlägen
Ihres Antrages nicht erkennen.
Ich denke, es kommt jetzt darauf an, daß wir die parlamentarische Beratung der erkannten Probleme im
Parlament durchführen. Ich habe in den letzten Wochen
sehr aufmerksam die Medien verfolgt und gelesen, wer
was dazu sagt. Ich habe auch sehr aufmerksam gelesen,
was Frau Däubler-Gmelin dazu gesagt hat. Ich war zeitweise der Meinung, daß sie vielleicht beleidigt darüber
ist, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den entsprechenden Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag einbringt. Dann hatte ich den Eindruck, daß sie das Haar in
der Suppe sucht, danach sucht, was an dem Gesetzentwurf falsch sein und was man besser machen könnte.
Mir ist letztendlich gleichgültig, welche Variante zutrifft. Entweder bringt sie hier im Bundestag einen besseren Gesetzesvorschlag ein - aber bald -,
({6})
oder wir arbeiten mit unserem Gesetzentwurf, den Sie
als Basis für die Arbeit in der Bund-Länder-ArbeitsDr. Michael Luther
gruppe bewerten, und verändern ihn so, wie es möglicherweise notwendig ist. Aber ein Ziel muß verfolgt
werden: daß wir dieses Gesetz noch in diesem Jahr, nach
der Sommerpause auf den Weg bringen.
({7})
Ich will noch drei Punkte nennen, die mir sehr wichtig sind und die unbedingt aufgegriffen werden müssen.
Das eine ist die bessere Anwendbarkeit des § 648 a
BGB, in dem es um die Sicherung von Leistungen geht.
Es hat sich herausgestellt, daß dieses Instrument, das
erst nach siebenjähriger Diskussion im Deutschen Bundestag Gesetz geworden ist, unzureichend ist. Es wird
nicht angewandt - nicht etwa, weil die Handwerker es
nicht kennen würden, sondern aus zwei Gründen: Der
eine ist, daß man, wenn man diesen Paragraphen anwendet, befürchten muß, daß man später keinen Auftrag
mehr bekommt. Aber das ist nicht das Hauptproblem.
Viel schlimmer ist etwas anderes: Wer das Gesetz anwendet, bekommt den Auftrag gekündigt und steht dann
selbst in der Pflicht, nachzuweisen, wie hoch der ihm
entgangene Gewinn durch den Verlust des Auftrages ist.
Das ist sehr schwierig. Der Lösungsvorschlag des Gesetzes dazu, eine pauschalierte Sicherungsleistung in
Höhe von 5 Prozent einzuführen, ist eine maßvolle Antwort auf die Probleme, die § 648 a BGB mit sich bringt.
Ein zweites wichtiges, immer wieder vorgetragenes
Problem ist, daß die Abnahme eines Werkes häufig
wegen geringfügiger Mängel verweigert wird. Dadurch
kann der Auftraggeber auch bei einer überwiegend mängelfreien Werkleistung die Zahlung des gesamten Werklohnes verzögern. Das wird aktiv betrieben; es wird sogar einkalkuliert, weil man sich damit praktisch einen
zinslosen Kredit verschafft, den man nicht besichern
muß, oder Preisvorteile, weil man letztendlich den
Handwerker, der das Geld braucht, unter Druck setzt, so
daß er sagt: Dann nehme ich halt 80 Prozent, dann habe
ich wenigstens Geld. Dabei sind natürlich nicht 80 Prozent vom Gewinn, sondern 80 Prozent von der Gesamtbauleistung gemeint, die unterhalb der Höhe des Gewinns liegt. Das führt zu den Problemen im Bauhandwerk.
Für sehr wesentlich halte ich auch die Modernisierung eines Gesetzes, das ein Stück in Vergessenheit geraten ist, nämlich des Gesetzes über die Sicherung von
Bauforderungen, das 1909 in einer ähnlichen Situation
geschaffen worden ist. Es nützt alles nichts, wenn wir
nicht den Böswilligen bestrafen können. Das ist die
Schwierigkeit. Wenn Sie sich mit Wirtschaftsstrafsenaten unterhalten, werden Sie feststellen, daß es sehr
schwierig ist, in Bergen von Unterlagen nachzuweisen,
wo sich Wirtschaftskriminalität verbirgt. Aus diesem
Grunde müssen wir zur Beweiserleichterung eine Dokumentationspflicht einführen. Diese stellt das Gesetz
über die Sicherung von Bauforderungen dar. Ich glaube
nicht, daß damit soviel Mehraufwendungen für das seriöse Unternehmen verbunden sind. Denn mit den Mitteln von heute, die es 1909 noch nicht gab - elektronische Datenverarbeitung -, kann vieles leichter gestaltet
werden. Das heißt, der Willige kann diese Dokumente
leicht zur Verfügung stellen, und dem Böswilligen kann
der Staatsanwalt leichter auf die Schliche kommen.
Ich bin in den Gesetzentwurf nicht verliebt, so daß
ich sagen würde: nur diesen und sonst keinen. Mir liegt
daran, daß wir das Problem lösen. Ich bitte alle Mitglieder dieses Hauses daran mitzuarbeiten. Wir wollen als
CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Rechtsausschuß sehr
schnell in die praktische parlamentarische Beratung eintreten. Wir werden eine Anhörung beantragen, so daß
wir sehr schnell den externen Sachverstand nutzen können. Ich denke, das Verfahren wird sich dadurch insgesamt beschleunigen. Ich bin optimistisch, daß wir alle
gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen werden.
Schönen Dank.
({8})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Helmut Wilhelm.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bauhandwerk in Deutschland ist notleidend.
Das ist allgemein bekannt. Alle Anstrengungen der
Bundesregierung müssen selbstverständlich darauf gerichtet sein, diese Not zu lindern und am Ende zu beseitigen. Allein schon das Argument der bedrohten Arbeitsplätze gebietet dies.
Eine Ursache dieser Not sind die vielfach verschleppten Werklohnzahlungen der Besteller. Auch dieser Tatsache muß ins Auge gesehen werden, weil die
hohe Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe, insbesondere die der kleineren Unternehmen im Osten der Republik, wesentlich auf die verzögerte Begleichung von
Handwerkerrechnungen zurückzuführen ist. Es stellt
sich die Frage, wie ein vertragstreues Verhalten der
Besteller hinsichtlich ihrer Zahlungsverpflichtungen erzwungen werden kann und ob es überhaupt erzwungen
werden kann.
An dieser Stelle ist hervorzuheben, daß die privaten
und gewerblichen Besteller von Bauwerken - und leider
oft auch die öffentlichen - das praktizieren, was gerade
bei Versicherungen, aber auch bei Banken an der Tagesordnung ist und offensichtlich zum erfolgreichen Wirtschaften dazuzugehören scheint: in allererster Linie an
seine Möglichkeiten der Gewinnoptimierung zu denken,
die Interessen des Vertragspartners aber hintanzustellen.
Dazu gehört selbstverständlich auch, alle Möglichkeiten
der Zahlungsverzögerung auszuschöpfen, die sich bieten. Natürlich ist selbst der Zug durch die Instanzen oft
einkalkuliert.
Diese Auffassung - machen wir uns doch bitte nichts
vor - trifft nicht nur auf die Besteller von Bauwerken zu.
Sie scheint mittlerweile leider zur vorherrschenden Einstellung im Umgang mit Vertragspartnern geworden zu
sein, zumindest in all den Sparten, in denen es um viel
Geld geht. Damit ist das Problem der fehlenden Zahlungsmoral ein Problem unserer Gesellschaft geworden,
das bei Teilen der Bauwirtschaft zu den schon mehrfach
beschriebenen existenzbedrohenden und existenzvernichtenden Folgen führt.
Die Zahlungsmoral läßt sich aber leider nicht per Dekret herstellen oder verbessern. Wenn man sich die vorliegenden Vorschläge der Opposition anschaut, ist festzustellen, daß ihr zugute gehalten werden kann, diesen
Umstand erkannt zu haben. Demnach besteht Handlungsbedarf. Denn Anreize für vertragswidriges Verhalten sind nach der derzeitigen Gesetzeslage durchaus
vorhanden. Die Forderungen, die von der Opposition
aufgestellt werden, sind aber entweder nicht zielführend,
prozeßrechtlich zweifelhaft, verstoßen gegen Grundsätze
des Schadensersatzrechts oder sind schlichtweg nur
noch populistisch.
Eines sollten wir in dieser Debatte nicht vergessen:
Wer die Forderung erhebt, gesetzliche Vorschriften zu
erlassen, die das ohnehin schon große finanzielle Risiko
zum Beispiel der privaten Häuslebauer ins Unüberschaubare treiben, muß sich nicht wundern, wenn bei
diesen emotional eine Schwelle überschritten wird und
sie von einem gefaßten Bauentschluß Abstand nehmen.
Dies kann nicht im Sinne der Bauwirtschaft sein.
Ich selbst hatte als Richter vielfach das Vergnügen, in
Bauprozessen urteilen zu dürfen. Mir ist nicht gerade oft
ein mangelfreies Bauwerk untergekommen. Wir befinden uns also auf einer Gratwanderung, die nicht zu einer
schädlichen Übersicherung der Bauindustrie führen darf.
Die notwendigen Schritte, die in Angriff genommen
werden, müssen also folgenden Kriterien - hier, aber
auch nur insoweit, teile ich die Auffassung der PDS genügen: Sie müssen ein ausgewogenes Verhältnis von
Gläubiger- und Schuldnerschutz gewähren. Denn im
Wirtschaftsleben wechselt in der Tat die Schuldner- und
Gläubigerposition mehrfach. Sie müssen rechtsstaatlich
unbedenklich sein. Daher halte ich den Vorschlag einer
richterlichen Vorabverfügung für nicht vertretbar und
eines sorgfältig und unparteilich handelnden Richters für
unwürdig.
({0})
Die Rechtsgrundlagen müssen transparent sowie verständlich sein und ohne bürokratischen Aufwand vollzogen werden können. Die Forderung nach Anderkonten
entspricht letzterem Erfordernis in keiner Weise.
({1})
Aus unserer Sicht sollen die rechtlichen Voraussetzungen für die Begründung des Verzugs vereinfacht
werden. Hierfür könnte zukünftig eine Rechnung genügen, in der das Zahlungsziel angegeben ist. Das Gesetz
sollte zukünftig deutlich machen, daß der Zahlungsverzug für den Schuldner folgenreich ist. Die pauschalen
Verzugszinsen von derzeit 4 Prozent - bzw. von 5 Prozent im HGB - sollten auf mindestens 5 Prozentpunkte
über dem Basissatz angehoben werden, und zwar nicht
nur für Bauvorhaben. - Eine Sonderregelung im Baurecht wäre meines Erachtens verfassungsrechtlich bedenklich. - Dies würde auch dem Richtlinienvorschlag
der Europäischen Kommission entsprechen.
Ich bin ebenfalls der Meinung, daß Besteller von
Werkleistungen verpflichtet werden sollten, für abgeschlossene Teilleistungen und für vom Unternehmer beschafftes Material Abschlagszahlungen bzw. Vorschüsse
zu zahlen.
Die Abnahmepflicht nach § 640 BGB kann dahin
gehend erweitert werden, daß ein geringfügiger, die Gebrauchsfähigkeit nicht hindernder Mangel eines Bauwerks nicht zur Verweigerung der Abnahme berechtigt,
sondern nur zu einem Zurückbehalt eines Betrages etwa
in mehrfacher Höhe der voraussichtlichen und üblichen
Mängelbeseitigungskosten. Dies wird auf jeden Fall erheblich prozeßverkürzend wirken und das Prozeßrisiko
des Bestellers so erhöhen, daß auch die Zahl der willkürlich und nur zur Zahlungsverweigerung angestrengten Prozesse abnehmen wird.
Der Unionsentwurf schlägt vor, das Gesetz über die
Sicherung der Bauforderungen in das BGB zu integrieren. Ich fürchte, das wird zu nichts führen. Das Gesetz
besteht seit langem und findet weitgehend keine Beachtung. Es führt außerdem nicht zu einer beschleunigten
Zahlung, da es lediglich dazu verpflichtet, eingehende
Baugelder und ihre Verwendung in Baubüchern festzuhalten. Es sagt aber nichts darüber, ob und aus welchen
Gründen Baugelder zurückbehalten werden können. Das
aber ist das eigentliche Problem.
Die PDS konterkariert ihren eigenen Antrag. So fordert sie einerseits, wie erwähnt, rechtsstaatlich unbedenkliche Schritte, verlangt aber andererseits, bei
Mahnverfahren, die in streitige Verfahren übergeleitet
wurden, innerhalb von 120 Tagen ab Anhängigkeit ein
Urteil zu verkünden. Wie dies bei Bauprozessen, die gerade bei Mängelrügen die Einschaltung von Sachverständigen erfordern, möglich sein soll, bleibt das Geheimnis der PDS.
({2})
Ohnedies scheint der Antrag der PDS von einem grenzenlosen Mißtrauen in die Justiz beseelt zu sein, da in
dem Antrag pausenlos von Schadensersatzpflichten der
Justizkasse die Rede ist und weniger von solchen der
Bauvertragspartner.
Die Bemerkung, daß eine solide personelle Ausstattung der Gerichte durch die Bundesländer - an Stelle
der derzeit teilweise üblichen Stellenstreichungen - einer Prozeßbeschleunigung und damit einem schnelleren
Geldfluß an die Bauunternehmer durchaus dienlich sein
kann, mag mir als Richter außer Dienst erlaubt sein.
({3})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Rolf Kutzmutz.
Verehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast war ich geneigt
zu glauben, es fehlt der Hinweis auf die PDS. Ich war
schon traurig, es mußte dann aber doch noch eine ZenHelmut Wilhelm ({0})
sur erteilt werden. Alles andere wäre aus Ihrer Richtung
unsinnig gewesen.
({1})
Insolvenz wegen großer Außenstände ist unbestritten
ein maßgeblicher Grund für den Gang zum Konkursrichter. Es ist und bleibt indiskutabel, daß ein Viertel bis
ein Fünftel aller mittelständischen Firmen spürbare Teile
seiner Umsätze abschreiben muß. Ich halte auch nichts
davon, ständig Vorwürfe zu Vergangenheit und Gegenwart zu machen; denn eines ist Fakt: In der Vergangenheit haben Bonner Justizbeamte darauf hingewiesen, daß
alle erforderlichen Regelungen vorhanden seien, das
Handwerk müsse sie nur besser anwenden.
In einer Umfrage der Potsdamer Kammerorganisation
kommt zum Ausdruck, daß zum Beispiel 65 Prozent der
Befragten ihre Rechte gut kennen, aber nur 20 Prozent
sie anwenden. Wenn man nach dem Warum fragt, wird
klar: Aus Furcht, Folgeaufträge nicht zu bekommen und
auf schwarzen Listen zu landen, handelt man wider besseres Wissen. Durch Wettbewerbsdruck lassen sich Betriebe auf ein „Terrain ohne Notseile“ drängen. Das
wollte ich hier doch ansprechen.
Ich glaube, in der Beschreibung der Situation sind wir
uns einig. Es bringt überhaupt nichts, wenn wir herumkritteln und sagen: Dieser Vorschlag geht nicht, jener ist
etwas besser. Diejenigen, die auf eine Lösung warten,
haben von dieser Diskussion überhaupt nichts.
({2})
- Nun seien Sie doch nicht so aufgeregt! Das waren sie
in der Opposition doch auch nicht. Zeigen Sie als Regierung einmal Größe! - Ich jedenfalls bin bereit, zu sagen:
Wenn ein vernünftiger, durchsetzbarer Vorschlag gemacht wird, stimme ich zu.
Die Folgen für Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Sozialabgaben und für Lebensplanungen vieler Menschen
brauche ich hier nicht zu beschreiben; da herrscht Konsens. Auch über die Notwendigkeit, auf gesetzgeberischem Wege die grassierende Zahlungsunmoral einzudämmen, besteht Konsens. Schnelles Handeln ist nach
meiner Auffassung erforderlich. Wir dürfen die Lösung
nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
Änderungsbedarf zum Beispiel beim gesetzlichen
Verzugszins ist unstrittig. Entsprechende Änderungen
ließen sich gesetzestechnisch problemlos und schnell
umsetzen. Dennoch finden sich Vorschläge dazu nach
wie vor erst in unverbindlichen „Eckpunkten“ der BundLänder-Arbeitsgruppe „Verbesserung der Zahlungsmoral“ - es kann sein, daß Sie mehr Kenntnisse darüber
haben, uns diese aber nicht weitergeben -, wie am
Montag der „Berliner Zeitung“ zu entnehmen war.
Da der Verzugszins von 4 auf 5 Prozent erhöht werden soll, muß ich fragen: Meinen Sie tatsächlich, daß
sich jemand, der böswillig nicht zahlt, von diesem einen
Prozentpunkt abschrecken läßt? Ich kann darin einfach
keine Lösung sehen. Jedenfalls würden Sie diese unmoralische, ja kriminelle Art der „Kreditlinie“ für Auftraggeber damit nicht verstopfen. Man kann diese Frage aus
dem Gesamtpaket herausnehmen, zügig einen Gesetzentwurf vorlegen und dabei Nägel mit Köpfen machen.
Alle anderen Fragen, vom Bauvertrags- bis zum Mahnrecht, sind diffiziler. Die müssen wir weiterhin ganz intensiv diskutieren.
Lösungen - Herr Kollege Wilhelm hat Zustimmung
signalisiert - müssen erstens rechtsstaatlich unbedenklich sein. Ich hätte beispielsweise bei „unabhängigen
Stellen“, die Mängelfreiheit testieren sollen, schon so
meine Zweifel, sofern es sich nicht um gerichtliche Prüfungen handelt. Die aber sollen - glaubt man den Zeitungen - durch das Justizministerium vorgeschlagen
werden.
Lösungen müssen zweitens ein ausgewogenes Verhältnis des Schutzes von Gläubigern und Schuldnern
wahren. Bei jeder Diskussion zu diesem Thema - auch
darauf hat der Kollege Wilhelm hingewiesen - haben
wir gesagt: Passen Sie auf bei den Regelungen, die Sie
von uns fordern. Sie sind mal in dieser und mal in jener
Situation. Der, der die Schulden eintreiben will, sieht
das nicht immer so. Deshalb muß man darauf aufmerksam machen.
Drittens müssen die Lösungen transparent und verständlich sein. Sie dürfen nicht zu vermeidbarem bürokratischem Mehraufwand bei allen Beteiligten führen.
Ich möchte Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, für die weitere Beratung insbesondere unsere Vorschläge für ein einstufiges Vorgehen im automatisierten Mahnverfahren ans Herz legen. Wer ein Mahnverfahren einleitet, der dokumentiert damit seine Absicht,
zu Geld kommen zu wollen. Warum soll er diese Absicht durch gesonderten Antrag auf Vollstreckungsbescheid eigentlich noch einmal bekunden müssen? Umgekehrt hätte der vermeintliche Schuldner durch eine
längere Widerspruchsfrist bessere Möglichkeiten als
bisher, sich unberechtigter Forderungen zu erwehren.
Die von uns vorgeschlagenen Strafzinsen würden zugleich „Prozeßfans“ abschrecken.
Mindestens ebenso wichtig erscheint mir unser Vorschlag hinsichtlich einer zentralen Mahnverfahrensauskunftstelle, auch wenn das hier in Zweifel gezogen wird. Wir können in den Ausschüssen noch darüber diskutieren. Diese Auskunftstelle ist, wie ich
meine, datenschutzrechtlich unbedenklich konzipiert
und würde erstmals ermöglichen, sich vergleichsweise
objektiv über das Zahlungsverhalten möglicher Vertragspartner zu informieren.
Richtig ist auch: Aus der Eigenverantwortung für seine
Geschäfte kann und darf niemand entlassen werden. Aber
jede und jeder muß überhaupt erst die Chance bekommen,
die dazu erforderlichen Prüfungen tatsächlich vornehmen
zu lassen. Diese Möglichkeit wäre mit der neuen Auskunftstelle gegeben. Ich bin der Auffassung, daß die dort
erhältlichen Informationen den Interessierten das Geld
wert wären, das sie dafür aufbringen müßten.
Lassen Sie mich abschließend zwei Grundsätze betonen,
über die wir uns meines Erachtens einigen sollten: Erstens.
Es gibt nicht das eine Instrument zur Bekämpfung von
Zahlungsunmoral. Wir werden vielmehr ein ganzes Maßnahmenbündel benötigen, um den unterschiedlichen
Aspekten dieses Problems gerecht zu werden.
Zweitens - das erscheint mir fast noch wichtiger,
auch wenn es hier, was den Umfang der Maßnahmen
betrifft, kritisiert worden ist -: Wir sollten nicht darauf
hoffen, daß der praktische Vollzug dessen, was wir
möglichst bald beschließen, die Lösung des Problems
ist. Uns geht es darum, daß sich derjenige, der mit dem
Gedanken spielt, nicht zu zahlen, angesichts der Maßnahmen, die ihm drohen, darüber klar sein muß, daß ihm
das zum Schaden gereicht. Es geht nicht darum, daß
man immer jeden einzelnen Schritt durchführt. Es geht
vielmehr darum, daß sich der, der nicht zahlen will, über
die Konsequenz klar sein muß.
({3})
Es geht schließlich nicht darum, mehr Richter und Gerichtsvollzieher schneller zu beschäftigen, sondern darum, seine Leistung pünktlich und gerecht entgolten zu
bekommen. Das - und nur das - ist letztlich die Lösung
dieses gesellschaftlichen Problems.
In diesem Sinne freue ich mich auf eine produktive
Debatte in den Ausschüssen.
Danke schön.
({4})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Jelena Hoffmann.
Sehr geehrte
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
sprechen heute über das Problem der schlechten Zahlungsmoral - oder sollte ich besser sagen: Zahlungsunmoral? Die Opposition hat offenbar das Bedürfnis, öffentlich gelobt zu werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, mit Ihren Anträgen haben Sie
in der Tat bewiesen, daß Sie das Problem erkannt haben.
Wir haben darüber ja auch schon in der vergangenen
Legislaturperiode gesprochen. Doch ein Problem löst
man nicht, indem man ein paar Vorschläge zusammenzimmert. Das ist politischer Pfusch am Bau, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({0})
Eigentlich verstehe ich den Eifer, mit dem Sie jetzt
Ihre Anträge im Plenum einbringen, nicht. Wie Sie alle
wissen, hat im Herbst eine Bund-Länder-Kommission
ihre Arbeit aufgenommen. Sie beschäftigt sich intensiv
mit den Ursachen von Zahlungsverzug. Die ersten
Arbeitsergebnisse liegen uns bereits vor. Unter anderem
hat auch das Land Sachsen gewollt, daß diese Kommission eingerichtet wird. Nun kommen Sie mit einem
eigenen Gesetzentwurf, welcher übrigens bis zum letzten Komma mit dem Antrag Sachsens übereinstimmt
und der noch in diesem Monat im Bundesrat eingebracht
werden sollte.
({1})
- Nein.
Die Redezeit erlaubt mir leider nicht, ausführlich auf
die Auswirkungen mangelnder Zahlungsmoral besonders auf kleine und mittlere Unternehmen einzugehen.
Nur ein paar Zahlen: Immer mehr private, aber auch öffentliche Auftraggeber lassen sich immer mehr Zeit damit, ihre Rechnungen zu bezahlen. Innerhalb von 30 Tagen haben nur 46 Prozent der westdeutschen und lediglich 39 Prozent der ostdeutschen Kunden bezahlt. Die
Forderungsverluste betragen nicht selten mehr als 1 Prozent des Umsatzes. Der Mittelstand hat meist nicht viel
Eigenkapital und kommt dadurch leicht in Liquiditätsschwierigkeiten. Die Unternehmen müssen hochverzinste Kredite aufnehmen. Am Ende ist die Existenz des
Betriebes bedroht.
Das kann so nicht bleiben; wir sind uns einig, daß das
rasch geändert werden muß. Bleibt die Frage: Wie? Ihre
Vorstellungen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, reichen meiner Meinung nach leider nicht aus.
Dazu benötigt man eine Gesamtkonzeption, die ich in
Ihren Vorlagen vermisse. Um das Problem Zahlungsmoral in den Griff zu bekommen, muß man das gesamte
Problem anpacken und mit Ruhe und Augenmaß versuchen, daraus eine runde Sache zu machen. Die Schwierigkeiten in der Baubranche mögen gravierender sein als
woanders, aber es gibt diese Probleme auch in anderen
Branchen. Ein Gesetzentwurf darf deshalb nicht ausschließlich auf diese eine Branche zugeschnitten sein,
was zum Beispiel beim CDU/CSU-Entwurf der Fall ist.
Neben der Gesamtkonzeption haben Sie offensichtlich auch die Einzelaspekte Ihres Entwurfs nicht zu Ende gedacht. Mir fehlt unter anderem die Aussage über
die Problematik der Subunternehmer, die nur über den
Generalauftragnehmer an ihr Geld kommen.
Ein weiterer Punkt: Sie möchten das Gesetz über die
Sicherung der Bauforderungen wiederbeleben. Es
wird jedoch nicht zu einer schnelleren Durchsetzung und
Begleichung von Forderungen beitragen. Ich kann mir
überhaupt nicht vorstellen, daß das Gesetz nicht angewendet wird, weil - wie Sie meinen - es nicht genug
bekannt ist. Engagierte Juristen hatten schließlich eine
ganze Weile Zeit - wenn ich mich nicht irre, seit 1909 -,
das Gesetz aufzuspüren und anzuwenden. An Stelle Ihres Vorschlages müssen wir vielmehr über eine qualitative Änderung der geltenden Gesetze nachdenken. Nur
so können wir dem Prinzip „Geld für Leistung aller Produktarten“ zu seinem Recht verhelfen. Dieses Prinzip
muß auf der Baustelle genauso gelten wie im Kaufhaus.
Ein richtiger Denkansatz ist auf jeden Fall - da stimme Ihnen zu -, die gerichtliche Geltendmachung von
Forderungen zu beschleunigen und zu vereinfachen.
Als Geschäftsführerin eines kleinen Unternehmens habe
ich früher auf diesem Gebiet einige Erfahrungen machen
müssen. Besonders pfiffige Geschäftsleute konnte keine
Mahnung, auch kein gerichtliches Mahnverfahren beeindrucken. Sie hatten ihr Ziel, entweder Zeit zu gewinnen oder mich mit sofortigen Zahlungen, die aber Teilzahlungen waren, abzuspeisen, fast immer erreichen
können. Ich allerdings mußte immer pünktlich und in
voller Höhe Löhne und Gehälter zahlen. Doch ob eine
richterliche Vorabverfügung der richtige Weg ist,
schneller an das Geld zu kommen, das bezweifle ich.
Neben der Gestaltung der Verzugszinsen müssen
Fragen des Eigentumsvorbehaltes und der FactoringMöglichkeiten noch geprüft werden.
Das Problem ist also bekannt, und die Marschrichtung ist nicht zuletzt durch die Arbeit der Bund-LänderArbeitsgruppe festgelegt. Wir wollen und werden ein
Gesetz erarbeiten, das die Probleme nachhaltig löst und
sicherstellt, daß die Kräfte langfristig wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Bei aller Notwendigkeit, den
Gläubiger zu schützen, darf dieses Gesetz nicht einseitig
werden und die Rechte des Bestellers aufweichen. Das
Wichtigste an einer neuen Gesetzesregelung muß sein,
daß das Gesetz praktikabel ist, den Bedürfnissen der
Wirtschaft entspricht und vom Handwerker genauso wie
vom Häuslebauer angewendet werden kann.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Andrea Voßhoff.
Frau Präsidentin!
Meine Herren! Meine Damen! Wie die Debatte bisher
gezeigt hat, ist das Thema Zahlungsmoral, insbesondere
im Baubereich, ein mittelstandspolitischer Dauerbrenner. Alle bisherigen Redner sind sich offenbar in einem
Punkt einig: Gesetzgeberische Lösungen zur Entschärfung der Situation sind gefordert. Was aber auf
der einen Seite der Dauerbrenner ist, ist auf der anderen
Seite gleichermaßen ein heißes Eisen. Wie soll, wie
kann für das erkannte Problem seitens des Gesetzgebers
Abhilfe geschaffen werden, ohne die Vertragsparteien
unnütz zu reglementieren, ohne den Interessenausgleich
zu gefährden, ohne die Grundsätze der Ordnungspolitik
zu verlassen, gleichwohl aber einen Handlungsauftrag
zur Verbesserung der Situation zu erfüllen?
Sowohl Ordnungspolitiker als auch Juristen melden
in der Diskussion dieses Themas immer wieder Bedenken an, hinterfragen die Ursachen der sogenannten
schlechten Zahlungsmoral und stellen die Frage, ob die
vorhandenen rechtlichen Mechanismen bei entsprechender Anwendung nicht vielleicht ausreichend seien. Die
rechtlichen und wirtschaftspolitischen Bedenken, die
sich bei vielen dazu einstellen, sind ja teilweise auch
nachvollziehbar. Aber dies darf uns nicht davon abhalten, im Interesse der mittelständischen Bauwirtschaft
konsequent nach Lösungsansätzen zur Verbesserung der
Situation zu suchen.
({0})
Die existentiellen Nöte vieler mittelständischer Baubetriebe, die - von der schwierigen Marktlage einmal
abgesehen - durch Forderungsaußenstände und Forderungsausfälle in die Insolvenz geraten - wodurch nicht
nur der Betrieb, sondern auch die von ihm geschaffenen
Arbeitsplätze verlorengehen -, sind nicht länger hinzunehmen. Während von der rotgrünen Bundesregierung
dazu noch gar nichts auf den Weg gebracht wurde,
F.D.P. und PDS lediglich Anträge mit diversen Forderungen eingebracht haben, legen wir einen vollständigen
Gesetzesentwurf vor.
Warum sind auch wir von der CDU/CSU-Fraktion
der Auffassung, daß der Gesetzgeber Maßnahmen zur
Bekämpfung der schlechten Zahlungsmoral treffen
muß? Meine Herren, meine Damen, Politik, so heißt es,
beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit, und die
sieht nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes so aus, daß nahezu jedes zweite
Unternehmen von überobligationsmäßigen Zahlungsverzögerungen nachhaltig betroffen ist. Über 50 Prozent der
Unternehmen warten nach Fertigstellung, Abnahme und
Schlußrechnung mindestens drei Monate, ein weiteres
knappes Drittel wartet bis zu acht Monaten, und 6 Prozent warten noch länger auf die ihnen zustehenden
Zahlungen. Die Höhe der Außenstände liegt bei den
Unternehmen mittlerweile im Schnitt bei 15 bis 16 Prozent der Jahresgesamtleistung. Für diejenigen, die immer vermuten, das sei nur ein Spezifikum der neuen
Länder, darf ich einmal Zahlen aus den alten Ländern
nennen. Nach Angaben des ZDB beklagt sich dort fast
jeder fünfte Handwerksbetrieb über stark verspätete oder
gar nicht eingegangene Zahlungen, und nach einer Untersuchung der Vereine Creditreform aus dem Frühjahr
1996 mußten 26,2 Prozent der westdeutschen Handwerksbetriebe Forderungsverluste von mehr als 1 Prozent ihres Umsatzes hinnehmen; in den neuen Ländern
waren es sogar 42 Prozent der Befragten. Daß sich hieraus nicht nur Liquiditätsprobleme ergeben, sondern oftmals auch Insolvenz die Folge ist, muß wohl kaum mehr
im einzelnen dargelegt werden. Das ist heute ja auch
von allen betont worden.
Die Gründe für verspätete Zahlung bzw. Nichtzahlung, so der Zentralverband, liegen interessanterweise
nicht in der mangelnden Liquidität oder mangelnden
Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Vielmehr ist feststellbar, daß Schuldner ohne jegliche Liquiditätsprobleme im Kreis der Nichtzahler häufiger vertreten sind als
andere.
Die Ursachenforschung dazu ist vielschichtig. Aber
wird dieses Verhalten nicht gerade auch durch das bestehende BGB-Werkvertragsrecht begünstigt? Dieses
geht grundsätzlich von einer Vorleistungspflicht des
Werkunternehmers aus und begründet die Fälligkeit des
Werklohns erst mit der Abnahme des Werkes. Nach der
VOB kommt noch die prüffähige Schlußrechnung als
Fälligkeitsvoraussetzung hinzu.
Dies, gekoppelt mit der rechtlichen Folge, daß die
verbauten Materialien kraft Gesetzes in das Eigentum
des Grundstückseigentümers übergehen, führt insgesamt
zu einer Belastung des Unternehmers mit dem vollen Risiko der Liquidität und Insolvenz seines Auftraggebers sowie insbesondere von dessen Zahlungsverhalten.
Es zeigt sich immer mehr, daß - wie übrigens auch in
der juristischen Fachliteratur unbestritten - das BGBWerkvertragsrecht in keiner Weise auf die spezifischen
Bedürfnisse und Besonderheiten des Baugeschehens zugeschnitten ist. Dies ist ja auch mit ein Grund dafür, daß
es überhaupt die Verdingungsordnung für das Bauwesen
gibt.
Jelena Hoffmann ({1})
Auch wollte der Gesetzgeber bereits im Jahre 1909
mit dem Gesetz zur Sicherung der Bauforderungen
zusätzliche Mechanismen zur Sicherung von Bauforderungen schaffen, die dann aber nicht vollständig umgesetzt wurden, weil die zur grundbuchlichen Sicherung
erforderlichen Durchführungsverordnungen nicht erlassen wurden. Das GSB wird heute als „vergessene Anspruchsgrundlage“ bezeichnet, macht aber deutlich, daß
schon damals Schwächen des bestehenden Rechts zur
Sicherung von Bauforderungen erkannt wurden.
Immer wieder hat sich die CDU/CSU-Fraktion mit
diesem Thema befaßt und unter anderem mit der Schaffung des § 648a BGB, der Zwangsvollstreckungsnovelle, der Vergaberechtsänderung und anderem mehr die
Problematik mit positiven Ansätzen, wie ich sie soeben
nannte, entschärft. Gleichwohl höre und lese ich tagtäglich nach wie vor Klagen der betroffenen Unternehmen,
die auf Grund der Zahlungsverschleppungen und Zahlungsausfälle in ernste Liquiditätskrisen kommen.
Wieder ein Zeitungsartikel, der noch keine drei Wochen alt ist und der berichtet, daß die Handwerkskammer Potsdam wieder einmal beklagt: Zahlungsverzögerungen sind an der Tagesordnung, die laxe Zahlungsweise ist zur Normalität geworden, moralische Skrupel
hat keiner mehr.
Daß die Bekämpfung des Zahlungsverzuges im übrigen auch europaweit als notwendig angesehen wird,
zeigt der entsprechende Vorschlag der Europäischen
Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Rates zur Bekämpfung der Zahlungsmoral im Handelsverkehr.
Angesichts des nach wie vor bestehenden Handlungsbedarfs haben wir speziell für den als besonders
regelungsbedürftig erkannten Bereich des Bauvertragsrechts eine konkrete Lösungsmöglichkeit mit dem Ihnen
vorliegenden Gesetzentwurf aufgezeigt, der für die weiteren Beratungen, wie ich meine, eine gute Diskussionsgrundlage ist.
Aber auch die anderen heute zur Diskussion anstehenden Anträge von F.D.P. und PDS zeigen zumindest,
wie sehr offenbar auch andere Parlamentarier in anderen
Parteien von den Mittelständlern auf die bestehenden
Probleme aufmerksam gemacht worden sind.
Allerdings fällt beim Antrag der PDS schon auf: Dies
ist mehr eine wilde Mixtur, die eine Unzahl verschiedener Fristen für Erkenntnis-, Mahn- und Vollstreckungsverfahren enthält. Bemerkenswert ist, daß nach Ansicht
der PDS die Finanzämter und Sozialkassen zu Inkassostellen der Unternehmen werden sollen, da nach dem
Willen der PDS die Unternehmen fällige Steuer- oder
Sozialabgabenzahlungen dadurch erfüllen können, daß
sie vollstreckbare Titel gegen Dritte an das Finanzamt
abtreten. Dagegen ist ja primär nicht unbedingt etwas
einzuwenden, aber Sie wollen das offenbar mit der Folge, daß das Ausfallrisiko für diese Forderungen vom
Staat und damit vom Steuerzahler getragen wird. Eines
dürfte doch auch Ihnen klar sein: Wir wollen praktikable
und sinnvolle Regelungen zur Verbesserung der Zahlungsmoral. Das kann aber nicht dazu führen, daß der
wirtschaftliche Forderungsausfall letztendlich vom Staat
und damit vom Steuerzahler zu zahlen ist. Das sind
vielleicht Vorschläge aus Zeiten der Planwirtschaft, aber
die ist vorbei.
Des weiteren will auch die PDS unter anderem den
Anspruch auf Sicherheitsleistung bei Baumaßnahmen
nach § 648 a auf private Häuslebauer ausdehnen. Hier
wird der Gedanke des Verbraucherschutzes nicht gerade
gepflegt, denn indirekt werden damit die Baukosten für
das Eigenheim verteuert. Zudem wird verkannt, daß der
typische Bauauftrag für ein Familieneigenheim in der
Regel bankfinanziert und damit so gesichert ist, daß dort
kein Regelungsbedarf besteht.
({2})
Wenn man sich nun mit dem Antrag der F.D.P. beschäftigt, wird man feststellen, daß er in vielen Punkten
ähnliche Ziele verfolgt wie unser Gesetzentwurf. Im übrigen wiederholen sich darin aber auch Forderungen, die
in einem gemeinsamen Antrag mit der CDU/CSUFraktion im vergangenen Jahr bereits beschlossen wurden.
Die Forderung der F.D.P., darüber hinaus unter anderem für Schuldbeträge unter 30 000 Euro ein vereinfachtes Gerichtsverfahren durchzuführen, das bei unstrittiger Forderung innerhalb von 60 Tagen zu einem
unanfechtbaren Vollstreckungstitel führt, entspricht ja
den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges. Da haben Sie dann
schon ein bißchen nachgesehen.
Für das problemlos durchlaufende Mahnverfahren ist
das sicherlich eine interessante und wünschenswerte Regelung. Was aber ist mit strittigen Forderungen? Nach Ihren Vorgaben sollen diese Verfahren in 90 Tagen erledigt
werden; Sie setzen also eine Frist von 90 Tagen.
Ich frage mich zum einen, welche Konsequenzen
denn nach Ihrer Ansicht gezogen werden müssen, wenn
die Frist überschritten wird. Handelt es sich dann um einen Staatshaftungsfall, oder wie ist dies zu regeln?
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie dieses vereinfachte Verfahren bei strittigen Forderungen aussehen
soll? Soll zur Einhaltung der Frist auf die Beweisaufnahme verzichtet oder der Anwaltszwang beseitigt werden? Auch dazu schweigen Sie. Ich hielte beides für bedenklich und kontraproduktiv.
Gerade in einem streitigen Bauprozeß ist es doch leider oftmals notwendig, daß es zu einer Beweisaufnahme
und zur Einschaltung von Sachverständigen kommt. Die
Verfahrensdauer ist in diesen Fällen aber meist nicht
mehr vorhersehbar. Wie kann dann eine Frist von
90 Tagen eingehalten werden? Was ist die Folge, wenn
die Frist nicht eingehalten wird?
Das Ziel einer Verfahrensbeschleunigung ist klar;
dies ist auch sinnvoll. Wir dürfen aber die Judikative
nicht so beschneiden, daß keine ordentlichen Urteile
mehr zu erwarten sind. Dies nämlich hätte den gegenteiligen Effekt.
({3})
- Es wird eine Zwischenfrage gewünscht?
Bitte.
Frau Kollegin, teilen Sie mit
mir die Auffassung, daß es zweckmäßig wäre, die Justiz
personell und sachlich so auszustatten, daß sie in der
Lage ist, Bauprozesse zügig durchzuführen?
Selbstverständlich,
das ist auch unser Wunsch. Wie aber können Sie trotz
guter Ausstattung der Justiz sicherstellen, daß binnen
einer bestimmten Frist das Verfahren komplett, einschließlich Beweisaufnahme und Sachverständigengutachten, abgeschlossen werden kann? Diese Frage bleibt.
({0})
- Auch ich kann das feststellen, gar keine Frage. Das ist
aber hier nicht das alleinige Problem.
Der gegenteilige Effekt wäre: Die Zahl der Berufungen oder Revisionen würde sprunghaft ansteigen. Die
Gerichte würden stärker denn je belastet. Zudem hätte
dies für die Verfahrensbeteiligten das Risiko höherer
Anwalts- und Prozeßkosten zur Folge.
Folgte man dem F.D.P.-Antrag in einem weiteren
Punkt und würde man zur Verbesserung der Position des
Bauunternehmers in dem Verfahren auch noch eine
erleichterte Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung „zum Schutz der Gläubigerrechte“ Vorschriften
fordern, stellte sich natürlich die Frage, ob dieser Interessenausgleich nicht zu sehr zu Lasten der Schuldner
geht. Es ist heute schon einmal gesagt worden: Der
Gläubiger auf der einen Seite ist oftmals der Schuldner
auf der anderen Seite.
Ich komme zum Schluß: In Anbetracht der Fülle von
Ideen und Vorschlägen, die heute geäußert wurden, denke ich, daß wir in den beteiligten Ausschüssen eine rege
Diskussion führen werden. Diese wird uns dann hoffentlich zu dem Ziel führen, endlich etwas für die mittelständische Bauwirtschaft zu tun.
({1})
Sie braucht schnelle und vor allen Dingen praktikable
Lösungen. Wir bieten mit diesem Gesetzentwurf eine
gute Grundlage dafür an. Ich hoffe, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, daß Sie
die diesmal gemeinsam mit uns erarbeiten und daß es
nicht ein ähnliches Fiasko gibt wie bei den 630-MarkJobs und den Regelungen zur Scheinselbständigkeit. Auf
weitere Geschenke dieser Art können die Betriebe und
Firmen nämlich verzichten.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Dirk Manzewski.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dem hier zu diskutierenden Gesetzentwurf der CDU/CSU - auf diesen
möchte ich besonders eingehen - geht es um die Verbesserung der Durchsetzung von Forderungen der Bauhandwerker. Das dem Gesetzentwurf zugrunde liegende
Problem ist bekannt und hat insbesondere in den neuen
Bundesländern - darauf hat der Kollege Luther zu Recht
hingewiesen - zum Teil zu dramatischen Entwicklungen
in der Bauwirtschaft geführt. Insoweit wird die Intention
des Gesetzentwurfs vom Grundsatz her völlig geteilt.
Nicht nur, daß Handwerkern und mittelständischen
Bauunternehmern in den letzten Jahren mehrere Milliarden Mark durch uneinbringliche Forderungen verlorengingen. Auch die Zeiträume, innerhalb derer heutzutage
fällige Forderungen üblicherweise beglichen werden,
werden zunehmend länger. Gerade kleinere und mittlere
Unternehmen kommen hierdurch oft in erhebliche Bedrängnis, weil sie eben nicht über eine hinreichende Kapitaldecke verfügen. Es besteht also eindeutig Regelungsbedarf. Ich persönlich sehe in den Entwürfen von
CDU/CSU und F.D.P. viele richtige Ansätze.
Unabhängig davon, daß wir bei allem stets die Ausgewogenheit der Rechte von Bestellern und Unternehmern im Auge behalten müssen, halte ich den Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Regelung der Problematik
für nicht umfassend genug und in Teilbereichen für
nicht effektiv.
Der Kollege Luther - leider ist er nicht mehr da - hat
vorhin bemängelt, daß wir nicht konkreter werden. Ich
möchte das an dieser Stelle machen und einige Bedenken äußern.
Es ist für mich nicht ersichtlich - die Kollegin Hoffmann hat bereits darauf hingewiesen -, warum Sie mit
Ihrem Gesetzentwurf allein die Stellung der Bauhandwerker verbessern wollen und sich Ihr Antrag nicht auf
das gesamte Werkvertragsrecht erstreckt, da sich das
Problem der mangelnden Zahlungsmoral nicht nur im
Baubereich wiederfinden läßt.
Soweit die Integration des Gesetzes zur Sicherung
von Bauforderungen, kurz GSB genannt, in das BGB
beabsichtigt ist, glaube ich kaum, daß dies zur schnelleren Begleichung und Durchsetzung von Forderungen
nennenswert beitragen kann. Nach meiner Auffassung
hat das GSB nur deshalb eine geringe Bedeutung erlangt, weil es eben nicht zu einer beschleunigten Zahlung des Werklohns führt. Das GSB verpflichtet nämlich
lediglich dazu, eingehende Baugelder und ihre Verwendung in Baubüchern festzuhalten. Aber in ihm wird
überhaupt nichts darüber ausgesagt - dies ist doch der
entscheidende Punkt, über den wir heute diskutieren -,
ob und aus welchen Gründen Baugelder zurückgehalten
werden können.
Das gleiche gilt für die begehrte richterliche Vorabverfügung. Dieses Instrument würde nur dann zu einer
beschleunigten Zahlung beitragen können, wenn die Gerichte von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen
würden. Dies ist jedoch mehr als zweifelhaft, insbesondere deshalb, weil der Vorschlag überhaupt keine Kriterien dafür enthält, wann diese Verfügung erlassen werden soll. Es ist deshalb zu erwarten, daß die Gerichte
von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen werden, um sich nicht dem Vorwurf der Willkür auszusetzen und um nicht den eigentlichen Bauprozeß zu erschweren. Ich als Richter am Landgericht a.D. hätte jedenfalls in der Praxis damit erhebliche Probleme.
Ich stimme mit Ihnen aber darin überein, daß ein
wesentliches Problem sicherlich darin zu sehen ist, daß
fällige Zahlungen oft unter Berufung auf angebliche
Mängel zurückgehalten werden, die dann erst in einer
umfangreichen Beweisaufnahme aufgeklärt werden
müssen. Auch wenn die Abnahme nur wegen geringfügiger Mängel verweigert wird, hat dies nach der
bisherigen Rechtslage zur Folge, daß der gesamte
Werklohn nicht fällig wird und auch die Verzugsfolgen
nicht eintreten.
Es stellt sich daher durchaus die Frage, ob solche
Mängel zum Anlaß genommen werden dürfen, gleich
den Eintritt der Fälligkeit der Vergütung insgesamt zu
verhindern, oder aber, ob der Besteller die Abnahme erbrachter Werkleistungen dann nicht mehr verweigern
darf, wenn nur noch geringfügige oder die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigende Mängel vorliegen.
Wichtiger wäre aber nach meiner Auffassung die Prüfung, ob dem Unternehmer nicht die Möglichkeit eröffnet werden kann, die Fälligkeit des Werklohns schneller
und effizienter herbeizuführen und hierbei die bereits
bestehenden Verfahren zur beschleunigten Durchsetzung von Forderungen zu nutzen.
Hier möchte ich Ihnen eine Idee vortragen, über die
wir in der Zukunft diskutieren können. Eines der Kernprobleme des Werkvertrags besteht doch in dem Phänomen des sogenannten Justizkredits, das heißt, in dem
Verhalten des Bestellers, unter Berufung auf angebliche
Mängel die Abnahme und die Werklohnzahlung zu verweigern und es auf ein langwieriges Gerichtsverfahren
ankommen zu lassen, um so die Zahlung unter Zuhilfenahme der prozessualen Möglichkeiten so lange hinauszuzögern, bis sich das Unternehmen auf zum Teil verlustbringende Abzüge einläßt, weil es den Zeitraum bis
zum Eingang der Zahlung nicht mehr überbrücken kann.
Es wäre in solchen Fällen daran zu denken - das ist
meine Idee -, die Vergütung für erbrachte mängelfreie
Werkleistungen bereits dann fällig werden zu lassen,
wenn dem Unternehmer unter Vorlage eines schriftlichen
Vertrages von einer unabhängigen Stelle bescheinigt werden würde, die versprochene Werkleistung oder in sich
abgeschlossene Teile hiervon mangelfrei erbracht bzw.
nach ihrer Überprüfung etwa vorhandene Mängel beseitigt zu haben. Die Bescheinigung könnte sodann im Rahmen des zügigeren Urkundenprozesses eingebracht und
über den Anspruch dementsprechend durch sogenanntes
Vorbehaltsurteil schneller entschieden werden. Der Besteller wäre dabei nicht schlechtergestellt, da er seine
Rechte im Nachverfahren wahrnehmen könnte und dann
von vornherein wüßte, daß er mit der Berufung auf nicht
vorhandene Mängel ein hohes Risiko eingehen würde.
Ich würde es auch für wirkungsvoll halten, eine § 16
Abs. 1 VOB/B entsprechende Regelung in das BGB einzuführen. Nach geltendem Recht der BGB-Werkverträge ist der Unternehmer zur Zeit verpflichtet, die von
ihm zu erbringende Werkleistung vollständig vorzufinanzieren. Seine Vergütung wird erst dann fällig, wenn
er seinerseits vollständig geleistet hat. Dies ist unter den
heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten kaum mehr
zumutbar. Der Besteller von Werkleistungen könnte daher verpflichtet werden, für abgeschlossene Teile der
Leistung Abschläge zu zahlen. In der Praxis wird dies in
vielen Fällen ohnehin schon individuell vereinbart.
Kollege Funke, mir geht es nur darum, dies vielleicht
auch gesetzlich zu verankern.
Da Kritik allein einen bekanntlich nicht weiterbringt,
werden die Koalitionsfraktionen unverzüglich einen
eigenen Gesetzentwurf einbringen, über den noch vor
der Sommerpause eine erste Lesung stattfinden sollte.
({0})
- Dann sind wir uns ja einig. - Die Diskussion sollte
dann zwingend im Zusammenhang mit einer Anhörung
im Rechtsausschuß erfolgen, da nach meiner Auffassung
noch eine Reihe von Fragen bezüglich dieser Thematik
zu klären sind. Ich hoffe, daß Sie uns auf diesem Weg
konstruktiv begleiten werden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Der Abgeord-
nete Peter Friedrich von der SPD hat darum gebeten, aus
Krankheitsgründen seine Rede zu Protokoll geben zu
dürfen.*) Wir entsprechen seiner Bitte und wünschen
ihm gute Besserung.
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 14/673 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zu den Anträgen der Fraktion der F.D.P.
auf Drucksache 14/567 sowie der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/799. Interfraktionell wird Überweisung an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Die Federführung soll beim Rechtsausschuß lie-
gen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14a bis 14c auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Christine Ostrowski, Gerhard Jüttemann, Dr. Evelyn
Kenzler, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der
PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes zur Regelung der
Miethöhe
- Drucksache 14/461 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({0})
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
____________
*) Anlage 2
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Christine Ostrowski, Dr. Christa Luft, Gerhard Jüttemann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Aufhebung des Altschuldenhilfe-Gesetzes
({1})
- Drucksache 14/568 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
({2})
Finanzausschuß
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
Haushaltsausschuß
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christine Ostrowski, Dr. Ilja Seifert, Dr. Winfried Wolf
und der Fraktion der PDS
Novellierung des Eigenheimzulagengesetzes
- Drucksache 14/471 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß ({3})
Rechtsausschuß
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Die PDS soll
in der Aussprache sieben Minuten Redezeit erhalten. Widerspruch gibt es nicht. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
die Abgeordnete Christine Ostrowski.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Altschuldenhilfe-Gesetz ist
weder alt, noch kann von richtiger Schuld und Hilfe die
Rede sein.
({0})
Seine innere Logik ist erstens Schuldanerkenntnis und
Abschluß eines Kreditvertrages, zweitens, daß eine
Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung
ausgeschlossen ist, und drittens setzt erst dann Teilentlastung mit gleichzeitiger Privatisierung ein.
Die PDS hielt die Altschuldenkonstruktion immer für
juristisch fragwürdig und wirtschaftlich falsch und lehnte
sie einschließlich der Folgeregelungen in der Logik des
Gesetzes konsequent ab. Das alles hatte nichts mit geordneter Umwandlung der DDR-Subventionswirtschaft in
materielle Schulden im Sinne der Rechtsordnung der
Bundesrepublik zu tun. Das ist hinreichend bekannt und
darüber hinaus Geschichte. Aber auf folgendes weise ich
mit Nachdruck hin: Die Teilentlastung von fiktiven
Schulden ist nur ein fiktiver Gewinn. Erst mit der Anerkennung dieser Fiktion durch alle Betroffenen entstanden
tatsächliche materielle Folgen.
Ferner hielt die PDS speziell bei der Wohnungswirtschaft den aberwitzigen Glauben an die Wunderkraft
von Markt und Privatisierung immer für illusionär. Jeder, der sich nüchtern mit den Fakten beschäftigte,
konnte, ja mußte wissen, daß die Voraussetzungen für
eine breite Privatisierung an Mieter nicht gegeben waren
und für überschaubare Zeit nicht gegeben sein werden.
Trotzdem wurde das Gesetz in die Welt gesetzt.
Das Gesetz hat aber in der Praxis nie funktioniert.
Nur ein Fünftel der Unternehmen erfüllte die Privatisierungsauflage, nur 30 Prozent der Wohnungen gingen an
Mieter. Die alte Regierung gestand das nie ein. Um
handlungsfähig zu bleiben, hat sie am Gesetz nichts verändert, aber zigmal herumgedoktert.
Aus Mieterprivatisierung wurde Verkauf an Zwischenerwerber, also an Kapitalgesellschaften, deren
primärer Zweck in der Mitnahme lukrativer Steuervergünstigungen bestand. Aus 15 Prozent Mieterverkauf das ist das Problematische - wurde eine Umwegprivatisierung von 5 Prozent; denn 30 Prozent der von Zwischenerwerbern an Mieter zu privatisierenden Bestände
sind eben mathematisch nur ein Drittel der von ihnen
gekauften 15 Prozent. Die Abführungsquote wurde abgeflacht, das Nicht-vertreten-Müssen eingeführt usw.
Dieser Vorgang ist so weit fortgeschritten, daß sich
auch Rotgrün daran gewöhnt zu haben scheint, nur noch
die kleine Lösung für politisch durchsetzbar zu halten,
wie die letzten Beschlüsse des Lenkungsausschusses
zeigen. Nichts gegen diese Besserungen, aber es stellt
sich die Frage, ob sich die neue Koalition den Fehlern
ihrer Vorgänger verpflichtet fühlen muß und so lange
nachbessern will, bis sich das Gesetz in Luft aufgelöst
hat.
Es ist Zeit für einen Schlußstrich. Wir wollen das Gesetz aufheben und folgen mit der Aufhebung seiner inneren Logik:
({1})
Erstens. Schuldanerkenntnisse und Kreditverträge sind
unwirksam. Zweitens. Weitere Kredittilgung und
Zinszahlung entfallen. Drittens. Privatisierungsauflagen
entfallen. Viertens. Unternehmen, die Erlöse abgeführt
haben, werden die Erlöse zurückerstattet. Diese werden
für die Sanierung des Wohnungsbestandes eingesetzt.
Das ist sinnvoll, dringend erforderlich und gerecht. Es
ist auch finanziell möglich. Die Relation zeigt nämlich,
daß die Erlösabführungen von 180 Millionen DM im
Jahr 1999 ganze 0,3 Prozent der Einnahmen des Erblastentilgungsfonds ausmachen. Aber im Ost-Wohnungsbestand eingesetzt, würden diese Einnahmen Haushaltsreduzierungen ausgleichen. Ich nenne zur Erinnerung:
minus 36 Millionen DM für die Städtebauförderung und
minus 67 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau.
Investitionsfähigkeit und Kreditwürdigkeit der Unternehmen würden sich erhöhen. Positive Auswirkungen
auf Bauwirtschaft und Arbeitsmarkt wären zu erwarten.
Aber diese und andere Details können wir ausgiebig im
Ausschuß diskutieren. Jedenfalls ist nur die Aufhebung
wirkliche Hilfe, alles andere ist Bastelei.
Sollten Ihnen unsere Anträge nicht gelegen kommen
und sollten wir Ihr Wohlwollen nicht erlangen, werden
wir selbstverständlich mit vielen Anträgen unseren Beitrag zu den bereits erwähnten kleinen Lösungen leisten.
Zum Eigenheimzulagengesetz. Wir wollen gesetzlich regeln, daß die Höhe der Forderung der Höhe der
Neubauförderung dann gleichgestellt wird, wenn der
Sanierungsaufwand der erworbenen Wohnung den Wert
der Altbausubstanz übersteigt. Menschen, die die ohnehin nervenaufreibende Bereitschaft aufbringen, ihren
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Wunsch nach eigenen vier Wänden im Althausbestand
zu erfüllen, würden damit in der Zulage denjenigen
gleichgestellt, die den viel leichteren Weg wählen, neu
zu bauen. Neben anderen nötigen Maßnahmen wäre dies
ein Schritt zur Stabilisierung der Wohnquartiere in
Kernstädten, der neue Zielgruppen erschließt und Abwanderung begegnet. Meiner Stadt Dresden kehrten
Tausende den Rücken, weil sie sich ihren Wunsch nach
Wohneigentum aus Kostengründen nicht erfüllen konnten. Die jetzige Eigenheimzulage mit ihren Einkommensgrenzen von 240 000 DM bei Verheirateten und
120 000 DM bei Ledigen fördert die Abwanderung auch
jener, die sich Wohneigentum aus eigener Kraft leisten
können.
Die von uns gewollte Reduzierung der Einkommensgrenzen auf 80 000 bzw. 160 000 DM war und ist auch
in der Koalition in der Diskussion. Die von dieser Reduzierung Betroffenen bilden eine relativ kleine Gruppe,
die nicht existentiell auf Förderung angewiesen ist. Das
übergeordnete Interesse der Innenstadtentwicklung
sollte uns etwaigen Ärger mit ihnen allemal in Kauf
nehmen lassen.
Die Einsparung aus dieser Kürzung dient der erhöhten Förderung der Sanierung des Althausbestandes. Bedenkt man darüber hinaus, daß die Lego-Siedlungen im
Umland durch Zersiedelung, Versiegelung, Verkehrsaufkommen und Straßenbau zu erhöhten direkten und
indirekten Kosten für die Allgemeinheit führen, dürfte
die Erhöhung der Zulage auch aus gesellschaftlicher
Sicht wünschenswert sein.
Mietspiegel in den neuen Ländern - es gibt übrigens
nur 41 - gelten nur noch bis zum 30. Juni dieses Jahres.
Wir wollen, daß sie weiter gelten.
({2})
Die Einbeziehung der Bestandsmieten hat sich nämlich
dämpfend auf die Vergleichsmiete ausgewirkt. Aber
auch die ehemaligen Bestandsmieten sind durch allgemeine Erhöhungen und Modernisierung gestiegen. Die
Umlagen für die Modernisierung von bis zu 5 DM pro
Quadratmeter und damit Mieten um 10, 11 DM - fast
wie im frei finanzierten Wohnungsbau - sind normal
geworden. Aber zum Beispiel kann ein Drittel der
Dresdner Haushalte Mieten über 9 DM nicht tragen und
muß daher in noch unsanierte, billige Wohnungen ausweichen, die aber auch bald saniert werden.
Bleibt die Frist, wirkt das mietpreiserhöhend; wird sie
gestrichen, wirkt das mietpreisdämpfend. Ersteres wollen wir verhindern. Das Einkommen der ostdeutschen
Bevölkerung und mangelnde Kaufkraft sprechen dafür.
Den Vermietern ist diese Entwicklung zuzumuten; die
Kommunen sparen Kosten. Nicht zuletzt lohnt sich auch
im Hinblick auf die Erarbeitung eines neuen Mietrechts
die Prüfung der Wirkung der Einbeziehung von ehemaligen Bestandsmieten in die Mietspiegel.
Meine Damen und Herren, wir haben drei Anträge
vorgelegt. Prüfen Sie sie unvoreingenommen, und
stimmen Sie ihnen zu! Sie wissen ja: Aller guten Dinge
sind drei.
({3})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Dr. Christine Lucyga.
Frau Präsidentin!
Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Wohnungs- und
Mietenpolitik ist in den letzten Jahren in der politischen
Diskussion trotz des wachsenden Problemdrucks mehr
und mehr ins Hintertreffen geraten. Was wir jetzt zu leisten haben, ist sehr komplex, denn wir werden uns einer
Reform der gesamten Wohnungspolitik stellen müssen,
um zu wohnungspolitisch und haushaltspolitisch sinnvollen Lösungen zu kommen.
Ungeachtet dessen, daß uns mit dem Eigenheimzulagengesetz ein gutes Gesetz gelungen ist, stehen wichtige, von der alten Bundesregierung viel zu lange verschleppte Reformen nach wie vor auf der Tagesordnung:
die Vereinfachung des Mietrechts, die Verbesserung des
Wohngeldes und die Reform des sozialen Wohnungsbaus. Unter den Reformvorhaben dieser Legislaturperiode findet sich die notwendige Wohngeldreform zum
1. Januar 2000. Wer einen früheren Zeitpunkt will, übersieht, daß die alte Bundesregierung die Novelle jahrelang verschleppt hat.
({0})
Wir werden uns bei der Förderung des Mietwohnungsbaus mit neuen Ansätzen auseinanderzusetzen haben und dabei auch strukturelle Überlegungen innerhalb
unseres Etats anstellen müssen. Denn vor dem Hintergrund eines Haushaltsdefizits von 20 Milliarden DM
und angesichts von Mehrausgaben in Milliardenhöhe für
den Familienlastenausgleich in Übereinstimmung mit
dem jüngsten Verfassungsgerichtsurteil, dessen Umsetzung für uns hohe Priorität hat, werden wir zwar keine
Wunder vollbringen können, wohl aber Machbares leisten.
Zwischen Utopie und Wirklichkeit stehen wir dagegen bei den drei jetzt vorliegenden Anträgen und Gesetzentwürfen der PDS, die Problembereiche ansprechen, in denen wir bereits zum Teil Handlungsbedarf signalisiert haben und - wie zum Beispiel bei den im
Lenkungsausschuß jetzt gerade beschlossenen Erleichterungen bei der Umsetzung des AltschuldenhilfeGesetzes - auch erste Schritte gegangen sind. Diese Regelungen schaffen für eine ganze Reihe von Wohnungsunternehmen klare Verhältnisse. Über 700 von ihnen
werden damit bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, wie hohe Leerstände in strukturschwachen Gebieten, bereits aus der Privatisierungspflicht entlassen.
Durch die Erweiterung der Ausnahmeregelung zur vorzeitigen Befreiung von der Privatisierungspflicht wird
eine größere Anzahl von Wohnungsunternehmen - wir
schätzen, ungefähr 100 - ebenfalls sofort entlastet werden. Mit dem Wegfall der jährlichen Berichtspflicht
über Privatisierungen und Investitionen werden die
Wohnungsunternehmen von bürokratischem Aufwand
befreit und können die dafür verwendeten Kräfte sinnvoll anders zum Tragen bringen.
Diese unterhalb der Gesetzesebene geschaffenen Erleichterungen sind für uns ein erster Schritt zur Umsetzung unserer erklärten Absicht, Fehler des AltschuldenChristine Ostrowski
hilfe-Gesetzes zu korrigieren. Wir wissen, daß weiterhin
Probleme bestehen und werden weitere Korrekturen mit
der Wohnungswirtschaft und den neuen Bundesländern
abstimmen.
So werden wir den ostdeutschen Wohnungsunternehmen helfen, sich Schritt für Schritt und mit vertretbarem Aufwand von den Verpflichtungen des Altschuldenhilfe-Gesetzes zu befreien. Dabei geht es - das betone ich nochmals - um Lösungen mit Augenmaß und
nicht darum, das Kind mit dem Bade auszuschütten, was
mit dem Gesetzentwurf der PDS geradezu angelegt ist.
({1})
- Regen Sie sich nicht auf, Frau Ostrowski, es ist so.
Erklärte Zielstellung dieses Entwurfes ist es, das Altschuldenhilfe-Gesetz nicht nur abzuschließen, sondern
es komplett rückgängig zu machen. Wie das nach sieben
Jahren allerdings gehen soll, ohne neue Ungerechtigkeiten in die Welt zu setzen, bleibt wohl das Geheimnis
der Antragsteller, die als Patentlösung eine Änderung
des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vorschlagen, und zwar dergestalt, daß
Privatisierungserlöse, die bereits gezahlt wurden, aus
dem Erblastentilgungsfonds zurückgezahlt werden
sollen. Ich möchte an dieser Stelle ganz nachdrücklich
davor warnen, den Erblastentilgungsfonds als Sparschwein für ungedeckte Schecks aller Art anzusehen.
Denn auf Grund eng bemessener finanzieller Spielräume
- vom Verwaltungsaufwand sollte gar nicht erst gesprochen werden - können weder der Bund noch die am Erblastentilgungsfonds beteiligten Länder dieses Paket noch
aufschnüren.
Frau Kollegin,
gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ostrowski?
Nein, ich habe Frau
Ostrowski schon lange genug zugehört und möchte jetzt
keine Zwischenfrage mehr zulassen.
({0})
Daß die Antragsteller selbst eine punktuelle Novellierung einiger Bestimmungen des AltschuldenhilfeGesetzes als Alternative nennen, spricht für den von
Bundesminister Müntefering eingeschlagenen Weg.
Was den Antrag auf Novellierung des Eigenheimzulagengesetzes angeht, so stimmen wir mit Ihnen darin
überein, daß eine höhere Förderung des Bestandserwerbs aus wohnungspolitischer Sicht Sinn macht. Keinen oder wenig Sinn macht allerdings - wie im Antrag
der PDS vorgeschlagen - eine Förderung in Höhe der
Neubauförderung bei entsprechenden Investitionen, denen auch Eigenarbeit zugerechnet werden könnte. Nicht
zuletzt wäre damit wohl jedes Finanzamt überfordert.
({1})
Als Gegenfinanzierung für eine erhöhte Förderung
des Bestandserwerbs wird eine Absenkung der Einkommensgrenzen vorgeschlagen, die auch für uns kein
Tabu ist. Angesichts der schwierigen Haushaltslage
werden wir jedoch Umschichtungen im Bauetat nur mit
eindeutigen Prioritätensetzungen vornehmen. Dabei
steht die Wohngeldnovelle nun einmal an erster Stelle.
({2})
Kollegin
Ostrowski, ich hatte die Rednerin eben so verstanden,
daß überhaupt keine Zwischenfragen mehr zugelassen
werden. Oder sind Sie jetzt anderer Meinung, Frau
Lucyga?
Ich möchte keine
Zwischenfragen zulassen.
({0})
Zu hinterfragen wäre auch, inwieweit eine verstärkte
Bestandsförderung in der von der PDS vorgeschlagenen
Form zu stark zu Lasten des Neubaus gehen würde.
Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Auch wir
geben der Bestandserneuerung einen hohen Stellenwert; so ist es auch im Koalitionsvertrag niedergelegt.
Aber wir werden andere Wege gehen, zum Beispiel den,
das Zusammenwirken der Förderinstrumente effizienter
zu gestalten und bestimmte Fördernotwendigkeiten neu
zu definieren.
Bei der weiteren Behandlung des Antrages unter Federführung des Finanzauschusses wird alles Notwendige
dazu gesagt werden.
Schließlich steht ein Antrag der PDS zur Regelung
der Miethöhe auf der Tagesordnung, in dem verlangt
wird, die in § 12 Abs. 7 des Miethöhegesetzes vorgesehene Befristung für die Mietspiegel Ost bis zum 30. Juni
1999 aufzuheben. Diese Befristung war eine Übergangsvorschrift, die für die Aufstellung der ersten ostdeutschen Mietspiegel zur Überleitung der Mieten in
den neuen Bundesländern ins Vergleichsmietensystem
geschaffen wurde. Damit wurde der Anteil des aus dem
Mietenüberleitungsgesetz stammenden preisgebundenen
Wohnungsbestandes berücksichtigt, der laut Miethöhegesetz ansonsten nicht in den Mietspiegel gehört hätte.
Inzwischen hat sich die Mietensituation in den neuen
Bundesländern aber deutlich verändert. Wir alle wissen,
eines der gravierendsten Probleme ist mittlerweile für
zahlreiche Wohnungsunternehmen der hohe Leerstand.
Diese Leerstände werden zum Problem. Das alles hat
dazu geführt, daß es im Mietenniveau keine nennenswerten Bewegungen mehr gibt.
({1})
Nach Angabe der großen kommunalen Wohnungsunternehmen ist seit dem 1. Januar 1998 in den neuen
Bundesländern von Mieterhöhungen kaum Gebrauch
gemacht worden,
({2})
da Leerstände von 3 bis 5 Prozent die Wohnungsunternehmen geradezu zwingen, die Wohnungen günstiger
anzubieten.
({3})
- Lesen Sie einmal die Statistiken nach!
({4})
- Vergleichen Sie einmal die Mietspiegel und sehen Sie
sich bitte einmal an, was dazu auf kommunaler Ebene
gesagt wird. Ich denke, das schafft für uns Handlungsbedarf an ganz anderer Stelle.
({5})
Wenn also die PDS in ihrem Gesetzentwurf von einer
Verlängerung der Geltungsfrist für die ersten ostdeutschen Mietspiegel eine mietpreisdämpfende Wirkung
erwartet, dann widerspricht das der gegenwärtigen Situation. Nach Ihrer Logik müßten Sie jetzt eigentlich
einen neuen Mietspiegel fordern, um die günstige
Marktlage zu nutzen.
Die Arbeit an den zweiten Mietspiegeln in mehreren
ostdeutschen Kommunen, die wiederum unter Beteiligung von Mieter- und Vermieterverbänden erstellt werden, deutet darauf hin, daß aufgrund der Marktverhältnisse keine Korrekturen nach oben zu befürchten sind.
({6})
Deshalb könnte eine Aktualisierung des Mietspiegels
wohl nicht schaden.
Mit einer Verlängerung der zeitlichen Befristung der
ersten ostdeutschen Mietspiegel über den 30. Juni 1999
hinaus wäre außer einer kurzen zeitlichen Verschiebung
nichts gewonnen;
({7})
denn eine unbegrenzte Geltungsdauer für Mietspiegel
sieht das Miethöhegesetz, und zwar aus gutem Grund,
nicht vor.
Anstatt weiterhin an Sonderregelungen für die neuen
Länder festzuhalten, die im Kern nicht mehr ihren
Zweck erfüllen, sollten wir daran arbeiten, daß das
Thema Miethöhe und Mietspiegel in dem noch in diesem Jahr aus dem Bundesjustizministerium zu erwartenden Gesetzentwurf zur Neuregelung des Mietrechts in
sachgerechter Form vorkommt und daß darin eine Lösung der Probleme gefunden wird.
Abschließend möchte ich Ihnen, Frau Ostrowski, folgendes sagen: Ich weiß, daß im Mai in RostockWarnemünde der Deutsche Mietertag stattfindet und daß
solche Anträge natürlich immer einen guten Eindruck
machen. Nur, Ihr Antrag liegt in der Sache völlig daneben.
({8})
Das wollte ich hier noch einmal deutlich gesagt haben.
({9})
Für die Fraktion der
CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Dietmar Kansy.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen, wie auch die bisherige Debatte gezeigt
hat, gibt es außerhalb der PDS erfreulicherweise niemanden - weder bei den hier vertretenen Fraktionen
noch in der Wohnungswirtschaft -, der den positiven
und unverzichtbaren Beitrag des AHG vom Juni 1993
für die marktwirtschaftliche und sozialgerechte Umgestaltung des Wohnungswesens in den neuen Bundesländern in Zweifel gezogen hat.
({0})
- Angesichts der fortgeschrittenen Zeit möchte ich es
Ihnen ersparen, Ihr begrenztes Erinnerungsvermögen
auszugleichen und Sie daran zu erinnern, wie diese
Städte und Dörfer - mit Ausnahme von Wandlitz - noch
vor zehn Jahren ausgesehen haben. Ihr Auftreten hier ist
schlicht arrogant.
({1})
Das Gesetz hat den Weg freigemacht zur Bewältigung einer großen Modernisierungsaufgabe und zur
Stärkung der privaten Wohnungseigentumsbildung. Zugegebenermaßen ist man damals davon ausgegangen,
daß die Mieter in wesentlich stärkerem Umfang, als es
nachher tatsächlich geschehen ist, Wohneigentum bilden
würden.
Bereits die alte Bundesregierung hat 1996 mit einer
deutlichen Abflachung der Erlösabführungsquote die
Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Privatisierungsziele bis zum Jahre 2003 erfüllt werden können.
Herr Kollege Grossmann, heute Staatssekretär, wie in
vielen Bereichen der Wohnungsbaupolitik scheint heute
aus dem rotgrünen Lager keine wesentliche Änderung
dieser Politik mehr ersichtlich zu sein. Ich erinnere mich
noch an Forderungen wie die nach Linearisierung der
Erlösabführung, nach genereller Befreiung der Wohnungsgenossenschaften, nach Streckung des Gesetzes
um drei Jahre und vieles andere. Ich mache Ihnen das
nicht zum Vorwurf. Nur, wenn hier gesagt wird, Sie
hätten noch vor wenigen Monaten anders als heute geredet, dann ist das leider wahr.
Die Umsetzung des PDS-Antrags würde saldiert
milliardenschwere Folgen für die öffentlichen Kassen
bedeuten. Zu diesen Problemen kämen noch Probleme
bei einigen Kreditinstituten hinzu. Aber wir wissen aus
entsprechenden Anträgen der letzten Wochen und Monate, daß das für die PDS wohl keine wesentliche Rolle
spielt.
Ich möchte noch eine Anmerkung zum aktuellen
Konzept der Bundesregierung, soweit erkennbar - ich
denke an die Beschlüsse des Lenkungsausschusses von
Ende März -, machen. Im Grundsatz finde ich es begrüßenswert, daß die Linie, die die alte Koalition eingeschlagen hatte, im wesentlichen fortgeführt wird. Der
Grundsatz ist richtig, jenseits von ständigen gesetzlichen
Änderungen einen Weg zu suchen - sei es über die
KfW, den Lenkungsausschuß usw. -, den Vollzug dieses
Gesetzes an die erforderlichen Änderungen, die sich aus
der Verwaltungspraxis ergeben, anzupassen.
In der jetzt vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion zu den
Beschlüssen von April 1998 sehe ich Ansatzpunkte, in
der bewährten Art und Weise fortzufahren. Wir bieten
jedenfalls auch aus der Opposition heraus unsere Mitarbeit an.
Wir möchten aber eines klar sagen: Wir erteilen weiterhin allen Bestrebungen eine Absage, das AHG in seinen Kernpunkten auszuhebeln, nach dem Motto: Die
Ehrlichen, also die Unternehmen, die die Privatisierungsauflagen bereits umgesetzt haben, sind die Dummen. Das kann nicht das Ergebnis sein.
({2})
Auch der PDS-Vorschlag, mit einer Änderung des
Miethöhegesetzes ostdeutsche Sonderrechte bei der Aufstellung von Mietspiegeln auf Dauer beizubehalten, hat
wohl weniger - die Kollegin Lucyga sagte es schon mit der Mietenentwicklung in den neuen Ländern zu tun
als mit einer alten, verfehlten und übrigens gescheiterten
Vorstellung von Wohnungspolitik.
Worum geht es? Nach dem Miethöhegesetz bleiben
bei der Aufstellung von Mietspiegeln Mieten, die auf
Grund gesetzlicher Bestimmungen an Höchstbeträge
gebunden sind, außer Betracht. Diese Bestimmung galt
und gilt nicht für die neuen Länder, um deren Übergang in das Vergleichsmietensystem abzufedern. Mietspiegel, die erst nach dem 30. Juni dieses Jahres in Kraft
treten, sollten dann dieser Sonderregelung nicht mehr
bedürfen.
Obwohl seit dem 1. Januar 1998 die Vergleichsmiete
bekanntlich auch in den neuen Ländern gilt, sind die
Mieten in den neuen Bundesländern 1998 im Schnitt nur
um 1,4 Prozent gestiegen, und zwar sowohl bei Alt- wie
auch bei Neubauwohnungen. Jegliche Befürchtung von
damals, diesen Schritt der Angleichung und der marktwirtschaftlichen Normalisierung zu gehen, hat sich als
Panikmache erwiesen. Auch deswegen ist der PDSAntrag im Grunde Schnee von gestern.
({3})
Herr Kollege Kansy,
gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ostrowski?
Das tue ich
gern, auch wenn wir damit die Debatte unnötig verlängern. Bitte schön, Frau Kollegin.
Es ist charmant, Herr
Dr. Kansy, und ich bedanke mich, daß Sie mir die Frage
gestatten.
Sie sagten richtigerweise, daß die Mieten im Durchschnitt - wir wissen, was Durchschnitt hier bedeutet - um
1,4 Prozent gestiegen sind. Geben Sie mir recht, daß diese
Steigerung von 1,4 Prozent über dem Anstieg der Lebenshaltungskosten liegt? Geben Sie mir auch recht, daß die
durchschnittlichen Einkommen in Ostdeutschland noch
deutlich unter den westdeutschen Einkommen liegen?
Zunächst einmal
steigen auch die Lebenshaltungskosten zur Zeit etwa um
1,4 Prozent. Wir können feststellen, daß die Steigerungsrate
für Mieten in den letzten fünf Jahren Jahr für Jahr von
ehemals 5 Prozent - das betrifft jetzt nicht nur die neuen
Bundesländer - auf rund 1,0 Prozent - das ist die derzeitige
Mietsteigerungsrate - zurückgegangen ist und daß das nicht
auf den Erfolg irgendeiner bürokratischen Regelung, sondern auf eine angebotsorientierte, sozial flankierte Wohnungspolitik zurückzuführen ist.
({0})
Es gilt nach wie vor: Der beste Mieterschutz ist dann
gegeben, wenn die Rahmenbedingungen dafür sorgen,
daß Wohnungen gebaut werden. Davon lebt im Grunde
genommen auch die derzeitige Regierung.
Die restlichen Fragen besprechen wir nachher, damit
die Kollegen nicht warten müssen.
Ich wollte eben auf die dritte Initiative zu sprechen
kommen. Der Finanzierungsansatz hat doch Ähnlichkeiten mit dem Vorschlag, der zur Zeit aus dem grünen
und auch aus dem sozialdemokratischen Lager zu hören
ist, nämlich Einkommensgrenzen als Voraussetzung für
die Inanspruchnahme der Eigenheimzulage abzusenken.
Die 1995 übrigens auch mit den Stimmen der Sozialdemokraten, wie zu Recht gesagt wurde, vom Bundestag
beschlossenen Einkommensgrenzen lagen damals bei
120 000 DM für Ledige bzw. 240 000 DM für Verheiratete und liegen auch heute trotz der zwischenzeitlich
eingetretenen Preis- und Mietentwicklung noch auf diesem Niveau. Die PDS will jetzt eine Absenkung auf
80 000 bzw. 160 000 DM. Aber wenn ich Ihre Äußerung, Frau Eichstädt-Bohlig, gleich mitbewerten darf,
tendieren Sie ebenfalls dazu, diese Einkommensgrenzen
um ein Drittel abzusenken. Wenn ich die Kollegin
Dr. Lucyga eben richtig verstanden habe, hat sie sich
geistig auch schon damit angefreundet, obwohl wir damals über die Parteigrenzen hinweg das Eigenheimzulagengesetz, das Sie zu Recht als eines der besten Gesetze
bewertet haben, das wir in der letzten Legislaturperiode
gemacht haben, beschlossen haben.
({1})
Wir sollten nicht anfangen, durch eine Änderung der
Konditionen eines der besten Gesetze - wenn auch von
der damaligen Koalition, aber immerhin mit Ihrer Zustimmung beschlossen -,
({2})
das in nie gekannter Weise den Eigenheimbau in diesem
Lande beflügelt hat, der heute beim Abbröckeln der
Baukonjunktur in anderen Bereichen die letzte Hoffnung
mit Zuwachsraten von 15 Prozent ist, die Baukonjunktur
und die Eigentumsbildung in den neuen Ländern zu gefährden. Das gilt auch für den Bestandserwerb. Der
Wegfall des Vorkostenabzugs, der im Rahmen des sogenannten Steuerentlastungsgesetzes beschlossen wurde,
ist ein weiterer Schritt zur Demontage dieses damals
einvernehmlich beschlossenen Gesetzes.
Ich hatte schon darauf verwiesen, daß es bei Einfamilienhäusern eine Zuwachsrate von über 15 Prozent
gab, während der Bau von Zweifamilienhäusern und von
Mehrgeschoßwohnungen deutlich zurückging. Ich warne
nur davor, diesen Weg zu gehen. Ein Bürger, eine Bürgerin oder eine Familie, die Eigentum bilden will,
({3})
betrachten die Angebote des Gesetzgebers als ein Paket.
Es hat sich gezeigt, daß wir mit den Rahmenbedingungen dieses Gesetzes genau das Richtige getroffen haben
und daß es mit großen Schritten vorangeht.
({4})
Ich warne wirklich davor, auch im Zusammenhang mit
noch so begründeten Finanzierungslöchern an dieses
Gesetz heranzugehen.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hätte heute
gerne mit Ihnen auch schon über Wohngeld diskutiert.
Aber nachdem Sie sich bisher erfolgreich, notfalls mit
Geschäftsordnungsanträgen, verweigern, über unsere
Anträge abzustimmen, werden wir vielleicht im Juni dazu Gelegenheit bekommen, so hoffen wir. Wir werden
Sie - auch unsere Kollegin und Vizepräsidentin Anke
Fuchs, die ja gleichzeitig Präsidentin des Deutschen
Mieterbundes ist - spätestens zu diesem Zeitpunkt fragen müssen, wie Sie diesen Spagat zwischen ursprünglichen Ankündigungen von Ihnen und dem, was Sie machen, den Sie, Frau Eichstädt-Bohlig und die Koalition
in den letzten Monaten hier vollführt haben, aushalten
wollen: den Spagat zwischen einer rotgrünen Politik, die
mit dem Steuerentlastungsgesetz den Mietwohnungsbau
gefährden wird, und den Warnungen des Mieterbundes
vor einer neuen Wohnungsnot; zwischen einer rotgrünen
Politik, die den sozialen Wohnungsbau stärken wollte,
aber bereits heute um fast 20 Prozent gekürzt hat - und
wenn das richtig ist, was jetzt über die Agenturen
kommt, ist gestern in der Beratung des Haushaltsausschusses eine weitere Kürzung um 10 Prozent beschlossen worden -, und Ihren Warnungen vor einem Ende der
sozialen Wohnungsbaupolitik; zwischen Ihren Zusagen
noch wenige Tage vor der Wahl, unter Rotgrün werde es
keinen Verkauf der Eisenbahnerwohnungen geben, und
dem, was Sie heute machen; zwischen der Ankündigung, sofort und als Chefsache das Wohngeld spätestens
zum 1. Juli 1999 zu erhöhen, und dem bisherigen Nichthandeln in dieser Frage;
({5})
letztendlich auch zwischen Ihrer Politik, die mit der
Ökosteuerreform zum Preistreiber bei den Mietnebenkosten wird,
({6})
und den Ankündigungen der Mieterbundpräsidentin,
man müsse endlich etwas gegen die Zweitmietenexplosion tun. Dies alles wird zu besprechen sein.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt unsere Kollegin
Franziska Eichstädt-Bohlig.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen! Zunächst ein Kompliment für unsere
Kollegin Ostrowski und ihre wohnungspolitische Emsigkeit. Ich denke, ein bißchen Antreiben schadet nichts.
({0})
Damit müssen wir uns auseinandersetzen.
({1})
Zum ersten zum Antrag auf Verlängerung der Gültigkeit der Mietspiegel Ost: Im Prinzip ist das Ziel unterstützenswert. Es ist nur so, daß die Regierung der Meinung ist, daß die Panikmache nicht angebracht ist. Ich
kann das selbst noch nicht überprüfen, aber das Justizministerium sieht es so, daß die Mietspiegel bis zum
Ablauf der Zweijahresfrist, also bis 2000, durchaus ihre
Gültigkeit behalten. Von daher schlage ich einfach vor,
daß das im Rahmen der Beratungen in den Ausschüssen
geprüft wird und daß wir dann gemeinsam sehen, ob da
Handlungsbedarf besteht oder nicht. Ich denke, wir
sollten nicht jetzt große Auseinandersetzungen darüber
führen, ob der Antrag berechtigt ist oder nicht.
Zum zweiten zu Ihrem Antrag zum Eigenheimzulagengesetz: Richtig ist, daß wir als Grüne ganz besonders die Erneuerung von Bestandswohnungen, auch im
Eigentumsbereich, für unterstützenswert halten und daß
das Gesetz bestimmte Zweifelsfälle, in denen der Erneuerungsbedarf sehr groß ist, nicht eindeutig regelt.
Wir sollten im Ausschuß beraten, ob und wieweit es
notwendig ist, im Gesetz eine Präzisierung vorzunehmen
bzw. wieweit das Problem im Gesetzesrahmen zu lösen
ist. Dabei spielt natürlich auch die Kostenfrage eine
Rolle.
Mich hat an Ihrem Antrag, Frau Kollegin Ostrowski,
stutzig gemacht, daß Sie jetzt einen Finanzierungsvorschlag mit einem Geldvolumen machen, das Sie damit,
nachdem Sie sich in der letzten Legislaturperiode unserem Anliegen angeschlossen hatten, zum zweitenmal
verbraten. Das finde ich nicht ganz korrekt.
Richtig ist, Herr Kollege Kansy - wir haben das
schon mehrfach gesagt, zumindest wir Grünen haben
das hier immer wieder gefordert -, daß nicht das EigenDr.-Ing. Dietmar Kansy
heimzulagengesetz als solches in Frage gestellt wird,
sehr wohl aber die luxuriöse Forderung von 240 000DM-Haushalten. Das bedeutet, daß Abgeordnete oder
Staatssekretäre im Laufe von acht Jahren eine Eigenheimzulage von 68 000 DM bekommen. Da sollte sich
die öffentliche Hand einmal überlegen, wo die politischen Prioritäten liegen. Ich fände es auch gut, wenn die
CDU/CSU einmal anfangen würde, darüber nachzudenken,
({2})
insbesondere wenn auch Sie nicht wissen, wie man das
Wohngeld sonst finanzieren soll. Von daher sagen wir
ganz klar, daß das Geld nicht weiter in der Eigenheimzulage belassen, sondern für die Stärkung des Wohngeldes umgenutzt werden soll, was wir für dringend erforderlich halten. - Ich möchte jetzt nicht weiter darauf
eingehen, weil ich hoffe, daß wir bald Gelegenheit haben werden, über diesen Aspekt in einem anderen Zusammenhang hier ausführlich zu beraten.
Lassen Sie mich auf einen weiteren vorliegenden Gesetzentwurf eingehen, auf die Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes. Als erstes muß ich feststellen:
Herr Kansy, was Sie gesagt haben, ist nicht ganz richtig.
Unsere Fraktion hat einerseits immer sehr deutlich gesagt, daß sie das Altschuldenhilfe-Gesetz in seiner Entstehung und in seiner Begründung für falsch halte. Wir
haben andererseits in der letzten Legislaturperiode keine
Möglichkeit zu einer Rückabwicklung gesehen - die
sehen wir auch jetzt nicht -, wie sie die PDS gerne
möchte.
({3})
Von daher haben wir nie entsprechende Anträge gestellt
und halten dies sowohl aus finanziellen Gründen als
auch aus Gründen der Gerechtigkeit in bezug auf die
verschiedenen Unternehmen, die in den letzten Jahren
damit umgehen mußten, für falsch.
Die Koalition hat sich ja dahin gehend verständigt,
daß das Altschuldenhilfe-Gesetz novelliert werden soll.
Wir werden dazu bald einen Entwurf vorlegen. Vorrangiges Ziel ist, daß die Unternehmen, die ihre Privatisierungsbemühungen objektiv nicht weiterführen können das betrifft inzwischen eine ganze Reihe; wir alle kennen die strukturellen Probleme wie zum Beispiel hohe
Arbeitslosigkeit, hohen Leerstand und Bevölkerungsrückgang; wir haben darüber schon in der letzten Legislaturperiode ausführlich diskutiert -, schnell Klarheit
hinsichtlich ihres Geschäftsverhaltens bekommen und
schnell entlastet werden können. Insofern ist es unser
Ziel, das Recht auf baldigen Abschluß des Verfahrens
zeitlich vor den Stichtag im Jahre 2003 vorzuziehen, so
wie es jetzt im Gesetz vorgesehen ist.
Darüber hinaus werden wir sicher noch einmal prüfen
müssen, ob hinsichtlich der Kriterien, die in der letzten
Legislaturperiode während Ihrer Regierung vom Lenkungsausschuß festgelegt wurden, Handlungsbedarf im
gesetzgeberischen Bereich besteht oder ob das Bestehende so ausreicht. Das sollte man ganz pragmatisch
entscheiden und daraus keine ideologische Debatte machen.
Weitere Probleme betreffen Aspekte, über die wir in
der letzten Legislaturperiode zu wenig diskutiert haben.
Das sind zum einen die inzwischen zunehmenden Probleme mit Negativrestitutionen, das heißt mit der Verpflichtung zur Übernahme von sehr problematischen
Gebäuden und Grundstücken, und zum anderen die Probleme mit dem strukturellen Leerstand. Hier werden und
müssen wir uns gemeinsam mit den Ländern und den
Kommunen um Lösungen bemühen. Das wird wegen
der Kosten- und Finanzprobleme sicherlich wieder zu
einer sehr schwierigen Gratwanderung führen.
Ich wünsche mir, daß wir darüber hier im Hause und
im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Ländern sachlich und ideologiefrei diskutieren, damit wir für die
Wohnungsbaugesellschaften und die vielen betroffenen
Mieterinnen und Mieter vernünftige Lösungen finden.
Danke schön.
({4})
Letzter Redner in
dieser Debatte ist unser Kollege Rainer Funke, F.D.P.Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur Änderung
des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe ist - dies ist, da
er ein Vorschlag der PDS ist, nicht überraschend marktwirtschaftsfeindlich.
({0})
Denn die Beibehaltung des § 12 Abs. 7 des Miethöhegesetzes führt dazu, daß die Verhältnisse in den neuen
Bundesländern so festgeschrieben werden, wie sie bisher
sind, und daß vor allem keine Rechtsangleichung an die
westlichen Bundesländer erfolgt.
Wir glauben, daß die allgemeine Regelung des § 2
des Miethöhegesetzes auf Grund der dort vorgesehenen
Vergleichsmieten durchaus angemessen ist. Für eine
Regelung dieses Problems bedarf es nicht immer eines
Mietspiegels, der ja im Einzelfall, wie zum Beispiel in
meiner Heimatstadt Hamburg, nicht zu sehr gerechten
Vergleichsmieten führt. Es stehen ja neben dem Mietspiegel auch Sachverständigengutachten und andere
Hilfsmittel zur Verfügung. Diese können in Gerichtsverfahren mit eingeführt werden. Insoweit wäre es richtig,
wenn wir Mieter und Vermieter mehr als bisher veranlassen könnten, sich in den jeweiligen Kommunen zusammenzufinden und dort einen gemeinsamen Mietspiegel zu erarbeiten. Dazu bedarf es dann nicht der öffentlichen Hand, und die hohen Kosten, die dabei entstehen, würden vermieden werden. Es führt vor allem
dazu, daß die Vergleichsmieten, die in diesem Mietspiegel verankert sind, gerechter und nicht so prozeßanfällig
sind wie die staatlichen Mietspiegel.
Meine Damen und Herren, zum Eigenheimzulagengesetz hat Herr Dr. Kansy alles gesagt. Ich brauche die
Debatte deswegen nicht zu verlängern.
Das Altschuldenhilfe-Gesetz, das ebenfalls von der
PDS zur Debatte gestellt wird, hat sich im Ergebnis bewährt und führt durchaus zu Privatisierung von WohFranziska Eichstädt-Bohlig
nungsbeständen. Es führt zu mehr marktwirtschaftlichen
Verhältnissen am Wohnungsmarkt. Soweit einzelne Genossenschaften und Vermieter Schwierigkeiten bei der
Privatisierung haben, muß mit den Betroffenen gesprochen werden. Vor allem muß über die Verpflichtung zur
Kredittilgung und Zinszahlung gesprochen werden.
Sie, Frau Kollegin Lucyga, haben zu Recht darauf
hingewiesen, daß hier auch unterhalb der Gesetzesschwelle schon viel Vernünftiges getan worden ist. Das
muß fortgesetzt werden.
Eine schlichte Aufhebung des AltschuldenhilfeGesetzes, wie die PDS sie vorsieht, ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. Soweit tatsächlich punktuell Schwierigkeiten bestehen, wird unterhalb der Gesetzesschwelle geholfen. Wenn das nicht ausreichen
sollte, stehen wir nach gründlicher Vorbereitung natürlich für Diskussionen zur Verfügung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Ich schließe die
Ausssprache. Interfraktionell wird die Überweisung der
Vorlagen auf den Drucksachen 14/461, 14/568 und
14/471 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluß unserer Tagesordnung. Ich möchte mich ausdrücklich bei all den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die bis zum Schluß ausgeharrt haben. Ich bedanke
mich selbstverständlich auch bei den vielen interessierten Zuschauerinnen und Zuschauern.
({0})
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 4. Mai 1999, 11 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.