Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/21/1999

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Vor dem Hintergrund, daß wir in kleiner Runde sind, darf ich unsere Gäste besonders herzlich begrüßen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Fortschrittsbericht der Bundesregierung, „Das Jahr-2000-Problem in der Informationstechnik“, und Bericht des Arbeitsstabes Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, „Die Einführung des Euro in Gesetzgebung und öffentlicher Verwaltung“. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Werner Müller.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung beschäftigt sich seit Mitte 1997 intensiv mit dem Jahr-2000-Problem in der Informationstechnik. Ein erster Bericht der Bundesregierung vom Juli 1998 faßte die Ausgangssituation bezüglich des Problems in Deutschland zusammen und diente vor allem dazu, die breite Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und alle betroffenen gesellschaftlichen Gruppen zu raschem Handeln aufzufordern. Die jetzige Bundesregierung hat die seitdem eingeleiteten Maßnahmen und Aktivitäten zur Sensibilisierung, Information und Koordination im privaten und öffentlichen Sektor unverzüglich nach Amtsantritt verstärkt und weiter ausgebaut. Der jetzt vorgelegte Fortschrittsbericht beruht auf den Arbeiten der zentralen Koordinierungsgremien, die die Bundesregierung für das Jahr-2000-Problem eingesetzt hat. Dabei handelt es sich erstens um die interministerielle Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Wirtschaftsministeriums - ich darf bei dieser Gelegenheit den Kolleginnen und Kollegen der beteiligten Häuser herzlich danken für die effektive und konstruktive Zusammenarbeit auch auf der Beamtenebene -, zweitens um den BMWi-Sachverständigenkreis, dem rund 70 hochrangige Experten aus allen Bereichen der Wirtschaft sowie aus den Gebietskörperschaften angehören, und drittens um die vom Hause des Kollegen Schily eingesetzten Arbeitsgruppen für die Bundesverwaltung und die Koordination mit den Ländern und Gemeinden. Der Fortschrittsbericht stellt das Grunddilemma des Jahr-2000-Problemes deutlich heraus, nämlich den schmalen Grat zwischen der Suche nach sachlich notwendigen Lösungen für ein komplexes technisches und organisatorisches Problem einerseits und dem Verfallen in die letztlich wenig hilfreiche Beschreibung von theoretischen Katastrophenszenarien andererseits. Hier kommt den Medien eine wichtige Mitverantwortung zu. Sie müssen durch objektive Berichterstattung mit dazu beitragen, daß es in der Bevölkerung nicht zu panikhaften Reaktionen kommt. Denn dafür besteht nach unseren Kenntnissen überhaupt kein Anlaß. Bezüglich der Verantwortung für das Problem wird klargestellt, daß die eigentliche Problemlösung nur bei den Anwendern in Wirtschaft und Verwaltung liegen kann. Die Rolle der Bundesregierung besteht demgemäß darin, die Betroffenen zu sensibilisieren und ihnen Informationen und Beratung als Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Zusätzlich ist Koordinierung in den Sektoren erforderlich, wo private Aktivitäten hierzu alleine nicht ausreichen. Außerdem müssen wir in den kommenden Monaten unsere Aktivitäten zur Sammlung und Verbreitung vertrauenswürdiger Informationen weiter ausbauen, damit die Unternehmen und Verbände im In- und Ausland möglichst verläßliche Grundlagen für ihre Dispositionen zum Jahrtausendwechsel haben. Die Ergebnisse des Fortschrittsberichts zum Vorbereitungsstand und den Aktivitäten einschließlich der Infrastrukturen, für die das Wirtschaftsministerium verantwortlich ist, lassen sich in drei wesentlichen Punkten zusammenfassen: Erstens. Insgesamt sind im privaten Sektor keine größeren Störungen zu erwarten. Die meisten Betriebe werden es schaffen; sie sind vorbereitet. Zweitens. Die wirtschaftsnahen Infrastrukturen, Energie, Telekommunikation, Verkehr, sowie Banken und Versicherungen sind sehr ordentlich vorbereitet. Drittens. Handlungsbedarf besteht vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen, insbesondere bei den Kleinstunternehmen, für die es - das sei ausdrücklich gesagt - heute noch nicht zu spät ist. Insgesamt können wir für den privaten Bereich zuversichtlich sein, daß die Wirtschaft den Übergang auf das Jahr 2000 ohne wesentliche Beeinträchtigungen bewältigen wird. Auf Grund der noch verbleibenden Schwachstellen gibt es allerdings keinen Grund, deswegen die Bemühungen jetzt schon einzustellen. Von unserer Seite aus werden wir die Maßnahmen zur Information und Koordinierung fortführen. So wird es unter anderem weitere Spitzengespräche mit der Wirtschaft, eine Anzeigenkampagne und zwei weitere Fachkonferenzen geben. Außerdem werden wir eine Infoline der Bundesregierung einrichten und weitere Möglichkeiten des Fax-Abrufs schaffen. Ein wichtiges Thema für die zweite Jahreshälfte ist die Vorsorgeplanung, nicht nur national, in den Betrieben, sondern auch übergreifend, vor allem im Hinblick auf die grenzüberschreitenden Basisinfrastrukturen im europäischen und internationalen Kontext. Die Bundesregierung nutzt sowohl die EU-Präsidentschaft als auch den G-8-Vorsitz sehr intensiv für diese Fragen. Das Jahrtausendproblem wird Thema des Europäischen Rates und des Weltwirtschaftsgipfels in Köln sein. Die EUTelekommunikationsminister werden sich mit diesem Thema beschäftigen. Darüber hinaus gibt es intensive Beratungen der G-8-Jahr-2000-Koordinatoren, in die die mittel- und osteuropäischen Staaten bewußt einbezogen werden. Das nächste Treffen dieser wichtigen Gruppe wird Anfang Mai in Berlin stattfinden. Außerdem planen wir im G-8-Rahmen für den Sommer dieses Jahres eine internationale Tagung zum Thema Vorsorge. - Soweit meine Ausführungen. Vielen Dank.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Vielen Dank, Herr Bundesminister. Ich frage, ob es zu diesem Themenbereich, über den berichtet wurde, Fragen gibt. - Herr Kollege Mayer.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Inwieweit gibt es eine Zusammenarbeit mit den USA, die ja bekanntermaßen in dieser Frage eine führende Rolle in der Welt einnehmen?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Einerseits gibt es eine Koordination im Rahmen der G-8-Gespräche; andererseits profitieren wir mittelbar durch Gespräche mit amerikanischen Firmen, die deutsche Unternehmen mit ihnen führen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Homburger.

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, es gibt ja auf diesem Feld eine Reihe von Spezialproblemen, die beispielsweise die Kernenergie, die Wasserversorgung, aber auch den Bereich der Verteidigung oder das Gesundheitswesen betreffen. Gibt es einen ausführlicheren schriftlichen Bericht, in dem man auch auf diese Spezialfälle eingeht? Ich frage das, weil mir im Moment noch nicht klar ist, ob es da und dort in diesen speziellen Bereichen noch zusätzlichen Koordinierungsbedarf gibt. Der zweite Teil meiner Frage. Sie haben drei Bereiche genannt. Privater Sektor: keine großen Probleme; wirtschaftsnahe Infrastruktur: gut vorbereitet; kleine und mittlere Unternehmen: noch Bedarf vorhanden. Sie haben den öffentlichen Bereich ausgespart. Wie sieht es nach Ihren Erkenntnissen bei den Kommunen, bei den regionalen Rechenzentren aus? Sind sie genügend vorbereitet? Gibt es da Hinweise von seiten der Bundesregierung und auch die Möglichkeit der Zusammenarbeit?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Wir sind ja hier ein Duo, die Frau Parlamentarische Staatssekretärin Sonntag-Wolgast und ich. Was den öffentlichen Bereich angeht, könnte ich das Wort an die Kollegin weitergeben. Ich will sie fragen, ob sie auch zum Thema Kernenergie etwas sagen will. Ansonsten könnte ich dazu etwas sagen. - Ich überlasse es Ihnen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Staatssekretärin Sonntag-Wolgast.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Ich will zunächst, Frau Kollegin Homburger, auf Ihre Frage nach der Sicherheit von Kernkraftwerken oder der medizinischen Versorgung eingehen. Diese Fragenkomplexe werden bei unseren Hotlines und den anderen Möglichkeiten, sich zu informieren, immer wieder zur Sprache gebracht. Sie können daraus entnehmen, daß sich das Bundesinnenministerium schon erheblicher Mühen unterzogen hat, um Informationen an die Bürger weiterzugeben. Zum Thema medizinische Versorgung: Dieser Komplex wird durch die Jahr-2000-Problematik nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft nicht gefährdet. Einzelne Fehlfunktionen der „embedded systems“ - diese sind ja der wunde Punkt; das wissen die Fachleute sicherlich auch - sind nicht auszuschließen, jedoch ist für Ausweichlösungen gesorgt. Im übrigen sind für den gesamten Krankenhausbereich die Länder zuständig. Ich komme gleich noch einmal auf die Koordination im öffentlichen Bereich, die Sie ja auch nachgefragt haben, zurück. Zunächst einmal zum Thema Kernkraftwerke: Die Kernkraftwerke sind nach unseren Erkundungen sicher. Es hat Ende 1998 seitens der Betreiber der Kernkraftwerke einen Anforderungskatalog gegeben, der zum Ziel hat, den gesamten Anpassungsprozeß aller rechnergestützten Systeme und Anlagen, die Einfluß auf den sicheren Betrieb haben könnten, nach einheitlichen Kriterien und Prüfvorgaben nachvollziehbar und bewertbar zu gestalten. Das Bundesumweltministerium kommt auf Grund der bisher durchgeführten und berichteten Maßnahmen zu einer positiven Einschätzung. Nun aber noch einige Anmerkungen zur Frage der öffentlichen Verwaltungen und deren Vorbereitungen auf diese Vorgänge. Die öffentliche Verwaltung ist von seiten des Bundes unserer Auffassung nach ausreichend auf diesen Datumswechsel und seine Folgen vorbereitet. Bei den Kommunen gibt es noch ein bißchen zu tun. In wesentlichen Bereichen, die der Bund zu verantworten hat, sind die Vorbereitungen recht gut fortgeschritten. Da, wo es noch Nachholbedarf gibt - der übrigens seitens der jetzigen Bundesregierung mit Nachdruck angegangen worden ist, nachdem er von der vorherigen eher mit langem Atem angegangen worden war -, ist man sehr gut vorbereitet. Dann gibt es noch den Bereich der kritischen Infrastrukturen - auch diesen will ich nicht verschweigen -: Das sind die Strom-, Gas- und Wasserversorgung, die Telekommunikation und das Verkehrswesen. Auch wenn der Bund vielleicht nicht immer unmittelbar für eventuell auftretende Pannen zuständig ist, so hat er doch eine Aufsichtspflicht und eine Verantwortung dafür, daß der Bereich der inneren Sicherheit gewahrt bleibt. Deswegen prüfen die staatlichen Stellen die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften, die zur Gewährleistung der Sicherheit nötig sind. Der Bundesinnenminister hat in den letzten Tagen die Innenminister und Innensenatoren der Bundesländer und die Spitzenverbände der Kommunen noch einmal angeschrieben, um sie auf die Probleme hinzuweisen und sie zu bitten, in den Bereichen, in denen noch Lücken vorhanden sind, möglichst zügig zu einer Lösung zu kommen. Es gibt verstärkte Informationsaktivitäten. Diese laufen schon seit November, werden aber noch verstärkt. Wir haben Broschüren, Faltblätter und Leitfäden ausgegeben und werden auch über das Internet noch entsprechende Ausführungen machen. Sollte sich nun tatsächlich etwas Krisenhaftes ereignen, sind natürlich die gängigen Hilfsorganisationen wie das Technische Hilfswerk, die Polizeien der Länder usw. auf die besonders kritischen Daten, einschließlich des Jahreswechsels 1999 zu 2000, vorbereitet.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Vielen Dank. Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Mayer.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat sich die Bundesregierung darauf eingestellt, daß erste Erscheinungen bereits vor dem Jahrtausendwechsel, nämlich zum 9. September 1999 auftreten können, und ist sich die Bundesregierung auch bewußt, daß das, was in privatwirtschaftlichen Unternehmen möglicherweise insgesamt an Gefahren auftritt, ungeheure Rückwirkungen auf den Staat haben kann? Ich denke dabei nur einmal an das Bankenwesen und die gesamte Finanzwirtschaft.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Bundesminister.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Die Bundesregierung hat das Datum des 9. Septembers 1999 ebenso im Auge wie übrigens auch - wenn Sie noch ein weiteres Datum beachten den 29. Februar im Jahre 2000, der ebenfalls in etlichen Programmen tatsachenwidrig nicht vorgesehen ist. Beides, also auch der Überlauf der 2-hoch-10-Potenz zum 9. September, der im Zählwesen auftreten kann, ist berücksichtigt. Gerade der Banken- und Versicherungssektor ist besonders gut vorbereitet - nicht nur im deutschen Rahmen, sondern auch im europäischen Rahmen. Das ist auch Gegenstand von Beratungen des Ecofin-Rates gewesen, den zu leiten ich einmal die Ehre hatte. Auch dort - das ist in Dresden weiter besprochen worden sind alle Maßnahmen vorbereitender Art getroffen, um dieses Thema in jeder Form zu bewältigen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zu dem Themenbereich, über den der Bundesminister berichtet hat, gibt es keine weiteren Fragen. Es besteht aber die Möglichkeit, anderweitige Fragen an die Bundesregierung zu stellen. - Herr Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich hätte gern von der Bundesregierung gewußt, ob sie sich in ihrer Sitzung mit der Anzeige in der „Frankfurter Rundschau“ vom 19. April auseinandergesetzt hat? Dort heißt es: Am 24.3.1999 hat die Nato Luftangriffe gegen ... Jugoslawien und damit einen Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat begonnen. Diese Anzeige ist unter anderem von einem Mitglied der Bundesregierung unterschrieben worden, nämlich von der Parlamentarischen Staatssekretärin Gila Altmann. Hat sich die Bundesregierung insofern mit der Aussage von Frau Altmann beschäftigt, als sie behauptet, es handele sich um einen Angriffskrieg? In § 80 StGB aber steht: Wer einen Angriffskrieg …, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft. In § 80a StGB heißt es weiter: Wer im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften … zum Angriffskrieg … aufstachelt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Hat sich die Bundesregierung damit auseinandergesetzt?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Aus alter Erfahrung als Chef des Kanzleramtes weiß ich, daß zur Zufriedenheit der anderen Regierungsmitglieder solche Fragen immer an das Kanzleramt gerichtet werden. Ich denke also, Herr Staatssekretär Steinmeier, es bleibt Ihnen nicht erspart, dazu Stellung zu nehmen.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich darf Ihnen sagen, daß dies in der Tat in der heutigen Kabinettssitzung eine Rolle gespielt hat. Es hat unterschiedliche Bewertungen gegeben; es sind aber keine Sanktionen, wie sie als Erwartung in Ihrer Frage zugrunde gelegt werden, ausgesprochen worden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Kann ich nach Ihrer Antwort davon ausgehen, daß der Bundeskanzler diese Anzeige, die von einem Mitglied der Regierung unterschrieben worden ist, verhältnismäßig kritiklos zur Kenntnis genommen hat? In der Anzeige ist ein massiver Vorwurf enthalten. Ich habe Ihnen auch die entsprechenden Passagen des Strafgesetzbuches vorgelesen. Wird es der Bundeskanzler dabei bewenden lassen, obwohl der Regierungssprecher gesagt hat, daß er Frau Altmann den Rücktritt nahelege, und Frau Altmann erklärt hat, sie trete nicht zurück? Oder - darf ich direkt fragen? - hat der Bundeskanzler angekündigt, daß er Frau Altmann entlassen wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Dies hat der Bundeskanzler nicht angekündigt. Ansonsten dürfen Sie meiner Antwort nicht entnehmen, daß er das kritiklos hingenommen hat. Ich habe in meiner Antwort zum Ausdruck gebracht, daß es dazu unterschiedliche Auffassungen gegeben hat. Der Bundeskanzler hat seine Auffassung dazu dargelegt. Ich bin aber nicht bereit, Zuordnungen einzelner Meinungen zu Kabinettsmitgliedern vorzunehmen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte schön.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wie werten Sie nach Ihrer bisherigen Antwort die Aussage des Regierungssprechers, der Frau Altmann zum Rücktritt aufgefordert hat, und die Nichtentlassung? Andersherum gefragt: Wenn der Regierungssprecher ein Regierungsmitglied zum Rücktritt auffordert und selbiges dieser Aufforderung nicht nachkommt, wie sollte Ihrer Meinung nach ein Bundeskanzler damit umgehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Das entscheidet der Bundeskanzler selbst. Ich habe eben in meiner Antwort zum Ausdruck gebracht, wie die Entscheidung gefallen ist. Ein Rücktrittsschreiben ist bei uns nicht eingegangen; weitere Aufforderungen zum Rücktritt wird es nicht geben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister Eichel, ist nun ein Gesamtkonzept von Steuergesetzen im Bereich Familien- und Unternehmensbesteuerung mit einer echten Nettoentlastung geplant, ohne neue Steuererhöhungen und ohne Auflösung des Ehegattensplittings, was ja wiederum eine Steuererhöhung bedeuten würde? Sind weitere Verbrauchsteuererhöhungen vorgesehen?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Bundesfinanzminister.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Abgeordneter, ein Gesamtkonzept der steuerpolitischen Maßnahmen, die die Bundesregierung in diesem Jahr auf den Weg bringen wird, wird im Zusammenhang mit dem Entwurf des Haushalts 2000 und der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2003 vorgelegt werden. In dem Zusammenhang werden alle Ihre Fragen beantwortet. Ich weise Sie darauf hin, daß schon mein Vorgänger im Amt, Herr Kollege Lafontaine, deutlich gemacht hat, daß wir mit einem strukturellen Haushaltsdefizit in Höhe von 20 Milliarden DM, das aus Ihrer Regierungszeit stammt, rechnen müssen. Wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Entlastung der Familien in der Form wirksam würde, wie es das Bundesverfassungsgericht für den Fall des Nichthandelns des Gesetzgebers vorgesehen hat, dann läge das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt sogar bei 30 Milliarden DM. Ich bitte Sie, sich mit dieser Frage wie auch mit den anderen Rahmenbedingungen, zum Beispiel mit Art. 115 des Grundgesetzes und mit dem europäischen Stabilitätspakt, auseinanderzusetzen und sich vor diesem Hintergrund vorläufige Antworten auf Ihre Frage selber zu geben. Die Bundesregierung wird im Sommer dieses Jahres mit ihrem Gesamtkonzept Antworten auf diese Fragen geben, keinen Tag früher, weil es keinen Sinn macht, einzelne Elemente vorzuziehen und aus dem Zusammenhang herauszubrechen. Nur im Rahmen eines Gesamtkonzepts macht es Sinn.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, geben Sie mir recht, daß die konjunkturelle Lage für die Unternehmen im Moment sehr schwierig ist und dies auf die große Verunsicherung durch die umfassenden Diskussionen über Realsplitting, Abschaffung des Ehegattensplitting, MehrwertsteuerVizepräsident Rudolf Seiters erhöhungen und die Tatsache, daß es keine Nettoentlastungen gibt, zurückzuführen ist? Sind Sie, Herr Bundesfinanzminister, nicht der Auffassung, daß man möglichst schnell eine Reform aller Tarife der einzelnen Steuerarten durchführen müßte, um Entlastungen zugunsten von Investitionen und Arbeitsplätzen zu schaffen? Hier erscheinen Nettoentlastungen sinnvoll.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Abgeordneter, in der Steuerpolitik geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. ({0}) Im übrigen gehört zur Gründlichkeit die Solidität. Die Solidität macht es erforderlich, sich vor einzelnen Versprechungen die gesamte Situation des Haushaltes anzusehen. Ich habe den Eindruck, daß Sie das nicht hinreichend berücksichtigen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Noch eine Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, können Sie sich vorstellen - auch wenn Sie sich bezüglich der Nettoentlastung nicht festlegen wollen -, daß die einzelnen Korrekturen an den Steuergesetzen, die am 1. April 1999 vorgenommen wurden, zu einer Scheinbesteuerung insbesondere der mittelständischen Betriebe führen? Ich denke dabei an die Besteuerung der Gewinne bei Betriebsaufgaben oder an die sogenannte Teilwertabschreibung, wo es weit über die Berechnungen Ihres Vorgängers hinaus zu einer steuerlichen Mehrbelastung des Mittelstandes kommen wird. Hier gibt es eine Scheingewinnbesteuerung. Können Sie sich vorstellen, daß hier ähnlich wie bei den 630-MarkJobs auch noch nachträglich steuerliche Veränderungen vorgenommen werden?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Abgeordneter, ich rate dazu, ehe man über Veränderungen von Gesetzen redet, zunächst einmal ihre Wirkung abzuwarten. Ich halte es für relativ unwahrscheinlich, daß man sie nach drei Wochen schon beurteilen kann. Ich sage das jedenfalls für meinen Zuständigkeitsbereich.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage der Kollegin Ostrowski.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Am Montag hat der Deutsche Bundestag sein neues Domizil in Berlin in Besitz genommen. Ich möchte Sie gern fragen: Wieviel hat die Vorbereitung und die Durchführung dieser Sitzung insgesamt gekostet?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich bin - da bitte ich um Verständnis - noch zu neu im Amt, um entscheiden zu können, ob Ihre Frage nicht die Bundestagsverwaltung beantworten muß. Sollte ich sie beantworten müssen, dann werde ich sie schriftlich beantworten. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Da hier keine Fragen an den Bundestagspräsidenten gerichtet werden können, werden wir dies nicht jetzt beantworten. Aber ich denke, wir finden einen Weg, um das Informationsbedürfnis der Kollegin Ostrowski gemeinsam zu befriedigen. Es gibt noch eine Frage des Kollegen Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Frage an den Bundesminister für Wirtschaft, Herrn Müller. Herr Bundesminister Müller, Sie haben von der Notwendigkeit der Subventionsbegrenzung gesprochen. Wie sehen Sie die Entwicklung beim Subventionsabbau? Können Sie sich vorstellen, daß, bevor Wirtschaftssubventionen zurückgenommen werden, zunächst einmal die umfassenden staatlichen Subventionen im Bereich der Kohle und anderer Einrichtungen abgebaut werden? Können Sie einen detaillierten Regierungsvorschlag für den Subventionsabbau vorlegen?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Ich habe die Notwendigkeit des Subventionsabbaus in der letzten Zeit aus zwei Gründen betont: Erstens hat die Wirtschaft immer wieder sehr pauschale Forderungen erhoben, man möge die Hilfen für die Wirtschaft abbauen. Zweitens habe ich jedenfalls in den vier Wochen, in denen ich dafür zuständig war, die ererbte Kassenlage gesehen. Man kann das, was Herr Kollege Eichel Ihnen eben sagte, auch etwas drastischer sagen: Wir haben ein strukturelles Defizit von 80 bis 90 Milliarden DM übernommen; denn es hat sich bei Ihnen eingebürgert, sich stets 60 Milliarden DM von der Zukunft zu leihen. Das ist schon kein normaler Zustand. Das heißt, der Staat muß insgesamt sparsamer werden. Das ist die Erkenntnis, die ich gewonnen habe. Wenn die Wirtschaft selber Subventionsabbau fordert, dann ergibt sich insgesamt ein Konzept, das man durchaus weiterverfolgen sollte. Sie wissen, ich versuche, so gut es geht, das im Einvernehmen mit der Wirtschaft zu tun. Die Wirtschaft hat mir erklärt, das Thema sei für sie nicht überaus wichtig; sie meine eigentlich sowieso, daß Subventionen an die Wirtschaft nicht sein sollten. Das erleichtert die Aufgabe, vor der ich stehe, enorm.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben die Sachlage in der Wirtschaft angeHans Michelbach sprochen. Wissen Sie, daß die Wirtschaft bei der Steuerreform durch die Gegenfinanzierung erhebliche Zusatzbelastungen hinnehmen mußte? Können Sie sich bei den Subventionen einen generellen Beschluß vorstellen, wonach die Subventionen fünf Jahre lang um 5 Prozent jährlich abgebaut werden? Wäre das ein Vorschlag, den die Regierung in dem hier von Ihnen bekundeten Sparwillen einbringen könnte?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Ich darf Ihnen versichern, daß mein Vorstellungsvermögen ziemlich groß ist. Was schlußendlich in welchen Bereichen realisiert wird, bedarf der internen Beratung. Ich sagte Ihnen: Ich versuche, im Gespräch mit der Wirtschaft eine Lösung zu finden. Das Ergebnis wird zur gegebenen Zeit vorgelegt werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Mayer.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nachdem sich in der Bundesregierung, wie aus den Äußerungen der letzten Tage zu vernehmen war, die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß die gesetzliche Regelung zur sogenannten Scheinselbständigkeit vom vergangenen Jahr insbesondere in den Wachstumsbranchen der modernen Informations- und Kommunikationsdienste arbeitsplatzvernichtend wirkt und neue Unternehmen in besonderer Weise behindert, frage ich die Bundesregierung, ob sie sich mittlerweile intensiv mit dem Thema beschäftigt hat und ob sie bereit ist, die unseligen Beschlüsse vom letzten Jahr im Wege eines Gesetzentwurfes zurückzunehmen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wer von der Bundesregierung fühlt sich imstande, darauf zu antworten?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Ich darf Ihnen versichern, daß wir die Kritik an diesem Gesetz ernst nehmen. Das Gesetz, das Sie insbesondere ansprechen, ist übrigens schon vier Monate in Kraft. Wenn sich herausstellen sollte, daß die Wirkungen über eine längere Zeit so sind, wie jetzt im allgemeinen befürchtet, wird man sich das genauer ansehen. Ich bitte aber zu bedenken, was Herr Kollege Eichel gerade schon sagte. Die Gesetze sind just in Kraft getreten und sollen generell einen Mißstand beseitigen, der sich eingeschlichen hat. Für das Einschleichen des Mißstandes ist die Bundesregierung nicht verantwortlich, sondern das hat sich in der Wirtschaft abgespielt. Für die Beseitigung dieses Mißstandes mußte gesorgt werden. Wenn es tatsächlich anhaltend negative Konsequenzen gibt, wird das natürlich gewürdigt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine letzte Zusatzfrage.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung die verheerenden Folgen dieses Gesetzes vom vorigen Jahr insbesondere für die neuen Medien bisher nicht erkannt hat und daß sie offensichtlich auch im Bereich anderer Gesetze, wie bei den geringfügig Beschäftigten, den 630-DM-Jobs, mit der gleichen Blindheit vorgeht?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

So herum betrachtet kann ich diese Frage nur zurückweisen. Das Gesetz gegen die Scheinselbständigkeit hat bisher keine verheerenden Folgen. Sie dürfen sicher sein, daß die Bundesregierung verheerende Folgen auch nicht eintreten lassen wird. Was das Thema 630-DM-Jobs anbelangt, so ist das Gesetz just in Kraft. Dieses Gesetz können wir aus meiner Sicht in einer überschaubaren Zeit ohnehin etwas gelassener betrachten, weil es genug Arbeitskräfte gibt. Auch hier ist deutlicher Mißbrauch zu bekämpfen gewesen. Daß das für manchen unbequem ist und zu mancher Kritik führt, ist nachvollziehbar, gleichwohl aber nicht immer verständlich.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich will eine allerletzte Frage zulassen. Dann müssen wir aber zur Fragestunde kommen. Herr Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, habe ich Ihre Antwort eben so richtig verstanden, daß die Bundesregierung Gesetze an den Betroffenen erst einmal austestet, statt vorher schon vernünftige Gesetze zu machen? ({0})

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Wenn Sie das so herum formulieren wollen, ist das Ihre Sache. Wir betrachten die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger nicht als Testobjekte.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Damit ist die heutige Regierungsbefragung beendet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Fragestunde - Drucksache 14/774 Die beiden Fragen 1 und 2 der Kollegin Störr-Ritter aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung war die Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann angemeldet. - Sie ist gerade gekommen. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Paul Laufs, CDU/CSU-Fraktion, auf: Welche Gutachter hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0}) mit der erneuten Prüfung der Sach- und Rechtslage für den Betrieb des Kernkraftwerkes Biblis A beauftragt, bevor zehn frühere bundesaufsichtliche Weisungen zurückgezogen wurden? Ich gebe das Wort der Parlamentarischen Staatssekretärin Altmann.

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Kollege, die Antwort auf Frage 3 lautet: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat das Erfordernis der Aufrechterhaltung der angesprochenen Weisungen geprüft. In einem bundesaufsichtlichen Fachgespräch vom 25. Februar 1999 hat das BMU unter Einbeziehung seines Beraters Lothar Hahn vom Öko-Institut und der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, der GRS, wesentliche Themenbereiche seiner Weisungen zum Atomkraftwerk Biblis mit der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde des Landes Hessen im einzelnen erörtert.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist bei dieser Erörterung sichtbar geworden, daß die Erkenntnisse aus der Sicherheitsanalyse von 1991 überholt sind?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Das Ergebnis dieses Fachgesprächs ist gewesen, daß die Bewertungsgrundlagen, die bisher zugrunde gelegt wurden, so nicht mehr haltbar sind und daß daher das Aufrechterhalten der Weisungen nicht mehr gerechtfertigt ist. Somit ist die Sachkompetenz und die inhaltliche Verantwortung jetzt wieder auf das Land Hessen und auf das hessische Umweltministerium übergegangen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn die Sicherheitsdefizite heute neu und sehr viel gravierender eingeschätzt werden, als das bisher der Fall war, warum haben dann die rotgrüne Landesregierung und die rotgrüne Bundesregierung die sofortige Stillegung des Kernkraftwerkes Biblis A nicht schon im Zeitraum von Oktober 1998 bis April 1999 verfügt?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die verschiedenen Stillegungsentwürfe, die in der Vergangenheit vom hessischen Umweltministerium an das BMU gesandt worden sind, sind per Weisung abgelehnt worden. Nachdem das hessische Umweltministerium im Dezember 1998 noch einmal um ein Fachgespräch zu diesem Thema gebeten hat, hat dieses dann am 25. Februar 1999 auch stattgefunden. Daß dazwischen dieser längere Zeitraum lag, hing unter anderem damit zusammen, daß die GRS noch Unterlagen beibringen wollte. Nach diesem Fachgespräch hat es am 31. März die Rücknahme der Weisungen seitens des Bundesumweltministeriums gegeben. Das hessische Umweltministerium hat dann an der Fertigstellung einer neuen Stillegungsverfügung gearbeitet, wobei es darum ging - so möchte ich das aus Bundessicht interpretieren; weitere Informationen müssen Sie sich vom hessischen Umweltministerium holen -, sorgfältig zu arbeiten. Dadurch kommt dieser Zeitrahmen zustande.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Koppelin, eine Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, hat es, nachdem Sie die Bundesregierung am Montag in einer Anzeige scharf angegriffen haben, in Ihrem Hause eine Diskussion darüber gegeben, ob Sie diese Fragen in der heutigen Fragestunde beantworten?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Auch wenn diese Frage nicht zu diesem Themenbereich gehört, kann ich sagen: nein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Laufs auf: Welche neuen sicherheitstechnischen Erkenntnisse dieser Überprüfung veranlaßten das BMU, von seiner bisherigen Auffassung abzuweichen, die von umfangreichen Gutachten u.a. der Gesellschaft für Reaktorsicherheit sowie den Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. März 1997 gestützt wurde?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Gründe, die zur Aufhebung von Weisungen führten, sind in der Begründung der Weisung vom 31. März 1999 dargelegt. Danach bieten die von der Bundesaufsicht im wesentlichen durch die Stellungnahmen ihrer Sachverständigenorganisation, der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, hierzu ermittelten Sachverhalte sowie deren gutachterliche Bewertung keine ausreichende Grundlage für den Fortbestand der erteilten Weisungen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da die Kritik der Bundesregierung am GRS-Gutachten hinsichtlich der Methodik im Grundsätzlichen verbleibt und sich auf die Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen bezieht, möchte ich Sie nochmals fragen: Hat die Bundesregierung neue, tatsächliche Erkenntnisse, die über diejenigen der Sicherheitsanalyse von 1991 hinausgehen?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Ich muß Ihnen noch einmal sagen, daß sich die Bewertungsgrundlage und die Gewichtung der Aussagen der Gesellschaft für Reaktorsicherheit verändert haben. Die Gründe kann ich Ihnen in einigen Details kurz vortragen: Es geht darum, daß nicht alle für die Beurteilung erforderlichen Tatsachen, wie anlagenspezifische Be2704 sonderheiten des Zustandes von Komponenten und Anlagenteilen, ermittelt wurden. Die GRS hat im wesentlichen ihr verfügbare nicht anlagenbezogene statistische Daten zugrunde gelegt. Die Übertragbarkeit von Ergebnissen anlagenfremder Experimente auf Anlagenteile und Komponenten des Reaktors Biblis wurde nicht dargelegt. Die Daten waren zum Teil veraltet - sie beziehen sich auf eine Untersuchung des TÜV Bayern von 1991 -, und die Sachverhaltsermittlungen wurden nicht ausreichend dokumentiert. Das alles hat dazu geführt, daß das Bundesumweltministerium der rechtlichen Auffassung des hessischen Umweltministeriums folgen kann.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, lassen Sie es mich noch einmal auf den Punkt bringen. Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß beim Kernkraftwerk Biblis A die erforderliche Schadensvorsorge nicht getroffen worden und damit ein konkreter Gefahrensverdacht begründet ist?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Bereits der frühere hessische CDU-Umweltminister Weimar hat 1991 55 Mängel festgestellt, die bis heute nicht in Gänze behoben worden sind. Die Stillegungen, die vom hessischen Umweltministerium verfügt werden sollten, sind durch Weisungen verhindert worden. Die Bewertungsgrundlage hat sich dahingehend verändert ich kann das nur wiederholen -, daß die Analysen, die durch die GRS erarbeitet worden sind und zu den Weisungen geführt haben, so nicht mehr haltbar sind bzw. das Aufrechterhalten der Weisungen nicht mehr rechtfertigen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann danke ich Ihnen, Frau Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 5 des Abgeordneten Werner Siemann: Reichen die im Verteidigungsausschuß interfraktionell beschlossenen zusätzlichen Dienstposten für den Haushalt 1999 für Offiziere des Truppendienstes, des militärfachlichen Dienstes und für die Laufbahn der Unteroffiziere aus, damit diese Soldaten nicht nur den für ihre Laufbahn vorgesehenen Enddienstgrad, sondern auch die Zwischendienstgrade in angemessenen Zeitabständen erreichen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Kollege Siemann, durch die strukturellen Veränderungen in den vergangenen Jahren und durch den Abbau der Bundeswehr seit 1991 auf zunächst 370 000 Mann und dann auf 340 000 Mann Umfang ist es zu einem Verwendungs- und Beförderungsstau vorrangig bei Berufssoldaten in allen Laufbahngruppen gekommen. Auch die alte Bundesregierung - das muß man hier zugeben - hat versucht, durch unterstützende Maßnahmen beim Personalabbau und mit personalwirtschaftlichen Mitteln das überhöhte durchschnittliche Beförderungsalter zu senken bzw. auf ein für die Soldaten akzeptables Niveau zu bringen. Allerdings muß man sagen, daß auch die im Haushaltsentwurf der jetzigen Bundesregierung ausgebrachten und im Rahmen der Vorarbeit der CDU/CSU-F.D.P.-Bundesregierung vorbereiteten Planstellen nur mithelfen können, Berufssoldaten, die eignungs- und leistungsgerecht auf entsprechenden Dienstposten verwendet werden sollen, eine entsprechende Laufbahnperspektive zu geben. Wir haben bei den Berufssoldaten eine unausgewogene Altersstruktur vorgefunden und würden den Verwendungs- und Beförderungsstau in den nächsten Jahren sogar noch verstärken und die Wartezeit bei Beförderungen verlängern, wenn keine einschneidenden Maßnahmen ergriffen würden. Um es den anderen Kolleginnen und Kollegen zu sagen: Bei den Offizieren des Truppendienstes haben wir im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten eine Altersschichtung mit einem Überhang von 2 900 Offizieren in den Dienstgraden Leutnant bis Oberstleutnant. Ende 1998 waren mehr als 30 Prozent aller Berufssoldaten im Dienstgrad Hauptmann im Beförderungs- oder Verwendungsstau. Das durchschnittliche Alter bei der Beförderung zum Major liegt inzwischen zweieinhalb Jahre über dem im Personalstärkemodell vorgesehenen Soll. Die Tendenz ist steigend. Dieser Effekt wirkt sich in gleicher Weise auf Oberleutnants aus, die dann entsprechend lange auf die Beförderung zum Hauptmann warten müssen. Damit sind wiederum besondere Probleme bei der Beförderung von Offizieren mit einer Verpflichtungszeit von 12 Jahren zu erwarten, wenn sie, weil es zu wenig Hauptmannstellen gibt, keine Chance haben, rechtzeitig zum Oberleutnant befördert zu werden. Durch das Ansteigen der durchschnittlichen Zeiten der Beförderung zum Hauptmann von über zwölf Jahren, wie wir es jetzt vorgefunden haben, wird es zumindest zeitweise nicht möglich sein, daß Offiziere, die bei einer Verpflichtungszeit von zwölf Jahren eigentlich einen Anspruch darauf haben, tatsächlich den Dienstgrad Hauptmann erreichen. Das gleiche gilt leider bei den Offizieren des militärfachlichen Dienstes. Hier gibt es 1 400 Offiziere, die analog zu den Offizieren des Truppendienstes aus verschiedenen Gründen nicht zeitgemäß befördert werden können. Die Wartezeiten bei der Beförderung zum Hauptmann werden im Durchschnitt um jetzt bis zu fünf Jahre militärfachlicher Dienst über die Zielgröße des Personalstärkemodells hinausgehen. Das heißt, daß die Beförderung durchschnittlich erst nach 17 Offiziersdienstjahren erfolgen könnte. Bei den Berufsunteroffizieren beläuft sich der strukturelle Überhang auf rund 2 700 Unteroffiziere. Folgen sind, wie bei den Offizieren, Auswirkungen auf die Beförderungszeiten, wenn auch in etwas geringerem Maße. Die durchschnittliche Wartezeit bei der Beförderung zum Stabsfeldwebel wird geringfügig ansteigen. Allerdings wird sich auf Grund der unausgewogenen Altersstruktur die Zahl der Hauptfeldwebel erhöhen, die erst zum spätestmöglichen Zeitpunkt ruhegehaltswirksam zum Stabsfeldwebel befördert werden können. Die jetzige Bundesregierung hat daraus ihre Konsequenzen gezogen. Sie wird - natürlich abhängig von den Haushalten der Folgejahre, aber vor allen Dingen auch von dem Ergebnis der Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ - zu entscheiden haben, welche einschneidenden Maßnahmen ergriffen werden müssen. Ich bin zuversichtlich, daß uns ein Teil der Opposition dabei unterstützen wird, diese negativen Trends zu verändern.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben detailliert die Stellensituation geschildert. Warum müssen Sie erst noch die Arbeit der Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ abwarten? Jetzt ist Not am Mann, im wahrsten Sinne des Wortes.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Siemann, ich kann dies gut nachempfinden. Wir haben auch heute morgen im Verteidigungsausschuß darüber diskutiert. Wir müssen zunächst einmal wissen, welchen Umfang die Bundeswehr der Zukunft haben wird. Auch die Kollegen, die nicht im Verteidigungsausschuß tätig sind, werden Anfang Mai die Bestandsaufnahme der Bundeswehr erhalten. Wenn das geschehen ist, haben wir die Gelegenheit, miteinander kontrovers und offensiv zu diskutieren. Wir wollen uns wirklich die Zeit nehmen, mit Fachleuten und anderen interessierten Leuten eine moderne Struktur aufzubauen. Ich glaube, ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Wir werden uns ausdrücklich auch des Rates von Fachleuten der Oppositionsparteien bedienen. Die Zeit müssen wir uns einfach nehmen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir kommen zu Ihrer zweiten Zusatzfrage.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Anläßlich einer Tagung des Deutschen Bundeswehr-Verbandes „Offiziere im Stau“ in Bad Neuenahr haben Sie am 3. März dieses Jahres gesagt, die Bundeswehr brauche ein neues Personalstärkegesetz. Wann gedenkt die Bundesregierung, diesen Gesetzentwurf vorzulegen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich betone noch einmal ausdrücklich - zumal wir auch vorher in der Opposition darüber diskutiert haben -, was ich den Kolleginnen und Kollegen, die nicht dem Verteidigungsausschuß angehören, und den Zuhörern eindringlich gesagt habe: Wir haben im Moment eine unausgewogene und unzeitgemäße Struktur im Offiziers- und Unteroffiziersbereich. Wenn wir für die Zukunft qualifizierte Leute haben wollen, dann müssen wir das verändern. Dies alles gehört zum Umfang der Streitkräfte und zu den Aufgaben der Streitkräfte. Ich glaube, heute morgen hat der Verteidigungsminister angedeutet, daß auch bei den Krisenreaktionskräften noch einmal eine Veränderung stattfinden muß. All das zusammen wird dazu führen, daß wir Ihnen hoffentlich Modelle vorstellen können, die auch Ihre Zustimmung finden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, anläßlich der eben vom Kollegen Siemann angesprochenen Veranstaltung des Deutschen Bundeswehr-Verbandes zum Thema „Offiziere im Stau“ hat Ihr SPD-Kollege Pfannenstein zugestimmt, daß der von der F.D.P. eingebrachte Änderungsantrag zum Haushalt zur Wiedereinführung eines Personalstärkegesetzes bis zum Abschluß der Kommission „Zukunft der Bundeswehr“, also als Überbrückung, eine sehr gute Idee sei. Er hat ebenfalls gesagt, die SPD werde dies unterstützen. Nachdem Sie nun die Zahlen über die tatsächlich im Stau befindlichen Soldaten sehr detailliert festgeschrieben haben, können Sie mir erklären, weshalb die Bundesregierung von der Einsicht Ihres Fraktionskollegen abgegangen ist, im Endeffekt diesen Antrag doch abgelehnt hat und zwischenzeitlich kein Personalstärkegesetz beschlossen hat?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Also, Herr Kollege, wir wollen fein differenzieren. Ich habe hier das vorgetragen, was wir vorgefunden haben, als wir Ende Oktober die Regierung übernommen hatten. Natürlich wußten das einige von uns, insbesondere die, die im Verteidigungsausschuß gearbeitet haben. Das zweite ist: Wir haben gemeinsam, auch mit den Stimmen Ihrer Partei und denen der Union, eine leichte Verbesserung vorgenommen. Das war ein gemeinsames Anliegen von uns. Jetzt aber ein neues Personalstrukturmodell zu entwickeln, obwohl wir uns vorgenommen haben, uns ganz nüchtern zu überlegen, wie die Bundeswehr der Zukunft konkret aussehen soll, wäre falsch. Wir würden möglicherweise eine falsche Richtung einschlagen und müßten das dann wieder korrigieren. Ich bitte Sie herzlich mitzuhelfen, auch der Öffentlichkeit klarzumachen, daß Soldaten auf Grund der heutigen Besoldungsstruktur im Vergleich mit anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes nicht mehr zeitgemäß bezahlt werden. Ich bitte Sie auch, bei einer Verbesserung mitzuhelfen. Aber das wäre im Moment nur ein Trostpflaster, dessen Wirkung erfahrungsgemäß nicht ausreicht, um eine Wunde zu heilen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Vielen Dank. - Ich rufe die Frage 6 der Abgeordneten Ostrowski auf: In welchem Zusammenhang steht nach Auffassung der Bundesregierung die Zerstörung von Donaubrücken und Heizkraftwerken mit dem erklärten Ziel der NATO, eine humanitäre Katastrophe über die Zerstörung der militärischen Infrastruktur der Bundesrepublik Jugoslawien abzuwenden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin Ostrowski, die NATO hat sich im Rahmen der Luftoperationen bewußt Restriktionen aufgelegt, um Schäden und unnötige Leiden von der jugoslawischen Bevölkerung abzuwenden. Die Luftoperationen dienen dem Zweck, die Fähigkeit der Bundesrepublik Jugoslawien zu zerstören, weiter gewaltsam gegen die Bevölkerung des Kosovo vorzugehen. Die Auswahl der Ziele erfolgt unter Anlegung strenger Maßstäbe. Es gilt vor allen Dingen, das militärische Potential, die Sicherheitskräfte und die paramilitärischen Kräfte, die für die humanitäre Katastrophe im Kosovo verantwortlich sind, zu reduzieren. Zu den Zielen zählt in dem einen oder anderen Fall auch die Infrastruktur, wenn sie der Unterstützung des militärischen Apparates dient. Von Bedeutung sind hier Verkehrsverbindungen, Schienenwege, Straßen, Brücken oder auch Flugplätze, auf denen Reserven und Nachschub transportiert bzw. organisiert werden können. Objekte, die auch für die Zivilbevölkerung von Bedeutung sind, werden nur dann angegriffen, wenn sie von erheblicher militärischer Bedeutung sind oder wenn sich dort militärische Dinge verbergen. Das gilt zum Beispiel für Postämter, die natürlich gleichzeitig auch einen Teil der militärischen Kommunikationsinfrastruktur darstellen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage?

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich habe Ihre Antwort gehört und hätte in diesem Zusammenhang folgende Zusatzfrage: Sie haben ja nicht bestritten, daß die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen wird, weil manches sowohl zivil wie auch militärisch genutzt wird. Nun hat die Bundesregierung öffentlich erklärt, daß der Krieg nicht gegen das serbische Volk, sondern gegen Milosevic gerichtet ist. Wir merken aber nunmehr, daß die Zivilbevölkerung durch die Zerstörung von Donaubrücken, Heizkraftwerken, Eisenbahnlinien und auch Fabriken Schaden nimmt. Objektiv betrachtet ist das so und nicht anders. Ist die Bundesregierung unter diesem Gesichtspunkt bereit, ihre Aussage, daß sich der Krieg nicht gegen das serbische Volk, sondern nur gegen Milosevic richtet, zumindest zu relativieren? ({0})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sie haben sicherlich gehört, daß ich den Begriff „serbisches Volk“ sorgfältig vermieden habe; denn in der Bundesrepublik Jugoslawien leben auch heute noch verschiedene Gruppen, übrigens auch in Belgrad. Ich rede deswegen ausdrücklich davon, daß die jugoslawische Bevölkerung betroffen ist. Nun besteht leider das Problem, daß Ursache und Wirkung nicht auseinandergehalten werden. An erster Stelle steht die Tatsache, daß Gewaltübergriffe gegen die albanische Minderheit im Kosovo durch paramilitärische und militärische Einheiten geschehen und daß sie auch Vertreibungen durchführen. Um diese Vorgänge endlich zu beenden - das ist ja dringend notwendig -, ist es bedauerlicherweise erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, durch die auch die Zivilbevölkerung - ich unterscheide da nicht, wer davon in Belgrad oder an anderer Stelle betroffen ist - in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir versuchen allerdings, Frau Kollegin, das soweit wie möglich zu verhindern. Es ist auch den Zeitungen zu entnehmen, daß fast die Hälfte der Einsätze, um Schäden - ich mag das Wort „Kollateralschäden“ nicht - an zivilen Objekten und Verluste in der Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten, abgebrochen worden ist, weil die Sichtverhältnisse es nicht erlaubten, genau zu zielen. Es kann aber von uns nicht geleugnet werden, daß auch schon unschuldige Menschen zu Schaden gekommen sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage?

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Nein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe dann die Frage 7 der Kollegin Ostrowski auf: Nach welchen Kriterien lassen sich nach Auffassung der Bundesregierung militärische und zivile Angriffsziele bei den NATO-Luftoperationen unterscheiden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin, ich möchte auf die Beantwortung Ihrer ersten Frage verweisen und Ihnen noch einmal sagen: Zivile Ziele werden nur dann angegriffen, wenn sie auch von erheblicher militärischer Bedeutung sind oder wenn sich dort militärische Einrichtungen verbergen oder solche dort hineinverlegt worden sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Es ging in meiner zweiten Frage um die Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Angriffszielen. Ich habe folgende Nachfrage: Warum ist eine Tabakfabrik ein militärisches Angriffsziel? Geben Sie mir recht - da nachgewiesenermaßen ein Flüchtlingstreck bombardiert wurde -, daß es schwierig ist, zivile und militärische Ziele zu unterscheiden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das ist eine wichtige Frage. Bei einigen der zivilen Ziele muß man sehen das ist natürlich geheim -, daß wir auch militärische Aufklärung haben. In der Geschichte des Deutschen bzw. Dritten Reiches, in den Kriegen von 1914 bis 1918 und von 1939 bis 1945, gibt es Beispiele dafür, daß Fabrikanlagen in militärische Einrichtungen umgewidmet werden können. Aber es stellt sich natürlich die Frage, welche militärische Einrichtung es in einer Tabakfabrik gibt. Ich kann Ihnen diese Frage deshalb nicht mit gutem Gewissen beantworten, weil hinsichtlich der Fabrik offensichtlich militärische Aufklärung stattgefunden hat und das deshalb geheim ist. Aber ich stelle mir, genau wie Sie, die Frage, warum Heizkraftwerke getroffen werden müssen, wenn nicht der Hinweis erfolgt, daß dort militärische Einrichtungen untergebracht sind. Dafür gibt es leider Beispiele. Es gibt auch Beispiele aus dem Dritten Reich dafür, daß aus einer bis dahin zivilen Fabrik eine militärische Beschaffungsmaßnahme entwickelt worden ist. Ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten. Ich will mich aber bezüglich der Tabakfabrik ausdrücklich erkundigen und werde Ihnen, wenn ich kann, die Antwort gerne zukommen lassen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Ostrowski.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Habe ich Sie jetzt richtig verstanden - auch Herr Verteidigungsminister Scharping hat die Informationspolitik der NATO öffentlich beklagt -: Sie haben als Bundesregierung nicht in jedem Falle den Nachweis, daß es, wenn strittige Ziele angegriffen worden sind, dort tatsächlich eine militärische Einrichtung gab?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Doch, wir haben natürlich die Möglichkeit des Nachweises, weil unsere Soldaten in der NATO tätig sind und weil wir ein politisches Primat haben. Wir haben selbstverständlich auch zivile Mitarbeiter. Wir haben einen eigenen Botschafter bei der NATO, und wir haben jederzeit die Möglichkeit, Auskünfte zu erhalten, wenn sich hinter einer zivilen Einrichtung eine militärische verbergen sollte. Aber es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keinen Hinweis darauf, daß es ein Unglück war, dieses Ziel zu treffen. Das heißt, Sie können davon ausgehen, daß es einen militärischen Hintergrund gab. Ich kann Ihnen hier leider nicht mehr dazu sagen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Manfred Opel.

Dipl. - Ing. Manfred Opel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001652, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, daß Herr Milosevic ausschließlich Zivilbevölkerung, die unbewaffnet war, vertrieben hat, daß er seit vielen Monaten ausschließlich gegen sie Krieg geführt hat und noch heute die Flüchtlingstrecks tagelang, bis zu 20 Tage, ohne Nahrung und Getränke durch die Straßen des Kosovo treibt? Können Sie mir zustimmen, Frau Staatssekretärin, daß Herr Milosevic einen unerklärten Krieg gegen seine eigene Zivilbevölkerung führt und daß das der Auslöser für die humanitäre Hilfsaktion der NATO-Streitkräfte war?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Opel, ich muß Ihnen nach allem, was wir wissen, leider zustimmen. Es ist bedauerlich und schlimm, daß so etwas am Ende dieses Jahrhunderts passiert. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie erwähnt haben, daß er auch jetzt Zivilpersonen nutzt, um militärische Einrichtungen von ihnen besetzen zu lassen. Wir haben die schlechte Erfahrung gemacht, daß er Zivilpersonen auf Brücken und auf Straßen oder auch vor Fabriken, die militärische Infrastruktur schaffen, bewegt. Das ist schlimm und sehr bedauerlich, und ich glaube, das wird auch vom ganzen Haus bedauert.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Kollegin Lippmann.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, Sie werden mir recht geben, daß niemand in diesem Haus bestreitet - das haben auch Sie soeben gesagt -, daß es in der Bundesrepublik Jugoslawien zu Menschenrechtsverletzungen kommt und daß dort eine Vertreibungspolitik betrieben wird. Dies alles haben wir hier schon mehrfach gemeinsam festgestellt. Aber angesichts der Wortwahl des Kollegen Opel soeben, nämlich daß es sich bei dem Einsatz der NATO um eine humanitäre Hilfsaktion handele, möchte ich darauf hinweisen, daß Bombardierungen von militärischer und auch ziviler Infrastruktur nicht gerade als eine humanitäre Hilfsaktion bezeichnet werden können. Zu meiner Frage: Sie sagten soeben, daß Aufklärung betrieben werde und daß der Regierung bezüglich der angesprochenen Tabakfabrik sogar Erkenntnisse darüber vorliegen, daß sich hinter dieser Fabrik Militärisches verstecken könnte. Können Sie Meldungen aus der Presse bzw. den Medien bestätigen, daß sich kleine Spezialeinheiten, und zwar deutsche, französische und britische Militärangehörige, in der Bundesrepublik Jugoslawien befinden, um diese Aufklärung voranzutreiben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein, das kann ich wirklich nicht bestätigen. Es gibt natürlich ganz bestimmte Arten der Aufklärung, über die ich hier nicht genauer sprechen kann. Aber selbstverständlich gibt es keine deutschen militärischen Einheiten, die sich in Form von Kleingruppen in der Bundesrepublik Jugoslawien aufhalten. Ich bin wie Sie der Meinung, daß der Einsatz von Flugzeugen und Marschflugkörpern natürlich keine humanitäre Aktion ist. Aber er geschieht, um weitere Vertreibungen von Menschen zu unterbinden. Das hat Kollege Opel gemeint. Ich weiß sehr wohl, daß auch Sie das nicht billigen und ausdrücklich kritisieren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Kollegin Ulrike Merten.

Ulrike Merten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003192, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, die Kollegin Ostrowski hat soeben nach der Fähigkeit, zwischen militärischen und zivilen Zielen zu unterscheiden, gefragt. Haben Sie nähere Auskünfte darüber, inwieweit Milosevic mögliche militärische Ziele oder auch militärisches Gerät durch menschliche Schutzschilde tarnen läßt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Darüber haben wir mehr als genug Kenntnisse. Frau Kollegin Merten, wir haben leider die Erfahrung gemacht, daß er militärisches Gerät, wie zum Beispiel Panzer, ganz bevorzugt in Wohngebieten untergebracht hat. Wir hören fast Tag für Tag, daß sich auf Brücken Menschen versammeln, die bestimmt nicht freiwillig dort hingegangen sind, um auf diese Weise ein Schutzschild zu bilden. Das ist eine der schlimmen Situationen, die derzeit auf dem Balkan herrschen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Bartsch.

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, stimmen Sie zu, daß eine Trennung zwischen zivilen und militärischen Angriffszielen letztlich nicht möglich ist? Natürlich gibt es das in Einzelfällen. ({0}) - Ich habe jetzt nicht die Ursache gemeint. - Ich habe die Frage gestellt, ob diese Ziele letztlich trennbar sind oder nicht.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich will Ihnen Ihre Frage gerne beantworten. Diese Ziele sind sehr gut trennbar. Deswegen haben wir uns ja der Mühe unterzogen, eine sehr umfangreiche Aufklärung zu betreiben. Deswegen haben wir beim Einsatz von militärischen Mitteln ausdrücklich auf Präzisionswaffen zurückgegriffen - es fällt mir schwer, dies sagen zu müssen; wahrscheinlich würde dies jedem Kollegen, der an dieser Stelle stehen müßte, schwerfallen -, damit wir bei der Zivilbevölkerung keine Schäden verursachen. Daß dies doch passieren kann, haben Sie ja erlebt. Aber man kann sehr gut aufklären, ob ein vermeintlich ziviles Ziel militärischen Zwecken dient. Das kann zum Beispiel eine Brücke oder eine Straße sein, von der man weiß, daß sie von größeren militärischen Einheiten benutzt werden wird, so daß durch deren Zerstörung der Weg in das Kosovo, nach Bosnien-Herzegowina oder nach Montenegro unterbrochen wird. Die von Ihnen angesprochene Unterscheidung kann man also treffen. Diese nimmt man auch ausdrücklich vor. Herr Kollege, Sie erleben ja selbst, welche Kritik mit Recht von den Regierungen des westlichen Bündnisses erhoben wird, wenn aus Versehen menschliche bzw. zivile Ziele, die nicht in einem militärischen Zusammenhang gestanden haben, getroffen werden. Man kann zwar nicht ganz vermeiden, daß es zu Schäden kommt. Aber eine Vermeidung sollte so sorgfältig wie möglich erfolgen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe Frage 8 des Abgeordneten Dr. Rössel auf: Wie hoch sind bisher die Belastungen des Bundeshaushalts aus der deutschen Beteiligung an der militärischen Umsetzung eines Rambouillet-Abkommens für den Kosovo sowie an NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe „Extraction Force“?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Dr. Rössel, über die Belastungen des Bundeshaushalts durch die deutsche Beteiligung an der militärischen Unterstützung der Umsetzung eines möglichen RambouilletAbkommens für den Kosovo wurde, wie Sie sich als Mitglied des Haushaltsausschusses sicherlich erinnern, nach dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 25. Februar 1999 entschieden. Diese Belastungen sollten für einen bestimmten Zeitraum - die entsprechende Zahl an Soldaten sowie der entsprechende Umfang an Gerät, Logistik und Infrastruktur vorausgesetzt - etwa 620 Millionen DM betragen. Wir haben eine Stärke von zirka 5 000 Soldaten für die Absicherung eines Friedensabkommens für das Kosovo geplant und eine vorübergehende Stationierung in Mazedonien vorgesehen. Durch die aktuellen Ereignisse und den Beginn der Luftoperationen der NATO sind zur Zeit zirka 3 000 Soldaten in Mazedonien. Die Zahl kann allerdings wegen der großen humanitären Einsätze, die wir dort leisten, steigen. Das heißt, die Kostenschätzung, die wir damals ab April für den Kosovo-Einsatz vorgesehen haben, lag mit der Logistik bei etwa 441 Millionen DM für das Jahr 1999. Diese Mittel werden voraussichtlich auch gebraucht, und zwar nicht in erster Linie für militärisches Personal, sondern für die Beschaffung von Gerät, für die Versorgung der Bevölkerung und für die Errichtung von zivilen Lagern. Sie hatten außerdem nach den Kosten der Notfalltruppe oder der, wie es so schön heißt, Extraction Force gefragt. Diese Extraction Force umfaßt 250 Soldaten. Der Deutsche Bundestag hat ihre Entsendung in seinem zweiten Beschluß am 19. November 1998 verabschiedet. Die Kosten werden den Bundeshaushalt mit zusätzlich zirka 20 Millionen DM im Laufe des Jahres belasten. Sie hatten dann danach gefragt, wie die finanziellen Mittel ausfallen. Der Quartalsbericht des ersten Quartals 1999 liegt noch nicht vor. Sie werden ihn aber als Haushälter in den nächsten Wochen bekommen. Daran kann aufgeschlüsselt werden, was wir bis zum 31. März 1999 an Ausgaben für die verschiedenen Einsätze - es gibt noch den SFOR-Einsatz und andere Einsätze - ausgegeben haben. Ich gehe davon aus, daß Sie als Berichterstatter den Bericht vorrangig bekommen werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Dr. Uwe Jens Rössel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002764, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe eine Zusatzfrage an die Parlamentarische Staatssekretärin Kollegin Schulte. Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung bei dem von ihr angeregten „Marshallplan“ für den Wiederaufbau auf dem Balkan? Wie soll dieser Plan aussehen, und wie soll er finanziert werden, vor allem mit welchen Wirkungen auf den Bundeshaushalt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Dafür ist zunächst das Finanzministerium verantwortlich. Herr Dr. Rössel, Sie wissen noch sehr genau, wie wir darum gekämpft haben, damit wir den Kosovo-Einsatz nicht aus dem Verteidigungshaushalt, sondern zunächst als neue Aufgabe aus dem Einzelplan 60 des Bundesfinanzministers, der diesen verwaltet, finanzieren. Das gleiche gilt natürlich für den „Marshallplan“, in dem verschiedene Funktionen wie die Wirtschaftspolitik, die Entwicklungspolitik und natürlich die Bildung der Bevölkerung, die Wiederherrichtung von Gebäuden, der Wohnungsbau und die Straßeninfrastruktur enthalten sein werden. Ich kann Ihnen die Zahl nicht sagen. Ich hoffe, wir werden gemeinsam relativ viel Geld zur Verfügung stellen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Da der Kollege Rössel diese Frage als Frage 62 an den Finanzminister gerichtet hat, wird er noch von dort aus eine Antwort bekommen. Sie haben aber noch das Recht zu einer zweiten Zusatzfrage.

Dr. Uwe Jens Rössel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002764, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe noch eine Zusatzfrage an die Parlamentarische Staatssekretärin Kollegin Schulte. Treffen Hinweise zu, wonach die jetzt für den besagten Einsatz vorgesehenen und auch eingesetzten Mittel aus dem Bundesetat, die ursprünglich zur Absicherung der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst auf Bundesebene vorgesehen waren, genommen werden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich war lange genug Mitglied des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Und auch in dieser Runde sind ein paar erfahrene Leute, die wissen, daß der Wunsch für tarifliche Verbesserungen immer im Einzelplan 60 vorgesehen war, und was in der Realität geschehen ist. Ich mußte nur registrieren, daß für den Haushalt des Jahres 1998 die alte Bundesregierung immerhin Tariferhöhungen in Höhe von 280 Millionen DM abzudecken gehabt hätte, für die sie keine Vorsorge getroffen hatte. Sie hat leider auch nichts aus dem Einzelplan 60 bekommen. Wieviel wir am Ende aus dem Einzelplan 60 bekommen werden, wird ein bißchen davon abhängen, Herr Kollege Dr. Rössel, was an Steuereinnahmen da ist und was in anderen Bereichen gebraucht wird. Ich gehe davon aus, daß wir mehr als die Mittel, die jetzt für die Tariferhöhung vorgesehen waren - es waren ursprünglich über 770 Millionen DM im Einzelplan 60 angesetzt -, brauchen, um den Wiederaufbau im ehemaligen Jugoslawien und ganz besonders im Kosovo voranzubringen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage, Frau Lippmann.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, Sie werden mir zustimmen, daß der Bedarf im Fall von weiteren Stationierungen von Bundeswehrsoldaten im Rahmen eines NATO-Einsatzes zum Beispiel in Albanien oder im Fall von weiteren Kontingenten in Mazedonien oder später vielleicht sogar im Fall von Bodentruppen im Kosova selbst natürlich weit höher ausfallen wird. Er ist nicht in diesen 441 Millionen DM enthalten. Können Sie darüber hinaus bestätigen, daß sich bereits jetzt Beamte, Bedienstete des Bundesgrenzschutzes in Mazedonien in der Flüchtlingsversorgung im Einsatz befinden? Falls dies zutrifft: Wie viele sind es? Mit welchem Auftrag sind sie dort? Wie hoch sind die durch diesen Einsatz entstandenen Kosten? Von welchem Haushalt sind sie abgedeckt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Gott sei Dank gibt es eine strikte Trennung in diesem Land: Der Bundesgrenzschutz gehört zum Innenminister. Ich werde mich hüten, zu Ihrer Frage Position zu beziehen. Ich könnte Ihnen die Frage auch nicht beantworten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe jetzt die Frage 9 der Abgeordneten Dr. Barbara Höll auf: Auf welcher Grundlage ({0}) erfolgte die bisherige Ansetzung der Kosten für den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr? Frau Staatssekretärin.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Dr. Höll, Grundlage des Kostenansatzes für den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo sind die entsprechenden Beschlüsse des Deutschen Bundestages: der Beschluß über die begrenzten und in Phasen durchzuführenden Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im KosovoKonflikt, mit großer Mehrheit noch vom alten Deutschen Bundestag am 16. Oktober 1998 gefaßt; der am 13. November gefaßte Beschluß über Luftüberwachungsoperationen über dem Kosovo im Rahmen der „NATO Kosovo Air Verification Mission“ und damit auch über den drohenden Einsatz in Mazedonien; der am 19. November 1998 gefaßte Beschluß über die Operation zum Schutz und zur Herausziehung von OSZEBeobachtern aus dem Kosovo in einer Notfallsituation; der am 25. Februar 1999 gefaßte Beschluß über die militärische Umsetzung des Rambouillet-Abkommens für den Kosovo sowie über den Einsatz bei NATOOperationen im Rahmen der Notfalltruppe. In diesen Beschlüssen des Deutschen Bundestages sind die jeweilige Personalstärke der Einsätze sowie Eckpunkte der Ausrüstung festgelegt worden. Diese An2710 gaben dienen als Basis, um die Kosten der Einsätze für einen Zeitraum von zwölf Monaten zu bestimmen. Berechnet werden hierbei nur die Zusatzkosten, das heißt Kosten, die ohne den Einsatz nicht entstehen würden. Entsprechend werden bei Personalausgaben zum Beispiel nur die Auslandsverwendungszuschläge und die Auslandsentschädigungen berechnet, nicht jedoch die Inlandsgehälter der Soldaten. Hinsichtlich des eingesetzten Materials werden die Kosten der Materialerhaltung durch Erfahrungswerte über einen zusätzlichen Materialverschleiß sowie die Kosten des Betriebsstoffs ermittelt. In die Kostenschätzung fließen weiter die zusätzlichen Kosten für einsatzbedingte Beschaffung, einsatzbedingte Infrastrukturmaßnahmen sowie die Transportkosten für die Hin- und Rückverlegung ein, wobei ebenfalls die Aufwendungen für die Transporte zur Versorgung und anläßlich der Kontingentwechsel zu berücksichtigen sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Nachdem Sie diese Grundlage ausführlich erläutert haben, möchte ich gerne wissen, wie hoch die Belastungen für den Bundeshaushalt bisher sind.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Dr. Höll, wir haben bislang Kosten für den Einsatz der SFOR, zum Beispiel die Kosten für die Verlegung der Verbände in Tetovo und in anderen Bereichen von Mazedonien, für den Aufbau entsprechender Unterkünfte, für den Transport von Gerät. Die Summe, die dabei zustande kommt, ist schon ganz beachtlich. Selbstverständlich bekommen die Soldaten für diese schwierige Aufgabe auch eine Auslandsentschädigung. Die genauen Kosten werden wir Ihnen, wie ich es dem Kollegen Dr. Rössel gesagt habe - auch Sie sind Haushälterin, Frau Dr. Höll -, schon mit der Quartalsabrechnung sagen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, da gleichzeitig in der Bundesrepublik Jugoslawien unwahrscheinlich viel zerstört wird und laufend Spendenaufrufe auch an die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ergehen, die zum Teil sehr großen Widerhall haben, stellt sich für viele Bürgerinnen und Bürger natürlich die Frage, wieviel Geld jeden Tag ausgegeben wird, um zu zerstören, und wieviel Geld für den Wiederaufbau benötigt wird, wobei es schwierig ist, Geld für den Wiederaufbau beizubringen. Ich denke, daß man, da Sie davon ausgehen, daß die Summe bisher schon beträchtlich ist, versuchen sollte, nicht erst zum Quartalsende, sondern ziemlich zeitnah Auskünfte an die Bevölkerung und an das Parlament zu geben.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Liebe Frau Kollegin Dr. Höll, überlegen Sie sich bitte einmal, warum wir das alles tun müssen! Sie können sich doch wohl vorstellen, daß der Deutsche Bundestag nicht mit mehr als 90 Prozent einem solchen Einsatz zugestimmt hätte, wenn es dafür nicht Ursachen gäbe. ({0}) Eine solche Frage hier zu stellen ist angesichts des Leids und der viel größeren Kosten, die die Flüchtlinge im Kosovo jetzt zu tragen haben - um es neutral auszudrücken und mein Amt zu beachten -, erstaunlich. Im übrigen wünschte ich mir, daß es viel mehr Länder in der Welt - auch parlamentarische Demokratien gäbe, die eine solch sorgfältige Haushaltskontrolle und Haushaltsklarheit haben wie der Deutsche Bundestag. ({1}) Das ist eines der Rechte, die in der Tradition des Reichstages von 1914 stehen. Ich kann mich nur erinnern, daß es in der ehemaligen DDR so etwas nicht gab. Damals wußten Sie nicht, was die Dinge kosteten und was für Militär ausgegeben wurde. Die Behauptung, die mit Ihrer Frage verbunden war, finde ich schon kühn. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Winfried Wolf.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, es geht immer noch um die Grundlagen für die Berechnung der Kosten. Von CDU-Fachwissen gestützte Berechnungen gehen davon aus, daß die Kosten doppelt so hoch liegen. Ich frage Sie: War inzwischen bekannt, was Verteidigungsminister Scharping heute im Verteidigungsausschuß gesagt hat, nämlich daß eine HarmRakete nicht, wie bisher veröffentlicht, 400 000 DM, sondern 1,2 Millionen DM kostet, weil die damaligen Anschaffungskosten mit den Wiederbeschaffungskosten verwechselt wurden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wenn Sie genau zugehört hätten, wüßten Sie, daß eine jetzt verschossene Harm zwischen 600 000 und 700 000 DM gekostet hat - denn man muß ja immer die Anpassung an das Gerät einbeziehen - und daß das Folgemodell der Harm-Rakete, die wir beschaffen wollen, eine andere Fähigkeit hat, nämlich auch abgestellte Luftverteidigungssysteme aufzuklären. Im Moment ist es so, Herr Kollege, daß wir unsere Harm-Raketen nicht verschießen, wenn vorher das Luftabwehrsystem abgestellt wurde, weil ansonsten die Gefahr besteht, daß sie abgelenkt werden. Die neue Rakete hat in der Tat eine solche Genauigkeit, daß dann auch die Radaranlagen getroffen werden können, die nicht in Betrieb sind; denn auch diese können natürlich Schaden anrichten. Deswegen stimmt es, daß eine Harm-Rakete nach dem jetzigen Stand 1,2 Millionen DM - ich hoffe, es bleibt dabei - kostet.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Lippmann.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, vor einer Woche wurde uns mitgeteilt, daß zu dem damaligen Zeitpunkt von deutschen Tornados 90 bis 100 Harm-Raketen verschossen worden seien. Können Sie uns sagen, wie der aktuelle Stand ist, also wie viele darüber hinaus abgeschossen wurden, und inwieweit die Kosten für die Neuanschaffung auf Grund des „Verbrauchs“ der Harm-Raketen über den bisherigen Haushaltsansatz hinausgehen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das wird eine Entscheidung des Parlamentes sein. Das Parlament wird nach Beendigung der schlimmen kriegerischen Auseinandersetzung auf dem Balkan auswerten müssen, was wir verbraucht haben. Bis jetzt sind es etwa 100. Die makabre Logik moderner Waffentechnologie hat es nun einmal so an sich, daß man sich die Frage stellen muß, ob wir, wie bisher, mehr als 1 000 solcher Raketen benötigen oder ob wir für die Zukunft nicht möglicherweise weniger beschaffen - unter dem Gesichtspunkt, daß ihr Einsatz noch präziser ist, auch wenn wir natürlich hoffen, daß wir sie nie einsetzen müssen. Ausrechnen können Sie das alles. Zur Zeit haben wir noch 900.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Dr. Höll auf: Wie hoch liegen die Gesamtausgaben für diesen Militäreinsatz gegenwärtig pro Tag?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Dr. Höll, wegen der unterschiedlichen Aktivitäten und der unterschiedlichen deutschen Beteiligung an den NATO-Operationen verlaufen die Ausgaben nicht kontinuierlich; schon gar nicht sind sie pro Tag zu berechnen. Man erhielte eine solche Angabe natürlich, wenn man die Gesamtausgaben des Quartals durch die Anzahl der Tage teilte; aber auch das ist schief, weil Sie bedenken müssen, daß Beschaffung von Material oder Gerät nicht auf den Tag umzurechnen ist. Die Angabe der Gesamtausgaben habe ich Ihnen ja zugesagt, und das werden Sie dann auch bekommen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, da, wie Sie wissen, ab heute die Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuß läuft, würde mich interessieren - gerade unter den von Ihnen noch einmal unterstrichenen Voraussetzungen von Haushaltsklarheit und -wahrheit -, ob es nicht möglich und notwendig wäre, diese Zahlen vor der abschließenden zweiten und dritten Lesung des Haushaltes 1999 einzuarbeiten.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wir haben sie eingearbeitet. Noch gibt es keinen Grund, anzunehmen, daß die Summen, die wir zum Beispiel für den Kosovo-Einsatz, für das Warten in Mazedonien oder die Flüchtlinge vorgesehen haben, höher sein werden, als sie von uns geschätzt wurden. Es gibt allerdings zwei Unwägbarkeiten, Frau Dr. Höll: Wir wissen nicht, ob wir nicht bald in die Situation kommen, daß es zu einer Beendigung der Luftschläge und der kämpferischen Auseinandersetzung kommt und dann der Wiederaufbau erfolgen muß, und wir müssen eine zweite Frage beantworten, nämlich die, wie viele Soldaten wir im Kosovo benötigen, um dort die Rückkehr der Flüchtlinge zu organisieren. Ich kann mir ja auch vorstellen, daß die Bevölkerung Jugoslawiens - wenn sie die Möglichkeit erhält, vielleicht eine andere politische Führung zu bekommen - bei diesem Aufbau sehr viel aktiver mithelfen wird und die Notwendigkeit, dort mit mehreren zehntausend Soldaten hineinzugehen - so wird das jetzt geschätzt -, dann nicht gegeben ist. Das hängt sehr stark davon ab, was in den nächsten Wochen passiert. Hoffentlich dauert es nicht noch Monate.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, diese Unwägbarkeiten sind auf alle Fälle vorhanden. Inwieweit haben Sie aber Vorsorge dahin gehend getroffen, wenn der Einsatz, der jetzt stattfindet, nicht so schnell beendet werden kann, wie Sie sich das wahrscheinlich wünschen und wie auch wir uns das wünschen, nämlich am besten sofort, heute? Wir haben dafür allerdings eine andere politische Begründung; wir denken, man kann den Frieden nicht herbeibomben. Wenn sich dieser Einsatz zeitlich in die Länge zieht: Von welchen Bedingungen der Finanzierung eines längeren Einsatzes sind Sie ausgegangen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin, wir haben ja, wie ich in meiner Antwort vorhin gesagt habe, erst einmal die Überlegung gehabt, das RambouilletAbkommen umzusetzen. Dafür hätte die Bundesrepublik Deutschland einen entsprechenden Beitrag leisten müssen. Es gibt im deutschen Haushaltsrecht ein gutes Instrument; das ist die überplanmäßige Ausgabe. Das macht man dann, wenn man es von vornherein nicht weiß. Es wäre auch nicht zu leisten, die Ausgaben für das ganze Jahr, in dem sich ja die politische und damit auch militärische Lage ändern kann, von vornherein zu berechnen. Ich habe heute morgen mit Freuden gehört, daß der Obmann der SPD-Fraktion im entsprechenden Ausschuß im Frühstücksfernsehen erklärt hat, daß überplanmäßige Ausgaben befürwortet werden, wenn sie sich als wichtig und richtig herausstellen sollten. Dann werden auch Sie entsprechende Informationen bekommen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Küster.

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin Schulte, können Sie mir erklären, warum die PDS weder nach den Kosten, die durch die Vertreibung und den faschistischen Terror im Kosovo entstanden sind, noch nach den Kosten, die bei der Wiederherstellung einer Zivilgesellschaft im Kosovo entstehen, gefragt hat? ({0})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Küster, ich vermute, daß sich die Kollegen das im stillen schon fragen werden. Sie haben möglicherweise eine Rolle übernommen, die es ihnen jetzt nicht erlaubt, solche Fragen zu stellen. Ich muß in dieser Beziehung hoffen. Ich kenne eine Reihe von Leuten bei ihnen, die wissen: Natürlich ist es eine Katastrophe, daß dieser Mann nicht nur die Vertreibung von über 1 Million Menschen, sondern auch die Zerstörung der Infrastruktur fertiggebracht hat. Wer von uns das ehemalige Jugoslawien kennt - darin sind wir Westdeutsche Ihnen gegenüber im Vorteil; denn wir sind ja als Urlaubsgäste gern in dieses Land gefahren -, der kann sich nur mit Fassungslosigkeit vorstellen, wie viele Milliarden am Ende gebraucht werden, um das alles wieder aufzubauen. Die Ursache ist Milosevic; er ist es seit 1988. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, die nachdenklichen Kollegen unter den PDS-Mitgliedern zu bitten, auch dies in die Diskussion hineinzutragen. ({0}) Ich danke Ihnen für die Frage.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Johannes Kahrs.

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, daß die Fragen der PDS zu dem Elend und dem Leid im Kosovo, die wir nun täglich erleben, in keinem Verhältnis stehen, daß der billige Versuch, hier innenpolitische Punkte zu machen, jenseits all dessen ist, was eigentlich diesem Hohen Hause zumutbar ist, und daß man vielleicht auch danach fragen sollte, warum alle diese Fragen von den zuständigen Abgeordneten eigentlich nicht im Verteidigungsausschuß gestellt werden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Kahrs, da ich mich daran erinnere, daß man in der Opposition manchmal eine andere Rolle einnimmt und dies mitunter bereut, wenn man sich hinterher, ein paar Monate später, noch einmal mit der gleichen Frage auseinandersetzt, habe ich die große Hoffnung - ich sage das jetzt nicht ironisch -, daß viele Mitglieder der PDS, die einen solchen Mann vermeintlich in Schutz nehmen ich glaube, das wollen die meisten gar nicht -, darüber nachdenken und erkennen, welchen Schaden dieser Mann anrichtet. ({0}) - Daß es dazu keine Äußerung gibt, stimmt nicht. Ich lese ab und zu auch einmal das „Neue Deutschland“, ich lese die „Junge Welt“. Frau Dr. Höll, Sie haben wahrscheinlich nur die westdeutschen Zeitungen gelesen. Ich muß Ihnen aber wirklich sagen: Was man von Ihren Vertretern in den neuen Bundesländern teilweise an Fragen gestellt bekommt, ist schon toll. Herr Kahrs, ich kann nur empfehlen, den Dialog mit den Kollegen - und zwar von jeder Seite - zu führen, damit diese sehen, daß sie sich in eine Position verrannt haben, die falsch ist.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Ostrowski.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Zurück zum Fachlichen und zum Sachlichen; denn wir sind ja im Bundestag. Wir stellen die Fragen, für deren Beantwortung die deutsche Bundesregierung zuständig ist. Frau Staatssekretärin, wir hätten die Frage vielleicht so formulieren sollen - da gebe ich Ihnen recht -, daß von den durchschnittlichen Kosten pro Tag die Rede ist. Das wäre exakter gewesen. Trotzdem wundere ich mich: Sie müssen doch wissen, wieviel bisher ausgegeben worden ist. Ich verstehe nicht, warum Sie uns immer darauf verweisen, daß am 31. März. das Quartal beendet ist. Sie können mir doch nicht erzählen, daß Sie im Verteidigungsministerium nicht wissen, was bisher ausgegeben worden ist.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin Ostrowski, ich kann Ihnen schon sagen - das ist bereits für die Bereinigungssitzung vorbereitet -, daß wir in diesem Jahr bereits gut 25 Prozent der Mittel vom Haushaltsansatz wir befinden uns ja in einer vorläufigen Haushaltsausführung - ausgegeben haben. Ich kann Ihnen sogar sagen, warum das so ist. Wir dürften eigentlich gar nicht so viel ausgeben. Die Beamtengehälter werden aber bekanntlich schon am Ende des Monats für den darauffolgenden Monat gezahlt; deswegen sind die Beamtengehälter für den April in der Quartalsrechnung enthalten. Die Einzelheiten - es geht um differenzierte Titel, die sich zwischen einigen tausend D-Mark und einigen hunderttausend D-Mark befinden - kann auch die beste Verwaltung - das Bundesministerium der Verteidigung ist ja kein kleines Ministerium, es hat immerhin die stattliche Anzahl von über 3 000 Mitarbeitern - zu diesem Zeitpunkt noch nicht exakt vorlegen. Sie können sich aber gewiß sein, daß nicht in erster Linie die PDS, sondern natürlich die Kollegen von der Union und von der F.D.P., die solche tollen Berechnungen in die Welt gesetzt haben, alles tun werden, um Einzelheiten zu erfahren. Als ich vom Kollegen Austermann - ich glaube jedenfalls, daß er es war - gelesen habe, daß er von 1 Milliarde DM sprach, habe ich mich gefragt: Na, wer hat da im Ministerium wieder irgend etwas aufgeschrieben? Es könnte ja sein, daß das schneller an die Opposition als an die Regierung geraten ist. Das war aber nicht der Fall. Vielmehr hatte sorgfältige Berechnung, was alles sein könnte - Einsatz von SFOR-Truppen im Kosovo und andere Dinge -, dazu geführt. Ich würde Ihnen hier eine falsche Zahl nennen. Das möchte ich einfach nicht. Deswegen sollten Sie Verständnis für die Aussagen haben, die Sie bekommen. Wir führen schon ordentlich Buch. Es ist allerdings erst der 21. April.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine letzte Zusatzfrage zu diesem Kapitel, Frau Lippmann.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, hier ist schon mehrfach der Irrtum aufgekommen, daß die Kritik der PDS am NATO-Einsatz mit einer einseitigen Unterstützung Milosevics, mit einer Duldung der humanitären Katastrophe, die dort stattfindet, gleichzusetzen sei. ({0}) Dies weise ich erneut zurück. Aber in einem pluralistischen, demokratischen System wie der Bundesrepublik Deutschland muß es gerechtfertigt sein, daß die Opposition auch unliebsame Fragen stellt. ({1}) Deswegen frage ich jetzt noch einmal ganz konkret zu Ihren wiederholten Äußerungen - ({2}) - Lassen Sie mich bitte ausreden, dann frage ich auch. Ich frage ganz konkret zu Ihren wiederholten Äußerungen, inwieweit der Auftrag oder die politische Zielsetzung des NATO-Einsatzes, nämlich die Verhinderung einer humanitären Katastrophe, die Flucht und Vertreibung von Menschen aus dem Kosovo tatsächlich verhindert hat. Vielleicht können Sie es auch zahlenmäßig benennen: Wie viele Flüchtlinge wurden durch den NATO-Einsatz nicht vertrieben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin Lippmann, das finde ich fast zynisch. Das hätte ich von Ihnen nicht erwartet.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Das ist aber genauso zynisch wie Ihre Argumentation!

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Einen Moment bitte! Das Wort hat die Staatssekretärin.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sie sind mit mir und anderen zusammen in Mazedonien gewesen. Wir haben uns das angeschaut. Ich denke immer an Leute wie Sie oder auch an andere, deswegen unterstelle ich Ihnen nichts. Ich weiß, daß man Fragen stellen kann, die unterschiedlicher Art sind. Aber diese Frage ist nun ganz besonders makaber. Was hätten wir denn tun sollen? Wir wußten, daß Milosevic schon mit der Vertreibung begonnen hatte, daß sich die Menschen bereits in den Wäldern befanden, daß sie zum Teil auch interniert waren. Wäre die richtige Antwort gewesen, nichts zu tun? Ich gestehe Ihnen zu - das treibt doch jeden von uns um -: Nicht zu handeln hätte uns schuldig gemacht; zu handeln bedeutet, auch Risiken einzugehen. Natürlich sind wir Risiken eingegangen, sogar in großem Maße. - Aber ich begreife nicht, wie Sie uns so etwas unterstellen können. Ich kann das nicht nachvollziehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Gehrcke auf: Trifft es zu, daß die UCK seit dem März 1999 logistisch durch die NATO unterstützt wird?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege, ich sage Ihnen ganz deutlich: Nein, es trifft nicht zu, daß die UCK logistisch durch die NATO unterstützt wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich weiß nicht, ob es gestattet ist, aber ich möchte mich zunächst einmal für Ihre Aufforderung an die Kollegen des Hauses bedanken, politische Differenzen im Dialog auszutragen. ({0}) Ich halte es für ausgesprochen wichtig, daß dies gewahrt bleibt. Meine Zusatzfrage: Heute informierte uns im Auswärtigen Ausschuß ein Kollege der Unionsfraktion - um ihn wörtlich zu zitieren -: Amerika ist dabei, UCKLeute auszubilden, an verschiedenen Orten: in den USA, in Kanada und Albanien. Gehen Sie mit mir davon aus, daß die Kollegen der Unionsfraktion ihre Aussagen sehr gründlich überprüfen? Liegen solche Erkenntnisse möglicherweise auch der Bundesregierung vor?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich lese und höre viele Dinge, Herr Kollege Gehrcke. Ich muß Ihnen sagen: Als Ihre Frage in unserem Haus einging, habe ich den Sachverhalt sorgfältig prüfen lassen. Sie wissen es nicht, aber ich war immerhin 12 Jahre NATO-Parlamentarierin. Ich kann Ihnen sagen: Die NATO - danach haben Sie gefragt - unterstützt die UCK logistisch und militärisch nicht. Was einzelne Staaten machen, weiß ich nicht. Ich höre vieles darüber, habe aber aus dem Munde des amerikanischen Verteidigungsministers oder des Oberbefehlshabers der NATO noch keine Bestätigung für eine solche Behauptung bekommen. Ich weiß natürlich - das sage ich hier sehr deutlich -, daß selbst in Deutschland lebende UCK-Kämpfer von ihresgleichen aufgefordert werden, in ihr Land zurückzukehren. - Wir hatten übrigens die gleiche Situation, als die Auseinandersetzungen in Bosnien-Herzegowina begannen, als die Krajina besetzt wurde. Auch damals sind die jungen Männer - noch als jugoslawische Staatsangehörige - aufgefordert worden, in ihr Heimatland zurückzukehren. Ich kann Ihnen aber mit gutem Gewissen sagen: Die NATO unterstützt die UCK nicht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich die Frage 12 des Abgeordneten Gehrcke auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Rekrutierung neuer UCK-Kämpfer in den von der NATO organisierten Flüchtlingslagern?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich habe Ihnen gesagt, daß die Bundesregierung keinerlei Aktivitäten der UCKKämpfer unterstützt. Sie ist auch in den internationalen Flüchtlingslagern nicht an solchen Aktivitäten beteiligt. Daran merken Sie schon, daß ich die Frage offenhalte, ob nicht doch ohne Wissen von uns, unseren Soldaten und auch den Non-governmental organizations so etwas geschieht. Es wäre vermessen, wenn ich dies nicht täte. Wir aber unterstützen die UCK-Kämpfer nicht, weder die Bundesregierung noch das Parlament.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich lerne, daß ich meine Fragen präziser stellen muß. Ich danke für diese Belehrung. Wäre die Bundesregierung in der Lage, sich sachkundig zu machen, ob sich einzelne NATO-Staaten an der logistischen Ausbildung der UCK beteiligen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

In dem Bemühen, sich sachkundig zu machen, wird die Bundesregierung noch immer vom Parlament übertroffen. Das hoffe ich zumindest; denn das ist es, was dem Bürger bei einer Wiederwahl wichtig ist. Wir versprechen Ihnen, daß wir, wenn wir etwas darüber erfahren, dies Ihnen mitteilen. Das ist auch in unserem gemeinsamen Interesse. Natürlich haben Sie recht. Ich habe mir Ihre Frage sehr sorgfältig angeguckt und dann eine Antwort darauf formuliert. Nach gutem Wissen und Gewissen kann ich Ihnen sagen: Das ist so.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Opel.

Dipl. - Ing. Manfred Opel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001652, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich begrüße es, daß der Kollege Gehrcke sagt, man solle sich politisch auseinandersetzen. Nun verstehe ich seine Frage so, daß der NATO quasi als Soupçon unterstellt wird, sie würde Flüchtlingslager organisieren, unter anderem um dort UCK-Kämpfer auszubilden, zu deutsch: sich an einer subversiven militärischen Aktion im Kosovo unter NATO-Mandat zu beteiligen. Frau Staatssekretärin, sind Sie mit mir der Meinung, daß angesichts der begrenzten Mittel der Hohen Kommissarin der UN für das Flüchtlingswesen und angesichts der begrenzten Möglichkeiten der Nichtregierungsorganisationen und der Hilfsorganisationen, die in den Randgebieten zum Kosovo wirklich Unmenschliches leisten - sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag -, die zusätzliche Hilfe, die unsere Soldaten leisten können, weil sie noch dort sind und hoch motiviert sind, nicht so mißinterpretiert werden darf, daß die NATO die Flüchtlingslager mißbraucht, um dort den militärischen Widerstand gegen Milosevic zu organisieren und zu unterstützen? Durch eine solche Interpretation würden die Flüchtlingslager diskreditiert.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das kann ich eigentlich nur mit einem schlichten Ja beantworten. Ich bin Ihnen für Ihre Frage dankbar - auch wenn sie von der Beantwortung der Frage von Herrn Gehrcke etwas wegführt -, weil sie mir die Gelegenheit gibt, die Leistungen der Bundeswehr zu würdigen. Frau Kollegin Lippmann und andere Abgeordnete wissen, was wir im Kosovo erlebt haben, als der Konflikt vor Ostern begann, und was die Soldaten und die Vertreter der Non-governmental organizations, die natürlich Leute brauchten, die ihnen helfen sollten, geleistet haben. Die Soldaten der Transportgeschwader und der anderen Bereiche haben, abgesehen von denjenigen, die sowieso als Bereitschaft da waren, sofort ihren Urlaub storniert und auch alle sonstigen privaten Pläne zurückgestellt, um Hilfe zu leisten. Auf die Leistung der Bundeswehr, die sie dort unter humanitären Gesichtspunkten erbringt, können wir alle gemeinsam stolz sein. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch meinen Kollegen Walter Kolbow erwähnen. Was er im Moment in Mazedonien unter humanitären Gesichtspunkten leistet und wie er das Ganze organisiert, ist schon bewunderungswürdig. Es ist vor diesem Hintergrund schlimm, Herr Kollege Opel, daß wir es bisher nicht geschafft haben, den Konsens in diesem Haus darüber zu vergrößern, daß die Vertreibungen eine Katastrophe sind und daß sie ein Verbrechen an der Menschheit darstellen. Umgekehrt zeigen die Beispiele, daß es auch Menschlichkeit gibt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe Frage 13 der Abgeordneten Lippmann auf: Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die alliierten Streitkräfte bei ihren Kampfeinsätzen im Kosovo auch Geschosse bzw. Marschflugkörper mit angereichertem Uran verwenden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin Lippmann hat gefragt, ob die alliierten Streitkräfte bei ihren Kampfeinsätzen im Kosovo auch Geschosse bzw. Marschflugkörper mit angereichertem Uran verwenden. Das Wort „angereichert“ in Ihrer Frage haben wir durch „abgereichert“ ersetzt, weil wir uns den Einsatz von Munition mit angereichertem Uran nicht vorstellen können. Ich kann Ihnen, Frau Kollegin, sagen, die Bundesregierung kann nicht bestätigen, daß Geschosse bzw. Marschflugkörper mit angereichertem Uran bei Kampfeinsätzen im Kosovo verwendet werden. Da Sie wahrscheinlich auch nach Munition mit abgereichertem Uran fragen werden - Sie beschäftigen sich ja mit dieser Thematik -, kann ich Ihnen nur sagen: Es gibt nur amerikanische Maschinen, die bei diesem Einsatz Munition mit abgereichertem Uran verwenden können. Es handelt sich hier um eine panzerbrechende Munition. Den mit dieser Thematik nicht so vertrauten Kollegen sollte man sagen, daß diese Munition nur durch ihre Durchschlagskraft wirkungsvoll ist und nichts mit strahlender Munition zu tun hat.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin Schulte, vor ungefähr zwei Stunden ist eine Meldung über den Ticker gekommen, die besagt, daß das ARDMagazin „Monitor“ am kommenden Donnerstag einen entsprechenden Bericht senden wird, in dem bestätigt und wissenschaftlich nachgewiesen wird, daß die amerikanischen Flugzeuge vom Typ A 10 und auch die gerade jetzt in Albanien eintreffenden Apache-Hubschrauber mit uranabgereicherter Munition bestückt sind. Stimmen Sie der in dieser Tickermeldung enthaltenen Aussage zu, daß nach dem Aufschlag der Munition eine durch Reibung ausgelöste strahlende Wolke entsteht, die im Golfkrieg sehr große Schäden verursacht hat? Diese strahlende Wolke -

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das war jetzt Ihre Frage, Frau Kollegin. Ich glaube, sie ist verstanden worden. - Frau Staatssekretärin.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Lippmann, ich kann das nicht bestätigen. Ich weiß nur, daß die Munition mit abgereichertem Uran eine große Durchschlagskraft hat. Ich kann mich erinnern, daß wir darüber eine Diskussion im Parlament - da waren Sie nicht anwesend - geführt haben. Bei „Monitor“ würde ich von vornherein nicht glauben, daß alles stimmt. Wichtig war mir hier, daß der Unterschied zwischen abgereicherter Munition und angereicherter Munition klargestellt wird. Im übrigen kann ich bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigen, daß diese Munition eingesetzt worden ist; denn wir haben natürlich auch andere panzerbrechende Munition. Aber der Hinweis ist richtig: Die beiden Waffenträger - das Flugzeug und auch der Hubschrauber - besitzen solche Munition.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich die Frage 14 der Abgeordneten Lippmann auf: Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Schäden vor, die durch diese radioaktive Munition unmittelbar und mittelbar angerichtet werden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin, da diese Munition nach unserem Wissen nicht verwendet wird, können keine Schäden angerichtet werden. Aber das bezieht sich natürlich auf die Munition mit angereichertem Uran. Ich will der Korrektheit halber sagen: Sie hatten nach angereichertem Uran gefragt. Die Strahlungsfähigkeit von abgereichertem Uran liegt übrigens nicht höher als bei vielen anderen Materialien. Das habe auch ich erst lernen müssen. ({0}) - Da ist ja ein Fachmann.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie die Äußerung der UN-Menschenrechtsorganisation aus dem Jahre 1996, die derartige Munition mit abgereichertem Uran als menschenverachtend geächtet hat, und die nachgewiesenen Schäden, die es insbesondere im Golfkrieg gegeben hat?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich kann mich sehr gut daran erinnern, daß im Golfkrieg über vieles spekuliert worden ist, was aber nicht bestätigt worden ist. Wir wissen auch, daß chemische Kampfstoffe freigesetzt worden sind, wahrscheinlich durch Angriffe des Bündnisses, weil Herr Saddam Hussein offensichtlich hinter den Reihen chemische Munition hatte. Aber ich kann Ihnen nicht bestätigen, daß solche Schäden durch abgereicherte Munition entstanden sind. Frau Kollegin, wir können das Thema gern im Verteidigungsausschuß aufnehmen. Wir können noch einParl. Staatssekretärin Brigitte Schulte mal darüber reden und uns noch sachkundiger machen. Wir haben ja Wissenschaftler in unseren Reihen, die Ihnen dazu mehr sagen können. Der Kollege Opel neben Ihnen versteht viel davon, der Kollege Küster auch.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die letzte Zusatzfrage hat der Kollege Reinhold Robbe.

Reinhold Robbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002762, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, teilt die Bundesregierung meine grundsätzliche Auffassung, daß sämtliche Fragen, die hier von der PDS gestellt wurden, dazu geeignet sind, die PDS nicht zuletzt zum Sprachrohr von Herrn Milosevic zu machen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Robbe, ich hoffe das nicht, weil ich immer noch an die Lernfähigkeit einzelner gewählter Parlamentarier glaube - nicht insgesamt an die Lernfähigkeit der PDS; da bin ich genauso skeptisch wie Sie. Da ich einen Teil dieser Parlamentarier gut kenne - nicht nur Frau Lippmann aus Niedersachsen, sondern auch Herrn Rössel aus seiner anderen Tätigkeit -, will ich das immer noch nicht annehmen. Ich will nur annehmen, daß sie sich auf die falsche Seite geschlagen haben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Annette Widmann-Mauz auf: Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus der von der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Claire Marienfeld, in ihrem jüngsten Jahresbericht festgestellten mangelnden politischen Bildung der Soldaten ziehen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin, die Frau Wehrbeauftragte hat festgestellt, daß bei jungen Soldaten die Unkenntnis über politische und geschichtliche Zusammenhänge ausgeprägt ist. ({0}) - Manchmal trifft das auch auf Abgeordnete zu; ich habe gerade an andere gedacht, die den Zwischenruf gemacht haben. Den jungen Soldaten sind politische und geschichtliche Zusammenhänge zum Teil nur mangelhaft bewußt. Die Feststellungen im Jahresbericht 1998 der Frau Wehrbeauftragten werden im Bundesministerium der Verteidigung natürlich sehr ernst genommen. Sie sind übrigens auch in der Vergangenheit ernst genommen worden. Wir versuchen wirklich, daß der politischen Bildung in den Streitkräften große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Der vorangegangene Generalinspekteur und noch mehr der jetzige Generalinspekteur von Kirchbach haben sich dieser Frage besonders angenommen. Ich hoffe, wir werden sehen, daß das Erfolg hat. Lassen Sie mich als ehemalige Lehrerin sagen, daß mangelhaftes politisches und geschichtliches Wissen nicht nur in der Bundeswehr zu erkennen ist. Vielmehr mangelt es auch in großen Teilen unserer Gesamtbevölkerung an politischem Wissen und Geschichtsbewußtsein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie dann meine Einschätzung teilen, daß es dringend notwendig ist, in Maßnahmen der politischen Bildung speziell für Soldaten verstärkt zu investieren?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wir tun das, Frau Kollegin. Sie haben nicht miterlebt, wie sehr wir uns bemüht haben, als die rechtsextremen Vorfälle und die Gewaltvorfälle in der letzten Wahlperiode aufgetreten sind. Unabhängig von parteipolitischer Bewertung hat sich der Verteidigungsausschuß als lange dauernder Untersuchungsausschuß mit großer Sorgfalt darum bemüht, Ursachen zu untersuchen, keine Schuldzuweisungen vorzunehmen. Es wird viel getan. Wenn Sie die Gelegenheit haben, die Bundeswehr aufzusuchen, wird sie Ihnen darstellen, was sie macht. Ich lade Sie gerne ein. Bei Gelegenheit zeigen wir Ihnen gern, was alles geschieht. Daran liegt es nicht. Man bekommt ab und zu den Hinweis von Soldaten: Ach, schon wieder, nur weil wieder ein rechtsextremer Vorfall passiert ist! - Wir machen es mit großer Sorgfalt. Dabei geht es nicht nur um Linksoder Rechtsextreme - wir haben beides -, sondern es geht natürlich auch um die Gewaltpotentiale und die Gewaltschwelle. Ich kann Ihnen das bei Gelegenheit gern einmal zeigen. Ich lade Sie ein, einmal die Bundeswehr zu besuchen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich Frage 16 der Kollegin Widmann-Mauz auf: Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die politische Bildungsarbeit der „Arbeitsgemeinschaft Staat und Gesellschaft“ ({0})?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich war ganz überrascht, weil ich zu denjenigen gehörte, Frau Kollegin, die gar nicht wußten, was die „Arbeitsgemeinschaft Staat und Gesellschaft“ eigentlich ist. Das ist wahrscheinlich von Landsmannschaft zu Landsmannschaft verschieden. Ich habe mich inzwischen erkundigt und habe gehört, daß sie sich besonders um den Bereich der Bildung bemüht hat und daß die Bundeswehr z. B. im Jahre 1996 240 mehrtägige Seminare und 254 Tagesseminare mit der „Arbeitsgemeinschaft Staat und Gesellschaft“ durchgeführt hat. Aber wie das so ist, die finanzielle Knappheit steht schon länger an. Es war die Kollegin Ina Albowitz, die im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages im November 1993, natürlich mit Zustimmung der übrigen Kollegen im Haushaltsausschuß, gefordert hat, eine Umstellung der institutionellen Förderung auf projektbezogene Bereiche vorzunehmen. Einzelplan 06 - das ist der Einzelplan des Innenministers - ist dort eigentlich angesprochen. Das heißt, Sie müßten weitere Dinge mit den Kollegen beraten. Wir haben gute Erfahrungen gemacht. Das Verteidigungsministerium bezahlt nur die entsprechenden Bildungsveranstaltungen, die es auch wahrnimmt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben richtig festgestellt, daß die ASG seit Jahren aus dem Bundeshaushalt gefördert wird, und haben jetzt auch deren Arbeit gewürdigt. Vor dem Hintergrund meiner vorangegangenen Frage nach der Bedeutung der politischen Bildung innerhalb der Bundeswehr frage ich Sie: Denkt die Bundesregierung darüber nach, die Förderung der politischen Bildungsarbeit der ASG im Rahmen der Bundeszentrale für politische Bildung weiterzuführen bzw. wieder aufzunehmen oder zukünftig als eigenständigen Titel im Bundeshaushaltsplan zu führen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich denke, daß diese Arbeitsgemeinschaft genauso wie andere die Chance hat, für die Bundeswehr, aber auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes in der Weiterbildung tätig zu werden. Sie wird nur keine institutionelle Zuwendung bekommen. Dafür haben wir, Frau Kollegin, natürlich die politischen Stiftungen, die aus dem Haushalt des Innenministeriums und darüber hinaus, je nachdem, welche Arbeit sie machen, aus dem Entwicklungshilfeministerium und dem Auswärtigen Amt bezuschußt werden. Eine Bezuschussung aus dem Verteidigungsministerium erfolgt nicht. Beim Verteidigungsministerium ist nur möglich, daß Veranstaltungen angeboten werden und daran teilgenommen wird. Es ist der Wille des Parlaments gewesen, daß nur die jeweiligen Lehrgänge bezuschußt werden. Je nach Landsmannschaft sind verschiedene Einrichtungen tätig. Bei uns in Niedersachsen zum Beispiel ist es eher die ländliche Erwachsenenbildung oder die von den Gewerkschaften getragene Einrichtung „Arbeit und Leben“. Wenn diese Einrichtungen oder die Arbeitsgemeinschaft gute Arbeit geleistet haben, bekommen sie die jeweiligen Lehrgänge bezahlt. Da ich Gutes gehört habe, müßte die ASG eigentlich weiter gefördert werden. Ich weiß aber, nachdem ich geforscht habe, daß diese Einrichtung natürlich Sorgen bezüglich ihrer Existenz in der Zukunft hat.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, habe ich Sie also richtig verstanden, daß Sie dem Bundesinnenminister empfehlen würden, die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft weiter zu fördern und ihr als einer Einrichtung, die ganz gezielt und ganz spezifisch die Interessen der Soldaten in bezug auf politische Bildung befriedigt und diese nach Ihrer eigenen Aussage auch erfolgreich befriedigt hat, die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit fortzusetzen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Von CDU/CSU und F.D.P. - ich denke, die anderen haben mitgemacht - ist beschlossen, daß die Förderung aus dem Bundeshaushalt in Form einer institutionellen Förderung bis zum 31. Dezember 2002 beendet ist. Das ist fast ein Gesetz. Ich glaube nicht, daß der Innenminister - aber da müßten Sie die Fragen an das Innenministerium richten neue Vorschläge entwickeln wird. Das ändert aber nichts daran, daß auch diese Einrichtung und andere entsprechende Einrichtungen wie „Arbeit und Leben“ Bildungsangebote an die Bundeswehr richten können, aber sie bekommen dann nur das jeweilige Seminar finanziert.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin. Die Fragen 17, 18 und 19 der Abgeordneten Ulrike Flach und Ulrich Heinrich aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Bärbel Sothmann auf: Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung - angesichts der gravierenden Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen - die Frauenförderung nach dem Auslaufen des Hochschulsonderprogramms III weiterführen?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Frau Kollegin Sothmann, wenn Sie einverstanden sind, beantworte ich Ihre Fragen 20 und 21 im Zusammenhang. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wie ich sehe, sind die Kolleginnen und Kollegen einverstanden. Dann rufe ich jetzt zugleich die Frage 21 auf: Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus der Feststellung der Bund-Länder-Konferenz ziehen, daß die Förderung von Frauen integraler Bestandteil aller hochschul- und forschungspolitischen Maßnahmen sein muß und nicht in begrenzte Sonderprogramme abgedrängt werden darf?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Die Bundesregierung setzt in ihrer Arbeit einen besonderen Schwerpunkt bei der Stärkung der Gleichberechtigung von Frauen. Die Verbesserung der Chancen von Frauen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen und insbesondere die Steigerung der Frauenanteile an FühParl. Staatssekretärin Brigitte Schulte rungspositionen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben dabei einen zentralen Stellenwert. Sie wissen, daß die bisherige Ausgangslage mit einem Frauenanteil von 9 Prozent an den Professuren - Stichjahr 1997 - und 3,7 Prozent an Führungspositionen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen - Stichjahr 1998 - absolut unbefriedigend ist. Das unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf, um das Defizit an Frauen in verantwortungsvollen Positionen in Wissenschaft und Forschung schnellstmöglich abzubauen. Es gilt deshalb vor allem, den an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen absehbaren Generationswechsel zu nutzen, um eine schnelle und deutliche Verbesserung der Frauenanteile an den Führungspositionen zu erzielen und Frauen gleichberechtigt an Forschung und Lehre zu beteiligen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es sich bei der Herstellung von Chancengleichheit für Frauen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen nicht um eine kurzfristige Sonderaufgabe handelt, die etwa durch ein befristetes Sonderprogramm bewältigt werden könnte. Vielmehr sehen wir darin - leider noch für längere Zeit eine Daueraufgabe. Die Verbesserung der Chancen für Frauen ist aus unserer Sicht ein Beitrag zur Qualitätssicherung, Leistungssteigerung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Mit einer solchen Politik schöpfen wir zusätzliche Ressourcen für Forschung und Lehre aus. Deshalb ist es erforderlich, Chancengleichheit als durchgängiges Leitprinzip in alle bildungs- und forschungspolitischen Maßnahmen unseres Hauses zu integrieren. Im Bundesministerium für Bildung und Forschung haben wir bereits wesentliche Schritte eingeleitet, die ich nennen möchte: Zur Wahrnehmung dieser zentralen Aufgabe ist das Referat „Frauen in Bildung und Forschung“ Teil der Unterabteilung „Strategie“ der Zentralabteilung für Grundsatzfragen und wirkt auf die strategische Ausrichtung aller Maßnahmen und Programme des BMBF ein. Zudem wird im Haushalt 1999 ein neuer Haushaltstitel „Strategien zur Durchsetzung der Chancengleichheit für Frauen in Bildung und Forschung“ geschaffen, der dazu dient, die notwendigen Veränderungsprozesse zu forcieren. Weiter ist in dem nächste Woche zu verabschiedenden Haushalt 1999 in der generellen Vorbemerkung zum Einzelplan 30 und zu den einzelnen Kapiteln vorgesehen, daß bei allen Maßnahmen verstärkt auf die Gleichstellung von Frauen in Bildung und Forschung hinzuwirken ist. Künftig soll ein Fortschrittsbericht Auskunft über Umsetzung und Auswirkungen geben. Durch die Veränderung der rahmen- und förderrechtlichen Bestimmungen sollen die Eigenverantwortung und das Engagement der Einrichtungen für die Durchsetzung der Chancengleichheit gestärkt werden. Besonderer Handlungsbedarf besteht für die Forschungseinrichtungen, für die hinsichtlich der Steigerung der Frauenanteile an Führungspositionen das HSP III nur - so kann man im Rückblick sagen - begrenzte Wirkungen hatte. Mit dem Haushalt 1999 wird die Bundesregierung für die Forschungszentren der Hermann-von-HelmholtzGemeinschaft die Voraussetzungen dafür schaffen, daß hochqualifizierte Forscherinnen verstärkt Führungsverantwortung übernehmen können. Vorgesehen sind Ermächtigungen, die 100 Beschäftigungsmöglichkeiten mit unbefristeten Verträgen erlauben. Diese Stellen sollen vorrangig genutzt werden, um den Frauenanteil an Führungspositionen in den nächsten Jahren wirkungsvoll zu steigern. Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen insbesondere für Forscherinnen mit Kindern ist für die aus dem Einzelplan 30 institutionell geförderten Forschungseinrichtungen ab 1999 die Ermächtigung vorgesehen, ihnen zufließende Zuwendungen haushaltsneutral zur Erschließung und Sicherung von Kinderbetreuungsangeboten für ihre Beschäftigten zu verausgaben. Damit kommen wir einem schon sehr lange geäußerten Wunsch gerade aus den Reihen derjenigen, die sich für Gleichstellung einsetzen, nach. Auch an den Hochschulen sind strukturelle Veränderungen erforderlich, um eine wirkungsvolle Erhöhung des Anteils von Frauen vor allem an den Professuren zu erreichen. Die mit der Novellierung des HRG im August 1998 wirksam gewordenen Änderungen bedürfen nunmehr der Umsetzung von seiten der Länder und Hochschulen. Dies gilt vor allem für die Umsetzung der §§ 5 und 6, Finanzierung und Bewertung. Mit Sorge sieht die Bundesregierung, daß sich beim aktuellen Berufungsgeschehen 1998 die Berücksichtigung von Frauen gegenüber 1997 leicht verschlechtert hat. Die Bund-Länder-Kommission wird sich deshalb im Juni wieder mit der aktuellen Lage der Frauen in Führungspositionen befassen. Notwendig ist es vor allem auch, für Frauen neue Qualifizierungsmöglichkeiten auf dem Weg zu einer Professur zu eröffnen, die die Belange der Wissenschaftlerinnen besser berücksichtigen. Mit dem EmmyNoether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist ein wichtiger Schritt zur Neugestaltung der Postdoktorandenphase eingeleitet worden. Wir haben dafür gesorgt, daß dieses Programm unmittelbar wirksam werden kann. Notwendig ist des weiteren die Einführung von Assistenzprofessuren, die die Möglichkeit eröffnen, sich unabhängig im Bereich der Lehre und Forschung zu qualifizieren und damit Berufungsvoraussetzungen zu erlangen. Für die nächsten Jahre sind unserer Ansicht nach weitere Maßnahmen erforderlich, um den hochqualifizierten weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs effizienter zu fördern und damit die Voraussetzungen für eine stärkere Beteiligung von Frauen an Berufungen zu schaffen. Wir beabsichtigen, gemeinsam mit den Ländern ein gezieltes Programm für Wissenschaftlerinnen aufzulegen, das erfolgreiche Elemente des Hochschulsonderprogramms III auch über das Jahr 2000 hinaus fortsetzt. Eine Arbeitsgruppe auf Staatssekretärsebene wird in Kürze die Beratungen zwischen Bund und Ländern aufnehmen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Sie können jetzt bis zu vier Zusatzfragen stellen, Frau Kollegin Sothmann. Falls Sie dies wünschen, bitte sehr.

Bärbel Sothmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, schönen Dank für diese Ausführungen. Das klingt alles sehr gut. Ich hoffe, daß das in der Zukunft tatsächlich seinen Niederschlag finden wird. Ich möchte, bevor ich meine kurze Zusatzfrage stelle, einen kleinen Hinweis geben. Sie haben mich - ich weiß nicht, wer es war; wahrscheinlich jemand aus der Verwaltung - der Fraktion der SPD zugeordnet. Ich möchte hier klarstellen, daß ich nach wie vor Mitglied der CDU/CSUFraktion bin und dieses auch zu bleiben gedenke. ({0}) Meine kurze Frage lautet wie folgt: Wie steht Ihr Haus, Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang zu dem Antrag der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen, die Einrichtung einer ständigen Geschäftsstelle für die Bundeskonferenz in Bonn zu finanzieren? Denn das wäre meiner Ansicht nach eine wichtige Maßnahme, damit die Erfahrungen der Frauen- und Hochschulbeauftragten für frauenpolitische Maßnahmen an Hochschulen künftig kontinuierlich und unabhängig von befristeten Projektförderungen ausgewertet und koordiniert werden können.

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Uns ist dieses Anliegen bekannt. Wir stehen mit der von Ihnen erwähnten Bundeskonferenz im Gespräch. Sie wissen - vielleicht auch aus leidvoller Erfahrung in der letzten Legislaturperiode -, daß es immer schwierige Diskussionen mit dem Bundesfinanzministerium über die Frage der Installierung neuer institutioneller Förderungen gibt. Wir suchen gemeinsam mit der Bundeskonferenz nach einem Weg, um de facto eine stabilere finanzielle Basis für die Fortsetzung ihrer Arbeit zu finden. Aber die Gespräche haben noch nicht zu einem Ergebnis geführt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Keine weiteren Zusatzfragen. - Der Fragesteller zu Frage 22, der Kollege Hinsken, ist nicht anwesend. Die Fragen 23 und 24 des Kollegen Dr. Martin Mayer werden aufgrund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Staatssekretär Dr. Frank-Walter Steinmeier zur Verfügung. Die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Börnsen ({0}) werden schriftlich beantwortet. Der Abgeordnete Geis ist nicht im Saal. ({1}) - Wenn der Vertreter des Bundeskanzleramtes damit einverstanden ist, dann stellen wir diese Fragen einen Augenblick zurück. ({2}) Dann sind wir jetzt bei den Fragen 29 und 30 des Kollegen Volker Kauder. Sie werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Ralf Brauksiepe auf. Ist Bundeskanzler Gerhard Schröder über das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C & L Deutsche Revision AG vom März 1999 betreffend den Hausbau von Bundesminister Bodo Hombach informiert worden, und wenn ja, wann?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Brauksiepe, Sie haben gefragt, ob Bundeskanzler Gerhard Schröder über das Ergebnis des zweiten Gutachtens von C & L Deutsche Revision informiert worden ist. Ich antworte Ihnen darauf wie folgt: Der Bundeskanzler ist nach Fertigstellung des zweiten Gutachtens ebenso über die Inhalte informiert worden wie die Fraktionsvorsitzenden und die anfragenden Pressevertreter. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage.

Dr. Ralf Brauksiepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist dem Bundeskanzler auch bekannt, wer die Kosten für dieses Gutachten getragen hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Das kann ich Ihnen aus eigenem Wissen nicht beantworten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.

Dr. Ralf Brauksiepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist denn der Bundesregierung bekannt, aus welchem Anlaß und warum dieses Gutachten im März 1999 auf Ersuchen der nordrhein-westfälischen Landesregierung überhaupt erstellt worden ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Wenn ich Sie richtig verstehe, dann zielt Ihre Frage im Kern darauf, wer das zweite Gutachten bezahlt. Dieses zweite Gutachten wird von Herrn Hombach bezahlt. An ihn ist auch die Rechnung gegangen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Brauksiepe auf: Trifft die im „Stern“ vom 11. März 1999 bezüglich des Bundeskanzlers aufgestellte Behauptung zu, „bevor Schröder Hombach holte, fragte er ihn, ob mit dem Hausbau alles in Ordnung sei“, und falls ja, wie hat Bundesminister Bodo Hombach darauf reagiert? Bitte, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Ihre zweite Frage zielt darauf ab, ob der Bundeskanzler Bundesminister Hombach gefragt habe, ob mit dem Hausbau alles in Ordnung sei. Ich will Ihnen darauf antworten: Diese Frage wurde so nicht gestellt, weil sie so nicht gestellt werden mußte. Vor der Ernennung von Herrn Hombach zum Bundesminister für besondere Aufgaben und zum Chef des Bundeskanzleramtes war dem Bundeskanzler das Ergebnis der Überprüfung durch die C & L Deutsche Revision - erstes Gutachten - bekannt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Brauksiepe.

Dr. Ralf Brauksiepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind dem Bundeskanzler auch die in dem „Stern“-Artikel vom 11. März 1999 erhobenen Vorwürfe bekannt?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich gehe davon aus, daß der Bundeskanzler mindestens beiläufig auch den „Stern“Artikel zur Kenntnis genommen hat. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Brauksiepe, bitte sehr.

Dr. Ralf Brauksiepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sofern der Bundeskanzler das zur Kenntnis genommen hat, würde das alleine nicht sehr viel weiterhelfen. Gehen Sie davon aus, daß er aus der Kenntnisnahme die Konsequenz gezogen hat, diese Vorwürfe einer weiteren Untersuchung zu unterziehen? Werden diese Vorwürfe auf seine Veranlassung hin untersucht?

Not found (Staatssekretär:in)

Durch die Frage wird unterstellt, daß sich über die beiden bisher vorliegenden Gutachten hinaus, die die Kosten vor und nach dem Einzug in das Privathaus von Herrn Hombach behandeln, weitere Fragen ergeben haben. Das ist offensichtlich nicht der Fall; sonst wäre Herr Hombach selbst daran interessiert gewesen, weitere Fragen zu untersuchen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir kommen zur Frage 27 des Kollegen Norbert Geis: In welchem Umfang hat Bundesminister Bodo Hombach während seiner Zeit als Bundesminister Bezüge ({0}) auf Grund seines Landtagsmandats und seines Amtes als Landesminister erhalten? Herr Staatssekretär, bitte.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Geis, Sie haben nach den Einkünften von Herrn Minister Hombach als Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen gefragt. Herr Bundesminister Hombach hat wegen seiner Zeit als Landesminister Ansprüche auf Übergangsgelder erworben. Diese wurden jedoch vollständig mit den neuen Bezügen verrechnet, so daß es zu keiner Auszahlung kam. Herr Bundesminister Hombach hat am 17. Dezember 1998 die Aufgabe seines Mandates im nordrhein-westfälischen Landtag erklärt und bis Dezember 1998 die übliche Abgeordnetenentschädigung - nach dem geltenden nordrhein-westfälischen Landesrecht die halbierte Diät - erhalten. Den Nettobeitrag seiner von November bis Dezember erhaltenen Landtagsdiäten hat er im Dezember 1998 einem gemeinnützigen Verein in Duisburg-Rheinhausen gespendet. Eine ihm irrtümlich für Januar 1999 überwiesene Abgeordnetenentschädigung hat Bundesminister Hombach unaufgefordert an die Landeskasse zurücküberwiesen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Hombach hat erklärt, er wolle die ihm für November zugeleiteten Diäten spenden, um irgendwelche Mißdeutungen zu vermeiden. Was hat er damit gemeint? Können Sie mir darüber Auskunft geben?

Not found (Staatssekretär:in)

Vermutlich hat er solche Fragen, wie sie heute im Parlament gestellt werden, erwartet ({0}) und hat deshalb versucht, in der Öffentlichkeit erzeugten Mißverständnissen, daß hier unzulässige Doppelzahlungen stattfinden, von vornherein entgegenzuwirken. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr. ({0})

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie mir sagen, inwieweit ich mit meiner Frage Anlaß dazu gegeben habe, Mißdeutungen des Verhaltens von Herrn Hombach zu initiieren, und ihn im nachhinein veranlaßt habe - Sie haben das ja verglichen -, die Gelder zu spenden, damit solche Dinge erst gar nicht aufkommen? Inwieweit führen Sie das auf meine Frage zurück? Von Mißdeutungen hat er doch selber gesprochen. ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Ich glaube, diese Frage habe ich eben ausreichend beantwortet. Diese Frage wird ja auch hier im Parlament nicht zum erstenmal gestellt, sondern sie ist vorher bereits in Veröffentlichungen diskutiert worden. Dabei ist dieser Eindruck entstanden. Was dazu zu sagen ist, habe ich eben ausgeführt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommen wir zur Frage 28 des Kollegen Geis: In welchem Umfang finden insoweit Verrechnungen oder Anrechnungen im Hinblick auf seine Bezüge als Bundesminister statt? Bitte sehr.

Not found (Staatssekretär:in)

Sie haben nach Verrechnungen und Anrechnungen gefragt. Auch diese Frage hat der Bundesminister Hombach damals rechtlich klären lassen. Danach findet eine Verrechnung der Bezüge eines Bundesministers mit einer Abgeordnetenentschädigung auf Grund eines Landtagsmandates nach den entsprechenden rechtlichen Regelungen nicht statt. Ich gehe davon aus, daß er wegen der rechtlich nicht bestehenden Anrechnungspflicht selbst die Initiative ergriffen und den Teilbetrag, der ihm aus der Abgeordnetenentschädigung zustand - wie ich eben ausgeführt habe -, gespendet hat, um allen Mißdeutungen von vornherein entgegenzutreten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage zu dem spannenden Thema, bitte sehr. ({0})

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie uns den Empfänger dieser Spenden nennen? Sie haben ihn vorhin nur allgemein genannt.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich will es nicht weiter konkretisieren, als ich es eben ausgeführt habe. Es handelt sich um einen gemeinnützigen Verein in Duisburg-Rheinhausen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommen wir zur Frage 33 der Abgeordneten Andrea Voßhoff: Wie erklärt Bundesminister Bodo Hombach, daß im März 1999 ein erneutes Gutachten der PwC Deutsche Revision AG bezüglich seines Hausbaus erstellt werden mußte, obwohl er das zu seinem Hausbau von der C & L Deutsche Revision AG im Juni 1998 erstattete Gutachten als „Freispruch erster Klasse“ ({0}) bewertet hat? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Im Kern geht es in Ihrer Frage darum, warum zwei Gutachten eingeholt wurden. Dazu unsere Antwort: Auf Grund von Presseanfragen Anfang des Jahres 1999 wurden die Fragestellungen auf Sachverhalte und Zeiträume ausgeweitet, die vom ersten Gutachten nicht erfaßt worden waren. Im zweiten Gutachten sind auch solche Ausbauleistungen und technischen Anlagen enthalten, die erst nach dem Einzug durchgeführt bzw. geliefert wurden. Im übrigen wird das erste Gutachten durch das zweite Gutachten voll bestätigt. Bezogen auf den gleichen Untersuchungszeitraum, also bis zur Fertigstellung des Gebäudes, ergeben sich nur geringfügige Unterschiede in einer Größenordnung von 99 DM.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin, bitte sehr.

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, inwieweit war der Bundesminister Hombach an der Vergabe des Auftrags für diese Gutachten an PwC und C & L beteiligt? Ist Ihnen davon etwas bekannt?

Not found (Staatssekretär:in)

Inwieweit er bei der Auftragsvergabe selbst beteiligt war?

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Inwieweit er an der Vergabe der Gutachten beteiligt war, Kenntnis davon hatte oder Einfluß genommen hat.

Not found (Staatssekretär:in)

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Eine Antwort auf die Frage, ob er selbst die entsprechende Gutachterfirma ausgesucht hat, kann ich Ihnen nicht geben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt die Frage 34 der Kollegin Andrea Voßhoff: Inwieweit schließen die Gutachten vom Juni 1998 und vom März 1999 aus, daß Kosten für Leistungen für den Hausbau von Bundesminister Bodo Hombach, als er noch nicht Bundesminister war, auf zum Veba-Konzern gehörende Unternehmen bzw. deren Projekte verlagert worden sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Die vereidigten sachverständigen Baugutachter haben für alle wesentlichen Kostenpositionen durch Vergleich mit einschlägigen anerkannten Baupreiskatalogen die Angemessenheit festgestellt. Eine ergänzende Abfrage der seinerzeitigen Baupreise bei renommierten Unternehmen hat die Feststellungen abgesichert und ergeben, daß die berechneten Preise in jedem Falle über den abgefragten Preisen lagen. Insgesamt halten die Gutachter die für die Errichtung des Gebäudes abgerechneten Kosten für angemessen und plausibel. Die Kostensätze liegen deutlich über den Vergleichswerten für den stark gehobenen Standard. Die Gutachter haben sich bei allen wesentlichen Kostenpositionen zudem davon überzeugt, daß die betreffenden Rechnungen von Herrn Hombach bezahlt wurden. Schon beim ersten Gutachten waren die Fremdund Eigenmittel in die Prüfung einbezogen worden. Ich darf dazu einige Sätze aus dem Ergebnis des Gutachtens zitieren: Insgesamt halten wir die für die Errichtung des Gebäudes abgerechneten Kosten für angemessen; die ermittelten Kostensätze von rd. DM 6.300 je qm Wohnfläche bzw. rd. DM 1.000 je cbm BRI liegen deutlich über den Vergleichswerten von DM 5.000 je qm Wohnfläche und DM 650 bis DM 750 je cbm BRI für stark gehobenen Standard. Weder die Akteneinsicht noch die Ortsbesichtigung des Wohngrundstücks haben Anhaltspunkte dafür ergeben, daß andere als die durch die vorgenannten Unterlagen belegten Arbeiten zur Errichtung des Gebäudes geleistet wurden. Soweit darüber hinaus weitere Leistungen denkbar sind, können ihre Kosten allenfalls von vernachlässigbarer Größenordnung sein und würden damit ohne Einfluß auf unsere Gesamtbeurteilung bleiben. Sie schließen mit dem Satz: Wir haben uns für alle wesentlichen Kostenpositionen anhand der vorgelegten Unterlagen außerdem davon überzeugt, daß die betreffenden Rechnungen von Herrn Hombach bezahlt worden sind. Soweit in Einzelfällen Preisnachlässe gewährt wurden, sind sie jeweils offen ausgewiesen und liegen unter dem in der Baubranche Üblichen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage, Frau Kollegin, bitte sehr.

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn Sie das Gutachten schon vorliegen haben, habe ich noch eine Nachfrage: Ist den Gutachtern bei der Erstellung des Gutachtens Einsicht in die internen Unterlagen der an dem Hombachschen Hausbau beteiligten Bauund Handwerkerfirmen gewährt worden? Wenn nein: Ist diese Einsicht verlangt worden?

Not found (Staatssekretär:in)

Diese Frage kann ich Ihnen vermutlich nicht zu Ihrer Zufriedenheit beantworten. Ich kann Ihnen positiv sagen, daß alle bei Herrn Hombach verfügbaren Unterlagen und die Unterlagen bei der Veba den Gutachtern zur Verfügung gestellt worden sind.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wäre es möglich, das zu recherchieren und mir die Antwort zukommen zu lassen?

Not found (Staatssekretär:in)

Aber gerne.

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt kommen wir zur Frage 35 des Kollegen Ronald Pofalla: Womit belegt die Bundesregierung die vom Pressesprecher des Bundesministers Bodo Hombach unter dem 9. März 1999 aufgestellten Behauptungen, hinsichtlich der Hausbauangelegenheit versuche die CDU jetzt auch offen, die Verdachtsberichterstattung zu instrumentalisieren, und CDU-Abgeordnete hätten immer wieder versucht, falsche Beschuldigungen zu lancieren, die nur dem Ziel dienten, Bundesminister Bodo Hombach persönlich zu verunglimpfen? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Die Aussage bezieht sich auf verschiedene Presseberichte aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 2. Februar 1999 und aus der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 2. Februar 1999, in denen nach Vorlage der Gutachten, die, wie gesagt, auch den Fraktionsvorsitzenden der hier im Parlament vertretenen Parteien zugegangen sind, unter Berufung auf die bekannten Vorwürfe weitere Rücktrittsforderungen erhoben worden sind. Ich schließe persönlich an, Herr Pofalla, daß auch Presseberichte wie der in einer Personalienspalte in der „Neuen Ruhr Zeitung“ vom 10. April über Sie persönlich, über den „Mann für besondere Fälle“, wenig Freude machen. Ich darf zitieren: Ronald Pofalla, CDU-Abgeordneter aus dem Kreis Kleve, ist ab sofort ein Mann für besondere Fälle. Seine Aufgabe, mit der er von der CDUFraktionsführung betraut wurde, heißt Bodo Hombach. Der Auftrag: Fragen, fragen, noch einmal fragen. Denn vielleicht kann ja der SPDKanzleramtschef doch die eine oder andere Frage nicht ganz genau beantworten. Mit einer Art permanenten Störfeuer, im Landtag und im Bundestag, will die CDU den Kanzleramtschef nerven. ({0}) Ich begreife das nicht als den Kern parlamentarischer Arbeit. Aber dazu steht mir eine Bewertung nicht zu. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Ihre erste Zusatzfrage.

Ronald Pofalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001726, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie ist die Behauptung des Pressesprechers von Bundesminister Hombach unter dem 9. März 1999 zu erklären, auf die ich in der Ausgangsfrage Bezug genommen habe: Nach dem Ergebnis der Prüfung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Deutsche Revision vom 5. März 1999 liege in allen Gewerken der von Bundesminister Hombach „bezahlte Preis im oberen Preissegment, oft sogar darüber“, obwohl in dem Gutachten vom 5. März 1999 ein entsprechender Hinweis fehlt, vielmehr zum Beispiel darauf hingewiesen wird, die Kosten für die Fassadenarbeiten hätten üblichen Marktpreisen entsprochen. ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bin kein Bausachverständiger und sage Ihnen deshalb dazu, daß ich in meiner Antwort nichts über die Ergebnisse der Gutachter hinaus, die sich sachverständig mit allen in diesem Zusammenhang entstandenen Fragen beschäftigt haben, feststellen kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr.

Ronald Pofalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001726, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie ist die angesprochene Behauptung des Pressesprechers mit der Aussage von Bundesminister Hombach zu vereinbaren, teure Sonderwünsche habe er nie geäußert, weil er im Gegenteil daran interessiert gewesen sei, die Baukosten möglichst gering zu halten? ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Staatssekretär, bitte.

Not found (Staatssekretär:in)

War das schon die Frage?

Ronald Pofalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001726, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, das war schon die Frage.

Not found (Staatssekretär:in)

Sie haben eine öffentliche Äußerung von Herrn Hombach zu seinem Bestellverhalten im Rahmen seines Hausbaus zitiert. Die habe ich nicht zu kommentieren.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit kommen wir zur Frage 36 des Kollegen Ronald Pofalla: Wer sind die vom Pressesprecher erwähnten Zeugen, welche Vorwürfe in der Hausbauangelegenheit von Bundesminister Bodo Hombach zweifelsfrei widerlegen können? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Zeugen für die korrekte Abwicklung des Bauvorhabens sind neben dem Architekten, der am gesamten Bauprozeß beteiligt war, der Steuerberater, der die Finanzierung und Zahlungsabwicklung während des Baus begleitet hat. Auch Handwerker und Geschäftsführer jener Firmen, die den Bau tatsächlich durchgeführt haben und für ihre Leistungen in voller Höhe von Herrn Hombach bezahlt worden sind, stehen als Zeugen zur Verfügung. Sowohl schriftlich als auch mündlich haben sich Firmenvertreter gemeldet, die über die Vorwürfe gegen Herrn Hombach empört sind. Auch für die Beantwortung von Detailfragen gibt es wichtige Zeugen. So wird für die Korrektheit des Grundstückserwerbs der frühere CDU-Landtagsabgeordnete Franz Püll öffentlich zitiert.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage des Kollegen Pofalla, bitte sehr.

Ronald Pofalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001726, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, warum wurde in der Antwort auf die in diesem Zusammenhang im „Stern“ gestellten 60 Fragen nicht auf die Ergebnisse der Prüfung im Juni 1998 verwiesen, wenn in dem Bericht - so die Darstellung des Pressesprechers von Herrn Hombach - lediglich alte Vorwürfe wiederholt wurden?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich muß jetzt schlicht annehmen, daß die in Ihrer Frage mitgeteilte Behauptung richtig ist, daß nicht auf das erste Gutachten Bezug genommen worden ist. Dies hat keine inhaltlichen Gründe. Denn ich habe vorhin erläutert, daß in dem zweiten Gutachten nicht vom ersten Gutachten abgewichen worden ist, sondern daß ein anderer Untersuchungszeitraum erfaßt worden ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Pofalla.

Ronald Pofalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001726, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Warum wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Deutsche Revision gebeten, das gesamte Bauvorhaben neu zu untersuchen, obwohl es sich bei dem „Stern“-Bericht nach Äußerung des Pressesprechers von Bundesminister Hombach um die Wiederholung alter Vorwürfe handele und die Prüfung der C & L Deutsche Revision im Juni 1998 bestätigt habe, daß nichts an den gegen Hombach erhobenen Vorwürfen richtig sei?

Not found (Staatssekretär:in)

Das Besondere dieses „Stern“Berichts war ja, Herr Pofalla, daß Vorwürfe erhoben wurden, die sich auf die Zeit nach dem Einzug bezogen. Hierzu zitiere ich jetzt einen letzten Satz aus dem betreffenden Gutachten, in dem die Gutachter selbst den Gutachtenauftrag beschreiben: Rechnungen für weitere Arbeiten über 180 000 DM, - das war in etwa die Größenordnung, die im „Stern“ mitgeteilt worden war die in der Kostenschätzung nicht enthalten waren, wie zum Beispiel Ausbauleistungen sowie technische Anlagen und Geräte, die teilweise erst nach dem Einzug durchgeführt bzw. geliefert worden sind, haben wir nunmehr in unsere ergänzende Prüfung einbezogen. Ich glaube, das legt klar, wie die Aufgabenbeschreibung für das zweite Gutachten war.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommen wir zur Frage 37 des Abgeordneten Eckart von Klaeden: Trifft es zu, daß in der Verantwortung von Bundesminister Bodo Hombach Bundeskanzler Gerhard Schröder ein Papier vorgelegt wurde, in dem von einer Steuerung des Bundesrates und von einer laufenden Information über die Aktivitäten der Opposition durch Beobachtung der Fraktionen die Rede ist? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr von Klaeden, Sie haben nach dem Inhalt des sogenannten Koordinierungspapiers gefragt. Da Sie ausweislich Ihrer Frage das Papier offensichtlich kennen, wissen Sie, daß es in dem diesbezüglichen Abschnitt des Papiers auch darum geht, Verfahren zu finden, Konflikte zwischen dem Bund und den Ländern zu minimieren. Mit Blick auf die durch die HessenWahl veränderte Bundesratsmehrheit wird an dieser Stelle - das betrifft jetzt die Passage, die Sie im Auge haben - darauf hingewiesen, daß es nunmehr darauf ankomme, über die A-Länder hinaus Kompromißmöglichkeiten auch mit anderen Bundesländern auszuloten und zu suchen. Es geht also in der Tat um eine inhaltliche Koordinierung und terminliche Steuerung. Was den zweiten Teil Ihrer Frage nach den Aktivitäten der Opposition betrifft, so betrachten wir es in der Tat als unsere Pflicht, uns regelmäßig über die Aktivitäten, Wünsche und Absichten der Opposition zu informieren.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Interpretiere ich Ihre Antwort, Herr Staatssekretär, richtig, daß es in diesem Abschnitt lediglich um die terminliche Steuerung der Arbeit im Zusammenhang mit dem Bundesrat gegangen ist, oder sind auch andere Bereiche unter dem Begriff der Steuerung zu fassen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich möchte Ihnen das Papier nicht in Gänze vorstellen, aber wenn Sie die Seite vor Augen haben, sehen Sie die Zwischenüberschrift „Koordinierung/Steuerung“. Damit sind beide Fragen angesprochen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir kommen jetzt zur Frage 38 des Kollegen Eckart von Klaeden: In welcher Weise geschahen ggf. die Steuerung des Bundesrates und die Beobachtung der Opposition? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Was das Verhältnis zu den Ländern und dem Bundesrat angeht, darf ich Ihnen antworten: Für die Koordinierung mit den Ländern steht eine Vielzahl von Gremien zur Verfügung: die Ministerpräsidentenkonferenz, die Konferenz der Chefs der Staats- und Senatskanzleien, der Ständige Beirat und viele andere mehr. Diese Möglichkeiten nutzen wir soweit wie möglich ebenso wie die öffentlich zugänglichen Erkenntnisquellen über die politischen Diskussionen in den Parteien und Fraktionen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, bitte sehr, Herr Kollege.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie viele Mitarbeiter im Bundeskanzleramt mit dieser Aufgabe betraut sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Was heißt „mit dieser Aufgabe“?

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mit der Aufgabe, die in der Fragestellung beschrieben ist: mit der Steuerung des Bundesrats und der Beobachtung der Opposition.

Not found (Staatssekretär:in)

Was die Koordinierung der Bundespolitik mit den Ländern angeht, so haben wir dazu im Bundeskanzleramt ein Referat mit einem Referatsleiter, einem Referenten und einer mir im Augenblick nicht genau bekannten Zahl von Sachbearbeitern.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit ist der Bereich des Bundeskanzlers erledigt. Ich bedanke mich bei Herrn Staatssekretär Steinmeier für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Günter Verheugen zur Verfügung. Die Frage 39 wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Rolf Kutzmutz auf: Welche Folgen haben die Luftangriffe der NATO nach den Erkenntnissen der Bundesregierung auf die Lage der Menschen in der Bundesrepublik Jugoslawien kurzfristig, mittelfristig und langfristig? Herr Staatssekretär, bitte sehr.

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Wirtschaft in der Bundesrepublik Jugoslawien, vor allem in Serbien, erlebt einen seit Jahren kontinuierlichen Niedergang. Hierfür sind aus Sicht der Bundesregierung die politischen Rahmenbedingungen, insbesondere das Festhalten an dirigistischer Wirtschaftspolitik, völlig unzureichende Transformationsanstrengungen und der Verzicht auf Reformpolitik verantwortlich. Die Bundesregierung ist außerstande, im Detail abzuleiten, in welchem Maße der Verfallsprozeß der sozialen und wirtschaftlichen Situation in der Republik Serbien durch die direkten und indirekten Auswirkungen der NATO-Luftschläge auf militärische Ziele und strategisch wichtige Infrastrukturobjekte beschleunigt wird, zumal gesicherte Erkenntnisse über das tatsächliche Ausmaß der Zerstörungen, auch angesichts der Ausweisung internationaler Medienvertreter aus der Republik Serbien, bislang fehlen. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß der im Zuge der wirtschaftlichen Reformen eingeleitete Strukturwandel in der Republik Montenegro mittel- und langfristig einen weiteren Aufschwung der montenegrinischen Wirtschaft begründen wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? ({0}) Wir kommen zur Frage 41 des Kollegen Rolf Kutzmutz: Wie viele Arbeitsplätze sind nach Schätzung der Bundesregierung durch die Zerstörung von Fabriken in der Bundesrepublik Jugoslawien durch Raketen und Bomben der NATO bisher verlorengegangen? Herr Staatssekretär, bitte.

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Bundesregierung verfügt, wie ich bereits gesagt habe, über keinerlei gesicherte Erkenntnisse darüber, welche Auswirkungen im einzelnen die Luftschläge der NATO auf militärische Ziele und strategisch wichtige Infrastrukturobjekte auf den Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Jugoslawien haben. Unabhängig von der Frage der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit der von jugoslawischen und serbischen Medien in dieser Frage verbreiteten Zahlen ist bei einer Bewertung der Daten zu berücksichtigen, daß ein großer Teil der bisherigen Beschäftigungsverhältnisse in staatlichen Großbetrieben wie zum Beispiel „Zastava“ in Kragujevac der verdeckten Arbeitslosigkeit zuzurechnen war. Das heißt, die Arbeitsverhältnisse wurden nur formal aufrechterhalten, wobei die „Beschäftigten“ aus staatlichen Mitteln den gesetzlichen Mindestlohn von 230 jugoslawischen Dinaren - das sind zirka 38 DM nach dem staatlich festgesetzten Umrechnungskurs monatlich erhielten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte sehr.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, es wird davon gesprochen, daß in Jugoslawien eine Arbeitslosigkeit zwischen 30 und 50 Prozent geherrscht hat. Ich will eine Zusatzfrage stellen und schicke voraus, daß ich dies mit aller Ernsthaftigkeit und Zurückhaltung tun werde. Sie haben davon gesprochen, daß auch Infrastruktur, also Betriebe und Einrichtungen, die durchaus zivilen Charakter haben, getroffen worden ist. Sehen Sie nicht auch die Gefahr, daß es nationalistischen Kräften, paramilitärischen oder militärischen Kräften durch die kurzfristig kriegsbedingte Arbeitslosigkeit in Jugoslawien leichter gemacht wird, Menschen für Armeedienst oder Polizeidienst zu rekrutieren?

Not found (Gast)

Ich habe nicht von zivilen, sondern von militärischen Zielen und strategisch wichtigen Infrastrukturobjekten gesprochen. Ich lege Wert auf diese Unterscheidung, weil es für unsere Strategie in diesem Krieg entscheidend ist, daß zivile Objekte und Zivilpersonen nicht angegriffen werden. Wenn es doch geschieht, sind das schreckliche Versehen, die jeden, der damit zu tun hat, sehr belasten; das sollten Sie schon glauben. Auswirkungen der Bombardierungen in zivilen Bereichen der Bundesrepublik Jugoslawien können wir heute noch nicht sehen. Aber wir müssen selbstverständlich davon ausgehen, daß es solche Auswirkungen gibt. Sie sind tief zu bedauern. Niemand wünscht sie, so wie auch niemand diese Bombardierungen und diesen Krieg wünscht. Aber ich muß auch hier sagen: Die Verantwortung für alle Folgen der militärischen Auseinandersetzung, die jetzt geführt wird, liegt einzig und allein beim jugoslawischen Präsidenten Milosevic und der Clique um ihn herum, die die wirklich weitreichenden und vernünftigen Angebote der internationalen Staatengemeinschaft, diese Auseinandersetzung zu vermeiden, nicht akzeptiert haben. Statt dessen führen sie im Kosovo eine Vertreibungspolitik durch, wie wir sie in Europa seit 1945 nicht mehr erlebt haben. Es ist schlimm, das sagen zu müssen. Aber wir müssen hier immer fragen: Was ist Ursache, und was ist Wirkung? Die Ursache ist das schändliche Verhalten von Milosevic und seiner Regierung.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe nun die Frage 42 des Kollegen Dr. Winfried Wolf auf: Welche Begründung gibt es für die im RambouilletAbkommen, Appendix B, vorgesehene weitreichende Einschränkung von Souveränitätsrechten der Bundesrepublik Jugoslawien über die Kosovo-Region hinaus, und war dieser Appendix B dem Deutschen Bundestag bekannt? Bitte sehr, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Herr Kollege, der Rambouillet-Vertragsentwurf beschränkt die Stationierung von NATO-Truppen geographisch auf das Gebiet des Kosovo. Darüber hinaus waren spezielle Sicherungsregelungen für den Grenzraum zwischen dem Kosovo und dem Rest der Bundesrepublik Jugoslawien vorgesehen. Diese Sicherungsregelungen hätten allein der wirksamen Absicherung der Implementierung der im Vertragsentwurf vorgesehenen Regelungen für den Kosovo gedient. Kapitel 7 Ziffer 10 des Rambouillet-Vertragsentwurfes sieht eine „mutual safety zone“ vor. Danach dürfen 25 Kilometer außerhalb des Kosovo Waffensysteme der Luftverteidigung nur auf Antrag und mit Genehmigung stationiert werden. Kapitel 7 Ziffer 2 Abs. 4 sieht vor, daß sich bewaffnete Kräfte in einer 5 Kilometer breiten Zone außerhalb des Kosovo nur nach Notifizierung aufhalten dürfen. Stellen diese Kräfte eine Gefährdung der Implementierung dar, darf der Kommandant der Friedenstruppe die Genehmigung verweigern bzw. deren Abzug verlangen. Im übrigen Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien wären der NATO und dem NATO-Personal nur insoweit Vorrechte eingeräumt worden, als dieses Gebiet als Transitgebiet Richtung Kosovo gedient hätte. Die Bundesregierung hat den Bundestag wie auch die deutsche Öffentlichkeit im Verlaufe des Verhandlungsprozesses von Rambouillet intensiv und umfassend unterrichtet. Bundesminister Fischer hat den Text des Vertragsentwurfes mit allen Anlagen und Appendizes am 24. Februar 1999 dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses ausdrücklich zur Einsichtnahme durch alle Mitglieder des Ausschusses persönlich übergeben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte sehr.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, stimmen Sie mir zu, daß die in Appendix B vorgesehenen Sonderrechte für die NATO-Truppen, die als Implementierungskräfte geplant waren, sehr weitreichend sind und dem Charakter eines Protektorats für ganz Jugoslawien gleichkämen? Können Sie sagen, warum Appendix B dem Ausschußvorsitzenden zur Einsichtnahme zwar übergeben - wie Sie sagten -, den Medien und damit der Öffentlichkeit bis Anfang April aber nicht bekanntgemacht wurde?

Not found (Gast)

Zum ersten: Ich stimme Ihnen in dieser Bewertung nicht zu. Die hier vorgesehenen Regelungen entsprechen dem, was international üblich ist, wenn es um Durchmarschrechte für militärische Einheiten geht. Zum zweiten: Der Appendix B ist, wie Sie wissen, in Rambouillet nicht verhandelt worden. Er ist zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Verhandlungen gewesen. Deshalb ist die Diskussion darüber auch eigentlich überflüssig; denn er entfaltet in jedem Fall keinerlei rechtliche Wirkung. Er hätte verhandelt werden sollen und müssen, wenn die Regierung Milosevic dem Vertragsentwurf zugestimmt hätte. Das ist aber nicht geschehen. Es handelt sich hier um einen Entwurf, den die NATO vorgesehen hatte für Verhandlungen, die nicht stattgefunden haben. Mehr ist das nicht. Sowohl der Vertrag als auch der Appendix sind den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt worden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage? Bitte sehr, Herr Kollege.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, sind Sie nicht der Auffassung, daß Ihre Formulierung, Appendix B sei nicht verhandelt worden, insofern eine seltsame Auffassung von Diplomatie ist, als Appendix B diskutiert und von der kosovo-albanischen Seite unterschrieben wurde und vorgesehen war, daß auch Milosevic' Seite ihn unterschreiben sollte, also eine Vertragsseite ihn als Bestandteil dieses gesamten RambouilletAbkommens mitsamt Appendix A und B verstanden hat?

Not found (Gast)

Nein, ich bin nicht dieser Auffassung, daß das eine seltsame Auffassung von Diplomatie sei. Das war in der Verhandlungssituation, in der wir uns befanden, ganz normal: Während sich die jugoslawische Seite geweigert hat zu unterschreiben, hat die albanische Seite unterschrieben, und zwar auch das, was noch mit der serbischen Seite hätte verhandelt werden müssen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir kommen zur Frage 43 des Kollegen Dr. Winfried Wolf: Bedeutet der von der Bundesregierung bemühte Vergleich zum Dayton-Abkommen, daß die Kosovo Implementation Force eine den SFOR-Truppen in Bosnien-Herzegowina vergleichbare Rolle in ganz Jugoslawien hätte spielen sollen? Bitte sehr, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Herr Kollege, der Vergleich zum DaytonAbkommen stellt allein darauf ab, aufzuzeigen, daß die Bundesrepublik Jugoslawien schon 1995 einmal Privilegien für NATO und NATO-Personal zugestimmt hat, die sich zu Transitzwecken - ich wiederhole: nur zu Transitzwecken - auf dem Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien befinden. Sie sind weitestgehend auch in Appendix B des Vertragsentwurfs von Rambouillet vorgesehen. Insofern wäre im Appendix B des RambouilletVertragsentwurfs im wesentlichen nichts von der Bundesrepublik Jugoslawien verlangt worden, was sie nicht bereits 1995 im Hinblick auf das Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien zwecks Umsetzung des DaytonVertrages für Bosnien-Herzegowina akzeptiert hatte. In beiden Fällen - Dayton und Rambouillet - geht es lediglich darum bzw. wäre es lediglich darum gegangen, daß die Bundesrepublik Jugoslawien ihr Gebiet den Implementierungstruppen zu Transitzwecken zur Verfügung stellt. Die in der Frage aufgeworfene Schlußfolgerung, daß die Kosovo Implementation Force eine den SFORTruppen in Bosnien-Herzegowina vergleichbare Rolle in ganz Jugoslawien hätte spielen sollen, entbehrt demnach jeder Grundlage. Ich weise eine diesbezügliche Unterstellung auch auf das entschiedenste zurück. Das war nicht geplant, und das plant auch heute niemand. Im übrigen orientieren sich die im Dayton-Abkommen wie auch die im Rambouillet-Vertragsentwurf vorgesehenen Truppenstatutsregelungen eng am „Model status-of-forces agreement for peace-keeping operations“ der Vereinten Nationen, das der Generalsekretär der Vereinten Nationen der Generalversammlung am 9. Oktober 1990 vorgelegt hat und das seitens der Generalversammlung mit Resolution 45/75 vom 11. Dezember 1990 im Konsens angenommen wurde. Dieses Modell-SOFA, das als Grundgerüst für „Statusof-forces“-Abkommen zwischen den Vereinten Nationen und dem jeweiligen Gastland dient, versteht sich ferner als Grundlage für Abkommen, bei denen die Vereinten Nationen selbst kein Vertragspartner sind. Indem die Bundesrepublik Jugoslawien der Annahme des Berichtes in der Generalversammlung am 11. Dezember 1990 zugestimmt hat, hat sie signalisiert, das Modell-SOFA, also „Status-of-forces agreement“, als Grundlage für Abkommen wie Dayton und Rambouillet zu akzeptieren.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, trotz der überwältigenden Informationsfülle Ihrer Antwort Staatsminister Günter Verheugen mit vielen Detailangaben, die ich in der mündlichen Debatte nicht genau kontrollieren und nachvollziehen kann - eine Nachfrage: Stimmen Sie mir zu, daß der Appendix B, vereinfacht gesagt, unter anderem beinhaltet, daß Transitaktionen der NATO, zum Beispiel der Transit durch Jugoslawien von Ungarn in den Kosovo, möglich gewesen wären, ({0}) daß das aber nicht mit dem Dayton-Abkommen verglichen werden kann, weil es sich im Falle Bosniens um ein geschlossenes Gebiet mit verschiedenen Aufteilungen gehandelt hat - innerhalb eines solchen Gebietes waren Transite natürlich möglich -, während das Gebiet im Falle Kosovo von den Sicherheitskräften getrennt zu verwalten gewesen wäre und damit nicht auch ein Transit durch den Rest Jugoslawiens möglich gewesen wäre?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Nein, ich kann Ihre Argumentation in überhaupt keiner Weise nachvollziehen; ich verstehe sie überhaupt nicht. Der Transit von SFOR-Kräften nach BosnienHerzegowina, das im Gegensatz zum Kosovo ein unabhängiger Staat ist, muß teilweise durch die Bundesrepublik Jugoslawien erfolgen; ein entsprechendes Abkommen ist im Zusammenhang mit Dayton abgeschlossen worden. Der Transit einer internationalen Friedenstruppe für das Kosovo, der ja nur auf der Grundlage der Zustimmung der Bundesrepublik Jugoslawien erfolgen kann, müßte ebenfalls auf der Basis eines solchen Abkommens erfolgen. Um nichts anderes geht es; das ist absolut vergleichbar. Der einzige Unterschied ist, daß die Gebiete, in die die Truppen einrücken sollen, Bosnien-Herzegowina oder Kosovo, einen rechtlich unterschiedlichen Status haben: Bosnien-Herzegowina ist ein unabhängiger Staat, und das Kosovo ist es nicht. Aber es geht in beiden Fällen um den Transit durch das Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien. Ich sage noch einmal: Es ist ein völlig normaler Fall. Ich glaube auch nicht, daß dieser Appendix B im Falle einer politischen Zustimmung zu dem Abkommen von Rambouillet noch ein Problem gewesen wäre.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Meine letzte offensichtlich. - Herr Staatsminister, ich möchte es noch einfacher formulieren. Wenn das alles so einfach ist, können Sie mir eine überzeugende Erklärung dafür geben, warum dieser Appendix B nicht in die Öffentlichkeit gebracht wurde, warum er nicht, wie Sie fälschlich behauptet haben, allen Abgeordneten zugänglich war, sondern nur zur Einsichtnahme beim Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses vorlag?

Not found (Gast)

Ich habe gesagt: den Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Selbstverständlich wären Sie in der Lage gewesen, das auch für Ihre Fraktionskollegen zu tun. Ich kann Ihnen nicht beantworten, warum die Gastgeber der Konferenz von Rambouillet diesen Text nicht veröffentlicht haben. Die Bundesrepublik Deutschland war bekanntlich nicht der Veranstalter und der Gastgeber.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe als letzte Frage die Frage 44 des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink auf. Wurden vor dem Hintergrund der Behauptung der Bundesregierung, alle Möglichkeiten der Verhandlungen mit der Bundesrepublik Jugoslawien ausgeschöpft zu haben, in diese Verhandlungen auch die jugoslawische Friedensbewegung, die verschiedenen Kirchen Jugoslawiens, der Obermufti Jugoslawiens, der Papst, der ökumenische Rat der Kirchen und das europäische Bürgerforum in Jugoslawien einbezogen? Herr Staatsminister, bitte.

Not found (Gast)

Herr Kollege, bei den Bemühungen um eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts hat die Bundesregierung mit ihren Partnern zahlreiche Anstrengungen unternommen. Die Pläne für eine weitgehende Selbstverwaltung des Kosovo, die die Verhandler der Kontaktgruppe und der Europäischen Union, die Botschafter Hill und Petritsch, nach monatelanger Vorarbeit in mehreren Versionen den Parteien seit August 1998 vorgelegt haben, wurden von den Verhandlern, aber auch durch unsere Botschaften in Jugoslawien mit allen Mitgliedern des öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik Jugoslawien diskutiert. Hierbei wurde intensiv das Gespräch mit den verschiedenen Kirchen Jugoslawiens gesucht, aber auch sonstige Vertreter nicht-regimenaher Institutionen wurden beteiligt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.

Prof. Dr. Heinrich Fink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003116, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Die nationale Befangenheit der Kirchen in Jugoslawien ist uns ja in der letzten Zeit bekanntgeworden. Wäre es angesichts dessen nicht gerade wichtig gewesen, über den ökumenischen Rat der Kirchen und den Papst Einfluß auf die Kirchen zum Beispiel in Jugoslawien oder in Serbien oder im Kosovo zu gewinnen?

Not found (Gast)

Ich habe Ihnen ja gesagt, daß selbstverständlich dieser Versuch unternommen worden ist. Ich weiß aus der Berichterstattung unserer Botschaft zum Beispiel, daß sie diese Kontakte regelmäßig gepflegt hat und entsprechende Diskussionen geführt hat; ich weiß das aber auch von den beiden Sonderbeauftragten Hill und Petritsch. Was ich im Augenblick nicht weiß, ist, ob auch die Diplomatie des Vatikans in besonderer Weise eingeschaltet worden ist. Es liegt eigentlich nahe. Ich möchte Ihnen hier aber nichts Falsches sagen. Zum Thema der Einschaltung der Diplomatie des Vatikans gebe ich Ihnen, wenn Sie damit einverstanden sind, noch eine ergänzende schriftliche Information.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege?

Prof. Dr. Heinrich Fink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003116, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr.

Prof. Dr. Heinrich Fink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003116, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich teile Ihre gegen Milosevic gerichtete Überzeugung. Das ist gar keine Frage. Aber wäre es nicht doch wichtig gewesen, das Angebot eines Stopps des Bombardements über Ostern für die Gläubigen in Jugoslawien zu machen?

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Das ist selbstverständlich erörtert worden. Das Ergebnis war, daß wir es nicht für richtig halten konnten, die militärischen Maßnahmen für die Gläubigen zu unterbrechen, während die - in Anführungszeichen - Ungläubigen, nämlich die Muslime, im Kosovo weiter geschlachtet werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich danke Herrn Staatsminister Günter Verheugen für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der F.D.P. Haltung der Bundesregierung zur sogenannten Scheinselbständigkeit und zum 630-MarkGesetz nach dem jüngsten Briefwechsel mit Bundesminister Riester Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Dr. Irmgard Schwaetzer, F.D.P.-Fraktion. Bitte sehr.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Knapp sechs Monate nach ihrem Amtsantritt steht die rotgrüne Bundesregierung in der Sozialpolitik vor einem Desaster. ({0}) Fast möchte man sich ja wünschen, Sie hätten sich darauf beschränkt, nur zurückzunehmen, was die alte Koalition gemacht hat; denn dort, wo Sie angefangen haben, selber zu gestalten, haben Sie wirklich nur noch Chaos produziert und eine zerstörerische Kraft bewiesen. ({1}) Das zeigen am besten die Regelungen zu den 630Mark-Jobs und zur Scheinselbständigkeit. Die Finanzämter werden mit Anträgen auf Freistellung von der Steuerpflicht überschwemmt, statt sich darum zu bemühen, Anträge auf Rückzahlungen zu bearbeiten. Sozialversicherungsträger bereiten engmaschige Kontrollen der Betriebe vor, ({2}) um auch noch die letzte Sozialversicherungsmark einzutreiben. Arbeitnehmer kündigen zu Tausenden ihre geringfügige Nebenbeschäftigung und werden in die Schwarzarbeit abgedrängt. Wenigstens das müßte Sie doch veranlassen, einmal ernsthaft mit uns darüber zu diskutieren, was Sie mit Ihren überstürzten Regelungen angerichtet haben. Statt dessen hören und lesen wir nur - ich fürchte, wir hören es heute auch wieder -, daß Sie zum Nachdenken nicht bereit und auch nicht in der Lage sind. ({3}) Ich prophezeie Ihnen: Die Wirklichkeit wird Sie einholen. Wenn Sie jetzt wieder sagen: „Wir machen gar nichts, wir warten nur zu“, dann zerstören Sie noch mehr Selbständigkeit und Kreativität in Deutschland, als das in den letzten Wochen eh schon der Fall gewesen ist. ({4}) Bundeswirtschaftsminister Müller hat genau das ganz klar gesagt. Ich bin einmal gespannt, wer sich heute abend im Gespräch beim Bundeskanzler durchsetzt. Herr Schlauch schaut mich schon ein bißchen nachdenklicher an. ({5}) Das waren ja auch die Signale, die aus der Fraktion der Grünen gekommen sind, in der es nämlich ebenfalls Kolleginnen und Kollegen gibt, die sagen, daß die Realität eben nicht ist, daß wir eine Angestelltengesellschaft bilden, sondern daß wir Selbständigkeit fördern müssen. Ihre Regelungen aber machen Selbständigkeit kaputt. ({6}) Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Der Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels schätzt, daß mindestens 30 Prozent der 500 000 geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse im Einzelhandel durch die Neuregelung wegfallen. Wegfallen! Da fällt Arbeit weg, da fällt Verdienst für Familien weg. Sie sind daran schuld. ({7}) Nach einer Umfrage des Gebäudereinigerhandwerks haben bereits 45 Prozent der geringfügig Beschäftigten im Nebenjob gekündigt. Auch da fällt Arbeit weg, auch da fällt Verdienst weg. ({8}) 90 Prozent der Betriebe geben an, sie hätten enorme Schwierigkeiten, überhaupt wieder Mitarbeiter zu finden. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Fischer, der ja zu Ihrer Partei gehört, beklagt, bei Zeitungsverlagen und Gastronomie rolle eine Kündigungswelle wegen der Neuregelung der 630-Mark-Jobs heran. Wenn Sie nicht einmal das zum Nachdenken bringt, dann kann ich wirklich nur sagen: Ihre ideologische Verbohrtheit sollten Sie bald ablegen. ({9}) Manche Verlage verzeichnen in der Zwischenzeit einen Ausfall von 30 Prozent der Zusteller. Unabhängige Schätzungen gehen davon aus, daß rund 50 000 EinPersonen-Unternehmen wegen Ihrer Neuregelungen zur Scheinselbständigkeit in diesem Jahr aufgeben müssen. ({10}) Das ist der rotgrüne Beitrag zur Förderung der Selbständigkeit. ({11}) Nun streitet die Koalition in sich. Da streiten Sozialdemokraten und Grüne. Man kann wirklich nur erstaunt gucken, daß der finanzpolitische Sprecher der Grünen erst jetzt gemerkt hat, was Sie da angerichtet haben. Wenn er in der Anhörung, die wir durchgeführt haben, zugehört hätte, hätte er es besser wissen müssen. ({12}) Es streiten Sozialpolitiker mit Wirtschaftspolitikern. Wir sind gespannt auf das Machtwort des Kanzlers. ({13}) Das, meine Damen und Herren, ist Dilettantismus pur. Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie diese Regelungen zurück! Wenn Sie versuchen, nachzubessern, wird alles nur noch schlimmer. ({14}) Lassen Sie mich aber auch ein Wort in Richtung der CDU/CSU-Fraktion sagen. Es ist schon etwas merkwürdig, mit welcher Vehemenz Sie plötzlich für den Erhalt der 630-Mark-Jobs kämpfen. ({15}) Es war immerhin Ihr Bundesarbeitsminister Blüm - er hat nicht ohne Ihre Rückendeckung gehandelt -, der allein in der letzten Wahlperiode mindestens drei Anläufe genommen hat, um die geringfügige Nebenbeschäftigung abzuschaffen. ({16}) Das erste Mal hat sich die von ihm geleitete Kommission „Fortentwicklung der Rentenversicherung“ am 27. Januar 1997 hierfür ausgesprochen

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit?

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- ich höre sofort auf -, gegen das Minderheitenvotum von Julius Cronenberg. Das zweite Mal wären fast die Koalitionsverhandlungen zur Rentenreform 1999 am 13. April 1997 an dieser Frage gescheitert. Das dritte Mal, Herr Singhammer, war Ihre Sozialministerin Stamm von der CSU daran beteiligt, die die Verhandlungen zur Rentenreform 1999 nicht ohne eine Abschaffung der geringfügigen Nebenbeschäftigung beenden wollte. - Nur weil die F.D.P. standhaft geblieben ist, ({0}) ist es nicht dazu gekommen. Deswegen, meine Damen und Herren, seien Sie ehrlich und haben Sie in der Opposition kein so kurzes Gedächtnis. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile der Parlamentarischen Staatssekretärin Ulrike Mascher das Wort. ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Was wir heute unter spektakulärer Begleitmusik erleben, ist eine weitere Etappe in der Irreführungsoffensive der neuen Opposition. ({0}) Erst ist die Parlamentsmehrheit verloren, und dann gewinnt die Opposition der außerparlamentarischen Aktion ganz neue Reize ab. Ihr Rezept ist erschreckend einfach: Zuerst werden die Menschen falsch informiert und verunsichert, ({1}) dann wird der Protest öffentlichkeitswirksam organisiert. Das war bei Ihrer Unterschriftenaktion gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes so, ({2}) und das setzen Sie fort mit Ihrer Postkartenaktion gegen unsere Initiativen, die Erosion der Sozialversicherung zu stoppen. ({3}) Sie schüren Ängste und veranlassen Menschen, auf Grund Ihrer Verbreitung von falschen Informationen falsche Entscheidungen zu treffen. ({4}) So zum Beispiel kündigen Rentner ihre geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, weil sie fälschlicherweise glauben, dies würde zu hohen Steuerbelastungen führen. ({5}) Unsere Neuregelung hat eine lange Geschichte. Frau Dr. Schwaetzer hat schon darauf hingewiesen. Sie haben allerdings eine Etappe vergessen. 1981 hat die sozialliberale Koalition schon einmal eine Regelung versucht; damals ist sie an der CDU/CSU gescheitert. 1996/97 gab es die Initiativen von Norbert Blüm und der CDU, gemeinsam mit der SPD im Vermittlungsausschuß. Das ist an der F.D.P. gescheitert. Heute aber regen Sie sich auf. Sie waren es doch, die durch 16 Jahre Wegschauen eine solche Entwicklung der Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse es gibt über 5 Millionen solcher Beschäftigungsverhältnisse - haben geschehen lassen. Das haben Sie angerichtet! ({6}) Ich verweise nur auf den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Herrn Jagoda, der einer regierungsamtlichen Parteilichkeit nicht verdächtig ist. Er hat davor gewarnt, eine vorschnelle und falsche Kritik an der Neuregelung der 630-Mark-Jobs zu üben. Gegen Ihre Desinformationskampagne können wir nur Aufklärung setzen. Deshalb wiederhole ich hier: Erstens. Nicht alle geringfügig Beschäftigten sind von dem Gesetz gleichermaßen betroffen. Wer nur zwei Monate oder bis zu 50 Tage im Jahr geringfügig arbeitet, muß nach wie vor keine Sozialversicherungsbeiträge leisten. Dies betrifft die Saisonbeschäftigten, zum Beispiel im Gaststättengewerbe. Herr Dr. Ramsauer, das sollten Sie sich merken. ({7}) Zweitens. Für Personen, die dauerhaft geringfügig beschäftigt sind, also insgesamt nur 630 DM im Monat verdienen, bringt die Neuregelung echte Verbesserungen. Das ist die große Mehrheit der geringfügig Beschäftigten; von den 5,6 Millionen geringfügig Beschäftigten fallen 75 Prozent, also 4,2 Millionen Personen, in diese Gruppe. Für sie entfällt die Lohnsteuerpflicht, ({8}) falls sie keine weiteren steuerpflichtigen Einkünfte erzielen. ({9}) Der Arbeitgeber zahlt einen Pauschalbeitrag in Höhe von 10 Prozent zur Krankenversicherung und von 12 Prozent zur Rentenversicherung. Das ist eine Maßnahme gegen Schwarzarbeit, Frau Dr. Schwaetzer, weil der Anreiz für Schwarzarbeit dadurch sinkt. ({10}) Die erweiterte Meldepflicht bei den Sozialversicherungsträgern verhindert ebenfalls Schwarzarbeit. Es wird unmöglich - Frau Dr. Schwaetzer, ich würde Ihnen empfehlen zuzuhören -, mehrere geringfügige Beschäftigungen zu haben und trotzdem keine Sozialabgaben zu zahlen. ({11}) Änderungen gibt es in der Tat für eine Minderheit der Arbeitnehmer, die neben ihrer Haupttätigkeit einen geringfügigen Nebenjob haben. Wenn Sie unsere Regelung ablehnen, dann müssen Sie den Arbeitnehmern, die durch Überstunden mehr verdienen, auch erklären, warum ihre Überstunden sozialversicherungs- und steuerpflichtig sind, aber das nicht für Nebenbeschäftigungen gilt. Die CDU/CSU wäre in der letzten Legislaturperiode gut beraten gewesen, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen. Es ist ihr dank der F.D.P. nicht gelungen. Uns ist es jetzt gelungen. Ich denke, es ist richtig, was wir gemacht haben. ({12}) - Nein, das stimmt einfach nicht. Bezüglich der Beseitigung des Mißbrauchs bei der Selbständigkeit, also bei der Bekämpfung der Scheinselbständigkeit, kann ich mir nicht vorstellen, daß es in Ihrem Interesse ist, wenn die Betriebe, die ordnungsgemäß Sozialversicherungsbeiträge zahlen, Nachteile im Wettbewerb gegenüber denjenigen erleiden, die sich dieser Pflicht entziehen. ({13}) Die sogenannten scheinselbständigen Arbeitnehmer waren bereits nach altem Recht sozialversicherungspflichtig. ({14}) Aber es sind zum großen Teil widerrechtlich keine Beiträge gezahlt worden. Ich weiß nicht, warum Sie sich so aufregen, wenn wir auf der materiellrechtlichen Seite nichts geändert haben, sondern nur eine Regelung beschlossen haben, mit der die entsprechenden Betriebe dazu gebracht werden können, ihre Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, und die den Arbeitnehmern und den Betriebsräten sowie den Sozialversicherungsträgern bessere Möglichkeiten bietet, das - ich wiederhole geltende Recht durchzusetzen und den Mißbrauch endlich zu bekämpfen. ({15}) Die Unruhe, die hier in der Öffentlichkeit erzeugt wird und die auch von einigen Interessenverbänden geschürt wird, zeigt nur, wie gut sich einige Branchen inzwischen mit diesem Mißbrauch eingerichtet haben. ({16}) Der Behauptung, wir würden damit Existenzen vernichten und Existenzgründungen behindern, muß ich mit der Frage entgegnen: Haben Sie wirklich das Gesetz gelesen? Den Existenzgründern ermöglichen wir in den ersten drei Jahren, wenn sie wenig verdienen, was durchaus wahrscheinlich ist, ihren Rentenversicherungsbeitrag bis auf einen Mindestbeitrag von derzeit 122,85 DM zu senken. Sie können mir nicht weismachen, daß ein Existenzgründer nicht in der Lage sein soll, 122,85 DM als Sozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Wenn er das nicht zahlen kann, dann muß ich befürchten, daß seine Existenzgründung auf sehr wackligen Füßen steht. ({17}) Außerdem ist Ihnen vielleicht auch bekannt, daß durch diesen Rentenversicherungsbeitrag ein Anspruch auf Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente aufrechterhalten wird. Das ist ein ganz elementarer Schutz, der auch für Selbständige wichtig ist. ({18}) Ein weiteres Argument: Vielleicht ist Ihnen entgangen, daß Regelungen für arbeitnehmerähnliche Selbständige in anderen Ländern der Europäischen Union schon lange existieren. Deutschland hatte hier einen Nachholbedarf. Es ist also überhaupt nicht richtig, zu behaupten, Deutschland würde hier einen Sonderweg einschlagen; vielmehr holen wir hier endlich etwas nach. Wir schaffen ({19}) eine soziale Absicherung für Existenzgründer, die europäischem Standard entspricht. Im übrigen kommen wir damit - das ist vielleicht für die CDU/CSU interessant einer Forderung nach, die die CDU in ihrer Präsidiumskommission „Zukunft der sozialen Sicherungssysteme“ exakt so erhoben hat. Ich kann also die Scheinheiligkeit und die Aufregung auf seiten der CDU nicht verstehen, wenn sie selber diese Regelung noch 1997 für richtig gehalten hat. ({20}) Natürlich wird in der Regierungskoalition offen darüber diskutiert. Manchmal findet diese Diskussion in Form von Briefen statt. Es gab zum Beispiel einen Briefwechsel zwischen Walter Riester und Rezzo Schlauch. Ich finde es völlig korrekt und normal, daß heute im Kanzleramt darüber diskutiert wird, wie man den Ängsten und Sorgen, die in der Öffentlichkeit laut geworden sind, begegnen kann. ({21}) Angesichts der Sorgen der Bundesländer und anläßlich der Beschlüsse über die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse hat der Bundesarbeitsminister im Bundesrat angekündigt - es ist im Gesetz schon festgeschrieben, aber er hat es dort noch einmal deutlich artikuliert -, daß er sehr sorgfältig die Entwicklung nach den Anlaufschwierigkeiten bei den Finanzämtern und bei den Sozialversicherungsträgern beobachten werde. Sollte sich dann tatsächlich herausstellen, daß Existenzgründungen behindert werden, ({22}) was ich nach den realen Grundlagen nicht nachvollziehen kann, ({23}) dann werden wir selbstverständlich auch Korrekturen vornehmen. Aber wir korrigieren kein Gesetz, das noch nicht einmal drei Monate in Kraft ist. Wir haben dafür überhaupt keine Grundlagen. ({24}) - Herr Niebel, es wird auch durch Lautstärke nicht besser, wenn Sie hier immer behaupten, das Gesetz sei Murks. ({25}) Heute abend findet im Kanzleramt ein Gedankenaustausch statt. ({26}) Der ist in der Koalition ganz normal. Ich denke, Herr Schlauch, Walter Riester und der Kanzler werden da ihre Erfahrungen, ihre Einschätzungen austauschen. Ich bin ganz sicher, daß wir da zu einem guten Ergebnis kommen. Danke. ({27})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Julius Louven, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der ersten Lesung dieses unsäglichen Gesetzes, ({0}) Frau Mascher, habe ich hier Ihrem Minister, Herrn Riester, zugerufen: „Ziehen Sie diesen Murks zurück!“ ({1}) Als dann viele Zeitungen dieses Zitat brachten, hatte ich die Sorge, ich hätte vielleicht überzogen. ({2}) Heute weiß ich, daß Sie wirklich Murks verabschiedet haben. ({3}) Sie, Frau Mascher, beneide ich nicht dafür, daß Sie diesen Murks hier verteidigen müssen, ({4}) nicht wissend, ob nicht heute abend oder morgen früh in dieser Frage eine völlig neue Situation besteht. ({5}) Wie sieht nun dieser Murks aus? Bei den Gebäudereinigern - Frau Schwaetzer hat dies gesagt - gibt es über 46 Prozent Kündigungen. Hier bestrafen Sie einen Wirtschaftszweig, der immer gefordert hat, die 630-DMArbeitsverhältnisse in normale Arbeitsverhältnisse umzuwandeln. Dieser Handwerkszweig ist jetzt nicht mehr in der Lage, Verträge zu erfüllen, weil Arbeitskräfte nicht zur Verfügung stehen. Dies haben Sie zu verantworten. In der Gastronomie hat es bislang über 200 000 Kündigungen gegeben. Nach Auskunft des Präsidenten des Dehoga ist dies erst die Spitze des Eisberges. Man weiß nicht, wie man dies kompensieren soll. Die Privathaushalte sind verunsichert. Gemeinnützige und Sportvereine wissen nicht, wie sie ihre Lücken schließen sollen. Meine Damen und Herren, wir von der CDU/CSU stimmten auch in der letzten Legislaturperiode darin überein, daß in dieser Frage Handlungsbedarf besteht. Wir stimmten mit der F.D.P. darin überein, Frau Schwaetzer, daß für schutzwürdige Personen ein ausreichender Versicherungsschutz gewährleistet sein muß. ({6}) Dies haben wir in einer gemeinsamen Erklärung hier im Bundestag Ende 1997 beschlossen. ({7}) Ich habe hier am 19. November in Erwiderung auf den Bundeskanzler fünf Punkte genannt, die für uns bei einer Lösung dieses Problems wichtig sind. Der wichtigste war, daß wir den Einstieg in sozialversicherte Arbeitsverhältnisse erleichtern und die 630-DM-Mauer überwinden. Dieses Ziel haben Sie verpaßt ({8}) statt dessen zusätzliche Schwarzarbeit en masse. Sie wollten Geld für die Sozialversicherungen und haben nicht an den wirklichen sozialen Schutz der Betroffenen gedacht. Dank Ihrer mangelnden Einsicht stehen Sie jetzt vor einem Trümmerhaufen. Am 17. April berichtet die „Westdeutsche Zeitung“, daß die Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mit diesem Gesetz unzufrieden sind. Ich darf den Artikel einmal zeigen: „Arbeitgeber hoffen bei 630-Mark-Jobs auf Eichel“. Es heißt in diesem Bericht, der neue Finanzminister kenne die Probleme insbesondere der Zeitungsverlage. Man vertraut darauf, daß er eine bessere Lösung finden wird. Wenn Sie einmal die persönliche Erklärung von Frau Buntenbach bei der Verabschiedung des Gesetzes durchlesen, dann stellen Sie fest, daß sie schon damals ihre Bedenken genannt hat. Auch der Kanzler, der hier am 19. November mit getragenen Worten eine Regelung vorschlug, die dann aber nicht Wirklichkeit wurde, ({9}) zeigt sich beim Gespräch mit Zeitungsverlegern „erstaunt“ - so die „Westdeutsche Zeitung“ - über negative Auswirkungen. Das wäre, meine Damen und Herren, der nächste Flop. Herr Schlauch - er wird uns nachher etwas dazu sagen - sieht Änderungsbedarf. Die SPD-Fraktion hat gestern abend beschlossen, zunächst einmal abzuwarten. Von Herrn Struck, dem Vorsitzenden der Fraktion, liest man heute im „Handelsblatt“: Neuregelungen nicht ausgeschlossen. Er kritisiert insbesondere die Finanzämter und die Sozialversicherungsträger, die mit Übereifer an diese Sache herangegangen sind. ({10}) Meine Damen und Herren, diese Behörden setzen die 48 Seiten Ihrer Erläuterungen um. Da kann man doch nicht von „Übereifer“ sprechen. Dann heißt es: Scheinselbständigkeit und vielleicht auch 630-Mark-Arbeitsverhältnisse sind zur Chefsache gemacht worden. ({11}) Nachdem die Chefs Schröder und Riester mit ihren Bemühungen gescheitert sind, habe ich diesmal die Hoffnung, daß die Herren Wirtschaftsminister Müller mit der Chefsache beauftragen. Er hat, so habe ich den Eindruck, wenigstens mehr Ahnung von den wirtschaftlichen Verhältnissen als die beiden zuerst Genannten. Noch besser, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, wäre, Sie setzten diesen Murks aus. Wenn Sie selbst nicht den Mut dazu haben, geben wir Ihnen in der nächsten Sitzungswoche die Möglichkeit dazu. Wir werden nämlich einen Antrag einbringen, dieses Gesetz auszusetzen. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich dem Abgeordneten Rezzo Schlauch, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Rezzo Schlauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002777, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es schon toll, wie die Opposition hier in die Bütt steigt. Sie hat offensichtlich gemerkt, daß sie 16 Jahre lang an diesem Punkt einen Wandel verschlafen hat, ({0}) und zwar einen Wandel des Arbeitsmarktes und der Bedürfnisse der Menschen, die in diesem Arbeitsmarkt arbeiten. Trotz Regelungsbedarfs - die CDU hat manchmal Anlauf genommen, ist aber immer zu kurz gesprungen - haben Sie nichts getan. Die Menschen sind flexibler geworden und wollen individuellere Lösungen. Flexibilität, meine Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., ist aber nicht der einzige Maßstab. Bei einer modernen Wirtschafts- und Sozialpolitik müssen auch die Freiheitsinteressen und die Sicherheitsinteressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Sie haben den Wandel und die Entwicklung beliebig laufen lassen, ohne einzugreifen. ({1}) Das war der Grund dafür, daß wir gehandelt haben. ({2}) Sie haben es nämlich zugelassen, daß unsere Sozialkassen geplündert und ausgetrocknet werden, ({3}) und Sie haben zugelassen, daß millionenfach nicht Steuerhinterziehung, sondern - das ist mindestens genauso schwerwiegend - Sozialabgabenhinterziehung begangen wurde. ({4}) Sie werden mir nicht erzählen wollen, daß ein Scheinselbständiger sozusagen ein freier Unternehmer ist. Er ist es nicht - weder in der Gestaltungsmöglichkeit seiner Arbeit noch bei seiner Sicherheit für das Alter. Von Freiheit und Sicherheit kann beim Scheinselbständigen überhaupt nicht die Rede sein. ({5}) - Jetzt hören Sie doch einmal auf zu blöken! ({6}) Wir wollen die unternehmerische Freiheit dort fördern, wo es sich tatsächlich um Selbständige handelt, und die soziale Sicherheit dort bewahren, wo es um Scheinselbständige geht, die in Wirklicheit abhängig Beschäftigte sind. Wir wissen, daß es Praxisprobleme gibt. Wir bedauern auch, daß es hier zu Verunsicherung gekommen ist. Wir wissen, daß die Neuregelung Bürokratieprobleme aufwirft. ({7}) Wir wissen aber auch, daß viele Betroffene fürchten, daß ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überfordert wird. Meine Fraktion hat sich in den letzten Monaten vor allen Dingen für Änderungen beim Status der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen - die bereits erfolgt sind - eingesetzt. Damit konnten wir erreichen, daß die vorgesehene vierjährige Rückwirkung bei der Sozialversicherungspflicht aufgehoben worden ist, ({8}) und damit haben wir schon viele Befürchtungen von Unternehmen und Betroffenen ausgeräumt. Wir sehen allerdings - selbstverständlich gibt es dazu unterschiedliche Meinungen - weiteren Änderungsbedarf. ({9}) Wir streben zum Beispiel Wahlfreiheit bei den Formen der Altersvorsorge an und wollen gerade jungen Existenzgründern den Weg in die Selbständigkeit erleichtern. ({10}) - Ja, das muß man einfach wissen: Ich kann dabei aus eigener Erfahrung sprechen. ({11}) Meine berufliche Biographie wäre mit diesem Gesetz so nicht möglich gewesen. ({12}) So geht es vielen selbständigen Anwälten; so geht es vielen Architekten und Menschen in anderen selbständigen Berufen. ({13}) Deshalb sehen wir an diesem Punkt Änderungsbedarf. ({14}) - Das ist so. Darüber werden wir uns heute abend offen unterhalten. Auch bei Ihnen gibt es dazu ja, wenn ich es recht sehe, unterschiedliche Auffassungen. Herr Bury wird nachher seine Position darstellen. ({15}) - Meine Damen und Herren von der F.D.P., wissen Sie, wer 16 Jahre lang den Karren laufen läßt, ohne einzugreifen, ({16}) der hat jegliche Legitimation verloren, aufs Blech zu hauen. ({17})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Zeit!

Rezzo Schlauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002777, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluß. Soziale Sicherheit - dabei können wir auf eine Erkenntnis von Max Weber zurückgreifen, dem Sie ja auch nahestehen - ist gleichzeitig die Voraussetzung für erfolgreiches Unternehmertum. Eine Gesellschaft, die keine soziale Sicherheit bietet - nach ihrem Muster: Recht des Stärkeren -, ({0}) verspielt ihre Innovationschancen, weil die unternehmerischen Risiken untragbar scheinen. Danke schön. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Meine Damen und Herren, ich habe bei dem Wort „blöken“ Zweifel, ob es in einer Parlamentsdebatte am Platze ist, will es aber einmal so stehen lassen, denn es klang wirklich ein bißchen so. ({0}) Gleichwohl glaube ich, daß wir uns einig sind, daß das eigentlich kein parlamentarischer Ausdruck ist. ({1}) In diesem Sinne hat jetzt die Kollegin Dr. Heidi Knake-Werner das Wort.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es war für Sie alle damit zu rechnen, daß soziale Reformen der SPD-geführten Regierung auf scharfen Gegenwind von rechts stoßen würden. Aber was heute abgeht, ist wirklich beeindruckend. Es steht sicherlich auch dafür, daß die Bundesregierung mit den Gesetzen zur Eindämmung der Scheinselbständigkeit und zu den 630-Mark-Jobs offensichtlich diejenigen, die in den letzten Jahren vor allen Dingen auf Sozialabbau und Deregulierung gesetzt haben, an einem ihrer empfindlichsten Nerven getroffen hat. ({0}) Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, jedenfalls nach meiner Einschätzung ein wichtiger Grund für Ihren massiven Protest, ({1}) für die Empörung, die Sie an den Tag legen, und für die - mehr oder weniger massiven - Kampagnen, die Sie in Gang gesetzt haben. Daraus entsteht natürlich ein enormer Druck auf diese Regierung; das ist wohl so. Aber darauf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den Bündnisgrünen, hätten Sie sich einstellen können. Deshalb finde ich das Gewackel in Ihren Reihen besonders ärgerlich. ({2}) Insbesondere der Kollege Schlauch, der gerade so engagiert geredet hat, rudert in dieser Frage kräftig zurück. ({3}) - Mit der Feststellung „Wir sind über das Ziel hinausgeschossen“ sehr wohl. Wieso eigentlich, lieber Kollege? War es nicht das erklärte Ziel dieser Koalition, sozialen Schutz für diejenigen zu schaffen, die am meisten darauf angewiesen sind, zum Beispiel die vielen Frauen und Männer, die in versicherungsfreie und scheinselbständige Tätigkeiten abgedrängt werden? War es nicht auch das Ziel Ihrer Regierung, die Flucht der Arbeitgeber aus dem Solidarsystem zu stoppen und die Solidargemeinschaften zu entlasten? Ging es schließlich nicht auch darum, der Erosion der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse entgegenzuwirken? Das scheint auch ein bißchen zu klappen, wenn ich die Aussage, die Frau Mönig-Raane von der HBV in einem Interview gemacht hat, richtig verstanden habe. Es ist wohl auch ein wichtiges Ziel gewesen, den Umfang der prekären Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen. Daß das alles auf organisierten Widerstand, insbesondere aus dem Arbeitgeberlager, stoßen würde, war doch völlig klar. ({4}) Aber das müssen Sie aushalten. Wenigstens an der Stelle dürfen Sie guten Gewissens von der Vorgängerregierung lernen. Sie mobilisiert zwar jetzt alles, damit Druck von den Straßen und Plätzen kommt. Aber früher hat sie ihm erfolgreich widerstanden. ({5}) Wenn Sie heute schon vor ein paar Konzernetagen kapitulieren, so erschüttert das nicht nur Ihre politische Handlungsfähigkeit, sondern auch - dies ist schlimmer Ihre Glaubwürdigkeit. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann natürlich sein, daß vieles in dem Gesetz, insbesondere was die Eindämmung der Scheinselbständigkeit angeht, mit heißer Nadel gestrickt worden ist und noch nicht für alle Betroffenen ausreichend durchdacht war. Richtig ärgerlich bei der gegenwärtigen Debatte ist aber, daß eben nicht mehr über diejenigen gesprochen wird, die in den vergangenen Jahren im Handel, in der Gastronomie und im Transport in die Scheinselbständigkeit gezwungen wurden. Viele von ihnen haben das doch nicht freiwillig gemacht, sondern sie haben diese Tätigkeit unter dem Druck der drohenden Arbeitslosigkeit gewählt. Das wissen Sie ganz genau. Besonders wütend macht mich, daß die größten Krokodilstränen gerade die Unternehmen vergießen, die in den letzten Jahren am meisten von dieser Entwicklung profitiert und keine Gelegenheit versäumt haben, sich den finanziellen Lasten für die SozialversicherungsbeiRezzo Schlauch träge zu entziehen, die kein Problem damit hatten, die Beschäftigten einer Scheinselbständigkeit und damit dem Risiko fehlender sozialer Absicherung auszusetzen, und sich damit noch Wettbewerbsvorteile verschafft haben. Natürlich bedeutet das alles nicht, daß man nicht trotzdem über diese Gesetze nachdenken muß, daß man nicht praktische Erfahrungen sammeln muß, die man gründlich auswerten muß, um vor allem im Grauzonenbereich eine eindeutige Trennung zwischen echter und falscher Selbständigkeit bzw. abhängiger Beschäftigung vornehmen zu können. Es wird auch immer damit argumentiert, daß so engagierte Leute wie Bill Gates mit dem jetzigen Gesetz in ihrem Tatendrang aufgehalten worden wären. ({7}) Man kann Ihnen relativ gut vorrechnen, daß das der blanke Unsinn ist. Auch Bill Gates wäre bei den Beiträgen für die sozialen Sicherungssysteme nicht stärker belastet worden, als die meisten abhängig Beschäftigten und Selbständigen es heute sind. Das wird man wohl noch verlangen dürfen. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja. - Ich will zum Schluß noch eine Bemerkung zu den 630-Mark-Jobs machen. Ich habe stapelweise Protestbriefe bekommen, wie viele andere von Ihnen vermutlich auch. Das ist deshalb passiert, weil ich schlankweg dieser Bundesregierung zugeordnet worden bin, obwohl ich ja nun wirklich eine der ausgewiesenen Gegnerinnen dieses Gesetzes war.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre Redezeit ist wirklich zu Ende. Es tut mir leid.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Gut. Dann kann ich leider nicht mehr sagen, was man daraus lernen kann. - Ich meine - das sage ich auch noch einmal in Richtung der Bündnisgrünen -, es ist Vorsicht geboten beim Zurückrudern, Kollege Schlauch. Man sollte, wenn man der Auffassung ist, man sei über das Ziel hinausgeschossen, gut überlegen, in wessen Interesse man eine solche Feststellung trifft. Ich kann nur hoffen, daß die Herrenrunde heute abend standfest bleibt. Ich glaube, das hilft Ihnen mehr als dieses Geeiere. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Hans Martin Bury, SPD-Fraktion. ({0})

Hans Martin Bury (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000312, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte ist eigentlich keine Aktuelle Stunde, ({0}) sondern eher ein „jour fixe“ mit dem Titel: Einfallslosigkeit der Opposition. ({1}) - Schreien Sie nicht so! - Man könnte auch sagen: Verantwortungslosigkeit. Denn Sie haben jahrelang zugelassen, daß immer mehr Menschen in ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse gedrängt worden sind. ({2}) Ich erinnere mich gut daran, wie uns das Unternehmen UPS vor vier Jahren gedrängt hat, endlich gegen die Ausbreitung von Scheinselbständigkeit vorzugehen. UPS hatte und wollte nämlich keine scheinselbständigen Subunternehmer; aber die Wettbewerber von UPS im hartumkämpften KEP-Markt haben den Kostenvorteil genutzt und so einen Wettbewerb um schlechtere Arbeitsbedingungen in Gang gesetzt. Ich darf auch daran erinnern, daß es die Gebäudereiniger waren, die sich für eine Neuregelung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse ausgesprochen haben. ({3}) Die Erosion der sozialen Sicherungssysteme und die Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten waren ebenso Anlaß der Reform wie der Schutz der betroffenen Arbeitnehmer. Die gesetzlichen Regelungen sind also hinsichtlich des Zieles richtig, und sie waren, auch aus wirtschaftspolitischer Sicht, dringend notwendig, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. ({4}) Genauso richtig ist es aber leider, daß es bei der Umsetzung der Neuregelungen Probleme gibt. Vor allem gibt es ein erhebliches Informationsdefizit, gefüllt mit Desinformation von interessierter Seite. Es gibt aber auch die Schwierigkeit fehlender Übergangsfristen und damit erschwerter Anpassungsmöglichkeiten. Die Neuregelungen sind seit wenigen Wochen in Kraft. Wir werden die Auswirkungen im Auge behalten und uns um Verbesserungen bei der Umsetzung bemühen; denn auch ein richtiges Gesetz ist nicht gut, wenn es so schwer nachvollziehbar ist. ({5}) Aber vieles wird sich einpendeln. Wichtig erscheint mir vor allem, deutlich zu machen, daß wir nicht stehenbleiben. So kann die 630-MarkRegelung nur ein Zwischenschritt sein. ({6}) - Hören Sie doch auf, herumzuschreien! Die Liberalen sind nun wirklich die Scheinselbständigen der deutschen Politik. ({7}) Ich wiederhole: Die 630-Mark-Regelung kann nur ein Zwischenschritt sein. Ihr muß die Ermöglichung eines gleitenden Übergangs in Vollerwerbsarbeit folgen. Wenn Sie sich die strukturellen Probleme des Arbeitsmarktes anschauen, dann erkennen Sie, daß zu ihrer Lösung, neben anderem, auch die Verbesserung der Chancen Geringqualifizierter gehört. Dafür zu sorgen, daß diese Menschen von ihrem Arbeitseinkommen leben können und daß Arbeit mehr einbringt als das Leben von Transfereinkommen, ist unsere Aufgabe. Unsere Politik zielt auf die Schaffung ordentlicher Arbeitsplätze. Um dieses Ziel zu erreichen, muß auch unternehmerische Initiative erleichtert werden. Deshalb werden wir selbstverständlich auch beim Thema Scheinselbständigkeit darauf achten, tatsächliche oder vermeintliche Hürden für Existenzgründer und Selbständige zu überwinden. Wir nehmen die Kritik sehr ernst. Sie wissen, daß sich der Bundeskanzler des Themas annimmt. Wir müssen vor allem die unsägliche Bürokratie abbauen. Ich bitte den Bundesarbeitsminister, in diesem Sinne weiter tätig zu sein. Sollte sich weiterer Handlungsbedarf ergeben, werden wir selbstverständlich handeln. ({8}) In diesem Zusammenhang erscheint mir die Feststellung wichtig, daß nicht jeder aus der gesetzlichen Rentenversicherung hinausgedrängt wurde, der sich aus ihr verabschiedet hat. Manch einer hat sich verabschiedet, weil er kein Vertrauen mehr in die sozialen Sicherungssysteme hat. Das ist ein dramatischer Vertrauensverlust, den Sie zu verantworten haben. ({9}) Hier müssen und werden wir im Rahmen der umfassenden Reform der Altersvorsorge ansetzen. Letztlich gewinnen wir die Menschen nicht mit Zwang, sondern mit einem attraktiven Angebot. Dazu gehört neben der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung die Stärkung der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge. In Deutschland wird wieder Politik gemacht. Das bietet den Oppositionsparteien die Möglichkeit, entweder in einen Wettbewerb um die beste Lösung einzutreten oder regelmäßig in Aktuellen Stunden zu beklagen, daß wir das tun, wovon Sie jahrelang nur geredet haben. Ein konstruktiver Wettbewerb wäre besser für unser Land. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Johannes Singhammer, CDU/CSU, das Wort. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vertreter von SPD und Grünen sind heute in einer besonders pikanten Situation. Sie müssen ein Gesetz verteidigen, von dem jedermann weiß, daß in vier Stunden Änderungen dieses Gesetzes in der Koalition beschlossen werden. ({0}) Das ist auch gerechtfertigt; denn in 50 Jahren Geschichte Bundesrepublik Deutschland hat es kaum derartig schlampige und schlechte Gesetze wie diese beiden gegeben. ({1}) Mit einer Kette von übereilten Schnellschüssen wurden neue soziale Ungerechtigkeiten aufgetürmt, während alte nicht beseitigt wurden. ({2}) Dem Chaos im Gesetz folgt das Chaos im Verfahren. Denken Sie nur einmal an die letzten Tage! ({3}) - Hören Sie doch einmal zu, Herr Dreßen. Auch vor drei Wochen haben wir hier über Scheinselbständigkeit diskutiert. Damals hatten Sie heftig bestritten, Korrekturen zu planen oder vornehmen zu wollen. Jetzt sieht selbst der Bundeskanzler Korrekturbedarf, auch der Fraktionschef der Grünen, Herr Schlauch - Sie haben das ja heute noch einmal bestätigt -, und nur noch der arme, allein gelassene Bundesarbeitsminister verteidigt seinen mißratenen Gesetzentwurf. ({4}) Im „Handelsblatt“ von heute schließt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Struck, Neuregelungen bei den 630-DM-Arbeitsverhältnissen nicht aus. Er sagt, Änderungen könne es für ehrenamtliche Tätigkeiten in Kirchen und Vereinen geben. Einzig und allein der Arbeitsminister hält weiterhin an seinem mißratenen Gesetzentwurf fest. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die schlampige Regelung des 630-DM-Gesetzes hat sich als gigantisches Arbeitsplatzvernichtungsprogramm erwiesen. ({5}) Ich nenne Ihnen jetzt einmal zwei Zahlen: Sie haben innerhalb von ganz kurzer Zeit diejenigen getroffen, auf die Sie nicht gezielt haben; Sie haben die Arbeitnehmer getroffen. ({6}) Der Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels rechnet mit einem ersatzlosen Verlust von 150 000 630-DM-Jobs. ({7}) Im Gastronomiebereich herrscht blankes Entsetzen über die Regelungen. Eine ganz neue Umfrage der IHK für München und Oberbayern, die vor wenigen Tagen abgeschlossen wurde, besagt, daß 66 Prozent - also zwei Drittel - der 630-DM-Jobs ersatzlos wegfallen werden. Die Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelungen schätzen 48 Prozent dieser Unternehmen als erheblich und 6 Prozent als existenzbedrohend ein. Das ist das Faktum; das haben Sie erreicht. Zeitungsverleger, Gebäudereinigerhandwerk - ich könnte eine Legion von Branchen aufzählen, die darunter zu leiden haben. Jetzt unternimmt es der Bundeskanzler erneut, diese Sache zur Chefangelegenheit zu machen. ({8}) Man möchte schon fast sagen, das ist eine Drohung. Wenn es heißt: „Hier kocht der Chef“, ist das mittlerweile als Drohung zu verstehen. Fünfmal hat er schon den Kochlöffel in die Hand genommen, und jedesmal ist die Suppe salziger geworden. ({9}) Da hilft nur eines: Schütten Sie die Suppe aus und fangen Sie neu zu kochen an. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir raten Ihnen wirklich dringend: Nehmen Sie beide Gesetze zurück! Eine Korrektur der Ausführungsbestimmungen und Verwaltungsanordnungen allein wird nicht genügen. Wenn Sie nur das tun, werden Sie in wenigen Monaten wieder hier vorne stehen, und wir werden die gleiche Diskussion führen. ({11}) Nehmen Sie beide Gesetze komplett zurück, beraten Sie in Ruhe mit den Verbänden und Betroffenen. Machen Sie nicht noch einmal einen Schnellschuß, lassen Sie sich Zeit. Das ist vor allem für die Bevölkerung, die Bürger draußen wichtig, die wir alle gemeinsam vertreten und die unter der Unsicherheit zu leiden haben, weil mittlerweile keiner mehr weiß, was gilt und was morgen noch gelten wird. ({12}) Lassen Sie diese Unsicherheit hier nicht weiter gedeihen. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort der Kollegin Margareta Wolf, Bündnis 90/Die Grünen.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich finde die Situation mitnichten pikant, in der sich die Koalition befindet. ({0}) Ich finde es aber pikant, daß Sie als Vertreter der Opposition sich hier hinstellen und keinen einzigen substantiellen Vorschlag machen. ({1}) Wir wissen - offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen -, daß sich dieses Land in einer strukturellen Umbruchsituation befindet. Wir befinden uns auf dem Weg von einer Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft. Es würde sehr für Sie sprechen, wenn Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen würden, daß es in einer solchen Situation keine einfachen Lösungen gibt. Einfach zu sagen: „Weg damit!“, das ist keine Lösung. Das weiß ich aus meiner eigenen Vergangenheit. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. und auch Sie, Herr Singhammer, Sie haben den Strukturwandel in diesem Land verschlafen. Sie haben in Ihrer Regierungszeit die höchsten Lohnnebenkosten und die größte Zahl von 630-Mark-Jobs produziert. Außerdem haben Sie die Outsourcing-Welle und die in der Folge dramatische Zunahme der Zahl der Scheinselbständigen in diesem Land völlig unbeachtet gelassen. ({2}) Ich finde schon, daß sehr viel Outsourcing betrieben wurde, vor allem bei den Scheinselbständigen, und daß es viel über Ihr Politikverständnis aussagt, meine Damen und Herren von der F.D.P., wenn Sie zweimal hintereinander eine Aktuelle Stunde mit gleichem Thema beantragen, ohne diesem Haus irgendeine substantielle Antwort zu präsentieren. Das einzige, was Sie sagen, ist: Weg damit! ({3}) Noch eine Bemerkung: Die Selbständigenquote war unter Ihrer Regierung im europäischen Vergleich sehr hoch, Frau Schwaetzer. Ich möchte Sie bitten, sich das in Erinnerung zu rufen. Wir haben mit unserem Gesetz versucht, im Interesse der Wiederherstellung der sozialen Marktwirtschaft die Kluft zwischen wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Interessen zu schließen. Sie wissen, daß wir in beiden Fraktionen seit Wochen intensiv über die Überwindung der sogenannten Teilzeitmauer diskutieren, die Sie mit Ihren Regelungen zu den 630-Mark-Jobs aufgebaut haben. Wir haben ein Konzept vorgelegt, mit dem wir Anreize für geringfügig Beschäftigte schaffen, eine sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung anzunehmen. Wir wollen - zeitlich befristet - Sozialversicherungsbeiträge subventionieren und somit der Tatsache Rechnung tragen, daß es erhebliche Beschäftigungspotentiale gerade im Dienstleistungssektor gibt, die Sie leider völlig außer acht gelassen haben. ({4}) Wir haben mit den Interessenvertretern diskutiert. Sie wissen, daß es heute ein Gespräch zwischen dem Bundeswirtschaftsminister, dem Arbeitsminister und dem Bundeskanzler gibt, in dem Fragen der Praxisanpassung für Existenzgründer diskutiert werden sollen. ({5}) - Wir diskutieren seit Monaten; das wissen Sie. Wenn Sie einen konzeptionellen Beitrag geleistet hätten, wäre er vielleicht in die Debatte mit eingeflossen. Auch die Frage der Wahlfreiheit bei der Form der Altersvorsorge wird im Zentrum dieses Gesprächs stehen, ebenso wie die Situation der Informatiker, die Situation im EDV-Bereich. Sie wissen genau, daß dieser Termin seit einer Woche feststeht. So gesehen hat diese Aktuelle Stunde wirklich Happening-Charakter, wie es der Kollege Bury schon gesagt hat. Daß dieses Gesetz unter dem Stichwort „Strukturwandel“ tatsächlich ständig auf seine Tauglichkeit in der Praxis überprüft werden muß, ist klar; das hat auch die Frau Staatssekretärin vorhin gesagt. Daß Sie eine Überprüfung auf Praxistauglichkeit als „nachbessern“ bezeichnen, sagt viel über Ihr Politikverständnis aus; aber das ist Ihr Problem. Die Menschen, die uns schreiben, erwarten, daß die neue, dialogorientierte Bundesregierung ({6}) ihre Argumente hört, sie prüft und politisch entsprechend handelt. ({7}) - Wenn Ihre Zwischenrufe wenigstens Qualität hätten, dann könnten Sie ein bißchen weniger laut brüllen. Ich halte es für erforderlich, insbesondere im Bereich der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen und im Existenzgründungsbereich nachzubessern oder zu präzisieren. Ich denke, es ist wichtig, daß die Sozialversicherungsträger, die derzeit verstärkt Betriebe überprüfen, dort tatsächlich mit Augenmaß vorgehen. Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung machen: Ich halte es überhaupt nicht für ehrenrührig, wenn man drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes sehr genau beobachtet, ob die getroffenen Regelungen den Zielen gerecht werden. ({8}) Ich will Ihnen eines sagen: Es gab noch nie ein Gesetz von Ihnen, das auf die Umbruchsituation reagiert hätte. Sich hier ausschließlich mit Häme hinzustellen, jedes Gespräch mit Argusaugen zu beobachten und Aktuelle Stunden zu beantragen finde ich kindisch. Wir sind hier im deutschen Parlament und nicht im Kindergarten. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Rainer Brüderle, F.D.P.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat aus einer dpa-Meldung, die es vor kurzem gegeben hat, beginnen: Der saarländische Landtag verlangt einmütig Korrekturen an Gesetzen zu den 630-Mark-Jobs und zur Scheinselbständigkeit. Bekanntlich hat die SPD dort die absolute Mehrheit, und die Grünen sind vertreten. Entweder haben Ihre Genossen in Saarbrücken oder Sie das nicht verstanden, denn das, was Sie hier vollführen, und das, was der saarländische Landtag einmütig beschließt, kann nicht gleichzeitig richtig sein. ({0}) Es sind auch Sozialdemokraten, zum Beispiel SPDMinisterpräsident Clement von Nordrhein-Westfalen ({1}) - der ist SPD-Mitglied; er ist noch nicht ausgetreten, das kann ich Ihnen versichern -, die fordern, durch ein Unternehmensberatungsbüro zu überprüfen, ob das, was Sie verabschiedet haben, überhaupt praktikabel ist. Das Geld kann er sich sparen. Das ist nicht praxistauglich. ({2}) Herr Glogowski, SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen, fordert eine Novellierung des Gesetzes. Er hat sich in seiner Begründung auf die Verleger konzentriert, damit er eine bessere regionale Presse hat. Aber wir wollen nicht nur im Hinblick auf Verleger, daß diese einseitigen Belastungen zurückgenommen werden, sondern auch im Hinblick auf den Mittelstand und die kleinen Leute, die auf den Nebenverdienst im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung angewiesen sind. Wir wollen nicht nur in Richtung Verleger buhlen. All die von mir Genannten werden schlecht behandelt. Aber das ist Ihre Art. Herr Schlauch schreibt in einem Brief, daß über das Ziel hinausgeschossen worden ist. Hiermit macht er natürlich einen Eiertanz. Nach den Äußerungen von Trittin und Altmann kann er die Koalition nicht noch weiter Margareta Wolf ({3}) belasten. In Wahrheit weiß er natürlich, daß dieses Gesetz Quatsch mit Soße ist und verändert werden muß. ({4}) Frau Wolf stellt sich hier hin, hält eine große Rede und fordert, wir sollten sagen, was wir wollen. Was wir wollen, sage ich Ihnen: Stampfen Sie diese Murksgesetze ein! Entschuldigen Sie sich bei den Betroffenen für das, was Sie angerichtet haben, und hören Sie mit dem bisherigen Vorhaben auf! Das ist unser Vorschlag. ({5}) Übrigens, Sie, Frau Wolf, haben in Ihren Ausführungen keinen einzigen konkreten Vorschlag gemacht, sondern nur polemisch herumoperiert. Ich bin auch von der zuständigen Staatssekretärin sehr enttäuscht. Statt hier Verbesserungen vorzuschlagen, hat sie die bestehende Konzeption - ich gehe mit Ihnen eine Wette um hervorragenden rheinland-pfälzischen Winzersekt ein, daß das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht Bestand haben wird - stur verteidigt. Selbst Sie halten solchen Unsinn nicht durch. Dabei spielt Bundeswirtschaftsminister Müller eine ganz besondere Rolle. Er ist der wirtschaftspolitische „gute Onkel“, der zu dem von Ihnen hervorgebrachten Unsinn immer etwas Freundliches sagt. Er soll die grünrote Frankenstein-Politik in der Wirtschaft überdecken und die Folterwerkzeuge ein bißchen relativieren. Aber er hat es immer schwer, sich in der Sache überhaupt Gehör zu verschaffen. Das gab es auch früher. Es gab dann immer einen Bauchredner, um das eigene Tun etwas zu relativieren. ({6}) Sie werden das Gesetz wieder nachbessern müssen. Daß sie permanent ihre Politik nachbessert, ist das Hauptinstrument dieser Regierung. Durch die schrecklichen Ereignisse im Kosovo ist dieses Thema derzeit ein Stück überdeckt. Sonst würde noch viel greller deutlich werden, welchen Unfug Sie betreiben. All die Begründungen, die Sie im Zusammenhang mit der Notwendigkeit dieses Gesetzes vorgebracht haben, sind ja nicht umgesetzt worden. ({7}) Sie helfen den Frauen nicht bei ihrer Alterssicherung. Da muß eine Frau 42 Jahre arbeiten, um eine Rente von 4,17 DM pro Beitragsjahr im Monat zu erhalten. ({8}) Das ist doch alles Quatsch. Sie haben Ihr Ziel überhaupt nicht erreicht. Eines haben Sie fertiggebracht - ich zitiere den „Spiegel“ von dieser Woche, wahrlich keine Hauspostille der F.D.P. -: „In Deutschland rollt eine noch nie dagewesene Kündigungswelle.“ Die haben Sie ausgelöst. Sie schaffen keine Arbeitsplätze; Sie verhindern sie. ({9}) Sie schaffen weiter Unruhe in der Wirtschaft. Sie strafen den Mittelstand ab und wollen dann noch so dastehen, als ob Sie etwas für ihn tun würden. Es kommt zu absurden Regelungen: ({10}) - Ihre Regelungen sind Blödsinn. - Da muß zum Beispiel ein geringfügig beschäftigter Rentner Beiträge zur Rentenversicherung zahlen. ({11}) Davon sieht er niemals eine Mark wieder. Er ist schon Rentner. Wieso muß er noch Beiträge zahlen? Zur Krankenversicherung müssen Beiträge gezahlt werden. Wenn der Betreffende gesetzlich versichert ist, hat er nichts davon. ({12}) - Wenn Sie weniger schreien, mehr zuhören und sich bessern würden, würden Sie etwas für dieses Land tun. ({13}) Wer schreit, hat meistens unrecht. Das ist auch bei Ihnen so. ({14}) Deswegen sollten Sie ein bißchen weniger schreien. Privat Versicherte werden nach Ihrem Gesetz von der Zahlung zur Krankenversicherung freigestellt. Gesetzlich Versicherte müssen zahlen. Sie diskriminieren damit die Ehefrau eines Normalverdieners. So wird das bei Ihnen fortgesetzt. Was machen Sie im kirchlichen Bereich, bei Sozialeinrichtungen und im Sportbereich? Der Deutsche Sportbund - wahrlich keine Vorfeldorganisation der F.D.P. - hat einen Notruf gesandt. ({15}) - Wenn es so wäre, hätten wir schon fast die absolute Mehrheit. ({16}) - Auch bei Ihnen war schon manches besser. Sie haben sich verschlechtert. Hier ist ein gigantisches Arbeitsplatzvernichtungsprogramm entstanden. Die Hilfeschreie aus dem Mittelstand zeigen dies ganz eindeutig. Hören Sie doch damit auf, etwas Falsches zu beschließen und die entstandene Mißgeburt dann wieder zu relativieren! ({17}) Es wäre doch besser, wenn Sie gleich etwas Vernünftiges tun würden. Ihre Staatsgläubigkeit, die Philosophie, die hinter diesem Gesetz steckt, ist fast noch erschrekkender als Ihre Murksgesetze. Sie haben damit diesem Land nichts Gutes erwiesen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Denken Sie an Ihre Redezeit!

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die anderen Redner haben aber viel länger gesprochen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nein, ich habe auf die vorgeschriebenen fünf Minuten geachtet. Herr Kollege, legen Sie sich nicht mit mir an; sonst ziehen Sie den kürzeren. ({0})

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, Sie haben sicherlich recht. - Ich ende mit der Forderung: Bessern Sie nicht nach, ziehen Sie Ihr Gesetz zurück, und machen Sie etwas Vernünftiges! ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Für diejenigen, die es noch nicht wissen, sage ich noch einmal: In der Aktuellen Stunde muß ich nach der Geschäftsordnung streng sein, weil wir sonst ins Rutschen geraten. Jetzt hat die Kollegin Leyla Onur das Wort.

Leyla Onur (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich werde mich bemühen, Ihre mahnenden Worte zur Kenntnis zu nehmen. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brüderle, Frau Schwaetzer, eines muß ich Ihnen lassen: Konsequent sind Sie. Sie haben in der letzten Legislaturperiode konsequent und erfolgreich jedwede Regelung zur Bekämpfung des Mißbrauchs bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen verhindert. ({1}) Daß ich Ihnen dazu nicht gratulieren werde, werden Sie verstehen. Denn diese Konsequenz bedeutet, daß Sie die Wettbewerbsverzerrungen, die es nachweislich gibt, erhalten und erweitern wollen, daß Sie die Sozialkassen weiter ausbluten lassen wollen, daß Sie den beschäftigten Frauen eine eigenständige Alterssicherung verweigern wollen und daß Sie letztendlich wollen, daß aus 6 Millionen geringfügig Beschäftigten 10, 15 oder 20 Millionen werden. Das wollen Sie von der F.D.P., und darin waren Sie bisher konsequent. Das muß man Ihnen lassen. ({2}) Herr Brüderle, eines sollten Sie nicht tun - vielleicht wissen Sie es nicht besser -: Sie sollten nicht den Deutschen Bundestag belügen. Das haben wir nicht so gern. ({3}) Wir wissen nämlich ganz genau, daß heute morgen im Saarländischen Landtag eine Aktuelle Stunde stattgefunden hat, aber keine Beschlüsse gefaßt worden sind. Bleiben Sie also bitte bei der Wahrheit! Wir wissen auch genau, daß Glogowski und Clement den Neuregelungen zu den 630-Mark-Jobs zugestimmt haben. Auch das müßten Sie wissen. Bleiben Sie bei der Wahrheit! ({4}) Nun kommen wir zur CDU/CSU. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie haben sich in jüngster Zeit nun wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, im Gegenteil: Ihre Beteiligung an dieser Veranstaltung ist an Peinlichkeit nicht mehr zu übertreffen. ({5}) Ihre öffentliche Kampagne, die nur der Stimmungsmache dient, steht in krassem Gegensatz zu dem, was Sie in der letzten Legislaturperiode zwar nicht durchgesetzt, aber wenigstens doch gewollt haben. Für diese Willensbekundung haben wir Ihnen Lob gezollt. Sie wollten doch mit uns gemeinsam - Sie haben es natürlich wieder einmal nicht im Kreuz gehabt - die geringfügigen Nebenbeschäftigungsverhältnisse sozialversicherungspflichtig machen. Wir hätten Sie gern dabei unterstützt, aber Sie haben nichts zustande gebracht. Sie wollten auch den Mißbrauch bekämpfen. Sie wollten - Herr Blüm hat es immer wieder gesagt - die Flucht aus der Sozialversicherung stoppen. All das hätten wir gern mit Ihnen gemeinsam gemacht, aber - ich sage es noch einmal -: große Worte und nichts getan. Die Quittung dafür haben Sie allerdings am 27. September bekommen, und das ist gut so. ({6}) Was Sie jetzt tun, ist Wirbeln um des Wirbelns willen. Ich kann Ihnen nur sagen: Unser Gesetz ist gut. ({7}) Unser Gesetz ist sogar sehr gut; denn wir werden mit unserem Gesetz unsere wichtigsten Ziele erreichen. Wenn Sie hier behaupten, es fallen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse weg, dann sage ich Ihnen: Das ist gut so, denn aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen werden, genauso wie wir es wollen ({8}) - das ist nämlich das Ziel unseres Gesetzes -, sozialversicherungspflichtige Teilzeit- bzw. Vollzeitarbeitsverhältnisse. ({9}) Wenn Sie einmal aufmerksam die Stellenanzeigen in Ihren Lokalblättern lesen, werden Sie feststellen, daß die Wirtschaft schon sehr intensiv auf die neue Regelung reagiert hat. ({10}) Eines will ich Ihnen mit auf den Weg geben: Wenn Sie sagen, da fallen Arbeitsplätze ersatzlos weg, dann ist das Quatsch hoch zehn. ({11}) Denn Sie wissen doch auch: Der Chef wird garantiert nicht selbst hingehen und die Arbeit machen. In Deutschland werden nur dann Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, wenn es dafür Arbeit bzw. Aufträge gibt. Sie glauben doch wohl nicht oder wollen uns doch nicht weismachen, Arbeitgeber und Unternehmer seien wohltätig veranlagt und würden Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, nur um des Zurverfügungstellens willen. Das tun sie nicht. Das verstehe ich übrigens. Das verstehe ich sehr wohl; denn die Unternehmer müssen Geld verdienen. Wenn sie Aufträge haben, dann beschäftigen sie Menschen. Sie beschäftigen sie nach Regeln, die ihnen Vorteile bringen. Ich sage Ihnen: Wir bieten den Arbeitgebern mit unseren Neuregelungen Vorteile. Gleichzeitig - das ist uns wichtig - schützen wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir werden mit diesem guten Gesetz trotz gewisser anfänglicher Schwierigkeiten ({12}) in der Umsetzung unsere Ziele erreichen. Ich danke Ihnen. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Karl-Josef Laumann, CDU/CSU.

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde ({0}) ist nicht zu überbieten. Ich mache dazu einige Bemerkungen. Erster Punkt. Die PDS braucht sich zu dem Thema gar nicht melden; denn hätte die in Deutschland zu sagen, gäbe es das Problem nicht, weil es keine Selbständigen gäbe. ({1}) Zweiter Punkt. Frau Onur, Sie sagen, das Gesetz sei in Ordnung. Frau Wolf sagt: Wir sind eine dialogfähige Bundesregierung und reden über das Gesetz. - Ich kann Ihnen nur eines sagen: Was ich Ihnen, Regierung und Koalitionsfraktionen, wirklich übelnehme, ist, daß Sie diesen Dialog und das Bedenken eines Gesetzes nicht vor der Verabschiedung gemacht haben. ({2}) Ihr Gesetz ist im Grunde unpraktikabel. Wenn das Arbeitsministerium für einen relativ einfachen Vorgang, nämlich die Sozialversicherungspflicht von 630-Mark-Verträgen einzuführen, eine Erklärung mit 47 Seiten herausgeben muß, dann weiß man, wie kompliziert man das Gesetz gemacht hat. Im übrigen: Eine komplizierte Rentenreform hat bei Norbert Blüm nicht mehr Erklärung gebraucht als bei Ihnen dieses Gesetz zu den 630-Mark-Jobs. ({3}) Ihr Gesetz ist deswegen so schlecht, weil Sie einen Arbeitsminister haben, der sich die Gesetzgebung in diesem Fall hat aus der Hand nehmen lassen. Am 19. November hat der Kanzler dieses Gesetz hier im Bundestag in einer Aktuellen Stunde diktiert. Er hat den ersten Systembruch gemacht, indem er erklärt hat: Eine Hausfrau kann grundsätzlich 630 DM steuerfrei verdienen. Mit diesem Systembruch, die besondere steuerliche Veranlagung von Eheleuten außer Kraft zu setzen, haben Sie einen großen Fehler gemacht. Wie wollen Sie es erklären, daß die Ehefrau eines Mannes, der im Monat 10 000 DM verdient, 630 DM steuerfrei verdienen darf, während der Postbote, der 3 000 DM im Monat verdient und am Feierabend kellnern geht, alles voll versteuern muß? ({4}) Da fragt der Postbote: Was ist eigentlich los? ({5}) Sie wollten eine Gerechtigkeitslücke schließen, haben aber der Ungerechtigkeit in Deutschland in diesem Bereich Tür und Tor geöffnet. Das ist Ihr Problem. ({6}) Deswegen meine ich, daß Sie nicht umhinkommen, dieses Gesetz zurückzuziehen und eine praktikable Lösung zu finden, um kleine Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland leichter handhaben zu können, um die soziale Absicherung zu gewährleisten und die Erosion der Sozialversicherungspflicht im Griff zu behalten. Zur Scheinselbständigkeit sage ich Ihnen das gleiche. ({7}) Auch da haben Sie einen Grundfehler gemacht. Sie haben in der Tradition der Gewerkschaftsschule von Sprockhövel versucht, einen Arbeitnehmerbegriff zu definieren. Das geht heute nicht mehr. ({8}) Dafür ist die Welt zu bunt geworden. Deswegen mache ich Ihnen hier noch einmal den Vorschlag: Schauen Sie, wie es in der Handwerkerordnung geregelt ist. Regeln Sie es bei den Selbständigen genauso. Dann haben Sie das Problem gelöst, ohne etwas definieren zu müssen. Vielleicht kann man sogar so weit gehen, zu sagen: Das muß nicht unbedingt in der gesetzlichen Rentenversicherung stattfinden; das geht auch über eine Lebensversicherung. ({9}) Denn die Rente wird damit auch nicht gestärkt. Wir müssen für jede D-Mark Beitrag später Rente auszahlen. Auch damit kann man leben. Der sozialpolitische Ansatz muß aber eine Absicherung für die Selbständigen sein, damit die später nicht in die Sozialhilfe fallen, nicht der Arbeitnehmerbegriff. ({10}) Frau Onur, zum Schluß möchte ich etwas zu unserer Unterschriftenaktion und zu den Postkarten sagen. Nennen Sie es, wie Sie es wollen. Eines ist aber wahr: Wir bezahlen unsere Postkarten selber. Sie haben sich Ihre sozialpolitische Hetzkampagne vom DGB bezahlen lassen. Schönen Dank. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Adi Ostertag, SPD-Fraktion.

Adolf Ostertag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001660, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch eines zu Herrn Laumann, der gesagt hat, es habe vor dem Gesetzgebungsverfahren keinen Dialog gegeben: Wir haben 16 Jahre lang die Praxis Ihrer Politik erlebt, die Katastrophe für Millionen von betroffenen Menschen, die nicht abgesichert waren. Herr Laumann, Sie sind wie ich seit acht Jahren im Parlament, im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. ({0}) Wir haben jetzt den dritten Anlauf zu einer gesetzlichen Regelung unternommen; zweimal sind wir abgeschmiert worden. Jetzt haben wir endlich eine Regelung, nach der Millionen Menschen bessergestellt werden. Vorher haben wir eine Anhörung durchgeführt, zu der die Verbände eingeladen wurden. Das wurde breit diskutiert - ich weiß, auch kritisch. Aber wir haben gehandelt. Sie dagegen haben nichts eingebracht, Sie haben die letzten 16 Jahre in diesem Politikbereich versagt. ({1}) Vielleicht sollten Sie auch das hören: Mich hat vor ein paar Wochen im Zuge Ihrer Kampagne ein Betriebsratskollege aus einem der größten Einzelhandelsverbände angerufen. Er hat sich bitter darüber beklagt, daß inzwischen 60 Prozent in diesem riesigen Bereich 630Mark-Jobber sind, mit steigender Tendenz. Besonders wütend war er auf die ständige Politikbeeinflussung der Wirtschaftsverbände. Da hat er eigentlich auch recht. Es ist nämlich höchste Zeit, daß eine andere Politik gemacht wird, die die Arbeitnehmerinteressen wieder stärker in den Mittelpunkt stellt. Das paßt Ihnen nicht. Ich verstehe vor allem die Sozialpolitiker in der CDU/CSU-Fraktion nicht. In der Opposition läßt sich nicht einmal ein Fünkchen Solidarität formulieren, um Arbeitnehmerpolitik wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist eben höchste Zeit, daß die Herren Henkel und Co. einsehen: Politik in diesem Lande ist nicht mehr länger die Durchsetzung wirtschaftlicher Zwänge mit Hilfe der Gesetzgebung, wie das Tucholsky einmal formuliert hat. Jetzt ist Schluß mit dem Gewohnheitsrecht der Unternehmerverbände aus den letzten 16 Jahren. Die rotgrüne Bundesregierung ist angetreten, wieder mehr Ordnung und mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen. Es ist eben nicht gerecht, wenn Firmen in großem Stil Billigjobber beschäftigen und sich so Wettbewerbsvorteile verschaffen. Es ist ungerecht, wenn die Gesamtheit der Beitragszahler - auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite - infolge des Mißbrauchs der geringfügigen Beschäftigung höhere Belastungen hat; das nämlich ist das Ergebnis. Es ist ungerecht, wenn jemand mit einem Nebenjob auf 630-MarkBasis bessergestellt ist als jemand, der Überstunden macht. Das wissen Sie genauso gut wie ich. ({2}) Wir müssen jetzt die sozialen Schutzrechte für Arbeitnehmer verstärken. Vor allem die Tarifgestaltung muß gerecht sein. Deswegen wollen wir die 630-MarkTrittbrettfahrer nicht haben. Es fängt schon damit an, daß sich die Union scheinheilig verhält. Sie haben ein hundsmiserables Kurzzeitgedächtnis. Noch im Dezember 1997 haben Sie im Vermittlungsausschuß einer Regelung auf 200-Mark-Basis zugestimmt. Von daher ist es unverständlich, daß Sie eine solche Kampagne starten, die die Leute draußen nur verunsichert. Sie wissen genauso gut wie wir, daß immer weniger Menschen die Beiträge zahlen. Deswegen müssen wir die solidarischen Sicherungssysteme stärken. Wenn wir die Rentenversicherung stärken wollen - das wissen insbesondere die Sozialpolitiker in der CDU -, dann müssen wir eine breite Finanzierungsbasis haben. Offensichtlich haben Sie diesen Weg aber verlassen. Sie sollten in Ihrer Fraktion für ein stärkeres solidarisches Denken eintreten, anstatt hier Nebelkerzen zu werfen. ({3}) Vor allem sollten Sie Ihre Politik umkehren, anstatt die Millionen Menschen, die jetzt durch die Gesetze zur 630-Mark-Regelung und zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit bessergestellt werden, zu verunsichern. ({4}) Daß die F.D.P. von Solidarität nichts versteht, wissen wir seit eh und je. Von daher wundert uns deren Aussage nicht. ({5}) Vielleicht haben Sie in den letzten Wochen gemerkt, daß die Gesetze zu wirken beginnen. ({6}) Sie sollten wirklich mehr mit den betroffenen Menschen reden und nicht nur auf die Lobbyverbände hören. ({7}) Jeder der Verbände, zum Beispiel die Zeitungsverleger, haben in dieser Frage ureigene Interessen. Es gibt auch eine ganze Reihe Journalisten, die in dieser Kampagne eingespannt werden. Das sollten Sie als Politiker durchschauen; das erwarten wir eigentlich von Ihnen. Von daher: Weniger Hektik! Wir haben keinen Nachbesserungsbedarf. ({8}) - Wir haben im 630-Mark-Gesetz eine Rücknahmeklausel drin. Diese Überprüfungsklausel werden wir auch ernst nehmen. ({9}) - Wir sind lernfähig, im Gegensatz zu Ihnen. Das sollten Sie begreifen. - Wir werden also ohne Hektik prüfen, was hier eintritt. ({10}) Es gibt erste Anzeichen, gerade aus dem Einzelhandelsverband, dafür, daß Umwandlungen erfolgen. Das wird sorgfältig, auch wissenschaftlich, begleitet, wie Sie wissen, und wir werden daraus Konsequenzen dann ziehen, wenn das nötig ist, und nicht vorher und auch nicht drei oder vier Wochen oder drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Ich glaube, es gibt gegenwärtig keine sachlichen Argumente und überhaupt keine empirischen Befunde. Es gibt nur Aufgeregtheiten bei Lobbyverbänden und bei denjenigen, die bisher in der Tat am Rande der Legalität mit diesen Jobs gearbeitet haben. Vielen Dank. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Hartmut Schauerte, CDU/CSUFraktion.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat die SPD einmal ein Stück weit ausgezeichnet, daß sie im Gespräch mit den Menschen war. Aber wenn ich mir die Debatte hier anschaue und mir vergegenwärtige, daß hier gesagt worden ist, daß das Gesetz gut ist und daß es nur Lobbyisten und mißbrauchte Journalisten gibt, die Schlechtes darüber reden, dann muß ich sagen: Dieser Bezug zu den Menschen, diese Nähe ist Ihnen in der kurzen Zeit Ihrer Regierung mit unglaublicher Geschwindigkeit abhanden gekommen. ({0}) Über was reden wir denn? Das haben doch nicht wir erfunden, was hier passiert; vielmehr erleben wir das jeden Tag, jeder in seinem ganz persönlichen Umfeld. Niemand von uns kann sich doch der Anfragen erwehren, die sich ganz konkret aus dieser Problematik heraus ergeben. ({1}) - Natürlich ist das so. ({2}) Ich will Ihnen einmal folgende Geschichte erzählen, weil das, wovon sie handelt, in dieser ganzen Debatte zu kurz gekommen ist: Ein Sportverein, Rot-Weiß Lüdenscheid, ein kleiner Provinzverein mit 1 700 Mitgliedern, der 450 Kinder schult, hatte bisher Kosten in Höhe von 40 000 DM für seine Beschäftigten in diesem Bereich des Ehrenamtes. ({3}) Auf Grund dieser Regelung hat er nun Kosten von 75 000 DM; es sind 35 000 DM, fast das Doppelte, mehr. Das aufzubringen geht nur über Beitragserhöhungen oder über Kündigungen. Er kann natürlich nicht dadurch Jugendarbeit leisten, daß er Stellen für hauptberuflich Tätige einrichtet. Vielmehr wird das wegfallen. Fehlanzeige! Ziel verfehlt! Eine schlimme Entwicklung. ({4}) Ich könnte Ihnen viele andere Bereiche nennen. Ich will einen kleinen Handwerker herausgreifen. Es ist ein Konditormeister, der neun Beschäftigte hat und über drei kleine Filialen verfügt. In jeder Filiale sind zwei hauptberuflich Tätige und einer, der im Rahmen eines 630-Mark-Jobs hilft, beschäftigt. ({5}) Nun haben die 630-Mark-Beschäftigten gekündigt. Er konnte aber nur aus dieser Kombination der Beschäftigung überleben. Das bekommt er nun nicht mehr hin. Das Ergebnis wird möglicherweise sein: Er schließt sein Geschäft, weil er die Freude daran verloren hat. ({6}) Wie soll er das neu organisieren? Er hat keine Lust mehr, das weiter zu betreiben. Sie vernichten Arbeitsplätze; Sie vergrößern Schwarzarbeit in Deutschland. Sie lösen kein Problem, Sie schaffen viele neue Probleme mit dieser unverantwortlichen Regelung. ({7}) Ich will auch noch auf einige andere Dinge, die in der Debatte angeklungen sind, zu sprechen kommen. Es soll jetzt zur Chefsache werden, liest man in der Zeitung. Es war - Karl-Josef Laumann hat darauf hingewiesen - von Anfang an nichts anderes als Chefsache. Hier hat Schröder erklärt, was er allein für richtig und notwendig hält. Ich sehe noch Ihre betroffenen Gesichter. Sie waren ja förmlich erschrocken, als er das vom Stapel ließ, was ihm eingefallen war. Wie soll denn das, was der Chef von Anfang an angerichtet hat, nun verbessert werden, wenn der Chef am Ende wieder hinzukommt? Ich habe die Hoffnung nicht, daß aus diesem Unsinn überhaupt etwas Vernünftiges werden kann. Deswegen bleibt die Forderung: Nehmen Sie es zurück! ({8}) Clement und Glogowski haben zugestimmt, ja natürlich. Aber das zeichnet die beiden aus: Sie haben zwar den Fehler mit beschlossen, aber sie sind bereit, zu erkennen, daß das wohl ein Fehler war. Ihre Borniertheit ist so groß, daß Sie heute nicht bereit sind, das zu akzeptieren. Bei allem Respekt, Frau Staatssekretärin: Wir haben es mit einem Gesetz zu tun, das 10 bis 12 Millionen Menschen unmittelbar erfaßt und das keine Übergangsregelung hat. Ich kenne kein Gesetz, das eine solche Wucht in seiner Auswirkung auf das Hier und Jetzt von heute auf morgen hat. ({9}) Von der Regierung ist hier niemand da, nur eine einsame Staatssekretärin. In den Gesichtern der wenigen Klugen, die hier sind, sieht man Betroffenheit und Scham, und von den Bornierten hat hier sogar einer gesagt: Dieses Gesetz ist gut. - Ich kann es nicht verstehen. Ich habe den Eindruck, die Regierung möchte mit diesem unglaublichen Vorgang gar nicht mehr in Berührung kommen und hält sich diesem Hause deswegen fern. Nur, einer muß ja nun leider hierbleiben. Sonst wäre auch Frau Mascher nicht mehr hier; denn mit diesem Gesetz wird sich niemand wirklich identifizieren können, der noch einigermaßen Vernunft im Kopf hat. ({10}) Die Klugen schämen sich, und die Ideologen wollen weiter mit dem Kopf durch die Wand. Was haben Sie denn bei der sogenannten Scheinselbständigkeit angerichtet? Das ist so ein überkommenes, altes Denken. Ich kann es nicht begreifen, daß man wirklich glaubt, diese moderne Frage von veränderten Arbeitswelten mit diesem alten Kolonnendenken und die alten Lieder singend - „wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘“ - zu beantworten. Sie haben von den modernen Lebenswirklichkeiten nichts, aber auch leider gar nichts begriffen. ({11}) Was machen Sie denn? - Sie machen aus einem Auftraggeber zwangsweise einen Auftragnehmer. Das will der nicht, er wird eine Konsequenz ziehen. Er wird sich nämlich einen Auftragnehmer suchen, bei dem er nicht gezwungen wird, Arbeitgeber zu sein.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Denken Sie an die Zeit, Herr Kollege.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie machen aus einem Auftragnehmer zwangsweise einen Arbeitnehmer, was der vielleicht auch nicht will. Aber selbst wenn er es will, wird er nicht wieder Auftragnehmer; denn der Auftraggeber wird sich weigern, erneut Arbeitgeberfunktionen zu übernehmen. Das heißt, Sie bieten den betroffenen Menschen, die sich aus der Not heraus selbständig gemacht haben, Steine statt Brot, und denen, die nach vorne wollen und sich selbständig machen wollen, werfen Sie Knüppel zwischen die Beine. Das ist ein völlig untauglicher Vorgang, der schweren Schaden stiftet. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich möchte aber noch ganz schnell einen Gedanken ausführen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das dürfen Sie nicht.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gut, dann lasse ich es sein. Ich will nur noch einmal in aller Eindringlichkeit sagen: Es gibt Felder, wo gehandelt werden muß. Es gibt auch Felder, wo man nicht gehandelt hat. Es kann jemandem auch zum Vorwurf gemacht werden, wenn er nicht gehandelt hat. Aber auf vielen Feldern ist Nichthandeln deutlich besser, als so unvernünftig zu handeln, wie Sie es getan haben. ({0}) Sie vergrößern den Schaden für unser Land und vernichten Arbeitsplätze. 3 Millionen neue Schwarzarbeiterinnen und Schwarzarbeiter werden das Ergebnis sein, wenn Sie an diesem Gesetz festhalten. Kehren Sie um, noch ist es Zeit! ({1}) Rufen Sie im Kanzleramt an und sagen Sie, sie mögen dort vernünftig sein! Erteilen Sie als Mehrheitsfraktion grünes Licht! Es ist dazu dringend an der Zeit. Herzlichen Dank. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat Peter Dreßen, SPDFraktion, das Wort.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schauerte, Sie haben gerade wieder die Geschichte mit dem Sportverein erwähnt. Ich möchte einmal festhalten, daß es nach wie vor die Übungsleiterpauschale von 2 400 DM gibt und daß sich daran nichts geändert hat. ({0}) Wenn jemand beim Verein 630 DM und mehr verdient, dann ist das wohl nicht mehr nur als Ehrenamt zu sehen. ({1}) Da muß man auch ein bißchen unterscheiden dürfen. Herr Kollege Laumann, Sie haben die Geschichte mit dem Postboten gebracht. Auch dazu will ich noch etwas sagen. Es ist natürlich eine sehr unfaire Sache zu sagen, wenn jemand 10 000 DM verdient, könne seine Frau zusätzlich 630 DM steuer- und sozialversicherungsfrei verdienen. Dasselbe Recht hat natürlich die Frau des Postboten ebenfalls. Auch sie darf 630 DM steuer- und sozialversicherungsfrei verdienen. ({2}) Man kann hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Das war ein sehr unfairer Vorwurf. Herr Kollege Laumann, wie wollen Sie jemandem, der 3 630 DM ganz ordentlich als Gehalt bekommt, erklären, daß jemand, der 3 000 DM Gehalt bekommt, nebenbei 630 DM steuer- und sozialversicherungsfrei - wenn man Ihrem Vorschlag folgen würde - verdienen kann? Wie wollen Sie diese Ungerechtigkeit draußen erklären? Genau da haben wir mit dem Gesetz angesetzt, einfach weil es da verschiedene Ungerechtigkeiten gab. Da haben zum Beispiel Leute 4 000 DM verdient und haben Überstunden gemacht. Dann gab es Firmen, die gemerkt haben: Aha, für die Überstunden müssen wir ja Steuern und Sozialversicherungsabgaben zahlen. Diese Firmen haben dann eine Zweitfirma gegründet, haben die Leute dort beschäftigt und haben die Überstunden über 630Mark-Jobs laufen lassen. Finden Sie so etwas denn in Ordnung? Finden Sie so etwas gerecht? Da muß man doch mit der Zeit einschreiten. So kann es doch wohl nicht weitergehen. ({3}) - So war es in der Praxis. Wir bringen Ihnen die Beispiele in Hülle und Fülle. Ich will Ihnen ein Zweites sagen: Natürlich haben wir das Problem, daß Verleger doppelt betroffen sind. Einerseits sind sie am Morgen mit dem Austragen der Zeitungen betroffen. Dazu muß ich Ihnen erklären: Es gibt schon heute viele Zeitungsverleger, die dieses Problem ganz legal gelöst haben. Die beschäftigen ihre Leute für 700 oder 800 DM, so wie wir es eigentlich wollen, in einem normalen Teilzeitarbeitsverhältnis. Es gibt natürlich auch einige, die 630-Mark-Jobs vergeben haben. Die müssen sich nun überlegen, wie sie dies auch im Interesse der Beschäftigten in Zukunft organisieren. Wenn sie nicht darum herumkommen, haben sie die Möglichkeit, weiterhin eine Pauschalsteuer zu zahlen, so daß es die Arbeitnehmer nicht trifft. Man sollte einmal bedenken, wer in diesem Land die Gesetze macht. Ich finde es schon herrlich, wenn niedergeschrieben wird, was einem im eigenen Bereich nicht paßt, wie es bei den Zeitungsverlegern der Fall ist. Ich finde es nicht in Ordnung, daß hier nur Kritik geübt wird, ohne auch nur mit einem Wort die Vorteile, die dieses Gesetz bietet, zu erwähnen. ({4}) Das ist nicht richtig in einer Demokratie. Hier im Parlament werden Mehrheiten gestellt. Man kann draußen schreiben, was man will; aber das muß man akzeptieren. Einige von Ihnen haben hier die Gebäudereiniger erwähnt. Ich will Ihnen nur ganz kurz eine Presseerklärung zur Kenntnis geben. Der Bundesarbeitsminister hat sich mit den Gebäudereinigern getroffen; denn diese haben schon vorher gesagt, daß eine Änderung notwendig ist, und waren jetzt diejenigen, die am meisten geschrien haben. Das Treffen fand am 16. April statt; anschließend wurde eine gemeinsame Presseerklärung herausgegeben. Dort heißt es: Bei einem Treffen von Vertretern des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks und des BMA, an dem unter anderem Bundesarbeitsminister Walter Riester, das Verbandsvorstandsmitglied Hans Berthold und der Hauptgeschäftsführer des Bundesinnungsverbandes, Johannes Bungart, teilnahmen, wurde in Bonn weitgehend Konsens über die Bewertung der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erzielt. So weit dazu. Ich könnte Ihnen noch anderes vorlesen. Es wird nur Positives dazu geäußert. ({5}) - Vom 16. April. Ich kann Ihnen selbstverständlich eine Kopie geben. - Ich will nur sagen: Hier wird mit doppelter Zunge gesprochen, und das ist nicht in Ordnung. Wer wie die jetzige Opposition zugelassen hat, daß die Zahl der Beitragszahler im Rahmen der Sozialversicherung von 1992 bis 1998 um über 2,5 Millionen zurückgegangen ist, dafür aber die Beitragssätze, ohne die Pflegeversicherung, um über 3,5 Prozent erhöht hat, der hat nicht das Recht, dieses Gesetz zu kritisieren. ({6}) Hiermit wird zumindest der ernsthafte Versuch unternommen, die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wiederherzustellen. ({7})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, daß sozialpolitische Debatten sehr temperamentvoll geführt werden. Vielleicht könnten Sie aber ein wenig darüber nachdenken, ob „Quatsch“, „Quatsch hoch zehn“ und „polemischer Eiertanz“ parlamentarische Ausdrücke sind. Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 22. April, 9.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.