Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Interfraktionell ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 1, Befragung der Bundesregierung, von der
heutigen Tagesordnung abzusetzen. - Dagegen erhebt
sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/576 Ich gebe bekannt, daß die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung - beide Fragen vom Kollegen Binding - schriftlich beantwortet werden.
Deshalb rufe ich nun den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Dr. Frank-Walter
Steinmeier zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Johannes
Singhammer auf:
Schließt die Bundesregierung aus, daß nach der beschlossenen Verlegung der Auswertungsabteilung des Bundesnachrichtendienstes mit annähernd 1 000 Mitarbeitern weitere Mitarbeiter und Organisationseinheiten von München nach Berlin verlegt
werden?
Herr Abgeordneter, die bisherige
Planung der Bundesregierung für die Teilverlegung des
BND von Pullach nach Berlin wird sich auf die von Ihnen erwähnte Größenordnung beschränken. Ich darf hinzusetzen, daß der gewählte Standort in Berlin, die
Roosevelt-Kaserne, auch nicht dafür ausgelegt ist, über
diese Größenordnung hinauszugehen.
Kollege Singhammer, Ihre Nachfrage.
Herr Staatssekretär, erhalten die vom Umzug betroffenen Mitarbeiter des BND beim Umzug nach Berlin einen Ausgleich, wie ihn Mitarbeiter der Bundesregierung beim
Umzug von Bonn nach Berlin erhalten?
Genau diese Frage habe ich dieser
Tage zur Beantwortung in Auftrag gegeben. Wir wollen
sehen, daß wir dieselben Rechtsgrundlagen zur Anwendung bringen. Die rechtliche Prüfung ist aber noch nicht
abgeschlossen.
Eine zweite Nachfrage. Bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, wann ist denn zu erwarten, daß mit dem konkreten Umzug dieser ersten Abteilung - der Auswertungsabteilung - begonnen wird, und wann wird dieser
Umzug abgeschlossen sein?
Die Beantwortung Ihrer Frage ist
Teil der Beantwortung der nächsten Frage dieser Fragestunde. Ich will aber gerne auch Ihnen direkt antworten.
Wir haben nach den bisherigen Planungen vorgesehen,
daß im laufenden Jahr 1999 ab 1. September zirka 50 bis
60 Mitarbeiter von Pullach nach Berlin ziehen werden.
Im Verlaufe des Jahres 2000 werden es weitere 50 bis
60 Mitarbeiter sein. Die Auswertungsabteilung - das
war, glaube ich, der Kern Ihrer Frage - wird im Laufe
des Jahres 2001 von Pullach nach Berlin ziehen.
Die Frage 4 des Abgeordneten Hans-Joachim Otto wird schriftlich beantwortet.
Deshalb rufe ich jetzt bereits die Frage 5 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, durch eine verbindliche Aussage über den Verbleib des Bundesnachrichtendienstes in Pullach, Landkreis München, die gegenwärtig herrschende Unsicherheit bei den Beschäftigten zu beseitigen, zumal die laufenden Verbesserungen der Kommunikationstechnik für einen Verbleib am gegenwärtigen Standort sprechen?
Herr Abgeordneter Mayer, Ihre Frage habe ich zum Teil gerade beantwortet. Ihre Frage
betonte besonders den Aspekt, ob durch die bisher bekanntgewordenen Umzugsplanungen eine Verunsicherung der Mitarbeiter vorhanden sei. Ich will Ihnen ausdrücklich sagen, daß das nicht der Fall ist. Der Präsident
des Bundesnachrichtendienstes hat seine Mitarbeiter am
9. März von der Ihnen eben mitgeteilten Umzugsplanung unterrichtet. Die Bundesregierung hat die Öffentlichkeit am 11. März 1999 durch Pressemitteilung unterrichtet. Aus unserer Sicht sind das klare und verbindliche Aussagen über den Zeitplan und die Größenordnung
des beabsichtigten Umzugs.
Eine Nachfrage.
Bitte, Kollege Mayer.
Herr
Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß mit diesem
Umzug hohe Kosten für Investitionen in Berlin verbunden sind, die in Pullach bereits getätigt sind?
Der Teilumzug des BND von Pullach nach Berlin in der Größenordnung von etwa 1 000
Mitarbeitern wird - wie auch in Einheiten, die von Bonn
nach Berlin ziehen werden - nicht ganz kostenfrei zu
haben sein. Das ist richtig. Die Ausgangsbasis für die
Verlegung der Auswertungsabteilung nach Berlin ist sogar besonders günstig, weil dort mit der RooseveltKaserne eine Liegenschaft vorhanden ist, die für Zwekke des Bundesnachrichtendienstes genutzt werden kann.
Wir sind dabei, die endgültigen Umbaukosten zu ermitteln. Jedenfalls wird sich das im Rahmen dessen halten,
was man verantworten kann.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte Herr Kollege.
Herr
Staatssekretär, gibt es nach der jetzigen Planung für die
etwa 4 000 Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes,
die in Pullach bleiben, auch die Sicherheit, daß sie dort
bleiben können? Ich gehe damit auf den zweiten Teil
meiner Frage ein, weil die Möglichkeiten der modernen
Informationstechnik weniger für eine Verlegung von
Behörden sprechen.
Zum ersten Teil Ihrer Nachfrage will
ich wiederholen, daß nach unserer bisherigen Konzeption - ich sehe nicht, daß diese verändert werden muß 1 000 Mitarbeiter nach Berlin verlegt werden, so daß die
restlichen 3 500 bis 4 000 Mitarbeiter des BND, die in
Pullach und in den Landkreisen um München herum arbeiten, dort bleiben werden.
Wenn Sie darauf hinweisen, daß durch die moderne
Kommunikationstechnologie die Verlegung der Auswertungsabteilung an den Standort Berlin, an den Sitz
der Bundesregierung, möglicherweise überflüssig geworden sei, dann will ich das in aller Deutlichkeit bestreiten. Der Bundeskanzler hat bei der Amtseinführung
des BND-Präsidenten im Dezember letzten Jahres in
Pullach deutlich darauf hingewiesen, daß er für sich persönlich die Notwendigkeit sieht, die beratende Tätigkeit
des BND am Sitz der Bundesregierung in Anspruch
nehmen zu können. Nicht jedes Gespräch kann über
vorhandene Kommunikationstechnologien geführt werden, weil die Experten der Auswertungsabteilung, wie
Sie wissen, in einem persönlichen Gespräch befragt
werden können und müssen. Das ist gerade in Zeiten
wie diesen leichter als sonst zu verstehen. Es handelt
sich hier um einen persönlichen Dialog, den man nicht
restlos über die Erfindungen der Kommunikationstechnologie führen kann.
Zu einer weiteren
Zusatzfrage Herr Kollege Rose, bitte.
Herr Staatssekretär,
gehen Sie davon aus, daß durch die Verlegung von
1 000 Mitarbeitern nach Berlin die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes plötzlich besser wird? Oder geht es
Ihnen mehr um die Beratung des Bundeskanzlers durch
wenige Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes in
Berlin?
Wenn ich zunächst den zweiten Teil
Ihrer Frage beantworten darf: Natürlich erhoffen wir uns
von der Verlegung, insbesondere der Auswertungsabteilung nach Berlin, eine direktere und damit noch bessere Beratung.
Auf den ersten Teil Ihrer Frage möchte ich antworten,
daß ich nach Gesprächen mit Personen, die früher Verantwortung in diesen Tätigkeitsbereich getragen haben,
den Eindruck hatte, daß die Entfernung zwischen Pullach und Bonn nicht immer als glücklich empfunden
wurde. Die bisherigen Erfahrungen mit der Entfernung
des Bundesnachrichtendienstes zum Regierungssitz von
600 Kilometern, so glaube ich, sind nicht so gut gewesen, daß man jetzt nicht mehr darüber nachdenken
müßte, ob der Prozeß der Kommunikation nicht optimierbar ist.
Eine Zusatzfrage,
Herr Singhammer.
Herr Staatssekretär, ich möchte in diesem Zusammenhang noch
eine weitere Frage stellen: Ist ein Ausgleich für den
erheblichen Verlust von 1 000 Arbeitsplätzen in der
Region München vorgesehen?
Ich habe eben in meinen Ausführungen deutlich gemacht, daß wir bei der Verlegung der
Auswertungsabteilung nach Berlin durchaus die berechtigten Interessen der Landeshauptstadt und des Landkreises München berücksichtigen und deshalb keine
komplette Verlegung des BND von München nach Berlin ins Auge fassen. Ich habe auch gesagt, daß etwa
3 500 Arbeitsplätze des BND in München und Umgebung verbleiben. Vor diesem Hintergrund haben wir
über Kompensationen nicht nachdenken müssen.
Ich rufe nunmehr den
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Ludger Volmer
zur Verfügung.
Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Dr. Stadler
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt die Frage 8 der Abgeordneten Heidi
Lippmann auf:
Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde nach Kenntnis der
Bundesregierung das Verfahren gegen die US-amerikanischen
Piloten, die im italienischen Cavalese eine Seilbahn zum Absturz brachten, der US-amerikanischen Militärgerichtsbarkeit
übertragen?
Frau Kollegin, die rechtliche Grundlage findet sich
in Art. VII Abs. 1 und 3 ({0}) ({1}) des NATO-Truppenstatuts und den zwischen den USA und Italien vereinbarten Zusatzabkommen. Danach haben die Militärbehörden des Entsendestaates - in diesem Fall die USA das Vorrecht auf Ausübung der Gerichtsbarkeit über ein
Mitglied einer Truppe in bezug auf strafbare Handlungen, die sich aus einer Handlung oder Unterlassung in
Ausübung des Dienstes ergeben.
Zu einer Nachfrage,
bitte, Frau Kollegin Lippmann.
Herr Staatsminister,
gibt es außer den von Ihnen genannten Abkommen weitere der Öffentlichkeit nicht bekannte Vereinbarungen
zwischen den USA und Deutschland, die die Rechtsstellung der Angehörigen des Entsendestaates regeln?
Insoweit es Abkommen gibt, sind diese nicht geheim, sondern wären der Öffentlichkeit zugänglich. Ich
kann diese jetzt nicht im einzelnen auflisten; ich kann
mich aber gern danach erkundigen, welche sonstigen
Abkommen es gibt. Diese können dann sicherlich zugänglich gemacht werden.
Eine zweite Nachfrage, bitte, Frau Kollegin.
Welche speziellen
Regelungen gibt es hinsichtlich der Tiefflugübungen der
in der Bundesrepublik stationierten alliierten Streitkräfte
über das NATO-Truppenstatut und das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut hinaus?
Frau Kollegin, die Tiefflüge gehören zu einem
Sachbereich, der fernab dessen liegt, was Sie als
Hauptfrage formuliert haben. Wenn Sie diese Frage gesondert stellen, ist die Bundesregierung gern bereit, sie
bei einer der nächsten Befragungen hier zu beantworten.
Damit rufe ich die
Frage 9 der Abgeordneten Heidi Lippmann auf:
Würden dieselben Grundlagen auch für einen vergleichbaren
Fall auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland gelten, und sieht die Bundesregierung gegebenenfalls gesetzgeberischen Handlungsbedarf, um in solchen Fällen die Zuständigkeit
der deutschen Gerichtsbarkeit zu erreichen?
Frau Kollegin, vergleichbare Regelungen gelten
auch im Verhältnis zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesregierung beabsichtigt
nicht, in diesem Zusammenhang neue Gesetzesinitiativen zu starten.
Damit rufe ich die
Frage 10 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke auf:
Welche Handhabe hätte die Bundesrepublik Deutschland,
falls bei einer militärischen Übung deutsche Zivilpersonen durch
Angehörige ausländischer Streitkräfte zu Schaden kämen bzw.
getötet würden, ein Verfahren vor einem deutschen Strafgericht
zu erreichen?
Herr Kollege, gemäß Art. VII Abs. 3 ({0}) ({1}) des
NATO-Truppenstatuts haben die Behörden eines Entsendestaates das Vorrecht auf Ausübung der Gerichtsbarkeit bei strafbaren Handlungen, die sich in Ausübung
des Dienstes ergeben. Die Justizbehörden eines Aufnahmestaates haben in diesen Fällen gemäß Art. VII
Abs. 3 ({2}) Satz 2 des NATO-Truppenstatuts die Möglichkeit, die Behörden des bevorrechtigten Entsendestaates um Verzicht auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit zu ersuchen, wenn der Aufnahmestaat diesem
Verzicht besondere Wichtigkeit beimißt. Die Entscheidung über den Verzicht treffen die Behörden des Entsendestaates.
Zu einer Nachfrage,
bitte, Herr Kollege Gehrcke.
Keine Nachfrage, ich
fand das ausreichend beantwortet.
Damit rufe ich die
Frage 11 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, vor dem Hintergrund des
Freispruches für US-amerikanische Piloten durch ein amerikanisches Militärgericht eine Neuverhandlung des NATO-Truppenstatuts bzw. des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut in
den Gremien der Atlantischen Allianz zu fordern?
Herr Kollege, die Bundesregierung plant vor dem
genannten Hintergrund keine Neuverhandlung des
NATO-Truppenstatuts bzw. des Zusatzabkommens zum
NATO-Truppenstatut.
Ihre Nachfrage, bitte,
Herr Kollege.
Ich interpretiere Sie also
richtig, daß alles so bleibt, wie es ist, und daß die Bundesregierung auch nach Cavalese keinen Handlungsbedarf sieht?
Ihre Frage geht ja von der Voraussetzung aus, daß
wir die Art und Weise, wie diese Dinge in den USA juristisch zum Abschluß gebracht worden sind, für kritikabel halten. Auch wenn wir bezogen auf das Truppenstatut keine Konsequenzen ziehen, heißt das nicht, daß
wir keine Kritik an den Vorgängen in den USA hätten.
Der Spruch der Jury ist für uns sehr befremdlich.
Frau Präsidentin, ich darf vielleicht einen Satz hinzufügen: Das Thema Cavalese war auch in der letzten Woche Gegenstand von Fragen. Es wurde nach den Entschädigungen und insbesondere nach der diesbezüglichen Initiative eines bestimmten Senators gefragt. Wir
haben Nachrichten von heute morgen, die aber noch
nicht vollständig verifiziert sind, daß die Initiative dieses
Senators zum Erfolg geführt hat und von daher die Entschädigungen, die auch deutsche Opfer betreffen - sie
sollen in Kürze gezahlt werden -, erheblich besser ausfallen werden, als dies noch letzte Woche der Fall zu
sein schien.
Ich rufe nun die
Frage 12 des Abgeordneten Fred Gebhardt auf:
Gibt es einen Informationsaustausch mit der italienischen
Regierung über den durch eine US-Militärmaschine verursachten Seilbahnabsturz?
Herr Kollege, die Bundesregierung steht in laufendem Kontakt mit der italienischen Regierung, so auch
zur Frage des Seilbahnunglücks von Cavalese. Bundesaußenminister Fischer hat sich in dieser Angelegenheit
bereits unmittelbar an Außenminister Dini gewandt.
Nun rufe ich die
Frage 13 des Abgeordneten Fred Gebhardt auf:
Gibt es Konsultationen mit der italienischen Regierung darüber, wie die Rechte der Stationierungsländer gegenüber ausländischen Streitkräften gestärkt werden können?
Herr Kollege, solche Konsultationen gibt es derzeit nicht.
Zu einer Nachfrage,
Herr Kollege Gebhardt, bitte.
Strebt die Bundesregierung
solche Konsultationen mit Italien und anderen europäischen NATO-Verbündeten an?
Wir befinden uns mit Italien in ständigen Konsultationen, in denen alle offenen oder überhaupt zu thematisierenden Fragen angesprochen werden. Die italienische Seite ist jedenfalls bisher nicht mit der Bitte auf
uns zugekommen, vor dem Hintergrund der Vorgänge in
Cavalese auf eine Änderung der internationalen Vertragslage zu drängen.
Eine zweite Nachfrage des Kollegen Gebhardt, bitte.
Vielleicht habe ich mich,
Herr Staatsminister, nicht deutlich genug ausgedrückt.
Meine Frage war, ob die Bundesregierung von sich aus
so etwas anstrebt. Meine Frage war nicht, ob sie wartet,
daß die Italiener auf uns zukommen; das ist etwas ganz
anderes. Glaubt die Bundesregierung, daß nicht nur mit
Italien, sondern auch mit anderen europäischen NATOStaaten ein solches Konsultationsverhältnis herzustellen
sei?
Herr Kollege, Konsultationsverhältnisse haben wir
auch mit allen anderen europäischen NATO-Staaten.
Was Ihre Frage nach dem Truppenstatut angeht, so habe
ich schon dem Kollegen Gehrcke geantwortet, daß wir
keine Verhandlungen über Änderungen planen.
Die Fragen 14 und 15
des Abgeordneten Koschyk werden schriftlich beantwortet.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf
Körper zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Norbert
Barthle auf:
Sind der Bundesregierung europäische Staaten bekannt, die
ihre Staatsangehörigkeit mit einer zeitlichen Befristung versehen, und wenn ja, welche?
Herr Kollege Barthle, nach
Kenntnis der Bundesregierung sieht das Staatsangehörigkeitsrecht mehrerer europäischer Staaten ab dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters nach Eintritt der
Volljährigkeit und bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - zumeist Geburt und Aufenthalt im Ausland - den
Verlust der Staatsangehörigkeit vor. Von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind dies Belgien, Dänemark, Finnland und Luxemburg. Ferner sind in den
Staatsangehörigkeitsgesetzen beispielsweise von Island,
Norwegen und der Schweiz entsprechende Bestimmungen enthalten.
Zu einer Nachfrage,
Herr Kollege Barthle, bitte.
Herr Staatssekretär,
ich hatte nach der zeitlichen Befristung der Staatsangehörigkeit gefragt. Deshalb meine Nachfrage: Künftig
sollen ja die in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit
erhalten. Ein Ablehnungsgrund für Eltern ist nicht vorgesehen. Es handelt sich also um eine Art Zwangseinbürgerung. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse
aus anderen europäischen Staaten vor, nach denen mit
dem Mittel der Zwangseinbürgerung eine bessere Integration erreicht wird?
Ich gehe davon aus, daß das,
was Parlament und Bundesregierung in bezug auf die
Reform des Staatsangehörigkeitsrechts planen, mit dem
Begriff der Zwangseinbürgerung nicht korrekt beschrieben ist.
({0})
Eine zweite Nachfrage? - Nein.
Dann rufe ich die Frage 17 des Abgeordneten Dr.
Paul Laufs auf:
Welcher sachliche Grund spricht bei der geplanten Änderung
des Staatsbürgerschaftsrechts für die Einführung einer Altersgrenze von 23 Jahren für die Entscheidung hinsichtlich der endgültigen Staatsbürgerschaft?
Sehr geehrter Herr Kollege
Laufs, in Deutschland geborene Kinder ausländischer
Eltern, die künftig mit der Geburt in Deutschland die
deutsche Staatsangehörigkeit erwerben und zugleich
kraft Abstammung eine ausländische erhalten, haben bei
Volljährigkeit zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu wählen. Diese Wahlmöglichkeit wird Option genannt.
Nicht die Altersgrenze an und für sich ist entscheidend, sondern der eingeräumte Zeitraum. Den Erklärungspflichtigen soll zwischen dem 18. und, wie Ihnen
bekannt ist, dem 23. Lebensjahr eine Zeitspanne eingeräumt werden, in der sie ihren Entschluß für die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit frei
treffen können. Bei Option für die deutsche Staatsangehörigkeit sind die Erklärungspflichtigen verpflichtet, die
Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit bis zur Vollendung des 23. Lebensjahrs nachzuweisen.
In der vorgesehenen Frist von fünf Jahren sind die bei
einzelnen ausländischen Staaten oft lange Verfahrensdauer unter Einschaltung von Botschaften und Konsulaten und die Beteiligung verschiedener staatlicher Stellen berücksichtigt. Ferner ist in diese Frist die Bearbeitung des Antrages auf Genehmigung der Beibehaltung
der deutschen Staatsangehörigkeit mit einbezogen. In
gesetzlich geregelten Härtefällen, in denen Bemühungen
um Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht zumutbar sind, wird über die Beibehaltungsgenehmigung vermieden, daß die Betroffenen die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.
Herr Kollege Laufs,
bitte, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
stimmt die Bundesregierung meiner Bewertung zu, daß
gerade in der Zeitspanne zwischen Erreichung der Volljährigkeit und dem 23. Lebensjahr Konfliktsituationen
entstehen können, wie durch Ableistung des Wehrdienstes oder durch die Geburt von Kindern, die die Option
stark belasten werden?
Es kann in Einzelfällen immer
Lebenssituationen geben, in denen Entscheidungen
schwierig sind. Aber dies gilt nicht unbedingt generell
für die Lebenssituationen in dem hier genannten Zeitraum. Wenn Sie gerade diese Zeitspanne kritisieren,
dann muß man die Gegenfrage stellen: Was würden Sie
an diese Stelle setzen wollen? Wir kennen Ihre Haltung
zu unseren Vorschlägen und wissen, daß sich Ihre Zustimmung in Grenzen hält.
Zweite Zusatzfrage,
bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär,
können die Konfliktsituationen in besonderen Lebensverhältnissen als Härtefälle eingeschätzt werden?
So allgemein, wie die Frage gestellt ist, kann ich nicht mit Ja oder mit Nein antworten.
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen Rose.
Herr Staatssekretär,
Sie haben unter anderem gesagt, daß die Grenze bei
23 Jahren liegen sollte, weil man im jeweiligen Entsendeland - so möchte ich das einmal pauschal nennen längere Erkundigungen einholen möchte. Das heißt doch
im Umkehrschluß: Wenn sich jemand erst kurz vor dem
23. Lebensjahr zur Antragstellung entscheidet, dann
kann es zu Verzögerungen kommen, so daß die betreffende Person bis zum 27. oder 28. Lebensjahr warten
muß.
Sie wissen, daß wir zu diesem
Gesetzesvorhaben am 13. April eine Anhörung haben
werden und daß wir voll in den Beratungen stecken. Ich
sage Ihnen schon voraus, daß Lösungen gefunden werden, die den von Ihnen geschilderten Fall unwahrscheinlich machen.
({0})
- Auch ich freue mich, daß ich Ihnen eine Freude bereiten konnte.
Es gibt zwei weitere
Zusatzfragen. Zunächst Herr Freiherr von Stetten, bitte.
Herr Staatssekretär, was geschieht mit der Staatsbürgerschaft derjenigen Person, die eine 18- bis 23jährige Person geheiratet hat, gegebenenfalls mehrfach geschieden
ist, wenn sie ihre deutsche Staatsbürgerschaft abgibt?
Fragen Sie bitte noch einmal.
({0})
Was geschieht mit der Staatsbürgerschaft des Ehemanns
oder der Ehefrau, den die deutsche Staatsbürgerin oder
die der deutsche Staatsbürger zwischen dem 18. und
23. Jahr geheiratet hat, wenn sie oder er mit dem 23. Lebensjahr die deutsche Staatsbürgerschaft ablegen muß
oder ablegt?
Diese Frage kann ich Ihnen im
Detail so nicht beantworten. Da müßte man sich genau
anschauen, wie sich die Faktenlage darstellt. In der Regel bezieht sich das Optionsmodell immer auf eine Person; das muß man wissen. Die Folgewirkungen sind
dann entsprechend zu bewerten.
({0})
Herr Kollege Fischer,
Ihre Nachfrage, bitte.
Herr
Staatssekretär, mich würde interessieren, wie Sie sicherstellen wollen, daß Bürger, die die doppelte Staatsbürgerschaft haben, im Alter zwischen 18 und 23 Jahren
nicht doppelt wählen.
Das ist eine Frage, die so nicht
zu stellen ist.
({0})
Das wird nicht sicherzustellen sein.
({1})
- Ich habe sie auch beantwortet.
({2})
Ich rufe die Frage 18
des Abgeordneten Dr. Klaus Rose auf:
Hält die Bundesregierung auch nach der mißglückten
„Selbstreinigung“ des Internationalen Olympischen Komitees
({0}) an der politischen Unterstützung dieses Weltorgans fest?
Sehr geehrter Herr Kollege
Rose, die Vorkommnisse im IOC, insbesondere um die
Vergabe Olympischer Spiele, haben in der Vergangenheit gezeigt, daß die Strukturen und Verfahren unbedingt reformbedürftig sind. Der Minister hat dies in der
Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht. Die jüngsten
Beschlüsse des IOC gehen in diese Richtung. Sie reichen allerdings bei weitem noch nicht aus.
Sie selbst bezeichnen in Ihrer Frage die - von Ihnen
so genannte - Selbstreinigung als mißglückt; so habe ich
es jedenfalls verstanden. Das IOC wird seinen Reformprozeß weiterführen müssen. Dabei wird eine Beteiligung Dritter sicherlich hilfreich sein.
Für eine abschließende Beurteilung ist es daher nach
unserer Auffassung noch zu früh. Es wird sich zeigen,
welche für die Zukunft der olympischen Bewegung
notwendigen und entscheidenden Reformen das IOC zu
seiner Erneuerung ergreifen wird. Es steht außer Frage,
daß es unser Ziel sein muß, die Olympischen Spiele als
das größte und bedeutendste Sportereignis für unsere
Sportler zu erhalten.
Eine Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Rose.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, könnte sich die Bundesregierung
den Überlegungen anschließen, die zum Beispiel im
amerikanischen Kongreß, speziell im Senat, angestellt
werden, dann, wenn nicht bald konkrete Maßnahmen
kommen, etwas im gesetzgeberischen Bereich einzuleiten, was zu einem Entzug der Steuerfreiheit führt?
Wir halten diese Überlegungen
für interessant und werden sie einer Prüfung unterziehen.
Es gibt eine zweite
Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Rose.
Da der Herr Parlamentarische Staatssekretär das nur für interessant hält,
frage ich nach: Hat denn der Bundesminister des Innern,
der auch Sportminister ist und in der Frage des Dopingproblems meiner Meinung nach zu Recht sehr aktiv in
die Öffentlichkeit gegangen ist, in dieser Frage keine eigenen Zukunftsstrategien, mit denen er massiv in die Öffentlichkeit gehen könnte, um einen Erfolg zu erreichen?
Ich habe die Frage nicht nur dahin gehend beantwortet, daß das interessant ist, sondern
ich habe in meiner Antwort auf Ihre Frage auch eine
Prüfung zugesagt. Ich meine, daß das schon relativ konkret ist.
Damit kommen wir
zur Frage 19 des Abgeordneten Dr. Klaus Rose:
Wird die Bundesregierung in Zukunft die Austragung von
Olympischen Spielen durch das IOC bejahen und deren - auch
indirekte - Unterstützung durch Sportfördermittel des Bundes
festsetzen?
Herr Kollege Rose,
Olympische Spiele sind traditionell die herausragende
Veranstaltung des Sports unter der autonomen Führung
des IOC.
({0})
- Es freut mich, daß ich Ihnen etwas Neues mitteilen
konnte. - Die Bundesregierung respektiert und wünscht
die Selbstverwaltung des Sports auf allen Ebenen. Sie
stellt große Summen zur Vorbereitung und Teilnahme
unserer Sportler auch an Olympischen Spielen zur Verfügung, die vom Steuerzahler aufgebracht werden. Dies
ist nur vermittelbar, wenn das IOC als Veranstalter
Olympischer Spiele die notwendige Glaubwürdigkeit
zurückgewinnt und volle Transparenz praktiziert. Der
Staat als Förderer des Sports hat Anspruch auf einen seriösen und integren Partner auf der Seite des Sports. Das
IOC hat das Problem erkannt und einen ersten Schritt
zur Erneuerung getan. Die Bundesregierung steht auf
seiten der Sportler, die ihre Leistungen auch weiterhin
bei Olympischen Spielen unter Beweis stellen wollen.
Bitte, Herr Kollege,
Ihre Nachfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, daß die Bundesregierung auf der
Seite der Sportler steht, freut mich sehr. Ich frage Sie:
Steht die Bundesregierung mehr auf der Seite des IOCPräsidenten oder mehr auf der Seite des NOKPräsidenten Tröger?
Ich würde die Probleme nicht so
sehr personifizieren wollen. Diese Bundesregierung
steht auf der Seite der Sportlerinnen und Sportler.
({0})
Eine zweite Nachfrage, bitte, Herr Kollege.
({0})
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, da die Bundesregierung auf der
Seite der Sportlerinnen und Sportler steht - Sie haben es
ja gerade mit Nachdruck betont -, möchte ich Sie fragen: Mit wie vielen olympischen Medaillen können wir
in Zukunft rechnen?
Sie wissen vielleicht, daß ich
von Hause aus Theologe bin. Aber die prophetische Gabe, daß ich diese Frage ganz konkret beantworten könnte, ist mir noch nicht in den Schoß gelegt worden.
Damit kommen wir
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.
Die Fragen 20 und 21 des Abgeordneten Burgbacher
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Frage 22 des Abgeordneten Johannes
Singhammer auf:
Mit welcher durchschnittlichen Mieterhöhung müssen Mieter
von bundeseigenen Wohnungen in Ballungsräumen, wie z.B.
München, aufgrund eines Erlasses der Bundesregierung rechnen,
nachdem die bisherige Weisung, die Miete für diese Wohnungen
bestimme sich ausschließlich nach der unteren Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete, aufgehoben wurde, und welche zusätzlichen Einnahmen für den Bundeshaushalt ergeben sich dadurch?
Herr
Kollege Singhammer, der Bund verfügt über knapp
90 000 Wohnungen im Bundesgebiet, von denen etwa
die Hälfte durch Angehörige des öffentlichen Dienstes
angemietet ist. Eine Anpassung der Mieten in regelmäßigen Zeitabständen unter Beachtung der Regelungen
des Miethöhegesetzes ist Aufgabe der örtlichen Bundesvermögensämter. Angesichts des heterogenen Bestandes
aus Alt- und Neubauten, der unterschiedlichen Lage und
Ausstattung sowie der örtlichen Gegebenheiten auf dem
jeweiligen Wohnungsmarkt ist eine pauschale Antwort
auf die Frage, mit welcher durchschnittlichen Mieterhöhung die Mieter bundeseigener Wohnungen rechnen
müssen, nicht möglich. Inwieweit Mieterhöhungsspielräume nach dem Gesetz zur Regelung der Miethöhe bereits ausgeschöpft sind, ist vielmehr nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu ermitteln.
Im übrigen ist der Spielraum für Mieterhöhungen an
vielen Orten des Bundesgebietes wegen des stagnierenden oder gar rückläufigen Mietniveaus nur gering.
Gleichwohl geht der Bund bei seiner Schätzung von
einem jährlichen Unterschiedsbetrag von knapp 20 Millionen DM aus. Eine auf Ballungsräume begrenzte
Schätzung von Mehreinnahmen erscheint nach alledem
aber nicht sinnvoll und liegt deshalb auch nicht vor.
Herr Kollege Singhammer, bitte Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie haben auf die Heterogenität des Wohnungsbestandes und des Mietniveaus hingewiesen. Wird
die Bundesregierung darauf achten, daß in Bereichen
mit sehr hohen Mieten, wie zum Beispiel in der Landeshauptstadt München mit dem höchsten Mietniveau, eine
Regelung gefunden wird, die verhindert, daß Mieter dieser Wohnungen in eine schwierige und für sie nicht
mehr tragbare Situation kommen? Sind also maßgeschneiderte Mieterhöhungen vorgesehen?
Die
Bundesregierung sieht in der Tat maßgeschneiderte
Mieterhöhungen vor, die dem örtlichen Markt und der
Qualität der jeweiligen Wohnungen entsprechen. Es
wird in jedem Fall zu überschaubaren Erhöhungen für
die Mieter kommen.
Im übrigen muß man darauf hinweisen, daß die Mieter bundeseigener Wohnungen im Verhältnis zu Mietern
in anderen Wohnungen durch die Bundesregierung nicht
in unzulässiger Weise begünstigt werden dürfen.
Herr Kollege Singhammer, Ihre zweite Frage, bitte.
Frau Staatssekretärin, wird die Bundesregierung auch auf die persönliche Situation der von einer Mieterhöhung Betroffenen achten? Ich denke beispielsweise an die in diesen
Tagen nicht völlig ungewöhnliche Situation, daß Angehörige der Bundeswehr ihren gefahrvollen Einsatz auf
dem Balkan ausüben, aber zur gleichen Zeit Ehefrauen
mit Mieterhöhungsbescheiden des Bundes konfrontiert
werden. Wird die Bundesregierung diese besondere persönliche Situation beachten?
Die
Bundesregierung wird nicht auf die Situation eines jeden
einzelnen Rücksicht nehmen können. Die Bundesvermögensämter sind für den Kontakt mit den Mietern zuständig.
Herr Kollege Rose,
bitte Ihre Nachfrage.
Steckt hinter dieser
eben von Ihnen erwähnten möglichen Mieterhöhung die
Absicht der Bundesregierung, Eisenbahnerwohnungen
zu verkaufen?
Nein,
Herr Kollege, zwischen diesen beiden Themen gibt es
keinen inneren Sachzusammenhang.
Herr Kollege Dreßen, bitte Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ich
möchte fragen, ob die Mieterhöhungen nicht in der gleichen Art und Weise wie in den früheren Jahren - Herr
Kollege Singhammer hat diesen Punkt schon angesprochen - durchgeführt werden.
Selbstverständlich muß die Bundesregierung hinsichtlich ihres
Wohnungsbestandes auf die Marktentwicklung Rücksicht nehmen. Auch die frühere Bundesregierung hat
dies getan.
Damit rufe ich die
Frage 23 des Abgeordneten Norbert Barthle auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund von
Äußerungen der Vorsitzenden des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, Christine Scheel, im Rahmen der künftigen
Unternehmensteuerreform eine Absenkung der Körperschaftsteuer auf 23 %, und wie stellt sich die Bundesregierung
ggf. die Finanzierung dieser Entlastung vor?
Herr
Kollege Barthle, auf Grund der Koalitionsvereinbarung
der Regierungsparteien ist eine unabhängige Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung einberufen
worden. Sie soll ein Konzept zur Einführung einer einheitlichen rechtsformneutralen Unternehmensteuer prüfen und erarbeiten. Der Steuersatz für unternehmerische
Gewinne soll nicht höher als 35 Prozent sein.
Die Kommission wird ihre Beratungen bis zum
30. April dieses Jahres abschließen. Die Bundesregierung wird nach politischer Beratung der Vorschläge der
Kommission einen Gesetzentwurf erarbeiten. Im Rahmen dieses Verfahrens wird auch zu entscheiden sein,
inwieweit der Körperschaftsteuersatz gesenkt werden
kann.
Eine Nachfrage? Bitte, Herr Kollege Barthle.
Frau Staatssekretärin,
sehr viele Unternehmen befinden sich derzeit in der
Situation, daß sie geplante Investitionen auf Grund der
bestehenden Unsicherheit hinsichtlich der weiteren BeParl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
steuerung zurückstellen. Insbesondere ist völlig unklar,
wie hoch die Steuerbelastung für die Unternehmen ist.
Ist die Gewerbesteuer in dem von Ihnen genannten
Steuersatz enthalten? Kann die Bundesregierung zu dieser Frage Auskunft geben?
Ich habe Ihnen vorhin das weitere Verfahren genannt. Ich kann
aber keine näheren Auskünfte geben. Die Bundesregierung wird rechtzeitig vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen.
Bitte, Herr Kollege
Michelbach, Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, wir konnten heute der Presse entnehmen, daß Ihr
Minister Müller einen Steuersatz von 35 Prozent inklusive Gewerbesteuer vorschlägt. Dieser Steuersatz würde
einen Körperschaftsteuersatz von 22 Prozent bedeuten.
Wie hoch wäre bei einem Steuersatz von 35 Prozent
- inklusive Gewerbesteuer, vielleicht auch Solidaritätszuschlag - das Volumen, das gegenfinanziert werden
müßte?
Auf
konjunktivische Fragen kann ich für die Bundesregierung keine Auskunft geben.
({0})
Herr Kollege Strobl,
Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretärin,
es wurde angekündigt, die Unternehmensteuerreform
vor der Sommerpause durchzuführen. Können Sie uns
den konkreten Zeitplan nennen?
Herr
Kollege, ich hatte vorhin dem Kollegen Barthle geantwortet, daß die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung ihren Vorschlag am 30. April vorlegen
wird. Die Bundesregierung wird dann den Vorschlag
bewerten und einen Gesetzentwurf vor der Sommerpause vorlegen. Die Beratung des Gesetzentwurfs erfolgt in
der zweiten Hälfte dieses Jahres unmittelbar nach der
Sommerpause.
Eine Nachfrage des
Kollegen Seiffert.
Frau Staatssekretärin
Hendricks, der Wirtschaftsminister Müller ist Vertreter
der Bundesregierung und jetzt auch für die Finanzen zuständig. Er hat gestern in einem Spitzengespräch mit
Vertretern der Wirtschaftsverbände klar und deutlich
geäußert - das ist mehreren Pressemitteilungen zu entnehmen -, daß der Steuersatz von 35 Prozent die Gewerbesteuer beinhaltet. Können Sie dem widersprechen?
Das würde doch bedeuten, daß die Frage des Kollegen
Barthle nach dem Körperschaftsteuersatz von 23 Prozent, um die es geht, realistisch wäre. Dann kann man
doch auch nicht von einer hypothetischen Frage sprechen, wenn der Kollege Michelbach wissen möchte, wie
Sie das finanzieren wollen.
Herr
Kollege Seiffert, auch dies wird der Prüfung der Bundesregierung vorbehalten sein, nachdem die Unternehmensteuerreformkommission ihren Vorschlag vorgelegt
hat. Natürlich werden dann auch alternative Rechnungen
erstellt werden müssen; das ist selbstverständlich. Ich
darf aber darauf hinweisen, daß ein einheitlicher Unternehmensteuersatz inklusive der Gewerbesteuer von
35 Prozent schon deshalb nicht möglich ist, weil die
Kommunen ihr Hebesatzrecht bei der Gewerbesteuer
behalten. Es kann aber schlechterdings nicht möglich
sein, daß etwa die Körperschaftsteuer in Frankfurt niedriger ist als in Leer in Ostfriesland. Genau 35 Prozent für
Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer kann es also
nicht für alle gleichermaßen geben. Wir können aber
nicht die Körperschaftsteuer entsprechend des Hebesatzes der Gemeinden differenzieren.
Herr Kollege Niebel,
auch Sie haben eine Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, habe ich
Sie eben richtig verstanden, daß Sie dem Hohen Hause
gesagt haben, daß die Aussage des Wirtschafts- und zur
Zeit auch Finanzministers Müller nicht so ernst zu nehmen ist, wie er sie getroffen hat?
({0})
Herr
Kollege, es ist selbstverständlich jedem Mitglied der
Bundesregierung vorbehalten, das öffentlich zu äußern,
was es im Gesetzgebungsverfahren für wünschenswert
hält. Wirtschafts- und Finanzminister Müller wird diese
Vorschläge natürlich mit seiner Kompetenz in das Gesetzgebungsverfahren einbringen. Aber er hat jetzt nicht
für die ganze Bundesregierung sprechen können, weil
noch kein Entscheidungsprozeß der Bundesregierung
herbeigeführt worden ist.
({0})
Bitte, Herr Kollege,
Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, wenn ich mich recht an die Fernsehbilder von
gestern erinnere, ging es darum, den Spitzenverbänden
der Wirtschaft vertrauensbildende Maßnahmen vorzuschlagen. Halten Sie es für den richtigen Umgang, dann
jemanden hinzuschicken, der sagt, was er persönlich für
richtig hält, aber keine Rückendeckung bei der Regierung dafür hat?
({0})
Herr
Kollege, Ihre Schlußfolgerung ist falsch. Da die Regierung noch keinen abschließenden Meinungsprozeß vollzogen hat, ist Ihre Schlußfolgerung falsch, er habe keine
Rückendeckung bei der Regierung. Dies ist eine
Fehlinterpretation. Sie interpretieren dies jedenfalls zu
früh, weil die Entscheidung noch nicht gefallen ist.
({0})
Herr Rauen.
Frau Staatssekretärin, es
heißt heute in der „Bild“-Zeitung wörtlich:
Die Bundesregierung wird bis zum Sommer eine
Unternehmenssteuer-Reform mit einem Höchstsatz
von 35 Prozent vorlegen! Das kündigte Wirtschaftsminister Werner Müller ({0}) nach
einem Spitzengespräch mit Vertretern der Wirtschaftsverbände an. Im Spitzensteuersatz werde
„auch die Gewerbe-Ertragssteuer enthalten“ sein,
sagte Müller.
({1})
Das scheint mir eine sehr klare Aussage, auch hinsichtlich der unterschiedlichen Hebesätze in Deutschland. Denn man kann sich vorstellen, daß man die Gewerbeertragsteuer auch bei unterschiedlichem Hebesatz
bezüglich der Körperschaftsteuerschuld oder der Einkommensteuerschuld als eine Abzugssteuer verrechnet.
Das heißt, mir scheint das, was Minister Müller sagt,
logisch. Hat er dies in Abstimmung mit der Regierung
angekündigt, oder ist das nur die private Meinung von
Herrn Müller?
Ein
Minister hat selbstverständlich keine private Meinung,
wenn er sich als Minister äußert, sondern er hat seine
Meinung als Wirtschaftsminister geäußert.
({0})
- Und zur Zeit als Finanzminister in Vertretung. Selbstverständlich ist das völlig unbestritten. Ich habe
nur darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung noch
keinen abschließenden Meinungsbildungsprozeß herbeigeführt hat.
({1})
Herr Kollege Dautzenberg zu einer Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, habe ich Sie jetzt recht verstanden, daß die Aussage
des amtierenden Finanzministers und Wirtschaftsministers nicht zutreffend ist und daß sich die Regierung
nicht auf die Eckpunkte festgelegt hat, die eben schon
von den Kollegen genannt worden sind?
Herr
Kollege Dautzenberg, ich habe Ihnen das Verfahren
doch gleich am Anfang erläutert. Die Unternehmensteuerreformkommission wird zum 30. April ihr Gutachten vorlegen. Dann wird sich die Bundesregierung
eine Meinung bilden.
Zu einer weiteren
Nachfrage Herr Kollege Fischer, bitte.
Frau
Staatssekretärin, Sie haben auf die Frage des Kollegen
Barthle geantwortet, daß Sie ein Konzept vorlegen wollen. Können Sie mir bestätigen, daß die aktuelle Diskussion um die Mehrwertsteuererhöhung in direktem Zusammenhang zu der geplanten Steuerreform steht?
Nein,
Herr Kollege, das kann ich Ihnen nicht bestätigen.
({0})
Eine weitere Nachfrage der Kollegin Elke Wülfing.
Frau Staatssekretärin, ich
habe doch noch eine Frage, da Sie immer zum Verfahren antworten. Hat sich die Bundesregierung auf
35 Prozent plus oder einschließlich Gewerbesteuer festgelegt?
({0})
Frau
Kollegin Wülfing, die Alternative, die Sie in Ihrer Frage
formuliert haben, ist nicht richtig; denn es gibt natürlich
noch Möglichkeiten dazwischen. Aber auch darauf hat
sich die Bundesregierung noch nicht festgelegt.
({0})
Die Regierung behält sich ihre Entscheidung so lange
vor, bis die Vorschläge der Unternehmensteuerreformkommission bewertet sind. Wir haben die Kommission
schließlich eingesetzt, weil wir auf den Sachverstand aus
Wirtschaft, Wissenschaft und den Ländern Wert legen.
Es wäre den hochkarätigen Fachleuten dieser Unternehmensteuerreformkommission gegenüber jetzt geradezu unhöflich, wenn die Bundesregierung nicht auf deren
Gutachten wartete.
({1})
Herr Kollege Koppelin, Ihre Nachfrage bitte.
({0})
Frau Staatssekretärin,
bin ich richtig informiert, daß Sie zur Zeit die Parlamentarische Staatssekretärin des amtierenden Finanzministers Müller sind? Darf ich Sie aus diesem Grunde
fragen, ob Sie als Parlamentarische Staatssekretärin die
Aussagen, die Herr Bundesminister Müller getroffen
hat, teilen?
Herr
Kollege Koppelin, da Sie mich danach gefragt haben:
Ich bin zur Zeit sogar Parlamentarische Staatssekretärin
beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
- das Amt ist personengebunden -; ich habe letzte
Woche eine neue Urkunde bekommen.
({0})
Ich bin aber zum Dienst in das Finanzministerium abgeordnet. - Dies darf ich Ihnen hinsichtlich meines augenblicklichen Status sagen.
Ich teile die Auffassungen des amtierenden Finanzministers und Wirtschaftsministers, daß dies wünschenswert sei.
({1})
Herr Kollege Hauser,
Ihre Nachfrage bitte.
({0})
Frau Staatssekretärin, im Rahmen der beabsichtigten
Unternehmensteuerreform ist immer die Rede davon,
daß man bei der jetzt verabschiedeten Steuerreform eine
ganze Reihe von Nachbesserungen vornehmen will. Beispielsweise hat sich der Kollege Mosdorf dazu geäußert.
Er fordert: Im Bereich der Besteuerung der Schachteldividende müssen Änderungen erfolgen. Deshalb muß
dieser Punkt im Rahmen der von uns geplanten Unternehmensteuerreform korrigiert werden.
Können Sie uns Auskunft darüber geben, welche
Punkte Sie im Rahmen der Unternehmensteuerreform
korrigieren wollen?
Herr
Kollege Hauser, ich habe Ihnen den Gang des Verfahrens erläutert. Insofern kann ich Ihnen darüber jetzt noch
keine Auskunft geben.
Ich bin allerdings zuversichtlich, daß wir gemeinsam
mit der Unternehmensteuerreformkommission sehr sinnvolle Vorschläge machen werden, in denen auch die Geschäftsbeziehungen der deutschen Unternehmen zum
Ausland Berücksichtigung finden.
Frau Kollegin Hasselfeldt, Ihre Frage bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie sprachen vorhin davon, daß die Bundesregierung
der Kommission den Auftrag gegeben habe, ein Konzept
zur Unternehmensteuerreform mit einem Höchststeuersatz von 35 Prozent zu erarbeiten. Nun sagten Sie auf
Nachfrage einiger Kollegen, daß die Bundesregierung
derzeit noch nicht entschieden hat, ob in diesen
35 Prozent die Gewerbesteuer bereits enthalten ist. Wie
lautete denn nun der Auftrag der Bundesregierung an die
Kommission: mit oder ohne Gewerbesteuer?
Die
Kommission hat lediglich den Auftrag bekommen: mit
einem Höchstsatz von 35 Prozent. Es war nicht spezifiziert, ob die Gewerbesteuer darin enthalten ist oder
nicht.
({0})
Herr Kollege von
Stetten, Ihre Frage bitte.
Frau Kollegin, ich bin jetzt etwas irritiert.
({0})
Sie sprechen für das Finanzministerium, sind aber Parlamentarische Staatssekretärin beim Wirtschaftsminister.
Wie viele Parlamentarische Staatssekretäre haben wir
denn jetzt beim Wirtschaftsminister?
Herr
Kollege, im Moment sind es drei; dafür gibt es aber
keine beim Finanzminister. Insofern gleicht sich die
Zahl der Staatssekretäre wieder aus.
({0})
Ich möchte anmerken, daß ich jetzt keine weiteren Nachfragen mehr zulasse.
Die Kollegin Heinen hat sich aber schon längere Zeit
gemeldet.
Frau Staatssekretärin,
Sie haben vorhin gesagt, daß Sie persönlich Herrn Wirtschaftsminister Müller zustimmen würden. Wie ist Ihre
persönliche Meinung hinsichtlich der Gewerbesteuer?
Soll sie enthalten sein oder nicht?
({0})
Frau
Kollegin, Sie können davon ausgehen, daß es das Ziel
der Bundesregierung ist, die Wirtschaft so weit wie
möglich zu entlasten.
({0})
Gleichwohl liegt es in der Verantwortung der Bundesregierung, sowohl einen verantwortbaren Haushalt für die
Bundesebene vorzulegen als auch den Ländern und Gemeinden im Rahmen der Mitverantwortung ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten für die Erfüllung ihrer
Aufgaben zu belassen.
Dies ist ein Abwägungsprozeß, den die Bundesregierung in jedem Steuergesetzgebungsverfahren vorzunehmen hat. Diese Abwägung wird im Anschluß an die
Vorlage des Gutachtens der Unternehmensteuerreformkommission vorgenommen werden.
Nun die wirklich
letzte Zusatzfrage zur Frage 23, Herr Kollege Meister.
Frau Staatssekretärin Dr. Hendricks, die Diskussion, die wir hier im
Zusammenhang mit der Unternehmensteuerreform führen, betrifft nicht unwesentlich auch die Kommunen.
Nach meiner Kenntnis waren die Signale, die die Bundesregierung bezüglich der kommunalen Ebene bisher
gegeben hat, so, daß es dort nicht zu Steuerausfällen im
Rahmen der Unternehmensteuerreform kommen soll.
Ich entnehme Ihrer Darstellung aber, daß hier noch sehr
viel unbestimmt ist und Klärungsbedarf besteht. Ist die
Aussage der Bundesregierung, daß der kommunalen
Ebene im Rahmen dieser Reform keine Ausfälle entstehen sollen, schon jetzt definitiv darstellbar?
Herr
Kollege Meister, der kommunalen Ebene ist zugesichert
worden, daß sich bis zum Jahre 2000 überhaupt nichts
an den Bedingungen für die Erhebung der Gewerbesteuer ändern wird, so daß die Fragestellung, die sich hier
ständig ergibt, lautet: Welcher Steuersatz bleibt dann
noch für die Körperschaftsteuer übrig? An dem Aufkommen der Körperschaftsteuer sind die Kommunen
nach unserer Finanzverfassung nicht - auch nicht anteilmäßig - beteiligt.
Ich rufe nunmehr die
Frage 24 des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme
auf:
In welchem Umfang plant die Bundesregierung, wie vom
Bundeskanzler und vom Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie nach dem Rücktritt des Bundesministers der Finanzen angekündigt, im Rahmen der Unternehmensteuerreform die
Unternehmen steuerlich zu entlasten, und mit welchen Einnahmeausfällen muß für die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden gerechnet werden?
Herr
Kollege Fromme, wir können jetzt mit dem Frage-undAntwort-Spiel so weitermachen. Sie alle haben noch
viele Möglichkeiten zu Nachfragen; denn es gibt hierzu
noch viele Fragen.
Auf Grund der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD
und Bündnis 90/Die Grünen ist eine unabhängige Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung einberufen worden.
({0})
Sie soll ein Konzept zur Einführung einer einheitlichen
rechtsformneutralen Unternehmensteuer prüfen und erarbeiten. Der Steuersatz für unternehmerische Gewinne
soll nicht höher als 35 von Hundert sein. Die Kommission wird ihre Beratung bis zum 30. April 1999 abschließen. Nach einer politischen Beratung der Ergebnisse der
Kommission wird ein Gesetzentwurf erarbeitet. Im
Rahmen dieses Entwurfs wird über Entlastungen von
Unternehmen und Finanzierungsmaßnahmen entschieden.
({1})
- Das habe ich Ihnen doch schon mehrfach vorgetragen.
Kollege Fromme,
Ihre Nachfrage, bitte
Frau Staatssekretärin, danach hatte ich nicht gefragt. Ich hatte vielmehr danach gefragt, ob im Rahmen der vorgesehenen
Reform eine Nettoentlastung angestrebt wird oder nicht.
Können Sie mir diese Frage beantworten?
Nein,
Herr Kollege. Ich habe Sie auf das Verfahren und den
Gang des Entscheidungsprozesses hinweisen dürfen.
Daraus ergibt sich, daß ich Ihre weitergehende Frage
noch nicht beantworten kann.
Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, wollen Sie damit behaupten, daß der Auftrag
an die Kommission so unklar gefaßt war? Liegt es im
freien Belieben der Kommission, ob eine Nettoentlastung vorgesehen ist oder nicht?
Nein,
Herr Kollege Fromme. Die Kommission wird sicherlich
alternative Modelle vorlegen, die dann politisch zu bewerten sein werden. Es ist nicht die Aufgabe der Kommission, selber einen politischen Entscheidungsvorschlag
herbeizuführen. Dies wird vielmehr Aufgabe der parlamentarischen Gremien und der Bundesregierung sein.
({0})
Kollege Michelbach,
bitte.
Frau Staatssekretärin, kann es sein, daß wir zwei Steuerkommissionen haben, und zwar eine BMF-Kommission und eine Kommission im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, die sich
scheinbar konträr verhalten? Hier findet anscheinend
keine Abstimmung statt. Es besteht eine Konfusion, da
Herr Müller unterschiedliche Dinge erklärt. Ist es nicht
eine Tatsache, daß die BMF-Kommission nach heutigen
Aussagen von Kommissionsmitgliedern 35 Prozent plus
Gewerbesteuer und einen Körperschaftsteuersatz von
28 Prozent vorsieht, was zu einem Finanzvolumen von
9 Milliarden DM führt, und der Vorschlag des Wirtschaftsministers Müller, der 35 Prozent inklusive der
Gewerbesteuer vorsieht, was zu einem Finanzvolumen
von 36 Milliarden DM führt? Nach meiner Auffassung
besteht zwischen 9 Milliarden und 36 Milliarden DM
ein feiner Unterschied. Können Sie mir sagen, wie Sie
diesen Unterschied erklären und die Finanzierungslücke
in Zukunft füllen wollen?
Ich
kann Ihnen, Herr Kollege Michelbach, insofern zustimmen, als zwischen 9 Milliarden und 36 Milliarden ein
feiner Unterschied ist. Im übrigen möchte ich sagen: Die
Kommission arbeitet vertraulich. Die in Ihrer Frage enthaltenen Behauptungen kann ich so nicht bestätigen.
({0})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, gestatten Sie mir eine grundsätzliche
Anmerkung. So erfreulich die Fragebereitschaft der einzelnen Kolleginnen und Kollegen auch ist: Ich bitte, ein
wenig Rücksicht darauf zu nehmen, daß für die heutige
Fragestunde eine Vielzahl von Fragen vorliegt. Vielleicht kann man sich innerhalb der Fraktionen auf eine
angemessene Zahl von Nachfragen einigen. Jetzt ist es
kein Problem; jetzt gibt es nur vier Nachfragen.
Der nächste Fragesteller ist der Kollege Hauser, bitte.
({0})
Frau Kollegin Hendricks, es gibt auffallende Widersprüche zwischen den Äußerungen der Bundesregierung und
denen von Mitgliedern der Koalition - insbesondere aus
Ihrer eigenen Partei - zum Thema Nettoentlastung bei
der Unternehmensteuerreform. Teilen Sie die Auffassung Ihres Kollegen Poß, daß eine Nettoentlastung bei
der Unternehmensteuerreform zum Staatsbankrott führen würde?
Herr
Kollege Hauser, der Kollege Poß hat dies nicht auf die
Unternehmensteuerreform bezogen, sondern auf das Inkraftsetzen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/
2002 und hat dazu ausgeführt, wenn wir es nicht in Kraft
setzen würden, würden wir den Staatsbankrott beschließen. Er hat das nicht auf die Unternehmensteuerreform
bezogen. Es ist in der Tat in manchen Zeitungen falsch
zitiert worden.
({0})
Insofern sind Sie nicht verantwortlich dafür, wenn Sie
falschen Zitaten bei eigentlich seriösen Zeitungen aufgesessen sind.
Frau Kollegin Wülfing, Ihre Frage, bitte.
Frau Parlamentarische
Staatssekretärin, als Parlamentarische Staatssekretärin
beim Finanzminister müssen Sie auf die Ausgewogenheit der Finanzen achten; als Parlamentarische Staatssekretärin beim Wirtschaftsminister müssen Sie darauf
achten, daß die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft
und für die Investitionen in Ordnung sind. Sind Sie als
Parlamentarische Staatssekretärin beim Wirtschaftsminister der Meinung, daß die Wirtschaft im Rahmen der
Unternehmensteuerreform entlastet werden muß oder
nicht?
Ich bin,
wie die ganze Bundesregierung, der Auffassung, daß
beide Teile dieser doppelten Aufgabe miteinander in
Einklang gebracht werden müssen.
({0})
Nächste Fragestellerin ist Frau Dr. Höll.
Frau Staatssekretärin, Sie
haben ausgeführt, daß bei der Einsetzung der Sachverständigenkommission zur Unternehmensteuerreform die
35 Prozent eine Vorgabe waren; in bezug auf die Aufkommensneutralität oder Nettoentlastung haben Sie das
jetzt offengehalten. Es wird jedenfalls verschiedene
Vorschläge geben. Ich möchte Sie fragen, ob es möglich
ist, daß die gesamte Opposition des Hauses die verschiedenen Überlegungen erhält. Denn ansonsten müssen wir es den Zeitungen entnehmen.
({0})
Frau
Kollegin Höll, sobald die Kommission zur Unternehmensteuerreform ihren Bericht dem designierten Finanzminister, Herrn Eichel, gegen Ende des Monats
April übergeben haben wird, wird sicherlich dem nichts
entgegenstehen, auch dem gesamten Haus diese alternativen Vorschläge zur Kenntnis zu geben. Ich rechne dabei mit dem Beginn des Monats Mai.
Frau Kollegin Höll,
Ihnen steht leider nur eine Frage zu.
Ich rufe jetzt die Frage 25 des Abgeordneten Peter
Rauen auf:
Ist in dem geplanten Steuersatz von 35 % bei der Unternehmensbesteuerung die Gewerbesteuer eingeschlossen, oder fällt
diese zusätzlich an?
Da wir
den Schnellesewettbewerb ja schon hatten, lese ich Ihnen das Folgende in gesetztem Tempo vor. Der Inhalt ist
ungefähr der gleiche.
Die vom Bundesminister der Finanzen einberufene
Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung
soll ein Konzept einer einheitlichen, rechtsformneutralen
Unternehmensteuer prüfen und erarbeiten. Im Rahmen
dieses Reformkonzepts werden auch Vorschläge zur
steuerlichen Behandlung der Gewerbesteuer erwartet.
Die Kommission wird ihre Beratungen am 30. April abschließen. Die Bundesregierung kann dem Ergebnis dieser Beratungen nicht vorgreifen.
({0})
Kollege Rauen, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich
gehe davon aus, daß der Wirtschafts- und Finanzminister gestern den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft die Wahrheit gesagt hat und sie auch nicht belogen hat. Wenn also in dem Steuersatz von 35 Prozent die
Gewerbesteuer - wie auch immer - enthalten ist, gehe
ich davon aus, daß der Körperschaftsteuersatz unter
30 Prozent liegen wird. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Spreizung zwischen dem Körperschaftsteuersatz und dem Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer - der ja gemäß den vorgesehenen gesetzlichen Regelungen bei 48,5 Prozent liegen wird - vor
dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots der
Gleichbehandlung der Einkunftsarten? Ich darf daran
erinnern, daß heute Herr Professor Peffekoven - er ist ja
nicht irgend jemand, sondern einer der fünf Weisen darauf aufmerksam gemacht hat, daß dieses verfassungsrechtliche Gebot bei dieser Konstruktion nicht einzuhalten ist. Wie stehen Sie dazu?
Herr
Kollege Rauen, Professor Peffekoven ist über die Diskussionen, so wie sie in der Kommission zur Unternehmensteuerreform stattfinden, offenbar nicht recht unterrichtet. Von daher kann ich es verstehen, daß er eine
solche Äußerung gemacht hat.
({0})
Kollege Niebel, eine
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, stimmen
Sie mir zu, daß Herr Minister Müller beim Gespräch mit
den Vertretern der Wirtschaft - weil der Bundeskanzler,
der diesen Termin eigentlich wahrnehmen sollte, aus
Gründen, die wir alle sehr gut nachvollziehen können,
verhindert war - quasi als Bundeskanzler gesprochen
hat? Insofern müßte man davon ausgehen, daß das, was
der Kollege Müller gesagt hat, die Meinung des Bundeskanzlers ist. Stimmen Sie mir hierin zu?
Herr
Kollege, protokollarisch ist Ihr Ansatz nicht richtig.
Kollege Michelbach,
Ihre Frage, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie sprechen von einer rechtsformneutralen Besteuerung im Zuge einer Unternehmensteuerreform. Nach Ihren Steuergesetzen gibt es zwischen dem Höchststeuersatz für gewerbliche Einkünfte in Höhe von 43 Prozent
und dem Höchststeuersatz für Einkünfte nach dem Einkommensteuergesetz in Höhe von 48,5 Prozent eine
Spreizung von 5,5 Prozent. Wenn, wie Wirtschaftsminister Müller vorschlägt, ein einheitlicher Satz von
35 Prozent einschließlich der Gewerbesteuer Anwendung findet, dann würde das einen Körperschaftsteuersatz von 22 Prozent bedeuten. In welchem Umfang
müßten dann die Einkommensteuersätze reduziert werden? Denn dann gäbe es natürlich eine Spreizung zum
Einkommensteuersatz von 21 Prozent. Halten Sie das
für verfassungsrechtlich möglich?
Herr
Kollege Michelbach, die Spreizung ist allenfalls dann
von Bedeutung, wenn es sich in beiden Fällen um Sätze
nach dem Einkommensteuergesetz handelt. Aber der
Vergleich der Einkommensteuer mit der Körperschaftsteuer ist in diesem Zusammenhang unzulässig.
({0})
Kollege Dautzenberg, Ihre Frage, bitte.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, wenn Herr Professor Peffekoven
schon nicht von vollständigen Informationen ausgehen
kann, habe ich die Frage:
({0})
Können Sie insofern zur Aufklärung beitragen, als Sie
entsprechende Informationen geben, damit solche - wie
Sie meinen - Fehlschlüsse vielleicht nicht mehr vorkommen? Ist es dann, wenn Sie die rechtsformunabhängige Besteuerung wollen, überhaupt noch angebracht,
vom Terminus Körperschaftsteuer auszugehen?
Herr
Kollege Dautzenberg, die Kommissionsmitglieder haben
sich darauf verständigt, vertraulich zu arbeiten. Insofern
ist es jemandem, der nicht Kommissionsmitglied ist,
nicht vorzuwerfen, daß er nicht auf dem neuesten Diskussionsstand ist.
({0})
Herr Peffekoven kann - das ist doch selbstverständlich;
verstehen Sie das bitte nicht falsch - den Diskussionsstand nicht kennen.
({1})
Es ist auch vernünftig, daß die Kommission zur Unternehmensteuerreform vertraulich arbeitet; denn Sie sehen: Es ist schwierig, in Ruhe zu arbeiten, wenn man
sich jeden Tag über bestimmte Steuersätze unterhalten
soll und nicht darüber nachdenken darf, was man wirklich ändern will. Dies genau aber möchte die Kommission. Dafür habe ich großes Verständnis.
({2})
- Herr Kollege Dautzenberg, es ist davon auszugehen,
daß es nicht schon ab dem Jahre 2000 zu einer rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung kommen wird.
Dies hat nicht mit dem Steuerrecht als solchem zu tun,
sondern damit, daß das dem zugrunde liegende gewachsene und viel ältere Zivilrecht - das Handelsrecht, das
BGB und alles, was dazugehört - höchstwahrscheinlich
nicht so geändert werden kann, daß es schon im Jahre
2000 zu einer rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung kommen kann. Aber auch das ist noch Gegenstand der Beratungen der Kommission.
Sie haben noch eine
zweite Zusatzfrage, Herr Rauen.
Frau Staatssekretärin, wir
haben in Deutschland Hunderttausende Unternehmen,
die keine Körperschaftsteuer und auch keine Gewerbeertragsteuer zahlen, nämlich die freien Berufe, die
aber, wenn es zu einem Unternehmensteuersatz von
35 Prozent käme, mit den für sie dann geltenden Einkommensteuersätzen stark benachteiligt wären. Es ist
eine legitime Frage, wie sich die freien Berufe verhalten
sollen. Welche Antwort geben Sie darauf?
Herr
Kollege Rauen, die Vertreter der freien Berufe sind in
Person des Vorsitzenden der Steuerberaterkammer Hessen, der nicht nur die steuerberatenden Berufe, sondern
auch die freien Berufe vertritt, in der Unternehmensteuerreformkommission vertreten. Dies wird in der Kommission bedacht.
({0})
Damit rufe ich die
Frage 26 der Kollegin Gerda Hasselfeldt auf:
Wird mit der vorgesehenen Unternehmensbesteuerung eine
Be- oder Entlastung für die Unternehmen verbunden sein, und
wann ist mit der Vorlage des Gesetzentwurfs zu rechnen?
Frau
Kollegin Hasselfeldt, zur Reform der Unternehmensbesteuerung ist eine unabhängige Kommission aus Vertretern von Wirtschaft, Wissenschaft und Finanzverwaltung berufen worden, die bis zum 30. April 1999 ihre
Beratungen beenden und ihre Vorschläge unterbreiten
will. Nach politischer Beratung der Vorschläge wird ein
Gesetzentwurf erarbeitet, über den das Bundeskabinett
noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschließen soll. Die parlamentarischen Beratungen sollen nach
der Sommerpause beginnen und bis zum Jahresende abgeschlossen sein.
Kollegin Hasselfeldt,
bitte, Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, zunächst einmal stelle ich fest, daß Sie das gleiche
vorgelesen haben wie bei den anderen Fragen,
({0})
meine Frage aber ganz anders gestellt war. Ich habe
ganz konkret gefragt, ob mit der vorgesehenen Unternehmensbesteuerung eine Belastung oder eine Entlastung für die Unternehmen verbunden ist. Ich bitte um
eine konkrete Antwort auf diese Frage.
({1})
Frau
Kollegin Hasselfeldt, ich möchte der Entscheidung der
Bundesregierung nicht vorgreifen. Ich kann für die Bundesregierung noch keine diesbezügliche Aussage treffen.
Ich kann allerdings zusagen, daß es keine Belastung für
die Unternehmen geben wird.
Kollegin Hasselfeldt,
bitte.
Frau Staatssekretärin, wenn Sie von einem Höchststeuersatz von
35 Prozent ausgehen: Was plant die Bundesregierung für
die mittelständischen Personenunternehmen, die auf
Grund ihrer Gewinnsituation in einem Jahr einen Steuersatz von unter 35 Prozent, in einem anderen Jahr von
über 35 Prozent haben? Wie soll das für diese Unternehmen künftig aussehen?
Der
Ihrer Frage zugrunde liegende Sachverhalt ist den Mitgliedern der Kommission bekannt. Er wird dort bedacht.
Ich habe nicht nach
der Kommission, sondern nach der Meinung der Bundesregierung gefragt.
Die
Bundesregierung wird die Ergebnisse der Kommission
entsprechend bewerten.
Kollege Hauser, Ihre
Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, im Rahmen der Verabschiedung
des Steuerreformgesetzes gab es eine ausgiebige Nachbesserungsdiskussion. Im Rahmen dieser Nachbesserungsdiskussion hat man einigen Wirtschaftszweigen
zugesichert, daß die jetzt festgesetzten Belastungen zurückgenommen oder begrenzt werden, wenn dazu
Nachweise abgegeben werden. Dabei ist man sich über
die Tatsache, daß es zu Belastungen kommt, einig gewesen. Werden diese Zusatzbelastungen im Rahmen der
Reform der Unternehmensbesteuerung zurückgeführt?
Oder welche Pläne haben Sie, diese Zusagen entsprechend umzusetzen?
Herr
Kollege Hauser, es ist nicht die Zusage gegeben worden,
daß diese Zusatzbelastungen, wie Sie sie nennen, zurückgeführt werden. Vielmehr ist die Zusage gegeben
worden, daß, sobald die Bilanz des Jahres 1999 vorliegt
- früher kann es nicht sein, weil es erstmals im Jahr
1999 wirksam wird -, überprüft wird, wie hoch die Gesamtbelastung der jeweiligen Branche war. Sollten sich
die auf unterschiedlichen Annahmen beruhenden Schätzungen - der belasteten Branche auf der einen Seite und
des Finanzministeriums auf der anderen Seite - als
falsch oder richtig herausstellen, würde eine entsprechende Regelung getroffen werden.
Kollege Fromme,
Ihre Frage, bitte.
Frau Staatssekretärin, wenn überhaupt nicht feststeht, ob und in
welchem Umfang es zu einer Entlastung kommt, empfinden Sie es dann nicht als - vorsichtig ausgedrückt irreführend, wenn gegenüber der Wirtschaft der Eindruck erweckt wird, daß nennenswert entlastet werden
soll?
Herr
Kollege Fromme, bis jetzt ist ein Streit über Steuersätze
geführt worden. Es hat aber noch keinen Streit über die
Frage der Nettoentlastung, ja oder nein, gegeben. In
einen solchen möchte ich hier auch nicht eintreten.
Kollege Michelbach,
Ihre Frage, bitte.
Frau Staatssekretärin, es ist aber eine Tatsache, daß mit der Aussage von
Herrn Minister Müller verbunden ist, daß über ein Entlastungsvolumen in Höhe von 36 Milliarden DM entschieden wird. Können Sie sich nicht vorstellen, daß
dies in der rotgrünen Koalition durchsetzbar ist?
Kollege Michelbach, die von Ihnen genannte Zahl kann ich
keinesfalls nachvollziehen.
Kollege Rauen, Ihre
Frage, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich
respektiere, daß Sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
sagen können, ob es zu einer Nettoentlastung der Unternehmen kommt. Sie haben aber der Kollegin Hasselfeldt
zugesagt, daß es zu keinen Mehrbelastungen kommt.
Das läßt die Vermutung einer Gegenfinanzierung zu.
Wenn man über Steuersätze in Höhe von 35 Prozent
spricht, ist es sicher Faktum, daß sich die Entlastung im
hohen fünfstelligen Milliardenbereich bewegt.
Im
fünfstelligen Milliardenbereich?
({0})
- Entschuldigung! Zwischen 10 und 30 Milliarden DM.
Also
im zweistelligen Milliardenbereich.
Ja. - Meine Frage ist
konkret: Wo besteht dann noch die Gegenfinanzierungsmöglichkeit bei dem Gesetz, das seit Freitag im
Bundesgesetzblatt steht? Es sind viele Vorschriften bereits geändert worden. Selbst für mich als Insider in der
Finanzpolitik ist schwer zu erkennen, wo es noch Gegenfinanzierungsmöglichkeiten gibt - es sei denn, bei
der degressiven AfA oder aber durch eine Erhöhung der
Mehrwertsteuer oder anderer Verbrauchsteuern. Wie
beurteilen Sie dies?
Herr
Kollege Rauen, zum einen wird sich die Unternehmensteuerreformkommission auch Gedanken zu Gegenfinanzierungsmaßnahmen machen. Ich weiß aber noch
nicht, welche. Sie hat einen freien Auftrag; sie kann also
einen freien Vorschlag machen. Es bleibt dann der politischen Bewertung durch die Bundesregierung und die
Koalitionsfraktionen vorbehalten, daraus Schlüsse zu
ziehen.
Ich kann im übrigen keine Aussagen über Gegenfinanzierungsmaßnahmen machen, weder spezifiziert
auf der Verbrauchsteuerseite, noch auf der Unternehmensteuerseite. Auch hier bitte ich, den Zeitraum von
weniger als sechs Wochen noch abzuwarten.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen, daß die Zeit für weitere Fragen zu diesem
Bereich zu Lasten der kommenden Geschäftsbereiche
geht.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Fischer.
Frau
Staatssekretärin, Sie haben eben gesagt, daß Sie noch
nicht wissen, ob eine Entlastung der Unternehmen zustande kommt oder ob Sie das überhaupt wollen. Andererseits müssen Sie doch zugeben, daß Sie durch diese
Diskussion über die Steuersätze, die zur Zeit geführt
wird, den Unternehmen vermitteln, daß eine Entlastung
geplant ist und daß Sie die Unternehmen unterstützen
wollen. Abgesehen davon, daß ich ein solches Vorgehen
für absolut falsch halte, möchte ich die Frage stellen, ob
Sie die Unternehmen bewußt hinters Licht führen
möchten.
Nein,
Herr Kollege. Wir wollen mit dieser Unternehmensteuerreform erreichen, daß wir sowohl international
wettbewerbsfähige Steuersätze als auch international
vergleichbare Bemessungsgrundlagen haben. Dies wird
natürlich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in
jedem Fall erhöhen.
Sollte es die Haushaltslage ermöglichen, so wird die
Bundesregierung nichts lieber tun, als eine Nettoentlastung auch für Unternehmen herbeizuführen. Aber diese
Entscheidung hat die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit noch nicht gefällt.
Kollege Dautzenberg, Ihre Frage, bitte.
Frau Staatssekretärin, da Sie selber gerade betont haben, daß die Frage der
Entlastung noch nicht geklärt ist, möchte ich Sie fragen:
Halten Sie es für politisch überhaupt zulässig, daß Regierungsmitglieder erklären, daß es zu Entlastungen
kommen wird?
Herr
Kollege Dautzenberg, diese Frage dürfen Sie nicht an
mich stellen. Sie werden nicht erwarten, daß ich hier
eine Beurteilung - sei sie positiv oder negativ - über
Kollegen der Bundesregierung abgebe.
Kollege Willsch,
bitte.
Frau Staatssekretärin, ich hatte schon beim Besuch des Finanzausschusses bei der OECD in Paris die Sorge geäußert, daß die
uns vorliegende Statistik der OECD, die eine durchschnittliche Gesamtbelastung mit Körperschaftsteuer
von 8 Prozent ausweist, die Regierung dazu bringen
könnte, von dem Vorhaben, die Wirtschaft zu entlasten,
Abstand zu nehmen. Ich fühle mich durch den Verlauf
dieser Befragung in dieser Befürchtung nachhaltig bestätigt. Ich möchte Sie fragen, ob Sie die BDIBewertung dieser OECD-Studie vorliegen haben und insofern zur Kenntnis nehmen müssen, daß es angezeigt
ist, bei uns keine Schutzwälle gegen ausländische Investoren aufzubauen, sondern zu einer Entlastung zu
gelangen, damit wieder Investitionen aus dem Ausland
kommen.
Selbstverständlich wollen wir keine Schutzwälle gegen ausländische Investitionen aufbauen. Das berücksichtigt die
Unternehmensteuerreformkommission in ihrer Arbeit.
Im übrigen möchte ich Sie bitten, die Befürchtungen, die
Sie haben, nicht weiter zu hegen.
Nun rufe ich die
Frage 27 der Kollegin Elke Wülfing auf:
Wie will die Bundesregierung einen Ausgleich für die
Kommunen schaffen, wenn es durch die Unternehmensbesteuerung zu einem niedrigeren Steueraufkommen kommt?
Frau
Kollegin Wülfing, die Bundesregierung wird nach politischer Beratung des Berichts der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung einen Gesetzentwurf erarbeiten, der vom Bundeskabinett noch vor der
parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden
soll. Die Bundesregierung geht wie die Kommission davon aus, daß den Gemeinden schon von Verfassungs
wegen eine wirtschaftskraftbezogene und gestaltbare
Steuerquelle erhalten bleiben muß.
Frau Kollegin Wülfing, bitte.
Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für diese fünfte, sechste, siebte oder
achte Wiederholung. Ich frage einmal direkt nach: Sie
haben eben gesagt, bis zum Ende des Jahres würden Sie
Ihre Vorstellungen entwickelt haben, haben aber auf die
Frage eines Kollegen geantwortet, noch nicht im Jahre
2000 würden Sie eine rechtsformneutrale Unternehmensteuerreform machen. Das haben Sie gesagt; ich habe es
mir extra aufgeschrieben. Das heißt: Im nächsten Jahr
werden die Unternehmen nicht entlastet.
Frau
Kollegin Wülfing, ich habe gesagt, es ist eher nicht damit zu rechnen, daß es eine rechtsformneutrale Unternehmensteuer schon im Jahr 2000 geben wird. Das bedeutet aber nur, daß es im gewerblichen Bereich auch in
Zukunft die beiden Instrumente Körperschaftsteuer und
Einkommensteuer geben wird. Das sagt nichts darüber
aus, ob es eine Entlastung gibt oder nicht.
Frau Kollegin Wülfing, Ihre zweite Frage, bitte.
Ich möchte - bezogen
auf die Frage, die ich schriftlich gestellt habe und die ich
mündlich beantwortet haben will - noch einmal nachfragen. Es wird aus Ihrer Sicht für die Kommunen im
Jahr 2000 also keinerlei Veränderung des jetzigen
Finanztableaus geben. Wie sieht das dann im Jahr 2001
aus?
Frau
Kollegin Wülfing, Art. 28 des Grundgesetzes garantiert
den Kommunen eine wirtschaftskraftbezogene Steuer
mit eigenem Hebesatzrecht. Es liegt auf der Hand, daß
das nicht einfach zu ändern wäre. Ab dem Jahr 2000
- also ab dem Beginn der Unternehmensteuerreform wird es auf jeden Fall die Gewerbeertragsteuer in bisheriger Form geben, so daß der Ertrag in der Summe so
wie bisher sein wird. Natürlich ist er von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Für die Kommunen wird
sich durch die Rechtsänderung aber nichts ändern.
Herr Kollege Michelbach, Sie haben auch eine Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie können die breite Verunsicherung, die durch die
Aussagen von Herrn Minister Müller hervorgerufen
wurde, heute nicht ausräumen. Meine Frage dazu: Der
Bundeskanzler hat bekanntlich eine eigene Kommission
im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ installiert.
Warum ist nicht eine Gesamtkonzeption abzuwarten?
Warum wird in einer solchen Gesamtkonzeption für die
Steuerpolitik - also im Rahmen der Unternehmensteuer
und der Familienbesteuerung - nicht Klarheit für die
Kommunen geschaffen? Warum wird die Steuerkommission im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“, in der
Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände mitarbeiten,
vom Wirtschaftsminister durch sein Vorpreschen geradezu düpiert?
Herr
Kollege Michelbach, diese Einschätzung teile ich nicht.
In der von der Bundesregierung berufenen Unternehmensteuerreformkommission sitzen - wie Sie wissen von Anfang an, also seit Beginn der Arbeit der Kommission am 18. Dezember, Vertreter der Wirtschaft und
auch Vertreter der Gewerkschaften.
Der Bundeskanzler hat im übrigen zugesagt, die steuerpolitischen Vorhaben der Bundesregierung auch im
„Bündnis für Arbeit“ zu erörtern. Dies wird selbstverständlich geschehen.
Ich rufe jetzt die
Frage 28 des Abgeordneten Hans Michelbach auf:
Wie kann eine zu breite verfassungswidrige Spreizung der
Steuersätze bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer bei einer Unternehmensteuer vermieden werden?
Herr
Kollege Michelbach, die geplante Unternehmensteuerreform hat ein neues System einer einheitlichen rechtsformneutralen Unternehmensteuer zum Ziel, das auch
das Problem der Spreizung der Steuersätze lösen soll.
Die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung wird ihren Bericht Ende April 1999 vorlegen.
Kollege Michelbach,
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben auf eine vorherige Frage geantwortet, man
könne hinsichtlich der Spreizung die Höchstsätze bei der
Körperschaftsteuer und bei der Einkommensteuer nicht
miteinander vergleichen. Die Spreizung liegt zum einen
bei 22 Prozent, zum anderen bei 35 Prozent. Führen
nicht die von Herrn Wirtschaftsminister Müller geplanten Einkommensteuersätze zu einer noch größeren
Spreizung? Führt ein solcher Körperschaftsteuersatz
nicht auch zur Bevorteilung von Kapitalgesellschaften
und zu einer Wettbewerbsverzerrung gerade zwischen
den großen Betrieben und dem breiten Mittelstand, der
sich zu 90 Prozent in Personengesellschaften organisiert?
Herr
Kollege Michelbach, ich kann die von Ihnen bezifferte
Höhe des Körperschaftsteuersatzes nicht bestätigen. Im
übrigen wird sowohl die Kommission zur Reform der
Unternehmensbesteuerung als auch die Bundesregierung
die Bedürfnisse des Mittelstandes und der Personengesellschaften berücksichtigen.
({0})
Herr Kollege Michelbach, Ihre zweite Zusatzfrage.
Ich möchte noch
einmal die Frage stellen: Hat nicht Herr Wirtschaftsminister Müller angekündigt, daß die Höchstbelastung
für die Unternehmen bei 35 Prozent inklusive Gewerbesteuer liegen soll, woraus sich ein Körperschaftsteuersatz von 22 Prozent ergibt? Bestätigen Sie seine Aussagen? Oder müssen Sie eine Konfusion auf breiter Ebene
einräumen? Alles Müller, oder was?
Herr
Kollege Michelbach, diese Aussage ist rechnerisch
selbstverständlich richtig. Gleichwohl hat die Bundesregierung noch keine Entscheidung darüber getroffen.
Herr Kollege Seiffert, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben mehrfach betont, daß Ende April der Bericht der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung vorliegen wird. Können Sie uns zusichern,
daß wir uns rechtzeitig auf den Zeitpunkt einstellen
können, wann der Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden soll? Es muß ja
nicht hopplahopp wie bisher verfahren werden.
Herr
Kollege Seiffert, ich habe gedacht, daß ich das hier
schon allzu oft vorgetragen habe: Der Gesetzentwurf
wird vor der Sommerpause von der Bundesregierung als
Entwurf beschlossen werden. Das Beratungsvefahren
wird unmittelbar nach der Sommerpause im Parlament
beginnen.
Ich rufe jetzt
Frage 29 des Kollegen Hans Michelbach auf:
Ist zur Staatsquotensenkung eine Nettoentlastung zu erwarten, oder soll es weitere Gegenfinanzierungsmaßnahmen geben,
die die Wirtschaft wieder belasten dürften?
Herr
Kollege Michelbach, das Steuerentlastungsgesetz 1999/
2000/2002 bewirkt eine beachtliche Nettoentlastung von
insgesamt über 20 Milliarden DM im Jahr 2002. Ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang eine weitere Nettoentlastung und weitere Gegenfinanzierungsmaßnahmen
zu erwarten sind, wird im Rahmen des geplanten Familienentlastungsgesetzes und des Gesetzentwurfes zur
Verwirklichung der ersten Stufe der Unternehmensteuerreform entschieden. Beide Gesetzentwürfe wird die
Bundesregierung noch vor der parlamentarischen Sommerpause als Entwürfe verabschieden.
Kollege Michelbach,
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie haben das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/
2002 angesprochen. Haben Sie nicht gemerkt, daß ich
nach der Entlastung der Wirtschaft und nicht nach einer
allgemeinen Entlastung gefragt habe? Ist Ihnen bekannt,
daß durch das vorgesehene Steuerentlastungsgesetz
nicht nur die Wirtschaft allgemein - das geben Sie ja zu
-, sondern nach Überprüfung Ihrer Zahlen auch der
Mittelstand stark belastet wird, weil Sie die Grenzen
zwischen privaten Haushalten und dem Mittelstand zu
Lasten des letzteren verfälscht haben?
Herr
Kollege Michelbach, dies weise ich ausdrücklich zurück. Es mag unterschiedliche Auffassungen bezüglich
der Beurteilung dessen geben, was der Privatsphäre und
was dem betrieblichen Bereich zuzuordnen ist. Einen
solchen Streit gibt es bei jeder Betriebsprüfung; er dürfte
Ihnen auch nicht neu sein. Aber wenn Sie hier von Fälschungen reden, dann weise ich dies ausdrücklich zurück.
({0})
Wir können jederzeit nachweisen, daß der Mittelstand
im Saldo um 5,5 Milliarden DM entlastet wird.
Kollege Michelbach,
eine zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich habe Sie gefragt, wie die weiteren Maßnahmen
für die Entlastung der Wirtschaft aussehen werden.
Nach Aussagen der BMF-Steuerkommission gibt es hier
ein Finanzvolumen von 9 Milliarden DM. Nach Herrn
Müller beträgt es etwa 36 Milliarden DM. Haben Sie
vor, dies durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer um
zwei Prozentpunkte zu kompensieren?
Herr
Kollege Michelbach, ich bin heute in der Situation, mich
ständig wiederholen zu müssen. Sie haben die Zahlen
9 Milliarden und 36 Milliarden auch schon sehr häufig
wiederholt. Diese Zahlen sind von mir gleichwohl nicht
zu bestätigen; sie sind so auch nicht richtig. Darum ist
die daran anknüpfende Frage von mir auch nicht zu beantworten.
Herr Kollege
Willsch, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, als Zusatzfrage zur Frage von Herrn Michelbach würde mich interessieren, ob denn nach dem unrühmlichen Abgang des seitherigen Finanzministers die
Senkung der Staatsquote überhaupt zu den Zielen der
Bundesregierung gehört?
Ja,
Herr Kollege Willsch. Ich bin in der glücklichen Lage,
auch dazu wieder eine Antwort auf eine Frage verlesen
zu können, die mir nach meiner Erinnerung vor ungefähr
sechs Wochen von Herrn Michelbach gestellt wurde; das
dürfte auch im Protokoll nachzulesen sein.
Eine aktuelle und mittelfristige Projektion der Staatsquote enthält das Stabilitätsprogramm, das am 4. Januar
1999 durch das Kabinett gebilligt wurde. Der Anstieg
der Staatsausgaben soll danach auf 2 Prozent im Durchschnitt der Jahre 1998 bis 2002 begrenzt sein. Diese
Linie wurde mit den Ländern im Finanzplanungsrat vereinbart. Die Staatsausgaben bleiben damit deutlich hinter der durchschnittlichen jährlichen Zunahme des nominalen Bruttoinlandsprodukts von 4 Prozent zurück.
Die Staatsquote, die im Jahre 1998 nach den noch vorläufigen Berechnungen 48 Prozent betragen hat, sinkt
damit auf 45 Prozent im Jahre 2002.
Sie sehen, die Senkung der Staatsquote gehört zu den
Zielen dieser Bundesregierung.
Ich rufe die Frage 30
des Abgeordneten Hans-Joachim Otto auf:
Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung der Kunsthandel, speziell die Galerien, bei Kunstwerken eine „dauerhafte“
Wertminderung nachweisen, die nunmehr ({0}) Voraussetzung für eine Teilwertabschreibung ist?
Herr
Kollege Otto, zukünftig können Teilwertabschreibungen
nur noch für solche Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden, die voraussichtlich dauerhaft im Wert
gemindert sind. Dieses Erfordernis ändert nichts an der
schon bislang dem Steuerpflichtigen obliegenden grundsätzlichen Pflicht, den Ansatz des niedrigeren Teilwerts
nachzuweisen. Hierzu ist an Hand konkreter Tatsachen
und Umstände zu jedem Bilanzstichtag darzulegen und
gegebenenfalls zu beweisen, daß der gewünschte
Wertansatz unterhalb der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gerechtfertigt ist. Die behaupteten Tatsachen müssen dabei objektiv feststellbar sein.
Im übrigen handelt es sich bei dem Begriff der voraussichtlich dauernden Wertminderung um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der dem Handelsrecht entliehen
ist. Zum Zwecke einer bundeseinheitlichen Anwendung
werden die steuerrechtlichen Fragen hierzu in Kürze mit
den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmt.
Herr Kollege Otto
zur ersten Nachfrage, bitte.
Frau
Staatssekretärin, nachdem Sie sich eben mit dem Hinweis auf die Wiederholung von Fragen haben retten
können: Das ist eine neue Frage, und Sie haben überhaupt keine Antwort darauf gegeben. Die Frage lautet:
Wie soll im Kunsthandel, in dem es um Unikate geht, an
Hand von objektiven Tatsachen nachgewiesen werden,
daß ein konkretes Kunstwerk im Wert gemindert ist?
Dazu erwarte ich von Ihnen zumindest den Ansatz einer
Antwort.
Herr
Kollege Otto, auch dazu werden zum Zweck einer bundeseinheitlichen Anwendung noch Maßstäbe erarbeitet
werden müssen. Dem kann ich nicht vorgreifen. Das geschieht auf der Ebene der Finanzverwaltung.
Herr Kollege Otto zu
einer zweiten Nachfrage, bitte.
Frau
Staatssekretärin, wenn ich richtig informiert bin, soll das
Gesetz seit dem 1. Januar 1999 gelten. Deswegen muß
ich jetzt präzise fragen, ob und wann Sie Durchführungsbestimmungen dazu erlassen werden. Was wird
denn da jetzt laufen? Die Branche ist in totaler Verwirrung, und Sie können mir hier überhaupt nichts sagen.
Herr
Kollege Otto, die totale Verwirrung ist sicherlich verfrüht. Selbstverständlich werden die notwendigen bundeseinheitlichen Abstimmungen so rasch wie möglich
vorgenommen. Frühestens zum Billanzstichtag 1999, also in aller Regel zum 31. Dezember - ({0})
- Entschuldigung, spätestens zum Bilanzstichtag müssen die Unternehmen davon Kenntnis haben. Selbstverständlich wird dies früher geschehen.
Herr Kollege Hauser,
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, können Sie uns den grundsätzlichen Widerspruch aufklären, daß für Gegenstände des
Vorratsvermögens, die prinzipiell nicht dauerhaft im
Betrieb verbleiben sollen, eine dauerhafte Wertminderung vorliegen muß, wenn man eine Abschreibung vornehmen will?
Herr
Kollege Hauser, es wird keine dauerhafte Wertminderung, sondern eine „voraussichtlich dauerhafte Wertminderung“ durch das Gesetz gefordert, so daß noch ein
Spielraum in der Bewertung vorhanden bleibt. Dies gilt
insbesondere, weil das Vorratsvermögen nicht auf Dauer
dem Betrieb erhalten bleiben soll, sondern auch weiterhin der Veräußerung dient.
Zu einer weiteren
Nachfrage, Kollege Niebel, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade gesagt, daß spätestens bis zum Bilanzstichtag
bekannt sein soll, nach welchen Regeln verfahren wird.
Stimmen Sie mir zu, daß es für jemanden, der wirtschaftlich handelt, zumindest hilfreich ist, über einen gesamten Jahreszeitraum - das Gesetz wird rückwirkend
zum 1. Januar in Kraft treten - die Normen, auf Grund
deren er handelt, zu kennen?
Herr
Kollege Niebel, das ist selbstverständlich richtig. Ich
muß es noch einmal ausführen, weil ich mich eben versprochen habe: Spätestens zum Bilanzstichtag müssen
detaillierte Bestimmungen vorliegen; selbstverständlich
werden sie früher vorliegen. Aber Sie müssen bedenken,
daß die Geltendmachung einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung erst nach dem Bilanzstichtag des
Jahres 1999 erfolgen kann. Gerade bezogen auf das Vorratsvermögen kann eine voraussichtlich dauerhafte
Wertminderung bei der Bilanzerstellung durchaus auch
erst kurz vor dem Stichtag entstanden sein. Das gilt
nicht gerade für den Kunsthandel; aber zum Beispiel bei
modischen Waren kann noch im Dezember klar werden,
daß es eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung
gibt. Insofern muß der Betriebsinhaber ohnehin aktuell
zum Bilanzstichtag bewerten.
Ich rufe nun die
Frage 31 des Abgeordneten Dr. Michael Meister auf:
Wann und in welcher Höhe hat das Bundeskabinett - gemäß
Äußerungen aus den Koalitionsfraktionen am 17. Februar 1999
im Ausschuß für Verkehr, Bau und Wohnungswesen - beschlossen, Steuermehreinnahmen aus der Streichung des Vorkostenabzugs bei der Eigenheimförderung für eine Wohngeldanpassung
gezielt zu verwenden?
Das
Bundeskabinett hat sich am 10. Februar 1999 mit dem
aktuellen Stand der parlamentarischen Beratungen
der Koalitionsinitiative zum Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/2002 befaßt und dazu insbesondere mittelstandsfreundliche Änderungsvorschläge gemacht. In
dieser Sitzung ist auch der Vorschlag erörtert worden,
einen Teil der Mehreinnahmen aus der Verbreiterung
der steuerlichen Bemessungsgrundlage durch Streichung
des Vorkostenabzugs nach § 10 i des Einkommensteuergesetzes zur Teilfinanzierung für eine Wohngeldnovelle
und nicht für eine Verbesserung der Eigenheimzulage
im Bereich des Bestandserwerbs heranzuziehen. Das
Bundeskabinett hat diesen Vorschlag positiv beurteilt.
Erste Nachfrage,
Herr Kollege Meister, bitte.
Frau Staatssekretärin, wie soll denn nach Ihrer Auffassung das
Finanzvolumen der Wohnkostennovelle insgesamt aussehen? Da Sie eben von Teilfinanzierung gesprochen
haben, möchte ich ferner wissen, welcher Teil des Vorkostenabzugs - er hat ja ein Gesamtvolumen von etwa
1,6 Milliarden DM - für die Wohnkostennovelle verwendet werden soll und woher eventuell erforderliche
weitere Mittel kommen sollen.
Herr
Kollege Meister, zum Volumen der Wohngeldnovelle
kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage
machen. Die Bundesregierung wird in Zusammenarbeit
mit den Koalitionsfraktionen eine gesamtstaatliche
Wohngeldnovelle im Laufe des Jahres erarbeiten, so daß
sie im Jahre 2000 in Kraft treten kann. Bitte entschuldigen Sie, daß ich dem noch nicht vorgreifen darf.
Beim Teilkostenabzug stand eine Größenordnung von
350 Millionen DM - allerdings verteilt auf Bund und
Länder - in Rede, die teilweise für die Wohngeldnovelle
herangezogen werden könnten.
Kollege Meister, Ihre
zweite Frage, bitte.
Frau Staatssekretärin Hendricks, Sie haben eben erwähnt, daß die
Wohngeldnovelle im Jahr 2000 in Kraft treten soll.
Könnten Sie mir sagen, welcher Verfahrens- und
Zeitablauf in den einzelnen Schritten vom Referentenentwurf über die Abstimmung mit den Ländern bis
hin zur Beratung und Verabschiedung im Bundestag
geplant ist und wann man im Jahr 2000 mit dem Inkrafttreten der Novelle rechnen kann?
Herr
Kollege Meister, die Novelle soll zum 1. Januar 2000 in
Kraft treten. Aber die Frage, wie der Gang des parlamentarischen Verfahrens gedacht ist, kann ich Ihnen im
Moment nicht beantworten, da die Vorlage der Novelle
in der Verantwortung des Ministers für Verkehr, Bauund Wohnungswesen liegt. Ich werde die Antwort aber
gerne nachtragen lassen.
Ich rufe die Frage 32
des Kollegen Dr. Meister auf:
Hat die Bundesregierung veranlaßt, daß ein solcher Beschluß
auch dem Haushaltsausschuß und dem Finanzausschuß im Zusammenhang mit der Beratung des Steuerentlastungsgesetzes
und des Finanztableaus über dessen Auswirkungen zur Kenntnis
gelangte?
Herr
Kollege Meister, die Mehreinnahmen aus der Streichung
des § 10i EStG sind im Finanztableau zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 in der Bundestagsdrucksache 14/443, Seite 69, laufende Nr. 44 des Finanztableaus in vollem Umfang erfaßt. Eine Verbesserung
der Eigenheimzulage wurde nicht beschlossen. Das ist
dem Finanzausschuß und dem Haushaltsausschuß des
Deutschen Bundestages so zur Kenntnis gegeben worden.
Ein formeller Beschluß über die Verwendung der
Mehreinnahmen, der den Ausschüssen hätte zur Kenntnis gegeben werden können, existiert nicht. Die Absicht
der Bundesregierung, das Wohngeld der Entwicklung
anzupassen, bleibt davon unberührt.
Ich rufe die Frage 33
der Kollegin Angela Marquardt auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung eine in Aussicht stehende
Kreditgewährung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und
Entwicklung ({0}) zur Fertigstellung der Kraftwerksprojekte
Khmelnitski 2 und Rovno 4 in der Ukraine?
Frau
Kollegin Marquardt, auf Initiative von Deutschland und
Frankreich haben die G-7-Staaten, die EU und die
Ukraine 1995 ein Memorandum of Understanding
zur Schließung des ukrainischen Kernkraftwerks in
Tschernobyl bis zum Jahr 2000 vereinbart. Bestandteil
dieses Memorandums ist ein umfassendes Programm,
mit dem unter Beteiligung der internationalen Finanzinstitutionen die energiewirtschaftlichen Voraussetzungen für die Schließung des KKW Tschernobyl geschaffen werden sollen.
Die ukrainische Regierung ist nur bereit, Tschernobyl
termingerecht stillzulegen, wenn die beiden Kernreaktoren Khmelnitski 2 und Rovno 4 zur Sicherung der Energieversorgung fertiggestellt werden. Aus Sicht der Bundesregierung hat die Beseitigung der Risiken durch den
Weiterbetrieb des KKW Tschernobyl oberste Priorität.
In Gesprächen mit der Ukraine wird die Bundesregierung erneut prüfen, inwieweit auch nichtnukleare Kapazitäten zur Sicherstellung der Energieversorgung in der
Ukraine bereitgestellt werden können. Die Bundesregierung legt Wert darauf, daß nach dieser Prüfung gegebenenfalls notwendige Anpassungen im Einvernehmen mit
den G-7-Staaten erfolgen.
Frau Kollegin Marquardt, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin,
wie beurteilt die Bundesregierung aber die Aussagen der
Kollegin Griefahn, die Sicherheitsrisiken seien derzeit
so groß, daß die finanzielle Beteiligung der Bundesrepublik als des größten Anteilseigners an diesen beiden
Reaktoren eigentlich nicht vertretbar sei, da das Sicherheitsrisiko in keinem westlichen Land getragen werden
würde? Hier würde das nicht genehmigt werden.
Frau
Kollegin Marquardt, die oberste Zielrichtung der Vereinbarung auf der Ebene der G7 und der EU war in der Tat,
das Kernkraftwerk Tschernobyl stillzulegen. Wenn zu
diesem Zweck - wenn auch möglicherweise vorübergehend - andere Kernkraftwerke noch weiter in Betrieb
sind, dann, weil sie mit westlichen Fördermitteln zu rechnen haben, unter möglichst optimierten Bedingungen.
Ich rufe die Frage 34
der Kollegin Marquardt auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Einfluß Deutschlands
- Hauptaktionär der EBWE - geltend zu machen, um die Kreditgewährung für die Fertigstellung der Kraftwerke zu verhindern, bzw. wird sie diesbezüglich auch mit dem deutschen Exekutiv-Direktor der EBWE Kontakt aufnehmen?
Die
Bundesregierung wird ihre endgültige Haltung nach den
genannten Sondierungsgesprächen, auf die ich eben eingegangen bin, festlegen.
Die Fragen 35 und
36 des Kollegen Börnsen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike
Mascher zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 37 der Abgeordneten
Dr. Maria Böhmer auf:
Ist es zutreffend, das die Bundesregierung beabsichtigt,
Dienstleistungsschecks für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in privaten Haushalten zur Einlösung in
Dienstleistungsagenturen einzuführen, und wenn ja, wie sieht
das Konzept genau aus?
Ulrike Mascher, Parl. Staatsekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Frau Dr. Böhmer, in der Koalitionsvereinbarung der Regierungsfraktionen wurde festgelegt, daß die Bundesregierung die
Voraussetzungen dafür schaffen wird,
daß die Beschäftigungschancen des Dienstleistungssektors besser genutzt werden. Dazu werden
Haushaltsdienstleistungen und private Dienstleistungsagenturen gefördert.
Die Bundesregierung wird zur Förderung der Beschäftigung im Privathaushalt Eckpunkte eines Konzeptes erarbeiten. In diesem Zusammenhang wird auch
geprüft, ob durch die Ausgabe von Dienstleistungsschecks, wie sie in einem in der letzten Legislaturperiode vorgelegten Antrag der SPD vorgesehen waren,
eine Ausweitung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im Privathaushalt erreicht werden kann.
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Böhmer, bitte.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, wenn Sie dem Gedanken der Ausgabe von Dienstleistungsgutscheinen folgen würden,
dann hätte das zur Konsequenz, daß damit, wie auch in
Pressemeldungen der letzten Tage nachzulesen war, die
gesamte steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für Haushaltshilfen im Privathaushalt gestrichen werden würde
und damit jeder Anreiz zur Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen im Privathaushalt
bei individuellen Arbeitsverhältnissen verlorenginge.
Frau Dr.
Böhmer, Sie wissen sehr gut, daß die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kosten für eine Haushaltshilfe im Privathaushalt gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes nur zu einem relativ geringen Anstieg der
Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushalten geführt hat, nämlich um
knapp 5 000 auf 37 700.
Ich meine, das war kein sehr zielführendes Projekt.
({0})
Deswegen wird die Bundesregierung bzw. das Arbeitsministerium nach neuen Wegen suchen und hierzu Eckpunkte vorlegen.
Frau Kollegin Böhmer, Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, die Zahlen, die Sie eben genannt haben, beruhen auf
einer alten Schätzung; das ist die Bestandszahl. Die Angaben beruhen lediglich auf den Zahlen, die sich im
Verfahren „Haushaltsscheck“ ergeben haben. Können
Sie mir etwas über die Zahlen sagen, die im Zuge der
Einkommensteuererklärung bei den vielen Haushalten
sichtbar geworden sein müssen, die zweifellos die steuerliche Absetzbarkeit auch außerhalb des Haushaltsscheckverfahrens genutzt haben?
Die Zahlen, die
ich Ihnen genannt habe, beruhen nicht auf dem Haushaltsscheckverfahren; diese Zahlen zeigen vielmehr, wie sich
die Beschäftigungssituation in Privathaushalten auf Grund
der steuerlichen Absetzbarkeit entwickelt hat.
Kollege Niebel, Ihre
Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, unabhängig von der Tatsache, daß mir die Staatssekretärin
Hendricks auf die Frage, ob die steuerliche Absetzbarkeit von sozialversicherungspflichtigen Haushaltshilfen
abgeschafft werden solle, geantwortet hat, daß die Bundesregierung derartiges nicht plane, würde ich gerne
wissen, ob Sie mir darin zustimmen, daß nicht nur die
tatsächlich im Haushalt Beschäftigten mit Einschränkungen rechnen müssen, sondern daß das weitere Kreise
zieht, nämlich daß, wenn die steuerliche Absetzbarkeit
von sozialversicherungspflichtig im Haushalt beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgeschafft wird, die Wahrscheinlichkeit, daß diese nicht
weiterbeschäftigt oder in anderen Beschäftigungsverhältnissen beschäftigt werden, mit dem Umstand kumuliert, daß in aller Regel die Frau, die in der Zeit arbeiten
geht, in der sich die Haushaltshilfe um den Haushalt und
um die Kinder kümmert, auch nicht mehr in der Lage
wäre, ihrer Arbeit nachzugehen und damit durch Ihre
Politik heim an den Herd geschickt würde?
Herr Niebel,
das, was Sie hier vortragen, nämlich daß ein Zusammenhang zwischen der steuerlichen Abzugsfähigkeit für
Haushaltshilfen und Erwerbstätigkeit von Frauen besteht, ist eine Vermutung. Ich weiß nicht, ob Sie harte
Daten haben, die den Zusammenhang belegen.
({0})
- Daß es in Ihrem persönlichen Umfeld konkrete Einzelfälle gibt, bestreite ich überhaupt nicht.
Eine weitere Nachfrage. Bitte, Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin,
könnten Sie dem Kollegen Niebel vielleicht deutlich
machen,
({0})
daß es Zahlen des Bundesfinanzministeriums gibt aus
denen eindeutig hervorgeht, daß die Regelung hinsichtlich der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kosten für
eine Haushaltshilfe in Privathaushalten, was die Beschäftigungswirkung angeht, ein totaler Flopp war und
daß man das auch nachlesen kann?
({1})
- Ich wußte gar nicht, daß wir das jetzt in dieser Form
diskutieren. Vielleicht könnte die Frau Staatssekretärin
noch einmal darauf aufmerksam machen, daß genau diese Beschäftigungswirkung auch nach Aussagen der alten
Regierung nicht eingetreten ist und daß das auch nachlesbar ist.
Das kann ich
gern bestätigen. Ob es mir allerdings gelingt, den Kollegen Niebel - auch an Hand von schriftlichen Unterlagen
- davon zu überzeugen, kann ich Ihnen nicht zusichern.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich möchte Sie darüber informieren, daß
die Fraktion der CDU/CSU eine Aktuelle Stunde zur
Beantwortung der Fragen zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen beantragt. Ich möchte
Sie darauf hinweisen, daß diese Aktuelle Stunde im Anschluß an die Fragestunde aufgerufen wird. Das wird
gegen 15 Uhr sein.
Jetzt rufe ich die Frage 38 der Kollegin Dr. Maria
Böhmer auf:
Wird die Bundesregierung, wenn das Konzept umgesetzt
wird, den bereits eingeführten Haushaltsscheck und die steuerliche Absetzbarkeit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse im privaten Haushalt beibehalten, und falls
nein, wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die derzeit in privaten Haushalten bestehenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse?
Frau Dr.
Böhmer, die Notwendigkeit einer Überarbeitung des
Haushaltsscheckverfahrens wird im Rahmen der Erarbeitung der von mir gerade erwähnten Eckpunkte geprüft. Der zum 1. Januar 1997 eingeführte Haushaltsscheck hat sich im übrigen leider - ich nehme einmal an,
daß Sie das auch so sehen - nicht bewährt, nicht den erwarteten Nutzen gehabt und nicht zu dem angestrebten
Beschäftigungszuwachs geführt. Bis zum 31. Dezember
1998, also in einem Zeitraum von zwei Jahren, wurden
insgesamt nur 8 449 Haushaltsschecks bei den Krankenkassen eingereicht. Auch die Erweiterung der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kosten für eine Haushaltshilfe
- darüber haben wir ja gerade schon gesprochen - hat
sich leide nicht so in Beschäftigung niedergeschlagen,
wie es von Ihnen erwartet worden war.
Frau Kollegin Dr.
Böhmer, eine Nachfrage.
Sie beabsichtigen
also zu prüfen, ob dieses Verfahren durch Dienstleistungsgutscheine abgelöst werden soll. Trifft es zu, daß
in den Genuß solcher Dienstleistungsgutscheine gemäß
dem Konzept, das in der letzten Legislaturperiode vorgelegt worden ist, nur Personen über 80 Jahre und Familien mit Kindern kommen sollen?
Frau Dr.
Böhmer, ich habe Ihnen gesagt, daß wir all das prüfen.
Es stellt sich in der Tat die Frage, ob man nicht, wenn
man steuerliche Mittel zur Förderung dieser Beschäftigung nutzt, zielgerichtet besondere Personengruppen in
den Genuß dieser Förderung kommen läßt. Aber die
Einschränkungen, die in unserem Antrag aus der letzten
Legislaturperiode vorgesehen waren, entsprechen nicht
den Einschränkungen, die wir im Rahmen unserer Überprüfung vorzunehmen beabsichtigen.
Eine zweite Nachfrage der Kollegin Dr. Böhmer, bitte.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, ich setze noch einmal bei Ihren
Planungen an, Dienstleistungsgutscheine einzuführen,
die im Zusammenhang mit Dienstleistungsagenturen
ausgegeben werden sollen. Gemäß Ihren Vorschlägen
planen Sie, Dienstleistungsagenturen einzurichten. Es
existieren aber bereits weit über 100 Dienstleistungszentren in Deutschland, deren Förderung teilweise schon
ab 1. April ausläuft. Was gedenken Sie zu tun, damit
diese Dienstleistungszentren ihre Arbeit nicht ad hoc
aufgeben müssen und die dort beschäftigten Frauen
nicht arbeitslos werden?
Frau Dr.
Böhmer, es hat sich ja gezeigt, daß diese Dienstleistungsagenturen einen hohen Förderbedarf haben, um
ihre Dienstleistungen zu marktgerechten Preisen anbieten zu können. Wir werden prüfen, in welcher Form solche Dienstleistungsagenturen oder -zentren arbeiten
sollen. Auch Sie können nicht behaupten, daß die jetzige
Form der Arbeit und die notwendige finanzielle Förderung dieser Dienstleistungsagenturen dafür spricht, ihre
flächendeckende Ausbreitung voranzutreiben.
Herr Kollege Niebel,
Ihre Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade festgestellt, daß gut 30 000 Arbeitsplätze, die
durch die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit
geschaffen wurden, und gut 8 000 Arbeitsplätze, die
durch das Haushaltsscheckverfahren geschaffen wurden,
betroffen sind. Das macht round about zirka 40 000 betroffene Arbeitsplätze. Wie kommen Sie zu der Erkenntnis, daß diese rund 40 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse weniger wert
sind als andere, eventuell zu begründende sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Anders
gefragt: Vertreten Sie hier nicht reine Ideologie?
Nein, das ist
keine reine Ideologie. Wir müssen vielmehr sorgfältig
prüfen, wie das Verhältnis zwischen dem finanziellen
Aufwand aus Steuermitteln und dem erzielten Ergebnis
aussieht.
Frau Kollegin Kressl,
Sie haben eine weitere Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, können Sie Informationen aus dem Finanzministerium bestätigen, daß ein Großteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushalten
ausschließlich begründet wurde, um auf Grund der steuerlichen Absetzbarkeit Mitnahmeeffekte zu erzielen?
Das muß ich
Ihnen leider bestätigen.
Nun rufe ich die
Frage 39 des Abgeordneten Thomas Strobl auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die nachhaltige Kritik aus
zahlreichen Landesregierungen an der geplanten Sozialabgabenpflicht für 630-DM-Jobs und generell an der Neuregelung der
geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse?
Herr Strobl,
wegen des inneren Zusammenhangs möchte ich Ihre
Frage nach der Kritik zahlreicher Landesregierungen an
der geplanten Sozialabgabenpflicht für 630-DM-Jobs
und Ihre Frage nach der Bereitschaft der Bundesregierung, dem Wunsch dieser Landesregierungen entsprechend Regelungen im Gesetz zur Neuregelung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse nachzubessern, zusammen beantworten. Die Anzahl Ihrer Nachfragen wird
sich dadurch nicht verringern.
Dann rufe ich noch
die Frage 40 des Abgeordneten Thomas Strobl auf:
Ist die Bundesregierung nun bereit, dem Wunsch dieser Landesregierungen entsprechend, Regelungen im Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, die insbesondere im Bereich der Zeitungszusteller und der Beschäftigten
in der Gastronomie sich nachteilig und sinnwidrig auswirken
dürften, nachzubessern?
Der Bundesrat hat dem Gesetz zur Neuregelung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse in seiner Plenarsitzung am
19. März, also am Freitag letzter Woche, zugestimmt.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Befürchtungen vieler Zeitungsverlage und des Hotel- und Gaststättengewerbes in der vorliegenden Form nicht begründet sind. Sie nimmt jedoch die von den Ländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen vorgetragenen Befürchtungen ernst. Sie wird die Auswirkungen des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse sorgfältig beobachten und gegebenenfalls Korrekturen vorschlagen, wenn sich die betriebliche Praxis anders, als vom Gesetzgeber beabsichtigt,
entwickeln sollte.
({0})
- Frau Wülfing, ich weiß, wovon ich in meinen Antworten rede.
({1})
Herr Kollege Strobl,
Ihre erste Nachfrage.
Frau Staatssekretärin
Mascher, wie verträgt sich Ihre Aussage in bezug auf die
Zeitungszusteller mit dem Versprechen des Bundeskanzlers an die Zeitungsverleger, daß es keine Verschlechterungen in diesem Bereich geben werde?
Herr Strobl,
wir haben im Gesetz selber schon verankert, daß wir einen Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes in den
verschiedenen Branchen vorlegen werden.
({0})
Der Arbeitsminister hat in den Beratungen des Bundesrates angekündigt, daß wir gegebenenfalls dieser Berichtspflicht schon früher nachkommen, um Korrekturen
vorzunehmen, falls die Entwicklung anders als gedacht
verläuft.
({1})
- Nein, das ist keine Politik auf Zuruf, sondern eine
Politik, die sich auch an der realen Entwicklung orientiert.
({2})
Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin,
gerade in den letzten Tagen hat sich gezeigt, daß bei den
Vorbereitungsarbeiten für das Inkrafttreten des Gesetzes
am 1. April dieses Jahres ein wahres Bürokratiechaos
sowohl für Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch für die Mitarbeiter der Finanzämter
und die Beschäftigten der Krankenkassen entstanden ist.
Sind Sie der Meinung, daß dieses Gesetz einen Beitrag
zur Entbürokratisierung in Deutschland darstellt?
Ich würde es
nicht als „Bürokratiechaos“ bezeichnen, wenn das Angebot, im Rahmen einer Telefon-Hotline Fragen an
64 Experten zu stellen, zu einer solch großen Nachfrage
führt, daß nicht jeder Anrufer sofort durchkommt und
die gewünschte Antwort erhält. Diese Situation halte ich
noch nicht für ein Bürkratiechaos. Insofern teile ich Ihre
Befürchtungen nicht, daß die Neuregelung zu einer ausufernden Bürokratie führen wird.
Kollege Strobl, Sie
haben noch zwei Nachfragen, da Frau Mascher Ihre beiden Fragen zusammen beantwortet hat, bitte.
Frau Staatssekretärin,
wollen Sie allen Ernstes bestreiten, daß das Gesetz zur
Neuregelung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse
ein Mehr an Bürokratie für die von mir genannten Personengruppen mit sich bringt?
Herr Strobl,
ich bestreite überhaupt nicht, daß diese von uns vorgenommene Umstellung am Anfang Eingewöhnungsschwierigkeiten mit sich bringen wird. Ich bestreite auch
nicht, daß die amtierende Bundesregierung angesichts
der Untätigkeit der letzten Bundesregierung einen erheblichen Problemberg in diesem Bereich abzubauen
hat.
({0})
Ich bestreite aber ganz entschieden, daß dieses Gesetz
nach den Anlaufschwierigkeiten große bürokratische
Probleme mit sich bringen wird.
Herr Strobl, noch eine letzte Nachfrage.
Frau Staatssekretärin,
können Sie Pressemitteilungen von heute bestätigen,
nach denen 64 Fachleute aus dem Finanzministerium
und dem Arbeitsministerium zwölf Stunden am Tag damit beschäftigt sind, telefonische Anfragen zu beantworten, aber die Nachfrage nicht befriedigen können,
und würden Sie uns gelegentlich Auskunft darüber geben welche Kosten diese Aktion für den Steuerzahler
verursacht?
Wir werden
Ihnen gerne Auskunft darüber geben, wie sich diese
Hotline bewährt hat, Herr Strobl. Es ist Ihnen sicher bekannt, daß das Bundesarbeitsministerium solche Hotlines seit 1971 einsetzt, weil wir versuchen, schwierige
Gesetze möglichst bürgernah in direkten Antworten zu
erläutern.
({0})
Diese Aktion, die wir jetzt durchführen, ist keine neue
oder ungewöhnliche Aktion, sondern das ist eine Praxis,
die das BMA schon unter verschiedenen Arbeitsministern geübt hat.
({1})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, es verbleiben noch sechs Minuten für die
Fragestunde. Mir liegen jetzt noch fünf Nachfragen zu
dieser Frage vor. Damit schließe ich die Frageliste. Wir
kommen danach zur Aktuellen Stunde.
Kollege Dreßen, Ihre Nachfrage bitte.
Frau Staatssekretärin, vorhin
wurde nach den Zeitungszustellern gefragt. Ist Ihnen eigentlich bekannt, daß schon in der Vergangenheit einige
Zeitungsverlage ordentliche Beschäftigungsverhältnisse
hatten, die ordnungsgemäß angemeldet waren und bei
denen die Beschäftigten mit 800 DM oder 900 DM bezahlt wurden, und daß diese Zeitungsverlage, wenn wir
hier nicht gehandelt hätten, im Nachteil gegenüber den
Zeitungsverlegern gewesen wären, die sich in der Vergangenheit sehr unkulant gegenüber ihren Arbeitnehmern verhalten haben?
Herr Dreßen,
es ist mir bekannt, daß sich die Zeitungsverlage und
Zeitungsverleger sehr unterschiedlich gegenüber ihren
Beschäftigten verhalten haben. Diese unterschiedliche
Behandlung gibt es auch in anderen Branchen. Es macht
sicher auch eine gewisse Schwierigkeit bei der Umsetzung dieses Gesetzes aus, daß jetzt hier teilweise eine
Umstellung erfolgen muß, die von den Arbeitgebern so
nicht gewünscht wird, weil sie sich dann ihre Wettbewerbsvorteile nicht mehr zu Lasten der Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen verschaffen können.
Frau Kollegin Widmann-Mauz, bitte Ihre Frage.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade bei der Beantwortung der
Frage des Kollegen Strobl darauf hingewiesen, daß Sie,
wenn reale Entwicklungen zu größeren Problemen bei
der Umsetzung führen würden - vor allem im Bereich
der Zeitungsverleger -, unter Umständen zu Korrekturen
bereit wären. Meine Frage zielt darauf ab: Inwieweit ist
geplant, die Telefonaktion dahin gehend auszuwerten,
daß unter Umständen auch bei großen Problemen, die
sich bei privaten Haushalten als Arbeitgebern stellen,
Nachbesserungen vorgenommen werden?
Ich möchte
hier keine Nachbesserungen versprechen, sondern ich
habe nur gesagt, daß wir im Gesetz selber schon festgelegt haben, daß wir einen Bericht über die Erfahrungen
mit diesem Gesetz vorlegen und dann notwendige
Schlußfolgerungen daraus ziehen werden. Darüber hinaus hat der Arbeitsminister im Bundesrat angekündigt,
den Bericht gegebenenfalls früher vorzulegen, so daß
wir auch früher Schlußfolgerungen daraus ziehen können.
Was die privaten Haushalte angeht, haben wir, glaube
ich, die Schwierigkeit, daß es sich hier zum großen Teil
nicht um geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gehandelt hat, sondern um einen grauen Arbeitsmarkt, in
dem cash auf die Hand gezahlt worden ist, und daß jetzt
offensichtlich bei vielen privaten Haushalten überhaupt
das erste Mal ein Bewußtsein entsteht, daß es sich hier
um reguläre Arbeitsverhältnisse handelt, die sozialversicherungspflichtig sind und gegebenenfalls der Besteuerung unterliegen. Dadurch entstehen gewisse Irritationen. Sie kennen sicher die Praxis in Ihrem persönlichen
Umfeld, wie auch Herr Niebel aus seinem persönlichen
Umfeld immer interessante Erfahrungen zu berichten
hat.
Herr Kollege Niebel,
Ihre Frage bitte.
Frau Staatssekretärin, es ist
immer gut, wenn man praktische Erfahrungen in das
parlamentarische Leben einfließen lassen kann. Ich
weiß, daß Sie auch tatsächlich meinen, was Sie hier gesagt haben. Das bedrückt mich ein bißchen.
Sie haben vorhin gesagt, daß die steuerliche Absetzbarkeit bei sozialversicherungspflichtig beschäftigten
Hausangestellten aller Voraussicht nach nicht in der Art,
wie wir sie kennen, erhalten bleiben soll. Jetzt haben Sie
gesagt, daß die Neuregelung der 630-Mark-Beschäftigungen außer in der Anfangsphase nicht zu mehr Bürokratie führen werde. Sie wissen aber doch genausogut
wie ich, daß jeder Privathaushalt, der eine Reinigungskraft auf 630-Mark-Basis beschäftigt, mit exakt dem
gleichen Verwaltungsaufwand zu rechnen hat wie ein
Arbeitgeber, der sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hat.
({0})
Stimmen Sie mir zu, daß, wenn Sie die beiden Möglichkeiten, die wir jetzt haben, abschaffen, die Wahrscheinlichkeit, daß weit mehr Beschäftigungsverhältnisse dieser Art „bar auf die Hand“ abgewickelt werden,
größer wird?
({1})
Herr Niebel,
ich habe nicht gesagt, daß wir irgend etwas abschaffen.
Ich habe vielmehr gesagt, daß wir dies im Rahmen der
Entwicklung von zusätzlicher Beschäftigung im Bereich
haushaltsbezogener Dienstleistungen prüfen.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin Böhmer.
Frau Staatssekretärin, ich knüpfe an die Ausführungen an, die Sie im Zusammenhang mit der Telefonhotline gemacht haben. Offensichtlich besteht ein großer Informationsbedarf. Ich
gehe davon aus, daß viele Fragen von Privathaushalten
kommen, glaube aber nicht, daß dies nur aus Gründen
des Entdeckens von Arbeitsverhältnissen geschieht.
Immerhin haben drei Untersuchungen belegt, daß es
mehrere Millionen geringfügig Beschäftigte im Privathaushalt gibt - darüber hinaus zweifellos auch Schwarzarbeit.
Ich konzentriere mich jetzt auf diese mehreren Millionen geringfügig Beschäftigten im Privathaushalt. Die
Bundesversicherungsanstalt hat erklärt, sie sehe sich
nicht in der Lage, zu dem Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse Kontrollen durchzuführen. Sie
haben im Gesetz vorgesehen, daß sich die Kontrollen
auch auf die Privathaushalte erstrecken. Wie gedenken
Sie dies zu tun?
Frau Dr.
Böhmer, die Kontrolle über die richtige Abführung von
Sozialversicherungsbeiträgen sollte da stattfinden, wo
möglicherweise größere Dunkelfelder vorliegen. Ich
denke, erste Priorität ist nicht, alle privaten Haushalte zu
überprüfen. Die erste Priorität liegt in ganz anderen Bereichen.
Zu einer letzten Zusatzfrage der Kollege Hirche.
Frau Staatssekretärin, worin
liegt der besondere soziale Sinn, daß jemand, der
4 000 DM verdient und daneben noch eine 630-MarkBeschäftigung hat, den vollen Krankenkassenbeitrag
zahlen muß, aber jemand, der 8 000 DM verdient und
daneben noch einen 630-Mark-Vertrag hat, nur eine
Pauschale abführen muß?
Sie sprechen
hier von der Zusammenrechnung der Einkünfte aus
Haupt- und Nebenbeschäftigung. Ich denke, dies ist in
der Tat gerechtfertigt, da die Sozialversicherungspflicht
derer, die dieses Einkommen nicht durch Haupt- und
Nebenbeschäftigung, sondern insgesamt verdienen, gleich
hoch ist.
Das, was Sie ansprechen, hat mit der Beitragsbemessungsgrenze zu tun. Man kann über die Gerechtigkeit
der Beitragsbemessungsgrenze vortrefflich spekulieren.
Es hat auch Überlegungen gegeben, sie anzuheben oder
ganz abzuschaffen. Ich kann mir aber nicht vorstellen,
daß das Ihre Absicht ist, Herr Hirche.
({0})
- Der Sinn ist, daß wir uns an der Beitragsbemessungsgrenze orientieren. Über den Sinn und die soziale Gerechtigkeit dieser Beitragsbemessungsgrenze würde ich
mit einem Vertreter der F.D.P. gerne diskutieren.
({1})
Ich danke Ihnen,
Frau Staatssekretärin.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Die Fraktion der CDU/CSU hat zu den Antworten der
Bundesregierung auf die Fragen 23 bis 29 zur Besteuerung von Unternehmen und zur Mehrwertsteuererhöhung eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht
Nr. 1b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache muß nach Nr. 2a der Richtlinien unmittelbar
nach Schluß der Fragestunde durchgeführt werden.
Ich rufe daher auf:
Aktuelle Stunde
Pläne der Bundesregierung zur Erhöhung der
Mehrwertsteuer und zur Besteuerung von Unternehmen
Die für heute von der Fraktion der F.D.P. verlangte
Aktuelle Stunde wird nach Nr. 5 auf morgen vertagt. Die
ursprünglich für morgen vorgesehene Aktuelle Stunde
der Fraktion der CDU/CSU wurde zurückgezogen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion hat die Kollegin Gerda Hasselfeldt.
- Bitte schön.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung
hätte heute Gelegenheit gehabt, im Rahmen der Fragestunde etwas Licht in das Dickicht ihres steuerpolitischen Desasters im Zusammenhang mit der Unternehmensteuerreform zu bringen. Diese Chance wurde nicht
genutzt.
({0})
Die Fragen waren konkret. Die Antworten waren vage
und ausweichend - mit dem Ergebnis, daß die Bürger,
die Unternehmen und die Betriebe weiterhin im unklaren gelassen werden und weiterhin in Unsicherheit darüber sind, was sie im Rahmen der Unternehmensteuerreform erwartet.
({1})
Ich habe Verständnis dafür, daß man zunächst einmal
nachdenkt und dann handelt. Aber das, was Sie hier in
den letzten Wochen und Monaten bezüglich der Steuerpolitik getan haben, war das Gegenteil.
({2})
Sie haben eine Steuerreform verabschiedet, wohl wissend, daß sie nicht den Anforderungen der wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht. Sie haben diese Reform
gegen den erklärten Rat von Sachverständigen aus der
Wirtschaft und aus den Verbänden verabschiedet. Sie
haben schon bei der Verabschiedung dieser Reform gesagt: Wir werden im Zuge der Unternehmensteuerreform die Situation der Unternehmen verbessern. Sie
haben den Unternehmen bzw. den Betrieben immer
wieder ein Trostpflaster angekündigt.
Ihre Vorschläge hinsichtlich der Unternehmensteuerreform, die Sie heute vorgetragen haben, machen deutlich, daß das ein großes Täuschungsmanöver war.
({3})
Je aktueller die Unternehmensteuerreform wird, desto
widersprüchlicher werden die Äußerungen aus den Kreisen der Regierung und der Koalitionsfraktionen.
Hinzu kommen die Forderungen der letzten Tage, die
Mehrwertsteuer zu erhöhen. Seien Sie doch ehrlich: Es
geht Ihnen gar nicht mehr um das Ob einer Mehrwertsteuererhöhung, sondern nur noch um eine geeignete
Begründung.
({4})
Das Ergebnis Ihrer bisherigen Diskussionen über Ihre
Steuerpolitik ist folgendes: Es besteht eine tiefe Verunsicherung in der Bevölkerung. Investitionen und die
Schaffung von Arbeitsplätzen unterbleiben. Die Leidtragenden sind die Arbeitnehmer und die Arbeitslosen.
Nicht zuletzt der Präsident des Zentralverbandes des
Deutschen Handwerks, Herr Philipp, hat erst gestern
wörtlich gesagt: Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt.
Das haben Sie auf Grund Ihrer falschen Entscheidungen,
Ihrer ständigen Änderungen und Flickschustereien in der
Steuerpolitik sowie auf Grund Ihrer Versprechungen, die
Sie nicht halten, zu verantworten.
({5})
Es wäre an der Zeit, endlich Farbe zu bekennen, und
zwar einheitlich. Es ist ja so, daß heute einer von Ihnen
sagt: „Die Wirtschaft braucht eine Entlastung“, und daß
am gleichen Tag ein anderer aus Ihren Reihen sagt:
„Steuersenkungen in bezug auf die Wirtschaft sind ausgeschlossen; die wird es nicht mehr geben“.
({6})
Was gilt denn nun eigentlich?
({7})
Heute ist deutlich geworden: Nicht einmal in der Bundesregierung selbst ist man sich im klaren darüber, wie
es im Hinblick auf die Gewerbesteuer, den Höchststeuersatz im Rahmen der Körperschaftsteuer, auf eine
allgemeine steuerliche Entlastung und im Hinblick auf
ausländische Investoren weitergeht. Was machen Sie mit
Personenunternehmen? Was machen Sie mit dem Mittelstand? Was machen Sie mit den Freiberuflern? Was
machen Sie mit der Landwirtschaft? Was machen Sie
mit der Spreizung der Steuersätze?
({8})
All das sind Fragen, die nicht beantwortet wurden. Im
Hinblick auf diese Bereiche machen Sie aber laufend
Versprechungen.
Nun möchte ich eine Bemerkung in Richtung Frau
Scheel machen - denn sie schaut gerade so lächelnd zu
mir -: Frau Scheel, Sie haben erst vor wenigen Tagen
wörtlich gesagt - dies war in der Zeitung nachzulesen -:
Als Signal für ausländische Investoren sind niedrige
Steuersätze unheimlich wichtig.
({9})
Das ist natürlich richtig. Das hätten Sie von uns abschreiben können.
({10})
Ich möchte dies erweitern: Niedrige Steuersätze sind
nicht nur für ausländische Investoren wichtig. Nur, Frau
Scheel, warum soll das erst jetzt geschehen?
({11})
Wo bleibt Ihre Glaubwürdigkeit? Wenn man sich Ihr
Verhalten im Hinblick auf die Steuerreform in den letzten Monaten vor Augen führt, dann ist festzustellen: Sie
haben in den Diskussionen, an denen Vertreter der Wirtschaft beteiligt waren, einerseits immer gesagt, daß das
ein Gesetz ist, das noch nachgebessert werden muß. Sie
haben andererseits hier in diesem Haus das Steuerentlastungsgesetz großspurig als Reform verkündet.
({12})
Das ist eine Doppelzüngigkeit, wie sie nicht mehr zu
überbieten ist.
({13})
Ich fordere Sie deshalb auf: Geben Sie Ihren Zickzackkurs in der Steuerpolitik auf! Sorgen Sie für eine
einheitliche Linie in der Regierung und in den Koalitionsfraktionen! Sagen Sie den Menschen die Wahrheit!
Denn sie haben ein Recht darauf.
({14})
Ich gebe das Wort
der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Barbara
Hendricks.
({0})
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich
wirklich, daß ich jetzt von dieser Stelle aus zu Ihnen reden darf. Offenbar ist es notwendig, immer wieder zu
versuchen, die zutreffenden Argumente auch in die Köpfe der Opposition hineinzubekommen.
Die Rede ist von angeblichen Plänen der Bundesregierung zur Erhöhung der Mehrwertsteuer. Es gibt aber
seitens der Bundesregierung keinerlei Äußerung, die
Mehrwertsteuer solle erhöht werden,
({0})
weder von Bundeskanzler Gerhard Schröder noch vom
designierten Bundesfinanzminister Hans Eichel. Auch
die SPD-regierten Länder haben keine Initiative in diese
Richtung ergriffen. Wo nehmen Sie von der Opposition
also die Chuzpe her, der Öffentlichkeit weiszumachen,
die Bundesregierung strebe eine Mehrwertsteuererhöhung an? Das ist nichts als der durchsichtige Versuch,
erneut Verunsicherung zu säen und von den Entlastungen abzulenken, die wir gerade im Umfang von gut
20 Milliarden DM beschlossen haben.
({1})
Die Maßnahmen des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 haben wir ohne eine Erhöhung der
Mehrwertsteuer finanziert. CDU/CSU und F.D.P. haben
dagegen 1997 ein Steuerpaket vorgelegt, das auf eine
Erhöhung der Mehrwertsteuer hinauslief. Im Finanztableau zum Steuerreformgesetz 1999 haben Ihre beiden
Herren Fraktionsvorsitzenden, Herr Schäuble und Herr
Solms, eine Fußnote angebracht, die eine Teilfinanzierung Ihrer Reform durch eine Umschichtung von den direkten zu den indirekten Steuern - sprich: Erhöhung der
Mehrwertsteuer oder der Mineralölsteuer - enthielt. Sie,
meine Damen und Herren von der Opposition, haben
daher keinen Anlaß, sich selbstgerecht zu geben.
({2})
Das haben Sie schon deswegen nicht, weil Sie die
Mehrwertsteuer in den vergangenen sechs Jahren zweimal erhöht haben: Am 1. Januar 1993 ist der Satz von 14
auf 15 Prozent gestiegen, und am 1. April vergangenen
Jahres von 15 auf 16 Prozent.
Die finanzielle Erblast der Regierung Kohl hat insgesamt eine Größenordnung von mindestens 30 Milliarden
DM pro Jahr erreicht.
({3})
Solide Staatsfinanzen sind aber eine unverzichtbare
Grundlage für neue Arbeitsplätze, für eine nachhaltige
wirtschaftliche Entwicklung und für soziale Stabilität.
({4})
Deshalb müssen und werden wir dafür sorgen, daß der
Bundeshaushalt wieder in Ordnung kommt und die
Neuverschuldung Schritt für Schritt zurückgeführt wird.
Wer jetzt vorschnell nach Steuererhöhungen ruft, drückt
sich vor der politischen Herausforderung. Es geht jetzt
nicht um Steuererhöhungen. Das Gebot der Stunde
heißt: sparen, sparen und nochmals sparen.
({5})
Die schwere finanzpolitische Erblast der Regierung
Kohl zwingt die neue Bundesregierung zu einem konsequenten Konsolidierungskurs. Schon vor den Bundestagswahlen haben wir den Bürgerinnen und Bürgern gesagt: Wir dürfen nicht länger auf Kosten der kommenden Generationen leben. Deshalb müssen wir auch bereit
sein, unsere Ansprüche an den Staat zurückzunehmen.
Alle Ausgaben müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Die Zielgenauigkeit und Effizienz staatlicher Leistungen muß verbessert werden. Nicht alles, was
wünschbar wäre, ist auch finanzierbar.
Über das Gesamtkonzept des Familienentlastungsgesetzes sowie der Unternehmensteuerreform ist noch
nicht beschlossen. Daher macht es keinen Sinn, heute in
diesem Zusammenhang über eine höhere Mehrwertsteuer zu reden.
({6})
Die Familien mit Kindern sollen entlastet werden. Das
ist die Botschaft. Auch hier holen wir das nach, was Sie
sträflich vernachlässigt haben.
({7})
Noch vor der Sommerpause wird die Bundesregierung entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einen Gesetzentwurf vorlegen, der die seit
vielen Jahren unzureichende steuerliche Berücksichtigung von Kindererziehung und Kinderbetreuung korrigiert. Den Referentenentwurf wollen wir bis Ende April
erstellen.
Ebenfalls bis Ende April - das durfte ich Ihnen heute
ja schon mehrfach sagen - wird die Sachverständigenkommission zur Unternehmensteuerreform ihre Vorschläge bekanntgeben.
({8})
Nach einer politischen Bewertung dieser Empfehlung
wird die Bundesregierung bis zur Sommerpause einen
Gesetzentwurf zur Verwirklichung der ersten Stufe einer
rechtsformunabhängigen Unternehmensbesteuerung mit
einem deutlich niedrigeren Steuersatz für die Unternehmen beschließen.
({9})
- Herr Kollege Michelbach, Sie, der Sie nun in jeder
Fragestunde immer die gleichen Fragen stellen, dürfen
sich nicht wundern, wenn Sie immer die gleichen Antworten bekommen.
({10})
Es wird noch ausreichend Zeit sein, diese Gesetzentwürfe, die Konzepte sowie die Finanzierung in einem
geordneten Gesetzgebungsverfahren zu diskutieren. Anstatt jetzt pausenlos über eine Erhöhung der Umsatzsteuer zu spekulieren und die Menschen zu verunsichern
- dafür tragen Sie die Verantwortung -,
({11})
muß erst das steuerpolitische Gesamtkonzept bestimmt
werden.
({12})
Dazu haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, bisher nichts, aber auch gar nichts beigetragen.
({13})
An einer Sachaussage werden Sie sich aber auf Dauer
nicht vorbeimogeln können. Die Bundesregierung wartet
gespannt auf Ihre Vorschläge.
({14})
Das Wort für die
F.D.P.-Fraktion hat die Kollegin Gisela Frick.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Frau Staatssekretärin, Sie haben eben gesagt - das hat sogar unseren Beifall gefunden -, nicht
alles, was wünschenswert sei, sei auch finanzierbar; das
Gebot der Stunde heiße: sparen, sparen, sparen. Das sagen Sie, aber wie verhalten Sie sich denn?
({0})
Sie haben als erstes das Kindergeld heraufgesetzt,
({1})
den Eingangssteuersatz gesenkt und die Reformansätze
der letzten Legislaturperiode, die nun wirklich bescheiden genug waren, alle wieder rückgängig gemacht. All
das kostet Geld. Von Sparen sehen wir weit und breit
nichts, nur das Ausschenken von Wohltaten.
Sie haben jetzt natürlich die allergrößten Schwierigkeiten, die sogenannte Gegenfinanzierung - eines der
Unwörter dieses Jahres - im Wege von Nachbesserungen sicherzustellen, um Ihre ganzen Wohltaten überhaupt finanzieren zu können.
({2})
Das war doch einer der Gründe, weshalb die Gesetzgebungsverfahren, die sogenannte Ökosteuer und das sogenannte Steuerentlastungsgesetz
({3})
- lassen Sie doch bitte auch mich in Ruhe reden;
({4})
Sie haben die Chance, nachher dazu zu sprechen - geradezu im Schweinsgalopp durchgepeitscht worden sind,
sowohl im Finanzausschuß als auch später, am 19. März,
im Bundesrat.
Die Hauptbegründung dafür war - dies werden Sie wissen, wenn Sie den Ministerpräsidenten von Niedersachsen
am Sonntag gehört haben -: Wir brauchen unbedingt das
Geld. Angesichts dessen ist die Bezeichnung „Steuerentlastungsgesetz“ schon in sich widersinnig. Das zeigt ja, daß
damit Mehreinnahmen verbunden sein sollen.
({5})
Sie brauchen das Geld, um im nachhinein Ihre Anfangswohltaten zu finanzieren. Das ist ganz eindeutig so.
({6})
Lassen wir noch einmal die Fragestunde Revue passieren: Frau Hendricks, Sie haben zur Frage einer Unternehmensteuerreform, die dabei eine große Rolle gespielt hat, nichts gesagt, sondern nur stereotyp betont, es
sei eine Kommission eingesetzt, die ihre Entscheidungen
am 30. April vorlegen werde,
({7})
und erst danach werde ein Gesetzentwurf vorgelegt.
Warum führt denn Ihr Doppelminister Müller die Gespräche mit Kreisen der Wirtschaft ständig im Sinne von
Entlastungen als Trost für die ganzen Belastungen, die
mit dem sogenannten Steuerentlastungsgesetz verbunden sind? Das dürfte er doch eigentlich nicht machen.
Da müßte er sich zurückhalten und in Gesprächen mit
der Wirtschaft die gleiche Antwort wie Sie geben, nämlich daß noch gar nichts klar ist, auch noch nicht - das
haben Sie, Frau Staatssekretärin, in der Fragestunde
eben gesagt -, ob be- oder entlastet wird, und daß das
alles erst nach dem entsprechenden Bericht der Kommission entschieden wird.
({8})
Er hätte nicht auf die Wirtschaft zugehen und mit solch
wunderschönen Aussagen winken dürfen. Das sind alles
nur Versprechen.
Auch im Zusammenhang mit dem Familienentlastungsgesetz hören wir nur Versprechen. Warten wir
einmal ab, was da kommt! Das, was man bisher hört, ist
alles wenig mutmachend.
Wenn Sie, Frau Hendricks, sagen, wir verunsicherten
die Bevölkerung dadurch, daß wir Diskussionen über
eine Mehrwertsteuererhöhung anfangen, muß ich Ihnen
erwidern: Das kam aus Ihren Reihen,
({9})
da gab es am Wochenende eine Kakophonie. Zum Teil
wurde aus Ihren Reihen behauptet, das sei zur Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform nötig. Mit
anderen Worten: Manch einer geht offensichtlich doch
von einer Entlastung aus. Also, es ist ein einziges
Tohuwabohu.
Wir verhalten uns nicht selbstgefällig mit Blick auf
unsere Arbeit in der letzten Legislaturperiode, sondern
wollen nur für unsere weitere Arbeit Klarheit. Aber noch
wichtiger ist: Wir wollen Klarheit für die Bevölkerung.
Denn das, was im Moment läuft, verhindert, daß die
Konjunktur anspringt; es verhindert Investitionen und
vernichtet damit Arbeitsplätze.
({10})
Das eben war das Ziel, das Sie sogar ausdrücklich zur
Meßlatte Ihrer Regierungszeit erhoben haben.
Sie werden erheblichen Schiffbruch erleiden, wenn
Sie so weitermachen wie bisher. In einer solch unsicheren Phase wird keiner mehr investieren, wird keiner
mehr Arbeitsplätze schaffen. Vielmehr werden Arbeitsplätze abgebaut werden, und ein Großteil wird - dank
Ihrer tollen Vorschläge zu den 630-Mark-Jobs, der
Scheinselbständigkeit und einer zweiten und dritten Stufe der Ökosteuer, die noch drohen - in die Schwarzarbeit abwandern. Das ist ganz eindeutig so.
Deshalb bitte ich Sie: Nehmen Sie das alles, soweit es
noch geht, zurück. Machen Sie ein Gesamtkonzept, das
in sich stimmig ist und mit dem das Ziel erreicht wird,
das Sie sich selber gesetzt haben, nämlich mehr Arbeitsplätze zu schaffen.
Danke schön.
({11})
Das Wort für Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Christine Scheel.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Vorab eine
kurze Bemerkung zu den Ausführungen von Frau Kollegin Frick. Wir haben das Kindergeld selbstverständlich
- ich muß sagen: Gott sei Dank - nicht nur deshalb heraufgesetzt,
({0})
weil das Bundesverfassungsgericht das vorgibt, sondern
weil wir selber wollen, daß die Familien in diesem Land
endlich mehr entlastet werden.
({1})
Der zweite Schritt wird im Sommer folgen, wenn wir
die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes für die
Familien umsetzen. Dann müssen wir in einem Kraftakt
das, was Sie 16 Jahre lang versäumt haben, trotz der
schwierigen Haushaltslage mit einem strukturellen Defizit von über 20 Milliarden DM voranbringen.
({2})
Das müssen wir aushalten und dafür sorgen, daß die
Haushaltslage stimmt. Trotz dieser schwierigen Haushaltslage werden wir den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts natürlich umsetzen, und zwar im Sinne
der Familien.
({3})
- Melden Sie sich ruhig zu Wort. Ihre Zwischenrufe
sind wenig hilfreich, lieber Herr Kollege. Es nutzt Ihnen
überhaupt nichts, mit dieser Debatte darüber hinwegtäuschen zu wollen - alle zwei oder drei Wochen jubeln Sie
uns eine Mehrwertsteuererhöhung unter -,
({4})
daß Sie genau diese Erhöhung in der letzten Legislaturperiode in Ihren Petersberger Beschlüssen verankert haben, und zwar inklusive einer Mineralölsteuererhöhung.
Damit wollten Sie nicht den Faktor Arbeit und nicht die
Familien entlasten, sondern ihre Haushaltslöcher stopfen, die sich auftaten, weil Sie ungerechtfertigte Versprechungen an die Großindustrie gemacht hatten.
({5})
Es ist vollkommen klar, daß wir die Arbeitsergebnisse der Kommission für die Unternehmensteuerreform
abwarten. Aus diesem Grunde wurde die Kommission ja
eingesetzt. Sie beschäftigt sich mit den Vorgaben, die
die Koalitionspartner politisch vereinbart haben. Das
Ziel ist eine rechtsformunabhängige Besteuerung im
Unternehmensbereich in einer Größenordnung von
35 Prozent. Wir hoffen, daß wir die 35 Prozent einhalten
können,
({6})
und zwar inklusive der Gewerbeertragsteuer.
Auch wenn Sie immer wieder dazwischenrufen: Es
hilft Ihnen nichts, davon abzulenken, daß diese neue
Regierung mit dem Steuerentlastungsgesetz
({7})
dafür gesorgt hat - das wurde in der zweiten und dritten
Lesung deutlich -, daß die kleinen und mittelständischen
Unternehmen im Saldo um 5 Milliarden DM entlastet
werden,
({8})
daß die Unternehmen bei der Ökosteuer im Saldo um
3 Milliarden DM entlastet werden. Sie wollen dies nicht
zur Kenntnis nehmen. Sie sind uns noch heute schuldig,
zu erklären, wie Ihre Berechnungen angestellt wurden.
Sie übernehmen immer wieder die Berechnungen von
Herrn Stihl und Herrn Henkel, die auf keiner wissenschaftlichen Grundlage basieren.
({9})
Wir haben das berechnen lassen. Es ist vollkommen
klar, daß es hier zu einer Entlastung für die kleinen und
mittleren Unternehmen kommt. Wir wollen die kleinen
und mittleren Unternehmen auch bei der Unternehmensteuer entlasten.
Dieses ungerechtfertigte Miesmachen, wie zuletzt
beim Steuerentlastungsgesetz, schadet dem Investitionsklima in Deutschland. Es schadet ihm auch im Ausland.
Wenn Sie permanent mit diesen alten und falschen
Zahlen hantieren, dann schaden Sie nicht den Regierungsfraktionen, sondern der hiesigen Wirtschaft.
({10})
Das ist viel schlimmer. Denn die Investitionsbereitschaft
wird auf Grund Ihrer Äußerungen gebremst.
Klar ist, daß wir, was die leidige Diskussion über Gegenfinanzierung und Mehrwertsteuererhöhung betrifft,
Belastungen für den Haushalt oder auch eine Steuererhöhung zur Finanzierung der Unternehmensteuerreform
für unverantwortlich halten und ausschließen. Die
Finanzierung wird aus verschiedenen Bausteinen zusammengesetzt. Diese Bausteine werden wir in den
kommenden Wochen in aller Ruhe und unter Berücksichtigung aller Konzepte, die in diesem Jahr noch vorgelegt werden, prüfen. Dies wird auch quantifiziert werden. Ich kann Ihnen sagen: Wir tun alles, um eine
Mehrwertsteuererhöhung zu verhindern.
({11})
Heute wurde von verschiedenen Kollegen, beispielsweise von Herrn Metzger, gesagt, daß wir eine langfristige Neuausrichtung beim Verhältnis der indirekten und
direkten Besteuerung brauchen. Dies kann nur heißen:
({12})
Erstes Ziel ist Sparen, Haushaltskonsolidierung, saubere
Gesetze auf den Weg bringen.
({13})
Wir werden dann im Zusammenhang mit der Steuerschätzung und den dann vorliegenden konjunkturellen
Daten das Gesamtkonzept vorlegen und eine EntscheiChristine Scheel
dung treffen. Heute ist es dafür zu früh. Da können Sie
so herumschreien, wie Sie wollen.
Zum Abschluß sage ich ganz ernst: Wenn es mittelfristig zu einer Mehrwertsteuererhöhung kommen sollte,
({14})
dann müßte gerade über das Verhältnis der direkten und
indirekten Steuern nachgedacht werden. Gleichzeitig
müßte die Vorgabe der Kommission umgesetzt werden,
Frau Kollegin, ich
muß Sie bitten, jetzt zum Schluß zu kommen.
- einen letzten Satz noch -, daß man die Einnahmen aus
der Erhöhung der indirekten Steuern - dabei geht es
auch um die Energiesteuer - nicht im Haushalt versakken läßt, wie Sie das vorhatten, sondern dafür verwendet, den Faktor Arbeit und die Lohnnebenkosten zu entlasten.
({0})
Das wäre ein sauberes Ziel, und das schließen wir nicht
aus.
Deswegen sagen wir, mittelfristig kann eine Mehrwertsteuererhöhung möglich sein. Jetzt hat die Regierung so etwas nicht vor.
({1})
Wir begeben uns jetzt in die Zielgerade
({2})
und sagen: saubere Gesetze und keine Gegenfinanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung.
({3})
Das Wort für die
PDS-Fraktion hat der Abgeordnete Gustav-Adolf Schur.
Herr Präsident! Werte
Kolleginnen und Kollegen! Ich bin kein Steuerexperte.
Deshalb werden Sie sich wahrscheinlich wundern, daß
ich heute um das Wort gebeten habe. Aber ich meine,
daß es für die Diskussion ganz nützlich ist, wenn sich
jemand einmischt, der sie frei von steuerpolitischer
Polemik führen kann.
Worum geht es? Es geht um die Anhebung der
Mehrwertsteuer, einer Steuer, von der alle Menschen in
Deutschland betroffen sind. Ich erinnere daran: Die
letzten zwei Mehrwertsteuererhöhungen - die Frau
Staatssekretärin hat das angesprochen - wurden in großer Koalition von CDU/CSU, F.D.P. und SPD beschlossen.
Gleichzeitig geht es um die Absenkung der Unternehmensteuern. Diese Absenkung soll durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer finanziert werden. Wie anders? Damit Siemens, Daimler-Benz oder die Deutsche
Bank und andere in Zukunft weniger Steuern zahlen
müssen, werden die Bürgerinnen und Bürger zur Kasse
gebeten.
({0})
Arbeitslose, Studierende, Rentnerinnen und Rentner,
Sozialhilfeberechtigte finanzieren steigende Unternehmensgewinne. Jedes Kleidungsstück für Kinder, jedes
Medikament, jede Telefonrechnung wird durch die Anhebung der Mehrwertsteuer teurer. Menschen mit geringem Einkommen sind davon besonders betroffen.
Einige Abgeordnete der SPD-Fraktion nennen eine
solche Politik sozial. Ich nenne eine solche Politik einfach Sozialraub.
({1})
Meine Damen und Herren von der Regierung, Ihre
Politik ist für die Bürgerinnen und Bürger sehr schwer
verständlich. Im Bundeshaushalt werden bis zum Jahr
2002 mindestens 30 Milliarden DM fehlen. Vereine und
Verbände können ihre Kulturarbeit nicht fortsetzen;
zahlreiche Sportvereine kämpfen ums Überleben.
Gleichzeitig sollen wir es uns aber leisten können, die
Unternehmensteuern zu senken und weiter auf die Vermögensteuer zu verzichten. Die Steuerreform wird rund
20 Milliarden DM, die Senkung der Unternehmensteuern rund 10 Milliarden DM kosten - Geld, das an
allen Ecken und Enden fehlt.
Nach dem Goldenen Plan Ost des Deutschen Sportbundes sollten die Sportstätten in den neuen Bundesländern bis zum Jahr 2010 das Niveau der westdeutschen
erreichen. Noch im November 1998 versprach Herr Innenminister Schily eine Anschubfinanzierung von
100 Millionen DM. Im Haushalt 1999 sind gerade einmal 15 Millionen eingestellt. Für die Verwirklichung
des Goldenen Plans Ost sind jedoch mindestens 20 Milliarden DM notwendig. Bei den sich eröffnenden Haushaltslücken ist aber jetzt schon zu befürchten, daß diese
Mittel dem Sport nicht zufließen werden. Es ist weiterhin zu befürchten, daß eine Erhöhung der Mehrwertsteuer die Sportvereine noch zusätzlich belastet, denn
auch Trainingsgeräte und Trainingskleidung zum Beispiel werden sich weiter verteuern.
Meine Damen und Herren von der Regierung, anstatt
über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nachzudenken,
könnten Sie eine Erleichterung für die 2,5 Millionen
Menschen schaffen, die ehrenamtlich in über 80 000
Sportvereinen arbeiten,
({2})
und zwar - das darf ich sagen - seit Jahren, mitunter seit
Jahrzehnten mit einer außerordentlich hohen Einsatzund Risikobereitschaft und mit hoher moralischer Verantwortung - mit hoher moralischer Verantwortung
deswegen, weil oftmals die zweite Reihe hinter ihnen
fehlt und diese Menschen das Training und die Betreuung unserer Bürger im Sport absichern müssen. Eine
Möglichkeit für eine Entlastung dieser Menschen wäre
zum Beispiel die Anhebung der steuerfreien Aufwandpauschale im Einkommensteuerrecht. Das wäre für viele
Menschen ein wichtiger und verständlicher Schritt.
Ich bedanke mich.
({3})
Das war die erste
Rede des Kollegen Gustav-Adolf Schur. Ich darf ihm im
Namen des Hauses dazu gratulieren.
({0})
Nun gebe ich für die SPD das Wort dem Kollegen
Jörg-Otto Spiller.
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und von der F.D.P., auch wenn Sie es
nicht gerne hören: Sie haben nach 16 Jahren Regierung ein
steuerrechtliches Trümmerfeld hinterlassen.
({0})
Am übelsten ist die Verwüstung im Bereich der Unternehmensbesteuerung.
({1})
Denn wir haben nirgendwo so krasse Unterschiede und
so starke Abweichungen von dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wie bei der Unternehmensbesteuerung.
({2})
An Ihrer Stelle wäre ich ganz, ganz leise. Die Kollegin
Hasselfeldt hat vorhin an die Kollegin Scheel die Frage
gerichtet: Warum denn jetzt? - Warum denn jetzt? Warum haben Sie sich nicht vor ein paar Jahren
({3})
dieses Themas - der Beseitigung Ihres Chaos bei der
Unternehmensbesteuerung - einmal angenommen?
({4})
Viele Unternehmen, gerade aus dem Mittelstand, klagen
völlig zu Recht, Herr Michelbach, über die hohe Belastung mit Steuern und Abgaben.
({5})
Es ist zugleich ein Skandal, daß es in den letzten Jahren
immer wieder möglich war, daß sich auf Grund Ihrer
Steuerpolitik gutverdienende Großunternehmen mit
glänzenden Erträgen der Steuerpflicht in Deutschland
völlig entzogen haben,
({6})
und zwar auf legale Weise - dank der Verwüstung, die
Sie im Bereich des Steuerrechts angerichtet haben.
({7})
Es gab während Ihrer Regierungszeit eine Grundsatzabteilung im Bundesministerium für Wirtschaft. Ich
weiß gar nicht, wofür Sie diese Abteilung brauchten.
({8})
Diese Grundsatzabteilung war über die 16 Jahre hinweg,
in denen Sie regiert haben, zur Ohnmacht verurteilt, weil
Ihre Regierung ordnungspolitisch prinzipienlos war.
({9})
Sie haben das nicht nur hingenommen, sondern zur Bedienung Ihrer Klientel eine totale Wettbewerbsverzerrung bewußt herbeigeführt, so daß es heute - leider eine ordnungsgemäße und faire Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit im Unternehmenssektor in Deutschland nicht mehr gibt. Das muß erst wieder hergestellt
werden!
({10})
Das werden wir auch tun.
({11})
Ich weiß, daß die Bemerkungen, die der Vorstandsvorsitzende von Daimler-Benz vor ein paar Jahren gemacht hat, nämlich als er sich damit gebrüstet hat, daß
Daimler-Benz bis zum Ende dieses Jahrhunderts in
Deutschland keine Körperschaftsteuern mehr zahlen
werde, auch von vielen Managern und Unternehmern als
eine unnötige Provokation betrachtet worden sind. Aber
der Vorwurf, den man in diesem Zusammenhang erheben muß, ist nicht in erster Linie an den Vorstand von
Daimler-Benz zu richten, sondern an die Politik, die
über 16 Jahre von der CDU/CSU und der F.D.P. betrieben worden ist und die solche Zustände ermöglicht hat.
({12})
Sie haben die OECD erwähnt. Die Mitglieder des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages waren
neulich bei der OECD in Paris. Ich möchte das noch
einmal erwähnen: Dort konnte man erfahren, daß nach
Berechnungen der OECD Deutschland die höchsten Tarifsätze bei der Unternehmensbesteuerung und die niedrigste effektive Besteuerung hat.
({13})
Dies resultiert aus den untragbaren Unterschieden, die es
zwischen der Besteuerung
({14})
von Hunderttausenden von kleinen Unternehmen, die
übermäßig belastet sind, und von großen Unternehmen
gibt, die keine Steuern zahlen. Ich bin ausgesprochen erfreut darüber, daß dies inzwischen auch von Verbänden
des Mittelstandes so gesehen und angesprochen wird.
Ich habe gerade gelesen, daß der Präsident des Bundesverbandes mittelständischer Wirtschaft seine Befriedigung darüber ausgedrückt hat, daß jetzt endlich beispielsweise auch die Energieversorger und die Versicherungen zu einer angemessenen steuerlichen Behandlung
ihrer Rückstellungen gezwungen werden
({15})
und daß sich jetzt nicht mehr die großen Unternehmen
zu Lasten der kleinen Mittelständler ihrer Steuerpflicht
entziehen können.
({16})
Es wird eine schwierige Aufgabe sein, wieder zu
einem ordnungsgemäßen System der Unternehmensbesteuerung zurückzufinden. Es ist auf den Weg gebracht
worden. Wir werden,
({17})
nachdem die Expertenkommission ihre Vorschläge unterbreitet hat, eine intensive politische Beratung brauchen. Leider können wir dabei wohl von Ihnen keine
konstruktive Hilfe erwarten, wenn man Ihre heutigen
Beiträge zum Maßstab nimmt. Wir werden es trotzdem
schaffen. Wir werden auch im Unternehmensbereich für
eine faire und wettbewerbsgerechte Besteuerung sorgen.
({18})
Das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Leo Dautzenberg.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist
notwendiger denn je, weil nämlich die Fragen, um die es
geht, gerade von Ihrer Seite aus, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, in der politischen Diskussion
aufgeworfen worden sind. Es ist eine verkehrte Welt,
wenn Sie uns hier vorwerfen, daß wir von der Opposition - also die F.D.P- oder auch die CDU/CSU-Fraktion - diejenigen wären, die eine Mehrwertsteuerdiskussion eröffnen würden.
Herr Spiller, eines muß man Ihnen konzedieren:
Wenn es nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit gehen
würde und wenn man Ihre steuerpolitischen Beschlüsse
sieht, müßten Sie im Grunde genommen von der Steuer
freigestellt werden.
({0})
Frau Kollegin Hendricks, es ist wohl ein Treppenwitz,
wenn Sie hier immer noch die sogenannte Erblast Kohl
erwähnen. Das, wofür Sie jetzt die Finanzmittel und auch
die Diskussion über die Mehrwertsteuererhöhung brauchen, ist doch einseitig durch Sie hervorgerufen worden:
Sie müssen jetzt nämlich für die vordergründigen Wahlgeschenke bezahlen, die Sie verteilt haben.
({1})
Ist es Ihrer Meinung nach wirklich sozial, wenn Sie
den Familien mit einem Vorlaufgesetz eine Kindergelderhöhung für das erste und das zweite Kind zugestehen
({2})
und sich mit dem Ökosteuergesetz gerade von den Familien und den Familienbetrieben ein Vielfaches von
dem zurückholen, was Sie ihnen vorher gegeben haben?
({3})
Hier wird deutlich, daß Sie kein klares steuer- und finanzpolitisches Konzept haben.
({4})
Hier wird deutlich, daß sich vielmehr Ihre eigene Blokkadepolitik gegen die Vorstellungen der Union und der
F.D.P. zum Steuerentlastungsgesetz der vorigen Legislaturperiode für Sie selbst negativ auszahlt und daß es
sich rächt, daß Sie die Regierung Kohl auf diesem Felde
aus rein politischen Gründen bekämpft haben. Wir
könnten auf dem Weg zu mehr Beschäftigung schon ein
Jahr weiter sein, wenn Sie damals nicht eine solche
Blockadehaltung an den Tag gelegt hätten.
({5})
Frau Kollegin Scheel, ich finde das, was Sie in der
„Rheinischen Post“ erklärt haben, wirklich beschämend.
({6})
Wenn Sie im Ausschuß - gerade als Vorsitzende - mit
dafür Sorge tragen müssen, daß wir vernünftige Beratungsgrundlagen haben, und der „Rheinischen Post“
gegenüber selbst bestätigen, daß mehrere Paragraphen
dieser Reform - des sogenannten Steuerentlastungsgesetzes - überarbeitungsbedürftig, weil kaum anwendbar, seien,
({7})
dann sieht man daran die Flickschusterei. Sie erwecken
zwar bei den Wirtschaftsverbänden draußen den Eindruck, als seien Sie noch ein ernstzunehmender Gesprächspartner; aber im Ausschuß und im Parlament
verhalten Sie sich immer wieder gegensätzlich. Mit
einer so billigen Masche kommen Sie nicht durch.
({8})
Wir können diese Masche nicht zulassen.
({9})
Frau Hendricks, wenn Herr Müller als Doppelminister draußen Ankündigungen macht und versucht,
({10})
das gestörte Vertrauensverhältnis zur Wirtschaft wieder
zu heilen, indem er eine Unternehmensteuerreform verspricht, deren Eckpunkte bereits von der Regierung entschieden worden seien, und wenn Sie sich wiederum
hier hinstellen und sagen, das alles sei noch nicht beschlossen, ist das eine Arbeitsteilung, die wir nicht mitmachen. Es geht nicht, daß einige in Ihrer Regierung
immer wieder erklären: „Jawohl, wir tun etwas“, wenn
das hier gleichzeitig dementiert oder kassiert wird.
({11})
Dazu brauchen wir nur Herrn Poß und Herrn von Larcher zu nennen, die erklärt haben, daß es innerhalb der
Unternehmensteuerreform gar keinen Raum für eine
steuerliche Entlastung gebe.
Diese ständige Verunsicherung, die vor allen Dingen
auch zu einer Unglaubwürdigkeit Ihrer Politik führt,
machen wir nicht mit. Deshalb ist diese Aktuelle Stunde
heute dringender denn je notwendig, damit auch die
Botschaft nach draußen gelangt, daß das, was Sie immer
wieder vordergründig vorgeben, reparieren zu wollen,
vom Grundsatz her falsch angelegt ist. Sie haben schon
falsch begonnen. Die Richtung stimmt nicht. Alle Nachbesserungen in dieser Hinsicht bringen nichts. Hätten
Sie unseren Petersberger Beschlüssen zugestimmt, wären wir schon weiter: Dann hätten wir eine gravierende
Entlastung bei den Steuersätzen, dann hätten wir eine
Belebung der Wirtschaft, und dann hätten wir auch die
Chance zu mehr Beschäftigung.
({12})
Auch der Kollege
Dautzenberg hat seine erste Rede im Deutschen Bundestag gehalten. Ich gratuliere ihm im Namen des Hauses.
({0})
Nun hat der Kollege Klaus Müller für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Herr Dautzenberg, ich
möchte Sie an dieser Stelle einmal ernst nehmen. Sie
sagten, hätten wir Ihrem Gesetzentwurf zugestimmt,
dann wären wir jetzt ein Jahr weiter. Aber was wäre
denn dann? Wir hätten es mit Haushaltslöchern zu tun,
die noch größer geworden wären. Wir hätten es mit
einer Mehrwertsteuererhöhung zu tun, die just in Ihrem
Gesetzentwurf stand. Eine kleine Fußnote, sie war verschämt versteckt; heimlich wollten Sie es tun. Ich erinnere mich noch gut daran, als in der heißen Phase des
Wahlkampfes Ihre verehrte Kollegin Nolte genau das,
was Sie verschämt in einer Fußnote versteckt hatten,
nämlich die Mehrwertsteuererhöhung, ausplauderte.
Dumm gelaufen, kann ich dazu nur sagen; denn nachher
brach ein Orkan über sie herein, und sie wurde von
Ihnen gedeckelt und erhielt einen Maulkorb. Ihnen allen
war extrem peinlich, daß ans Tageslicht gekommen war,
was in Ihrem Gesetzentwurf wirklich stand.
({0})
In diesem Parlament sitzen Steuerpropheten unterschiedlichster Couleur. Da haben wir jetzt eine verkehrte
Welt. Man könnte beinahe sagen, daß es bei diesem
Thema eine schwarz-rot-gelbe Koalition gibt: Der Kollege Michael Glos verkündet, die Mehrwertsteuer werde
steigen, der Kollege Westerwelle verkündet, die Mehrwertsteuer werde steigen, und - Entschuldigung, jetzt
kommen wir in der Farbenlehre mit rot und dunkelrot
etwas durcheinander - auch der Kollege Gysi verkündet,
die Mehrwertsteuer werde steigen. Schwarze, Dunkelrote und Gelbe kündigen also an, die Mehrwertsteuer
werde steigen.
({1})
Lassen Sie mich Ihnen deutlich sagen, was Sie damit
anrichten: Das, was Sie hier predigen, ist für das Handwerk fatal, ja geradezu eine Katastrophe.
({2})
Es ist auch für die Tarifparteien fatal. Lesen Sie, was der
Handwerkspräsident Dieter Philipp und der Gewerkschaftsvorsitzende Klaus Zwickel sagen. Dann werden
Sie feststellen, was Sie mit Ihrer Polemik, mit Ihrer Ankündigung einer angeblichen Mehrwertsteuererhöhung
und Ihren Drohungen in die Welt setzen.
Die Regierungsfraktionen haben dagegen zu diesem
Thema eine absolut klare Position.
({3})
Vor uns liegen zwei Gesetzentwürfe, und die Haushaltskonsolidierung steht an. Für alle drei Projekte wäre eine
Mehrwertsteuererhöhung kontraproduktiv.
({4})
Sie glauben doch nicht im Ernst,
({5})
wir würden zur Entlastung der Familien die Mehrwertsteuer erhöhen. Übrigens haben Sie, Herr Dautzenberg,
den Begriff der Erblast bis heute nicht verstanden. Hätten Sie das Karlsruher Urteil, das auf Ihre Regierungszeit zurückgeht und einen Vorlauf von mehr als zehn
Jahren hatte, gelesen und eingesehen, daß Sie den FamiLeo Dautzenberg
lien mit Kindern jede Menge Geld vorenthalten haben,
dann wüßten Sie, was eine Erblast ist und was Rotgrün
jetzt zu schultern hat.
({6})
Lassen Sie mich zu den drei Projekten zurückkommen, die wir uns vorgenommen haben: Beim Familienentlastungsgesetz macht eine Mehrwertsteuererhöhung keinen Sinn.
({7})
Zur Unternehmensteuerreform wurde in der Fragestunde
schon alles Notwendige gesagt. Ich fand es ja sehr nett,
daß Sie immer wieder gegen die Wand gelaufen sind, als
Sie mehrmals versuchten, die gleiche Frage zu stellen,
obwohl Sie doch genau wissen, daß wir hier einen anderen Weg gehen, daß wir uns von externen Experten aus
der Wirtschaft, aus der Wissenschaft und aus den Ländern beraten lassen, um Ende April einen ausgewogenen
Vorschlag vorlegen zu können, den wir uns von Ihnen
nicht wieder kaputtreden lassen.
({8})
Ihnen tut jetzt schon weh, daß Sie von den Verbänden
nachher nicht wieder munitioniert werden können, weil
wir einen Vorschlag vorlegen werden, der von den Verbänden mitgetragen wird. Darum sage ich, daß eine
Mehrwertsteuererhöhung auch für die Unternehmensteuerreform eine kontraproduktive Gegenfinanzierung
wäre.
({9})
Lassen Sie mich noch eines sagen: Wir haben hier zu
Recht gehört, daß diese Koalition den Haushalt konsolidieren und daß sie sparen will.
({10})
Sie glauben doch nicht, daß auch nur ein verehrter Kabinettskollege dazu ernsthaft bereit wäre - man muß
schließlich seinen Einzelplan verteidigen -, wenn irgendwo am Horizont eine Mehrwertsteuererhöhung herumgeistern würde. Darum können wir nur sagen: Momentan wäre für alle drei Reformprojekte, die zur Zeit
auf unserer Agenda stehen, eine Mehrwertsteuererhöhung absolut kontraproduktiv.
Sie versuchen nun, uns für alle Zeiten festzulegen.
Dem kann ich nur entgegnen: Der leider ausgeschiedene
verehrte Herr Finanzminister, Herr Lafontaine, hat dazu
in seiner letzten Rede absolut korrekt „niemals nie“
festgestellt.
({11})
„Nie“ kann keiner sagen. Das zu tun wäre unredlich.
Das ist vielleicht Ihr Politikstil, den Sie immer wieder
praktiziert haben. Wir sagen: Für unsere drei zentralen
Projekte macht eine Mehrwertsteuererhöhung keinen
Sinn. Alles Weitere sehen wir in der Zukunft.
Vielen Dank.
({12})
Ich gebe das Wort
dem Abgeordneten Peter Rauen für die CDU/CSUFraktion.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Müller, ich
weiß gar nicht, wie Sie mir vorkommen. Ich habe vorgestern gelesen, daß Sie sich gegen eine Mehrwertsteuererhöhung ausgesprochen haben. - Also, wir waren es
nicht, die eine Mehrwertsteuererhöhung gefordert haben.
({0})
Wir haben auch das Rauschen im Blätterwald nicht
verursacht. Von vielen aus dem Regierungslager ist vielstimmig - sie pfeifen es wie die Spatzen von den Dächern - davon gesprochen worden, die Mehrwertsteuer
zu erhöhen. Der Wirtschafts- und Finanzminister hat
ausgeführt, daß er eine Mehrwertsteuererhöhung zum
Stopfen von Haushaltslöchern nicht will.
({1})
Dafür habe ich viel Verständnis. Aber es scheint mir
bereits beschlossene Sache, daß es nicht um das Ob,
sondern nur um die Begründung geht. Für mich ist völlig klar, daß die Unternehmensteuerreform als Ihre Begründung für die Mehrwertsteuererhöhung herhalten
muß.
Die Konzeptionslosigkeit der Regierung in der
Finanzpolitik und in der Steuergesetzgebung findet damit nahtlos eine Fortsetzung. Das Abkassieren der Bevölkerung, egal, auf welche Weise, ist offenbar das Ziel
aller Überlegungen dieser Regierung geworden.
({2})
Frau Hendricks, Frau Scheel und Herr Spiller, ich
höre zum wiederholten Male, daß Sie mit den Gesetzen,
die seit letztem Freitag im Gesetzblatt stehen, den Mittelstand entlasten wollen. Ich habe mir Ihre Berechnungen einmal angeschaut: Der Mittelständler, den Sie entlasten, hat kein Auto, kein Mietshaus, kein Sparkonto,
und vor allen Dingen ist dessen Betrieb so klein, daß er
ihn überhaupt nicht finanzieren muß.
({3})
Der Mittelstand, den Sie entlasten, gibt es überhaupt
nicht. Man muß sich die Berechnungen wirklich einmal
genau anschauen; man kann darüber wirklich nur noch
schmunzeln. Offenbar aber glaubt die Öffentlichkeit
Klaus Wolfgang Müller ({4})
- jedenfalls wird es vielfach wiedergegeben - bisher
noch teilweise an die falschen Daten, die Sie in die Welt
setzen.
({5})
Diese Gesetze sind eine massive Belastung für den deutschen Mittelstand. Was Sie tun, wird Hunderttausende
von Arbeitsplätzen kosten.
({6})
Wie haben Sie uns angegriffen, als wir bei unseren
Steuerreformgesetzen nach den Petersberger Beschlüssen die Mehrwertsteuer erhöhen wollten! Ich gebe zu:
Eine Mehrwertsteuererhöhung ist unter konjunkturellen
Gesichtspunkten eine sehr schwerwiegende Angelegenheit. Man muß sich einmal überlegen, was man dafür
bekommt. Ich will Ihnen sagen: Nach unserem Reformkonzept hätten wir eine Nettoentlastung der steuerzahlenden Menschen von 30 Milliarden DM gehabt.
({7})
- Und zwar innerhalb von zwei Jahren. - Wir hätten
einen Eingangssteuersatz von 15 Prozent, einen Spitzensteuersatz von 39 Prozent, einen Körperschaftsteuersatz
und einen Satz auf gewerbliche Einkünfte von 35 Prozent gehabt.
({8})
Wenn Ihre Steuerreformgesetze verabschiedet werden,
haben wir einen Eingangssteuersatz von 19,8 Prozent,
({9})
einen Spitzensteuersatz von 48,5 Prozent und insgesamt
eine Entlastung von 20 Milliarden DM - aber erst in vier
Jahren.
Zur Unternehmensteuerreform: Darüber wird viel
geredet. Es soll sich um eine Senkung des Spitzensteuersatzes auf 35 Prozent handeln. Aber in der Anhörung
heute haben wir wieder gehört, daß die deutsche Öffentlichkeit, zumindest die Spitzenverbände der deutschen
Wirtschaft offenbar wieder massiv belogen werden.
({10})
Es steht heute in der „Bild“-Zeitung unter der Überschrift „35 % Höchststeuersatz für Wirtschaft“:
Die Bundesregierung wird bis zum Sommer eine
Unternehmenssteuer-Reform mit einem Höchstsatz
von 35 Prozent vorlegen!
({11})
Das kündigte Wirtschaftsminister Werner Müller,
({12}) nach einem Spitzengespräch mit Vertretern der Wirtschaftsverbände an. Im Spitzensteuersatz werde „auch die Gewerbe-Ertragsteuer
enthalten“ sein, sagte Müller.
Frau Hendricks, ich habe schon den Eindruck, daß
Sie sich von dieser klaren Aussage Ihres Ministers, der
für die Regierung bei den Spitzenverbänden gesprochen
hat, heute zum Teil distanziert haben. Angesichts dieser
klaren Aussage kann man Fragen klar beantworten.
Wenn das so klar ist, kann man auch klar sagen, ob die
Gewerbeertragsteuer als Verrechnungsteuer von der
Körperschaftsteuer abgezogen werden kann. Wenn das
aber nicht klar ist, dann sollte Herr Müller solche Dinge
auch nicht sagen. Ich habe ohnehin fast den Eindruck,
daß er für diese Regierung die Mensch gewordene
Beruhigungspille gegenüber der deutschen Wirtschaft
ist. So kann das einfach nicht mehr weitergehen.
({13})
Da werden Dinge erzählt, und zum Schluß wird es doch
anders gemacht. „Die Welt“ hat heute im Kommentar
schon richtig geschrieben
Der rührige Wirtschaftsminister trägt seine marktwirtschaftlichen Reformkonzepte nur noch wie
Lippenbekenntnisse eines Träumers vor.
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Frau Hendricks, Sie fangen wieder mit der Erblast an.
Wie ich höre, sieht es mit der Steuerschätzung gar nicht
so schlecht aus. Die Steuerschätzung vom Mai letzten
Jahres hat für die Jahre 1998, 1999, 2000, 2001 und
2002 einen Steuerzuwachs von 180 Milliarden DM prognostiziert. Die alte Regierung mußte in den Jahren
1995, 1996 und 1997 damit leben, daß wir weniger
Steuereinnahmen hatten. Sie haben jetzt das Glück, daß
auf Grund der richtigen und guten Politik der alten
Regierung die Steuerquellen wieder sprudeln, wodurch
Sie zunehmende Steuereinnahmen in den Kassen haben.
({14})
Herr Kollege
Rauen, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Ja. - Da von einer Erblast
zu sprechen entbehrt jeglicher Wahrheit und jeder
Grundlage.
({0})
Meine Damen und Herren, kehren Sie endlich um!
Konsolidieren Sie die öffentlichen Finanzen über eine
Reduzierung der Ausgaben und nicht über eine ständige
Ausweitung der Einnahmen.
({1})
Sparen Sie endlich so, wie Sie es gesagt haben. Entlasten Sie endlich die arbeitenden Menschen von viel zu
hohen Steuern und Abgaben.
Schönen Dank.
({2})
Das Wort für die
SPD hat der Kollege Dr. Rainer Wend.
({0})
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Nachdem das verabschiedete
Steuerentlastungsgesetz bei den privaten Haushalten
- man kann es Ihnen nicht oft genug sagen - zu einer
Nettoentlastung von rund 25 Milliarden DM und damit
auch zu einer kräftigen Stärkung der Nachfrageseite
geführt hat, wird es in der Tat Zeit, daß wir über eine
Unternehmensteuerreform reden.
Nach meiner Auffassung muß es - ich sage dies mit
dem Ziel, Ruhe und Gelassenheit in die Diskussion zu
bringen, und will diese Aktuelle Stunde vor allem dazu
nutzen, über die Fraktionsgrenzen hinweg Nachdenklichkeit zu erzeugen - aus wirtschaftspolitischer Sicht
vier politische Eckpunkte oder Zielpunkte geben, die wir
sicherlich auch an haushaltspolitischen Notwendigkeiten
werden messen müssen.
Erstens. Es muß zu einer rechtsformunabhängigen
spürbaren Entlastung von Unternehmen kommen. Hier
wird über die Höhe der Steuersätze spekuliert, und es
wird von 35 Prozent minus/plus 22 Prozent gesprochen.
Darüber werden wir sicherlich erst nach Vorlage des
Gutachtens entscheiden können.
({0})
Eines sage ich - auch an unseren Wirtschaftsminister
Müller gewandt - ganz eindeutig: Der Wirtschaftsminister hat recht, wenn er sagt, eine simple Senkung der
Körperschaftsteuer auf 35 Prozent, um anschließend die
Gewerbeertragsteuer wieder draufzusetzen, wäre nicht
der Sprung, den wir bei einer Unternehmensteuerreform
brauchen.
({1})
Zweitens. Wir benötigen darüber hinaus eine Mittelstandskomponente - so will ich es einmal nennen -;
denn es gibt Einzelunternehmen, es gibt Handwerksunternehmen, die weniger als 35 Prozent Steuern zahlen,
und zwar nicht deshalb, weil sie Verrechnungsmöglichkeiten, sogenannte Schlupflöcher, nutzen, sondern weil
sie auf Grund ihres geringen Ertrages nicht mehr Steuern zahlen müssen. Unsere Unternehmensteuerreform
muß dafür Sorge tragen, daß diese Einzelunternehmen,
Handwerksbetriebe in Zukunft nicht etwa zusätzlich
Steuern zahlen müssen, wenn wir den Steuersatz auf
35 Prozent begrenzen.
({2})
Drittens. Wir müssen - das ist heute noch nicht zur
Sprache gekommen - etwas beim Unternehmensteuerrecht machen: Es ist ziemlich kompliziert; viele verdienen daran, daß es so kompliziert ist. Wir müssen bei
einer Unternehmensteuerreform versuchen, hier zu
einer deutlichen Vereinfachung zu kommen.
({3})
Viertens. Muß es - das ist das Schwierigste, was auf
uns zukommt - das politische Ziel unserer Unternehmensteuerreform sein, eine Nettoentlastung der Unternehmen herbeizuführen.
({4})
Was heißt das, wenn wir uns dieses Ziel vornehmen?
Gewiß können wir in der Spitze - das möchte ich betonen - auf eine gewisse Selbstfinanzierung setzen, weil
dann, wenn auf Grund von Steuersenkungen vermehrt
investiert wird, auch wieder mehr Steuern fließen werden. Aber das reicht nicht.
({5})
Nächster Punkt: Ich schließe aus, daß wir zur Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform die Mehrwertsteuer erhöhen; das ist sozial ungerecht und im übrigen ökonomisch kontraproduktiv. Die von Ihnen und
auch von einigen anderen über die Erhöhung der Mehrwertsteuer geführte Diskussion ist kontraproduktiv und
überflüssig wie ein Kropf.
({6})
Zum letzten - ich glaube, das ist das Allerschwierigste -: Wenn wir die Mehrwertsteuer zur Gegenfinanzierung nicht erhöhen wollen, dann kommen wir nicht um
eine Debatte über die Senkung der Staatsquote herum.
Bei dieser Debatte können wir nicht immer nur über die
mit sozialen Leistungen verbundenen Gesetze reden,
sondern müssen auch über das Thema Subventionen reden. Die ganze Gesellschaft wird ihren Beitrag leisten
müssen.
({7})
Ich wäre Ihnen, meine Damen und Herren, dankbar,
wenn Sie dieses schwierige Geschäft nicht nur mit Häme begleiten, sondern auch nur einen einzigen positiven
Vorschlag unterbreiten würden, so daß wir in einen
Wettstreit um die besten Ideen eintreten könnten. Auf so
einen Wettstreit mit Ihnen würde ich mich freuen. Sie
fallen aber bei diesem Wettstreit aus. Das ist das Problem; damit müssen Sie politisch leben.
({8})
Der Kollege Wend
war der Dritte im Bunde. Auch ihm gratuliere ich zu
seiner ersten Rede.
({0})
Nun gebe ich das Wort der Kollegin Elke Wülfing,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe sehr, daß der Kollege Wend auf Grund des Inhalts seiner ersten Rede, die
er heute hier gehalten hat, nicht allzu große Schwierigkeiten mit seiner eigenen Partei bekommt.
({0})
Was Sie hier dargestellt haben, entspricht nämlich nicht
dem, was Frau Hendricks vorhin dargestellt hat,
({1})
nicht dem, was Herr Poß immer wieder im Finanzausschuß darstellt, und auch nicht der Meinung der gesamten SPD.
Ich habe mir die ganze Zeit ernsthaft die Fragen gestellt: Was macht diese Regierung eigentlich wirklich
falsch?
({2})
Warum ist Herr Lafontaine gescheitert? Warum wird
auch die Restregierung scheitern, wenn sie so weitermacht wie bisher? Ein Grund liegt sicherlich in der antiquierten nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik. Ein
anderer darin, daß Sie mal wieder die Belastbarkeit der
Wirtschaft prüfen wollen. Das sind aber nicht die
eigentlichen Gründe. Der wahre Grund ist: Sie scheitern
an einer falschen Wahrnehmung der Wirklichkeit.
({3})
Sie scheitern zum Beispiel daran, daß Sie die wirklichen
Zahlen nicht richtig wahrnehmen. Frau Hendricks
spricht von einem Loch in Höhe von 30 Milliarden DM.
Frau Scheel sagt, es gebe ein Loch von 20 Milliarden DM.
({4})
Aber die Jahresrechnung 1998 weist kein Loch, sondern
10 Milliarden DM Überschuß aus.
Herr Spiller redet hier davon, wir hätten irgend etwas
Schreckliches hinterlassen. Er weiß ganz genau, daß die
Vereinfachung der Steuergesetze, die Sie im Bundesrat
zweimal abgelehnt haben, eine hervorragende Sache
war. Wir haben Steuersätze von 15 bis 35 bzw. 39 Prozent vorgeschlagen, die Sie aber abgelehnt haben.
({5})
Wenn Sie damals schon im Parlament gewesen wären
und nicht Mitglied in der falschen Partei wären, Herr
Wend, hätten Sie diese Steuergesetze unterstützen können.
({6})
Daß Sie die Wirklichkeit falsch wahrnehmen, kann
man an vielen Punkten erkennen: an der Berechnung des
Finanztableaus zum Steuerbelastungsgesetz und an Ihren
Überlegungen zum Optionsmodell. Ihre falsche Wahrnehmung fällt mir auch bei Ihrer Interpretation der
OECD-Zahlen auf. Sie wollen einfach nicht wahrhaben,
daß 90 Prozent aller deutschen Unternehmen Personengesellschaften sind, für die neben der Gewerbesteuer
auch Einkommensteuer plus Solidaritätszuschlag und
Kirchensteuer vom Unternehmer gezahlt werden müssen. Sie wollen glauben - ja, Sie wünschen es geradezu
herbei -, daß die OECD recht habe und daß die Steuerbelastung der deutschen Unternehmen wirklich nur
8 Prozent betrage.
Aber die Wirklichkeit sieht anders aus: Die effektive
Gesamtsteuerbelastung eines mittelständischen Unternehmers meines Wahlkreises mit einem Umsatz von
60 Millionen DM und 250 Beschäftigten liegt nicht bei
8 Prozent, sondern bei über 50 Prozent. 50 Prozent sind
nicht der Grenzsteuersatz, Herr Poß, sondern die effektiv
gezahlten Steuern. Von 1,4 Millionen DM Gewinn vor
Steuern mußten 700 000 DM Steuern gezahlt werden.
Wenn Sie rechnen können, dann stellen Sie fest, daß das
eine Steuerbelastung von zirka 50 Prozent ist. Das ist die
Wahrheit.
Wenn ich Sie hier reden höre, könnte ich eine heilige
Wut kriegen.
({7})
Was muß man eigentlich tun, damit Sie endlich aufwachen? Sie wollen einfach die Wahrheit nicht erkennen.
Ich verspreche Ihnen, daß ich Ihnen diese Beispielrechnung zur nächsten Sitzung des Finanzausschusses mitbringe.
({8})
Sie wollen einfach nicht wahrhaben, daß Belastungen
wie die Einschränkung der Verlustverrechnung, die Beseitigung des Zwei-Konten-Modells und die Änderung
der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen den Mittelstand treffen.
Warum haben Sie eigentlich bei Ihren Berechnungen
zur Auswirkung der Belastungsmaßnahmen nur die Privathaushalte berücksichtigt? Was stellen Sie sich
eigentlich unter „Mittelstand“ vor? - Herr Rauen hat
diesen Punkt vorhin angesprochen. - Wieso buchen Sie
eigentlich Teilwertabschreibung, Wertaufholungsgebot,
Importwarenabschlag, Mitunternehmer-Erlaß nur bei
Großunternehmen? Verstehen Sie unter Mittelstand eine
Imbißstube an der Ecke? Wie kommen Sie eigentlich
auf die Idee, daß mittelständische Unternehmen keine
Bilanz aufstellen müssen und daß die Verschlechterung
von Bilanzierungsvorschriften den Mittelstand nicht
trifft?
Die Auswirkungen Ihres Steuerbelastungsgesetzes für
Unternehmen sind nicht, wie Sie behauptet haben, eine
Belastung von 10 Milliarden DM für Großunternehmen
und eine Entlastung von 5 Milliarden DM für mittelständische Unternehmen, sondern es handelt sich um
eine Belastung von 30 Milliarden DM, wobei mehrere
Milliarden DM Belastung auf den Mittelstand entfallen.
({9})
Vor diesem Hintergrund versuchen Sie jetzt, zu verschleiern - eine entsprechende Nebelwand haben Sie
vorhin aufgestellt -, daß Sie wiederum eine Belastungsorgie für die Unternehmen planen.
({10})
Sie halten sozusagen nur die Wurst hin, indem Sie ankündigen, irgendwann einmal die Steuersätze zu senken.
Der eine redet von Aufkommensneutralität, der andere
von Belastungsneutralität. Herr Wend redet von NettoElke Wülfing
entlastung, und Frau Scheel plappert von 23 Prozent
Körperschaftsteuer. Die Grünen beschließen einen Steuersatz von 35 Prozent. Der eine will die Gewerbesteuer
in diesen Steuersatz einschließen und der andere nicht.
({11})
Wir werden der Wirtschaft deutlich sagen, daß Sie offensichtlich keine Nettoentlastung planen. Herr Wend
wird sich demnächst im Spiegel nicht mehr anschauen
können, weil er seine Versprechungen nicht halten kann.
({12})
Wir haben es vorhin verklausuliert gehört, daß es keine
Nettoentlastung für die Unternehmen geben wird. Die
Unternehmen werden dies merken, wenn Sie Ihre
merkwürdige Steuerreform vorgelegt haben.
({13})
Das Wort für die
SPD hat der Kollege Joachim Poß.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Sie lenken mit der von Ihnen beantragten
Aktuellen Stunde vom Kern des Problems ab. Unstreitig
ist, daß wir die Steuersätze wegen der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit senken.
({0})
Frau Wülfing hätte bei einem Besuch in Paris die Information bekommen können, daß wir die Bemessungsgrundlage auf der Grundlage internationaler Standards
verbreitern. Richtig ist die Behauptung von Herrn Spiller, daß Sie unser Steuerrecht nicht an internationale
Standards angepaßt haben, und richtig ist die Behauptung, daß die faktische Belastung der im internationalen
Wettbewerb stehenden Unternehmen bei uns - da streite
ich jetzt gar nicht über einzelne Zahlen - niedrig ist.
Damit ist nicht die Frage beantwortet: Wie behandeln
wir die 80 bis 90 Prozent Unternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen? Diese Differenzierung
müssen wir treffen.
({1})
Ich habe die Frau Staatssekretärin auch nicht anders verstanden, als daß wir uns im Sinne einer mittelstandsfreundlichen Steuergesetzgebung mit genau dieser Frage
beschäftigen werden.
({2})
Richtig ist auch: Ihre Petersberger Beschlüsse waren
eine Schaufensterauslage ohne Preisauszeichnung, weil
sie unfinanzierbar sind.
({3})
Wir legen finanzierbare Beschlüsse vor. Sie führen jetzt,
auch mit Hilfe der Veröffentlichung in einer Sonntagszeitung, die Ihnen nahesteht, eine Steuererhöhungsdebatte, um davon abzulenken, daß der Bundesrat am
letzten Freitag zum ersten Mal seit Jahren für Millionen
von Menschen in diesem Land Steuerentlastungen beschlossen hat.
({4})
Das ist der Kern dessen, was hier stattfindet. Es geht um
Steuerentlastungen für Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Familien sowie für den
Mittelstand. Deswegen ziehen Sie jetzt, unter Verwendung mancher dubioser Zitate, eine Steuererhöhungsdebatte hoch. Jedenfalls kann ich mich darin, wie ich am
Wochenende zitiert worden bin, nicht wiedererkennen.
({5})
- Das mag sein, aber ich jedenfalls nicht.
Sie wollen über die Trendwende hinwegtäuschen. In
der Zeit, in der Sie politische Verantwortung getragen haben, wurden die Menschen belastet. Wir entlasten sie nun.
({6})
Sie setzen mit solchen Diskussionen eine schändliche,
den Standort schädigende Debatte fort.
({7})
So ist es nun einmal.
Wir werden im Zusammenhang mit der Aufstellung
des Haushaltes 2000, der Steuerschätzung und der mittelfristigen Finanzplanung eine umfassende finanzpolitische Bestandsaufnahme vorlegen. Dabei wird übrigens
die Erblast, das strukturelle Defizit noch einmal sehr
deutlich werden. Da gibt es keine widersprüchlichen
Zahlen. Das sind 20 Milliarden DM. Hinzu kommen die
finanziellen Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf Grund der jahrelangen verfassungswidrigen Besteuerung der Familien. Das vergrößert das strukturelle Defizit um mindestens 10 Milliarden DM. Deswegen sagen wir, daß es „30 Milliarden
DM plus …“ sind. Das ist aber Ihre Hinterlassenschaft
und nicht das Ergebnis der Verantwortung dieser Regierung oder der Parteien, die sie tragen.
({8})
Ihr Denken, Frau Frick, wurde sehr deutlich, als Sie
im Zusammenhang mit einer Kindergelderhöhung wieder von Wohltaten sprachen. Was ist das für ein Denken,
wenn Sie als Juristin, als Verfassungsrechtlerin nicht
einmal die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts respektieren und an dieser Stelle bei Ihrer F.D.P.Diktion „Wohltaten“ bleiben?
({9})
Das ist entlarvend.
({10})
Gleichzeitig wollen wir die Unternehmenssteuerreform, wie in der Koalitionsvereinbarung angekündigt,
durchführen, nach dem Gutachten der vom Finanzminister eingesetzten Kommission. Übrigens: Heute in der
Fragestunde so ein Theater zu veranstalten, wie Sie es
getan haben, zeugt nicht von Respekt vor dieser Kommission. Als die Bareis-Kommission eingesetzt war, haben wir nicht ein solches Theater veranstaltet.
({11})
Das war äußerst billig; das hat mit der Wahrnehmung
von Parlamentsrechten überhaupt nichts zu tun. Das ist
Ausdruck Ihrer Ignoranz, die Sie jeden Tag hier praktizieren, weil Sie mit Ihrer neuen Rolle nicht klarkommen; nichts anderes ist das.
({12})
Gerhard Schröder hat recht: Solange vor dem Hintergrund der Zahlen, die ich genannt habe, weder die Konzeption für die Familienentlastung noch die für die Unternehmenssteuerreform vorliegt, hat es keinen Zweck,
über Einzelheiten der Finanzierung zu sprechen.
({13})
Wir müssen zum Beispiel Art. 115 des Grundgesetzes
beachten. Niemand ist heute in der Lage, vor abschließender Prüfung mehrerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eine endgültige Bewertung der Finanzierungsmöglichkeiten von Haushalts- und Steuergesetzen vorzunehmen.
({14})
Dies ist die Wahrheit. Lassen Sie uns auf der Grundlage
dieser einfachen Erkenntnis eine ehrliche Debatte führen, statt hier tagtäglich so eine Schaumschlägerei zu
praktizieren.
({15})
Das Wort hat der
Abgeordnete Peter Jacoby, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Der Kollege Poß hat eben gesagt,
die Mehrwertsteuerdebatte sei am Wochenende von der
Opposition losgetreten worden, es sei eine Debatte, die
an den politischen Gegebenheiten völlig vorbeigehe.
({0})
- Herr Poß, Sie haben lange genug geredet. Lassen Sie
mich mal einen Moment argumentieren!
Ich möchte mich auf eine Einlassung zu einem Zeitpunkt nach dem Wochenende - sie stammt vom gestrigen Tage - beziehen. Der Kollege Metzger, der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, wird in diesem Artikel so zitiert:
Die Diskussion über eine höhere Mehrwertsteuer
sei von einer „Allianz der Bequemen“ in den
Koalitionsparteien angestoßen worden ...
({1})
Metzger hob hervor, es werde eine bequeme Debatte geführt, obwohl die Politik eigentlich unbequeme Antworten darauf geben müsse, wie die hohe Staatsquote gesenkt, die Überschuldung der öffentlichen Haushalte zurückgeführt und international konkurrenzfähige Steuersätze verwirklicht werden könnten.
Das ist der Ausgangspunkt der Diskussion: die „Allianz
der Bequemen“. Die sitzt in Ihrer Fraktion und nicht auf
dieser Seite des Hauses. Das will ich zunächst einmal
sagen.
({2})
Man sollte sich auch noch einmal den vielstimmigen
Chor der Kommentatoren vor Augen halten: Sie selbst
haben gesagt, eine höhere Mehrwertsteuer könne niemand ausschließen.
({3})
Herr Schlauch hat gesagt, Steuererhöhungen seien
durchaus eine Möglichkeit, um die Auswirkungen der
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Familienbesteuerung und die Unternehmensteuerreform
gegenzufinanzieren. Ministerpräsident Glogowski hat
gesagt, bei Refinanzierungsmöglichkeiten gebe es kein
Tabu. Herr Clement hat gesagt: Fragen Sie mich am Ende des Jahres noch einmal. - Und dann kommen Sie
hierher und sagen, diese Diskussion sei deplaziert, sie
werde zur Unzeit geführt. Nein, sie ist deshalb angebracht, weil sich eine Mehrwertsteuererhöhung in die
Serie der vorgenommenen Steuererhöhungen, die es bisher schon in Ihrer Verantwortung gegeben hat, einreiht.
({4})
Damit bin ich beim zweiten Punkt: Der Herr Bundeswirtschaftsminister - und amtierende Bundesfinanzminister - wird heute im „Handelsblatt“ zitiert. Er hat
sich gestern am Rande der Münchener Handwerksmesse
mit Unternehmensverbänden unterhalten und dort wörtlich gesagt:
Müller räumte ein, daß die am Freitag im Bundesrat
verabschiedete rot-grüne Steuerreform die Wirtschaft belaste.
Es stellt sich die Frage: Was ist die Konsequenz daraus?
Er hat schon vor einigen Wochen gesagt, daß er, hätte er
die Zahlen der Unternehmen gekannt, der Steuerreform
im Kabinett nicht zugestimmt hätte. Aber er hat aus diesem Befund keine Konsequenzen gezogen. Was ist jetzt
die Konsequenz? Jetzt ist die Konsequenz, daß Sie eine
Unternehmensteuerreform, die von der Substanz her
eigentlich keine ist, nachschieben. Über den Grund hat
der Kollege Metzger offen gesprochen - besprechen Sie
das doch einmal innerhalb Ihrer Koalition! -; er wird
wie folgt zitiert:
Der „verunglückte Start“ der Steuerpolitik der
Koalition, der eine Asymmetrie der Entlastung der
abhängig Beschäftigten und der Belastung der
Wirtschaft gebracht habe, müsse korrigiert werden.
Das, meine Damen und Herren, bestätigt doch nichts
anderes als die Kritik, die wir als Opposition geübt haben. Insofern gehen Ihre Einlassungen hier völlig an der
Sache vorbei. Sie sollten sich einmal mit dem auseinandersetzen, was in Ihren eigenen Reihen an kritischen
Einwendungen in diesem Zusammenhang vorgebracht
wird.
({5})
Diejenigen, die nach dem Rücktritt von Lafontaine
und vor der Bundesratssitzung am vergangenen Freitag
gesagt haben, jetzt sei es eigentlich angebracht, in der
Steuer-, der Finanz- und der Haushaltspolitik einen
Neuanfang zu starten, die gesagt haben, wir bräuchten
einen glaubwürdigen Gesamtentwurf, hatten recht. Es
kann Ihnen doch nicht egal sein, daß die, die Sie in der
letzten Legislaturperiode über Monate, über Jahre hinweg zitiert haben - Sie haben sich auf Professor Bareis,
Professor Peffekoven und andere bezogen -, genau diejenigen sind, die Ihnen jetzt ins Stammbuch schreiben:
Was bisher gemacht worden ist, ist nicht die Steuerentlastung zugunsten der investierenden Wirtschaft, die wir
brauchen.
Im übrigen, Kollege Poß, welcher mittelständische
Unternehmer steht in einer globalisierten Wirtschaft
nicht im internationalen Wettbewerb? Sie differenzieren
an Stellen, wo es nichts zu differenzieren gibt. Das aber
nur am Rande.
Wir brauchen also einen neuen konzeptionellen Ansatz. Wir stellen aber mit Bedauern fest, daß Ihre Politik
der Nachfrageorientierung, des Verkennens der Notwendigkeiten des Standortes und des Verkennens der erforderlichen Verbesserungen in diesem Zusammenhang
fortgesetzt wird - und das entgegen den Ratschlägen, die
mittlerweile aus Ihren eigenen Reihen artikuliert werden, bis hin zum Bundeswirtschafts- und -finanzminister. Dieser allerdings redet zwar so, handelt aber anders. Deshalb ist Ihre Politik im internationalen Wettbewerb, in dem wir hinsichtlich dieser Fragen stehen,
nicht zielführend.
({6})
Das Wort für die
SPD-Fraktion hat der Kollege Hans Georg Wagner.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir vorhin
die Mühe gemacht, mir die Fragestunde anzuhören. Ich
stelle mir die Frage: Warum lassen Sie eigentlich Herrn
Stihl, Herrn Hundt, Herrn Philipp oder Herrn Henkel
hier nicht selbst sprechen? Sie führen diese immer als
Vertreter der Großindustrie an, wiederholen das, was sie
in der Weltgeschichte herumerzählen, bringen aber keine eigenen Gedanken in die Diskussion ein und schimpfen auf die Bundesregierung.
({0})
Ich verstehe das nicht. Lassen wir doch einmal hier die
Originale auftreten. Das könnte man ja vielleicht über
das Gastrecht regeln.
({1})
Sie, Frau Kollegin Frick, sagen, Sparen sei angesagt.
Sie sollten das einmal Ihren Kolleginnen und Kollegen
im Haushaltsausschuß sagen. Denn die stellen zur Zeit
bei jedem Einzelplan Anträge, die zu Erhöhungen der
Haushaltsansätze in Milliardenhöhe führen.
({2})
Wenn also tatsächlich gespart werden soll, dann möchte
ich Sie bitten, Herrn Koppelin und anderen zu sagen,
daß Sparen anders aussieht als Ausgeben.
({3})
Wir versuchen zur Zeit mühsam Einsparungen vorzunehmen. Das ist ein wirklich mühsames Geschäft. Die
Haushälter kämpfen gegen die eigenen Kolleginnen und
Kollegen in den Fachausschüssen und gegen die Bundesregierung.
({4})
- Es ist so. Herr Thiele, Sie haben übrigens nie etwas erreicht.
({5})
- Nein, Sie haben nie etwas eingespart. - Wir als Koalition werden die vorgesehenen 2 Milliarden DM einsparen. Die Bundesregierung hat 2 Milliarden DM eingespart, auch wir werden das tun.
Das strukturelle Defizit bis zum Jahre 2002 beträgt,
wie bereits erwähnt, 30 Milliarden DM. Da sind die
Entlastungen in Höhe von 4 Milliarden DM nur ein
Tropfen auf den heißen Stein. Nach der mittelfristigen
Finanzplanung wird der Bundeshaushalt im Jahre 2002
etwa 500 Milliarden DM umfassen. Jetzt sind es 488
Milliarden DM. Aber es gibt da ja immer leichte Steigerungen. 30 Milliarden DM sind 6 Prozent von 500 Milliarden DM. Jetzt lade ich Sie ein, mit uns gemeinsam
6 Prozent der Mittel des Bundeshaushaltes einzusparen.
Zu welchem Geschrei würde das führen!
Natürlich steht dann alles auf dem Prüfstand. Da hat
Kollege Metzger recht. Das haben auch wir immer gesagt. Auch die im Bundeshaushalt vorgesehenen freiwilligen Leistungen stehen auf dem Prüfstand.
({6})
- In der Tat, alles muß auf den Prüfstand; da gebe ich
Ihnen recht. Aber bei den Leistungsgesetzen fangen wir
nicht an, sondern dort, wo es sich wirklich rentiert.
Denken Sie einmal an die Diskussion über die Unternehmensteuerreform. Auch da geht es um Entlastungen
in Höhe von 30 Milliarden DM. Zusammen mit dem
strukturellen Defizit müßten also 12 Prozent des Bundeshaushaltes eingespart werden, um die Ziele erreichbar zu machen, über die Sie in der Öffentlichkeit diskutieren. So einfach ist das.
Wenn Sie sich anschauen, was das Statistische Bundesamt dieser Tage veröffentlicht hat, dann stellen Sie
fest: Es ist der Erfolg der Regierungstätigkeit der
CDU/CSU, Herr Kollege Rauen, daß die Zahl der Millionäre in Deutschland in den letzten zehn Jahren - so
stand es in der Zeitung - um 75 Prozent gestiegen ist.
Das ist zweifellos ein Erfolg Ihrer Politik.
({7})
Heute ist in einer Tageszeitung zu lesen, daß es am Ende
Ihrer Regierungszeit die höchste Zahl an hochverschuldeten, aus ihren Schulden nicht mehr herauskommenden
Familien in Deutschland gab. Es war Ihre Vorgehensweise gegenüber den Familien, die zu dieser Situation
geführt hat. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Besteuerung der Familien waren also
überfällig.
({8})
Herr Kollege Rauen, Sie sagen, Ihr Steuerreformentwurf hätte zu einer Entlastung von 30 Milliarden DM
geführt. Zahlenmäßig war das zwar so; aber keiner von
Ihnen hat gesagt, wie diese Summe gegenfinanziert
werden soll. Wir haben eine Gegenfinanzierung vorgesehen. Sie wissen ganz genau, daß wir - zugegebenermaßen gemeinsam - von den 30 Milliarden DM zum
1. April 1999 15 Milliarden DM weggenommen haben,
indem wir die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt haben.
({9})
Dies war ein gemeinsamer Beschluß der SPD und von
Ihnen. Von den 30 Milliarden DM sind also 15 Milliarden DM gleich wieder verfrühstückt worden, so daß die
eigentliche Entlastung, sofern sie gekommen wäre, bei
etwa 15 Milliarden DM hätte liegen können.
Bekümmert müssen wir über das Ergebnis Ihrer Politik sein.
({10})
So kommen zum Beispiel nur noch 8 Prozent der Hochschulabsolventen und Studenten aus Arbeiterfamilien.
Zu unserer Regierungszeit waren es 24 Prozent. Sie haben diese Zahl gedrittelt. Es ist doch nicht hinzunehmen,
daß ein Arbeiterkind immer nur Arbeiter und ein Professorenkind immer Professor wird.
({11})
Eine Umkehrung dieser Situation ist notwendig. Das
werden wir über Reformen auch erreichen.
({12})
Wir haben die Frage zu beantworten - die Kollegin
Staatssekretärin hat das schon gesagt -, wie das Prozedere im Zusammenhang mit dem Haushalt aussieht. Am
30. Juni diesen Jahres wird das Bundeskabinett den
Bundeshaushalt für das Jahr 2000 vorlegen. Das ist für
mich die Stunde der Wahrheit und Klarheit. Denn dann
wird auch die mittelfristige Finanzplanung vorgelegt
werden. Dann wird man sehen, wie wir die Finanzierung
hinbekommen. Ich kann Ihnen heute schon sagen: Das
wird Blut, Schweiß und Tränen kosten und bei vielen
- auch bei Ihnen - Angst auslösen, die heute nicht darüber
reden wollen, daß ein strikter Sparkurs gefahren werden
muß. Aber Totsparen wollen wir uns auch dann nicht.
Schönen Dank.
({13})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind
am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 25. März 1999,
9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.