Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/17/1999

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches III eingebracht. Wir gehen wichtige Maßnahmen der Arbeitsförderung in einem Vorschaltgesetz an. Es ist deswegen ein Vorschaltgesetz, weil wir in einem zweiten Schritt die Reform der Arbeitsförderung vornehmen wollen. Mit diesem Gesetz verfolgen wir drei Ziele. Erstens: Einige aktive Arbeitsförderungsleistungen sollen gezielter als bisher auf arbeitsmarktpolitische Problemgruppen ausgerichtet sein. Wir wollen damit die Arbeitsmarktpolitik verstetigen, aber auch Fehlsteuerungen entgegenwirken. Zweitens: Vermeidbare sozialpolitische Härten für Arbeitslose sollen beseitigt werden. Drittens: Die Arbeitsämter sollen von überflüssiger Verwaltungsarbeit und Bürokratie entlastet werden. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören folgende Punkte. Erstens. Die Förderung älterer Arbeitnehmer durch Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber soll künftig bereits nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit einsetzen können. Bisher war das im Regelfall erst nach zwölfmonatiger Arbeitslosigkeit möglich. Mit dieser Verkürzung wollen wir, wenn es irgendwie geht, Langzeitarbeitslosigkeit erst gar nicht entstehen lassen. Die drohende Rückzahlungsverpflichtung, die bisher für Arbeitgeber vorgesehen ist, die eine Weiterbeschäftigung nicht vornehmen können, wollen wir entfallen lassen, weil die Erfahrung in vielen Bereichen zeigt, daß es wegen dieser Verpflichtung erst gar nicht zu Einstellungen kommt. Zweitens. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen können in Zukunft nicht mehr nur von Langzeitarbeitslosen in Anspruch genommen werden, sondern auch von Arbeitslosen, die erst sechs Monate ohne Arbeit sind. Wie gesagt, wir wollen, wenn es irgendwie geht, Langzeitarbeitslosigkeit erst gar nicht entstehen lassen. Drittens. In den neuen Bundesländern und in Arbeitsamtsbezirken mit hoher Arbeitslosigkeit können Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, bis zu fünf Jahre in Strukturanpassungsmaßnahmen gefördert werden. Viertens. Die Förderfelder für Strukturanpassungsmaßnahmen werden bundeseinheitlich geregelt und um den Maßnahmenbereich „Verbesserung der wirtschaftsnahen Infrastruktur“ erweitert. Den Arbeitsämtern ist damit ein weiteres Instrument an die Hand gegeben, das mit einer aktiven Wirtschafts- und Strukturpolitik verknüpft werden kann. Unser Ziel ist es, die vorhandenen Instrumente genauer einzusetzen. Deshalb konzentrieren wir die Förderung von Strukturanpassungsmaßnahmen in Wirtschaftsunternehmen in den neuen Bundesländern und Berlin ({0}) stärker als bisher auf arbeitsmarktpolitische Zielgruppen. Das Gesetz enthält aber noch weitere wichtige Regelungen für Arbeitslose und Arbeitsämter, die ich kurz erwähnen möchte. Erstens. Die von der früheren Bundesregierung eingeführte Verpflichtung für Arbeitslose, ihre persönliche Arbeitslosenmeldung im Abstand von drei Monaten zu erneuern, hat in der Praxis lediglich zu ganz erheblichem Verwaltungsaufwand geführt. Die Bekämpfung des Leistungsmißbrauchs, die mit dieser Verpflichtung einmal beabsichtigt war, wurde dadurch nicht erreicht. Die Verpflichtung zur regelmäßigen Meldung soll deswegen entfallen. Der Ermessensspielraum der Arbeitsämter wird gestärkt. Dadurch wird natürlich nicht das Recht der Arbeitsämter beschränkt, den Arbeitslosen einzubestellen. Zweitens. Die ebenfalls von der alten Bundesregierung eingeführte Verlängerung zumutbarer Pendelzeiten für Vollzeitbeschäftigte und Teilzeitbeschäftigte wird wieder in den alten Zustand zurückgeführt. Auch diesbezüglich haben wir Meldungen, daß sich die Regelung nicht bewährt hat. Drittens. Der Anreiz für Arbeitslose, eine im Vergleich zur früheren Beschäftigung niedriger entlohnte Arbeit aufzunehmen, soll verbessert werden. Arbeitslose, die, verglichen mit ihrer letzten Beschäftigung, eine niedriger entlohnte Arbeit annehmen, sind vor Nachteilen bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes geschützt, wenn sie ihren Arbeitsplatz innerhalb von drei Jahren erneut verlieren. Das sind die wesentlichen Änderungen und Zielsetzungen, die wir mit dem Gesetz erreichen wollen. Ich bin überzeugt, daß das Vorschaltgesetz ein effizienteres Vorgehen ermöglicht, um bürokratische Hindernisse, die vermeidbar sind, einzugrenzen und insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit bei älteren Arbeitnehmern möglichst gar nicht entstehen zu lassen oder schneller zu beseitigen. Herzlichen Dank.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, der soeben aufgerufen wurde. Die erste Fragestellerin ist die Kollegin Birgit Schnieber-Jastram.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben eben deutlich gemacht, daß Ihnen das Vorschaltgesetz sehr wichtig ist. Ich möchte fragen: Warum bringen Sie es erst jetzt ein? Es war doch im wesentlichen schon zu unserer Zeit fertig.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Bis zum jetzigen Zeitpunkt habe ich nicht den Eindruck gehabt, daß das Parlament mit Regierungseingaben zu wenig belastet war. Frau Schnieber-Jastram, wir haben das Vorschaltgesetz zum jetzigen Zeitpunkt eingebracht, weil wir es im Rahmen breiter Befragungen und mit den Mitarbeitern der Arbeitsämter abgestimmt haben. Damit ist das Vorschaltgesetz sozusagen ein Ergebnis der Praxisüberprüfung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte noch eine Frage zur Pendlerregelung stellen. Herr Minister, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß die letzte Bundesregierung die Pendlerregelung nicht eingeführt hat, um irgendwen zu ärgern und ihm zuzumuten, überlange Zeit unterwegs zu sein. Aber wenn ich mir einmal vor Augen führe, wie lange Arbeitnehmer in großen Ballungsräumen, beispielsweise in Berlin, unterwegs sind, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, dann muß ich die Effizienz der Rücknahme dieser Regelung in Frage stellen. Stimmen Sie meiner Einschätzung zu?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Dem ersten Teil Ihrer Ausführungen stimme ich zu: Ich unterstelle, daß Sie die Pendlerregelung nicht eingeführt haben, um Leute zu ärgern. Aber Sie verhindern mit dieser Regelung die Aufnahme von Teilzeitarbeit, wenn Sie Teilzeitbeschäftigten, die noch Pflege- oder Erziehungsaufgaben wahrnehmen müssen, zusätzlich eine Pendlerzeit zumuten, die länger als die Hälfte ihrer Beschäftigungszeit dauert. Dies besagen die Berichte aus den Arbeitsämtern, die wir bekommen haben. Hier hat man sehr stark darauf gedrungen, zum alten Zustand zurückzukehren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Dirk Niebel, Ihre Frage, bitte.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben die Neuregelung in bezug auf den Eingliederungszuschuß für ältere Arbeitnehmer angesprochen. Ich möchte dazu zwei Fragen stellen, wenn Sie erlauben: Erstens. Der Eingliederungszuschuß soll nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit gewährt werden. Dies wird einen finanziellen Mehrbedarf erforderlich machen. Haben Sie diesen schon berechnet? Zweitens. Sie haben gesagt, daß die Nachbeschäftigungspflicht abgeschafft werden soll. Wenn ich an die Haushaltsberatungen hier im Plenum und an die im Ausschuß zurückdenke, dann wurde dort über Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose diskutiert. Ich meine mich daran zu erinnern, daß Sie die Auffassung vertreten haben, daß gerade durch die Nachbeschäftigungspflicht das Instrument des Eingliederungszuschusses besonders gut geeignet sei, um Personen im ersten Arbeitsmarkt unterzubringen, weil durch den Förderungszeitraum und die Nachbeschäftigungspflicht insgesamt ein relativ langer Zeitraum der Beschäftigung erreicht werden kann. Ich verstehe nicht, warum Sie dieses Instrument zurücknehmen, obwohl es doch sinnvoll wäre, wenn 55- oder 56jährige Arbeitslose vor der Rente noch einmal dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könnten.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Abgeordneter Niebel, uns liegen Berichte von Arbeitsämtern vor, die besagen, daß die Nachbeschäftigungsverpflichtung nicht nur bei Wirtschaftsunternehmen, sondern auch bei Wohlfahrtsverbänden, die einstellen wollen, aber gar kein Geld haben, um gegebenenfalls die Fördermittel zurückzuzahlen, dazu führt, daß überhaupt keine Einstellungen vorgenommen werden. Deswegen wollen wir auf die Nachbeschäftigungsverpflichtung gerade für ältere Arbeitnehmer verzichten. Sie haben auf einen Redebeitrag hingewiesen, den ich hier geleistet habe. Was Sie sagen, ist richtig. In diesem Redebeitrag habe ich die Lohnkostenzuschüsse bei den Strukturanpassungsmaßnahmen Ost für Wirtschaftsunternehmen kritisiert, die ohne jede Zielbindung gewährt werden. Ich bezweifle aber, ob es richtig wäre, aus den gleichen Gründen eine Nachbeschäftigungsverpflichtung beizubehalten. Ich denke, wir müssen eine zielgenauere Regelung schaffen, die Lohnkostenzuschüsse auf bestimmte Gruppen ausrichtet. Diesem Anliegen haben wir im Vorschaltgesetz Rechnung getragen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage, bitte.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Welche Maßnahmen haben Sie vorgesehen oder zumindest angedacht, um eventuelle Mitnahmeeffekte dadurch auszuschließen, daß in Zukunft keine Nachbeschäftigungsverpflichtung mehr besteht? Die Wahrscheinlichkeit, daß jemand nur noch für die Dauer des Förderzeitraums beschäftigt wird und dem Arbeitsamt danach wieder zur Verfügung steht, ist meines Erachtens relativ hoch.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich schließe nicht aus, daß solche Mitnahmeeffekte entstehen. Wenn das so ist - ich habe gerade die Lohnkostenzuschüsse angesprochen -, dann sind solche Mitnahmeeffekte bei anderen Maßnahmen ausgeprägter. Wir müssen unsere Politik auf Zielgruppen ausrichten. Gerade für ältere Arbeitnehmer haben wir bewußt einen Förderzeitraum von bis zu fünf Jahren geschaffen. Wir haben das getan, weil in Bereichen mit hoher Arbeitslosigkeit ältere Mitarbeiter dann, wenn sie langzeitarbeitslos sind oder gar Leistungseinschränkungen haben, kaum noch vermittelbar sind. Wir haben hier die Schwelle niedrig gehalten - auch ohne Rückzahlungsverpflichtung -, um diese Menschen überhaupt in den ersten Arbeitsmarkt integrieren zu können. Ich habe vergessen, eine Frage nach den Kostenwirkungen zu beantworten, die Sie vorhin gestellt haben. Wir gehen davon aus, daß das Vorschaltgesetz insgesamt kostenneutral ist. Aber ich muß Ihnen sagen: Es ist aus den unterschiedlichen Praxiswirkungen heraus sehr schwer, genaue Aussagen zu den Kosten zu machen. Durch das gezieltere Ansetzen von Lohnkostenzuschüssen können Einspareffekte erzielt werden. Wenn wir das tun, was Sie angesprochen haben, kann es durchaus zu höheren Ausgaben kommen. Insgesamt gehen wir aber davon aus, daß es kostenneutral bleibt, weil wir zielgenauer fördern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Kollege Peter Dreßen.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, nachdem das 2-Milliarden-DM-Programm, das speziell auf Jugendliche ausgerichtet ist, angesprochen worden ist das Programm kommt im übrigen sehr gut an und ist ein großer Erfolg - , möchte ich Sie fragen, was dieser Gesetzentwurf speziell für ältere Arbeitslose leistet.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich habe gerade die besondere Problematik von älteren Arbeitslosen angesprochen. Diese Problematik besteht darin, daß sie zunehmend nicht mehr vermittelbar sind. Das ist schlimm, insbesondere dort, wo eine hohe Arbeitslosigkeit besteht. Erschwerend kommt Langzeitarbeitslosigkeit hinzu. Noch erschwerender kommen gesundheitliche Einschränkungen hinzu. Darauf wird in dem Gesetzentwurf Rücksicht genommen. Wir sehen folgendes vor: Erstens. Es muß nicht erst Langzeitarbeitslosigkeit mit einer Dauer von zwölf Monaten entstehen, damit die Eingliederungszuschüsse für Ältere greifen können. Zweitens. Gerade bei Menschen, die 55 Jahre alt oder älter sind und arbeitslos sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind, soll bei Strukturanpassungsmaßnahmen ein Förderzeitraum von bis zu fünf Jahren eröffnet werden. Es handelt sich um wichtige Gesichtspunkte, die wir gerade für ältere Arbeitslose vorsehen. Wir möchten somit den insbesondere in den neuen Bundesländern vorzufindenden Zustand, daß ältere Arbeitssuchende überhaupt nicht vermittelt werden können, wieder aufbrechen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Dreßen, Ihre Nachfrage.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist in diesem Zusammenhang die Altersgrenze von 55 Jahren bei den Eingliederungszuschüssen nicht zu hoch?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Im Prinzip ja. Wir möchten gleichzeitig, parallel zum Gesetz, über eine Rechtsverordnung probeweise über einen Zeitraum von zwei Jahren, um Erfahrungen zu sammeln, die Altersgrenze auf das 50. Lebensjahr absenken.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Kollege Franz Thönnes.

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, diese Regierung ist mit dem Versprechen angetreten, in der aktiven Arbeitsmarktpolitik die Frauen ihrem Anteil an der Arbeitslosigkeit entsprechend zu fördern. Inwieweit enthält dieser Gesetzentwurf Regelungen, die die besondere Situation von arbeitslosen Frauen betreffen?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Der Gesetzentwurf enthält hierzu Regelungen. Aber lassen Sie mich noch ganz kurz auf das angesprochene Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit eingehen. Nach den ersten Auswertungen dieses ProBundesminister Walter Riester gramms, die jetzt vorliegen, sind 44,5 Prozent der in das Programm aufgenommenen Personen Frauen. Darüber freue ich mich sehr. ({0}) Jetzt komme ich zu Ihrer konkreten Frage, was im Gesetz steht: Erstens. Die vorhin angesprochenen Pendelzeiten betreffen natürlich insbesondere Frauen, die als Teilzeitbeschäftigte arbeiten wollen. Deswegen wollen wir dafür sorgen, daß die Pendelzeiten kürzer werden. Zweitens wollen wir Weiterbildungsmöglichkeiten eröffnen, ohne daß ein aktueller Leistungsbezug besteht. Auch durch diesen Punkt werden insbesondere Frauen begünstigt. Als dritten Punkt stellen wir durch eine Definition klar, daß insbesondere bei Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit durch Pflegetätigkeiten oder Kindererziehungszeiten trotzdem Weiterbildungsmöglichkeiten wahrgenommen werden können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat die Kollegin Erika Lotz.

Erika Lotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002726, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben in Ihrem Vorschlag auch eine Ausweitung der Weiterbildungsmöglichkeiten für Teilzeitbeschäftigte vorgesehen. Welche Erwartungen verbinden Sie damit?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Die Weiterbildungsmöglichkeiten sind jetzt so angelegt - im Grundsatz ist das natürlich richtig -, daß sie sich an Vollzeitbeschäftigte richten. Wir haben aber insbesondere bei den Menschen große Probleme, die wegen gesundheitlicher Einschränkungen überhaupt nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen können. Unser Gesetz eröffnet diesen die Möglichkeit, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, so daß auch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen leichter in den Arbeitsprozeß integriert werden können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Koppelin, Ihre Frage, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, teilen Sie meine Auffassung, nachdem eine ganze Reihe von Fragen aus der SPD-Fraktion gekommen sind, die ja die Bundesregierung wohl trägt, daß auch in dieser Frage das Mannschaftsspiel noch nicht richtig klappt? ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Diese Auffassung teile ich überhaupt nicht. Schon die Tatsache, daß Sie uns ein Mannschaftsspiel unterstellen, zeigt ja, daß es bei uns klappt. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich bitte doch darum, beim aufgerufenen Themenbereich zu bleiben. Nächster Fragesteller ist der Kollege Kurt Bodewig.

Kurt Bodewig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003051, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich würde gern ein Detailproblem ansprechen, nämlich das Arbeitslosengeld für entlassene Strafgefangene. Nach dem Entwurf soll es neu geregelt werden. Was waren eigentlich die Gründe dafür, die Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entlassener Gefangener neu zu regeln?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Bisher richtet sich das Arbeitslosengeld für Strafgefangene nach einer Bemessungsgrundlage von gut 4 000 DM. Wir sind den Weg gegangen, die Bemessung des Arbeitslosengeldes für Strafgefangene an den Verdienstmöglichkeiten auszurichten, die er bei seiner Entlassung auf dem Arbeitsmarkt hat. Wir gehen deshalb nicht mehr von einem fiktiven pauschalen Ansatz aus, der im Vergleich zu anderen Gruppen, aber möglicherweise auch für den Strafgefangenen, Ungerechtigkeiten mit sich bringt. Jetzt bemißt es sich an seiner Qualifikation und den beruflichen Fähigkeiten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Kollege Hans Büttner.

Hans Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000302, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, die Kollegin Schnieber-Jastram hat ja vorhin schon darauf hingewiesen, daß etliche Vorschläge der alten Bundesregierung, vor allem die falsche Entscheidung, die Meldepflicht für 58jährige und Ältere einzuführen, nur zu bürokratischem Aufwand geführt haben. Deswegen ist es positiv, daß Sie mit Ihrem Schritt einen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten. ({0}) In diesem Zusammenhang meine Frage: Werden Sie diese Entscheidung auch rückwirkend auf Personen anwenden, die mit dem 60. Lebensjahr in den Ruhestand gehen, aber deswegen keine Rente erhalten, weil sie den Rentenversicherern nicht für alle Zeiträume ununterbrochen Arbeitslosmeldungen vorlegen können? Wenn sie zwar arbeitslos gemeldet waren, aber der dummen Bestimmung, sich alle drei Monate zu melden, zum Teil aus Unkenntnis und zum Teil auch deswegen, weil das Arbeitsamt ihnen sagte, sie könnten nicht vermittelt werden, nicht nachgekommen sind, erhalten sie nämlich keine Rente. Werden Sie dafür sorgen, daß diese unsinnige Vorschrift auch im Verwaltungsvollzug bei der Rentenversicherung beseitigt wird?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Abgeordneter Büttner, das will ich Ihnen aus dem Bauch heraus nicht mit Ja oder Nein beantworten. Da frage ich bei mir im Ministerium und lasse mir das genauer schildern, und dann wollen wir entscheiden. Aus dem Bauch heraus kann ich dazu nicht ja oder nein sagen. ({0}) - Lassen Sie mich einmal sagen: Ich habe kein Interesse am Strecken. Fragen Sie! ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Klaus Brandner.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wir waren gerade beim Thema Entbürokratisierung. Wir wissen alle, daß die Regierung angetreten ist, bürokratische Vorschriften, die sich nicht bewährt haben, abzuschaffen. Gerade bei den Arbeitslosen gibt es eine Regelung, die vorsieht, daß der Arbeitslose sich persönlich innerhalb von drei Monaten beim Arbeitsamt melden muß, um weiterhin Leistungen zu erhalten. Dadurch sollte angeblich der Kontakt zum Arbeitsamt aufrechterhalten bleiben. Sehen Sie diese Regelung als überflüssig an? Hat sie sich bewährt, oder sollte sie in der Tat gestrichen werden, weil sie inhaltlich keine Bedeutung hat?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich mache es sehr schnell: Sie hat sich nicht bewährt. Dazu liegen für mich interessante Briefe vor, auch von der jetzigen Opposition, die das bürokratische Vorgehen zu Recht kritisiert hat. Man hat versucht, das auf Zielgruppen zu reduzieren; man hat bei den Arbeitsämtern aber gemerkt, daß das letztendlich nur zu einem riesigen Verwaltungsaufwand führt. Das Ziel, Leistungsmißbrauch zu verhindern, wird damit nicht erreicht. Deswegen schaffen wir es ab. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Dr. Knake-Werner, Ihre Frage, bitte.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, ich habe eine Frage zu den Strukturanpassungsmaßnahmen. Zunächst einmal habe ich befriedigt zur Kenntnis genommen, daß das, was Sie ursprünglich nur für die ostdeutschen Bundesländer vorgesehen hatten, also die Felder, auch auf die westdeutschen Bundesländer ausgedehnt wird. Dann haben Sie gesagt - jedenfalls habe ich das dem Referentenentwurf entnommen -, daß es eine Förderung geben soll für ältere Arbeitnehmer ab 55 für eine Dauer von fünf Jahren. Ich hätte gerne gewußt, wie das konkret aussehen soll, welche Fördermaßnahmen da angewandt werden sollen - gibt es einen Mix von Fördermaßnahmen, um diese fünf Jahre zusammenzubringen? - und ob Sie sich vorstellen können, daß das etwas ist, was sozusagen auch Ihrem eigenen Anspruch auf Verstetigung näherkommt, und zwar auch bezogen auf andere Beschäftigtengruppen?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Erst einmal ist es nur auf diese Altersgruppe bezogen. Auf diese Altersgruppe ist es insbesondere deswegen bezogen - das gilt vor allem für die Arbeitsamtsbereiche ganz Ostdeutschlands und für die Arbeitsamtsbereiche mit hoher Arbeitslosigkeit -, weil es für viele dieser älteren Arbeitslosen fast entwürdigend ist, wenn sie in Maßnahmen immer nur kurzfristig beschäftigt werden und keine längerfristige Perspektive haben. Daher möchten wir die Möglichkeit eröffnen, bis zu fünf Jahre ein Leistungsangebot zu machen, durch das für diese Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage, bitte!

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe noch eine Nachfrage. Sie wissen, Herr Minister, daß das Land Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Modellversuch zum öffentlich geförderten Beschäftigungssektor angepeilt hat, diesen Bereich fünf Jahre lang zu fördern. Sie tun sich damit sehr schwer, weil ihnen dazu Bundesregelungen fehlen. Können Sie sich vorstellen, daß das, was Sie jetzt hier einleiten, auch eine Möglichkeit wäre, um einen solchen Modellversuch über diesen Zeitraum zu fördern? ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Inwieweit man das über einen Modellversuch machen kann, darüber muß man sprechen. Ich habe mit dem Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern gerade vor kurzem ein Gespräch geführt. Er sagte mir, ihm lägen sehr viele Anfragen in bezug auf einen Modellversuch vor. Dafür sind die Mittel in dem erforderlichen Umfang nicht da, weder in MecklenburgVorpommern noch insgesamt. Aber ich denke, wir müssen - auch experimentell - einige Versuche machen, um daraus zu lernen. Insgesamt gilt es aber, für diesen Kreis älterer Arbeitnehmer, der im Kern merkt, daß er kaum dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten hat, entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich liegen mir nicht vor. Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Herr Kollege Hollerith, bitte.

Josef Hollerith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage aus ak2090 tuellem Anlaß, nämlich der besonderen Art und Weise von Fahnenflucht von Bundesminister Lafontaine, die er dem deutschen Volk vorführte, ({0}) die Bundesregierung: Wann und in welcher Form hat Bundesminister Lafontaine um seine Entlassung als Bundesminister der Finanzen gebeten? ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wer antwortet für die Bundesregierung? ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Damit Sie nicht annehmen, ich beginge Fahnenflucht, will ich antworten. Mir ist bekannt, daß zu diesem Thema offensichtlich - ({0}) - Ich gebe die Frage an den Vertreter des Kanzleramtes weiter. ({1})

Josef Hollerith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Steinmeier, ich will meine Frage wiederholen; Sie waren noch auf dem Weg hierher. Wann und in welcher Form hat Herr Bundesminister Lafontaine um seine Entlassung als Bundesminister der Finanzen gebeten?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dr. Steinmeier, Ihre Antwort bitte auf die Frage des Kollegen Hollerith.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich glaube, die Antwort ist inzwischen auf vielfältige Art und Weise bekannt geworden. ({0}) - Lassen Sie mich bitte antworten! - Der Bundesminister der Finanzen hat am vergangenen Donnerstag nachmittag durch einen Brief an den Bundeskanzler um seine Entlassung gebeten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hollerith, Sie haben die Möglichkeit zur Nachfrage.

Josef Hollerith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte folgende Frage anschließen: Wann hat Bundeskanzler Schröder dieser Bitte entsprochen?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Bundeskanzler hat diesen Brief, der ihm am Donnerstag nachmittag durch einen Boten überbracht wurde, entgegengenommen. Ich weiß jetzt nicht, ob mit Ihrer Frage Weiteres insinuiert ist. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hollerith, Sie haben nur zwei Fragen. ({0}) Nächster Fragesteller ist der Kollege Bartholomäus Kalb.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte nachfragen: Hat der Bundeskanzler dieser Bitte entsprochen? Hat er dem Herrn Bundespräsidenten vorgeschlagen, den Herrn Bundesfinanzminister zu entlassen? Ich darf weiter fragen: Ist dem Herrn Bundesfinanzminister zwischenzeitlich die Entlassungsurkunde übergeben worden, oder wann wird er sie entgegennehmen? ({0})

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Nachdem im Verlaufe des Nachmittags geklärt war, daß die Bitte um Entlassung unwiderruflich ist, hat der Bundeskanzler noch am selben Abend eine kurze Pressemitteilung, die Ihnen bekannt ist, abgegeben. Darin hat er dem Bundesfinanzminister für seine bisherige Arbeit gedankt. Daraus können Sie entnehmen, daß im Verlaufe dieses Nachmittags der Entlassungswunsch vom Bundeskanzler akzeptiert worden ist. Auf Ihre zweite Frage, wann die Entlassungsurkunde ausgehändigt wird, teile ich Ihnen mit, daß dies meines Wissens morgen nachmittag um 16.15 Uhr durch den Bundespräsidenten geschehen wird. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage, bitte, Herr Kollege Kalb.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich nachfragen, auf welcher gesetzlichen Grundlage oder auf welcher Grundlage der Geschäftsordnung der Bundesregierung das Bundesministerium der Finanzen seit Donnerstag letzter Woche, auch bei internationalen Verhandlungen, zum Beispiel beim Ecofin-Rat, offiziell vertreten worden ist? ({0}) - Entschuldigung, ich habe nach der Grundlage gefragt. Das wird die Bundesregierung doch wohl beantworten können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege, Sie haben Ihre Frage gestellt, und jetzt kommt die Antwort von seiten der Bundesregierung.

Not found (Staatssekretär:in)

Nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung ist die Vertretung eines Ministers durch ein anderes Kabinettsmitglied möglich. Sie wissen, daß der Bundesminister der Finanzen durch den Bundeswirtschaftsminister vertreten wird, der die Vertretung, auch auf Sitzungen der internationalen Gremien, seit der letzten Woche übernommen hat. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Kollege Dietrich Austermann. Ich verweise darauf, daß die ersten vier Fragesteller angemeldet worden sind. Ich habe Sie auf der Liste eingetragen.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Steinmeier, ich hätte gerne gewußt: Was ist denn die Grundlage der Vertretung? Die Geschäftsordnung der Bundesregierung geht von bestimmten Regularien aus. Ist der Grund Krankheit, genehmigter Urlaub oder etwas anderes? ({0}) Normalerweise muß eine bestimmte Voraussetzung erfüllt sein, damit eine rechtlich einwandfreie Vertretung ich spreche insbesondere das Thema Ecofin-Rat an - erfolgen kann. ({1})

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, uns trifft diese Frage natürlich nicht ganz unerwartet, und mit Blick auf die Zuhörer und Zuschauer verstehe ich sie auch. Dennoch haben Sie vielleicht Verständnis für unsere Haltung, daß wir es in der gegenwärtigen Situation - einen Tag vor Übergabe der Entlassungsurkunde - als unzumutbar empfinden, den Finanzminister hierher zu zitieren. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Austermann, eine Nachfrage, bitte.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe zwei Fragen, und meine erste Frage ist noch nicht beantwortet. Ich muß also darauf bestehen, daß zunächst die erste Frage beantwortet wird. Herr Bundesminister Lafontaine hat, wie andere auch - wenn auch ohne entsprechende Formulierung -, einen Eid geleistet, der ihn verpflichtet, Arbeit zu leisten und präsent zu sein. Deswegen haben wir ihn auch für heute mittag in den Haushaltsausschuß bestellt. Er ist noch im Amt. Auch der Parlamentarische Staatssekretär sitzt noch da. Ich hätte gerne gewußt, auf Grund welcher gesetzlichen Regelung und welchen Sachverhaltes die Nichtanwesenheit beim Ecofin-Rat und bei anderen Ereignissen zu rechtfertigen ist.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich hatte auf Ihr Verständnis gehofft. Wir sind Ihnen gegenüber offen. Ich habe in meiner Antwort eben signalisiert, daß wir uns auf keinen der bekannten Gründe, wie Auslandsaufenthalt, Urlaub oder ähnliches, berufen. Sie haben recht, der Bundesminister der Finanzen ist bis zur Übergabe seiner Entlassungsurkunde nach wie vor Kabinettsmitglied. Im übrigen habe ich mich eben bemüht, Ihnen zur Frage der Zumutbarkeit in aller Offenheit Auskunft zu geben. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Gerda Hasselfeldt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte gerne, Frau Präsidentin, den Vertreter des Bundesfinanzministeriums fragen: Von welcher Belastungsgrundlage für die Energiewirtschaft im Rahmen des sogenannten Steuerentlastungsgesetzes ging der Finanzminister bis zum 9. März aus? - Soll ich die Frage noch einmal wiederholen? Dr. Frank-Walter Steinmeier: Staatssekretär im Bundeskanzleramt: An Herrn Diller?

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe die Frage an den Vertreter des Bundesfinanzministeriums gerichtet und dies vorher auch ausdrücklich artikuliert. Ich ging deshalb davon aus, daß Sie aufgepaßt haben, aber offensichtlich war das nicht der Fall. Ich möchte gerne wissen, von welcher Belastungswirkung für die Energiewirtschaft auf Grund des Steuerentlastungsgesetzes der Bundesfinanzminister bis zu den Konsensgesprächen am 9. März ausging. ({0})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Verehrte Frau Kollegin, das können Sie nachlesen. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie das nicht beantworten können, will ich den Kern der Sache noch einmal zum Ausdruck bringen. Sie wissen, Herr Staatssekretär, daß der Finanzminister zunächst von etwa 10 Milliarden DM ausgegangen ist und daß er dann nach wenigen Tagen zugestanden hat, daß die Belastungswirkung für die Energiewirtschaft bis zum Jahr 2009 nicht 10 Milliarden DM, sondern über 20 Milliarden DM, nämlich 21 Milliarden DM, betragen wird. Nun frage ich Sie: Hat Bundeskanzler Schröder in dem Treffen mit Vertretern der Energiewirtschaft auch zugestanden, daß die bisherigen Gespräche zahlenmäßig auf falschen Grundlagen und unter falschen Annahmen geführt wurden? Ich bitte um eine konkrete Antwort.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Verehrte Frau Kollegin, soweit ich die Diskussion mitverfolgt habe - im Bundesministerium der Finanzen ist das nicht mein originärer Zuständigkeitsbereich, sondern der der Kollegin Barbara Hendricks -, ist festzustellen: Die Gespräche haben eine Einigung dahin gehend erbracht, daß man im Lichte der tatsächlichen Entwicklung prüfen wird, ob die Annahmen des Bundesfinanzministeriums auch tatsächlich zutreffen, und daß man dann, wenn diese Annahmen nicht zutreffen, in Gespräche eintritt und Lösungen entwikkelt. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Hasselfeldt, Sie haben schon zwei Fragen gestellt. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß es üblich ist, daß man eine Frage und eine Nachfrage stellen kann. Darauf haben wir uns in der Geschäftsordnung verständigt. ({0}) Nächster Fragesteller ist der Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Da uns das Bundeskanzleramt jetzt erfreulicherweise mitgeteilt hat, wann der bisherige Bundesfinanzminister Lafontaine entlassen wird, darf ich folgende Frage an die Regierung bzw. an das Kanzleramt richten: Was hindert den Herrn Bundeskanzler, nachdem er uns den Nachfolger im Amt des Bundesfinanzministers, nämlich Herrn Eichel, schon präsentiert hat, daran, ihn hier im Hause in dieser Woche vereidigen zu lassen, und warum läßt er ihn statt dessen, wie ich heute den Nachrichtenagenturen entnommen habe, in einer Sondersitzung am 8. April dieses Jahres vereidigen, was zusätzliches Geld, also erhebliche Steuermittel, kosten wird? Gibt es irgendwelche Gründe dafür? Denn - ich sage das aus Sicht der F.D.P.-Fraktion - es ist ja im Rahmen der deutschen EU-Präsidentschaft nicht unbedeutend, einen amtierenden Finanzminister zu haben. ({0}) - Nein, dies ist bei der Befragung der Bundesregierung nicht nötig. Sie sollten sich einmal schlau machen. - Wir sollten auch für die aktuellen Haushaltsberatungen einen Finanzminister haben. Was hindert also den Bundeskanzler, Herrn Eichel in dieser Woche vereidigen zu lassen?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Staatssekretär Steinmeier, bitte.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich kann nicht beurteilen, inwieweit es in früheren Fällen bei Ernennungen von Ministern im Laufe einer Legislaturperiode nicht auch vorgekommen ist, daß Sondersitzungen des Bundestages stattgefunden haben. ({0}) Im übrigen steht Herr Eichel vor dem 8. April dieses Jahres nicht zur Verfügung. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Irmgard Schwaetzer. - Bitte.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich frage die Bundesregierung: Sie haben uns nun mitgeteilt, daß der jetzige Bundesfinanzminister morgen die Entlassungsurkunde ausgehändigt bekommt. Damit erlischt gleichzeitig die Amtszeit der Parlamentarischen Staatssekretäre. ({0}) Werden die Parlamentarischen Staatssekretäre für die Zwischenzeit, also von morgen bis zum 8. April dieses Jahres, ernannt? Dies würde voraussetzen, daß Herr Müller ebenfalls einen Eid als Finanzminister leisten müßte. Ist das so von der Bundesregierung geplant, bzw. mit welchen anderen Konstruktionen gedenkt die Bundesregierung, die jetzigen Staatssekretäre im Amt zu halten? ({1})

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, ich gehe gegenwärtig davon aus, daß es nach der Übergabe des Entlassungsschreibens an den bisherigen Bundesfinanzminister zu einer Ernennung von zwei Parlamentarischen Staatssekretären kommen wird. Hinsichtlich des richtigen rechtlichen Weges bin ich derzeit im Gespräch mit dem Bundespräsidialamt. Ich möchte der Entscheidung dort im Augenblick nicht vorgreifen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Schwaetzer, Sie können noch eine kurze Nachfrage stellen.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, mit dieser Antwort kann ein Parlamentarier nicht zufrieden sein. Denn aus Ihrer Antwort geht hervor, daß Sie selber in diesem Zusammenhang rechtliche Schwierigkeiten sehen. Vielleicht könnten Sie uns diese Schwierigkeiten einmal beschreiben. Was veranlaßt Sie eigentlich dazu, auf diese Weise bestehende rechtliche Regelungen zu umgehen, statt, wie es möglich wäre darauf hat der Kollege Koppelin hingewiesen -, in dieser Woche den vorgesehenen Finanzminister vereidigen zu lassen? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Die beiden rechtlichen Wege, die ich eben angesprochen habe, sind mit keinem rechtlichen Makel behaftet. Sie sind beide zulässig; darin bin ich mit dem Bundespräsidialamt einer Meinung. Nur, das Bundespräsidialamt hat zur Zeit keine Möglichkeit, diese beiden möglichen Wege mit dem Bundespräsidenten selbst zu besprechen. Da der Bundespräsident hierzu eine Meinung hat, will das Bundespräsidialamt dem Gespräch im Augenblick durch eine Auskunft mir gegenüber - das verstehe ich - nicht vorgreifen. Dies wird im Laufe des heutigen Nachmittags oder aber morgen früh geklärt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der wirklich letzte Fragesteller im Rahmen der Regierungsbefragung ist der Kollege Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich frage die Bundesregierung: Wenn die Zahlengrundlage insbesondere bei einem wichtigen Eckpfeiler, dem Steuerentlastungsgesetz, sowohl qualitativ als auch quantitativ so offen ist, wäre es dann nicht verantwortungsbewußter, die Verabschiedung im Bundesrat aufzuschieben?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, diese Auffassung kann ich überhaupt nicht teilen. Die Bundesregierung ist bei ihrer Schätzung, daß das Volumen 10 Milliarden DM beträgt, von einem Zeitraum von 4 Jahren ausgegangen. Die Wirtschaft ist bei ihrer Schätzung, daß es 25 Milliarden DM betragen wird, von einem Zeitraum von 10 Jahren ausgegangen. Insofern sind die beiden Zahlen im Prinzip deckungsgleich.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Noch eine Nachfrage, Herr Kollege.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich frage mich, wenn Sie die Zahlen doch wissen, warum Sie dann der Kollegin Hasselfeldt eben nicht geantwortet haben.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Weil ich mich wundere, daß eine so gut informierte Kollegin wie Frau Hasselfeldt eine Frage stellt, zu der sie die Antwort eigentlich kennen müßte. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Befragung der Bundesregierung ist beendet. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 14/512 Als erstes rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller bereit. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Gerald Weiß auf: Wird die Bundesregierung dem Vorschlag der Europäischen Kommission, auf arbeitsintensive Endverbraucher-Dienstleistungen - wie z. B. denen des Friseurhandwerks - versuchsweise für die Dauer von drei Jahren einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden, bis zum vorgesehenen Stichtag 1. September 1999 zustimmen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Weiß, Ihre Frage möchte ich wie folgt beantworten: Die Kommission hat am 17. Februar dieses Jahres entschieden, im Rat einen Richtlinienvorschlag zur weiteren Umsatzsteuerharmonisierung vorzulegen. Diesen Vorschlag hat sie am Montag in meiner Anwesenheit im Ecofin-Rat vorgestellt. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß nach dem Richtlinienvorschlag der Kommission der Rat einen Mitgliedstaat auf Vorschlag der Kommission einstimmig ermächtigen kann, für die Jahre 2000, 2001 und 2002 versuchsweise einen ermäßigten Satz auf bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen anzuwenden. Nach diesem Richtlinienvorschlag, den uns die Kommission am Montag präsentiert hat, müssen die betreffenden Dienstleistungen folgende Bedingungen erfüllen: Sie müssen arbeitsintensiv sein. Sie müssen direkt gegenüber dem Endverbraucher erbracht werden. Sie müssen überwiegend lokalen Charakter aufweisen und dürfen keine Wettbewerbsverzerrungen hervorrufen. Durch die Anwendung des ermäßigten Satzes darf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes nicht beeinträchtigt werden. Unter die Dienstleistungen, die die genannten Voraussetzungen erfüllen und nach Ansicht der Kommission besonders gut zur Schaffung von Arbeitsplätzen geeignet sein dürften, fallen beispielsweise Reparaturarbeiten an beweglichen Gegenständen, Renovierungsarbeiten an Wohngebäuden und Pflegedienstleistungen zu Hause. Ich habe zugesagt, daß wir die Beratungen zu dem Vorschlag noch während unserer Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 aufnehmen werden. Ob die Bundesregierung der Richtlinie in der vorgeschlagenen Fassung zustimmen kann, vermag ich derzeit noch nicht zu beantworten. Wir müssen jetzt erst einmal den offiziellen Vorschlag, der uns am Montag vorgestellt worden ist, prüfen. Erst danach kann die Haltung der Bundesregierung festgelegt werden. Ich möchte Sie aber schon jetzt darauf hinweisen, daß es nicht allein von unserer Haltung abhängt, ob eine Richtlinie im Bereich der Umsatzsteuerharmonisierung verabschiedet wird. Vielmehr müssen alle EUMitgliedstaaten einer solchen Richtlinie zustimmen. Im übrigen möchte ich daran erinnern, daß sich vor einem Jahr, nämlich im März und April, der Deutsche Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen - ausgenommen denen der PDS - gegen die versuchsweise Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Dienstleistungen ausgesprochen hat. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Bericht des federführenden Finanzausschusses; das ist die Bundestagsdrucksache 13/10058 vom 5. März 1998.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Weiß, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte.

Gerald Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin etwas erstaunt darüber, Herr Staatssekretär, daß es noch keine endgültige Meinung der Bundesregierung in dieser Frage gibt. Ist sie nicht insoweit positiv vorgeprägt, als Gerhard Schröder, der jetzige Bundeskanzler, als Kanzlerkandidat im Mai 1998 in seinem sogenannten Mittelstandsprogramm Sympathie für diesen Vorschlag eines gespaltenen Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Endverbraucherdienstleistungen hat erkennen lassen und öffentlich zugesagt hat, diese europäischen Überlegungen im Hinblick auf die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen in diesen Wirtschaftssektoren zu prüfen? Gehen Sie mit einer solchen positiven Grundeinstellung - auch im Hinblick darauf, daß dadurch vielleicht Arbeitsplätze geschaffen werden können - an die Prüfung, und wann wird diese abgeschlossen sein?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich möchte noch einmal daran erinnern, daß ich in meiner Funktion als amtierender Präsident beim Ecofin-Rat zugesagt habe, daß wir die Verhandlungen noch im ersten Halbjahr aufnehmen werden, um zu einer abschließenden Meinung zu kommen. Die Bundesregierung muß sich jetzt auf Grund des neuen, am Montag präsentierten endgültigen Kommissionsvorschlags eine Meinung bilden. Ich weise darauf hin, daß in der Begründung des Kommissionsvorschlages durch die Kommission selbst auf viele Schwierigkeiten hingewiesen wird. Ich möchte einmal zitieren. Die Kommission selbst schreibt: Es ist keineswegs sicher, daß sich eine Mehrwertsteuerermäßigung positiv auf die Schaffung von Arbeitsplätzen auswirkt. Sie schreibt weiterhin: Es ist äußerst schwierig, vorab ein erschöpfendes Verzeichnis der Dienstleistungen aufzustellen, ({0}) auf die dieser ermäßigte Satz anwendbar wäre. Sie schreibt ferner: … muß die Kommission die Möglichkeit haben, dem Rat geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, um nachteiligen Auswirkungen eines ermäßigten Satzes auf den Wettbewerb sowohl innerhalb des betreffenden Landes als auch gegenüber anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken. Das bedeutet, die Kommission selbst ist in bezug auf ihren Vorschlag der Meinung, daß es noch eine ganze Menge Detailarbeit gibt. Das muß sorgfältig geprüft werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Nachfrage. Bitte, Herr Kollege.

Gerald Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie schätzen Sie das Meinungsbild im Ministerrat hinsichtlich dieser Frage gegenwärtig ein?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Wenn ich mich richtig erinnere, hat außer dem vortragenden Kommissar Monti niemand dazu das Wort ergriffen. Vielmehr haben wir einmütig - meinem Vorschlag folgend - beschlossen, den Ausschuß der Ständigen Vertreter und die Gruppe Finanzfragen zu beauftragen, die Beratungen aufzunehmen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Börnsen auf: Welche ordnungs-, fiskal- und europapolitischen Maßnahmen plant die Bundesregierung bereits in kurzer Frist sowohl auf nationaler Ebene sowie im Rahmen der Verhandlungen zur Agenda 2000 zu ergreifen, um dem Grundsatz der freien Mobilität, der bereits in den Römischen Verträgen vereinbart worden ist, und damit verbundenen freien Wahl des Wohn- und Arbeitsplatzes für alle Bürgerinnen und Bürger innerhalb der Europäischen Union Rechnung zu tragen und infolgedessen Doppelbesteuerungen in Grenzregionen, die zur Einschränkung zwischenstaatlicher Mobilität für mehr als 300 000 Grenzgänger bundesweit führen, insbesondere aber auch zwischen Deutschland und dem Königreich Dänemark, wie das „Flensburger Tageblatt“ vom 2. März 1999 berichtet, zu vermeiden bzw. abzuschaffen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Börnsen, der Gesetzgeber hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit der Besteuerung der im Ausland ansässigen Grenzgänger mit deutschen Einkünften befaßt. Nachdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 14. Februar 1995 im Fall Schumaker entschieden hatte, daß die Regelungen des § 50 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Grenzpendlergesetzes dem Erfordernis der Freizügigkeit in der EU nicht gerecht wurden, ist durch das Jahressteuergesetz 1996 in § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 1a Einkommensteuergesetz eine Regelung getroffen worden, nach der im Ausland ansässige Personen wie unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden, wenn ihre Einkünfte mindestens zu 90 vom Hundert der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 12 000 DM - bei zusammenveranlagten Ehepaaren 24 000 DM - im Kalenderjahr betragen. Dabei kommen EU-Staatsangehörige bei Wohnsitz innerhalb der EU im Falle der Zusammenveranlagung insbesondere in den Genuß des Ehegattensplittings, Steuerklasse III. Die Regelungen entsprechen den Vorgaben des EuGH. Die Bundesregierung hält sie nach wie vor für sachgerecht und sieht keine Veranlassung, hieran etwas zu ändern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Börnsen, bitte.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie wissen, es handelt sich um fast 300 000 Personen, die im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen nicht, wie andere Bürger in der Bundesrepublik, Steuergerechtigkeit erfahren. Sehen Sie nicht doch Handlungsbedarf bei dieser großen Anzahl von Personen, deren Recht auf Reise- und Berufsfreiheit in der EU immer noch eingeschränkt ist, weil die Steuersätze nicht angeglichen worden sind bzw. weil es keine Regelung gibt, die eine Verringerung der Steuersätze vorsieht, damit sie wie alle anderen Steuergerechtigkeit erfahren?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Börnsen, Doppelbesteuerungen werden durch die Doppelbesteuerungsabkommen ja gerade vermieden. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es nicht notwendig, daß man angesichts der Tatsache, daß so viele Bürger - immerhin 300 000 - dieses Unrecht an sich spüren, mit den Sprechern der Organisationen zu einem Dialog kommt, um festzustellen, ob es nicht doch Handlungsbedarf gibt?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich habe in der Antwort auf Ihre Frage beleuchtet, wie es sich bei Steuerpflichtigen verhält, die im Ausland wohnen. Ich möchte den Aspekt auch noch bezüglich der Personen beleuchten - dies liegt Ihnen ja wohl besonders am Herzen -, die im Inland wohnen und im EU-Ausland arbeiten. Diese Personen unterliegen bereits auf Grund ihres Wohnsitzes der unbeschränkten Steuerpflicht und kommen im Fall der Zusammenveranlagung ohne weiteres in den Genuß des Splittingverfahrens und persönlicher Abzüge. Soweit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die im Ausland bezogen werden, nach dem Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Steuer befreit sind, werden sie allerdings im Rahmen des sogenannten Progressionsvorbehaltes zur Ermittlung des Steuersatzes für die weiterhin in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte berücksichtigt. Dies hält die Bundesregierung nach wie vor für sachgerecht, da damit der steuerlichen Leistungsfähigkeit Rechnung getragen wird. Der Steuersatz wäre nicht niedriger, wenn die gesamten Einkünfte aus Deutschland bezogen würden. Auch insoweit sieht die Bundesregierung keinen Anlaß zu Änderungen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Fragen 3 und 4 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie die Fragen 5 und 6 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung werden schriftlich beantwortet. Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf: Welches Ziel verfolgt die Bundesregierung, die in ihrer Regierungserklärung die Menschenrechtspolitik zu einem besonderen Schwerpunkt ihrer Politik erklärt hat, als Präsidentschaft innerhalb der Europäischen Union in bezug auf die in den vergangenen Monaten dramatisch zugenommenen Menschenrechtsverletzungen in China, und welchen Vorschlag wird sie dem Ministerrat unterbreiten?

Not found (Gast)

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, der Schutz der Menschenrechte weltweit zählt zu den außenpolitischen Schwerpunkten der Bundesregierung. Teil dieser Politik ist der Dialog über menschenrechtliche Fragen, den sie mit wichtigen Partnern führt. Zu diesen Dialogpartnern gehört namentlich auch China. Der menschenrechtliche Dialog der EU mit China hat in den letzten Monaten erhebliche Rückschläge erfahren. Das Vorgehen gegen Dissidenten durch die chinesische Führung im Dezember 1998 ist von der Bundesregierung und ihren europäischen Partnern sofort und un2096 zweideutig in Erklärungen und Demarchen in Peking verurteilt worden. Im Rahmen unserer EU-Ratspräsidentschaft haben wir die chinesische Seite durch Troika-Konsultationen in Berlin im Februar dieses Jahres in deutlicher Form vor allem auch auf die für uns nicht akzeptable Verfolgung von Bürgerrechtlern hingewiesen und die Rücknahme der Verfolgungsmaßnahmen verlangt. Die Menschenrechtsverletzungen der letzten Zeit waren auch Gegenstand einer hochrangigen Troika-Mission auf Ebene der politischen Direktoren, die wir am 16. März in Peking durchgeführt haben. Auf der bevorstehenden 55. Tagung der Menschenrechtskommission in Genf wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer Ratspräsidentschaft zu den Menschenrechtsverletzungen in China erneut und unzweideutig Stellung nehmen. In welcher Form dies konkret geschieht, wird gegenwärtig mit den EU-Partnern und wichtigen anderen westlichen Staaten abgestimmt. Dabei ist es ein zentrales politisches Ziel der Bundesregierung, die Geschlossenheit der EU in ihrer Menschenrechtspolitik gegenüber China zu wahren. Im übrigen bieten auch der anstehende Besuch von Außenminister Tang und die für den 28. März vorgesehene EU-Troika-Konsultation auf Ministerebene Gelegenheit, die Menschenrechtsverletzungen anzusprechen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger, Ihre Nachfrage, bitte.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung die Auffassung des Menschenrechtsbeauftragten im Auswärtigen Amt, Herrn Poppe, daß eine Resolution der Europäischen Union, gegebenenfalls auch allein von der Bundesregierung in Genf initiiert, die die Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China verurteilt, der richtige Weg ist? Unterstützt sie dieses Vorhaben des Menschenrechtsbeauftragten?

Not found (Gast)

Eine Resolution ist eine von mehreren denkbaren Optionen. Der Bundesregierung kommt es, wie ich gerade dargelegt habe, vor allen Dingen darauf an, die Geschlossenheit der Europäischen Union zu wahren. Wir wissen, daß die Idee einer Resolution nicht überall geteilt wird. Wir suchen nach einer gemeinsamen Handlungsoption, so daß der chinesischen Seite die Möglichkeit verbaut ist, die europäischen Staaten gegeneinander auszuspielen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Koppelin werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Andreas Schmidt auf: Hält die Bundesregierung die wiederholte Werbung von Bundesminister Joseph Fischer für die Brockhaus-Enzyklopädie ({0}) mit Artikel 66 GG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 des Bundesministergesetzes ({1}) für vereinbar?

Not found (Gast)

Sorry, Sie haben eine andere Numerierung der Fragen als ich.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es handelt sich um die Frage 10 des Abgeordneten Andreas Schmidt.

Not found (Gast)

Bei mir ist die Frage 10 die des Abgeordneten Raidel. Deshalb muß ich die Antwort auf die Frage des Abgeordneten Andreas Schmidt suchen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen ein Stichwort gebe. Es geht um die Brockhaus-Enzyklopädie. ({0})

Not found (Gast)

Die Numerierung der Fragen bei der Frau Vorsitzenden und bei uns war unterschiedlich. Ich mußte sie nun erst identifizieren. Die zitierten Rechtstexte, Herr Schmidt, untersagen lediglich die Ausübung eines anderen besoldeten Amtes, eines Gewerbes oder Berufs durch die Mitglieder der Bundesregierung. Gewerbe und Beruf sind auf Dauer angelegte und auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeiten. Bei der fraglichen Werbung handelt es sich weder um eine gewerbliche noch eine berufliche Tätigkeit im Sinne des Art. 66 des Grundgesetzes und des § 5 Abs. 1 des Bundesministergesetzes. Es fehlt an dem Element einer auf Dauer angelegten und auf Erwerb ausgerichteten Tätigkeit. Ein wirtschaftlicher Vorteil wurde nicht erzielt. Minister Fischer hatte schon in seiner Zeit als Abgeordneter, also vor dem Antritt des Ministeramtes, auf ein Honorar zugunsten eines wohltätigen Zweckes verzichtet. Im Vordergrund steht damit ein ideeller, auf Bildung bezogener Zweck. Vertragliche Grundlage ist eine Vereinbarung zwischen dem Brockhaus-Verlag und MdB Fischer vom Sommer 1998. Eine zeitliche Befristung der Anzeigenkampagne war damals nicht vorgesehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schmidt, bitte Ihre Nachfrage.

Andreas Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001999, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Zusatzfrage. In der Anzeige heißt es unter dem Bild von Außenminister Fischer: „Wer keine Ahnung hat, hat auch keine Meinung.“ ({0}) Ist Ihnen bekannt, ob er damit irgendein bestimmtes Regierungsmitglied ansprechen wollte?

Not found (Gast)

Damals war, wie Sie wissen, eine andere Regierung im Amt. Ich glaube, daß Fischer über die Höflichkeit verfügte, sich bei lexikalischen Angaben über die frühere Regierung zurückzuhalten. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 11 des Abgeordneten Hans Raidel auf: Verstoßen nach Auffassung der Bundesregierung die sogenannten Beneš-Dekrete, die als rechtliche Grundlage der völkerrechtswidrigen Vertreibung und entschädigungslosen Enteignung von Deutschen in der Tschechoslowakei dienten, sowie das tschechoslowakische „Amnestie-Gesetz“ vom 8. Mai 1946 gegen Grundsätze des Völkerrechtes und der Menschenrechte, und wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung, um gegenüber der Tschechischen Republik auf die Aufhebung der BeneDekrete hinzuwirken?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung, Herr Raidel, hat die Vertreibung der Deutschen und die entschädigungslose Enteignung deutschen Vermögens immer als völkerrechtswidrig angesehen. Ungeachtet des insoweit bestehenden Dissenses mit der tschechischen Regierung sind sich beide Regierungen darin einig, daß die im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg stehenden und aus ihm folgenden Ereignisse Teil einer abgeschlossenen historischen Epoche bilden. In Ziffer III der Deutsch-Tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997 bedauert die tschechische Seite, daß durch die nach dem Kriegsende erfolgte Vertreibung sowie zwangsweise Aussiedlung der Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei sowie durch die Enteignung und Ausbürgerung unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde, und dies auch angesichts des kollektiven Charakters der Schuldzuweisung. Wenn Ministerpräsident Zeman am 8. März 1999 darüber hinaus erklärt hat, daß die Wirksamkeit einiger Maßnahmen nach dem zweiten Weltkrieg wie der Dekrete des Präsidenten der Republik inzwischen erloschen ist, zielt diese Formulierung auf die sogenannten BenešDekrete ab und stellt klar, daß diese in Zukunft nicht mehr gelten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage des Kollegen Raidel.

Hans Raidel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001768, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, bestätigt die Bundesregierung die Auffassung, daß die sogenannten Beneš-Dekrete eben nicht außer Kraft getreten sind, vielmehr die Konfiskation deutschen Vermögens durch ein Urteil des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik vom 8. März 1995 bestätigt worden ist und daß daraus der Schluß, den Sie gezogen haben, eben nicht gezogen werden kann?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung - das ist eine Antwort auf die zweite von Ihnen eingebrachte Frage, die mit Ihrer jetzigen Nachfrage fast identisch ist - beobachtet die interne Gesetzgebung in der Tschechischen Republik sowohl hinsichtlich ihrer Konzeption als auch hinsichtlich des anschließenden Gesetzesvollzugs sehr genau auf den Punkt hin, den Sie angesprochen haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Raidel.

Hans Raidel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001768, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, verläßt die Tschechische Republik nach Auffassung der Bundesregierung mit ihrer Restitutionspolitik gegenüber den Betroffenen, deren Eigentum entschädigungslos eingezogen worden ist, nicht nur die Rechtsstandards der Europäischen Union, sondern auch die der OSZE und des Europarates, von Institutionen, denen die Tschechische Republik bereits angehört, und wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung, um gegenüber der tschechischen Regierung auf eine völkerrechtskonforme Änderung ihrer Restitutionspolitik zu drängen?

Not found (Gast)

Ich kann nur wiederholen, was ich gerade sagte: Wir beobachten die Vorgänge genau und werden in dem Moment, in dem wir Anlaß haben, daran zu zweifeln, daß sie mit internationalen Vereinbarungen in Übereinstimmung stehen, den Sachverhalt im Dialog ansprechen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 12 auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Äußerung des tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman im Beisein des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder am 8. März 1999 in Bonn, „daß bei der Beibehaltung der Rechtskontinuität der tschechischen Rechtsordnung die Wirksamkeit einiger nach dem Jahre 1945 beschlossener Gesetze bereits erloschen ist“, vor dem Hintergrund der Tatsache, daß nach wie vor neben den heimatvertriebenen Deutschen auch die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik von der Rückübertragung entzogenen Eigentums ausgeschlossen sind? Zur Beantwortung, Herr Staatsminister, bitte.

Not found (Gast)

Herr Raidel, die Bundesregierung begrüßt die Feststellung von Ministerpräsident Zeman, daß die neue tschechische Regierung in ihrer Konzeption davon ausgeht, daß die Wirksamkeit einiger nach dem Jahre 1945 beschlossener Gesetze bereits erloschen ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Raidel, bitte. Andreas Schmidt ({0})

Hans Raidel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001768, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind der Bundesregierung Eingriffe oder Überprüfungsabsichten der tschechischen Regierung in bezug auf laufende oder abgeschlossene Gerichtsverfahren über die Restitution entzogenen Eigentums ohne Entschädigung bekannt, und wenn ja, hält die Bundesregierung diese Einwirkungs- oder Überprüfungsmaßnahmen der tschechischen Regierung für einen Verstoß gegen das Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz? Das steht ja im Gegensatz zu den Erklärungen, die Sie vorhin abgegeben haben.

Not found (Gast)

Ich habe vorhin gesagt - dies kann ich nur wiederholen -, daß wir die Restitutionsgesetzgebung und den anschließenden Gesetzesvollzug genau beobachten. Wenn wir meinen, daß sie mit internationalem Recht nicht zu vereinbaren sind, wollen wir dies im Dialog ansprechen. Ansonsten mischen wir uns nicht in die interne Gesetzgebung eines anderen Staates ein. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Raidel, Ihre zweite Nachfrage, bitte.

Hans Raidel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001768, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, würden Sie mir bitte bestätigen, daß der Herr Bundeskanzler dieses Thema sehr unsensibel angegangen ist und mehr auf die Rechte der einheimischen Bevölkerung als auf Befindlichkeiten der Tschechischen Republik zu schauen hätte und daß er, wenn er selbst Heimatvertriebener wäre, manche dieser Fragen etwas sensibler beurteilen würde?

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Der Bundeskanzler hat neben der Befindlichkeit der Menschen in der Bundesrepublik auch auf die außenpolitischen Grundlinien und die Verpflichtungen, die wir in der internationalen Politik haben, Rücksicht zu nehmen. Letzteres betrifft insbesondere den Versöhnungsauftrag, der auch im Deutschen Bundestag breite Unterstützung findet. Der Bundeskanzler hat im Sinne der Abwägung dieser beiden Güter optimal gehandelt. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß nicht nur von seiten der Regierung, sondern auch von seiten früherer Regierungsparteien Beziehungen belastet werden können und daß diese früheren Regierungsparteien den Text der Deutsch-Tschechischen Vereinbarung, die ja ihre Regierung abgeschlossen hat, vielleicht nicht ganz im Kopf haben? Es heißt in dieser Vereinbarung nämlich - ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren -: Beide Seiten erklären deshalb, daß sie ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten werden.

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Herr Kollege Lippelt, ich danke Ihnen für die Zitierung. Dieses Zitat hatte ich mir für die Beantwortung einer weiteren Frage bereits herausgesucht. Inhaltlich stimme ich mit Ihnen völlig überein.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Nachfrage. Bitte, Herr Kollege.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem Herr Kollege Lippelt von der DeutschTschechischen Erklärung gesprochen und darauf hingewiesen hat, daß die Deutsch-Tschechische Erklärung unter der Bundesregierung von Helmut Kohl mit der tschechischen Seite ausgehandelt worden ist, frage ich Sie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der damalige Bundeskanzler Kohl, als er zur Unterzeichnung der Deutsch-Tschechischen Erklärung nach Prag gereist ist, im Anschluß an die Unterzeichnung der Erklärung bei einer Presseerklärung auf Nachfrage von Journalisten ausdrücklich gesagt hat, daß die Vermögensfragen auch nach der deutsch-tschechischen Erklärung offengeblieben sind? Herr Staatsminister, wie verhalten sich denn dann die Aussagen des Bundeskanzlers zu der mir von Ihrem Kollegen im Auswärtigen Amt, Herrn Staatsminister Verheugen, am 9. Februar dieses Jahres mitgeteilten Antwort, daß auch die DeutschTschechische Erklärung an der Auffassung der Bundesregierung nichts geändert hat, daß die Vermögensfragen offengeblieben sind und die Bundesrepublik gegenüber Tschechien nicht auf Vermögensansprüche verzichtet hat?

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Erstens bin ich bereit, zur Kenntnis zu nehmen, was Bundeskanzler Kohl einst gesagt hat. Zweitens möchte ich Sie darauf hinweisen, daß Sie die Frage, die Sie jetzt als Zusatzfrage formulieren, bereits als ordentliche Frage eingebracht haben. Sie wird dann in dem von der Präsidentin vorgegebenen Zeitrahmen beantwortet werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich jetzt die Frage 13 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf: Wie steht die Aussage von Bundeskanzler Gerhard Schröder beim Besuch des tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman am 8. März 1999 in Bonn, daß wir „weder heute noch in Zukunft Vermögensfragen aufwerfen oder Forderungen stellen“, im Einklang mit der Antwort der Bundesregierung vom 9. Februar 1999 durch Staatsminister Günter Verheugen auf meine Frage 11 in Drucksache 14/373, „die deutsch-tschechische Erklärung vom 21. Januar 1997“ hat „an dieser Auffassung der Bundesregierung nichts geändert“, daß „die Vertreibung der Deutschen und die entschädigungslose Einziehung deutschen Vermögens ... völkerrechtswidrig“ sei und die „Bundesregierung auch nicht auf vermögensrechtliche Ansprüche Deutscher gegenüber den genannten Staaten - Polen, Tschechische Republik - verzichtet hat“?

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Das ist die Frage, die Sie gerade wiederholt haben. Die Aussage von Bundeskanzler Gerhard Schröder steht zu der Antwort von Staatsminister Verheugen nicht im Widerspruch. An der mit der zitierten Antwort vom 9. Februar 1999 mitgeteilten Bewertung der Bundesregierung hat sich nichts geändert.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Koschyk, Ihre erste Nachfrage, bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, welche Rechtsqualität hat denn dann die Aussage von Bundeskanzler Schröder gegenüber dem tschechischen Ministerpräsidenten Zeman gehabt? Im Völkerrecht gibt es durchaus die Frage, ob mündliche Aussagen von Regierungschefs gegenüber anderen Regierungschefs einen rechtlich bindenden Charakter haben. Hat denn die Aussage des Bundeskanzlers gegenüber seinem tschechischen Amtskollegen die Qualität einer rechtlich bindenden Aussage gehabt, oder war es eine politisch motivierte, rechtlich völlig unbedeutende Äußerung?

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Wenn wir, so wie Sie es gerade getan haben, zwischen privatrechtlichen Ansprüchen und politischen Äußerungen der Bundesregierung unterscheiden, dann möchte ich keine Diskrepanz und keinen Widerspruch in der internen Politik der Bundesregierung konstruieren. Eine Frage ist, ob es historisch begründete rechtliche Ansprüche gibt. Die andere Frage ist die des politischen Umgangs mit den heutigen Realitäten, die nicht nur diese Ansprüche beinhalten, sondern auch einen Versöhnungsauftrag. In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung einen weiten Spielraum, der ihr auch verfassungsrechtlich zugebilligt wurde.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ihre zweite Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Habe ich Sie, Herr Staatsminister, dann richtig verstanden, daß Ihre Antwort bedeutet, daß die Bundesrepublik Deutschland auch weiterhin im völkerrechtlichen Umgang mit der Tschechischen Republik auf die Offenheit der Vermögensfragen verweisen wird und das auch so gegenüber der Tschechischen Republik vertreten wird?

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Die Bundesregierung wird sich gegenüber der Tschechischen Republik in genau der Art verhalten, wie es in dem Abkommen mit der Tschechischen Republik vereinbart worden ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Dr. Antje Vollmer.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister Volmer, da Sie und ich die soeben gestellten Fragen des Kollegen dahin gehend interpretieren mußten, daß er meinte, die Äußerungen des Bundeskanzlers könnten eventuell so verstanden werden, daß private Vermögensansprüche an die Bundesrepublik gestellt werden könnten, möchte ich Sie fragen, ob auch Ihnen das Gutachten des sehr angesehenen Völkerrechtlers Tomuschat bekannt ist, der zu dem Schluß gekommen ist, daß die Frage, ob solche Ansprüche gegen die Bundesrepublik als Haftende möglicherweise vor dem Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden könnten, zu verneinen ist. Keine Regierung der Welt kann genötigt werden, individuelle Eigentumsansprüche auf Kosten eines friedlichen, freundschaftlichen und versöhnlichen Verhältnisses zu den Nachbarn geltend zu machen. Ist Ihnen dieses Gutachten bekannt? Schließen Sie sich der dort vertretenen Auffassung an?

Not found (Gast)

Uns ist diese Rechtsauffassung bekannt. Die Bundesregierung handelt in dem sicheren Gefühl, sich auf rechtlich einwandfreiem Boden zu bewegen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Reinhardt.

Erika Reinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich möchte hier kurz den Bundeskanzler zitieren, der wörtlich gesagt hat: Als Folge dessen werden die Regierungen beider Staaten in diesem Zusammenhang weder heute noch in Zukunft Vermögensfragen aufwerfen oder Forderungen stellen. Staatsminister Verheugen hat damals im gleichen Zusammenhang auf eine schriftliche Frage geantwortet: Hieraus folgt, daß die Bundesregierung auch nicht auf vermögensrechtliche Ansprüche Deutscher gegenüber den genannten Staaten verzichtet hat. Können Sie mir angesichts dieser Zitate einmal erklären, warum es hier keinen Widerspruch gibt, obwohl Sie vorher behauptet haben, es gebe keinen Widerspruch? ({0})

Not found (Gast)

Ich sehe keinen Widerspruch; denn zwischen konstruierbaren Rechtsansprüchen auf der einen Seite und dem politischen Umgang mit Forderungen auf der anderen Seite darf man unterscheiden. Eine entsprechende Billigung wurde sogar durch das Bundesverfassungsgericht eingeräumt. Vizepräsidentin Petra Bläss

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt Frage 14 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf: Hat Bundeskanzler Gerhard Schröder gegenüber dem tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman bei dessen Besuch am 8. März 1999 in Bonn die Auffassung gemäß der Antwort der Bundesregierung vom 9. Februar 1999 auf meine Frage 11 in Drucksache 14/373 deutlich gemacht, daß die „Bundesregierung ... die Vertreibung der Deutschen und die entschädigungslose Einziehung deutschen Vermögens als völkerrechtswidrig“ ansehe und daß „die deutsch-tschechische Erklärung vom 21. Januar 1997 an dieser Auffassung der Bundesregierung nichts geändert“ habe und hieraus folge, daß „die Bundesregierung auch nicht auf vermögensrechtliche Ansprüche Deutscher gegenüber den genannten Staaten - Polen, Tschechische Republik - verzichtet hat“?

Not found (Gast)

Herr Koschyk, Sie haben im Prinzip schriftlich die gleiche Frage formuliert, die gerade von der Kollegin mündlich gestellt worden ist. Deshalb kann ich meine Antwort nur wiederholen: Hinsichtlich der von Ihnen aufgeworfenen Fragen bleibt die Bundesregierung bei ihrer Bewertung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage, bitte, Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß Ansprüche deutscher Staatsangehöriger gegenüber anderen Staaten, deren Rechtsordnung keine entsprechende Anspruchsgrundlage bietet, nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die Bundesrepublik Deutschland selbst als Schutzstaat im Rahmen des diplomatischen Schutzes diese Ansprüche geltend macht?

Not found (Gast)

Ich verweise auf das, was ich mehrfach betont habe, nämlich daß die Bundesregierung verschiedene Rechtsgüter und politische Aufträge gegeneinander abzuwägen hat und dabei einen breiten Ermessungsspielraum besitzt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Koschyk, Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, inwieweit wird nach Ihrer Einschätzung dieser politische Ermessungsspielraum gegeben sein, wenn man für die Durchsetzung innerstaatlicher Entschädigungsansprüche keinen diplomatischen Schutz gewähren will? Wo liegt nach Ihrer Meinung hier die Grenze, auch im Hinblick auf die Tatsache, daß die Tschechische Republik inzwischen Mitglied des Europarates geworden ist und daß die Menschenrechtskonvention des Europarates, die die Tschechische Republik unterschrieben hat, eine ausdrückliche Eigentumsgarantie enthält? Das heißt, daß die offenen Eigentums- und Vermögensansprüche deutscher Staatsbürger gegenüber der Tschechischen Republik nicht nur das bilaterale Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik, sondern auch die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention betreffen.

Not found (Gast)

Wie ich schon vorhin ausführte, fühlt sich die Bundesregierung vor allen Dingen dem Versöhnungsgedanken im internationalen Bereich verpflichtet. Wenn man bei Partnerländern, mit denen wir Dialoge führen, feststellen muß, daß sie gegen internationales Recht verstoßen, dann können solche Verstöße im Rahmen des Dialoges angesprochen werden. Zu Ihrer Behauptung, daß es solche Verstöße gebe, will ich im Moment keine Stellung nehmen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Dr. Antje Vollmer.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ich möchte Bezug auf die Frage des Kollegen Koschyk nehmen. In seiner Frage war von der Notwendigkeit die Rede, daß sich die Bundesregierung als Schutzstaat für individuelle Eigentumsansprüche verstehen solle. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die vorige Bundesregierung unter Leitung von Helmut Kohl individuelle Eigentumsansprüche von Grundbesitzern in den neuen Bundesländern - ich spreche vom früheren Großgrundbesitz - zurückgewiesen hat? Diese Ansprüche hätte sie sehr wohl befriedigen können, wenn sie diese Rechtsauffassung vertreten hätte; denn immerhin handelte es sich nicht um Ansprüche auf fremdem, sondern auf eigenem Territorium. Die damalige Bundesregierung hat die Angelegenheit offensichtlich rechtlich geprüft. Sie hat vor dem Bundesverfassungsgericht dafür recht bekommen, daß sie sich genauso verhalten hat, wie es jetzt von ebendieser Opposition moniert wird. Wie beurteilen Sie diesen Widerspruch?

Not found (Gast)

Die verfassungsrechtliche Lage scheint mir ohnehin klar zu sein. Ich nehme zustimmend zur Kenntnis, daß auch die alte Bundesregierung die vorwärtsweisenden Aspekte ihrer Politik in dieser Frage in den Vordergrund gestellt hat. Diesem Beispiel folgen wir nun auch im Bereich der internationalen Politik.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Kollege Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ist es falsch, von einem historischen Zusammenhang zu sprechen, wenn ich behaupte, daß wir nach dem Wiedererstehen der Tschechoslowakei nach ihrer völligen Zerstörung durch das nationalsozialistische Deutschland einen Vertrag über gute Freundschaft und Nachbarschaft geschlossen haben, der in gewisser Weise den ausstehenden Friedensvertrag ersetzt hat? Folgen Sie auch meiner Behauptung, daß privatrechtliche Ansprüche im privatrechtlichen Bereich sehr wohl ihre Legitimation haben? Wenn dies so ist, müssen sie allerdings vor den zuständigen Gerichten eingeklagt werden. Aus der Fürsorgepflicht des Staates hinsichtlich seiner Bürger kann man nach einer solchen Katastrophe aber nicht herleiten, daß dieser Staat auch für privatrechtliche Ansprüche - die ja privat verfolgt werden können - eintreten muß, weil dazwischen immerhin die Zerstörung eines anderen Staates liegt. ({0}) - Ich frage, ob diese Meinung geteilt wird. ({1}) - Okay, wir reden nachher sowieso noch weiter. Dann können wir weitersehen. - Sehen auch Sie diesen Zusammenhang? Finden Sie nicht, daß sich die hier vorgelegten Fragen durch eine unglaubliche Unhistorizität auszeichnen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Lippelt, ich möchte als Antwort auf Ihre Frage nun das zitieren, was ich mir eigentlich vorbehalten hatte. Es faßt die Antwort der beiden Regierungen in Vertragsform zusammen, ratifiziert durch den Deutschen Bundestag. In dem entsprechenden Abkommen steht unter Ziffer IV - ich erlaube mir zu zitieren - : Beide Seiten stimmen darin überein, daß das begangene Unrecht der Vergangenheit angehört und werden daher ihre Beziehungen auf die Zukunft ausrichten. Gerade deshalb, weil sie sich der tragischen Kapitel ihrer Geschichte bewußt bleiben, sind sie entschlossen, in der Gestaltung ihrer Beziehungen weiterhin der Verständigung und dem gegenseitigen Einvernehmen Vorrang einzuräumen, wobei jede Seite ihrer Rechtsordnung verpflichtet bleibt und respektiert, daß die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat. Beide Seiten erklären deshalb, daß sie ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Christian Schmidt auf: Wie ist die Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vom 8. März 1999 im Beisein des tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman, daß beide die „aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen ... als abgeschlossen“ betrachten und „weder heute noch in Zukunft Vermögensfragen aufwerfen oder Forderungen stellen“, mit der staatsrechtlichen Verpflichtung der Bundesregierung zu vereinbaren, den eigenen Staatsbürgern bei der Verfolgung rechtmäßiger Interessen gegenüber fremden Staaten diplomatischen Schutz zu gewähren?

Not found (Gast)

Herr Schmidt, die von Ihnen zitierte Äußerung von Bundeskanzler Gerhard Schröder enthält keinen Verzicht auf eigentums- oder vermögensrechtliche Positionen Vertriebener. Bei der Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls wie die Bundesregierung gegenüber einem Drittstaat zugunsten eigener Staatsangehöriger tätig werden soll, verfügt sie über ein weites politisches Ermessen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schmidt, Ihre Nachfrage bitte.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Zusatzfrage steht, wenn Sie, Frau Präsidentin, es gestatten, eher im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage 14. Herr Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die von Ihnen zitierte Deutsch-Tschechische Erklärung vom 21. Januar 1997 keinen völkerrechtlichen Vertrag darstellt, demzufolge entgegen Ihrer Äußerung auch vom Deutschen Bundestag nicht im Sinne von Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes ratifiziert worden ist und sich deswegen die völkerrechtliche Lage nach dieser Erklärung nicht geändert hat?

Not found (Gast)

Auch wenn es nicht zu einer Ratifizierung durch den Bundestag gekommen ist, sondern zu einer übereinstimmenden politischen Willenserklärung und diese im völkerrechtlichen Sinne kein Vertrag ist, wie Sie sagen, so hat sie dennoch als Vereinbarung eine Bindungswirkung und ist für die Politik der heutigen Regierung leitend.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Schmidt, Ihre zweite Zusatzfrage.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, verstehe ich die Antwort in bezug auf das Zitat von Bundeskanzler Schröder in meiner Frage 15, daß die rechtlichen Fragen „als abgeschlossen“ betrachtet werden, in dem Sinne richtig, daß Bundeskanzler Schröder davon ausgeht, daß die Beneš-Dekrete, auf die offensichtlich Bezug genommen wurde, ex nunc nichtig sind?

Not found (Gast)

Ich kann nur noch einmal auf die Unterscheidung, über die wir hier mehrmals gesprochen haben, zwischen privatrechtlichen Ansprüchen und politischen Zielvorgaben verweisen, die man im Auge haben und gegeneinander abwägen muß. In der Konklusion führt das zu einer Politik, wie sie in dem für uns bindenden Vertrag niedergelegt ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Dr. Vollmer, Ihre Zusatzfrage bitte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, daß diese Erklärung, von der der Kollege Schmidt eben sagte, daß sie keinen Vertragscharakter habe, so lange wie kaum etwas anderes im Deutschen Bundestag diskutiert worden ist, nämlich zwei Jahre, am Ende vom ganzen Hause gemeinsam angenommen worden ist, inklusive der Stimmen der CDU sowie - mit nur ganz wenigen Ausnahmen - der CSU, und sogar - das wissen Sie vielleicht nicht - der bayerische Ministerpräsident Stoiber persönlich - ich war Zeuge dieser Begebenheit - vor der Sudetendeutschen Landsmannschaft diese Erklärung dankenswerterweise verteidigt hat?

Not found (Gast)

Wie ich vorhin schon sagte, ist nicht nur mir, sondern wahrscheinlich fast jedem hier im Hause bewußt, daß der Prozeß so abgelaufen ist, wie Sie es dargestellt haben. Es gab in der Tat eine breite politische Mehrheit, und diese Entscheidung wurde von allen Fraktionen getragen. Deshalb hat dieser Vertrag, selbst wenn er im völkerrechtlichen Sinne nicht ratifiziert wurde, dennoch eine Bindungswirkung. Die jetzige Regierung erklärt unmißverständlich, daß sie sich an ihn halten wird. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Auch der Kollege Koschyk hat eine Nachfrage. Bitte schön.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, die Einlassung der Frau Vizepräsidentin und Kollegin Vollmer veranlaßt mich doch zu der Frage, ob die in einem langen Prozeß in diesem Hause erreichte große politische Gemeinsamkeit, an dem sich auch die CDU/CSU-Fraktion und, wie Frau Vollmer es sagte, der bayerische Ministerpräsident beteiligt haben, indem sie bei den betroffenen sudetendeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland für eine politische Akzeptanz der Deutsch-Tschechischen Erklärung warben, nicht durch die völlig unnötige, rechtlich fragwürdige und vom Bundeskanzler gegenüber Herrn Zeman neu vom Zaun gebrochene Diskussion über die Eigentumsfragen zerstört worden ist? In diesem Hause bestand ja auch politische Gemeinsamkeit darüber, daß durch die Deutsch-Tschechische Erklärung die Vertretung der Eigentums- und Vermögensfragen durch die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich nicht ad acta gelegt worden ist. Hat dieses erneute Aufwerfen jetzt nicht zu neuen Diskussionen geführt, die der DeutschTschechischen Erklärung eher schaden als nützen?

Not found (Gast)

Der Bundeskanzler hat nicht über die Eigentumsfragen gesprochen, sondern über den politischen Umgang mit Eigentumsfragen. Er befindet sich mit diesen Aussagen auf der Basis der Vereinbarung, die wir gerade besprochen haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Christian Schmidt auf: In welchem rechtlichen Verhältnis steht die in Frage 15 genannte Äußerung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu dem begleitenden Briefwechsel zum Vertrag vom 27. Februar 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, in dem übereinstimmend erklärt worden war, daß sich dieser Vertrag nicht auf Vermögensfragen bezieht und daraus zu schließen ist, daß diese Fragen als offen angesehen worden waren?

Not found (Gast)

Da wir diese Frage der Substanz nach in dem Frage-und-Antwort-Spiel gerade schon mehrmals behandelt haben, kann ich nur auf meine Antwort zu Ihrer letzten Frage verweisen. Das ist inhaltlich identisch. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidt.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, gestatten Sie mir zur Einleitung eine Bemerkung, bevor ich die Zusatzfrage wiederhole, die ich zur Frage 15 gestellt habe; denn Sie haben sie entgegen Ihrer Darstellung in der Substanz nicht beantwortet. Wenn es ein Haus in der Bundesregierung gibt, das sich intensiv mit Fragen des Völkerrechts auseinanderzusetzen hat, dann ist es das Auswärtige Amt. Gerade deswegen erwarte ich, daß das Auswärtige Amt völkerrechtlich relevante Fragen völkerrechtlich präzise beantwortet. Die Frage nach ex tunc/ex nunc, nach Nichtigkeit von Anfang an, nach Nichtigkeit vom Zeitpunkt der Erklärung der Unwirksamkeit an, hat ja erhebliche Relevanz auch für die privaten Ansprüche. Nachdem in der Erklärung vom 21. Januar 1997, die von Ihnen zitiert worden ist, Frau Kollegin Vollmer, die Berufung auf das jeweilige Verständnis der Rechtsordnungen der jeweiligen Partnerregierungen enthalten ist, erhebt sich doch die Frage: Wie verstehen Sie das als Vertreter des Auswärtigen Amtes? Sind sie zum Zeitpunkt der Enteignung wirksam gewesen und nachher nichtig geworden oder nicht? Wenn Sie diese Auffassung nicht präzise darlegen, dann wird jemandem, der individualrechtlich Ansprüche geltend macht, möglicherweise die Rechtsmeinung der eigenen Regierung entgegengehalten werden. Ganz so salopp und einfach aus der Kaschmirtasche kann man diese Fragen nicht beantworten. ({0}) Das mit der Kaschmirtasche war unsachlich; das nehme ich zurück - Entschuldigung - und sage: aus der Stofftasche.

Not found (Gast)

Herr Kollege Schmidt, ich nehme nicht an, daß Sie eine Antwort der Bundesregierung provozieren wollen, die jeglichen individualrechtlichen Anspruch unmöglich macht. Wenn Sie eine Diskussion über das Völkerrecht verlangen, kann ich Ihnen nur entgegenhalten: Das ist erheblich breiter angelegt, als Sie es gerade angesproDr. Antje Vollmer chen haben. Die wichtigste völkerrechtliche Verpflichtung für die Bundesregierung ist die Friedenspflicht. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Schmidt, eine zweite Zusatzfrage, bitte.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, gehen Sie mit mir davon aus, daß diese Berufung auf die allgemeine Friedenspflicht und damit die Subsumierung allen Handelns, das man aus der eigenen Sicht politisch nicht als richtig definiert, eine äußerst fragwürdige Definition von völkerrechtlichen Verpflichtungen ist?

Not found (Gast)

Herr Schmidt, unter uns Nichtjuristen: Es war keine Subsumierung, sondern eine Güterabwägung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich Sie so interpretieren, daß die Bundesregierung dann, wenn individuelle Ansprüche geltend gemacht würden, klipp und klar darlegen würde, daß sie solchen Ansprüchen nichts in den Weg legen würde, bzw. kann ich so weit gehen zu sagen, daß sie dann den Antragsteller oder Anspruchsteller unterstützen würde?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung wird - wie ich es mehrmals dargestellt habe - in dem Moment, in dem solche Ansprüche formuliert werden und auftreten, unter Einbeziehung all der Kriterien handeln, die für ihre internationale Politik handlungsleitend sind.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Sie haben leider keine zweite Frage, weil Sie nicht der Fragesteller waren, Herr Kollege Lintner. Frau Kollegin Dr. Vollmer, Ihre Frage bitte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, 16 Jahre lang hatten wir hier im Hause andere Mehrheitsverhältnisse. Ist Ihnen irgendein Akt der vorigen Bundesregierung bekannt, mit dem sie sich zum Fürsprecher und Akteur hinsichtlich individueller Eigentumsansprüche gegenüber der tschechoslowakischen Republik und später der Tschechischen Republik gemacht hat? Wenn indirekt gefordert wird, die Bundesregierung solle zu einem Sprecher, ja sogar zu einem Akteur in diesem Bereich werden, antworte ich, daß 16 Jahre lang die Möglichkeit bestand, einen solchen Prozeß, den ich für ungeheuer schädlich gehalten hätte, in Gang zu setzen. Offensichtlich stand davor die Weisheit der Regierung Kohl mit den Außenministern Genscher und Kinkel, so daß es entsprechende Aktionen nicht gegeben hat. Wie beurteilen Sie unter diesem Gesichtspunkt die entsprechende Forderung der Kollegen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, es hat sich mit der Politik der Bundesregierung bezüglich der rechtlichen Ansprüche so verhalten, wie Sie es dargestellt haben. Als Vertreter der Bundesregierung kann und will ich nicht verhindern, daß Kollegen aus dem parlamentarischen Raum immer mal wieder die verlorenen Schlachten von gestern schlagen wollen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Frage der Kollegin Baumeister.

Brigitte Baumeister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich möchte keine Frage, sondern einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen. Nachdem dieser Fragenkomplex unsererseits abgeschlossen ist und ich namens der CDU/CSU-Fraktion feststellen darf, daß der Herr Staatsminister die Fragen betreffend Irritationen bezüglich der Äußerungen des Bundeskanzlers zum deutschtschechischen Verhältnis nicht ausreichend beantwortet hat, beantrage ich für meine Fraktion nach § 106 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben soeben vernommen, daß die Fraktion der CDU/CSU zur Antwort der Bundesregierung auf die beiden letzten Fragen eine Aktuelle Stunde verlangt hat. Dies entspricht Nummer 1b der Richtlinien für Aktuelle Stunden. Nach Nummer 2a der Richtlinien muß die Aussprache unmittelbar nach Schluß der Fragestunde durchgeführt werden. Ich rufe jetzt die Frage 17 des Abgeordneten Wolfgang Dehnel auf: Wird die Bundesregierung die Hinterbliebenen der Opfer des Seilbahnunglücks von Cavalese vom 3. Februar 1998, bei dem 20 Menschen ums Leben kamen, nach dem Freispruch des Piloten in ihrem Kampf um Entschädigung und Gerechtigkeit unterstützen, und wenn ja, in welcher Weise?

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Herr Kollege Dehnel, die Bundesregierung unterstützt die Hinterbliebenen der Opfer bei der Geltendmachung ihrer Schadensersatzansprüche mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Bundesminister Fischer hat sich persönlich an die amerikanische Außenministerin und an seinen italienischen Amtskollegen mit der Bitte gewandt, die materiellen Folgen des Unglücks schnell, fair, umfassend und unbürokratisch zu regeln. Gegenüber der Regierung der USA und der Regierung von Italien haben unsere Botschaften auf die Dringlichkeit einer befriedigenden Regelung hingewieStaatsminister Dr. Ludger Volmer sen. In Unterstützung der Hinterbliebenen hat der Gesandte unserer Botschaft in Washington am 10. März 1999 mit den Angehörigen und ihren Rechtsvertretern ausführlich erörtert, wie Anliegen der Hinterbliebenen weiter zum Erfolg verholfen werden kann.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Dehnel, bitte Ihre Zusatzfrage.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind schon Antworten der italienischen und der amerikanischen Regierung eingegangen?

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Nach unseren Informationen ist der Stand der Entschädigungszahlungen folgender: Die Angehörigen der Opfer haben von den USA eine erste Hilfe in Höhe von 5 000 US-Dollar erhalten. Italien hat an die Familien der Opfer umgerechnet zirka 100 000 DM pro Opfer ausgezahlt, die auf eine spätere Entschädigung nicht angerechnet werden. In fünf Fällen der deutschen Opfer hat Italien Vorschläge für eine endgültige Regulierung der materiellen Folgen des Unglücks gemacht. In drei Fällen werden von der Landesversicherungsanstalt Sachsen Witwenrenten im Vorgriff auf eine spätere Entschädigung ausgezahlt. Eine Entschädigung für die Region in Höhe von 20 Millionen US-Dollar wurde von den USA bisher nur im Haushalt des Verteidigungsministeriums bereitgestellt, jedoch noch nicht ausgezahlt. Wann eine Auszahlung erfolgen wird, bleibt abzuwarten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ihre zweite Zusatzfrage bitte, Herr Kollege Dehnel.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wird die Bundesregierung es bei diesen Briefen belassen, oder wird sie weiter intervenieren, um den Hinterbliebenen der Opfer bei der Entschädigung und auch bei der Rechtsprechung zu helfen?

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Die Bundesregierung wird alles tun, was sie leisten muß und leisten kann, um den Geschädigten zu helfen. Wir gehen auch davon aus, daß dies ein Vorgang ist, der auf den normalen rechtlichen und konsularischen Bahnen zu bewerkstelligen ist, und daß es dazu keiner besonderen politischen Intervention bedarf.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit rufe ich die Frage 18 des Kollegen Hans-Dirk Bierling auf: Was hat die Bundesregierung gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unternommen, um eine gerichtliche Aufklärung der Verantwortlichkeit für das Seilbahnunglück von Cavalese durchzusetzen?

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Herr Kollege Bierling, gemäß NATO-Truppenstatut und bilateralen Zusatzabkommen mit Italien haben die USA als Entsendestaat das Recht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit gegenüber dem für das Seilbahnunglück verantwortlichen Piloten und dem Navigator. Das Beweismaterial befand sich entweder in den USA oder in Italien. Vor diesem Hintergrund gab es für die Bundesregierung keine Möglichkeit, einen Beitrag zur gerichtlichen Aufklärung der strafrechtlichen Beurteilung des Unglücksfalles zu leisten. Sollte die Bundesregierung im Zuge weiterer strafrechtlicher Verfahren um Unterstützung gebeten werden, ist sie im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel bereit, diese zu leisten. Die USA haben sich uneingeschränkt zu ihrer zivilrechtlichen Verantwortung bekannt. Zivilgerichtliche Verfahren sind noch nicht anhängig. Die Bundesregierung unterstützt die Angehörigen der Opfer bei ihren Bemühungen um eine rasche und umfassende Entschädigung. Der Bundesminister des Auswärtigen, Fischer, hat sich hierfür persönlich mit großem Nachdruck eingesetzt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Bierling, Ihre Zusatzfrage, bitte.

Hans Dirk Bierling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000179, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nach Ihrer Antwort muß ich Sie fragen: Hält die Bundesregierung - nach der Erfahrung mit dem Urteil, im Sinne des Piloten und in Kenntnis der Tatsache, daß gegen Entscheidungen amerikanischer Militärgerichte keine Rechtsmittel möglich sind - ein amerikanisches Militärgericht für geeigneter als ein Zivilgericht der Vereinigten Staaten, diesen Unglücksfall strafrechtlich aufzuarbeiten?

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Die Bundesregierung greift nicht in die Rechtsprechung eines anderen Staates ein. Sie nutzt allerdings ihre konsularischen Möglichkeiten, um Bundesbürger zu unterstützen, wenn sie ihr Recht suchen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Hans Dirk Bierling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000179, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob es noch zu einem strafrechtlichen Verfahren vor anderen Gerichten der Vereinigten Staaten kommen wird?

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Darüber haben wir im Moment keine Erkenntnisse.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage, und zwar des Kollegen Schauerte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sieht die Bundesregierung nach der Verhaltensweise der Amerikaner die Notwendigkeit - möglicherweise gemeinsam mit der italienischen Regierung -, die bisherigen vertraglichen Regelungen im Rahmen des Truppenstatuts im Hinblick auf zukünftige Fälle zu überdenken, oder sieht sie diesbezüglich keinerlei Veranlassung?

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Die Bundesregierung hat die Entscheidung der Jury des amerikanischen Militärgerichts, die nicht begründet werden muß, mit Erstaunen zur Kenntnis genommen. Selbstverständlich macht sie sich Gedanken darüber, wie, falls ähnliche oder anders gelagerte Problematiken vor der amerikanischen Justiz zu verhandeln sind, mit den Freunden in den USA geredet werden kann. Allerdings bleiben wir dabei: Wir haben keine Möglichkeiten, in die Urteilsfindung hineinzuregieren. Es ist bedauerlich, daß es nicht möglich ist, Rechtsmittel einzulegen. Aber dagegen können wir im Moment leider nichts tun.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit rufe ich die Frage 19 des Kollegen Bierling auf: In welcher Weise unterstützt die Bundesregierung die Ansprüche der deutschen Hinterbliebenen der Opfer von Cavalese und fordert die USA auf, ihr Versprechen einer unkomplizierten und angemessenen finanziellen Entschädigung umgehend zu erfüllen?

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Herr Bierling, wie ich gerade schon ausgeführt habe, unterstützt die Bundesregierung die Hinterbliebenen der Opfer mit allen ihr politisch und rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln bei der Geltendmachung ihrer Schadensersatzansprüche. Gegenüber den Regierungen der USA und Italiens haben unsere Botschaften eine zügige und befriedigende Entschädigung gefordert. Der Bundesminister des Auswärtigen, Fischer, hat sich persönlich an die amerikanische Außenministerin und an seinen italienischen Amtskollegen mit der Bitte gewandt, die materiellen Folgen des Unglücks schnell, fair, umfassend und unbürokratisch zu regeln. In Unterstützung der Hinterbliebenen hat der Gesandte unserer Botschaft in Washington am 10. März 1999 mit den Angehörigen der Opfer und ihren Rechtsvertretern ausführlich erörtert, wie man den berechtigten humanitären Anliegen der Hinterbliebenen zum Erfolg verhelfen kann. Im gleichen Sinne war es bereits am 18. Januar dieses Jahres im Auswärtigen Amt, unter Teilnahme des Bürgermeisters von Burgstädt, zu einem Gespräch mit den Rechtsvertretern der Angehörigen gekommen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Bierling, bitte.

Hans Dirk Bierling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000179, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich bin im Grunde genommen mit Ihrer Antwort zufrieden, habe aber trotzdem noch eine Nachfrage: Beurteilt die Bundesregierung - wie ich - die von Ihnen vorhin erwähnte sehr rasche Einstellung von 20 Millionen US-Dollar in den US-Haushalt zu dem Zweck, der betroffenen Region zu helfen, als ein staatliches Schuldanerkenntnis?

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Herr Kollege, wir begrüßen, daß dieser Betrag zur Verfügung gestellt worden ist. Ich möchte das Verhältnis zwischen strafrechtlicher und zivilrechtlicher Wertung dieses gesamten Falles in den USA nicht offiziell kommentieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Hans Dirk Bierling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000179, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, dann muß ich konkreter nachfragen, ob Sie es - wie ich - nicht für pervers halten, daß in den Haushalt der USA unverzüglich 20 Millionen US-Dollar für den Neubau einer Seilbahn in der betroffenen Region eingestellt werden, die Hinterbliebenen aber zunächst mit 5 000 Dollar - und das erst nach Überwindung von Schwierigkeiten - abgefunden werden.

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Herr Kollege Bierling, Sie werden verstehen, daß ich Ihre Wertung des amerikanischen Vorgehens mit dem Begriff „pervers“ quasi regierungsamtlich nicht bestätigen kann. ({0}) Aber ich nehme zur Kenntnis, daß Sie diese Gelegenheit nutzen, Ihre Auffassung sehr deutlich zur Sprache zu bringen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit rufe ich nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Die Frage 20 des Abgeordneten Johannes Singhammer wird schriftlich beantwortet. Dann rufe ich die Frage 21 des Abgeordneten Norbert Hauser auf: Gedenkt die Bundeszentrale für politische Bildung ihr umfangreiches Angebot in der Besuchergruppenbetreuung auch nach dem Umzug des Deutschen Bundestages nach Berlin aufrechtzuerhalten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Diese Frage ist mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Die Bundesregierung gedenkt das umfangreiche Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung im Rahmen der Besuchergruppenbetreuung auch nach dem Umzug des Deutschen Bundestages nach Berlin aufrechtzuerhalten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hauser, Ihre Zusatzfrage, bitte.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß dies sowohl für die Bundeshauptstadt Berlin als auch für die Bundesstadt Bonn gilt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Es wird auch in Zukunft so sein, daß Besuchergruppen nach Bonn kommen. Auch dafür steht das Angebot unserer Zentrale zu Verfügung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich die Frage 22 des Abgeordneten Hauser auf: Inwieweit wird die Bundeszentrale für politische Bildung mit ihrer Außenstelle in Berlin ihr Angebot angesichts deutlich steigender Zahlen von Besuchergruppen der Abgeordneten und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung ausbauen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Hauser, die Bundeszentrale für politische Bildung ist personell und sächlich darauf vorbereitet, Besuchergruppen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung in ihrer Außenstelle in Berlin über ihre Aufgabe und ihr Angebot im Rahmen der politischen Bildung zu informieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Da der Kollege Siegfried Helias nicht anwesend ist, können die Fragen 23 und 24 nicht beantwortet werden. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Eckhart Pick zur Verfügung. Ich verweise darauf, daß die Fragen 25, 26, 27 und 28 schriftlich beantwortet werden. Deshalb rufe ich jetzt die Frage 29 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer ({0}) auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß das unerwünschte und unverlangte Zusenden von elektronischer Post zu Werbezwecken ({1}) unterbunden werden soll?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Dr. Mayer, das unverlangte Zusenden von elektronischer Post ist bereits nach geltendem nationalen Recht unzulässig, da es gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs verstößt und unter Umständen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt. Der Betroffene hat einen Unterlassungsanspruch zur Abwehr solcher Werbung aus § 1 UWG, dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, gegebenenfalls auch aus § 823 BGB. Dies ist inzwischen gefestigte und einhellige Rechtsprechung einer Reihe von Untergerichten und auch ganz herrschende Meinung in der juristischen Literatur. Die Bundesregierung teilt diese Rechtsauffassung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage, bitte? - Bitte, Herr Kollege.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß sich diese Rechtsauffassung der Bundesregierung offenbar bei bestimmten Nutzern nicht herumgesprochen hat, weil noch in großem Umfang unverlangte und unerwünschte Werbemails im Netz versandt werden?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich schließe nicht aus, daß es Verstöße gegen die Rechtslage gibt. Die Bundesregierung ist immer dankbar, wenn sie auf entsprechende Verstöße hingewiesen wird, damit die Betreiber der Netze informiert werden können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es offenbar trotz dieser aus Ihrer Sicht eindeutigen Rechtslage den Inhabern von Mailboxen bisher nicht gelingt, unerwünschte Mails abzuwehren?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich teile Ihre Auffassung, weil das unverlangte Senden von Werbung zumindest eine Belästigung der Nutzer ist und vor allen Dingen mit einem entsprechenden Aufwand verbunden ist, auch finanziell, zum Beispiel wenn sie sich telefonisch an den Provider wenden. Im übrigen ist uns bekannt, daß Versuche der Filterung noch am Beginn der Entwicklung stehen; offensichtlich kann eine solche Filterung auch überspielt werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit rufe ich die Frage 30 des Kollegen Dr. Mayer auf: Wenn ja, welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung auf europäischer und internationaler Ebene, um unerwünschtes und unverlangtes Zusenden von elektronischer Post zu Werbezwecken zu verhindern?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Dr. Mayer, zunächst ist darauf hinzuweisen, daß diese Frage Gegenstand der Fernabsatz- und der sogenannten ISDNDatenschutz-Richtlinie ist, wonach mindestens gewährleistet sein muß, daß der Betroffene das Recht hat, die Zusendung unverlangter Werbung per elektronischer Post abzulehnen. Die deutsche Rechtsprechung geht, wie ich Ihnen eben dargelegt habe, noch darüber hinaus, da sie schon die Zusendung ohne vorherige Einwilligung des Empfängers für unzulässig erachtet. Die Bundesregierung ist im übrigen auf der Ebene der Europäischen Union an den Beratungen zum Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt beteiligt, die eine Regelung zur unerbetenen kommerziellen Kommunikation vorsieht. Diese Regelung erfaßt auch unverlangt übersandte E-Mail-Werbung. Sie enthält jedoch lediglich eine Kennzeichnungspflicht. Es bleibt nach wie vor der Entscheidung der Mitgliedstaaten überlassen, ob derartige Werbung in ihrem Hoheitsgebiet zulässig ist oder nicht. Auch hier ist auf die bereits skizzierte restriktive deutsche Rechtsprechung hinzuweisen. Die Bundesregierung ist darüber hinaus auf internationaler Ebene an den Beratungen über Leitlinien der OECD zum Verbraucherschutz im elektronischen Geschäftsverkehr beteiligt. Sie wird ihre Rechtsvorstellungen zur unerbetenen kommerziellen Kommunikation in die Diskussion auf EU-Ebene und internationaler Ebene einbringen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Dr. Mayer, Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß sehr rasch auf internationaler Ebene eine Regelung gefunden werden muß, die die unerwünschte Zusendung von WerbeE-Mails verbietet, damit nicht das elektronische Nachrichtenwesen nachhaltig geschädigt wird? Ich glaube, auch die Bundesrepublik hat großes Interesse daran, daß die E-Mail-Technik rasche Verbreitung findet.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Dr. Mayer, ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß es wünschenswert wäre, daß der deutsche Standard beim Rechtsschutz gegen unerwünschte elektronische Reklame auch international gilt. Aber bereits auf der EU-Ebene gibt es einen geringeren Schutz. Das trifft uns nicht; unsere Rechtsordnung wird davon nicht berührt. Die Bundesrepublik wird nachdrücklich darauf hinwirken, daß unsere Standards in dieser Form auch international und - wenn möglich - in der EU Geltung haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Dr. Mayer, bitte Ihre zweite Zusatzfrage.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß es bei einem Verbot der unerwünschten Zusendung von E-Mails für die Werbewirtschaft eine Möglichkeit geben muß - sie muß hier ihre Phantasie einsetzen -, den Empfänger dafür zu gewinnen, daß er bestimmte WerbeE-Mails freiwillig empfängt?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Es ist völlig richtig: Auch nach unserem Recht ist die Zusendung solcher E-Mails natürlich zulässig, wenn vorher die Zustimmung des Betroffenen gegeben wurde. Insofern wenden wir uns und wendet sich die Rechtsprechung gegen unverlangt - also ohne Einwilligung des Betroffenen - zugesandte E-Mails.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich möchte nachtragen, daß die Frage 20 des Abgeordneten Johannes Singhammer zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern schriftlich beantwortet wird. Nunmehr rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Mascher zur Verfügung. Zunächst rufe ich die Frage 31 des Kollegen Thomas Strobl auf: Welche finanziellen Mehrbelastungen für den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit im Bereich der Arbeitslosenhilfe erwartet die Bundesregierung nach dem Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel ({0}), wonach Arbeitslose ihr Vermögen nicht aufbrauchen müssen, das sie zur Aufrechterhaltung ihres Lebensstandards im Alter angespart haben?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Kollege Strobl, nach geltendem Recht ist im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Arbeitslosenhilfe Vermögen nicht zu berücksichtigen, das „zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist“. Das Bundessozialgericht hat in dem von Ihnen angesprochenen Urteil dargelegt, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, daß Vermögen für die Alterssicherung bestimmt ist, und in welcher Höhe eine zusätzliche Alterssicherung als angemessen anzusehen ist. Die konkrete Streitsache hat das Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Die Auffassung des Bundessozialgerichts weicht von der bisherigen Praxis der Bundesanstalt für Arbeit ab. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung prüft daher, ob das Urteil eine Einzelfallentscheidung ist und Folgerungen für die Praxis erst bei Vorliegen einer ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu ziehen wären. Das Ministerium prüft außerdem, ob durch eine Änderung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung eindeutig klarstellend eine der bisherigen Praxis entsprechende vorläufige und ausdrückliche Regelung getroffen werden sollte. Vor Abschluß dieser Prüfung läßt sich nicht sagen, ob das von Ihnen angesprochene Urteil über den konkreten Einzelfall hinaus finanzielle Auswirkungen hat.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Strobl, bitte Ihre Zusatzfrage.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir darüber Aufschluß geben, wann Ihrer Meinung nach Ihre Überprüfung der grundsätzlichen Frage abgeschlossen ist und wann Sie meine konkrete Parl. Staatssekretär Dr. Eckart Pick Frage betreffend den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit beantworten können?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Es wird einige Wochen dauern, bis wir wissen, ob das Urteil des Bundessozialgerichts eine konkrete Auswirkung auf die Praxis der Bundesanstalt für Arbeit hat. Was die Änderung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung betrifft, denke ich, daß wir Ihnen das in einigen Wochen mitteilen können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 32 des Kollegen Strobl auf: Welche Konsequenzen dieses Urteils sieht die Bundesregierung für den Bereich der Sozialhilfe und anderer Sozialleistungen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Sie fragen, welche Auswirkungen dieses Urteil für den Bereich der Sozialhilfe und für andere Sozialleistungen hat. Dazu ist festzustellen: Das Urteil des Bundessozialgerichtes hat keine präjudizierenden Auswirkungen für das Sozialhilferecht. Das Sozialhilferecht unterliegt dem Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten. Das ist für einen Laien vielleicht etwas überraschend; aber es ist so. Formal können daher nur Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes richtungweisend für die Auslegung des Bundessozialhilfegesetzes sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in mehreren Urteilen, auch in jüngster Zeit, zu den hier relevanten Problemen geäußert. Eine Änderung dieser Rechtsprechung ist nach unserer derzeitigen Kenntnis in Zukunft nicht zu erwarten. ({0}) Das Nachrangprinzip des Sozialhilferechtes verlangt regelmäßig den Einsatz des gesamten verwertbaren Vermögens. Nur soweit dem Einsatz solchen Vermögens in einem atypischen Einzelfall besondere Härtegründe entgegenstehen, hat der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, von einer Anrechnung abzusehen. Dies entspricht der Natur der Sozialhilfe. Anders als die Arbeitslosenhilfe wird zum Beispiel Hilfe zum Lebensunterhalt auch im Rentenalter gewährt, so daß nicht - wie bei der Arbeitslosenhilfe - auf eine auslaufende Leistungsgewährung zu achten ist, die von einer dann voraussichtlich kleineren Sozialleistung, nämlich der Rente, abgelöst wird und Bedürftigkeit auslösen kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, verstehe ich Sie richtig, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß das Urteil des Bundessozialgerichts keinerlei Auswirkungen auf den Bereich der Sozialhilfe hat?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

In der Tat: Wir gehen davon aus, daß es keine Auswirkungen auf den Bereich der Sozialhilfe hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr, Herr Kollege.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist diese Grundsatzfrage in Ihrem Hause abschließend geprüft?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ja, soweit uns das bisher möglich war, haben wir das abschließend geprüft.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir kommen nun zur Frage 33 des Abgeordneten Wolfgang Meckelburg: Wie beurteilt die Bundesregierung die anhaltende Kritik, das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte erschwere für Existenzgründer den Weg in die berufliche Selbständigkeit und habe bereits jetzt zu deutlichen Auftragsrückgängen bei Freiberuflern geführt, weil die Auftraggeber befürchten, zur Zahlung von Sozialbeiträgen herangezogen zu werden? Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ihre Frage bezieht sich auf Kritik am Korrekturgesetz zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte. Darauf kann ich Ihnen folgende Antwort geben: Für Existenzgründer gibt es in der Existenzgründungsphase besondere Beitragserleichterungen. Die danach verbleibende Beitragsbelastung ist unter Berücksichtigung des Umstandes, daß auch der Personenkreis der Existenzgründer Altersvorsorge betreiben muß, zumutbar. Befürchtungen von Auftraggebern, zur Zahlung von Beiträgen herangezogen zu werden, sind unbegründet, soweit es sich bei den Auftragnehmern um echte Existenzgründer handelt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Mascher, sind Ihnen die Briefe, die uns als Abgeordnete ja in großen Mengen erreichen, völlig unbekannt, die zum Inhalt haben, daß das Gesetz ein absoluter Schnellschuß ist, daß es verhindert, daß sich vor allem junge Leute selbständig machen, und daß somit keine Arbeitsplätze geschaffen werden?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Nein, solche Briefe sind mir nicht unbekannt. Zur gleichen Zeit, wie wir hier diese Fragestunde durchführen, hat der Arbeitsminister ein Gespräch mit den Sozialversicherungsträgern, um Befürchtungen, die in der ÖffentlichThomas Strobl keit entstanden sind, durch gezielte Informationen auszuräumen. Ich habe ja davon gesprochen, daß es Beitragserleichterungen für Existenzgründer gibt. Man muß sich da einmal die Beträge vor Augen führen: In den ersten drei Berufsjahren sind auf Antrag nur Beiträge nach der Hälfte des Durchschnittseinkommens - das sind im Westen 2 200 DM und im Osten 1 860 DM - zu leisten. Wenn das tatsächliche Einkommen des Betreffenden noch unter diesen 2 200 DM bzw. 1 860 DM liegt, dann kann der Beitrag weiter, bis zu einem Mindestbeitrag von 123 DM, ermäßigt werden. Dabei ist das zu versteuernde Einkommen maßgebend. Da bei den Existenzgründern in den ersten Jahren hohe Abschreibungen ganz typisch sind, kann man davon ausgehen, daß ein Existenzgründer, der in einer schwierigen finanziellen Lage ist, seine Altersvorsorge mit einem Mindestbeitrag von 123 DM sichern kann. Hinzu kommt die Möglichkeit, diese Beiträge zu stunden. Wenn man sich das konkret vor Augen führt, kann man, glaube ich, nicht sagen, daß den Existenzgründern hierdurch materiell der Garaus gemacht wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr, Herr Kollege.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, welche Stellung nehmen Sie zu folgenden Äußerungen: Wir haben auf Grund der neuen Gesetzeslage sofort entschieden, keine Aufträge mehr an Freiberufler zu vergeben; wir wollen nicht riskieren, in einigen Jahren nach einer Steuerprüfung Pflichtbeiträge für mehrere Jahre nachzahlen zu müssen? - Auch das würde zu weniger Aufträgen und weniger Arbeit führen.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Wir haben die Schwierigkeit, zwischen den Scheinselbständigen und den arbeitnehmerähnlichen Selbständigen unterscheiden zu müssen. Von den Scheinselbständigen, bei denen an Hand von vier Kriterien vermutet wird, daß sie Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten haben, wird häufig die Sorge geäußert, daß auch für die Vergangenheit Nachzahlungen zu leisten sind. Da kann ich sie beruhigen: Nachzahlungen für die Vergangenheit sind nicht zu leisten. Aber wenn nach Inkrafttreten des Gesetzes Beiträge nicht ordnungsgemäß gezahlt werden, dann ist eine solche Nachzahlungspflicht natürlich möglich, allerdings nicht für vier Jahre zurück. Zum drohenden Auftragsentzug für Freiberufler - das würde auch die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen treffen -: Da frage ich mich immer, Herr Kollege Mekkelburg, was das für Aufgaben waren, die die Freiberufler bisher übernommen haben. Ich gehe davon aus, das waren Aufgaben, die für das Unternehmen, für den Betrieb von Bedeutung waren. Es waren sicher nicht Arbeitbeschaffungsmaßnahmen. Man hat also sicher nicht gesagt: Der nette Freiberufler soll auch etwas tun. Vielmehr waren es wichtige Aufgaben für das Unternehmen. Da stellt sich für den Arbeitgeber, den Auftraggeber doch die Frage, ob er die Arbeiten durch neue, fest einzustellende Arbeitnehmer erledigen läßt oder, wenn er den Freiberufler nicht mehr beschäftigen will, ob er die Arbeit an ein anderes Unternehmen weitergibt. Dann muß er den Gewinn des anderen Unternehmers bezahlen. Ich kann mir keinen rational agierenden Auftraggeber vorstellen, der Aufträge, die für sein Unternehmen bisher von Bedeutung waren, nicht mehr ausführt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe die Frage 34 des Kollegen Meckelburg auf: Wird die Bundesregierung auch im Hinblick auf Äußerungen der wirtschaftspolitischen Sprecher der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag, Hans Martin Bury, MdB, und Margareta Wolf ({0}), MdB, eine Initiative zur Änderung des Gesetzes ergreifen? Frau Staatssekretärin, bitte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Meckelburg, die Bundesregierung wird die Umsetzung des Gesetzes natürlich weiterhin aufmerksam verfolgen. Sie wird vor allem darauf hinwirken, daß Anlaufschwierigkeiten unbürokratisch, bürgernah und durch gute Information der Betroffenen beseitigt werden. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß sich ein Großteil der Schwierigkeiten offenbar durch Fehlinformationen und auf Grund einer nicht sorgfältigen Trennung der Begriffe „Scheinselbständigkeit“, „arbeitnehmerähnliche Selbständige“ und „geringfügige Beschäftigung“ ergibt. Der Arbeitsminister klärt im Moment mit den Sozialversicherungsträgern, wie man diesen Falschinformationen begegnen kann, wie man noch mehr Informationen über den Inhalt der Neuregelungen verbreiten kann. Sollten sich bei der Anwendung der Neuregelung auf Grund der realen Gesetzeslage in der Praxis Hinweise für Verbesserungsmöglichkeiten ergeben, werden wir diese aufgreifen. Aber, ich denke, man sollte erst einmal auf der Basis der vorhandenen Gesetze abwarten, wie sich das in der Praxis entwickelt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit ist der Bereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung beendet. Ich danke der Frau Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow zur Verfügung. Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Harald Friese auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß Rußland und die USA in Kürze wegen der veralteten russischen Computersysteme ({0}) eine gemeinsame Frühwarnzentrale zum Schutz gegen irrtümlich abgefeuerte Atomraketen einrichten werden, und wie groß schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, daß dies tatsächlich auf Grund veralteter russischer Rechner geschehen könnte? Herr Staatssekretär, bitte.

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Frau Präsidentin, geschätzter Kollege Friese, erlauben Sie mir, die Fragen 35 und 36 im Zusammenhang zu beantworten? ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dann rufe ich auch die Frage 36 des Abgeordneten Friese auf: Kann die Detonation einer irrtümlich abgefeuerten Nuklearrakete nach Einschätzung der Bundesregierung verhindert werden, und, wenn nein, welche Folgen wären zu befürchten?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege Friese, der Bundesregierung ist bekannt, daß auf dem russischamerikanischen Gipfeltreffen im September 1998 in Moskau die Präsidenten beider Staaten einen bilateralen Informationsaustausch zu Raketenstarts und Frühwarndaten vereinbart haben. Zu diesem Zweck soll ein ständiges gemeinsames Frühwarnzentrum auf russischem Territorium eingerichtet werden. Ziel ist es, Fehleinschätzungen auf Grund irrtümlicher Meldungen nationaler Frühwarneinrichtungen zu verhindern. Der Aufbau dieses Zentrums, an dem sich künftig weitere Staaten beteiligen sollen, ist nicht vor 2000 zu erwarten. Insbesondere - danach fragen Sie - im Hinblick auf das Jahr-2000-Problem soll unverzüglich ein gemeinsames russisch-amerikanisches Alarm- und Lagezentrum beim US Space Command in Colorado eingerichtet werden. Es ist durchaus möglich - wie es Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß schon getan haben -, sich vor Ort zu informieren und die Wirksamkeit einer solchen Lageeinrichtung im Hinblick auf unsere Interessenlage zu überprüfen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand liegen keinerlei Hinweise vor, daß es auf Grund einer technischen Fehlfunktion russischer Computersysteme - auch nicht in Folge einer mangelhaften Jahr-2000-Anpassung - zu einem unbeabsichtigten Raketenstart kommen könnte.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Harald Friese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003125, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die russische Generalität in dieser Frage offensichtlich eine andere Auffassung vertritt, wie die „Neue Zürcher Zeitung“ auf Grund einer „dpa“-Meldung schreibt, und tatsächlich befürchtet, daß wegen des Jahr-2000-Problems zur Jahrtausendwende russische Raketen irrtümlich abgefeuert werden?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Wir kennen diese Pressemeldungen. Nichtsdestotrotz haben wir den Sachverhalt seriös geprüft und Ihnen deshalb die Auskunft, die Sie erbeten haben, so gegeben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Friese, bitte sehr.

Harald Friese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003125, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wäre es gegebenenfalls nicht sicherer, zu diesem Zeitpunkt die steuernden Computer auszuschalten bzw. die Atomsprengköpfe auszubauen, um zu verhindern, daß auf Grund dieses Computerproblems ein Fehlstart eingeleitet wird?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Abgeordneter, wir sind in dieser Frage äußerst sensibel und gehen mit diesem Problem, auch was die Kontaktaufnahme mit Rußland im Bündnis, im NATO-Kooperationsrat und sogar in der OSZE angeht, sehr offensiv um und versuchen, dieses Problem durch Informationsabgleichungen rechtzeitig zu lösen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Fragen 37 und 38 sind vom Fragesteller zurückgezogen worden. Die Fragen 39, 40, 41, 42, 43 und 44 werden schriftlich beantwortet. Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung abgearbeitet. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht zunächst der Parlamentarische Staatssekretär Siegfried Scheffler zur Verfügung. Ich rufe Frage 45 der Kollegin Maritta Böttcher auf: Will die Bundesregierung den Bundesverkehrswegeplan dahin gehend fortschreiben, daß dem Anliegen des Kreises TeltowFläming im Land Brandenburg, die B 101 durchgängig bis Lukkenwalde vierspurig auszubauen, Rechnung getragen wird? Herr Staatssekretär, bitte.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Frau Präsidentin, wenn Sie und auch die Kollegin Böttcher gestatten, möchte ich die Fragen 45 und 46 im Zusammenhang beantworten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Fragestellerin ist einverstanden. Dann rufe ich auch Frage 46 auf: Ist die mögliche vorgesehene Form eines Staatsvertrages zwischen Bund, Land und Kreis die erforderliche rechtliche und auch finanzierbare Form der Umsetzung? Bitte sehr.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Der Bundesverkehrswegeplan wird gemäß den Aussagen in der Koalitionsvereinbarung zügig überarbeitet. Das gilt auch und zunächst für die zu aktualisierenden Strukturdaten und Verkehrsprognosen, für die Bewertungsmaßstäbe und für die Sicherstellung der Finanzierbarkeit einschließlich der Folgekosten. Die Arbeiten dazu sind eingeleitet. Die Bundesregierung wird, soweit das Land Brandenburg die Aufnahme des vierstreifigen Ausbaus der B 101 in den Bedarfsplan beantragt, die Maßnahme in die anstehende Überprüfung einbeziehen. Weitergehende Aussagen sind zur Zeit nicht möglich. Die abschließende Festlegung über Bedarf und Dringlichkeit trifft der Deutsche Bundestag. Ergibt die Überprüfung den Bedarf eines vierstreifigen Ausbaus, so ist mit der Aufnahme in den Bedarfsplan des Bundesverkehrswegeplans jedoch noch keine Aussage zur Finanzierung und zur Kostenträgerschaft getroffen. Vielmehr ist dann zu prüfen, ob eine Mitfinanzierung des Landes bei dem Vorhaben B 101 im Bereich des Teltow-Fläming-Kreises in Betracht kommt. Bei zur Mitfinanzierung vorgesehenen Maßnahmen des Bundes erfolgt die rechtliche Form der Umsetzung durch eine Verwaltungsvereinbarung. Der Abschluß eines Staatsvertrages ist hier nicht erforderlich. Bei der Verwaltungsvereinbarung sind im wesentlichen folgende Kriterien zu beachten: Mit dem Finanzierungsbeitrag muß das Land landeseigene Aufgaben verfolgen, die Höhe der Landesbeteiligung muß dem Landesinteresse entsprechen, und die der Mitfinanzierung zugrunde gelegten Kosten müssen realistisch sein. So muß zum Beispiel eine Klausel für Kostenerhöhungen vorgesehen sein; auch müssen die erhöhten Betriebsund Unterhaltungskosten enthalten sein. Die Verwaltungsvereinbarung wird seitens des Bundes nur mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen geschlossen. Die Vereinbarung wird von Bund und Land unter dem Vorbehalt abgeschlossen, daß die benötigten Haushaltsmittel durch den Deutschen Bundestag und das Landesparlament, in dem Fall den Landtag von Brandenburg, bewilligt werden. Schließlich ist die Vereinbarung unkündbar.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin, bitte sehr.

Maritta Böttcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002631, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich möchte eine Nachfrage zur Finanzierung stellen. Ist eine Mischfinanzierung, in die auch private Mittel einfließen, aus juristischer Sicht überhaupt möglich? Die Frage bezieht sich insbesondere auf die sich daraus ergebende Rechtmäßigkeit des Baulastträgers und auf die Folgekostenfinanzierung bei Instandsetzung.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Mir ist natürlich bekannt, daß bei einzelnen Maßnahmen Investoren dem Land unter die Arme greifen und sich an der Finanzierung beteiligen wollen. Über eine solche Mischfinanzierung ist dann aber eine Vereinbarung zwischen dem Land Brandenburg und den Investoren zu schließen. Die Mischfinanzierung gründet aber nicht auf einer Vereinbarung zwischen den Investoren und dem Bund.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Maritta Böttcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002631, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Wie Sie wissen, hat das Land Brandenburg eine Wirtschaftlichkeits- und Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die inzwischen vorliegt. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen, ob vorgesehen ist, die Kriterien für die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan auch auf die Strukturpolitik von Regionen auszurichten und nicht, wie heute, nur an wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien zu messen.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Ihnen ist ja bekannt, daß der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen für die B 101 einen vierstreifigen Neubau von der Landesgrenze Berlin-Brandenburg bis zur A 10 - Zubringer Großbeeren - beinhaltet und im weiteren Verlauf insbesondere zweistreifige Ortsumgehungen bei Luckenwalde und Jüterbog vorsieht. Insofern hat der Bund dem Landesinteresse letztendlich entsprochen. Wir werden auch bei unserer Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes die Interessen des Landes Brandenburg in die gesamtwirtschaftliche Bewertung, in die ökologische Beurteilung, auf die wir zukünftig größeren Wert legen, sowie in die städtebauliche Beurteilung das ist gerade für Kleinprojekte von Bedeutung - einbeziehen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Keine weiteren Zusatzfragen? - Dann danke ich Herrn Scheffler für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe nun die Frage 47 des Abgeordneten Wolfgang Dehnel auf. - Der Abgeordnete Dehnel ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Dann rufe ich die Frage 48 des Kollegen Walter Hirche auf: Wann wird die Bundesregierung unter Berücksichtigung der Beschlußlage im Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages die notwendigen Gelder zur Lärmsanierung an der Eisenbahnstrecke Hannover-Berlin zur Verfügung stellen, damit u. a. die Anwohner der Brücke am Brodweg in Braunschweig vor dem unerträglichen Lärm geschützt werden? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Lothar Ibrügger zur Verfügung. Herr Staatssekretär, bitte.

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Hirche, die Bereitstellung von Haushaltsmitteln des Bundes für Lärmsanierung setzt voraus, daß ein Titel mit dieser Zweckbestimmung im Bundeshaushalt eingestellt ist. Erstmals ist ein entsprechender Titel in dem Entwurf der Bundesregierung für den Haushalt 1999 enthalten. Die vorgesehenen Bundesmittel können erst bereitgestellt werden, wenn der Deutsche Bundestag das Haushaltsgesetz für das Jahr 1999 verabschiedet hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte sehr.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag bzw. der Forderung des Petitionsausschusses, das Entstehen eines rechtsfreien Raumes im Hinblick auf Lärmschutzmaßnahmen durch die Schaffung neuer Gesetze zu verhindern?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Hirche, aus eigener Mitarbeit im Petitionsausschuß wie im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages weiß ich, daß es auf Grund der Tausenden von Beschwerden betreffend den Lärmschutz an Schienenwegen, die dem Petitionsausschuß vorliegen, ein breites Anliegen des Parlamentes war, nicht nur Lärmschutz an den neu gebauten Schienenwegen sicherzustellen, sondern auch an bestehenden Schienenwegen Lärmschutz einzuführen. Es gibt es eine Vielzahl von Strecken, bei denen es vordringlich ist, diese Maßnahme durchzuführen. Die Deutsche Bahn AG - bzw. damals noch die Deutsche Bundesbahn - hat Anfang der 90er Jahre eine Schätzung vorgenommen. Danach bewegen sich die Kosten in einer Größenordnung von 5 Milliarden DM. Wir wollen 1999 als einen ersten Ansatz 100 Millionen DM einstellen. Ob und in welcher Weise an den bestehenden Strecken - Sie haben Braunschweig angesprochen Lärmschutz unmittelbar verwirklicht werden kann, hängt natürlich von den dazu notwendigen Verfahren ab. Diese Projekte müssen jeweils im einzelnen vorbereitet werden. Ob und wie es in den einzelnen Orten gelingt, den Lärmschutz sicherzustellen, wird sich im Vollzug des Haushalts zeigen müssen. Es geht darum, welche Projekte in welchen Bereichen des Bundesgebiets angemeldet werden. Sie sprachen vom rechtsfreien Raum. Ob auf Planfeststellungsverfahren verzichtet werden kann, wird sich bei jedem Projekt einzeln zeigen müssen. Bewegt man sich auf dem Gelände der Deutschen Bahn AG, wird das leichter sein; werden andere Grundstücke in Anspruch genommen, wird man notwendigerweise abgestimmt vorgehen müssen. Deswegen kann ich Ihre Frage heute nur generell beantworten. Es muß jeweils im Einzelfall vor Ort entschieden werden, welches Instrumentarium genommen wird, um den Lärmschutz sicherzustellen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG an einer Prioritätenliste arbeitet? Oder wie ist das Verfahren vorstellbar? Gibt es schon eine Einschätzung, an welcher Stelle der Prioritätenliste die erwähnte Brücke liegen würde?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Hirche, was ich Ihnen vorgetragen habe, beruhte auf einer Abschätzung der Deutschen Bahn AG - wie gesagt, damals noch der Deutschen Bundesbahn vor der Bahnreform. Die Bahnreform selbst hat die Bedingungen grundlegend verändert. Daher ist in diesem Fall zunächst einmal die Deutsche Bahn AG in ihrer Verantwortung für das Netz unmittelbar gefordert, der Bundesregierung Vorschläge zu machen, in welcher Art und Weise - auch unter Maßgabe der angesprochenen Mittel - Projekte in Angriff genommen werden können. Eine exakte Antwort für einzelne Bereiche vorhandener Schienenstrecken ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 49 des Abgeordneten Hans-Joachim Otto auf: Wird die Bundesregierung das Projekt Frankfurt 21 ({0}) in den nächsten Bedarfsplan Schiene des Bundesverkehrswegeplans aufnehmen? Herr Staatssekretär, bitte.

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Otto, entsprechend der Koalitionsvereinbarung wird der Bundesverkehrswegeplan zügig überarbeitet. Das gilt sowohl für die zu aktualisierenden Strukturdaten und Verkehrsprognosen als auch für die Bewertungsmaßstäbe, für die verkehrsträgerübergreifenden Integrations- und Substitutionseffekte und für die Sicherstellung der Finanzierbarkeit einschließlich der Folgekosten. Die ersten Arbeiten dazu sind bereits eingeleitet. Welche Schieneninfrastrukturvorhaben im Rahmen dieser Überarbeitung näher untersucht werden, wird noch zwischen der Deutschen Bahn AG und dem Bund abgestimmt werden. Zu der Frage, ob auch ein Fernbahntunnel unter der Frankfurter Innenstadt zu diesen Vorhaben zählen wird, sind daher zur Zeit noch keine Aussagen möglich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Otto.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, nachdem die Machbarkeitsstudie abgeschlossen ist und nachdem die Deutsche Bahn AG, die Stadt Frankfurt und das Land Hessen bereits seit Monaten positive Entscheidungen zu diesem Projekt getroffen haben, frage ich Sie, wann denn endlich eine Entscheidung des Bundes und insbesondere Ihres Ministeriums zu dieser Frage fallen wird.

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Otto, auch in diesem Zusammenhang muß ich Sie auf die grundlegenden Veränderungen durch die Bahnreform hinweisen. Die Deutsche Bahn AG und deren Vorstand sind für die Projekte und Maßnahmen verantwortlich, die sie selbst vorschlagen. Der Kern Ihrer Frage zielt darauf ab, ob die Bundesregierung das Projekt Frankfurt 21 in den nächsten Bedarfsplan Schiene des Bundesverkehrswegeplanes aufnehmen wolle. Dazu kann ich Ihnen sagen: Es ist eine Entscheidung des Parlamentes, ob in das Schienenwegeausbaugesetz die Maßnahme, auf die Sie mit Ihrer Frage abzielen, aufgenommen werden soll. Deswegen kann ich Ihnen mit Blick auf die Zukunft zunächst nur antworten: Weder das Bundeskabinett noch das Parlament können unmittelbar über das Projekt Frankfurt 21 entscheiden; darüber können vielmehr nur alle Beteiligten im Zusammenwirken entscheiden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann die Äußerungen des Sprechers Ihres Ministeriums, Volker Mattern, der erklärt hat, die Entscheidung über das Projekt Frankfurt 21 habe sich der Minister persönlich vorbehalten?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Ich kenne nicht die Ausgangsfrage, auf die der Mitarbeiter geantwortet hat. Deswegen will ich mich hier auch nicht an Spekulationen beteiligen. Mein Ministerium selbst befaßt sich mit einer Vielzahl von Projekten im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes. Deswegen erwidere ich Ihnen heute: Es gibt auch Erörterungen über andere Projekte, zum Beispiel in Köln, Stuttgart und Leipzig. Deswegen kann ich Ihnen heute weder im Namen der Bundesregierung noch des Bundesverkehrsministeriums eine Antwort darauf geben, wann und auf welche Art und Weise die Entscheidungen getroffen werden. Sie wissen, daß im Bundeshaushaltsrecht letzten Endes auch für die Finanzierung einzelner Projekte im Rahmen der Ressortverantwortlichkeiten ganz bestimmte Verfahrenswege vorgeschrieben sind. Dies gilt auch für Großprojekte, die unmittelbar unter das Schienenwegeausbaugesetz fallen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Der Kollege Wiese hat eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Heinz Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003261, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn man die älteste ICE-Strecke Deutschlands, die von München über Stuttgart und Frankfurt nach Hamburg führt, als Beispiel nimmt, glauben Sie dann nicht auch, daß man dann den Gesamtzusammenhang zwischen den einzelnen Ausbauphasen sehen muß, wenn es darum geht, die im Schienenverkehrswegeplan vorgesehenen Maßnahmen für einen leistungsfähigen Ausbau durchzuführen? Hier können also nicht einzelne Abschnitte besonders betrachtet werden; vielmehr müssen alle Projekte, die Sie gerade eben erwähnt haben, u.a. Stuttgart 21 und Frankfurt 21, die alle an dieser großen ICE-Strecke in Deutschland liegen, in einem Zusammenhang gesehen und gleich gewichtet werden.

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege, alle Vorhaben, die im Rahmen des Schienenwegeausbaugesetzes erfaßt sind und in den vordringlichen Bedarf eingestellt wurden, stellen den Maßstab für das Handeln der Bundesregierung dar. Über die Projekte, die Sie angesprochen haben, insbesondere über den grundlegenden Umbau großer Bahnhöfe und auch die Veränderung von Trassenführungen, die in den jeweils betroffenen Städten enorme Planungsverfahren auslösen - Rechtssetzungspflichten, städtebauliche Entwicklungspläne, Bebauungspläne und vieles andere mehr -, wird das Parlament im Zuge der Beratungen über das Schienenwegeausbaugesetz entscheiden. Wir sehen dies als Maßstab für unser Handeln und unsere Entscheidungen an.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich danke dem Herrn Staatssekretär Lothar Ibrügger dafür, daß er die Fragen beantwortet hat. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht Frau Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung. Ich rufe Frage 50 der Kollegin Ulrike Flach auf. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob durch die Verwendung von Schneekanonen der Grundwasserspiegel in den Skiregionen der Alpen absinkt, und welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen? Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Frau Kollegin Flach, uns liegen keine Informationen vor, daß die Gewinnung von Wasser für die künstliche Beschneiung von Skipisten zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels führt. Das ist eigentlich auch nicht zu erwarten; denn in der Regel werden Oberflächengewässer oder eigens angelegte Speicherbecken dafür benutzt. Die davon betroffenen Regionen befinden sich meist in höheren Lagen. Gerade in diesen Lagen wird darauf verzichtet, Grundwasser zu nutzen, weil die vorhandene Menge so gering ist oder weil der technische Aufwand, das Grundwasser zu nutzen, viel zu hoch ist. Dennoch impliziert Ihre Frage ein Problem, nämlich daß immer mit geringfügigen Störungen des Wasserhaushaltes gerechnet werden muß, daß man also diese Störungen nicht völlig ausschließen kann. Es gibt aber eine hydrologische Situation in den Alpen, die eher darauf hindeutet, daß diese Phänomene zeitlich und räumlich begrenzt sind: Es gibt eine extrem hohe Niederschlagsmenge. Sie liegt im Bereich von 2 000 bis 2 500 Millimeter pro Jahr. Eine Auswirkung auf den Wasserhaushalt ist also zumindest räumlich und zeitlich sehr eng begrenzt. Im Zusammenhang mit Ihrer Frage an die Bundesregierung möchte ich darauf hinweisen, daß in Deutschland die entsprechenden Wasserentnahmen dem Wasserhaushaltsgesetz unterliegen. Für den Vollzug des Wasserhaushaltsgesetzes, für die Wasserwirtschaft und das Wasserrecht sind nach der Kompetenzverteilung die Länder zuständig. In diesem Fall kann man sich auf Bayern beschränken. Wir befinden uns im Kontakt mit der Bayerischen Staatsregierung. Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen wird die Erlaubnis zur Wasserentnahme nur erteilt, wenn sichergestellt ist, daß die ökologischen Funktionen des genutzten Oberflächenwassers nicht beeinträchtigt sind.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin Flach, eine Zusatzfrage, bitte.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, gehe ich recht in der Annahme, daß die Aussagen vom BUND und auch vom NABU, die in diesem Zusammenhang immer wieder mit sehr starken Vorwürfen verbunden werden, gegenstandslos sind?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sie sind nicht gegenstandslos. Ich habe ja gesagt, daß es bei jedem Eingriff in die Natur eine Störung des Wasserhaushaltes gibt. Selbstverständlich stellt sich auch die Frage der qualitativen Beeinträchtigung des Grundwasserspiegels. Ich halte es für ein großes Problem, daß Bakterien als Kristallisationskeime in diesen Schneekanonen eingesetzt werden. Das ist zwar in Deutschland verboten, aber in den Alpenregionen anderer Länder durchaus denkbar. Es liegen uns keine wissenschaftlich verifizierbaren Informationen vor, daß der Grundwasserspiegel abgesenkt wird. Ich habe versucht, zu erklären, daß es auch im Bereich der Einflüsse zumindest eine räumliche und zeitliche Begrenzung gibt. Nichtsdestotrotz sind alle Argumente zu prüfen. Vor allen Dingen in diesem Sinne war der Hinweis zu verstehen, daß wir mit der Bayerischen Staatsregierung in Kontakt stehen. Wir suchen das Gespräch mit ihr, weil sie zuständig ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Fragen Nr. 51 und 52 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Kurt Rossmanith auf. - Ich stelle fest, daß er nicht anwesend ist. Ich rufe die Frage 54 desselben Kollegen auf. Ich stelle fest, daß er wiederum nicht anwesend ist. Die Frage 55 des Kollegen Wolfgang Börnsen ({0}) wird schriftlich beantwortet. Ich danke Frau Staatssekretärin Simone Probst für die Beantwortung der Fragen. Die Fragestunde ist damit beendet. Die Fraktion der CDU/CSU hat auf Grund der Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 11 bis 16 eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht der Nr. 1b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache muß nach Nr. 2 a dieser Richtlinien unmittelbar nach Schluß der Fragestunde durchgeführt werden, was wir nunmehr tun. Da wir ein bißchen früh dran sind, frage ich: Sind alle Kombattanten da? - Das ist offensichtlich der Fall. Denken Sie bitte daran, daß für die Aktuelle Stunde eine Redezeit von fünf Minuten gilt. Ich eröffne die Aussprache in der Aktuellen Stunde und erteile das Wort dem Kollegen Hartmut Koschyk, CDU/CSU-Fraktion.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die von Mitgliedern unserer Fraktion in der vorausgegangenen Fragestunde gestellten Fragen bezüglich der Äußerungen des Bundeskanzlers am 8. März gegenüber seinem tschechischen Amtskollegen Zeman wurden von der Bundesregierung nur unzureichend beantwortet. So blieb durch die Antworten der Bundesregierung unklar, welche rechtliche Qualität die Erklärung des Bundeskanzlers hat, man werde in Zukunft gegenüber Tschechien keine Vermögensfragen mehr aufwerfen und betrachte politische und rechtliche Fragen der Vergangenheit als abgeschlossen, wohingegen der Staatsminister im Auswärtigen Amt Günter Verheugen mir auf eine Parlamentsanfrage noch am 9. Februar mitteilte, daß auch die DeutschTschechische Erklärung am Standpunkt der Bundesregierung nichts geändert hat, wonach die Vertreibung der Deutschen und die entschädigungslose Einziehung deutschen Vermögens völkerrechtswidrig sind und die Bundesregierung auf vermögensrechtliche Ansprüche Deutscher gegenüber der Tschechischen Republik eben nicht verzichtet hat. Die Bundesregierung hat uns auch keine Auskunft darüber geben können, ob die Erklärung des Bundeskanzlers einen rechtlich bindenden Charakter hat oder ob es sich um eine rechtlich unbeachtbare politische Äußerung handelte. Wir müssen hierzu feststellen: Mit seinen leichtfertigen Äußerungen hat der Bundeskanzler Zweifel an der Vertretung berechtigter Interessen deutscher Mitbürgerinnen und Mitbürger aufkommen lassen. Er hat es auch gegenüber der Tschechischen Republik an Klarheit in bezug auf die Auffassung der Bundesregierung zu den offenen Vermögensfragen fehlen lassen. Unklarheit in wichtigen Rechtsfragen gegenüber eigenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, aber auch gegenüber ausländischen Partnern beschädigt Vertrauen und läßt die notwendige Berechenbarkeit einer Regierung im In- wie im Ausland vermissen. ({0}) Die Äußerungen des Bundeskanzlers waren auch rechtlich fragwürdig und politisch schädlich, politisch schädlich deshalb, weil er völlig unnötig jetzt die offenen Eigentums- und Vermögensfragen aufgeworfen und damit den deutsch-tschechischen Beziehungen geschadet hat. Die Aussagen des Bundeskanzlers lassen aber auch die Frage nach dem Umgang der neuen Bundesregierung mit den deutschen Heimatvertriebenen aufkommen. Es war ein guter Brauch der Vorgängerregierung unter Helmut Kohl, die Vertriebenen als wichtige Bevölkerungsgruppe unseres Landes bei allen sie betreffenden Fragen mit in die Entscheidungen einzubeziehen, zu hören, zu konsultieren und den Dialog mit ihnen zu suchen. Bundeskanzler Schröder hat sich beim Besuch des tschechischen Premierministers beeilt, diesem zu versichern - ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin -, daß gelegentlich geäußerte Wünsche der deutschen Vertriebenenverbände nicht die deutsche Außenpolitik beeinflussen. Ich frage, liebe Kolleginnen und Kollegen: Geht man so mit legitimen Anliegen deutscher Mitbürgerinnen und Mitbürger um? ({1}) Den Vertriebenen geht es im Kern um elementare Menschenrechte, die, wie Außenminister Fischer am Tag der Menschenrechte 1998 gesagt hat, den Schwerpunkt der deutschen Außenpolitik bilden. Auch paßt es nicht ins jetzige Bild, wenn der Bundeskanzler noch am 24. Februar vor dem Hohen Haus erklärt hat, es sei richtig, unseren Partnern in Europa verständlich zu machen, daß auch die Deutschen ein Recht auf die Vertretung ihrer Interessen haben. Dann, meine Damen und Herren, muß man im gesamtstaatlichen Interesse mit der gebotenen Abwägung in der Außenpolitik aber auch dafür sorgen, daß berechtigte Interessen von Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht achtlos beiseite geschoben werden. Wenn Herr Steiner die Erklärung des Bundeskanzlers im Nachgang so interpretieren zu müssen meint, dem Bundeskanzler sei es nicht darum gegangen, auf Rechtspositionen zu verzichten, sondern er habe sich von bayerischen Illusionen abgesetzt, dann sage ich dazu besonders an die Adresse der sozialdemokratischen Fraktion: Lesen Sie einmal nach, was Ihr Parteifreund Volkmar Gabert als Sprecher der sudetendeutschen Sozialdemokraten zu den Äußerungen des Bundeskanzlers gegenüber Herrn Zeman erklärt hat. Herr Gabert hat zu Recht angemahnt, daß der Bundeskanzler endlich einmal m i t den Sudetendeutschen über die sie bewegenden Fragen spricht und nicht mit Herrn Zeman ü b e r die Sudetendeutschen. ({2}) Lesen Sie bitte auch nach - damit will ich zum Schluß kommen -, was nicht unbedeutende Kommentatoren in deutschen Tageszeitungen dazu geschrieben haben. Thomas Schmid schrieb in der „Welt“: Auch in der Vertriebenenfrage gilt: Die Frage der Moral läßt sich nicht von der des Eigentums trennen. Lösungen werden, so oder so, schwer sein. Wer heute aber die Frage der Vertreibung in Seminare und Geschichtsbücher abschieben will, nimmt ein großes Problem von Recht und Unrecht nicht ernst. Dem können wir nur zustimmen. ({3}) Wir bedauern, daß es zu diesen Aussagen des Bundeskanzlers gekommen ist. Wir erwarten, daß er es analog der Vorgängerregierung endlich einmal unternimmt, die Verantwortlichen der Sudetendeutschen zu einem Gespräch zu empfangen, daß er seine Äußerungen erklärt und nicht ständig gegenüber auswärtigen Gästen über diese Schicksalsgruppe redet, sondern mit ihr die sie bewegenden Probleme diskutiert. ({4})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Aktuellen Stunde sind auch die längeren Schlußbemerkungen von einer halben Minute im Rahmen der zur Verfügung stehenden fünf Minuten zu machen. Ich freue mich, daß zu dieser Debatte der ehemalige Außenminister der früheren Tschechoslowakei, Herr Jirí Dienstbier, auf der Ehrentribühne Platz genommen hat. Wir begrüßen Sie sehr herzlich. ({0}) Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Präsidentin! Es trifft sich gut, daß Jirí Dienstbier an dieser Debatte teilnimmt. Was wird er, was werden diejenigen bei Charta 77 über diese Debatte denken, die dafür gesorgt haben, daß Deutschland jetzt wiedervereinigt ist, und die darauf gehofft haben, daß es eine Debatte im Deutschen Bundestag gibt, die nicht rückwärts gewandt Fragen der Vergangenheit in den Mittelpunkt stellt? ({0}) Was wird er darüber denken? ({1}) Vielleicht darf ich noch einige Zitate anführen - ich muß das einfach tun -, um Ihnen deutlich zu machen, wo und wie die Debatte in Charta 77 - da sitzt einer der hervorragenden Repräsentanten - geführt worden ist. Nehmen Sie zum Beispiel jemanden wie den unerbittlichen Debattenredner Erazim Kohak, der gesagt hat: Als wir die Deutschen vertrieben, haben wir Tschechen uns aus Europa vertrieben. Das sagte ein tschechischer Historiker. Ich möchte noch ein anderes Zitat anfügen: Eine Nation Masaryks - hat er gesagt hätte es nicht gebraucht, sich der Methoden Hitlers zu bedienen; wenn sie dies getan hat, dann hatte sie ihre edelsten Ideale verraten und sich dem künftigen Verderben ausgeliefert. Auch das ist ein Zitat dieses tschechischen Historikers. Es gibt eine intensive Debatte, die Tabus bricht innerhalb der Tschechischen Republik. Sie aber tun so, als wenn es diese Debatte nicht gäbe. Sie machen nichts anderes, als eben jene Vergangenheit, die schlimm gewesen ist, wieder hervorzukramen. ({2}) Kolleginnen und Kollegen, wir hatten uns vor zwei Jahren mit der Deutsch-Tschechischen Erklärung darauf verständigt, daß wir eine Tür öffnen für eine andere Zukunft, für eine Gemeinsamkeit der europäischen Zukunft, bei der wir Deutsche und Tschechen verantwortungsbewußte Partner sind. Lieber Kollege Koschyk, da geht es doch nicht darum, daß die Vergangenheit in die Geschichtsseminare verbannt werden soll. Sie nehmen doch an den Debatten des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums teil. Sie wissen doch, wie intensiv und hart wir miteinander gerade jene Fragen, die uns berühren, ansprechen. Das, was sich von 1946 bis 1948 ereignet hat, was damals in der Tschechoslowakei zu diesen Vertreibungen geführt hat, konnte doch nur vor einem historischen Hintergrund stattfinden. Haben wir denn alle vergessen, wie damals die NS-Diktatur mit den Tschechen umgegangen ist? Ich will Ihnen einmal etwas aus der Rede vorlesen, die Himmler am 4. Oktober 1943 in Posen gehalten hat - Zitat: Ein Grundsatz muß für den SS-Mann absolut gelten: Ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Angehörigen unseres eigenen Blutes zu sein und zu sonst niemandem. Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Das ist der Hintergrund: daß Deutsche Mörder waren und Lidice zustande gebracht haben, daß in Theresienstadt und in vielen anderen Orten Hunderttausende von Tschechen ermordet worden sind. Darauf folgte die - sicherlich von uns nicht geteilte - Antwort, die von 1946 bis 1948 gegeben worden ist. Ich wende mich gegen jede Form von Kollektivschuld. Auch die Sudetendeutschen sind nicht kollektiv schuldig gewesen. Genau diese Debatte wird in der Tschechischen Republik heute geführt. Sie können Stichworte finden wie die Vergleiche zwischen den Vertreibungen und den - ich zitiere jetzt einen tschechischen Autor - ethnischen Säuberungen. In der Tschechischen Republik weiß man sehr wohl, was damals geschehen ist. Wir müssen politisch dazu beitragen, daß wir unsere Gemeinsamkeit vom Januar 1997 fortsetzen und die Türen aufmachen, damit die Tschechische Republik mit uns gemeinsam in eine offene europäische Zukunft geht. Deswegen sind solche Debatten völlig überflüssig. ({3})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun die Kollegin Antje Vollmer.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit vergangenem Freitag ist Tschechien NATO-Mitglied. Diese kleine Republik gehört auch zum Kreis der Kandidaten für die erste Erweiterungsrunde der EU. ({0}) Was das für dieses Land bedeutet, kann man nur ermessen, wenn man einen Blick auf die Geschichte wirft. Dieses Land ist zweimal von großen und mächtigen Nachbarn überfallen worden, nämlich 1938/39 und 1968. Man muß begreifen, was es für dieses Land bedeutet, jetzt endlich mit dem großen Nachbarn Deutschland und mit den westlichen Demokratien, die ihm 1938 nicht zur Seite gestanden haben, in einem Bündnis zu sein. Niemand in diesem Hause hat das Recht, die Sicherheit für dieses Land, das sehr viel gelitten hat, wieder in Frage zu stellen. ({1}) Wir und auch der Bundeskanzler verabschieden uns nicht von der historischen Wahrheit. Wir verabschieden uns aber von innenpolitisch motivierten bayerischen Illusionen ({2}) und von nackten Verbandsinteressen. In diesem Fall hat - das muß man auch den Bayern sagen - europäische Politik Vorrang vor durchsichtigen innenpolitischen Interessen. ({3}) Für die historische Wahrheit haben die Präsidenten beider Republiken, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Vaclav Havel, im Namen ihrer Völker sehr offene Worte gefunden. Vaclav Havel hat sich für die Verbrechen der Vertreibung entschuldigt. Er hat gesagt, daß die Vertreibung Unrecht gewesen sei und daß niemand von dieser Haltung abrücke. Genau diese Haltung ist in den Erklärungen der beiden Parlamente ausgedrückt worden. Über die Deutsch-Tschechische Erklärung haben wir zwei Jahre lang mühseligst verhandelt. Sie wissen sehr wohl, daß wir auch mit den Sudetendeutschen diskutiert haben; sie wurden schon am Anfang in diese Debatte einbezogen. Diese Debatte muß auch in Zukunft angstfrei geführt werden. ({4}) Angesichts der Ängste, die Sie wecken, muß mir einmal jemand erklären, wie diese Debatte angstfrei geführt werden soll, wenn Sie zwei bis drei Millionen potentielle individuelle Eigentumsansprüche ins Feld führen. ({5}) Keine Regierung der Welt, auch nicht diese Regierung, ist gezwungen, private Eigentumsansprüche über das friedliche Verhältnis zu den Nachbarn zu stellen. ({6}) Im übrigen war genau das die Meinung der Regierung Helmut Kohl. Dieser Meinung hat sich damals - dies hat lange gedauert; ich habe schon erwähnt, daß ich persönlich Zeuge war - der bayerische Ministerpräsident Stoiber in seiner Rede vor der Sudetendeutschen Landsmannschaft angeschlossen. Auch er hat sich hinter diese Erklärung gestellt. Was machen die Bayern nun? Sie rudern ganz offensichtlich zurück, weil sie Angst haben, in diesem Raum Kredit zu verspielen. - In dieser schwierigen Situation können wir Ihnen nicht helfen. Wenn Sie falsche Illusionen geweckt haben, dann müssen Sie selbst dies in den entsprechenden Verbänden klarstellen; denn auch Sie haben für Klarheit und dafür zu sorgen, daß die europäische Perspektive gerade in diesem Milieu nicht verwaschen wird. ({7}) Ich möchte auch den Landsmannschaften etwas sagen. Die Landsmannschaften müssen endlich in der Gegenwart ankommen. Ich habe viele Gespräche mit ihnen geführt und habe die dringende Bitte an sie, ihren Mitgliedern endlich den Spielraum zu geben, in der Gegenwart anzukommen. Diese Gegenwart ist nicht dadurch gekennzeichnet, daß sie sozusagen den Rächer der Enterbten auf immer und ewig spielen können, sondern sie ist dadurch gekennzeichnet, daß sie Brückenbauer zu unseren Nachbarn sein müssen. ({8}) Ein langgehegter Wunsch von mir ist, daß sich die Vertriebenenverbände endlich in Kulturvereinigungen umwandeln; denn von Kultur verstehen sie eine ganze Menge, und genau das brauchen wir in Europa. ({9}) In Europa gilt es, die Erinnerung an die Heimat zu bewahren. Die Vertriebenenverbände haben aber nicht das Recht - letztendlich wissen das auch alle -, die europäische Perspektive dieser sehr gebeutelten Region Europas zu zerstören, das Land zu beunruhigen und die Menschen zu irritieren. Das ist die Meinung der Mehrheit der Deutschen. Diese Meinung hat der Bundeskanzler sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, und ich bin ihm ausgesprochen dankbar dafür. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Ulrich Irmer, F.D.P.-Fraktion.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Zunächst heiße ich Jirí Dienstbier herzlich willkommen. Ich freue mich, daß Sie bei dieser Debatte hier anwesend sind. Allerdings muß ich die Kollegen von der CDU/CSUFraktion fragen, ob die Äußerungen des Bundeskanzlers in diesem Zusammenhang wirklich das wichtigste Thema sind, das wir heute besprechen müssen. ({0}) Denn vor einer Woche ist der Bundesfinanzminister zurückgetreten; gestern ist die EU-Kommission zurückgetreten, und auch das hat wohl etwas mit unseren Beziehungen zur Tschechischen Republik zu tun. Umgekehrt muß ich mich natürlich an die Adresse der SPD und auch des Bundeskanzlers wenden und sagen: Sie haben damals diese Begegnung zwischen Zeman und Schröder und das, was dort besprochen wurde, zum historischen Ereignis hochstilisiert. Das war etwas abenteuerlich, vor allem im Lichte dessen, was Staatsminister Volmer jetzt auf die Fragen aus der CSU geantwortet hat. Denn da hieß es, wenn ich den Staatsminister richtig verstanden habe: Es bleibt alles beim alten; an der Rechtsposition hat sich nichts geändert. Ich hoffe, daß das so ist. Wir haben doch in der Vergangenheit - die Geschichte der deutsch-tschechoslowakischen/deutsch-tschechischen Beziehungen seit dem Umbruch 1989 war wirklich kein Ruhmesblatt - bei der Ausarbeitung der Verträge und der Erklärung die vermögensrechtlichen Fragen ganz bewußt ausgespart. ({1}) Und warum? Aus guten Gründen, zum einen nämlich, weil wir gesagt haben: Wenn wir hier vermögensrechtliche Fragen ansprechen, dann machen wir die Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand reparationsrechtlicher Ansprüche nicht nur seitens der Tschechischen Republik, sondern auch seitens anderer früherer Kriegsgegner. Wir hätten doch hier ein Faß aufgemacht, wobei die Konsequenzen nicht überschaubar gewesen wären. Auf der anderen Seite haben wir immer betont: Keine deutsche Bundesregierung hat das Recht, auf private Ansprüche von privaten Personen, die diese vielleicht haben, vielleicht auch nicht, zu verzichten. Das wäre eine Äußerung zu Lasten Dritter. ({2}) - Nein, hat er nicht; das wurde heute hier klargestellt. Aber ich möchte, daß festgehalten wird, daß heute hier seitens der Bundesregierung erklärt worden ist: Damit ist kein Verzicht auf privatrechtliche und vermögensrechtliche Ansprüche verbunden gewesen. Das ist wichtig, denn sonst würde sich diese Bundesregierung gegenüber denen, deren Ansprüche aufgegeben worden wären, möglicherweise regreßpflichtig machen. Das kann wohl keiner von uns wollen. Lassen wir die Vergangenheit auf sich beruhen. Ich glaube - Frau Vollmer hat das dankenswerterweise angesprochen -, daß der Beitritt der Tschechischen Republik zur NATO wirklich ein historisches Ereignis war. Wir sollten - das tue ich hiermit für meine Fraktion die Tschechische Republik im Kreise der Verbündeten herzlich willkommen heißen. ({3}) Ich wünsche mir, daß die Vertriebenen und Flüchtlinge auch in der Zukunft, wie schon in der Vergangenheit, dazu beitragen, daß die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen endgültig in Ordnung kommen können. Ich habe immer darauf hingewiesen, daß die Flüchtlinge und Vertriebenen gegenüber anderen deutschen Mitbürgern ein Sonderopfer erbracht haben, obwohl sie nicht schuldiger und nicht weniger schuldig waren als andere Deutsche. Dies dürfen wir nicht einfach beiseite fegen, sondern diese persönliche emotionale Betroffenheit müssen wir respektieren. Zum Teil teilen wir sie ja; auch in diesem Raum sind selbst Betroffene. Das muß jede Bundesregierung, wenn sie mit diesen schwierigen Problemen sensibel umgehen will, zur Kenntnis nehmen. Insofern sage ich: Das Hochstilisieren dieser Äußerungen bei dem Treffen zwischen Zeman und Schröder zu einem historischen Ereignis war bei weitem überzogen. Herr Außenminister Fischer, Sie haben früher einmal der alten Bundesregierung zugerufen: „Avanti Dilettanti!“ ({4}) Sie sollten sich öfter selbst zitieren, wenn es um die Außenpolitik der neuen Bundesregierung geht. So kommen wir in der Frage der Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen jedenfalls nicht weiter. Wir müssen darauf bestehen, daß insbesondere diese alten Fragen nicht als Hinderungsgrund instrumentalisiert werden, wenn es darum geht, die Tschechische Republik auch in die Europäische Union aufzunehmen. Wir sollten darauf hinarbeiten, daß dies alsbald geschieht. Gerade den Tschechen, aber auch anderen Nachbarn im Osten sind wir hier in besonderem Maße verpflichtet. Ich entschuldige meine Fraktion, daß sie nicht anwesend ist. Das liegt nicht an mangelndem Interesse an dem Thema, sondern daran, daß wir zur Zeit die Bundespräsidentschaftskandidaten bei uns zu Gast haben und mit ihnen sprechen. Deshalb, Frau Präsidentin, komme ich jetzt zum Schluß, bitte Sie aber, den nächsten Redner nicht aufzurufen, ehe ich nicht meinen Platz erreicht habe, damit ich mir selbst applaudieren kann und im Protokoll vermerkt wird: rauschender Beifall bei der F.D.P. Ich danke Ihnen. ({5})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Sie hatten den Beifall des ganzen Hauses. So tun wir das jetzt immer, um den Beifall des ganzen Hauses zu erzielen. Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Fred Gebhardt, PDS-Fraktion. - Bitte. ({0})

Fred Gebhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003127, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es bedarf wahrlich keiner großen Anstrengungen, um festzustellen, daß die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik nicht die besten sind, um es einmal sehr vorsichtig zu formulieren. ({0}) Dieser Zustand ist nichts Neues, und er überdauert offenbar auch solch einschneidende Ereignisse wie die grundlegenden gesellschaftlichen und politischen Wandlungen der letzten Jahre in Mittel- und Osteuropa. Von seiten der CDU/CSU hat es zu keinem Zeitpunkt eine systematische, auf eine Verbesserung der Beziehungen hinarbeitende Politik gegeben. Es reicht nicht aus, die Anstrengungen allein auf die Einbindung der Tschechischen Republik in die NATO zu richten und dabei das gesamte Spektrum der möglichen Beziehungen zu vernachlässigen. So konnte und so kann keine stabile Nachbarschaft wachsen. Noch schwerwiegender ist allerdings, daß die endlosen eigentumsrechtlichen Forderungen aus den Reihen der CDU und der CSU bei der tschechischen Bevölkerung den Eindruck erzeugen, deren Verständnis gutnachbarschaftlicher Beziehungen erschöpfe sich darin. Und so ist es ja wohl auch. So kann kein Vertrauen entstehen. Jeder Schritt nach vorne, jede sich auch nur abzeichnende Verbesserung der Beziehungen zur Tschechischen Republik - die Erklärung des Bundeskanzlers war ein Schritt in diese Richtung - wurde und wird von seiten der CDU/CSU torpediert und mit einem neuen Affront gegen Tschechien quittiert. Die Deutsch-Tschechische Erklärung ist gewiß nicht ein Erfolg der CDU/CSU-Politik, sondern einzig dem Bemühen der tschechischen Seite und dem öffentlichen Druck in unserem Lande geschuldet. Die Zustimmung der damaligen Bundesregierung erfolgte doch nur zähneknirschend. Daß Sie von der CDU und CSU diese Erklärung bis heute nicht wirklich ernst nehmen, haben Sie soeben in der Fragestunde durch Ihre sechs eingereichten Fragen, aus denen im Rahmen von Nachfragen zwanzig Fragen wurden, wieder bewiesen. ({1}) Meine Damen und Herren, so schwer ist es doch gar nicht: Wer an gutnachbarschaftlichen Beziehungen zur Tschechischen Republik tatsächlich interessiert ist, der muß auch den Satz der Deutsch-Tschechischen ErkläUlrich Irmer rung ernst nehmen, der da lautet - er wurde schon genannt; ich wiederhole ihn -: Beide Seiten erklären deshalb, daß sie ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten werden. ({2}) Heute demonstriert die CDU/CSU, was von ihrer Unterschrift zu halten war, nämlich nichts. Heute demonstriert sie, wie ernst sie diese Erklärung nimmt, nämlich überhaupt nicht. ({3}) Es war lange überfällig, unmißverständlich klarzustellen, daß es gegenüber der Tschechischen Republik von deutscher Seite keine Ansprüche gibt und daß die Politik unseres Landes nicht mehr mit der Politik sudetendeutscher Landsmannschaften, ähnlicher Gruppierungen und deren Befürworter in CDU und CSU zu verwechseln ist. Eine Verbesserung der Beziehungen zur Tschechischen Republik ohne einen eindeutigen Verzicht auf Revanchismus und deutsche Ansprüche ist undenkbar. Der Präsident der Tschechischen Republik, Václav Havel, hat in seiner richtungweisenden Rede in der Prager Karls-Universität erklärt, sein Land werde den heutigen Generationen in Deutschland keine Rechnungen für das historische Unrecht ausstellen, das den Menschen in der Tschechoslowakei vom nationalsozialistischen Deutschland widerfahren ist, genausowenig wie sein Land dies den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gegenüber tun werde. Eine solche Haltung ist vorbildlich und verlangt hohen Respekt. - Havel ergänzte: Und weil das so ist, halten wir all die Versuche, von uns entweder in materieller oder anderer Form Ersatz für die Nachkriegsaussiedlung zu verlangen, für um so absurder. Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen ({4}) - außer, daß es schon überaus beschämend ist, einmal mehr mit dem kleinlichen und bornierten Insistieren auf Eigentumsrückgabe und Rücknahme der Beneš-Dekrete seitens der CDU/CSU konfrontiert zu sein. Wir erwarten von der CDU/CSU bestimmt nicht die Größe eines Vaclav Havel, wie er sie mit seinem großzügigen Angebot zum offenen Dialog und zu ehrlicher Versöhnung bewiesen hat. Aber ein gewisses Maß angemessener Zurückhaltung stünde ihr wirklich gut zu Gesicht. ({5})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile dem Herrn Außenminister Fischer das Wort.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Debatten berühren mich immer auf merkwürdige Weise. In den vergangenen Tagen sind Polen, Tschechien und Ungarn Mitglieder der NATO geworden. Wir hoffen, morgen entscheidende Voraussetzungen für die Osterweiterung der Europäischen Union zu leisten, so daß in überschaubarer Zeit, möglichst schnell, Tschechien Mitglied der Europäischen Union wird, das heißt: Bestandteil des sich vereinigenden Europas - genauso wie Ungarn. Meine Familie kommt aus Ungarn. Die Fischers waren 200 Jahre lang Ungarn. Sie sind Mitte des 18. Jahrhunderts ausgewandert - arme Bauern von der Schwäbischen Alb - und wurden 1946 im Viehwaggon wieder zurückgeschickt. Warum? - Dies war die unmittelbare Folge davon - das dürfen wir nicht vergessen, gerade die zweite Generation nicht -, daß unser Land 1933 einen Teufelspakt mit Hitler eingegangen ist. Vielleicht erleben wir jetzt, mit Abstand, was dieser Teufelskreis damals nicht nur an Verbrechen und an Verantwortung - das war keine Kollektivschuld -, sondern auch an Verlust bedeutet hat. An erster Stelle steht die Zerstörung dieser großartigen Symbiose von Deutschland und den deutschen Juden. An zweiter Stelle steht die Zerstörung dieser für Deutschland so wichtigen, so großartigen Symbiose von osteuropäischem Judentum und deutscher Kultur; Elias Canetti steht dafür. Aber auch die Zerstörung des osteuropäischen Deutschtums, der Verlust eines Drittels des Gebietes des Deutschen Reiches und die Zerstörung des jahrhundertelangen Zusammenlebens von Deutschen und Tschechen in Böhmen und Mähren gehören dazu. ({0}) Ich verstehe den Schmerz der Menschen: ({1}) nicht nur den über das individuelle Leid, über den Verlust von Heimat, sondern auch den über den unwiederbringlichen Verlust von Kultur. Ich habe gestern ein Gespräch mit dem rumänischen Außenminister geführt. Die großartige, uralte Kultur der Siebenbürger Sachsen ist ebenfalls fast unwiederbringlich zerstört worden. Das alles ist das Ergebnis des Teufelspakts mit Hitler, diesem Massenmörder, der Deutschland fast völlig zerstört hat. Ich appelliere nochmals auch und gerade an die organisierten Sudetendeutschen - um die geht es; es geht nicht um die Sudetendeutschen generell -, endlich zu begreifen, daß wir, die zweite Generation, diejenigen, die von Eltern abstammen, die die Vertreibung zu erleiden hatten, am gemeinsamen Europa bauen. Es waren immer die Unschuldigen, die vertrieben wurden. Meine Mutter hat mir gesagt: Die, die Dreck am Stecken hatten, sind mit der deutschen Wehrmacht abgezogen. Die, die ausgewiesen wurden, respektive die, die umgebracht, also ermordet oder totgeschlagen, wurden - all das hat es gegeben -, waren meist die UnFred Gebhardt schuldigen; sie sind mit bestem Gewissen zurückgeblieben. Insofern kann man an der Jahreszahl, zumindest was unser Vertreibungsschicksal anbetrifft, erkennen die deutsche Wehrmacht hat Ungarn 1944/45 verlassen -: Wer 1946 noch in Ungarn war, der wußte sich unschuldig. - Zwangsarbeiterschicksale, die Verschleppung - das alles ist bekannt. Das ist Ergebnis dieses Teufelspaktes. Es ist Teil unserer nationalen Geschichte. Auch uns Deutschen hat das vereinte Europa eine große Chance geboten. Wir sind doch nicht nur materiell, sondern auch kulturell und historisch die großen Gewinner des europäischen Einigungsprozesses. Daß dieses Deutschland heute wiedervereinigt ist mit Zustimmung aller unserer Nachbarn, daß es geachtet ist, eine zentrale, demokratische Macht in einem vereinten Europa ist, ist ein unglaubliches Glück, das diejenigen, die 1945 überlebt haben, für nicht möglich gehalten haben. Wenn das damals jemand beschrieben hätte - er wäre als Phantast bezeichnet worden. Das hat das vereinte Europa für uns getan. Daher sollten wir doch den Erfolg suchen und diesen Vereinigungsprozeß abschließen, und wir sollten nicht diese rückwärtsgewandten Debatten führen, die nichts Gutes mit sich bringen werden. Deswegen lautet mein Appell, meine Damen und Herren, damit wirklich Schluß zu machen. ({2}) Sich der Geschichte zu erinnern heißt, sie nicht zu vergessen. Wir sollten aber keine Aufrechnungsdebatte führen; aus ihr wird für unser Land nichts Gutes entstehen. ({3}) Gegenüber unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa verfolgt die Bundesregierung eine Politik der guten Nachbarschaft und des zukunftsgerichteten Ausbaus unserer Beziehungen, bilateral wie im europäischen Kontext. Diese Politik stellt sich der besonderen historischen Verantwortung, und sie entspricht auch den deutschen Interessen. Die öffentlichen Erklärungen von Bundeskanzler Schröder und Ministerpräsident Zeman vom 8. März buchstabieren Aussagen der Deutsch-Tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997 weiter aus. Darin liegt der Erfolg dieses Besuchs. Das bringt auch eine Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen. ({4}) - Ich kann Ihnen sagen, was „ausbuchstabieren“ ist. Ausbuchstabieren meint schlicht und einfach, daß man einen Vertrag mit Leben erfüllt. Sie sollten sich endlich daran beteiligen und nicht mit beiden Füßen auf der Bremse stehen. ({5}) Herr Koschyk, wir sind beide Vertriebene, obwohl wir hier geboren sind. Der Unterschied zwischen Ihnen und mir ist allerdings, daß Sie als Vertriebenenfunktionär nach wie vor meinen, dies hochhalten zu müssen. ({6}) Das ist „ausbuchstabieren“. Ich hoffe, wir verstehen uns jetzt. ({7}) Die Aussage von Ministerpräsident Zeman, nach der die Wirksamkeit einiger Maßnahmen nach dem zweiten Weltkrieg erloschen sei - hierunter sind die zitierten Beneš-Dekrete zu verstehen -, kommt einer gerade auch von sudetendeutscher Seite geforderten „Ex-nunc“Nichtigkeitserklärung sehr nahe. Die Bundesregierung begrüßt diese Festlegung nachdrücklich und sieht in ihr einen wichtigen Schritt für die Fortentwicklung unserer Beziehungen zur Tschechischen Republik, und darüber müßten Sie sich eigentlich freuen. ({8}) Beide Regierungschefs waren sich darin einig, daß die bilateralen Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belastet, sondern auf die Zukunft ausgerichtet werden sollen. Sie betrachten diese Fragen als abgeschlossen und werden weder heute noch künftig Vermögensfragen in diesem Zusammenhang aufwerfen. Diese politische Aussage ({9}) enthält keinen Verzicht auf eigentums- und vermögensrechtliche Positionen Vertriebener. Sie bedeutet, daß die Bundesregierung derartige Forderungen nicht gegenüber der tschechischen Regierung geltend machen wird. Wir bewegen uns hier im Konsens mit der früheren Bundesregierung. Auch der Kollege Lamers hat in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ festgestellt, daß auch die frühere Bundesregierung keine Vermögensforderungen an Tschechien gestellt hat. Recht hat er! ({10}) Die mit den Erklärungen der beiden Regierungschefs vollzogene Klarstellung wird sich positiv auf unsere Beziehungen zur Tschechischen Republik auswirken. Sie ermöglicht uns einen unbefangeneren Umgang miteinander und wirkt noch vorhandenen Ängsten entgegen. Diese Ängste werden in der Tschechischen Republik von ganz Rechts und ganz Links innenpolitisch ausgebeutet, zum Schaden der europäischen Integration und auch zum Schaden der Aussöhnung - das wissen Sie nur zu gut. Auch die Kritiker der Erklärungen sollten akzeptieren, daß die in Frage stehenden Forderungen ein halbes Jahrhundert nach Krieg und Vertreibung in einem neuen, geeinten Europa nicht mehr die aktuelle Politik Deutschlands bestimmen dürfen. Am vergangenen Freitag sind Tschechien, Polen und Ungarn der Nordatlantischen Allianz beigetreten, ein historischer Schritt für Europa und auch ein guter Tag für Deutsche und Tschechen, die sich 50 Jahre als Feinde gegenüberstanden. Der Bundeskanzler hat gegenüber Ministerpräsident Zeman deutlich gemacht, daß Deutschland auch den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union ohne Einschränkungen, ohne Wenn und Aber - so schnell es geht - unterstützt. Dies liegt wegen der mit dem Beitritt verbundenen Wirksamkeit der europäischen Grundfreiheiten gerade auch im Interesse der Sudetendeutschen. Die Bundesregierung bedauert wie ihre Vorgängerregierung zutiefst das große Leid, das den Sudetendeutschen durch Vertreibung und entschädigungslose Enteignung - wie auch allen anderen Vertriebenen; ich füge dies hier hinzu - zugefügt worden ist. Ihren Schmerz kann den Opfern niemand nehmen. Die Vertreibung und Enteignung auf der Grundlage der sogenannten Beneš-Dekrete betrachtet die Bundesregierung unverändert als völkerrechtswidrig, sie respektiert aber - wie es schon in Ziffer IV der DeutschTschechischen Erklärung heißt -, daß die tschechische Seite eine andere Rechtsauffassung hat. Dies gilt auch für das Strafvereitelungsgesetz vom Mai 1946, durch das im Zuge der Vertreibung begangene Verbrechen straffrei gestellt wurden. Dieses Gesetz und seine Folgen sind im übrigen in Ziffer III der Deutsch-Tschechischen Erklärung auch von der tschechischen Regierung bedauert worden. Entscheidend aber ist: Politik darf sich nicht in der gegenseitigen Darstellung von Rechtsauffassungen erschöpfen, schon gar nicht europäische Integrationspolitik. Unsere Aufgabe im Verhältnis zu unserem Partner und neuen Verbündeten Tschechien ist die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft im geeinten Europa. Diesem Ziel sind Bundeskanzler Schröder und Ministerpräsident Zeman am 8. März ein gutes Stück nähergekommen. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Karl Lamers, CDU/CSU-Fraktion.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben sich in einer eindrucksvollen Weise von Ihrem Bundeskanzler distanziert. Wenn dieser anläßlich des Besuches von Ministerpräsidenten Zeman eine ähnlich sensible Einstellung gegenüber den Vertriebenen an den Tag gelegt hätte, wie Sie das hier versucht haben, dann sähe die Sache anders aus, dann würden wir diese Debatte heute nicht führen. ({0}) - Ich weiß, Herr Minister, daß Ihnen das unangenehm ist, obwohl ich nicht glaube, daß das unbewußt geschehen ist. Sie wissen sehr genau, daß der Bundeskanzler bei dieser Gelegenheit ein weiteres Mal das angemessene Empfinden für sensible und delikate Themen vermissen ließ. Sie wissen sehr genau, daß das Thema der Vermögensansprüche der Vertriebenen außerordentlich schwierig ist. Übrigens wird es, Herr Minister, noch schwieriger durch die Tatsache, daß es eine wahrscheinlich wachsende Zahl von Entschädigungsansprüchen gegen deutsche Unternehmungen und gegen Deutschland geben wird. ({1}) - Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich begrüße es sehr - das wissen Sie doch auch -, daß sich die Bundesregierung dieser Sache annimmt. Sie haben hier erklärt - und Herr Volmer hat es heute wiederholt -, daß Sie die Beneš-Dekrete für völkerrechtswidrig halten. Wenn das so ist, dann stimmt die Rechtsordnung der Tschechischen Republik - das steht ja auch in der Deutsch-Tschechischen Erklärung - mit unseren Vorstellungen nicht überein. Dann stellt sich aber die Frage, ob die Rechtsordnung der Tschechischen Republik mit den Rechtsvorstellungen in der Europäischen Union übereinstimmt. ({2}) Wir wissen doch alle, daß EU-Recht in die nationalen Rechtsordnungen hineinwirkt, etwa durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, die für die Mitgliedsländer bindend sind, und daß auf diesem Wege direkte Ansprüche der Bürger geltend gemacht werden. Wir alle wissen genau, wie delikat das Thema ist, das hier angerührt worden ist. Wenn das aber so ist, dann wäre es sehr angebracht gewesen, Herr Minister, so meine ich, dieses Thema anders zu behandeln, als die Bundesregierung es getan hat. ({3}) Dies war, mit Verlaub gesagt, dämlich ({4}) und diente überhaupt nicht dem, was wir gemeinsam wollen - was wir gemeinsam wollen müssen -, nämlich die Mitgliedschaft Tschechiens in der Europäischen Union auf der Grundlage einer wirklichen Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen. Sie wissen doch sehr genau, daß die Schwierigkeiten, die die Tschechen mit den Vertriebenen haben, im Grunde darin begründet liegen, daß sie SchwierigkeiBundesminister Joseph Fischer ten mit sich selbst, mit ihrer eigenen Vergangenheit haben. ({5}) Ich habe das auch schon in Tschechien gesagt und habe dafür in manchen Gesprächen sehr viel Verständnis gefunden. Daß Herr Zeman jemand ist, der damit ganz besondere Schwierigkeiten hat, weiß diese Seite des Hauses sehr genau. ({6}) Verehrte Kollegen, ich erinnere Sie daran, daß wir bei der Deutsch-Tschechischen Erklärung sehr gut zusammengearbeitet haben. Ich habe übrigens die Haltung der Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang von dieser Stelle aus - wie auch bei meinen Gesprächen in Tschechien - ausdrücklich anerkannt. Ich habe damals viele Gespräche geführt und kann nur sagen: Herr Klaus war schon schwierig, aber Herr Zeman übertrifft ihn leider bei weitem. ({7}) Das alles wissen auch Sie. Mit Verlaub gesagt: Vor diesem Hintergrund halte ich den dämlichen Umgang mit diesem Thema für absolut kontraproduktiv. ({8}) Wenn Sie der Sache einen Gefallen tun wollen, dann anempfehlen Sie Herrn Schröder - das ist ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, ich weiß es - ein wenig mehr Sensibilität für schwierige historische Gegebenheiten. Damit würden Sie vielleicht sogar der Regierung einen Gefallen tun, zumindest aber der Politik dieses Landes und auch unserem Anliegen, nämlich der Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen, die nicht ohne die Vertriebenen bewerkstelligt werden kann. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Außenminister Fischer, Sie können gerne noch einmal reden. Ich weise nur darauf hin: Wenn der Wunsch besteht, noch einmal zu reden, was ich angesichts des Themas richtig finde, müßte ich die Aussprache dazu eröffnen. - Meine Damen und Herren, Sie können noch ein bißchen überlegen, die Aktuelle Stunde dauert ja noch an. Wenn Bedarf besteht, sich noch auszutauschen, können wir miteinander vereinbaren, den Bundesminister erneut reden zu lassen. Dann würde ich die Aussprache dazu eröffnen. Zunächst einmal gebe ich aber der Kollegin Petra Ernstberger das Wort.

Petra Ernstberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002648, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lamers, ich unterstelle jetzt einfach einmal, daß wir hier alle das Ziel haben, die Verbindungen zu Tschechien, die Beziehungen zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik zu verbessern und auf eine normale Ebene zu bringen. Die heutige Veranstaltung trägt aber dazu nicht bei. ({0}) Die derzeitige Bundesregierung betrachtet ebenso wie ihre Vorgängerin die Beneš-Dekrete, soweit sie sich auf die Vertreibung, die Ausbürgerung und die Enteignung von Deutschen in der ehemaligen Tschechoslowakei beziehen, nach wie vor als völkerrechtswidrig. Das hat sie immer deutlich gemacht. Das ist auch der DeutschTschechischen Erklärung zu entnehmen. Dort steht nämlich in Ziffer IV: Jede Seite - die Tschechen haben nämlich eine andere Vorstellung davon - bleibt ihrer Rechtsordnung verpflichtet und respektiert, daß die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat. - Dies gilt auch für die Vertreibung und die entschädigungslose Einziehung des deutschen Vermögens. Das ist und bleibt völkerrechtswidrig. An diesem Rechtsstandpunkt hat sich überhaupt nichts geändert, auch nicht durch den Besuch von Herrn Zeman und die Erklärungen unseres Bundeskanzlers. Deutsche Bürger, die an tschechischen Gerichten Klage erheben, werden weiterhin Unterstützung erhalten; das hat auch Staatsminister Volmer heute deutlich gemacht. Die Übereinkunft, die Herr Bundeskanzler Schröder und Ministerpräsident Zeman getroffen haben, stellt auf dem Weg zu guten Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien einen ganz wichtigen Schritt dar. Wir müssen nachhaltig versuchen, diese Verbindungen und diese Beziehungen zu verbessern und einer positiven Zukunft zuzuführen. ({1}) Dazu gehört auch, daß politische und rechtliche Fragen den Schmerz, den die Vergangenheit verursacht und hinterlassen hat, nicht negieren. Das Leid und die Wunden, die die Menschen erlitten haben, die Menschen beider Länder zugefügt worden sind, sollten eine immerwährende Mahnung im Bewußtsein des deutschen und auch des tschechischen Volkes bleiben. Ich glaube, wir sollten auch die Verbände der Flüchtlinge und Vertriebenen in Deutschland nutzen. Warum stellen die sich eigentlich nicht als Lobby für die Tschechische Republik dar? ({2}) Warum werden sie nicht Botschafter für uns Deutsche? ({3}) Sie sind diejenigen, die Tschechien kennen und den entsprechenden Sachverstand haben. ({4}) - Das müssen sie aber auch offiziell machen. Auch und gerade vor diesem Hintergrund in den deutsch-tschechischen Beziehungen brauchen wir eine Hinwendung zur Gegenwart, zur Realität, und wir brauchen den Blick in die Zukunft. ({5}) Gerade jetzt, wo Tschechien - es ist schon dreimal erwähnt worden - NATO-Mitglied geworden ist, sind wir nicht nur Partner, sondern auch Verbündete. Deswegen müssen wir die Chance, die wir jetzt haben, nutzen und Partnerschaft und Freundschaft zum Wohle des deutschen Volkes und natürlich auch zum Wohle des tschechischen Volkes entwickeln. Das ist unsere Aufgabe, nicht eine kleinkrämerische Diskussion über die Aussagen, die sowieso klar und deutlich waren. ({6})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich habe mich vorhin geirrt, meine Damen und Herren. Ich will Sie darüber informieren: In einer Aktuellen Stunde kann die Bundesregierung bis zu dreimal jeweils 10 Minuten reden. Erst nach diesen 30 Minuten würde ein Anspruch bestehen, die Redezeiten zu erweitern. Wenn die Bundesregierung reden möchte, so hat sie noch zweimal 10 Minuten, ohne daß ein Anspruch darauf bestünde, die Aktuelle Stunde zu erweitern. Ich wollte dies nur klarstellen, damit wir wissen, worüber wir reden. Das Wort hat nun Reinhard Freiherr von Schorlemer.

Reinhard Schorlemer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesaußenminister, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß in diesen Tagen Polen, Tschechien und Ungarn Mitglied der NATO geworden sind. Es war bewegend, als gestern im Fernsehen gezeigt wurde, wie die drei Ministerpräsidenten Buzek, Zeman und Victor Orban in Brüssel dabei waren. Ich sage aber ganz offen: Ich habe dabei spontan an drei Namen gedacht: erstens Helmut Kohl, zweitens Volker Rühe und drittens Klaus Kinkel. Sie sind es nämlich gewesen, die den Beitritt dieser Länder zur NATO als Herzensanliegen, gleichsam als Verpflichtung vertreten und ihn auch bei Zögern im Bündnis konsequent durchgesetzt haben. Ich könnte jetzt, verehrter Herr Bundesaußenminister, einige Namen von Mitgliedern der derzeitigen Regierung nennen, die damals gar nicht so freudig unterstützt und begleitet haben, daß die Länder, die Sie nun in der NATO begrüßt haben, Mitglied der NATO werden. Deshalb ist es völlig unverständlich, daß der Herr Staatsminister Verheugen die Begegnung des Bundeskanzlers mit Ministerpräsident Zeman als eine historische bezeichnete. Für mich war aber in der Tat historisch, daß die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten Polen, Ungarn und Tschechien in diesen Tagen in die NATO aufgenommen worden sind. ({0}) Die Bundesregierung unter Helmut Kohl hat 1992 den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen - damals noch: und Slowakischen Föderativen - Republik über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit geschlossen und 1997 die gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Damit wurde die Tür zur Erkenntnis geöffnet, wo wir gefehlt haben, wo im Namen Deutschlands gefehlt worden ist, wo das verbrecherische System Hitlers, der Nazis die Tschechen geknechtet, die Menschenrechte geknüppelt hat und auf die Bürger gleichsam mit Steinen zugegangen ist. Die Tschechen bedauern in dieser gemeinsamen Erklärung die Vertreibung, die Enteignung und Ausbürgerung und auch die besonderen Exzesse. In der schon erwähnten „Neuen Osnabrücker Zeitung“ wird zum Besuch des Ministerpräsidenten Zeman hier in Bonn unter anderem kommentiert: Mit der gemeinsamen Erklärung von 1997 zwischen beiden Staaten ist ein Fundament geschaffen worden, das Nebeneinander zu einer gutgemeinten Nachbarschaft zu entwickeln. Davon war nach den Gesprächen jedoch weder in Schröders noch in Zemans Äußerungen die Rede. Soll jetzt statt der Aufarbeitung der Geschichte der Weg des Verdrängens beschritten werden? ({1}) Ausgerechnet an diesem neuralgischen Punkt verstößt der Kanzler gegen seine Zusage, außenpolitische Kontinuität zu wahren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben immer darauf hingewiesen und werden auch weiter darauf hinweisen, daß es trotz der bestehenden Verträge mit der Tschechischen Republik und der gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Erklärung immer noch offene Fragen gibt, die nur im gegenseitigen Einvernehmen und auf der Basis der Wahrheit und der Wahrhaftigkeit gelöst werden können. In der tschechischen Presse wird die Erklärung Zemans so gewertet, daß er nicht auf alle, sondern nur auf einige Beneš-Dekrete verzichtet habe. Wir wollen genau wissen, welche es sind. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Außenpolitik ist keine gute, sondern eine schlechte und nicht in die Zukunft gerichtete Außenpolitik, wenn sie populistisch, nur auf den Tag schauend, unkonkret und interpretierbar wird. ({3}) Lassen Sie mich abschließend sagen: Der Bundeskanzler wird am 30. September nach Prag fahren. ({4}) In unserer Erinnerung ist, daß am 30. September 1989 vom Balkon der deutschen Botschaft Außenminister Genscher und Kanzleramtsminister Rudolf Seiters Tausenden von DDR-Bürgern verkünden konnten, sie könnten ausreisen. Es waren bewegende Szenen. Diese Menschen wollten aus der DDR, aus dem SED-Regime heraus, dessen erster Mann Erich Honecker war. ({5}) - Einige werden sich daran noch erinnern; Sie besonders. - Über diesen Mann ist am 21. Dezember 1985 im „Vorwärts“ vom damaligen Oppositionsführer im Niedersächsischen Landtag gesagt worden, er sei „ein zutiefst redlicher Mann“. Der damalige Oppositionsführer ist der heutige Bundeskanzler. ({6})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Helmut Lippelt, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Leute aus der CDU/CSU, ich verstehe nicht, warum Sie hier heute eine Debatte hochgezogen haben, die mir vorkommt, als gehe es um die Klärung von Grundpositionen im Verhältnis zu unseren tschechischen Nachbarn und als stünden wir auf dem Höhepunkt des kalten Krieges kurz vor der Verabschiedung der Ostverträge. Wo aber stehen wir wirklich? Am Freitag - das ist schon mehrfach erwähnt worden - ist die Tschechische Republik Mitglied der NATO geworden, und am Montag abend gab es den Empfang, auf dem alle NATO-Botschafter zugegen waren und Tschechien, Polen und Ungarn als Freunde in der NATO willkommen hießen. Die Verhandlungen über die Aufnahme Tschechiens in die EU sind auf gutem Wege. In wenigen Jahren werden wir ein ganz neues Kapitel des Zusammenlebens in Mitteleuropa beginnen. Auf beiden Seiten sind wir schon jetzt dabei, uns auf diesen gemeinsamen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Raum vorzubereiten. Wir, Bündnis 90/ Die Grünen, haben immer vertreten, daß ein offener und klarer Umgang mit der Vergangenheit eine Bedingung dafür ist, daß sich die Vergangenheit nicht wiederholt. Die Verurteilung der Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands muß für die Bundesrepublik konstitutiv bleiben. Daß auch die tschechische Seite die Vertreibung der deutschen Minderheit inzwischen als Verbrechen ansieht, ist für uns ein ganz wichtiges Zeichen der demokratischen Erneuerung der Tschechischen Republik. ({0}) Der Rechtsstreit, der uns von Ihnen wieder als eine zentrale politische Frage im Verhältnis der beiden Länder dargestellt wird, ist demgegenüber wirklich von untergeordneter Bedeutung. Es gibt in der Frage der Bewertung der Enteignungen auf der Grundlage der BenešDekrete verschiedene Rechtsauffassungen. Genau das ist in der gemeinsamen Tschechisch-Deutschen Erklärung festgeschrieben. Diese unterschiedlichen Auffassungen werden auch noch längere Zeit bleiben. Aber es ist vom Kanzler nicht unsensibel gewesen, wenn er, nach vorne blickend, gesagt hat, diese Fragen seien im Verhältnis beider Staaten zueinander nicht mehr von zentraler Bedeutung. ({1}) Unsensibel aber ist Ihr permanentes Verlangen nach Aufhebung der Beneš-Dekrete, weil diese konstitutiv für die Rechtsordnung eines Nachbarlandes gewesen sind. ({2}) Sie greifen in die Rechtsordnung eines Nachbarlandes ein, als hätte es 1945 nie gegeben. Das wirkliche Problem ist meiner Ansicht nach, daß wir zwar mit Polen einen Grenzvertrag geschlossen haben, weshalb im Verhältnis zu Polen Fragen der Vermögensverhältnisse überhaupt nicht aufkommen, aber ein Friedensvertrag mit den vom nationalsozialistischen Deutschland genauso behandelten Ländern Tschechische Republik und Slowakei fehlt. Statt dessen wurde gezögert - am Schluß wurde es nur eine Erklärung -, und jetzt fangen Sie an, über die Rechtsgültigkeit der tschechischen Grundordnung zu reden. Ich finde, das ist eine schlimme Sache. Jetzt sage ich nur noch eines: Viele Fragen der Privatisierung, der Entschädigung und der Rückgabe sind auch für die tschechischen Bürgerinnen und Bürger noch nicht gelöst; auch Tschechien befindet sich nach dem Umbruch des realsozialistischen Systems noch in einem Transformationsprozeß. Meiner Meinung nach zeugt es nur von Arroganz und Hartherzigkeit, jetzt von deutscher Seite die Frage des Eigentums der deutschen Minderheit aufzuwerfen. Wir sollten in der gegenwärtigen Lage vielmehr Tschechien dabei helfen, sich als selbständiger Staat in der Mitte Europas politisch und wirtschaftlich zu konsolidieren - und dies in guter Nachbarschaft und in engem politischen Bündnis mit uns in NATO und EU. Lassen Sie mich noch eines sagen. Als Historiker, der sich besonders mit der Zwischenkriegszeit beschäftigt hat, erschrecke ich zuweilen über die Leichtfertigkeit, mit der von der konservativen Seite in diesem Hause Fragen gestellt werden, die gegenwärtig nur zu Destabilisierung und zu gegenseitiger Feindschaft beitragen können. ({3}) Aus der Geschichte lernen heißt für mich auch, daß von deutscher Seite nie wieder zur wirtschaftlichen und politischen Destabilisierung unserer kleineren mitteleuropäischen Nachbarn beigetragen werden darf. Deshalb der Appell an Sie: Nehmen Sie die DeutschTschechische Erklärung beim Wort, und orientieren sich an dem zentralen Satz, in dem beide Seiten erklären, daß sie ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten wollen. ({4})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun die Kollegin Erika Reinhardt, CDU/CSU-Fraktion.

Erika Reinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Dr. Lippelt, wenn Sie sagen, Sie verstünden diese Debatte nicht, dann kann ich wiederum verstehen, daß Sie sie nicht verstehen. Denn Sie gehörten zu denen, die die NATO abschaffen wollten. ({0}) Darum frage ich mich, warum Sie das jetzt so groß herausstellen. ({1}) Diese Debatte hat in erster Linie etwas damit zu tun, wie sich der Bundeskanzler geäußert hat. Ich lese Ihnen das gerne noch einmal zur Erinnerung vor, allerdings nur einen Teil, denn sonst würde es zu lang: Als Folge dessen werden die Regierungen beider Staaten in diesem Zusammenhang weder heute noch in Zukunft Vermögensfragen aufwerfen oder Forderungen stellen. Herr Verheugen hat auf eine Anfrage eine ganz andere Antwort gegeben. Er hat gesagt, daß die Vermögensfrage offenbleibe. Als man den Staatsminister Volmer heute in der Fragestunde darauf hingewiesen hat, daß es insofern einen Widerspruch gebe, hat er gesagt, es gebe keinen Widerspruch. Ich bitte, daß man einmal klarstellt, wie diese Regierung zu diesen Vermögensfragen steht. Sind sie nun offen, oder sind sie erledigt? So einfach kann man es sich nicht machen, wie Sie es tun. Schließlich und endlich hat der Bundeskanzler in einem kurzen Statement auf elementare Rechte von 3 Millionen Sudetendeutschen und 10 Millionen Vertriebenen verzichtet. Der Bundeskanzler muß sich schon fragen lassen, wie sich diese Äußerungen mit seinem Amtseid vereinbaren lassen, der ihn verpflichtet, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Bisher haben alle Bundesregierungen die unrechtmäßige Enteignung und die Vertreibung der Sudetendeutschen als völkerrechtswidrig bezeichnet und darauf hingewiesen, daß die Entschädigungsfragen offenbleiben. Wenn heute von den Beneš-Dekreten die Rede ist, möchte ich schon bitten, daß man den Mut hat, zu fordern, daß diese Dekrete zurückgezogen werden. Ich glaube, es ist an der Zeit. ({2}) Die Heimatvertriebenen haben ihren Teil zur Aussöhnung beigetragen. Sie waren die ersten. Lieber Herr Minister Fischer, ich rate Ihnen: Lesen Sie einmal die Charta der Heimatvertriebenen, die 50 Jahre alt ist! ({3}) Die Heimatvertriebenen waren die ersten, die nicht nur auf Gewalt verzichtet, sondern auch den Aufbau ganz massiv und engagiert betrieben haben. Das sollten wir honorieren. Wir sollten nicht so tun, als wären die Heimatvertriebenen diejenigen, die nur am Vermögen hängen. Trotzdem können Sie es sich nicht so einfach machen, indem Sie die Vermögensfrage zur Seite schieben und den Vertriebenen sagen: Seid zufrieden, es wird sich schon irgendwie regeln. ({4}) - „Heilig's Blechle“, das mag schon sein. Ich möchte auch dem Bundeskanzler die Frage stellen, mit welchem Maß er eigentlich mißt, wenn er sich für eine Regelung zugunsten ehemaliger Zwangsarbeiter einsetzt, aber gleichzeitig die berechtigten Belange der Sudetendeutschen ignoriert. Diese Haltung wurde vorher damit begründet, daß man die Belange dieser beiden Gruppen nicht vermischen dürfe. Aber man darf auf einem Auge nicht blind sein. Entweder setzt man sich für beide Seiten ein oder für keine. Aber man kann nicht auf der einen Seite so und auf der anderen Seite so reagieren. ({5}) Lieber Herr Kollege Dr. Lippelt, Sie haben vorhin gesagt, die Tschechoslowakei habe viel Zerstörung erlebt. Ich stamme aus einer Region, die an die Tschechoslowakei grenzte. Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit und Jugend in der Tschechoslowakei verbracht. Man hat während des Krieges dort hervorragend einkaufen können, weil es alles gab. Die Tschechoslowakei war das Aushängeschild Hitlers. Das war damals so. Er hat dieses Land zu Propagandazwecken verwendet. Deshalb können Sie sich jetzt nicht hier hinstellen und sagen, dort sei alles zerstört worden. Wir müssen es schaffen, daß die Menschen aufeinander zugehen. ({6}) Die Aufrechnung von Zerstörungen ist nicht entscheidend. Das Zugehen aufeinander ist entscheidend; es ist weit wichtiger. ({7}) - Liebe Frau Kollegin Vollmer, Sie haben vorher die Möglichkeit gehabt, zu reden. Sie sollten Ihre Redezeit nutzen und keine Zwischenrufe machen, die nicht qualifiziert sind. ({8}) Ich bitte Sie darum, dieser Sache den gebührenden Ernst zukommen zu lassen. Sie sollten hier nicht so tun, als ob die CDU/CSU etwas einseitig hochspiele. Hochgespielt wurde es vom Kanzler, der sich hier unqualifiziert geäußert hat. ({9}) - Es ist so. - Die Linke sagt etwas anderes als die Rechte. Aber das sind wir von dieser Regierung inzwischen gewohnt. Vielen Dank. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat das Wort der Kollege Markus Meckel, SPD-Fraktion.

Markus Meckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001451, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Eigentlich war ich der Meinung, die heutige Debatte sei unnütz, weil andere Fragen, die schon angesprochen wurden, wie die Mitgliedschaft Polens, Ungarns und der Tschechischen Republik in der NATO und der europäische Erweiterungsprozeß, über den morgen diskutiert werden soll, wichtiger seien. Aber der letzte Beitrag hat mir deutlich gemacht, daß es offensichtlich noch eine ganze Menge Gesprächsbedarf in bezug auf die eigene Geschichte und die eigene Identität gibt. ({0}) Ich will nicht sagen, daß Ihre Rede ein starkes Stück gewesen ist. Es ist aber einfach schade, wenn jemand, der politische Verantwortung trägt, so wenig von den differenzierten Problemen, die in die Zukunft weisen, begriffen hat und sie nicht wirklich anerkennt. Die Vergleiche, die Sie heute gezogen haben, müssen in aller Klarheit zurückgewiesen werden. ({1}) Sie wissen vielleicht, daß auch ich mich mit historischen Fragen beschäftige und sie nicht nur als eine Sache der Vergangenheit betrachte, die man zugunsten der Zukunft einfach vernachlässigen darf. Aber es ist etwas anderes, sich nur auf einen bestimmten Punkt zu fixieren und von ihm zu sprechen und gleichzeitig zu versuchen, historische Fragen mit rechtlichen Fragen zu vermischen. Wir wissen alle - jedenfalls wenn wir genau hinsehen -, wie schwierig es ist, historische Prozesse rechtlich einzufangen. Genauso wie die Tschechen aus den genannten Gründen natürlich Schwierigkeiten haben, einfach das zu tun, was Sie von Ihnen leichtfertig erwarten - was Herr Zeman jetzt deutlich gesagt hat, war eine wichtige Botschaft -, genausowenig konnten wir und konnte sogar ein Willy Brandt das Münchener Abkommen, das wahrhaftig ein Schandabkommen war, von Anfang an für null und nichtig erklären. ({2}) So schwierig ist eben die Geschichte, und so schwierig ist es, nachträglich mit Rechtsfragen umzugehen. Ich bitte Sie dringend, dies im Gedächtnis zu behalten. Wenn Sie heute wieder die Vermögensfrage ansprechen, in der juristisch keinerlei Differenz zwischen uns besteht, dann muß ich gleichzeitig deutlich machen, daß diese Frage überhaupt nur deshalb aufkommt, weil wir bei der Vereinigung Deutschlands meines Erachtens grundlegende Fehler gemacht haben. ({3}) Wer nämlich glaubte, das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ mit all den Schwierigkeiten, die es schon innerdeutsch bedeutet hat, durchsetzen zu können, der hat übersehen, daß es entsprechende Begehrlichkeiten bei Generationen geweckt hat, ({4}) die uns in bezug auf die tschechischen oder polnischen Freunde und Gebiete nachträglich vor entsprechende Probleme gestellt haben. ({5}) Lieber Kollege von Schorlemer, wenn Sie so tun, als wenn der Bundeskanzler oder die Bundesregierung einer Verdrängung von Geschichte das Wort reden wollten, dann kann ich Ihnen nur sagen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Sie merken doch - Sie selbst waren öfter in Tschechien und in der Slowakei -, wie schwierig der Prozeß der Aufarbeitung der Geschichte gerade in der Tschechischen Republik gesellschaftlich gesehen ist. Warum ist er so schwierig? Natürlich hat das auch mit 40 Jahren kommunistischer Vergangenheit zu tun; natürlich hat es mit Verdrängung und mit zuwenig Information zu tun. Aber es hat auch etwas damit zu tun, daß diejenigen, die wie Vaclav Havel diese Dinge deutlich ansprechen, befürchten müssen, aus der eigenen Gesellschaft Anfragen zu bekommen, was das Eingehen auf entsprechende Forderungen aus Deutschland, aus einer bestimmten sudetendeutschen Ecke für Folgen hat. Ich muß sagen: Die Klarheit, die die Bundesregierung jetzt hergestellt hat, ist ausgesprochen wichtig, um einen offenen Umgang mit der Vergangenheit in der Tschechischen Republik und bei unseren östlichen Nachbarn zu fördern. Ich halte die von der Bundesregierung hergestellte Klarheit für ausgesprochen wichtig. ({6}) Wenn ich soeben von einer „sudetendeutschen Ecke“ gesprochen habe, dann möchte ich dazu sagen: Dies ist eine Formulierung, die ich gleich wieder zurücknehme, weil ich keine Ausgrenzung der Sudetendeutschen aus der deutschen Geschichte und aus der deutschen Gesellschaft betreiben will. Ich meine nur diejenigen, die diese Forderungen immer wieder ins Zentrum des deutschtschechischen Verhältnisses stellen. Ich weiß ganz genau, daß sehr viele Sudetendeutsche - wie übrigens Vertriebene überhaupt - diese Fragen auch ganz anders behandeln und wirklich eine Verbindung, eine Brücke zu unseren tschechischen, polnischen, slowakischen und anderen östlichen Brüdern anstreben. Das muß deutlich angesprochen werden. Wir selber sollten uns diese Geschichte deutlich ins Bewußtsein rufen. Hier ist eben der Name Volkmar Gabert dazwischengerufen worden. Ich schätze ihn sehr. Er ist Repräsentant einer Geschichte, die deutlich macht, daß die ersten Opfer Hitlers zum Beispiel die sudetendeutschen Sozialdemokraten waren, die in KZs gebracht wurden, die in die Emigration gegangen sind und die ein wesentliches Stück europäischer Demokratiegeschichte darstellen. Man muß die Vertreibung, die sie anschließend erfahren haben, natürlich als Unrecht bezeichnen, wobei ich hinzufüge, daß das Verhalten von jemandem, der der Henlein-Partei angehörte und Hitler begrüßt hat - auch das gab es; da kann ich manches nachvollziehen - ebenfalls unrechtmäßig ist. Die Perspektiven waren sehr unterschiedlich. Ich hoffe, daß es uns gelingt, zu einer differenzierteren Betrachtung der Geschichte zu kommen, indem wir gerade nicht Rechtsfragen aufwerfen, sondern miteinander als europäische Völker versuchen, offen und gemeinsam unsere Geschichte differenziert zu schreiben und sie uns nicht gegenseitig vorzuwerfen. Ich danke Ihnen. ({7})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat jetzt der Kollege Bötsch, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Wolfgang Bötsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000228, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Meckel, Sie haben sehr viel vom Differenzieren gesprochen. Sie haben - das muß ich anerkennen - auch versucht zu differenzieren. Aber als Meister des Differenzierens ist Herr Bundeskanzler Schröder in dieser Frage sicherlich nicht aufgefallen. ({0}) - Aber Herr Meckel, ich sage es ja. - Herr Schröder ist ganz im Gegenteil mit seinen Pferdelederschuhen mitten in den Fettnapf hineingetreten. ({1}) Worum geht es eigentlich? Es geht um eine freundschaftliche und zukunftsorientierte Beziehung zwischen zwei Ländern, die eine lange, schicksalhafte, zeitweise sich gegenseitig befruchtende Vergangenheit, aber leider auch eine viel Leid und Elend verbreitende jüngere Geschichte haben. Ich brauche dem, was von allen Seiten dazu ausgeführt wurde, nichts hinzuzufügen. Es geht jetzt in der Tat um die Aussöhnung von Deutschen und Tschechen. Es geht um die gemeinsame Zukunft unserer beiden Völker. Zukunft gewinnen bedeutet aber auch, die Vergangenheit ehrlich zu bewältigen. ({2}) Das ist keine Einbahnstraße. Zu den Verbrechen der Nazis haben wir uns bekannt. Das ist selbstverständlich. Da gibt es nichts wegzudiskutieren. Entsprechendes sollte aber auch für die andere Seite gelten. Ein kurzes Medienspektakel mit Friede, Freude, Eierkuchen kann doch die wahren Probleme nicht verdecken. Diese Probleme existieren, ob es der Kanzler nun wahrhaben will oder nicht. Gute Laune verbreiten und lächeln ist bei diesem Thema nicht angebracht. ({3}) Die überflüssige Aufgabe von Rechtspositionen - es ist ja heute hier relativiert worden; das will ich durchaus anerkennen - verdrängt vielleicht vorübergehend diese Vergangenheit, aber kann diese Probleme nicht lösen. Dem Kanzler fehlen die außenpolitischen Konturen. Warum hat er denn kein Wort zu den Beneš-Dekreten gesagt, welche die Vertreibung und Enteignung von etwa 3 Millionen Deutschen rechtfertigten? Es gab keine Stellungnahme zu dem sogenannten Amnestiegesetz. Das Rätselraten, was Herr Zeman mit seiner Äußerung zu den Beneš-Dekreten gemeint hat, kann ich ohne weiteres beenden. Er selber hat CTK ein Interview gegeben, in dem er nach der Übersetzung des Bundespresseamtes gesagt hat: Wenn wir sagen, daß die Wirkung gewisser nach 1945 ergriffener gesetzlicher Maßnahmen erloschen ist, meinen wir, daß man z. B. den Besitz eines deutschen Geschäftsmannes, der in der Tschechischen Republik investiert hat, nicht auf der Grundlage der Beneš-Dekrete konfiszieren kann. Die Dekrete waren gedacht als einmalige Maßnahme in einer spezifischen historischen Situation, die wir nicht ändern können. Da sich die historische Situation jedoch geändert hat, besagt unser Konzept, daß die Wirkung gewisser gesetzlicher Maßnahmen erloschen ist. Ich denke, daß es eine absolut realistische Erklärung ist, die die Tatsache nicht leugnet, daß diese Gesetze Teil unserer Rechtsordnung bleiben. Er hat sie also ausdrücklich - einschließlich ihrer damaligen Wirkung - bestätigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich begrüßen wir jetzt mit allen anderen die Aufnahme der Tschechischen Republik in die NATO. Nur wenn Sie, Herr Außenminister, das heute so emphatisch begrüßen, dann gestatten Sie mir auch, darauf hinzuweisen, daß Sie noch an ganz anderen Stellschrauben gedreht haben. Als wir die NATO verteidigt haben, waren Sie noch unter den 310 000 Menschen im Bonner Hofgarten, die die damaligen Maßnahmen der NATO nicht begrüßten, sondern etwas ganz anderes im Sinne hatten. Sie werden sich auch noch erinnern, auf welcher Seite Sie bei den tagelangen Debatten im Herbst 1983 standen - jedenfalls nicht auf der Seite der NATO -, ganz zu schweigen von der damaligen Haltung Ihres Staatsministers, der heute in der Fragestunde ähnliches ausgeführt hat. Meine Damen und Herren, der EU-Beitritt Tschechiens steht bevor. Ich will jetzt keinen Zeitraum nennen. Das ist eine höchst erfreuliche Entwicklung im lange durch den Eisernen Vorhang getrennten Europa. Aber die Europäische Union ist mehr als eine WirtschaftsgeMarkus Meckel meinschaft. Sie ist auch eine Wertegemeinschaft. Darüber kann man sich nicht mit ein paar flotten Äußerungen hinwegsetzen. ({4}) Das muß man vor allen Dingen ernsthafter betreiben als manche Vorstellung beispielsweise in der Zeitschrift „Gala“. Mit solchen lockeren Auftritten dient man nicht der deutsch-tschechischen Aussöhnung; vielmehr muß man es anders anfassen, wenn man der Zukunft unserer Völker gerecht werden will. Vielen Dank. ({5})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat das Wort der Kollege Gernot Erler, SPD-Fraktion.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Abschluß der Aktuellen Stunde den Versuch einer politischen Einordnung dieser Debatte machen. ({0}) Es hat nach den großen Ereignissen von 1989/90 drei herausragende Schritte in dem deutsch-tschechischen Verhältnis auf dem Weg zur Aussöhnung und zur Freundschaft gegeben. Das erste war der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderation über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom Februar 1992. Ich erinnere Sie daran: Schon gegen diesen ersten Schritt gab es damals Protest und Kritik aus dem außerparlamentarischen Raum. Einer der Unterzeichner war Helmut Kohl. Ein anderer - ich möchte nochmals meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß er heute unter uns ist - war der damalige Außenminister Jirí Dienstbier. Helmut Kohl hat dann als Unterzeichner auf dem Hradschin in Prag eine Antwort auf diesen Protest gegeben. Er hat zu diesen Protesten gesagt, nicht alle würden diesen Prozeß begreifen. Er hat hinzugefügt: Man muß nur an einem Tag und in einer Zeit den Mut haben, damit zu beginnen. - Dem kann man heute noch zustimmen. Es gab dann einen zweiten Schritt. Das ist die schon oft zitierte Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom Januar 1997. Da gab es ein klares Wort zur Vergangenheit. Herr Kollege Bötsch, ich darf Sie erinnern: Etwas Klareres zu der Frage der Amnestiegesetze kann man nicht mehr sagen als das, was in dieser Erklärung schon festgehalten wurde. Das war eine klare Distanzierung. ({1}) Dann kam in dem schon mehrfach zitierten Abschnitt IV die Erklärung, man wolle sich auf die Zukunft konzentrieren. Man habe verschiedene Rechtsstandpunkte. Aber man wolle nicht, daß diese den Weg der Aussöhnung belasten. Auch hierzu gab es wieder Kritik aus dem außerparlamentarischen Raum. Wir gemeinsam - Sie, wir und der Bundeskanzler - haben diese Kritik im Deutschen Bundestag in einer nachlesenswerten Debatte am 30. Januar 1997 zurückgewiesen. Kürzlich folgte der dritte Schritt, der Besuch von Zeman am 8. März in Deutschland. Herr von Schorlemer, man kann sich darüber unterhalten, ob das ein historisches Ereignis war. Ich meine, der Atem der Geschichte weht überall, wo der deutsche Bundeskanzler ist. ({2}) - Ja, man kann das auch anders ausdrücken. Entscheidend aber ist: Die Ergebnisse stehen voll in der Kontinuität der anderen beiden wichtigen Schritte. Was können Sie denn dagegen haben, daß nun gesagt worden ist, die Beneš-Dekrete seien nicht mehr wirksam, sie seien erloschen? ({3}) Was können Sie denn dagegen haben, daß der Bundeskanzler das wiederholt hat, was in der Erklärung steht, nämlich daß man sich auf die Zukunft konzentriert? Was die Erklärung betrifft, daß die Vermögensfragen staatlicherseits nicht mehr aufgeworfen werden, so hat Ihre Regierung doch 16 Jahre lang das gleiche getan. Sie haben diese Vermögensfragen nicht ein einziges Mal aufgeworfen. Jetzt ist das nur erklärt worden. Das hat eine positive Wirkung auch bei unseren Freunden gehabt. ({4}) Meine Damen und Herren, Sie haben die Kontinuität und den Konsens dadurch verlassen, daß Sie jetzt im Bundestag Kritik üben. Wir haben diesen Prozeß als Parlamentarier immer gemeinsam begleitet. Das haben Sie nicht getan. Da muß man sich schon fragen, warum. ({5}) Das hat doch nichts mit Verdrängung der Geschichte zu tun, wie hier gesagt worden ist. Die Vertreibung der Sudetendeutschen 1945 war ein Verbrechen, das anderen Verbrechen folgte. Die Opfer mußten für Verbrechen zahlen, die von Deutschland bzw. Adolf Hitler damals ausgegangen waren. Wir verbeugen uns hier gemeinsam vor dem Schicksal der Opfer, der Betroffenen. Ganz besonders erkennen wir an, daß viele von denen, die gelitten haben, die Kraft aufgebracht haben, in diesem deutsch-tschechischen Versöhnungsprozeß die Hand zu reichen. Aber ein Faktum ist auch: Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung möchte ein Verhältnis von Freundschaft und Zusammenarbeit mit dem Volk Vaclav Havels haben und möchte dieses Verhältnis weiterentwikkeln. Das heißt, es kann kein Vetorecht, das gegen diesen Wunsch gerichtet ist, für die Sprecher der Opfer von 1945 geben. Insofern hoffe ich, daß diese Debatte nur ein Zwischenspiel war und daß Sie zu der Gemeinsamkeit zurückkehren, die uns bisher im Zuge des Vorantreibens des Aussöhnungsprozesses mit diesem Nachbarn ausgezeichnet hat, der sich voll zu der westlichen Wertegemeinschaft von EU und NATO bekennt. Ich fordere Sie auf: Kehren Sie zu dieser Gemeinsamkeit zurück! Dieses wichtige Ziel ist es wert. Vielen Dank. ({6})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 18. März 1999, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.