Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nun erteile ich das
Wort dem Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Gerhard Schröder, Bundeskanzler ({0}):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
({1})
Herr Stoiber, Ihre Rede hat eines deutlich gemacht:
({2})
Sie wollen vielleicht Kanzler werden, aber Sie haben
nicht die Fähigkeiten dazu.
({3})
Das war eine Mischung aus Hilflosigkeit und Aggressivität, die nur eines zeigt: In schwierigen Situationen
kommt man mit einer solchen Mischung nicht weiter, sondern nur mit Führungsfähigkeit.
({4})
Meine Damen und Herren, wenn Sie während der
Rede des Kandidaten in Ihre Reihen geschaut hätten,
wäre Ihnen klar geworden, wie sehr Sie die Frage beschleicht, ob Sie mit Frau Merkel nicht besser gefahren
wären.
({5})
Diese Frage, zunächst noch leise intoniert, wird, seien Sie
sich dessen sicher, in den nächsten Tagen und Wochen
lauter werden.
({6})
Lassen Sie mich aufgrund der hier dargestellten Verzerrungen einige Bemerkungen zur internationalen Situation machen.
({7})
Es wurde hier darüber geredet, dass Fragen beantwortet
werden, die niemand stellt. Ich stelle mir wirklich die
Frage, wo die, die so reden, eigentlich leben.
({8})
Die Fragen der internationalen Politik sowie die Befürchtungen und Sorgen über die Entwicklung speziell im
Nahen Osten beschäftigen nach meinem Eindruck ganz
viele Menschen in Deutschland. Diese erwarten von der
Führung des Landes natürlich, dass sie Antworten auf
diese Fragen formuliert.
({9})
Ich will mit einigen Bemerkungen zur internationalen
Lage und hierbei insbesondere zur gestrigen Rede des amerikanischen Präsidenten George W. Bush beginnen. Seine
Forderung, dass das Regime in Bagdad die VN-Resolutionen ohne Ausnahme erfüllen muss, ist gewiss richtig.
({10})
Es kann überhaupt keine Frage sein - das war auch nie
strittig -, dass die Waffeninspektoren ins Land müssen.
({11})
Das war nie strittig. Aber strittig war und bleibt, ob anstelle dieses Ziels ein anderes Ziel in den Mittelpunkt der
Diskussion gerückt werden darf. Diese Diskussion haben
wir doch miteinander geführt.
({12})
Ich sage: Wer an die Stelle des Ziels, die Inspektoren ins
Land zu bringen, das Ziel der gewaltsamen Beseitigung
des Regimes gesetzt hat, hat die Position der Vereinten
Nationen in der Vergangenheit und in der Gegenwart
falsch dargestellt. So war das.
({13})
Deshalb ist es gut, dass dieses Ziel wieder in den Mittelpunkt der aktuellen und, wie ich hoffe, auch der künftigen
Diskussion gerückt wird.
({14})
Dafür werden wir alle politischen, diplomatischen und
natürlich auch wirtschaftlichen Möglichkeiten mobilisieren und mobilisieren müssen.
({15})
Dass der amerikanische Präsident die Bedeutung des
VN-Sicherheitsrates gewürdigt hat, ist zu begrüßen. Wer
sich aber einmal mit der Rede im Einzelnen befasst, wird
mir zustimmen, wenn ich sage, dass es im Laufe der Verhandlungen nicht leicht sein wird, dafür zu sorgen, dass
die alleinige Entscheidungsgewalt des Sicherheitsrates
tatsächlich gewahrt bleibt. Ich denke, auch das muss man
Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({16})
als Konsequenz dessen, was gesagt worden ist, offen aussprechen.
({17})
Meine Damen und Herren, wichtige Fragen in diesem
Kontext bleiben offen. Der Erfolg im Kampf gegen den
internationalen Terrorismus, der in keiner Weise - auch
und gerade in Afghanistan nicht; die Vorhut des internationalen Terrorismus ist eben nicht besiegt - beendet ist,
hängt auch vom Zusammenhalt der internationalen Koalition gegen diesen Terrorismus ab.
({18})
Die Debatte, die in den letzten Tagen und Wochen geführt worden ist und der man auch in Deutschland nicht
ausweichen durfte und konnte, beinhaltet natürlich die
Gefahr, dass diese internationale Koalition, zu der auch
die moderaten arabischen Staaten gehören und gehören
müssen, zumindest - so sie nicht zerbricht - in Mitleidenschaft gezogen wird. Das gilt es in dieser ganzen Debatte zu beachten.
({19})
Hinzu kommt die Konsequenz der Entscheidungen, die
wir im Rahmen der internationalen Koalition getroffen
haben. Hinzu kommt also auch die Konsequenz der Entscheidung, in Afghanistan militärisch zu intervenieren.
Übrigens, das war eine Entscheidung, die, wenn ich daran
erinnern darf, hier im Hohen Hause unter Rückgriff auf
die Vertrauensfrage durchgesetzt worden ist. Von Ihnen
hat niemand dabei mitgemacht; Sie haben ja dagegen gestimmt.
({20})
Die Arbeit, die mit der Konsequenz aus dem 11. September verbunden ist, ist eben nicht zu Ende gebracht.
Denn zu dieser Konsequenz gehört, dass wir nicht nur militärisch intervenieren, um die Taliban zu bekämpfen, sondern auch, dass wir vor den Augen der Völker der Welt mit
dem wirklich weiterkommen,
({21})
was im Englischen „nation building“ heißt, also mit jener
Aufbauarbeit, auf die insbesondere die Völker der Dritten
Welt schauen und die es unmöglich macht, dass Ideologen
und Fundamentalisten diese Völker für ihre Zwecke einsetzen und damit missbrauchen.
({22})
Wenn wir über den Nahen Osten diskutieren, dann
müssen wir bedenken, dass es immer auch um regionale
Stabilität geht, um die Auswirkungen einer militärischen
Intervention in dieser so sensiblen und schwierigen Region. Für das, was nach einer denkbaren, möglichen, ins
Auge gefassten militärischen Intervention passiert, hat
bislang niemand ein in sich schlüssiges und nachvollziehbares Konzept auf den Tisch gelegt.
({23})
Deshalb sage ich: Meine Argumente gegen eine militärische Intervention bleiben bestehen.
({24})
Es bleibt ebenfalls klar: Unter meiner Führung wird sich
Deutschland an einer militärischen Intervention nicht beteiligen.
({25})
Wenn wir uns in dieser Frage, meinethalben aus unterschiedlichen Erwägungen, einig sind, dann ist es gut; aber
eines kann man nicht durchgehen lassen: hier den Eindruck zu erwecken, als sei man in dieser Konsequenz der
gleichen Meinung wie die Regierung, und im Übrigen
draußen etwas völlig anderes zu erzählen. Damit werden
Sie nicht durchkommen.
({26})
Das, was wir formuliert haben und was wir unseren
Partnern in dieser Frage und in anderen Fragen sagen, bedeutet: Bündnissolidarität auf der einen Seite, aber auch
Eigenverantwortung auf der anderen. Über die existenziellen Fragen der deutschen Nation wird in Berlin entschieden und nirgendwo anders.
({27})
Übrigens, um Solidarität und entsprechende Entscheidungen geht es auch bei einem anderen Thema, das Herr
Stoiber angesprochen hat. Ich meine das Thema „Wie
werden wir mit den Folgen der Flutkatastrophe fertig?“
Ich finde, dass die Alternativen, die es dazu gibt, auf dem
Tisch liegen, von den Menschen in Deutschland bewertet werden können und ganz sicher auch bewertet werden.
Wie sehen diese Alternativen aus? Wir haben gesagt:
Wir finanzieren die Folgen der Flutkatastrophe, indem wir
die Steuerentlastungen um ein Jahr verschieben. Keine
Frage, das betrifft viele Menschen. Es betrifft sie im Übrigen unterschiedlich; es betrifft die Menschen mit einem
geringeren Einkommen weniger als die mit einem größeren. Wie Sie alle wissen, hat das mit der Progression in unserem Steuerrecht zu tun.
({28})
Die andere Position, die der bayerische Kandidat hier eingenommen hat, heißt: Wir finanzieren das auf Pump. Das
Bundeskanzler Gerhard Schröder
sind die beiden Möglichkeiten, die hier erläutert worden
sind.
({29})
Ich halte unsere Position für die verantwortliche,
({30})
weil sie dazu führt, dass die Schäden, die die Flut geschlagen hat, in dieser Generation und von dieser Generation ausgeglichen werden und nicht auf die Schultern
unserer Kinder und Enkelkinder gelegt werden. Das ist
verantwortliche Politik.
({31})
Wir finanzieren das so, dass es keinerlei Auswirkungen
auf die notwendigen Investitionen, die wir mit dem Solidarpakt II zur Verfügung gestellt haben, gibt.
({32})
Diese Regierung hat, nach wirklich harten Kämpfen mit
einer Mehrheit im Bundesrat, zu der Sie, Herr Stoiber,
gehört haben, dafür gesorgt, dass der Aufbau Ost weiterhin solide finanziert werden kann, und zwar bis zum Jahr
2019. Das ist der Erfolg dieser Koalition und meiner Regierung.
({33})
Wir sorgen mit dem Finanzierungskonzept Fluthilfe
dafür, dass beides nicht gegeneinander ausgespielt wird,
sondern dass die zusätzlichen Schäden auch zusätzlich
bewältigt werden können. Das ist aktive Solidarität mit
den Menschen, die von der Flut betroffen sind.
({34})
Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr als gerecht,
dass wir auch der Kreditwirtschaft sagen: Euren Anteil
müsst ihr erbringen. - Das geht gar nicht anders. Es geht
doch nicht an, dass wir die erforderlichen Abschreibungen
und die Kosten für das, was realisiert werden muss, allein
den Menschen in Deutschland auf den Buckel legen. Es
gibt auch eine Solidaritätsverpflichtung derer, die in der
Kreditwirtschaft verantwortlich sind. Diese Verpflichtung
gilt es - natürlich entsprechend der Leistungsfähigkeit einzuklagen. Man sollte dies aber nicht ganz außen vor
lassen.
({35})
Herr Stoiber, Sie haben über die Notwendigkeit der
Haushaltskonsolidierung und über das, was wir im Bereich der Steuerpolitik gemacht haben, geredet. Sie haben
uns vorgeworfen, wir seien es gewesen, die die soziale
Balance in Deutschland nicht hergestellt hätten.
({36})
Welch ein Vorwurf, ausgerechnet von Ihnen!
Ich komme zu den Tatsachen: In den letzten Jahren, in
denen die CDU/CSU und die FDP regierten, lag die Steuerbelastung der Menschen mit geringstem Einkommen
bei über 26 Prozent.
({37})
Das heißt, diejenigen mit dem geringsten Einkommen
mussten im Verhältnis den größten Anteil an Steuern zahlen. Das war Ihre Position und Ihre Politik.
({38})
Nach unseren politischen Maßnahmen liegt die Steuerbelastung dieser Menschen jetzt bei unter 20 Prozent
({39})
und wird im Jahre 2005 auf 15 Prozent sinken. Das ist soziale Steuerpolitik. Das ist Hilfe für diejenigen mit den geringsten Einkommen.
({40})
Wir sind es gewesen, die ein Unternehmensteuerrecht gemacht haben, das den Unternehmen in Deutschland, und zwar den großen wie den kleinen, eine solide
Position im europäischen und internationalen Wettbewerb
verschafft hat. Wir sind es gewesen, nicht Sie!
({41})
Wir sind es gewesen, die dafür gesorgt haben, dass die
Kapitalgesellschaften einen Steuersatz von 25 Prozent zu
zahlen haben. Er ist definitiv abzuliefern, und zwar von der
ersten Mark an. Der wird für ein Jahr um 1,5 Prozentpunkte steigen. Ich habe vernommen, dass Sie dagegen
sind, die freiwillig angebotene Solidarleistung der Unternehmen anzunehmen. Ich weiß gar nicht, warum. Wir können nämlich das Geld für die Finanzierung der Beseitigung
der Schäden der Flutkatastrophe ganz gut gebrauchen.
({42})
Im Zusammenhang mit der Steuerpolitik komme ich
nun auf das zu sprechen, was Sie immer kritisieren. Sie sagen, wir hätten die Kapitalgesellschaften im Vergleich zu
den Personengesellschaften, die nach Einkommensteuerrecht besteuert werden, bevorzugt. Nichts davon ist richtig, meine Damen und Herren. Der Spitzensteuersatz beträgt zurzeit 48,5 Prozent, aber wir haben dafür gesorgt,
dass die in Deutschland im Durchschnitt zu zahlenden
13 Prozent an Gewerbeertragsteuer voll angerechnet werden können. Wir haben das gemacht, nicht etwa Sie.
({43})
Die Großen, die Körperschaften, müssen übrigens diese
durchschnittlich 13 Prozent voll drauflegen.
Dann, meine Damen und Herren, müssen Sie im Übrigen auch berücksichtigen - hier geht es ja um komplizierte Vorgänge -,
Bundeskanzler Gerhard Schröder
({44})
dass Kapitalgesellschaften nicht nur diese durchschnittlich 13 Prozent Gewerbeertragsteuer zusätzlich abführen
müssen, sondern definitiv besteuert werden, während
Personengesellschaften, weil für sie das Einkommensteuerrecht gilt, unter das Einkommensteuerrecht fallen.
({45})
Sie sollten nämlich wissen, dass im Einkommensteuerrecht Grenzbesteuerung gilt, also nicht schon von der ersten Mark an voll besteuert wird.
({46})
Angesichts dessen, meine Damen und Herren, fällt die
Behauptung, die Personengesellschaften in Deutschland
seien schlechter als die Kapitalgesellschaften gestellt,
({47})
vollständig in sich zusammen. Das wissen übrigens auch
die, um die es dabei geht.
({48})
Deswegen sage ich Ihnen: Mit dieser Art von oberflächlicher Behandlung ({49})
man könnte auch sagen: Verlogenheit ({50})
kommen Sie nicht weiter. Das spüren Sie ja auch langsam
am Stimmungsumschwung in der deutschen Bevölkerung.
Denn das, was wir gemacht haben, stabilisiert und stärkt
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen in
Europa und auf dem Weltmarkt. Zudem handelt es sich um
eine sozial ausgewogene Steuerpolitik. Sowohl auf der
Angebots- als auch auf der Nachfrageseite haben wir eine
vernünftige Steuerpolitik gemacht; die ist mit dem Namen
von Bundesfinanzminister Hans Eichel verbunden.
({51})
Nicht zuletzt Folge Ihrer Steuerpolitik ist es gewesen,
dass in Ihren letzten Amtsjahren von 1994 bis 1998 die
reale Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
ständig gestiegen ist,
({52})
ihre Einkommen in diesen vier Jahren um durchschnittlich 5 Prozent gesunken sind. Während unserer Regierungszeit ist dagegen das reale Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland um über
7 Prozent gestiegen. Das ist sozial verantwortliche Politik; damit müssen Sie sich einmal auseinander setzen,
meine Damen und Herren.
({53})
Schauen Sie: Die Zahlen machen doch allzu deutlich, dass
mehr und mehr gespürt wird, dass Sie nichts als heiße Luft
in diesen Fragen verbreiten, wir aber die Menschen in
Deutschland real besser gestellt haben.
({54})
Ich will gern zugeben, dass wir auf dem Arbeitsmarkt
die Ziele, die wir uns gesetzt hatten, nicht erreicht haben.
({55})
Wir hatten uns vorgenommen - das war eine Zielgröße -,
zum Ende der Legislaturperiode auf 3,5 Millionen Arbeitslose zu kommen. Wir haben diese Zielmarke nicht erreicht. Aber all diejenigen, die jetzt erzählen, das habe
nicht die Ursachen in dem, was wir seit dem 11. September 2001 erleben müssen, haben entweder keine Ahnung
oder sind böswillig.
({56})
Unabhängig von der Tatsache, dass wir die Ziele, an
denen wir festhalten, nicht erreicht haben, gilt gleichwohl
- der Finanzminister hat das gestern eindrucksvoll dargestellt -: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland
({57})
ist in der Zeit, in der wir regieren, um 1,1 Millionen gestiegen.
({58})
Der Kandidat hat die Arbeitslosenzahlen für August 2002 mit denen vom August 1998 verglichen. Auch
in diesem Bereich wird von Ihnen schlicht gemogelt. Wir
hatten im August 2002 77 000 Arbeitslose weniger als
1998. Sie hatten durch Ihre Wahlkampf-AB-Maßnahmen
im August 1998 für drei Monate vor der Wahl und drei
Monate nach der Wahl den Arbeitsämtern 300 000 Arbeitslose auf die Payroll gegeben. Das war die Art und
Weise, wie Sie die Arbeitslosenstatistik geschönt und verpfuscht haben. Das gilt es hier einmal deutlich zu machen.
({59})
Es ist wahr - ich habe überhaupt keinen Grund, das
nicht zuzugeben -: Wir haben das Ziel, das wir uns gesteckt haben, nicht erreicht. Aber wir sind deutlich unter
dem, was Sie erreicht haben. Von Leuten, die ihr Scheitern
Bundeskanzler Gerhard Schröder
auch auf dem Arbeitsmarkt bereits bewiesen haben, lassen wir uns ungern Vorschriften machen.
({60})
Übrigens halte ich das, was Sie in jüngster Zeit als angebliche Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt andeuten,
nämlich die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften entscheidend zu kürzen, für einen gefährlichen Irrweg. Mitbestimmung und
gute Betriebsräte, ausgestattet mit eigenen Rechten, auf
der einen Seite und auf der anderen Seite kreative Unternehmer, die auf gleicher Augenhöhe Arbeitsbedingungen
in Deutschland aushandeln, das hat unser Land stark und
nicht schwach gemacht. Das werden wir verteidigen.
({61})
Deshalb ist das, was Sie in diesem Sektor ankündigen,
nicht nur volkswirtschaftlich gefährlich, sondern es demotiviert auch die Menschen, von deren Arbeit unser aller
Wohlergehen in erster Linie abhängt.
({62})
Sie haben sich dann über die Vorschläge der HartzKommission - um dies sehr zurückhaltend zu sagen - negativ verbreitet. Ich halte das für falsch und ich prophezeie: Sie werden das, was dort vorgeschlagen worden ist,
aus der Opposition heraus noch einmal mit Deutlichkeit
unterstützen. Denn da geht es wirklich um das Prinzip,
dass Menschen, die ihre Qualifikationen verloren haben,
weil sie arbeitslos geworden sind, sie wiederbekommen,
dass sie gefördert, aber auch gefordert werden. Fordern
heißt, das ihnen und ihren Familien jeweils Mögliche
muss getan werden. Aber danach haben sie Anspruch auf
die solidarische Hilfe der Gesellschaft. Für die handelt der
Staat. Das darf nicht in Vergessenheit geraten.
({63})
Früher haben Sie gerne über Familienpolitik geredet
- jedenfalls Sie von der CDU/CSU -, aber in Ihrer Regierungszeit - das wird nicht in Vergessenheit geraten - haben Sie nichts dafür getan.
({64})
- Ja, ich muss Sie daran erinnern. - Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Entscheidungen festgestellt, dass
Ihre Familienpolitik schlicht verfassungswidrig gewesen
ist. Das war Ihre Politik.
({65})
So ist es gewesen; dem kann man nicht widersprechen.
Wir hatten 13 Milliarden Euro allein in dieser Legislaturperiode zu investieren, um Ihre verfassungswidrige Familienpolitik auf einen Stand zu bringen, der unserer Verfassung entspricht. Das war die zentrale Aufgabe, die wir
zu machen hatten. Wir haben sie gemacht und 13 Milliarden Euro mobilisiert.
({66})
Wir haben heute mit etwa 56 Milliarden Euro die größten Ausgaben in diesem Bereich. Das ist die Leistung der
rot-grünen Koalition. Wir haben deutlich gemacht, wie
wichtig es uns war, etwas für Familien mit Kindern zu tun,
indem wir dreimal das Kindergeld erhöht haben.
({67})
In der nächsten Legislaturperiode wird es ein großes
Projekt geben - wir haben es uns fest vorgenommen -, das
Vorrang vor allen anderen hat. Um unser Bildungssystem
auf ein qualitativ höherwertiges Niveau zu bringen und
um Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern zu
realisieren, müssen wir in diesem Land mehr, als das in
der Vergangenheit der Fall war, in Ganztagsbetreuung
investieren. Wir werden das tun.
({68})
Wir werden den Ländern jährlich 1 Milliarde Euro zur
Verfügung stellen - das ist im Haushalt gerechnet; das ist
keine utopische 20-Milliarden-Forderung, die Sie in die
Welt setzen -,
({69})
damit in den Schulen eine Ganztagsbetreuung realisiert
werden kann. Das ist gut für die Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen, die diese Betreuung brauchen, wenn
sie gleiche Chancen haben sollen.
({70})
Ganztagsbetreuung ist vor allen Dingen wichtig, um
Frauen zu ermöglichen, Familie und Beruf besser als je
zuvor unter einen Hut zu bekommen. Wir wollen dafür
sorgen, dass Frauen in Deutschland leben können, wie sie
wollen, und nicht gesagt bekommen, wie sie leben sollen.
Das werden wir durchsetzen.
({71})
Ganztagsbetreuung ist im Haushalt berücksichtigt und
wird von dieser Koalition realisiert werden.
Lassen Sie mich auf das zurückkommen, was die Flut
uns auch lehrt. Neben der Notwendigkeit, in dieser Generation die Schäden, die sie geschlagen hat, auszugleichen,
lehrt sie vor allen Dingen, künftige Schäden zu verhindern. Da setzt Politik an - auch und gerade Energiepolitik -, wie wir sie in der rot-grünen Koalition gemacht
haben.
({72})
Das, was wir in den letzten Jahren geleistet haben, setzt
an dieser Stelle an. Ich nenne die Förderung erneuerbarer
Energieträger, die sehr wichtig sind, wenn man des Klimaproblems wirklich Herr werden will und wenn man mit
der Verantwortung der reichen Industriestaaten gegenüber
den ärmeren Staaten, insbesondere den Staaten der DritBundeskanzler Gerhard Schröder
ten Welt, Ernst macht. Wir haben die Verpflichtung, umweltschonende Technologien zu entwickeln und einzusetzen. Die ärmeren Länder haben nicht die notwendigen
Ressourcen, um das zu tun. Wenn wir es geschafft haben,
müssen wir diese Technologien transferieren, damit die
anderen Länder es ebenfalls tun können.
({73})
Wir sind allen anderen Ländern, auch in Europa, in den
letzten vier Jahren weit voraus gewesen, was den Einsatz dieser Technologien und dieser Möglichkeiten angeht.
({74})
Ich habe mitbekommen, dass Sie sich anschicken, das
rückgängig zu machen, was wir erfolgreich zur Überwindung der Atomenergie in Deutschland mit allen Beteiligten verhandelt haben.
({75})
Ich halte das für den falschen Weg. Am 22. September
wird auch darüber entschieden werden, ob es einen vernünftigen Weg in der Energiepolitik oder einen Rückfall
in alte Zeiten gibt.
({76})
Zu den 16 energiepolitischen Gesetzen hat die rechte
Seite des Hauses vierzehnmal Nein gesagt. Sie haben
vierzehnmal Nein dazu gesagt, Umweltgesichtspunkte
mit ökonomischen Gesichtspunkten zusammenzubringen. Das ist aber das Gebot der Zukunft. Es wird nämlich
keine erfolgreiche Wirtschaft geben, wenn die natürlichen
Lebensgrundlagen zerstört sind.
({77})
Ich will vier Punkte nennen, die deutlich machen, dass
dieser Haushalt, über den wir heute diskutieren, einen
richtigen Weg beschreibt, den wir miteinander weitergehen müssen.
Erstens. Ich glaube, es ist wirklich wichtig und macht
Deutschlands Erfolg aus, dass wir es nach dem Zweiten
Weltkrieg verstanden haben, ein System zwischen Kapital und Arbeit aufzubauen, das tatsächlich in Balance ist.
Kreative, mutige Unternehmer auf der einen Seite, selbstbewusste, mit eigenen Rechten ausgestattete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der anderen Seite, die auf
gleicher Augenhöhe Arbeitsbedingungen aushandeln das ist der Inhalt des Erfolgsmodells Deutschland. Das
verteidigen und entwickeln wir.
({78})
Zweitens. Die vor allem von dieser Koalition eingeleitete Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie in der
Praxis, die zum Beispiel in der Energiepolitik
({79})
und in der Frage des Pfandes deutlich wird, zu der Sie sich
immer schwerpunktmäßig verbreiten.
({80})
Diese Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie ist Fortschritt in und für Deutschland. Das darf nicht preisgegeben werden. Auch darum geht es am 22. September.
({81})
Drittens. In der Bildungspolitik müssen wir auf Qualität achten,
({82})
aber all denen misstrauen, die uns sagen wollen: „Die
größte Qualität erhaltet ihr dann, wenn ihr das Bildungssystem für die Kinder aus den sozial schwächeren Familien dicht macht.“
({83})
Denen sage ich: Mit mir nicht! Das mag Ihr Weg sein. Mit
mir indessen nicht!
({84})
Wir wollen ein qualitativ hochwertiges Bildungssystem und werden es durchsetzen, ein Bildungssystem, das
allen Begabungen in Deutschland eine Chance gibt und
das durch massive Investitionen in Ganztagsbetreuung
dafür sorgt, dass über Chancengleichheit zwischen
Frauen und Männern in Deutschland nicht nur geredet
wird, sondern dass sie gesellschaftliche Wirklichkeit
wird. Das ist unser Anliegen.
({85})
Viertens. In der internationalen Politik kennen und erfüllen wir unsere Bündnisverpflichtungen ohne Wenn und
Aber.
({86})
Das haben wir in den vier Jahren, in denen wir regiert haben, bewiesen: im Kosovo, in Mazedonien, aber auch bei
„Enduring Freedom“. Dass es nicht für alle - auch für
mich nicht - leicht gewesen ist, diese Entscheidungen zu
treffen, ehrt diejenigen, die entschieden haben, weil sie
solche Entscheidungen nicht leichtfertig treffen. Aber wir
haben entschieden und das hat Deutschlands Ansehen in
der Welt gemehrt.
({87})
Diese internationale Politik der Bündnisfähigkeit und
-bereitschaft, eine internationale Politik des Selbstbewusstseins ohne Überheblichkeit, habe ich in den letzten vier Jahren mit Außenminister Fischer entworfen und
durchgesetzt. Wir werden sie auch gemeinsam weiter
durchsetzen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({88})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Guido Westerwelle, FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es ist sehr bemerkenswert, wie der Bundeskanzler auf die
Rede des bayerischen Ministerpräsidenten geantwortet
hat. Es ist bemerkenswert, mit welcher persönlichen
Schärfe er das getan hat. Einem Herausforderer, einem
bayerischen Ministerpräsidenten, einem Kollegen in diesem Haus überhaupt die Fähigkeiten und die geistige
Qualität abzusprechen ist ein Niveau, das wir in dieser
Debatte nicht fortsetzen sollten.
({0})
Wir haben Ihre Ausführungen zur Außenpolitik
gehört, und es ist richtig und notwendig, dass an einem
solchen Tag in einer solchen Debatte auch ausführlich
über die Frage der Außenpolitik und den Weg der Außenpolitik gesprochen wird. Sie haben sich selbst - wen wundert das? - ein gutes Zeugnis ausgestellt. Ich möchte deswegen gern die Kommentare einiger Zeitungen von
gestern und heute anführen.
Die „Zeit“, die Ihnen ansonsten in vielen Fragen sehr
nahe steht, sagt:
Kein anderes Land von Belang hat wuchtiger gegen
Amerika ausgeteilt wie dieses. ... Was Wunder, dass
Bagdad nun die Deutschen ganz freundlich anlächelt - und Berlin die Umarmung verlegen abwehren muss.
Sie fügt hinzu:
Wahlkampf ersetzt eben keine Außenpolitik. Außenpolitik hat mit Einfluss, nicht mit Agitation zu tun.
({1})
Die „Frankfurter Allgemeine“ vom heutigen Tag soll
ebenfalls zitiert sein. Dort heißt es:
Die Regierungen in London und Paris arbeiten jetzt
daran, Amerika für die Vereinten Nationen und die
Vereinten Nationen für Amerika zu gewinnen. Die
Regierung in Berlin dagegen arbeitet daran, im Amt
zu bleiben.
({2})
Es war bemerkenswert, mit welcher Häme und mit
welch höhnischem Gelächter nicht nur auf der Regierungsbank, sondern auch auf der Seite der Regierungsparteien reagiert worden ist. Dazu, dass mit einem solch
höhnischen Gelächter auf der Regierungsbank und bei
Rot und Grün auf die Mitteilung eines Ministerpräsidenten eines Bundeslandes, er habe mit dem französischen
Staatspräsidenten und dem Generalsekretär der Vereinten
Nationen Gespräche geführt, reagiert wird, sage ich Ihnen, Herr Bundeskanzler: Es wäre Ihre Aufgabe gewesen,
diese Telefonate zu führen.
({3})
Sie haben mittlerweile selbst aus Ihren eigenen Reihen,
und zwar nicht nur von Herrn Klose, sondern auch von
Herrn Lippelt - er sitzt dort und folgt verschmitzt der Debatte -, etwas zu hören bekommen. Die Deutsche Presseagentur zitiert heute ein Interview mit ihm aus einer Tageszeitung:
Erst war er zu weit rechts, jetzt ist er zu weit links.
Der Kanzler wird in Schwierigkeiten geraten, wenn
der UN-Sicherheitsrat eine Resolution beschließt.
Niemand in diesem Haus ist doch der Meinung, dass
ein Alleingang der Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Irak, noch dazu ohne Mandat der Vereinten Nationen, sinnvoll oder zulässig ist oder deutsche Unterstützung erhält. Das ist doch nicht allen Ernstes das Problem
dieser Debatte. Das Problem ist, dass Sie bis jetzt noch
nicht ein einziges Mal mit dem amerikanischen Präsidenten über Ihre Position gesprochen haben. Zur Festigkeit in
der Außenpolitik zählt auch die Fähigkeit, diese feste
Meinung im persönlichen Gespräch zu übermitteln.
({4})
Sie haben Ihre außenpolitische Haltung auf Wahlkampfkundgebungen entdeckt und gefunden. Das ist das
Problem. In der Tat wäre eine Intervention der Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Irak ohne Mandat der
Vereinten Nationen im Alleingang gegen europäische Interessen gerichtet. Es wäre mit Sicherheit auch eine Destabilisierung der Region und zugleich gegen das Völkerrecht.
Es ist an Ihnen, an der Regierung unseres Landes, dafür
zu sorgen, dass eine als richtig erkannte Position zunächst
einmal mit den europäischen Partnern besprochen wird,
dass man sich dort bemüht, eine gemeinsame Haltung zu
finden, und man anschließend die Kraft hat, diese feste
Position auch vor Ort zu erläutern.
Wir haben Sie bereits Anfang März in der Runde im
Kanzleramt aufgefordert, das persönliche Gespräch zu
suchen, weil es vorhersehbar war,
({5})
wie sich diese Gedankenwelt diesseits und jenseits des Atlantiks auseinander entwickelt. Es ist an Ihnen, diesen Zustand der Sprachlosigkeit zu überwinden, aber nicht irgendwann nach der Wahl, sondern sofort. Es können
Zeiten kommen, da werden vielleicht auch wir Deutsche
wieder auf Verbündete angewiesen sein. Dann wollen wir
auch nicht, dass so mit uns umgegangen wird.
({6})
Sie haben hier mit einer wirklichen Grundachse der
deutschen Außenpolitik gebrochen, nämlich dass es in der
Diplomatie, dass es in der Außenpolitik keinen Zustand
der Sprachlosigkeit zwischen Regierungschefs geben
darf. Dass Sie in dieser Woche mitteilen mussten, und
zwar auf eine Nachfrage von Journalisten auf einer PresBundeskanzler Gerhard Schröder
sekonferenz, Sie hätten noch nicht einmal ein Telefonat
mit dem amerikanischen Präsidenten geführt,
({7})
ist in meinen Augen etwas, was hier in keiner Weise mit
irgendwelchen lässigen Bemerkungen beiseite gewischt
werden kann.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Ein Herr
Scheel, ein Herr Genscher, ein Klaus Kinkel oder auch ein
Willy Brandt, ein Adenauer und auch ein Helmut Kohl hat
manche harte Auseinandersetzung mit den Vereinigten
Staaten von Amerika in der Sache gehabt. Ich erinnere
beispielsweise an die Frage der Stationierung der atomaren Kurzstreckenwaffen hier in Deutschland. Diese aber
hatten die Kraft und den Mut, das, was richtig ist, den Verbündeten nicht nur via Wahlkampfkundgebung mitzuteilen, sondern vor Ort zu sein. Sie hätten dort hingemusst,
Herr Bundeskanzler. Dass Sie nicht dorthin fliegen, zeugt
in Wahrheit von einer Feigheit in der Außenpolitik, die
nicht vernünftig ist.
({8})
Aber dies ist nicht der einzige Vorgang, der uns mit
Blick auf die Tradition der Nachkriegszeit überraschen
muss. Wir dürfen in diesen Tagen erleben, wie ein Verteidigungsminister zusammen mit etwas mehr als 40 Soldaten eine Initiative mit dem Titel „Soldaten für Schröder“
vorstellt. Zum allerersten Mal in der Geschichte unserer
Republik versucht eine Regierungspartei, die Bundeswehr für den eigenen Wahlkampf zu nutzen. Wir haben
eine Armee des ganzen Volkes und nicht einer Regierungspartei. Wir haben eine Parlamentsarmee und keine
Armee, die vor Ihren Wahlkampfkarren gehört, meine
sehr geehrten Damen und Herren.
({9})
Kein Wort dazu von Ihnen. Wir als Parteien bekommen
die Erlasse aus dem Verteidigungsministerium zugestellt,
man solle die Bundeswehr und die Soldaten aus dem
Wahlkampf herauslassen, man dürfe keine Truppenbesuche mehr vor der Wahl machen.
({10})
Wie selbstverständlich halten wir uns alle daran, aber der
Verteidigungsminister geht hin und vertritt mit einem solchen Aufruf eine Position, die dem Ansehen der Bundeswehr schadet. Die Bundeswehr hat nicht in den Wahlkampf hineingezogen zu werden, ganz gleich ob man
regiert oder ob man in der Opposition ist.
({11})
Sie haben nicht das Recht, die Bundeswehr für Ihren
Wahlkampf zu instrumentalisieren.
({12})
- Ich grüße den Abgeordneten Schröder.
({13})
Er sitzt jetzt neben seinem Generalsekretär und bespricht
wahrscheinlich mit ihm, wie er den Aufruf zurückziehen
kann. Das ist schon eine bemerkenswerte Art und Weise
des Umgangs mit diesem Parlament. Wir haben hier eben
die Rede des deutschen Bundeskanzlers gehört, es kommt
in dieser Debatte ein Sperrfeuer an Zwischenrufen von
der Regierungsbank und dann nimmt der deutsche Bundeskanzler, um dessen Haushalt es hier geht, irgendwo in
den hinteren Reihen Platz, um seinen Wahlkampf zu besprechen, anstatt seiner Verantwortung hier vor diesem
Parlament gerecht zu werden.
({14})
Hier ist mittlerweile ein Stil eingekehrt, der wirklich bemerkenswert ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben auf
die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes hingewiesen. Es ist richtig, dass Sie das getan haben. Es ist, wie
ich denke, aber auch wichtig festzuhalten, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland eben nicht das
Ergebnis der weltwirtschaftlichen Ereignisse, der internationalen Entwicklung oder des schrecklichen Terroranschlags des 11. Septembers ist. Wie wir wissen, weisen
sämtliche Länder in Europa - das sagen alle Statistiken in
Europa - ein besseres Wirtschaftswachstum auf als wir
in Deutschland. Das deutsche Wirtschaftswachstum liegt
zurzeit bei etwa 0,6 Prozent, das Wirtschaftswachstum in
Österreich bei über 1 Prozent, das in Frankreich bei 2 Prozent und das in Großbritannien bei etwa 2,3 Prozent.
Sie können sich nicht mit der internationalen, mit der
weltwirtschaftlichen Entwicklung herausreden. Die Situation hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass
wir in den letzten Jahren - aber nicht nur in den letzten
vier Jahren; das soll ausdrücklich erwähnt sein - in
Deutschland eine Politik erlebt haben, die auf jedes
neue Problem mit einem Paragraphen, einer Subvention
oder einer neuen Steuer reagiert hat. Deswegen haben
wir mittlerweile eine Staatsquote, die in Europa mit an
der Spitze liegt, nämlich eine Staatsquote von 48,5 Prozent. Das heißt, jeder zweite Euro, der zurzeit in
Deutschland ausgegeben wird, geht durch die Hände
des Staates. Es ist das eigentliche Problem der deutschen Volkswirtschaft, dass sie zu viel bürokratische
Staatswirtschaft und zu wenig soziale Marktwirtschaft
aufweist.
({15})
Das muss in Deutschland geändert werden. Der Staatsanteil in unserer Wirtschaft ist zu groß. Er muss auf die
Kernaufgaben zurückgeführt werden.
({16})
- Wir erleben heute einen Kanzler auf Wanderung. Wenn
Sie möchten, können Sie gerne auch einmal bei uns Platz
nehmen. Herr Gerhardt macht Ihnen für einen Augenblick
gerne seinen Stuhl frei. Setzen Sie sich ruhig, Herr Bundeskanzler. Dann können Sie sehen, wie das bei uns so ist.
Genießen Sie die Zeit, in der Sie noch so herumstolzieren
können.
({17})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte
auf den Kern dieser Debatte zurückkommen, und zwar auf
die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande. Wir
erleben, wie in dieser Zeit auf die nationale Herausforderung, beispielsweise die Solidarität mit den Opfern der
Flutkatastrophe, unterschiedlich reagiert wird. Ihre Reaktion ist eben nicht, die bürokratische Staatswirtschaft
zurückzudrängen; Sie erhöhen vielmehr weiter die Steuern. Das ist genau der falsche Weg. Es handelt sich nämlich faktisch um eine Steuererhöhung.
Wenn Sie die Entlastungen, die schon im Gesetzblatt
stehen, jetzt verschieben, dann ist das genau der falsche
Weg. Tausende von Handwerkern und mittelständischen
Betrieben haben darauf vertraut, dass auch sie endlich
zum 1. Januar nächsten Jahres die Entlastungen bekommen, die die Großen zum Teil schon erhalten haben.
Diese Betriebe, die auf der Kippe stehen, die sich bis jetzt
wirklich durchgeschleppt haben, hatten vielleicht noch
einmal Mut geschöpft, weil entsprechende Entlastungen
angekündigt wurden. Sie erhöhen damit, wie der Bund der
Steuerzahler zu Recht sagt, faktisch für die betroffenen
Mittelständler die Steuern.
Was nutzt es uns, wenn wir das Unglück des Hochwassers mit dem Unglück höherer Arbeitslosigkeit durch
Steuererhöhungen bekämpfen wollen? Es stehen Tausende von Betrieben des Mittelstands auf der Kippe. Der
Präsident des Handwerkes, ein besonnener Mann, sagte,
dadurch würden 200 000 Arbeitsplätze möglicherweise
wegfallen. Das ist in Wahrheit die entscheidende Frage
der deutschen Politik. Wir können nicht bei jeder Herausforderung die Steuern erhöhen. Wir müssen die Steuern
senken, damit den Menschen mehr in der Tasche bleibt
und sie damit in diesem Lande wirtschaften können.
({18})
Sie sagen: Wir können uns Steuersenkungen in Deutschland nicht leisten. Wir sagen: Wir können es uns in
Deutschland nicht leisten, auf Steuersenkungen zu verzichten. Sie sagen: Steuersenkungen sind gewissermaßen die
Dividende eines wirtschaftlichen Aufschwungs. Wir sagen Ihnen: Steuersenkungen sind die Voraussetzung für
den wirtschaftlichen Aufschwung.
({19})
Herr Bundeskanzler, wir haben gerade von Ihnen den
Satz gehört, wir hätten dieses und jenes doch in der alten
Legislaturperiode machen können. Das ist bemerkenswert. Die alte Regierung - das ist das Einzige, was ich zur
Vergangenheit sagen will - hat die Petersberger Beschlüsse, nämlich eine nachhaltige Steuersenkung und
Steuervereinfachung, auf den Weg gebracht.
({20})
Sie als Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler, und Sie
als Ministerpräsident, Herr Finanzminister, waren es, die
in trauter Allianz mit Herrn Lafontaine, von dem Sie
heute nichts mehr wissen wollen, eine Blockade im Bundesrat beschlossen haben. Deutschland wäre weiter,
wenn Sie damals nicht gegen nationale Interessen gehandelt hätten.
({21})
Wir als Freie Demokraten haben vorgerechnet, wie allein durch den Subventionsabbau, die Entbürokratisierung und die Privatisierungspolitik mehr als 28 Milliarden
Euro im Haushalt erwirtschaftet werden können. Das
wäre genug, um beispielsweise eine Steuersenkungsreform zwischenzufinanzieren. Es wäre genug, um Investitionen in Bildung zu ermöglichen. Es wäre zusammen mit
weiteren Maßnahmen auch genug, um den Sonderfonds
zur Beseitigung der Schäden durch die Hochwasserkatastrophe finanziell ordentlich auszustatten und unsere
Solidarität zum Ausdruck zu bringen.
({22})
Das alles wird aber nicht reichen.
({23})
In Wahrheit geht es darum, dass wir die Strukturen in
diesem Land verändern müssen. Davor stehen wir bei dieser Wahl. Es geht nicht darum, dass nur einzelne Köpfe
ausgetauscht werden. Es geht darum, dass dieses Land im
Herbst einen Politikwechsel bekommt, der den Staat auf
die Kernbereiche konzentriert und ihn dort herausnimmt,
wo er teuer, aber gefällig tätig ist, wo er in Wahrheit aber
nichts zu suchen hat und wo er regelmäßig kleinen Mittelständlern durch entsprechende staatliche Tätigkeiten,
die natürlich subventioniert und immer preiswerter als andere sind, Konkurrenz macht.
Es geht vor allen Dingen um die Frage, wie wir die
Strukturen in unserem Land verändern können. Auch
dazu haben Sie nicht einen einzigen Satz gesagt. Sie werfen uns vor, das sei Sozialabbau, und sprechen von Chancengleichheit. Es ist doch nicht so, als ob irgendjemand in
diesem Hause - das ist ein Popanz - gegen Chancengleichheit sei.
({24})
Wir sind für Chancengleichheit am Start und gegen Ergebnisgleichheit am Ziel. Wir sagen: Leistung muss sich
lohnen; wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der
nicht arbeitet, weil wir sonst keinen Schwung in unsere
Wirtschaft bekommen und keine Dynamik in unserer Gesellschaft haben.
({25})
Sie führen jetzt kurz vor Schluss die Hartz-Vorschläge
in die Debatte ein. Aus Hartz hätte in der Tat einmal ein
Bernstein werden können, und zwar im Sommer. Aber
dann hätten Sie nicht als Gewerkschaftsfunktionär und als
Vertreter der Regierung intervenieren und in Wahrheit all
die zunächst angedachten und notwendigen strukturellen
Veränderungen weichspülen dürfen.
Ein Mann aus Ihren Reihen, der sicherlich über die Parteigrenzen hinweg in diesem Hause hohe Achtung genießt, ist der Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Er
schreibt Ende August in der „Zeit“:
Ähnlich wie in Frankreich, Italien, Spanien et cetera
ist die deutsche Arbeitslosigkeit im Wesentlichen
selbst gemacht. Die holländischen und die dänischen
Nachbarn haben gezeigt, wie man - bei vergleichbarer Wirtschaftsstruktur, bei gleicher Zinspolitik und
bei vergleichbarer Abhängigkeit von der Weltwirtschaft - durch nationale politische und gesetzgeberische Anstrengung mit Massenarbeitslosigkeit fertig
werden kann.
Das schreibt der Sozialdemokrat Helmut Schmidt. Er fügt
noch etwas hinzu:
Dazu muss im Tarifvertragsgesetz die Verordnung
der „Allgemeinverbindlichkeit“ gestrichen und im
Betriebsverfassungsgesetz müssen jene Paragraphen
abgeschafft werden, die es den Geschäftsleitungen
und den Betriebsräten verbieten, Betriebsvereinbarungen über Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen
abzuschließen.
Wir werden nach der Wahl Helmut Schmidt beim Wort
nehmen und genau dies durchsetzen, weil wir eine maßgeschneiderte Tarifpolitik brauchen und keine Tarifpolitik, die nur einigen wenigen Funktionären nutzt, aber keinem einzigen Arbeitnehmer in Deutschland.
({26})
Wir sind der Meinung, dass wir diese Strukturen verändern müssen. Dazu zählt natürlich auch, dass das Gesetz gegen die Scheinselbstständigkeit wieder abgeschafft
werden muss. Es war in Wahrheit nichts anderes als ein
Schikanegesetz gegen Existenzgründer.
({27})
Dazu zählt auch, dass wir die Schwarzarbeit bekämpfen müssen, indem wir Niedriglohnjobs nicht nur im so
genannten haushaltsnahen Bereich zulassen, wie es derzeit - das ist immerhin anerkennenswert - von der HartzKommission vorgeschlagen wird, sondern indem
630-Euro-Jobs nach dem Vorbild der bisherigen 630-DMBeschäftigungsverhältnisse eingeführt werden.
({28})
Das ist mit Sicherheit eine Maßnahme, mit der auf einen Schlag aus der Schwarzarbeit heraus Hunderttausende von Arbeitsplätzen entstehen können.
Ich erinnere mich noch daran, dass Sie als Sozialdemokraten diese Vorschläge immer wieder als Dienstmädchenprivileg beschimpft haben. Was ist das eigentlich für ein Gesellschaftsverständnis? Dieses Verständnis
von Knecht und Dienstmädchen entspricht nicht der Arbeitswelt der Gegenwart. In der Informationsgesellschaft
unserer Zeit gibt es keinen Grund, diejenigen, die Dienstleistungen erbringen, mit schäbigen Worten zu diskriminieren.
({29})
Sie stellen das Rückgrat der Entwicklung unserer Volkswirtschaft dar.
Sie haben auch über die Bildung gesprochen. Wir
freuen uns, dass Sie dieses Thema - wenn auch sehr oberflächlich - doch wenigstens in die Debatte eingeführt haben. Es ist aber auch notwendig, dass wir sowohl über die
Inhalte als auch über die Strukturen und die Finanzierung
reden. Sie trauen sich eben nicht, zum Beispiel an die
Steinkohlesubventionen heranzugehen. Das wäre aber
dringend notwendig. Stattdessen erheben Sie eine Ökosteuer, die aber mit Umweltschutz nichts zu tun hat.
Wir wollen den Umweltschutz verbessern, aber durch
Marktwirtschaft und neue Technologien. Er wird sich
nicht gegen neue Technologien und neue marktwirtschaftliche Prozesse verbessern lassen. Es ist ein Fehler,
mit der Ökosteuer beispielsweise den öffentlichen Personennahverkehr zu verteuern, aber den fossilen Rohstoff
Steinkohle weiter zu subventionieren und ihn sogar von
der Ökosteuer auszunehmen. Das ist kein Umweltschutz
oder Klimaschutz, sondern Irrsinn.
({30})
Deswegen wollen wir, dass diese Subventionen endlich
gestrichen werden. Wenn allein die Steinkohlesubventionen gestrichen würden - die sowieso von gestern sind
- dann wären wir in der Lage, zum Beispiel für jedes
Grundschulkind in Deutschland 900 Euro mehr aufzubringen.
({31})
Wir könnten für jeden Kindergartenplatz in Deutschland
1 000 Euro einsetzen.
Die Steinkohlesubventionen bedeuten vor allen Dingen
gegenüber denjenigen eine Versündigung, die im Steinkohlebergbau beschäftigt sind. Sie sind im Durchschnitt
33 Jahre alt. Man darf diesen jungen Menschen nicht noch
viele Jahre vormachen, das ginge bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag so weiter, sondern man muss jetzt, solange diese
Menschen noch jung genug sind, für sie eine andere Beschäftigung zu finden, die Umstrukturierung angehen. Das
trifft erst recht deshalb zu, weil es im Ruhrgebiet einen
Fachkräftemangel im Handwerk gibt.
Diesen Mut müssen die Politiker haben. Denn Politik
ist nicht nur der Resonanzboden von Stimmungen, sondern Politik heißt auch geistige Meinungsführerschaft
und bedeutet, in einem Wahlkampf auch unbequeme
Wahrheiten vorzutragen. Alles andere ist von gestern,
meine sehr geehrten Damen und Herren.
({32})
Deswegen müssen wir über die Strukturen reden. Es ist
richtig, dass wir an die Strukturen herangehen wollen, beispielsweise auch hinsichtlich der Fragen, was der Bund
darf und was der Bund machen muss.
Herr Ministerpräsident Stoiber, ich meine, dass es in jedem Fall - und zwar über die Parteigrenzen hinweg - in
der nächsten Legislaturperiode zu einer bereits überfälligen Diskussion kommen wird, wie das auch zwischen den
Ländern unterschiedliche Niveau in den Schulen ausgeglichen werden und wie einmal im Jahr ein Bundesbildungsbericht vorgelegt werden kann, der mit einheitlichen und nachvollziehbaren Qualitätsmaßstäben dafür
sorgt, dass die Schulen und Bildungseinrichtungen insgesamt in Deutschland besser werden.
Es ist kein vernünftiger Trost, wenn Bayern feststellt:
Bei uns ist alles bestens, denn wir sind besser als Bremen.
Das ist zu wenig. Denn wenn nach der PISA-Studie selbst
die besten Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, was den Zustand der Schulen angeht, auf internationaler Ebene nur Mittelmaß - sogar schlechtes Mittelmaß sind, dann entspricht das nicht einer hinreichend ehrgeizigen Bildungspolitik. Deswegen ist es richtig, wenn in diesem Haus nach der Wahl - hoffentlich - über das öffentlich diskutiert werden wird, was bereits vor der Wahl
unter der Hand und über alle Parteigrenzen hinweg besprochen worden ist.
Es ist notwendig, dass wir eine Strukturreform in der
Bildungspolitik durchführen; denn es ist nicht sinnvoll,
dass es eine Kultusministerkonferenz gibt, auf der sich die
Länderminister aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips gegenseitig lähmen, die zehn Jahre lang an einer Rechtschreibreform arbeitet und die nicht in der Lage ist, zum
Beispiel für vernünftige qualitative Standards an den
Schulen zu sorgen. In Wahrheit müsste in diesem Wahlkampf über neue Strukturen in der Bildungspolitik gesprochen werden. Hoffentlich geschieht dies wenigstens
nach dem Wahlkampf; denn Bildung ist der eigentliche
Rohstoff der Deutschen und die Zukunftsfrage in diesem
Lande.
({33})
In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage der Inhalte und der Werte. Dass wir bei der momentanen Diskussion über die Bildungspolitik - leider - überhaupt
nicht über Inhalte und Werte reden, ist in meinen Augen
eine große Gefahr.
({34})
Denn Bildung - wir reden natürlich nicht nur darüber darf niemals vom Geldbeutel der Eltern abhängig werden.
Das ist richtig. Übrigens, die jetzigen Zustände machen
Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängig.
({35})
Wer es sich leisten kann, der sorgt bereits heute dafür, dass
das eigene Kind Nachhilfe erhält, um den Unterrichtsausfall auszugleichen. Die Kinder, die aus kinderreichen Familien und aus ärmeren Verhältnissen kommen - hier
müssen genauso Talente gefördert werden -, müssen mit
einem maroden Schulsystem zurechtkommen, das sich international immer mehr verabschiedet.
({36})
Deswegen muss weit mehr über Inhalte und Werte gesprochen werden.
Folgendes sage ich auch an die Adresse gewisser
Leute, die auf der Regierungsbank sitzen: Leistungsbereitschaft, Disziplin, Respekt und Herzensbildung sind
nicht irgendwelche altmodischen Sekundärtugenden, sondern Primärtugenden, die eine Gesellschaft zusammenhalten. Diese Tugenden sind nichts Verstaubtes. Sie
gehören vielmehr in unsere Zeit.
({37})
Herr Bundeskanzler, Sie weisen - zu Recht - regelmäßig auf Ihren eigenen Bildungsweg hin. Dieser verlangt jedem durchaus Respekt ab. Das soll ausdrücklich
gesagt werden.
({38})
Mein Bildungsweg begann auf der Realschule. Deswegen
kann ich über das Folgende relativ unbefangen reden.
Nach meiner Meinung ist es nicht vernünftig, dass wir in
Deutschland auf die PISA-Studie mit folgenden Maßnahmen reagieren: Aus Niedersachsen kommt der Vorschlag,
das Sitzenbleiben abzuschaffen. Von den Grünen kommt
regelmäßig der Vorschlag, das System der Notengebung
abzuschaffen und die Zeugnisse durch Lernentwicklungsberichte zu ersetzen. Ich glaube, wir müssen einen ganz
anderen Weg beschreiten. Wir müssen doch erkennen:
Wer jungen Menschen das Erzielen guter Noten in gefälliger Weise leicht macht, der macht ihnen das gesamte
spätere Leben schwer. Wer fördern will, der muss auch
fordern, und zwar maßvoll. Das muss zum Inhalt der Bildungspolitik gehören.
({39})
In diesen Zusammenhang gehört noch ein anderer
Punkt, den ich ebenfalls ansprechen möchte, weil ich
glaube, dass es gut wäre, wenn wir uns in der jetzigen Debatte nicht nur das vorhalten, was in den letzten Jahren alles schief gelaufen ist, sondern auch über die Zukunftsfragen reden. Ich persönlich glaube, dass es in diesem
Hause keine einzige Fraktion gibt, die im Stadium der Unschuld ist. Es geht aber darum, wer aus seinen Irrtümern
gelernt und sich neu aufgestellt hat.
In den ersten vier Klassen der Schulen in vielen großen
Städten, gerade auch in Berlin, können manchmal 50 bis
70 Prozent der Kinder nicht mehr genügend Deutsch. Das
ist schlimm für das einzelne Kind, weil es beim Lernen
nicht vorankommt und deswegen frustriert wird. Das ist
aber auch schlimm für die ganze Klasse, weil sie keine
Lernfortschritte machen kann. Deswegen werden wir das
Zuwanderungsgesetz - zwingend und nicht etwa nebenbei - wie folgt ändern: Wer nach Deutschland zuwandert
und hier bleiben möchte, der muss bereit sein, sich zu integrieren und die deutsche Sprache zu erlernen. Das darf
man sagen, ohne in eine rechtsradikale Ecke geschoben zu
werden.
({40})
In der heutigen Debatte haben wir uns natürlich mit den
Themen auseinander gesetzt, die im Wahlkampf eine
große Rolle spielen. Aber ich hoffe, dass wir uns nach der
Bundestagswahl - gleich wer dann die RegierungsverantDr. Guido Westerwelle
wortung übernehmen wird; in dieser Beziehung hat jedes
Mitglied dieses Hauses einen eigenen Wunsch - an die
von mir skizzierten nationalen strukturellen Herausforderungen herantrauen und sie meistern werden. Der Politikwechsel ist es, den wir in Wahrheit in Deutschland in
diesem Herbst brauchen. Dieser Politikwechsel steht am
22. September zur Wahl. Für diesen Politikwechsel wollen wir eintreten.
Vielen Dank.
({41})
Ich erteile dem Bundesminister Joseph Fischer das Wort.
Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen
({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn dieser Debatte auf die aktuellen Entwicklungen mit Bezug auf den Irak eingehen.
Wenn wir hier darüber reden, dann, Herr Westerwelle, reden wir nicht darüber, wer mit wem telefoniert oder wer
wen besucht, sondern über die ganz entscheidende Frage
unserer Sicherheit im beginnenden 21. Jahrhundert.
({1})
Ich sage dies bewusst zwei Tage nach dem Jahrestag des
11. September. Wir alle miteinander werden zu kurz greifen, wenn wir uns hier ins Verfahren flüchten - an die erste
Stelle die Frage des Telefonats, an die zweite Stelle die
Bündnissolidarität stellen -, ohne uns vorher Klarheit
über das zu verschaffen, was tatsächlich vor sich geht, um
dann unsere Position zu bestimmen.
({2})
Der 11. September, als jener furchtbare Terrorangriff
auf die Menschen und auf die Regierung der Vereinigten
Staaten, unseren wichtigsten Bündnispartner außerhalb
Europas, stattgefunden hat, hat die Welt verändert. An
diesem Tag wurde zugleich sichtbar, dass eine neue große
Gefahr für den Weltfrieden aufgetaucht ist, nicht mehr
eine staatliche, gleichwohl aber eine totalitäre Gefahr, die
sich so genannter asymmetrischer Mittel, das heißt terroristischer, nicht staatlicher Mittel, bedient. Es gab Zerstörungen, eine Angriffsintensität und Verluste an unbeteiligten und unschuldigen Menschen, die früher nur
Ausdruck staatlicher Konfrontation, eines Krieges zweier
Staaten waren.
Dabei hat sich etwas verdichtet. Da ist ein Blick auf
Afghanistan von entscheidender Bedeutung, wo aus dem
Verschwinden der Ordnung des Kalten Krieges anders als
in Europa nicht ein Mehr an Stabilität entstanden, sondern
ein Ordnungsverlust eingetreten ist. Dieser Ordnungsverlust war nicht nur der Nährboden für furchtbares Leid der
betroffenen Zivilbevölkerung, sondern zugleich der Nährboden für einen, der sich zu einem internationalen Terrorismus und zur Gefahr für den Weltfrieden Terrorismus
entwickelt hat.
Wir haben es mit der Krise einer großen Region zwischen Atlantik und Indus, einer für unsere Sicherheit
hochgefährlichen Krise zu tun. Unter dem Damoklesschwert dieses Terrorismus, dieser terroristischen Bedrohung, unter dem weder die Menschen in den USA noch
wir hier leben können, leben wollen und leben dürfen, haben wir die für uns schmerzhafte Entscheidung getroffen,
uns zur Wehr zu setzen.
({3})
Ich sage es, auch wenn es eine bittere Wahrheit ist: Wir
werden mit Osama Bin Laden nicht verhandeln können.
Worüber wäre da zu verhandeln: darüber, dass sie weniger unschuldige Menschen umbringen, dass sie es lieber
lassen sollen, Israel zu zerstören, dass sie vom Terrorismus ablassen sollen? Das alles wird nicht funktionieren.
Deswegen heißt die bittere Konsequenz: Wir werden diesen Terrorismus niederkämpfen. Wir werden ihn besiegen
müssen. Hier ist Deutschland voll solidarisch, leistet seinen Anteil und wird ihn auch in Zukunft leisten.
({4})
Was wir zugleich gesehen haben, ist die hohe Gefährlichkeit von Regionalkonflikten in unserer unmittelbaren
oder weiteren Nachbarschaft, in Nahost, im Kaukasus, in
Kaschmir.
Wenn wir uns die Struktur der neuen Bedrohung, der
Gefahr für den Weltfrieden einmal anschauen, dann stellen
wir fest: Es sind vier Elemente, die, wenn sie sich verbinden, von allerhöchster Gefährlichkeit sind. Das erste Element ist der religiöse Hass. Das zweite Element sind Regionalkonflikte bzw. nationale Konflikte, die in Verbindung mit
religiösem Hass den Charakter von Glaubenskriegen bekommen. Das dritte Element ist die mögliche Aufladung
solcher Konflikte mit Massenvernichtungsmitteln bis hin
zur Nuklearisierung. Das vierte Element ist der asymmetrische Terror, der eine völlig neue Qualität erhält.
Exakt diese vier Elemente sind in dem bedrohlichsten
Konflikt, dem Konflikt auf dem indischen Subkontinent,
vorhanden. Hier besteht ein enger Zusammenhang mit der
Entwicklung in Afghanistan.
In meiner Analyse der Bedrohung unserer Sicherheit
komme ich daher zu folgender Prioritätensetzung. Erstens. Der Kampf gegen den Terrorismus muss bis zu seiner vollständigen Niederlage geführt werden. Zu dieser
Verpflichtung stehen wir in voller Solidarität.
({5})
Zweitens. Wir müssen vorbeugen, indem wir durch
kluge Diplomatie versuchen, eine Verbindung dieser vier
Elemente zu verhindern. Das bedeutet vor allem, eine
Eindämmung oder eine Lösung der Regionalkonflikte
herbeizuführen, die ich gerade genannt habe.
({6})
Damit komme ich zu der entscheidenden, meiner Ansicht nach strategischen Frage, die in der gesamten Debatte von der Opposition nicht angesprochen wird. Wir
stehen vor einer Neuordnungsaufgabe, für die der Vater
des jetzigen Präsidenten und sein damaliger Außenminister Baker nach dem Ende des Kalten Krieges völlig zu
Recht die Formel der neuen Weltordnung fanden. Diese
Neuordnung muss letztendlich zu einem globalen kooperativen Sicherheitssystem hinführen, das nicht mehr wie
in Zeiten des Kalten Krieges nur auf einer Ebene als globale Sicherheit durch die beiden Großen und ihre Bündnissysteme definiert sein wird. Vielmehr wird globale kooperative Sicherheit in Zukunft heißen: Dort, wo die
großen Mächte und ihre Bündnissysteme agieren, ist die
erste Ebene. Die zweite Ebene wird die regionale globale
Sicherheit sein; denn wir haben in Afghanistan erlebt - und
wir würden es, wenn wir nicht Acht geben, im Nahen
Osten oder auf dem indischen Subkontinent erleben - dass
die globale Sicherheit aufgrund regionaler Konfrontation
gefährdet wird. Aber auch auf der asymmetrischen Ebene
- dort, wo Terrorismus entsteht, aber auch dort, wo furchtbare Bürgerkriege Bevölkerungen auf schlimmste Art und
Weise malträtieren - müssen wir Stabilität schaffen.
({7})
Darin liegt der Dissens, den ich ganz offen benenne;
das ist auch Gegenstand der Diskussion in den USA und
bis in die Reihen der Republikanischen Partei. Sie können
doch nicht bestreiten, dass jemand wie Brent Scowcroft
und andere enge Mitarbeiter des Präsidenten exakt die
gleichen Positionen wie diese Regierung vertreten.
Die entscheidende Frage ist, ob dieser Neuordnungsansatz kooperativ oder konfrontativ vorgenommen wird.
Genau darin liegt der Unterschied der Betrachtungsweisen und das ist mein Haupteinwand.
({8})
Meine Sorgen sind nach der gestrigen Rede von Präsident Bush nicht geringer geworden. Ich komme gleich
noch einmal auf die Frage des Sicherheitsrates zu sprechen; das wird aber nur ein kurzfristiges Problem sein.
Die Probleme, die sich aus einem Krieg ergäben, wären
allerdings langfristiger Natur. Deswegen muss man sie
sehr sorgfältig bedenken und darf sie nicht ausklammern.
Bis zur Stunde und nach aufmerksamem Hören der Rede
des Präsidenten erkenne ich in Bezug auf die Bedrohungsanalyse keine wesentlich neuen Fakten. Das ist der
heutige Stand der Erkenntnisse.
Wir nehmen das Problem der Massenvernichtungswaffen weiß Gott sehr ernst. Soll das aber heißen, meine
Damen und Herren, dass wir allen Regimen, die über
Massenvernichtungswaffen verfügen und nicht demokratischer Natur sind, in Zukunft mit Krieg drohen werden?
Wäre die Konsequenz nicht vielmehr, in internationaler
Zusammenarbeit ein wirksames Regime zur Ächtung von
Massenvernichtungswaffen und zur Unterbindung der
Aufrüstung zu entwickeln? Wären nicht in dieser Richtung Signale der großen Mächte notwendig?
({9})
Mir fallen unter dem Gesichtspunkt Massenvernichtungswaffen und ballistische Systeme noch einige andere
Problemfelder in dieser Region ein. Die wichtige Frage
ist, ob daraus Konsequenzen entstehen werden. Seit dem
11. September habe ich die große Sorge, dass eine Strategie der konfrontativen Neuordnung vor allen Dingen im
Nahen Osten umgesetzt wird. Das hätte Konsequenzen,
über die wir sprechen müssen, denn sie beträfen uns.
({10})
An diesem Punkt sind, wie der Bundeskanzler sagte, die
internationale Koalition gegen die größte Gefahr, den internationalen Terrorismus, sowie die regionale Stabilität
für unsere Sicherheit von entscheidender Bedeutung.
({11})
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen klipp und
klar: Die Rede des US-Präsidenten beinhaltet die wichtige
Aussage, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen jetzt die Lösung in den Händen hält. Allerdings hat
Präsident Bush Bedingungen gesetzt, zu denen ich ehrlicherweise gleich hinzufügen muss, dass es alles andere als
einfach wird, und zwar vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt, ob dann die Drohung mit Krieg wirklich aus
der Welt sein wird.
({12})
Nur dies verschafft dem Sicherheitsrat die Möglichkeit,
glaubwürdig zu handeln. Die diplomatische Zurückhaltung gebietet es, dass ich diese von mir aufgeworfene
Frage nicht beantworte. Dass ich diese Frage aber gestellt
habe, macht Ihnen klar, welches meine große Sorge in diesem Zusammenhang ist.
Genauso liegt es jetzt in den Händen von Saddam
Hussein, eine absehbare große Tragödie nicht nur für sein
Land, sondern für die gesamte Region abzuwenden. Voraussetzung dafür ist die unverzügliche und vollständige
Erfüllung der Sicherheitsratsresolutionen und die Öffnung der Grenzen für die Inspektoren.
({13})
Meine Damen und Herren, ich tue mich mit der These
von der Bedrohungskulisse aus folgendem Grund so überaus schwer: Wer eine Bedrohungskulisse aufbaut, muss
auch die Kraft haben, sie hinterher zu realisieren.
({14})
Wir hatten diese Kraft im Zusammenhang mit dem Kosovo.
({15})
Hier muss man die Frage stellen, ob die jetzige Bedrohungsanalyse eine solche Konsequenz rechtfertigt: Gibt
es dafür einen sachlichen Grund, etwa den, dass das Containment unwirksam ist? Ich behaupte, nein. Ferner stellt
sich die Frage nach der regionalen Stabilität. Schließlich
haben wir bis heute keine Antwort auf die Frage, was denn
eine amerikanische Präsenz in Bagdad bedeutet. Sie bedeutet, dass die USA - nicht für Wochen und Monate, sondern für Jahre und vielleicht Jahrzehnte - die Verantwortung für Frieden und Stabilität in einer der gefährlichsten
Bundesminister Joseph Fischer
Regionen der Welt übernehmen müssen. Dies hatte seinerzeit den Vater des Präsidenten und die damalige
Administration davon abgehalten. Bis heute habe ich
keine Antwort darauf, ob die Mehrheit des amerikanischen Volkes dazu bereit ist.
Meine Hauptsorge ist folgende: Wenn die USAtatsächlich in diesem Raum intervenieren - sie haben die Machtmittel dazu -, dann aber die Neuordnung nicht vollenden,
wird es langfristig zwei Negativwirkungen strategischer
Natur geben. Erstens werden wir als unmittelbare Nachbarregion unsere geopolitische Situation nicht verändern
können. Zweitens wird dies bei der Mehrheit des amerikanischen Volkes die isolationistischen Tendenzen erheblich verstärken, was wiederum für Frieden und Stabilität
auf der ganzen Welt eine sehr negative Wirkung hätte.
({16})
Deswegen sagen wir sehr eindeutig, dass wir angesichts der nicht absehbaren und auch, wie wir meinen,
nicht vertretbaren Risiken zu einer klaren Positionierung
kommen. Sie ist nicht gegen das Bündnis gerichtet, im
Gegenteil. Fragen Sie doch einmal hinter vorgehaltener
Hand, was diejenigen, die in den USA eine Politik des
Realismus wie die, für die wir stehen, zu machen versuchen, von unserer Position halten. Wir wurden sogar darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, dass wir als großer
Bündnispartner diese Position artikulieren. Der Bundeskanzler hat unsere Haltung zweifelsfrei klar gemacht,
dass wir uns aus den genannten Gründen an einem Krieg
gegen den Irak nicht beteiligen werden.
({17})
Meine Damen und Herren, es wird allgemein gesagt,
wir stünden am 22. September vor einer Richtungsentscheidung. Wer den bayerischen Ministerpräsidenten und
den Bundeskanzler heute Morgen gehört hat, der weiß,
dass es in der Tat eine Richtungsentscheidung ist.
({18})
Schauen Sie, Herr Stoiber, es gibt an jeder Regierung
viel zu kritisieren, an Ihrer wie an unserer. Aber eine Richtungsentscheidung in der Demokratie ist keine zwischen
Untergang und blühenden Gärten. Es geht nicht darum, ob
sich die Sahelzone auf Gebiete nördlich der Alpen ausdehnen wird oder ob Sie Ihre blühenden Landschaften in
ganz Deutschland Wirklichkeit werden lassen. So argumentieren Sie aber. Sie wissen ganz genau, dass es darum
nicht geht, sondern dass es vielmehr darum geht, ob im
Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten, eingeengt durch
die volkswirtschaftlichen Daten und vor allem durch die
weltwirtschaftlichen Realitäten, die Alternativen besser
als das sind, was die Regierung zur Erneuerung unseres
Landes getan hat.
Sehen wir uns die Realitäten doch einmal an. Ich finde
diese Diskussion fast albern.
({19})
Bayern ist ein wunderbares Land und ich sage nicht, dass
die CSU es ruiniert hat; im Gegenteil. Sie müssen aber
doch zur Kenntnis nehmen, dass über Ihr Mitglied im
Kompetenzteam, Lothar Späth - gestern vor einer Woche
habe ich das im Wirtschaftsteil einer Zeitung gelesen -,
geschrieben stand: „Lothar Späth muss seine Umsatz- und
Ertragszahlen bei Jenoptik drastisch nach unten korrigieren.“ Warum muss er das denn? Weil die thüringische
Landesregierung versagt hat? Nein! Weil die Bundesregierung versagt hat?
({20})
Nein!
({21})
- Okay. Sehen Sie, genau das meine ich.
({22})
Des Deutschen voll mächtig lese ich da: Der Halbleitermarkt in den USA existiert nicht mehr.
({23})
Das war der entscheidende Punkt.
Ich schaue mir an, warum die Pleitewelle im Großraum
München und in Bayern insgesamt - die Zahlen aus dem Arbeitsamtsbezirk Freising liegen mir allerdings nicht vor - so
überdurchschnittlich hoch ist. Das würde ich nie der
Staatsregierung vorwerfen. Ich weiß nämlich, warum das
so ist: Es gibt dort besonders viele Start-up-Unternehmen
im Bereich der Biotechnologie, der Informationstechnologie und auch des Internets. Viele davon sind angesichts
des Platzens der Blase jetzt Pleite gegangen. Es war richtig, ihnen die Möglichkeiten zu geben, und ich würde nie
behaupten, Sie seien daran Schuld.
Sie haben hier immer wieder klar gemacht - das ist für
Sie der entscheidende Unterschied -, dass Sie ein großer
Freund des Mittelstandes sind. Ich sage nicht, dass Sie
kleine und mittelständische Unternehmen gefährden; denn
deren schwierige Situation ist Ausdruck der weltwirtschaftlichen Lage. Das muss man klar sehen. Herr Ministerpräsident, um eines schiffen Sie als großer Freund des
Mittelstandes hier aber herum: Sie tragen natürlich schon
die Verantwortung für Ihre spezifische Form der Mittelstandsförderung, nämlich dafür, dass Sie einem kleinen
Mittelständler wie Leo Kirch durch Ihre Entscheidungen
Milliarden hinterhergeworfen haben.
({24})
Ich habe nun gedacht, dass es für einen bayerischen
Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten immer um
Fassbier geht. „Edmund und die Dose“ ist aber eine endlose Geschichte.
({25})
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich habe gar nicht gewusst,
dass die Dose eine solche Bedeutung für Sie als Freund
des Mittelstandes bekommen wird, aber, bitte schön.
Bundesminister Joseph Fischer
In einer Zeitung aus München von Freitag, dem
13. September 2002, lese ich: „Mittelständische Getränkewirtschaft attackiert den Kanzlerkandidaten“, „Brauer
werfen Stoiber Wortbruch vor“, „Branche macht mit
Kundgebungen und Anzeigen gegen die Dosenpfandpolitik des CSU-Politikers mobil“. Herr Stoiber, die Anzeigen
werden Sie ja kennen. Dort steht, dass durch Ihre Politik
250 000 Arbeitsplätze in 10 000 mittelständischen Unternehmen gefährdet werden. Meine Damen und Herren, das
nennt sich Freund des Mittelstandes! Er will uns sagen,
wie man die Arbeitslosigkeit abbaut!
({26})
Zu wesentlichen Teilen der Zukunftsvorsorge haben
Sie gar nichts gesagt. Die Umwelt haben Sie diesmal zum
Beispiel völlig weggelassen, und zwar aus guten Gründen.
Zur Familien- und Kinderpolitik haben Sie nichts gesagt,
obwohl die Investitionen in die kommende Generation
entscheidend für die Zukunft sind. Auch zur Gerechtigkeitsfrage haben Sie nichts gesagt.
({27})
Betrachten wir doch weiterhin Ihre Mittelstandspolitik.
Sie wollen Arbeitsplätze schaffen. Ich habe große Versprechungen gehört; Vertrauen sei die entscheidende
Frage. Alle vertrauen Ihnen, selbstverständlich. Sie wollen die Steuern senken - auch Herr Westerwelle ist für dieses Rezept - und danach komme der Aufschwung. Wenn
der Aufschwung komme, sinke die Arbeitslosigkeit und es
könne investiert werden.
Herr Westerwelle, ich will nicht über die Vergangenheit reden. Sie haben gelernt, Herr Stoiber hat gelernt und
auch wir lernen ständig. Wie viel Glaube, Hoffnung und
Liebe müssen aber in den Herzen der Wählerinnen und
Wähler sein, um Ihr Team, das 16 Jahre lang Gelegenheit
hatte, es anders zu machen und Steuersätze zu produzieren, bei denen wir erröten müssten, zu wählen? Warum
haben Sie das in den 16 Jahren nicht erfolgreich hinbekommen? Meine Damen und Herren, diese Frage müssen
Sie einmal beantworten.
({28})
Ich möchte, wie gesagt, nicht zurück in die Vergangenheit, aber Sie haben gesagt, die SPD sei schuld, dass ihr
von eurem Spitzensteuersatz von 53 Prozent nicht heruntergekommen seid. Meine Frage lautet: Wie seid ihr dort
hingekommen? Die SPD hat euch doch nicht dort hochgetrieben.
({29})
25,9 Prozent Eingangssteuersatz bei euch, 19,9 Prozent
bei uns heute! Herr Westerwelle, so groß kann doch die
PISA-Not nicht sein, dass man nicht begreift, dass
53 mehr ist als 48,5 und 25,9 mehr als 19,9.
({30})
Wir akzeptieren ja, dass wir Entlastungen schaffen
müssen. Wir haben heute nahezu nichts mehr von Ihrer
fast linksradikalen Agitation gegen die Unternehmensteuerreform gehört. Wenn ich mir anschaue - das sage
ich hier ganz bewusst -, wie sich die Auslandsinvestitionen in den letzten Jahren der Regierung Kohl entwickelt
haben, dann erkenne ich, dass das, was wir entscheiden
mussten, etwas ist, weswegen - ich sage es ganz offen mein linkes Herz blutet.
Wir befinden uns aber in einem Steuerwettbewerb.
Auch nach dem 22. September werden wir, was die Unternehmensteuern angeht, im Rahmen einer offenen EUVolkswirtschaft konkurrenzfähig sein müssen. Davon,
dass es einen gemeinsamen Markt gibt, profitiert Deutschland am meisten. Da wir wieder Investitionsstandort werden wollten, mussten wir eine entsprechende Unternehmensteuerreform durchführen. Wer behauptet, der
Mittelstand sei dabei benachteiligt worden - sowohl der
Kanzler als auch der Finanzminister haben Ihnen die Zahlen vorgelesen -, der redet schlicht und einfach Unsinn.
({31})
Als ich in der Opposition saß,
({32})
regierten Sie, Herr Stoiber, in München und waren mit
Theo Waigel beschäftigt. Ich werde nie vergessen, wie
Michel Glos mir im November 1996 zuraunte: Wenn wir
so weitermachen, dann werden wir die Wahlen verlieren.
Er meinte die nötigen Strukturreformen, die seit 1990
vertagt worden waren. Er sah die Notwendigkeit, dass die
Umsetzung dieser Strukturreformen endlich angepackt
wird. Er hat Recht gehabt.
({33})
- Ja, ich erinnere mich. Ich komme gleich darauf zu sprechen.
Der entscheidende Punkt ist ein anderer. Wenn Sie damals die Zustimmung der Sozialdemokraten im Bundesrat - uns haben Sie nicht gebraucht - hätten bekommen
wollen, dann wäre das ganz einfach möglich gewesen. Ich
habe mich immer gefragt: Wieso sollte die SPD Ihrer Meinung nach zu einer - wenn auch in anderer Hinsicht - notwendigen Steuerreform die Hand heben, obwohl die Interessen ihrer Wähler dadurch auf das Sträflichste
zurückgestellt würden?
({34})
Damals sollten die ersten 50 Kilometer des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsplatz aus der Berechnung der
Entfernungspauschale herausgenommen werden. Außerdem ging es um die Steuerbelastung der Schichtarbeit, der
Nacht- und Sonntagszuschläge.
Herr Westerwelle, ich sage Ihnen: Es geht um eine
klare Richtungsentscheidung.
({35})
Bundesminister Joseph Fischer
Wenn Sie über Leistung reden, dann sollte dies immer
möglichst lange im Fernsehen gezeigt werden. Im Zusammenhang mit Leistung stellt sich doch die Frage: Für
wen soll sich Leistung lohnen? Zu Ihrem Steuerreformkonzept kann ich nur sagen: Wenn sich Leistung wieder
lohnen soll, dann geht es eben nicht nur darum, einen Spitzensteuersatz von 35 Prozent zu finanzieren,
({36})
sondern vor allen Dingen darum, dass Sie die Senkung
des Spitzensteuersatzes über eine Verringerung der Eigenheimförderung und der Sparerfreibeträge sowie über
die Schichtzuschläge und die Nachtarbeits- und Sonntagszuschläge gegenfinanzieren wollen.
({37})
Dazu sage ich Ihnen, Herr Westerwelle: Ich bin sehr der
Meinung, dass sich Leistung wieder lohnen solle; das darf
aber nicht nur für einige wenige gelten, deren Einkommen
dem Spitzensteuersatz unterliegt - für die auch -, sondern
vor allen Dingen für die Millionen abhängig Beschäftigter. Vor uns liegt tatsächlich eine klare Richtungsentscheidung. Was Sie vorhaben, geht mit uns nicht.
({38})
Ich komme auf das Thema „Mittelstand und Arbeitsplätze“ zurück. Ich habe selbst neulich in Bayern erlebt,
wie dort die in der Brauereiwirtschaft Tätigen wegen Ihrer „Dose“ auf die Barrikaden gegangen sind.
({39})
Schauen wir uns den Umweltbereich an! Herr Stoiber, im
Windenergiebereich gibt es mittlerweile über 30 000 Arbeitsplätze, Tendenz steigend. Insgesamt gibt es mittlerweile im Bereich der erneuerbaren Energien rund
130 000 Arbeitsplätze, Tendenz ebenfalls steigend.
Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Mobilisierung privater Investoren sind wir heute - ich hätte
es selbst nicht für möglich gehalten - weltweit führend;
wir sind die Nummer eins. Ich habe es in Dessau erlebt,
wo ich gemeinsam mit dem Kollegen Trittin war. Das einzige Unternehmen, das in Dessau boomt - ansonsten liegt
die Industrie dort weitestgehend brach -, ist das Unternehmen, das die Säulen für die Windkraftanlagen herstellt. Ähnliches habe ich in Rostock und in Magdeburg
gesehen. Das ehemalige Sachsenwerk in Dresden hat
400 Arbeitsplätze, obwohl es nicht einen Cent, nicht einen
Pfennig öffentliches Geld bekommt. Der Unternehmer in
Dessau sagte mir bei einem Treffen: Wenn das Erneuerbare-Energien-Gesetz abgeschafft wird - das hatten Sie
ursprünglich vor; jetzt wollen Sie es verbessern, Sie sollten besser „verwässern“ sagen -, dann werde ich entlassen müssen und keine weiteren Einstellungen vornehmen
können. Das ist die Realität.
({40})
Das sind alles Mittelständler. Sie werden Arbeitsplätze
nicht schaffen können, ohne neue Beschäftigungsfelder
zu eröffnen. Das ist der entscheidende Punkt. In diesem
Punkt sind Sie unehrlich. Das ist sozusagen der Faktor
Spreng in Ihnen, den man neuerdings feststellen kann.
({41})
Der frühere Edmund - wie er wirklich ist - hätte sich hier
hingestellt und gesagt: Ich halte das alles für Quatsch. Ich
bin für Atomenergie. Deswegen haben wir in Bayern einen so hohen Atomenergieanteil. Deswegen habe ich in
Karlsruhe geklagt, aber ich habe leider verloren. - Die
Richtungsentscheidung ist klar: Er ist für Atomenergie
und wir wollen aussteigen, weil wir sie für nicht verantwortbar halten.
({42})
Er hat aber nicht den Mut, sich hier hinzustellen und das
in dieser Offenheit zu sagen.
Die Frage der Gerechtigkeit ist eine entscheidende
Frage. Steuerpolitik ist Verteilungspolitik. Daran führt
kein Weg vorbei. Ich kann den Menschen nur immer wieder sagen: Lasst euch durch die Zahlen nicht irritieren, es
gibt zwei schlichte Fragen, die man stellen muss. Herr
Westerwelle erzählt immer schön, dass die Wirtschaft florieren muss, Leistung sich lohnen muss und die Steuern
- Wer zahlt schon gerne Steuern? Niemand! - runter müssen. Es gibt zwei Fragen, die man stellen muss, denn das
ist eine ganz einfache Sache: Wer bekommt es? Wer bezahlt es? - Das sind die beiden schlichten Fragen zur
Steuerpolitik als Gesellschaftspolitik.
({43})
Das sollten sich die Menschen sehr genau anschauen.
Hinterher wird einem das Fell über die Ohren gezogen;
dann ist es allerdings zu spät.
Herr Stoiber, als ich Ihnen neulich zugehört habe,
wurde ich an meine Kindheit erinnert. In Stuttgart auf der
Königstraße vor der Kaufhalle gab es einen wirklich begnadeten Rhetor - das kann man nicht von jedem sagen,
der hier spricht -,
({44})
der dort Wundertinkturen verkauft hat, und zwar mit Krawatten, die vorher recht schmutzig gemacht wurden.
Wenn Sie die Krawatte durch diese Tinktur gezogen haben, war sie wieder sauber. Dieses Mittel kostete ganz wenig. Diesen Mann nannten wir den billigen Jakob. Wenn
man das Mittel, das man leichtgläubig gekauft hatte, zu
Hause benutzte, weil Vater ein Malheur hatte und Mutter
das Fleckenmittel brachte, war der Fleck sofort weg und
die Familie war beeindruckt. Wenn man die Krawatte am
nächsten Sonntag wieder aus dem Schrank herausholen
wollte, war - wenn man Glück hatte - der Fleck nur wieder da; aber meistens war die ganze Krawatte weg.
({45})
Bundesminister Joseph Fischer
Verstehen Sie? Das entspricht Ihrer Politik! Da hört der
Spaß auf! Das ist die Politik des billigen Jakob! Herr
Stoiber, Sie müssten sagen, wie Sie die Versprechungen
im Umfang von 70 Milliarden realisieren wollen. Sie
müssten sagen: Wir wollen das Erneuerbare-EnergienGesetz abschaffen. Wir sind für Atomenergie. Stellen Sie
sich hier hin und vergessen Sie Ihren Spreng. Machen Sie
die Alternativen, die Sie wirklich im Kopf haben, klar. Sagen Sie doch einmal, wer Ihre unbezahlte Rechnung bezahlen wird. Welche sozialen Gruppen werden dafür zu
bezahlen haben?
({46})
Sagen Sie doch einmal, was Sie beim Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz vorhaben, Herr Stoiber. Vergessen Sie einmal Herrn Spreng! War es denn Renate
Künast, die auf BSE kam, oder war es die Futtermittelindustrie? Ich frage, wie eng die Verflechtung der
Funktionärsspitzen des Bauernverbandes mit der Futtermittelindustrie tatsächlich ist. Es ist doch grotesk: Ein
Christdemokrat, der immerhin noch so etwas wie den Begriff „Bewahrung der Schöpfung“ im Kopf haben müsste,
({47})
müsste doch wissen, dass man Wiederkäuer nicht ungestraft mit Fleischmehl füttern kann. Genau das war die Ursache für BSE. Diese Verhältnisse müssen anders werden.
Renate Künast wird dafür sorgen, dass sie anders werden.
({48})
Die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher haben Vorrang vor den Interessen der Futtermittelindustrie.
Das sind die Dinge, um die es wirklich geht und bei denen es auch um die Zukunft unserer Kinder geht.
Das, was der Bundeskanzler zum Generationenvertrag gesagt hat, kann ich nur nachdrücklich unterstreichen: Wir haben die Rentenreform gemacht und die
Rentenstabilität wieder gewährleistet. Was in diesem Zusammenhang auf uns niederprasselte, was insbesondere
auf den Arbeitsminister niederprasselte, halte ich alles für
daneben.
Ich sage Ihnen, wie die Rentenreformdebatte, die ich
hier in der Opposition mitbekommen habe, gelaufen ist.
Es hieß immer: Die Rente ist sicher. Eines Morgens saß
ich in Bonn auf der Oppositionsbank, als
Die Rente ist sicher.
({0})
Ich hatte meinen Hasenschlaf und dämmerte weiter fort,
bis er sagte: In dreizehn Jahren wird sie nicht mehr sicher
sein, ab dem Jahr 2013. - Ich habe dann kurz nachgerechnet. Jahrgang 48 geht dann mit 65 Jahren in die Rente.
Man muss doch wissen, dass wir unseren Kindern jetzt
schon eine riesige Last ins Kreuz hängen, ohne dass wir
das ändern können, nämlich die geburtenstarken Jahrgänge. Das wird niemand ändern. Da müssen Sie vorher
die Traute haben zu sagen: Wir wollen dann Rentenkürzungen. Dann bekommen wir aber ein vertikales Gerechtigkeitsproblem zwischen Jung und Alt. Oder wir wollen,
dass die Renten in Größenordnungen ansteigen, die Belastungen mit sich bringen, zu denen die Jungen sagen werden: So haben wir nicht gewettet.
Diese Fragen haben Sie, Herr Ministerpräsident, nun
mit der Schuldenlast verbunden. So komme ich auf das
Thema deutsche Einheit. Ich hätte damals genauso
Schulden gemacht. Nur die Frage ist doch - das wurde in
Ihren Reihen diskutiert -, warum die Konsolidierung
nicht begonnen wurde. Das ist doch der entscheidende
Punkt.
({1})
Sie sind jetzt dabei, denselben Fehler wieder zu machen.
Es wurde Ihnen vorgerechnet, dass von dem, was wir vorschlagen - im Grunde genommen ein Investitionsprogramm in den Wiederaufbau, die Bauwirtschaft und anderes in den neuen Bundesländern -, ein stärkerer Impuls
ausgeht als von der Steuerentlastung. Die Aussage, dass
es hier um Gerechtigkeit gehe, haben Sie mittlerweile fallen gelassen. Doch Ihr Vorschlag - das verstehe ich unter
rationalen Gesichtspunkten nicht - läuft doch nur darauf
hinaus, wieder Schulden zu machen. Wir können doch angesichts von 200 Millionen Euro Spenden für den zweiten Aufbau Ost sehen, wie weit die innere Einheit mittlerweile ist. Die heutige Generation ist stark genug, das
heute anzupacken.
({2})
Die Verschiebung der Steuerentlastung um ein Jahr ist
keine Steuererhöhung. Ich bekomme dafür überall
großen Beifall, weil die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen, im Volk ganz offensichtlich größer ist als in der Opposition.
({3})
Wir haben hier 16 Jahre immer schöne Reden über die
Familie gehört. Wir haben eine erbitterte Debatte über die
Frage des § 218 geführt. Meine persönliche Haltung dabei war immer klar: keine Kriminalisierung der freien
Entscheidung der Frau. Ich habe aber immer auch die andere Position akzeptiert. Dass aber eines keine Rolle
spielte, habe ich nie verstanden: Wir müssten doch jenseits dieser Glaubenskriegsdebatte uns sofort in dem
Punkt einig sein, dass wir ein Defizit bezüglich der Kinderfreundlichkeit unseres Landes haben. Ich möchte dafür
jetzt niemanden verantwortlich machen,
({4})
aber wir haben da ein klares Defizit. Wenn ich nach Skandinavien oder Frankreich komme, wird mir das ganz deutlich.
Wir haben die Leistungen für die Familien deutlich angehoben, in vier Jahren über 40 Prozent; wir haben das
Kindergeld in drei Stufen um 36 Prozent erhöht. Das ist
beachtlich. Zusätzlich haben wir noch die Korrektur der
Fehlentscheidungen, die Sie in Form einer fast verfassungswidrigen Familienbelastungspolitik getroffen haben, bezahlen müssen. All das kommt zusammen. Wenn
wir jetzt nicht den Mut haben - da stimme ich dem BunBundesminister Joseph Fischer
deskanzler völlig zu -, für die Vereinbarkeit von Kindern
und Beruf die entsprechende Infrastruktur einzuführen,
und den Ländern und Gemeinden die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen, dann versäumen wir die
Lösung einer entscheidenden Zukunftsfrage. Das ginge
dann hauptsächlich zulasten junger Frauen. Das dürfen
wir nicht tun; es geht nämlich um die Zukunft der kommenden Generation.
({5})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Ich möchte Sie, Herr Ministerpräsident, warnen. Auch wenn die Umfragen schlecht werden, sollten Sie jetzt nicht gegen Zuwanderer und
Ausländer agitieren.
({6})
Ich sage das als jemand, der sich an den hessischen Kommunalwahlkampf 1989 in Frankfurt erinnern kann.
({7})
Den werde ich nie vergessen; es hat mich tief geprägt, wie
eine große Volkspartei Stimmungen mobilisierte und
plötzlich selbst in einer Stadt wie Frankfurt
({8})
große Minderheiten, die zu uns gehören, die Bürgerinnen
und Bürger dieser Stadt sind, plötzlich querbeet Angst bekamen.
({9})
Deswegen sage ich Ihnen, Herr Ministerpräsident: Auch
mit der Haltung, die Sie in dieser Frage einnehmen, treffen Sie eine Richtungsentscheidung. Es geht nicht um die
Frage: Zuwanderung, ja oder nein?
({10})
Neben Ihnen sitzt ja Herr Müller, der das sehr offen artikuliert hat, was für ein Schmierentheater Sie im Bundesrat geboten haben.
({11})
Auf Hochdeutsch würde man ebenso wie auf Bayerisch,
Saarländisch oder Hessisch sagen: Während Sie dort
wirklich auf den Tischen getanzt haben, weil Sie meinten,
damit wären die Grenzen geöffnet - Sie wissen, das Gegenteil ist der Fall -, hätte - wir reden ja über das Land
von Laptop und Lederhosen - ein einziger Mausklick auf
die Webseite der bayerischen Staatsregierung, Abteilung
Sozialministerium, genügt, um festzustellen, dass dort
Pflegekräfte in Polen gesucht werden.
({12})
Ich nenne das Heuchelei, Herr Ministerpräsident. Ich
nenne das nichts anderes als Heuchelei!
({13})
Deswegen haben wir eine Richtungsentscheidung vor
uns. Wir wollen die ökologische und soziale Erneuerungspolitik. Wir wollen eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Wir wollen ein weltoffenes Deutschland. Dafür
steht diese Koalition. Wir wollen Friedenspolitik, und
zwar Friedenspolitik gegründet auf Realismus. Das heißt,
wir werden unsere Entscheidungen im Bündnis, auch
wenn sie unbequem sind, gut begründet einbringen. Solange wir nicht sicher sind, dass eine Entscheidung in die
richtige Richtung führt, wobei es nicht nur um das Leben
unserer Soldaten geht, sondern auch um die Frage der Gefährdung unserer zukünftigen Sicherheit, werden wir unbequeme Positionen vertreten. Das ist die Richtungsentscheidung. Für diese Politik stehen wir!
Ich danke Ihnen.
({14})
Nun erteile ich das
Wort dem Vorsitzenden der PDS-Fraktion, Roland Claus.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Stoiber - er
ist weg -, ich will mich ja nicht an der Zensurenverteilung
zur heutigen Rede beteiligen. Aber bislang hat man dem
bayerischen Ministerpräsidenten nachgesagt und nachgeschrieben, er habe Kreide, sagen wir einmal, gegessen.
Nach seiner heutigen Rede ist eines ganz offenkundig: In
Bayern ist die Kreide wohl alle.
({0})
Auch ich möchte an die Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder, die wir im November 1998 in Bonn
gehört haben, erinnern. Da war sehr viel Hoffnung und
Aufbruch in Ihren Reihen, meine Damen und Herren von
der Koalition. Da war Hoffnung auf einen Politikwechsel.
Da war ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit versprochen.
Der Aufbau Ost sollte zur Chefsache gemacht werden und
es sollte künftig mehr zivile statt militärischer Konfliktlösungen geben. Das hat in der Tat auch uns Hoffnung gemacht.
Wir haben seinerzeit aber auch schon festgestellt: Sie
hatten die Wahlen gewonnen mit dem Image von Gerhard
Schröder und mit dem Programm von Oskar Lafontaine.
({1})
Mit dem Rückzug Lafontaines aus der Politik und mit
Ihrem selbstverordneten Weg in die neue Mitte begann
eine Politik, in der soziale Gerechtigkeit, wirklicher Aufbau Ost und zivile statt militärischer Konfliktlösungen
mehr und mehr zurückgedrängt wurden.
({2})
Nun haben Sie sich eines im Wahlkampf ja möglicherweise legitimen - trotzdem muss man es so nennen Bundesminister Joseph Fischer
Tricks bemächtigt. Sie haben uns 1998 immer und lautstark genug gesagt: Wir wollen gemessen werden an
dem, was wir der Öffentlichkeit versprochen haben. Inzwischen haben Sie den Maßstab aber an allen Ecken und
Enden gewechselt und messen sich lediglich noch daran,
was Ihre Vorgängerregierung Ihnen hinterlassen hat. Ich
finde, so etwas darf die Öffentlichkeit Ihnen nicht durchgehen lassen. Das muss man hier noch einmal sagen dürfen.
({3})
Es ist leider wahr, dass auch unter Kanzler Schröder in
diesem Land die Reichen reicher und die Armen zahlreicher werden. Sie begünstigen die Bezieher großer Einkommen. Wir können uns nur gemeinsam darüber wundern - es
mutet schon drollig an -, dass die CDU/CSU-Fraktion sozusagen als Kampftruppe gegen das Großkapital mobilisiert. Die Regierung hat ihr dafür natürlich reichlich Munition geliefert. Den Osten hat der Kanzler Sommer für
Sommer wie ein fremdes Land bereist, immer nach dem
Motto: Vorsicht, Cousinen lauern überall!
Was wir für besonders gravierend halten: Deutschland
ist an zwei Kriegen, nämlich auf dem Balkan und in
Afghanistan, beteiligt und dies mit Zustimmung der Opposition mit Ausnahme der PDS. Ich denke, das hat in der
Tat Wählerinnen und Wähler enttäuscht. Nur die Programme von CDU/CSU und FDP sprechen für die Wiederwahl Ihrer Regierung. Gegenwärtig ist der Kandidat
Stoiber - wenn man so will - Ihr bester Wahlkämpfer für
Ihre Politik.
Wir haben es mit einer Umverteilung von unten nach
oben zu tun. Da lohnt ein Blick in die aktuellsten Gutachten der Monopolkommission, die alles andere als eine
PDS-Plattform ist. Diese Kommission hat die Entwicklung der 100 größten Unternehmen in Deutschland untersucht. Es ist festzustellen, dass diese Unternehmen ihre
Wertschöpfung von 1998 bis 2000 um über 12 Prozent
steigern konnten. Das sind über 270 Milliarden Euro. Die
Bilanzsumme der zehn größten Banken ist im gleichen
Zeitraum um 32 Prozent gestiegen. Es wird immer so viel
geklagt, es sei in diesem Land kein Geld vorhanden. Zur
Wahrheit über die Politik von Rot-Grün gehört aber, dass
sich der private Reichtum in der Bundesrepublik in den
letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. Deshalb sagen wir: Geld ist nach wie vor genug da. Es ist nur höchst
ungerecht verteilt.
({4})
Reichtum wird in diesem Lande nach wie vor weiter
privatisiert und soziale Not wird kommunalisiert. Herr
Bundeskanzler und die anderen Regierungsmitglieder, die
Sie dieses Thema angesprochen haben: Natürlich unterstützen wir das Vorhaben, Geld in Ganztagsschulen zu investieren. Sie haben 4 Milliarden Euro versprochen. Aber
Sie haben in den Haushalt 2003, über den wir in diesen Tagen reden, nur ein Drittel dessen eingestellt, was für das
nächste Jahr notwendig wäre. Das ist Ihre Politik: Auf der
einen Seite machen Sie große Versprechungen und auf der
anderen Seite tun Sie nicht das Notwendige, um diese Versprechungen einzuhalten.
({5})
Wir haben es mit einer Steuerpolitik zu tun, die zur
Folge hat, dass der Anteil aus der Tabaksteuer inzwischen
den Anteil aus der Körperschaftsteuer übersteigt. Wir wollen nicht hinnehmen, dass die Arbeitslosigkeit als die
größte Ungerechtigkeit und Unfreiheit der Neuzeit nicht
wirklich bekämpft wird. Ich gestatte mir trotzdem die Anmerkung, dass im letzten Monat im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ein Abbau der Arbeitslosigkeit erreicht
wurde. Ich finde, das ist ein ermutigendes Zeichen, auch
wenn ein Abbau nur in diesem Bundesland zu verzeichnen
war.
({6})
Nun tauchen Vorschläge auf, dass man die Arbeitslosigkeit möglicherweise beseitigen könnte, indem man
mehr Druck auf Arbeitssuchende ausübt. Wir sagen Ihnen
dazu: Arbeitslose sind in diesem Land mit Arbeitslosigkeit
schon genug bestraft. Sie müssen nicht noch als Faulenzer
beschimpft werden.
({7})
Deshalb sagen wir, dass der eine oder andere HartzVorschlag bedenkenswert, unterstützenswert und auch
umsetzenswert sein mag. Aber im Grunde gehen diese
Vorschläge in die falsche Richtung; denn Deutschland
braucht eine Reform der Arbeitswelt und nicht eine Reform der Arbeitslosenwelt.
({8})
Als ein Politiker aus den neuen Bundesländern nervt es
mich schon, wenn ich hier immer höre, wir müssten nach
neuen Niedriglohnmodellen suchen. Mir sind verdammt
noch mal die Niedriglohnrealitäten in diesem Lande
schon zu viel. Es hätte in der Auseinandersetzung vor dem
Wahltag die Chance bestanden, auch vonseiten der Arbeitgeberverbände ein Wort einzulösen. Was hilft es,
wenn man auf ihren Kongressen immer hört, in diesem
Land seien 1,5 Millionen Stellen nicht besetzt? Es wäre
jetzt die Chance gewesen, diese 1,5 Millionen Stellen offen zu legen. Dann hätte man darüber reden können.
({9})
Wir hatten uns vorgestellt, in dieser Legislaturperiode
bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und
West mehr zu erreichen. Als die SPD im Frühjahr dieses
Jahres auf einem Sonderparteitag in Magdeburg und nahezu zeitgleich, kurz danach, das Präsidium der Union beschlossen haben: „Bis 2007 wollen wir die Löhne und
Gehälter angleichen“, da haben wir uns, obwohl wir weiter gehende Forderungen hatten, gedacht: Lasst uns doch
diesmal im Deutschen Bundestag festlegen - einen entsprechenden Antrag haben wir vorgelegt -, die Löhne
und Gehälter bis 2007 anzugleichen. Was haben Sie,
meine Damen und Herren sowohl von der Koalition als
auch von der Unionsfraktion, getan? Sie haben diesen
Antrag abgelehnt. Deshalb glauben wir Ihnen Ihre Versprechungen vor der Wahl nicht mehr. Auch das gehört
zur Wahrheit.
({10})
Hans Eichel hat gestern den schönen Begriff der gefühlten Wahrheit eingeführt. Dieser Begriff gefällt mir.
Ich erlebe den Umgang mit gefühlter Wahrheit sehr deutlich in meinem Wahlkreis Halle an der Saale,
({11})
wo mir sehr viele Menschen - leider werden es immer
mehr - sagen, dass sie die Nase voll haben von Versprechungen vor der Wahl. Solche Versprechungen führen leider sehr oft zu Resignation. Wir sollten also mit Versprechungen haushalten und nicht inflationär damit umgehen.
Die PDS-Fraktion hat gestern dem Gesetzentwurf der
Koalition zur Flutwasserhilfe zugestimmt. Wir haben das
getan, obwohl wir gesagt haben, man hätte dieses Gesetz
besser gestalten können. Wir waren aber der Meinung,
dass man kompromissbereit sein muss. Heute sage ich Ihnen jedoch noch einmal: Es ist ein schwerer Fehler gewesen, dass Sie gestern dem Gesetzentwurf der PDS-Fraktion zur Flutopferentschädigung, in dem beschrieben
wird, wie man konkret vorgehen könnte, nicht zugestimmt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, als die PDSFraktion nach dem 11. September des vergangenen Jahres
gesagt hat: „In diesen Tagen wird sich zeigen, wie zivilisiert die zivilisierte Welt wirklich ist“, als wir gesagt haben: „Krieg ist die falsche Antwort auf Terror“, da haben
wir mit sehr harschen Reaktionen, mit Schmäh aus diesem
Parlament zu tun gehabt. Heute tun einige von der Koalition so, als hätten sie den Begriff von der uneingeschränkten Solidarität nie geprägt. Daher muss in diesem
Parlament und in der Öffentlichkeit ausgesprochen werden - auch das gehört zur Wahrheit -, dass man jetzt,
nachdem man sich in die Gefolgschaft einer USA-Politik
begeben hat, die uns in den Afghanistan-Krieg geführt
hat, offenkundig versucht, sich abzusetzen und wenige
Wochen vor der Wahl mit Friedensrhetorik Punkte zu
machen. Dazu sagen wir Ihnen: Wenn es denn ehrlich gemeint ist, verdienen Sie unsere Unterstützung. Aber mehr
als 60 Prozent der Deutschen glauben dem Kanzler diese
Worte nicht. Ich gehöre dazu.
({12})
Es geht hier um die Frage, ob ein Krieg stattfindet oder
nicht, und nicht darum, ob Telefongespräche geführt werden oder nicht. Man sollte sich einmal in die Lage der
amerikanischen Regierung versetzen.
Was haben die Deutschen eigentlich? Es besteht
doch die gleiche Situation wie in Afghanistan. Wir haben
darauf hingewiesen, dass eine Bedrohungslage besteht,
die dortige Diktatur weg muss und es schwere Menschenrechtsverletzungen gibt. - Nun fragt sich Bush, warum die
Deutschen bei dem Krieg in Afghanistan so bereitwillig
mitgemacht haben und warum sie das gegenüber dem Irak
nicht mehr tun wollen.
Das Problem also ist: Wer sich einmal in die Spirale der
Gewalt begibt, wer einmal bereit ist, Krieg als Mittel der
Politik zu legitimieren, der wird dann auch mit den Folgen dieser Politik konfrontiert, weil er aus der Spirale der
Gewalt nicht mehr herauskommt.
({0})
Inzwischen wissen wir, dass 71 Prozent der Deutschen
einen Irak-Krieg und 48 Prozent Krieg als Mittel der Politik überhaupt ablehnen. Wir sagen deutlich: Das Völkerrecht ist keine Speisekarte. Es gilt insgesamt. Auch die
Androhung militärischer Gewalt ist ein glatter Völkerrechtsbruch. Deshalb hat die PDS-Fraktion heute einen
Antrag vorgelegt, der den eindeutigen Inhalt hat: „Der
Deutsche Bundestag lehnt einen Krieg gegen den Irak und
jegliche deutsche Beteiligung daran ab.“ Sie haben nachher bei der Abstimmung die Möglichkeit, für die Öffentlichkeit klarzustellen, wie Ihre Haltung hierzu wirklich ist.
({1})
Deshalb sage ich Ihnen zum Schluss: Wer Stoiber nicht
will und Schröder nicht traut, der muss PDS wählen.
Schön, dass Sie es inzwischen auch verstanden haben.
({2})
Ich erteile das Wort
dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement.
Wolfgang Clement, Ministerpräsident ({0}) ({1}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Als jemand, der nicht immer Ihren Debatten folgen kann
und sich freut, dass er heute die Ehre und das Vergnügen
hat, das zu tun, habe ich natürlich aufmerksam zugehört,
selbstverständlich besonders aufmerksam meinem Kollegen, dem Kanzlerkandidaten Stoiber, der heute seine
letzte Rede als Kanzlerkandidat gehalten hat.
({2})
Ich habe das so wahrgenommen: So wie er gesprochen
hat, spricht jemand, der seine Felle davonschwimmen
sieht.
({3})
Er hat jetzt ein Gespräch, was ich natürlich verstehe
und akzeptiere; aber dass, während die ganze Welt über
die Frage eines Krieges gegen den Irak, ja oder nein, dieskutiert, vom Kanzlerkandidaten der Union hier die Vorstellung geäußert wird, man solle dieses Thema möglichst
aus dem Wahlkampf heraushalten, halte ich für weltfremd. Es zeigt seine Scheu, klare Positionen zu beziehen.
({4})
Ich bin sehr froh über und dankbar für die Art, in der
der Bundeskanzler und der Außenminister die Position
der Bundesrepublik Deutschland hier skizziert haben. Ich
halte diese Entscheidung für richtig. Wir haben es mit einer Entscheidung von weltpolitischer Bedeutung zu tun,
mit einer Fragestellung, bei der das Völkerrecht in äußerster Weise gefragt ist und auf die man, Herr Kollege
Westerwelle, nicht routiniert, nicht mit den üblichen Routinegesprächen und -telefonaten antworten kann. Gerade
im Wahlkampf - wann denn sonst? - erwarten wir dazu
klare Auskünfte von denjenigen, die regieren, und denjenigen, die regieren wollen. Diese habe ich bei Herrn Kollegen Stoiber vermisst.
({5})
Was mich erschrocken hat - um das klar zu sagen -, ist
die Art und Weise, in der sich der Kollege Stoiber zum
Thema innere Sicherheit und Zuwanderung geäußert
hat. Das ist für mich jedenfalls erschreckend. Ich gehe mit
diesem Thema nicht leichtfertig um und kenne viele Probleme, die sich daraus ergeben. Das aber, was ich in der
Reaktion und vor allem in der Schlussphase des Wahlkampfes wahrnehme, spricht für eine Neigung zur Hysterie, die wirklich nicht unbedenklich und ungefährlich ist.
({6})
Es spricht auch für die Neigung, eine solche Hysterie zu
verbreiten.
Herr Kollege Stoiber, Sie haben immer geglaubt
- manchmal haben Sie es auch öffentlich behauptet -, ein
Innenminister einer rot-grünen Bundesregierung oder
Landesregierung sei ein Sicherheitsrisiko. Sie haben sich
damit bei Otto Schily verspekuliert, das ist das Problem.
({7})
Nun machen Sie aus dem, was beispielsweise im Umfeld
von Heidelberg geschehen ist, einen Vorgang, der an Hysterie und an unwahrer Darstellung nicht zu überbieten ist.
({8})
In Heidelberg sind ganz offensichtlich - darüber ist zu
diskutieren - Ermittlungspannen geschehen, denen die
baden-württembergische Justiz und das Innenministerium
- der baden-württembergische Innenminister, der Kollege
Schäuble, hat solche Informations- und Ermittlungspannen eingeräumt -, nachgehen könnten und sollten. Wir
hören stattdessen Erwartungen und Äußerungen des Herrn
Kollegen Beckstein, die nicht nur die üblichen Vorwürfe
an die Adresse der Bundesregierung enthalten, sondern aus
dem Sachverhalt einer Ermittlungspanne auch Vorschläge ableiten, die eine überregionale Zeitung aus
München - Sie verstehen schon, es ist die „Süddeutsche
Zeitung“ - als sonderbar bis unsinnig bezeichnet hat.
({9})
Herr Beckstein hat zum Beispiel eine Art Spekulationsausweisung ins Gespräch gebracht. Dabei geht es um
eine Ausweitung der Ausweisungsgründe ins Uferlose,
wie es die „Süddeutsche Zeitung“ zu Recht beschreibt.
Das nenne ich Hysterie; es hat mit Kompetenz nicht mehr
das Geringste zu tun.
({10})
Was sind Ihre Antworten auf die dritte große Herausforderung - die Situation in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt -, mit der wir es zu tun haben? Ich habe mit aller Aufmerksamkeit zugehört und versuche, dazu Stellung zu
nehmen. Was ich wahrnehme, ist eine Schwarzmalerei
der Situation in der Bundesrepublik Deutschland. Ich
habe schon aus der gestrigen Debatte Begriffe wie Konkursverschleppung und Ähnliches gehört, über die man
angesichts der damit verbundenen Verzerrung der Realität
nur noch den Kopf schütteln kann.
({11})
Bald bleibt außer Bayern kein Land in Deutschland
mehr übrig, das noch in Ordnung ist. Es gibt bald kein
Übel mehr, an dem die Bundesregierung nicht schuldig
ist. Herr Bundeskanzler, Sie müssen sich darauf vorbereiten, dass Sie demnächst auch für die Sommermücken verantwortlich gemacht werden. Dieses Risiko besteht.
({12})
- Sicher, Herr Kollege Glos, eine Opposition darf nicht
zufrieden sein,
({13})
auch nicht mit sich selbst. Aber nicht einmal mit sich
selbst sind Sie zurzeit zufrieden. Das ist doch Ihr Problem,
Herr Kollege.
({14})
Sie darf auch nicht den Bezug zur Realität verlieren.
Das, was Sie über den Zustand der Bundesrepublik
Deutschland schreiben, wie Sie eine der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt, die an Wirtschaftskraft stärker
ist als die französische und die spanische Volkswirtschaft
zusammengenommen, eine Volkswirtschaft, in die weit
mehr Auslandsinvestitionen gehen, als dies bei Ihnen in
den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit geschehen ist, darstellen, ist hinsichtlich des Realitätsverlustes, den Sie den
Menschen zumuten, nicht mehr zu überbieten.
({15})
Die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, wissen dies
und nehmen dies auch so wahr.
In der Sache vernebelt der Kollege Stoiber Positionen
und er nimmt zu keiner Frage - ähnlich wie zur IrakFrage - in aller Konkretheit
({16})
- Herr Kollege Repnik, überschätzen Sie sich bitte nicht ({17})
und Klarheit Stellung. Ich nehme dazu Stellung. Von
Ihrem Kanzlerkandidaten, Herr Kollege, habe ich mir
heute schon ganz andere Zumutungen angehört.
({18})
Nehmen Sie die Steuerreform: Ich habe noch nie eine
solche Wertschätzung dieser Steuerreform durch Ihre
Seite erlebt wie jetzt. Am Anfang war diese Steuerreform
des Teufels, weil sie angeblich gegen den Mittelstand geMinisterpräsident Wolfgang Clement ({19})
richtet war. Dies war doch landauf, landab, von oben bis
unten, Ihre Sprache.
({20})
- Nicht von Ihnen, Herr Westerwelle, ich spreche von der
CDU/CSU. - Als es um die Verschiebung der Steuerreform ging, war dies des Teufels, weil dies wiederum als
gegen den Mittelstand gerichtet betrachtet wurde.
({21})
Sie müssen doch irgendwann zur Logik zurückkehren
und zur Kenntnis nehmen, dass dies eine Steuerreform ist
({22})
- erregen Sie sich nicht, sondern nehmen Sie das zur
Kenntnis -, die dem Mittelstand mehr bringt als den
großen Unternehmen, die davon nicht profitieren.
({23})
Daran werden Sie auch durch Ihre Lautstärke nicht vorbeikommen.
({24})
Herr Kollege Westerwelle, natürlich muss ich auch zu
dem, was Sie ausgeführt haben, etwas sagen. Sie haben
heute nicht noch einmal dargestellt, wie Sie die 7,1 Milliarden Euro aufbringen wollen, die für die Nothilfe in Ostdeutschland, für die Hilfe nach der Flutkatastrophe notwendig sind. Ich habe gehört, dass Sie diese Summe durch
Umschichtungen im Haushalt aufbringen wollen. Dieses
Experiment würde ich gern einmal von Ihnen etwas konkretisiert haben. Sie versuchen immer, den Eindruck der
Konkretheit zu erwecken. Von Ihnen möchte ich gern wissen, wie Sie die 7,1 Milliarden Euro, die jetzt zur Verfügung stehen müssen, mobilisieren wollen, Herr Kollege.
Dazu gibt es von Ihnen kein Wort.
({25})
Sie sprechen lediglich von ein wenig Bürokratieabbau.
Damit kommt man jedenfalls mit denjenigen, die sich professionell mit einem solchen Thema beschäftigen, wirklich nicht zu einem Ergebnis.
({26})
Sie erwarten natürlich, dass ich etwas zum Bergbau
sage. Das, was Sie hier vortragen, könnte man als
Milchmädchenrechnung bezeichnen, wenn es nicht so
ernst wäre. Ihre Vorstellung, man könne die Subventionen
für den Bergbau von heute auf morgen streichen, um mit
diesen Mitteln Bildungspolitik zu finanzieren, ist deshalb
eine Milchmädchenrechnung, weil Sie dann, wenn Sie
dies täten, auf einen Streich etwa 100 000 Arbeitslose
mehr hätten. Dann müssten Sie diese rund 100 000 Arbeitslosen in Deutschland finanzieren. Auch wenn ich alle
sozialen Aspekte weglasse, wäre dies eine Katastrophe.
Ihr Kollege Möllemann tut dies bei uns genauso, wie Sie
es heute hier getan haben.
Dies allein würde bedeuten, dass Sie ein Vielfaches
dessen aufbringen müssen, was Sie durch die Streichung
der Subventionen für den Steinkohlebergbau gewinnen zu
können glauben, Herr Kollege.
({27})
Sie stellen dabei auch etwas anderes nicht dar. Die Bundesregierung fährt vereinbarungsgemäß die finanzielle
Förderung des Steinkohlebergbaus bis zum Jahre 2005
kontinuierlich nach unten. Dabei geht es um einen beinahe tagtäglichen Abbau von Arbeitsplätzen im Bergbau.
Dies sind teilweise bis zu 1 000 Arbeitsplätze pro Jahr. Bei
diesem Rückbau fahren wir mit Unterstützung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Bergbaus so hart an
der Kante, dass es dann, wenn Sie einen noch tieferen
Schnitt in die Subventionen machen würden, sofort zu
betriebsbedingten Kündigungen kommen würde. Das
ist das, was Sie verantworten müssten, Herr Kollege
Westerwelle. Mit Ihren Vorschlägen kann man keine Schulen finanzieren, sondern damit richten Sie eine soziale
Katastrophe an.
({28})
Herr Kollege Westerwelle, ich würde Ihnen im Übrigen empfehlen, sich einmal mit der Frage zu beschäftigen,
in welcher energiewirtschaftlichen Situation sich die
Bundesrepublik Deutschland heute befindet und in welcher Situation sie sich in sechs, acht oder zehn Jahren befinden wird, wenn die Ölpreise und damit auch die Gaspreise in die Höhe klettern und die Abhängigkeit von
Importenergien noch größer wird, als sie heute schon ist.
({29})
Ich vermute, wenn Sie sich ernsthaft damit beschäftigen
würden, würden Sie entweder zu dem Ergebnis kommen,
dass Sie mit Kohle umgehen können müssen - dann ist es
gut, einen Sockel an heimischer Kohle zu haben -,
({30})
oder Sie müssten das tun, was der Kollege Fischer dem
Kollegen Stoiber empfohlen hat: sagen, dass Sie auf die
Atomenergie setzen. Es gibt keinen anderen Weg. Diese
Frage muss beantwortet werden. Man darf sich nicht mit
ein paar vermeintlich öffentlichkeitswirksamen Äußerungen davonstehlen.
Zum Thema Bildung habe ich hier nicht die Möglichkeit, ausreichende Antworten zu geben. Sie können sich
darauf verlassen, dass wir - ich spreche für NordrheinWestfalen, stehe darüber aber auch mit meinen Kollegen
in den Ländern in Kontakt - die notwendigen Schlussfolgerungen aus dem ziehen werden, was die PISA-Studie
uns aufgibt. Das bedeutet beispielsweise, dass wir bundesweite Bildungsstandards einführen müssen, dass wir
- das ist die wichtigste Lehre aus dieser Studie - mit der
Bildung unserer Kinder früher beginnen müssen, als es in
Deutschland üblich ist, dass wir vorschulischen Unterricht einrichten werden und anderes.
Vor allen Dingen geht daraus aber hervor, Herr Kollege, dass wir die Ganztagsbetreuung, so wie der Bundeskanzler es dargestellt hat - ich bin ihm dankbar für das,
Ministerpräsident Wolfgang Clement ({31})
was er dazu gesagt hat -, in Deutschland massiv ausbauen
müssen. Das bisher mangelnde Angebot ist einer der größten Nachteile, die wir gegenüber den Bildungssystemen
anderer Länder haben.
({32})
Es ist ein wesentlicher Schritt, dass der Bundeskanzler
den Ländern zugesagt hat, in den nächsten vier Jahren
4 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, um den Prozess der Einführung der Ganztagsbetreuung in unseren
Ländern zu beschleunigen. Aus Sicht Nordrhein-Westfalens kann ich nur sagen: Nordrhein-Westfalen ist im
deutschen Maßstab auf diesem Sektor gar nicht so
schlecht positioniert. Wir haben gut 600 Ganztagsschulen
in unserem Land, Bayern hat nur 16. Aber auch wir sind
darauf angewiesen, dass wir auf diesem Sektor noch weiter vorankommen. Dafür setzen wir uns ein.
Das Problem, das ich bei meinem Kollegen Stoiber
sehe, ist seine Glaubwürdigkeit. Er bezieht in diesem
Wahlkampf nicht klar Stellung. Er versucht, gleichzeitig
für alles zu stehen: Auf der einen Seite beschwört er die
freie soziale Marktwirtschaft und den Mittelstand - es
gibt ja keine Rede, in der er das nicht tut -, auf der anderen Seite platziert er sein halbes Kabinett in den Aufsichtsgremien der Bayerischen Landesbank, die Gelder in
Höhe von 2 Milliarden Euro in die Kirch-Gruppe gesteckt
hat, damit eine Blasenökonomie in Bayern aufgebaut hat,
die es nirgendwo sonst in dieser Größenordnung gegeben
hat, und gescheitert ist.
({33})
- Das sagt der Richtige, Herr Kollege. 2 Milliarden Euro!
Eine solche Investition in ein Medienunternehmen, in ein
Unternehmen überhaupt, hat es in der Geschichte der
Bundesrepublik noch nicht gegeben und eine unternehmerische Katastrophe in dieser Größenordnung auch
nicht.
Ich sage Ihnen: Diese Art der Förderung der KirchGruppe durch die Bayerische Landesbank war eine Förderung gegen jeden Rat von Experten.
({34})
- Er hätte investieren können, wenn er es gekonnt hätte.
Sie hätten schon damals wissen müssen, Herr Kollege
Stoiber, dass dieses Unternehmen eine solche Förderung
nicht rechtfertigte.
({35})
- Ach du lieber Gott, jetzt kommen Sie mir auch noch mit
Oberhausen! Herr Kollege, wir können einmal gemeinsam dort hinwandern, dann zeige ich Ihnen die Arbeitsplätze dort.
Die Forderungen an die Kirch-Gruppe, mit denen wir
es heute zu tun haben, haben eine Größenordnung von
8 Milliarden Euro.
({36})
Auf der anderen Seite sind noch nicht einmal 2 Milliarden
Euro vorhanden. Hier wurde eine Blasenökonomie aufgebaut, die es so noch nicht gegeben hat. Diese Blasenökonomie ist zulasten anderer Standorte in Hamburg, in Berlin, in Köln und in weiteren Städten gegangen. Das ist es,
was geschehen ist.
({37})
Deshalb hat der Kollege Fischer hier nicht ganz Recht.
Die gestiegene Zahl der Pleiten im Mediensektor wie im
gesamten Kommunikationssektor von kleinen Unternehmen in München hat sehr wohl etwas mit der großen
Pleite zu tun. Selbstverständlich sind diese Unternehmen
von den dortigen Geschehnissen abhängig. Selbstverständlich werden sie durch das, was bei Kirch geschehen
ist, an die Wand fahren. Dafür gibt es Verantwortlichkeiten.
({38})
Ich möchte auf der anderen Seite darauf eingehen, Herr
Kollege Stoiber, dass Sie dem Bundeskanzler hier zur
Last legen, sein Ziel, die Zahl der Arbeitslosen in
Deutschland auf 3,5 Millionen zu senken, nicht erreicht
zu haben, dass Sie sich dann aber nicht einmal mit äußerster Mühe daran erinnern können - ich jedenfalls habe
dazu von Ihnen keinen Satz gehört -, am 11. Juni 1996
den Beschäftigungspakt Bayern mit dem Ziel unterschrieben zu haben, die Zahl der Arbeitslosen innerhalb
von vier Jahren zu halbieren. Kein Wort haben Sie dazu
gesagt, stattdessen kamen nur Vorwürfe an andere.
Auch ich habe mir solche Ziele gesetzt, Herr Kollege.
Das Problem der Politik ist nicht, sich Ziele zu setzen und
für sie zu streiten. Das Problem der Politik ist auch nicht,
den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken
und zu erläutern, mit welchen Problemen man auf der
Strecke zu kämpfen hat und was man trotzdem dafür tun
wird, um am Ende doch noch ans Ziel zu kommen. Das
hat der Bundeskanzler getan. Das Problem ist, dass Sie
auch hier nicht Position beziehen, dass Sie nicht klar
Farbe bekennen, Herr Kollege Stoiber. Über Ihr hohes
Ziel, die Arbeitslosigkeit in Bayern zu halbieren, haben
Sie nie mehr ein einziges Wort verloren. Aber hier können
Sie sich vor Abscheu und Empörung kaum einkriegen.
Das ist es, was die Menschen spüren. Jeden Tag, den der
Wahlkampf dauert, merken die Menschen das ein
Stückchen mehr.
({39})
Natürlich - das ist nicht zu übersehen - ist die Zahl der
Insolvenzen in Deutschland deutlich angewachsen. Wir
haben im ersten Halbjahr 2002 eine Zunahme der Unternehmensinsolvenzen um etwa 15 Prozent. 18 500 Insolvenzen sind bei den Amtsgerichten registriert. Im ersten
Halbjahr 2001 waren es 16 200. Was dabei allerdings verMinisterpräsident Wolfgang Clement ({40})
gessen wird - das ist vielleicht nicht ganz so wichtig, aber
zur Genauigkeit und zur korrekten Darstellung des Bildes
gehört es dazu -, ist, dass diese Zunahme um 15 Prozent
maßgeblich mit den Änderungen im Insolvenzrecht zu tun
hat; denn im Jahr 2002 können zum ersten Mal auch mittellose Personen und Einzelunternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnen. Das wirkt sich natürlich aus.
({41})
Was mich in Wahrheit stört, Herr Kollege Merz, ist,
dass Sie nichts anderes tun, als diese Insolvenzzahlen im
Land zu verbreiten, um den Menschen nahe zu bringen,
wie katastrophal die Lage ist. Dabei verlieren Sie kein einziges Wort darüber, dass in der gleichen Zeit in der Bundesrepublik Deutschland - in Bayern, in Nordrhein-Westfalen und in allen anderen Ländern - eine hohe Zahl von
neuen Unternehmen entsteht und dass wir im Saldo heute
nicht weniger, sondern mehr Unternehmen haben.
({42})
Wenn der Kanzlerkandidat zum wiederholten Male beschreibt, welches große Unternehmen in welcher Stadt
Arbeitsplätze abzubauen gedenkt - das wird sicherlich
nicht aus Daffke gemeldet, sondern es steckt Überlegung
dahinter -, so erwarte ich von ihm, dass er dann, wenn er
vom Mittelstand spricht, im gleichen Atemzug die Zahl
der neu entstandenen Unternehmen mit seinen drei oder
vier Arbeitsplätzen nennt. Dazu brauchen wir keinen
Regierungswechsel, sondern diese Unternehmensgründungen haben wir auch im Saldo bereits heute in
Deutschland.
({43})
Wir haben in Nordrhein-Westfalen - um Ihnen auch
diese Zahl zu nennen - nach den Handelsregistereintragungen im ersten Halbjahr dieses Jahres 13 136 Unternehmensneugründungen. Allein in Nordrhein-Westfalen
sind es also über 13 000; in Bayern waren es übrigens
9 972. Wenn ich die Zahl der Unternehmen, die vom
Markt gegangen sind und aus dem Handelsregister gestrichen wurden, mit der Zahl derjenigen, die neu eingetragen wurden, vergleiche, dann stelle ich im ersten Halbjahr
einen positiven Saldo fest. Wir haben in Nordrhein-Westfalen 7 400 Unternehmen mehr, und zwar richtige mittelständische Unternehmen. In Bayern waren es 6 300; auch
das ist nicht schlecht. Diese Ergebnisse müssen einmal
genannt werden, damit die Schwarzmalerei endlich aufhört.
({44})
Mir macht der Wahlkampf durchaus Spaß. Ich finde es
jedoch langsam, aber sicher verhängnisvoll, in welcher
Weise über diesen Wirtschaftsstandort gesprochen wird
und wie dieser Wirtschaftsstandort von Ihnen schlecht geredet wird. Sie machen in diesem Wahlkampf nichts anderes als schwarz malen und schlecht reden.
({45})
Herr Kollege Stoiber, ich frage mich immer: Wofür
stehen Sie? Heute habe ich nach Ihrer Rede den Eindruck
gewonnen, dass ich Sie manchmal nicht wirklich von
Herrn Schill unterscheiden kann.
({46})
Das, was Sie heute zur Zuwanderung und zur inneren Sicherheit gesagt haben und auch die Art und Weise, wie Sie
es vorgetragen haben, haben mich an Herrn Schill erinnert.
Ich habe Sie auch in anderen Szenen des Wahlkampfes
erlebt. Insbesondere wenn Sie über die großen Unternehmen der Bundesrepublik sprachen, hatte ich den Eindruck,
Sie wollten noch mit über 60 Lebensjahren den Bundeskanzler mit Positionen links überholen, die Gerhard
Schröder vielleicht mit 30 vertreten haben könnte.
({47})
Darin liegt Ihr Problem.
Herr Ministerpräsident, ich unterbreche Sie sehr ungern, aber ich möchte Sie
doch darauf aufmerksam machen, dass es Redezeiten
gibt. Daran müssen sie sich zwar nicht halten, aber ich
wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es trotzdem täten, weil
sonst das ganze Zeitkonzept ins Rutschen gerät.
({0})
Wolfgang Clement, Ministerpräsident ({1}): Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, und werde
mich selbstverständlich danach richten.
Was das Wahlprogramm und die Wahlversprechen der
Union angeht, möchte ich gern noch darauf hinweisen,
dass ihnen nach einer Umfrage von RTL 80 Prozent der
Bürgerinnen und Bürger nicht glauben.
({2})
Ich meine, das ist für unsere Diskussion nicht unwichtig.
Sie haben in Wahrheit in diesem Wahlkampf Ihre Positionen vernebelt, und zwar bis zur Unkenntlichkeit.
({3})
Die Bürger haben den Eindruck, Sie wollen nichts als die
Macht in Berlin.
({4})
Das mag für Sie viel sein; für das deutsche Volk ist das zu
wenig, Herr Kollege.
Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Für die CDU/CSUFraktion erteile ich jetzt der Kollegin Dr. Angela Merkel
das Wort.
Ministerpräsident Wolfgang Clement ({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Wir befinden uns in der Endphase des Wahlkampfes und müssen mit Bedauern feststellen, dass wir in
dieser Phase den größten Betrug am Wähler in der deutschen Nachkriegsgeschichte erleben.
({0})
Herr Bundeskanzler, damit meine ich nicht das gebrochene Versprechen, das Sie zum Beispiel zur Ökosteuer
gegeben haben. „Bei sechs Pfennig ist Ende der Fahnenstange“, lautete die Parole im Wahlkampf 1998.
({1})
Was ist daraus geworden? Jedes Jahr sechs Pfennig! Am
1. Januar nächsten Jahres wären es dann wieder sechs
Pfennige, wenn Sie gewählt werden sollten, was aber
glücklicherweise nicht passieren wird. Das war der Einstieg in Ihr Vorgehen nach dem Motto „versprochen - gebrochen“. Dabei gehen Sie mit keinem Wort darauf ein,
warum Sie so vorgegangen sind.
({2})
Wenn wir hier über Steuern sprechen, ist festzustellen:
Die Menschen in Deutschland arbeiten 56 Prozent des
Jahres - das bedeutet bis weit in den Juli hinein - lediglich dafür, dass sie Steuern an den Staat abführen. Am
Ende Ihrer Legislaturperiode macht das 44 Milliarden
Euro mehr Steuern für die Bürgerinnen und Bürger und
die Personengesellschaften - das heißt, die mittelständischen Betriebe - aus als im Jahr 1998. Das ist die Wahrheit über Steuern und Abgaben in Deutschland.
({3})
Sie haben - das haben Sie in Ihren Wahlversprechen
nicht angegeben - jede nationale Herausforderung und
Katastrophe durch Steuererhöhungen beantwortet. Damit
muss endlich Schluss sein. Deswegen haben wir angekündigt: Wir setzen den Bundesbankgewinn für die Bewältigung der Flut ein.
Sie, Herr Eichel, werden nicht müde zu behaupten, wir
machten damit neue Schulden. Das stimmt nicht. Wir arbeiten vernünftig und bringen Deutschland aus der Spirale der Rezession heraus. Wir bringen Deutschland in
eine Phase des Wachstums und dafür brauchen wir etwas
länger für die Tilgung der Schulden. Ich halte das für die
richtige Antwort auf diese nationale Herausforderung.
({4})
Wenn ich vom größten Betrug am Wähler in der deutschen Nachkriegsgeschichte spreche, dann meine ich auch
nicht Ihr gebrochenes Versprechen zum Aufbau Ost.
Gleich wird der mecklenburg-vorpommersche Ministerpräsident Ringstorff zu Wort kommen. Allein im Jahr 2000
sind 60 000 junge Menschen aus den neuen Bundesländern
abgewandert. Die Bilanz der letzten vier Jahre weist allerdings trotz der Abwanderung und der Tatsache, dass Sie
noch Prämien für die Abwanderung gewährt haben - das
werden wir abschaffen, die Leute sollen stattdessen das
Geld da bekommen, wo sie leben, damit dort wieder Leben entsteht -, im Jahr 2002 93 000 mehr Arbeitslose in
den neuen Bundesländern aus als 1998.
({5})
Deshalb kann ich nur sagen: Die Chefsache „Aufbau Ost“
ist auf der ganzen Linie gescheitert. Sie haben für die
neuen Bundesländer nichts getan, außer dort hin und wieder herumzureisen, wenn die Sonne geschienen hat. Das
reicht nicht aus, Herr Bundeskanzler. Deshalb ist dies eines Ihrer gebrochenen Versprechen.
({6})
Wenn ich von der größten Täuschung der Wähler in der
deutschen Nachkriegsgeschichte spreche, dann meine ich
auch nicht Ihre gebrochenen Versprechen in Bezug auf die
Rente. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Sie den
Rentnern mit großem Pathos versprochen haben, dass
auch in Zukunft die Renten entsprechend der Entwicklung der Nettoeinkommen steigen werden. Im Jahr 2000
ist es nicht so gewesen. Sie haben die Rentenlüge in die
deutsche Politik eingeführt. Der Preis dafür ist, dass die
Beiträge zur Rentenversicherung heute nicht sinken, sondern steigen. Das ist die Wahrheit über die rot-grüne Rentenpolitik und den Umgang mit den alten Menschen in
diesem Land.
({7})
Auch deshalb sagen am Ende der laufenden Legislaturperiode 83 Prozent der Menschen in Deutschland, dass die
soziale Kluft in Deutschland größer geworden sei. Herr
Bundeskanzler, wenn Sie als Sozialdemokrat noch einen
Restbestand an sozialem Empfinden haben, dann sollten
Sie sich dies zu Herzen nehmen und nicht einfach über die
Menschen hinwegreden.
({8})
Die Tatsache, dass die Krankenkassenbeiträge steigen,
bedeutet - Sie haben ja von den Familien gesprochen -,
dass eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern 170 Euro
mehr pro Jahr zahlen muss. Im nächsten Jahr werden es sogar 240 Euro sein. Das heißt auf gut Deutsch, dass Ökosteuer plus steigende Sozialversicherungsbeiträge im
Grunde dazu führen, dass Familien schon am 1. Januar
jeden Jahres nicht mehr, sondern eher weniger in der Tasche haben, auch wenn Sie auf der Grundlage eines
Bundesverfassungsgerichtsurteils das Kindergeld erhöht haben. Die Ökosteuer war besonders unsozial für
die Familien.
({9})
Das, was Sie bei den Alleinerziehenden angerichtet haben, haben Sie doch in Ihrer eigenen Familie erlebt. Ihre
eigene Schwester, Herr Bundeskanzler, hat Ihnen ins
Stammbuch geschrieben, dass eine allein erziehende Mutter aufgrund Ihrer Politik 1 027 Euro im Jahr verliert. Wie
wollen Sie das rechtfertigen? Wollen Sie etwa behaupten,
dass das sozial gerechte Politik sei? Ich kann nicht erkennen, dass das sozial gerecht ist.
({10})
Wenn ich von der größten Täuschung der Wähler in der
deutschen Nachkriegsgeschichte spreche, dann meine ich
auch nicht Ihr gebrochenes Versprechen hinsichtlich der
Arbeitslosigkeit. Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt
({11})
- wir haben Sie nicht dazu aufgefordert -: Wenn ich bis
zum Ende der jetzigen Legislaturperiode nicht dafür gesorgt habe, dass die Zahl der Arbeitslosen unter 3,5 Millionen liegt, dann bin ich bzw. sind wir es nicht wert, wieder gewählt zu werden. Wir sagen deshalb: Dort, wo Sie
Recht haben, sollen Sie auch Recht bekommen, Herr Bundeskanzler. Die Quittung bekommen Sie am 22. September dieses Jahres.
({12})
Man muss den Menschen in diesem Land immer wieder sagen, dass dieses Versprechen, Herr Bundeskanzler,
wohl kalkuliert war; denn Sie wussten, dass ab 1998 jedes
Jahr 200 000 Menschen mehr in Rente gehen werden, als
junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen. Deshalb
haben Sie sich sicherlich gedacht: 4,1 Millionen minus
4 mal 200 000 ist gleich 3,3 Millionen. Deshalb bin ich
auf der sicheren Seite, wenn ich verspreche, die Zahl der
Arbeitslosen auf 3,5 Millionen zu reduzieren. - Die Tatsache, dass die Zahl der Arbeitslosen noch immer über
4 Millionen liegt, macht Ihre Fälschung der Arbeitsplatzstatistik ganz offensichtlich. Sie rechnen nämlich die 630Mark-Arbeitsverhältnisse mit ein.
({13})
Die Wahrheit nach vier Jahren Rot-Grün heißt: Es gibt
heute weniger Arbeitsplätze als 1998.
({14})
Diese Entwicklung muss endlich wieder verändert werden.
({15})
Wenn Sie immer wieder auf die Wahlkampf-ABM aus
dem Jahre 1998 verweisen, dann muss ich Ihnen sagen:
Der Bundesfinanzminister persönlich ist stolz darauf, dass
ihm in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro mehr für die Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stehen. Die Wahrheit ist,
dass Sie natürlich auch in der Arbeitsmarktpolitik vieles
gemacht haben, das nach Meinung von Herrn Hartz ineffizient ist, und dass Sie beim Arbeitsmarkt nicht auf Wachstum und Befreiung gesetzt haben. Sie haben Deutschland
vielmehr in einem Wust aus Regeln und unsinnigen Gesetzen erstickt und damit den Menschen Initiative und Kreativität genommen. Das ist die Wahrheit über Rot-Grün!
({16})
Deshalb muss man einfach feststellen: Schon bis hierher war die Realität rot-grüner Politik: versprochen - gebrochen. Sie haben 1998 Ihre Chance gehabt. Sie wissen
doch auch, dass die Menschen Ihnen mit großen Erwartungen entgegengetreten sind.
({17})
Sie hätten doch die Möglichkeit gehabt, wirklich etwas in
Ihre Richtung zu bewegen.
({18})
Sie können heute die Dinge nicht so wenden, wie es Ihnen
passt, und dann, wenn wir die Realitäten benennen, sagen,
wir würden Deutschland schlecht reden. Wer nicht fähig
ist, die Realität zur Kenntnis zu nehmen, der ist schon gar
nicht zur Veränderung fähig. Deshalb muss sich in
Deutschland etwas ändern.
({19})
Herr Ministerpräsident Clement, in Ihrem Land gibt es
im Wahlkampf wegen mangelnder Mobilisierung Ihrer eigenen Truppenteile den Slogan: Ich wähle der Doris ihren
Mann seine Partei. - Herr Clement, ich würde an Ihrer
Stelle schreiben - das hat wieder nichts mit Schlechtreden
zu tun -: Wir versaufen unsrer Oma ihr klein Häuschen. Das ist die Bilanz von vier Jahren Rot-Grün: keine Zukunftsinvestitionen, sondern leben von der Substanz dieses Landes.
({20})
Wenn ich vom größten Betrug am Wähler spreche - der
spielt sich leider in der Schlussphase dieses Wahlkampfs
ab -,
({21})
dann meine ich das Spiel des Bundeskanzlers mit den
Ängsten der Menschen vor Krieg und Terror.
({22})
Dies markiert den Gipfel einer Legislaturperiode, in der
man die Erwartungen der Menschen sowieso schon mit
Füßen getreten hat.
({23})
Die Hoffnung zu wecken, mit Ihrer Position beim Irak
könnte eine Bundesregierung die Chance haben, nach
dem 22. September durchzukommen, ist der schamloseste Betrug am Wähler, den ich in meiner politischen Geschichte und viele andere jemals erlebt haben, Herr Bundeskanzler.
({24})
Ich sage „schamlos“ - Sie würden wahrscheinlich „unanständig“ sagen -, weil es hier nicht um Dinge geht, die
auch wichtig sind - wie Arbeitsplätze, Steuern und vieles
andere -, sondern um die Ängste und Gefühle der Menschen, und mit denen spielt man in verantwortlicher Politik in Deutschland nicht.
({25})
Das hat nichts damit zu tun, dass wir ein Thema zum
Tabu erklären wollen. Selbstverständlich muss man über
die Frage von Krieg und Frieden im Zusammenhang mit
dem Irak sprechen,
({26})
aber man muss es so tun,
({27})
dass man verantwortlich handelt im Blick auf das, was
notwendig ist.
({28})
Herr Bundeskanzler, Sie wissen doch ganz genau, dass
Ihre Position überhaupt nicht haltbar ist. Wenn wir an der
Regierung sind, wird es Wochen und Monate dauern, bis
das von Ihnen in diesen Tagen zerstörte Vertrauen wiederhergestellt werden kann.
({29})
Sie wissen doch, dass die Isolierung einer großen Nation, gerade einer Exportnation wie Deutschland, auf
Dauer überhaupt nicht durchzuhalten ist. Sie wissen doch
um die Einflüsse zwischen Politik und Weltwirtschaft; ich
nenne nur das Beispiel WTO. Sie selbst haben sich doch
vor wenigen Tagen in Johannesburg hingestellt und die
Vereinigten Staaten von Amerika gegeißelt, weil sie in
Umweltfragen einen Alleingang machen. Ich finde das
genauso falsch wie Sie. Genauso darf sich Deutschland
nicht an die Seite stellen und sich isolieren, sondern muss
mit der Gemeinschaft eine gemeinsame Position finden.
({30})
Zu Ihrer Politik des letzten Jahres kann man nur sagen:
Von der uneingeschränkten Solidarität am 11. September
2001 zum uneingeschränkten Alleingang am 11. September 2002, das ist zu viel für jeden ernst zu nehmenden
Menschen.
({31})
Ich frage Sie allen Ernstes: Wohin kämen wir eigentlich,
wenn alle wichtigen Nationen dieser Welt so vorgehen
würden wie Deutschland? Das ist unverantwortlich.
Während des Wahlkampfes haben sich die Maßstäbe
Ihrer Politik verschoben.
({32})
Wenn Herr Müntefering sagt, dass Deutschland auch
dann, wenn Beweise vorlägen, niemals UN-Maßnahmen
unterstützen würde, dann kann ich nur sagen: Das hat
nichts mit Verantwortung zu tun, sondern zeigt nur, dass
die deutsche Außenpolitik jetzt zur Unterabteilung der
Kampa geworden ist. So kann man in Deutschland nicht
vorgehen.
({33})
Es liegt in der Tradition der christlichen Parteien CDU
und CSU, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg nie einen
politisch verantwortlich Handelnden gegeben hat, der
Deutschland in ein Abenteuer geführt hat. Allein Ihre unentwegt wiederholte Aussage, dass mit Ihnen kein Abenteuer zu machen sei, fordert die Feststellung heraus: Ein
Abenteuer ist mit überhaupt keinem verantwortlichen Politiker zu machen, auch nicht mit Politikern von CDU und
CSU.
({34})
Ich versichere Ihnen: Mit uns ist in Bezug auf den Krieg
genauso wenig ein Abenteuer zu machen wie in Bezug auf
Wege in Deutschlands Isolation. Beide Arten von Abenteuer finden mit uns nicht statt.
({35})
Ich sage dies sehr bewusst als jemand, der wie vermutlich alle hier im Haus viele Briefe und viele Telefonanrufe
von Menschen bekommt, die sich Sorgen machen und
Angst haben. Gerade ältere Menschen in diesem Land
äußern: Ich habe den Krieg noch selber miterlebt. Könnt
ihr bitte etwas tun, dass ich das nicht wieder erleben
muss? Ich kann es nicht schaffen, ich habe Angst vor
Bomben.
({36})
Natürlich kennen auch wir die Umfragen und wissen
um die Meinung zu einem militärischen Einsatz im Irak.
Wir wären doch blind und taub, wenn wir solche Ängste
ignorierten. Aber wir müssen in diesem Hause als Menschen und als Politiker entscheiden, worin das Interesse
unseres Landes besteht; beide Sichtweisen müssen zusammengehen. Deutschland ist nicht irgendein Land, sondern das größte Land in Europa. Deshalb ist gerade in diesem Punkt eine Politik der Verantwortlichkeit gefragt,
({37})
nicht aber eine Politik, die das Fähnchen morgens entsprechend den Meinungsumfragen nach dem Wind hängt.
({38})
Als verantwortlicher Politiker müssen Sie schon ein
paar Fragen beantworten.
({39})
Was ist die Lehre aus dem Schicksal der Deutschen, die
auf der tunesischen Insel Djerba an einem Urlaubstag im
April dieses Jahres nach einem Bombenattentat in der Synagoge ihr Leben verloren? Was ist die Lehre aus den
Festnahmen in Heidelberg vor wenigen Tagen, aus der
Tatsache, dass nicht die deutsche Polizei, sondern der
amerikanische Geheimdienst die Gefahr entdeckte und
Gott sei Dank einen schrecklichen Anschlag vereitelte?
({40})
Beide Beispiele zeigen: Die Lösung besteht mit Sicherheit nicht in einem Alleingang. Vielmehr verlangt die
Globalisierung von uns - Sie haben es doch theoretisch so
oft gesagt -, endlich neu über das Verhältnis von innerer
und äußerer Sicherheit nachzudenken. Beides ist nicht
voneinander zu trennen.
({41})
Wir können beides für unsere Länder nur durchsetzen,
wenn wir eine Allianz der Starken dieser Welt bilden, die
Demokratie und Freiheit wollen, nicht aber, wenn wir in
Deutschland Alleingänge unternehmen.
({42})
Am 11. September 2002 haben wir alle in einem beeindruckenden Gottesdienst im Berliner Dom der Opfer
des 11. September 2001 gedacht. Bischof Huber hat gesagt: Selig sind die, die Frieden stiften; denn sie werden
Söhne und Töchter Gottes genannt. Diese Worte aus der
Bergpredigt hat er ausgelegt und gesagt, oft werde dieser
Teil der Verkündigung Jesu als Aufforderung dazu gedeutet, Unrecht einfach nur hinzunehmen. Das sei ein
Missverständnis. Die Bergpredigt lade vielmehr dazu ein,
Möglichkeiten gewaltfreien Handelns zu erkunden. Dann
sagte er weiter: Selig sind die Friedensstifter - nicht die
Friedfertigen, sondern die Friedensverfertiger.
({43})
Das sei die entscheidende Botschaft der Bergpredigt, so
Bischof Huber.
({44})
Ich kenne die Position der Kirchen bezüglich des Irak.
Aber, meine Damen und Herren, in der Botschaft ist von
einem aktiv handelnden Menschen, einem Friedensstifter,
die Rede. Deshalb ist nach meiner Auffassung ein Bundeskanzler nur dann ein Friedensstifter, wenn er zum Telefonhörer greift,
({45})
durch Europa reist und etwas unternimmt, um seine Position in Europa und in der Welt durchzusetzen, nicht aber
dann, wenn er auf deutschen Marktplätzen den Menschen
durch Schreien Angst macht.
({46})
Was ist jetzt nach der Rede von Präsident Bush?
Deutschland wird bald nicht ständiges Mitglied im UNSicherheitsrat sein. Wo sind Sie denn, wenn die Briten an
UN-Resolutionen arbeiten? Sie sitzen noch nicht einmal
am Katzentisch, weil Ihnen nach Ihren Reden hier in
Deutschland niemand mehr ein Stück Brot abnimmt.
({47})
Meine Damen und Herren, nach dem 11. September
vergangenen Jahres habe ich mich oft dagegen gewehrt,
wenn es hieß, nichts sei mehr so, wie es einmal war. Ich
halte diesen Satz für falsch und völlig überzogen; denn die
Werte, nach denen wir unsere Politik ausrichten, sind nach
dem 11. September dieselben wie vorher.
({48})
Aber eines wissen wir seit dem 11. September:
Wir wissen spätestens seit dem 11. September, eigentlich bereits seit Auschwitz, dass der Mensch zu
absolut allem fähig ist.
Diesen Satz hat der Vorsitzende des Zentralrates der Juden
in Deutschland, Paul Spiegel, gestern in einem Gastkommentar in der „Welt“ geschrieben. Das heißt für mich sehr
konkret: Wenn wir die Lehre von Auschwitz ernst nehmen
und aus der Vernichtung der Juden in Deutschland und der
Welt eine Lehre ziehen, dann müssen wir dies mit Blick
auf die Zukunft, auf verantwortliche Politik heute tun.
Ich möchte es niemals erleben, dass sich eine deutsche
Bundesregierung fragen lassen muss: Habt ihr alles getan,
um zu verhindern, dass der Diktator im Irak die Juden in
Israel in Lebensgefahr bringen konnte?
({49})
- Ja, das müssen Sie sich schon anhören. - Habt ihr vergessen, dass es das erklärte Ziel Husseins ist, die Existenz
Israels zu vernichten? Habt ihr wirklich den Anfängen gewehrt? Es ist ausgesprochen problematisch, wenn der irakische Außenminister Nadschi Sabri in diesen Tagen sagt,
Deutschlands Veto erfolge im Namen aller Völker, die
sich nicht damit abfänden, dass eine Hand voll jüdischer
und amerikanischer Gruppen der Welt ihren Willen aufzwingt. Einen solchen Kronzeugen möchte ich für deutsche Politik nicht haben. Sie haben zurzeit einen solchen
Kronzeugen, davon müssen wir schnellstens wieder wegkommen und dafür wird die Union sorgen.
({50})
Deshalb liegen neun Tage vor der Wahl die Alternativen in Deutschland klar auf dem Tisch:
({51})
in der Innenpolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Arbeitsmarktpolitik
({52})
und auch in der Außenpolitik.
({53})
In der Außenpolitik hätte ich es mir nicht vorstellen können.
Die Alternative lautet: entweder mit Rot-Grün weitere
Steuererhöhungen oder mit uns endlich ein Stopp der
Steuererhöhungen und wieder Wachstum in Deutschland,
({54})
entweder mit Rot-Grün weitere unsinnige Gesetze wie die
Gesetze über Scheinselbstständigkeit und den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit oder mit uns ein Befreiungsschlag auf dem Arbeitsmarkt,
({55})
eine Abschaffung dieser Gesetze und die Schaffung betrieblicher Bündnisse für Arbeit, endlich wieder Luft zum
Atmen für diejenigen, die in diesem Lande Leistungsträger sind und ohne die wir nicht auskommen,
({56})
entweder mit Rot-Grün ein weiterer schleppender Umgang mit notwendigen Sicherheitsmaßnahmen - denken
Sie doch nur an das Theater zwischen Rot und Grün bei
den biometrischen Merkmalen in Ausweisen und Pässen;
was ist denn so schlimm daran, neben einer Fotografie
noch einen Fingerabdruck zu haben, Sie sollten sich endlich bewegen - oder aber konsequentes Verhalten in der
inneren Sicherheit und - ich sage das in allem Ernst - eine
vernünftige Verknüpfung von innerer und äußerer Sicherheit im Zuge unserer Erfahrungen mit dem Terrorismus.
Das ist die Alternative.
({57})
Herr Clement, auch wenn Sie hier mit noch so treuen
Augen über die Zuwanderung sprechen: Sie wissen
doch, wie es ist. Die Menschen im Lande wissen, dass Ihr
Gesetz keine Begrenzung von Zuwanderung bietet.
({58})
Die Menschen im Lande wissen auch, dass Herr Schily
am Anfang dieser Legislaturperiode gesagt hat
({59})
- diesen Satz hätte ich nicht gesagt; regen Sie sich doch
nicht auf -, dass das Maß des Zumutbaren überschritten
ist. Sie wissen, dass in Deutschland spätestens nach PISA
({60})
völlig klar ist: Bevor wir eine neue Zuwanderung bekommen, müssen wir erst einmal die Integration der bei uns
lebenden ausländischen Kinder verbessern.
({61})
Sie haben keine einzige Mark dafür vorgesehen, das
Problem, dass in Berlin-Kreuzberg 40 Prozent der ausländischen Kinder und Jugendlichen weder einen Schulnoch einen Berufsabschluss haben, zu beseitigen. Trotzdem reden Sie über mehr Zuwanderung. Mit uns haben
Sie die Alternative; wir werden das ändern. Dieses Gesetz
wird so nicht in Kraft treten.
({62})
Es hat mich gefreut, dass die FDP auch etwas ändern will.
Somit wird Deutschland ab dem 22. September ein anderes Zuwanderungsgesetz erhalten.
({63})
Deshalb wird es - auch in der Außenpolitik - eine
Richtungsentscheidung sein. Es geht nämlich um die
Frage, wie wir deutsche Interessen besser vertreten.
({64})
Geschieht dies durch emotionales Geschrei auf deutschen
Marktplätzen oder durch Freundschaft, Kooperation und
Vertretung deutscher Interessen zusammen mit Verbündeten und Freunden auf dieser Welt? Wir entscheiden uns für
den zweiten Weg.
({65})
Diese fünf Punkte markieren die Alternativen, über die die
Menschen am 22. September entscheiden können.
({66})
Meine Damen und Herren, vor ein paar Tagen hat
- nach einem Bericht in einer niedersächsischen Zeitung Ihr Fraktionsvorsitzender Stiegler, der hier möglichst spät
zu Wort kommt, weil Sie es selbst schon fürchten,
({67})
den Unionskanzlerkandidaten Edmund Stoiber - hören
Sie gut zu - als „Experten im Lügen“ bezeichnet.
({68})
Er hat gesagt, er zeige „Züge von Schizophrenie“.
Schließlich hat er hinzugefügt: „Nero hat Rom angesteckt, so etwas will Herr Stoiber auch.“
({69})
So viel nur zum fairen Wahlkampf in Deutschland. Das ist
vollkommen inakzeptabel.
Wir sind froh, dass die Meinungen über Edmund
Stoiber bei den Sozialdemokraten doch auseinander gehen. Ein anderer wichtiger Sozialdemokrat hat nämlich
vor ein paar Jahren in einem Interview über unseren
Kanzlerkandidaten gesagt: Er, Edmund Stoiber, hält, was
er verspricht, und er zieht es dann auch durch. Ich sage:
Herr Bundeskanzler, selten sprechen Sie die Wahrheit; damals haben Sie die Wahrheit gesprochen. Wir dachten, wir
sagen das den Menschen mit Ihrer Unterschrift: Er zieht
die Dinge durch und hält, was er verspricht.
({70})
Die Politik der gebrochenen Versprechen wird beendet das wird das Ergebnis des 22. September sein.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({71})
Nun erteile ich dem
Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff, das Wort.
Dr. Harald Ringstorff, Ministerpräsident ({0}): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich bei der Rede von
Frau Merkel eben gefragt, woher sie den Mut nimmt, von
einer Täuschung der Wähler zu sprechen.
({1})
Frau Merkel, wer hat denn die Wähler, insbesondere in
Ostdeutschland, zweimal mächtig getäuscht,
({2})
und zwar das erste Mal - das war 1990 - mit den Versprechungen von den blühenden Landschaften in drei bis
vier Jahren und das zweite Mal - das war 1994 - mit dem
Versprechen, die Arbeitslosigkeit innerhalb der nächsten
Legislaturperiode zu halbieren? 1998 hat man Ihnen Ihre
Versprechungen zu Recht nicht mehr geglaubt.
({3})
13 Jahre nach der Wende wissen wir: Für den Aufbau
Ost gibt es keine Patentrezepte; wer behauptet, er habe
sie, der sagt die Unwahrheit.
({4})
Die Ostdeutschen sind misstrauisch geworden, vor allem
denen gegenüber, die uns schnell blühende Landschaften
versprochen hatten. Zwischen den Zahlen lesen, das hatten wir zu DDR-Zeiten gelernt; aber 1990 wollten viele
Menschen im Osten glauben, was man ihnen erzählte. Das
Vertrauen und die Erwartungen in die Politik waren riesengroß und dieses Vertrauen hat die Kohl-Regierung
durch ihre leichtfertigen Versprechungen enttäuscht.
({5})
Im Osten haben wir aber inzwischen wieder ein untrügliches Gespür dafür entwickelt, wer es ehrlich mit uns
meint und wer nicht. Wir lassen uns kein X mehr für ein
U vormachen. Wer uns heute besucht, der bekommt das
zu spüren. Wir prüfen jeden, der etwas von uns will, auf
Herz und Nieren und vor allem dem, der unsere Stimme
will.
Eine solide Politik für den Osten kostet heute vor allem
eines: den Mut, den Menschen zu sagen, was Politik leisten kann und was nicht. Der Glaube an die staatliche Obrigkeit, auch an die staatliche Steuerung wirtschaftlicher
Prozesse ist im Osten noch weit verbreitet. Politisch verantwortlich gegenüber dem Osten handeln heißt daher
nicht, den Glauben zu verbreiten, die Politik oder gar ein
einzelner Politiker könnte alles richten.
({6})
Politisch verantwortlich gegenüber dem Osten zu handeln
heißt, solide Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der
Osten in Zukunft auf eigenen Beinen stehen kann.
({7})
Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder hatte
1998 erstmals den Mut, diesen Weg zu gehen, weg von
unfinanzierbaren Versprechungen, hin zu Ehrlichkeit,
Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit, weg vom Aktionismus mit immer neuen Sonderprogrammen, hin zu einer
effizienten Förderung von Entwicklungspotenzialen. Die
falschen Weichenstellungen in den frühen 90er-Jahren
durch die Kohl-Regierung wurden korrigiert. Mit der Förderung von Innovation, Investition, Forschung, Bildung,
Infrastruktur und regionaler Netzbildung wurden neue
Schwerpunkte gesetzt, wurde die Politik neu ausgerichtet.
Ich glaube, das ist der richtige Weg, das ist der Weg für
Ostdeutschland.
({8})
Dieser Weg wird mit dem Bundeshaushalt 2003 konkret und konsequent fortgesetzt. 40 Prozent aller Investitionsausgaben fließen in die neuen Länder. Den Schwerpunkt bildet der weitere Ausbau der Infrastruktur. Zur
Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der
ostdeutschen Wirtschaft fließen rund 100 Millionen Euro in
Forschung und Entwicklung. Durch das Stadtumbauprogramm Ost wird die Lebensqualität in den Städten weiter
verbessert.
({9})
Die neuen Länder sind auf dem Weg zu einer zukunftsorientierten Wirtschaft vorangekommen. Die wirtschaftliche Struktur hat sich erheblich verbreitert. Die neuen Länder sind inzwischen zu einer exzellenten Adresse für
Investoren geworden; aber wäre nach der Wende mehr erhalten geblieben, käme heute leichter etwas hinzu.
({10})
Die Kohl-Regierung hat uns 1998 mehr Probleme ungelöst hinterlassen, als sie gelöst hat. Die ostdeutsche
Industrie war weitgehend abgebaut. Der Aufschwung
von Anfang der 90er-Jahre war auf der Bauwirtschaft aufgebaut. Mit Steuersparmodellen und Fördermitteln wurde
zu oft am Bedarf vorbei ein künstlicher Bauboom ausgelöst, der uns heute Hunderttausende von leer stehenden
Mietwohnungen und Büroflächen beschert hat. Das war
Kapitalvernichtung in großem Umfang.
({11})
Seit 1996 ging es mit der Bauwirtschaft steil bergab.
Der Aufbau der Industrie musste erst Schritt für Schritt
eingeleitet werden. Das war eine schwierige Aufgabe, an
der wir weiter arbeiten müssen, ohne dass die ganz schnellen Erfolge möglich wären. Das ist harte Arbeit, die den
Menschen viel abverlangt. Dazu kommt, dass Sie 1998
die Arbeitsmarktsituation mit Hunderttausenden von Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen
geschönt haben. Das muss hier noch einmal deutlich gesagt werden.
({12})
Wenn Sie bezüglich der Arbeitslosigkeit mit dem Finger
auf uns zeigen, dann zeigen vier Finger auf Sie zurück.
({13})
Viel Strohfeuer und Aktionismus, das war die Politik der
CDU, unter deren Folgewirkung der Osten noch heute leidet.
Wir kommen Schritt für Schritt voran. Der Aufbau Ost
ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Hinzu kommt,
dass die Flut vieles zunichte gemacht hat, was in jahrelanger Arbeit geschaffen wurde. Mit dem Solidarpakt II
und dem Länderfinanzausgleich ist aber eine solide Basis
geschaffen worden, um den Aufbau Ost erfolgreich fortzuführen. Der Solidarpakt II ist eine politische Leistung,
vor allem des Kanzlers. Das hat er genauso zu seiner Sache gemacht
({14})
wie das solide finanzierte Hilfspaket für die Flutopfer.
Herr Stoiber hat nicht nur gegen den Länderfinanzausgleich geklagt, er klagt jetzt auch gegen den Ost-WestFinanzausgleich der Krankenkassen. Wenn er sich mit
seinen Forderungen durchsetzt, würde das Jahr für Jahr
2 Milliarden Euro weniger für den Osten bedeuten. Ich
fordere Sie, Herr Stoiber, darum auf: Ziehen Sie Ihre
Klage zurück!
({15})
Sie haben uns heute 1 Milliarde Euro für den Osten in einer Legislaturperiode angeboten. Auf der anderen Seite
wollen Sie uns Jahr für Jahr 2 Milliarden Euro wegnehmen. Das ist kein ehrliches Angebot.
({16})
Ich erwarte vom Kanzlerkandidaten der Union auch ein
klares Wort zu den EU-Vorschlägen von Herrn Fischler zur
Landwirtschaft. Unsere Position im Osten ist klar: Wir
lehnen die Kappung der Beihilfen nach Betriebsgrößen ab,
denn sie würde unsere traditionell groß strukturierten Betriebe besonders hart treffen.
({17})
Dabei haben diese Betriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit
nach der Wende eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der
Kanzler hat sich hinter den Osten gestellt. Ich frage Herrn
Stoiber: Wo stehen Sie? Vertrauen ist in der Politik ein
wirklich großes Geschenk. Vertrauen muss man sich hart
erarbeiten, vor allem im Osten. Der Kanzler hat das erkannt und handelt danach. Deshalb schenken wir im
Osten ihm das Vertrauen.
Herzlichen Dank.
({18})
Ich habe zwei Bitten
um eine Kurzintervention vorliegen. Die erste bezieht
sich auf die Rede von Frau Merkel. Ich habe das vorhin
vergessen; deswegen folgen jetzt die Kurzinterventionen.
Frau Köster-Loßack, bitte.
Frau Merkel, Sie haben auf die historische
Verantwortung Deutschlands angespielt. In der Frage der
Irakpolitik des Präsidenten der Vereinigten Staaten war
von der Existenzgefährdung Israels bei den Plänen, die
vorgelegt wurden, bisher nicht die Rede.
({0})
Ich bin für drei Wochen in den Vereinigten Staaten gewesen und habe dort die Zerwürfnisse innerhalb der amerikanischen Regierung mitbekommen. Ich kann nur sagen, dass Kanzler Schröder und Außenminister Fischer
sich gerade dieser historischen Verantwortung gegenüber
Israel sehr bewusst sind, wenn sie es unter diesen Umständen abgelehnt haben, eine unilaterale Attacke gegen
den Irak zu unterstützen.
({1})
Jetzt wurde ein weiterer Schritt auf die Vereinten Nationen zu gemacht. Es ist trotzdem nicht geklärt, was passiert, wenn die internationale Allianz gegen den Terrorismus, die bisher nur sehr prekär war, zerbricht, und was
passiert, wenn die Konflikte in der gesamten Region auch der Kaschmirkonflikt - in kriegerischer Art aufbrechen und dazu führen, dass Israel von den arabisch-islamischen Staaten und von der islamischen Staatengemeinschaft insgesamt dazu verdammt wird, alleine zu stehen.
Ich glaube, wir müssen außenpolitisch die allergrößte
Vorsicht walten lassen und dürfen nicht ganz bestimmten
Interessen innerhalb der amerikanischen Regierung jetzt
das Wort reden. Wir müssen vorsichtig und mit diplomatischem Fingerspitzengefühl vorangehen. An allererster Stelle steht nicht nur unsere Sicherheit, sondern vor allem das Überleben Israels. Das ist die wichtigste Frage,
die hier zunächst gelöst werden muss.
({2})
Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff ({3})
Frau Kollegin Merkel
möchte nicht darauf antworten.
Nun hat der Kollege Nooke das Wort für eine Kurzintervention.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr
verehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, das,
was Sie hier zum Thema Aufbau Ost angeboten haben, ist
falsch. Sie versuchen hier als Ministerpräsident eines
Landes Stimmung zu machen,
({0})
das ganz hinten steht. Sie haben davon gesprochen, dass
es keine blühenden Landschaften gibt. Was ist denn in den
Fluten untergegangen? Was kostet denn jetzt in Sachsen
und Sachsen-Anhalt Geld? Es ist die Wiederherstellung
der blühenden Landschaften von Helmut Kohl. Woran
liegt es denn, dass es bei Ihnen weniger aufwärts gegangen ist?
({1})
Sie sprechen davon, dass die politisch Verantwortlichen im Osten darauf hinweisen müssen, dass der Staat
nicht alles leisten kann. Aber was machen Sie? Sie regieren zusammen mit der PDS und sagen bei Ihrer erneuten
Kandidatur, dass Sie nach den Landtagswahlen wieder
mit der PDS zusammen regieren wollen.
({2})
Diese Partei betreibt doch die entsprechende Stimmungsmache in Ostdeutschland, dass der Staat alles leisten und
bezahlen könne.
({3})
Was Sie hier anbieten, ist doch in höchstem Maße unehrlich.
({4})
Herr Ministerpräsident, schauen Sie sich Ihre Bilanz
an: Vor Ihrer Zeit gab es in Mecklenburg-Vorpommern
eine Bildungspolitik wie in Sachsen und Thüringen. Was
haben Sie erreicht? - Sie liegen ganz hinten, Sachsen aber
auf Platz drei und Thüringen auf Platz vier. Ihre Bilanz
sieht doch so aus, dass das, was Sie hier anbieten, nicht
funktioniert. Ich glaube - das muss man einfach feststellen -, dass nirgends so viel junge Menschen wie aus
Mecklenburg-Vorpommern weglaufen - und das aufgrund Ihrer Politik. Frau Merkel hat die Zahlen genannt:
Im Jahre 2000 sind 61 000 und im Jahre 2001 103 000
mehr Menschen aus dem Osten weggegangen, als aus
dem Westen in den Osten gekommen sind.
({5})
In Ihrem Land ist es am schlimmsten. Ihre Politik ist doch
zum Davonlaufen. Deshalb finde ich es schon erstaunlich,
dass Sie uns hier vorwerfen, wir hätten beim Aufbau Ost
nichts erreicht.
({6})
In den letzten vier Jahren gab es aus Ihrer Fraktion
nicht einen diesbezüglichen Antrag. Herr Thierse gibt den
Hofnarren und macht hier die richtigen Sprüche, Herrn
Schwanitz kennt keiner.
({7})
Das ist Ihre Bilanz bezüglich des Aufbaus Ost. Wir können darüber gerne emotional diskutieren, wir lassen uns
aber unsere Erfolge nicht kaputtreden.
Danke.
({8})
Das Wort zur einer
Erwiderung hat der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff.
Dr. Harald Ringstorff, Ministerpräsident ({0}): Herr Nooke, ich lasse mir von Ihnen
unsere Erfolge nicht kaputtreden.
({1})
Sie verfolgen dieselbe Politik wie der Oppositionsführer
bei uns im Landtag: das Land schlechtreden, schlechtreden, schlechtreden.
({2})
Ich will Ihnen einige Fakten nennen:
Erstens. Unser Bundesland nimmt bezüglich des
Wachstums der gewerblichen Wirtschaft in der letzten Legislaturperiode Platz zwei bezogen auf die ganze Bundesrepublik Deutschland ein.
Zweitens. Wir haben in dieser Legislaturperiode das
zweithöchste Industriewachstum unter den ostdeutschen
Ländern.
Drittens. Wir sind seit drei Jahren Nummer eins im
Tourismus in Deutschland, obwohl Ihr Oppositionsführer
gesagt hat: Aufgrund der rot-roten Regierung würden
keine Touristen mehr zu uns kommen.
Viertens. Unsere Universitäten haben wir so ausgebaut, dass sie im innerdeutschen Ranking auf Platz zwei
stehen.
({3})
Als Letztes: Zu Unionszeiten, Herr Nooke, sind mehr
Leute aus Mecklenburg-Vorpommern weggegangen als
jetzt.
Herzlichen Dank.
({4})
Herr Abgeordneter
Nooke, Sie haben den Bundestagspräsidenten als Hofnarren bezeichnet. Ich rüge Sie deswegen. Ich glaube, wir
sollten aufhören, die Institutionen des Parlamentarismus
zu beschädigen.
({0})
- Herr Thierse ist der Bundestagspräsident und wenn Sie
Herrn Thierse als Hofnarren bezeichnen, bezeichnen Sie
den Bundestagspräsidenten als Hofnarren. Das ist ja wohl
eindeutig.
({1})
Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Gehrcke für die
PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich wusste vor der Debatte
gar nicht, wie wichtig die Frage ist, ob man telefonieren
kann oder nicht. Da kann ich natürlich nicht zurückstehen.
Auch ich habe telefoniert; ich habe mit meiner Frau telefoniert. Die Nummern von Chirac, Putin und Kofi Annan
waren pausenlos besetzt. Wahrscheinlich hat Herr Stoiber
die Leitungen blockiert.
({0})
Aber wenn telefonieren können der Ausweis für Außenpolitik ist, dann sind wir schon sehr heruntergekommen.
Ich glaube, wir sollten hier sehr klar erkennen, dass
das, was Frau Merkel und Herr Stoiber bezüglich des Irak
vorgetragen haben, im Kern heißt: Deutschland wird mitmachen. Unter Windungen und unter Schmerzen kann
Herr Fischer dann wieder sagen, dass sein Herzblut ausfließt, aber Deutschland wird mitmachen. Genau das
muss man mit einem Beschluss des Deutschen Bundestages verhindern.
({1})
Meine Frau hat mir geraten - man muss ja einen Nutzeffekt daraus ziehen -,
({2})
vor dem Bundestag Nelson Mandela, den von allen Fraktionen doch sehr geschätzten, immer wieder zitierten Friedensnobelpreisträger zur Bush-Rede zu zitieren. Ich
möchte Ihnen das vortragen, was Nelson Mandela gesagt
hat:
Die Vereinigten Staaten sind eine Bedrohung für den
Weltfrieden. Die Vorbereitung eines Militärschlags
gegen den Irak im Alleingang mit Großbritannien
muss aufs Strengste verurteilt werden.
Laut Mandela ist die Politik der USA also eine Bedrohung für den Weltfrieden. Die Rede von Präsident Bush
vor den Vereinten Nationen war keine Rede des Friedens.
Es war eine Rede des Krieges. Das, was hier als Angebot
dargestellt wird, heißt doch nichts anderes als: Wenn die
Vereinten Nationen mitmachen, dann sind wir mit euch,
und wenn ihr nicht mitmacht, werden wir es alleine machen. - Das ist die Art und Weise, wie Weltherrschaft ausgeübt wird und wie mit der Souveränität anderer Staaten
umgesprungen wird.
Nach den Wahlen - auch das ist bekannt - ist vor dem
Krieg. Ein Krieg gegen den Irak ist die Fackel in das Pulverfass Naher Osten. Ein Krieg gegen den Irak kann sich
zu einem neuen Weltkrieg, zu einem dritten Weltkrieg,
ausweiten. Es ist ein Krieg um eine neue Weltordnung.
Deswegen halte ich es für gerechtfertigt, von hier aus dazu
aufzufordern, Nein zu diesem Krieg - Nein in der Öffentlichkeit, Nein in den Vereinten Nationen und auch Nein
hier im Bundestag - zu sagen.
({3})
Die Menschen in unserem Lande haben den Eindruck,
dass der Kanzler mit ihren Ängsten - mit den Ängsten
vor Arbeitslosigkeit, mit den Ängsten, dass der Osten
hängen gelassen wird, und mit den Ängsten vor einem
neuen Krieg - spielt, weil er darauf setzt, als starker
Mann auftreten zu können und die Dinge auf sich zu konzentrieren: Chefsache Ost, Chefsache Arbeitslosigkeit
und Chefsache Irak-Krieg. Eins muss ich den Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen lassen: Bei Ihnen
funktioniert der demokratische Zentralismus. Wenn der
Kanzler sagt: „Wir sind für den Krieg“, dann sind Sie alle
für den Krieg,
({4})
wenn der Kanzler sagt: „Wir sind gegen den Krieg“, dann
sind Sie alle gegen den Krieg. Glaubwürdigkeit erreichen
Sie gerade in dieser Frage so nicht.
({5})
Glaubwürdigkeit erreicht man, wenn man nicht auf ein
Kanzlerwort baut. Kanzlerworte kommen und gehen.
({6})
Entscheidend ist, was der Deutsche Bundestag beschließt.
Diesen einfachen Satz, den Sie in der Öffentlichkeit als
Unterstützung Ihres Kanzlers auslegen können, zu beschließen, nämlich dass man an einem Krieg nicht teilnimmt, dem wollen Sie sich verweigern. Das ist doch eindeutig.
({7})
Dazu kommt, dass man nicht nur Worte schwingen
darf, sondern dass Taten gefordert sind. Die Panzer aus
Kuwait müssen zurück - und nicht erst dann, wenn ein
Krieg begonnen hat.
({8})
Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff ({9})
Es muss klargemacht werden, dass die USA in Deutschland keine Überflugs- und Stationierungsrechte im Zusammenhang mit einem Krieg im Irak ausüben können.
Es muss auch klargemacht werden, dass das Drehbuch, in
dem steht, wie dieser Krieg stattfinden soll, schon längst
geschrieben ist. Es war schon kennzeichnend, dass
Außenminister Fischer auf den Kosovo-Krieg aufmerksam gemacht hat. Schauen wir uns das Drehbuch noch
einmal an.
Der erste Schritt war, dass man von einer Drohkulisse
sprach, die aufgebaut werden sollte. Es wurde zwar Nein
zum Krieg gesagt, es wurde aber auch davon gesprochen,
dass man eine Drohkulisse brauche. Auch heute spricht
man von der Notwendigkeit einer Drohkulisse.
({10})
Der zweite Schritt war, dass man gesagt hat, diese
Drohkulisse müsse glaubwürdig und robust sein. „Robust“ ist anscheinend ein Lieblingswort von Außenminister Fischer. Ich habe gelernt, dass er dieses Wort immer
mit Herzbeklemmung und dem Verlust von Herzblut ausspricht. Bei der großen Zahl der Kriegseinsätze, die er im
Parlament gerechtfertigt hat, müsste er eigentlich schon
völlig ausgeblutet sein.
Der dritte Schritt war, dass man in der Bevölkerung
eine Stimmung geschaffen hat, in der man den Krieg
rechtfertigen konnte. Erinnern Sie sich an die Bilder, die
im Bundestag gebraucht wurden! Erinnern Sie sich an den
Hufeisenplan! Erinnern Sie sich an den aberwitzigen Vergleich von Kosovo und Auschwitz! Dieser Vergleich
stammte doch von Vertretern Ihrer Regierung. Wir werden erleben - Frau Merkel hat schon damit angefangen -,
dass solche Bilder wieder im Bundestag gebraucht werden.
Der deutschen Bevölkerung ist nie die Wahrheit gesagt
worden, was die deutsche Kriegsbeteiligung in Afghanistan angeht:
({11})
kein Wort zum KSK und zu den Toten, die es bei den
Militäreinsätzen gegeben hat. Ich will Sie in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, dass 45 Prozent der Menschen in unserem Lande eine deutsche Beteiligung an Militäreinsätzen prinzipiell ablehnen. Sie
hatten im Bundestag nur eine Vertretung; das war die
PDS-Fraktion.
Diesen Menschen will ich sagen: Vielleicht waren unsere Argumente in den vielen Diskussionen nicht immer
gut genug.
({12})
Ich will ihnen weiterhin sagen: Vielleicht waren wir nicht
immer mutig genug. Ich will ihnen sogar zugestehen, dass
vielleicht auch wir Illusionen hinsichtlich Rot-Grün hatten.
Sicher ist aber, dass wir zu wenige waren und dass die
Menschen von uns noch mehr Anstrengungen erwartet
haben, diesen deutschen Kriegskurs zu stoppen und dieser Entwicklung zu widerstehen. Sicher gab es auch bei
uns den Wunsch, nicht immer in der Minderheit zu sein.
Aber sicher ist auch: Wir haben standgehalten, während
andere umgefallen sind.
({13})
Wir haben in diesem Parlament siebzehnmal gegen
deutsche Militäreinsätze und deren Verlängerungen gestimmt. Wir haben gegeben, was wir konnten, weil wir
wussten, dass dieser Weg für Deutschland verhängnisvoll
ist. Wir haben uns im Bundestag oft den Vorwurf anhören
müssen, dass wir Nein sagen. Aber ich habe die Erfahrung
gemacht: In diesem Parlament sitzen zu viele Jasager und
zu wenige Neinsager. Man muss an den richtigen Stellen
auch einmal Nein sagen können.
({14})
Das Szenario, das ich hier aufgezeigt habe, war das
Drehbuch für den Kosovo-Krieg. Dieses Szenario wird
wieder aufgebaut werden, um einen Krieg gegen den Irak
zu begründen. Was der Kanzler bisher gesagt hat, ist aus
meiner Sicht wenig überzeugend und wenig glaubwürdig,
weil er weiß, dass der Weg so verlaufen wird.
Wenn Sie glaubwürdig sein wollen und wenn RotGrün diese Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen will,
dann gibt es dafür zwei Möglichkeiten: Entweder Sie
stimmen dem Antrag der PDS zu - damit hätte der Bundestag entschieden, dass es keine deutsche Kriegsbeteiligung geben wird - oder Sie bringen einen eigenen Antrag
ein, in dem dieser Satz enthalten ist. Wenn Sie beides nicht
wollen, dann betreiben Sie billigen Wahlkampf und sind
wenig glaubwürdig. Sie werden mit der Frage „Ja oder
Nein zum Krieg?“ nicht weiter spielen dürfen. Hier ist
Ernsthaftigkeit gefordert. Nicht der Kanzler, sondern das
Parlament hat die Entscheidung zu treffen.
Schönen Dank.
({15})
Nun erteile ich der
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul das Wort.
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte ist auch eine Debatte über die internationale
Verantwortung Deutschlands. Es geht in der Tat auch um
die Frage, wie man Frieden stiften kann. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass wir alle nach dem
11. September 2001 der Meinung waren, es gehe darum,
dass wir dem Terrorismus notfalls auch mit polizeilichen
und militärischen Mitteln entgegentreten. Es geht aber
auch darum, Schritte in Richtung einer gerechteren Weltordnung zu gehen, um damit beizutragen, die Armut weltweit zu bekämpfen, und um dem Gefühl von Ohnmacht
und Hoffnungslosigkeit weltweit entgegenzuwirken.
({0})
Unsere Regierung hat Schritte in die richtige Richtung
gemacht. Wir wollen und dürfen nicht auf halber Strecke
stehen bleiben. Wir haben dazu beigetragen, die ärmsten
Entwicklungsländer im Umfang von 70 Milliarden USDollar zu entschulden, und es ihnen damit ermöglicht, die
Armut und die Hoffnungslosigkeit in ihren Regionen zu
bekämpfen.
({1})
Das ist ein richtiger Schritt in Richtung Friedensstiftung
und in Richtung einer gerechteren Gestaltung der Globalisierung.
Wir haben für die ärmsten 48 Entwicklungsländer den
völlig freien Marktzugang zur Europäischen Union erreicht.
({2})
Sie haben damit die Chance, selber Einkommen zu erwirtschaften und sich wirtschaftlich zu entwickeln. Damit haben wir der Hoffnungslosigkeit und dem Gefühl
der Unterlegenheit und Ohnmacht weltweit entgegengewirkt. Das ist ein sehr deutlicher Beitrag zur Friedensstiftung.
({3})
Wir packen heute präventiv die Konflikte der Zukunft
an. Mit unserer Entwicklungszusammenarbeit wollen wir
dazu beitragen - das haben wir auf dem Gipfel in Johannesburg international verankert -, dass bis zum Jahr 2015
ein großer Teil der Menschheit Zugang zu sauberem
Trinkwasser und zu sanitärer Grundversorgung hat. Damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass Millionen von
Menschen in der Welt - zumal Kinder - nicht sterben
müssen. Auch damit tragen wir zur Schaffung von Hoffnung und zur Bekämpfung der Armut in der Welt bei.
({4})
Man schätzt, dass bis zum Jahre 2025 etwa 2 Milliarden Menschen von Wasserknappheit drastisch und dramatisch bedroht sind. Wenn wir Unterstützung zur Verwirklichung eines besseren Wassermanagements bieten,
tragen wir dazu bei, künftige Kriege um Wasser zu verhindern. Auch das ist ein Beitrag zur Friedensstiftung.
({5})
In Johannesburg haben wir uns bei unseren Partnerländern für Energieeffizienz und erneuerbare Energien eingesetzt, wie wir es auch in unserer praktischen Arbeit in
der Bundesregierung und in unserem Ministerium tun. Als
Folge des Gipfels von Johannesburg wird es eine große
globale Koalition von mehr als 80 Ländern geben, die
sagen: Wir wollen in diesem Bereich vorankommen. - Sie
leisten damit einen Beitrag dazu, künftige Unwetterkatastrophen und Klimakatastrophen zu verhindern. Auch darum geht es, wenn wir davon sprechen, internationale Verantwortung wahrzunehmen.
({6})
Ich bin es leid, dass immer wieder der Eindruck erweckt wird, internationale Verantwortung nähme man nur
militärisch wahr.
({7})
Was wir heute tun müssen, um künftige Krisen und Kriege
zu verhindern, das tun wir auch.
({8})
Diese Orientierung bringt den Entwicklungsländern
Chancen. Sie schafft bei uns Arbeitsplätze und macht unabhängiger vom Öl. Diejenigen Länder, die sich auf diese
Schwerpunkte konzentrieren, kommen auf den Weltmärkten voran.
Was hat die CDU/CSU getan? Sie hat alle unsere Gesetze im Bereich der erneuerbaren Energien abgelehnt.
Sie setzt auf Atomenergie. Eine Richtungsentscheidung
steht vor uns - das ist wahr -: Es geht darum, ob das, was
wir begonnen haben, die Friedenssicherung und die Konfliktprävention, weiterhin in den internationalen Beziehungen eine Chance hat, fortgesetzt zu werden, oder ob
wir in vergangene Zeiten zurückfallen.
({9})
Angesichts der Probleme die wir hier im Land aufzuarbeiten haben - Stichwort: Lasten der Überschwemmungskatastrophe und wirtschaftliche Entwicklung -,
und angesichts dessen, was international zu leisten ist,
sage ich: Lassen Sie uns doch die in unserem Land und in
der Welt zur Verfügung stehenden Mittel konzentriert
dafür einsetzen, dass diese Probleme gelöst werden, und
lassen Sie uns sie nicht für Krieg verschwenden! Das
muss unsere Orientierung sein; das ist die richtige Perspektive.
({10})
Für das, was ich Ihnen als Entwicklungsministerin im
Folgenden sagen möchte, berufe ich mich auf Horst
Köhler, den Managing Director des Internationalen
Währungsfonds und ehemaligen Staatssekretär im Hause
Waigel. Er warnt vor einem Irak-Krieg und weist darauf
hin, dass ein solcher Krieg dramatische Auswirkungen auf
die Entwicklungs- und Schwellenländer haben wird.
Diese sind am stärksten von weltwirtschaftlicher Rezession bedroht. Für sie würde der Zerfall des Bündnisses gegen den Terrorismus dramatische Auswirkungen haben,
und das Ziel, das wir uns weltweit bis zum Jahr 2015 gesetzt haben, nämlich die Armut drastisch zu bekämpfen,
hätte keine Chance mehr.
({11})
Wer weiß, dass Unsicherheiten auf den Kapitalmärkten
für die Entwicklungsländer drastische Auswirkungen haben und Ölpreiserhöhungen sinkende Wachstumsraten
nach sich ziehen, wer weiß, dass steigende MilitärausgaBundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
ben in letzter Konsequenz durch Aufrüstung Wachstum
bremsen, der muss dafür plädieren, dass wir alle Lösungen versuchen um zu verhindern, dass ein Krieg gegen
den Irak in Gang kommt, und dafür sorgen, dass die politischen Lösungen und nicht das militärische Denken überwiegen.
({12})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die geschätzten Kosten dieses Irak-Krieges liegen bei 80 Milliarden USDollar. Beim Golf-Krieg hat sich Deutschland seinerzeit
mit 18 Milliarden DM beteiligt. Wir werden uns weder finanziell noch militärisch an diesem Irak-Krieg beteiligen.
Wir werden dafür sorgen, dass unsere Position, die heute
im Deutschen Bundestag zum Ausdruck gekommen ist,
sehr klar ist.
({13})
Ich sage Ihnen: Wenn an dieser Stelle der Kanzlerkandidat der CDU/CSU nicht klar Position bezieht und erklärt, was seine Erwartungen und Vorstellungen sind,
dann hat sich die CDU/CSU offensichtlich schon der Perspektive des Krieges unterworfen und will es nur noch
nicht laut sagen, weil sie weiß, wie unpopulär eine solche
Position in der deutschen Bevölkerung ist.
({14})
Das Wort
hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ludwig
Stiegler.
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Wir haben heute Oppositionsreden nach dem
Strickmuster der Rede von Franz Josef Strauß auf der Tagung am 18./19. November 1974 in Sonthofen gehört. Ich
will einige Kernaussagen aus der Strauß-Rede in Erinnerung rufen, damit Ihnen auffällt, was hier zugange ist.
Er sagte damals, erstens darf man in einer solchen Situation überhaupt kein Rezept empfehlen. - Das haben
wir erlebt. Dann sagte er, es muss alles wesentlich tiefer
sinken, es muss einen Schock im öffentlichen Bewusstsein geben. Weiter sagte er, man darf sich nicht um die
Themen kümmern, die viel Detailkunde brauchen, sondern man braucht die Emotionalisierung der Bevölkerung, die Furcht, die Angst und das düstere Zukunftsbild
sowohl innen- wie außenpolitischer Art.
Meine Damen und Herren, er sagte auch, man kann
nicht genug an allgemeiner Konfrontierung schaffen.
Und: Das alles darf uns nicht daran hindern, unter einem
Übermaß an Objektivität zu leiden. Schließlich sagte er
- Stoibers Taktik derzeit -: nur anklagen, warnen, aber
keine konkreten Rezepte nennen!
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben nach der StraußTheorie versucht, die Bevölkerung mit genau dieser Taktik zu überziehen. Sie meinen, Sie müssen ein schwarzes
Loch malen. Ich sage Ihnen aber: In diesem schwarzen
Loch werden Sie selber verschwinden.
({1})
Herr Kollege Stiegler, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Glos?
Bei Michael Glos bleibt mir
nichts anderes übrig.
Bitte
schön, Herr Glos.
Herr Kollege Stiegler, da
Sie gerade beim Polemisieren sind und allgemein bekannt
ist, dass Ihnen dabei manchmal das Temperament durchgeht, frage ich Sie, ob Sie bereit sind, sich für das zu entschuldigen, was Angela Merkel aus einer niedersächsischen
Zeitung vorgelesen hat, nämlich dass Sie Stoiber mit Nero
verglichen und gesagt haben, der wolle das Land anzünden.
Meine Damen und Herren,
Angela Merkel hat mir schöne Stichworte gegeben, du
hättest also gar nicht zu fragen brauchen. Ich wäre schon
noch darauf gekommen. Du darfst dich jetzt auch wieder
hinsetzen,
({0})
weil ich im Laufe meiner Rede darauf eingehe.
({1})
- Ja gut, dann wird es nicht auf die Redezeit angerechnet;
umso besser.
Zum Stichwort „Wahrheit“: Ich habe den Stoiber einen
Experten in Sachen Unwahrheit genannt,
({2})
und zwar aus folgenden Gründen: Was er über die Wirkungen der Steuerreform und insbesondere über die Auswirkungen auf den Mittelstand sagt, ist die glatte Unwahrheit.
({3})
Das Gegenteil von dem, was Herr Stoiber sagt, ist wahr.
Das Gegenteil von dem, was Herr Stoiber über die Wirkungen des Zuwanderungsgesetzes sagt, ist wahr.
({4})
Er steht vor der Wahl: Entweder bekennt er, dass er kein
Gesetz lesen kann, oder er bekennt, dass er vorsätzlich die
Unwahrheit sagt.
({5})
Wer hier wie Herr Stoiber sagt, man mache das Tor für
Millionen Zuwanderer auf, der hat das Gesetz nicht gelesen. Wer behauptet, die Aufhebung der Anwerbestoppverordnung und die Tatsache, dass jetzt im Gesetz steht,
was hier zu regeln ist, bedeute eine Öffnung der Türe,
spricht die Unwahrheit. Die Anwerbestoppverordnung ist
aufgehoben,
({6})
genauso wie die Anwerbestoppausnahmeverordnung.
Wenn Herr Stoiber etwas anderes behauptet, steht er mit
der Wahrheit auf Kriegsfuß.
({7})
Das Gleiche gilt für das, was er über die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes sagt. Das hat mit der objektiven Wahrheit nichts zu tun.
({8})
Wenn Lügen kurze Beine hätten, könnte Edmund Stoiber
die nächsten Stabhochsprungweltmeisterschaften im
Maßkrug ausrichten.
({9})
Herr Kollege...
Dies zu der Entschuldigung,
die Sie angesprochen haben.
({0})
Es ist hier nichts zurückzunehmen.
Herr Kollege Stiegler...
Was Kaiser Nero betrifft: Ich
habe bilderreich geschildert, dass Kaiser Nero den Untergang besingen wollte. Was hat denn Herr Stoiber heute anderes getan, als den Untergang und den Abgrund zu besingen?
({0})
Daraus zieht er seine Lust. Nach Franz-Josef-Strauß-Manier will er sich als Retter in der Not feiern lassen. Wenn
dies so ist, muss er sich gefallen lassen, dass er hart angefasst wird. Man kann nicht selber zulangen, aber dann,
wenn man selbst eine gewischt kriegt, zur Mama laufen.
Das haut nicht hin.
({1})
Herr Kollege Stiegler, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des
Kollegen Glos? Ich bitte Sie aber darum, dass die Antwort
kurz und präzise und nicht eine Nebenrede ist.
Herr Präsident, die Antwort
war kurz und präzise.
({0})
Herr Kollege Stiegler, ich
frage Sie noch einmal -
Herr Kollege Glos, einen Moment bitte! Herr Kollege Stiegler, das
beurteile ich. Diese Antwort war nicht kurz und präzise.
Ich bitte, auf die nächste Frage kurz und präzise zu antworten.
({0})
Herr Kollege Glos, bitte schön.
Heißt das, dass Sie nicht
bereit sind, sich für diese einmalige Entgleisung durch
den Vergleich mit Nero, der - wie Sie gesagt haben - Rom
absichtlich angezündet hat, zu entschuldigen? Bis jetzt
war es ein wortreiches Herumreden.
Ich habe nicht gesagt, dass
Stoiber Rom anzünden will, sondern dass er sich wie weiland Kaiser Nero am Untergang des Vaterlandes weiden
und es besingen will, um sich als Retter in der Not feiern
zu lassen. Das war die Botschaft.
({0})
Wer Ohren hat, der höre!
({1})
- Wer Ohren hat, der höre!
Meine Damen und Herren, Sie können nicht glauben,
dass Sie hier über die Marktplätze und über das Land ziehen und diese Bundesregierung und die sie tragende Koalition mit falschen Aussagen, mit Aussagen, die grob
wahrheitswidrig sind, angreifen können und meinen, wir
würden uns dann hinstellen und sagen: Haut uns auch
noch auf die rechte Backe! Hier gilt alttestamentarisch:
Auge um Auge, Zahn um Zahn.
({2})
- Ich glaube schon, dass Ihnen das nicht gefällt. Wenn die
FDP noch etwas mausig wird, lese ich noch vor, was
Strauß über die FDP gesagt hat.
({3})
Dann zerstöre ich aber manche Beziehungen.
Wir haben hier erlebt, dass Sie meinen, alles schwarz
malen zu können. Sie sind zwar Schwarze, aber deshalb
ist hier nicht alles schwarz zu malen. Ich fange mit dem
Kollegen Beckstein an. Welche Krisenszenarien hat er
nicht vor dem 11. September aufgebaut! Er wollte das
Land in Unsicherheit und Furcht vor Terror bringen, um
sich hinterher als Retter in der Not preisen zu können. Wir
haben Otto Schily, der zu Vernunft und zu Zurückhaltung
gemahnt hat. Otto Schily hat Recht behalten. Günther
Beckstein sollte sich bei Otto Schily entschuldigen.
({4})
Ich will mir hier kurz anschauen, was Sie zu Ihrer Hinterlassenschaft sagen: Sie sind auf der Flucht vor Ihrer
Vergangenheit. Sie haben 1998 einen Sanierungsfall hinterlassen. Wir zahlen 75 000 Euro pro Minute für Ihre
Schuldenlast, auch jetzt, wo wir hier zusammensitzen.
Und was wollen Sie? Kaum ist der Stall des Augias ausgemistet, wollen Sie wieder einziehen und zum Beispiel
bei der Hochwasserhilfe neue Schulden machen. Sie bleiben draußen!
({5})
Sie jammern über Steuern und Abgaben, haben uns
aber die höchste Steuer- und Abgabenlast hinterlassen.
Glauben Sie bloß nicht, dass Ihnen die Menschen das
glauben, was Sie hier erzählen! Selber nichts zustande
bringen und bei anderen fordernd auftreten, so haben wir
nicht gewettet.
({6})
Meine Damen und Herren, jetzt schlägt es dreizehn.
Sie kommen daher und nennen die Arbeitslosigkeit eine
Katastrophe. Dass Sie kein Griechisch können, weiß ich
inzwischen; „katastrophae“ heißt: plötzliche, jähe Wendung. Schauen wir uns doch einmal die Entwicklung der
Arbeitslosigkeit an: In der Regierungszeit von CDU/CSU
und FDP ist die Arbeitslosigkeit Jahr für Jahr gestiegen;
der Scheitelpunkt war 1998.
({7})
Gerhard Schröder und die rot-grüne Koalition haben
dafür gesorgt, dass die Arbeitslosigkeit zurückging. Wir
haben jetzt eine niedrigere Arbeitslosigkeit als zu Ihrer
Zeit.
({8})
Während Sie sich mit Ihrer Semantikabteilung besprechen, weil Sie bei der Hochwasserhilfe so schlecht ausgesehen haben, wollen Sie plötzlich die Hilfe in der Not verkleinern und wollen eine Entwicklung fortsetzen, dessen
Erbe wir von Ihnen übernommen haben. Stellen Sie sich
Ihrer Verantwortung! Es ist eine alte konservative Tradition, Schwierigkeiten zu hinterlassen und sich dann vom
Acker zu machen. Stellen Sie sich endlich Ihrer Verantwortung!
({9})
Meine Damen und Herren, Sie haben hier getreu nach
Franz Josef Strauß keine Rezepte genannt,
({10})
weil Sie nur anklagen wollen, weil Sie sich als Retter in
der Not feiern lassen wollen. Wir nennen der Bevölkerung
unsere Projekte: Vereinbarkeit von Familie und Beruf
bzw. Schule, Gleichstellung von Frauen und Männern,
Chancengleichheit der Kinder aus bildungsfernen Schichten.
({11})
Bei Ihnen ist das BAföG untergegangen. Durch uns sind
wieder fast 100 000 mehr Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten in der BAföG-Förderung. Das
ist konkrete Politik für die Menschen.
({12})
- Das Meister-BAföG kommt hinzu.
Oder reden wir über die alternativen Energien:. Sie
sind noch im Industriemuseum, während wir weltweit
Spitze in der Entwicklung alternativer Energien sind.
({13})
In dem Zusammenhang äußere ich meine Sorge vor der
Bewusstseinsspaltung von Edmund Stoiber: Wenn in Temelin in der Tschechischen Republik ein Atomkraftwerk
gebaut wird, dann droht der Untergang des bayerischen
Waldes. Wenn nebenan in Ohu ein Atomkraftwerk steht,
dann ist das ein Wunderwerk der Technik.- Meine Damen
und Herren, wer zwei gleiche Anlagen unterschiedlich beurteilt, die nur etwa 100 Kilometer auseinander liegen, der
kann nicht ganz dicht sein.
({14})
- Dann nehmen Sie die Aussagen zu Temelin zurück! Das
ist im Grunde ein Nationalismus, um nicht einen härteren
Ausdruck zu verwenden. Man kann nicht sagen, dass damit auf der einen Seite die Welt untergeht und auf der anderen Seite die Rettung wartet. Damit haben wir als Oberpfälzer einige Erfahrungen. Sie wollten uns auch einmal
eine WAA als Fahrradspeichenfabrik andienen. Wir aber
haben Sie mit Ihrer „Fahrradspeichenfabrik“ vertrieben.
Dafür haben wir jetzt BMW.
({15})
Wir machen mit der Politik für alternative Energien
eine Politik des Friedens mit der Natur. Wir werden es
dem Staustufen-Edi nicht erlauben, die Donau zuzubetonieren. Die schöne blaue Donau bleibt unserem bayerischen Lande erhalten.
({16})
Sie greifen die Hartz-Kommission an. Es wird vor allem spannend, wenn man die Meinungen von Herrn Späth
und ihre Entwicklungen verfolgt.
({17})
Herr Späth ändert seine Meinungen wie ein Zufallsgenerator. Erst waren die Hartz-Vorschläge eine revolutionäre
Idee, dann waren sie von der CDU/CSU abgeschrieben,
am Ende war es der größte Mist. Letzteren Zusammenhang kann ich noch verstehen. Hintergrund dessen aber
ist, dass Sie, meine Damen und Herren, in Wahrheit kein
Rezept für den Arbeitsmarkt haben. Daher wollen Sie das
Ganze mies machen und sind neidisch, dass der Kanzler
die Gelegenheit genutzt hat, um Änderungen durchzusetzen. 30 Jahre lang haben Sie den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit gestellt. Eingefallen ist Ihnen nichts.
Jetzt, da anderen etwas einfällt, wird es von Ihnen
schlecht geredet.
({18})
Sie jammern, der Mittelstand lechze nach Steuersenkungen. Ihr Steuerprogramm vermittelt vielleicht den
Eindruck, den Mittelstand zu fördern. Die Senkung des
Spitzensteuersatzes ist aber alles andere als eine Mittelstandsförderung. Der Mittelstand sieht den Spitzensteuersatz nur von weitem. Das zentrale Problem des
Mittelstandes ist die Eigenkapitalausstattung und die Kreditfinanzierung. Deshalb ist der Jobfloater die angemessene Antwort. Wir werden in unserem Land auch in Zukunft dafür sorgen müssen, dass regionale Banken und
Sparkassen Jobfloater für den Mittelstand ausgeben; denn
der Mittelstand ist in Ihrer Zeit durch hohe Steuern ausgeblutet worden. Hinzu kam, dass ausgeschüttete Gewinne
steuerlich besser als einbehaltene Gewinne gestellt wurden. Das ist die eigentliche Ursache der Krise des Mittelstandes, die wir bewältigen und nicht Sie.
({19})
Der Kanzler und der Finanzminister haben mit Basel II
ein Verhandlungsergebnis erzielt,
({20})
das den Mittelstand in Zukunft bei der Kreditversorgung
besser als zu Ihrer Zeit stellt. - Sie brauchen sich nicht an
den Kopf zu fassen,
({21})
das trifft Sie selber. - Wir haben für den Mittelstand erreicht, dass der kleine Mittelständler bei der Hinterlegung
des Eigenkapitals in Zukunft besser gestellt wird. Das ist
unsere Leistung.
Edmund Stoiber dagegen hat für seinen „Mittelständler“ Kirch Milliardenkredite aufs Spiel gesetzt. 11 Milliarden Euro Kreditausleihvolumen der Landesbank, über
200 Millionen Euro Gewerbesteuer und 200 Millionen
Euro Körperschaftsteuer sind verschwunden, weil unser
Neo-Berlusconi Herrn Kirch die Kredite hinterher geworfen hat, wie andere Menschen Pferden Heu hinwerfen.
({22})
Wir haben den Aufbau Ost vorangebracht, während Sie
blühende Landschaften nur versprochen haben. Wir haben den Solidarpakt entwickelt. Ich sage genauso wie
Harald Ringstorff: Nehmen Sie die Klage zurück, die sich
gegen die Solidarität bei den Krankenkassen richtet.
Wenn Sie in Ostdeutschland sind, wird Ihre Stimme wie
die des Wolfs, der Rügener Kreide gefressen hat. Plötzlich
dienen Sie sich als Freund des Ostens an. Ihre Haltung
und Ihre Vorschläge widerlegen Sie. Sie zeigen, was Sie
in Wahrheit mit den ostdeutschen Ländern vorhaben.
({23})
Die Union lebt von Miesmacherei. Die Union pflegt
die Verzweiflung. Sie will wie Strauß, dass alles schlechter wird, damit man polemisieren kann. Unsere Bevölkerung hat eine zupackende Regierung verdient.
({24})
Sie predigen Taten, Gerhard Schröder handelt.
({25})
Ihr Kandidat liegt im Liegestuhl, während sich Gerhard
Schröder, Otto Schily und andere um das Hochwasser kümmern. Ihr Kandidat steht für einen Fernsehspot auf,
während wir für die Menschen sorgen. Das ist der Unterschied: nicht Taten plakatieren, sondern Taten durchführen!
({26})
Wir kämpfen voller Hoffnung und Zuversicht mit den
Menschen gemeinsam. Wir werden die Probleme meistern. Sie weiden sich an den Problemen, bieten aber keine
Lösungen an. Wir lösen die Probleme dieses Landes. Ich
bin stolz darauf, was meine Fraktion auf diesem Feld geleistet hat. Sie wird auch weiterhin erfolgreich sein.
Vielen Dank.
({27})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Schäuble von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Auch am Ende einer langen
Legislaturperiode mit viel Auf und Ab erlebt man immer
wieder neue Überraschungen, wie wir eben während der
Rede des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gesehen haben.
({0})
Ich beneide Sie um Ihre Griechisch-Kenntnisse, Herr
Stiegler; ich habe keine. Aber ich habe zu Beginn der Woche gelesen, der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende
habe Sie zur Zurückhaltung und Mäßigung aufgefordert.
Das kann ich inzwischen gut verstehen. Ich verstehe auch,
dass er gegangen ist, bevor Sie geredet haben.
({1})
Ich will aber gleich hinzufügen: Die Kandidaten müssen wieder in den Wahlkampf zurückkehren. Auch
Edmund Stoiber musste gehen. Deshalb hat er mir eine
Notiz geschickt, in der steht: Bitte Stiegler nicht ganz
ernst nehmen! - Wo er Recht hat, hat er Recht.
({2})
Ich kann Ihnen das Autograph gern geben, damit Sie es
selber sehen.
({3})
Ich möchte kurz einige Punkte, die Sie angesprochen
haben, Herr Stiegler, richtig stellen. Was das Thema
Zuwanderungsgesetz anbetrifft, stellt sich der Sachverhalt folgendermaßen dar: Es gibt in diesem Gesetz nicht
einen einzigen Paragraphen, der die Zuwanderung gegenüber der heutigen Rechtslage einschränkt. Es gibt aber in
diesem Zuwanderungsgesetz eine Reihe von Paragraphen, die die Zuwanderung gegenüber der heutigen
Rechtslage erweitern. Wenn man die Vorzeichen nicht
verwechselt, kann dieses Zuwanderungsgesetz nach den
Regeln der Logik nur eine Zunahme der Zuwanderung
bringen, aber nicht das Gegenteil.
({4})
Deshalb vertreten wir - wie Angela Merkel bereits ausgeführt hat - die Position:
({5})
Angesichts der Tatsache, dass die Situation in Deutschland durch die Verdoppelung der Zahl der Menschen
ausländischer Abstammung seit den 70er-Jahren bei
gleichzeitigem Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in diesem Zeitraum geprägt ist, sollten wir das Schwergewicht unserer Bemühungen künftig auf die Verbesserung der Integration
derjenigen, die sich bereits hier aufhalten,
({6})
statt auf die künstliche Erhöhung der Zuwanderung durch
den Gesetzgeber legen. Das ist der falsche Weg.
({7})
- Sie sollten auch im Wahlkampf den Menschen nicht ein
X für ein U vormachen wollen.
({8})
Dieses Zuwanderungsgesetz verstärkt die Zuwanderung.
Wir vertreten den Standpunkt: Es wird auch in Zukunft
Zuwanderung geben, aber wir müssen die Integration verbessern und wir haben keinen Bedarf an einer Zunahme
der Zuwanderung.
({9})
Des Weiteren würde ich gern in aller Ruhe etwas zu
Ihren Bemerkungen über die Arbeitslosigkeit vor vier
Jahren und zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausführen. Es
ist wahr: Die Arbeitslosigkeit ist nicht über Nacht gekommen. Dabei handelt es sich um eine lang anhaltende
Entwicklung.
({10})
- Wenn eine Katastrophe eine plötzlich eingetretene Situation ist, dann handelt es sich in dem Sinne nicht um
eine Katastrophe, sondern um das Ergebnis einer lang anhaltenden Entwicklung.
Aber Sie sollten Folgendes nicht vergessen, Herr Kollege Stiegler: Erstens. Die Arbeitslosigkeit ist derzeit
noch genauso hoch wie vor vier Jahren.
({11})
- Doch, sie beträgt 4,1 Millionen. Die Differenz beträgt
weniger als 100 000. In diesen vier Jahren sind aber
800 000 mehr ältere Menschen aus dem Erwerbsleben
ausgeschieden, als jüngere nachgekommen sind. Deswegen ist die Lage nicht gleich geblieben, sondern sie ist viel
schlechter als vor vier Jahren.
({12})
Zweitens. Im Jahr 1998 war saisonbereinigt von Januar
bis Dezember eine Abnahme der Arbeitslosigkeit von
etwa 1 Million zu verzeichnen. 1998 war die Entwicklung
sehr gut, nachdem die Vorjahre schwierig waren. Seit
Mitte vergangenen Jahres ist keine Abnahme der Arbeitslosigkeit, sondern ein Anstieg zu verzeichnen. Das heißt,
die Lage ist schlechter geworden, der Trend hat sich genau umgekehrt. Damals ging die Arbeitslosigkeit zurück;
jetzt steigt sie. Das ist das eigentlich Verheerende an der
Bilanz dieser rot-grünen Regierung.
({13})
Drittens, zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland:
Natürlich ist sie durch die Weltkonjunktur und den
11. September 2001 schwieriger geworden. Das kann niemand im Ernst bestreiten. Aber Sie können damit nicht erklären, warum die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland geringer ist als in jedem anderen Land der
Europäischen Union. Der 11. September 2001 und die
Weltkonjunktur haben ja für Portugal, Dänemark, Großbritannien, die Niederlande oder Frankreich keine anderen
Auswirkungen. Wenn Deutschland bei der wirtschaftlichen Dynamik Schlusslicht in der Europäischen Union ist,
dann kann der Grund also nur in den Fehlern rot-grüner
Politik und in nichts anderem liegen.
({14})
Nach meiner festen Überzeugung ist der entscheidende
Fehler rot-grüner Politik, dass Sie die Lage und die Stimmung im Mittelstand systematisch kaputtgemacht haben.
Eine Steuerreform, die dazu führt, dass die einkommensteuerpflichtigen Unternehmen mehr Steuern zahlen müssen als die Kapitalgesellschaften, ist objektiv falsch und
zerstört jede Bereitschaft im Mittelstand, Vertrauen in die
Zukunft zu haben. Das ist der eigentliche Fehler. Deswegen müssen und werden wir das verändern.
({15})
Es gab sicherlich schon 1998 viel Bürokratie. Diese ist
schließlich nicht von Ihnen erfunden worden. Aber in
Ihren vier Regierungsjahren ist es dramatisch schlimmer
geworden. Ich verweise in diesem Zusammenhang immer
auf die Riester-Rente; denn sie ist ein Synonym dafür,
dass man durch ein Übermaß an Regulierung selbst ein
gutes Anliegen kaputtmachen kann. Das Anliegen, die
private Altersvorsorge zu fördern, ist ja richtig. Aber Sie
haben das so bevormundend und bürokratisch reguliert,
dass nur 10 Prozent der Menschen von der Riester-Rente
Gebrauch machen und 90 Prozent sagen: Rutsch mir doch
den Buckel runter! Das zeigt beispielhaft, dass Sie mit zu
viel Bürokratie die dynamischen Kräfte in unserer Wirtschaft und Gesellschaft zerstört haben. Das ist der Grundfehler.
({16})
Ich möchte noch eine Bemerkung zum Aufbau Ost
machen. Auch ich bestreite nicht, dass wir 1998 mit der
Überwindung der Folgen der Teilung und des Sozialismus
nicht so weit waren, wie wir es 1990 gehofft hatten. Aber
bis 1998 hat sich die Schere zwischen neuen und alten
Bundesländern jedes Jahr ein bisschen weiter geschlossen. Der Abstand verringerte sich zwar manchmal nur wenig, aber kontinuierlich. Seit 1998 geht die Schere wieder
auseinander. Der Rückstand der neuen Bundesländer auf
die alten ist in Ihren vier Regierungsjahren größer geworden. Deswegen muss es am 22. September einen Wechsel
geben.
({17})
Wir wollen eine Politik machen, die stärker auf den
Mittelstand setzt. Im Übrigen ist es Quatsch, wenn Sie behaupten, dass unsere Maßnahmen nicht konkret seien.
Wenn Sie sich unser Regierungsprogramm und unser Sofortprogramm genau anschauen, dann stellen Sie fest,
dass diese eine Fülle von konkreten Maßnahmen enthalten, die sehr genau belegt sind. Ihre einzige Aussage im
Wahlkampf ist: Schröder soll Kanzler bleiben! Er ist die
eigentliche Ich-AG in Deutschland. Das ist ein bisschen
zu wenig für die nächsten vier Jahre.
({18})
Deswegen sage ich Ihnen: Wer will, dass es in Deutschland wieder aufwärts geht, muss dafür sorgen, dass eine
andere Politik gemacht wird. Mit Ihnen ist es abwärts gegangen. Das ist die generelle Richtung von Rot-Grün. Da
hilft überhaupt nichts. Mit uns wird es wieder aufwärts
gehen. Wenn wir an die Regierung kommen, werden wir
auf den Mittelstand und die Sanierung der sozialen Sicherungssysteme setzen. Wir werden eine Steuerreform
machen, die nach dem Prinzip „einfacher, gerechter und
niedrigere Steuersätze für alle“ für Gerechtigkeit sorgen
wird, statt Benachteiligungen zu schaffen.
({19})
Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen.
Natürlich haben Sie 1996/97 mit Ihrer damaligen Mehrheit im Bundesrat alles blockiert, nach dem Motto: Je
schlechter es dem Land geht, desto mehr Kritik üben wir
an der Regierung. An der Auseinandersetzung über die Finanzierung der Soforthilfe für die Opfer der Hochwasserkatastrophe kann man einen entscheidenden Unterschied
zwischen Ihrem damaligen und unserem heutigen Verhalten erkennen. Wir haben gesagt: Auch wenn wir uns mit
unseren Vorstellungen, was die richtige Finanzierung der
Soforthilfe anbetrifft, in diesem Hause nicht durchsetzen,
weil wir nicht die Mehrheit haben, werden wir im Bundesrat für das, was Sie beschließen, für die notwendige
Zustimmung sorgen und nicht blockieren, weil wir davon
überzeugt sind, dass wir den Streit zwischen unterschiedlichen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat nicht auf
dem Rücken der Hochwasseropfer austragen können.
({20})
Das Interesse des Landes hat bei uns auch im Wahlkampf
Vorrang vor den parteipolitischen Interessen.
Meine letzte Bemerkung. Ich bin schon ziemlich entsetzt, auch wenn ich verstehe, dass der Außenminister
sein Amt in den letzten Wochen kaum noch wahrgenommen hat.
({21})
- Entschuldigung! - Es gab eine gemeinsame Politik von
Adenauer bis Kohl und selbst diese Regierung hatte in den
ersten Jahren mit Unterstützung der Opposition, jedenfalls von CDU/CSU und FDP - die PDS will ich da
nicht in Anspruch nehmen -, in den Grundlinien deutscher Außenpolitik Kontinuität gewahrt. Diese Grundlinien sind: niemals allein, keinen deutschen Sonderweg,
keinen Alleingang, sondern fest eingebunden sein in das
immer enger zusammenwachsende Europa, mit diesem
einigen Europa eine stärkere Rolle auch im Atlantischen
Bündnis spielen und im Atlantischen Bündnis und mit
Europa dafür sorgen, dass die Vereinten Nationen eine
stärker ordnende Kraft in dieser Welt unglaublich vieler
Schwierigkeiten - die Frau Entwicklungshilfeministerin
hat auch davon gesprochen - und voller Spannungen sein
können.
Dies alles verraten Sie in diesen Wochen des Wahlkampfs. Wir haben die Grundlagen der gemeinsamen
Außenpolitik nicht verlassen. Übrigens: Nicht unseretwegen musste der Bundeskanzler bei einer bestimmten
Abstimmung die Vertrauensfrage stellen. Es war nur
- auch daran muss man erinnern - wegen der Unzuverlässigkeit von Rot-Grün.
({22})
Ich habe Ihre Gesichter noch vor Augen - das ist ja im
Fernsehen gezeigt worden -, als Ihnen der Parteivorsitzende in Ihrer Präsidiumssitzung am 1. August gesagt hat:
Jetzt lenken wir von Wirtschaft und Arbeitsmarkt und unserer verheerenden Bilanz ab, indem wir den Irak zum beherrschenden Wahlkampfthema machen.
({23})
Aus Wahlkampfgründen und wegen nichts anderem haben Sie in Deutschland eine Gespensterdebatte angefangen und Deutschland, Europa und der UNO erheblichen
Schaden zugefügt.
({24})
Heute Morgen ist schon gesagt worden: Niemand in
diesem Land will Krieg. Alles andere wäre auch absurd.
Wir haben über Jahrzehnte, manchmal im Konsens mit
Ihnen, manchmal in bitteren Auseinandersetzungen,
({25})
für Frieden gesorgt und gegen viele Ängste den Frieden
gesichert. Der Friede wird gesichert, wenn wir notfalls in
der Lage sind, jemanden, der möglicherweise eine Gefahr
für den Frieden darstellt, davon zu überzeugen, dass es
sich für ihn nicht lohnt. Es war schon richtig, finde ich,
dass die Vereinten Nationen - es war nicht irgendein Alleingang, sondern es war der Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen -, nachdem die Aggression von
Saddam Hussein gegen Kuwait zurückgewiesen worden
war, gesagt haben: Dieses Regime darf keine Massenvernichtungswaffen haben. Es müssen Überwachungen
durchgeführt werden, die sicherstellen, dass er keine solchen Waffen hat.
({26})
Wenn ein Diktator wie Saddam Hussein erst Atomwaffen
hat, ist die Welt weniger sicher als vorher. Deswegen ist
es richtig, dafür zu sorgen, dass die Vereinten Nationen
das durchsetzen.
({27})
Das hat Präsident Bush gestern gesagt, nichts anderes.
({28})
Die Vereinten Nationen verlieren jede Möglichkeit,
nicht mit militärischen Maßnahmen, sondern durch politischen Druck das Ziel der Friedenssicherung zu erreichen, wenn die Mitglieder der Vereinten Nationen sagen:
Was immer ihr beschließt, wir sind jedenfalls nicht dabei. - Das hat keinen Sinn. Das ist der Fehler dieser Regierung. Sie haben die Vereinten Nationen geschwächt.
Deswegen stoßen Sie mit dieser Politik im Irak Saddam
Husseins auf Zustimmung - das ist wahr -, aber vor dieser Art von Zustimmung sollten Sie sich eigentlich fürchten. Sie sollten den Diktatoren nicht dabei helfen, auch
noch Atomwaffen zu bekommen.
({29})
Sie haben verhindert, dass es eine gemeinsame Position
der Europäer gibt. Sie schwächen die Vereinten Nationen.
Sie haben die atlantische Partnerschaft entscheidend geschwächt.
({30})
Das können Sie überhaupt nicht bestreiten. Der deutsche
Botschafter in Amerika - er war bis vor kurzem Staatssekretär im Auswärtigen Amt - hat mit der Zurückhaltung, die einem Botschafter geziemt, schon vor Wochen
darauf hingewiesen, dass durch das Verhalten von
Schröder und der Regierung schwere Schäden für das
deutsch-amerikanische Verhältnis entstehen. Das gilt
auch für den Verteidigungsminister mit seinem Schwadronieren; er musste im Übrigen gehen.
Diese Bemerkung will ich in diesem Zusammenhang
noch machen: Dass der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt eine Initiative von Soldaten für eine Partei
gründet, ist eine schwere Verletzung der Pflichten und der
Verantwortung eines Verteidigungsministers.
({31})
Die amtierende Präsidentin hat vorhin darauf hingewiesen, dass der Bundestagspräsident auch dann, wenn er
sich parteipolitisch äußert, was sein Recht ist, weil er auch
Politiker ist, immer noch Bundestagspräsident sei. Ich
meine, Frau Kollegin Fuchs - Sie sind gerade nicht amtierende Präsidentin; deswegen darf ich Sie ansprechen -,
dass der Verteidigungsminister nicht sagen kann, das habe
er als SPD-Politiker gemacht. Solange er Verteidigungsminister ist, hat er besondere Verantwortlichkeiten. Gegen
die hat er verstoßen. Deswegen muss er abgelöst werden.
Deswegen sage ich Ihnen: Hören Sie auf, die Grundbedingungen deutscher Sicherheit und einer Politik für
Frieden und Freiheit zu gefährden, weil Sie im Wahlkampf nervös sind! Kehren Sie zu einer gemeinsamen europäischen Politik zurück, zu einer Politik der Stärkung
der atlantischen Partnerschaft, zu einer Politik, die die
Vereinten Nationen dazu nutzt, den Frieden wo immer
möglich zu sichern! Hören Sie auf, in den letzten Tagen
vor der Wahl die falsche Richtung einzuschlagen, indem
Sie die Ängste der Menschen schüren!
Wir haben überhaupt keine schwachen Nerven. Ich
mahne vielmehr an, auch in der Endphase eines Wahlkampfes daran zu denken, dass der Gewinner nach der
Entscheidung der Bevölkerung am 22. September eine
hohe Verantwortung für eine gute Zukunft Deutschlands
in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage hat. Mit Ihrem
unverantwortlichen Gerede in diesem Wahlkampf haben
Sie die Lage für jede künftige Regierung in den kommenden Jahren erheblich erschwert. Sie werden die Schäden
in der europäischen und atlantischen Politik nicht beseitigen können. Auch aus diesem Grunde müssen Sie abgelöst werden.
({32})
Das Wort
hat jetzt erneut der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Ludwig
Stiegler.
({0})
Meine Damen und Herren!
Wir haben jetzt wieder einen typischen Schäuble erlebt:
Er hat viel gesagt, aber mit keinem Ton auf die konkrete
Frage geantwortet: Einsatz im Irak, ja oder nein? Herr
Schäuble, ich glaube, der Herr hat Ihnen die Sprache gegeben, damit Sie Ihre Gedanken verbergen können.
({0})
Sie haben jetzt eine Viertelstunde zu diesem Thema geredet, aber während die deutsche Bevölkerung von Gerhard
Schröder weiß, dass er ohne Wenn und Aber Nein sagt zu
einem Einsatz im Irak, winden Sie Girlanden. Sie garnieren das Ganze mit übler Nachrede, die sich auf die Beratungen im Parteipräsidium der SPD bezieht. Ich habe an
diesen Beratungen teilgenommen und verbitte mir, dass
Sie der deutschen Sozialdemokratie unterstellen, sie nutze
ein solches Thema zu Wahlkampfzwecken.
({1})
Sie haben noch vor Wochen gesagt, das sei gar kein
Thema, und uns vorgeworfen, wir kämen zu früh. Wer ist
denn von der Wirklichkeit überholt worden, Sie oder wir?
Die Entscheidung ist gefallen und die Bevölkerung muss
wissen, woran sie ist. Herr Schäuble, alles Drumherumreden hilft nicht weiter.
Wenn Sie über Saddam reden, so erinnere ich Sie daran, dass Sie einmal Innenminister waren und die Beratungen der Geheimdienste kennen. Sie wissen, dass die
Erkenntnisse zu Ihrer Zeit nicht viel anders waren als
heute. Es ist Ihrer eigenen Vergangenheit nicht würdig,
jetzt zu sagen, man wolle keine Kriegskonfrontation,
denn das sei eine Hilfe für Saddam Hussein.
({2})
Zu Ihren Äußerungen in Bezug auf Kollegen Struck:
Solche Initiativen gab es in jedem Wahlkampf. Auch der
Bundesminister der Verteidigung kann außerhalb des
Dienstes zeigen, welcher Partei er angehört.
({3})
Das war früher nicht anders und das wird auch in Zukunft
so sein.
Meine Damen und Herren, es ist schön, dass ich noch
einmal auf Herrn Schäuble eingehen kann,
({4})
weil er in Sachen Zuwanderung wieder dreist die Unwahrheit verbreitet hat. In diesem Zuwanderungsgesetz
steht ausdrücklich, dass die Integration aller bereits Zugewanderten in den Arbeitsmarkt absoluten Vorrang vor
Neuanwerbungen hat. Nur solche hoch spezialisierten
Fachkräfte, die mehr Arbeitsplätze schaffen, als sie für
sich selber und ihre Familien brauchen, werden angeworben. Die Entscheidung über die Zuwanderung mit Programm ist unter den Vorbehalt von Bundestag und Bundesrat gestellt. Hören Sie auf, entweder das Gesetz zu
ignorieren oder den Menschen vorsätzlich etwas Falsches
zu sagen. Es ist eine dreiste Lüge, zu behaupten, wir
machten angesichts von 4 Millionen Arbeitslosen das Tor
auf. Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren.
({5})
Noch schöner wird es, wenn Sie sich über Integration
verbreiten. Sie haben in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit 2 Millionen Aussiedler geholt, sich aber nicht um deren Integration gekümmert. Sie haben sie als Stimmhilfe
gebraucht; aber deren Integration haben wir begonnen.
Die Sprachintegration von Ausländern fängt jetzt mit dem
Zuwanderungsgesetz an. Hier scheinheilig von Integration zu reden, nachdem man 16 Jahre lang geschlafen hat,
ist eine Dreistigkeit, meine Damen und Herren.
({6})
Herr Schäuble, ich fordere Sie deshalb noch einmal
auf, sich das Gesetz zu besorgen und endlich aufzuhören,
genauso wie der Kandidat und die Union insgesamt den
Menschen auf den Marktplätzen dreist das Gegenteil dessen zu sagen, was im Gesetz steht. Ich bin mit Edmund
Stoiber nicht zuletzt deswegen so scharf ins Gericht gegangen, weil ich nicht glaube, dass er nicht weiß, was im
Gesetz steht. Es muss irgendeinen Sprechzettelschreiber
in der Staatskanzlei geben, der das Gesetz lesen kann. Darum muss ich davon ausgehen, dass Herr Stoiber ständig
wider besseres Wissen die Unwahrheit verbreitet. Das lassen wir uns nicht gefallen.
({7})
Genauso, meine Damen und Herren, ist es ein glatter
Schwindel, wenn Sie sagen, die Arbeitslosigkeit sei
heute nicht anders als damals.
({8})
1998 hatten wir nach Überwindung der Asienkrise einen
weltwirtschaftlichen Aufschwung; dann folgten die beiden guten Jahre 1999 und 2000. Wie man unschwer im
Gutachten des Sachverständigenrates nachlesen kann,
hatten wir Weihnachten 2000 die Ölpreiskrise - ich erinnere daran, dass wir hier die Sondersozialhilfe beschlossen hatten -, anschließend die BSE-Krise - die Hälfte der
BSE-Fälle gab es in den wohlbehüteten Ställen meines
Vaterlandes Bayern - mit Folgen für die Verbraucher und
die Nahrungsmittelindustrie, dann nach dem 11. September die Zerstörung der Börsenkurse und zu Weihnachten
2001 und im Januar dieses Jahres die amerikanischen Bilanzbetrügereien.
Deshalb ist es unerhört, dass Sie versuchen, solche Entwicklungen der rot-grünen Koalition vor die Tür zu karren. Sie hatten im weltwirtschaftlichen Aufschwung einen
Aufschwung der Arbeitslosigkeit. Sie haben 1996 das Beschäftigungsförderungsgesetz verabschiedet. In seiner
Rede - ich habe sie nachgelesen - sagte Michael Glos damals, wir müssten den Kündigungsschutz und alles Mögliche abbauen, damit der Aufschwung komme. Mit Ihrem
Sozialabbau ist ein Aufschwung der Arbeitslosigkeit gekommen; das ist die historische Wahrheit, meine Damen
und Herren.
({9})
Deshalb lassen wir uns Ihre Interpretationsversuche nicht
gefallen.
Herr Schäuble redet dann wieder grob die Unwahrheit,
wenn er sagt, der Mittelstand sei durch die Besteuerung
der Kapitalgesellschaften benachteiligt. Herr Schäuble,
die SPD-Fraktion stiftet Ihnen einen Nachhilfekurs bei einem Steuerberater, damit Sie endlich lernen, was in dem
entsprechenden Gesetz steht. Es ist dreist, die Einkommensteuer mit der Körperschaftsteuer zu vergleichen;
denn bei der Einkommensteuer gilt die Durchschnittsbesteuerung auch für die Handwerker, denen wir die Gewerbesteuerlast abgenommen haben. Hätten Sie es jemals
geschafft, den Handwerkern die Gewerbesteuerlast zu
nehmen, dann hätte Herr Rauen ein Fest organisiert, gegen das der Tanz um das Goldene Kalb im Alten Testament ein kleiner Event gewesen wäre.
({10})
Meine Damen und Herren, Sie aber haben das nicht zustande gebracht. Der Mittelstand, die Handwerker und die
Personengesellschaften zahlen deutlich weniger Steuern
als damals.
Dreist ist es auch, die Körperschaftsteuer zu diffamieren. Wir wollten mit Ihnen weltweit wettbewerbsfähige
Steuertarife haben. Also haben wir gemeinsam die Körperschaftsteuer, die übrigens ab dem ersten Euro ohne
Kinderfreibeträge und sonstige Freibeträge zu zahlen ist
- das nur zur Nachhilfe, Herr Schäuble -, auf 25 Prozent
gesenkt. Aber die Gewerbesteuer kommt noch dazu, bei
der Kapitalausschüttung auch noch die Kapitalertragsteuer.
Es ist erstaunlich, dass Sie meinen, sich hier mit
falschen Argumenten als Rächer der Enterbten darstellen
zu können. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen:
Wenn Schäuble, Stoiber und Merz nach Steuergerechtigkeit rufen, ist es so, als ob ein Wolf zu einer Bürgerinitiative zum Schutz der Lämmer aufruft. Das ist die wahre Situation.
({11})
Schauen Sie sich doch Ihr Steuerprogramm an! Das
einzig Neue an Ihrem Programm ist die Senkung des Spitzensteuersatzes. Alles andere steht bei Eichel im Bundesgesetzblatt. Man fragt sich, wieso Sie bereits beschlossene Dinge ins Programm schreiben. Sie wollen
tarnen, dass es Ihnen in Wahrheit nur um den Spitzensteuersatz geht. Die FDP ist wenigstens so ehrlich und
bekennt sich zu Petersberg. Sie wollen den Leuten die
Katze im Sack verkaufen. Das ist der Unterschied. Die
Liberalen bekommen wenigstens Punkte für Ehrlichkeit. In der Sache sind sie aber genau so schlecht wie
Sie.
({12})
Meine Damen und Herren, Sie jammern und sagen, die
Großunternehmen würden keine Steuern mehr zahlen.
Das Beispiel BMW wird genannt. Wie war es denn mit
BMW? Es war doch Theo Waigel, der die Verrechnung
der Auslandsverluste durchgesetzt hat. Nach unserem
Steuerrecht kann BMW diese Verluste seit dem 1. Januar
nicht mehr verrechnen. Es ist eine Ungehörigkeit, das Gesetz selbst zu machen, uns die Wirkungen anzuhängen
und den Menschen nicht zu sagen, dass wir das längst korrigiert haben.
({13})
Damit sind Sie bei mir gerade an der richtigen Adresse!
({14})
Ich komme zur privaten Altersvorsorge. Sie jammern
jetzt und sagen, die Riester-Rente sei zu bürokratisch. Jawohl, sie ist streng geregelt. Aber wenn wir sie nicht vor
Spekulation geschützt hätten, wären die Altersersparnisse
dieses Jahres aufgrund der amerikanischen Börsenkrise
längst durch den Kamin gegangen und Sie würden uns
vorhalten, wir seien fahrlässig mit den Altersersparnissen
umgegangen. Sie müssen sich entscheiden und dürfen
hier keine Fidelmühle aufbauen.
({15})
Man könnte stundenlang
({16})
Ihre Unwahrheiten zerpflücken. Ich sage Ihnen: Die
Wahrheit wird Sie frei machen. Kehren Sie zur Wahrheit
und zur Wahrhaftigkeit zurück, dann wird auch das Klima
in diesem Hause wieder besser!
Vielen Dank.
({17})
Ich
schließe die Aussprache und bitte noch einen Moment um
Anwesenheit, weil wir noch einige Formalien zu erledigen haben.
Interfraktionell ist die Erweiterung der Tagesordnung um folgende Zusatzpunkte vereinbart worden:
ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU
Für eine glaubwürdige Politik gegenüber der
vom Irak ausgehenden Bedrohung
- Drucksache 14/9972 ZP 7 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache ({0})
a) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({1})
Sammelübersicht 423 Petitionen
- Drucksache 14/9955 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({2})
Sammelübersicht 424 Petitionen
- Drucksache 14/9956 -
c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({3})
Sammelübersicht 425 Petitionen
- Drucksache 14/9957 -
d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({4})
Sammelübersicht 426 Petitionen
- Drucksache 14/9958 -
e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({5})
Sammelübersicht 427 Petitionen
- Drucksache 14/9959 -
f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({6})
Sammelübersicht 428 Petitionen
- Drucksache 14/9960 -
g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({7})
Sammelübersicht 429 Petitionen
- Drucksache 14/9961 -
h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({8})
Sammelübersicht 430 Petitionen
- Drucksache 14/9962 -
i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({9})
Sammelübersicht 431 Petitionen
- Drucksache 14/9963 -
j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({10})
Sammelübersicht 432 Petitionen
- Drucksache 14/9964 -
k) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({11})
Sammelübersicht 433 Petitionen
- Drucksache 14/9965 -
l) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({12})
Sammelübersicht 434 Petitionen
- Drucksache 14/9966 -
m) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({13})
Sammelübersicht 435 Petitionen
- Drucksache 14/9967 Sind Sie mit der Aufsetzung einverstanden? - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wir kommen zu den Überweisungen und Abstimmungen.
Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b: Interfraktionell wird
Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/9750
und 14/9751 an den Haushaltsausschuss vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 6 a: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/9876 mit dem Titel „Keine deutsche Beteiligung
an einem Krieg gegen den Irak“. Wer stimmt für diesen
Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Antrag ist bei Gegenstimmen der PDS-Fraktion und Enthaltung des Herrn Ströbele mit den Stimmen der übrigen
Fraktionen abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 6 b: Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/9877 mit
dem Titel „Keinen Krieg gegen den Irak“. Wer stimmt für
diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen der
SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und
der FDP bei Gegenstimmen der PDS-Fraktion und des
Kollegen Ströbele abgelehnt.
Zusatzpunkt 5: Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 14/9948 mit dem Titel
„Handlungsfähigkeit deutscher Außenpolitik wieder herstellen“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS bei Gegenstimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.
Zusatzpunkt 6: Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/9972 mit dem Titel: „Für eine glaubwürdige Politik gegenüber der vom
Irak ausgehenden Bedrohung“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und
der PDS bei Gegenstimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.
Zusatzpunkt 7 a: Sammelübersicht 423, Drucksache
14/9955. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 423 ist mit den
Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung der PDS-Fraktion angenommen.
Zusatzpunkt 7 b: Sammelübersicht 424, Drucksache
14/9956. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 424 ist mit dem
gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Zusatzpunkt 7 c: Sammelübersicht 425, Drucksache
14/9957. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 425 ist mit dem
gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Zusatzpunkt 7 d: Sammelübersicht 426, Drucksache
14/9958. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 426 ist ebenfalls
mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Zusatzpunkt 7 e: Sammelübersicht 427, Drucksache
14/9959. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 427 ist ebenfalls
mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Zusatzpunkt 7 f: Sammelübersicht 428, Drucksache
14/9960. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 428 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen von
CDU/CSU, FDP und PDS angenommen.
Zusatzpunkt 7 g: Sammelübersicht 429, Drucksache
14/9961. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 429 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS bei Gegenstimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.
Zusatzpunkt 7 h: Sammelübersicht 430, Drucksache
14/9962. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 430 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP bei Gegenstimmen von CDU/CSU und Enthaltung der PDS angenommen.
Zusatzpunkt 7 i: Sammelübersicht 431, Drucksache
14/9963. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 431 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU bei
Gegenstimmen von FDP und PDS angenommen.
Zusatzpunkt 7 j: Sammelübersicht 432, Drucksache
14/9964. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 432 ist mit den
Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der PDS angenommen.
Zusatzpunkt 7 k: Sammelübersicht 433, Drucksache
14/9965. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 433 ist mit den
Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der PDS angenommen.
Zusatzpunkt 7 l: Sammelübersicht 434, Drucksache
14/9966. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 434 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS-Fraktion,
bei Gegenstimmen der CDU/CSU und Enthaltung der
FDP angenommen.
Zusatzpunkt 7 m: Sammelübersicht 435, Drucksache
14/9967. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 435 ist mit den
Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der PDS angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung und damit am Ende der voraussichtlich letzten Sitzung der 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestages.
Hinter uns liegen vier arbeitsreiche Jahre, Jahre kontroverser Debatten, aber vielfach auch des Konsenses
über Fraktionsgrenzen hinweg in grundlegenden Fragen.
Ich möchte die in den zurückliegenden vier Jahren geleistete Arbeit zum Anlass nehmen, Ihnen allen für Ihr Engagement und Ihren Einsatz zu danken.
Mein besonderer Dank gilt den vielen Kolleginnen und
Kollegen, die dem 15. Deutschen Bundestag nicht mehr
angehören werden. Viele von ihnen haben im Parlament
an herausgehobener Stelle über viele Jahre hinweg gewirkt: Mitglieder des Präsidiums, des Ältestenrates, Ausschussvorsitzende, ehemalige Regierungsmitglieder und
Staatssekretäre, unter ihnen die langjährige Präsidentin
des Deutschen Bundestages, Rita Süssmuth, die Vizepräsidentin Anke Fuchs und der Vizepräsident Rudolf Seiters
sowie der Bundeskanzler Helmut Kohl. Vielen von ihnen
ist bei ihren Abschiedsreden von hier aus bereits in Ihrer
aller Namen der Dank des Deutschen Bundestages ausgesprochen worden. Ich will nochmals allen ausscheidenden
Kolleginnen und Kollegen Dank sagen und ihnen unsere
besten Wünsche für ihr weiteres Leben mit auf den Weg
geben.
({14})
Mein Dank gilt auch den Schriftführerinnen und
Schriftführern
({15})
und nicht zuletzt den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die vor und hinter den Kulissen ihren Dienst tun.
({16})
Ich bedanke mich für Ihren Beifall, denn ohne diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten wir unsere parlamentarische Arbeit nicht leisten.
({17})
Wir werden unsere parlamentarische Arbeit in der
15. Wahlperiode fortsetzen. Allen, die dabei sein werden,
wünsche ich eine glückliche Hand zum Wohle unseres
Volkes.
({18})
Die Sitzung ist geschlossen.