Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/4/1999

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Auf der Ehrentribüne haben der Präsident der ungarischen Nationalversammlung, Dr. János Áder, und seine Delegation Platz genommen. ({0}) Ich begrüße Sie, Herr Präsident, und die Sie begleitenden Vertreter der ungarischen Nationalversammlung auch von diesem Platz aus noch einmal ganz herzlich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages, nachdem Sie schon gestern etliche Abgeordnete kennengelernt haben. Herr Präsident, es ist uns eine große Freude, Sie und Ihre Begleitung zu einem offiziellen Besuch zu Gast zu haben. Der Deutsche Bundestag mißt den traditionell freundschaftlichen, ja herzlichen Beziehungen unserer Länder und unserer Parlamente insbesondere bei der Gestaltung der gemeinsamen europäischen Zukunft große Bedeutung bei. Wir verfolgen mit Interesse die Entwicklung in Ihrem Land und freuen uns, daß Ungarn nicht nur große Fortschritte auf dem Weg zur EU-Beitrittsfähigkeit macht, sondern schon in diesem Monat unser Partner im Nordatlantischen Bündnis sein wird. Ihr Land hat wesentlichen Anteil an der Überwindung der trennenden Grenzen in Europa und an der Öffnung der Grenzen und ermöglichte damit die deutsche Einheit. Dieser Beitrag wird uns dauerhaft unvergeßlich bleiben. ({1}) Deswegen, Herr Präsident, ist Ihr Besuch gerade im Jahr 1999, zehn Jahre nach der friedlichen Revolution, von besonderem Gewicht. Für diese Geste bedanken wir uns ganz herzlich. Seien Sie uns willkommen! ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst möchte ich zwei amtliche Mitteilungen verlesen: Zwei vom Deutschen Bundestag bereits gewählte stellvertretende Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Beirat der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post sollen getauscht werden. Die Kollegin Renate Blank soll persönliche Stellvertreterin des Kollegen Dr. Martin Mayer ({3}) und der Kollege Dr. Michael Meister persönlicher Stellvertreter des Kollegen Ulrich Adam werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Aus dem Stiftungsrat der „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ scheidet die Kollegin Simone Probst als stellvertretendes Mitglied aus. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlägt als Nachfolger den Kollegen Christian Ströbele vor. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Kollege Christian Ströbele als stellvertretendes Mitglied in den Stiftungsrat gewählt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die Ihnen in einer Zusatzpunktliste vorliegenden Punkte zu erweitern: ZP2 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 - Drucksachen 14/23, 14/442, 14/443, 14/466 ZP3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({4}) a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des DNA-Identitätsfeststellungs- gesetzes - Drucksache 14/445 - b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marlies Pretzlaff, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Norbert Blüm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU 5 Jahre nach Kairo: Umsetzung der Beschlüsse der Konferenz der Vereinten Nationenen zu Weltbevölkerung und Entwicklung 1994 - Drucksache 14/446 ZP4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der PDS: Haltung der Bundesregierung zu dem am 11. Februar 1999 veröffentlichten Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen zur Verletzung des internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte durch die Bundesrepublik Deutschland Weiterhin ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 4 - Debatte anläßlich des Internationalen Frauentages - unmittelbar nach der Beratung des Steuerentlastungsgesetzes und noch während der Kernzeit aufzurufen. Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Handlungsfähigkeit der Nordatlantischen Allianz soll abgesetzt werden. Außerdem weise ich auf eine nachträgliche Ausschußüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste hin: Der in der 21. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll nachträglich dem Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder zur Mitberatung überwiesen werden. Antrag der Abgeordneten Hans Martin Bury, Ernst Schwanhold, Klaus Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Werner Schulz ({5}), Margareta Wolf ({6}) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Förderung der Luftfahrttechnologie - Drucksache 14/395 überwiesen: Ausschuß für Wirtschaft und Technologie ({7}) Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Haushaltsausschuß Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe Zusatzpunkt 2 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 - Drucksache 14/23 ({8}) a) Dritte Beschlußempfehlung und dritter Bericht des Finanzausschusses ({9}) - Drucksachen 14/442, 14/443 Berichterstattung: Abgeordnete Detlef von Larcher Klaus Wolfgang Müller ({10}) Heidemarie Ehlert b) Bericht des Haushaltsausschusses ({11})gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 14/466 Berichterstattung: Abgeordnete Peter Jacoby Hans Georg Wagner Oswald Metzger Dr. Günter Rexrodt Es liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU, F.D.P. und PDS vor. Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache zahlreiche namentliche Abstimmungen durchführen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine. ({12})

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern hat der Deutsche Bundestag den Einstieg in die ökologische Steuer- und Abgabenreform beschlossen. Der Kollege Ernst Ulrich von Weizsäcker hat diesen Einstieg als historisch bezeichnet. ({0}) Ich möchte heute noch einmal feststellen, daß dieser historische Einstieg dem Willen vieler Menschen in Deutschland entspricht. Viele Menschen teilen unsere Auffassung: Die Arbeit muß entlastet werden, der Umweltverbrauch muß stärker belastet werden. Den ersten Schritt haben wir getan. Wir werden diese wichtige Reform fortsetzen. ({1}) Heute verabschieden wir einen Gesetzentwurf, der vor allen Dingen die Leitidee beinhaltet, mehr Steuergerechtigkeit in Deutschland herzustellen und Arbeitnehmer und Familien zu entlasten. Wenn wir uns die Steuerpolitik der letzten Jahre vergegenwärtigen, dann dürfen wir nicht übersehen, daß insbesondere im Zuge der Entscheidung, den Aufbau Ost über die Sozialversicherungsbeiträge zu finanzieren, Arbeitnehmer und Familien in diesem Lande überproportional belastet worden sind. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß in den letzten Jahren die Unternehmen - es ist notwendig, das heute einmal zu sagen - in der Summe um 50 Milliarden DM entlastet worden sind, mit dem Versprechen, daß dadurch die Arbeitslosigkeit abgebaut werde. Auf der anderen Seite haben alle wissenschaftlichen Institute ermittelt, daß insbesondere die Arbeitnehmer und die Familien überproportional belastet waren. Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt festgestellt, daß die Familien in Deutschland in den letzten Jahren zu wenig gefördert worden sind, daß den Familien pro Jahr - das muß man immer wieder sagen - durch die Regierung Kohl 20 Milliarden DM vorenthalten wurden. Dieses Gesetz korrigiert diesen Irrweg der deutschen Steuerpolitik in den letzten Jahren. ({2}) Wenn nach Verabschiedung dieses Gesetzes eine durchschnittliche Arbeitnehmerfamilie um 2 500 DM entlastet wird, dann mag das für den einen oder anderen, der in solchen Zahlen nicht mehr denken kann, zwar wenig bedeuten. Wenn man sich aber vergegenwärtigt, daß eine Verkäuferin in diesem Lande manchmal gerade 2 000 DM netto in der Tasche hat, dann erkennt man, daß die steuerliche Entlastung für Arbeitnehmer und für Familien um 2 500 DM sehr viel bedeutet; deshalb wird diese Steuerreform von der großen Mehrheit des Volkes begrüßt und von uns beschlossen. ({3}) Sie haben die Unternehmen in den letzten Jahren um 50 Milliarden DM - so die Berechnungen verschiedener Präsident Wolfgang Thierse Finanzverwaltungen der Länder - entlastet, weil Sie der Auffassung waren, daß dadurch mehr Arbeitsplätze entstehen würden und die Arbeitslosigkeit abgebaut würde. Das mag in guter Absicht geschehen sein. Aber Sie müssen heute einfach bereit sein, Zahlen zur Kenntnis zu nehmen. Die Zahlen sagen Ihnen, daß Sie in diesem Land überproportional in eine Richtung umverteilt und das gewünschte Ziel, den Abbau der Arbeitslosigkeit, nicht erreicht haben. Deshalb muß die Steuerpolitik korrigiert werden. ({4}) Wir haben zunächst das Vorläufergesetz verabschiedet, das den Eingangssteuersatz von 25,9 Prozent auf 23,9 Prozent gesenkt hat. Wir haben den Grundfreibetrag auf 13 000 DM und das Kindergeld für Erst- und Zweitkinder auf 250 DM im Monat erhöht. Die heutige Beschlußfassung wird dazu führen, daß der Grundfreibetrag in zwei Schritten, zum 1. Januar 2000 und zum 1. Januar 2002, auf 14 000 DM erhöht wird. Der Eingangssteuersatz wird ebenfalls in zwei Schritten auf 19,9 Prozent abgesenkt. Die Senkung des Spitzensteuersatzes erfolgt in zwei Schritten auf 48,5 Prozent. Parallel dazu wird der Höchststeuersatz für gewerbliche Einkünfte zunächst auf 43 Prozent abgesenkt. Der Körperschaftsteuersatz wird ebenfalls zunächst auf 40 Prozent zurückgeführt. Um diese Sätze finanzieren zu können, mußten wir einen großen Teil der Steuersubventionen verändern und teilweise ganz streichen. Wir waren uns darüber im klaren, daß eine solch schwierige Aufgabe auf erhebliche Widerstände stoßen würde und daß die jeweils Betroffenen massiv gegen die Streichung von Subventionen protestieren würden. Aber, meine Damen und Herren, ich will Ihnen einmal aus einem Brief vorlesen, der mich als Privatmann kürzlich erreicht hat. Die Berliner Bank AG schreibt mir: Wir bieten Ihnen einen Fonds an; und in diesem Fonds wird Ihnen eine Verlustzuweisung von insgesamt 225 Prozent bezogen auf die Bareinlage eingeräumt. Das ist das Ergebnis der Steuerpolitik der letzten Jahre, die Sie zu verantworten haben, die unter keinem Gesichtspunkt mehr zu rechtfertigen ist und die deshalb geändert werden muß. ({5}) Natürlich sind alle diejenigen, die in großem Umfang von solchen Steuersparmodellen Gebrauch gemacht haben, jetzt enttäuscht darüber, daß diese Möglichkeiten, zu Lasten der Allgemeinheit Vermögen aufzubauen, jetzt nicht mehr bestehen oder deutlich reduziert werden. Das verstehe ich völlig. Wir haben immer wieder gesagt: Wer legal Steuersparmodelle in Anspruch nimmt, dem kann man im Grunde genommen keinen Vorwurf machen. Es waren politische Entscheidungen, die diese Möglichkeiten eingeräumt haben. In den letzten Jahren war aber im Volk als Grundtenor zu hören, wenn man ihn denn hören wollte, daß die Menschen glaubten, es gehe nicht mehr gerecht in diesem Lande zu. Dieses Steueränderungsgesetz stellt mehr Steuergerechtigkeit her; das war in Deutschland auf Grund der Entwicklungen der letzten Jahre dringend notwendig. ({6}) Arbeitnehmer und Familien werden um über 20 Milliarden DM entlastet. Das ist ein notwendiger Schritt. Ich erinnere noch einmal alle diejenigen, die das Maß verloren haben, daran, daß die Unternehmen in den letzten Jahren um 50 Milliarden DM entlastet worden sind. Wer angesichts dieser Zahlen etwa von leichtfertiger Nachfragestützung oder von Ideologie spricht, der ist selbst geblendet. Wer es für richtig hält, Unternehmen um 50 Milliarden DM zu entlasten, aber dann von Ideologie oder von einem Irrweg spricht, wenn man die Arbeitnehmer und Familien um über 20 Milliarden DM entlastet, der hat jedes Maß und jeden Sinn für Steuergerechtigkeit in diesem Lande verloren. ({7}) In diesem Gesetz haben wir eine Entlastung des Mittelstandes in Angriff genommen. ({8}) - Sie nennen sich immer Mittelstandspartei, sind auch ganz stolz darauf und schreiben sich selbst die Fähigkeit zu, Mittelstand und Handwerk unterstützen zu können. Aber Sie haben es vielleicht gar nicht gemerkt, daß die Steuerpolitik der letzten Jahre überproportional den Großunternehmen zugute gekommen ist. Aber die Handwerker und Mittelständler im Lande haben es gemerkt und beschweren sich immer wieder über diese Entwicklung. ({9}) Insofern ist Ihr Lachen durchaus ein Beleg für den Irrweg Ihrer Steuerpolitik. Der Mittelstand wird nach den Berechnungen der Institute - auf die berufe ich mich, weil Sie mir sonst Parteilichkeit unterstellen könnten deutlich um über 3 Milliarden DM entlastet. ({10}) Im Grunde genommen haben wir die Ausgangssituation noch verbessert, indem wir teilweise Korrekturen auch an Tatbeständen vorgenommen haben, die in Ihrem Steueränderungsgesetz, das ja ebenfalls dem Deutschen Bundestag zur Beschlußfassung vorgelegen hat, den Mittelstand benachteiligt hätten. Ich nenne als Beispiel nur einmal den Verlustvortrag und -rücktrag. Schauen Sie in Ihr eigenes Gesetz, statt zu versuchen, die Menschen an dieser Stelle zu täuschen. Wir haben deutlicheBundesminister Oskar Lafontaine re Verbesserungen für den Mittelstand beschlossen, als Sie es in Ihrem Gesetz vorgesehen hatten. ({11}) Nehmen Sie die Frage der Freibeträge bei Veräußerungsgewinnen: Wir haben auf Grund der Diskussionen mit den Verbänden der Wirtschaft die Freibeträge bestehenlassen, weil wir uns davon überzeugen ließen, daß diese Steuersubvention gerade beim Betriebsübergang nach wie vor wirtschaftlich begründbar ist. Die Veräußerungsgewinne werden insoweit wie bisher steuerlich begünstigt behandelt. Auch hier kommen wir auf Grund der Diskussionen den Verbänden der Wirtschaft entgegen. Nehmen Sie die Ansparabschreibung: Ich weiß vielleicht wissen Sie es auch noch - aus den vielen Verhandlungen der letzten Jahre, daß wir sie zunächst gegen Ihren Widerstand durchgesetzt haben. Die Ansparabschreibung sollte nach den vielen Katalogen, die zur Kürzung der Steuersubventionen vorgelegen haben, gestrichen werden. Wir sind auch hier den mittelständischen Betrieben und den Kleinbetrieben entgegengekommen. Die Ansparabschreibung bleibt erhalten. Nehmen Sie die Teilwertabschreibung: Hier haben wir die Kritik aus der Wirtschaft aufgenommen. Die Teilwertabschreibung - ich stelle das noch einmal klar war in Ihrer Vorlage nicht vorgesehen. Ich habe das einmal fälschlicherweise anders gesagt, weil ich es anders in Erinnerung hatte. Wir haben die Kritik aufgenommen und die Teilwertabschreibung deutlich zugunsten des Mittelstandes korrigiert, weil die Argumente, insbesondere aus den Buchverlagen, aus der Textilindustrie und aus dem Einzelhandel, schlicht und einfach überzeugend waren. Deshalb wurde die Teilwertabschreibung im Gesetzesverfahren korrigiert. ({12}) Wir haben eine Reihe von Tatbeständen, die einzelne Berufsgruppen betroffen haben, zugunsten dieser Berufsgruppen als Steuersubvention erhalten. Das ist systematisch nicht in Ordnung. Wir haben aber geglaubt, etwa bei selbständigen Lehrern, bei Beiträgen für Privatschulen, beim Kantinenessen usw., den Gruppen Rechnung tragen zu sollen, die uns angeschrieben und gesagt haben, daß der Abbau dieser Subventionen sie über Gebühr belasten würde. Aber da wir hier schon über die Steueränderungsgesetze reden, möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, daß diese Steueränderungsgesetze auch schlimme Fehlentwicklungen in bezug auf die Arbeitnehmerschaft korrigieren, weil Sie ein ganz anderes Gesetz beschließen wollten. Sie wollten die Nacht- und Schichtarbeit besteuern. Wir haben vor den Wahlen versprochen, daß das nicht in Frage kommt, weil die Busfahrer, die Facharbeiter und die Krankenschwestern nicht die Verlierer der Steuerreform werden sollten. Wir sind stolz darauf, daß unser Reformgesetz dieses Versprechen einlöst. ({13}) Sie wollten den Arbeitnehmerpauschbetrag halbieren. Damit wollten Sie die Arbeitnehmerschaft in großem Umfang steuerlich stärker belasten. Wir haben es angesichts der Tatsache, daß die Steuern in den letzten Jahren die Arbeitnehmerschaft überproportional belastet haben, nicht für vertretbar gehalten, diese Steuersubvention abzubauen. Sie wollten die Kilometerpauschale deutlich reduzieren, obwohl Sie doch wissen, daß gerade in einem Zeitalter, in dem jeder Flexibilität und Mobilität fordert, auch die Anfahrtswege der Arbeitnehmerschaft mit dem privaten Pkw, insbesondere in ländllichen Gebieten, durchaus steuerlich begünstigt werden sollten. Wir erhalten die Kilometerpauschale, weil wir keine unzumutbaren Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen, die einen langen Anfahrtsweg zu ihrer Arbeitsstelle haben. ({14}) - Sie haben gestern hier den Vorschlag gemacht, wir sollten sie in eine Entfernungspauschale umwandeln. Mir ist nur aufgefallen, daß Sie vergessen haben, eine Zahl zu nennen. ({15}) - 70 Pfennig; das ist gut. Dann sagen Sie noch dazu, wieviel das insgesamt kostet und wie das finanziert werden soll. Das ist typisch F.D.P. Wer heute bei einem strukturellen Defizit von 30 Milliarden DM im Bundeshaushalt noch weitere Geschenke fordert und nicht sagt, wie sie finanziert werden sollen, ist unglaubwürdig und kann in einer solchen Debatte im Grunde genommen nicht ernst genommen werden. ({16})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Lafontaine, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Solms?

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Selbstverständlich, Herr Kollege Solms. Vielleicht sagen Sie mir ja, wie das Ganze finanziert werden soll.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Lafontaine, wenn Ihnen unser Gesetzentwurf vorgelegt worden wäre, hätten Sie ihm entnehmen können - deswegen frage ich Sie, ob Sie das jetzt zur Kenntnis nehmen wollen -, daß unser Vorschlag dadurch aufkommensneutral ist, daß es bei der 70-Pfennig-Regelung bleibt, auch für andere Verkehrsmittel als Automobile, daß die Kilometerpauschale allerdings erst bei einer Entfernung von über 10 Kilometern gewährt wird.

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Das ist keine Antwort, Herr Kollege Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dadurch wird es aufkommensneutral.

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Das ist schlicht und einfach falsch. Schauen Sie sich das noch einmal an. Wenn Sie sagen, daß Sie 70 Pfennig wollen, dann ist das nicht aufkommensneutral, sondern schlicht und einfach falsch. ({0}) Wir können das ja klären. Wir haben diese Modelle nach allen Richtungen diskutiert. Wenn Sie eine Entfernungspauschale in dieser Form vorschlagen und den Eindruck erwecken, daß sie für einen großen Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Städten usw. nicht in Frage kommt, dann müssen Sie das auch dazusagen und deutlich machen, wieviel Prozent der Arbeitnehmer Sie ausschließen. Das ist dann eine andere Debatte. Ich habe Ihrem Antrag entnommen, daß Sie eine Entfernungspauschale einführen wollen. Das ist durchaus richtig. Wenn Sie aber jetzt sagen, daß Sie einen Teil der Arbeitnehmerschaft wieder herausnehmen, dann ist das nicht die Entfernungspauschale, über die wir immer gesprochen haben. Wir sind aber gerne bereit, mit Ihnen weiter darüber zu debattieren. ({1}) Nachdem ich etwas zu den Arbeitnehmern und ihren Familien gesagt habe, möchte ich noch betonen, daß die Entlastung von 2 500 DM natürlich nicht das Ende sein kann. Denn das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgetragen, die Familien noch besserzustellen, als es durch die 2 500 DM jetzt vorgesehen ist. Das wirft natürlich die Frage auf, wie dieser Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes angesichts der Haushaltsentwicklung erfüllt werden kann. Wir müssen darauf hinweisen, daß davon nicht nur der Bund, sondern auch die Länder betroffen sind. Deshalb brauchen wir an dieser Stelle eine sachliche und ehrliche Debatte. Wir werden sorgfältig zu prüfen haben, zu welchem Mittel wir greifen werden, um diesen Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes zu erfüllen. Ich halte - soviel möchte ich dazu sagen - Ansätze für richtig, die davon ausgehen, daß alle Leistungen für die Familien auf eine brauchbare und sinnvolle Weise zusammengeführt werden sollen. Aber eines bleibt: Wir sind durch das Verfassungsgericht in einem nicht erwarteten Umfang bestätigt worden. Wir haben gegen viele Widerstände gesagt: Die Familien werden in diesem Lande viel zu schlecht gestellt. Wir haben in dem vorliegenden Gesetzentwurf mit einer Entlastung der Familien in Höhe von 2 500 DM einen ersten Schritt zur Verbesserung der Situation der Familien getan. Das Verfassungsgericht sagt: Das ist nicht ausreichend. Wir halten es für richtig, die Familien in diesem Lande weiter zu stärken. ({2}) Denn es ist unbestreitbar, daß die Familien in den letzten Jahren die Verlierer der Gesetzgebung waren, die Sie zu verantworten haben, obwohl Sie sich in vielen programmatischen Aussagen immer wieder dazu bekannt haben, die Familien zu fördern. Ich habe vorhin davon gesprochen, daß die Wirtschaft in den letzten Jahren um 50 Milliarden DM entlastet worden ist. Ich ergänze dazu, daß nach Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums beispielsweise als Folge der Streichung der Lohnfortzahlung und der Streichung des Kündigungsschutzes im Rahmen der Tarifverträge weitere Entlastungen in Höhe von 15 Milliarden DM für die Unternehmen eingetreten sind. Sie selbst haben immer wieder davon gesprochen. Wenn man dies alles saldiert, dann weiß man, in welchem Umfang in den letzten Jahren Steuerentlastungen zugunsten der Unternehmen durchgeführt worden sind. Ich will im Hinblick auf die bestehende Debatte feststellen: Wer die aktuelle Belastung der großen Unternehmen und Körperschaften, die auch nach Ihrem Gesetzentwurf belastet worden wären, wie in den Unterlagen nachzulesen ist, kritisiert und verschweigt, in welch großem Umfang sie in den letzten Jahren entlastet worden sind, der leistet keinen sachlich akzeptablen Beitrag zur Steuerdebatte. Denn eines muß ich ganz klar sagen: Es kann nicht sein, daß wir zulassen, daß nur noch die Arbeitnehmer - weil sie keine Gewinnverlagerung, Kontenverlagerung oder Wohnsitzverlagerung vornehmen können - die Steuerzahler in unserem Staate sind und sich alle anderen der Steuerzahlung entziehen. Das ist eine Entwicklung, die wir auf keinen Fall akzeptieren. ({3}) Deshalb ist es völlig richtig, wenn die größeren Unternehmen sagen, daß sie durch unseren Gesetzentwurf stärker belastet werden. Dies ist vertretbar, weil wir eine ganze Reihe von Faktoren heranziehen können, um diesen Sachverhalt zu begründen. Zunächst hatte ich darauf hingewiesen, daß die Steuerquote in Deutschland im Vergleich zu den übrigen Staaten Europas am niedrigsten ist. Außerdem hatte ich Sie darauf aufmerksam gemacht, daß die Steuerquote in Deutschland nicht nur im Vergleich zu den übrigen Staaten Europas am niedrigsten ist, sondern daß sie im Verlauf der letzten Jahre auch einen Tiefstand erreicht hat. Ebenfalls hatte ich deutlich gemacht, daß die ständigen Steuerentlastungsgesetze der letzten Jahre mit ihrer einseitigen Schlagseite zu einer ungerechten Verteilung in unserem Lande geführt haben. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Wir können die Steuerstrukturen verbessern, und wir können mehr Steuergerechtigkeit herstellen. Wer aber die Bevölkerung nach wie vor in die Irre führt und behauptet, größere Steuerentlastungen seien vertretbar, der täuscht sie und ist in dieser Debatte im Grunde genommen nicht ernst zu nehmen. ({4}) Im übrigen weise ich darauf hin, daß die deutschen Körperschaften nach Berechnungen des Eurostat unter effektiven Aspekten die niedrigste Besteuerung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft aufweisen. Das heißt, der Ansatz, die Steuersätze zu verringern und dafür Steuersubventionen zu streichen, war richtig. Auch die Wirtschaftsverbände haben diesen Ansatz immer wieder in die Debatte eingebracht. Dies ist auch ein Ansatz für mehr Steuergerechtigkeit. Aber eines geht nicht - dies richtet sich an die Kritiker aus den Wirtschaftsverbänden -, nämlich daß man auf der einen Seite amerikanische Steuersätze fordert und auf der anderen Seite geradezu alles unternimmt, um an den deutschen Abschreibungsbedingungen festzuhalten. Das ist unmöglich. Ich bitte daher um Fairneß und Sachlichkeit in dieser Debatte. ({5}) In diesen Kontext gehört auch die ständig nachzulesende Drohung von Unternehmenszentralen oder Wirtschaftsverbänden: Wenn der Staat die Steuergesetzgebung nicht nach den Maßgaben macht, die von uns für richtig gehalten werden, dann wandern wir ab oder müssen Arbeitsplätze abbauen. Ich will dieses Argument einmal aufgreifen: Wenn nachgewiesen werden könnte, daß die effektive Steuerbelastung etwa der großen Unternehmen in Deutschland deutlich höher wäre als in anderen Ländern, dann könnte man noch Verständnis für eine solche Argumentation haben. Solange man sich aber nur auf die nominalen Steuersätze bezieht und verschweigt, daß sich in diesem Lande Unternehmen damit gebrüstet haben, in den nächsten Jahren überhaupt keine Steuern zu zahlen, wenn man verschweigt, daß einzelne große Unternehmen in den letzten Jahren bei der legalen Steuerminderung so fleißig waren, daß sie im Verhältnis zum Umsatz und zum Ertrag ganz wenig Steuern gezahlt haben, dann hat man den Sinn dieser Debatte nicht verstanden. Ich will eines sagen: Hier geht es um das Verständnis unseres Staates, auch um die Fragen, wie der einzelne zu unserem Staat eingestellt ist und welches Verständnis unsere Gesellschaft zusammenhält. Der folgende Ausspruch des amerikanischen Präsidenten Kennedy wurde oft zitiert: Frag nicht immer nur, was der Staat für dich tun kann! Frag auch einmal, was du für den Staat tun kannst! - Wir haben hier in den letzten Jahren eine Atmosphäre aufkommen lassen - unter Ihrer Mitwirkung, meine Damen und Herren -, in der der Eindruck entstanden ist, Steuern zu zahlen sei im Grunde eine unsittliche Handlung, und jeder, der Steuerflucht begehe oder Steuervermeidung anstrebe, sei der ideale Staatsbürger. So weit ist es doch in diesem Lande gekommen. ({6}) Diese Schieflage der Debatte muß beseitigt werden. Wir müssen in diesem Lande wieder dafür werben, daß dieser Staat auch Einrichtungen zu finanzieren hat - wir brauchen Kindergärten und Schulen, Straßen und Schienenverkehrswege, moderne Forschung und moderne Universitäten - und daß er deshalb Steuerzahlerinnen und Steuerzahler braucht, die steuerehrlich sind. Es kann aber nicht sein, daß damit nur die Arbeitnehmer gemeint sind. Nein, alle in diesem Staate sind gemeint, wenn es darum geht, steuerehrlich zu sein und in diesem Staat einen Beitrag zu leisten. ({7}) Da hilft es auch nicht, wenn man auf andere Staaten verweist und dabei wichtige Tatbestände unterschlägt. Ich habe hier schon einmal gesagt, wie sich unsere Steuerquote im gesamteuropäischen Kontext einordnet, und Ihnen die Steuer- und Abgabenquoten aller Staaten der Europäischen Gemeinschaft vorgetragen. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir, obwohl wir den Aufbau Ost zu finanzieren haben, im Vergleich zu diesen Staaten auch bei der Steuer- und Abgabenquote die Schlußposition einnehmen. Ich sage es noch einmal: Wer glaubt, mit Blick auf bestimmte Interessengruppen - sie haben sich ja zu Wort gemeldet - immer weiter in dieselbe Richtung gehen zu können, mit dem Ergebnis, daß die Steuereinnahmen des Staates und damit auch die Steuerquote immer weiter sinken und sich die Belastung zu Lasten der Arbeitnehmer verschiebt, der ist auf dem völlig falschen Weg. Meine Damen und Herren, wir brauchen auch die notwendige Infrastruktur, um die Zukunft zu gewinnen. Wir können doch nicht die deutsche Bevölkerung in dem Glauben lassen, daß wir als ein Industriestaat in der Mitte Europas trotz des Aufbaus Ost auf Dauer mit einer deutlich niedrigeren Steuer- und Abgabenquote leben können als die Nachbarstaaten. Diese Melodie haben Sie in den letzten Jahren gesungen und sind deshalb immer unglaubwürdiger geworden. ({8}) Wenn noch irgend jemand von Ihnen die Petersberger Beschlüsse vertreten will - es könnte ja sein, daß einer Ihrer Redner dies nachher zu tun beabsichtigt -, dann verweise ich darauf, daß die Umsetzung dieser Petersberger Beschlüsse unter Einschluß der Mehrwertsteuererhöhung, die Sie vorgesehen haben nach Berechnungen von NRW einen Nettoausfall von etwa 50 Milliarden DM bedeutet hätten, und da gab es das Karlsruher Urteil zum Steuerrecht noch nicht. Ich erwähne dies hier nur, um deutlich zu machen, in welchem Ausmaß Sie in den letzten Jahren die Wählerinnen und Wähler in der Steuerpolitik in die Irre geführt haben. Ich habe vorhin von Steuergerechtigkeit gesprochen. Es geht nicht nur darum, daß wir in unserem Lande Steuergerechtigkeit herstellen. Es geht auch darum, in der Steuerpolitik wieder Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit zu haben; diese ist nämlich in den letzten Jahren völlig verlorengegangen. ({9}) Ich höre dann immer wieder, daß viele Sachverständige - so heißt es; das sind dann die Vertreter der Interessenverbände - ({10}) - Auch Professoren sind Lobbyisten, verehrter Herr Kollege. ({11}) Sie dürfen nicht meinen, daß Professoren neutrale Wesen seien, die keine Interessen verträten. Auch Professoren, die bei Beratungen herangezogen werden, vertreten schlicht und einfach Interessen. Es ist nur gut, daß wir darüber aufgeklärt werden, daß die F.D.P. das anscheinend nicht weiß; das erklärt dann das eine oder andere. ({12}) Glauben Sie ja nicht, daß die Professores bei ihren Stellungnahmen nicht irgendwelche Interessen vertreten würden. ({13}) Ich möchte aber hinzufügen, daß wir natürlich damit gerechnet haben, daß viele Vertreter von Interessenverbänden gegen dieses Steueränderungsgesetz Stellung nehmen würden. Denn wir konnten davon ausgehen, daß wir, wenn wir beispielsweise gegen die wirklich üble Praxis der Verlustzuweisung, die in den letzten Jahren eingerissen ist und wo es regelrechte Modelle gibt, die marktschreierisch angepriesen werden - das ist ein Schlag gegen Steuergerechtigkeit -, angehen würden, auf großen Protest stoßen würden. Wir sind stolz darauf, daß wir diese Auseinandersetzung begonnen haben und daß wir in unserem Lande mehr Steuergerechtigkeit verwirklichen werden. ({14}) Im übrigen: Wenn immer wieder gefragt wird: „Wer äußert sich wie zu diesem Steuergesetz?“, dann möchte ich erwidern: Es gibt in diesem Land nicht nur Menschen, die Steuersparmodelle in Anspruch nehmen. ({15}) Das ist wirklich die Wahrheit. Viele von denen, die uns jetzt zuhören, werden gar nicht wissen, was das ist; sie werden nicht wissen, was eine Verlustzuweisung von 225 Prozent - ich habe das vorgelesen - eigentlich bedeutet, und sie werden all die Sorgen, die von Ihnen als die Hauptsorgen der deutschen Steuerpolitik bezeichnet werden, überhaupt nicht haben. Diese Regierung hat mit ihrer Steuerpolitik die große Mehrheit des Volkes im Auge; sie hat die Familien im Auge. Hinsichtlich der Familien haben wir ja in den letzten Jahren gelernt, daß manche Familien ihre Kinder gar nicht auf einen Schulausflug schicken können, weil ihnen das Geld dafür fehlt. Diese Regierung hat die Arbeitnehmer im Auge, die ein sehr geringes Nettoeinkommen haben, und deshalb wollen wir die Arbeitnehmerschaft entlasten. ({16}) Wir haben eine Leitidee, die ökonomisch vernünftig ist, nämlich die, daß auf Dauer der gesellschaftliche Zusammenhalt in diesem Land bedroht ist, wenn nicht soziale Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit hergestellt werden. ({17}) Deshalb erfüllen wir mit diesem Steuergesetz einen Wählerauftrag. Die große Mehrheit des Volkes hat Nutzen von diesem Steuergesetz. Einige, die bisher von Subventionen profitiert haben, beschweren sich. Insofern haben wir die Bestätigung dafür, daß wir mit unserer Steuerpolitik auf dem richtigen Weg sind. Wir bitten Sie, dem Gesetz zuzustimmen. ({18})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Für die CDU/CSUFraktion erteile ich dem Kollegen Friedrich Merz das Wort. ({0})

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lafontaine, ich will mit Bemerkungen zu zwei Sachverhalten beginnen, über deren Bewertung wir uns durchaus einig sind. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß das Auftreten manches Unternehmers in den letzten Jahren, insbesondere auf Hauptversammlungen, und die Wortwahl, die es da zum Teil gegeben hat, ungeeignet sind ({0}) - lassen Sie mich das doch zu Ende sagen -, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Gemeinwohlverantwortung von Unternehmen und Unternehmern in Deutschland zu fördern. Darin sind wir uns einig. Herr Lafontaine, wir sind uns ebenfalls in der Bewertung der Tatsache einig, daß die Arbeitnehmerhaushalte in der Bundesrepublik Deutschland steuerlich und auch bei den Sozialabgaben entlastet werden müssen. Auch in dieser Frage sind wir uns einig. Das haben wir im übrigen bereits in der letzten Legislaturperiode versucht. Sie haben allerdings eine Reihe von Reformen, die erste Erfolge auf dem Weg zur Entlastung von Arbeitnehmerhaushalten gezeigt haben, zurückgenommen. ({1}) Diejenigen, die wir nicht durchsetzen konnten, haben Sie in den letzten Jahren blockiert, nicht wir. ({2}) Wir sind uns allerdings mit Ihnen überhaupt nicht einig in der Bewertung der Frage, ob wir in der Bundesrepublik Deutschland eine durchgehende Steuerentlastung der Bürgerinnen und Bürger und der Betriebe brauchen oder nicht. Wenn ich es richtig beobachte, sind Sie, Herr Lafontaine, mit Ihrer Position auch innerhalb der Bundesregierung zunehmend isoliert. Denn warum reden wir in Deutschland eigentlich noch über eine Unternehmenssteuerreform, warum reden Sie in der Bundesregierung eigentlich noch über eine Unternehmenssteuerreform, wenn Sie die Entlastung von Unternehmen überhaupt nicht mehr für notwendig halten? Warum wird über diese Frage in Ihren Reihen eigentlich diskutiert? ({3}) Ich will auf etwas Bezug nehmen, was gestern und auch in der letzten Woche hier bereits eine Rolle gespielt hat. Herr Lafontaine, für das Parlament als Ganzes ist die Art und Weise, wie Sie dieses Steuergesetz hier durchsetzen, völlig inakzeptabel. ({4}) Wenn Sie es nicht ernst nehmen, wenn wir das sagen, wofür ich begrenztes Verständnis habe, dann nehmen Sie vielleicht ernst, was eine größere Zahl von jüngeren Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion an Sie und an den Bundeskanzler in einem Brief geschrieben hat. Sie sprechen davon, daß sie vor der Verabschiedung dieses Steuergesetzes unter einen „absurden Druck“ gesetzt worden seien. Diese Behandlung des Parlamentes ist nicht angemessen. Daß wir von Ihnen und dieser Bundesregierung derart unter Druck gesetzt werden, Entscheidungen zu treffen, wie Sie das in den letzten Wochen gemacht haben, ist ein Umgang mit dem Verfassungsorgan Deutscher Bundestag, den wir auf Dauer nicht hinnehmen können. ({5}) Damit sich dieses Mißverständnis nicht in der Öffentlichkeit festsetzt, will ich einmal den grundlegenden Unterschied zwischen der Steuerpolitik, die wir nach wie vor für richtig halten, und dem, was Sie hier machen, deutlich machen. Sie nehmen ständig Bezug darauf, daß Teile Ihres Steuerreformkonzeptes auch Teil des Petersberger Steuerreformkonzeptes gewesen seien. Ich will hier nicht ausführlich dazu sprechen, wie es heute mit den Petersberger Beschlüssen aussähe. Wir könnten die Vorschläge des Petersberger Steuerreformkonzeptes heute nicht mehr 1 : 1 in den Deutschen Bundestag einbringen, weil es eine Reihe von Veränderungen bis hin zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, die auch wir zu berücksichtigen hätten, gegeben hat. Aber, Herr Lafontaine, wir haben mit den Petersberger Beschlüssen etwas angestoßen, was auch heute notwendig wäre: Wenn Sie die steuerliche Bemessungsgrundlage verbreitern wollen - es gibt eine Vielzahl von Ansatzpunkten, wo die steuerliche Bemessungsgrundlage verbreitert werden muß und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten beseitigt werden müssen -, dann müssen Sie zeitgleich die Steuersätze für Privathaushalte und für Betriebe in Deutschland senken, damit Sie nicht de facto zu einer Steuererhöhung für viele in Deutschland kommen. ({6}) Das ist der zentrale Unterschied zwischen der Steuerpolitik, die Sie für richtig halten, und der, die wir für richtig halten würden. Jetzt will ich mit einer Reihe von Mißverständnissen im Detail aufräumen. Herr Lafontaine, Sie wiederholen immer wieder, daß Teile der Vorschläge zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, die wir gemacht haben, von Ihnen jetzt übernommen worden seien. Ich werde an einer Reihe von Beispielen deutlich machen, daß das, was Sie sagen, falsch ist. Sie machen den Vorschlag, ein Wertaufholungsgebot einzuführen. Das ist ein Vorschlag - Sie haben sich da einmal geirrt; das kann passieren -, den auch wir gemacht haben. Nur haben wir vorgeschlagen, die Rückwirkung zeitlich eng zu begrenzen. Sie schlagen jetzt vor und stellen heute morgen zur Abstimmung, das Wertaufholungsgebot rückwirkend bis zur D-MarkEröffnungsbilanz im Jahr 1948 gelten zu lassen. Das heißt im Klartext, Herr Lafontaine: Bilanzpositionen, die in Unternehmen - die zum Teil gar nicht mehr existieren, die fusioniert haben, die saniert worden sind, die heute in völlig anderer Rechtsform dastehen - seit mehr als 50 Jahren mitgetragen werden, müssen wertaufgeholt werden. Wie soll das eigentlich vonstatten gehen? Dies ist ein Vorschlag aus dem Tollhaus praxisferner Steuerbürokraten. Das hat mit praktischer Anwendbarkeit wirklich nichts zu tun. ({7}) Sie berufen sich immer wieder gern auch auf internationale Maßstäbe. Ich werde darauf in einem anderen Zusammenhang gleich noch zu sprechen kommen. Lassen Sie mich die internationalen Maßstäbe zunächst im Zusammenhang mit der Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs bei Auslandsdividenden ansprechen. Hier soll eine Pauschalbesteuerung von 15 Prozent eingeführt werden. Im Ergebnis bedeutet dies für Dividendenzahlungen ausländischer Unternehmen an deutsche Muttergesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland - die bereits einmal versteuert sind - eine tatsächliche Steuerbelastung von 75 Prozent und mehr. Herr Schröder, Sie sind doch immer so an den großen Konzernen interessiert: Dies ist ein Programm gegen große Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie vertreiben damit Konzerngesellschaften aus dem Standort Deutschland. ({8}) Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, mir das nicht glauben, sprechen Sie doch einmal mit dem Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen Aktiengesellschaft und fragen ihn, was die Pauschalbesteuerung für dieses Unternehmen, das an ausländischen Tochtergesellschaften beteiligt ist, bedeutet. In Belgien und in Italien - das sind bislang die einzigen europäischen Länder, die eine solche Pauschalbesteuerung kennen - gilt nicht ein Steuersatz von 15 Prozent, sondern von 5 Prozent, ({9}) und zwar bei voller Abziehbarkeit aller Finanzierungsund Verwaltungsaufwendungen, die im Inland entstehen. Das ist der Unterschied. Da können Sie nicht behaupten, daß Sie Steuerpolitik nach internationalen Standards machen. Herr Lafontaine, Sie machen eine steuerpolitische Geisterfahrt gegen den Standort Bundesrepublik Deutschland. ({10}) Ich nenne einen weiteren Punkt. Sie haben hier - völlig zu Recht - gesagt, daß Sie sich bei der Teilwertabschreibung korrigieren mußten. Wenn Sie eine ordnungsgemäße Beratung mit dem notwendigen zeitlichen Vorlauf ermöglicht hätten, dann hätten Sie sich diese Panne im Gesetzgebungsverfahren ersparen können; ({11}) denn dann wäre Ihnen das schon bei der Anhörung im Finanzministerium gesagt worden. Die ist in der Geschäftsordnung der Bundesregierung vorgesehen, bevor Sie mit einem Gesetz in die gesetzgebenden Körperschaften gehen. Aber diese Anhörung haben Sie nicht gemacht, weil Sie sich selbst unter diesen „absurden Zeitdruck“ gesetzt haben. Daß Sie diese Korrektur vornehmen mußten, wäre vermeidbar gewesen. Was kommt jetzt dabei heraus? Die Teilwertabschreibung bleibt bei sogenannten dauernden Wertminderungen bestehen. Herr Lafontaine, welcher Betriebsprüfer soll eigentlich beurteilen, was eine dauernde Wertminderung ist? Haben die Betriebsprüfer in Zukunft hellseherische Fähigkeiten? Streiten die sich jetzt ständig über die Frage, ob das dauernde Wertminderungen in die Zukunft sind? Das kann doch keiner wissen, wenn eine solche Bilanzposition festgelegt wird. Herr Lafontaine, was Sie hier machen, ist abwegig. Das hat mit steuerrechtlicher Praktikabilität nichts zu tun. Das ist die Gesetzessprache der Bürokraten. ({12})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Merz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Poß?

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich möchte im Zusammenhang vortragen. ({0}) Ich nenne einen nächsten Punkt. Sie haben eine ziemlich kurvenreiche Fahrt genommen bei der Frage, ob Sie die Verlustverrechnungen zwischen den einzelnen Einkunftsarten in Zukunft weiter ermöglichen sollen. Herr Lafontaine, die Vielzahl von Betroffenen, die Sie angeschrieben haben, tun Sie mit leichter Hand als Interessenvertreter, als Lobbygruppen ab: Ich will dazu sagen: Auch wir haben Erfahrungen damit gemacht, was es bedeutet, wenn man als Parlament, insbesondere in der Steuergesetzgebung, unter einen ziemlichen Druck von außen gesetzt wird. Dennoch: Es ist politisch klug, zwischen einseitiger Interessenwahrnehmung und der Annahme der tatsächlichen Sorgen der Betroffenen, die geäußert werden, zu unterscheiden. Hätten Sie sich etwas mehr Zeit genommen, hätten Sie feststellen können, daß beispielsweise im Bereich des Wohnungsbaus, im Bereich des Schiffbaus bis hin zur Filmwirtschaft - Herr Naumann ist heute nicht da; ich habe ihm das schon einmal gesagt - eine ganze Reihe von Arbeitsplätzen hoch gefährdet sind, wenn Sie bei dem Vorschlag zur Begrenzung der Verlustverrechnung zwischen den einzelnen Einkunftsarten bleiben. ({1}) Auch dies ist ein Vorschlag, der mit steuerrechtlicher Praktikabilität nichts, aber mit der fiskalischen Gier des Finanzministers sehr, sehr viel zu tun hat. ({2}) Nun lassen Sie mich auf das Thema „Abzinsungsgebot für die Rückstellungen auf Sachleistungsverpflichtungen“ zu sprechen kommen. Zunächst auch dazu eine Vorbemerkung: Die Behauptung, Herr Lafontaine, diese Steuerpolitik in Deutschland sei nach dem Vorbild internationaler Standards, ist falsch. ({3}) Das Abzinsungsgebot auf Sachleistungsverpflichtungen in der Steuerbilanz gibt es in keinem einzigen Land der Europäischen Union. ({4}) Ich stelle mit großem Vergnügen fest, daß Sie sich in letzter Zeit häufig und gern auf die Vereinigten Staaten von Amerika berufen. Dann tun wir das auch einmal bei diesem Thema. Wissen Sie, wie das mit dem Abzinsungsgebot in den USA funktioniert? Sie haben doch einen großen Apparat zur Verfügung: Warum wird Ihnen das nicht gesagt? Als das Abzinsungsgebot in Amerika eingeführt worden ist, sind die entstandenen Auflösungsreserven für alle steuerfrei gewesen. Gleichzeitig hat man in den Vereinigten Staaten von Amerika die Möglichkeit der Aufzinsung für den Fall eingeführt, daß die Geldentwertungsrate so hoch ist, daß die Rückstellungen nicht mehr ausreichen. Das ist der Unterschied zwischen Amerika und Deutschland. Sie greifen auf Rückstellungen jetzt ausschließlich über die Steuerbilanz zu, weil Sie Geld brauchen. Das hat mit Steuergerechtigkeit oder dem, was notwendig wäre, nichts zu tun. Dieser Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland braucht wegen uneinlösbarer Wahlversprechungen sehr viel Geld. Dabei sind Ihnen die Grundsätze unseres Steuerrechts und unseres Handelsrechts völlig gleichgültig. ({5}) Herr Lafontaine, wir könnten jetzt lange über die Frage sprechen, ob das sogenannte Maßgeblichkeitsprinzip noch seine Bedeutung hat, also die Frage, ob die Handelsbilanz für die Steuerbilanz ausschließlich maßgeblich sein soll. Auch wir haben an dieser Stelle schon die eine oder andere Korrektur angebracht, die das Maßgeblichkeitsprinzip in Frage stellt. Sie machen hier, um es mit einfachen Worten zu verdeutlichen, aber folgendes: Sie höhlen die Steuerbilanz in einer Art und Weise aus, die ein Unternehmen, wenn es in gleicher Weise in der Handelsbilanz vorgehen würde, an den Rand der Strafbarkeit bringen würde. - Ich lese Ihnen übrigens gleich aus dem „Stern“, den Sie gerade untereinander austauschen, vor. Darin sind hochinteressante Zitate. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. ({6}) Ich kann mir vorstellen, daß Sie darüber nicht amüsiert sind, Herr Bundeskanzler. Aber das machen wir gleich. Ich will zunächst etwas über die Handelsbilanz und die Steuerbilanz sagen. Wenn ein Unternehmen in der Handelsbilanz das macht, was es jetzt nach Ihrer Steuergesetzgebung in der Steuerbilanz machen muß, dann begeht es eine Bilanzfälschung. ({7}) Wenn das Unternehmen mit dieser Handelsbilanz zur Bank geht und auf deren Grundlage einen Betriebsmittelkredit beantragt, ist das ein versuchter oder vollendeter Kreditbetrug. So gehen Sie in der Steuerbilanz vor. Sie höhlen damit nicht nur das Maßgeblichkeitsprinzip aus, sondern Sie höhlen damit die gesamte Vertrauensbasis aus, die die Unternehmen dringend benötigen. Dabei handelt es sich, Herr Lafontaine, nicht um die großen Konzerne des Neoliberalismus, sondern um die Vielzahl der kleinen und mittleren Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie höhlen das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Rechtsstaats Bundesrepublik Deutschland aus, wenn Sie Ihre Steuerpolitik in dieser Weise fortsetzen. ({8}) Jetzt will ich Ihnen konkret noch etwas zu den beiden großen Branchen, die in Rede stehen, nämlich Energiewirtschaft und Versicherungswirtschaft, sagen. Mit der Energiewirtschaft haben Sie ein Gespräch für den 9. März, also in wenigen Tagen, über diese ganzen Fragen, die wir heute entscheiden sollen, vereinbart. Die Betroffenen stellen sich natürlich zu Recht die Frage: Warum sollen wir eigentlich noch mit der Bundesregierung reden, wenn in zweiter und dritter Lesung am heutigen Tag Fakten geschaffen werden? Darüber kann man hinweggehen und sagen: Das sind alles nur die blindwütigen Wahrnehmer der jeweiligen Gruppeninteressen. Aber, Herr Lafontaine, hier ist nicht nur die Atomwirtschaft betroffen, sondern hier sind die deutsche Braunkohle und die deutsche Steinkohle betroffen. Dort oben auf der Regierungsbank sitzt tief versunken in die Akten des Kanzleramtes der Staatsminister Schwanitz. Herr Schwanitz, ich spreche Sie einmal persönlich an. Sie vertreten die Interessen der neuen Bundesländer im Bundeskabinett. ({9}) Ist Ihnen eigentlich klar, was es für die Braunkohle in den neuen Bundesländern bedeutet, wenn dieses Gesetz heute verabschiedet wird? Ist Ihnen klar, was es bedeutet, wenn die Rückstellungen in einem Umfang von etwa 1 Milliarde DM, die für die Rekultivierung vorgenommen werden müssen, in der Steuerbilanz aufzulösen und zu versteuern sind? Was der Bundesfinanzminister diesen Unternehmen abfordert, ist der mehrfache Jahresgewinn, den die ansonsten subventionsfrei arbeitende Braunkohle in den neuen Bundesländern erwirtschaften kann. Wie gehen Sie eigentlich mit diesem Thema um, wenn Sie an diesem Wochenende irgendwo in den neuen Bundesländern gefragt werden: Was tut diese Bundesregierung eigentlich für die neuen Bundesländer? Das können Sie doch gar nicht mehr vertreten, ({10}) es sei denn, Sie haben es unter dem absurden Zeitdruck selber gar nicht verstanden. Aber eine andere Alternative gibt es nicht. ({11}) Jetzt wehren Sie sich, Herr Lafontaine - auch dafür habe ich viel Verständnis -, gegen den öffentlichen Druck, der mit dem Hinweis darauf, dies führe zur Verlagerung von Standorten aus der Bundesrepublik Deutschland, erzeugt wird. Die Erfahrung, wie so etwas geht, haben auch wir gemacht. Herr Lafontaine, haben Sie eigentlich einmal gelesen, was in Ihrem eigenen Hause dazu aufgeschrieben wird? In den Finanztableaus, die dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages vorgelegt worden sind, gehen Sie bei der Berechnung des Steueraufkommens selbst von einem sogenannten Verhaltensabschlag in einer Größenordnung von 30 Prozent aus. Sie tun das offensichtlich, weil Sie selber damit rechnen, daß eine Reihe von Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland die Tore schließt, ins Ausland geht und dort neue Standorte aufbaut. Sie gehen von einem 30prozentigen Verhaltensabschlag aus, weil Sie selber damit rechnen, daß es zu Standortverlagerungen kommt. ({12}) Herr Lafontaine, so kann man Steuerpolitik nicht machen. Ich sage Ihnen jetzt etwas zur Versicherungswirtschaft. Dazu wiederum eine Vorbemerkung. Es rührt einen ja zu Tränen an, wenn man Sie sagen hört: Es müssen alle zum Gemeinwesen beitragen und Steuern zahlen. Wie sollen Kindergärten, Krankenhäuser, Universitäten und Schulen finanziert und Straßen gebaut werden, wenn sich eine immer größer werdende Zahl von Unternehmen der sozialen Verantwortung in der Bundesrepublik Deutschland entzieht? Darf ich darauf hinweisen, daß wir im Jahr 1999 mehr als 900 Milliarden DM Steuereinnahmen haben werden? Darf ich darauf hinweisen, daß die Steuereinnahmen in diesem Jahr um rund 38 Milliarden DM höher ausfallen als im letzten Jahr? Darf ich darauf hinweisen, daß das einzige Problem, das Sie haben, nach wie vor darin besteht, daß Sie mehr ausgeben, als Sie einnehmen? Das ist das Problem, Herr Lafontaine. ({13}) Sie haben die Unternehmen angesprochen. Ich mache mich nicht zu ihrem Sprecher, aber die objektiven Zahlen sind auch nicht völlig ohne Bedeutung: Die deutsche Versicherungswirtschaft zahlt 6,4 Milliarden DM Steuern auf Einkommen und Ertrag einschließlich der Gewerbesteuer. Damit trägt die Versicherungswirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland, die von Ihnen so beschimpft wird, allein 12 Prozent des gesamten Körperschaftsteueraufkommens. Wenn Sie jetzt noch das hinzunehmen, was dort an Lohn- und Einkommensteuer für die Beschäftigten bezahlt werden, dann sind das noch einmal rund 6 Milliarden DM. Der Versicherungswirtschaft legen Sie jetzt die Auflösung von Rückstellungen auf und beziehen sich dabei wieder auf internationale Standards. Darf ich Ihnen auch in diesem Zusammenhang folgendes sagen: Das Verhältnis von Schadenrückstellungen zu erzielten Beiträgen ist in der Bundesrepublik Deutschland am unteren Ende dessen, was im internationalen Vergleich erzielt wird. Die Relation von Schadenrückstellungen zu verdienten Beiträgen liegt bei 113 Prozent. Die Relation von 113 Prozent in der Bundesrepublik Deutschland wird mit 89 Prozent und 102 Prozent nur in den Niederlanden und in Dänemark unterboten. In allen anderen Ländern der Europäischen Union und darüber hinaus ist die Relation von Schadenrückstellungen zu verdienten Beiträgen höher als in der Bundesrepublik Deutschland: Sie liegt in Frankreich bei 120 Prozent, in Italien bei 124 Prozent, in den USA - ein vielzitiertes Beispiel von Oskar Lafontaine - bei 131 Prozent, in der Schweiz bei 147 Prozent, in Belgien bei 156 Prozent und in Großbritannien sogar bei 170 Prozent. Das sind die Relationen, und Sie behaupten allen Ernstes, Sie machten eine Steuerpolitik nach internationalen Standards. Das, was Sie hier machen, ist rambohaft und gegen den deutschen Standort gerichtet, Herr Lafontaine. Das hat mit internationalen Standards nichts zu tun. ({14}) Ich möchte auch an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Man kann darüber sprechen, ob die Rückstellungen für die Finanzierung zukünftiger Schäden in den Bilanzen der deutschen Versicherungsunternehmen zu hoch sind. ({15}) Auch ich habe meine Zweifel, Herr Poß, ob eine Relation von über 100 Prozent dauerhaft richtig ist. Wenn Sie aber an dieses Problem herangehen, dann können Sie das nicht im Wege der Steuerbilanz, sondern dann müssen Sie die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung überprüfen. Im Zusammenhang mit öffentlich beaufsichtigten Unternehmen - darum handelt es sich bei der Versicherungswirtschaft - ist beispielsweise die Frage zu beantworten, ob die Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes noch zeitgemäß sind. Das ist übrigens ein Gesetz - vielleicht wissen Sie das noch nicht -, das in der Zuständigkeit des Bundesfinanzministers liegt. ({16}) Wenn Sie etwas an dieser Fragestellung ändern, Herr Lafontaine, dann müssen Sie doch die grundlegenden Fragen beantworten und nicht einfach einen fiskalischen Zugriff nehmen, der seine spiegelbildliche Geltung in der Handelsbilanz überhaupt nicht findet. Aber auch das ist Ihre Politik, die auf kurzatmige Einnahmeerzielung und nicht auf eine langfristige Strategie ausgerichtet ist. Jetzt komme ich zum letzten Thema: langfristige Strategie. Die Bundesrepublik Deutschland braucht darüber sind wir uns offensichtlich zumindest im Grunde einig, wenn ich das richtig verstanden habe, was Sie heute morgen noch einmal betont haben - eine langfristige Steuerkonzeption. Wenn Ihnen in einem Brief von 22 Unternehmerpersönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland mit großem Nachdruck ans Herz gelegt wird, die Entscheidung zu einer kurzatmigen und kurzfristigen Steuergesetzgebung, die Sie heute erzwingen wollen, noch einmal zu überdenken, weil wir eine langfristige Konzeption brauchen - bei denjenigen, die den Brief unterschrieben haben, handelt es sich um Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, um Unternehmensführer in der Bundesrepublik Deutschland, also um reputierliche Unternehmerpersönlichkeiten unseres Landes, die allesamt von den Anteilseigenern und den Arbeitnehmervertretern in den Gremien der Unternehmen ernannt worden sind, und nicht um irgendwelche Leute, die man mit leichter Hand abtun kann -, dann muß uns das, Herr Lafontaine, tief besorgt machen. Ich lese Ihnen das vor: Die Neugestaltung - die heute verabschiedet werden soll darf ... nicht durch Weichenstellungen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, das noch in diesem Jahr in Kraft treten soll, konterkariert werden. Herr Lafontaine, was wir heute beschließen sollen, ist kein Schritt hin zu einer steuerlichen Gesamtkonzeption. Vielmehr wird dieser Schritt eine solche steuerliche Gesamtkonzeption verhindern. Wir werden es nicht schaffen, eine solche Konzeption gemeinsam zu entwickeln, wenn Sie dem Deutschen Bundestag eine solche Steuergesetzgebung abverlangen, wie Sie es heute - ich wiederhole: unter einem „absurden Zeitdruck“ - tun. ({17}) Jetzt lassen Sie mich noch kurz zitieren - das möchte ich mir nun wirklich nicht entgehen lassen -, was in Ihren eigenen Reihen zu diesem Thema gesagt wird. Die Vorsitzende der Jusos, eine Kollegin im Deutschen Bundestag, gibt, wie heute im „Stern“ nachzulesen ist, wörtlich zum besten: Da wollten diese Willy-Brandt-Enkel an die Macht, und jetzt können sie nicht regieren. ({18}) Nun muß man die Juso-Vorsitzende auch nicht überbewerten. Aber vielleicht nehmen Sie eine andere Persönlichkeit ernst, die zumindest parteipolitisch aus Ihren Reihen kommt und im selben Artikel wie folgt zitiert wird: „eine kurzsichtige und naive Politik, die von wenig Kenntnis der Märkte zeugt“. Das ist ein Zitat des langjährigen Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl. Herr Lafontaine, dieses SPD-Mitglied sagt: „eine kurzsichtige und naive Politik, die von wenig Kenntnis der Märkte zeugt“! Nun habe ich in Erinnerung, gestern oder vorgestern Ihren schon fast verzweifelten Ausruf auf dem Kongreß der europäischen Sozialdemokraten und Sozialisten in Mailand gelesen zu haben: Wir dürfen es nicht zulassen, daß in diesem Jahr die Konjunktur kaputtgeht. - Herr Lafontaine, was Sie heute dem Deutschen Bundestag vorlegen, ist ein maßgeblicher Beitrag dazu, daß die Konjunktur in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1999 geradezu abgewürgt wird. ({19}) Wenn Sie wirklich Interesse daran haben, daß wir in diesem Jahr einen anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung zurückgewinnen - er ist bereits nachhaltig gefährdet -, dann besitzen Sie die Größe, darauf zu verzichten, dieses Steuergesetz durch den Deutschen Bundestag zu bringen. ({20}) Meine Damen und Herren von der SPDBundestagsfraktion - ich spreche jetzt insbesondere die jüngeren Kolleginnen und Kollegen an, und zwar nicht nur die, die den Brief geschrieben haben -, wenn Sie einen Rest an Selbstachtung bewahren, ({21}) wenn Sie noch das Rückgrat besitzen, insbesondere in der Steuerpolitik verantwortlich Politik zu machen, ({22}) wenn Sie bereit sind, zuzugeben, daß die wenigsten von Ihnen wirklich wissen, was heute hier verabschiedet werden soll, dann können Sie diesem Gesetzentwurf unseres Bundesfinanzministers nicht zustimmen. ({23})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Kollegin Christine Scheel.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Merz, Sie können ganz beruhigt sein: Wir als Regierungsfraktionen wissen, was wir heute verabschieden. Wenn die Opposition den Überblick verloren hat, dann ist das ihr Problem. ({0}) Herr Merz, wenn Sie davon sprechen, daß diese Regierung mehr ausgibt, als sie einnimmt, dann möchte ich Sie fragen, wie es dazu kommt, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt, also über alle Ebenen, von den Kommunen über die Länder bis hin zum Bund, eine Verschuldung in Höhe von 2,2 Billionen DM haben, daß jede vierte Mark, die an Steuern eingenommen wird, dafür ausgegeben wird, daß überhaupt Zinsen und Tilgung geleistet werden können, und daß die Nettoneuverschuldung der alten Regierung nur knapp unter der Verfassungsgrenze lag. Das war Ihre Politik und Ihre Verantwortung. ({1}) Wir haben - das meine ich sehr ernst - folgende Ausgangslage vorgefunden: Der Widerstand der Bevölkerung auf Grund der ungerechten Verteilung der steuerlichen Lasten hat zu einer immer stärker erodierenden Steuermoral geführt. Die Folge ist, daß eine in der Steuerbelastung zweigeteilte Gesellschaft existiert: zum einen diejenigen, die alle Chancen genutzt haben, um ihre Steuern gegen Null zu drücken, und zum anderen diejenigen, die ohne Abschreibungsmöglichkeiten die sogenannte Dummensteuer - wie das in der Presse immer genannt wurde - entrichten mußten. Eine derart verfallene Steuerkultur trifft die Steuermoral an der Wurzel und hat letztlich eine sehr entdemokratisierende Wirkung. Als Partei mit politischer Verantwortung - ich meine SPD und Grüne - muß man das angehen. Daher ist es die Aufgabe des Staates, nicht nur Steuerkriminalität zu verhindern - selbstverständlich müssen wir auch diese bekämpfen -, sondern auch eine effiziente und eine gerechte Steuerpolitik zu gestalten, damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder gestärkt wird. ({2}) Wir haben mit diesem Gesetz und seinen Vorläufern Familien mit Kindern bereits entlastet; die nächste Stufe wird im Sommer beraten. Wir haben kleine und mittlere Einkommen entlastet. Das sind Schritte in die richtige Richtung. An dieser Stelle möchte ich ehrlicherweise sagen, daß das heute zu verabschiedende Steuerentlastungsgesetz eine sehr schwere Geburt gewesen ist. Man muß auch zugeben, daß es nicht der absolute Wurf ist; unter „absolutem“ Wurf verstehe ich sehr geringe Steuersätze und die völlige Abschaffung von Steuertatbeständen, die entsprechende Steuerminderungen zur Folge haben. Aber wir haben uns mit dieser umfangreichen Reform auf den Weg begeben, endlich eine Bereinigung des Steuerrechtes zu schaffen und die Wiederherstellung der steuerlichen Gerechtigkeit in Angriff zu nehmen. Es wurde in den Ausschüssen selten - wir als Grüne haben das in den letzten vier Jahren in der Opposition erlebt - so intensiv über ein Gesetzespaket diskutiert. ({3}) Es wurde selten, meine Damen und Herren von der Opposition, vor allem von der CDU/CSU, so ausführlich mit Verbänden und Sachverständigen in öffentlichen Anhörungen - wir hatten mehrtägige öffentliche Anhörungen - diskutiert, und es haben selten so viele Gespräche stattgefunden. ({4}) Wir haben dieses Gesetz in den Ausschüssen gegen den erbitterten Widerstand der Opposition, der sich allerdings weitgehend auf formale Fallstricke bezogen hat, und auch gegen den Widerstand der Lobbyisten abschließend beraten können. Man muß auch einmal zur Kenntnis nehmen, daß von seiten der Opposition in den Fachausschüssen mit Geschäftsordnungsgeschichten agiert und daß inhaltlich sehr wenig vorgetragen wurde. Es gab in den Fachausschüssen keinen einzigen inhaltsbezogenen Antrag, der von der Opposition zu diesem Gesetz eingebracht worden ist. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Scheel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Michelbach?

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich weiß, was der Herr Michelbach sagen will; es ist immer das gleiche, das mag ich jetzt nicht noch einmal hören. ({0}) Wir haben die Politik der alten Regierung, die mehr und mehr steuerliche Lasten auf die durchschnittlichen Einkommensbezieher verlagert hat und bis an die Grenze der Belastbarkeit gegangen ist, endlich umgekehrt. Es ist ein großer Erfolg, was diese Regierungskoalition auf den Weg gebracht hat. Man muß sehen, daß bisher Industrie und Großverdiener - ich führe keine Neiddebatte ({1}) durch immer neue Ausnahmen und Sonderregelungen steuerlich entlastet wurden, ohne daß - das gilt vor allem für die Wirtschaft - neue Arbeitsplätze entstanden sind. Herausgekommen sind - wenn Sie den Wirtschaftsund Börsenteil lesen, werden Sie das erkennen - immer höhere Unternehmensgewinne statt mehr Beschäftigung. So geht es nicht. Das war der falsche Weg; er ging zu Lasten der Bevölkerung. ({2}) Wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, daß jede Vergünstigung, die in bestimmten Bereichen gegeben wird, von der Allgemeinheit der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen zu bezahlen ist; denn man kann die Steuersätze eben nicht so weit senken, wenn die Vergünstigungen dementsprechend genutzt werden. Nun sehen die Wirtschaftslobbyisten diese Gewinne als gefährdet an. Man ist als Regierung mittlerweile damit konfrontiert, daß es Aufschreie und massenweise Briefe gibt. Aber man muß auch fragen: Wer gibt denn schon freiwillig seine Pfründe preis? Allerdings hat der hierbei entstandene Druck gerade in den letzten Tagen eine ganz neue Qualität erreicht. Man drohte mit Investitionsstopp, mit Entlassungen, mit dem Verfassungsgericht, mit Abwanderung ins Ausland und hat in der Bevölkerung, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken versucht, daß man zukünftig regelrecht am Bettelstab gehen werde. Es kann doch wohl nicht sein, daß von bestimmten großen Unternehmen auf diese Art und Weise versucht wird, auf die Politik Einfluß zu nehmen. ({3}) Auch die steuerliche Mehrbelastung wurde mit völlig überhöhten Zahlen dargestellt. So bezifferte zum Beispiel die Versicherungswirtschaft ihre Mehrbelastung mit 40 Milliarden DM. Auch Herr Merz, der als Sprecher der CDU/CSUFraktion vor mir gesprochen hat, hat darauf hingewiesen, daß es wohl in einem Umfang zu Rückstellungen gekommen ist, über den man reden muß, daß man das durchaus kritisch sehen muß. Ich bin froh, daß Sie das gesagt haben; denn das bestärkt uns darin, daß wir mit unseren Überlegungen auf dem richtigen Weg sind. Wenn das von seiten der Opposition noch unterstützt würde, so daß wir das als gemeinsames Projekt auf den Weg bekommen, dann wäre es um so schöner. ({4}) Die Lobby der Wirtschaft, speziell der Versicherungs- und der Energiewirtschaft, hat sich mit ihrem Vorgehen nicht nur unglaubwürdig gemacht, sondern sie ist uns, der von ihr Ungeliebten - man kann ja wohl sagen, daß wir nicht gerade die große Liebe der Lobbyisten in diesen beiden Bereichen sind -, regelrecht mit Nötigungs- und Erpressungsversuchen begegnet. Man muß an einer solchen Stelle auch einmal klar sagen, wie in diesem Land Lobbypolitik gemacht wird. Wir sind leider immer noch ein Land der Lobbyisten. Ihnen wollen wir uns als Regierung nicht aussetzen. Die Unternehmen schüren damit die Angst in der Bevölkerung vor weiteren Arbeitsplatzverlusten. Sie entziehen sich einmal mehr der gesellschaftlichen Solidarität, indem sie nicht nur die gebotenen Steuern zum ErChristine Scheel halt des Gemeinwesens verweigern, sondern auch noch androhen, ihre Unternehmen ins Ausland verlagern zu wollen. ({5}) Ich möchte an dieser Stelle dem Finanzminister ausdrücklich die Stange halten, daß er bei den Beratungen zum Steuerentlastungsgesetz diesen übertriebenen Drohgebärden der beiden Branchen standgehalten hat und daß wir eine vernünftige Übergangslösung für beide Bereiche gefunden haben. Vielen Dank! ({6}) Gleichzeitig appelliere ich an die Großindustrie, ihre Erpressungsversuche gegenüber der Politik zu unterlassen; denn wir lassen uns dies im Rahmen der politischen, demokratischen Entscheidungsprozesse, die hier anstehen, schlicht nicht bieten. Das bedeutet nicht, daß wir unser Steuerkonzept ohne Berücksichtigung der Belange der Wirtschaft, wie es von seiten der Opposition immer wieder dargestellt worden ist, blind durchpeitschen wollen. Wir haben die berechtigten Interessen der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands, aufgenommen. Wir sind ihnen - zur großen Zufriedenheit vieler kleiner und mittelständischer Unternehmer; auch das muß man hier einmal sagen - ein gutes Stück entgegengekommen. ({7}) Die Teilwertabschreibung sichert den steuerlichen Abzug von Lagerware, die nur noch mit erheblichen Abschlägen verkäuflich ist. Bei der Teilwertabschreibung haben wir uns - das haben Sie in der Vergangenheit immer wieder eingefordert; jetzt wollen Sie davon aber nichts mehr wissen - für ein Wertaufholungsgebot stark gemacht, damit Firmen bei einer dauerhaften Wertminderung zwar auf den niedrigeren Teilwert abschreiben, diesen bei Wegfall des Hindernisses aber nicht mehr wie in der Vergangenheit beibehalten können. Das ist der große Unterschied zu den von Ihnen unterbreiteten Vorschlägen. Diese Regelung dient der Steuergerechtigkeit und einer realitätsnäheren Bewertung von Wirtschaftsgütern. Wir haben auch die Ansparabschreibung für den Mittelstand beibehalten. Damit wollen wir die Existenzgründer und Existenzgründerinnen weiter fördern. Auch der Verlustabzug bleibt bis zum Jahre 2001 in Höhe von 2 Millionen DM erhalten. Danach erfolgt eine Reduzierung auf 1 Million DM; das halte ich für richtig. Damit bleibt die Liquidität von kleinen und mittelständischen Unternehmen erhalten, was wichtig ist. ({8}) Diese Begrenzung bedeutet gleichzeitig, daß Großunternehmen ihre Verluste nur noch in einem gewissen Umfang geltend machen können. Ziel ist hierbei, daß Unternehmen nicht mehr jahrelang Gewinne machen können und diese Gewinne ohne Einschränkung mit Verlusten verrechnen können, ohne daß Steuern abgeführt werden. Verluste sollen zwar in Zukunft noch verrechnet werden können, aber nur noch begrenzt. Wir haben uns als Regierungsparteien erfolgreich dafür eingesetzt, daß die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nach einer Einfünftel-Regelung vorgenommen wird. Das heißt, daß für kleine und mittlere Unternehmen der Freibetrag in Höhe von 60 000 DM erhalten bleibt. Dadurch bleibt die Altersvorsorge für diese Klientel unberührt. Dies ist wichtig, weil wir mit unserer Politik die Altersvorsorge in der Zukunft unterstützen wollen. Der gesamte Unternehmenssektor profitiert zusätzlich von der Steuersatzsenkung, die auch internationale Impulse gibt. Man darf auch die anstehende Unternehmensteuerreform nicht vergessen, über die wir im Sommer diskutieren. Darauf muß man Sie immer wieder hinweisen. Sie wissen, daß wir die Steuersätze senken werden. 35 Prozent sind als Zielmarge vorgegeben. Es darf auch nicht vergessen werden, mit welcher Steuerentlastung Sie damals hausieren gegangen sind. Der Minister hat dies schon angesprochen. In diesem Zusammenhang muß man die Frage stellen, wie Sie mit den indirekten Steuern umgegangen wären. Sie hätten nämlich die Mehrwertsteuer und die Mineralölsteuer erhöht. Mit der von Ihnen versprochenen Nettoentlastung in Höhe von 30 Milliarden DM hätte die Bevölkerung einen großen Teil des Gesamtvolumens in Höhe von 57 Milliarden DM über zusätzliche Belastungen auf Grund der Anhebung der indirekten Steuern finanzieren müssen. Der andere Teil wäre eine sehr hohe Belastung für die Kommunen und Länder gewesen, die sie in der jetzigen Haushaltssituation nicht hätten tragen können. Ihre Politik war unsolide und wäre hinsichtlich der Haushaltslage voll an den Belangen der Kommunen und Länder vorbeigegangen. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rössel?

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, bitte schön.

Dr. Uwe Jens Rössel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002764, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrte Kollegin Scheel, Sie haben die voraussichtlichen Auswirkungen des Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes der früheren Koalition angesprochen. Dazu muß ich Ihnen natürlich sagen, daß Sie entgegen den eigenen Absichtserklärungen bei Verabschiedung Ihres Steuergesetzes Steuerausfälle der öffentlichen Haushalte von über 20 Milliarden DM produzieren. Mit dem Steuerentlastungsgesetz werden nämlich im Jahre 2002 Steuerausfälle für den Bund in Höhe von 10,1 Milliarden DM sowie für die Länder und Gemeinden in Höhe von 10,4 Milliarden DM eintreten. Ich frage Sie angesichts der Gesamtschulden der öffentlichen Haushalte in Höhe von 2 218 Milliarden DM, wie Sie diese Steuerausfälle von über 20 Milliarden DM für Bund, Länder, aber vor allem auch für die ohnehin sehr hoch verschuldeten Gemeinden ausgleichen wollen. Ich frage Sie weiter, ob Sie wirklich davon ausgehen, daß der sogenannte Selbstfinanzierungseffekt eintritt, wenn die entsprechenden Kontrollmaßnahmen wirken. Wenn diese Steuerausfälle bestehen bleiben, werden Bund, Länder und Gemeinden in ihrer Handlungsfähigkeit beeinträchtigt. ({0})

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das war eine lange Frage, Herr Rössel. Aber ich antworte sehr gerne. - Selbstverständlich rechnen wir durch die Senkung der Steuersätze für die kleinen und mittelständischen Betriebe sowie durch die Entlastung der Familien mit einem gewissen Selbstfinanzierungseffekt. Unser Ziel ist es gewesen - das haben wir heute mit unserem Gesetzentwurf deutlich gemacht -, daß zwar die Steuersätze gesenkt werden. Aber gleichzeitig sollte es nicht eine Belastung der kleinen und mittelständischen Betriebe geben, die diese nicht verkraften können. Aus diesem Grunde gab es Gespräche mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, die auch im Finanzausschuß angehört worden sind. Es gab immer wieder Kontakte zu den einzelnen Ländern. Es wurden nicht nur in Arbeitskreisen Gespräche mit den Vertretern der Länder über die Nettoentlastung von 20 Milliarden DM geführt, die von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam getragen werden muß. Sie haben dieses Verfahren und die Zahlen in Ihrer Frage richtig dargestellt. Wir wollen auf der einen Seite eine Nettoentlastung. Diese wollen wir alle hier in diesem Haus - vielleicht bis auf die PDS -, weil wir einen Selbstfinanzierungseffekt brauchen. Auf der anderen Seite wollen wir auch eine solide Finanzpolitik betreiben. Deshalb sind im Haushalt Einsparungen vorgesehen. Es wird auch notwendig sein, daß die Länder einsparen. Das haben die Länder zugesichert; dementsprechend müssen Sie das auch tun. Es ist überhaupt keine Frage, daß es dann, wenn man eine Nettoentlastung vorsieht, erst einmal eine positive Wirkung gibt. Ich gebe zu, die Nettoentlastung ist um ein Viertel höher ausgefallen, als wir sie ursprünglich geplant haben. Aber die Tatsache, daß die Nettoentlastung nun um ein Viertel höher als ursprünglich geplant ausgefallen ist, hängt damit zusammen, daß wir uns in den letzten Tagen sehr viele Gedanken darüber gemacht haben, wie kleine und mittelständische Betriebe sowie das Handwerk entlastet werden können. Eine Entlastung dieser Betriebe ist gut; denn sie schaffen Arbeitsplätze. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Scheel, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Fromme?

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne. Das verlängert meine Redezeit. Danke schön.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Scheel, Sie haben soeben den Vorwurf erhoben, die Union hätte eine Mehrwertsteuererhöhung beabsichtigt. Schließen Sie eine solche Erhöhung durch Ihre Koalition aus? ({0})

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Fromme, ich muß an dieser Stelle wirklich grinsen. Man hat mir einmal gesagt: Lächeln macht stark. Das ist wunderbar. - Die Frage nach der Mehrwertsteuererhöhung taucht täglich mehrere Male auf. Sie wird immer von Ihren Kollegen der CDU/CSU oder der F.D.P. gestellt. Es wird immer so dargestellt, als ob die Regierungsparteien die Mehrwertsteuer erhöhen wollten, um Steuerlöcher, die auf Grund fehlender Einnahmen bisher nicht geschlossen werden konnten, über eine höhere Mehrwertsteuer zu stopfen. Das ist falsch. Wir haben gestern hier die Ökosteuer verabschiedet. Sie ist sauber gegenfinanziert, so daß die Lohnnebenkosten gesenkt werden können. Das war ein Ziel der jetzigen Regierung. Dafür brauchen wir keine Mehrwertsteuererhöhung. Heute werden wir die zweite und dritte Stufe der Einkommensteuerreform verabschieden. Auch hier haben wir klar gesagt: Es gibt eine Nettoentlastung, für deren Gegenfinanzierung wir im Gegensatz zu Ihrem alten Konzept - wohl gemerkt - keine Mehrwertsteuererhöhung brauchen. ({0}) Wir wollen auch im Zusammenhang mit der Entlastung der Familien ab dem Sommer 1999 keine Mehrwertsteuererhöhung in Erwägung ziehen. Das haben wir zwischen den Koalitionspartnern klar vereinbart. Das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen. Diese blödsinnigen Einwände - das war nicht persönlich gemeint; verstehen Sie mich bitte nicht falsch -, die von Vertretern der Opposition immer wieder vorgetragen werden und mit denen uns eine Mehrwertsteuererhöhung zum jetzigen Zeitpunkt untergejubelt wird, sind falsch. ({1}) Es wird keine Mehrwertsteuererhöhung geben, auch wenn Sie es gerne hören möchten. Auf der anderen Seite haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, daß es Einkommensmillionären nicht mehr möglich sein wird, ihr zu versteuerndes Einkommen auf Null herunterzurechnen. Es ging nicht nur darum, daß manche Leute ihre Steuerschuld im laufenden Jahr auf Null rechnen konnten; vielmehr war es in der Vergangenheit sogar so, daß man sich rückwirkend seine Steuern, die man beispielsweise über die letzten ein oder zwei Jahre gezahlt hatte, über bestimmte Berechnungsmodelle, die Herr Finanzminister Lafontaine vorhin angesprochen hatte, vom Finanzamt erstatten lassen konnte. So geht es nicht. Es muß jeder in diesem Land leiDr. Uwe-Jens Rössel stungsgerecht seinen Anteil für das Gemeinwohl einbringen. Darum geht es uns allen. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Scheel, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Schütze?

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bitte, Herr Schütze.

Diethard Schütze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002789, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Scheel, obwohl ich Sie im Ausschuß bereits vergeblich danach gefragt habe, wiederhole ich hier meine Frage: Treffen Meldungen der „Welt“ vom 1. März zu, wonach Sie sich gegen die Neueinführung des § 2 b des Einkommensteuergesetzes, den Sie eben erwähnt haben, ausgesprochen haben? Sie sollen wörtlich erklärt haben: Der ({0}) Halbsatz muß unter allen Umständen gestrichen werden. Erstens ist er völlig überflüssig, da die angestrebten Ziele ohne diesen Satz vollständig erreicht werden, und zweitens hat er katastrophale volkswirtschaftliche Auswirkungen ... Wenn Sie das tatsächlich gesagt haben: Können Sie uns erklären, warum sich dieser zweite Halbsatz genau in dem Gesetz wiederfindet, das wir heute beraten? Damit wären die „katastrophalen volkswirtschaftlichen Auswirkungen“ - ich zitiere Christine Scheel - die logische Konsequenz.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Schütze, Sie haben vollkommen richtig zitiert. Was Sie vorgelesen haben, stand so in der „Welt“ am Montag dieser Woche. Wir haben Gespräche geführt und uns darauf verständigt, daß die geschlossenen Kapitalfonds gesichert werden müssen. Aus diesem Grunde ist in der Begründung des Gesetzes klar verankert worden, daß es Übergangsregelungen geben wird und daß es auch weiterhin möglich sein wird, Windenergiefonds, KapitalVenture-Fonds, das heißt auch die Existenzgründungsfonds, die sogenannten Chancenkapitalfonds, alles das, was bis hin zu den Medienfonds damit zusammenhängt, aufzulegen. Das war uns ein großes Anliegen. Das ist richtig. Hier ist ein Kompromiß gefunden worden, mit dem wir gut leben können. Herr Schütze, es war uns wichtig, die Möglichkeit einzuschränken, daß Leute, die sich an Gesellschaften beteiligen, die nur mit steuerlichen Verlustzuweisungen arbeiten, sich arm rechnen können. Deswegen ist im Steuergesetz eine Passage enthalten, in der die Verlustverrechnung begrenzt ist; es handelt sich um den § 2 b, den Sie angesprochen haben. Dadurch wird es in Zukunft ermöglicht werden, die Fonds, von denen ich gesprochen habe, aufzulegen und die bereits auf den Weg gebrachten Projekte - ich denke vor allem an die Bauwirtschaft - dementsprechend in Bestand und Entwicklung zu sichern. Deswegen haben wir uns auf eine Übergangsfrist verständigt. Das ist politisch sinnvoll. ({0}) Wir haben auch im Bereich der Rückstellungen für mehr Steuergerechtigkeit gesorgt. Herr Merz, Sie haben es angesprochen: Rückstellungen dürfen nicht mehr unbegrenzt gebildet werden. ({1}) Das ist sehr vernünftig, weil Kosten oftmals steuerlich geltend gemacht wurden, obwohl sie im Jahr des Ansatzes keinen Geldabfluß verursacht haben. Des weiteren dürfen Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile nicht mehr in dieser Form gebildet werden. Jedoch stellt die Änderung des Gesetzes sicher, daß sich das Rückstellungsgebot nicht auf die schadlose Verwertung radioaktiver Abfälle bezieht. Dies haben wir noch in den letzten Tagen in das Gesetz mit hineingenommen, damit auf diesem Gebiet Klarheit besteht; denn wir wollen erreichen, daß auch die Atomindustrie einer realitätsnäheren Besteuerung zugeführt wird, wie dies übrigens bei jedem kleinen Unternehmen schon lange der Fall ist. Die Kritik der Energie- und der Versicherungswirtschaft halten wir nicht für berechtigt. Ich habe das vorhin an Beispielen ausgeführt. Man muß sich fragen, ob die Energie- und die Versicherungsbranche, die den größten Aufstand gemacht haben, in den vergangenen Jahren von seiten der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P., was die Steuer betrifft, nicht zu gut behandelt wurden. Es war nämlich durchaus Usus, daß bei Versicherungen Rückstellungen auch dann in der Bilanz gehalten wurden, wenn der entsprechende Schadensfall längst abgewickelt war. So konnten die Versicherungen über Jahre hinweg stille Reserven bilden. Mit dieser Steuerersparnis hatten die Unternehmen die Möglichkeit, sich andere gewinnträchtige Wirtschaftszweige zu erschließen. Das geschah sehr oft im Ausland, was für unseren Arbeitsmarkt nicht immer sehr sinnvoll gewesen ist. Es dürfte auch bekannt sein, daß gerade die Energieversorger im Entsorgungsbereich, in den sie im letzten Jahrzehnt massiv eingestiegen sind, viele kleine und mittelständische Unternehmen vom Markt verdrängt haben. Wenn wir kleine und mittlere Unternehmen schützen wollen, dann müssen wir das auch in der Steuerpolitik tun. Wir dürfen nicht immer nur davon reden, daß kleine und mittlere Unternehmen wichtig sind, sondern wir müssen handeln, wenn wir sehen, daß auf Grund von Gestaltungsmöglichkeiten bei den Steuern die kleinen vom Markt verdrängt werden, weil die großen gestalten und die kleinen es nicht können. Alles andere wäre eine falsche Politik. ({2}) Wir sind auf dem Weg, wieder Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit im Steuersystem herzustellen. ({3}) So sind Vorschläge zur Steuerentlastung unglaubwürdig, wenn auf der einen Seite Entlastungen versprochen und auf der anderen Seite Erhöhungen kommen würden. Ich habe mich damit klar zur Mehrwertsteuererhöhung geäußert. Es wäre unglaubwürdig, wenn man einerseits den Leuten sagt, sie würden entlastet, und auf der anderen Seite die Steuern erhöht, so wie es die alte Koalition vorgehabt hat. ({4}) So etwas löst Verdruß in der Bevölkerung aus. Man müßte dann den Leuten, die sich veräppelt fühlen, recht geben. Aber diese Regierung hat den Anspruch, eine ehrlichere Steuerpolitik zu betreiben. Dies ist auch richtig so. ({5}) Zukunftsfähigkeit im Steuersystem bedeutet, daß wir die bestehende verteilungspolitische Schieflage korrigieren, die für die Zukunft notwendige ökologische Komponente - das haben wir ja gestern beschlossen nicht vergessen und das Prinzip der Nachhaltigkeit in der Steuer- und in der Finanzpolitik, also im ganzen Finanzwesen, einführen müssen. Eine zukunftsfähige Reform muß finanzpolitisch solide, sozial ausgewogen und natürlich auch wirtschaftspolitisch sinnvoll sein. Es darf nicht angehen, daß die nächsten Generationen die finanziellen Risiken in Form von weiteren Löchern in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen erben. Das wollen wir nicht, sondern wir wollen auch hier eine solide und verantwortungsvolle Politik für die nächsten Generationen gestalten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Scheel, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Willsch, wenn ich ihn richtig identifiziert habe?

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, er heißt so. Er ist mit mir im Finanzausschuß, es ist ein netter Kollege. - Bitte schön.

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Vorsitzende. Ich fühle mich geehrt und geschmeichelt zugleich. Sie betonen in Ihren Erwiderungen auf die vermutete Mehrwertsteuererhöhung immer wieder, daß sie jetzt nicht komme. Könnte das im Zusammenhang mit Meldungen der „Welt“ von heute stehen? Dem Vernehmen nach soll der Kanzler der Versicherungswirtschaft zugesagt haben, den Finanzierungsbeitrag nach oben zu limitieren, so daß am Jahresende vielleicht neu über eine Mehrwertsteuererhöhung nachgedacht werden müßte, um dieses Versprechen einzulösen? ({0})

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Willsch, vielen Dank für die Frage. Sie haben die gleiche Kenntnis wie wir. Wir wissen es daher, weil wir uns miteinander unterhalten. Sie lesen es logischerweise in der Zeitung, wenn Gespräche zwischen dem Kanzler und der Versicherungswirtschaft geführt werden. Selbstverständlich hat es diese Gespräche gegeben. Es gibt ja genügend Pressemeldungen dazu. Bei diesen Gesprächen wurde klar, daß die ursprünglich von der Versicherungswirtschaft vorgelegten Zahlen, die auf Vermutungen darüber basierten, was im Gesetz enthalten sei, so nicht haltbar waren. Man hat eingestanden, daß einzelne Passagen im Gesetzestext doch etwas anders formuliert wurden, wodurch das, was die Versicherungswirtschaft auf den Tisch gelegt hat, stark reduziert wurde. Mittlerweile ist es in bezug auf die Zahlen und Einschätzungen zu einer Annäherung gekommen. Ich bin sehr froh, daß diese stattgefunden hat. Der Kanzler kann daher ganz ruhig mit den Vertretern der Versicherungsbranche reden und ihnen sagen: Warten wir einmal das Ende des Jahres ab, und lassen Sie uns dann schauen, ob unsere Vermutungen eingetroffen sind. - Die prognostizierten Zahlen liegen jetzt ganz nahe beieinander, es bestehen nur noch minimale Differenzen. Wir können dem wirklich sehr gelassen entgegensehen. Ich halte es für einen guten Zug des Kanzlers, zu sagen: Wir schauen einmal, wie es sich im Laufe des Jahres auswirkt. - Wir gehen davon aus, daß wir vollkommen korrekt handeln und die Datenbasis stimmt. Die Frage einer möglichen Mehrwertsteuererhöhung, die Sie hiermit in Verbindung gebracht haben, hat damit überhaupt nichts zu tun. ({0}) Ich möchte abschließend noch sagen, daß verantwortlich für die nächste Generation zu handeln heißt, das gesamte Steuersystem im Auge zu behalten, die Kraft und den Mut zu haben, mit Tabus zu brechen, und Privilegien auch gegen den Widerstand der Lobbyisten im Interesse des ganzen Volkes zu prüfen und abzubauen. Mit den Konzepten der Vergangenheit - das möchte ich Ihnen klipp und klar noch einmal sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, von CDU/CSU und F.D.P. - können wir auch in der Steuerpolitik keine zukunftsfähige Politik gestalten. Deswegen ist diese neue Regierung auf dem richtigen Weg. Danke schön. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Hans Michelbach, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Scheel, Sie haben keine Zwischenfrage von mir zugelassen; wahrscheinlich teile ich bezüglich Ihrer Begriffserklärung zuwenig Nettigkeiten aus. Aber ich möchte zur Sache kommen. Es ist doch, Frau Kollegin Scheel, die Unwahrheit, daß Sie als Vorsitzende des Finanzausschusses die Gesetzesberatung sorgfältig und ordnungsgemäß durchgeführt haben. Warum haben Sie denn unseren Antrag zur Anhörung der neuen Sachgegenstände zurückgewiesen und als Vorsitzende im Finanzausschuß Wortmeldungen derjenigen, die dazu Informationen haben wollten, unterdrückt? Ich habe den Eindruck, Frau Kollegin Scheel, Sie wollten als Vorsitzende Ihr Arbeitsplatzvernichtungsprogramm nicht ruchbar werden lassen. Heute qualifizieren Sie wiederum Sachverständigenanhörungen gewissermaßen als Erpressungsversuch und Erpressungstatbestand ab. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist nicht korrekt, was Sie machen. Haben Sie schon einmal etwas von echter, praxisnaher Erfahrung und Sorge für Arbeitsplätze in der Wirtschaft gehört? Auch in der Sache liegen Sie, Frau Kollegin Scheel, doch überhaupt nicht richtig, was den Mittelstand betrifft. Sie sind dem Mittelstand und seinen Arbeitnehmern nicht entgegengekommen. Ihre Gegenfinanzierung fällt mit einer Belastung von über 20 Milliarden DM bis zum Jahr 2002 gegen den Mittelstand aus. Der bisherige Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz, die ordnungsgemäße Steuerpolitik, die bisher noch gegolten hat, wird aufgegeben. Sie brechen das System auf breiter Front auf. Sie schränken zum Beispiel auch die Teilwertabschreibung ein. Das ist hier ganz deutlich geworden. 2,3 Milliarden DM Steuererhöhung aus den Änderungen bei der Teilwertabschreibung führen beim Mittelstand zur Besteuerung von Scheingewinnen und kosten Arbeitsplätze. Sie streichen den halben Steuersatz für Veräußerung und Aufgabe unserer Mittelstandsbetriebe. Das wird den Generationswechsel im Mittelstand erschweren. Sie führen die Einschränkung des Verlustausgleichs ein. Diese Verschärfung bedeutet für den Mittelstand Investitionsverhinderung. Ich kann Ihnen nur sagen: Alles, was Sie machen, hat für den Mittelstand volkswirtschaftliche Konsequenzen in Form von Arbeitsplatzvernichtung und unter dem Strich weniger Steuereinnahmen, weil die Investitionen durch dieses Gesetz um über 50 Milliarden DM sinken. Dadurch haben Sie weniger Umsatzsteuer und weniger Gewerbesteuer. Das ist dann das Ergebnis Ihrer Politik. Rotgrüne Steuerpolitik bedeutet letzten Endes: Bruchpilot, dann kommt das ganze Land in Not.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Scheel, Sie haben die Gelegenheit zur Antwort.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Michelbach, ich bin Ihnen für diese Intervention fast dankbar. Ich bin überrascht, daß Sie das diesmal sogar schriftlich vorbereitet haben. Aber gut. Ich möchte zu Ihren Ausführungen sehr ernst Stellung nehmen. Wenn das, was Sie ausgeführt haben, was alles für den Mittelstand schädlich sein soll, nicht durchgesetzt würde, würde das doch in der Konsequenz dazu führen, daß im Steuerrecht, was Abschreibungsmöglichkeiten und Steuerminderungstatbestände betrifft, alles so bleibt, wie es ist. Die Bevölkerung weiß, daß hier Mißbrauch betrieben wird. Es war Aufgabe dieser Regierung, diesen Mißbrauch einzudämmen, und zwar nicht so, daß es zum Schaden der Wirtschaft ist, sondern so, daß diejenigen, die diesen Mißbrauch auf Kosten der gesamten Bevölkerung betrieben haben, endlich einen auf den Deckel bekommen, wie ich an dieser Stelle einmal flapsig sagen will. Sie haben die Anhörungen angesprochen. Sie haben mich vorhin vielleicht falsch verstanden; ich will Ihnen da nichts Böses unterstellen. Aber wenn Sie ausführen, ich hätte die Sachverständigenanhörungen als Erpressungstatbestand gewertet, dann muß ich Ihnen sagen, daß ich das nicht getan habe. Das kann man auch nachlesen. Ich denke, daß die Zuhörer und Zuhörerinnen sowie die Kollegen und Kolleginnen es in der Mehrheit sehr wohl verstanden haben, daß ich mich auf diese Briefe bezogen habe, und zwar auf die in den letzten Tagen von seiten der Energiewirtschaft und von seiten der Versicherungswirtschaft an die Regierung gerichteten Androhungen dahin gehend, aus der Republik wegzuziehen, also ins Ausland zu gehen, und dementsprechend Arbeitsplätze aufzukündigen, und darauf, daß eine steuerliche Belastung in den Raum gestellt worden ist, die jenseits jeder realistischen Vorstellung liegt, also auf die Art und Weise, wie seitens verschiedener Branchen versucht wurde, auf das Gesetzgebungsverfahren und auf die politisch Verantwortlichen einzuwirken. Zur Anhörung: Wir haben drei Tage lang zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eine Anhörung durchgeführt. Diese Anhörung, diese drei Tage waren sehr intensiv. Wir haben sehr viele Anregungen und Vorschläge, die von seiten der Sachverständigen vorgebracht worden sind, mit in den Prozeß der Formulierung dieses Gesetzentwurfes aufgenommen. Herr Michelbach, endlich ist es einmal so, daß die Regierung das, was in der Anhörung vorgebracht wurde, ernst nahm und daß man das, was gut ist und was diese Republik nach vorne bringt, in das laufende Verfahren bzw. in die Verhandlungen in den Ausschüssen über diesen Gesetzentwurf eingebaut hat. ({0}) Deswegen gab es natürlich Änderungsanträge. Das war kein Chaos. Wir haben vielmehr das aufgenommen, was uns in den Anhörungen von den Sachverständigen vorgeschlagen wurde. Wenn Sie feststellen, die Wirtschaft mache sich Sorgen und man solle diese ernst nehmen, dann kann ich nur antworten: Wir nehmen die Sorgen der kleinen und mittelständischen Unternehmen sehr ernst. ({1}) - Herr Hauser, auch Sie können sich gerne noch zu einer Kurzintervention melden. Ich bin da flexibel. Sie können gerne noch etwas sagen. Das dürfen Sie. Der Präsident muß dem allerdings zustimmen. Sie müssen sich dazu nur melden. Wenn Sie jetzt Zwischenrufe machen, dann sind die für die Kollegen möglicherweise nicht verständlich. Deswegen wäre es wahrscheinlich für alle Beteiligten angebrachter, Sie melden sich zu Wort und versuchen nicht, mich hier zu unterbrechen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich bin sofort am Ende meiner Antwort. - Ich möchte nur noch einen Punkt hinsichtlich der Sorge der Wirtschaft sagen: Natürlich machen wir uns um die Wirtschaft Sorgen. Wir haben festgestellt, daß es auf Grund der Politik der früheren Regierung in den letzten Jahren für die kleinen und mittelständischen Unternehmen sehr schwer war und daß sich der Mittelstand von der früheren Regierung nicht mehr unterstützt gefühlt hat. Jetzt sind wir dabei, das Vertrauen wieder aufzubauen und für den Mittelstand eine gute Politik zu betreiben. Danke. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hermann Otto Solms, F.D.P.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heike Göbel beginnt ihren vorzüglichen Leitartikel im Wirtschaftsteil der „FAZ“ von heute, den ich Ihnen zur Lektüre empfehle, mit den folgenden Sätzen: Erfolg hat viele Väter, Mißerfolg keinen. Daher dürfte das große „Steuerentlastungsgesetz“, das der Bundestag heute verabschiedet, schnell zum Waisenkind werden. Längst gilt es auch seinen eigenen Erzeugern in der SPD und unter den Grünen als Mißgeburt. Dem ist eigentlich kaum etwas hinzuzufügen. ({0}) Wenn Sie, Frau Scheel, diesen Gesetzentwurf so heftig verteidigen, der Ihren steuerpolitischen Aussagen in Ihrer Wahlplattform völlig widerspricht, ({1}) dann kann ich nur feststellen, daß dies ein erneuter Beweis für die Aufgabe aller Prinzipien und Grundsätze der Grünen um den Preis der Machtbeteiligung ist. Darüber sollten Sie sich auf Ihrem Parteitag unterhalten. ({2}) Meine Damen und Herren, in den über 25 Jahren intensiver Beteiligung an der Steuer- und Finanzpolitik der Bundesrepublik Deutschland habe ich noch nie etwas so Chaotisches bzw. ein so gewaltiges Durcheinander erlebt. ({3}) Niemand durchschaut es mehr. Die Bundesregierung und ihre Vertreter können überhaupt keine Auskunft geben, wie das alles zusammenwirken soll. Das ist nicht zu verantworten. Dies steht im Zusammenhang mit den wirklich absurden Äußerungen des Bundesfinanzministers bezüglich seiner Kritik an der Deutschen Bundesbank und der Europäischen Zentralbank sowie mit der unklaren Haltung der Bundesregierung zur Europapolitik. Das Ergebnis ist: Der Euro fällt, und die Zinsen beginnen wieder zu steigen. Herr Lafontaine, genau das Gegenteil haben Sie gewollt. ({4}) Dies setzt sich fort in Ihren unverantwortlichen Aussagen zum Ende der Bescheidenheit. Sie haben die Gewerkschaften geradezu gezwungen, überhöhte Tarifforderungen zu stellen, ({5}) die dann zu übermäßig hohen Tarifergebnissen geführt haben, die weit über dem Produktivitätsfortschritt liegen. ({6}) Ich sage Ihnen voraus - hören Sie einmal zu! -: Das muß mit mathematischer Sicherheit zu weiteren Entlassungen führen, weil ein entsprechender Rationalisierungsdruck ausgelöst wird. Das hat die Vergangenheit gezeigt, und das wird jetzt wieder eintreten. Dafür sind Sie verantwortlich, Herr Lafontaine. ({7}) Schließlich zu Ihren immer wiederholten Betonungen einer nachfrageorientierten Politik. Ihre Vorstellungen entsprechen einem vulgären Keynesianismus. John Maynard Keynes würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sähe, wie sehr er mißverstanden wird. ({8}) Wir befinden uns nicht mehr in einer geschlossenen Volkswirtschaft, sondern in einer weltweit offenen Volkswirtschaft. Wir stehen im internationalen Wettbewerb. Wenn Sie die Konsumkraft der Arbeitnehmer fördern, dann kommt es doch auch darauf an, auf welche Produkte sie sich richtet. Schauen Sie sich doch einmal die Versandhauskataloge von Otto, Quelle und Ikea an, oder gehen Sie zu den großen Verbrauchermärkten! Achten Sie einmal darauf, welcher Teil dieser Produkte importiert wird! Es nutzt doch keinem deutschen Arbeitnehmer, wenn mehr importierte Konsumgüter gekauft werden. Es nutzt ihnen auch nichts, wenn mehr Fernreisen gebucht werden. ({9}) Notwendig ist auch eine Verbesserung der Kostenstruktur der deutschen Wirtschaft, damit sie preiswerter anbieten kann. Dann werden auch mehr deutsche Produkte gekauft. Nur so wird ein Schuh daraus. ({10}) Die alleinige Betonung der Nachfrageseite führt völlig in die Irre. ({11}) Sie machen bei dieser Diskussion einen zweiten Fehler. Indem Sie nur die Konsumnachfrage betrachten, vernachlässigen Sie die Investitionsgüternachfrage. Bei den Investitionsgütern ist der Lieferanteil der deutschen Hersteller wesentlich größer. Sie aber schädigen die deutsche Wirtschaft. Sie nehmen ihr Geld weg, so daß sie die Investitionsmittel kürzt, was zu einem Nachfrageeinbruch auf den Investitionsgütermärkten führt. All das ist ein Beweis dafür, daß es bei dieser Steuerund Finanzpolitik eine ordnungspolitische Orientierung nicht gibt. Das ist der eigentliche Kritikpunkt an dieser Politik. ({12}) Ergebnis ist - Sie können es in der aktuellen Presse lesen -, daß beispielsweise der DIHT voraussagt, das Sozialprodukt werde nur noch um 1,5 Prozent steigen. Das wird nicht ausreichen, den Rationalisierungseffekt auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen. Im übrigen ist die Zahl der Auftragseingänge bei den Maschinenbauern dramatisch eingebrochen. Das ist für die Wirtschaft ein Tiefschlag. Das aber ist eine Reaktion auf die Verunsicherung, die Sie ausgelöst haben. ({13}) Hinzu kommt die völlig unklare Steuerpolitik. ({14}) Ich will Ihnen einmal aufzählen, welche steuerpolitischen Vorhaben anstehen: das Steuerentlastungsgesetz, über das wir heute bedauerlicherweise befinden müssen, die Ökosteuer, die zum Entsetzen vieler gestern verabschiedet worden ist - das ist doch keine Ökosteuer, sondern nichts anderes als eine Energiesteuererhöhung -, ({15}) und die katastrophalen Vorschläge hinsichtlich der 630Mark-Jobs, über die heute nachmittag zu befinden ist, einschließlich des Steueranteils für diesen Bereich. ({16}) Da ist auch die Ankündigung einer Unternehmensteuerreform. Zuerst wird abkassiert, und dann wird den Unternehmen ein Köder vor die Nase gehalten, indem gesagt wird: Es wird aber vielleicht besser; wir wollen mal schauen. Frau Scheel verteidigt diese Steuerpolitik nach der Methode „Versuch und Irrtum“, dieser neuen Strategie der Steuerpolitik: Wir versuchen es, und dann schauen wir mal; wenn wieder Tausende von Arbeitsplätzen verschwunden sind, korrigieren wir es eben wieder. - So kann man Steuerpolitik nicht ernstzunehmend betreiben. ({17}) Hinzu kommt das Verfassungsgerichtsurteil zum Steuerrecht hinsichtlich der Familie. Wir erwarten ein weiteres Verfassungsgerichtsurteil zur Besteuerung der Renten. Was ist eigentlich mit dem Soli? Soll er ewig erhalten bleiben? Von Steuersenkungen kann keine Rede sein. Der Soli wird immer vernachlässigt, und die Ökosteuer wird natürlich auch nicht eingerechnet. Schließlich bleibt das offene Thema Mehrwertsteuer, auf das wir sicher noch zurückkommen werden. Meine Damen und Herren, dieses Chaos hat einen Namen: Oskar Lafontaine mit seinen beiden Staatssekretären Flassbeck und Noé. Das ist das „Trio Infernale“ der deutschen Steuer- und Finanzpolitik. ({18}) Warum diese Hektik, Herr Lafontaine? - Weil Sie in Hessen verloren haben, ({19}) weil die rotgrüne Koalition in Hessen verloren hat. ({20}) Sie, Herr Lafontaine, muten nun dem Ministerpräsidenten Hans Eichel zu, obwohl er abgewählt ist, diese chaotische Steuerpolitik im Bundesrat noch zu verteidigen. ({21}) Das ist nicht nur schäbig, das ist viel schlimmer: Es ist undemokratisch. ({22}) Das ist nicht legitim. Eine abgewählte Regierung soll sich aus der Politik heraushalten und die Aufgaben und die Verantwortung an die nachfolgende Regierung übergeben ({23}) und soll sich nicht in dieser Form in die aktuelle Politik einmischen. Das ist unakzeptabel, und die Wähler werden es sich merken.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Solms, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Larcher?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Detlev Larcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001290, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Solms, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß der Terminplan für die Beratungen in einem Obleutegespräch interfraktionell abgesprochen wurde, und zwar längst vor der Hessenwahl? ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber, Herr Kollege von Larcher, Sie wissen, es gilt: ({0}) Nun mach mal einen Plan und sei ein kluges Licht, dann machste noch ´nen Plan, doch gehen tun sie beide nicht. ({1}) Sie wissen doch, daß, wenn ein Terminplan nicht eingehalten werden kann - weil es Beratungsbedarf gibt -, ein neuer Plan gemacht werden muß. Man hält sich doch nicht an einen Terminplan, ohne sich um die Inhalte zu kümmern. Das ist doch absurd. ({2}) Auf dem Deckblatt dieses Gesetzentwurfs stehen vier Ziele. Erstens soll er „einer Verbesserung von Wachstum und Beschäftigung durch Stärkung der Investitionskraft der Unternehmen und nachhaltige Belebung der Binnennachfrage“ dienen, zweitens „einer spürbaren Entlastung von Arbeitnehmern und Familien“, drittens „der Schaffung von mehr Steuergerechtigkeit“ und viertens „einer Vereinfachung des deutschen Steuerrechts“. Genau das Gegenteil dessen wird eintreten. In bezug auf die Steuergerechtigkeit wird es eine Verschlechterung geben, weil unterschiedlich entlastet und belastet wird; das gilt schon für die Arbeitnehmer. Sie entlasten unten, aber die Leistungsträger, die Facharbeiter, die Ingenieure, werden so gut wie nicht entlastet. Das gilt auch für einen Vergleich zwischen Wirtschaft, Arbeitnehmern und Leuten, die aus anderen Einkommensarten Einkünfte erzielen. Die einen werden sehr viel höher besteuert; die unternehmerischen Gewinne werden im Vergleich dazu niedriger besteuert. Das wird und muß zu Manipulationen führen. Damit ist auch gleichzeitig die Frage nach der Steuervereinfachung beantwortet: Das Steuerrecht wird komplizierter, es wird manipulationsanfälliger, es wird interpretationsbedürftiger. Die Steuerverwaltung wird zunächst gar nicht wissen, wie sie damit umgehen soll. Sie haben es ja selbst noch nicht verstanden. Wie sollen die es denn wissen? ({3}) Schließlich ist festzuhalten, daß die Entlastung der Arbeitnehmer unterschiedlich hoch ausfällt, wie ich Ihnen gesagt habe. Sie haben gesagt: „Sie werden entlastet“; das ist aber nicht der Fall. Insbesondere die Arbeitnehmer, die keine Kinder haben, aber gleichwohl Ökosteuer zahlen müssen, haben von dieser Entlastung so gut wie gar nichts. ({4}) Wenn Sie schließlich eine Verbesserung von Wachstum und Beschäftigung versprechen: Das ist doch einfach ein Witz. Die Wirtschaft - Mittelstand, kleine Unternehmen, Selbständige, freie Berufe und Großunternehmen - wird erheblich mehr belastet. Wenn Sie, Herr Lafontaine, vorhin gesagt haben, die mittelständischen Unternehmen würden um 3 Milliarden DM entlastet, dann entgegne ich: Das mag ja stimmen; gegenüber dem, was Sie in Ihrem ursprünglichen Entwurf vorgesehen haben, werden sie um 3 Milliarden DM weniger belastet. In Wirklichkeit werden sie höher belastet, und zwar bis zum Jahr 2002 ganz sicher. In dieser Zeit gehen viele Tausende und Zehntausende von Arbeitsplätzen verloren, weil sich die Voraussetzungen für sie verschlechtert haben. Da nützen Entlastungsankündigungen für die Zeit danach überhaupt nichts, weil Sie die Arbeitsplätze, die weg sind, nicht zurückholen. Ich will auf die vielen Einzelheiten nicht eingehen. Es gibt so viele Beispiele, mit denen man das belegen kann. Ich denke nur an das Problem des Teilwertes und an den Begriff des dauerhaften Wertverlustes. Wer soll das denn definieren? Wer hat die Beweislast? Es gibt überhaupt keine Erfahrung damit. Natürlich wird den Unternehmen die Möglichkeit der Teilwertabschreibung entzogen, es sei denn, sie könnten nachweisen, daß ein dauerhafter Wertverlust vorliegt, wobei ihnen nicht gesagt wird, wie sie das nachweisen sollen. Das ist absurd, schafft nur Irritationen und bewirkt einen Einbruch bei den betroffenen Betrieben. Ich kann auch noch das Abzinsungsgebot nennen. Das führt allein bei der Energiewirtschaft zu Belastungen von 25 bis 30 Milliarden DM, bei den Versicherungen zu Belastungen von rund 14 Milliarden DM. Bei anderen Unternehmen gibt es ebenfalls Belastungen. Sie werden es ja sehen. ({5}) Dann kann doch der Bundeskanzler den Versicherungsunternehmen nicht sagen: Das mag ja so sein; wenn es dann eingetreten sein wird, werden wir es überprüfen; dann schauen wir, was wir machen können. - So kann man verantwortungsvolle Politik in Deutschland nicht betreiben, und das muß den Menschen gesagt werden. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bilanz nach 100 Tagen rotgrüner Steuerpolitik ist mehr als ernüchternd; sie ist erschütternd. Der Dilettantismus, mit dem zu Werke gegangen wird, macht deutlich, daß ein schlüssiges Konzept fehlt. Ohne ordnungspolitische Orientierung hangelt sich die Koalition von einer Fehlentscheidung zur nächsten. Ich will ein Beispiel zeigen. Wissen Sie, was das ist? ({7}) - Das ist nicht der Steuergesetzentwurf. Das ist auch kein Kommentar dazu. Das sind die Korrekturvorschläge der Bundesregierung zu ihrem eigenen Gesetzentwurf, und zwar teilweise in mehrfacher Form. Ich nehme einmal den, den ich obenauf gelegt habe: „UmdruckNr. 01 neu 4“. Was heißt das? Das ist die fünfte Korrektur desselben Sachverhalts innerhalb weniger Wochen. Dies ist noch am Dienstag in einer zusätzlichen Finanzausschußsitzung vorgelegt worden. ({8}) Das ist nicht zu fassen! Kein Mensch durchschaut das noch. Das ist für alle, die daran beteiligt sind, kaum noch zu verstehen. ({9}) Uns sind insgesamt über 300 Seiten vorgelegt worden, wenn man die ausgetauschten Seiten mitrechnet. Das ist wirklich eine Katastrophe. Offenkundig hat die Bundesregierung den Überblick darüber verloren, wie sich die einzelnen Maßnahmen auswirken, wie sie sich im Zusammenhang auf die Steuerpflichtigen auswirken, wie sie sich auf die öffentlichen Haushalte auswirken. Die Berechnungen über die Ausfallwirkungen oder Belastungswirkungen sind reine Spekulationen. Es sind einfach Annahmen getroffen worden, auf Grund derer man dann gerechnet hat. Man hätte genausogut völlig andere Annahmen treffen können. Die vorgelegten Berechnungen sind sicher falsch; die Belastungen für die Wirtschaft sind jedenfalls höher. Das beweisen die Berechnungen der Betroffenen. Diese wissen in ihren Bilanzen besser Bescheid als der Bundesfinanzminister. ({10}) Die Finanzplanung verliert jegliche Aussagekraft. Die durch die rotgrüne Koalition geschaffene Verunsicherung führt zu Attentismus. Investitionsvorhaben werden zurückgestellt, Arbeitsplätze gehen verloren wir erleben es täglich -, und Betriebsstätten werden ins Ausland verlegt. ({11}) Es wird ein Schaden angerichtet, der in vielen Jahren nicht wiedergutzumachen ist. Es ist wirklich unverantwortlich, was hier geschieht. ({12}) Meine Damen und Herren, zum Schluß: Art. 65 des Grundgesetzes sagt im ersten Satz: Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. ({13}) - Er mag sicher wichtigen Aufgaben nachgehen. Das entschuldige ich; dafür habe ich Verständnis. ({14}) Aber wo bleiben die Richtlinien? Wenn offenkundig ist, daß kein klares Konzept besteht, muß doch einer in diesem Verein da sein, der sagt, wo es langgeht. Das ist die Aufgabe des Bundeskanzlers. Wo bleibt er da? ({15}) Da nützt noch so geschicktes, mediengerechtes Auftreten in vielen Talk-Shows nichts. Ich muß anerkennend sagen: Er kann das gut; ich wäre froh, wenn ich es so gut könnte. ({16}) Aber seine Hauptverantwortung liegt woanders. Seine Hauptverantwortung liegt in seinem Amt als deutscher Bundeskanzler, für das er vereidigt worden ist. Er hat die Richtlinien der deutschen Politik zur Wahrung der Interessen der deutschen Bürger zu bestimmen und hat das zu verantworten. Er hat sich nicht nur in den vielen Talk-Shows herumzutummeln. Deswegen darf ich abschließend in der Sprache der Medienanstalten fragen: Was nun, Herr Bundeskanzler? ({17})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollegin Barbara Höll, PDS-Fraktion.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein verständliches, transparentes Steuerrecht - so lautete der Anspruch aller Steuerreformversuche, die wir hier in den letzten Jahren verhandelt haben. Das war auch der Ihrige, meine Damen und Herren von der Regierung, und dies, so denke ich, aus gutem Grund. Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, daß Gesetze nachvollziehbar sind. Sie haben insbesondere auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Gestaltung ihrer Lebensführung das Recht, in eigener Regie agieren zu können. Langfristige Planungen, Risikolebensversicherungen, einen Hauskauf oder einen Bausparvertrag möchte man realisieren können, ohne jeweils Geld für Beratung in steuerlichen Fragen ausgeben zu müssen. Dies ist nicht nur ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch ein wesentliches Element sozialer Gerechtigkeit, nicht zuletzt und gerade auch in der Steuergesetzgebung. Aber die Umsetzung dieses hehren Anspruchs ist leider wieder einmal geplatzt. ({0}) Dies konnte bei dem chaotischen Gesetzgebungsprozeß, den wir hier seit November vergangenen Jahres erlebt haben, auch nicht anders sein. Nicht einmal zwei Monate nach der Wahl legte die Regierung einen neuen, umfassenden Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes vor. Das schnelle Handeln erstaunte und erfreute die Öffentlichkeit. Scheinbare Entschlossenheit eines neuen Kanzlers kommt immer gut an. Der Finanzminister stand ihm zur Seite. In jahrelanger Opposition hatten sie ihre Konzepte ja entwickelt. Aber weit gefehlt: Die Abgeordneten des federführenden Ausschusses wurden seit Januar mit 68 Umdrucken traktiert. Frau Scheel, wenn Sie als Ausschußvorsitzende behaupten, es sei das Problem der Opposition, wenn sie in diesem chaotischen Prozeß mit der Arbeit nicht nachkommt, so stellen Sie Ihr eigenes Selbstverständnis als Parlamentarierin unter den Scheffel. Man muß sich das vorstellen: Beamte des Finanzministeriums diktierten uns noch während der Ausschußsitzung Änderungen in die Feder. Wie diese Änderungen konkret aussahen, wußten auch Sie nicht. Sie haben sie nicht einmal vorberaten; Sie haben sie auch im Ausschuß nicht beraten. Das ist die Realität. Ich meine, hier ist die Kritik der gesamten Opposition sehr wohl berechtigt gewesen. ({1}) Insbesondere wenn Sie neue Paragraphen einführen, wie bei § 2b, es aber ablehnen, dazu ein weiteres Expertengespräch anzuberaumen, ist man erstaunt, noch dazu nach dem Debakel mit den aktiven und passiven Einkünften, von denen auch die von Ihnen eingeladenen Sachverständigen nicht sagten, das sei eine gute Regelung. Sie nahmen sie zurück und legten einen neuen Vorschlag vor. Den hätte man aber diskutieren müssen. Die Abstimmung war eigentlich schon am Montag dieser Woche abgeschlossen. Am Dienstag mußten wir aber noch einmal beraten. Dieses Gesetzgebungsverfahren verdient wahrlich nicht die Bewertung, geordnet und sachgerecht zu sein. Es war weder für uns Abgeordnete noch für die Steuerpflichtigen transparent. Das Vorgehen der Regierung wirft aber noch ein zweites nicht zu unterschätzendes Problem auf: Es ist die Frage des Zeitpunkts, zu dem das Gesetz in Kraft treten soll; denn im Gegensatz zum Ökosteuergesetz, welches zum 1. April in Kraft tritt, wird dieses Gesetz rückwirkend in Kraft treten. Das ist zwar verfassungskonform - das will ich nicht in Abrede stellen -, aber für die Planungssicherheit der Bürger und Bürgerinnen und auch für die Planungssicherheit der Unternehmen hat das natürlich maßgebliche Probleme aufgeworfen. Es stand zur Debatte, die Sanierungsaufwendungen zu streichen, den Steuerfreibetrag bei der Unternehmensveräußerung zu streichen. So kam es natürlich zu übereilten Entscheidungen von Bürgerinnen und Bürgern und von Unternehmern. Vieles von dem, was zur Debatte stand, ist nicht umgesetzt worden. Wer also im Vertrauen auf die Ankündigungen der Regierung gehandelt hat, hat Pech gehabt, hat übereilt gehandelt - deren Problem, nicht Ihres. So kann man keine Steuerpolitik machen. So werden Sie nicht das notwendige Vertrauen aufbauen. Es ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit gewesen, daß die Bürger nach Gesetzen handeln mußten, die noch nicht verabschiedet und veröffentlicht sind. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, der Bundesfinanzminister hat in seiner Rede noch einmal betont: Sie sind angetreten, um die notwendige Korrektur der Steuergesetzgebung - das Ergebnis 16jähriger Politik der CDU/CSU-F.D.P.-Regierung vorzunehmen. Sie wollten - das haben Sie heute noch einmal betont - wieder eine Umverteilung von oben nach unten. Sie wollten eine gerechte Lastenverteilung von Steuern und Abgaben. Sie wollten die Rückkehr zum Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Darin haben Sie unsere volle Unterstützung. Die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen von Familien mit Kindern tut mehr denn je not. ({2}) Sie haben mit Ihren Vorschlägen reale Entlastungen bewirkt. Für Ledige mit einem jährlichen Einkommen von 20 000 DM wird es schon in diesem Jahr eine Entlastung um 50 Prozent geben, für Verheiratete mit einem Jahreseinkommen von 30 000 DM sogar eine Entlastung um 100 Prozent. Herr Solms, Ihren Einwand, daß die Leistungsträger nicht betroffen seien, finde ich schon ein bißchen komisch. Wer ein niedriges Einkommen hat, bringt keine Leistung? Darüber sollten Sie wirklich einmal nachdenken. ({3}) Trotzdem, Herr Finanzminister, kann ich Sie und die Regierungskoalition nicht daraus entlassen, daß Sie mit Ihren Vorschlägen natürlich hinter den Erfordernissen, die Sie selbst noch in der 13. Legislaturperiode beschrieben haben, und hinter den realen Erfordernissen zurückbleiben. Meine Damen und Herren von der SPD in der 13. Legislaturperiode war der jetzige Herr Finanzminister nicht Mitglied des Bundestages -, Sie forderten noch für 1998 ein steuerfreies Existenzminimum von 14 000 DM. ({4}) Bündnis 90/Die Grünen forderten 15 000 DM steuerfreies Existenzminimum. Sie forderten ein Kindergeld von 300 DM. Jetzt wollen Sie für das Jahr 2002 gerade einmal eine Anhebung auf 14 000 DM vornehmen. Die alte Bundesregierung hatte bereits für 1992 gesagt, 12 000 bis 14 000 DM seien das steuerfreie Existenzminimum. Rechnet man das fort, müßten wir hier über 17 000 DM und nicht über eine Summe von 14 000 DM reden. ({5}) Sie bleiben mit Ihrem Vorschlag hinter dem verfassungsmäßigen Gebot zurück. Das ist für mich einfach wieder einmal sozialdemokratisch; es ist zwar sozial gerechter als das, was die CDU/CSU und die F.D.P. gemacht haben, aber bei weitem noch nicht sozial gerecht. Weder das steuerfreie Existenzminimum noch das Kindergeld sind Sozialleistungen. Das möchte ich noch einmal betonen; denn auch der Bundeskanzler hat dies in den letzten Diskussionen hier wieder eingebracht. Dieses Geld ist keine Manövriermasse, welches dem Staat je nach Haushaltslage zur Verfügung steht, sondern es bestehen verfassungsmäßige Rechte auf dieses Geld, es sind Teile des Einkommens, deren Schutz vor dem Staat den Bürgern und Bürgerinnen verfassungsmäßig zusteht. Wir, wie auch zahlreiche Verbände bestärken Sie in Ihrem Willen, die Verhinderungspolitik der alten konservativen Regierung zu beenden. Herr Finanzminister, ich habe in Ihrer Rede das Aufzeigen einer wesentlichen Quelle zur Finanzierung der neuen Familienförderung eigentlich vermißt. Packen Sie endlich die Individualbesteuerung an! Begrenzen Sie das Ehegattensplitting! Dann haben Sie viel Geld zur Verfügung. Wir fordern Sie auf: Unternehmen Sie konsequente Schritte der Unterstützung des Lebens mit Kindern! ({6}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, so positiv diese Maßnahmen sind - diese Maßnahmen begründen auch unsere Enthaltung heute bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf -, so muß ich doch sagen: Sie sind sehr teuer erkauft. ({7}) Herr Finanzminister, ich habe sehr wohl gehört, daß Sie gesagt haben, in den letzten Jahren hätten die Unternehmen eine Entlastung von 50 Milliarden DM erhalten. Das ist völlig richtig; das wurde immer verschwiegen. Aber warum senken Sie dann nach Ihrem Gesetzentwurf die Körperschaftsteuersätze auf einbehaltene Gewinne um 5 Prozent, von 45 auf 40 Prozent? Das ist doch widersprüchlich. Vorhin haben Sie etwas anderes begründet. ({8}) Im Jahr 2000 wollen Sie eine rechtsformunabhängige Unternehmensbesteuerung mit einem einheitlichen Steuersatz von 35 Prozent einführen, also insgesamt eine Senkung um 10 Prozent. Ursprünglich haben Sie vorgeschlagen, zur Gegenfinanzierung sollten die Unternehmen herangezogen werden. Das ist richtig. 78 Einzelmaßnahmen waren im Gespräch. Aber bereits dieser Ansatz der Aufkommensneutralität, den Sie ja nicht durchhalten, widerspricht den Aussagen, die Sie vorhin getroffen haben, daß sich ertragsstarke Unternehmen in Zukunft wieder stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen müssen. 1970 haben diese noch 24 Prozent zum Steueraufkommen beigetragen, inzwischen sind es nur noch 7 Prozent. Das Prinzip der Aufkommensneutralität kann da nicht funktionieren. Sie haben vorhin richtig gesagt: Das, was bisher an Steuersenkungen für Unternehmen erfolgte, hat nicht dazu geführt, daß automatisch Arbeitsplätze geschaffen wurden. Gerade kleine Unternehmen wurden zusätzlich betroffen, weil sie von den anvisierten Steuersenkungen nichts hatten und nach Ihren Vorschlägen auch nichts haben, denn sie zahlen oftmals keine Steuern. Wie ist es denn in den neuen Bundesländern? Da wäre eine Stärkung der Eigenkapitaldecke notwendig. Die brauchen hier andere Maßnahmen. Um beim Steuerrecht zu bleiben: Wir schlagen Ihnen eine massive Erhöhung des Grundfreibetrages und die sofortige Senkung des Eingangssteuersatzes vor. Das würde tatsächlich kleinen und mittelständischen Unternehmen helfen. ({9}) Hinzu kommt - das muß man in aller Deutlichkeit sagen -, daß die vorgesehenen Streichungen bei der Bemessungsgrundlage willkürlich waren und sind. Auch hier müssen Sie sich dem Vorwurf stellen, daß die Undifferenziertheit wieder kleine und mittelständische Unternehmen sehr stark trifft. Zwei Beispiele. Sie haben jetzt den Vorsteuerabzug für betrieblich und privat genutzte Pkw bei Selbständigen pauschal auf 50 Prozent begrenzt. Das heißt, Sie nehmen den Selbständigen, die Möglichkeit mit einem Fahrtenbuch nachzuweisen, daß sie betrieblich mehr als 50 Prozent mit ihrem Fahrzeug unterwegs sind. Die scheinbare Regelung, daß man einen Vorteil begrenzt, ist so undifferenziert, daß Freiberufler und Selbständige wieder unverhältnismäßig stark betroffen werden. Das zweite Beispiel, das man unbedingt erwähnen muß, ist die Mindestbesteuerung. Herr Lafontaine, nachdem aktive und passive Einkünfte vom Tisch sind das begrüße ich sehr -, hatten Sie das Ziel, die überschäumende Ausnutzung von steuerlichen Subventionen zu begrenzen. Dazu muß ich ganz klar sagen, meine Damen und Herren von der Regierungskoaltion: Die SPD hat doch genau diese legalen Steuersparmodelle jahrelang im Bundestag mitgetragen. Bei der Diskussion im Jahre 1997 über die Werften waren Sie es, die gegen die CDU/CSU dafür gekämpft haben, daß die Steuersparmodelle erhalten bleiben. Vorher trugen Sie die pauschalen Modelle mit, und jetzt wollen Sie sie pauschal qualifizieren. Beides kann nicht funktionieren. Wir haben von Anfang an im Bundestag gesagt: Instrumente wie die steuerliche Subvention können etwas bringen. Man kann sich dafür entscheiden, aber nur unter klaren Rahmenbedingungen, also Schaffung von Arbeitsplätzen und nicht die Förderung des Luxuswohnungsbaus und des Büroleerstands in den neuen Bundesländern, den wir überhaupt nicht brauchen. Man muß mit den Instrumenten zielgenau arbeiten. Mit der Mindestbesteuerung, Herr Lafontaine, haben Sie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Im Ergebnis eines äußerst komplizierten Konstruktes haben Sie es geschafft, daß die Gefahr besteht, daß Verluste aus realer Wertminderung, die die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen tatsächlich beeinträchtigen, nicht mehr geltend gemacht werden können. Das kann doch nicht Zielstellung einer sinnvollen Steuerpolitik sein. Die Verliebtheit in die Mindestbesteuerung, Herr Lafontaine, hat Sie davon abgehalten, das Urteil der Sachverständigen zur Kenntnis zu nehmen. Man muß auch sagen: Sie haben das Steuerrecht damit komplizierter gemacht. Sie konnten keine Antwort darauf geben, inwieweit dadurch Arbeitsplätze vernichtet werden. Das ist noch nicht absehbar. Wir wissen nicht, ob die Lobbyverbände in vollem Umfang recht haben oder nicht. Dabei veranschlagen Sie lediglich eine Steuermehreinnahme in Höhe von nicht einmal 1 Milliarde DM pro Jahr. In diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, daß Sie dafür so viele Risiken in Kauf nehmen. Wir schlagen Ihnen vor: Seien Sie konsequent, schaffen Sie die Steuersparmodelle richtig ab! Das wäre der konsequente und einfache Weg. Die Sachverständigen, darunter Professor Bareis, haben Ihnen das vorgeschlagen. Streichen Sie zum Beispiel die degressive Abschreibung, die vor allem ertragsstarken Unternehmen dient. Wandeln Sie die steuerliche Förderung in eine direkte Förderung um! Das wäre nämlich im Sinne der Existenzgründer sowie der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die PDS hat ihre Vorschläge dazu vorgelegt. Überlegen Sie sich für spezielle Bereiche wie zum Beispiel die Filmindustrie auch spezielle Regelungen. Ich halte das für sehr notwendig. Im Verlauf der parlamentarischen Behandlung des Gesetzentwurfes wurden auf Druck von Wirtschaftsund Lobbyverbänden bis heute zahlreiche - darunter auch gerechtfertigte - Streichungen und Begrenzungen steuerlicher Subventionen wieder zurückgenommen. Hier erhalten Sie scharfe Kritik. Im Klartext heißt das: Bei den Unternehmen gibt es jetzt nicht mehr die von Ihnen angestrebte Aufkommensneutralität, sondern sie werden überproportional entlastet. Frau Scheel hat gesagt: Die Nettoentlastung ist um ein Drittel höher als geplant. Die höhere Nettoentlastung ist aber nichts anderes als das Nachgeben gegenüber dem großen Druck der Wirtschafts- und Lobbyverbände. Dem hätten Sie standhalten müssen. Auf die öffentlichen Haushalte hat all das verheerende Auswirkungen. Das wurde vorhin bereits angesprochen; die Antwort von Frau Scheel war unbefriedigend. Auch wenn Sie Ihr Gesetz am 19. März durch den Bundesrat bringen werden, vermisse ich die Phalanx Ihrer Landesfinanzminister, die in voller Stärke hinter Ihrem Gesetzentwurf stehen. ({10}) Es werden weitere Löcher in den Haushalt gerissen. Die Kommunen und die Länder werden belastet werden. Herr Lafontaine, dazu muß ich Sie wirklich etwas fragen. Sie haben vorhin ebenso wie in der letzten Woche gesagt, Sie wollen die Umverteilung. Warum ist Ihnen in dieser Situation die Senkung des Spitzensteuersatzes 4 Milliarden DM wert? Die Frage sollten Sie hier beantworten. Solange Sie diese Frage nicht beantwortet haben, sind Ihre anderen Äußerungen nicht glaubwürdig. Solange Sie hier kein klares Bekenntnis zu einer wirklichen Umverteilung abgeben, wird es natürlich weitere Spekulationen über die Mehrwertsteuererhöhung geben. Eine solche Steuererhöhung aber würde bedeuten, daß doch nicht nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern nach dem Verbrauch besteuert wird, und stellte im Endeffekt wiederum eine Belastung der Familien und der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen dar.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, denken Sie bitte daran, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin, ein letzter Satz. Über Haushaltseinsparungen werden Sie Ihr Ziel auch nicht erreichen können, denn sie bedeuten zumeist auch Einschränkungen von Dienstleistungen der öffentlichen Hand für diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die darauf angewiesen sind. In diesem Sinne enthält sich die PDS zu diesem widersprüchlichen Gesetz der Stimme, um zu dokumentieren, daß Sie an bestimmten Punkten in die richtige Richtung gehen, an anderen aber leider nicht. Ich bedanke mich. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zu einer Kurzintervention erhält jetzt der Abgeordnete Haupt das Wort.

Klaus Haupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003140, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Dr. Höll, ich war schon erstaunt, daß Sie als Vertreterin einer Partei, die doch angetreten ist, ostdeutsche Interessen zu vertreten, kein Wort zu den Arbeitsplätzen in der ostdeutschen Braunkohleindustrie gesagt haben. Meine Damen und Herren, was sich so harmlos und technokratisch „Abzinsungsgebot für Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen“ nennt, wäre im realen Leben, wenn es heute so beschlossen würde, verheerend. Darauf hat Herr Merz heute schon zu Recht hingewiesen. Manches wird klarer, wenn man es mit einem konkreten Beispiel belegt. Ich komme aus einer Region, die durch Braunkohlebergbau geprägt ist, der Lausitz. Hier sind nach der Wende im Fließbandverfahren Arbeitsplätze abgeschafft worden. Von früher 70 000 Arbeitnehmern sind heute nur noch 7 000 beschäftigt. Ich komme aus der damals so genannten Energie- und Bergarbeiterstadt Hoyerswerda. Heute gibt es dort mit 28 Prozent die höchste Arbeitslosigkeit in Deutschland. Mit Blick darauf, daß die Bürger jetzt erst richtig begreifen, was auf sie zukommt und wie hier Arbeitsplätze vernichtet werden, bin ich schon sehr verwundert darüber, daß der Staatsminister für ostdeutsche Belange nicht vehement die Alarmglokken schrillen ließ. ({0}) Die Braunkohle hat als subventionsfreier Energieträger nach der Wende mühsam den Wettbewerb geschafft; ich erinnere nur an die Stichworte Privatisierung und Liberalisierung der Energiemärkte. Jetzt kommt ein Anschlag auf diese Industrie, der nichts anderes bedeutet, als daß Arbeitsplätze verlorengehen werden. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Rekultivierung im Osten bedeutet nicht, daß nur die Landschaft schöner wird. Vielmehr ist Rekultivierung die Voraussetzung dafür, daß überhaupt Strukturwandel stattfinden kann, und der ist jetzt gefährdet. Das hat nichts mit Wirtschaftslobbyismus zu tun. Ich bin bekennender Lobbyist für meine Region und für ostdeutsche Interessen. ({1}) Wenn die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Braunkohle in strukturschwachen Regionen so gefährdet wird, dann werden weiterhin Arbeitsplätze vernichtet. Als negativer Synergieeffekt stellt sich dann auch eine Bedrohung des Mittelstandes ein. Diese Verrücktheit gehört gebremst. Wenn Sie schon dieses Steuerentlastungspaket nicht ablehnen wollen, weil Sie nicht über Ihren Schatten springen können, dann bitte ich Sie, vor allen Dingen die Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Ländern, ganz herzlich, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, der die Kohle aus diesem Abzinsungsgebot herausnimmt und damit das Problem wenigstens entschärfen würde. So lange darf keine Ruhe sein. Danke. ({2})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege, man nimmt in einer Kurzintervention ja auf etwas Bezug, was auch gesagt wurde. Ich habe davon in der Tat nicht gesprochen, weil meine Redezeit begrenzt war. Ich versichere, daß wir uns hinsichtlich Ihrer Ausführungen zur Braunkohle in Übereinstimmung befinden. Ich bedanke mich, daß Sie mich hier ergänzt haben. Auch wird vielleicht noch der Finanzminister aus Sachsen zu diesem Problem etwas anmerken. Es wird Ihnen auch nicht entgangen sein, daß ich in meiner Rede darzulegen versucht habe, daß ich viele Maßnahmen, die im Steuerentlastungsgesetz enthalten sind, begrüße, aber auch sehr viele kritisiere. Allerdings konnte ich nicht das gesamte Spektrum bedienen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Detlev von Larcher.

Detlev Larcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001290, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch dieses Gesetz steht unter unserem Motto „Versprochen und gehalten“. ({0}) Ein Plebiszit über die Steuerreform sollte die Bundestagswahl werden. So wollte es Herr Dr. Helmut Kohl. Bei diesem Plebiszit haben sich die Menschen für unsere Steuerreform entschieden, ({1}) die Arbeitnehmer und Familien entlastet. Die SPD hat das versprochen, jetzt lösen wir unser Versprechen ein. Eine Arbeitnehmerfamilie mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Einkommen hat deshalb bereits in diesem Jahr 1 200 DM mehr zur Verfügung; im Jahr 2002 wird die Entlastung auf 2 700 DM ansteigen - versprochen und gehalten! Herr Merz, für Sie als Vertreter der CDU ist es typisch, daß Sie zwar immer über Großkonzerne und über die Versicherungswirtschaft geredet haben, aber kein Wort zu Familien, kein Wort zu Arbeitnehmern und kein Wort zu Normalverdienern gesagt haben. ({2}) In den 16 Jahren der Regierung Kohl gab es immer neue Steuergeschenke an Großunternehmen und Spitzenverdiener. Die mittelständische Wirtschaft, ganz besonders aber die Arbeitnehmer und die Familien mußten dafür bluten. Die Steuerbelastung der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen hat sich seit 1982 von 30 Prozent auf heute noch etwa 15 Prozent halbiert, während die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitnehmereinkommen im gleichen Zeitraum von 30 Prozent auf 37 Prozent gestiegen ist. Wir haben den Entwurf für ein Steuerentlastungsgesetz unmittelbar nach der Konstituierung des 14. Deutschen Bundestages eingebracht und eingehend beraten. Er war in 13 der bisher 21 Sitzungen des Finanzausschusses Beratungsgegenstand. Allein über den § 2 b EStG wurde in zwei Sitzungen insgesamt fünf Stunden lang beraten. Wir haben uns für die vielen komplizierten Einzelfragen bei der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage ausreichend Zeit genommen. Die ursprünglich für zwei Tage geplante Sachverständigenanhörung im Dezember wurde noch um einen dritten Tag im Januar ergänzt, um alle Fragen angemessen behandeln zu können. Die Forderung der Oppositionsfraktionen nach einer weiteren Anhörung zum Steuerentlastungsgesetz war deshalb unbegründet. Aus gutem Grund gewährt unsere Geschäftsordnung auch Minderheiten umfassende Rechte, wie zum Beispiel das Recht, eine Anhörung zu verlangen. Wir nehmen es aber nicht hin, wenn diese Minderheitenrechte aus rein taktischen Gründen überstrapaziert werden sollen. ({3}) Anhörungen dienen der Einbeziehung von Sachverstand von außen. Sie sind kein Mittel zur Verzögerung der parlamentarischen Beratungen. ({4}) Sie, meine Damen und Herren von den C-Parteien und der F.D.P., müssen Opposition noch lernen. Wie schön wäre es, eine ernstzunehmende Opposition im Finanzausschuß zu haben. ({5}) Kein einziger inhaltlicher Änderungsantrag im Ausschuß, also dort, wo die Arbeit des Parlaments stattfindet! Dafür Geschäftsordnungsdebatten, Filibustern, Zeit schinden, mit Obstruktion über die Zeit kommen, um uns das Zeitfenster zuzumachen! Die PDS hat Ihnen dabei nach Kräften geholfen. Aber Sie sehen: Ihre Obstruktionsversuche sind erfolglos; beide Gesetze - Ökosteuer gestern und Steuerentlastungsgesetz heute - passieren pünktlich den Bundestag. ({6}) Anhörung heißt, Sachverstand von außen zu hören. Wir haben uns in einigen Punkten davon überzeugen lassen, daß der ursprüngliche Gesetzentwurf noch verbessert werden konnte. Wir nehmen begründete Einwände gerne auf. ({7}) Ich wundere mich ein bißchen, daß Sie dann mit einem hämischen Unterton über Nachbesserungen reden. Würden wir nichts verändern, könnte man uns mit Recht vorwerfen, wir wären beratungsresistent. ({8}) Also haben wir Konsequenzen aus der Anhörung dort gezogen, wo es geboten war. Die Bereitschaft, etwas dazuzulernen, habe ich in der vergangenen Wahlperiode bei Ihnen allerdings oft vermißt. ({9}) Wenn Sie jetzt über Änderungen reden, bei denen Sie nicht durchsteigen, dann darf ich Sie vielleicht daran erinnern, daß Sie 1994 das Einkommensteuergesetz zwölfmal verändert haben. Zwölfmal in einem Jahr! ({10}) Zwei der Konsequenzen, die wir gezogen haben, will ich ansprechen. Ein Ergebnis der Anhörung ist die Neuformulierung zur Teilwertabschreibung. Mit der jetzt gefundenen Regelung ist sichergestellt, daß dauerhafte Wertminderungen auch weiterhin steuerlich berücksichtigt werden können. Abschläge für saisonabhängige Waren im Einzelhandel sind damit weiterhin möglich. Auch Buchhändler und Verlage können schwer verkäufliche Bestände weiterhin niedriger bewerten. ({11}) Gleichzeitig wird mit der Beschränkung auf dauerhafte Wertminderung und mit dem Wertaufholungsgebot aber ausgeschlossen, daß völlig irreale Wertansätze in den Steuerbilanzen auftauchen, beispielsweise daß das gegenwärtige niedrige Ölpreisniveau faktisch unbegrenzt in die Zukunft fortgeschrieben werden kann. Im übrigen, Herr Merz, Sie haben versucht, sich Scheinkompetenz anzueignen. ({12}) Sie haben über das Wertaufholungsgebot gesprochen und behauptet, Sie hätten das damals begrenzt. Sie müßten nur auf Seite 33 der Vorschläge der Steuerreformkommission nachgucken; denn da steht: „Wertaufholung nach Teilwertabschreibung auf den höheren Teilwert ... ohne jede Begrenzung.“ In Ihrem Gesetzentwurf war ebenfalls keine zeitliche Begrenzung enthalten. Aber hier spielen Sie den großen Fachmann. ({13}) Eine weitere Änderung betrifft die Mindestbesteuerung. Sie war der Schwerpunkt der Angriffe vor allem der Steuersparkünstler. Es gibt ab heute zwei Regelungen, die einander ergänzen und verhindern werden, daß sich die Spitzenverdiener durch die Nutzung von Steuerschlupflöchern weiterhin arm rechnen und ihre Steuerlast auf Null senken. Die in der vergangenen Woche im „Handelsblatt“ und anderen Blättern geschaltete ganzseitige Anzeige gegen den neuen § 2 b verdeutlicht, wie richtig wir liegen. Die Branche hat erkannt, welche Vorteile für sie künftig wegfallen, die der durchschnittliche Steuerzahler bisher finanzieren mußte. ({14}) Dabei hatte der Initiator der Anzeige, der hinlänglich bekannte „Markt-Intern“-Verlag, zwecks Vortäuschung von - nicht vorhandener - Seriosität keine Skrupel, auch Firmenlogos von Unternehmen zu verwenden, die von der Anzeige nichts wußten. Der Vorstand der Westdeutschen Immobilienbank, dessen Fondsgesellschaft auch als Unterzeichner genannt wird, hat sich in einem Schreiben an alle Mitglieder des Finanzausschusses ausdrücklich von der Anzeigenaktion distanziert. Er hätte weder vom äußeren Erscheinungsbild noch vom Inhalt her eine Zustimmung erteilt. Das verdeutlicht um so mehr, wie unglaubhaft diese Kampagne und wie richtig unsere heutige Entscheidung ist. ({15}) Wie ist jetzt die Reaktion des „Markt-Intern“Verlags? Ich zitiere: Der massive und konzentrierte Einsatz hat sich bereits jetzt gelohnt. Weihnachten ist zwar nicht in den Sommer gefallen, aber Silvester auf den 4. März. Bis zu diesem Tag ist jetzt Jahresendgeschäft. Flotte Initiatoren haben jetzt noch die Chance, bereits aufgelegte Fonds zu plazieren. Finanzdienstleister müssen die verbleibenden Tage unbedingt nutzen und ihren Kunden die letzten Steuersparmöglichkeiten eröffnen. Wenn ich mir die Pressionsversuche der Steuersparkünstler vergegenwärtige, vor allem auch die Prospekte, mit denen sie auf Kundenfang gehen - ich wollte eigentlich ein bißchen daraus vortragen; das lasse ich jetzt aber -, ({16}) vor Augen halte, dann muß ich sagen: Es ist für viele Deutsche offenbar wichtiger, Steuern zu sparen, als einen Orgasmus zu haben. ({17}) Der Sexualtrieb muß dem Steuerspartrieb den Platz eins überlassen. ({18}) Aber ab morgen ist Schluß mit der Errichtung weiterer Investitionsruinen, die vorrangig aus steuerlichen Gründen entstehen. ({19}) Ab morgen wird es in Deutschland eine neue Finanzierungskultur geben. Investitionen werden sich zukünftig daran orientieren, ob sie wirtschaftlich sinnvoll sind, und nicht an den erzielbaren Steuerersparnissen. ({20}) Die insgesamt günstigen Abschreibungen und damit die günstigen Investitionsbedingungen des deutschen Steuerrechts bleiben allerdings erhalten. Mit den Regelungen zum Verlustausgleich wird es steuerlich unattraktiv, systematische Verluste in großem Umfang zu erwirtschaften. Der Steuerzahler, über den das „Handelsblatt“ vom 19. August 1997 berichtet, hätte womöglich 76 Jahre gebraucht, um alle seine Verluste auszugleichen. Dieser Steuerzahler, der - ich zitiere aus dem „Handelsblatt“ - 1994 4,3 Millionen DM verdiente, investierte 13,6 Millionen DM in eine Mietwohnanlage in den neuen Bundesländern. Der daraus zugerechnete Verlust von 6,1 Millionen DM senkte seine Einkommensteuer für dieses Jahr auf Null. Zudem erhielt er infolge eines Verlustrücktrages die für 1992 und 1993 gezahlten Steuern in vollem Umfang zurück. Da der Mann im Veranlagungsjahr 1994 auch noch negative Einkünfte aus einer Schiffahrtsbeteiligung und von einer Verlustzuweisungsgesellschaft von 1,5 Millionen DM erzielte, kann er für die Folgejahre noch einen Verlustvortrag geltend machen, der seine Steuern entscheidend mindern wird. Ich finde, es ist eine gute Nachricht für Arbeitnehmer, die ihre Lohnsteuer zwangsabgeführt bekommen, und für alle ehrlichen Steuerzahler, daß wir diese schreiende Ungerechtigkeit unseres Steuersystems beseitigen; denn die Arbeitnehmer waren es doch, die die Gestaltungskünstler aushalten mußten. Wir haben Ernst gemacht mit dem Prinzip Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und Senkung der Steuersätze. Dieses Prinzip war ja schon in den letzten Jahren ein Leitmotiv der Diskussion über die Steuerreform. Jetzt aber zeigt sich: Viele, die von diesem Prinzip geredet haben, haben es ganz anders gemeint. Sie haben nämlich gemeint: Tarifsenkung für mich, Verbreiterung der Bemessungsgrundlage allenfalls für die anderen. ({21}) Nahezu jede einzelne Maßnahme zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage in unserem Entwurf für ein Steuerentlastungsgesetz ist jeweils von anderen Interessenten heftig angegriffen worden. Nahezu jede einzelne Maßnahme wurde zum Dolchstoß hochstilisiert, der den Untergang der gesamten deutschen Wirtschaft zur Folge haben würde. Wenn ich hochrechne, was verschiedene Unternehmen und Verbände angeblich an zusätzlichen Belastungen zu erwarten haben - das will ich zu den Interessenten sagen, Herr Solms -, dann komme ich leicht auf mehrere hundert Milliarden DM. Herr Finanzminister, Sie könnten glücklich sein, denn dann hätten Sie nie mehr Sorgen mit dem Haushalt. ({22}) Tatsächlich geht es hier aber um ein Gegenfinanzierungsvolumen von rund 30 Milliarden DM. Das sind 3,5 Prozent der empirisch feststellbaren Einkommen aus Unternehmertätigkeit und -vermögen. Durch die deutliche Senkung des Körperschaftsteuersatzes und des Spitzensteuersatzes auf gewerbliche Einkünfte wird der größte Teil an die Unternehmen zurückgegeben. Ich kann gut verstehen, daß sich die Unternehmensverbände für ihre spezifischen Interessen einsetzen. Daß wir im Verlauf der Beratungen ein Feedback aus der Wirtschaft und der Bevölkerung erhalten, ist notwendig für eine erfolgreiche Gesetzgebungsarbeit. Aber einige schießen dabei doch weit über das Ziel hinaus. Deshalb erwarte ich, daß diese Interessenvertreter verstehen, daß wir nicht jedem Wehklagen nachgeben können. ({23}) Wenn man zweimal hinschaut und ein bißchen nachdenkt, stellt man fest: So dramatisch, wie es dargestellt wird, wirken sich die Änderungen nicht aus. Die Versicherungsunternehmen wollen uns beispielsweise weismachen, durch einige Neuregelungen im Bereich der Rückstellungsbildung müßten sie zukünftig mehr Steuern zahlen, als sie Gewinne erwirtschaften. Wer ein bißchen nachdenkt, weiß, daß dies bei einer Ertragsteuer absurd ist. Die Opposition behauptet wider besseres Wissen unter anderem auch, der Mittelstand sei Leidtragender. ({24}) Der Herr Finanzminister hat schon mit Blick auf das Gutachten des Ifo-Instituts darauf hingewiesen, daß 3,5 Milliarden DM Mittelstandsentlastung in unserem Gesetzpaket enthalten sind. Sie können doch lesen! Ich fasse zusammen: Mit dem Steuerentlastungsgesetz kommt endlich die längst überfällige Trendwende in der Steuerpolitik. ({25}) Nachdem 16 Jahre lang Arbeitnehmer und Familien immer stärker belastet wurden, werden sie jetzt deutlich entlastet. Auch mittelständische Unternehmen können sich freuen. Sie werden ebenfalls deutlich um über 3,5 Milliarden DM entlastet. ({26}) Großunternehmen und Spitzenverdiener werden endlich wieder einen angemessen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten müssen. Das Gesetz ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit und zur Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. ({27}) Es verdient eine breite parlamentarische Mehrheit. ({28}) Daß die vereinigte Opposition aus CDU/CSU, F.D.P. und PDS keinen konstruktiven Beitrag zu diesem wichtigen Gesetz geleistet hat ({29}) und ihm heute ihre Zustimmung verweigert, wird ihr noch leid tun. Die Koalition wird diesem Gesetz in zweiter und dritter Lesung einmütig ihre Zustimmung geben. ({30})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hansgeorg Hauser.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute abschließend zu beratende Gesetzentwurf entspricht in seiner Entstehungsgeschichte und in der nachfolgenden Behandlung voll den chaotischen und dilettantischen Vorgehensweisen dieser rotgrünen Regierungstruppe. ({0}) Es begann, lieber Herr Minister, mit einer geheimen Kommandosache bei Ihnen in der Baracke, wo eine kleine Gruppe eine Reihe von Veränderungen ausgearbeitet hat. Ich habe den Eindruck, daß dort Ärgernisse aus den Betriebsprüfungen der Finanzverwaltung aufgelistet wurden. Danach trat ein Verschönerungsverein auf, der die Änderungen mit wohlklingenden Zielvorstellungen verpackte, die aber mit dem Inhalt des Gesetzentwurfs überhaupt nichts zu tun hatten. Anschließend traten die Strategen auf den Plan, die das Gesetz in Vorschaltgesetze und Hauptteil gliederten, um bestimmte Wohltaten noch als Weihnachtsgeschenk verteilen zu können. Als nächstes mußte die Reparaturabteilung antreten, die zu einem Runderneuerungsschlag ausholte, weil der Entwurf in den Anhörungen verrissen wurde. ({1}) Sie legte mehrere Pakete Änderungsumdrucke mit mehreren hundert Seiten vor, die durch Tischvorlagen mit neuen Änderungen der geänderten Änderungen ergänzt wurden. ({2}) Zwischendurch hielten verschiedene Beschwichtigungskünstler, angefangen beim Kanzler über den Finanzminister bis hin zur Vorsitzenden des Finanzausschusses und zu anderen Kollegen, die aufgebrachte Wirtschaft und das staunende Volk mit großzügigen Beteuerungen bei Laune, daß doch alles nachgebessert werde und sie im übrigen nur das Beste wollten. Das letzte Beispiel dafür haben wir gestern erlebt, als man der Versicherungsbranche zugesichert hat, daß man möglicherweise Korrekturen anbringen werde und sich auf die Belastungen beschränken werde, die das Ministerium ausgewiesen hat. Was ist das für eine Gesetzgebung, in deren Rahmen einzelne Branchen Entlastungen noch mit dem Ministerium aushandeln und versprochen bekommen? - Jeder muß sich offensichtlich seine ihn betreffenden gesetzlichen Bestimmungen selber abholen. Im Gesetz steht davon nichts. Deswegen bringen wir dazu einen Änderungsantrag ein, im dem es klipp und klar heißt: Rückstellungen für Geldleistungsverpflichtungen sind nach der Maßgabe des § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes abzuzinsen. Das ist eine gesetzliche Grundlage und kein leeres Versprechen des Kanzlers. ({3}) Der Kollege Müller von den Grünen spricht von einem lernenden Gesetzgeber. Ich stelle fest: Trotz „learning by doing“ war alles vergebens. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Scheel?

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Hauser, ich habe eine ganz kurze Frage. Auch Sie haben jetzt wieder die Versicherungswirtschaft angesprochen. Ich erinnere mich gut an den Gesetzentwurf der alten Regierung, den Sie damals als Staatssekretär mitgetragen haben. Auch damals ging es darum, daß man die Rückstellungen in der Versicherungswirtschaft realitätsnäher bewerten wollte. Es war damals ein FiDetlev von Larcher nanzvolumen von 2,8 Milliarden DM angesetzt. Wir haben jetzt ein Finanzvolumen von insgesamt 3 Milliarden DM vorgesehen. Haben Sie nicht den Eindruck, daß es etwas eigenartig ist, daß die Versicherungsbranche damals geschwiegen hat und heute, wenn es im Prinzip um das gleiche Ziel geht, bei der rotgrünen Regierung aufschreit? ({0})

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Kollegin Scheel, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie danch fragen. Das gibt mir nämlich die Gelegenheit dazu, darzustellen, daß auch wir mit den Vertretern der Versicherungswirtschaft diskutiert haben. Das ist durchaus richtig. Es gab auch bei uns Vorstellungen darüber, wie die Rückstellungen eingeschränkt werden sollten. Sie haben die Größenordnungen erwähnt: Laut Ihrer jetzigen Aussage beträgt die Höhe der Rückstellungen 8,75 Milliarden DM. Die Versicherungswirtschaft ist bei ihren Berechnungen von 14 Milliarden DM ausgegangen, nachdem ein Teil herausgenommen worden war. Die Versicherungswirtschaft hatte damals eine Anzeige geschaltet. Aber wir hatten nach Gesprächen und v o r Verabschiedung des Gesetzentwurfes verschiedene Korrekturen angebracht. Deswegen gab es nur noch eine geringfügige Belastung der Versicherungswirtschaft. Wenn Sie sich erinnern: Die Versicherungswirtschaft hat dem Finanzminister zugebilligt, daß sie eine Größenordnung von 6 bis 7 Milliarden DM mittragen würde. ({0}) - Lieber Herr Schösser, die Versicherungswirtschaft hat erklärt, daß sie diese Größenordnung mittragen werde. Sie sollten sich Ihre Zwischenrufe sparen. Sie sollten Ihre Kraft lieber im Finanzausschuß einsetzen. Dort können Sie etwas dazu sagen. Sie geben sonst den Verbänden nur leere Versprechungen und Zusicherungen und tun im Finanzausschuß nichts, aber auch gar nichts. Frau Scheel, Tatsache bleibt, daß die Versicherungswirtschaft in einem erheblichen Ausmaß weiterhin belastet wird. Jetzt hat der Kanzler zugesichert, daß es eine Überprüfung geben wird und daß möglicherweise eine Korrektur vorgenommen wird. Das ist kein Gesetzgebungsverfahren. Deshalb werden wir diesen Antrag einbringen. Das, wovon ich gesprochen habe, muß im Gesetz enthalten sein, damit entsprechende Planungssicherheit entsteht. Das - ich zitiere - „schaurige Kabinettsstück“ ist nicht nur „peinlich“, wie es die „Hannoversche Allgemeine“ bezeichnet, sondern ein katastrophales Armutszeugnis der Gesetzgebung. Im Finanzausschuß herrschten streckenweise Ratlosigkeit und fehlender Durchblick. Ich habe volles Verständnis für junge Kollegen aus der SPD-Fraktion, die sich bitter über die Arbeit der Regierung beklagten. Ich zitiere: Die Fraktion durfte in den letzten Wochen viele Entscheidungen nur noch absegnen. Diskussionen sind nicht in Gesetzentwürfe eingeflossen. Mit des Kanzlers Worten war alles entschieden. Des weiteren wird der Kollege Schneider im „Express“ zitiert: Ich bin nicht dazu gewählt worden, in der Fraktion alles abzunicken. Im Ausschuß hatte man auf seiten der Koalitionsfraktionen offenbar Höllenangst, nochmals Experten zu den Änderungen und Neuerungen des Entwurfs zu hören. Der umfassende Totalverriß der ersten Anhörung steckte ihnen noch zu tief in den Knochen. Während der Beratungen - auch das ist bezeichnend - beteiligten sich die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen kaum an Diskussionen und Nachfragen. Erläuterungen waren offensichtlich nicht erwünscht, so daß nur noch eines blieb: Augen zu und durch; ({1}) Zustimmung zu dem traurigsten Kapitel der deutschen Steuergesetzgebung. ({2}) Das Durchpeitschen im Finanzausschuß hat einen wesentlichen Grund: ({3}) Der Bundesratstermin am 19. März muß mit aller Gewalt erreicht werden, damit die Stimmen Hessens nicht verlorengehen. ({4}) Eine abgehalfterte rotgrüne Landesregierung mit einem wortbrüchigen abgewählten Ministerpräsidenten entscheidet über dramatische Belastungen für die Wirtschaft. Das ist ein miserabler, skandalöser Stil. ({5}) Das, was wir heute beschließen, müßten die Steuerpflichtigen eigentlich schon seit dem 1. Januar dieses Jahres anwenden. Daraus wird ersichtlich, daß Unternehmer und private Investoren seit Monaten im unklaren sind. Eine besonders unrühmliche Attacke gegen die Planungssicherheit nennt dies der Bonner Steuerrechtler Professor Seer. Er sagt: Es entspricht elementaren Geboten der Rechtsstaatlichkeit, daß Gesetze für Normadressaten nachvollziehbar, voraussehbar und berechenbar sein müßten. Er stellt fest, daß die technische Verkomplizierung und der Verlust des Rechtsgedankens in diesem „Werk“ einen neuen Höhepunkt erreiche. Er hofft, daß das Steuerentlastungsgesetz dem Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit gebe, seine Rechtsprechung zur Rückwirkung von Steuergesetzen erneut zu reflektieren und zu präzisieren. Insbesondere da die Gesetzentwürfe permanent geändert wurden und auch die Ankündigungen der Bundesregierung, eine wichtige Voraussetzung für den Vertrauensschutz, nicht verläßlich waren, ist dieser VertrauChristine Scheel ensschutz nicht mehr gewährt. Es ist zu erwarten, daß nicht nur diese Rückwirkung verfassungsrechtlich problematisiert wird, sondern daß dieses Gesetz auch insgesamt, wie Seer sagt, „ein Fall für das Bundesverfassungsgericht“ wird. ({6}) Die Ziele sind eklatant verfehlt worden. Sie versprechen mehr Arbeitsplätze, mehr Vereinfachungen, mehr Entlastungen und mehr Gerechtigkeit. Das erste Ziel ist schon im Ansatz verkehrt formuliert. Nicht die Belebung der Nachfrage und die Stärkung der Massenkaufkraft, sondern die Verbesserung der Investitionskraft der Unternehmen schafft mehr Wachstum und Beschäftigung und damit neue Arbeitsplätze. Durch die Belastungen der Wirtschaft, wie sie von diesem Gesetz ausgehen, wird jedoch nach übereinstimmender Aussage der Experten kein neuer Arbeitsplatz geschaffen werden; ({7}) vielmehr werden die düsteren Prognosen über den Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen sehr schnell Realität werden. ({8}) Die Frühjahrsumfrage des DIHT hat bestätigt, daß nicht nur die Wachstumsschwächen auf Exportmärkten das Konjunkturklima eintrüben, sondern daß insbesondere die rotgrüne Finanz- und Wirtschaftspolitik zu drastischen Wachstumseinbrüchen führt. Besonders negativ werden sich die veränderten Vorschriften bei der Teilwertabschreibung und bei den Rückstellungen auswirken. Auch wenn die Teilwertabschreibung, wie schon ausgeführt worden ist, nicht komplett abgeschafft wird, so wird doch der Nachweis einer dauernden Wertminderung, insbesondere im Umlaufvermögen, das nicht auf Dauer dem Betriebsvermögen dienen soll, erheblich erschwert. Deswegen wird es neue Streitereien mit den Betriebsprüfern geben. ({9}) Im übrigen darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß hier Scheingewinne besteuert werden. Das wird neue Schwierigkeiten bei der Kreditvergabe geben. Damit zahlen die kleinen und mittleren Unternehmen die Zeche dieser Maßnahmen. Es ist hier gesagt worden, daß auch in unserem Steueränderungsgesetz das Wertaufholungsgebot gestanden hätte. ({10}) - Das ist richtig; das haben Sie vollkommen richtig vorgelesen. Der kluge Rechtsfreund liest aber auch Abs. 2. Da steht klipp und klar, daß wir es nicht rückwärts gerichtet, sondern vorwärts gerichtet einführen wollten. Das war der entscheidende Punkt dabei. ({11}) - Natürlich ist das so gemacht worden. - Wir haben darüber lange Diskussionen geführt. Aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen wollten wir es nur nach vorne gerichtet angewendet wissen. Meine Damen und Herren, über die Probleme der Versicherungs- und Energiewirtschaft ist genügend geredet worden, auch über die Probleme im Bereich der Braunkohle. Es ist mir unverständlich, daß angesichts der drohenden Schwächung der Unternehmen und des damit einhergehenden Arbeitsplatzabbaus unsere Warnungen im Finanzausschuß von den Kollegen aus der Regierungskoalition mit Gelächter zur Kenntnis genommen wurden. Sie rufen ja auch jetzt wieder: „Kassandra, Kassandra!“ Auch hier zeigt es sich, daß Sie nicht das nötige Verantwortungsbewußtsein haben, wenn es um die Sicherheit der Arbeitsplätze geht. ({12}) Den Arbeitslosen in diesem Land wird mit diesem Gesetz die Hoffnung genommen, daß sie bald wieder einen Arbeitsplatz finden. ({13}) Die kostspieligen Tariferhöhungen tun hier leider ein übriges. Auch das muß man hier am Rande einmal erwähnen. Sie, Herr Minister, sprachen von Fondsbeteiligungen. Die Einfügung des § 2b ist das besondere Glanzstück Ihrer Arbeit. In der Hoffnung, die Abschreibungsbranche zu treffen, wird mit diesem neuen Paragraphen ein Kahlschlag im Bereich der bisher steuerbegünstigten Investitionen beispielsweise bei Immobilienfonds, bei der Finanzierung von Filmen - Herr Naumann hört da geflissentlich weg -, bei alternativen Energieanlagen oder auch bei venture-capital vorgenommen. Dieser Monsterparagraph 2b ist ein Musterbeispiel für eine miserable Formulierungsarbeit und für eine unglaubliche Verkomplizierung. In Verbindung mit der neu eingeführten Verlustverrechnung ist er kaum administrabel. Wenn mir mehr als zwei Leute aus Ihrer Fraktion erklären können, wie diese Verlustverrechnung funktioniert, gebe ich gerne einen aus. Das werden Sie mit Sicherheit nicht können. ({14}) Meine Damen und Herren, mit den Zuschriften, in denen die vielen unbestimmten Rechtsbegriffe in diesen neuen Paragraphen und das vollkommene Fehlen der Rechtsbestimmtheit, die für jedes Gesetz erforderlich ist, kritisiert werden, kann ich nur sagen: Hier werden zwar die Möglichkeiten für Abschreibungskünstler abgeschafft, aber durch Ihre verklausulierten Bestimmungen sind jetzt die Beschreibungskünstler gefordert. Mein Spruch, daß ein Geschäft nur dann ein Geschäft ist, wenn man dem Finanzamt beigebracht hat, daß es kein Geschäft war, muß jetzt dahin gehend abgewandelt werden, daß es nur dann ein Geschäft ist, wenn man dem Finanzamt beigebracht hat, daß es möglicherweise kein Geschäft war. Ganz zum Schluß muß dann im Prospekt stehen: Es könnten auch irgendwo Verluste entstehen. Hansgeorg Hauser ({15}) Wenn ich diese Kunst des Neuformulierens so beherrsche, bin ich wieder der König. Das Thema Schachteldividende ist hier angesprochen worden. Auch hier wird es mit Sicherheit Klagen geben. Die jetzigen Formulierungen entsprechen nicht der EG-Mutter-/Tochter-Richtlinie. Hier steht klipp und klar nur etwas von einem wahlweise anzusetzenden Pauschalbetrag von 5 Prozent für typischerweise anfallende Verwaltungskosten; von Finanzierungskosten ist keine Rede. Wenn Sie jetzt 15 Prozent ansetzen, heißt das, daß ein Unternehmen, das beispielsweise keine Finanzierungskosten hat, zu hoch besteuert wird. Das ist verfassungswidrig und entspricht nicht der EG-Richtlinie. Es gibt nur drei Länder, die dieses Wahlrecht anwenden. Sie bestrafen die deutschen Unternehmen, indem Sie mit dieser Formulierung ein wettbewerbsverzerrendes Element einführen. Es könnte natürlich auch sein, daß Sie den Großkonzernen damit den Kampf angekündigt haben. Das wäre dann ein Geschenk an Ihre neuen Freunde von der PDS, an die Sie sich anbiedern wollen. ({16}) Im großen und ganzen werden Sie daran keine Freude haben. ({17}) Es gäbe noch vieles zu sagen, zum Beispiel zu den Veräußerungsgewinnen, bei denen Sie die kleinen Handwerker, Freiberufler oder Versicherungsvertreter von denen haben wir sehr viele Briefe bekommen - bestrafen, indem der halbe Steuersatz wegfällt. ({18}) Außerdem fallen eine ganze Reihe anderer Dinge weg. Lieber Herr Finanzminister, die Familien und die Arbeitnehmer müssen verdammt viel Geduld aufbringen, um die Entlastungen zu bekommen, die Sie immer versprechen. Sie werden es erleben: Bis zum Jahr 2002 wird - gestern haben Sie mit der Einführung der Ökosteuer schon damit begonnen - längst an anderen Stellen alles wieder einkassiert sein. Ihre halbherzigen Dementis bei den Diskussionen um die Mehrwertsteuererhöhung sprechen doch eigentlich Bände. Es ist längst vorgesehen und geplant, daß Sie hier neue Belastungen schaffen werden. Damit bezahlen die Arbeitnehmer und die Familien das, was Sie mit diesem Gesetz hier anrichten. ({19})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus Müller.

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Solms hat vorhin zu Beginn seines Beitrages die „FAZ“ zitiert. Ich würde gerne Herrn Michelbach auf seine doch sehr harten Vorwürfe wie „Arbeitsplatzvernichtungsprogramm“ etc. mit dem „Handelsblatt“ antworten. ({0}) Das „Handelsblatt“ - unverdächtig, von Rotgrün bestochen zu sein - schreibt heute in der Überschrift: „Mittelstand ist der Gewinner des Steuerreform-Hickhacks“. ({1}) Weiter heißt es: Die Sieger des Hickhacks der letzten Wochen über die Gegenfinanzierung des Steuerentlastungsgesetzes ... sind die mittleren und kleinen Unternehmen. ({2}) Ich finde, wenn man hier mit dem Stakkato auf eine Steuerreform einprügelt, wie es Herr Michelbach getan hat, sollte man noch einmal genau nachlesen, was andere Berufene sagen. Auch in dem Artikel in der „FAZ“, den Herr Solms zitiert hat, kann man, wenn man ihn weiterliest, feststellen, daß es dort, in etwas verhaltenem, „FAZ“typischem Stil, heißt: Hoffnung machen kann sich - allerdings mit großen Fragezeichen - die haben wir heute, glaube ich, ausgeräumt auch der Mittelstand. Das heißt, selbst von der „FAZ“ und vom „Handelsblatt“, zwei doch nicht ganz unwichtigen Publikationen, wird der rotgrünen Koalition beschieden, daß zumindest der Mittelstand nicht das Opfer ist, sondern eher zu den Profiteuren dieser Steuerreform gehört. ({3}) Wie heißt es so schön: Tue Gutes und rede darüber. Der Grundfreibetrag steigt auf 14 000 DM. Wir senken den Eingangssteuersatz auf unter 20 Prozent. Wir senken den Spitzensteuersatz auf 48,5 Prozent. Wir senken den Körperschaftsteuersatz auf 40 Prozent, sogar rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres. Wir senken den Steuersatz auf gewerbliche Einkünfte auf 43 Prozent. Gestern haben wir die Senkung der Lohnnebenkosten um 0,8 Prozentpunkte beschlossen. Am Ende der Legislaturperiode - zum nächsten Wahlkampf mit Ihnen werden die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent liegen. Wir haben eine Unternehmensteuerbelastung von 35 Prozent angekündigt. Auch dies werden wir halten, genauso, wie wir auch unsere Versprechen bezüglich der Ökosteuer und des vorliegenden Steuerentlastungsgesetzes halten werden. Unser Konzept mit einer Nettoentlastung von 20,5 Milliarden DM ist sicherlich hart an der Grenze dessen, was die öffentlichen Haushalte vertragen können. Ich Hansgeorg Hauser ({4}) sehe auch, daß wir in den Haushaltsberatungen in den nächsten Jahren schwer daran zu arbeiten haben werden. Trotzdem ist dieses Konzept immer noch wesentlich realistischer als das, was Sie uns als Alternative präsentieren: eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM, in Wirklichkeit von 45 Milliarden DM, verschämt versteckt durch eine Mehrwertsteuererhöhung. Herr Hauser und alle anderen, die heute immer wieder versucht haben, uns mit der Mehrwertsteuer vorzuführen: Die einzigen, die schwarz auf weiß etwas zu indirekten Steuern geschrieben haben, waren Sie in Ihrem Steuergesetz der Petersberger Beschlüsse in der letzten Legislaturperiode. Ansonsten finden Sie nirgendwo, weder bei den Grünen noch bei der SPD, noch beim Bundesfinanzminister, irgend etwas zum Thema Mehrwertsteuererhöhung. Wir haben in unserem Gesetzentwurf die Ziele Verbesserung von Wachstum und Beschäftigung, Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Familien, Steuergerechtigkeit und -vereinfachung niedergeschrieben. ({5}) Dazu ist heute schon viel gesagt worden. Es ist Ihr gutes Recht, uns zu kritisieren und zu behaupten, daß diese Ziele nicht umgesetzt werden. Trotzdem, so glaube ich, erreichen wir durch die vorgesehene Senkung der Steuersätze einen Impuls, auch wenn wir uns eine stärkere Absenkung gewünscht hätten. Das ist gar keine Frage. Wir erreichen damit eine Entlastung der Familien, und zwar konkret durch die Erhöhung des Kindergeldes, die Sie immer belächelt haben. Wir erreichen eine höhere Steuergerechtigkeit dadurch, daß wir nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip besteuern. ({6}) Dadurch, daß wir zahlreiche Vergünstigungen streichen und so eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage erzielen, gehen wir einen Schritt in Richtung Steuergerechtigkeit und -vereinfachung. Ich bin mit Ihnen einig, daß wir uns da mehr gewünscht hätten. Ich glaube, das hätten sich alle Abgeordneten im Finanzausschuß gewünscht. Aber es ist festzustellen: Von Ihnen ist während der Ausschußberatungen kein einziger Änderungsantrag eingebracht worden. An keinem einzigen Punkt haben Sie gesagt: Da könnten Sie im Bereich der Gegenfinanzierung und zur Senkung der Steuersätze weitergehen. - Ich muß mich jetzt allerdings ein Stück weit korrigieren - seit eben gilt meine Bemerkung nicht mehr -: Ich habe um 11.25 Uhr den ersten Änderungsantrag der Opposition erhalten. ({7}) Das ist Ihre „konstruktive Mitarbeit“ an den laufenden Beratungen des Bundestages. Immerhin war das der letztmögliche Zeitpunkt; das sei Ihnen eingestanden. Ich finde, ein einziger Änderungsantrag ist für eine ernsthafte Beratung angesichts eines so wichtigen Themas etwas wenig. ({8}) Jetzt können Sie natürlich sagen: Es gibt ja noch mehr von uns. Das ist richtig. Es liegen mehrere Entschließungsanträge der CDU/CSU-Fraktion und der F.D.P.-Fraktion vor, die letztendlich extrem rückwärtsgewandt sind. Denn der Gehalt dieser Entschließungsanträge besagt nichts anderes als das: Wir verweisen noch einmal auf das, was wir in der letzten Legislaturperiode eingebracht haben. Das haben Sie ja im Wahlkampf verschämt relativiert, als Ihre Kollegin Nolte versehentlich ausgeplaudert hat, was die Fußnote in Ihrem Gesetzentwurf tatsächlich bedeutete. Ich stelle nur fest: Mehrwertsteuererhöhung. Auch die PDS macht in ihrem Entschließungsantrag - immerhin haben Sie einen etwas ausführlicheren Antrag zustande gebracht - keine konkreten Vorschläge, was wir zur weiteren Senkung von Steuersätzen und zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage tun können. ({9}) Herr Hauser, Sie haben vom „lernenden Gesetzgeber“ gesprochen. Sie haben das ein Stück weit hämisch gemeint. Ich gebe zu: Ich bin sehr stolz darauf, daß sich die Koalitionsfraktionen in diesem Beratungsverfahren viele Expertisen zu eigen gemacht haben. Ich danke ausdrücklich all den Vertreterinnen und Vertretern der Verbände, der Wirtschaft, der Institute und der Wissenschaft, die uns in den Verfahren beraten und uns Briefe geschrieben haben. Ich glaube, die deutschen Telefongesellschaften haben an den zahlreichen Faxen, die uns in den vergangenen Monaten geschickt wurden, viel verdient. Es ist richtig, daß es notwendig ist, Gesetzentwürfe im Laufe des Beratungsverfahrens zu korrigieren. Nur, Herr Solms, uns an dieser Stelle „Versuch und Irrtum“ zu unterstellen, dazu kann ich nur sagen: In der letzten Legislaturperiode hat es zahlreiche Jahressteuergesetze gegeben. Für mich klingt das, was Sie uns jetzt vorwerfen, eindeutig nach dem Prinzip Versuch und Irrtum. ({10}) - Das, was Sie hier immer wieder hochhalten, sind jede Menge sehr dünn beschriebene Seiten. Also wedeln Sie nicht mit viel Papier. Das ist etwas billig. ({11}) Ich will zum Schluß versuchen, auf den Vorwurf einzugehen, die Steuergesetze der neuen Mehrheit hätten keine Leitidee und seien nicht miteinander verknüpft. Es ist sicherlich richtig: Man könnte sich wünschen, daß alle großen Reformvorhaben dieses Jahres - die EinKlaus Wolfgang Müller ({12}) kommensteuerreform, die Einführung der Ökosteuer, die Entlastung der Familien und die Reform der Unternehmensteuern - in einem großen Wurf durchgeführt würden. Wir tun das nacheinander, Schritt für Schritt, weil wir sagen: Wir wollen den Finanzausschuß nicht überfordern. Wir wollen hier im Bundestag jeden Schritt sorgfältig und einzeln beraten. ({13}) Trotzdem gibt es zwei Leitideen in bezug auf diese Steuerreform. Es gibt einmal die Leitidee, daß sich das Netto dem Brutto annähern muß. Wir wollen, daß die versteckte Belastung der Arbeitseinkommen durch die Lohnnebenkosten ({14}) gesenkt wird, und wollen zu einer ehrlichen Finanzierung, einer Finanzierung durch Steuern, kommen. Die gestrige Verabschiedung der Ökosteuer war der erste Schritt dahin; die zweite und die dritte Stufe folgen im Laufe des Jahres. Das, was die Menschen verdienen, soll ihnen tatsächlich ausgezahlt werden. Wir wollen keine Finanzierung, die sehr regressiv wirkt, zum Beispiel eine Finanzierung durch hohe Lohnnebenkosten. - Wichtig also ist: Das Netto muß dem Brutto angenähert werden. ({15}) Die zweite Leitidee, die dahinter steckt, ist, die reale Steuerbelastung der nominalen anzunähern. Wir wollen keine Scheindebatten mehr führen müssen über zu hohe Steuersätze; denn dies hat nichts mit der Realität zu tun, zum Beispiel weil es Bilanzierungsvorschriften gibt. - Wir wollen die reale Steuerbelastung der nominalen annähern. Das ist wichtig für die Steuermoral, für die Steuergerechtigkeit und für die Transparenz. Abschließend möchte ich sagen: Die Oppositionsfraktionen haben viel geredet, im Finanzausschuß und heute im Bundestag. Gehandelt und etwas gebacken bekommen haben sie nicht. Das tut heute Rotgrün. Ich finde, das ist eine gute Leistung. Vielen Dank. ({16})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Carl-Ludwig Thiele. ({0})

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, selten hat eine neue Bundesregierung nach gut vier Monaten Amtszeit den Vertrauensvorschuß, den sie vom Wähler erhalten hat, so verspielt wie diese Regierung, geführt vom nicht anwesenden Bundeskanzler und vom Finanzminister. ({0}) Das Vertrauen in die Zukunft - das sollte das Entscheidende sein - ist mit diesen Gesetzentwürfen überhaupt nicht zu erreichen. Ich bin auch erstaunt darüber, wie defensiv, wie müde und mühsam die Koalition dieses Gesetz verteidigt. Sie selbst wissen nämlich, daß mit diesem Gesetz keine guten Effekte zu erzielen sind, da der Grundansatz Ihrer steuerpolitischen Konzeption falsch ist. ({1}) Sie haben sich immerhin etwas Schönes einfallen lassen, nämlich den Titel „Steuerentlastungsgesetz“. Damit verbrämen Sie, daß es in Wirklichkeit ein reines Steuerbelastungsgesetz für die Steuerpflichtigen und die Wirtschaft in unserem Land ist. ({2}) Wer sich das Finanztableau anschaut - wir diskutieren und stimmen heute nämlich nicht über die gesamte Steuerreform ab; den ersten und zweiten Beschluß im Zuge der Atomisierung dieses Steuergesetzes haben wir schon erlebt - und feststellt, daß mit diesem Gesetz, das heute beschlossen werden soll, Bürger und Wirtschaft in diesem Jahr mit 8,5 Milliarden DM, im nächsten Jahr mit 6,6 Milliarden DM und im Jahr 2001 mit 13 Milliarden DM mehr belastet werden, der kann doch nicht im Ernst behaupten, dadurch würden Wachstum und neue Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland entstehen, dadurch werde der Aufschwung kommen, den wir alle dringend erwarten. ({3}) Die Frühjahrsprognose des Deutschen Industrie- und Handelstages, daß das Wachstum in diesem Jahr auf 1,5 Prozent zurückgehe, ist doch schon Folge dieser Politik. Das Vertrauen schwindet. Die Leute wissen auch nach der heutigen Bundestagssitzung nicht, ob das Gesetz, das heute vom Bundestag beschlossen wird, tatsächlich Bestand hat. Einige haben nämlich den Glauben noch nicht aufgegeben, daß der eine oder andere Ministerpräsident - vielleicht aus den neuen Ländern - die Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern überprüft und erkennt, daß er diesem Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen kann, wenn er nicht in seinem Land die Verantwortung für zusätzliche Arbeitslose, die es dann geben wird, übernehmen will. ({4}) Wir wissen, daß Sie Ihre Mehrheit durch Ministerpräsident Eichel noch nutzen wollen. Ein Minimum an Sachverstand und an Verantwortung der Ministerpräsidenten aber sollte in diesem Verfahren noch erwartet werden können. Klaus Wolfgang Müller ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Zielgruppe der SPD im Bundestagswahlkampf war die Neue Mitte. Jetzt machen Sie die Neue Mitte zur Zielscheibe. ({6}) Alle Versuche, die Sie unternehmen, um die Gegenfinanzierung zu erläutern, sind Angriffe gegen die Wirtschaft. Ich nenne jetzt einmal - ganz grob - die Entlastungen: Da ist einmal das Kindergeld mit einer Entlastung von 7 Milliarden DM pro Jahr. Ferner - das war die zweite Beschlußempfehlung - gibt es Entlastungen, weil die Unternehmen die Alterserwartung der Bevölkerung dadurch stärker berücksichtigen, daß sie verstärkt Rückstellungen bilden; das ist eine Größenordnung von 8,8 Milliarden DM. Das alles wird gegenfinanziert. Ich glaube, das Wort „Gegenfinanzierung“ wird das Unwort des Jahres. Die Bürger wollen keine Gegenfinanzierung. Sie wollen endlich eine Entlastung. ({7}) Es gibt eine jährliche Steigerung der Steuereinnahmen um 5 Prozent, in diesem Jahr knapp 40 Milliarden DM, in den Folgejahren auch etwa 40 Milliarden DM. Dieses Geld will der Staat alles kassieren - auch das Geld, das durch die heimliche Steuererhöhung durch den Progressionseffekt hereinkommt -, um es für die Einlösung von Wahlversprechen auszugeben. Das kann nicht der richtige Weg sein. Wir sind der Auffassung: Weniger Staat bewirkt mehr bei den Bürgern, bewirkt mehr für die Wirtschaft. Ein Senken der Staatsquote bringt zusätzliche Arbeitsplätze. Eine Erhöhung der Staatsquote, wie das die neue Regierung unter Umverteilungsgesichtspunkten betreibt, bringt keine zusätzlichen Arbeitsplätze. ({8}) Ich möchte auch einen weiteren Punkt hier deutlich darstellen. Sie feiern es immer als soziale Gerechtigkeit, daß das Kindergeld von 220 DM auf 250 DM erhöht worden ist. Wir begrüßen das; wir begrüßen allerdings nicht die von Ihnen gewählte Gegenfinanzierung. Deshalb haben wir dagegen gestimmt. Sie haben die Kindergelderhöhung zu einem Teil dieses Gesetzes gemacht, was dazu führt, daß die Wirtschaft dieses zu bezahlen hat. Herr Finanzminister, an folgendes darf ich Sie vielleicht auch noch erinnern - Frau Staatssekretärin Hendricks hat mir das in einer Antwort auf eine Anfrage von mir auch bestätigt -: 1996 ist der Familienleistungsausgleich von der CDU/CSU-F.D.P.-Koalition nach dem von der F.D.P. vorgelegten Modell geändert worden. Das Kindergeld ist 1996 von 70 auf 200 DM erhöht worden; 1998 ist es auf 220 DM angehoben worden. Ich glaube, das war die richtige Politik. Wenn Sie sagen, das sei soziale Kälte, dann möchte ich Sie bitten, die einschlägigen Stellen Ihres Textes einmal umzuschreiben. ({9}) Diese Maßnahmen, Herr Finanzminister, haben dazu geführt - das sind die Zahlen, die mir Frau Staatssekretärin Hendricks zur Verfügung gestellt hat -, daß durch die Freistellung des Existenzminimums, durch die Freistellung des Kinderexistenzminimums und die Erhöhung des Kindergeldes, die Steuerpflichtigen und Familien in diesem Jahr um mehr als 28 Milliarden DM entlastet werden - wie gesagt: unsere Maßnahmen, die der alten Koalition. Das war eine Nettoentlastung. Das war etwas anderes als das, was Sie betreiben. Wir sind der Auffassung: Die Bürger haben eine Nettoentlastung verdient. Es ist doch auch Augenwischerei, wenn Sie hier mit einer Unternehmenssteuerreform kommen, die keiner genau kennt und über die der Bundeskanzler und der Finanzminister unterschiedliche Auffassungen zu haben scheinen. ({10}) Auch diese Unternehmenssteuerreform, die von Ihnen konzipiert ist, hat den Grundmakel, daß keine Nettoentlastung vorgesehen ist. Sie ändern das Steuerrecht, ohne eine Nettoentlastung vorzusehen. Das führt bei der Unternehmenssteuerreform dazu, daß die Unternehmen die Steuersatzsenkung, die erfolgen soll, selbst zu finanzieren haben. Damit wird kein Impuls für Wachstum, für Investitionen und für Arbeitsplätze in unserem Land gegeben. Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Rotgrün hat zwar auf Grund der Bundestagswahl noch die Mehrheit hier, im Deutschen Bundestag; in der Bevölkerung haben Sie die schon lange nicht mehr. Sie haben sich von ernsthafter Politik verabschiedet. ({11}) Politik muß eben ein bißchen mehr sein als nur die Darstellung von Nichtdarstellbarem, und Gesetzentwürfe sollten auch eine längere Halbwertszeit als Lutschbonbons haben. Sie dürfen nicht permanent geändert werden. Mal gibt es ein Kanzlerwort; dann kommt wieder der Finanzminister. Das ist ein absolutes Chaos, und dieses Chaos führt zu schlechten Gesetzen. Das Gesetz, das wir heute verabschieden sollen, ist ein schlechtes Gesetz; es ist ein Gesetz gegen Beschäftigung, gegen Wachstum. Deshalb werden wir diesem Gesetz heute auch nicht zustimmen. ({12})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jörg-Otto Spiller.

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist Zeit für Steuerentlastungen. Denn CDU/CSU und F.D.P. haben über Steuersenkungen immer nur geredet. ({0}) In Wirklichkeit hat Ihre Politik in den letzten zehn Jahren eine Kette von Steuererhöhungen gebracht. ({1}) Sie haben zugleich hingenommen oder bewußt herbeigeführt, daß die Steuerungerechtigkeit in Deutschland während Ihrer Regierungszeit ständig zugenommen hat, daß der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit - starke Schultern sollen mehr tragen als schwache ({2}) ins Gegenteil verkehrt worden ist. ({3}) Herr Kollege Thiele, Sie haben gerade von Gegenfinanzierung gesprochen. ({4}) Ihre Gegenfinanzierung bestand aus zwei Methoden; die eine war so schlecht wie die andere. Erste Methode: Schulden machen. Zweite Methode: Otto Normalverdiener immer tiefer in die Tasche greifen. Das war Ihre Gegenfinanzierung. ({5}) Es ist doch in Ihrer Zeit dazu gekommen, daß die Spitzenbelastung bei Steuern und Abgaben nicht etwa bei den Spitzenverdienern war, sondern bei den Arbeitnehmern, deren Verdienst in der Nähe der Bemessungsgrenze für die Sozialversicherung lag. Es ist doch durch Ihre Politik dazu gekommen, daß ein Familienvater, der brutto 100 DM mehr verdiente, glücklich sein konnte, wenn er davon einen Fünfzigmarkschein sah. Ein junger Ingenieur, ledig, konnte sich freuen, wenn ihm von den zusätzlichen 100 DM brutto etwas mehr als 30 DM blieben. Das war Ihre Politik. ({6}) Meine Damen und Herren, hinzu kommt: Die Durchbrechung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit galt auch für den Unternehmenssektor. Es trifft überhaupt nicht zu, was Sie so gerne sagen: daß Sie eine mittelstandsfreundliche Politik betrieben hätten. Das Gegenteil war der Fall. Sie haben in erster Linie dafür gesorgt, daß große, international tätige Unternehmen eine Vielzahl von Möglichkeiten hatten, ihre Steuerlast zu mindern, während der normale Mittelständler von Ihnen regelrecht gemolken wurde. Wir haben erlebt, daß selbst bis in die leuchtendsten Sterne der deutschen Industrie hinauf Vorstandsvorsitzende sich rühmten, in Deutschland überhaupt keine Steuern mehr zu zahlen. Seien Sie also vorsichtig mit Behauptungen, Sie hätten eine mittelstandsfreundliche Politik betrieben. ({7}) Das Gesetz, das die Koalition Ihnen jetzt vorlegt, bringt die richtigen Korrekturen. Wir bringen nicht nur eine Entlastung der breiten Mehrheit der Bevölkerung, wir bringen auch mehr Steuergerechtigkeit im Bereich der Unternehmen. ({8}) Wir haben - das hat der Kollege Müller schon gesagt; ich sage es trotzdem noch einmal - bereits seit dem 1. Januar 1999 die Senkung des Spitzensteuersatzes für gewerbliche Einkünfte von 47 auf 45 Prozent. Das betrifft insbesondere die mittelständischen Unternehmen. Wir werden, wenn wir dieses Gesetz verabschiedet haben, eine weitere Senkung beim Spitzensteuersatz für gewerbliche Einkünfte auf 43 Prozent ab nächstem Jahr haben. Der Körperschaftsteuersatz - das betrifft insbesondere die GmbHs - wird auf 40 Prozent sinken, wenn die Gewinne im Unternehmen bleiben und dort wieder verwandt werden. Tarife senken, Bemessungsgrundlage verbreitern - das ist unser Prinzip. Wir reden nicht bloß darüber, wir setzen das um. ({9}) Ich will einen Hinweis geben, weil das der breiten Öffentlichkeit vielleicht nicht bewußt ist: Das Prinzip der Unternehmensbesteuerung ist ein anderes als bei den privaten Haushalten. Es wird durch den Vergleich des Vermögensstandes am Ende des Geschäftsjahres mit dem Vermögensstand am Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres der Gewinn ermittelt. Da gibt es natürlich Bewertungsprobleme. Das ist nicht immer ganz leicht und ganz objektiv zu machen. Wie wird das jeweilige Vermögen, wie werden seine einzelnen Bestandteile bewertet? Wie werden Verbindlichkeiten bewertet? Werden beispielsweise, Herr Kollege Solms, Verbindlichkeiten, die vielleicht erst in 20 Jahren beglichen werden müssen, genauso bewertet wie Verbindlichkeiten, die jederzeit fällig werden können? Das ist doch ein Unterschied. Das bietet sich für eine Abzinsung doch geradezu an. ({10}) Natürlich ist es angemessen, ein Wertaufholungsgebot für den Fall in das Gesetz hineinzuschreiben, daß es Wertveränderungen im positiven Sinne gibt. ({11}) Das stand doch auch in Ihrem Gesetzentwurf. ({12}) Herr Hauser, Sie tun jetzt so, als hätten Sie Ihr Gesetz nicht gelesen. Damals hat Ihre Finanzverwaltung sogar noch höhere Steuermehreinnahmen vorausgeschätzt als jetzt. Das kann man doch nicht einfach beiseite wischen. Ich komme zu den Rückstellungen für Versicherungen und den Rückstellungen für Energieversorger: Ich kann mir vorstellen, daß es fast ein Kulturschock ist, wenn man als Energieversorger jetzt mit einer zweifachen Änderung konfrontiert wird. Erstens gibt es jetzt Wettbewerb; den gab es vorher nicht. ({13}) Zweitens soll man auch noch normal besteuert werden. ({14}) Das ist natürlich etwas unangenehm; das kann ich schon verstehen. Ich will noch auf einen Punkt eingehen, der mich wirklich bewegt. Herr Kollege Solms, Sie waren so unvorsichtig, von Ordnungspolitik zu reden. Bisher hatte ich immer die Hoffnung, daß es wenigstens in der F.D.P. noch ein paar überzeugte Marktwirtschaftler gibt. ({15}) Während der Beratungen im Finanzausschuß habe ich diesen Eindruck leider nicht bestätigt gefunden. Das Verblüffende war nämlich, daß sich Ihre Kollegen - Sie waren selten da, Herr Solms - und die Kollegen aus der CDU/CSU wärmstens für die Belange der Abschreibungskünstler einsetzten. ({16}) Meine Damen und Herren, in einer funktionierenden Marktwirtschaft werden private Investitionsentscheidungen nach Gewinnerwartungen getroffen. Das ist vernünftig. Wenn private Investitionsentscheidungen nach Verlustzuweisungen getroffen werden, ist das die Umkehr der marktwirtschaftlichen Ordnung. ({17}) Es bedarf des engagierten Einsatzes von SPD und Grünen, damit die Marktwirtschaft in Deutschland nach 16 Jahren Koalition von Union und F.D.P. wieder hochgehalten wird. ({18})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele?

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr gern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

„Sehr gern“, das hört man gern.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Spiller, ich glaube, wir stimmen überein, daß Verlustzuweisungsgesellschaften in sich keinen Sinn haben. Deshalb hatten wir vorgesehen, die Steuersätze so zu senken, daß keiner mehr aus steuerlichen Gründen Mittel in Verlustgesellschaften einbringt. ({0}) - Verzeihung! Unser Spitzensteuersatz betrug 35 Prozent. Wenn Sie den vorgesehen hätten, hätte sich das ganze Problem der Verlustgesellschaften ohne § 2b Einkommensteuergesetz von selbst gelöst. ({1}) An Ihrem Vorschlag stören uns zwei Punkte. ({2}) Zum einen verhunzen Sie den Einkommensbegriff, weil er nicht mehr gilt. Zum anderen: Lassen Sie die Arbeitnehmer im Stich, die Aufträge im Wohnungsbau und in der Filmwirtschaft realisieren sollen, die mit diesen Geldern finanziert werden. Hier vernichten Sie Arbeitsplätze. Das ist unser Vorwurf, den wir gegen Ihre Neuregelung des § 2b Einkommensteuergesetz erheben. ({3})

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Thiele, erstens haben Sie das in Ihrem Gesetzentwurf damals so gar nicht vorgesehen. Zweitens. Sie haben das kaufmännische Rechnungswesen verhunzt. Sie appellieren geradezu an die Gutverdienenden, den ökonomischen Sachverstand bei ihren Entscheidungen möglichst außen vor zu lassen und sich nur noch an der Frage zu orientieren: Wie kann man Verluste machen? Das ist doch eine Perversion. ({0}) Das haben Sie leider nicht geändert. ({1}) Ich möchte noch auf eines hinweisen. Wir müssen von dieser totalen Verkehrung der Dinge wegkommen und davon, gar noch zu behaupten, wie Sie es getan haben, Herr Thiele, man tue etwas für junge Unternehmen oder für Venture Capital, wenn man mit solchen komischen Fonds arbeite. In den angelsächsischen Ländern geht das ohne solche verrückten steuerlichen Vorteile, die aus einem Verlust sozusagen den Honig saugen, daß eine Anlage, die Verlust verspricht, angeblich attraktiv ist. Wir sind verliebt in das Gelingen und nicht in den Verlust! ({2}) Wir werden dafür sorgen, daß die Fehlallokation, die Sie mit Ihren Abschreibungskünstlern, mit der Zerrüttung und Verwüstung des deutschen Steuerrechts in fast der gleichen Weise erreicht haben wie die Staatliche Plankommission, aufhört und wir zu einer Orientierung am wirtschaftlichen Erfolg zurückkehren. Das wird auch dazu beitragen, daß junge Unternehmen, daß Leistungsträger quer durch die Gesellschaft wieder Erfolg haben. Leistung in Deutschland muß sich wieder lohnen. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Staatsminister des Freistaats Sachsen, Professor Dr. Georg Milbradt. Dr. Georg Milbradt, Staatsminister ({0}): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeit der Spekulationen über die steuerpolitischen Vorhaben der neuen Bonner Regierung ist vorbei. Das Ergebnis ist niederschmetternd. Dieser Regierung fehlt nicht nur der Mut, sondern offensichtlich auch die Fähigkeit zu einer vorurteilslosen Analyse und zu wirklichen Reformen. ({1}) Da Sinn und Zweck einer Steuerreform angesichts des Durcheinanders der vergangenen Wochen aus den Augen zu geraten drohen - die Beiträge der Regierungskoalition zeigen das -, erinnere ich daran, was die allgemein anerkannten Erfordernisse einer Steuerreform sein sollten: Erstens. Deutschlands Staatsquote und Abgabenbelastung sind entschieden zu hoch. Es müssen Maßnahmen zur Ausgaben- und Abgabensenkung getroffen werden. Hierzu ist eine Überprüfung aller staatlichen Aufgaben unerläßlich. Staatsausgaben und öffentliche Kreditaufnahme müssen gesenkt werden. Mehr Investitionen für neue Arbeitsplätze sind notwendig. Dazu bedarf es einer Reform der Unternehmenssteuern, die diesen Namen auch verdient. Eine faire Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist zu gewährleisten. Zweitens. Das deutsche Steuerrecht muß einfacher und transparenter werden. Es muß ein klarer und durchgängiger Maßstab der Besteuerung, insbesondere das Leistungsfähigkeitsprinzip angewandt werden. Leider ist festzustellen: Fast nichts von diesen Grundsätzen findet sich in den heute zur Beratung stehenden Entwürfen wieder. Die von dieser Bundesregierung vorgesehenen Senkungen des Eingangs- und des Spitzensteuersatzes sind mutlos und unzureichend. ({2}) Zwar kündigen Sie an, die Unternehmenssteuern auf 35 Prozent senken zu wollen, lassen aber den allgemeinen Spitzensteuersatz nahezu unverändert bei 48,5 Prozent stehen. Mit solch unterschiedlich hohen Steuersätzen bereiten Sie den Nährboden für neue Steuerschlupflöcher, die zu beseitigen Sie gerade angetreten sind. ({3}) Steuerpflichtige mit hohen Vermögen beispielsweise brauchen ihr Vermögen nur neu zu ordnen und können auf einfache Weise aus privaten Vermögenseinkünften gewerbliche Einkünfte machen und so ihre Steuer senken. - Die Familie Quandt läßt grüßen. - Sie beherzigen weder die Erfahrung aus der Praxis noch die Ratschläge aus der Wissenschaft. Hohe Steuersätze auf der einen Seite, Ausnahmetatbestände und eine ungleiche Behandlung von Einkünften auf der anderen Seite sind eine Aufforderung an die Steuerzahler, sich diese Ungereimtheiten zunutze zu machen. Wirtschaftliches Verhalten wird durch steuerliche Optimierungen zu Lasten der Gesamtwirtschaft verzerrt. Statt unser Steuersystem wieder in Richtung auf mehr Neutralität zu verbessern, „verschlimmbessern“ Sie es weiter, weil Sie erfahrungsund beratungsresistent sind. ({4}) Sie lehnen eine deutliche und gleichmäßige Senkung der Steuersätze ab. Statt zu reformieren, betreiben Sie ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für kreative Steuerkünstler und Verfassungsjuristen. Das sind aber nicht die Arbeitsplätze, die nach unseren Vorstellungen geschaffen werden müßten. Die von der rotgrünen Koalition versprochene Steuervereinfachung ist ausgeblieben. Im Gegenteil: Das Steueränderungsgesetz enthält weitere Verkomplizierungen. Beispiele hierfür sind die Mindestbesteuerung und die daran angelehnte Einschränkung von Verlustzuweisungsgesellschaften, die Regelung zum Ausschluß des Abzugs privater Schuldzinsen und die Neufassung des bisher relativ einfach zu handhabenden Verlustabzugs. Die Verworrenheit dieser Regelungen ist Ausdruck einer intransparenten und komplizierten Gesetzgebung, die keine Rücksicht auf den Gesetzesvollzug nimmt. - Das betrifft insbesondere die Länder. Rechtsstreitigkeiten in großem Umfang sind vorprogrammiert, unnützer Verwaltungsaufwand wird die Folge sein. Bei dem Gesetzeswerk bleibt auch die Steuergerechtigkeit auf der Strecke. Es ist kein durchgängiges Konzept hierfür zu erkennen, sondern nur unsystematische Eingriffe mit neuen Ausnahmetatbeständen. Von einer Besteuerung der Bürger nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann keine Rede sein. ({5}) Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, haben sich vor der Definition und konsequenten Anwendung dieses Prinzips gedrückt und Nebelgranaten verschossen. Sie verwechseln Neid mit Gerechtigkeit! ({6}) Sie müssen zunächst einmal definieren, an welchem Maßstab Sie das messen wollen. Davor haben Sie sich gedrückt. ({7}) Der Umbau der Kilometerpauschale in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale ist erst gar nicht thematisiert worden. Dabei hätte gerade dies den Koalitionsparteien, die bei jeder Gelegenheit ihre ökologische Verbundenheit zu Schau stellen, gut angestanden. ({8}) Die von allen Steuerexperten geforderte Durchforstung der Liste der in § 3 EStG befreiten Tatbestände ist auch nicht erfolgt. ({9}) Die neue Regierung möchte den Problemen unserer Zeit mit einer Rezeptur zu Leibe rücken, die sich bereits in den 70er Jahren in Westdeutschland als völlig unStaatsminister Dr. Georg Milbradt ({10}) tauglich erwiesen hat. Niemand bestreitet, daß von der Nachfrageseite Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung ausgelöst werden. ({11}) In einer offenen und globalen Welt kommt es jedoch zunehmend auf die Angebotsseite an. Nur ideologische Traumtänzer werden glauben, daß ein Mehr in den Kassen bestimmter Bevölkerungsschichten zu einer gleich hohen Stärkung der Nachfrage nach hier produzierten Waren und Dienstleistungen führt und Arbeitsplätze schafft. Deswegen sind die steuerlichen Entlastungen von Sparen und Investieren und die Beseitigung von Verkrustungen in unserem Wirtschafts- und Sozialsystem der Schlüssel zu mehr Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Dynamik. Sie glauben, unsere strukturellen Wirtschaftsprobleme mit Umverteilung, insbesondere durch die Entlastung von Arbeitnehmern und Familien, lösen und den Arbeitsmarkt beleben zu können. Diese Entlastung ist sicherlich gesellschafts- und familienpolitisch sinnvoll - keine Frage -, nur wird sie bei Ihrem „policy mix“ das Beschäftigungsziel verfehlen. Sie werfen der alten Bundesregierung das Scheitern der Angebotspolitik vor, deren Wirksamkeit Sie ja ständig über den Bundesrat behindert haben. Sie übersehen dabei, daß das größte Keynesianische Nachfrageprogramm der Geschichte, nämlich die zum großen Teil defizitfinanzierten Transfers für Ostdeutschland, die zu Nachfrage in Westdeutschland führten, unsere strukturellen Arbeitsmarktprobleme nicht gelöst hat. Woher nehmen Sie eigentlich die Hoffnung, daß die von Ihren Steuergesetzen ausgehenden Wirkungen, die weitgehend durch die Gegenfinanzierung und die Investitionsverschlechterung kompensiert werden, weiter reichen als das 1,3-Billionen-DM-Programm der vorigen Bundesregierung? ({12}) Die Folgen der Steuerpolitik dieser Bundesregierung für das Investitionsklima sind schwerwiegend. Die Bundesregierung verschlechtert es mutwillig und fortlaufend durch ihre chaotische Politik. Glauben Sie denn im Ernst, daß dieses Steuergesetz nur einen einzigen zusätzlichen Investor veranlaßt, bei uns zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen? ({13}) Attentismus bei den Investitionen ist das Schlimmste, was einer Regierung, die sich am Abbau der Arbeitslosigkeit messen lassen will, passieren kann. Ihr Steuergesetz genügt nicht einmal einfachen ökonomischen Grundwahrheiten, höchstens Ihrer selbstgebastelten Wirtschaftsideologie, die durch Neid und Staatsdirigismus geprägt ist. ({14}) Über diese Wirtschaftsideologie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, hat der bekannte Autor eines Standardlehrbuchs für Makroökonomie, Professor Dornbusch, kürzlich gesagt: ({15}) Überall in der Welt wird eine solche Politik populistisch genannt, überall in der Welt hat sie versagt, und sie wird auch in Deutschland versagen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich bitte um Ruhe auf der Regierungsbank, Herr Minister. Dr. Georg Milbradt, Staatsminister ({0}): Die Folgen Ihrer steuerpolitischen Gesetzesvorschläge treffen die neuen Bundesländer besonders. Mögen die zusätzlichen Belastungen für die westdeutsche Wirtschaft schon schwer verdaulich sein, so werden viele Unternehmen in den neuen Ländern, von denen nicht einmal die Hälfte mit Gewinn wirtschaftet, in existentielle Schwierigkeiten getrieben. Zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit im Osten trägt das Gesetz in keiner Weise bei; eher ist das Gegenteil zu befürchten. Die Innenstadtsanierung, die Existenzförderung und die Mieterprivatisierung werden durch Ihr Gesetz entscheidend behindert. ({1}) Von einer sozialen Ausgewogenheit kann in Ostdeutschland nicht die Rede sein. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Probleme der ostdeutschen Braunkohle sind schon erörtert worden. Es ist schon bemerkenswert, wenn bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf die Probleme der westdeutschen Steinkohle hingewiesen wird, weil der Bundesfinanzminister aus dem Saarland stammt, auf die ostdeutsche Braunkohle aber keinerlei Rücksicht genommen wird. ({3}) Jeder weiß, welche Arbeitsplatzwirkungen dieses Gesetz in der Lausitz und im Raum südlich von Leipzig haben wird. - Eine Bemerkung an die PDS: Wenn Sie das genauso sehen, haben Sie die Möglichkeit, durch Ihre Einflußnahme in Schwerin und Magdeburg das Gesetz im Bundesrat zu kippen. ({4}) Meine Damen und Herren, als Ergebnis läßt sich feststellen, daß dieses Steuergesetz alle für eine Steuerreform erforderlichen Zielvorstellungen verfehlt. Das Steuersystem wird weder einfacher noch gerechter. Das Vorhaben der rotgrünen Regierung nimmt keine Rücksicht auf die wirtschaftlichen Erfordernisse und stellt keine Lösung für das innenpolitische Problem Nummer eins dar: die Arbeitslosigkeit. Statt Vernunft herrscht Chaos; zurück bleiben Enttäuschung und Frustration. Staatsminister Dr. Georg Milbradt ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen Steuermurks hat Deutschland nicht verdient. ({6}) Der Preis dieses Gesetzes, nämlich ein weiterer Verlust von Beschäftigung, ist uns zu hoch. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Mathias Schubert.

Dr. Mathias Schubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Steuerentlastungsgesetz folgt, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht, dem Prinzip der Steuergerechtigkeit. ({0}) Herr Kollege Milbradt, Sie haben das zwar eben kritisiert, aber Sie haben natürlich die Antwort darauf, warum Sie das kritisiert haben, nicht gegeben. Wenn Sie uns schon kritisieren, sollten Sie auch sagen, warum. Wir machen die Steuerreform auch nicht im geschichtslosen Raum, wie manche von Ihnen offensichtlich noch glauben. Auslöser unserer Steuerreform ist, daß die Kohl-Regierung in den letzten 16 Jahren das Prinzip der Steuergerechtigkeit hat verkommen lassen. Damit räumen wir jetzt auf. ({1}) - Ist ja gut, Herr Michelbach. In den neuen Ländern wurde uns seit 1990 immer wieder versprochen, daß der Aufbau Ost aus der Portokasse bezahlt werden könne. ({2}) Später hieß es: Na gut, nicht ganz aus der Portokasse, also erhöhen wir hier und da ein paar Steuern. Dieser Vorgang wiederholte sich ungefähr 20mal, und das Ganze wurde völlig unberechenbar und zum totalen Chaos. Außerdem wurde es auf dem Rücken der normalen Einkommensbezieher in Ost wie in West ausgetragen. ({3}) Dieses Prinzip von Versprechen und Nichthalten hat bei den Menschen in den neuen Ländern zu einer Erosion der Glaubwürdigkeit von Politik in einem Maße geführt, wie Sie es sich vermutlich überhaupt noch nicht klargemacht haben. Herr Milbradt, wenn Sie davon sprechen, es gebe in den neuen Ländern keine soziale Ausgewogenheit, dann sage ich Ihnen ganz klipp und klar: Das ist nicht die Folge unserer Politik, sondern die Folge der Politik der alten Bundesregierung und der Koalition, die die alte Bundesregierung mitgetragen hat. ({4}) Dagegen ist unser Steuerentlastungsgesetz der erste und deshalb entscheidende Schritt, mit der Hinterlassenschaft eines durch die alte Bundesregierung verwüsteten Steuerrechts aufzuräumen. ({5}) Ab jetzt werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachhaltig steuerlich entlastet. ({6}) Ab jetzt bekommt der Mittelstand den Rücken frei für Stabilität, Investitionssicherheit und Innovationsförderung. ({7}) - Was denn sonst? Lesen Sie doch einmal die Zeitung, und rezipieren Sie nicht Ihre Ideologie, Herr Kollege Thiele! Ab jetzt wird - das ist genauso wichtig; wir haben es bereits gesagt - nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gesteuert. Nichts anderes übrigens haben wir gesagt und gewollt. Deshalb gilt auch hier - Herr Kollege von Larcher, Sie haben völlig recht -: Versprochen - gehalten. ({8}) Was das nun für die neuen Bundesländer bedeutet, will ich Ihnen an Hand von einigen Beispielen versuchen zu verdeutlichen. Die Senkung des Eingangssteuersatzes in Verbindung mit der Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums entlastet natürlich wirksam die ohnehin relativ niedrigen Einkommen der meisten Menschen in den neuen Ländern. Ob das nun Angebots- oder Nachfrageideologie ist: Natürlich wird die Kaufkraft gestärkt, natürlich hat das positive Folgen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt in den neuen Ländern. Was denn sonst? ({9}) Nächster Punkt. Außer vielleicht der Opposition - das haben wir heute früh wunderbar und oft gehört - bestreitet kaum noch jemand ernsthaft, daß unser Steuerentlastungsgesetz den Mittelstand um wenigstens 4 Milliarden DM entlastet. Der große Teil dieser Entlastungen wird im Handwerk und im Mittelstand auch Ostdeutschlands realisiert; das ist selbstverständlich. Dabei handelt es sich immerhin um unsere volkswirtschaftliche Grundlage. Wenn wir also zum Beispiel den Körperschaftsteuertarif senken, Ansparabschreibungen festschreiben, Existenzgründer über fünf Jahre von der Steuer freistellen, Verlustrückträge mit einer eindeutig mittelstandsfreundlichen Komponente versehen haben und Chancenkapital ausdrücklich zur Gewinnorientierung ermuntern, dann wirkt sich das auf die Wirtschaft in den neuen Ländern in besonderer Weise positiv aus. Staatsminister Dr. Georg Milbradt ({10}) Nun will ich einmal ein schönes Beispiel aus den neuen Ländern zu dem berühmt-berüchtigten geplanten § 2 b des Einkommensteuergesetzes sagen. Es gibt eine Filmförderung Studio Babelsberg, für die ein Fonds zur Filmförderung in Höhe von 800 Millionen DM aufgelegt worden ist. Jetzt dürfen Sie dreimal raten, wieviel von den 800 Millionen DM - es ist ein Abschreibungsprojekt - in Brandenburg bleiben. Die brandenburgische Finanzministerin ist froh, wenn 20 Prozent davon dort bleiben. Die restlichen 80 Prozent gehen nach Hollywood und sonstwohin. Wir sind aber nicht dazu da, Abschreibungen zu ermöglichen, damit anderswo Filme produziert werden. ({11}) Darum geht es bei dieser Geschichte. Darüber müssen Sie einmal nachdenken, wenn Sie über solche Dinge reden. Ich mache auf eine weitere positive Auswirkung unseres Steuerentlastungsgesetzes für den Aufbau Ost aufmerksam. Die abgewählte Bundesregierung wollte eine Steuerreform, die die öffentlichen Haushalte um ungefähr 50 bis 55 Milliarden DM belastet hätte. Die Höherverschuldung bei Bund und Ländern wäre überhaupt nicht mehr beherrschbar gewesen. ({12}) Das hätte bedeutet, daß die neuen Bundesländer die Investitionsprogramme des Bundes kaum noch hätten gegenfinanzieren können. Ich will ja nicht schwärzer malen, als Ihre Politik ab und zu ist; aber Ihr Steuerreformkonzept hätte dem Aufbau Ost vor allem im investiven Bereich nachhaltig schweren Schaden zugefügt. ({13}) Wir haben unser Steuerentlastungsgesetz dagegen auf finanziell solide Füße gestellt. Deshalb wird es, in Abstimmung mit den neuen Ländern, den Aufbau Ost eben nicht blockieren, sondern gerade fördern. Jetzt komme ich zu dem schönen Thema Braunkohle in der Lausitz und in Mitteldeutschland. Ist Herr Kollege Haupt noch da? - Anscheinend nicht; vielleicht können Sie ihm übermitteln, was ich dazu zu sagen habe. Herr Kollege Haupt hat gefordert - die F.D.P.-Fraktion hat einen Antrag dazu vorgelegt -, die Braunkohle solle bundesweit aus dem geplanten § 2 b herausgenommen werden. Ich habe herauszubekommen versucht, ob die Laubag und die Mibrag Gewinne oder Verluste machen. Das kriegt man aber nicht heraus. Wenn sie Verluste machen, haben sie ohnehin das Problem des § 2 b nicht. Wenn sie Gewinne machen, dann, so meine ich, sollten sie diese - so wie jeder andere auch - versteuern. Das ist ein Beitrag zur inneren Einheit Deutschlands. Wir als Ostdeutsche wollen doch gar nicht anders behandelt werden. Schade, daß der Kollege Haupt nicht da ist; das tut mir wirklich leid. - Er kommt aus Hoyerswerda. Die Arbeitsgruppe „Neue Länder“ der SPD-Bundestagsfraktion war vor ein paar Wochen in Hoyerswerda. ({14}) Dabei handelt es sich um eine strukturschwache Region mit 28 Prozent Arbeitslosigkeit. Was haben uns die Kommunalpolitiker dort gesagt? Sie haben uns gesagt: Die Landesregierung hat kein Konzept zur Strukturförderung der Lausitz. Das ist der Punkt. Es geht doch nicht nur um die Braunkohle, sondern es geht um die Zukunftsfähigkeit solcher Regionen. Da hat die Landesregierung von Sachsen versagt. Dort sollte einmal angesetzt werden und nicht immer nur bei irgendwelchen Sonderabschreibungsmodellen des Bundes für einzelne Branchen. ({15})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Klinkert?

Dr. Mathias Schubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Klinkert, bitte schön.

Ulrich Klinkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001134, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, auch ich komme aus Hoyerswerda.

Dr. Mathias Schubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weiß.

Ulrich Klinkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001134, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich weiß, daß Tausende von Arbeitsplätzen nach wie vor von der Braunkohleförderung abhängig sind. Sehen Sie es als Ihr Konzept der Strukturförderung in dieser Region an, wenn Sie die Braunkohlenförderung allein bei der Laubag mit 500 Millionen DM belasten, und wie bewerten Sie die Äußerung eines SPD-Landtagsabgeordneten aus Brandenburg, der Sie, die SPD-Abgeordneten aus den neuen Bundesländern, davor warnt, in die Doppelfalle Grüner Politik zu tappen?

Ulrich Klinkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001134, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ich das vielleicht erläutern darf: Dr. Mathias Schubert ({0}): Ja, bitte.

Ulrich Klinkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001134, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- daß Sie sowohl den Ausstieg aus der Kernenergie anstreben, aber nicht vollziehen werden, als auch die Braunkohle in hohem Maße steuerlich bestrafen.

Dr. Mathias Schubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Kollege Klinkert, zunächst einmal bleibe ich dabei - ich halte das für eine richtige Konzeption -: Erstens. Wir können es uns auf Dauer nicht leisten, Branchen von der Besteuerung auszunehmen. Zweitens. Durch den § 2 b wird weder die Braunkohlenförderung in der Lausitz noch in Mitteldeutschland in irgendeiner Form beeinträchtigt werden. ({0}) - Davon rede ich ja. ({1}) Drittens. Die genannten beiden großen Firmen haben in der letzten Zeit so viel investiert, daß sie vermutlich auf lange Zeit de facto Gewinne machen werden, die in steuerlicher Hinsicht völlig irrelevant sind. ({2}) Viertens sage ich Ihnen noch etwas zu diesem Thema. Wenn der Lausitz der Strukturwandel weg von der Monostruktur Braunkohle langfristig gesehen nicht gelingt - ich rede jetzt über einen Zeitraum von 20, 25 Jahren -, dann gehen dort die Lichter aus. Das Problem, das wir haben, sind eben nicht nur die Braunkohle und die Energie, sondern das Problem ist, inwieweit es jetzt schon möglich ist, alternative Konzepte dazu zu entwikkeln. Da haben wir das große Problem - das wissen Sie genausogut wie ich -, daß es von sächsischer Seite bisher nur relativ deutliche Abblockungsversuche dagegen gibt, mit Brandenburg an dieser Stelle zusammenzuarbeiten. Sie haben im südlichen Raum, im Lausitzer Raum angefangen, innovativ tätigen Mittelstand aufzubauen und zu fördern. Das fehlt bei den anderen. Auch darum muß es gehen. Genau da greift unser Steuerkonzept in positiver Weise. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Der Kollege Klinkert möchte eine Zusatzfrage stellen. Gleichzeitig muß ich Sie ein bißchen an die Redezeit erinnern. Aber die Zusatzfrage können Sie noch zulassen.

Dr. Mathias Schubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich lasse sie zu. Wenn sich das Haus mit den Problemen der Lausitz befassen will, dann soll es mir recht sein. Bitte schön.

Ulrich Klinkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001134, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie bewerten Sie, Herr Kollege, dann die Aussage des Betriebsrats der Laubag und die der IG BCE, daß die Lichter in der Lausitz möglicherweise nicht erst, wie Sie sagen, in 25 Jahren ausgehen, sondern daß Ihre Politik zu einer akuten Gefährdung von Arbeitsplätzen - ich betone: zu einer akuten Gefährdung - in der Lausitz führt?

Dr. Mathias Schubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Unsere Politik wird zwei Ziele konsequent verfolgen. Auf der einen Seite wird die Braunkohlesanierung über den vorgesehen Zeitrahmen hinaus fortgesetzt. Auf der anderen Seite werden die entsprechenden Maßnahmen getroffen, um einen Strukturwandel einzuleiten. Dies ist zum großen Teil Ländersache. Es tut mir leid, Herr Klinkert, ich kann Ihnen die Tatsache nicht ersparen - in Hoyerswerda haben wir ein Beispiel dafür -, daß Brandenburg Sachsen in diesem Punkt ein paar Schritte voraus ist. Ich habe etwas dagegen, die Länder gegeneinander auszuspielen. Trotzdem muß ich sagen, daß Brandenburg weiter ist. Sie behaupten aber in der Öffentlichkeit, dem sei nicht so. ({0}) Ich komme zum Schluß und will kurz auf folgendes hinweisen. Meine Damen und Herren von der Opposition, weder im Finanzausschuß noch im Ausschuß für die Angelegenheiten der neuen Länder - auch dort taucht das Thema Braunkohle auf - kam von Ihnen irgendein inhaltlich substantieller Antrag zur Steuerreform - noch nicht einmal ein destruktiver, abgesehen vom Antrag der PDS. ({1}) Anderes war von der PDS nicht zu erwarten. In der DDR gab es damals einen Spitzensteuersatz von 90 Prozent. Aber daß sich die Rolle der Opposition auf der rechten Seite des Hauses auf die Anwendung der Geschäftsordnung beschränkt, zeigt mir als ostdeutschem Abgeordneten, daß Ihre Politik nicht nur kaum Inhalte hat, sondern daß Sie auch noch unfähig sind, sie auszudrücken. Es zeigt mir außerdem, daß Sie sich vom Aufbau Ost längst verabschiedet haben. Vielen Dank. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Rauen.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gehört schon eine gute Portion Frechheit dazu, das Gesetz, das wir heute beschließen sollen, „Steuerentlastungsgesetz“ zu nennen. ({0}) In Wahrheit ist dieses Gesetz eine Belastung für die Steuerzahler und daher ein Steuerbelastungsgesetz. Drei grobe Unwahrheiten, die immer wieder behauptet werden - auch heute wieder -, müssen aus unserer Sicht besonders klargestellt werden: Erstens. Es wird immer wieder behauptet, die Gegenfinanzierungsmaßnahmen seien ja auch im Entwurf der alten Regierung vorgesehen gewesen. ({1}) Das ist im wesentlichen falsch. Zum Beispiel waren die Mindestbesteuerung durch die Begrenzung der Verrechenbarkeit von Verlusten aus passiver Tätigkeit, die Streichung der Teilwertabschreibung, der Ansatz von Rückstellungen mit notwendigen Teilkosten, das Abzinsungsgebot bei Rückstellungen für Geldleistungsverpflichtungen, die Aufdeckung stiller Reserven beim Tausch von Wirtschaftsgütern und die Abschaffung des Verlustrücktrages bei dem unter der alten Regierung beschlossenen Gesetz überhaupt nicht vorgesehen. ({2}) Das sind exakt die Gegenfinanzierung und die Gewinnermittlungsvorschriften, die bei diesem Gesetz die größte Kritik aus der Fachwelt erfahren haben. Selbst die Abschreibungsveränderungen, die auch wir vorgesehen hatten, sind deshalb völlig anders zu bewerten, weil wir die Steuersätze drastisch senken wollten, während dies in dem vorliegenden Entwurf überhaupt nicht der Fall ist. ({3}) Zweitens. Die Behauptung der Regierung, mit diesem Gesetz werde der Mittelstand entlastet, ist grob wahrheitswidrig. Dieses Gesetz ist ein einziges Abkassierungsmodell zu Lasten des Mittelstandes ({4}) und damit für diejenigen, die in den letzten Jahren in Deutschland zusätzlich Arbeitsplätze geschaffen haben. ({5}) Der Kollege Müller hat das „Handelsblatt“ zitiert. Ich habe nachgelesen. Dort steht in der Tat die Überschrift „Mittelstand ist der Gewinner des SteuerreformHickhacks“. Ich dachte, jetzt verliert auch schon das „Handelsblatt“ die Übersicht. Dann habe ich aber herausgefunden, daß diese Überschrift überhaupt nicht durch den Text gedeckt wird. Dort heißt es nämlich: . . . aber im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf erhält der Mittelstand nun Erleichterungen. Weiter heißt es: Auch Verluste können weiterhin zurückgetragen werden. Und zwar ab 2001 für jeweils ein Jahr bis zu höchstens 1 Million DM. 1999 und 2000 gelten 1 Jahr und 2 Millionen DM. Bisher konnte der Verlustrücktrag freilich jeweils 2 Jahre lang bis zu insgesamt 10 Millionen DM in Anspruch genommen werden. Die von der Regierung aufgestellte Behauptung deckt sich mit dem, was heute morgen Minister Lafontaine gesagt hat, nämlich daß der Mittelstand bei Verlustvortrag und Verlustrücktrag deutlich besser gestellt sei und daß die CDU sich das alte Gesetz anschauen solle. Ich habe mich gefragt: Mein Gott, wie kann dieser Mann die Nation so belügen? ({6}) Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wir hatten den Zeitraum für den Verlustrücktrag bis zu einer Grenze von 10 Millionen DM von zwei Jahren auf ein Jahr reduziert. Die Verlustvorträge haben wir auf eine 50prozentige Verrechenbarkeit mit Gewinnen reduziert. Allerdings lag die Grenze des Verlustrücktrags für den Mittelstand bei 2 Millionen DM, weil wir die gewaltigen Verlustvorträge der ganz großen Konzerne aus Mantelkäufen damit eindämmen wollten. Es wird also umgekehrt ein Schuh daraus: Sie sind vor den Interessen derer in die Knie gegangen, die Milliardenverluste durch Mantelkäufe angehäuft hatten. Mit Ihrem Steuerentlastungsgesetz und der Ökosteuerreform treten Sie dem Mittelstand kräftig in die Kniekehlen und erwarten dafür jetzt auch noch Beifall, weil der Schmerz etwas nachläßt, nachdem in den letzten Tagen ein paar Marterwerkzeuge auf Druck der Opposition und der Fachwelt im Sinne des Mittelstandes zurückgenommen wurden. ({7}) Auch die dritte Behauptung, daß mit der ersten Stufe der Steuerreform 1999 die unteren Einkommensgruppen entlastet würden, stimmt nur bedingt. Der ledige Facharbeiter mit einem Bruttojahreseinkommen von 70 000 DM wird durch die erste Stufe der Reform um 3,50 DM im Monat entlastet. Das reicht gerade aus, um die Mehrkosten durch die Erhöhung der Mineralölsteuer um 6 Pfennig bei einer Tankfüllung von 60 Litern Benzin zu finanzieren. ({8}) Der Kollege Solms hat heute morgen hier darauf hingewiesen, daß die Facharbeiter bereits belastet werden. Dazu hat der Finanzminister gesagt: Aber der Grundfreibetrag gilt für alle. - Daraufhin habe ich dazwischengerufen: Keine Ahnung, Herr Minister. - Ich nehme das zurück. Auch Sie können nicht alles wissen. Aber ich bitte Sie, sich bei den Tariffachleuten in Ihrem Haus zu erkundigen, was wirklich vorgeht; denn auf Grund des Grundfreibetrages, der um rund 700 DM erhöht wurde, müßten die unteren Einkommensgruppen um 168 DM pro Monat entlastet werden. Aber dem Facharbeiter gönnen Sie diese Entlastung nicht. Sie haben im Progressionsbereich derartige Veränderungen vorgenommen, daß der Facharbeiter gar keine Entlastung hat. Wenn es so weitergeht, wird aus dem ursprünglichen Mittelstandsbauch, der von Gerhard Stoltenberg abgeschafft wurde, unter der SPD ein Facharbeiterbauch. ({9}) In diesem Zusammenhang von einer Entlastung der unteren Einkommensgruppen zu sprechen, ist irreführend; es sei denn, daß aus Ihrer Sicht der Facharbeiter zu den Besserverdienenden gehört, die weiterhin abgezockt werden müssen. Das Finanztableau zu diesem Gesetz einschließlich der beiden Vorläufergesetze beweist, daß die Steuerzahler als Ganzes gesehen nicht entlastet, sondern belastet werden. ({10}) In den Jahren 1999, 2000 und 2001 findet praktisch überhaupt keine Entlastung statt. Für das Jahr 2002 ist eine Entlastung von 20,512 Milliarden DM ausgewiesen. Aber das heißt im Klartext, daß vier Jahre lang durch das Zusammenwirken von Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie Steuerprogression, also durch Steuertechnik, heimliche Steuererhöhungen entstehen, die im Finanztableau nicht ausgewiesen sind. Das ist durch ausdrückliches Nachfragen bei den Anhörungen bestätigt worden. Die Mehreinnahmen betragen in diesen vier Jahren, je nach Lohnsteigerungen, zwischen 40 und 60 Milliarden DM. Das heißt im Klartext: Wir haben ausweislich der Zahlen im Gesetzentwurf keine Steuerentlastung, sondern eine Steuerbelastung. ({11}) Belastung und nicht Entlastung der arbeitenden Menschen, mehr Staat und nicht weniger Staat, mehr staatlicher Dirigismus und weniger persönlicher Entscheidungsspielraum - das ist Ihre Politik. Mit all den Reformen, die Sie bisher durchgesetzt haben, sind Sie eindeutig auf dem Weg zu einer höheren Steuer- und Abgabenbelastung der arbeitenden Menschen. Die Staatsquote wird steigen, die Beschäftigung abnehmen und die Arbeitslosigkeit steigen. Die ersten Anzeichen dafür sind deutlich erkennbar. Die Konjunktur schwächt sich ab. Die Industrie erwartet einen drastischen Abschwung der Wirtschaftsentwicklung. Die deutschen Aktien bekommen Schlagseite. Friedrich Merz hat heute morgen die 22 Topmanager erwähnt, die dem Bundeskanzler geschrieben haben und die wachstums- und arbeitsplatzfeindliche Reform geißeln. Heute morgen hat der Arbeitgeberpräsident noch einmal gebeten, diese Reform nicht zu verwirklichen, weil sie investitionsvernichtend wirkt. Eines will ich Ihnen noch sagen: Viel schlimmer ist, daß hunderttausende Inhaber kleiner und mittelständischer Betriebe innerhalb der letzten Wochen durch Rotgrün und Ihre Regierung die Zuversicht in ihre Geschäftsentwicklung verloren haben. ({12}) Das sind nicht diejenigen, die schreiben. Sie resignieren still und verlieren auf Grund nicht vorkommender Entlastungen ihre Fähigkeit, zu investieren, und so Arbeitsplätze zu sichern. Es ist bezeichnend, daß die neue Regierung von ihrem ursprünglich verkündeten Ziel, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, im Rahmen dieser Steuergesetze überhaupt nicht mehr spricht. Die Gewerkschaften haben offenbar klar erkannt, daß von dieser Regierung keine Reformen zu erwarten sind, die zu mehr Nettoeinkommen der Arbeitnehmer führen. Deshalb das Ende der Bescheidenheit und die Durchsetzung kräftiger Lohnerhöhungen unter Inkaufnahme von steigenden Arbeitskosten, die teilweise nicht mehr gedeckt werden können und deshalb wiederum zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. Vor dem Hintergrund der Steuertarife, die nicht geändert werden, und der hohen Sozialversicherungsbeiträge, die nicht reduziert werden, ist doch folgendes ein Irrsinn, der nach den Tarifvereinbarungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber jetzt wieder deutlich wird: Ein Arbeitnehmer der Baubranche, der bei einem Bruttoeinkommen von 5 000 DM eine Lohnerhöhung von 4 Prozent hat - das sind 200 DM brutto im Monat mehr - , behält nach den gültigen Steuertarifen netto monatlich 80,37 DM mehr in der Tasche, während das entsprechende Unternehmen als Ergebnis dieser Lohnerhöhung 294,98 DM mehr an Kosten hat. Der eigentliche Gewinner dieser Lohnerhöhungen ist nicht mehr der arbeitende Mensch, sondern der Staat, der Fiskus, und die sozialen Sicherungssysteme. In dem genannten Beispiel bleiben rund 80 DM beim Arbeitnehmer, während 215 DM in staatliche Kassen fließen, also mehr als das Zweieinhalbfache dessen, was bei dem Arbeitnehmer verbleibt. Herr Lafontaine, es ist kein Wunder, daß Sie hier für das Ende der Bescheidenheit eingetreten sind. Die Reformgesetze ändern an dem Irrsinn der ungerechten Verteilung des Mehreinkommens zwischen Arbeitnehmer und Staat überhaupt nichts. So werden Arbeitsplätze in Deutschland systematisch weiter vernichtet. ({13}) Es bleibt dabei: Die Arbeitnehmer verdienen netto zu wenig, und die Arbeitskosten sind gleichzeitig zu hoch. Ich frage mich allen Ernstes, was die Gespräche zum „Bündnis für Arbeit“ überhaupt noch sollen. Von der Unternehmensteuerreform weiß man noch immer nicht, wie sie aussehen soll. Man weiß nur soviel, daß sie aufkommensneutral, also ohne Entlastung für die Unternehmen, sein soll. Hinsichtlich der nach dem Karlsruher Urteil notwendigen Reform der Familienbesteuerung kann man offen vermuten, daß dazu die Mehrwertsteuer erhöht wird. Egal, wo man hinschaut: Nirgendwo kann man auch nur im Ansatz erkennen, daß die Menschen netto entlastet werden. ({14}) Es ist nicht der Hauch des Bemühens dieser Regierung zu spüren, bei den Ausgaben des Staates oder bei den Ausgaben der Sozialversicherungsträger zu sparen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, denken Sie an die Redezeit.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Ende. Wenn diese Regierung auf ihrem Weg nicht umkehrt, dann wird sie ihr oberstes Ziel, mehr Beschäftigung in Deutschland zu schaffen, mit Sicherheit nicht erreichen. Ihre Ankündigungen im Wahlkampf, nicht alles anders, aber vieles besser zu machen, stimmen nicht. Sie machen zwar vieles anders, aber alles schlechter. ({0}) Schönen Dank.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Lydia Westrich.

Lydia Westrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002490, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über das Steuerentlastungsgesetz ist in den vergangenen Tagen noch hitziger geworden. Von der Drohkulisse der Wirtschaft haben wir schon heute einiges gehört. Zu dieser Diskussion schreibt die „Frankfurter Rundschau“ heute: Die Maßlosigkeit der Sprache entspricht der Maßlosigkeit der Gewinnansprüche. ({0}) Getroffene Hunde bellen. Plötzlich scheint man vergessen zu haben, daß zumindest vor einiger Zeit politische Einigkeit, nicht nur im Parlament, darüber bestand, daß Abschreibungsmöglichkeiten und Steuerschlupflöchern künftig der Kampf angesagt wird. Wir wollten gemeinsam den Verfall der Steuerbasis aufhalten. Diesen Konsens haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, aufgekündigt. Sie betreiben zur Zeit eine reine Klientelpolitik. Viel gravierender aber ist es noch, daß Sie aufgehört haben, an die Menschen zu denken, die keine Möglichkeiten haben, durch Abschreibungen ihre Steuerschuld zu mindern, und die deshalb in der Vergangenheit die Abschreibungsmöglichkeiten der Großunternehmen mitfinanziert haben. ({1}) Das sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch die kleinen Handwerker, von denen Herr Rauen gerade gesprochen hat. ({2}) Deren Steuer- und Abgabenlast hat unter Ihrer Regierung ein historisches Rekordniveau erreicht, wie es bisher noch nie dagewesen war. ({3}) Der Bund der Steuerzahler hat einmal errechnet, daß ein Arbeitnehmer im Durchschnitt bis etwa Mitte Juni arbeiten muß, bis er anfängt, Geld zu verdienen, das er nicht an den Staat abführen muß. Jahrelang hat unter Ihrer Regierung der kleine Mann die Zeche bezahlt. Jahrelang haben Sie, verehrte Damen und Herren von der Opposition, Politik zu Lasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Familien, Politik auf deren Rücken betrieben sowie eine Umverteilung von unten nach oben vorangetrieben. Das ändern wir. ({4}) Wir ändern die soziale Schieflage und schließen die Gerechtigkeitslücke in unserem Steuerrecht. Eine dringende Aufgabe der Steuerreform in Deutschland ist es nämlich, wieder für ein Stück mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Die heutige Debatte hat gezeigt, daß das sehr notwendig ist. Dazu gehört eine gerechte Lastenverteilung, die sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines jeden einzelnen zu orientieren hat. Um es Ihnen, Herr Rauen, noch einmal deutlich zu sagen: Unser Gesetzentwurf sieht deshalb vor, ganz besonders geringe und mittlere Einkommen deutlich zu entlasten. Nachdem der Eingangssteuersatz bei der Einkommensteuer bereits zum 1. Januar 1999 von 25,9 auf 23,9 Prozent gesenkt wurde, wird er in der zweiten und dritten Stufe bis zum Jahre 2002 auf 19,9 Prozent gesenkt werden. Den Grundfreibetrag von rund 12 000 bzw. 24 000 DM werden wir bis 2002 auf 14 000 bzw. 28 000 DM angehoben haben. Ab Januar dieses Jahres wurde schließlich das Kindergeld für das erste und zweite Kind von 220 auf 250 DM erhöht. Diese Veränderungen durch unser Steuerentlastungsgesetz machen bereits im Jahre 1999 bei einer Familie mit zwei Kindern bis zu 1 200 DM pro Jahr aus. Im Jahre 2002 werden Familien mit zwei Kindern sogar bis zu 2 700 DM und mehr im Geldbeutel haben. In diesem Rechenbeispiel sind, um es gleich vorwegzunehmen, die durch die ökologische Steuerreform anfallenden Mehrausgaben bereits berücksichtigt. Mich freut es, daß wir es mit der Steuerreform nach knapp fünf Monaten geschafft haben, unsere im Wahlkampf gemachten Versprechungen einzulösen, auch wenn uns das Herr Thiele vorhin vorgeworfen hat. ({5}) Ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik war und ist die steuerliche Entlastung von Familien, weil für uns die Familien zu den Leistungsträgern in der Gesellschaft gehören und deshalb einen Anspruch auf eine leistungsgerechte Besteuerung haben. ({6}) Der alten Regierung waren Familien solange wichtig, wie sie über deren wertvolle Bedeutung reden konnte, aber nichts zu ihrer Unterstützung tun mußte. ({7}) Sie hat den wohlklingenden Worten keine Taten folgen lassen, die für eine Entlastung der Familien gesorgt hätten. Im Gegenteil: 16 Jahre konservative Regierung führten zu einer stetigen und schleichenden Verschlechterung der Lebensverhältnisse von Familien und von Kindern in unserem Land. ({8}) Ich möchte, weil es gerade so schön paßt, kurz an den sehr peinlichen und von der Regierung unter Verschluß gehaltenen 10. Kinder- und Jugendbericht vom letzten Jahr erinnern; zeigten seine Ergebnisse und die niederschmetternden Fakten doch mehr als deutlich, wohin die Familienpolitik der konservativen Regierung geführt hat, nämlich in die Ausgrenzung von Familien, zu einer enorm gewachsenen Zahl armer Familien und zu einer Vielzahl von Kindern, die in ihrer Kindheit einen ManPeter Rauen gel an Teilnahme am normalen sozialen Leben erfahren mußten. ({9}) Diese absolut verfehlte Familienpolitik wollen wir ändern. Das haben wir mit der schrittweisen Erhöhung des Kindergeldes und der Anhebung des Grundfreibetrages in Angriff genommen. ({10}) Eine Rechnung der katastrophalen Familienpolitik der alten Regierung haben wir im Januar präsentiert bekommen: das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Betreuungskosten von Kindern. Herr Thiele, Sie haben keineswegs aus purer Weisheit 1996 das Kindergeld auf 200 DM angehoben, sondern das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen das ans Herz gelegt. Sie haben bis auf den letzten Drücker gewartet, um das umzusetzen. ({11}) Wir werden die neuen Forderungen des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Entlastung der Familien zügig umsetzen. Wir arbeiten jetzt an einem Familienentlastungsgesetz, in dem die verschiedenen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, um Familien künftig besserzustellen, zusammengeführt werden sollen. Schon im Sommer wollen und werden wir mit diesem Gesetz nicht nur das Bundesverfassungsgerichtsurteil umsetzen, sondern auch und zuerst den Familien ein Stück Gerechtigkeit zukommen lassen. Sie sollen noch weitgehender steuerlich entlastet werden und so nach langen Jahren am Rande der Gesellschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft rücken. ({12}) Wir machen ernst mit einer familien- und kinderfreundlichen Politik, weil wir eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft wollen. Dieses Gesetz heute ist der erste Schritt dazu. Sie können eigentlich nur zustimmen. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Poß.

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir erleben derzeit einen Höhepunkt der jahrelangen irrationalen und quälenden Standortdebatte. Herr Rauen hat vorhin bewiesen, wie man in dieser Standortdebatte Opfer seiner eigenen Propaganda werden kann. ({0}) Dabei haben die Proteste von Einzelpersonen und Wirtschaftsbranchen wenig mit Zahlen und Fakten, aber viel mit Besitzstandsdenken und Privilegien zu tun. ({1}) Jetzt rächt sich, daß sich die wirtschaftspolitische Debatte, auch gefördert von CDU/CSU und F.D.P., ausschließlich auf das Thema Steuern reduziert hat. Kein Wort über Know-how, kein Wort über andere Standortstärken, über Infrastruktur, über Forschung und Entwicklung - nur über Steuern haben Sie geredet. Jetzt werden Sie Opfer dieser verengten Diskussion. ({2}) Demgegenüber gilt - da wird Ihre Propaganda und die einiger Wirtschaftsführer nicht lange vorhalten -: Die neue Koalition hat Wort gehalten. Wir machen Steuerpolitik für Millionen deutscher Steuerzahler und nicht für einige wenige. Das unterscheidet uns von ihnen. ({3}) Dafür sind wir auch gewählt worden. ({4}) Wir nehmen unseren Wählerauftrag ernst. ({5}) Wir werden diesen Wählerauftrag erfüllen. Ab heute haben wir Klarheit über die Rahmenbedingungen für Steuerbürger und die Wirtschaft geschaffen. ({6}) Das wird jetzt verbreitet werden, ich hoffe, mit Unterstützung des Regierungsapparats, damit endlich klar wird, was hier beschlossen wird. ({7}) Unter Ihrer Verantwortung wurden Arbeitnehmer und Familien sowie Teile des Mittelstandes Jahr für Jahr stärker belastet. Das sind Tatsachen und nicht Ideologie. ({8}) Wir korrigieren diese Entwicklung Schritt für Schritt. Das geht nicht über Nacht. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt in mehreren Entscheidungen klargestellt, wie Ihre Politik zu bewerten ist. Wir sind dabei, die Gerechtigkeitslücken zu schließen, die Sie während Ihrer Regierungszeit haben entstehen lassen. Das ist die Wahrheit. ({9}) Meine Damen und Herren von CDU/CSU und F.D.P., Sie sind Spezialisten für Steuer- und Abgabenerhöhungen und haben keine Veranlassung, sich so aufzuführen, wie das heute morgen hier der Fall war. ({10}) Trotz Ihrer Tricksereien gilt: Schon fünf Monate nach Amtsantritt verabschieden wir diesen Gesetzentwurf, der für Arbeitnehmer und Familien sowie für die mittelständische Wirtschaft einen wichtigen Schritt zu einer gerechteren Verteilung der Steuerlast darstellt. Herr Rauen, Sie haben das Hohelied des benachteiligten Mittelstandes gesungen. Sie hätten in Ihrer Verantwortung als CDU-Bundestagsabgeordneter viele Jahre Gelegenheit gehabt, diese Benachteiligung im Deutschen Bundestag zu korrigieren. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Wülfing?

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, natürlich gerne.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr, Frau Kollegin.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Poß, Sie sind doch Ihrer Meinung nach deswegen gewählt worden, um die Belastung der Bürger, speziell der Arbeitnehmer, zu reduzieren. Ich habe hier ein an den Finanzausschuß des Deutschen Bundestages gerichtetes Schreiben einer Arbeitnehmerin mit Steuerklasse V. Sie schreibt uns allen - Sie nehmen das gar nicht wahr -, daß sich bei ihr ausweislich der Januarabrechnung 1999, die sie beigelegt hat, die Lohnsteuerbelastung nicht gesenkt, sondern erhöht hat. Sie schreibt, daß diese Tatsache Frauen in sehr großer Zahl betrifft. Hat sie nach Ihrer Ansicht - sie verdient 2 157 DM - ein geringes, ein mittleres, ein normales oder ein hohes Einkommen?

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Wülfing, wenn Sie eine verantwortungsbewußte Parlamentarierin sind oder sein wollen, dann werden Sie der Dame, die das geschrieben hat, wohl mitteilen, daß die vorübergehende steuerliche Belastung, die sich aus der Lohnsteuerklasse V ergibt, spätestens mit dem Lohnsteuerjahresausgleich ausgeglichen wird. Ich hoffe, Sie werden ihr das in diesem Sinne mitteilen. ({0}) - Klar, der Mann hat Steuerklasse III und sie Steuerklasse V. - Das werden Sie sicherlich klarstellen. Sie haben ja im Finanzausschuß schon einige Zeit Gelegenheit gehabt, sich die dafür notwendigen Fachkenntnisse anzueignen. ({1}) Ich war gerade bei dem Thema der unterschiedlichen Belastungen der exportierenden Großindustrie einerseits und der mittelständischen Wirtschaft andererseits. Dies ist eine schwere Erblast der Regierung Kohl, die wir hier abtragen müssen. Auch das geht nur schrittweise. Denn wir senken mit diesem Gesetzespaket die Steuersätze und erhalten trotzdem günstige Abschreibungsregelungen für den Mittelstand, und zwar viel günstigere, als es bei Ihnen vorgesehen war. ({2}) Unsere steuerpolitische Konzeption ({3}) ist auf eine mutige Steuerreform gerichtet. ({4}) Wir bereinigen das Steuerrecht und erreichen dies durch die Streichung von Steuersubventionen im Umfange von knapp 37 Milliarden DM. Das ist die größte Neuordnung des deutschen Steuerrechtes seit dem zweiten Weltkrieg. Das setzen wir in Gang, nicht Sie. ({5}) Der Umfang der Nettoentlastung ist sehr groß. Das wird die öffentlichen Haushalte, und zwar die des Bundes, der Länder und der Kommunen, schmerzen. Nur, der Unterschied zu Ihnen ist: Wir setzen zugleich eine Gegenfinanzierung in Gang, so daß es verkraftbar ist. ({6}) Wenn wir Ihrer Konzeption gefolgt wären, dann hätten wir den Ruin der öffentlichen Haushalte beschlossen. Das ist der Unterschied. ({7}) - Das glaube ich schon. ({8}) Die sachkundigen Kolleginnen und Kollegen unter Ihnen wissen doch, daß Herr Waigel aus genau diesem Grunde in seiner Broschüre „Symmetrische Finanzpolitik 2010“ festgestellt hat, daß erst nach Einpassung der Defizite aus den Steuerreformplänen von CDU/CSU und F.D.P. in die Finanzplanung entschieden werden könne, in welchem Zeitraum, in welchen Stufen und in welchem Ausmaß die Steuerreformvorstellungen von CDU/CSU und F.D.P. verwirklicht werden können. Ich füge hinzu: weil keine Vorsorge getroffen worden war. Dies müsse nach der Wahl bestimmt werden, so steht es in dem Waigel-Papier. Das ist die Wahrheit. Sie haben den Wählern eine Entlastung vorgegaukelt, die nie mit der Realität des Haushaltes in Übereinstimmung stand. ({9}) Das tun wir nicht. Der Bundesfinanzminister hat heute morgen ausgeführt, was uns unterscheidet: Wir sagen den Menschen die Wahrheit, während Sie, wie Sie das jahrelang getan haben, die Wahrheit vernebeln. ({10}) In Waigels Konzept - damit auch in Ihrem Konzept war keine umfassende Entlastung der Familien vorgesehen. Herr Waigel wollte das Kindergeld für das zweite Kind um 20 DM erhöhen. Welch ein Jammer für die deutschen Familien, wenn er sich durchgesetzt hätte! Es gab auch kein neues Konzept für ein modernes Unternehmensteuerrecht. ({11}) Das heißt: Ihre Entwürfe waren unvollständig, offensichtlich nicht finanzierbar und ungerecht, meine Damen und Herren. Deswegen haben Sie keine konkreten Alternativen eingebracht. Sie sind sich längst nicht mehr einig. Sie von der F.D.P. haben doch im Bundestagswahlkampf ein ganz anderes Konzept vorgelegt. ({12}) - Natürlich. - Sie haben Ihrer Klientel eine Entlastung von bis zu 200 Milliarden DM versprochen. ({13}) Gegenüber dem Versprechen, das Sie gegeben haben, war der Lügenbaron von Münchhausen ja seriös, Herr Thiele. ({14}) Wir stehen jetzt vor dem Scherbenhaufen Ihrer Politik, vor der hohen Verschuldung. Aber wir werden ihn abtragen - Schritt für Schritt, berechenbar, solide und wahrheitsgemäß. Wir werden dem deutschen Volk nicht das zumuten, was Sie ihm zugemutet haben, nämlich die Unwahrheit zu sagen. Dazu gehört - Herr Thiele, da müßten Sie uns eigentlich unterstützen -, daß wir

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit!

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- dies ist der Schluß meiner Rede - auch wichtigen Unternehmensführern in der Bundesrepublik Deutschland widersprechen, wenn sie den deutschen oder auch den ausländischen Arbeitnehmern an Hand falscher Fakten androhen Arbeitsplätze hier zu vernichten. Das deutsche Parlament müßte solch unzulässigen Drohungen geschlossen entgegentreten. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zu zahlreichen Abstimmungen; acht davon sind namentlich. Aus gegebenem Anlaß bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, bei den namentlichen Abstimmungen sorgfältig darauf zu achten, daß die Stimmkarten, die Sie verwenden, Ihren Namen tragen. Bitte verwenden Sie keine Stimmkarten aus der 13. Wahlperiode! ({0}) Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002, Drucksachen 14/23 und 14/442. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, über den wir mit Einverständnis des Antragstellers zunächst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 14/469? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt. Wir kommen zum Gesetzentwurf in der Ausschußfassung. Die Fraktion der CDU/CSU hat Einzelabstimmungen über eine Reihe von Vorschriften verlangt. Ich rufe Art. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung auf. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt hierzu namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied anwesend, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? ({1}) Nur damit Sie es wissen: Ich passe auf, damit es zügig geht. Zweiter Versuch: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Aus- zählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*) Wir setzen die Abstimmungen fort. Sie können sich wieder hinsetzen, meine Damen und Herren, weil so schnell keine weitere namentliche Abstimmung folgt. Jetzt kommen einfache Abstimmungen. Es wäre gut, wenn klar ist, wer wie abstimmt. Ich rufe Art. 1 Nr. 2 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Hand- zeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Vorschrift angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 3 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Hand- zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - *) Seite 1945 B Diese Vorschrift ist bei Stimmenthaltung der PDS und gegen die Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. ange- nommen worden. Ich rufe Art. 1 Nr. 4 bis Art. 1 Nr. 6 Buchstabe a in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zu- stimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Art. 1 Nr. 4 bis Art. 1 Nr. 6 Buchstabe a sind angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 6 Buchstabe b in der Ausschußfas- sung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Art. 1 Nr. 6 Buchstabe b ist angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 7 bis Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa Satz 1 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustim- men wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die aufgerufene Vorschrift ist an- genommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa Satz 2 in der Ausschußfassung auf. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt hierzu na- mentliche Abstimmung. Dies ist die zweite namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich eröffne die Abstimmung. - Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das nicht abgestimmt hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift- führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*) *) Seite 1948 D Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich rufe Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchsta- be bbb bis Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe dd in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zu- stimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die aufgerufenen Vor- schriften sind angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe ee in der Ausschußfassung auf. Auch hier hat die CDU/CSU namentliche Abstimmung verlangt. Dies ist die dritte namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. - Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das sei- ne Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgege- ben.*) Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift- führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung bekannt: Zweite Beratung eines Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, Art. 1 Nr. 1. Abgegebene Stimmen 590. Mit Ja haben ge- stimmt 313, mit Nein haben gestimmt 277, Enthaltungen keine. Die entsprechende Vorschrift ist damit ange- nommen. *) Seite 1951 A Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 590; davon ja: 313 nein: 277 Ja SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({2}) Klaus Barthel ({3}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({4}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({5}) Bernhard Brinkmann ({6}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({7}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({8}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({9}) Lilo Friedrich ({10}) Harald Friese Anke Fuchs ({11}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({12}) Angelika Graf ({13}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({14}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({15}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({16}) ({17}) Frank Hofmann ({18}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({19}) Johannes Kahrs Vizepräsidentin Anke Fuchs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({20}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({21}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({22}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({23}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({24}) Jutta Müller ({25}) Christian Müller ({26}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({27}) Gerhard Neumann ({28}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({29}) Birgit Roth ({30}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({31}) Ulla Schmidt ({32}) Silvia Schmidt ({33}) Dagmar Schmidt ({34}) Wilhelm Schmidt ({35}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({36}) Olaf Scholz Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({37}) Brigitte Schulte ({38}) Reinhard Schultz ({39}) Volkmar Schultz ({40}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({41}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({42}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({43}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({44}) Jürgen Wieczorek ({45}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({46}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({47}) Engelbert Clemens Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({48}) Waltraud Wolff ({49}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({50}) Marieluise Beck ({51}) Volker Beck ({52}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({53}) Joseph Fischer ({54}) Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske ({55}) Kerstin Müller ({56}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({57}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({58}) Werner Schulz ({59}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({60}) Margareta Wolf ({61}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({62}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({63}) Hartmut Büttner ({64}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({65}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Dirk Fischer ({66}) Axel Fischer ({67}) Vizepräsidentin Anke Fuchs Dr. Gerhard Friedrich ({68}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({69}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({70}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({71}) ({72}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({73}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({74}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({75}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({76}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({77}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({78}) Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({79}) Elmar Müller ({80}) Bernd Neumann ({81}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({82}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Christa Reichard ({83}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({84}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({85}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({86}) Andreas Schmidt ({87}) Hans Peter Schmitz ({88}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({89}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Andrea Voßhoff Peter Weiß ({90}) Gerald Weiß ({91}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({92}) Hans-Otto Wilhelm ({93}) Willy Wimmer ({94}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({95}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({96}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({97}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Walter Hirche Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich Leonhard Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Jürgen W. Möllemann Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({98}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk PDS Monika Balt Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({99}) Rosel Neuhäuser Petra Pau Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({100}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Vizepräsidentin Anke Fuchs Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich rufe Art. 1 Nr. 8 Buchstabe b bis Art. 1 Nr. 11 Buchstabe a Dop- pelbuchstabe bb erster Halbsatz in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die aufgerufenen Vorschriften sind an- genommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuch- stabe bb zweiter Halbsatz in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer ent- hält sich? - Die aufgerufene Vorschrift ist angenom- men. Ich rufe Art. 1 Nr. 11 Buchstabe b bis Art. 1 Nr. 17 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zu- stimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die aufgerufenen Vor- schriften sind angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 18 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Hand- zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Art. 1 Nr. 18 ist angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 19 bis Art. 4 in der Ausschußfas- sung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenom- men. Ich rufe Art. 5 Nr. 1 in der Ausschußfassung auf. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstim- mung. Es ist die vierte namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorge- sehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, sich noch einmal zu vergewissern, daß Sie die Karte mit Ih- rem Namen abgeben. Das ist offensichtlich höchst kom- pliziert. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.*) Wir setzen die Abstimmung fort. Ich rufe Art. 5 Nr. 2 bis Art. 18 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung. ({101}) Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt. Die zweite namentliche Abstimmung betraf Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa Satz 2, ({102}) Drucksachen 14/23 und 14/442. Abgegebene Stimmen 588. Mit Ja haben gestimmt 342, mit Nein haben ge- stimmt 246, Enthaltungen keine. Die entsprechende Vorschrift ist angenommen. *) Seite 1953 B Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 588; davon ja: 342 nein: 246 Ja SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({103}) Klaus Barthel ({104}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({105}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({106}) Bernhard Brinkmann ({107}) Hans-Günter Bruckmann Dr. Michael Bürsch Ursula Burchardt Hans Martin Bury Hans Büttner ({108}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({109}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({110}) Lilo Friedrich ({111}) Harald Friese Anke Fuchs ({112}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({113}) Angelika Graf ({114}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({115}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({116}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({117}) ({118}) Frank Hofmann ({119}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Vizepräsidentin Anke Fuchs Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({120}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({121}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({122}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({123}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({124}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({125}) Jutta Müller ({126}) Christian Müller ({127}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({128}) Gerhard Neumann ({129}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({130}) Birgit Roth ({131}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({132}) Ulla Schmidt ({133}) Silvia Schmidt ({134}) Dagmar Schmidt ({135}) Wilhelm Schmidt ({136}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({137}) Olaf Scholz Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({138}) Brigitte Schulte ({139}) Reinhard Schultz ({140}) Volkmar Schultz ({141}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({142}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({143}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({144}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({145}) Jürgen Wieczorek ({146}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({147}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({148}) Engelbert Clemens Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({149}) Waltraud Wolff ({150}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({151}) Marieluise Beck ({152}) Volker Beck ({153}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({154}) Joseph Fischer ({155}) Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske ({156}) Kerstin Müller ({157}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({158}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({159}) Werner Schulz ({160}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({161}) Margareta Wolf ({162}) PDS Monika Balt Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({163}) Rosel Neuhäuser Petra Pau Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Vizepräsidentin Anke Fuchs Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({164}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({165}) Hartmut Büttner ({166}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({167}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Dirk Fischer ({168}) Axel Fischer ({169}) Dr. Gerhard Friedrich ({170}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({171}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({172}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({173}) ({174}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({175}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({176}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({177}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({178}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({179}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({180}) Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({181}) Elmar Müller ({182}) Bernd Neumann ({183}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({184}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Christa Reichard ({185}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({186}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({187}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({188}) Andreas Schmidt ({189}) Hans Peter Schmitz ({190}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({191}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Andrea Voßhoff Peter Weiß ({192}) Gerald Weiß ({193}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({194}) Hans-Otto Wilhelm ({195}) Willy Wimmer ({196}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({197}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({198}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({199}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Walter Hirche Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Jürgen W. Möllemann Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({200}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({201}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Vizepräsidentin Anke Fuchs Die dritte namentliche Abstimmung betraf Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe ee, Drucksachen 14/23 und 14/442. Abgegebene Stimmen 583. Mit Ja haben gestimmt 309, mit Nein haben gestimmt 271, Enthaltungen drei. Die entsprechende Vorschrift ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 582; davon ja: 308 nein: 271 enthalten: 3 Ja SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({202}) Klaus Barthel ({203}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({204}) Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({205}) Bernhard Brinkmann ({206}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({207}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({208}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({209}) Lilo Friedrich ({210}) Harald Friese Anke Fuchs ({211}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({212}) Angelika Graf ({213}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({214}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Nina Hauer Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({215}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({216}) ({217}) Frank Hofmann ({218}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({219}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({220}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({221}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({222}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({223}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({224}) Jutta Müller ({225}) Christian Müller ({226}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({227}) Gerhard Neumann ({228}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({229}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({230}) Ulla Schmidt ({231}) Silvia Schmidt ({232}) Dagmar Schmidt ({233}) Wilhelm Schmidt ({234}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({235}) Olaf Scholz Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({236}) Brigitte Schulte ({237}) Reinhard Schultz ({238}) Volkmar Schultz ({239}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({240}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({241}) Vizepräsidentin Anke Fuchs Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({242}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Jürgen Wieczorek ({243}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({244}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({245}) Engelbert Clemens Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({246}) Waltraud Wolff ({247}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({248}) Marieluise Beck ({249}) Volker Beck ({250}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({251}) Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske ({252}) Kerstin Müller ({253}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({254}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({255}) Werner Schulz ({256}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({257}) Margareta Wolf ({258}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({259}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({260}) Hartmut Büttner ({261}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({262}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Dirk Fischer ({263}) Axel Fischer ({264}) Dr. Gerhard Friedrich ({265}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({266}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({267}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({268}) ({269}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({270}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({271}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({272}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({273}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({274}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({275}) Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({276}) Elmar Müller ({277}) Bernd Neumann ({278}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({279}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Christa Reichard ({280}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({281}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({282}) Andreas Schmidt ({283}) Hans Peter Schmitz ({284}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({285}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Vizepräsidentin Anke Fuchs Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Andrea Voßhoff Peter Weiß ({286}) Gerald Weiß ({287}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({288}) Hans-Otto Wilhelm ({289}) Willy Wimmer ({290}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({291}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({292}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({293}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Walter Hirche Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich Leonhard Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Jürgen W. Möllemann Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({294}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk PDS Monika Balt Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Rosel Neuhäuser Petra Pau Gustav-Adolf Schur Enthalten PDS Sabine Jünger Manfred Müller ({295}) Christina Schenk Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({296}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Die vierte namentliche Abstimmung betraf Art. 5 Nr. 1, Drucksachen 14/23 und 14/442. Abgegebene Stimmen 592. Mit Ja haben gestimmt 342, mit Nein haben gestimmt 249, Enthaltungen eine. Die entsprechende Vorschrift ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 590; davon ja: 341 nein: 248 enthalten: 1 Ja SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({297}) Klaus Barthel ({298}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({299}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({300}) Bernhard Brinkmann ({301}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({302}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({303}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({304}) Lilo Friedrich ({305}) Harald Friese Anke Fuchs ({306}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({307}) Angelika Graf ({308}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({309}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({310}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({311}) ({312}) Frank Hofmann ({313}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({314}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Vizepräsidentin Anke Fuchs Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({315}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({316}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({317}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({318}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({319}) Jutta Müller ({320}) Christian Müller ({321}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({322}) Gerhard Neumann ({323}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({324}) Birgit Roth ({325}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({326}) Ulla Schmidt ({327}) Silvia Schmidt ({328}) Dagmar Schmidt ({329}) Wilhelm Schmidt ({330}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({331}) Olaf Scholz Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({332}) Brigitte Schulte ({333}) Reinhard Schultz ({334}) Volkmar Schultz ({335}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({336}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({337}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({338}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({339}) Jürgen Wieczorek ({340}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({341}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({342}) Engelbert Clemens Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({343}) Waltraud Wolff ({344}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({345}) Marieluise Beck ({346}) Volker Beck ({347}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({348}) Joseph Fischer ({349}) Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske ({350}) Kerstin Müller ({351}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({352}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({353}) Werner Schulz ({354}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({355}) Margareta Wolf ({356}) PDS Monika Balt Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({357}) Rosel Neuhäuser Petra Pau Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Vizepräsidentin Anke Fuchs Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({358}) Hartmut Büttner ({359}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({360}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Dirk Fischer ({361}) Axel Fischer ({362}) Dr. Gerhard Friedrich ({363}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({364}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({365}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({366}) ({367}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({368}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({369}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({370}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({371}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({372}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({373}) Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({374}) Elmar Müller ({375}) Bernd Neumann ({376}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({377}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Christa Reichard ({378}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({379}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({380}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({381}) Andreas Schmidt ({382}) Hans Peter Schmitz ({383}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({384}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Arnold Eugen Hugo Vaatz Andrea Voßhoff Peter Weiß ({385}) Gerald Weiß ({386}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({387}) Hans-Otto Wilhelm ({388}) Willy Wimmer ({389}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({390}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({391}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({392}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Walter Hirche Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Jürgen W. Möllemann Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({393}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Enthalten PDS Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({394}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Vizepräsidentin Anke Fuchs Ich rufe die dritte Beratung und Schlußabstimmung auf. Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen verlangen nament- liche Abstimmung. Das ist die fünfte namentliche Ab- stimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.*) Bevor wir die Abstimmungen fortsetzen, möchte ich darauf hinweisen, daß nach diesen Abstimmungen die Debatte über den Internationalen Frauentag stattfindet. Ich bitte alle - vor allen Dingen die Männer, aber auch die Kolleginnen -, an dieser wichtigen Debatte teilzunehmen. ({395}) Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/467. Die Fraktion der CDU/CSU ver- langt namentliche Abstimmung; es ist die sechste na- mentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.**) Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksa- che 14/465. Die Fraktion der F.D.P. verlangt namentli- che Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind die Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. **) Seite 1956 D **) Seite 1959 A Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*) Wir setzen die Beratungen fort und kommen zur achten und letzten namentlichen Abstimmung, nämlich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/451. Die Fraktion der PDS verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme nicht abgegeben habt? - Das ist nicht der Fall. - Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgege- ben.**) Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/459. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Ent- schließungsantrag ist abgelehnt. Bevor ich Ihnen das Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung mitteile, darf ich noch bekanntgeben, daß Erklärungen zur Abstimmung zu Protokoll gegeben werden, und zwar von den Kollegen Klaus Bräh- mig***), Gert Weisskirchen****) und Dr. Uwe-Jens Rössel*****). Ich gebe das von den Schriftführerinnen Schriftfüh- rern und ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über den Entwurf eines Steuerentla- stungsgesetzes 1999/2000/2002 der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksachen 14/23 und 14/442 bekannt. Abgegebene Stimmen 590. Mit Ja haben gestimmt 312, mit Nein haben gestimmt 251, Enthaltungen 27. Das Gesetz ist damit angenommen. *****) Seite 1975 B *****) Seite 1978 A *****) Anlage 3 *****) Anlage 4 *****) Anlage 5 Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 589; davon ja: 311 nein: 251 enthalten: 27 Ja SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({396}) Klaus Barthel ({397}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({398}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({399}) Bernhard Brinkmann ({400}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({401}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({402}) Gabriele Fograscher Vizepräsidentin Anke Fuchs Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({403}) Lilo Friedrich ({404}) Harald Friese Anke Fuchs ({405}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({406}) Angelika Graf ({407}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({408}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({409}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({410}) ({411}) Frank Hofmann ({412}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({413}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({414}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({415}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({416}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({417}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({418}) Jutta Müller ({419}) Christian Müller ({420}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({421}) Gerhard Neumann ({422}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({423}) Birgit Roth ({424}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({425}) Ulla Schmidt ({426}) Silvia Schmidt ({427}) Dagmar Schmidt ({428}) Wilhelm Schmidt ({429}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({430}) Olaf Scholz Fritz Schösser Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({431}) Brigitte Schulte ({432}) Reinhard Schultz ({433}) Volkmar Schultz ({434}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({435}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({436}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({437}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({438}) Jürgen Wieczorek ({439}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({440}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({441}) Engelbert Clemens Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({442}) Waltraud Wolff ({443}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({444}) Marieluise Beck ({445}) Volker Beck ({446}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({447}) Joseph Fischer ({448}) Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske ({449}) Kerstin Müller ({450}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({451}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({452}) Werner Schulz ({453}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({454}) Margareta Wolf ({455}) Vizepräsidentin Anke Fuchs Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({456}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({457}) Hartmut Büttner ({458}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({459}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Dirk Fischer ({460}) Axel Fischer ({461}) Dr. Gerhard Friedrich ({462}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({463}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({464}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({465}) ({466}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({467}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({468}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({469}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({470}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({471}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({472}) Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({473}) Elmar Müller ({474}) Bernd Neumann ({475}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({476}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Christa Reichard ({477}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({478}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({479}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({480}) Andreas Schmidt ({481}) Hans Peter Schmitz ({482}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({483}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Andrea Voßhoff Peter Weiß ({484}) Gerald Weiß ({485}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({486}) Hans-Otto Wilhelm ({487}) Willy Wimmer ({488}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({489}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({490}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({491}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Walter Hirche Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Jürgen W. Möllemann Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({492}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk PDS Sabine Jünger Enthalten PDS Monika Balt Maritta Böttcher Vizepräsidentin Anke Fuchs Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({493}) Rosel Neuhäuser Petra Pau Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({494}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU ({495}) Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU, Drucksache 14/467, bekannt: Abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 248, mit Nein haben gestimmt 339, Enthaltungen keine. Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 582; davon ja: 248 nein: 335 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({496}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({497}) Hartmut Büttner ({498}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({499}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Dirk Fischer ({500}) Axel Fischer ({501}) Dr. Gerhard Friedrich ({502}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({503}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({504}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({505}) ({506}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({507}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({508}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({509}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({510}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({511}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({512}) Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({513}) ({514}) Bernd Neumann ({515}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({516}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Christa Reichard ({517}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({518}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({519}) Vizepräsidentin Anke Fuchs Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({520}) Andreas Schmidt ({521}) Hans Peter Schmitz ({522}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({523}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Andrea Voßhoff Peter Weiß ({524}) Gerald Weiß ({525}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({526}) Hans-Otto Wilhelm ({527}) Willy Wimmer ({528}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({529}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({530}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({531}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Walter Hirche Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Jürgen W. Möllemann Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({532}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Nein SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({533}) Klaus Barthel ({534}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({535}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({536}) Bernhard Brinkmann ({537}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({538}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({539}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({540}) Harald Friese Anke Fuchs ({541}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({542}) Angelika Graf ({543}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl Hermann Haack ({544}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({545}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({546}) ({547}) Frank Hofmann ({548}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({549}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({550}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({551}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({552}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({553}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({554}) Jutta Müller ({555}) Christian Müller ({556}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({557}) Gerhard Neumann ({558}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Vizepräsidentin Anke Fuchs Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({559}) Birgit Roth ({560}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({561}) Ulla Schmidt ({562}) Silvia Schmidt ({563}) Dagmar Schmidt ({564}) Wilhelm Schmidt ({565}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({566}) Olaf Scholz Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({567}) Brigitte Schulte ({568}) Reinhard Schultz ({569}) Volkmar Schultz ({570}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({571}) Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({572}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({573}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({574}) Jürgen Wieczorek ({575}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({576}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({577}) Engelbert Clemens Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({578}) Waltraud Wolff ({579}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({580}) Marieluise Beck ({581}) Volker Beck ({582}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({583}) Joseph Fischer ({584}) Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Reinhard Loske ({585}) Kerstin Müller ({586}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({587}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({588}) Werner Schulz ({589}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({590}) PDS Monika Balt Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({591}) Rosel Neuhäuser Petra Pau Christina Schenk Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({592}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Wir warten noch einen Augenblick auf die Ergebnisse der Auszählung der anderen beiden namentlichen Abstimmungen. Die Sitzung ist unterbrochen. ({593})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der beiden letzten namentlichen Abstimmungen am Ende der Debatte über den Internationalen Frauentag bekannt. Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf: Debatte anläßlich des Internationalen Frauentages Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache über den Internationalen Frauentag eine Stunde vorgesehen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Edith Niehuis.

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor 80 Jahren erhielten Frauen in Deutschland erstmalig das volle Wahlrecht. Erlauben Sie mir, daß ich mit Stolz feststelle, daß es die SPD war, die dieVizepräsidentin Anke Fuchs ses wichtige demokratische Recht für Frauen durchsetzte. ({0}) Vor 80 Jahren, am 19. Februar 1919, ergriff eine Frau erstmalig in einem deutschen Parlament das Wort. Es war die sozialdemokratische Abgeordnete Marie Juchacz. Sie stellte damals zu Recht fest, daß ohne die Frauen eine deutsche Demokratie nicht möglich gewesen wäre, und meinte, in Deutschland sei die Frauenfrage damit gelöst. Für die Rechte der Frauen stritten dann viele bis heute, so auch die Mütter des Grundgesetzes, die für die Aufnahme des Art. 3 Abs. 2 in die Verfassung sorgten: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dieser Grundgesetzartikel führte schon im November 1949 zu einem Antrag im Deutschen Bundestag, der lautete: Die Bundesregierung wird ersucht, im Bundestag baldigst die Gesetzesvorlagen einzubringen, die notwendig sind, um die Gleichberechtigung der Frau … zu verwirklichen. Wir wissen, seit dieser Zeit ist so manche Reform auf den Weg gebracht worden, die in unseren Gesetzen die Gleichberechtigung der Frauen herstellte. Dennoch: Als wir nach der deutschen Vereinigung in der Gemeinsamen Verfassungskommission prüfen wollten, ob Änderungen in unserem Grundgesetz notwendig sind, haben wir sehr schnell gemerkt, daß die Gleichberechtigung auf dem Papier keine tatsächliche Gleichberechtigung in der Gesellschaft bedeutet. Darum haben wir 1994 Art. 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes um ein wichtiges Staatsziel ergänzt. Jetzt heißt es in unserer Verfassung: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. ({1}) Ein paar Jahre später wurden durch den Vertrag von Amsterdam für Europa ähnliche Ziele formuliert. Der Vertrag nennt die Gleichstellung ausdrücklich als Aufgabe der EU und verlangt, daß die EU auf die Beseitigung der Ungleichheit und die Förderung der Gleichstellung hinwirkt. Diese auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung ausgerichteten Ziele sind ein Fortschritt. Sie erfordern auch in der Politik qualitativ neue Schritte. ({2}) Ich habe in den letzten Jahren sehr bedauert, daß die ehemalige Bundesregierung, die Kohl-Regierung, nicht bereit war, diese neue Verfassungslage für eine wirksamere Gleichstellungspolitik zu nutzen. ({3}) Allen Staatszielen zum Trotz hat die Kohl-Regierung in der Gleichstellungspolitik keine Fortschritte erzielt, sondern viel eher einen Rückwärtsgang eingelegt. Das läßt sich an einem aktuellen Beispiel sehr gut verdeutlichen. Im Moment tagt die Frauenrechtskommission in New York. Es geht auf UN-Ebene zum wiederholten Male um das Zusatzprotokoll zum „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau“. Es geht darum, daß diese Antidiskriminierungskonvention, die es seit 20 Jahren gibt, über das Stadium der reinen Absichtserklärung hinauskommt und daß Frauen zum Beispiel über ein Beschwerderecht die Respektierung ihrer Menschenrechte anmahnen können. Im letzten Jahr noch spielte Deutschland eine unrühmliche Rolle und stellte sich als Gegner der Stärkung der Frauenrechte im internationalen Rahmen dar. Auf diese Weise isolierte es sich von den übrigen EUStaaten. Dies hat sich mit dem Regierungswechsel grundlegend geändert. ({4}) Ministerin Bergmann ist im Moment in New York, um zusammen mit den EU-Staaten für die Verabschiedung des Zusatzprotokolls einzutreten und so die Durchsetzung von Frauenrechten international zu stärken. Am Internationalen Frauentag sollte man betonen, daß Frauenrechte Menschenrechte sind. Das bedeutet, Gleichstellungspolitik wird nicht gebraucht, weil Frauen hilfsbedürftige Wesen sind, die gefördert werden müßten. Wer Gleichstellungspolitik so versteht, der geht am Kern der Sache vorbei. ({5}) Frauen von heute erwarten von politischen Entscheidungen keine Sonderförderung; aber sie erwarten vollkommen zu Recht, daß Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ihnen ermöglichen, ihr geistiges Potential und ihre Kreativität in Wirtschaft und Gesellschaft voll zu entfalten. ({6}) Leider hat sich die Politik der letzten Jahre von diesem Ziel entfernt. Wer den Kündigungsschutz für Beschäftigte in Klein- und Mittelbetrieben abbaut, wie unter der Kohl-Regierung geschehen, der mußte wissen, daß hiervon Frauen überdurchschnittlich betroffen waren. Darum haben wir in den ersten 100 Tagen unserer Regierungszeit diese Fehlentscheidung sofort korrigiert. ({7}) Wer im Arbeitsförderungsrecht eine Arbeit auch dann für zumutbar hält, wenn die täglichen Pendelzeiten verlängert werden, der mußte wissen, daß eine Verlängerung der Zeit des Pendelns zur Arbeit insbesondere für Frauen mit Kindern, gerade wenn sie eine Teilzeitarbeit suchen, nicht zumutbar ist. Wir werden diese frauendiskriminierende Fehlentscheidung der Kohl-Regierung zurücknehmen. ({8}) Wer die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kürzt, wie unter der Kohl-Regierung geschehen, mußte wissen, daß hiervon insbesondere Geringverdienende besonders hart betroffen werden. Leider sind es die Frauen, die in der Regel weniger als die Männer verdienen. Darum haben wir diese Fehlentscheidung in den ersten 100 Tagen unserer Regierungszeit sofort korrigiert. ({9}) Wer eine Senkung des Rentenniveaus einleitet, wie unter der Kohl-Regierung geschehen, der mußte wissen, daß hiervon Frauen mit ihren im Durchschnitt viel geringeren Rentenansprüchen besonders hart betroffen sind. Wir haben diese politische Fehlentscheidung korrigiert und werden mit unserer Rentenreform ein Konzept zur eigenständigen Alterssicherung für Frauen vorlegen. ({10}) Kurzum: Es bleibt festzuhalten, in den letzten Jahren hat der Staat seinen Verfassungsauftrag, auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, nicht ernst genommen, sondern den schon bestehenden Nachteilen weitere Nachteile für Frauen hinzugefügt. Dieser Politik wurde durch den Regierungswechsel ein Ende gesetzt. ({11}) Das hat auch Bundeskanzler Schröder am 14. Januar deutlich gemacht, als er das Arbeitsprogramm der Bundesregierung für 1999 vorstellte. Er nannte zwei Ziele der Bundesregierung, die ich in diesem Zusammenhang noch einmal hervorheben möchte, nämlich aus der Bundesrepublik ein kinder- und familienfreundliches Land zu machen und die Gleichstellung von Frau und Mann gesellschaftliche Realität werden zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. November 1998, mit dem es das Versagen der Familienpolitik der Kohl-Regierung dokumentierte, folgenden Satz formuliert: Der Staat hat dementsprechend dafür Sorge zu tragen, daß es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbsarbeit miteinander zu verbinden. Mit diesem Satz bestärkt das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung in ihrem Vorhaben, das Bundeserziehungsgeldgesetz von 1986 zu reformieren. Das alte Bundeserziehungsgeldgesetz war von Anfang an zu starr angelegt und hat es Eltern unmöglich gemacht, Familien- und Erwerbstätigkeit zu kombinieren. So haben Sie, meine Damen und Herren, Müttern Anreize gegeben, zugunsten der Familienarbeit auf Erwerbstätigkeit ganz zu verzichten, und Vätern das ruhige Gewissen, die Familienarbeit getrost den Frauen überlassen zu können. Denn nach wie vor sind es nur 2 Prozent der Väter, die Erziehungsurlaub nehmen. Wir werden den Erziehungsurlaub flexibler gestalten sowie Vätern und Müttern eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit während der ersten Erziehungsjahre ermöglichen, so daß aus dem Erziehungsurlaub wirklich ein Elternurlaub werden kann. ({12}) Junge Frauen und zunehmend auch junge Männer wollen beides, Familie und Beruf. Unsere Reform wird es ihnen ermöglichen, ihren Lebensentwurf auch wirklich leben zu können. Zunehmend wissen die Frauen, daß sie sich am besten sozial absichern, wenn sie finanziell auf eigenen Füßen stehen. Die erwerbstätige Frau als Ausnahme, wie viele es im Westen gewohnt waren, wird der Vergangenheit angehören, ebenso jene Männer wie Kurt Biedenkopf, die davon träumen, „die übersteigerte Erwerbsneigung der Frauen auf ein normales Maß zurückführen zu können“. Die Zeiten, in denen Frauen auf ihren Prinzen warteten, der ihr Leben bestimmt, gehören endgültig der Vergangenheit an. ({13}) Dieses ist kein Zitat von mir, sondern so heißt es in einer im Februar veröffentlichten Studie der KonradAdenauer-Stiftung. Weil es sich so entwickeln wird, wird die Regierung dem Bereich „Frau und Beruf“ mehr Aufmerksamkeit widmen. Dieser Bereich bedarf in der Tat größerer Aufmerksamkeit. Nach wie vor verdienen Frauen im Beruf ein Viertel weniger als die Männer, trotz einer eindeutigen EU-Richtlinie, die gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit fordert. Darum nehme ich den Internationalen Frauentag gerne zum Anlaß, die Tarifparteien daran zu erinnern, daß sie bei aller Tarifautonomie auch an Art. 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes gebunden sind, der sie auffordert, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen tatsächlich durchzusetzen und bestehende Nachteile zu beseitigen. ({14}) Im letzten Jahr wurde von der Gleichstellungsministerin in Nordrhein-Westfalen eine Studie veröffentlicht, in der 3 275 Stellenanzeigen ausgewertet wurden. Vor allem für Führungsjobs wurden Männer bevorzugt. So richteten sich zwei Drittel aller Anzeigen für Positionen im oberen Management ausschließlich an Männer. Der DGB stellte im letzten Jahr fest, daß Frauen trotz nachweislich besserer Schulabschlüsse bei der LehrstelParl. Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis lensuche häufiger leer ausgingen als Männer. Nicht zuletzt sind es die Frauen, die immer stärker in die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse gedrängt wurden. Das sind nur einige Daten, die zeigen, daß die Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt bisher nicht erfolgt ist. Unsere Vorgängerregierung hat es, wie auch die Regierungsparteien der letzten Legislaturperioden, versäumt, in all diesen Feldern tätig zu werden. ({15}) Der Regierungswechsel hat auch hier eine Wende gebracht. ({16}) Wir haben das Problem der 630-DM-Verträge angepackt, wozu Sie nie in der Lage waren ({17}) - wenn man jahrelang nichts macht, würde ich wirklich nicht so schreien wie Sie -, ({18}) und sorgen dafür, daß auch diese geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse die Rentenansprüche der Frauen mehren. ({19}) - Dann wissen Sie nichts von Rentenbiographien, Frau Lenke, wenn Sie das so definieren. Bei der Vorstellung seines Arbeitsprogramms 1999 hat Bundeskanzler Schröder daher vollkommen zu Recht gesagt, daß diese Bundesregierung ein effektives Gleichstellungsgesetz auf den Weg bringen wird, das auch verbindliche Regeln für die Privatwirtschaft enthält. ({20}) Im Petitionsausschuß des Bundestages machte eine Petentin geltend, daß eine Gleichstellung von Frauen in der Arbeitswelt bisher nicht erfolgt sei. Einstimmig beschloß der Petitionsausschuß im letzten Monat, daß diese Eingabe als Anregung für gesetzgeberische Initiativen geeignet sein könnte. Meine Damen und Herren von der Opposition, auch Ihre Einsicht scheint allmählich zu wachsen, was ich sehr begrüße. ({21}) Die Aufforderung unseres Grundgesetzes, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern, ist ein sehr ernstzunehmendes Staatsziel. Schließlich wissen wir, daß auch die Ausübung von Gewalt in einer Gesellschaft mit Machtverhältnissen zu tun hat. Die vermeintlich Schwächeren sind es, die überdurchschnittlich von Gewalt bedroht werden. Auch darum sind wir gehalten, die Stellung der Frauen in der Gesellschaft zu stärken. Danke schön. ({22})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort der Kollegin Bärbel Sothmann, CDU/CSUFraktion.

Bärbel Sothmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, haben die Frauen das Wort. Ihre Themen stehen im Blickpunkt der Öffentlichkeit, Mann hört ihnen zu. Eigentlich sollte dies nicht nur an einem Tag im Jahr so sein, sondern an 365 Tagen. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Die Gleichberechtigung steht zwar auf dem Papier, und es ist auch eine Menge erreicht worden, doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Machen Sie sich bitte klar: Die Mehrheit unserer Bevölkerung ist weiblich. Frauen stellen jedoch nur rund 5 Prozent der Top-Führungskräfte in der Wirtschaft. In Entscheidungsgremien sind sie nur zu rund 12 Prozent vertreten. Auch in hohen Staatsämtern ist es um die Präsenz von Frauen schlecht bestellt. ({0}) Das ist beschämend, und das müssen wir ändern. ({1}) - Jawohl. - Frauen müssen überall sichtbarer werden. Doch ein großer Wurf zur Verbesserung der Gleichberechtigung ist zur Zeit nicht in Sicht. Die neue Bundesregierung, die die Frauenpolitik zu ihrem Hauptthema gemacht hat, muß sich heute fragen lassen, wie ernst sie es denn mit ihren Ankündigungen meint. Den Worten müssen Taten folgen. ({2}) Die Union jedenfalls setzt hier Zeichen. Mit Rita Süssmuth hatten wir lange Jahre eine über Parteigrenzen hinweg geachtete Frauenpolitikerin als Bundestagspräsidentin. ({3}) Mit Claire Marienfeld haben wir zum erstenmal eine Frau als Wehrbeauftragte. ({4}) Angela Merkel ist die erste CDU-Generalsekretärin. ({5}) Jetzt, 80 Jahre nachdem die erste Frau in den Reichstag einzog, schlägt Ihnen die Union eine Frau auch für die Bundespräsidentschaft vor: ({6}) Frau Professor Dr. Dagmar Schipanski. Sie verkörpert wie kaum eine andere Persönlichkeit die Lebenserfahrungen der Menschen in den neuen Bundesländern. Als Physikerin hat sie es in einer Männerdomäne zu großem beruflichen Ansehen gebracht. Mit großer Kompetenz und Erfahrung kann sie im Zeitalter der Globalisierung die Entwicklung Deutschlands zu einer leistungsstarken Wissens- und Informationsgesellschaft vorantreiben. ({7}) Sie will die innere Einheit fortentwickeln, das heißt, die Menschen zusammenbringen. Das ist sehr wichtig. ({8}) Wir brauchen jemanden wie sie an der Spitze unseres Landes. Meine Damen und Herren, die Zeit ist reif für eine Frau im höchsten Staatsamt. ({9}) An alle Frauen und natürlich auch an alle emanzipierten Männer appelliere ich deshalb: Zeigen Sie sich parteiübergreifend mit einer Frau solidarisch, und unterstützen Sie unsere Kampagne „Schipanski for President“! ({10}) Dagmar Schipanski hat es geschafft, Beruf und Familie erfolgreich unter einen Hut zu bringen. Damit ist sie immer noch eine Ausnahmeerscheinung. Insgesamt stehen die Chancen für Frauen, nach höchsten Ämtern zu greifen oder auch nur im Kleinen Karriere zu machen, in Deutschland alles andere als gut.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bärbel Sothmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. ({0}) Frauen haben mit vielen Nachteilen zu kämpfen: Sie haben auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen als Männer, sind häufiger von der Arbeitslosigkeit betroffen und verdienen weniger. ({1}) Sie haben schlechtere Aufstiegs- und Karrierechancen. Kindererziehung und Hausarbeit sind nach wie vor Frauensache, auch wenn beide Partner berufstätig sind. Ausnahmen gibt es sicherlich immer. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das zentrale Thema im Leben von Frauen. Die Verantwortung für Kinder und Familie liegt heute oft allein bei der Frau. Unsere Gesellschaft wird aber nur dann zukunftsfähig sein, wenn Mann und Frau partnerschaftlich in allen Bereichen des Lebens Verantwortung übernehmen. Das heißt, auch Väter müssen aktive Familienarbeit leisten. ({2}) Die Politik kann und darf den Menschen nicht vorschreiben, wie ihr Lebensentwurf auszusehen hat. Sie kann und muß aber die Rahmenbedingungen bereitstellen, um eine echte Wahlmöglichkeit für Familie und/oder Beruf zu eröffnen. Wir brauchen deshalb auch in Führungspositionen - flexible, familienfreundliche Arbeitszeiten und Arbeitsformen für Frauen und Männer. Das Angebot an Mobilzeit- und Telearbeitsplätzen muß erhöht werden. Wir brauchen flexible, bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten, das heißt längere Öffnungszeiten in den Kindertagesstätten, Betreuungsangebote auch für Kinder unter drei Jahren, mehr Hortplätze für die älteren Kinder oder auch Ganztagsschulen. Wir brauchen die Gleichstellung von Familien- und Erwerbsarbeit. Unter anderem müssen wir den Erziehungsurlaub flexibler gestalten und die Hilfen für Alleinerziehende verbessern. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur finanziellen Entlastung von Familien muß so schnell wie möglich umgesetzt werden. ({3}) Dazu gibt es zum Beispiel aus meiner Fraktion den Vorschlag, ein Familiengeld einzuführen. Dies muß selbstverständlich geprüft werden. Abgesehen davon muß die Familienförderung nicht immer nur mit Geld verbunden sein. Meine Damen und Herren, um die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, müssen wir zuallererst die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen; denn Frauen werden in Krisenzeiten als erste arbeitslos. Leider hat die neue Bundesregierung die Maßnahmen der Union zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung zum großen Teil rückgängig gemacht und eine durchschlagende große Steuerreform verhindert. Das Steuerentlastungsgesetz, das verabschiedet wurde, zeigt all dies. Das Ergebnis sehen wir jetzt: Die Arbeitslosenzahlen steigen, und das Wirtschaftswachstum verflacht. Korrekturen der geplanten Steuerreform sind deshalb unbedingt erforderlich. Das heute verabschiedete Steuerentlastungsgesetz - ich habe es soeben gesagt - löst die Probleme nicht. Im Gegenteil, all diese Probleme werden noch verschärft. Wichtig ist auch die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse; Frau Staatssekretärin Niehuis, Sie haben es vorhin angeschnitten. Das Gesetz, das die Regierung auf den Tisch gelegt hat, ist eine einzige Enttäuschung. Es wird den Mißbrauch nicht eindämmen. Es schafft keine neuen Arbeitsplätze, sondern nur mehr Bürokratie. Es wird auch der Altersarmut von Frauen nicht entgegenwirken. Um die soziale Sicherung von Frauen im Alter zu verbessern, müssen viel weitergehende Maßnahmen ergriffen werden. ({4}) An die Wirtschaftsunternehmen appelliere ich: Verstehen Sie die Frauenförderung nicht länger als Schmusekurs! Frauenförderung in Unternehmen dient handfesten wirtschaftlichen Interessen. Die Initiative „Total-EQuality“ müssen wir weiter unterstützen, damit der Frauenanteil auch in den Chefetagen weiter wächst. Meine sehr geehrten Damen und Herren, im eigenen Betrieb können sich Frauen ihren Arbeitsplatz und ihre Führungsposition selbst schaffen. Wir müssen Existenzgründungen von Frauen stärker als bisher fördern und dabei das spezifische Gründungsverhalten von Frauen besonders berücksichtigen. Das A und O für gute Berufs- und Karrierechancen von Frauen ist und bleibt eine qualifizierte Ausbildung. Trotz guter Schulabschlüsse konzentrieren sich Mädchen bei der Berufswahl zu stark auf wenige klassische Frauenberufe. Auch an den Universitäten sind die technischen Studiengänge leider noch immer Männerdomänen. Mädchen und Frauen müssen ihre Möglichkeiten im technischen Bereich und in den zukunftsweisenden Multimedia-Berufen besser nutzen. Dabei müssen wir sie stärker als bisher unterstützen. Frauen dürfen den Anschluß an die Wissens- und Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht verpassen. Insgesamt stellen Frauen heute rund die Hälfte der Studierenden. Ihre Studienabschlüsse sind oft besser als die von Männern. Schwierig wird die Situation für junge Frauen an den Hochschulen dann, wenn sie eine wissenschaftliche Karriere anstreben. Rund ein Drittel aller Absolventinnen promovieren noch. Doch in den Hochschulgremien und an der Spitze der Karriereleiter sind Frauen unterrepräsentiert: Der Frauenanteil bei den Habilitationen beträgt nur 13,8 Prozent. Darum sind nur so wenig Professuren in Frauenhand. Diese Benachteiligung hochqualifizierter Frauen muß dringend abgebaut werden. Wir fordern, daß bis zum Jahre 2005 mindestens jeder fünfte Lehrstuhl in Deutschland mit einer Frau besetzt ist. Mit der 4. Novelle des Hochschulrahmengesetzes haben wir im letzten Jahr einen Durchbruch für die Frauen an den Hochschulen erreicht und zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Frauenförderung durchgesetzt. Diesen Weg müssen wir fortsetzen. Fast noch wichtiger als alle Förderprogramme ist es, Frauenförderung nicht länger als etwas zu begreifen, das Mann den Frauen freundlich gewährt. Es geht nicht darum, was Mann abgeben muß, sondern darum, was Frau einbringen kann. Unsere Gesellschaft ist nur dann zukunftsfähig, wenn sich die weibliche und die männliche Sicht der Dinge zu einem Gesamtbild ergänzen. Gerade im Zeitalter der Globalisierung können wir es uns nicht länger leisten, auf die kreativen Beiträge von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu verzichten. Frauenpolitik darf deshalb nicht länger ausschließlich als Familien- und Sozialpolitik begriffen werden. Frauenpolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Meine Damen und Herren, die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen. Liebe Männer hier im Hause, ich hoffe, Sie haben nicht nur gehört, sondern auch gespürt, wie unsere Ungeduld wächst. Die weibliche Sicht der Dinge muß Bestandteil jedweder Politik werden, denn: Ohne Frauen ist kein Staat zu machen! Lassen Sie uns nach vorne schauen! ({5})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile der Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Eine Debatte im Deutschen Bundestag zum Internationalen Frauentag sei doch ein Anachronismus, sagte mir vor einigen Tagen eine junge Frau. Damals, so sagte sie, vor 140 Jahren, als die Textilarbeiterinnen in New York streikten, weil sie für dieselbe Arbeit nur einen Bruchteil des Männerlohns erhielten, habe das einen Sinn gehabt. Auch vor 88 Jahren, als zum erstenmal im Deutschen Reich über eine Million Frauen auf die Straße gegangen seien, um für das Frauenwahlrecht zu kämpfen, habe das eine Berechtigung gehabt. Aber heute, wo die Mädchen bessere Schulabschlüsse machten als die Jungen, wo die Studentinnen an den Universitäten insgesamt in der Mehrzahl seien, da mache das doch keinen Sinn. Eines stimmt: Mädchen sind mit Abstand die Spitzenreiterinnen bei den Gymnasialabschlüssen, während die Jungen häufiger die Hauptoder Sonderschulen abschließen. Aber was folgt daraus? Den Rückschluß der jungen Frau, die Gleichberechtigung sei doch erreicht und es sei nichts mehr zu tun, läßt das nicht zu. Richten wir einen Blick auf den Arbeitsmarkt. Spätestens bei der Berufswahl dreht sich die Abwärtsspirale für die Frauen. 80 Prozent entscheiden sich für eine Ausbildung in einem von zehn frauentypischen Berufen. Diese Berufe zeichnen sich nicht nur dadurch aus, daß sie schlecht bezahlt sind, sondern sie bieten auch so gut wie keine Karrierechancen. Ein Vergleich: Die beiden Berufe, in denen jeweils die meisten Männer und die meisten Frauen ausgebildet werden, sind Friseurin und Kfz-Mechaniker. Schon während der Ausbildung verdient der Kfz-Mechaniker ein Drittel mehr; im ersten Berufsjahr verfügt er gar über 1 000 DM mehr als die Friseurin. Hier findet sich bereits die erste Erklärung dafür, daß Frauen im Durchschnitt immer noch zirka ein Viertel weniger verdienen als Männer. Bei Arbeiterinnen sind es nur 73 Prozent des Männerlohnes, bei Angestellten sogar nur 69 Prozent - und das, obwohl schon in den Römischen Verträgen vor über 40 Jahren der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ verankert wurde. Später hieß es: gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Für die Frauen aus dem Osten kommt noch eine bittere Pille hinzu. Der ehemals geringe Abstand zwischen Frauen- und Männerlöhnen hat sich in den letzten zehn Jahren dem Westniveau angenähert. Die Abwertung der weiblichen Arbeit macht auch vor den Hochschulabsolventinnen nicht halt. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft 1997 ermittelt, daß Männer mit Universitätsabschluß durchschnittlich netto 5 000 DM verdienen, Frauen mit einem entsprechenden Abschluß dagegen nur 3 200 DM. In den Hochschulen Frau Sothmann hat es gerade gesagt - steht es mit der wissenschaftlichen Karriere auch nicht gerade zum besten. Gerade einmal 5 Prozent Professorinnen lehren und forschen in der Bundesrepublik. Das ist kein mutmachender Tatbestand für die vielen Studentinnen. Da wundert es eigentlich auch nicht mehr, daß in den Führungspositionen der Wirtschaft nur 3 Prozent Frauen tätig sind. Dies ist zudem teuer erkauft: Während 60 Prozent der männlichen Führungskräfte Kinder haben, sind es nur 17 Prozent der Führungsfrauen. Um das Bild abzurunden: Von den 1 000 Bundesgremien sind noch immer fast 300 als frauenfreie Zone anzusehen, sind also ausschließlich mit Männern besetzt. Ich finde, wir sollten hier, wo wir Einfluß haben, direkt ansetzen und sofort etwas ändern. ({0}) Ist die Gleichberechtigung nun erreicht? Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Bleiben wir bei diesem Tempo, so wird im Jahre 2312 die tatsächliche Gleichberechtigung durchgesetzt sein, hat eine Wissenschaftlerin ausgerechnet. So lange, meine lieben Kolleginnen, sollten wir nicht warten. ({1}) Also nutzen wir den Internationalen Frauentag 1999, nicht um zu jammern, um uns etwa in einer Opferrolle wohl zu fühlen, wie landläufig gesagt wird, sondern nutzen wir ihn für einen neuen Aufbruch! Machen wir deutlich, daß eine Gesellschaft nur dann als demokratisch zu bezeichnen ist, wenn sie auch Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern herstellt. Ein Instrument, mit dem wir das Demokratiedefizit beseitigen können, ist und bleibt die Quote. Sie stellt keine ungerechte Bevorzugung dar, wie gern behauptet wird; sie ist lediglich ein Mittel zur Herstellung von Gerechtigkeit. Es ist ja kein Zufall, daß gerade jetzt soviel über Quoten gesprochen wird. Sie entfalten nämlich ihre Wirkung. Frauen sind durch sie nach vorn gekommen. Ich habe keine Sorge, daß durch die Quote die vermeintlich unqualifizierten Frauen in Spitzenpositionen kommen. Die Realität zeigt, daß Frauen in den meisten Fällen qualifizierter sind als ihre männlichen Mitbewerber. ({2}) Nun ist die Quote nicht alles, und sie ist erst recht kein Allheilmittel, aber ohne sie - jetzt zitiere ich die zwölf Richter des Europäischen Gerichtshofs - würden weiterhin auch bei gleicher Qualifikation nur Männer eingestellt. Die alte Bundesregierung, insbesondere Frau Ministerin Nolte - obwohl ihr diese Zahlen sicherlich alle bekannt waren -, hat nichts unternommen, um den Frauen wirksam zu ihren Rechten zu verhelfen. Sie hat in Kauf genommen, daß durch eine ideologisch geführte Familiendiskussion die Rollenzuweisung für den Mann als Familienernährer und die Ehefrau als Hausfrau und Zuverdienerin gefestigt wurde. Ich finde, es ist ein Skandal, daß zu Beginn des 21. Jahrhunderts viele Frauen noch immer nur einen Ehemann weit von der Armut entfernt sind, daß viele Frauen trotz Erwerbsarbeit kein existenzsicherndes Einkommen haben und über keine eigenständige Alterssicherung verfügen. Das ist kein Modell, mit dem sich Frauen identifizieren wollen. Dem setzen wir ein anderes Frauen- und auch ein anderes Familienbild entgegen. Wir werden die gesellschaftlichen Strukturen verändern, die sich noch immer einseitig an männlichen Werten orientieren. Wir werden dafür sorgen, daß der Veränderung der Frauen- auch ein Wandel der traditionellen Männerrolle folgen wird. Gerechte Verteilung von Haus- und Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen und eine Arbeitswelt, die das Leben mit Kindern ermöglicht - das ist unsere Devise. Dazu werden wir Ihnen in den nächsten Monaten Initiativen vorlegen. Ich bin sehr froh, daß das erste frauenpolitische Projekt der rotgrünen Regierung das Aktionsprogramm „Frau und Beruf“ ist. Viele Frauen sind schon ungeduldig, weil noch keine konkreten Vorschläge auf dem Tisch liegen. Auch Frau Sothmann hat eben schon gefragt, warum nichts komme. Aber ein so umfassendes Werk wie das Gleichberechtigungsgesetz für den öffentlichen Dienst und für die Privatwirtschaft will wohlüberlegt sein. Hier sind, glaube ich, Schnellschüsse nicht geeignet. ({3}) Beim Gleichberechtigungsgesetz für den öffentlichen Dienst kann der Gesetzgeber seine Vorbildfunktion für eine Arbeitswelt, die Frauen nicht ausgrenzt, relativ leicht unter Beweis stellen. Den Frauen mindestens die Hälfte aller Ausbildungs- und aller Arbeitsplätze - das ist kein Gnadenakt, sondern ein Beitrag zur Gerechtigkeit. Damit das Gleichberechtigungsgesetz für die private Wirtschaft seine volle Wirkung entfalten kann, wird es mit größter Sorgfalt und Zielgenauigkeit zu formulieren sein. Die Bindung der Vergabe öffentlicher Aufträge an Frauenförderung, also eine positive Sanktionierung, ist bei vielen Firmen weitgehend unstrittig. Sie haben erkannt: Frauenförderung ist Wirtschaftsförderung. Aber der Bund hat auch weitergehende Regelungskompetenz und einen entsprechenden Verfassungsauftrag. Trotzdem regen sich schon vorsorglich Widerstände wegen vermeintlich zu starker Reglementierung. Ich verstehe das, ehrlich gesagt, nicht. Es regt sich niemand auf, wenn beim Hausbau der Winkel der Dachneigung vorgeschrieben wird, wohl aber, wenn der Staat die UmIrmingard Schewe-Gerigk setzung des Grundgesetzes vorsieht. Ich frage mich: Was soll das? ({4}) Auch an den Hochschulen wollen wir das Demokratiedefizit beseitigen. Bis zum Jahre 2005 wird die Hälfte aller Professuren neu zu besetzen sein. Wir werden diesen Generationenwechsel nutzen, damit die Hochschule nicht länger eine Männerdomäne bleibt. Dem Old boys' network, das Stellen nach Gutsherrenart vergibt, setzen wir das Leitbild einer Geschlechterdemokratie entgegen, das der Staat durch entsprechende Programme und Gesetze und die Vergabe von Mitteln nach dem Grad der Frauenförderung unterstützt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist deutlich geworden, wie sehr sich die neue von der alten Politik unterscheidet. Wir werden mit Gesetzen, aber auch mit finanziellen Anreizen für Unternehmen und für Institutionen einen neuen Weg zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern einschlagen. Wir betrachten Frauenpolitik als Gesellschaftspolitik. Das hat zur Folge, daß es endlich an der Zeit ist, auch die Männerfrage zu stellen. Während sich die Frauen in den letzten Jahren ständig verändert haben, verharren die meisten Männer in alten Rollenmustern. Ich nehme jetzt ausdrücklich meinen Kollegen Christian Simmert und einen Kollegen von der F.D.P., der sich neulich geoutet hat, aus; das sind zwei Männer, die ihren Erziehungsurlaub genommen haben. Ich glaube, das ist ein positives Beispiel in diesem Hause. Sie gehören zu der seltenen Spezies von Vätern - es sind nämlich 1,8 Prozent -, die den Erziehungsurlaub nehmen. ({5}) - Ist auch jemand von der PDS dabei? ({6}) - Ja. Es ist an der Zeit, daß die Männer sich verändern. Das kann die Gesetzgebung unterstützen, zum Beispiel durch einen individuellen Anspruch auf Erziehungsurlaub oder einen Rechtsanspruch für Väter auf Teilzeitarbeit mit Option auf die Rückkehr auf den Vollzeitarbeitsplatz. Die Welt der Männer muß endlich auch als Welt von Vätern konzipiert werden. Darum wäre es konsequent, daß auf das Programm „Frau und Beruf“ ein Programm „Mann und Familie“ folgte. ({7}) Wäre das nicht ein erstrebenswertes Signal, das von diesem Internationalen Frauentag ausgehen könnte? Brot und Rosen wollten die Frauen im Jahre 1911, von allem die Hälfte wollen sie 1999. Lassen Sie uns in eine gerechtere Zukunft für die Frauen aufbrechen! Ich danke Ihnen. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun die Kollegin Ina Lenke, F.D.P.-Fraktion.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Der 8. März ist der Tag der Solidarität von Frauen für Frauen, die für ein besseres Leben und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Seit Jahrzehnten setzen sich Frauen international für Rechte von Frauen ein. Dennoch, meine ich, können wir mit der Entwicklung nicht zufrieden sein; denn das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen ist in vielen Lebensbereichen erschreckend hoch. Für mich ist nachhaltig erschreckend, daß in Gebieten, in denen Krieg herrscht, oft Frauen die Leidtragenden sind. Sie haben traumatische Erlebnisse durch Folter, Vergewaltigung und ethnische Gewalt. All dies zeigt: Beim Menschenrechtsschutz für Frauen besteht weiter enormer Handlungsbedarf. ({0}) - Ich merke an diesem Beifall: Unser Engagement für den Schutz der Menschenrechte muß in dieser Legislaturperiode wie in den anderen vorher ein Anliegen des Bundestages sein. Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch in dieser Legislaturperiode wieder mit dem Ausländergesetz befassen, mit dem Aufenthaltsrecht ausländischer Ehepartnerinnen in der Bundesrepublik. ({1}) Es geht um ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ausländischer Ehefrauen, wenn die Ehe zum Beispiel wegen Gewalttätigkeit des Mannes geschieden wird. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß die Änderungen, die der Bundestag 1997 vorgenommen hat, in der Praxis nicht umgesetzt werden und daher der Wille des Bundestages nicht widergespiegelt wird. Hier besteht nach wie vor Regelungsbedarf. ({2}) Ein immer größer werdendes Problem - wir Frauen kümmern uns darum; sicher tun das auch Männer - ist der internationale Frauenhandel. Wenn Politik nur unzureichend in der Lage ist, auf dieses verwerfliche Gebiet einzuwirken, so müssen wir ausländischen Frauen, wenn sie in der Bundesrepublik in einer Notlage sind, helfen und sie unterstützen. Ich meine, dazu gehört auch, zu überprüfen, ob das älteste Gewerbe der Welt mit Blick auf das Sozialversicherungssystem Nachteile dadurch hat, daß es als sittenwidrig gilt. Ich denke, das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir werden sicher auch in unserem Ausschuß darüber sprechen. ({3}) Liebe Kolleginnen, Frau Niehuis, die aus Niedersachsen kommt, hat eben die Rede der ersten weiblichen Abgeordneten in einem deutschen Parlament angesprochen. Auch ich hatte mich damit zu befassen. Es war die damalige Abgeordnete Marie Juchacz in der Berliner Nationalversammlung. Die Themen, die sie in ihrer Rede ansprach, sind nach wie vor aktuelle Frauenthemen: Altersversorgung, Schulwesen, Sozial- und Wirtschaftspolitik. Ich meine, diese Politikerin hat ihre Aufgabe in der Politik sehr umfassend gesehen, als Querschnittsaufgabe, was ich als Liberale - das gilt auch für andere liberale Frauen - als ungemein sympathisch ansehe. Frauenpolitik ist Querschnittspolitik. Vielleicht ist es deshalb auch für die F.D.P., die oftmals wenig Ideologie in ihrer Politik hat, ({4}) sehr schwer, Frauenpolitik in der Öffentlichkeit darzustellen. Wir Frauen müssen uns in alle Politikfelder einmischen. Ich denke, die Repräsentanz von Frauen in Parlamenten und in kommunalen Selbstverwaltungsgremien muß weiter erhöht werden. Ich kann Ihnen bestätigen, daß Sie mit Ihrer Quote Erfolg haben. Nichtsdestotrotz: Wir Liberale werden diese Quote nicht einführen. Wir werden weiter versuchen, das Problem auf anderem Wege zu lösen. ({5}) Meine Damen und Herren, zum 8. März gehört auch Art. 3 des Grundgesetzes. Ich möchte hier nur zwei Themen nennen: Frauen im Berufsleben und Frauen in der Politik. Frau Niehuis und auch Frau Schewe-Gerigk haben das Aktionsprogramm „Frau und Beruf“ angekündigt. Ich muß sagen: Das, was an Ankündigung gekommen ist, werden wir jedenfalls nicht gutheißen. Sie wollen Quotenregelungen in Betrieben ({6}) - ich habe Ihre Unterlagen gelesen -, Sie wollen für die Wirtschaft ein zwingendes Gleichstellungsgesetz mit verpflichtenden Frauenförderplänen, und Sie wollen Auftragsvergabe. Als Kommunalpolitikerin stehen mir da alle Haare zu Berge. Durch Auftragsvergabe der öffentlichen Hand nach Gutsherrinnenart wird in den Betrieben keine Handbreit mehr Frauenpolitik stattfinden. Es wird vielmehr Umgehungstatbestände geben. Sie werden das Ergebnis, das wir uns alle wünschen, so nicht erreichen. ({7}) Deshalb ist die F.D.P. der Meinung, daß Wunsch und Wirklichkeit der politischen Beschlüsse, die Sie im Bundestag gefaßt und angekündigt haben, meilenweit voneinander entfernt sind. Wir als F.D.P. wissen, daß die Benachteiligung gerade von Frauen in der Arbeitswelt ein sehr schwieriges Thema ist. Es ist heute ja schon so, daß allein die Möglichkeit, ein Kind zu kriegen, ein Einstellungs- und Aufstiegshindernis ist. Die Gesellschaft muß endlich die Lebensleistung von Frauen mit Kindern anerkennen. Das kann wirklich nicht zu ihrem eigenen Nachteil ausgehen. ({8}) Noch ein Wort zu Frauen in der Politik. Dazu habe ich heute von den Rednerinnen wenig gehört. Wir müssen uns als Frauen ganz besonders dafür einsetzen, daß Frauen, die noch nicht Politik machen, mehr Interesse und Lust bekommen, hier mitzuwirken. Wir wissen als Frauen aber auch, daß die alten, überkommenen Strukturen in der Politik auf Männer und auf den öffentlichen Dienst zugeschnitten sind. Das jedenfalls habe ich seit 1981 während meiner Zeit in der Politik erlebt. Hier müssen wir, so denke ich, selber etwas tun. Ich glaube, die Männer haben gar nicht soviel dagegen, daß wir frauen- und familienspezifische Belange überprüfen und dann versuchen, Tageszeiten der Beratungen usw. zu ändern. ({9}) - Das ist richtig. Wenn wir sie aber darauf aufmerksam machen, dann klappt es meistens. Das habe ich festgestellt. Ich habe leider keine Redezeit mehr, sonst würde ich noch auf Frau Niehuis und Frau Schewe-Gerigk bezüglich des 630-Mark-Gesetzes eingehen. Frau Niehuis hat gesagt, diese Regierung habe das Rentenniveau beibehalten. Wenn ich aber Herrn Riester höre, Frau Niehuis, der vor ungefähr 14 Tagen gesagt hat, daß dann, wenn von der neuen Regierungskoalition ein neues Rentenrecht kommt, auch die demographische Entwicklung berücksichtigt werden muß, kann ich Ihnen nur sagen: Am Altersaufbau unserer Gesellschaft werden auch Sie nicht vorbeikommen. Wir wollen einmal sehen, was Sie für Lösungsmöglichkeiten haben. Meine Herren, mehr denn je wird im neuen Jahrtausend die weibliche Perspektive gefragt sein, wenn es um eine humane Gesellschaft, wenn es um Antwort auf globale Fragen und um die Bildung und die Demokratisierung unserer Gesellschaft geht. Darin sollten kluge Männer eine Chance für uns alle sehen. Vielen Dank. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat das Wort die Kollegin Petra Bläss, PDS-Fraktion.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sosehr ich es auch bedauere, daß unser Parlament meist nur anläßlich des Internationalen Frauentages eine grundsätzliche frauenpolitische Debatte auf der Tagesordnung hat, so sehr begrüße ich ebendiese, weil ich sie für hochaktuell und notwendig halte. Das Desinteresse vor allem vieler Kollegen in diesem Haus an einer Verständigung zur Gleichstellung der Geschlechter holt mich allerdings einmal mehr knallhart auf den Boden der Tatsachen zurück. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in vielen Punkten kann ich den Zustandsbeschreibungen meiner Vorrednerinnen tatsächlich zustimmen und ich will noch eins draufsetzen: Millionen Frauen, die im gesellschaftlichen Produktionsprozeß tätig sind, Millionen Frauen, die als Mütter Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen, die als Hausfrauen die schwersten Pflichten übernehmen, erheben mit allem Nachdruck Anspruch auf soziale und politische Gleichberechtigung. Sie werden es nicht glauben, aber dieses Zitat ist stolze 88 Jahre alt. Es stammt aus der Resolution, die Frauen 1911 anläßlich des ersten Internationalen Frauentages verabschiedeten. Daß diese Worte heute noch so zutreffend sind, zeigt, wo wir bei der Durchsetzung der Gleichberechtigung in der Welt, aber auch in unserem Land stehen. Ich sage an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit: Wenn es keinen wirklichen Bruch mit den patriarchalen Strukturen gibt, wird sich daran auch nichts ändern, nirgendwo in der Welt, auch nicht bei uns. ({1}) Alles, was wir zu Fördermaßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern gesagt haben, muß nun endlich umgesetzt werden. Es reicht aber trotzdem nicht; es ändert die Strukturen und daraus resultierend die konkreten Diskriminierungstatbestände für Frauen im Alltag nicht grundlegend. Wir, die Mitglieder des Bundestages, sollten nicht länger zulassen, daß hier begeistert über die fortschreitende Globalisierung diskutiert wird und dabei die Rechte von Frauen schlicht und einfach hinten herunterfallen. Es darf nicht länger angehen, daß über Wirtschaft geredet wird, ohne die Mitbestimmung von Frauen im Auge zu haben; daß über Arbeitslosigkeit debattiert und nicht vorrangig über wirksame Maßnahmen zur Eindämmung der Frauenarbeitslosigkeit beraten wird; daß über die Europäische Währungsunion gestritten wird, ohne den sozialen Status von Frauen in Europa im Blick zu haben; daß über Menschenrechte gesprochen wird, ohne über wirkungsvolle Schritte zur Zurückdrängung der männlichen Gewalt gegen Frauen zu entscheiden. Der Frauentag ist und bleibt ein Kampftag. Auch am Internationalen Frauentag 1999, also unmittelbar an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, hat der Kampf für die ökonomische Eigenständigkeit und das Selbstbestimmungsrecht der Frau gegen die Zurückdrängung männlicher Gewalt gegen Frauen und für die Aufbrechung patriarchaler Machtverhältnisse höchste Priorität. ({2}) Wir werden keine wirkliche menschliche Emanzipation ohne die tatsächliche Befreiung der Frau erreichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begehen in diesem Jahr den 50. Jahrestag des Deutschen Bundestages. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang die Leistung der Parlamentarierinnen gewürdigt. Aber wir Frauen, die wir hier und heute im Parlament sitzen, müssen darüber hinaus dafür Sorge tragen, daß von dieser notwendigen Würdigung Impulse ausgehen, die endlich eine neue Etappe der Gleichstellung der Geschlechter einleiten. Die Zeit ist reif - auch in unserer Verantwortung auf dem Wege nach Europa und in Solidarität zu allen Frauen der Welt. ({3})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat das Wort die Kollegin Ulla Schmidt, SPD-Fraktion.

Ulla Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002019, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zum Rednerpult gegangen, weil ich noch einmal auf das eingehen wollte, was die Kollegin Lenke gesagt hat. Sie haben zu Recht ausgeführt, daß das, was Marie Juchacz gesagt hat, heute noch aktuelle Themen sind. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß wir uns deswegen auch mit der Realität auseinandersetzen müssen. Ich glaube, wenn wir aus Anlaß des Internationalen Frauentages heute diskutieren, dann sollten doch zumindest wir Frauen in diesem Parlament ehrlich miteinander umgehen. Kollegin Sothmann, wir können über vieles reden. Wir alle wissen, daß es für jede Frau schwierig ist, patriarchalische Strukturen aufzubrechen, tatsächliche Einbrüche in die Männerwelt vorzunehmen und eine Bewußtseinsveränderung zu bewirken. Sie könnten hier stehen und sagen: Es gibt eine Bilanz, und diese hat etwas damit zu tun, daß wir nie eine Mehrheit in diesem Parlament hatten, um wirklich frauenpolitische Initiativen durchzusetzen. Aber so zu tun, als sei die Wirklichkeit gut und alles, was nicht gut sei, müsse eine neue Bundesregierung innerhalb von 100 Tagen verbessern und dabei die Gesellschaft umkrempeln, ist nicht mehr ehrlich. Auf diese Art und Weise kommen wir überhaupt nicht weiter. ({0}) Ehrlich ist es, wenn die Kollegin Lenke sagt, daß die F.D.P. die Förderung von Frauen in der Privatwirtschaft, die wir vorhaben, ablehnt. Sie will keine gesetzliche Reglementierung. Darüber können wir streiten. Wir glauben auf Grund der gesellschaftlichen Erfahrungen, daß wir die gesetzlichen Reglementierungen brauchen; denn diese Gesellschaft hatte jahrelang Zeit, Frauen freiwillig eine gleichberechtigte Position innerhalb der Wirtschaft einnehmen zu lassen. Wir sind hochqualifiziert. Ich bin fest davon überzeugt: Der Mangel an Frauen in politischen Führungsämtern, in Spitzenämtern des öffentlichen Dienstes und der privaten Wirtschaft hat doch damit zu tun, daß wir im öffentlichen und im wirtschaftlichen Leben noch nicht die Chancen haben, die uns auf Grund unserer Ausbildung und unserer Qualifikationen zustehen. Deshalb sage ich: Bei dieser Bundesregierung ändert sich doch das Bild. Seien Sie doch einmal ehrlich: Wer hat denn schon einmal gesehen, daß bei einer Frauendebatte so viele auf der Regierungsbank sitzen? Ich nicht, solange ich hier bin. ({1}) Welche Regierung hat denn erstmals fünf Ministerinnen gestellt? In den fast 50 Jahren Bundesrepublik Deutschland hat es insgesamt 16 Ministerinnen gegeben, in der neuen Bundesregierung sind es fünf. Nun kann man zwar sagen, daß es uns immer noch zuwenig ist. Mir ist es auch zuwenig; ich hätte gern die Hälfte. Aber ein Drittel ist besser als überhaupt nichts, und zusätzlich sind es noch sieben Parlamentarische Staatssekretärinnen, erstmals zwei beamtete Staatssekretärinnen und eine stellvertretende Regierungssprecherin. Es bringt uns Frauen aber nicht weiter, uns wechselseitig Vorwürfe zu machen. Vielmehr sollten wir hier deutlich machen, wo wir etwas ändern und etwas in dieser Gesellschaft aufbrechen müssen. Lassen Sie uns wenigstens an diesem Tag ehrlich miteinander umgehen. Das, was wir heute bilanzieren, ist auch ein Ergebnis Kohlscher Politik, der die Frauen weiterhin vor allen Dingen auf die Familie reduzieren und nicht als selbständige Personen ansehen wollte, die in der Lage sind, ihre Existenz zu sichern. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat Frau Professor Dr. Rita Süssmuth, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002287, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade gedacht: Inzwischen laufen auch zwischen uns die Rituale ab, die wir als Frauen immer bekämpft haben. Ich glaube nicht, daß uns das in der Gesellschaft, aber auch hinsichtlich der Kultur, die wir im Parlament pflegen sollten, weiterbringt. ({0}) Es geht nicht an, daß jetzt die einen erklären, Helmut Kohl und seine Regierung seien an allem Schuld, sie selbst seien aber die allerbesten. ({1}) Ich wäre an Ihrer Stelle eben auch ein bißchen vorsichtiger gewesen, Frau Niehuis; denn auch Sie haben, bevor die Regierung gebildet wurde, andere Vorstellungen gehabt, als jetzt verwirklicht werden, da die Regierung gebildet worden ist. ({2}) Das enthebt uns alle nicht der Selbstkritik. Wir sollten aber aufpassen, daß der Frauentag nicht von uns selbst zum Ritual gemacht wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ulla Schmidt, Frau Süssmuth?

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002287, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr, Frau Schmidt.

Ulla Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002019, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Süssmuth, würden Sie mir zugestehen, daß ich das, was Sie eben gesagt haben, nicht vorgetragen habe? Ich habe gesagt, es sei ein Anfang gemacht worden, und er sei insofern besser als das, was vorher war. Ich bin damit nicht zufrieden, und wir Frauen können damit nicht zufrieden sein, weil wir die Hälfte haben wollen. Aber dann lassen Sie uns eine ehrliche Bilanz ziehen, statt so zu tun, als wäre vorher alles gut gewesen. In 100 Tagen kann die Gesellschaft nicht verändert werden. Das ist ein Unterschied zu dem, was Sie jetzt ansprechen.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002287, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Kollegin Schmidt, Sie können davon ausgehen, daß CDUKolleginnen und CSU-Kolleginnen genauso selbstkritisch wie Sie sind ({0}) und daß uns nicht im Traum einfällt, zu sagen, es sei alles gut, wir brauchten nichts mehr zu verändern. Andernfalls würden wir hier wahrscheinlich auch nicht stehen und unsere Forderungen erheben. Trotzdem bleibt richtig, daß wir, obwohl es noch nie so viele Parlamentarierinnen in diesem Deutschen Bundestag und eine so hohe Zahl von Frauen in der Regierung gab wie heute, nicht im Machtzentrum angekommen sind. Wir haben lediglich mehr Beteiligung erreicht. Ich glaube, das wird niemand bestreiten. ({1}) 1910 wurde der Internationale Frauentag ausgerufen. Damals ging es um die Frage Revolution oder Reform. Ulla Schmidt ({2}) Damals wurde von Geburtenstreik geredet. Aus den Texten von Clara Zetkin geht hervor, daß sie meilenweit von jeder bürgerlichen Reform entfernt war. Sie quälte sich durch einen Zwanzigstundentag und war davon überzeugt, daß eine Veränderung nur durch eine Revolution erfolgen könne. Gegangen wurde in diesem Jahrhundert hingegen der Weg der Reformen, wobei ich betonen möchte, daß nur wenige Reformen uns Frauen freiwillig zugestanden wurden. Wenn wir nicht über den Kampf zu Regelungen kamen, haben wir weitgehend auf der Stelle gestanden. Dies ist die letzte Debatte zum Frauentag in diesem Jahrhundert. Wir sollten uns davor hüten, in Geschichtslosigkeit zu verfallen. ({3}) Wenn unsere jungen Frauen sagen, der Feminismus liegt hinter uns, wir brauchen ihn nicht mehr, dann möchte ich das Zitat der Amerikanerin Groult, wie es diese Woche im „Spiegel“ steht, hier aufnehmen: Wartet ab, bis sie in das Arbeitsleben kommen, und sie werden erfahren, wie sehr nach wie vor Diskriminierungen gegeben sind. ({4}) Deswegen gehört es auch in diese letzte Debatte, denen zu danken, die schon Jahre vor uns lange gestritten haben. ({5}) Man darf nicht sagen, man könne die Generation der „Damaligen“ - viele von uns gehören dazu - vergessen, die hinderten uns nur auf unserem Weg. Ich wünschte mir, daß Demokratie und Beteiligung von Frauen nicht dazu führt, daß man immer unpolitischer wird und es einigen wenigen überläßt, sich dafür einzusetzen, sondern daß sich alle Frauen - bei all den Mühen, die zur Demokratie und zur Veränderung gehören - daran beteiligen. Ich erlebe von heutigen Frauen weit weniger kämpferisches Engagement, als es diejenigen aufzuweisen hatten, die die Frauenfrage wirklich vorangebracht haben. Das gilt für die erste wie auch für die zweite Frauenbewegung. Mir ist wichtig - darauf möchte ich in diesen wenigen Minuten noch hinweisen -, daß wir uns auch einmal fragen: Warum ist es beispielsweise in einigen nordischen Ländern auch ohne Regelverfahren gegangen und bei uns nicht? Warum gibt es eine Reihe von Ländern, die trotz höherer Erwerbsbeteiligung weniger Geburtenschwund und weniger Probleme damit haben, daß auch Kinder zu ihrem Recht kommen und daß auch Berufstätige Kinder haben können? Das hat schon eine Menge mit Prioritäten zu tun, die wir in unserem Land gesetzt haben. Ich bin im Unterschied zu einigen anderen der Auffassung - ich sage das auch für meine eigene Fraktion -: Ohne Quote wären wir noch weniger weit, als wir es jetzt sind. Deswegen bedarf es bei uns der Regelverfahren. ({6}) Warum? - Weil wir in der deutschen Gesellschaft sehr lange gebraucht haben, uns von einem sehr überkommenen Frauenbild zu lösen. Dabei haben uns auch die Kirchen - eigentlich die Hauptförderer der menschlichen Person - nicht weitergeholfen; vielmehr haben sie vieles behindert. ({7}) Es hat lange gedauert, bis sie Standpunkte von heute eingenommen haben. Deswegen sind die Hauptfrauenfragen heute nicht die Fragen, die nur die Frauen selbst betreffen. In Probleme geraten die Frauen in aller Regel, wenn sich die Frauenfrage mit der Kinderfrage verbindet. Da wir diesen Konflikt nicht gelöst haben, haben wir auch entscheidende Beteiligungs- und Strategieprobleme nicht gelöst. Deswegen ist die Vereinbarkeit ein zentrales Problem. Ich sage in diesem Zusammenhang allerdings auch einmal: Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz mag zu wenig sein - er ist in Deutschland trotzdem sehr spät durchgesetzt worden. ({8}) Das gilt auch für alle Formen der familienfreundlichen Arbeitszeitregelung. Was den Betrieben alles einfällt, wenn sie Führungskräfte benötigen, ist beachtlich. Deswegen würde ich nicht ganz so zögerlich sein. Bei Auszubildenden binden wir das an Auflagen. Bei Frauen ist das gleich immer ein gravierendes Problem. So ist es in der Alterssicherung, so ist es in der gerechten Bewertung der Familienarbeit. Wenn es um Frauen geht, kommt sofort der Einwand: Das ist nicht bezahlbar. - In dieser Gesellschaft ist aber vieles bezahlbar, und wenn man Interesse daran hat, geht es auch sehr schnell. Wir mögen die GEW kritisieren, daß sie sagt, wie auch in anderen Ländern sollte die Kinderbetreuung genauso kostenfrei sein wie die Grundschule und die weitere Schulausbildung. Aber ist das denn eigentlich so abwegig? ({9}) Es ist zur Zeit nicht durchsetzbar; aber wenn wir alle Forderungen nur dann stellen würden, wenn sie durchsetzbar sind, dann verändert sich überhaupt nichts. ({10}) Deswegen sage ich noch einmal: Wir haben es mit zwei zentralen Problemen zu tun; eines davon ist das Vereinbarkeitsproblem. Wir sollten bitte zur Kenntnis nehmen - Frau Niehuis hat schon die Studie der KonradAdenauer-Stiftung thematisiert -: Es geht nicht mehr darum, daß wir ein Modell für alle schaffen. Es gibt unterschiedliche Lebensoptionen. Wir brauchen mehr Flexibilität beim Erziehungsgeld, wir brauchen eine Aufwertung der Familienarbeit, und wir brauchen eine bessere Vereinbarkeit auch und gerade hinsichtlich der Kinderbetreuung. Das kann nicht nur eine Aufgabe des Staates sein, sondern das ist eine Aufgabe der Gesamtgesellschaft. Dazu gehören die Unternehmen. Es kann nicht sein, daß alle Sozialaufgaben Aufgabe des Staates sind und das Wirtschaften die einzige Frage ist, die die Unternehmen interessiert; vielmehr gehören die beiden zusammen. ({11}) Ich wünsche mir darüber hinaus, daß wir - das ist eben zu Recht von der Kollegin aus der F.D.P. genannt worden - das Internationale nicht aus dem Blick verlieren. Frauenrechte und Menschenrechte gehören zusammen. Ich bin sehr froh, daß wir gerade in den Bereichen Gewalt, Pornographie, sexuelle Mißhandlung und Frauenhandel fraktionsübergreifend gearbeitet haben. Kulturen können sich nicht darauf zurückziehen, daß es eine kulturelle Eigenart sei, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden. Ich nenne das Beispiel der Beschneidung. ({12}) Ich wünsche mir, daß aus dem Gleichstellungsprogramm nicht nur so etwas wie ein Verordnungsprogramm für Männer wird, sondern daß die Männer angesichts der Veränderungen, die sich bei Frauen in hohem Maße vollzogen haben, endlich begreifen, daß darin eine Chance liegt; denn wenn sie es nicht für sich selbst annehmen, dann stehen sie ihrer eigenen Entwicklung im Weg. ({13}) Ich glaube, daß es nur einen einzigen Weg gibt: Wir dürfen in der Sozial- und Familienpolitik nicht länger Frauenlösungen schaffen, sondern müssen nach Lösungen suchen, die für Männer und Frauen akzeptabel sind. Anders werden wir es nicht schaffen. Ich danke Ihnen. ({14})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat die Kollegin Hanna Wolf von der SPD-Fraktion.

Hanna Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002553, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Süssmuth, Sie haben gefragt, warum es in Deutschland nicht so wie in den skandinavischen Ländern ist. Die Antwort haben die Wählerinnen und Wähler beim letztenmal gegeben: ({0}) weil die alte Bundesregierung nur Forderungen gestellt hat und keine Taten hat folgen lassen. Das hat sich dann im Wahlergebnis ausgedrückt. Die Kohl-Regierung wurde abgewählt. ({1}) Wir haben heute auch die Aufgabe, in dieser Debatte zu sagen, was die neue Bundesregierung will. Dazu werde ich einige Ausführungen machen. Frauen wollen keine Frauenecke reserviert bekommen. Sie wollen, daß Gesellschaftspolitik gemacht wird. Das wollen wir heute in der Debatte unterstreichen. Ich will gleich mit dem für die Union heißesten Eisen beginnen, mit dem, was Sie Schutz von Ehe und Familie nennen. Frau Eichhorn und Frau Rönsch - Frau Rönsch ist da; Frau Eichhorn sehe ich nicht; aber ich wende mich auch an sie; ({2}) - ich will es gar nicht kritisieren; ich sage nur, daß ich sie jetzt beide anspreche -, Sie haben familienpolitische Leitlinien erstellt. Dazu kann ich nur sagen: Wenn das keine Ideologie ist, dann weiß ich nicht mehr, was Ideologie ist. ({3}) Mit Ihren Vorstellungen zementieren Sie Ungleichheit; letztendlich zerstören Sie auch Familien. Sie erwähnen Ehe und Familie immer in einem Atemzug. Daraus entstehen viele Ihrer Denkfehler; denn nicht alle Ehepaare haben Kinder. Selbstverständlich werden wir sowohl die Ehe als auch die Familie schützen. Die Frage aber ist: Welcher Schutz ist notwendig? Was gewährt Schutz? Welche vermeintlich schützenden Maßnahmen verkehren sich ins Gegenteil? Wo steht in der Verfassung geschrieben, daß sich allein der Trauschein in massiven fiskalischen Privilegien, also in Mark und Pfennig der Steuerzahler, ausdrücken muß? ({4}) Diese Privilegien sind um so höher, je größer die Ungleichheit der Ehepartner ist. Das heißt, das Alleinverdienerehepaar wird staatlich am höchsten subventioniert. Ein Spitzenverdiener kann da mehr als 20 000 DM sparen. Man kann sich ausrechnen, daß der Mann - er ist es ja meistens - dann kein Interesse daran hat, daß seine Frau, die ihm auch noch den Rücken freihält, erwerbstätig wird. Das sind Abhängigkeitsstrukturen in einer Ehe, die auch der Ehe nicht guttun können. Insoweit widersprechen sich zwei Verfassungsgebote: das Gleichberechtigungsgebot nach Art. 3 und der Schutz der Ehe nach Art. 6 des Grundgesetzes. Ein Steuerrecht, das auf Abhängigkeitsstrukturen baut, verfestigt persönliche und gesellschaftliche Ungleichheit. Das Steuerrecht kann zwar nicht alles heilen, aber es sollte zumindest nicht alles verderben. Deshalb müssen wir beim Steuerrecht ansetzen, um die gesellschaftliche Ungleichheit von Männern und Frauen endlich zu korrigieren. ({5}) Nun behauptet die Union, wir wollten das Ehegattensplitting ersatzlos streichen. Anders sind die Vorwürfe, wir würden damit Familien und Kinder benachteiligen, nicht zu verstehen. Wir wollen aber genau das Gegenteil: Wir wollen nämlich eine Umschichtung zugunsten der Familien. Familie definieren wir bekanntermaßen als das Zusammenleben von Erwachsenen mit Kindern, egal ob mit oder ohne Trauschein. Es geht einfach um die Kinder. ({6}) Ihre Politik war es doch, die die Quittung des Bundesverfassungsgerichtes bekommen hat. Ausgerechnet Sie haben verheiratete Eltern im Steuerrecht benachteiligt. Weder der Betreuungsbedarf noch der Erziehungsbedarf der Kinder wurde für verheiratete Eltern angemessen berücksichtigt. Wir wollen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes umsetzen. Die Union behauptet, wir würden Frauen keine Wahlfreiheit lassen. Wie sieht denn diese Wahlfreiheit aus? Für Männer ist es selbstverständlich, daß sie berufstätig sind. Bei Frauen wird dies nur hingenommen, wenn sie keine Familie haben. Die Wahlfreiheit ist für Frauen also sehr eingeschränkt. Daneben drückt sich diese Benachteiligung noch in der unterschiedlichen Bezahlung aus. Das Verfassungsgericht spricht eine andere Sprache. Die Frau Staatssekretärin hat den entsprechenden Satz schon zitiert. Aber auch ich möchte ihn erwähnen, weil er für mich eine Aufforderung an dieses Parlament ist, etwas zu ändern: Der Staat hat ... dafür Sorge zu tragen, daß es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbsarbeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbsarbeit miteinander zu verbinden. Dieser Punkt führt zur Wahlfreiheit, wenn er im Steuerrecht berücksichtigt wird. ({7}) Beide Elternteile sind also beim Betreuungs- und Erziehungsbedarf gemeint. Welche Möglichkeiten der Betreuung hat denn die letzte Regierung den Eltern geboten? Wo ist die pädagogisch attraktive und ausreichende öffentliche Infrastruktur für die Kinderbetreuung? ({8}) - Ich wußte, daß jetzt der Hinweis auf die Länder kommt. So einfach kann es sich das Parlament aber nicht machen. Wir waren ehrlicher und haben in den Koalitionsvertrag geschrieben, daß wir uns verpflichtet fühlen, die öffentlichen Einrichtungen für Kinderbetreuung mit zu stützen. Bis jetzt hat noch keine Bundesregierung zugegeben, daß sie etwas für die Versorgung und damit für die Erfüllung dieses Verfassungsauftrages tun muß. ({9}) Man kann wirklich sagen, daß die Union und die F.D.P. die Kinderbetreuung und -erziehung privatisiert haben. Sie haben gerade die Mütter allein gelassen. Wir wollen, daß Frauen genauso selbstverständlich am Erwerbsleben teilhaben wie Männer. Frau Süssmuth, wir wollen wenigstens den Standard erreichen, den die übrigen Industrieländer schon erreicht haben. Deshalb müssen wir in diesem Bereich tätig werden. Wir wollen ein Steuerrecht, das die Familien stärkt und die Berufstätigkeit von Frauen unterstützt, ein Gleichstellungsgesetz auch für die Privatwirtschaft, das seinen Namen verdient. Gerade dort muß die Gleichstellung unterstützt werden. Wir werden ein Gesetz mit der Wirtschaft, nicht gegen die Wirtschaft machen. Sie werden sich noch wundern. ({10}) Wir wollen Elternurlaub und Elterngeld und auch den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit endlich umsetzen. Dies ist nicht nur für die Frauen, sondern auch für die Männer attraktiv. Zum Schluß muß ich noch ein Thema ansprechen, das wir alle gemeinsam aufgegriffen und wofür wir uns eingesetzt haben. Wir wollen Gewalt überall bekämpfen, nicht nur dort, wo sie sichtbar ist. Frau Eichhorn und Frau Rönsch, in diesem Zusammenhang muß ich Sie leider ansprechen. Wir haben mit großer Mehrheit, also mit Stimmen aus allen Fraktionen, in diesem Parlament endlich ein Gesetz verabschiedet, das die Vergewaltigung in der Ehe genauso bestraft wie die Vergewaltigung außerhalb der Ehe. ({11}) Sie, Frau Rönsch und Frau Eichhorn, haben mit Nein gestimmt. Daher frage ich mich: Ist Ihre Auffassung Hanna Wolf ({12}) noch glaubwürdig, daß Sie die Opfer und nicht die Täter schützen wollen? ({13}) Ehrlicherweise muß man im Rahmen einer Debatte über Gewalt auch dieses Abstimmungsverhalten erwähnen. Bei der Bekämpfung der Gewalt werden die Justizministerin und die Frauenministerin sehr eng zusammenarbeiten. Wir brauchen einen nationalen Aktionsplan, der sich gegen Gewalt gegen Frauen richtet. Frauenhäuser bleiben zwar unverzichtbar; allerdings dürfen Schutzwohnungen und Frauenhäuser nicht Langzeitaufenthaltsräume für Frauen sein. Wir wollen endlich ein Gesetz schaffen, mit dem erreicht werden kann, daß Frauen mit Kindern, die Gewalt ausgesetzt waren, die gemeinsame Wohnung zugewiesen bekommen. Der Täter soll die gemeinsame Wohnung verlassen, nicht mehr die Opfer, nicht mehr die Frauen mit den Kindern. ({14}) Das haben wir lange in diesem Parlament eingefordert. Sie haben es nicht durchgesetzt. Wir werden es durchsetzen. Wir werden den Frauen- und Kinderhandel verstärkt bekämpfen. Hierin waren wir uns immer einig. Aber wir müssen dafür auch die Mehrheiten haben. Jetzt haben wir endlich die Mehrheit, um das Problem angehen zu können. ({15}) Wir wollen auch das Zeugenschutzprogramm angehen, um damit den Menschenhandel endlich auch gerichtlich verfolgen zu können. Dazu gehört, daß wir die Abschiebung von Frauen, die Opfer des Menschenhandels geworden sind, aussetzen, damit sie als Zeugen überhaupt zur Verfügung stehen. Wenn wir das nicht machen, schützen wir wieder die Täter. Wir werden - ich freue mich, daß die F.D.P. hier mitmacht - endlich die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten verbessern. Die in diesem Bereich herrschende Doppelmoral ist schon lange unerträglich. Alle Fraktionen haben zu diesem Thema immer sehr engagiert geredet. Nur zur Abstimmung ist es nicht gekommen. Auch das hat die alte Regierung nicht geschafft. Wir werden das machen. ({16}) Sie machen lieber Unterschriftsaktionen, damit Sie sagen können, daß Sie sich mehr um dieses Thema als um andere kümmern wollen. Das ist Ihr altes Strickmuster: Hier so reden und draußen Unterschriften sammeln. Wir werden die Härtefallklausel im Ausländerrecht so gestalten, daß die Opfer durch den entsprechenden Paragraphen geschützt werden und nicht die Täter. Deshalb werden wir die allgemeine Wartefrist von vier auf zwei Jahre herabsetzen und die Ausführungsführungsbestimmungen der Härtefallklausel so gestalten, daß die Opfer tatsächlich hierbleiben können. Zum Schluß noch ein Wort zur Abtreibungsproblematik. Wir haben auch hier nach vielen Jahrzehnten des Ringens eine abschließende Regelung getroffen. Nun hat auch die Mehrheit der deutschen katholischen Bischöfe beschlossen, in der Beratung zu bleiben. Das begrüßen wir. Ob der Papst dies akzeptieren wird, wissen wir nicht. Fest steht jedoch, daß nicht Rom der deutsche Gesetzgeber ist. Wir werden also die Frauen nicht im Stich lassen und Gesetze erlassen, mit denen der Anspruch der Frauen auf Gleichberechtigung in diesem Land auch verwirklicht werden kann. Vielen Dank. ({17})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schließe die Aussprache und danke insbesondere den Männern, die an dieser Debatte teilgenommen haben. Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis zweier namentlicher Abstimmungen bekanntgeben. Namentliche Abstimmung Nr. 7. Es handelt sich hier um den F.D.P.- Entschließungsantrag, Drucksache 14/465. Abgegebene Stimmen 589. Mit Ja haben gestimmt 276, mit Nein haben gestimmt 313, Enthaltungen keine. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 587; davon ja: 276 nein: 311 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({0}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({1}) Hartmut Büttner ({2}) Peter H. Carstensen ({3}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Hanna Wolf ({4}) Dirk Fischer ({5}) Axel Fischer ({6}) Dr. Gerhard Friedrich ({7}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({8}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({9}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({10}) ({11}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({12}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({13}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({14}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({15}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({16}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({17}) Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({18}) Elmar Müller ({19}) Bernd Neumann ({20}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({21}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Christa Reichard ({22}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({23}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({24}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({25}) Andreas Schmidt ({26}) Hans Peter Schmitz ({27}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({28}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Andrea Voßhoff Peter Weiß ({29}) Gerald Weiß ({30}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({31}) Hans-Otto Wilhelm ({32}) Willy Wimmer ({33}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({34}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({35}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({36}) Dr. Karlheinz Guttmacher Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Jürgen W. Möllemann Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({37}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk PDS Monika Balt Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({38}) Rosel Neuhäuser Petra Pau Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Nein SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({39}) Klaus Barthel ({40}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({41}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Vizepräsident Rudolf Seiters Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({42}) Bernhard Brinkmann ({43}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({44}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({45}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({46}) Lilo Friedrich ({47}) Harald Friese Anke Fuchs ({48}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({49}) Angelika Graf ({50}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({51}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({52}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({53}) ({54}) Frank Hofmann ({55}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({56}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({57}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({58}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({59}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({60}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({61}) Jutta Müller ({62}) Christian Müller ({63}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({64}) Gerhard Neumann ({65}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({66}) Birgit Roth ({67}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({68}) Ulla Schmidt ({69}) Silvia Schmidt ({70}) Dagmar Schmidt ({71}) Wilhelm Schmidt ({72}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({73}) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({74}) Brigitte Schulte ({75}) Reinhard Schultz ({76}) Volkmar Schultz ({77}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({78}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({79}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({80}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({81}) Jürgen Wieczorek ({82}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({83}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({84}) Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({85}) Waltraud Wolff ({86}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({87}) Marieluise Beck ({88}) Volker Beck ({89}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({90}) Joseph Fischer ({91}) Vizepräsident Rudolf Seiters Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske ({92}) Kerstin Müller ({93}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({94}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({95}) Werner Schulz ({96}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({97}) Margareta Wolf ({98}) Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({99}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Namentliche Abstimmung Nr. 8. Es handelt sich hier um den Entschließungsantrag der PDS, Drucksachen 14/442 und 14/451. Abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 30, ({100}) mit Nein haben gestimmt 557, Enthaltungen keine. Der Entschließungsantrag ist ebenfalls abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 585; davon ja: 30 nein: 555 Ja F.D.P. Dr. Helmut Haussmann PDS Monika Balt Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({101}) Rosel Neuhäuser Petra Pau Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Nein SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({102}) Klaus Barthel ({103}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({104}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({105}) Bernhard Brinkmann ({106}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({107}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({108}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({109}) Lilo Friedrich ({110}) Harald Friese Anke Fuchs ({111}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({112}) Angelika Graf ({113}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({114}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({115}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({116}) ({117}) Frank Hofmann ({118}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({119}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({120}) Vizepräsident Rufolf Seiters Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({121}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({122}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({123}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({124}) Jutta Müller ({125}) Christian Müller ({126}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({127}) Gerhard Neumann ({128}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({129}) Birgit Roth ({130}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({131}) Ulla Schmidt ({132}) Silvia Schmidt ({133}) Dagmar Schmidt ({134}) Wilhelm Schmidt ({135}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({136}) Olaf Scholz Fritz Schösser Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({137}) Brigitte Schulte ({138}) Reinhard Schultz ({139}) Volkmar Schultz ({140}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({141}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({142}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({143}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({144}) Jürgen Wieczorek ({145}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({146}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({147}) Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({148}) Waltraud Wolff ({149}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({150}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({151}) Hartmut Büttner ({152}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({153}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Dirk Fischer ({154}) Axel Fischer ({155}) Dr. Gerhard Friedrich ({156}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({157}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({158}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({159}) ({160}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({161}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({162}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({163}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({164}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({165}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({166}) Dr. Michael Meister Vizepräsident Rudolf Seiters Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({167}) Elmar Müller ({168}) Bernd Neumann ({169}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({170}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Christa Reichard ({171}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({172}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({173}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({174}) Andreas Schmidt ({175}) Hans Peter Schmitz ({176}) Michael von Schmude Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({177}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Andrea Voßhoff Peter Weiß ({178}) Gerald Weiß ({179}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({180}) Hans-Otto Wilhelm ({181}) Willy Wimmer ({182}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({183}) Marieluise Beck ({184}) Volker Beck ({185}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({186}) Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske ({187}) Kerstin Müller ({188}) Winfried Nachtwei Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({189}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({190}) Werner Schulz ({191}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({192}) Margareta Wolf ({193}) F.D.P. Hildebrecht Braun ({194}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({195}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({196}) Dr. Karlheinz Guttmacher Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Jürgen W. Möllemann Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({197}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({198}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Wir kommen zu den Überweisungen in vereinfach- tem Verfahren ohne Debatte. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a und 12 b so- wie die Zusatzpunkte 3a und 3b auf: 12. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes - Drucksache 14/389 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({199}) Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. Oktober 1997 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über die Seeschiffahrt - Drucksache 14/390 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({200}) Finanzausschuß Vizepräsident Rudolf Seiters ZP 3a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes - Drucksache 14/445 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß ({201}) Innenausschuß b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marlies Pretzlaff, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Norbert Blüm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU 5 Jahre nach Kairo: Umsetzung der Beschlüsse der Konferenz der Vereinten Nationen zu Weltbevölkerung und Entwicklung 1994 - Drucksache 14/446 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({202}) Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Der Koalitionsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes auf Drucksache 14/445 - Zusatzpunkt 3a - soll zusätzlich an den Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuß für Gesundheit und den Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen jetzt zu abschließenden Beratungen ohne Aussprache. Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 a auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes ({203}) - Drucksache 14/18 ({204}) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({205}) - Drucksache 14/359 Berichterstattung: Abgeordnete Wolfgang Grotthaus Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache 14/359, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über diesen Gesetzentwurf abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Enthaltung der PDS mit den Stimmen des ganzen Hauses abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 13b: Beratung des Antrags der Bundesregierung Ausnahme von dem Verbot der Zugehörigkeit zu einem Aufsichtsrat für ein Mitglied der Bundesregierung - Drucksache 14/357 Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 13c: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({206}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Zwischenbericht über das Gemeinschaftsprogramm für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ({207}) - Drucksachen 14/74 Nr. 2.82, 14/393 Berichterstattung: Abgeordnete Leyla Onur Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 13d: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({208}) Sammelübersicht 18 zu Petitionen - Drucksache 14/410 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der PDS ist die Sammelübersicht 18 mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen. Tagesordnungspunkt 13e: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({209}) Sammelübersicht 19 zu Petitionen - Drucksache 14/411 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei gleichem Stimmenverhältnis wie zuvor ist die Sammelübersicht 19 angenommen. Tagesordnungspunkt 13f: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({210}) Sammelübersicht 20 zu Petitionen - Drucksache 14/412 Vizepräsident Rudolf Seiters Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 20 ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen. Tagesordnungspunkt 13 g: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({211}) Sammelübersicht 21 zu Petitionen - Drucksache 14/413 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 21 ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen. Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesordnung um die Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zu dem Abkommen mit dem Sekretariat des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung zu erweitern. Über den Gesetzentwurf soll jetzt gleich ohne Aussprache abgestimmt werden. Sind Sie mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. Damit rufe ich den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 5 auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. August 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinten Nationen und dem Sekretariat des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung über den Sitz des Ständigen Sekretariats des Übereinkommens - Drucksache 14/228 ({212}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({213}) - Drucksache 14/468Berichterstattung: Abgeordnete Adelheid Tröscher Klaus-Jürgen Hedrich Dr. Angelika Köster-Loßack Joachim Günther ({214}) Carsten Hübner Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung empfiehlt auf Drucksache 14/468, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte dieje- nigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen. Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 6a und 6b auf: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse - Drucksache 14/280 ({215}) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({216}) - Drucksache 14/441 - Berichterstattung: Abgeordnete Birgit Schnieber-Jastram bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({217}) - Drucksache 14/458 - Berichterstattung: Abgeordnete Dietrich Austermann Dr. Christa Luft Dr. Konstanze Wegner Dr. Antje Hermenau b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({218}) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Beschäftigung fördern - soziale Sicherung verbessern - Flexibilisierung erhalten - Drucksachen 14/290, 14/441 Berichterstattung: Abgeordnete Birgit Schnieber-Jastram Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache über den Gesetzentwurf namentlich abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Ich gebe das Wort der Kollegin Leyla Onur, SPD-Fraktion.

Leyla Onur (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, obwohl mich eine Grippe kalt erwischt hat, sage ich: Heute ist ein wundervoller Tag, weil wir nämlich ein weiteres Wahlversprechen ({0}) mit der Beschlußfassung zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse einlösen werden. ({1}) Wir haben im Wahlprogramm und konsequenterweise auch in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, daß Vizepräsident Rudolf Seiters wir den Mißbrauch der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse stoppen werden. ({2}) Genau das tun wir mit unserem Gesetz, das wir heute in diesem Hause beschließen werden. ({3}) Wir haben sehr wohl die Schwierigkeiten erkannt. Aber wir haben nicht wie Sie vor den Schwierigkeiten kapituliert, sondern sind mutig und kraftvoll an die Schwierigkeiten herangegangen. Mut haben wir auch in der Feststellung bewiesen, daß wir nicht alle Probleme auf einmal konsequent und optimal lösen können. ({4}) Dieser Mut ist notwendig. Das sind wir unseren Wählerinnen und Wählern schuldig, und wir haben es ihnen versprochen. Deshalb werden wir heute dieses Gesetz beschließen. ({5}) Wir haben nämlich Probleme zu lösen, die auch von Ihnen eigentlich nie bestritten worden sind. Sie hatten aber nicht das Rückgrat, die Probleme anzugehen. ({6}) Wir müssen nämlich endlich den dramatischen Aufwuchs von geringfügiger Beschäftigung stoppen. ({7}) Diese Entwicklung kann man nur noch als dramatisch bezeichnen, da im Jahre 1997 fast 6 Millionen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse festgestellt wurden und diese Zahl von Tag zu Tag weiter wächst. ({8}) - Ganz ruhig, liebe Frau Kollegin, dazu komme ich noch. Es sind ja systematisch Vollzeit- und Teilzeitarbeitsverhältnisse zerstückelt worden. Zunehmend sind von Arbeitgeberseite nur noch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse angeboten worden, weil auf diesem Wege Kosten gespart werden konnten. Schließlich haben die Arbeitgeber auch noch die Pauschalsteuern auf die Arbeitnehmer abgedrückt, ({9}) sich den Kontrollen entzogen und den Arbeitnehmern verbriefte Arbeitnehmerrechte vorenthalten. ({10}) Genau das war der Anreiz, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse anzubieten. Wir werden mit unserem Gesetz dieser verheerenden Entwicklung einen Riegel vorschieben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Onur, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schwaetzer?

Leyla Onur (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der Tatsache, daß wir über dieses Gesetz im Ausschuß in allen Richtungen debattiert haben und die Ausschußberatungen hier nicht wiederholen wollen, ({0}) werde ich mit meinen Ausführungen fortfahren. Wir werden der verheerenden Entwicklung einen Riegel vorschieben, indem wir die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse als Regelarbeitsverhältnisse für Arbeitgeber unattraktiv machen. ({1}) Das geschieht dadurch, daß wir die 630-Mark-Grenze festschreiben, einen Sozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber in Höhe von 22 Prozent einführen, eine ordnungsgemäße An- und Abmeldung von Beschäftigten vorschreiben und endlich dafür sorgen, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ordnungsgemäße Arbeitsverträge und damit die ihnen zustehenden Rechte von den Arbeitgebern eingeräumt bekommen. ({2}) Welche Konsequenzen haben diese Neuregelungen und warum wird es dadurch für die Arbeitgeber unattraktiv, diese Beschäftigungsverhältnisse in großer Zahl anzubieten? ({3}) Ein Arbeitgeber, der einmal genau hinschaut und genau nachrechnet, stellt sehr schnell fest, daß die Kosten für das Arbeitsverhältnis nicht steigen, da er an Stelle der Pauschalsteuer, wenn er sie denn vorher bezahlt hat, jetzt einen Sozialversicherungsbeitrag in Höhe von 22 Prozent bezahlt. Aber viele haben sie ja nicht gezahlt. Viel interessanter ist aber, daß man, wenn man spitz rechnet, feststellt, daß ein sozialversicherungspflichtiges Teilzeitarbeitsverhältnis oder gar ein Vollzeitarbeitsverhältnis für den Arbeitgeber schlicht und einfach kostengünstiger ist. Hinzu kommt, daß es sowohl bezüglich des Verwaltungsaufwandes als auch hinsichtlich der Arbeitsorganisation attraktiver ist, mit Teilzeitarbeitskräften oder Vollzeitarbeitskräften zu arbeiten. Das weiß ich, da ich aus einem Arbeitgeberhaushalt stamme, aus dem ich meine Erfahrungen ableiten kann. Gemerkt haben das auch schon die Arbeitgeber, denn ein Unternehmen - so hat man mir berichtet - ist schon dabei, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeitsverhältnisse umzuwandeln, weil es nicht mehr interessant ist, mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zu arbeiten. Ich bin davon überzeugt, daß diese Entwicklung zunehmen wird. ({4}) Ich garantiere Ihnen: Die Arbeitgeber werden weniger geringfügige Beschäftigungsverhältnise anbieten und deswegen wird die Zahl auf diesem Sektor rückläufig sein; sie wird sinken. ({5}) Genau das wollen wir ja. Wir wollen, daß es hier wieder eine normale, vernünftige Relation gibt. ({6}) In diesem Zusammenhang muß auch gesehen werden, daß mit diesem Gesetz das Ausbluten der Sozialkassen gestoppt wird. ({7}) Norbert Blüm hat in diesem Hause mehrfach darauf hingewiesen, daß die Flucht aus der Sozialversicherungspflicht gestoppt werden müsse - nur, getan hat er nichts. Wir handeln nun, indem wir Arbeitgeber dazu verpflichten, 22 Prozent in die Rentenkasse bzw. in die gesetzliche Krankenversicherung zu zahlen, um erstens Wettbewerbsverzerrungen und zweitens die Flucht aus der Sozialversicherungspflicht zu beenden. ({8}) Dies führt nicht zwingend zu erhöhten Leistungen. Aber auf jeden Fall können wir hier schon zahlenmäßig belegen, daß damit die Rentenkasse und auch die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung aufgefüllt werden, und zwar bei gleichzeitig zusätzlichen Angeboten für die Arbeitnehmer. Ein weiterer Punkt, den wir immer im Auge hatten und der in diesem Gesetzentwurf angegangen wird, ist die soziale Absicherung der Arbeitnehmer. Ich gebe zu: Ich hätte mir mehr gewünscht, viele hätten sich mehr gewünscht. ({9}) Aber mit diesem Gesetz schaffen wir einen Einstieg in die soziale Absicherung der geringfügig Beschäftigten. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. ({10}) Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse bleiben für die Familienversicherten unverändert. Es kommt nichts hinzu, es wird aber auch nichts abgespeckt. ({11}) Für die 12 Prozent Arbeitgeberbeitrag in die Rentenkasse erwirbt eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer auf jeden Fall Ansprüche, wenn auch geringe. ({12}) Entgeltpunkte können manchmal lebenswichtig sein, wenn es um die Rente geht, wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllen muß. Entgeltpunkte sind besonders wichtig, wenn sie in Wartezeiten umgerechnet werden können. Das ist ein wichtiger Fortschritt. Aber das genügt uns nicht! Deswegen haben wir eine Option für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingebaut. Mit maximal 7,5 Prozent freiwilligem Beitrag erwerben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die volle Berücksichtigung bei Wartezeit, Entgeltpunktberechnung, Reha, Rente nach Mindesteinkommen, BU- und EU-Rente und vorgezogener Altersgrenze. Das ist wirklich ein Fortschritt, wie wir ihn uns gewünscht haben und den wir jetzt im vorliegenden Gesetz verankern. ({13}) Das führt zu einer Verbesserung der Alterssicherung von Frauen, wobei wir nicht aus den Augen verlieren, daß es uns letztendlich darum geht, daß die Frauen - und auch die Männer, wohlgemerkt - zukünftig verstärkt in sozialversicherungspflichtigen Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsverhältnissen arbeiten ({14}) und nicht mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen abgespeist werden. Wir verstehen die vorübergehende Tätigkeit in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis als Brücke in ein sozialversicherungspflichtiges Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsverhältnis. Ich habe hier nicht alle Details unseres Gesetzentwurfes vortragen können. Ich würde das jederzeit gerne tun, denn ich bin sehr zufrieden mit diesem Gesetz. Das möchte ich an dieser Stelle einmal deutlich sagen. ({15}) Es sind nicht alle Wünsche in Erfüllung gegangen, aber wir haben wenigstens den Mut und die Kraft gezeigt, an diese notwendigen Regelungen heranzugehen, und diese werden wir heute auch mehrheitlich beschließen. Danke schön. ({16})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Dr. Peter Ramsauer.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Onur, ich glaube, Sie sind heute auf der falschen Veranstaltung. ({0}) Sie sprechen davon, daß dies heute ein wunderschöner Tag sei. Ich kann Ihnen nur sagen: Der gestrige und der heutige Tag sind rabenschwarze Tage für unser Land, ({1}) und zwar für die Menschen, vor allen Dingen für die „kleinen Leute“, für die Gerechtigkeit, die Wirtschaft, die Investitionen und die Arbeitsplätze. Gestern kam es zur Beschlußfassung bei der Ökosteuer. Heute früh hat die Rede von Finanzminister Lafontaine über die sogenannte Steuerreform dem Begriff des Morgengrauens eine vollkommen andere, neue Bedeutung verliehen. ({2}) Heute nachmittag soll eine Änderung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse beschlossen werden. Das von gestern und heute ist - ich sage das einmal so - eine Trilogie des Grauens. ({3}) - Ich prophezeie Ihnen - auch Ihnen, Herr Kollege Andres -: Das Lachen wird Ihnen noch vergehen. ({4}) Sie wollten, als Sie nach der Bundestagswahl angetreten sind, vieles anders und einiges besser machen. ({5}) Aber was Sie mit der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung anrichten, kann man nur noch als verheerenden Pfusch bezeichnen. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mir einmal herausgesucht, was vor Weihnachten, also Ende November bzw. Anfang Dezember letzten Jahres, in der Presse, und zwar auch in der linken, über Sie zu lesen war. Dazu einige Beispiele. Es ist ja ganz gut, wenn man sich diese noch einmal ins Gedächtnis ruft. ({7}) - Hören Sie ruhig zu, auch wenn es Ihnen nicht guttun wird, sich diese Dinge anzuhören. - Ich zitiere aus einem Artikel mit der Überschrift „Wie im Tollhaus“: Hurtig eilend von Unfug zu Unfug, schieben sie den Karren krachend an die Wand. Das ist - leider - kein Zitat aus einem alten Heldenepos, sondern das sich aufdrängende Urteil über die Arbeit der neuen Regierung. Was die rot-grüne Koalition der Öffentlichkeit unter den Stichworten „Steuern, Soziales, Arbeitsmarkt“ an Ungereimtheiten und inneren Widersprüchen zumutet, hat es in dieser Massierung bislang nicht gegeben. Ein weiteres Zitat, aus der „Süddeutschen Zeitung“: Seit der Kanzlerwahl versucht Schröder hastig und oft ohne die nötige Sorgfalt zu beweisen, daß nun alles anders wird. ... Er rennt los und verfehlt, wenn auch in beeindruckender Geschwindigkeit, die Etappenziele. Das jüngste Beispiel für diese Sprints ins Nirgendwo ist die Farce um die 620-Mark-Jobs. ({8}) Und weiter: Sie - gemeint ist die Regierung erweckt den Eindruck, mit unzureichender Vorbereitung in zu kurzer Zeit auf der Basis mangelnder Erfahrung zu agieren. Dafür - schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ gibt es einen Begriff: Dilettantismus. Das möchte ich Ihnen ins Gedächtnis rufen. ({9}) In der gleichen Zeitung steht unter der Überschrift „Bonner Chaostage“ - das ist sehr interessant; das ist fast eine Bibelexegese -: ({10}) So muß es gewesen: Nicht im entferntesten haben Sozialdemokraten und Grüne damit gerechnet, daß sie die Wahl am 27. September gewinnen würden. ... Anders ist das Chaos nicht zu erklären, das sie derzeit in Bonn verbreiten. Die 620-DM-Regelung ist der vorläufige Höhepunkt der Geisterfahrt. Die Münchener „Abendzeitung“ schrieb unter der Dachüberschrift „Kanzler Schröder ein Abstiegskandidat?“ bezüglich der 620-Mark-Jobs: „Aufgepaßt Schröder! Die Fans pfeifen schon.“ Wiederum die gleiche Zeitung veröffentlichte die Prophezeiung: Nun immerhin hat die Chaos-Truppe um Schröder, Lafontaine und Clement gespürt, daß es so nicht weitergehen kann. Die deutsche Öffentlichkeit hat gehofft, es werde im Laufe der Zeit besser. Ich muß leider feststellen: Nichts hat geholfen. Die Menschen haben vergeblich auf eine Besserung gehofft. Alles war vergebens, und es ist schlimmer denn je geworden. Bemerkenswert ist allerdings, wie sehr sich der Bundeskanzler selbst in die Neuregelung der 620- bzw. jetzt 630-DM-Arbeitsverhältnisse eingeschaltet hat. Er selbst hat in der Aktuellen Stunde vom 19. November 1998 das Wort ergriffen und die wesentlichen Punkte der Neuregelung verkündet. - All die Verrücktheiten, die jetzt entstanden sind, sind also nicht nur rotgrüne Verrücktheiten, sondern Schröder-Verrücktheiten. ({11}) Der Kanzler soll - er ist nicht anwesend - ja nicht so tun, als könne er sich verstecken. ({12}) Ich habe mir seine Rede vom 19. November 1998 noch einmal herausgesucht. In dieser Rede sagte er zum Beispiel: Diese Arbeitsverhältnisse bleiben steuerfrei, und zwar unabhängig von weiteren Einkünften. Es ist aber in dem vorliegenden Gesetzentwurf etwas ganz anderes herausgekommen. An einer anderen Stelle in seiner Rede führte er aus: Aus diesen Leistungen heraus - gemeint sind die Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 10 bzw. 12 Prozent entstehen keine zusätzlichen Ansprüche. Auch dies war nicht haltbar. Ich habe schon damals in meinem Zwischenruf gesagt: „Das ist verfassungswidrig!“ - Man könnte noch weitere Punkte nennen. Es fragt sich wirklich: Was ist das Wort des Bundeskanzlers eigentlich wert? Zusammenfassend kann man sagen: Diese rotgrüne Politik ist eine Karikatur ihrer selbst, um nicht zu sagen: eine wahre Realsatire. Damit kann der Bundeskanzler ohne weiteres in jede Talk-Show und in jede Unterhaltungssendung gehen. ({13}) Noch ein Blick zurück: ({14}) - Lieber Herr Kollege Gilges, ich habe noch acht Minuten Redezeit. Sie müssen sich also schon noch einiges anhören. ({15}) Dieses Gesetz hat in seiner parlamentarischen Behandlung eine Kette von gebrochenen Versprechen erlebt. Noch in der letzten Legislaturperiode haben Sie vorgeschlagen, die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ab einem Arbeitsentgelt von zirka 90 DM im Westen und zirka 77 DM im Osten in die Sozialversicherung einzubeziehen. In der Regierungserklärung des Bundeskanzlers hieß es dann, die Grenze für geringfügige Beschäftigung werde auf 300 DM gesenkt; die Pauschalsteuer solle aufgehoben werden. Am 9. November 1998 legten Sie dann einen Gesetzentwurf vor, der aber weiterhin die Pauschalsteuer vorsah. Einen Tag später nahmen Sie diesen wieder zurück. Am 19. November 1998 unterbreitete Bundeskanzler Schröder in der Aktuellen Stunde das besagte Konzept. Entgegen der Regierungserklärung sollte die Geringfügigkeitsgrenze nicht mehr auf 300 DM gesenkt werden. Im Gegenteil, die Geringfügigkeitsgrenze in den westlichen Bundesländern sollte auf ganz Deutschland ausgedehnt werden. Die Pauschalsteuer sollte entfallen, und die 630-Mark-Jobs sollten steuerfrei sein, unabhängig von weiteren Einkünften. Aus den Arbeitgeberbeiträgen in Höhe von 10 Prozent zur gesetzlichen Krankenversicherung und 12 Prozent zur gesetzlichen Rentenversicherung sollten keinerlei Leistungsansprüche für die Arbeitnehmer entstehen. Der vorgelegte Gesetzentwurf sah aber keine Steuerfreiheit unabhängig von weiteren Einkünften vor. Ein 630-Mark-Job ohne Steuerabzug war nur vorgesehen, wenn kein weiteres Einkommen erzielt wurde. Eine neue „Erfindung“ sollte nun das Abkassieren erleichtern, ({16}) nämlich „Beiträge ohne Gegenleistungen“, Frau Kastner. In der Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf wurde Ihnen von fast allen Seiten die Verfassungswidrigkeit einer solchen Regelung vorgehalten. Am 23. Februar 1999 mußte Bundesminister Riester schließlich noch einmal nachbessern. - Zusammengefaßt: ein heilloses Durcheinander bei der Gesetzesentstehung. ({17}) Nun zu dem, was Sie da anrichten. Sie müssen gut aufpassen, weil man fast nicht mehr durchblickt. Ich habe heute einmal den Versuch unternommen, mir die Varianten vom Arbeitsministerium bis ins Detail erklären zu lassen. Das aber schaffen nicht einmal die Fachleute im Bundessozialministerium; denn sie sind überfordert, wenn es um die Details aller Varianten geht. Sehen wir uns ruhig einmal einige Zahlen an! Nehmen wir zunächst die Ehefrau eines freiberuflich Tätigen, die nicht Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Das ist zwar ein äußerst seltener, aber, wenn man sich die Kosten des Arbeitgebers ansieht, noch ein verhältnismäßig günstiger Fall. Für den Arbeitgeber kommen zu den Kosten in Höhe von 630 DM nur 75,60 DM für die Rentenversicherung - 12 Prozent hinzu. Er zahlt also insgesamt 705,60 DM. Nehmen wir jetzt einen anderen Fall, der schon wesentlich häufiger vorkommt: Nehmen wir jemanden, der Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, der aber ausschließlich Einkünfte aus einer solchen geringfügigen Beschäftigung hat. Er verursacht dem Arbeitgeber durch die entsprechenden Beiträge zur Rentenund Krankenversicherung schon Kosten in Höhe von 768 DM. Diese Beschäftigung ist damit schon teurer als ein 630-Mark-Arbeitsverhältnis nach der bisherigen Regelung, das 756 DM gekostet hat. ({18}) - Augenblick, warten Sie einmal meine Schlußfolgerung ab! Jetzt wird es immer komplizierter. Nehmen Sie nun den Fall, daß jemand neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit hinzuverdient und die Variante der pauschalen Besteuerung wählt. Er verursacht seinem Arbeitgeber Kosten in einer Höhe von insgesamt 894 DM. Bei demjenigen, der sich für die andere Variante entscheidet, für die individuelle Besteuerung und für ein Splitting der Sozialversicherungsbeiträge, sind es nur 737 DM. Wir sehen schon, wie die Dinge auseinanderlaufen. Es lohnt sich auch der Blick darauf, was denn beim Arbeitnehmer ankommt. Ich nehme jetzt denjenigen, den ich gerade beschrieben habe, der den Arbeitgeber 737 DM kostet, der sich also für das hälftige Splitten der Sozialversicherungsbeiträge - Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung - entscheidet und der individuell versteuert. Er bekommt von seinen 630 DM, wenn er in der Lohnsteuerklasse VI versteuert, 150 DM abgezogen. ({19}) - Ich möchte ganz bewußt einmal aufzeigen, wohin Ihre Politik führt. ({20}) Für den Sozialversicherungsbeitrag sind 107 DM zu nennen. Er bekommt 373 DM ausbezahlt - und das bei einem Aufwand für den Arbeitgeber in Höhe von 737 DM. Das heißt, durch Ihr Gesetz wird das geringfügige Beschäftigungsverhältnis für den Arbeitgeber tendenziell sehr viel teurer, und beim Arbeitnehmer kommt insgesamt weniger an. Da frage ich mich und vor allen Dingen die Damen und Herren von der rotgrünen Koalition: Wo bleiben da eigentlich Ihre Grundsätze und Ihre Prinzipien im Hinblick auf Gerechtigkeit? ({21}) Wo bleibt hier die Politik für den kleinen Mann, mit der Sie bei der Bundestagswahl versucht haben, sich das Vertrauen der Menschen in unserem Land zu erschleichen? ({22}) Ist denn eine solche Politik arbeitsplatzfördernd? Ich glaube, die Kommentare und Anzeigen waren richtig, besonders eine große Anzeige, die man in Zeitungen sehen konnte und in der es hieß: Diese Regierung schafft Arbeitsplätze, aber sie schafft Arbeitsplätze im Ausland und nicht in Deutschland. ({23}) Aber eines bewirken Sie mit dieser Politik ganz bestimmt: Sie fördern die Schwarzarbeit. Das ist doch genau unser Problem, nämlich im Bereich von Nebentätigkeiten, dort, wo es darum geht, Arbeitsspitzen oder Saisonarbeitsspitzen aufzufangen, die Schwarzarbeit einzudämmen und die Menschen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Genau das vereiteln Sie. Sie treiben die Menschen da in die Schwarzarbeit hinein; Sie kriminalisieren die Menschen, um sie dann hinterher rechtlich zu verfolgen. ({24}) - Ja, in der Tat. Sie treiben die Menschen in die Schwarzarbeit und wollen sie hinterher rechtlich verfolgen. ({25}) Auch das gehört zu dem „Spaß“, den Sie damit noch haben werden. Sie schlagen geradezu hinein bei der Beschäftigung in Privathaushalten, einem Bereich, bei dem wir ohnehin froh sein müssen, wenn wir aus den Grauzonen herauskommen und die Menschen wenigstens in reguläre geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bringen können. Wenn Sie sich die Diskrepanz zwischen dem, was ein solches Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber kostet, und dem, was der Arbeitnehmer nach Hause bringt, anschauen, dann werden auch Sie einsehen, daß es in vielen Fällen so sein wird - das prophezeie ich Ihnen von Rotgrün -, ({26}) daß sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer tief in die Augen schauen und die ganze Sache anders regeln. ({27}) Das Gastgewerbe ist heute die Branche mit dem höchsten Anteil an nebenberuflich Tätigen. Sie bereiten hier dem Gastgewerbe, der Gastronomie, dem Tourismus, der ohnehin in Deutschland schwer zu leiden hat, große zusätzliche Probleme - und das kurz vor dem 1. April, an dem die Saison beginnt. Das ist unverantwortlich. Ich sage nochmals: Sie werden Ihr blaues Wunder erleben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Ramsauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Andres?

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, weil ich ihn so gut kenne. Bitte sehr.

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Ramsauer, können Sie der Öffentlichkeit sagen, wie gegenwärtig die Schätzungen hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten in Privathaushalten aussehen, wie viele dieser Beschäftigungsverhältnisse ordentlich versteuert werden? Können Sie weiter sagen, welche Vermutungen es dahin gehend gibt, wieviel Schwarzarbeit da gegenwärtig stattfindet?

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Andres, wir haben, als ich Sozialpolitiker war, sehr oft über diese Dinge im Ausschuß gesprochen. Die Vermutungen und Aussagen darüber gehen genauso weit auseinander wie die offiziellen Zahlen über die geringfügige Beschäftigung insgesamt. Es gibt die Zahl 5,6 Millionen aus der IWS-Studie; es gibt die Zahl 6 Millionen, die die Kollegin Onur genannt hat. Der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes spricht von 1 Million. Das können Sie also so oder so sehen. Nur, eines ist richtig - darüber sind wir uns hoffentlich alle miteinander einig -, nämlich daß wir gerade für den Bereich der Privathaushalte dafür sorgen müssen, daß wir dort zu regulären, am besten voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen kommen. Darum geht es. ({0}) - Herr Präsident, ich möchte jetzt in meinem Manuskript fortfahren, weil meine Zeit ohnehin zu Ende geht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann darf ich die Kollegin bitten, wieder Platz zu nehmen.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich wollte noch etwas zu den Zeitungsverlegern sagen. Was soll eigentlich eine Frau sagen, die um 4 Uhr früh aufsteht und Zeitungen austrägt, wenn sie in den nächsten Tagen zu ihrem Arbeitgeber gerufen wird und ihr mitgeteilt wird: „Du hast jetzt soundso viel Abzüge“? Ihre Politik ist in vielen Bereichen ein Schlag ins Gesicht der kleinen Leute, deren Vertrauen Sie sich erschlichen haben. ({0}) Das Stakkato der Ablehnungen von allen Fachleuten inklusive den Gewerkschaften, das Sie in den Anhörungen erlebt haben, hätte Ihnen eigentlich viel früher zu denken geben sollen.

Not found (Kanzler:in)

„Das Bessere ist des Guten Feind.“ Es wäre besser gewesen, etwas nicht ganz so Gutes - das ist wahr - zu belassen, anstatt einen so verheerenden Pfusch anzurichten, mit dem ich Ihnen von der rotgrünen Koalition noch viel Spaß wünsche. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe der Kollegin Dr. Thea Dückert für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen das Wort. ({0})

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn Sie Ihre Diskussion beendet haben, kann ich vielleicht mit meinem Beitrag beginnen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen alle - das zeigt sich auch hier an Ihren Aufgeregtheiten -: Dieses Gesetz war tatsächlich eine schwere Geburt. ({0}) Es kann in der Tat nicht alle Probleme im Bereich der geringfügig Beschäftigten lösen. ({1}) Insbesondere kann es - das sage ich am heutigen Internationalen Frauentag - die arbeitsmarktpolitischen Probleme von Frauen natürlich nicht lösen. ({2}) Das haben wir auch nicht versprochen. ({3}) - Das haben wir nicht versprochen, weil es sich hier um ein sehr differenziertes Problem handelt, zum Beispiel im Hinblick auf Teilzeitarbeit, zum Beispiel im Hinblick auf die Sozialversicherung. Es gibt in diesem Bereich keine einfachen Lösungen. ({4}) Dennoch haben wir uns an dieses Gesetz gemacht, und wir haben, verglichen mit dem, was Sie von CDU/CSU und F.D.P. uns im Bereich dieser prekären Beschäftigung hinterlassen haben, eine erhebliche Verbesserung erreicht. ({5}) - Ich will Ihnen gerne sagen, welche, wenn Sie mich reden lassen. ({6}) Erstens. Wir haben die Stabilisierung der Sozialkassen erreicht, ({7}) wogegen natürlich die F.D.P. polemisiert, weil sie genau dies nicht will. ({8}) Zweitens werden wir - davon bin ich fest überzeugt dem Mißbrauch und dem weiteren Aufwuchs bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen entgegenwirken, ({9}) und zwar durch mehrere Elemente, zum einen durch die Begrenzung dieser Beschäftigungsverhältnisse auf 630 DM. Sie haben die Grenze doch wirklich floaten lassen; innerhalb von zehn Jahren ist sie von 400 DM auf über 600 DM gestiegen. Dadurch haben wir bis zu 6 Millionen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bekommen. Das ist Ihre Frucht. Wir deckeln diese EntDr. Peter Ramsauer wicklung. Ich denke, das wird dazu führen, daß dieser Aufwuchs gestoppt wird. ({10}) Zum anderen führen wir Kontrollmöglichkeiten in diesem Bereich ein. ({11}) Wir bringen ihn endlich aus der Grauzone heraus. Herr Ramsauer hat gerade Beispiele genannt: Das Zahlenmaterial in diesem Bereich gibt wirklich nur zu Spekulationen Anlaß. Des weiteren machen wir in der Tat die Nebenjobs von Menschen, die sonst Hauptjobs ausüben, durch die Besteuerung unattraktiver, und das auch ist richtig. Ich glaube, daß wir auf diese Weise mittelfristig diese Jobs eindämmen werden. Die dritte Verbesserung ist, daß wir allen von der ersten Mark an den Zugang zur Rentenversicherung eröffnen. Da können Sie klagen, wie Sie wollen, daß der Rentenanspruch zu gering sei: Es ist das erste Mal, daß den geringfügig Beschäftigten überhaupt die Möglichkeit gegeben wird, von der ersten Mark an in die Rentenversicherung hineinzukommen. ({12}) Die Stabilisierung der Sozialkassen, die Eindämmung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, die Eröffnung des Zugangs zur Rentenversicherung und die Meldepflicht, die Licht in die Grauzonen bringt - das sind die Punkte, wegen derer wir diesem Gesetz zustimmen. Ich weiß ganz genau, daß wir uns mit dieser Debatte natürlich in ein gesellschaftspolitisches Wespennest gesetzt haben. Hier treffen sehr unterschiedliche Interessen aufeinander. Selbst auf seiten der Unternehmen gibt es unterschiedlichste Interessen. Viele von ihnen verlangen seit Jahren die Sozialversicherungspflicht für ihre geringfügig Beschäftigten, können sie aber nicht in die Praxis umsetzen, weil andere Unternehmen beispielsweise die Pauschalsteuer auf ihre Beschäftigten abwälzen. Das führt zu Billigkonkurrenz; dadurch werden Wettbewerbsvorteile erschlichen. ({13}) Es gibt auch andere Unternehmer, die den unkontrollierten Aufwuchs dieser Beschäftigungsverhältnisse wollen. Das unterstützen Sie von der CDU/CSU, aber insbesondere natürlich auch Sie von der F.D.P. Darüber hinaus gibt es die Interessen der Gewerkschaften und der Frauenpolitikerinnen, die eine optimale sozialversicherungspflichtige Absicherung für Frauen anstreben. Die sind unruhig und wollen Druck machen. Damit haben sie auch recht; denn mit dieser Regelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erreichen wir nicht für alle Frauen eine zukunftsfeste Alterssicherung. Das müssen wir im Zusammenhang mit der Rentenreform systematisch angehen. ({14}) Da tun die Gewerkschaften recht daran, uns Druck zu machen. Da tun die Frauenpolitikerinnen recht daran, uns Druck zu machen. ({15}) Wir werden dem nachgehen. Aber wir haben im Bereich der geringfügigen Beschäftigung alles getan, ({16}) um den Frauen erstmals überhaupt einen Zugang zur Rentenversicherung zu eröffnen. ({17}) Natürlich ist dies ein ganz schwieriger politischer Komplex. Natürlich ist viel Kritik geübt worden, natürlich sind viele Änderungswünsche an uns herangetragen worden, auch ein Kanzlerwort. Wir haben versucht, in sachlicher Weise und mit kühlem Kopf ({18}) - übrigens auch in den Anhörungen - die Änderungswünsche und die Kritiken aufzunehmen und umzusetzen. ({19}) Darüber ärgern Sie sich. Eine der Anregungen war für uns besonders schmerzlich: Das ist der Punkt, daß wir die Erweiterung der Mitbestimmungsregelung für die Betriebsräte haben zurücknehmen müssen. ({20}) - Wir haben Kritik von seiten der Gewerkschaften und von seiten der Unternehmen bekommen, daß diese Regelung in dieser Form nicht praxisgerecht sei.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Dükkert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meckelburg?

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie können Ihre Zwischenfrage stellen, Herr Kollege, wenn ich mit diesem Komplex fertig bin. - Die Erweiterung der Mitbestimmungsregelung für Betriebsräte ist aufgeschoben aber nicht aufgehoben. ({0}) Wir haben in den Anhörungen von den Gewerkschaften den Anstoß bekommen, die Ausweitung der Mitbestimmungsregelung in der Novelle zum Betriebsverfassungsgesetz umfassend umzusetzen. ({1}) Herr Kollege, Sie können jetzt gern Ihre Zwischenfrage stellen.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, Sie haben eben behauptet, daß Sie diese Gesetzesregelung mit kühlem Kopf gemacht hätten. Wollen Sie wirklich sagen, daß Sie all das, was Sie uns zugemutet haben, mit kühlem Kopf gemacht haben: mehrere Varianten eines Gesetzentwurfs; einen Gesetzentwurf, der völlig anders aussah als der, den Schröder versprochen hatte; Änderungsanträge, die erst zu Beginn der Ausschußsitzung auf dem Tisch lagen, mit denen gravierende Dinge geändert werden sollten und die man gar nicht richtig beraten konnte; ein Verfahren, das in einer Haushaltswoche Sondersitzungen, Nachtsitzungen erforderte; Ihre Weigerung, mit kühlem Kopf eine zweite Anhörung zu machen? ({0})

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, ich komme aus einem Landtag. Vielleicht ist die Praxis im Bundestag anders. Ich verstehe Anhörungen und Diskussionen im Gesetzgebungsprozeß innerhalb des Parlaments als diskursive Prozesse, als Prozesse, in denen man Anregungen von Fachleuten aufnimmt. ({0}) Meine Damen und Herren, ich sprach gerade zum Thema Anhörungen. Wir haben dort auch zu anderen Bereichen Anregungen bekommen, zum Beispiel zum Verhältnis zwischen Beiträgen und Leistungen. Auch hier haben wir die Regelungen verändert. Sie bekämpfen das, ich denke aber, es war eine sinnvolle Veränderung. Zur Krankenversicherung. Es werden nunmehr Beiträge in die Krankenversicherung für diejenigen Personen gezahlt, die auch über die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen bekommen. Das sind allerdings 99 Prozent der Beschäftigten. Hier stehen Beiträge und Leistungen also einander gegenüber. Der andere Bereich ist die gesetzliche Rentenversicherung. Hier haben wir eine Erweiterung vorgenommen, die ich sehr positiv finde. Nunmehr ist hinzugekommen, daß für den Arbeitgeberbeitrag von 12 Prozent alle von der ersten Mark an anteilig dieser Einzahlung Anrechte auf Entgeltpunkte und natürlich auch auf Wartezeiten bekommen. Das ist eine gerechte und gute Lösung. Sie ergänzt das, was wir speziell den Frauen anbieten, daß sie, wenn sie ihren eigenen Arbeitnehmerinnenanteil bezahlen wie alle anderen in dieser Gesellschaft, die in der Rentenversicherung sind, dann einen vollen Rentenanspruch mit Reha-Leistungen, mit Leistungen bei Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit erwerben. Das ist ein wirkliches Angebot. Wer hier behauptet, es hätte sich für Frauen in diesem Bereich nichts verändert, bei dem weiß ich nicht, wohin der guckt und in welcher Welt der lebt. ({1}) Ich denke, daß wir mit diesen Veränderungen die verfassungsrechtlichen Probleme, die in der Tat vorhanden waren - das ist in den Anhörungen deutlich geworden -, ausgeräumt haben, und zwar gut ausgeräumt haben. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bleiben aber erhalten, das ist wahr. Das ist oft ein Kritikpunkt in unseren eigenen Reihen. Die Situation der Frauen selber hat sich aber gerade durch diesen Rentenanteil verbessert. Auch die Sozialkassen werden stabilisiert. Das sind für uns wichtige Punkte, gerade in einer Zeit, in der die Sozialkassen immer weiter ausgehöhlt werden. Sie formulieren natürlich vielfältige Kritik. Sie werfen uns beispielsweise vor, daß die Ausdehnung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erschwert wird. Meine Damen und Herren, haben Sie denn noch immer nicht begriffen, daß wir genau dies wollen? Das ist eine berechtigte Kritik. Wir wollen die Ausweitung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erschweren. ({2}) Ihr Widerstand und der der Wirtschaft zeigt mir gerade, daß wir auf dem richtigen Weg sind. ({3}) Wir haben mehrere Elemente in dieses Gesetz eingeführt. Zum Beispiel die Meldepflicht, die nicht nur für einen besseren Überblick sorgt, sondern auch dafür, daß bestimmte Formen des Mißbrauchs und, wenn Sie so wollen, bestimmte Formen der Schwarzarbeit unmöglich gemacht werden. Sie wissen ganz genau, daß es Unternehmen gibt, die auf dem Papier mehrere fiktive Personen führen und eine Arbeitskraft einstellen. Das ist eine Form von Stellensplitting, eine Form von Schwarzarbeit, die mit diesem Gesetz nicht mehr möglich sein wird. ({4}) Sie haben sich eben darüber erregt, daß Nebenjobs besteuert werden. Wo kommen wir denn hin, wenn wir eine Steuerungerechtigkeit, die es über Jahre hinweg gegeben hat, immer weiter fortschreiben würden? Wie kann es denn angehen, daß Menschen mit gleichen Einkommen - nehmen wir einmal ein Einkommen von 3 000 DM - unterschiedlich hohe Steuern zahlen müssen? Das verteidigen Sie auch noch. Die einen, die das mit einem Job verdienen, und die anderen, die früher ihren Job in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aufgespalten haben, haben unterschiedlich hohe Steuern abgeführt. Es war falsch, daß das so war, und es ist richtig, daß wir das hier verändert haben. ({5}) Meine Damen und Herren, genau dieser Komplex wirkt sich natürlich auch auf Arbeitgeber aus, die bisher die Pauschalsteuer abgewälzt haben. Die Arbeitskosten werden höher. Das betrifft aber nur etwa ein Fünftel der Beschäftigungsverhältnisse oder aber diejenigen, bei denen die Nebenjobs versteuert und sozialversicherungspflichtig werden. ({6}) Genau dieser Komplex führt dazu, daß es mittlerweile Reaktionen gibt - sie wurden bereits angesprochen -, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse wieder in Vollzeit-, in vernünftige Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln. Diese Tendenz kündigt sich an, und ich bin darüber wider all Ihren Unkenrufen sehr froh. ({7}) Die Minijobs bleiben erhalten - das ist wahr -, um Auftragsspitzen und Schwankungen aufzufangen. Ein einzelnes Arbeitsverhältnis bleibt auch für die Arbeitgeber billiger. Es ist auch so, daß in diesem Gesetz Ausnahmeregelungen erhalten bleiben, beispielsweise die Zweimonatsfrist oder die 50-Tage-Regelung. Alles, was darunterliegt, ist nicht sozialabgabenpflichtig. Das ist auch der Grund, warum die Aufregung, die Sie von seiten der Zeitungsverleger transportieren, vollständig an der Sache vorbeigeht. Das Jahr in der Bundesrepublik Deutschland hat 52 Wochen, und jemand, der einmal in der Woche eine Zeitung austrägt und das vielleicht zweimal im Jahr nicht macht, ({8}) kann das weiterhin tun, ohne unter die Abgabenpflicht zu fallen. ({9}) Was die Tageszeitungsausträger anbelangt, so erlaubt das Gesetz Aushilfstätigkeiten und zeitlich begrenzte Tätigkeiten für Studenten und Rentner. Das ist die Gruppe der Beschäftigten, die diese Beschäftigungsverhältnisse eingeht. Wir haben versucht, den Zeitungsverlegern entgegenzukommen. Das ist eine gerechte Lösung, und mehr geht nicht. ({10}) Meine Damen und Herren, die F.D.P. regt sich über unser Gesetz jetzt besonders auf, weil ({11}) Sie nichts anderes wünschen, als die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse auszudehnen, weil Sie die Sozialversicherungspflicht nicht wollen. Ich sage Ihnen nur: Ihre Kritik ist gerade an der Stelle, an der es um die Renten geht, unglaubwürdig. Sie werfen uns vor, sie seien zu niedrig; Sie wollen aber überhaupt gar keine Sozialversicherungspflicht. Sie werfen uns ebenfalls vor, daß die Beiträge, die bezahlt werden, um Rentenansprüche zu erwerben, zu hoch sind. Wie wollen Sie es denn? Ich finde, Sie sitzen im Glashaus und werfen mit Steinen. ({12}) Wir haben mit diesem Gesetz vieles aufgegriffen und manches noch nicht gelöst. Wir haben noch einiges vor uns. Wir haben - davon sprach ich anfänglich - das große Projekt der eigenständigen Absicherung von Frauen im Alter noch nicht zum Abschluß gebracht. Dieses Problem konnte noch nicht gelöst werden. Auch das Problem der Teilzeitmauer ist noch nicht gelöst. Ich sage Ihnen: Wir werden das durch eine Steuer- und Sozialreform in Angriff nehmen. ({13}) - Man kann das in vier Monaten nicht ordentlich machen. Wir werden diese Probleme durch eine Steuerund Sozialreform in Angriff nehmen, um im Bereich der Teilzeitarbeit eine bessere soziale Absicherung der Frauen zu erreichen. Meine Damen und Herren, Sie tragen viele Argumente vor, die vorgeschoben und falsch sind. Sie wissen das auch sehr genau. Sie haben diese Argumente, die beispielsweise Rentnerinnen und Rentner verunsichern, auch in die Öffentlichkeit gebracht. Sie haben behauptet, daß Kleinrentner mit diesem Gesetz zur Kasse gebeten werden. Das ist nachweislich falsch, und das wissen auch Sie. ({14}) Ein Rentner mit einem Rentenanspruch von 60 000 DM im Jahr wird einen 630-Mark-Job nicht versteuern müssen. Das ist die Realität. Es ist wirklich an der Zeit, daß Sie sich hier hinstellen und der Bevölkerung, der Sie über die Zeitungen falsche Informationen geben, endlich eine Aufklärung zukommen lassen. ({15})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Dr. Dückert, Sie haben Ihre Redezeit inzwischen um zwei Minuten überschritten. Ich muß Sie jetzt doch bitten, zum Schluß zu kommen.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich komme zum Schluß. Wir haben noch viel zu tun. Diesem Gesetz aber werden wir zustimmen, weil es Verbesserungen bringt, weil es Licht in den Dschungel der geringfügig Beschäftigten bringt, weil es die 630-DM-Grenze festschreibt, die SoDr. Thea Dückert zialkassen stabilisiert und endlich allen einen Zugang zur Rentenversicherung eröffnet. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe der Abgeordneten Irmgard Schwaetzer, F.D.P.-Fraktion, das Wort.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute befassen wir uns mit einem weiteren Höhepunkt rotgrüner Regierungskunst. ({0}) Dieses Wahlversprechen entpuppte sich mehr und mehr als ein „Qualversprechen“. Ihr 630-Mark-Gesetz ist ein Flop oder, wie Sie wollen, ein Trauerspiel in fünf Akten. Erster Akt: Die Wahlsieger teilen ihre Geschenke aus, zum Beispiel die Erhöhung des Kindergeldes. Die Empfänger müssen sie allerdings selbst bezahlen; denn die unselige Ökosteuer, die erst einmal eingeführt wird, reicht leider nicht aus, um die in der Rentenversicherung durch das Wahlversprechen, den Beitragssatz auf 19,5 Prozent zu reduzieren, aufgerissenen Löcher zu stopfen. Also müssen die 630-Mark-Verträge in die Sozialversicherungspflicht einbezogen werden. ({1}) Diese zunächst von der Koalition geplante Verteuerung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse paßt wiederum weder dem Bundeskanzler noch dem SPDVorsitzenden und Nachfrageapostel Lafontaine. Beide bremsen das Projekt aus. Rotgrün legt eine Denkpause ein. Zweiter Akt: Der Bundeskanzler nutzt die Denkpause, um zu großer Form aufzulaufen. Das sah am 19. November wie folgt aus: Von den 630 DM haben die Arbeitgeber sogenannte Pauschalbeiträge an die Rentenund Krankenkassen zu zahlen, aber es soll keine Gegenleistung für die Versicherten geben. Alle 630-MarkVerträge sollten steuerfrei sein. ({2}) Es sollte keine neuen Belastungen zum Beispiel für Zeitungsverleger, Gastronomie und Handel geben. ({3}) - Das hat er versprochen. - Später sollten die Betriebsräte ein Vetorecht erhalten. ({4}) Dritter Akt: Von allen Seiten hageln die Proteste. Diesmal kann die SPD die Verantwortung nicht auf den sonst so geliebten kleinen Koalitionspartner abwälzen, weil alles von den SPD-Promis ausgedacht und in die Welt gesetzt worden ist. Das allerdings hindert die Grünen nicht, den ganzen Unfug lauthals zu verteidigen. ({5}) In der ersten Lesung teilt uns die Koalition mit fester Stimme mit, das alles sei verfassungsrechtlich geprüft. Im übrigen sei es für unsere Sozialversicherung typisch, daß Beiträge ohne Gegenleistungen erhoben würden. ({6}) - Das haben sie gesagt. Vierter Akt: Der ersten Lesung folgt der schwarze Sonntag, die Hessen-Wahl. Mit beachtlicher Geschwindigkeit steigt die rotgrüne Koalition von ihrem hohen Roß herunter. Dann geht es los: ändern, ändern, ändern. „Nachbesserung“ wird zum Wort des Jahres. Dabei behaupten sie immer noch, sie hätten alle Neuregelungen verfassungsrechtlich genau geprüft. Aber dann kam die Anhörung. Keiner der Sachverständigen hat auch nur ein gutes Haar an ihren Regelungen gelassen. Kein wissenschaftlicher Sachverständiger - nicht einmal die Gewerkschaftler - hat ihnen bescheinigt, daß dieses Gesetz praktikabel sei; ({7}) auch hat niemand gesagt, daß es verfassungsrechtlich unbedenklich sei. ({8}) Als erstes bleiben die Vetorechte des Betriebsrats auf der Strecke. Dann gibt es für den Pauschalbeitrag doch Entgeltpunkte im Rentenrecht. Auch versucht man, sich bei der Krankenversicherung aus den selbstgestrickten Fangnetzen zu befreien. Die Bemühungen der rotgrünen Reparaturkolonne stellen allerdings die Sinnhaftigkeit des Vorhabens erst recht in Frage. Sie glauben, ein Problem zu lösen, und haben drei neue am Hals. ({9}) Fünfter Akt: Jetzt will Rotgrün mit dem Kopf durch die Wand, obwohl sie mit dem neuen Gesetz keines der von ihnen propagierten Ziele erreichen. ({10}) Erstens wollen sie die Finanzgrundlagen der Sozialversicherung stabilisieren, ohne die Flexibilität des Arbeitsmarkts zu beeinträchtigen. ({11}) - Darauf komme ich gleich, Herr Kollege. - In Wahrheit fördern sie mit diesem Gesetz ausschließlich die Schwarzarbeit. ({12}) - Darüber werden wir uns in drei Monaten unterhalten. Sie werden es schon sehen. Zweitens. Sie wollten den Schutz der beteiligten Arbeitnehmer verbessern. Tatsache ist: In der Krankenversicherung: null Verbesserung; in der Pflegeversicherung: null Verbesserung; in der Arbeitslosenversicherung: null Verbesserung; und in der Rentenversicherung bescheren Ihre neuen Entgeltpunkte dem Arbeitnehmer pro Beitragsjahr eine Monatsrente von maximal 4,17 DM, ({13}) aber erst, wenn sie die Wartezeit erfüllt haben, und die beträgt 42 Jahre. ({14}) Meine Damen und Herren von der Opposition, das ist wirklich ein Punkt, bei dem man auf die Art der Beratung im Ausschuß nur noch wütend sein kann. ({15}) Ich habe dem Arbeitsministerium exakt diese Frage gestellt. Das Arbeitsministerium hatte einen Tag Zeit, eine Antwort darauf zusammenzubekommen. Als wir kurz vor Mitternacht diese Frage wiederum mit dem Arbeitsministerium besprochen haben, ({16}) war ein Artikel in der „Welt“, in dem der VDR diese Zahlen genannt hat, bereits gedruckt. Das Arbeitsministerium behauptete allerdings, man könne das nicht berechnen. ({17}) - Das ist nicht nur Schlamperei; meines Erachtens steckt da Absicht hinter. ({18}) Sie wollten überhaupt nicht wissen, was für einen Unfug Sie beschließen, damit die Kritiker in Ihren Reihen nicht noch weiter Zubrot bekommen. Drittens. Der Kanzler hatte den Zeitungsverlegern und anderen Wirtschaftsverbänden versprochen, bei den 630-Mark-Verträgen gebe es keine neuen Belastungen. ({19}) Dazu kann man wirklich nur sagen: Wie versprochen, so gebrochen. ({20}) In Wahrheit ist die Ablösung der Lohnsteuerpauschale durch die Pauschalbeiträge natürlich eine Mehrbelastung. Die Lohnsteuerpauschale war lediglich eine Option für den Arbeitgeber, die Pauschalbeiträge sind keine Option mehr, also eine zusätzliche Belastung. ({21}) - Das war nie ein Problem; das haben wir nie geleugnet. ({22}) - Die Arbeitnehmer haben das in vielen Fällen sogar gewünscht, weil das auch für sie auf der Steuerkarte günstig war. ({23}) Jetzt komme ich zu den famosen Zeitungsausträgern, Frau Dückert. Ich möchte gerne einmal sehen, wo ein Zeitungsausträger das tägliche Austragen unserer „FAZ“ oder Ihrer „taz“ zu einer Vollbeschäftigung machen kann. Der wird doch nicht die ganze Nacht herumlaufen, um 8 Stunden auf den Buckel zu bekommen. ({24}) Nach der Konstruktion dieser Arbeitsverhältnisse wäre das auch gar nicht möglich. Das wird auch weiterhin in Nebenbeschäftigung gemacht. ({25}) Das Versprechen Ihres Kanzlers war also schon an dem Tag Makulatur, an dem er es den Zeitungsverlegern als Zusage gegeben hat. ({26}) So viel zu den Zusagen von Herrn Schröder. Bei Ihnen stehen das Abkassieren und die Ideologie im Vordergrund, und zwar - so sage ich einmal - beides gleichgewichtig. Aber beides hilft dem Arbeitsmarkt nicht auf, sondern beides führt nur - das werden Sie auch bei Ihrem sogenannten Steuerentlastungsgesetz sehen; dieses Gesetz ist ein „Arbeitsplatzvernichtungsgesetz“ - zum Rückgang der Beschäftigung in Deutschland führen. Ich finde das schädlich. ({27}) Viertens. Sie wollten Haushaltslöcher in den Sozialkassen wenigstens teilweise stopfen. Geblieben sind 1,3 Milliarden DM an Mehreinnahmen für die Krankenversicherung, falls Ihre laufend geänderten Rechnungen denn heute überhaupt noch stimmen. Mit diesen Mehreinnahmen kann es Ihnen allerdings nicht schnell genug gehen. Am 1. April soll das Gesetz in Kraft treten, ohne Übergangsfrist und ohne daß Vertragspartner auch nur den Hauch einer Chance haben, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Das allerdings ist neu in der Sozialgesetzgebung Deutschlands, und es ist kein Fortschritt. ({28}) In der Rentenversicherung geraten Sie bereits mittelfristig ins Minus; denn die Entgeltpunkte für Ihre PauDr. Irmgard Schwaetzer schalbeiträge sind dynamisiert. Mit dem Festhalten der Grenze bei 630 DM, also keiner Dynamisierung, wird - ({29}) - Herr Dreßen, darüber könnten wir uns im Ausschuß unterhalten, wenn Sie nicht immer dann Schluß der Debatte beantragen würden, wenn es für Sie unangenehm wird. ({30}) Die von Ihnen angegebenen Mehreinnahmen in der Rentenversicherung sind also eine schlichte Falschbuchung. Dazu kommen die Finanzrisiken aus der Option. Für 58,80 DM bekommt ein Arbeitnehmer vollen Schutz, für den eine Krankenschwester lange arbeiten und viel Dienst leisten muß. ({31}) Alle Sachverständigen haben gesagt, daß dies eine schwerwiegende Ungleichbehandlung ist. Ich bin einmal gespannt darauf, ob das vor dem Verfassungsgericht Bestand haben wird. ({32}) Darüber hinaus belasten Sie die Gebietskörperschaften, die bekanntlich im Geld schwimmen, mit Steuerausfällen von insgesamt 2,1 Milliarden DM jährlich. Der Saldo ist also deutlich negativ. Daß Rotgrün nicht rechnen kann, ist eine alte Erkenntnis. ({33}) Aber daß Sie in den Ausschußberatungen offensichtlich nicht einmal daran interessiert waren, die Konsequenzen aus den Regelungen Ihres Gesetzes wirklich zu begreifen, das verstört mich in der Tat fast; das muß ich Ihnen schon sagen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Schwaetzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seifert?

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, gern.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Kollegin Schwaetzer, Sie haben sich gerade darüber aufgeregt, daß für die geringfügig Beschäftigten die gleichen Leistungen gewährt würden wie für eine Krankenschwester, die sehr schwer arbeiten muß. Wollen Sie allen Ernstes, daß jemand, der nur einen solchen geringfügigen Job hat, keine RehaLeistungen, keine Erwerbsunfähigkeitsrente oder Arbeitslosenunterstützung bekommt, wenn es denn erforderlich ist?

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, die F.D.P. möchte eine nahtlose Regelung in bezug auf den gesamten Sektor Niedriglohn, in den auch geringfügige Beschäftigung und Teilzeitarbeit fällt. Wir haben dafür einen Vorschlag gemacht, das Bürgergeld. Wir hätten dieses alles gern konkreter mit Ihnen diskutiert. ({0}) - Darüber werden wir uns noch unterhalten. Es ist bezahlbar, und es wird bezahlbar sein. Zudem hat es gegenüber dem Stückwerk, das Sie hier vorlegen, wirklich den Vorzug, eine Regelung aus einem Guß zu sein. Aber Sie scheuen die Diskussion über den gesamten Niedriglohnsektor, wenn Sie denn christlich wären, könnte ich sagen: wie der Teufel das Weihwasser. ({1}) - Das war die Antwort auf Ihre Frage. Ich möchte, daß die abgesichert sind, aber in einem nahtlosen System. Wir haben dafür einen Vorschlag gemacht. ({2}) Ich komme zum Schluß. Wie wir hören, macht Ihnen das Regieren nach wie vor viel Freude. ({3}) Das Publikum lacht über Ihre Scherzartikel allerdings immer gequälter. Vielleicht sollten Sie sich in Zukunft in der Tat etwas einfachere Aufgaben vornehmen. Bei Kindergelderhöhungen können nicht einmal Sie viel falsch machen. Dadurch würden Sie hilflose Ruderübungen vermeiden - hin und wieder zurück -, die Sie jetzt in der Krankenversicherung und bei den Renten veranstalten, die nur zu Verunsicherung und keineswegs - dies bedaure ich - zu mehr Beschäftigung führen. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort Frau Dr. Knake-Werner, PDS-Fraktion.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Glück ist am Schluß der Rede von Frau Schwaetzer doch noch ein bißchen neoliberale Soße gekommen; sonst hätte ich fast die Befürchtung gehabt, daß wir uns, was die Einschätzung des vorliegenden Gesetzentwurfs angeht, ungeheuer nahe sind. ({0}) Liebe Kollegin Onur, Sie haben, als Sie hier vorhin gesprochen haben, gesagt, Sie hätten Mut gezeigt, weil Sie sich endlich mit der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse befassen. Da kann ich Ihnen nur ausdrücklich zustimmen. Aber ich sage auch: Mut allein reicht nicht. Ein Konzept muß her, und zwar eines und nicht fünf verschiedene, wie das bei Ihrem Gesetzentwurf der Fall ist. ({1}) Die Einbeziehung der 630-Mark-Jobs in die Sozialversicherung - das wissen wir alle, die wir in der letzten Legislaturperiode dafür gekämpft haben - und vor allen Dingen das Stoppen des Mißbrauchs damit sind seit Jahren überfällig. Insbesondere Frauenorganisationen und Gewerkschaften haben das nachdrücklich unterstrichen. Wir wissen auch, daß durch das Gezerre insbesondere zwischen CDU/CSU und F.D.P. dieses Problem auf die lange Bank geschoben wurde. ({2}) Tatenlos - das muß man Ihnen einfach vorhalten hat die Vorgängerregierung zugesehen, wie immer mehr versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse in ungesicherte Beschäftigung umgewandelt wurden. Vor allem die explosionsartige Zunahme der 630-Mark-Jobs ist dabei die negativste Entwicklung. Sie geht eindeutig auf Ihr Konto. Um an die vorangegangene Debatte anzuknüpfen: Es ist doch genau die Entwicklung, die zu Lasten der Frauen geht. Die Frauen sind es doch vor allem, denen überwiegend solche versicherungsfreien Jobs angeboten werden und denen oft nichts anderes übrigbleibt, als sie anzunehmen, wenn sie Kindererziehung und Erwerbstätigkeit unter einen Hut bringen wollen. Allein im Handel, unstrittig ein Frauenbereich, gibt es gegenwärtig - so schätzt die HBV - 700 000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Bei manchen Handelsketten machen diese Jobs mehr als ein Drittel aus. Ich denke, dieser Entwicklung muß unbedingt Einhalt geboten werden. Ich sage Ihnen auf der rechten Seite dieses Hauses auch, daß die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten dabei einen höchst unrühmlichen Beitrag geleistet hat. Auch das geht auf Ihr Konto. ({3}) Nun nimmt sich die Schröder-Regierung vor, die weitere Zersplitterung des Normalarbeitsverhältnisses in 630-Mark-Jobs endlich zu stoppen und mehr sozialen Schutz für die dort Beschäftigten zu schaffen. Jede bezahlte Erwerbsarbeitsstunde, so sagen Sie, soll nun endlich versicherungspflichtig werden. Vor allen Dingen den Frauen versprechen Sie eine bessere Alterssicherung, ohne sie zusätzlich zu belasten. Das sind fürwahr ehrgeizige Ziele, die Sie verfolgen. Sie hätten bei ihrer Durchsetzung mit unserer vollen Unterstützung rechnen können. Aber damit kein Zweifel aufkommt, sage ich Ihnen auch: Sie werden Ihre Ziele mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht erreichen. Ich will ausdrücklich sagen: Niemand erwartet von Ihnen, daß Sie alle Probleme gleichzeitig lösen. Aber man darf doch wenigstens Schritte in die richtige Richtung erwarten, wenn ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt wird. Auch in diesem Bereich nehmen Sie eher die falschen Weichenstellungen vor. Ein solches Vorgehen verdient jedenfalls unsere Unterstützung nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muß doch auch Ihnen in der Anhörung aufgefallen sein, daß es einen erheblichen Zweifel daran gibt, ob Sie mit der Festschreibung der Geringfügigkeitsgrenze auf dem hohen Niveau von 630 DM wirklich zur Eindämmung dieser Jobs beitragen können. So sehr wir natürlich die Angleichung der Niveaus in Ost und West begrüßen, so deutlich müssen wir aber sagen, daß die von Ihnen geplante Angleichung auf dem Niveau von 630 DM gerade für Ostdeutschland das völlig falsche Signal ist. ({4}) Wir befürchten, daß insbesondere dort eine neue Dynamik zur Umwandlung von Teilzeit- und Vollzeitarbeitsplätzen in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse einsetzt. Sie müssen mir einmal erklären, was einen Arbeitgeber, der nun statt der Pauschalsteuer Pauschalabgaben in die Sozialkassen zu zahlen hat, von dieser Umwandlung abhalten soll. Diese Belastung ist für ihn immer noch geringer als die Belastung durch einen Teilzeitjob. Ich will aber auch hier ausdrücklich sagen, daß ich es für richtig und gut halte, daß Sie endlich verhindern, daß Arbeitgeber die Steuern auf die Beschäftigten abwälzen können. Mit der Beibehaltung der Geringfügigkeitsgrenze auf diesem von Ihnen vorgesehenen Niveau - das ist unsere Befürchtung - wird auf Dauer ein Niedriglohnsektor etabliert, der auch in der nächsten Zeit weiter expandieren wird und der Druck auf das Lohnniveau und auch auf die Normalarbeitsverhältnisse ausüben wird. Meine Befürchtung ist einfach, daß sich in der SPD die Hombach-Linie durchgesetzt hat. Diese Linie kann man in seinem Buch sehr gut nachlesen. Wenn man sich nun schon für die Beibehaltung der Geringfügigkeitsgrenze entscheidet, dann muß man wenigstens die Einbeziehung der unter ihr Beschäftigten in die Sozialversicherung konsequent und nicht halbherzig, wie Sie es tun, anpacken. Wenn Sie sich an dem Grundsatz orientieren, daß jede bezahlte Arbeitsstunde versicherungspflichtig sein soll, dann heißt das doch: Beiträge in alle vier Säulen des sozialen Sicherungssystems, aber wenigstens eine verbesserte Alterssicherung für Frauen. Genau das wollten Sie doch regeln. Aber auch hier bleiben Sie halbherzig. Nach unserer Einschätzung schaffen Sie mit der vorgesehenen Regelung ein Rentenrecht zweiter Klasse, weil dem 12prozentigen Anteil der Arbeitgeber zur Rentenversicherung nur Teilansprüche gegenüberstehen und die Frauen erst dann, wenn sie zuzahlen, einen vollen Anspruch an die Rentenversicherung haben. Gerade Frauen, für die die 630-Mark-Jobs oft die einzige Einnahmequelle sind, werden sich häufig aus finanziellen Gründen diese Option nicht leisten können. ({5}) Genau das werfe ich Ihnen vor: Ich werfe Ihnen einfach vor, daß Sie faktisch für diejenigen keine Regelung trefDr. Heidi Knake-Werner fen, die den Schutz der Rentenversicherung am allermeisten brauchen. Ihnen freizustellen, sich voll oder zum Teil zu versichern, verstößt nun fürwahr gegen den Schutzgedanken unseres sozialen Sicherungssystems. Das können wir einfach nicht mittragen. Wenn Sie schon die paritätische Finanzierung der Rentenversicherung durchbrechen, dann hätten Sie den Arbeitgebern bis zur Geringfügigkeitsgrenze beide Beitragsanteile, also 19,5 Prozent, auferlegen können. Damit hätten Sie wirklich einen Schritt für mehr soziale Gerechtigkeit getan. ({6}) Die Beiträge für die Krankenkassen dienen - das sagen auch Sie sehr eindeutig - allein zur Schaffung neuer Finanzressourcen für die Krankenversicherung. Wir haben eine Menge anderer Vorschläge, wie Sie die Finanzressourcen der Krankenversicherung verbessern können. Heben Sie doch die Beitragsbemessungsgrenze an -, oder verbreitern Sie die Basis der Beitragszahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung, anstatt auch dieses Problem noch auf dem Rücken der Geringstverdienenden zu lösen! Das können wir nicht mittragen. Zusätzlich vergessen Sie auch noch die Pflegeversicherung. Deren Einbeziehung hätte nun wirklich geholfen. ({7}) - Die Arbeitslosenversicherung ist der nächste Punkt, den ich für äußerst kritikwürdig halte. Warum werden die geringfügig Beschäftigten nicht in die Arbeitslosenversicherung einbezogen? - Sie wissen ganz genau, daß das eine wirkliche Brücke für eine zukunftsfähige Perspektive dieser Beschäftigten gewesen wäre. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Die Regelung, die Sie jetzt vorlegen, bedeutet keinen Schritt in die richtige Richtung. Sie werden es nicht schaffen, die Zahl der versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen. Sie werden es auch nicht schaffen, daß Frauen mehr sozialen Schutz haben. Noch ein Wort zur Besteuerung. Ich finde es richtig, daß die Nebenverdienste besteuert werden. Aber erklären Sie mir einmal, warum Sie die Ehefrauen aus der Regelung herauslassen, obwohl Sie ansonsten am Ehegattensplitting festhalten! Wenn Sie die Ehefrauen in dieser Situation steuerlich begünstigen, dann sorgen Sie dafür, daß ebendiese Frauen in der 630-Mark-Job-Falle festgehalten werden. Sie zementieren die Rolle dieser Frauen als traditionelle Zuverdienerinnen. Das ist weder sozial noch emanzipatorisch. ({8})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin, ich muß auch Sie bitten, jetzt Ihre Rede zum Abschluß zu bringen.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich bin sofort fertig. - Ich hätte mir genauso wie viele Frauen, die uns heute zuschauen, gewünscht, heute das unsägliche Kapitel der 630-Mark-Jobs durch beschäftigungspolitisch sinnvolle Regelungen und durch mehr soziale Sicherheit für Frauen schließen zu können. Das wäre das geeignete Signal zum Internationalen Frauentag gewesen. Diese Chance haben Sie vertan. Deshalb stimmen wir gegen Ihren Gesetzentwurf. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort der Abgeordneten Ingrid Fischbach von der CDU/CSUFraktion.

Ingrid Fischbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003117, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich höre heute noch die vollmundigen Wahlversprechungen der SPD. Die Kollegin Onur hat gerade die Auffassung vertreten, sie seien eingelöst. Ich sage Ihnen gleich, daß und warum Sie sie nicht eingelöst haben. Mir klingt allerdings noch in den Ohren: Wir werden nicht alles anders - das war schon klug, aber dann kam ein Zusatz -, aber vieles besser machen. - Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion: Der Gesetzentwurf, den Sie heute vorlegen, ist kein Beleg für „besser machen“. Deshalb sage ich Ihnen: Lassen Sie es sein; Sie können es nicht. ({0}) Diese Vorlage ist nicht besser, sondern ein Armutszeugnis. ({1}) - Wenn Sie mir jetzt bitte einmal zuhören, Herr Gilges, dann sage ich Ihnen, was wir gemacht haben. - Kein Gesetzentwurf wurde so oft mit unterschiedlichen Inhalten vorgetragen wie dieser. Der wievielte Entwurf ist das eigentlich? Der vierte? Oder kommt gleich noch der Kanzler und bringt uns den fünften? Ich weiß es nicht. ({2}) Kein Gesetzentwurf ist in einer Anhörung so niedergemacht und abqualifiziert worden wie dieser. Hat überhaupt ein Sachverständiger ein gutes Haar an dieser Vorlage gelassen? Ich kann mich nicht erinnern. ({3}) Kein Gesetzentwurf hat das Chaos und das Unvermögen einer Regierung so deutlich gemacht wie dieser, obwohl diese Vorlage durchaus große Konkurrenz bekommen könnte: Ich denke an das Steuerentlastungsgesetz, über das wir heute morgen debattiert haben, und an die Ökosteuer, über die wir gestern diskutiert haben. - Chaos hoch drei. An das Chaos im Familienausschuß gestern will ich gar nicht mehr erinnert werden. Wir sollten über Änderungen an dieser Vorlage entscheiden, von denen die Kolleginnen der Regierungskoalition sagten: Wir wissen nicht genau, wie die Änderungen aussehen; aber das ist auch noch nicht so wichtig, die Änderungen kommen heute nachmittag; wir entscheiden schon einmal. Dann wurde flugs ein Änderungsantrag auf den Tisch gelegt. Dieser Änderungsantrag wurde wieder geändert. - Dieses Chaos ist nicht mehr zu überbieten. ({4}) Ich möchte Ihr Unvermögen auch noch an anderen Stellen deutlich machen. ({5}) Sie, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, werden die Ausweitung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse nicht eindämmen. Sie werden auch den Mißbrauch durch Ihre Kontrollmaßnahmen nicht ausschalten. Sie werden genauso die Ausweichreaktionen in den Bereich der Schwarzarbeit nicht verhindern. Sie werden auch nicht ein weiteres Aufsplitten der Arbeitsverhältnisse verhindern. Vor allem geben Sie Frauen - gerade heute haben wir Berichte und Wortmeldungen zum Internationalen Frauentag gehört -, die vorrangig in diesen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, mit dieser Vorlage keine Option auf eine verbesserte Alterssicherung. ({6}) Durch die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze in den neuen Bundesländern von 530 DM auf 630 DM wird meines Erachtens der Anreiz zu Minijobs noch erhöht. Ich bin sicher, daß es in den neuen Bundesländern zu einer deutlichen Ausdehnung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen kommen wird. ({7}) Sie haben das Problem der Frauen, die in diesen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, ganz korrekt dargestellt. Ich muß Sie insofern loben, als Sie erkannt haben, daß vorrangig Frauen betroffen sind. Aber, meine Damen von der SPD und von den Grünen, wo sind eigentlich Ihre Forderungen der letzten Jahre geblieben? ({8}) - Frau Kollegin, ich war noch nicht Mitglied in diesem Hause; deswegen konnte ich nicht dabeisein. - Wer hat Ihnen eigentlich den Mund verboten? Durften Sie sich nicht mehr äußern und einbringen? Meine Damen der SPD-Fraktion, hat Ihnen der Fraktionschef wie damals in der entsprechenden Sitzung wieder einen Maulkorb verhängt? - Ich muß es fast annehmen; denn dieser Gesetzentwurf ist eine Ohrfeige für die Frauen. ({9}) Gerade Sie, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, die Sie sich immer als d ie Frauenpolitikerinnen und Frauenpolitiker darstellen, lassen die Frauen nun im Regen stehen. Diese merken das. ({10}) Ich zitiere - hören Sie bitte einmal zu -: ... mit großer Empörung mußten wir zur Kenntnis nehmen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, an einem geteilten Beschäftigungssystem mit Arbeitnehmerinnen erster und zweiter Klasse festzuhalten. Und weiter: Mit der jetzigen Regelung besteht der allseits beklagte graue Arbeitsmarkt fort, der illegalen und nicht existenzsichernden Arbeitsverhältnissen Tür und Tor öffnet. Und zu guter Letzt: Die derzeit von Ihnen - damit sind Sie gemeint, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition geplanten Maßnahmen - man höre und staune werden nicht zum sozialen Frieden beitragen und müssen - gemessen an den Ankündigungen im Koalitionsvertrag ({11}) - warten Sie, das kommt; seien Sie nicht so neugierig; ich bin gleich fertig als gewaltige Mogelpackungen bezeichnet werden. Diese Worte - jetzt komme ich darauf, Herr Kollege stammen aus der Feder der Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen Nordrhein-Westfalen. ({12}) Das war eine Ihrer Mitstreiterinnen. Ich muß sagen, daß diese Worte für Sie vernichtend sind. Meine Damen und Herren, wenn Sie schon der Opposition nicht glauben und unsere Vorschläge nicht ernst nehmen - auf viele Teile, die Sie jetzt geändert haben, sind wir bereits in den Ausschüssen zu sprechen gekommen und haben Sie darauf hingewiesen -, glauben Sie doch wenigstens Ihren Vertrauten. Glauben Sie dieser Geschäftsführerin! Glauben Sie dem Deutschen Frauenrat, der Ihren Gesetzentwurf ebenso verwirft! Glauben Sie doch Ihrer Ministerpräsidentin Simonis! Tun Sie mir den Frauen zuliebe den Gefallen! Ihre Neuregelung stellt keine Brücke in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dar; sie wird genau das Gegenteil bewirken. ({13}) - Ich kann warten. - Ihr Gesetzentwurf fördert die soziale und wirtschaftliche Eigenständigkeit der Frauen nicht. Er wirkt dem völlig entgegen. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, diese Regelung wird nicht zum sozialen Frieden beitragen. Wie soll man der alleinerziehenden Mutter, die einen 630-Mark-Job angenommen hat, um für sich und ihr Kind etwas dazuzuverdienen, denn erklären, daß sie nun Steuern zahlen muß, während die Ehegattin eines gutverdienenden Mannes keine zahlen muß? Ich greife jetzt einmal das Frauenbild unseres Kanzlers auf: Ich könnte mir vorstellen, daß Frau Schröder-Köpf als selbstbewußte Frau auch ein paar Mark zum Urlaub dazuverdienen will. Wenn sie aber eine 630-MarkBeschäftigung dazu annähme, bräuchte sie dafür keine Steuern bezahlen. ({14}) Wie können Sie, die Sie uns ständig vorwerfen, wir hätten die soziale Gerechtigkeit aus den Augen verloren, so unsozial handeln? ({15})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Fischbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Dückert?

Ingrid Fischbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003117, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte auf die Zwischenfrage verzichten, weil das meine erste Rede ist. ({0}) Ich bin davon überzeugt, daß Sie hier nicht nur unsozial, sondern auch verfassungswidrig handeln. Sie werden, wie schon beim Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, die Verfassungswidrigkeit früher oder später erkennen. Meine Damen und Herren, der von der Koalition vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ist ein Schritt in die falsche Richtung. Das Ziel, mehr versicherungspflichtige Beschäftigung zu schaffen, wird damit nicht erreicht. ({1}) Der „Tagesspiegel“ schrieb - auch das kommt nicht von ungefähr - am 26. Februar 1999: Das Projekt „Reform der Mini-Jobs“ ist gut gemeint, führt aber ins sozialpolitische Nichts. Das Beste für alle wäre - jetzt hören Sie gut zu, Herr Kollege -, die Regierung zöge den ganzen Schlamassel zurück ... ({2}) Der „Tagesspiegel“ hat recht: Ziehen Sie den ganzen Schlamassel zurück, und stimmen Sie unserem Antrag zu! Danke schön. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das war, wie bereits gesagt, die erste Rede der Kollegin Fischbach. Ich darf ihr im Namen des Hauses dazu gratulieren. ({0}) Nun gebe ich das Wort dem Kollegen Peter Dreßen von der SPD-Fraktion.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie von der Opposition haben sich ja unsere Gesetzesvorlage sehr kritisch und scharf vorgenommen. Das ist auch Ihr gutes Recht. ({0}) Ich möchte aber doch einmal feststellen, daß gerade Sie der Auslöser dafür waren, weshalb das Gesetz jetzt in der Form zur Beratung ansteht. ({1}) Jeder, der ein wenig Ahnung von unserem Sozialversicherungswesen hat, weiß, daß zur Finanzierung desselben allein der Faktor Arbeit zählt. ({2}) Ihre Partei hat in den letzten 16 Jahren die Bemessungsgrundlagen permanent verengt, gnädige Frau; so ist es, auch wenn Sie noch so schreien. Sie hat zugelassen, daß 1 Million Menschen, die eigentlich sozialversicherungspflichtig arbeiten, zur Scheinselbständigkeit gezwungen wurden, nur um das eine Ziel zu erreichen: Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Sie haben zugelassen, daß normale Arbeitsverhältnisse in sogenannte 630-MarkJobs aufgestückelt wurden. Auch hier war das einzige Ziel, Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Das bedeutete, daß Sie mit der Zeit ein Einnahmeproblem bekamen, das die jetzige Koalition lösen muß. An die 4 Millionen Arbeitslosen will ich in diesem Zusammenhang gar nicht denken. Sie begegneten diesem Problem, indem Sie schlicht das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe gekürzt haben. In der Krankenversicherung haben Sie die Mehrkosten auf die Patienten verlagert; Stichworte: Lohnfortzahlung und Zuzahlung bei den Medikamenten. In der Rentenversicherung wollten Sie das Rentenniveau von 70 auf 64 Prozent senken. Weil das alles noch nicht ausgereicht hat, mußten Sie zusätzlich die ordentlichen Arbeitsverhältnisse, die noch bestanden haben, mit höheren Beiträgen belegen. ({3}) Sie werden verstehen, daß die Koalition von SPD und Grünen diesen Weg nicht gehen wird. ({4}) Wir versuchen mit dem Gesetz, das wir Ihnen nun vorlegen, die Bemessungsgrundlage dadurch zu erweitern, so daß wieder alle, die arbeiten, entsprechende Beiträge in die Sozialversicherung zahlen. Es mag sein, daß dies noch immer nicht ausreicht, um die Finanzen der Sozialversicherung wieder zu ordnen. ({5}) Aber Sie wissen auch, daß wir angekündigt haben, in den drei großen Bereichen - Rente, Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung - Strukturreformen durchzuführen, in aller Ruhe und Gelassenheit und nach Gesprächen mit allen Bevölkerungsgruppen. Im Gegensatz zu Ihnen werden wir die Probleme nicht nur auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer austragen. Das ist der große Unterschied zwischen Ihnen und uns. ({6}) Nun darf ich einmal zu dem Antrag kommen, den Sie uns vorgelegt haben. Da lese ich: Die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse haben sich bewährt und müssen erhalten bleiben. Diesen Satz liest man im ersten Teil Ihres Antrages. Im zweiten Teil, wo es heißt: „Der Bundestag wolle beschließen“, steht dann: Eine Reform der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ist notwendig. Was trifft nun zu? Sind die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse in Ordnung, oder müssen sie reformiert werden? ({7}) Und wenn, dann sagen Sie doch einmal, wie. Wenn sich die 630-Mark-Jobs so großartig bewährt haben, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wozu wollen Sie dann eine Reform? Sie widersprechen sich in Ihrem eigenen Antrag. Uns nun wegen einiger Änderungen vorzuwerfen, wir wüßten nicht, was wir wollen, finde ich schon merkwürdig. ({8}) Sie müssen sich doch erst einmal entscheiden, was Sie wollen. Wir haben uns entschieden. ({9}) Unter Punkt 2 Ihres Antrages schreiben Sie, daß eine Lösung des Problems nur im Rahmen eines Gesamtkonzepts erfolgen könne. ({10}) - Das finde ich nun wirklich lustig, Frau SchnieberJastram. 16 Jahre waren Sie an der Regierung und hätten ein Gesamtkonzept erstellen können, 16 Jahre hätten Sie Zeit gehabt, um den Betroffenen zu helfen! Doch dazu waren Sie nicht in der Lage. Daraus, daß Sie uns nun vorwerfen, das sei alles nichts, spricht, so empfinde ich, einfach nur der pure Neid darüber, daß diese Koalition jetzt zügig umsetzt, was sie im Wahlkampf versprochen hat. ({11}) Es ist wahr: Dieses Gesetz hat in der parlamentarischen Beratung einige Veränderungen erfahren. Aber das ist auch heute morgen bei der Steuerdebatte schon deutlich geworden - dies ist auch ein neuer politischer Stil, den wir verwirklichen wollen. ({12}) Wenn uns Sachverständige während der Beratung sagen, daß es da oder dort verfassungsrechtliche Bedenken gibt, oder Vorschläge machen, die schlicht besser sind, dann nehmen wir das ernst. ({13}) Es ist uns zum Beispiel - ich sage Ihnen das ganz offen - nicht leichtgefallen, den ursprünglichen Art. 10, mit dem wir die Betriebsräte stärker beteiligen wollten, ersatzlos zu streichen. Aber wenn uns Gewerkschaften und Arbeitgeber signalisieren, daß wir diesen Artikel streichen sollten, ist es für uns eine Verpflichtung, darüber nachzudenken und entsprechend zu handeln. ({14}) Ähnlich erging es uns bei der Steuerfrage. Das war vorhin auch das Thema von Frau Schwaetzer. Auch hier haben Wissenschaftler und Fachverbände geraten, das Ganze etwas anders zu gestalten. Auch hier haben wir meines Erachtens richtig gehandelt. Uns nun vorzuwerfen, das Gesetz werde alle fünf Minuten geändert, ist grotesk. ({15}) Im Interesse der Sache haben wir versucht, bei den Anhörungen hinzuhören und entsprechend zu handeln. ({16}) Wenn ich da an die Anhörungen in Ihrer Zeit denke, dann wird mir wirklich schwarz vor Augen, weil Ihnen Sachverständige, Wissenschaftler sowie Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeber sagen konnten, was sie wollten - Sie haben nicht einen Punkt, nicht ein Komma geändert. Also auch hier entsteht ein neuer politischer Stil, und das ist auch so in Ordnung. ({17}) Wir haben nicht den Anspruch, allwissend zu sein. Wenn das so wäre, bräuchten wir ja keine Anhörungen. Seien Sie doch froh, wenn Anhörungen in der Zukunft wieder als Beratung des Parlamentes ernst genommen werden. ({18}) Dennoch: Dieser Gesetzentwurf führt dazu, daß auf dem Arbeitsmarkt wieder mehr Ordnung herrscht. Dabei hatten wir - zugegeben - von Anfang an einen Spagat machen müssen: Wir wollten die Arbeitgeber nicht zusätzlich belasten. Der Arbeitgeber, der in der Vergangenheit die 20prozentige Lohnpauschale einschließlich der Kirchensteuer gezahlt hat, wird in Zukunft keine großen Mehrbelastungen haben. Derjenige allerdings, der sich bisher meines Erachtens unsozial verhalten hat, den werden wir mit diesem Gesetz treffen. Aber der andere hat, wie gesagt, keinerlei Probleme. ({19}) Ich weise darauf hin: Auch im Bereich der Zeitungsverlage gibt es solche, deren Zeitungen am Morgen von Arbeitnehmern in ordentlichen Beschäftigungsverhältnissen ausgetragen werden. ({20}) Die Kreativität mancher Zeitungsverleger ist so groß, daß sie dies schaffen. Ich finde, die anderen Verlage sollten überlegen, ob sie das nicht auch tun können. Deswegen sollte man diesbezüglich nicht allzu viele Krokodilstränen vergießen. ({21}) Im übrigen muß ich eines feststellen: Wir haben am 27. September letzten Jahres die Wahl gewonnen, weil viele Menschen gesagt haben: Ihr in Bonn müßt etwas bewegen. Da muß sich etwas verändern. Der Reformstau muß aufgelöst werden. ({22}) Nun tun wir das, und natürlich sagt jeder, den wir ein bißchen bewegen: Laßt mich stehen, bewegt den anderen. ({23}) Das ist verständlich. Aber wir werden ein paar bewegen; da habe ich überhaupt keine Bedenken. ({24}) Zurück zu den Arbeitnehmerrechten. Auch diesbezüglich haben wir eine Verbesserung erreicht, und zwar bei all den geringfügig Beschäftigten, die keine weiteren Einnahmen haben. Hier werden zusätzliche Rentenanwartschaften ermöglicht. Frau Schwaetzer, was Sie vorhin zum Thema Rente gesagt haben, stimmt natürlich in dieser Form nicht. Der Arbeitnehmer muß, wenn er den vom Arbeitgeber zu zahlenden Rentenversicherungsbeitrag nicht um 7,5 Prozentpunkte aufstockt, rund 25 Jahre warten. Wenn er aber den Beitrag um 7,5 Prozentpunkte aufstockt - ich rufe dazu auf, dies zu tun -, dann hat er nach fünf Jahren die Pflichtzeiten erfüllt und hat zusammen mit den anderen Ansprüchen, die er schon erworben hat, eine Rente zu erwarten. ({25}) Deswegen waren Ihre Ausführungen nicht richtig. Sie sollten sich einmal über das Rentenrecht informieren. ({26}) Ich kann also nur alle auffordern, daß sie diese 7,5 Prozentpunkte zahlen. Sie haben, wie gesagt, in den letzten 16 Jahren nichts dazu getan, daß auf dem Arbeitsmarkt wieder Ordnung geschaffen wird. Die Einbringung dieses Gesetzentwurfes war notwendig und richtig. ({27}) Sie waren dazu nicht imstande. Meine Kollegin Onur hat aufgezeigt, daß gerade die größere Oppositionspartei zwar willig, aber leider nicht handlungsfähig war. Ein großer Fortschritt ist, daß nun von der ersten D-Mark an Beiträge in die Sozialversicherung fließen. Der Faktor Arbeit ist die einzige Bemessungsgrundlage zur Finanzierung der Sozialversicherung. Wer es wie Sie zuläßt, daß immer mehr Arbeit nicht der Sozialversicherung unterliegt, macht dieses System auf Dauer kaputt und ist der Totengräber der Sozialversicherung. Dies unterstelle ich zwar nicht dem Arbeitnehmerflügel der CDU/CSU, aber dem Wirtschaftsrat und insbesondere der F.D.P. ({28})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Abgeordneten Niebel das Wort.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollege Dreßen hat soeben behauptet, wir, die Opposition, seien verantwortlich für die Art und Weise der Beratung dieses Gesetzentwurfes. Diese Behauptung weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Für diesen Murks sind wir nicht verantwortlich. ({0}) Diese Verantwortung, Herr Kollege Dreßen, liegt einzig bei der Regierungskoalition. Damit müssen Sie auch in Zukunft leben; denn die jetzt mittlerweile, so glaube ich, sechste Fassung dieses katastrophalen Gesetzentwurfes wird mit Sicherheit nicht die letzte sein. Sie sind Meister in der Nachbesserung. Das Problem ist bloß, daß „nachbessern“ als Wort grundsätzlich impliziert, daß etwas eigentlich Gutes noch besser gemacht wird. Wir haben in dieser Debatte ständig erfahren, daß Murks noch mehr verhunzt worden ist. Ich möchte Ihnen das an einigen Beispielen erläutern. Ich sage sogar überspitzt, warum wir nicht dafür verantwortlich sind: Ich bin nicht dafür verantwortlich, daß Sie Millionärsgattinnen von der Steuer freistellen, daß Sie aber die alleinerziehende Mutter, die nebenher Unterhalt bezieht, in die Steuerpflicht nehmen. ({1}) Ich bin nicht dafür verantwortlich, daß die Nebenbeschäftigung von Beamten und privat Krankenversicherten den Arbeitgeber zehn Prozent weniger Lohnleistungen kostet, als das bei Sozialversicherungspflichtigen in Nebenjobs der Fall ist. Das ist Ihre Verantwortung. ({2}) Ich bin nicht dafür verantwortlich - das gilt auch für meine Kolleginnen und Kollegen -, daß Sie, Herr Kollege Dreßen, mit Ihrer Verfahrensmehrheit die parlamentarischen Rechte der Opposition ständig sträflich mißachtet haben, daß Sie trotz substantieller Änderungen in der Gesetzesvorlage - die der Kollege Ostertag im Ausschuß bestätigt hat - gesagt haben, es gebe keine Veranlassung zu einer erneuten Anhörung, daß Sie sich geweigert haben, exakte Finanzdaten abzugeben, und statt dessen mit der Beendigung der Debatte reagiert haben - was dazu geführt hat, daß wichtige Fragen der Opposition nicht geklärt werden konnten. ({3}) Ich bin auch nicht dafür verantwortlich, Herr Kollege Dreßen, daß dieser Murks an Gesetz, der heute wahrscheinlich mit der Mehrheit der Koalition beschlossen wird, dazu führt, daß Privathaushalte, die beispielsweise eine Reinigungskraft für zwei Stunden in der Woche beschäftigen, mit dem exakt gleichen Verwaltungsaufwand überzogen werden wie Großbetriebe, die eine eigene Personalabteilung haben, die eine eigene Buchprüfung haben. ({4}) Die kleinen Leute, die zu Hause eine Hilfe beschäftigen, werden von Ihnen ohne Übergangsfrist quasi gezwungen, in die Schwarzarbeit und in die Illegalität abzudriften. Für all das sind wir nicht verantwortlich. Deswegen sage ich auch heute noch einmal: Die F.D.P. ist die Partei der sozialen Verantwortung ({5}) - das gefällt Ihnen immer noch nicht; aber das lebt ja auch von der Kunst der Wiederholung -, weil wir den Menschen die Möglichkeit geben wollen, ihren Lebensunterhalt zumindest teilweise aus eigener Arbeit zu erwirtschaften, während Ihre Politik unsozial ist. Vielen Dank. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Auf diese Kurzintervention kann der Kollege Peter Dreßen antworten. Bitte schön.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Niebel, wenn die Partei der Besserverdienenden in der Zukunft die Partei der sozial Schwachen sein will, habe ich nichts dagegen. Dann treten wir eben miteinander in einen Wettstreit ein. Nur, wir haben in den letzten 16 Jahren erfahren, daß Sie permanent Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gekürzt haben und daß Sie bei allen Schweinereien, bei denen es darum ging, Rechte der Arbeitnehmer abzubauen, dabei waren. ({0}) Deswegen war von sozialer Verantwortung zumindest in den letzten 16 Jahren nichts zu sehen. Ich bin aber gespannt, wie es in der Zukunft sein wird. Ihr Vorgänger als wirtschaftspolitischer Sprecher hat offen dafür plädiert, daß wir die Sozialversicherung am besten abschaffen und alles privatisieren sollten. Das ist die These, die Sie in den letzten 16 Jahren vertreten haben. ({1}) Deswegen wurde in diesem Bereich auch nichts geändert; denn es kam Ihnen natürlich entgegen, daß immer weniger Geld in die Sozialversicherung hereinkam. Je mehr Probleme die Sozialversicherung hatte, um so mehr konnte Herr Lambsdorff mit seiner Privatisiererei nach vorne treten. Weil Sie dieses Problem in den letzten 16 Jahren nicht gelöst haben, sind Sie natürlich mit verantwortlich, daß wir jetzt schnell handeln müssen. Wir haben dieses Gesetz daher schon jetzt vorgelegt; das sind wir den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einfach schuldig. Wenn ich diese Debatte um die Millionärsgattin höre, ({2}) dann muß ich Ihnen sagen: Auch die Frau des durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmers, die nur 630 DM verdient, arbeitet natürlich steuerfrei. Wir wollen aber einmal sehen, wie viele Millionärsgattinnen dann für 630 DM im Kaufhaus putzen oder hier den Saal in Ordnung bringen. ({3}) Vielleicht macht das Ihre Frau oder der Mann von Frau Schwaetzer, ich weiß es nicht. Ich will damit nur sagen: In den letzten 16 Jahren ist sehr vieles in der Sozialversicherung ausgeblutet. Dafür tragen Sie die Verantwortung. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Bevor ich das Wort weitergebe, will ich darauf hinweisen, daß mit der namentlichen Abstimmung gegen 17.25 Uhr zu rechnen ist. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, sich darüber hinaus auf eine weitere namentliche Abstimmung im Laufe des Abends einzustellen. Nun hat das Wort der Kollege Wolfgang Meckelburg von der CDU/CSU-Fraktion.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zumindest eines dürfte im Gesetzgebungsverfahren bei der Neuregelung der 630-Mark-Jobs klar geworden sein: Regieren ist keine geringfügige Beschäftigung. ({0}) - Ob das noch Spaß macht - Sie sagen das -, weiß ich nicht. Zumindest sollten Sie die oben genannte Erkenntnis langsam verinnerlichen. Was ich auf Grund des Verfahrens der letzten Wochen und Monate, auf Grund der vielen Vorschläge, die gemacht wurden, überhaupt nicht verstehen kann, ist, daß Sie hier in Lobhudelei ausbrechen, wenn man sich das Ergebnis dieser Beratungen anschaut. Ich sage es von vornherein: Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen, weil die Regelung, die Sie jetzt vorgelegt haben, zu mehr Bürokratie, zu sozialen Ungerechtigkeiten führt und ein Durcheinander bei der steuerlichen Behandlung bringt. Der Kollege Ramsauer hat eben eine Reihe von Beispielen genannt. Sie haben kein Konzept für den Niedriglohnsektor vorgelegt. Es wäre wichtig gewesen, da einmal die Schallmauer der 630Mark-Jobs zu durchbrechen. ({1}) Da hätten wir Ihnen gern ein wenig mehr Zeit gegönnt. Sie hätten nur den Mut haben müssen, dies einmal richtig anzupacken. ({2}) Das eigentliche Ziel, Herr Kollege Gilges, Eindämmung des Mißbrauchs bei den Billig-Jobs, wird sicherlich nicht erreicht. Mit der heutigen Verabschiedung findet ein konzeptionsloser Prozeß seinen wenig ruhmreichen Abschluß. Schon vor der Formulierung des Gesetzentwurfs gab es ein Verwirrspiel der Vorschläge. Die Frage: „Wie viele Vorschläge gab es eigentlich?“ ist heute häufig gestellt worden. Während des Verfahrens gab es einen wirklichen Zickzackkurs. Bei uns zu Hause sagt man: Rin inne Kartoffeln, raus ausse Kartoffeln. ({3}) Es war kaum nachvollziehbar, in welchem Tempo Sie die Vorschläge geändert haben. ({4}) Die Anhörung hat ein niederschmetterndes Urteil gebracht. Ich habe noch nie erlebt, daß es eine Anhörung gab, bei der alle Beteiligten durchweg deutlich gesagt haben: So geht es nicht. - Wir haben gesehen, wie die stellvertretende Vorsitzende des DGB, Frau EngelenKiefer, bei den Antworten herumeierte, bis sie schließlich den Satz äußerte: Es ist ja wenigstens erwähnenswert, daß Sie sich bemühen, in der Frage weiterzukommen. So recht zufrieden war sie, glaube ich, an der Stelle auch nicht. ({5}) Diese Anhörung war höchst peinlich. Sie hätten den Rat des Kollegen Louven bei der Einbringung ernst nehmen sollen: Nehmen Sie diesen Murks zurück! Sie hätten den Mut haben müssen, sich mehr Zeit zu nehmen. Meine Damen und Herren, es ist noch nicht zu spät. Ziehen Sie diesen Maxi-Flop zurück! Er wird Ihnen in den nächsten Monaten und Jahren Ärger bereiten. Darauf müssen Sie sich gefaßt machen. ({6}) Sie haben sich zumindest bemüht, in aller Hektik verfassungsrechtliche Grobschnitzer zu beseitigen. Das hätte man auch vorher merken können, wenn man gründlich vorberaten hätte. Dazu brauchten Sie die Anhörung und den Druck durch das verfassungsrechtliche Gutachten des Landes Baden-Württemberg. Das ist keine Konzeptionsstrategie, die Sie in dieser Frage verfolgen; das ist eine Pannenvermeidungsstrategie, die hier vorgelegt wird. Am Ende hat man den Eindruck, daß Sie bei der Frage der geringfügigen Beschäftigung etwas neu regeln wollen und daß Sie nicht genau wissen, was. Es ist Ihnen egal, was; Hauptsache, es wird etwas getan. Diesen Eindruck hat man inzwischen, weil Sie mitten im Gesetzgebungsverfahren die Pferde wechseln. Sie haben das in Hektik getan. Ursprüngliche Varianten wurden umgestoßen: Erst keine Rentenansprüche; dann doch; erst Mitbestimmungsregelungen, dann doch nicht. Für Mini-Jobber, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, werden Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung dann auch nicht mehr gefordert. Sie haben Änderungen im Verfahren innerhalb von zwei Wochen gemacht, und dann wollen Sie auch noch weismachen, daß jemand draußen in der Lage sein muß, das, was Sie in Hektik fabrizieren und was daher unüberschaubar ist, in allerschnellster Weise nachzuvollziehen. Ab 1. April muß das umgesetzt werden. Es gibt verzweifelte Fragen: Was wird denn da wirklich wie geregelt? - Ich habe die Bitte an den Arbeitsminister, daß er, wenn er den Mut hat, diesen Murks durchzusetzen, dann auch wenigstens den Mut hat, schleunigst eine Broschüre herauszugeben, damit die Leute vor Ort mit den Regelungen umgehen können. ({7}) Wir haben zumindest versucht, die Phase der Vorbereitung zu verlängern, und wir haben gesagt: Laßt das dann wenigstens am 1. Januar 2000 beginnen, damit etwas Zeit zur Vorbereitung bleibt. Nein, Sie befrachten das Ganze mit Bürokratie in einem Rutsch. ({8}) Meine Damen und Herren, in einer ganzen Reihe von Branchen herrschen Betroffenheit und Unverständnis, zum Teil auch Verzweiflung. Wie soll dieses 630-MarkUngetüm umgesetzt werden - praktisch von heute auf morgen? Die Zeitungsverleger sind eben angesprochen worden. Die Frage, ob Sie da ein paar Jobs beseitigen, interessiert mich nicht. Jedenfalls sind diejenigen, die da betroffen sind, nicht diejenigen, die wir weghaben wollen. Ich sage es Ihnen einmal ganz deutlich, Frau Dükkert: Es geht nicht um die Frage, ob jemand die Zeitung wöchentlich austrägt. Ich bin nicht der Leser von Periodicals. Ich möchte jeden Morgen meine Tageszeitung haben und nicht eine Wochenlieferung am Samstag. ({9}) Das Hotel- und Gaststättengewerbe ist besonders betroffen, weil hier der Anteil der nebenberuflich Tätigen überproportional ist und fast die Hälfte beträgt. Da wird es Kostensteigerungen geben. Diese Regelung führt in einer Phase, in der es für das Hotel- und Gaststättengewerbe gerade in die Sommerzeit geht, zu katastrophalen Veränderungen. Das alles haben Sie zu verantworten. ({10}) Es ist völlig richtig, daß Sie wegfallende Jobs in der Schwarzarbeit wiederfinden werden. Dies ist das größte Programm für Schwarzarbeit, das ich je erlebt habe, solange ich hier im Bundestag bin. ({11}) Meine Damen und Herren, ich will nicht versäumen, einen Punkt anzusprechen, in dem ich mich wirklich wundere. Sie wollen mit diesem Gesetz unter allen Umständen am 19. März den Bundesrat erreichen. Damit ist der Druck zu erklären: Wir haben Nachtsitzungen gemacht, Sondersitzungen in Haushaltswochen; eine zweite Anhörung, die dringend notwendig gewesen wäre, ist uns verwehrt worden. ({12}) Sie wollen ganz einfach am 19. März den Bundesrat erreichen. Da wird es wirklich politisch unanständig. Sie wollen nämlich mit Hilfe einer Landesregierung, die gerade abgewählt worden ist, diesen Murks noch zum Gesetz erheben. ({13}) Wieviel politischen Anstand haben Sie eigentlich noch? ({14}) Ich kann nachvollziehen, daß es inzwischen in Ihren eigenen Reihen, meine Damen und Herren von der SPD, junge Abgeordnete gibt, denen der Kragen platzt: „Abgeordnete sauer über des Kanzlers Alleingänge“. Das muß sich inzwischen bei Ihnen verbreitet haben. Man spürt ja, mit welcher Liebe Sie in die Ausschußsitzungen gehen. Da wird gesagt - so ein junger Kollege der SPD, veröffentlicht im „Expreß“ vom 2. März -, „daß die Arbeitsorganisation der neuen Regierung selbst wenig mit dem Management einer modernen Industriegesellschaft zu tun hat.“ Recht hat er! Das ist nicht nur handwerklich schwierig; ich habe inzwischen den Eindruck, daß Sie das Handwerk einfach nicht verstehen. Da wird gesagt diese Gefühle müssen Sie alle nachvollzogen haben, meine Damen und Herren von der SPD -: Die Fraktion durfte in den letzten Wochen viele Entscheidungen nur noch absegnen. Der junge Kollege Schneider von der SPD sagt: Ich bin nicht dazu gewählt worden, in der Fraktion alles abzunicken. Er erwähnt nach fünf Monaten Regierungszeit unter Kanzler Schröder die Bezeichnung „Kanzlerwahlverein“. Meine Damen und Herren von der SPD, wie weit sind Sie als diskutierende Partei eigentlich in fünf Monaten Regierungszeit gekommen? ({15}) Meine Damen und Herren, ({16}) lassen Sie mich zum Schluß kommen. ({17}) - Wenn Sie beim Hereinkommen des Fraktionsvorsitzenden Schäuble so applaudieren, merke ich, daß der Frust darüber, daß Sie ein Kanzlerwahlverein für Schröder sind, so tief sitzt, daß Sie schon Freude haben, wenn Schäuble hier auftritt. Das war toll. ({18}) Meine Damen und Herren, ich spreche Rotgrün nicht den Willen zu reformieren ab. Aber was wir bisher gerade im Sozialbereich erlebt haben, ist folgendes: Sie bringen einen Gesetzentwurf ein; Sie deformieren damit einen Sachverhalt. ({19}) Im Gesetzgebungsverfahren reparieren Sie das Ganze dann. Am Ende, bei der Verabschiedung, nämlich heute, blamieren Sie sich mit der ganzen Geschichte. Das Motto der Regierungserklärung von Kanzler Schröder vom 10. November habe ich jetzt wirklich verstanden. Sie war überschrieben: „Weil wir Deutschlands Kraft vertrauen ...“. Seit heute weiß ich, was die drei verheißungsvollen Pünktchen heißen: Deutschland braucht viel Kraft und Mut und Selbstvertrauen, um das zu verkraften, was Sie uns zumuten. ({20})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun Bundesminister Riester das Wort. ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der Opposition, es gab so viel Aufregung. Deshalb möchte ich Ihnen zu Beginn meiner Rede ein Zitat eines Mitglieds der alten Regierung anbieten: ... mir paßt es nicht, wenn Arbeitgeber versicherungspflichtige Arbeitsplätze in mehrere sozialversicherungsfreie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aufspalten. Das ist ... eine Kampfansage an unseren Sozialstaat. ... Die Dummen sind bei einer solchen Entwicklung die treuen und ehrlichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer; sie müssen um so höhere Beiträge zahlen. Hier sind die Arbeitgeber aufgefordert, Solidarität und Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern und der Sozialversicherung zu zeigen. ({0}) Das hat Horst Günther, der frühere Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, vor elf Monaten hier im Parlament erklärt. Herr Günther hat das Problem erkannt. Deshalb vertrat er in letzter Zeit auch immer Norbert Blüm in Fragen der geringfügigen Beschäftigung. Am 1. Oktober 1997 stellte Herr Günther im Deutschen Bundestag fest, daß die Ungleichbehandlung von denen, die eine Hauptbeschäftigung mit 630-DM-Jobs verbinden, und denen, die Überstunden fahren, nur - ich zitiere - „schwer vermittelbar“ ist. ({1}) Am 29. Oktober sagte Norbert Blüms Mann für das „Geringfügige“ zum gleichen Thema - ich zitiere ein drittes und letztes Mal -: Man kann es auch „Flucht aus der Sozialverantwortungspflicht“ nennen. Das beeinträchtigt selbstverständlich die Wettbewerbsfähigkeit und auch die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt. ... Es besteht ... Handlungsbedarf. Das ist völlig klar. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen richtigen Erkenntnissen und diesen klaren Worten folgten leider keine Taten. ({2}) Die alte Bundesregierung hat sich der Herausforderung, das Problem zu lösen, was in der Tat nicht leicht ist nämlich ordentliche Voraussetzungen bei der geringfügigen Beschäftigung herzustellen -, nicht gestellt. Wir stellen uns der Herausforderung. Deshalb sind wir die Reform der 630-Mark-Arbeitsverhältnisse angegangen. Wir schließen die Gerechtigkeitslücke, die die alte Regelung mit sich bringt. ({3}) Diese Gerechtigkeitslücke klafft tief und breit, wie das nach Jahren der Untätigkeit zwangsläufig ist. Die Diskussion der letzten Wochen ist teilweise sehr aufgeregt geführt worden. Deshalb will ich noch einmal in aller Ruhe die Ziele nennen, die wir mit der Neuregelung verfolgen. Erstens. Wir wollen die Kontrollmöglichkeiten bei geringfügiger Beschäftigung verbessern und für mehr Transparenz auf diesem Gebiet sorgen. ({4}) Zweitens. Wir wollen die Erosion der Beitragsbasis der Sozialversicherung stoppen. Geringfügige Beschäftigung soll von der ersten Mark an sozialversichert sein. ({5}) Drittens wollen wir den vielen Frauen, die in solchen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, eine verbesserte Alterssicherung ermöglichen. Viertens wollen wir mittelfristig die Ausweitung dieser Beschäftigungsverhältnisse eindämmen. Fünftens wollen wir die Menschen, die auf solche Jobs wirklich angewiesen sind, nicht zusätzlich belasten. Sechstens wollen wir eine weitere Aufteilung von Arbeitsverhältnissen in mehrere 630-Mark-Jobs verhindern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Gesetzentwurf erreicht alle diese Ziele. ({6}) Mit unserem neuen Gesetzentwurf stoppen wir erstens die Erosion der Sozialversicherung. Alle 630-Mark-Jobs sind in Zukunft beitragspflichtig. ({7}) Der Arbeitgeber muß in Zukunft für geringfügig Beschäftigte 12 Prozent an die Rentenversicherung und 10 Prozent an die Krankenversicherung abführen, und zwar von der ersten Mark an, so wie es im übrigen auch in den USA der Fall ist. Wenn der oder die geringfügig Beschäftigte nicht gesetzlich krankenversichert ist, muß der Arbeitgeber nur den Rentenbeitrag zahlen. Mit dieser Ausnahme haben wir unseren ursprünglichen Entwurf korrigiert und auf Bedenken reagiert, die unter anderem in der Anhörung geäußert worden sind. Ja, wir lassen uns eines Besseren belehren; unsere Korrekturen beweisen das. ({8}) Ich bin der Auffassung, daß es kaum etwas Schlimmeres als unbelehrbare Politiker gibt. ({9}) Im übrigen empfehle ich Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, nach dem Karlsruher Familienurteil und angesichts der anderen Urteile, die uns noch ins Haus stehen, mehr Zurückhaltung in der Frage der Verfassungswidrigkeit zu üben. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Bundesminister Riester, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niebel?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Niebel, bitte schön.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben gerade festgestellt, daß für Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, kein Beitrag des Arbeitgebers geleistet werden muß. Dies trifft, wie wir wissen, insbesondere für viele nebenbeschäftigte Beamte zu, da sie nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern in der Regel in der privaten Krankenversicherung sind. Befürchten Sie nicht auch wie ich, daß bei mehreren Bewerbern für eine Nebenbeschäftigung der beamtete Bewerber gegenüber dem nichtbeamteten Bewerber bevorzugt wird, da er 10 Prozent billiger ist?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich befürchte das nicht, Herr Niebel, möchte das aber auch nicht ganz ausschließen. Man befindet sich in einem Zielkonflikt. Ein Zielkonflikt ist, daß wir nicht wollen, daß die- oder derjenige bevorzugt wird, für den keine Krankenversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen. Wir wollen andererseits aber dem Einwand begegnen, daß in diesem Fall dem Beitrag keine Leistungsverpflichtung gegenübersteht. Außerdem möchten wir nicht, daß für ein paar Mark ein volles Krankenversicherungsverhältnis erbracht wird. Das wäre zu Lasten der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten. In diesem Zielkonflikt haben wir uns für die vorliegende Regelung entschlossen und halten sie für richtig. ({0}) Wir haben unsere Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse in einem weiteren Punkt verbessert. Alle geringfügig Beschäftigten erhalten aus den Beiträgen ihres Arbeitgebers von der ersten Mark an Anspruch auf Altersrente. Damit wird die Alterssicherung dieser Menschen deutlich verbessert. Unsere Neuregelung ist flexibel. Geringfügig Beschäftigte, die den Beitrag des Arbeitgebers auf den vollen Rentenbeitrag aufstocken, erhalten das volle Leistungsspektrum der gesamten Rentenversicherung. Das bedeutet: Über den Anspruch auf Altersrente hinaus bekommen sie bei Bedarf auch Rehaleistungen und den Schutz bei Berufsund Erwerbsunfähigkeit. ({1}) - Frau Schwaetzer, mich wundert insbesondere die Kritik der F.D.P. Wollen Sie nun Flexibilität, wollen Sie die Möglichkeit der Option, oder wollen Sie sie nicht? Mich wundert außerdem - das muß ich Ihnen sagen - der Hinweis auf die geringen Rentenansprüche. Wenn geringe Beiträge eingezahlt werden, liegt es in der Systematik dieser Kasse, daß man nur geringe Ansprüche stellen kann. ({2}) Die laufenden Zitate gerade von Ihrer Seite halte ich für ziemlich albern. Wir wissen, daß überdurchschnittlich viele Frauen in 630-Mark-Jobs arbeiten. Für diese Frauen bedeutet die neue Rentenregelung eine substantielle Verbesserung ihrer Alterssicherung. Dabei geht es nicht darum, daß ein Rentenanspruch aus einem 630-Mark-Job aufgebaut werden soll. Es geht vielmehr darum, Frauen die Möglichkeit zu geben, Beitragslücken zu schließen. ({3}) Mit der Neuregelung eröffnen wir für Frauen und natürlich auch für Männer in ähnlicher Situation diese Möglichkeiten. Wir haben immer gesagt, daß wir diejenigen, die auf die 630-Mark-Jobs angewiesen sind, nicht zusätzlich belasten wollen. Deshalb sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse grundsätzlich steuerfrei. Allerdings gibt es hiervon Ausnahmen. Aber diese Ausnahmen sind gut begründet; denn sie sind systematisch. Wer einen 630-Mark-Job als Nebenbeschäftigung hat, muß darauf Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. ({4}) - Wollen Sie etwa einen Handwerksgesellen, der ein Bruttogehalt von 4 000 DM bezieht und außerhalb seines Betriebes 630 DM hinzuverdient, netto besserstellen als denjenigen, der Überstunden macht und dadurch diesen Betrag hinzuverdient? Die beiden müssen doch gleichgestellt werden. ({5}) Um zu empfinden, daß dies ungerecht ist, muß man nicht einmal Sozialdemokrat sein. Das müßten auch Sie empfinden. ({6}) Wer in mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen mehr als 630 DM verdient, mußte schon bisher auf sein gesamtes Einkommen wie jeder andere Arbeitnehmer Steuern und Sozialabgaben zahlen. ({7}) Daran ändert sich gar nichts. Das ist auch so in Ordnung. Mit der Neuregelung belasten wir Menschen, die auf diese Jobs wirklich angewiesen sind, nicht zusätzlich. Ich sage das sehr deutlich. Wer aber reguläre Beschäftigungsverhältnisse in mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aufteilen will, wird sich das in Zukunft sehr genau überlegen müssen, und das ist gut so. ({8}) - Das war bisher schon verboten, Sie haben völlig recht. Bisher war aber über die Pauschalierung und die Anonymisierung dieser Arbeitsverhältnisse der Grauzone Tür und Tor geöffnet. Diese haben wir jetzt verbaut. ({9}) Mit der Steuerfreiheit für 630-Mark-Jobs bauen wir den geringfügig Beschäftigten außerdem eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Gerade Frauen finden nach der Kindererziehung auf diesem Weg wieder eine Beschäftigung, aus der sich oft ein normales Arbeitsverhältnis entwickelt. Ich hoffe sehr, daß diese Brücke in Zukunft von möglichst vielen überschritten wird, die damit in ein normales Arbeitsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt hineinkommen. Wir haben uns auch zum Ziel gesetzt, die Kontrollmöglichkeiten bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zu verbessern und für mehr Transparenz auf diesem Gebiet zu sorgen. Dieses Ziel erreichen wir dadurch, daß geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ab sofort genauso wie alle anderen Beschäftigungsverhältnisse bei den Sozialversicherungsträgern anzumelden sind. Damit wird dem Mißbrauch auf diesem Gebiet wirksam vorgebeugt. Um die Ausweitung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse mittelfristig einzudämmen, haben wir beschlossen, daß die 630-Mark-Grenze in Zukunft nicht mehr erhöht wird. Wir finden auch: Die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland hat mehr verdient als nur ein paar warme Worte. Deshalb wird es in Zukunft bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen keinen Unterschied mehr zwischen West- und Ostdeutschland geben. Die 630-Mark-Grenze gilt deshalb in Zukunft auch in Ostdeutschland. ({10}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Neuregelung der 630-Mark-Jobs hat wichtige Ziele erreicht und verdient daher auch die volle Zustimmung dieses Hauses. Deshalb fordere ich Sie auf, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. ({11}) An die Adresse der Wirtschaft sage ich: Wer bisher die Pauschalsteuer für die geringfügig Beschäftigten gezahlt hat, wird durch die Neuregelung nicht zusätzlich belastet. Zusätzlich belastet werden nur diejenigen, die die Pauschalsteuer auf die Beschäftigten abgewälzt haben. Deren Belastung ist auch richtig. ({12}) Es ist mir sehr wichtig, noch auf einen Punkt einzugehen. Nirgendwo erscheint mir die Kritik der Opposition so unsachlich wie beim Thema Schwarzarbeit.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Bundesminister Riester, einen Moment bitte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, es folgt eine namentliche Abstimmung. Trotzdem bitte ich darum, Ruhe zu bewahren, damit man den Ausführungen des Bundesministers folgen kann. Das gilt insbesondere für die Regierungsbank, damit die Mitglieder der Regierung ihrem Kollegen zuhören können. ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich sage Ihnen: Unsere Neuregelung wird die Schwarzarbeit nicht ausweiten; denn wer in Zukunft einen 630-Mark-Job annimmt und diesen Job auch registrieren läßt, hat automatisch Rentenansprüche. Die geringfügig Beschäftigten wären schlecht beraten, wenn sie auf diese Möglichkeit verzichteten. ({0}) Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wer heute noch schwarzarbeitet, hat in Zukunft einen Anreiz, legal zu arbeiten; denn nur so kommt er in den Genuß von Leistungen. ({1}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen die geringfügige Beschäftigung nicht abschaffen. Uns ist sehr wohl bewußt, daß sie in manchen WirtschaftszweiBundesminister Walter Riester gen gebraucht wird, weil sie einen flexiblen Arbeitseinsatz ermöglicht. Wir wissen auch, daß viele Menschen sie brauchen und sie auch wollen. Deswegen wollen wir sie nicht verhindern. Aber wir wollen nicht, daß geringfügige Beschäftigungsverhältnisse mißbraucht werden. Wie lange noch sollen Arbeitgeber benachteiligt werden, die sich nicht auf Kosten anderer Wettbewerbsvorteile verschaffen, indem sie Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen? Wie lange noch soll der Erwerb von Rentenansprüchen ein Privileg derjenigen bleiben, die mit ihrem Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze liegen? Wie lange noch sollen wir hinnehmen, daß Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kraß ungleichbehandelt werden? Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fordere Sie auf: Stimmen Sie einem Gesetz zu, das Ordnung auf dem Arbeitsmarkt schafft und im besten Sinne ordnungspolitisch sinnvoll ist! ({2}) Stimmen Sie einem Gesetz zu, das die Alterssicherung für viele Menschen spürbar verbessert! Stimmen Sie einem Gesetz zu, das Wahlfreiheit und Flexibilität ermöglicht! Stimmen Sie einem Gesetz zu, das die Solidargemeinschaft stärkt! Danke schön. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bevor wir zur Abstimmung kommen, teile ich Ihnen mit, daß drei Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zu Protokoll gegeben worden sind, näm- lich von der Kollegin Annelie Buntenbach*) von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, vom Kollegen Hans Büttner**) von der SPD-Fraktion und vom Kollegen Klaus Brähmig***) von der CDU/CSU-Fraktion. Nach der namentlichen Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt werden wir den Tagesordnungspunkt 8 vorziehen, für den ebenfalls eine namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Deswegen bitte ich Sie, den Plenarsaal nach der namentlichen Abstimmung nicht zu verlassen. Zu Tagesordnungspunkt 8 ist vereinbart worden, daß alle Erklärungen zu Protokoll gegeben werden, ({0}) so daß wir unmittelbar anschließend die nächste na- mentliche Abstimmung vornehmen können. Gibt es da- gegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen jetzt zur Abstimmung - Tagesord- nungspunkt 6 - über den von den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzent- ***) Anlage 7 ***) Anlage 8 ***) Anlage 9 wurf zur Neuregelung der geringfügigen Beschäfti- gungsverhältnisse, Drucksachen 14/280 und 14/441. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- schußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Beratung ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS beschlossen. Wir kommen jetzt zur dritten Beratung und Schlußabstimmung. Die Fraktionen der SPD, CDU/CSU und F.D.P. verlangen namentliche Abstim- mung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist erfolgt. Dann eröffne ich die Abstimmung. Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*) Wir setzen die Beratungen fort und kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Förderung der Beschäftigung, zur Verbesserung der sozialen Sicherung und zur Erhaltung der Flexibilisierung, Drucksache 14/441 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/290 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 8 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Berücksichtigung von Entlassungsentschädigungen im Arbeitsförderungsrecht ({1}) - Drucksache 14/394 ({2}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({3}) - Drucksache 14/444 - Berichterstattung: Abg. Franz Thönnes Es ist vereinbart, daß die Reden zu Protokoll gegeben werden.**) - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. *) Seite 2010 C **) Anlage 10 Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Berücksichtigung von Entlassungsentschädigungen im Arbeitsförderungsrecht, Drucksache 14/394. Der Aus- schuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 14/444, den Gesetzentwurf unverändert an- zunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstim- men? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen. Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen verlangen namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist bereits geschehen. Ich eröffne die Abstim- mung. - Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntge- geben.*) Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen W. Möllemann, Hildebrecht Braun ({4}), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. 9-Punkte-Konzept zur Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen - Drucksache 14/335 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({5}) Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion der F.D.P. zehn Minuten erhalten soll. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. ({6}) Bevor ich dem Kollegen Detlef Parr von der F.D.P.- Fraktion das Wort erteile, bitte ich diejenigen Kollegin- nen und Kollegen, die den Plenarsaal verlassen wollen, dies zügig zu tun. Ansonsten bitte ich darum, die Ge- spräche einzustellen und sich dem Sprecher zuzuwen- den. Herr Parr, Sie haben das Wort. *) Seite 2012 B

Detlef Parr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001676, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn die Kolleginnen und Kollegen dem Thema Bildung als Zukunftsthema Aufmerksamkeit entgegenbringen wollen, dann bitte ich Sie herzlich, hierzubleiben und nicht wegzulaufen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Woche war geprägt von heißen und hitzigen Steuerdebatten. Ich will die Argumente hier nicht wiederholen. Aber ein Ergebnis ist klar: Die Steuern werden nicht einfacher. Die Steuern werden nicht gerechter. Vor allem aber werden die Gesamtbelastungen für die Wirtschaft nicht niedriger. - Es besteht überhaupt kein Zweifel, daß die Folgen auch auf den Ausbildungsmarkt durchschlagen werden, weil sich die Rahmenbedingungen für die Unternehmen, für die Wirtschaft verschlechtern. Nach unserer Überzeugung sind strukturelle Entlastungen auch auf dem Ausbildungsmarkt nur durch mehr Wachstum und Beschäftigung möglich. Die Fortsetzung der Ausbildungsmisere wird also durch die Entscheidungen dieser Tage vorprogrammiert; denn unter diesen Rahmenbedingungen kann es keine Fülle von neuen Ausbildungsplätzen geben. Dies muß ich feststellen, auch wenn die Absicht der Bundesregierung zu begrüßen ist, etwas für die Auszubildenden zu tun. Statt neu aufgelegter staatlicher Programme sind andere Wege nötig. An die erste Stelle gehört, daß wir eine sicherere Grundlage für den Berufsbildungsweg unserer jungen Menschen schaffen. In diesem Bereich stellen wir fest, daß die Schulbildung in Deutschland nicht ausreichend ist. Dies wird durch zahlreiche nationale und internationale Studien belegt. Ich erinnere an die TIMMS-Studie, die Rückstände im deutschen Bildungssystem im Hinblick auf die Naturwissenschaften attestiert. Ich erinnere ferner an die Studie des Max-PlanckInstituts über die Bildungsverläufe im Jugendalter, die die negative Entwicklung auf nationaler Ebene belegt. All diese Studien stellen unserem Schulsystem ein schlechtes Zeugnis aus. Solange wir diese Mißstände nicht beheben, dürfen wir uns nicht wundern, daß Unternehmen zögern, Auszubildende in ihre Betriebe aufzunehmen. ´ Wir haben deswegen Verständnis für die Klagen der ausbildenden Betriebe. Sie klagen über mangelnde Grundkenntnisse ihrer Auszubildenden, zum Beispiel in Rechnen, Schreiben und Lesen. Sie klagen über zuwenig Persönlichkeitsbildung bezüglich der Sekundärtugenden wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Pflichtbewußtsein und Verantwortungsbewußtsein. Weiterhin klagen sie über mangelnde Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit und praktische Anwendungsorientierung. Typisch für die SPD-geführten Landesregierungen ist, daß die aktuelle Diskussion, ob man wieder Kopfnoten in die Zeugnisse einführen soll, rigoros abgelehnt wird. Ich weiß, daß Kopfnoten nach altem Muster natürlich ein alter Hut sind. Das ist keine Frage. Aber wir müssen doch darüber nachdenken, ob nicht zu jedem Zeugnis ein Beiblatt mit ungeschminkten Beurteilungen des Verhaltens oder der Arbeitshaltung der einzelnen jungen Menschen gehört. Das wäre äußerst hilfreich für Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms den individuellen Lernerfolg der jungen Menschen und für ihre persönliche Weiterentwicklung. ({0}) Schmuse- und Kuscheleckenpädagogik in allen Ehren, aber der Grundsatz „Wer fördern will, muß fordern“ gehört wieder ganz nach vorne gerückt. Weitgehend überflüssig werden dann die Maßnahmen, die im Entwurf der Bundesregierung enthalten sind, nämlich junge Menschen durch Streetworker zu stabilisieren und für die Arbeitswelt zu motivieren. Man muß sich einmal vorstellen, daß junge Menschen über Streetworker stabilisiert und für die Arbeitswelt motiviert werden sollen. Es müßte doch eigentlich Motivation genug sein, für seinen eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit, Einsatz und intensives Lernen zu sorgen. Bei entsprechender Motivation blieben weniger junge Menschen ohne schulischen Abschluß - sie sind nämlich nicht dümmer geworden -, und wir bräuchten keine teuren Nachholprogramme oder sogenannte Brückenkurse. Wie stellen wir uns die Verbesserungen auf dem Ausbildungsmarkt vor? Ganz nach vorne gehört eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Schule und Betrieb. Um bessere Erkenntnisse der Ausbildungsmöglichkeiten zu erhalten, ist es wichtig, daß eine Verzahnung zwischen Schule und Betrieb stattfinden muß und daß die jungen Menschen über die Anforderungen in den Ausbildungsbetrieben etwas konkreter informiert werden. Es gibt immerhin über 150 Ausbildungsberufe, unter denen junge Menschen auswählen können. Man kann sich heute eben nicht mehr auf einzelne Berufszweige, auf sogenannte Zuckerberufe, konzentrieren. Man muß auch auf andere Berufsbereiche schauen, wenn der Erstwunsch nicht erfüllt werden kann. Die Beratung muß frühzeitiger ansetzen. Es ist einfach zu spät, wenn man sich erst zum Zeitpunkt der anstehenden Entscheidung fragt: Mache ich ein Studium oder eine Ausbildung? Wir müssen unsere jungen Leute früher über das informieren, was auf dem Arbeitsmarkt geschieht. Dabei sollten wir - wir haben heute über den Internationalen Frauentag diskutiert - auch die Chancen der jungen Frauen berücksichtigen, Vorurteile abbauen und das Spektrum der in den Blick genommenen Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen erweitern. Es gibt nämlich nur ganz wenige frauen- oder männerspezifische Berufe. ({1}) Es ist sinnvoll, das erfolgreiche Konzept der Ausbildungsbörsen fortzuführen, die man aus den neuen Bundesländern kennt. Für prominente Unterstützung kann man hier nur werben und Beispiele für erfolgreiche Berufslaufbahnen geben, die durch das duale System ermöglicht wurden. Ich denke, daß die Herren Gottschalk, Becker und Westernhagen besser investiert hätten, wenn sie in diesem Bereich und nicht im Bereich des Doppelpasses tätig geworden wären. ({2}) Neue spannende Berufsbilder müssen zügiger entwickelt werden, zum Beispiel in den Bereichen Kommunikation, Multimedia und Dienstleistungen. Hier gibt es riesige Zukunftschancen. ({3}) Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Beispiel nennen: Ich habe am Freitag ein Kölner Telekommunikationsunternehmen besucht. Dieses Unternehmen beschäftigt sich mit der Entwicklung von Abrechnungssystemen, mit Low-cost-routing, also mit Wegweisern für das günstige Telefonieren. Die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Unternehmen ist innerhalb eines Jahres von 18 auf 220 explodiert. Dies ist ein Beweis für die Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen. In diesem Zusammenhang müssen wir auf die gestrige und heutige Debatte zurückkommen. Solche kleinen und mittleren Betriebe bieten den Auszubildenden die meisten Plätze an. Wenn wir an die Debatte über die Steuerreform und die damit verbundenen Beschlüsse, die wir getroffen haben, zurückdenken, dann muß man feststellen, daß diese Beschlüsse fatale Auswirkungen auf den Mittelstand haben, gegen Wachstum, gegen mehr Beschäftigung und damit konsequenterweise auch gegen mehr Ausbildungsplätze, gerichtet sind. ({4}) Stichwort „Teilung der Verantwortung der Betriebe“: Warum sollen nicht zwei Betriebe einen Auszubildenden ausbilden? - Wenn das gemacht wird, hätten auch kleinere Unternehmen einen Anreiz, Ausbildungsplätze zu schaffen. Warum sollen sich nicht zwei Auszubildende freiwillig einen Ausbildungsplatz und damit ihre Vergütung teilen? - Auch die Höhe der Vergütung für die Ausbildung ist für manchen Betrieb ein Hinderungsgrund, überhaupt oder vermehrt auszubilden. ({5}) - Das sind keine alten Kamellen. Unsere Vorschläge mögen zwar nicht üblich sein, aber wir wollen versuchen, sie durchsetzen. Es wären gute Beispiele für Flexibilisierung. Auch auf dem Ausbildungsmarkt ist Flexibilisierung ein ganz wichtiges Zauberwort. Zudem brauchen wir modulare Ausbildungsgänge und regionale Ausbilderkonferenzen. Auch das ist nicht brandneu. Aber diese Angebote können ausgeweitet werden. Starre Vorschriften über die Ausbildungszeiten in der Berufsschule müssen abgeschafft werden, damit die jungen Leute dann in den Betrieben anwesend sind, wenn sie gebraucht werden. ({6}) In einigen Regionen herrscht ein Mangel an Ausbildungsplätzen, in anderen an qualifizierten Auszubildenden. Deshalb ist die Mobilität wichtig. Wir müssen bereits in der Schule den jungen Leuten vermitteln, daß sie mobiler werden müssen. Sie dürfen nicht nur an der Scholle hängen, sondern müssen bereit sein, ins Land hinauszugehen. Das ist ein Plädoyer für ein Mobilitätsprogramm, in dessen Rahmen ein Austauschprogramm mit Familienanbindung steht und Wohnheime nicht nur für Studierende, sondern auch für Auszubildende angeboten werden können. Vielleicht könnten wir auch über einen Informationspool dafür sorgen, daß die freien Ausbildungsplätze schneller besetzt werden können. ({7}) - Das ist kein sehr qualifizierter Zwischenruf. Ich würde mich mit Ihnen inhaltlich gerne auseinandersetzen. Das geht aber auf diese Weise nicht. ({8}) Meine letzte Bemerkung. Mit diesem Programm der Bundesregierung, das Sie vorgelegt haben, sind Sie weit davon entfernt, tatsächlich hunderttausend Jugendliche in Arbeit zu bringen. Es erweist sich bei näherem Hinsehen als Propagandaluftschloß, in dem mehr als 400 000 Jugendliche ohne Ausbildung und Beschäftigung bleiben. Selbst der kleine Teil der Ausbildungsplatzsuchenden, der von diesem Programm erfaßt wird, wird nicht in Arbeit und Ausbildung gebracht, sondern hauptsächlich auf die lange Versorgungsbank geschoben. Unmittelbar auf Beschäftigung zielen lediglich die Lohnkostenzuschüsse zur Beschäftigung von arbeitslosen Jugendlichen. Es gibt gute Ansätze in diesem Programm. Aber es gibt bessere Ideen, die wir hier vorgeschlagen haben. Ich freue mich auf die Debatten im Ausschuß ({9}) und hoffe, daß wir dann zu einer vernünftigen Lösung kommen, die unseren jungen Leuten eine Zukunft in den Betrieben bietet und Unternehmen ermuntert und nicht wie Sie es mit Ihren Beschlüssen zur Steuerreform getan haben - abschreckt, auszubilden. Danke. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bevor wir in der Debatte fortfahren, möchte ich Ihnen die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekanntgeben. Ich gebe zunächst das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse bekannt. Abgebene Stimmen 567. Mit Ja haben gestimmt 310 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 257, Enthaltungen keine. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. ({0}) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 564; davon ja: 308 nein: 256 Ja SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({1}) Klaus Barthel ({2}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({3}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({4}) Bernhard Brinkmann ({5}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({6}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({7}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({8}) Harald Friese Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({9}) Angelika Graf ({10}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({11}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({12}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({13}) ({14}) Frank Hofmann ({15}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({16}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({17}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({18}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({19}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({20}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({21}) Jutta Müller ({22}) Christian Müller ({23}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({24}) Gerhard Neumann ({25}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({26}) Birgit Roth ({27}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({28}) Ulla Schmidt ({29}) Silvia Schmidt ({30}) Dagmar Schmidt ({31}) Wilhelm Schmidt ({32}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({33}) Olaf Scholz Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({34}) Brigitte Schulte ({35}) Reinhard Schultz ({36}) Volkmar Schultz ({37}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Lothar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({38}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({39}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({40}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({41}) Jürgen Wieczorek ({42}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({43}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({44}) Engelbert Clemens Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({45}) Waltraud Wolff ({46}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({47}) Marieluise Beck ({48}) Volker Beck ({49}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({50}) Joseph Fischer ({51}) Katrin Dagmar GöringEckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske ({52}) Kerstin Müller ({53}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({54}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({55}) Werner Schulz ({56}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Ingeborg Voß Helmut Wilhelm ({57}) Margareta Wolf ({58}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({59}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({60}) Hartmut Büttner ({61}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Dirk Fischer ({62}) Axel Fischer ({63}) Dr. Gerhard Friedrich ({64}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({65}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({66}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({67}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ({68}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({69}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({70}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({71}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({72}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({73}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({74}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Meinolf Michels Bernward Müller ({75}) Elmar Müller ({76}) Bernd Neumann ({77}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Peter Rauen Christa Reichard ({78}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Franz Romer Hannelore Rönsch ({79}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({80}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({81}) Andreas Schmidt ({82}) Hans Peter Schmitz ({83}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({84}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Andrea Voßhoff Peter Weiß ({85}) Gerald Weiß ({86}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({87}) Hans-Otto Wilhelm ({88}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({89}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({90}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({91}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({92}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk PDS Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({93}) Rosel Neuhäuser Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({94}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung der Berücksichtigung von Entlassungsentschädigungen im Arbeitsförderungsrecht, Drucksachen 14/394 und 14/444 bekannt. Abgegebene Stimmen 567. Mit Ja haben gestimmt 337, mit Nein 230, Enthaltungen keine. Auch dieser Gesetzentwurf ist damit angenommen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 567; davon ja: 337 nein: 230 Ja SPD Brigitte Adler Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({95}) Klaus Barthel ({96}) Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({97}) Kurt Bodewig Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({98}) Bernhard Brinkmann ({99}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({100}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({101}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({102}) Harald Friese Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({103}) Angelika Graf ({104}) Monika Griefahn Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({105}) Hans-Joachim Hacker Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({106}) Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({107}) ({108}) Frank Hofmann ({109}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({110}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({111}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({112}) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({113}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({114}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({115}) Jutta Müller ({116}) Christian Müller ({117}) Franz Müntefering Andrea Maria Nahles Volker Neumann ({118}) Gerhard Neumann ({119}) Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({120}) Birgit Roth ({121}) Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({122}) Ulla Schmidt ({123}) Silvia Schmidt ({124}) Dagmar Schmidt ({125}) Wilhelm Schmidt ({126}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({127}) Olaf Scholz Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Richard Schuhmann ({128}) Brigitte Schulte ({129}) Reinhard Schultz ({130}) Volkmar Schultz ({131}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt ({132}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({133}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({134}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({135}) Jürgen Wieczorek ({136}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({137}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({138}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Engelbert Clemens Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({139}) Waltraud Wolff ({140}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({141}) Marieluise Beck ({142}) Volker Beck ({143}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({144}) Joseph Fischer ({145}) Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske ({146}) Kerstin Müller ({147}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({148}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({149}) Werner Schulz ({150}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({151}) Margareta Wolf ({152}) PDS Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Ruth Fuchs Fred Gebhardt Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Angela Marquardt Manfred Müller ({153}) Rosel Neuhäuser Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({154}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Klaus Bühler ({155}) Hartmut Büttner ({156}) Cajus Caesar Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Dirk Fischer ({157}) Axel Fischer ({158}) Dr. Gerhard Friedrich ({159}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({160}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Gottfried Haschke ({161}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({162}) ({163}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Siegfried Helias Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Hubert Hüppe Georg Janovsky Dr. Harald Kahl Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({164}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({165}) Dr. Klaus Lippold ({166}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({167}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({168}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({169}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Hans Michelbach Meinolf Michels Bernward Müller ({170}) Elmar Müller ({171}) Bernd Neumann ({172}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Peter Rauen Christa Reichard ({173}) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Franz Romer Hannelore Rönsch ({174}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({175}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({176}) Andreas Schmidt ({177}) Hans Peter Schmitz ({178}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard W. Schütze ({179}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Margarete Späte Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Andrea Voßhoff Peter Weiß ({180}) Gerald Weiß ({181}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({182}) Hans-Otto Wilhelm ({183}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({184}) Rainer Brüderle Jörg van Essen Ulrike Flach Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({185}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({186}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich Leonhard Kolb Gudrun Kopp Sabine LeutheusserSchnarrenberger Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({187}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({188}) Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Wir fahren jetzt in der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 7 fort. Das Wort hat der Kollege Walter Hoffmann von der SPD-Fraktion. ({189})

Walter Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag der F.D.P.-Fraktion las, mußte ich zunächst einmal schmunzeln, anschließend den Kopf schütteln, und dann spürte ich es: Mich laust die F.D.P. ({0}) Völlig verunsichert durch manchmal sehr qualifizierte Äußerungen Ihres bildungspolitischen Sprechers Möllemann, versuchte ich beim Weiterlesen dieses Antrages, zu ergründen, ob Sie das Sofortprogramm überhaupt gelesen haben. ({1}) Am Ende angekommen, war ich zu der Überzeugung gelangt: Sie haben es in der Tat nicht gelesen. Ich meine aber, daß die Probleme von 500 000 jungen Menschen, die in unserem Land keinen Ausbildungs- und Arbeitsplatz haben, viel zu ernst sind, als daß man so fahrlässig und oberflächlich mit ihnen umgehen dürfte. ({2}) Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., beklagen in diesem Antrag, daß das Programm für 400 000 junge Menschen keine Arbeit und keine Ausbildung schaffe und Augenwischerei sei. Wir sagen: 100 000 Plätze durch dieses Programm sind ein ehrgeiziges Ziel bei einer Gruppe, die aus unterschiedlichen Gründen die Perspektive Zukunft verloren hat. ({3}) Sie sagen: Streetworker, Beratung bei Entschuldung und Wohnungsproblemen, die Vermittlung von Zusatzqualifikationen sowie des Hauptschulabschlusses schaffen keine Arbeits- und Ausbildungsplätze. Welch eine Erkenntnis! Viele junge Menschen haben aber gerade Schulden und Wohnungsprobleme. Ihnen fehlen Qualifikationen und oft auch der Hauptschulabschluß. Gerade deshalb bietet dieses Programm für 36 000 junge Menschen Hilfen zur Behebung dieser Defizite an. ({4}) Völlig erstaunt aber war ich bei Ihrem 9-PunkteKonzept. Ich fühlte mich in die arbeitsmarkt- und bildungspolitische Diskussion der 80er Jahre zurückversetzt. ({5}) Sie fordern Ausbilderkonferenzen mit Betrieben, Berufsschulen und Werkstätten. Sie müßten eigentlich wissen, daß es dies seit Jahren in vielen Teilen der Republik gibt. ({6}) Sie verlangen mehr Flexibilität in den Berufsschulen. Diese Flexibilität gibt es bereits heute in vielfältiger Form, zum Beispiel durch Blockunterricht. ({7}) Was hat es aber gebracht? Sie fordern neue Berufe und die schnellere Schaffung und Erneuerung von Ausbildungsordnungen. Tatsache Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ist aber: Seit 1996 wurden 30 Berufe vollständig neu geschaffen, über 100 Ausbildungsordnungen modernisiert, so daß eine ganze Reihe weiterer neuer Berufe entstanden ist, ({8}) und zwar binnen kürzester Zeit, in der Regel binnen zwei Jahren. Ich sage Ihnen: Eine noch schnellere Entwicklung von Ausbildungsordnungen ist fachlich fahrlässig. ({9}) Sie fordern den Einsatz von Ausbildungsplatzentwicklern. Wir stellen im Einzelplan 30 des Bundeshaushaltes 19 Millionen DM exakt hierfür zur Verfügung. ({10}) Sie verlangen die direkte Ansprache der Betriebe durch Gebietskörperschaften. Ich weiß, daß viele Städte und Gemeinden, Kreise, aber auch Landesregierungen dies bereits seit Jahren tun. ({11}) Ich denke, auch Sie wissen das. Im Rahmen unseres Sofortprogramms führen gerade auch in dieser Woche die Arbeitsämter eine Aktion mit Betriebsbesuchen durch, um wirklich alle Möglichkeiten auszuschöpfen. ({12}) Sie fordern die Übernahme der Verantwortung für die Ausbildung eines Jugendlichen durch mehrere Betriebe. In unserem Sofortprogramm ist die Förderung solcher Ausbildungsverbünde explizit in Art. 2 § 4 der Richtlinien vorgesehen. ({13}) Ausbildungsbörsen - um noch einen Punkt zu nennen, der von Ihnen angesprochen wurde - gibt es, wie Sie selber vorhin Gott sei Dank zugestanden haben, bereits seit den 80er Jahren. Sie sind in der Tat wirklich nichts originell Neues. Die Verbesserung der Beratung von Jugendlichen und die Optimierung der Kooperation mit den Schulen werden an vielen Stellen durch dieses Programm unterstützt und gefördert. ({14}) Ihre Forderung nach einem Mobilitätsprogramm geht allerdings völlig an der Realität vorbei. Nach einer Statistik der Bundesanstalt für Arbeit vom Januar dieses Jahres gibt es nur in drei Bundesländern einen Überhang von nicht besetzten Stellen gegenüber noch nicht vermittelten Bewerbern. ({15}) Das ist das eine. Zum anderen wird vor Ort - das müßten Sie eigentlich wissen - die Mobilität von Jugendlichen schon lange finanziell und organisatorisch unterstützt. Ich sage hier aber ganz deutlich: Es kann kein ordnungspolitisches Ziel sein, Nomadenzüge durch das gesamte Gebiet der Republik zu organisieren. ({16}) Weiterhin verlangen Sie einen bundesweiten Informationspool, durch den Auskunft über freie Plätze gegeben wird. Sie müßten eigentlich wissen, daß es das bereits gibt. Ganz betroffen war ich über Ihren letzten Punkt, in dem wir alle aufgefordert werden, persönlich in den Wahlkreisen dafür einzutreten, daß zusätzliche Plätze geschaffen werden. Ich bin sehr enttäuscht, daß Sie das bis jetzt noch nicht gemacht haben. ({17}) Fast alles, was Sie fordern - ich konzentriere mich jetzt wirklich auf Ihren Antrag -, ist bereits in vielen Regionen der Republik tägliche Praxis. Unser Sofortprogramm hingegen ist eine zusätzliche - das möchte ich betonen - Initiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Es ersetzt nicht - da haben Sie recht - eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Verantwortung der Tarifvertragsparteien und eine gute Bildungspolitik. Daran arbeiten wir im Moment ganz eifrig und engagiert. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Programm ist ein Angebot von zehn verschiedenen Maßnahmen an insgesamt 100 000 junge Menschen mit einem Gesamtvolumen von 2 Milliarden DM. Den Akteuren vor Ort, und niemand anderem, eröffnet es die Möglichkeit, kreativ und mit viel Spielraum neue Wege zur Bekämpfung der Ausbildungsmisere zu suchen und auszuprobieren. Es ist, so meinen wir, ein Schritt in die richtige Richtung. ({18}) Entscheidend für den Erfolg dieses Programmes - das sage ich hier ganz deutlich -, ist allerdings die Umsetzung vor Ort, nicht allein durch die Arbeitsverwaltung, sondern durch alle, die ernsthaft mehr Ausbildungs- und Arbeitsstellen wollen. Dieses Programm ist eine Aufforderung zum Handeln. Es ist richtig: Natürlich gibt es Schwierigkeiten und Probleme bei der Umsetzung. Ich bin auch der Auffassung, daß wir diese Schwierigkeiten und Probleme in den nächsten Monaten kritisch aufarbeiten müssen, um Korrekturen vor allen Dingen für das zweite Halbjahr vornehmen zu können. Wenn aber Spitzenpolitiker im Walter Hoffmann ({19}) Deutschen Bundestag feststellen, daß dieses Programm darauf abzielt, junge Menschen ruhigzustellen, ({20}) dann ist die Wirkung verheerend, nicht nur weil die Betroffenen diskreditiert werden, ({21}) sondern weil nach außen der Eindruck entsteht, daß die zynische Hoffnung gehegt wird, daß das Programm scheitert. ({22}) Ich habe bis heute immer noch geglaubt, daß Herr Schäuble sich für seine Äußerung vor diesem Hause und gegenüber den Betroffenen entschuldigen oder sie zumindest klarstellen würde. ({23}) Allein eine Korrektur im Protokoll - ich habe das ja nachgelesen - genügt bei einer solchen Äußerung in der Tat nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., ich empfehle Ihnen: Ab mit diesem Antrag ins Archiv! Arbeiten Sie lieber konstruktiv und kritisch an der Umsetzung dieses Sofortprogrammes mit, wenn schon nicht im Interesse der sozialdemokratisch-grünen Regierung, dann wenigstens im Interesse der Betroffenen. ({24})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Hoffmann, ich beglückwünsche Sie zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. ({0}) Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Rainer Jork von der CDU/CSU-Fraktion.

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs mit Genugtuung feststellen, daß wir schon heute, Anfang März, darüber nachdenken, wie wir die Ausbildungsplatzsituation wirksam verbessern können. Die Opposition hat früher um diese Jahreszeit Lehrstelleninteressenten mit Katastrophenprognosen zusätzlich verunsichert. Wir haben also eine neue Situation auch in der Opposition, Kollege Tauss. Die F.D.P. stellt in ihrem Antrag fest, daß das Sofortprogramm der Regierung der Zielstellung einer wirksamen und nachhaltigen Verbesserung der Lehrstellensituation wohl nicht gerecht werden kann. Es wird Sie nicht wundern, daß auch wir von der CDU/CSUFraktion das befürchten. Ich freue mich aber, daß nun auch die neue Koalition, also die frühere Opposition, versucht, konkret an die Probleme des Lehrstellenmarktes heranzugehen. ({0}) Lassen Sie mich allerdings gleich sagen: Ich habe eher den Eindruck, daß es an wirklich neuen Ideen fehlt und daß hier vor allem mit Geld und Reklame imponiert wird. Mittels staatlicher Zuschüsse sollen 100 000 Jugendliche in Ausbildung und Qualifizierung Beschäftigung finden. Hoffentlich funktioniert das. Wir alle wollen das; davon können wir ausgehen. Ich habe erst heute vom Arbeitsamt in Annaberg erfahren, daß das Geld bei den eigentlichen Trägern der dualen Ausbildung, den Betrieben, nicht ankommt. Wenn wir kritisch darüber nachdenken wollen, Kollege Hoffmann, was zu tun ist: An der Stelle müssen wir prüfen - ich bin Ihrer Meinung, daß das ein normaler Ablauf ist, wenn etwas Neues gemacht wird, wo etwas zu verbessern ist. Sosehr ich den Antrag der F.D.P. in wesentlichen Punkten - unabhängig davon, ob sie neu sind oder nicht - unterstütze, finde ich doch, daß er einen ganz erheblichen Mangel aufweist. ({1}) Es geht nach wie vor um die kritische Situation in den neuen Bundesländern. Diese kommt in dem Antrag nicht vor. ({2}) Wir müssen wissen, daß das allgemeine Problem von Strukturveränderungen, von Globalisierung und von Innovationsdruck in den neuen Bundesländern von den Schwierigkeiten beim Neuaufbau der Wirtschaft überlagert wird. Gleiche Verteilung der Mittel bei allen Programmen nützt nichts. Die besonderen Umstände in den neuen Bundesländern verlangen nach besonderen Methoden und Instrumenten und insbesondere nach einer spezifischen Abstimmung von Bundes- und Landesprogrammen. Ich möchte noch einmal, wie früher schon, auf die Hauptpunkte bei allen Maßnahmen hinweisen. Jede Maßnahme zur Förderung von Lehrstellen muß sich an drei Kriterien messen lassen: erstens an der Qualität der Ausbildung. Damit hängt die Frage zusammen, welche Lehrkräfte wie aktuell unterrichten können. Zweitens ist der Praxiskontakt der Ausbildung wichtig. Nur dann ist eine duale Berufsausbildung wirklich dual, wenn der betriebliche Anteil repräsentiert wird. Drittens geht es um die Eröffnung der Möglichkeit für die Lehrlinge, nach der Lehrzeit eine dauerhafte Beschäftigung zu bekommen. An diesen Kriterien müssen wir auch die Programme der neuen Bundesregierung messen. Ich empfehle Ihnen, das auch zu tun. Die Förderung praxisnaher beruflicher Ausbildung ist alleine mit Finanzierung nicht getan. Es besteht die Gefahr der Theorielastigkeit. Erlerntes Wissen muß in der Praxis und bei der späteren Arbeit anwendbar sein. Die Maßnahmen der Bundesregierung mögen vielen Jugendlichen Zusatzqualifizierungen verschaffen. Ihnen Walter Hoffmann ({3}) das Nachholen des Hauptschulabschlusses zu ermöglichen bringt sie aber eben nicht in eine praxisnahe Ausbildung und zukunftssichere Beschäftigung. ({4}) Die Auffassung, daß sich die Gesamtsituation auf dem Lehrstellenmarkt vor allem durch staatlich finanzierte Förderprogramme verbessern läßt, ist ein Trugschluß. In Wirklichkeit ist eine strukturelle Entlastung auf dem Ausbildungsmarkt nur dann zu erreichen, wenn - das wurde eben gesagt - die Rahmenbedingungen der Wirtschaft deutlich verbessert werden. Florierende Unternehmen bilden schon im eigenen Interesse aus. Kränkelnde können sich dies dagegen oft nicht leisten. Es gilt also, eine gute Lehrstellenpolitik an die Arbeitsmarktpolitik zu koppeln. Mit anderen Worten: Mit Methoden, die zur Vermehrung von Arbeit führen, erreicht man auch eine Vermehrung der Lehrstellenzahl. ({5}) Was ist also zu tun? Vor allem Handwerker und mittelständische Unternehmen, die das Gros der Ausbildungsleistungen erbringen, müssen steuerlich entlastet werden. Die Zahlungsbereitschaft von Schuldnern, insbesondere in den neuen Ländern - das ist ein wichtiger Punkt -, muß dringend verbessert werden. Öffentliche Aufträge dürfen nicht nur nach den geringsten Kosten, sondern müssen auch nach gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten vergeben werden. Oft steht hier die Zukunft von regionalen Betrieben auf dem Spiel. Das ist ein besonderes Ostspezifikum. Die Signale, die die rotgrüne Regierung mit ihrer verfehlten Steuer- und Abgabenpolitik setzt, sind verheerend. ({6}) Herr Tauss, ich zitiere einmal, was heute in einer Zeitung stand: Immer mehr Unternehmen, auch solche, die der rotgrünen Regierung bisher neutral und abwartend gegenüberstanden, wenden sich mit Grausen ab, verweigern neue Investitionen im Lande und verlagern Unternehmensanteile ins Ausland - mit entsprechenden Folgen für den Standort Deutschland. Das führt auch zu Folgen im Lehrstellenbereich. Ich wünsche mir, daß die neue Koalition ihre ideologischen Fesseln ablegt ({7}) und sich noch einmal mit den Maßnahmen der früheren Bundesregierung zur Verbesserung der Lehrstellensituation befaßt. Ich beziehe mich auf die von Ihnen, Herr Kollege Hoffmann, soeben gemachte Bemerkung, daß wir nicht fahrlässig und oberflächlich umgehen sollen mit dem, was erarbeitet worden ist. Sie haben ja gerne zur Kenntnis genommen, wie die Methoden der früheren Bundesregierung heute greifen. Es geht vor allem - dazu möchte ich einige Punkte aufzählen, die teilweise erledigt sind; aber noch nicht alle; da besteht noch Handlungsbedarf ({8}) - auch Ihrerseits, Herr Hilsberg - um das zügige Schaffen neuer Berufsbilder und darum, neue Berufe voranzutreiben. ({9}) Es geht darum, die Überarbeitung von Ausbildungsordnungen zu sichern. Es geht um die Verbesserung der Situation an Schulen. Darüber wurde soeben gesprochen. ({10}) - Genau, das ist Ländersache. - Es geht um eine Koordination von Bundes- und Länderprogrammen. Es geht um eine rechtzeitige Beratung der Jugendlichen bei der Wahl ihrer Ausbildungsplätze und um die Erhöhung der Flexibilität der Angebote. Mit der Aussage „Ländersache“ werden Sie nie ein Problem lösen. Wenn eine Partei auf Landes- und Bundesebene Verantwortung hat, muß sie sich auf allen Ebenen abstimmen und gemeinsam im Interesse der Jugendlichen ein Ziel verfolgen. Ich habe den Eindruck, daß das vergessen wird. Mit sektoralem Denken und Fragen nach der Zuständigkeit werden die bestehenden Probleme nicht gelöst. ({11}) Ich empehle Ihnen sehr, daß Sie dort Ihre größere Verantwortung wahrnehmen. Das wollten Ihre Wähler. Heute habe ich wiederholt gehört, was die Wähler von Ihnen wollten, nämlich genau das. Das „9-Punkte-Konzept“ der F.D.P. kann also schon deshalb begrüßt werden, weil vernünftige Anregungen aufgegriffen werden. Ich möchte auf einen Punkt eingehen, den ich zuletzt erwähnt habe: Es wird immer von der modularen bzw. gestuften Ausbildung gesprochen. Ich glaube, dieser Begriff ist nicht klar. Man sollte einmal sagen, was man darunter versteht. Ich habe mir dazu etwas aufgeschrieben, auch um von Ihnen bei Gelegenheit, zum Beispiel im Ausschuß, kritisiert zu werden oder um gemeinsam zu überlegen, ob dies so richtig ist. Ich lese es einmal vor: ({12}) Ein Modul im dualen Ausbildungssystem ist eine Lerneinheit, ein in sich abgeschlossener Qualifikationsbaustein, der zur Ausführung bestimmter praktischer Arbeitsleistungen befähigt. Module können in allen Phasen der beruflichen Qualifizierung, von der Grundausbildung bis zur Weiterbildung, von Bedeutung sein und bestimmte Zielgruppen besonders fördern. Sie sollen die Kompatibilität zu bestimmten Berufsbildern sichern, aber auch - entsprechend der modernen Produktionspraxis - effektiv nutzbare Teilqualifikationen sichern. Mir ist klar, daß das Vorlesen einer Definiton problematisch ist. Daher denke ich, wir sollten später, zum Beispiel im Ausschuß, darüber sprechen. ({13}) - Von mir. Es ist für Sie vielleicht ungewöhnlich, Herr Tauss; aber auch als Politiker kann man sich Gedanken machen. Auch in der Gewerkschaftszeitung des DGB stehen dazu einige Gedanken. Aber hier habe ich mir tatsächlich einmal eigene Gedanken gemacht. Die Qualifikationspotentiale der Jugendlichen können ausgeschöpft werden, wenn man mit diesen Modulen arbeitet. Ihre Qualifikationsbedürfnisse sind zu berücksichtigen. Gleichzeitig wird den neuen Anforderungen der Wirtschaft entsprochen. Die individuelle Leistungsfähigkeit der Lehrer und der in Weiterbildung befindlichen Facharbeiter wird dadurch besser berücksichtigt. Auch praktisch Veranlagten bietet sich eine neue Möglichkeit. Wir ostdeutschen CDU-Abgeordneten haben vor etwa zwei Jahren einen Maßnahmenkatalog im Ergebnis einer Anhörung erarbeitet. Den Katalog habe ich schon einmal vorgestellt. ({14}) - Wenn Sie jetzt fragen, Herr Hilsberg, ob es so etwas gibt, dann muß ich sagen: Da wird einfach nicht zugehört. Es wäre ganz gut, wenn man im Parlament außer dem Senden auch einmal den Empfang üben würde und über das Gesagte nachdenkt. So etwas sollte es im Parlament geben. ({15}) Wir haben verschiedene Maßnahmen aufgeführt, die - das sagte ich vorhin schon - teilweise in Angriff genommen worden sind oder noch angegangen werden sollen. Ich nehme Ihre Anregungen und Ihre Verwirrung gerne auf. ({16}) - Ich gebe Ihnen gerne einmal die Unterlagen, die wir dazu erarbeitet haben und die ich überhaupt nicht lachhaft finde; denn es geht um junge Leute. Ich will einmal zitieren, was Sie früher gesagt haben: Wenn man über Arbeitsplätze für junge Leute und über deren Zukunft redet, darf man nicht lachen. Dann darf man auch einmal zuhören. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach. ({17}) Es ist kein Epochenwechsel, den Sie uns angeboten haben, wenn man nicht zuhört und nicht gemeinsam überlegt, was eigentlich zu tun ist. ({18}) Ich ersuche also die neue Bundesregierung, sich die Vorschläge - ich erlaube mir, sie im Anschluß dem Kollegen Catenhusen zu geben - einmal anzusehen, damit die Modernisierung der Berufsbildung vorangebracht wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Jork, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hilsberg?

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, klar.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Kollege.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Jork, jenseits aller Polemik: Können Sie mir bestätigen, daß wir mit unserem Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit einen Betrag in Höhe von 2 Milliarden DM auf den Weg gebracht haben und daß es die vorherige CDU/CSURegierung nicht ein einziges Mal geschafft hat, so etwas auf den Weg zu bringen? ({0})

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich freue mich mit Ihnen, daß man eine solche Summe für die jungen Leute bereitstellen kann. ({0}) In meiner Rede - vielleicht haben Sie zugehört - habe ich das auch zum Ausdruck gebracht. Ich habe Sie nämlich am Anfang meiner Rede gelobt. Jetzt ist die Frage, wie das Geld an welcher Stelle ankommt. Deshalb habe ich - ich wiederhole mich - gesagt: Es muß an die Basis kommen. Es muß dort ankommen, wo das duale System tatsächlich funktioniert ({1}) und wo die jungen Leute nach den drei von mir genannten Kriterien auch in der Zukunft eine Chance haben, Arbeit zu finden. Allein mit Geld ist das nicht gemacht. Auch jetzt wiederhole ich mich: Es darf nicht nur theorielastige betriebsferne Lehrgänge geben. Es muß gesichert werden, daß kleine Betriebe und der Mittelstand - besonders in den neuen Bundesländern - das Geld zur Verfügung gestellt bekommen, damit wir an den Kern der Sache kommen. ({2}) Ich freue mich, wenn das klappt. Ich bin nämlich der Meinung, daß wir die Probleme an vielen Stellen miteinander lösen können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Jork, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Aigner?

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber bitte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Frau Aigner.

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dr. Jork, können Sie bestätigen, daß von diesen 2 Milliarden DM 600 Millionen aus dem Europäischen Sozialfonds kommt, die normalerweise für Langzeitarbeitslose und besonders für Frauen gedacht waren?

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Aigner, ich bin mir natürlich klar, daß die vom Kollegen Hilsberg genannte Summe nicht ausschließlich von der Bundesregierung kommt. Partner hat auch die frühere Regierung gesucht. Sie sollten bloß nicht Leistungen für sich in Anspruch nehmen, die andere erbringen. ({0}) Frau Kollegin Aigner, Herr Hoffmann hätte natürlich erwähnen können, daß bereits funktionierende Methoden, die aus dem Reformprojekt „Berufliche Bildung“ der vorherigen Bundesregierung stammen übernommen worden sind. Sie hätten einmal sagen können: Wir haben etwas übernommen, das funktioniert. Für die betroffenen Lehrlinge - das auch zu Ihrer Frage, Frau Kollegin Aigner - ist es schon ganz gut, wenn sie einmal sehen: In der Politik wird sachlich miteinander umgegangen, und es werden auch sinnvolle Maßnahmen gemeinsam in Gang gesetzt. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Jork, erlauben Sie eine dritte Zwischenfrage der Kollegin Gleicke?

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, wir können jetzt gerne eine Fragestunde machen. Irgendwie muß ich dann nur noch den Schluß finden. Es hängt alles an Ihnen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Frau Kollegin.

Iris Gleicke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000687, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Jork, das Programm für die 100 000 Jugendlichen sieht für 1999 2 Milliarden DM vor. Es wird im nächsten Haushaltsjahr mit 1,1 Milliarden DM und auch danach noch teilweise fortgesetzt werden. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es in bezug auf alle Programme zu begrüßen ist, die Ansätze, auch zum Beispiel die der Europäischen Union, zusammenzuführen, um eine sinnvolle Ausgestaltung der Programme zu erreichen und in dem Sinne, wie Sie auf die Frage von Herrn Kollegen Hilsberg geantwortet haben, praxisorientiert Ausbildungsplätze zu schaffen?

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Klar. Ich weiß jetzt nicht, wo die Frage ist. Darauf zielte ja meine Bemerkung von vorhin. Ich kann nur darum bitten, daß Sie mit den Mitteln, die Sie bereitstellen, die richtigen Stellen erreichen, daß sie wirksam helfen und daß Sie sich überlegen, ob die drei Kriterien tatsächlich erfüllt werden. ({0}) - Ich freue mich, wenn das weiterhin der Fall ist. - Aber bitte konterkarieren Sie Ihre Bemühungen nicht mit einer schlimmen Steuerreform, die die Wirtschaft und den Mittelstand an der Stelle trifft, wo es auch um Ausbildungsbereitschaft geht. Das haben wir heute gehört. Was soll es, das mit viel Geld und wenig zielgerichtet erreichen zu wollen, wenn man andererseits bewirkt, daß Betriebe weggehen - ich rede jetzt von Großbetrieben, die sowieso dazu gebracht werden müssen, mehr auszubilden; in dieser Frage sind wir uns einig -, wenn man kleine Betriebe, den Mittelstand und das Handwerk sozusagen teilweise köpft oder wenn man nicht ausreichend Maßnahmen vorsieht, sie zu fördern. Das ist mein Problem. ({1}) - Herr Tauss gibt mir das Signal, daß ich zum Schluß kommen muß. Ich wollte noch sagen - da teile ich Ihren Standpunkt, Kollege Hoffmann -, daß Bundes- und Länderprogramme konform gehen müssen. Für uns in Sachsen ist es zum Beispiel ganz wichtig, daß die Gemeinschaftsinitiative weiterläuft und daß regionale Spezifika berücksichtigt werden. Mecklenburg-Vorpommern ist eben anders als Sachsen. Auch in Sachsen selbst gibt es Unterschiede. Man muß problem-, wirtschafts-, personenbezogen fördern. Das können die Länder sicher am besten. Ich bitte die Bundesregierung, diese Gemeinschaftsinitiative fortzuführen und mit den Ländern auf geeignete Weise abzustimmen, wie man die Maßnahme besonders wirksam einsetzt. Ich erspare es mir aus Zeitgründen, zu sagen - bei anderer Gelegenheit habe ich das schon einmal vorgetragen -, welche Methoden dafür eingesetzt werden können. Ich darf vielleicht abschließend sagen: Hauruckprogramme reichen nicht; wir brauchen tiefgreifende Lösungen. Ich glaube, das ist auch Gegenstand der Diskussion gewesen. Wir brauchen eine deutliche Entlastung der Wirtschaft, und wir brauchen ein konstruktives Miteinander zwischen Regierung und Opposition. In dem Sinne - jetzt beziehe ich mich auf meine Eingangsbemerkung - finde ich es schon toll, daß wir heute nicht nur Katastrophen an die Wand malen, sondern daß wir überlegen, was wir machen können. Wir sind gern Ihre Partner. Ich mache, wie versprochen, dem Kollegen Catenhusen ein Geschenk, indem ich ihm das Protokoll übergebe. Die geschilderten Maßnahmen möchte ich als Anregung verstehen. Danke. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Hans-Josef Fell von Bündnis 90/Die Grünen.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen von der F.D.P., es ist für uns unverständlich, wieso - ich zitiere aus Ihrem Antrag - „das Eingreifen der Bundesregierung das schulpolitische Versagen der rotgrünen Landesregierungen deutlich“ macht. ({0}) Für die Bereitstellung von ausreichenden Ausbildungsplätzen ist noch immer die Wirtschaft - bei den entsprechenden politisch gesetzten Rahmenbedingungen - verantwortlich. Dies macht zum Beispiel auch der Gesetzentwurf der bündnisgrünen Fraktion aus der letzten Legislaturperiode deutlich. ({1}) Auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1980 ist, was die Verantwortung der Wirtschaft für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen betrifft, schwerlich anders zu interpretieren. In dieser Beziehung hat die F.D.P. in den letzten Jahren wahrlich keine Lorbeeren erstritten. Wo außer beim ständigen Betonen und Einfordern von freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft ohne größere Folgen und vor allem ohne größere Wirkungen waren denn damals die Damen und Herren der F.D.P.? ({2}) Manche Kritikpunkte von Ihnen sind, was die Zahlen und den Inhalt anbelangt, allerdings nicht unbedingt von der Hand zu weisen. Es gibt strukturelle und auch qualitative Anlaufprobleme zum Beispiel bei der Umsetzung des Sofortprogrammes der jetzigen Bundesregierung. Aber nach 16 Jahren relativen Stillstands auf dem Gebiet der Berufsausbildung kann nicht alles mit einem großen Wurf auf einmal gelingen, zumal es auch um strukturelle Probleme im System der dualen Berufsausbildung geht. Das Sofortprogramm kann nur ein Mosaikstein in diesem Komplex sein. Eine strukturelle Entlastung auf dem Ausbildungsmarkt ist nicht allein durch mehr Wachstum und mehr Beschäftigung, die immer wieder beschworen werden, möglich. Die originär für Ausbildung Zuständigen verabschieden sich immer mehr aus ihrer Verantwortung. Mittlerweile wird davon ausgegangen, daß nur noch zirka 20 Prozent der Betriebe ausbilden, die eigentlich ausbilden könnten. Die Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenseite hat hierzu durchaus eigene Vorstellungen in die Tarifverhandlungen eingebracht. Zum Beispiel hat die ÖTV 1998 den freiwilligen Verzicht auf eine Anhebung der Ausbildungsvergütungen im Gegenzug zur Bereitstellung von mehr Ausbildungsplätzen vorgeschlagen. Die Arbeitgeber- und Arbeitgeberinnenseite ist es jedoch, die ihre alten Gräben nicht oder nur sehr schwerfällig verläßt. Meine Damen und Herren von der F.D.P., inwieweit die Ausbildungsmisere - was für ein Wort - das fast alleinige Ergebnis der Schulpolitik sein soll, ist unklar und wird sich schwerlich beweisen lassen. Bei allen Unzulänglichkeiten und Kritikpunkten am Bildungssystem handelt es sich doch um das strukturelle Problem, daß die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen verweigert wird. Was wäre denn, wenn die auf die Berufsausbildung vorbereitenden Bildungsgänge hundertprozentig in Ordnung wären? Gäbe es dann automatisch eine höhere Ausbildungsbereitschaft seitens der dafür Zuständigen, sprich: der Wirtschaft? Ist das nicht eher ein beliebiges Mäntelchen - die Jugendlichen haben ein schlechtes Bildungsniveau, sagt man -, das man anzieht, um von eigenem Versagen ablenken zu können? Was die von Ihnen eingeforderten regionalen Ausbildungskonferenzen betrifft, so gibt es diese schon. ({3}) Sie mögen in einigen Regionen unterschiedliche Namen haben. Aber sie nur anders nennen zu wollen greift ja wohl wirklich zu kurz ({4}) und spricht den dort Arbeitenden die Bemühungen und auch die Resultate ab. ({5}) Allerdings - insoweit stimme ich Ihnen zu - sollten diese Ausbildungskonferenzen flächendeckend ausgedehnt werden. ({6}) Nun zur ewigen Litanei über angebliche Ausbildungshemmnisse. Hat irgendeine Beseitigung solcher vorgeblichen Hemmnisse durch die alte Bundesregierung, zum Beispiel durch die Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes, wirklich nachhaltige Wirkung gezeigt? Plakativ behauptet wurde dies immer. Die berufsbildungspolitischen Experten und Expertinnen sehen das allerdings doch anders. Bei der Forderung nach der Streichung des zweiten Berufsschultages ging es der alten Bundesregierung in Erfüllung der Bedingungen der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen für eventuell mehr Ausbildungsplätze weniger um mehr Zeit für die betriebliche Qualifizierung als um mehr Zeit für den produktiven Einsatz von Auszubildenden. ({7}) In vielen Handwerksbetrieben arbeiten Azubis im dritten Lehrjahr bereits voll mit, während die Qualifizierung nebenbei von Gesellen besorgt wird, die selbst zu arbeiten haben. ({8}) Die durchaus konservativ errechneten Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung zu den enorm niedrigen Ausbildungskosten im Handwerk deuten darauf hin, daß bereits heute in vielen Betrieben Azubis profitabel sind. ({9}) Schlußfolgernd kann dem DGB-Bundesvorstand nur zugestimmt werden, der schon 1996, zeitgleich mit der Veröffentlichung des Ausbildungskonsenses NordrheinWestfalens, zutreffend festgestellt hat, daß die Kampagne der Arbeitgeberseite gegen den zweiten Berufsschultag lediglich darauf abziele, aus der Ausbildung Profit zu schlagen; ({10}) es gehe hierbei keinesfalls um eine bessere Ausbildung. Solches Sozialpartnerverhalten ist nicht nur unsozial, es ist auch ökonomisch unsinnig. ({11}) Meine Damen und Herren von der F.D.P., Sie fordern neue Berufsbilder. Ohne das Bundesinstitut für Berufsbildung in Bausch und Bogen loben zu wollen, muß ich sagen, daß Berufsbilder statt früher in ungefähr acht Jahren jetzt in teilweise zwei bis drei Jahren realisiert werden. Das ist der richtige Weg. Er ist bereits jetzt erfolgreicher als der Weg, der in früheren Zeiten beschritten wurde. Damit erübrigt sich Ihr Antrag auch in diesem Punkt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Fell, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Goldmann?

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Goldmann. ({0})

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme jetzt auf den zu sprechen, der das scheinbar richtig macht. Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß die von Ihnen eben scharf kritisierte Regelung der besonderen Stundenaufteilung mit dem sogenannten zweiten Berufsschultag eine Erfindung des damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Herrn Schröder, war? Wissen Sie, daß er für diese Regelung von allen in Niedersachsen an Ausbildung Beteiligten hoch gelobt worden ist? Ist Ihnen ferner bekannt, daß diese spezielle Regelung nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten in ihrem Bundestagswahlprogramm eigentlich eine bundeseinheitliche werden sollte?

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie sehen, daß diese Forderung offensichtlich nicht mehr aufrechterhalten wird. Auch die neue rotgrüne Bundesregierung kann Fehler der Vergangenheit einsehen und sich zu neuen Erkenntnissen durchringen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Jork?

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, können Sie sich vorstellen, daß ein Lehrling, der in einem Betrieb arbeitet, Selbstbestätigung und Motivation dadurch findet, daß er nützliche Arbeit leistet und das Gefühl bekommt, daß das Produkt, das er herstellt, auch tatsächlich verkauft werden kann? Ich habe Mechaniker gelernt und als solcher gearbeitet. Es war für mich ein tolles Erlebnis, als ich das erste Mal an eine Maschine gehen konnte und wußte: Das Produkt ist nützlich und wird verkauft. Das hat mir gefallen.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Das habe ich auch überhaupt nicht kritisiert. Mir ging es um die Frage, ob die Ausbildungsplatzsituation dadurch besser gestaltet werden kann, daß man die Lehrlinge noch mehr in die Arbeit hineintreibt. Es ging mir nicht um die Tatsache, daß sie die Ausübung ihrer Tätigkeit erlernen müssen. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Es kommt auf das Maß und die Forderungen an. ({0}) Der „geteilte“ Lehrling wurde in den letzten Jahren - Sie wissen es - mehrfach gefordert. Damals hieß die Devise der Firmen: Zwei Auszubildende arbeiten zum Lohn für einen; drei teilen sich das Lehrgeld von zweien. Dieser Vorschlag, bar jeder ordnungspolitischen und inhaltlichen Kenntnis, ist unter dem Begriff „Zweidrittelazubis“ ganz schnell zu den Akten gelegt worden. Zu heftig waren die Bedenken hinsichtlich des Eingriffs in die Tarifautonomie und eines qualitativen Abbruchs in der beruflichen Ausbildung. Sie müssen zugeben: Das war damals eine allgemeine Lachnummer. Zu den geforderten Mobilitätsprogrammen: Sie werden teilweise schon aufgelegt, zum Beispiel in Sachsen, wo das recht gut funktioniert. Allerdings haben sie den Effekt, die Jugendlichen zu veranlassen, eine Region zu verlassen, in die sie dann vielleicht nicht mehr zurückkehren. Hier kann man trefflich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, von seinen sozialen und familiären Bindungen weggehen zu müssen, um ausgebildet zu werden. Die Verantwortung für die Bereitstellung von ausreichend vielen Ausbildungsstellen liegt eindeutig bei der Wirtschaft; es handelt sich nicht um eine Art Selbstbeschaffungsprogramm der betroffenen Jugendlichen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Fell, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Dr. Jork?

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, an die fortgeschrittene Zeit zu denken; denn viele wollen heute abend noch nach Hause fahren. ({0}) Bitte schön, Herr Kollege Jork.

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke, ich mache es kurz. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß das sächsische Mobilitätsprogramm so angelegt ist, daß man das Geld zurückzahlen muß, wenn man nicht nach Hause zurückkommt, und daß das auch innerhalb von Sachsen wirkt?

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darauf eine ganz kurze Antwort: Die Problemlösung in dieser Ausführungsbestimmung kommt dem von mir kritisierten Punkt recht nahe. Wir müssen darauf achten, daß dieses Problem des sozialen Herausreißens aus der Gesellschaft prinzipiell gelöst wird. Das wollte ich anmahnen. Je mehr Mobilitätsprogramme man schafft, um so schwieriger wird es natürlich, dieses Problem zu lösen. Alles in allem kann man zu dem Antrag der F.D.P. sagen: Der Berg kreißte und er gebar ein Mäuschen. ({0}) Wir vom Bündnis 90/Die Grünen halten an der Forderung der Verantwortungseinlösung durch die Wirtschaft hinsichtlich der Ausbildungsplatzsituation fest, um die Strukturen wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Notfalls, wenn nicht eine umgehende Besserung durch die Verantwortlichen geschaffen wird, muß die Reformierung der Finanzen der Ausbildung mittels einer Rahmengesetzgebung geregelt werden. Der bündnisgrüne Vorschlag für eine Ausbildungsplatzumlagenfinanzierung könnte ein Weg zu mehr Ausbildungsplätzen in der Bundesrepublik sein. Der F.D.P.-Antrag dagegen würde nach unserem Dafürhalten den zukünftigen Anforderungen an einen Standortvorteil „Ausbildung und Qualifikation“ nicht genügen. ({1}) Daher bleibt die rotgrüne Bundesregierung bei ihrem eingeschlagenen Weg. Das Sofortprogramm „100 000 Jobs für Jugendliche“ zeigt bereits Erfolge. Der Löwenanteil der Jugendlichen, die dieses Angebot wahrnehmen, entfällt auf die berufliche Nach- und Zusatzqualifizierung. Wir werden weitere Maßnahmen zur Schaffung von Ausbildungsplätzen ergreifen. Ich danke Ihnen. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Maritta Böttcher von der PDS-Fraktion.

Maritta Böttcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002631, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich feststellen, daß jede Überlegung, wie mehr Jugendliche in Ausbildung und Beschäftigung gebracht werden könnten, es wert ist, ernst genommen zu werden, egal, von welcher Seite des Hauses sie eingebracht wird. Die Forderungen, neue flexible Berufsbilder zügiger zu entwickeln, verstärkt Ausbildungsplatzentwickler einzusetzen sowie die Ausbildung in Module zu gliedern, enthalten durchaus wertvolle Gedanken, die dazugehören, wenn wir das Problem in Gänze lösen wollen. Insofern enthält der vorliegende Antrag der F.D.P. sehr viel Überdenkenswertes, was, Herr Kollege Hoffmann, nicht einfach vom Tisch gefegt werden darf. ({0}) - Nicht zu früh klatschen! ({1}) Daneben steht in diesem Antrag - Sie werden keine andere Bewertung erwartet haben - eine Reihe von unverbindlichen Appellen , wodurch es insgesamt mehr als zweifelhaft erscheint, daß dieses Konzept bei der Überwindung der akuten Ausbildungsmisere mehr leisten kann als das Sofortprogramm der Regierungskoalition. Die weitgehende Unverbindlichkeit in diesem Antrag ist in erster Linie eine Folge davon, daß dieser lediglich ein Anhängsel der „alten Leier“ ist, die da lautet: Wir müssen die Arbeitgeber besserstellen, dann wird sich alles andere, eben auch Ausbildung und Beschäftigung junger Leute, schon irgendwie einstellen. ({2}) Die Gewerkschaften haben in den letzten Jahren die gegenteilige Erfahrung gemacht und dies bei den Tarifverhandlungen, die gerade stattgefunden haben, sehr berechtigt zur Geltung gebracht. Am Sofortprogramm der Regierung ist nicht so sehr, wie das im F.D.P.-Antrag zu lesen ist, zu kritisieren, daß es auch Maßnahmen enthält, die darauf abzielen, die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausbildung oder einer Beschäftigung beim Jugendlichen selbst zu verbessern. Aus Sicht der PDS resultiert die abzusehende nur äußerst begrenzte Wirksamkeit dieses Maßnahmenkatalogs der Regierung aus folgendem: Erstens. Mit dem Programm kann bestenfalls einem Fünftel der offiziell registrierten Jugendlichen, die ohne Ausbildung und Arbeit sind, meist nur vorübergehend geholfen werden. Zweitens. Entgegen der bekundeten Absicht der Initiatoren läuft das Programm in seiner praktischen Umsetzung vorrangig darauf hinaus, einen großen Teil der einbezogenen Jugendlichen über einen quasi zweiten Ausbildungsmarkt oder -sektor auf den Eintritt in den zweiten Arbeitsmarkt mit all seinen Beengtheiten, Benachteiligungen und Unsicherheiten vorzubereiten. Drittens. Diese sich bei den Arbeitsämtern abzeichnende Tendenz ist die Folge des grundsätzlichen Ansatzes: Mit dem Sofortprogramm versucht die Regierung keinen prinzipiell neuen Einstieg bei der Lösung des Problems, sondern sie hat - mit einem angesichts der Haushaltslage durchaus anzuerkennenden und bemerkenswerten finanziellen Aufwand - solche Mittel und Methoden in additiver Weise zusammengefaßt, die seit langem, aber leider nur mit mäßigem Erfolg praktiziert werden. Viertens halten wir es für eine Illusion, wenn die Regierung hofft, die mit ihrem Programm kurzfristig anvisierten Ziele im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer zu sichern. Mit ihrer Erwartung, daß es im Rahmen dieses Bündnisses zu entsprechenden Zusagen der Arbeitgeber für mehr Ausbildung und Beschäftigung junger Leute kommen wird, steht die Regierung allerdings dem Antrag sehr nahe, den die F.D.P. heute vorlegt. Nach allen Erfahrungen der letzten Jahre wird die Ausbildungsmisere nur durch eine Umlagefinanzierung überwunden werden können. ({3}) Diese würde auf der Grundlage einer gerechten Kostenverteilung die Arbeitgeber verpflichten, jährlich die Mittel zur Verfügung zu stellen, die notwendig sind, um allen Jugendlichen des jeweiligen Jahrgangs einen entsprechenden Ausbildungsplatz anzubieten. Wir erwarten, daß der dazu von unserer Fraktion eingebrachte Gesetzentwurf in einer Weise diskutiert wird, bei der allein die Interessen der betroffenen Jugendlichen im Vordergrund stehen. ({4}) Unser Entwurf läßt - das sage ich der F.D.P. - den kleinen und mittleren Unternehmen Gerechtigkeit widerfahren. In diesem Zusammenhang habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß Andrea Nahles für die SPD im April ebenfalls einen Gesetzentwurf zur Umlagefinanzierung in den Bundestag einbringen will. Daß sie allerdings auf aktuellere Zahlen warten will, erstaunt mich; denn diese liegen seit Jahren vor und werden immer größer. Für die Überwindung der Jugendarbeitslosigkeit ist eine abgeschlossene Berufsausbildung eine wichtige Voraussetzung. Das wird niemand hier im Hause bestreiten. Grundsätzlich kann dieses Problem jedoch nur in dem Maße gelöst werden, wie mit Schritten zur generellen Neuverteilung der gesellschaftlichen Arbeit der Raum geschaffen wird, der auch die jugendlichen Arbeitslosen aufnehmen kann. Hier möchte ich in aller Kürze unsere Forderungen nach Verkürzung der Wochen- und der Lebensarbeitszeit, nach Abbau der Überstunden, nach Ausdehnung einer existenzsichernden Altersteilzeitbeschäftigung und nach einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor mit Dauerarbeitsplätzen vor allem im sozialen und kulturellen Bereich sowie beim ökologischen Umbau in Erinnerung rufen. ({5}) Den Antrag der F.D.P. lehnen wir als völlig unzureichend ab. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuß, und ich hoffe, daß wir in diesem Jahr zu einer Lösung des gesamten Problems auf dem Ausbildungsmarkt kommen werden. Danke. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Ulrich Kasparick, SPD.

Ulrich Kasparick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fasse mich kurz. Der Tag ist fortgeschritten. Eines aber möchte ich doch zu den Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. sagen, bevor wir in die Detaildiskussion im Ausschuß eintreten. Ich stehe vor Ihnen als ein direkt gewählter Abgeordneter aus Ostdeutschland. Ich gehöre zu denjenigen, denen die Bevölkerung ein Mandat gegeben hat, weil sie die Nase von Ihren Sprüchen voll hat. ({0}) Wir haben die Nase voll von Ihren Sprüchen nach dem Motto „Wer fördern will, muß fordern“ oder „Leistung muß sich wieder lohnen“. Wissen Sie: Wer sagt, dieses Programm der Bundesregierung sei ein Propagandaluftschloß, der versündigt sich an den jungen Leuten im Osten, die dringend auf Unterstützung angewiesen sind. ({1}) Ich werde das im Ausschuß noch vertiefen. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß Sie als F.D.P. im Osten Deutschlands politisch keine Rolle mehr spielen. ({2}) Jetzt sitzen Sie hier als abgewählte Fraktion und überlegen sich, womit man denn die Regierung ärgern könnte, zum Beispiel durch die Kritik an ihrem Sofortprogramm. Ich verstehe, daß die Opposition so etwas tut. Ich sage Ihnen aber: Das Thema Jugendarbeitslosigkeit ist das denkbar ungeeignetste Thema, um sich zu profilieren. ({3}) Ich will Ihnen nur ein paar Dinge sagen, die Sie wahrscheinlich nicht wissen, weil Sie zu wenig im Osten sind. Wir haben eine Arbeitslosigkeit, die zwischen 20 und 30 Prozent liegt. Auf den Dörfern ist die Arbeitslosigkeit oft höher. ({4}) Wir haben eine Abwanderungsbewegung aus den neuen Ländern in die alten Länder, die größer ist als vor der Wende. Über 1,5 Millionen Menschen haben die neuen Länder verlassen. ({5}) Wir haben etwa 500 000 Pendler, die der Arbeit hinterherziehen, weil sie keine Arbeitsplätze im Osten finden. Angesichts dessen verlangen Sie ein Mobilitätspaket. Dieser Zynismus ist doch nicht mehr zu übertreffen. ({6}) Sie wissen genausogut wie wir: Dieses Projekt der Bundesregierung ist ein Sofortprogramm, um die größte Not zu lindern. Wenn Sie mit den Kolleginnen und Kollegen von den Arbeitsämtern sprechen, dann werden Sie sehen, daß die Mittel, die dringend benötigt werden, auch tatsächlich abfließen. Wir haben schon am 26. Januar in der Region, die ich vertrete, mit dem Programm angefangen, und die Mitarbeiter in den Arbeitsämtern arbeiten bis spät in die Nacht, weil sie merken, daß es ein gutes, weil flexibles Programm ist. ({7}) Es ist auch gut, daß die Bundesregierung 40 Prozent dieser Mittel für den Osten bereitgestellt hat. Sie tut dies, weil sie die Not sieht, die - das wissen Sie - Sie uns hinterlassen haben. ({8}) Ich danke an dieser Stelle den Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsämtern ausdrücklich, die im Hintergrund sehr emsig arbeiten, um dieses Projekt durchzusetzen. ({9}) Ich möchte Sie noch über etwas informieren, was Sie wahrscheinlich auch nicht wissen. Ich komme aus einem Bundesland, das mittlerweile im zweiten Jahr allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz angeboten hat, ({10}) obwohl die Kassen knapp sind. Sie aber bieten uns sogenannte innovative Lösungen an, die ich einfach nur als peinlich bezeichnen kann. Deshalb habe ich einen Vorschlag für die Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P.-Fraktion. Ihre Fraktion ist ja durch die Wahl sehr überschaubar geworden, und Sie alle passen wohl in einen großen Reisebus. Ich lade Sie ein, einen Bus zu mieten und zusammen mit mir durch den Osten zu fahren. Dann zeige ich Ihnen einmal, wie die Vorschläge ankommen, die Sie uns hier ernsthaft unterbreiten wollen. ({11}) Sie überschreiben Ihr Programm als ein „9-PunkteKonzept“. Ich war sehr neugierig, zu erfahren, worin das Konzept bestehen soll. Nachdem sie abgewählt ist, hat die F.D.P. ein Konzept, man höre! ({12}) - Wenn Sie ein Konzept vorlegen wollen, müssen Sie sich aber ein bißchen mehr Mühe geben. ({13}) Was fordern Sie? Sie fordern Steuersenkungen. ({14}) Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., Sie haben das immer gefordert, aber wir haben es heute beschlossen. Das unterscheidet uns. ({15}) Dann fordert die F.D.P., die Abgeordneten sollten in ihren Wahlkreisen endlich ihre Arbeit machen, indem sie sich um arbeitslose Jugendliche kümmern. ({16}) Das spricht Bände, was die Art angeht, wie Sie Ihr Mandat ausfüllen. Für mich und für viele meiner Fraktionskollegen ist das eine Selbstverständlichkeit. ({17}) Zu dem Mobilitätsprogramm habe ich das Nötige gesagt. Ich halte die Formulierung für den blanken ZynisUlrich Kasparick mus - ich wiederhole es -, weil Sie verkennen, daß große Teile der Bevölkerung in Ostdeutschland schon längst unterwegs sind, um der Arbeit und den Ausbildungsplätzen hinterherzuziehen. ({18}) Das sogenannte Konzept der F.D.P. ist kein Konzept - meine Kollegen haben das schon gesagt -, weil alles, was in ihm vorgeschlagen wird, schon praktiziert wird. ({19}) - Sie müssen einmal in meiner Biographie ein Stückchen weiter lesen. ({20}) Wenn Sie zur Verminderung der Jugendarbeitslosigkeit wirklich etwas vorschlagen wollen, dann müssen Sie sich mehr anstrengen; denn Ihr Antrag ist nicht das Papier wert, auf dem er steht. Einen Punkt gibt es allerdings, für den das nicht gilt. Sie schlagen unter Punkt 4 vor, daß die Maßnahmen der Bundesregierung fortzusetzen sind. Damit haben Sie recht. ({21})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kasparick, ich beglückwünsche auch Sie zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. ({0}) Das Wort hat nun die Kollegin Ilse Aigner von der CDU/CSU-Fraktion.

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ganz zu Anfang möchte ich klarstellen, daß es unser aller Ziel ist und auch sein muß, möglichst allen Jugendlichen, die das wollen, einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. ({0}) Ich freue mich für jeden einzelnen Jugendlichen, der durch dieses Sofortprogramm einen Ausbildungsplatz bekommt, ({1}) aber ({2}) es wird nichts an den strukturellen Problemen ändern. Weil Ausbildungsplätze im dualen System - wie Sie richtigerweise gesagt haben - ausschließlich von der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden, bildet eine florierende Wirtschaft die Grundlage dazu. Ich möchte jetzt nicht auf die ganzen wirtschaftsfeindlichen Maßnahmen der neuen Regierung eingehen, da sie bereits mehrfach diskutiert wurden - wie zum Beispiel gestern die sogenannte Ökosteuer und heute vormittag das sogenannte Steuerentlastungsgesetz. Ich will aber auf eines hinweisen. Allein das ständige Gezerre, das Hin und Her, die ständigen Nachbesserungen und die täglich wechselnden Erklärungen der neuen Regierungsmitglieder haben die Stimmung in der Wirtschaft auf einen absoluten Tiefpunkt sinken lassen. Das ist bestimmt nicht im Sinne von mehr Arbeits- und Ausbildungsplätzen. ({3}) Statt zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage beizutragen, führt Ihre Politik zur Verunsicherung bis hin zum Schaden. Fragen Sie doch einmal einen Steuerberater - ich war vor kurzem bei einem -, wie viele Investitionen, die unser Land so dringend bräuchte, wegen der diffusen Lage zurückgestellt worden sind. Das spiegelt sich gerade auch in den Arbeitslosenzahlen wider. Von der versprochenen Million neuer Arbeitsplätze sehe ich nichts, die halbe Million zusätzlicher Arbeitsloser seit Oktober sehe ich sehr wohl. ({4}) Wir brauchen vernünftige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, die eine positive konjunkturelle Entwicklung und besonders Investitionen begünstigen. Kurzfristige Sofortprogramme sind reine Augenwischerei. Die Schaffung neuer und der Erhalt bestehender Ausbildungsplätze hängen direkt mit der gesamtwirtschaftlichen Lage zusammen. Das kann man auch am Stand von Gesamtarbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit bzw. an dem Verhältnis von noch nicht vermittelten Bewerbern zu offenen Stellen deutlich ablesen. Ich möchte einmal auf Bayern hinweisen. ({5}) Bayern hat mit 5,3 Prozent bei den unter 20jährigen und 5,8 Prozent bei den unter 25jährigen die geringste Jugendarbeitslosigkeit. Ich darf Sie daran erinnern, daß der frühere Ministerpräsident Schröder sein Land mit einer Jugendarbeitslosigkeit verlassen hat, die über dem Bundesdurchschnitt liegt: 9,6 Prozent bei den unter 20jährigen und 13 Prozent bei den unter 25jährigen. ({6}) Ich frage mich, wo eigentlich der Beschäftigungspakt in Niedersachsen war. Bayern hat das schon vor Jahren gemacht. Vielleicht hat Schröder keine Zeit dazu gehabt. Die wirtschaftliche Lage hat übrigens nicht allein mit den sogenannten makroökonomischen Verhältnissen zu tun, die im Wahlkampf immer als Ursachen für die Probleme dargestellt wurden, sondern gerade ganz wesentlich damit, ({7}) welche Wirtschaftspolitik in einem Land betrieben wird. In Niedersachsen scheint die nicht ganz so erfolgreich gewesen zu sein. ({8}) Um zu erreichen, daß Betriebe ausbilden wollen und vor allem auch können, sind allerdings auch noch andere Rahmenbedingungen wichtig. Dazu gehören geeignete Berufsbilder, die möglichst schnell an die Realität angepaßt bzw. neu entwickelt werden müssen. Der beste Beweis dafür sind die neu eingeführten Berufe im Informations- und Kommunikationsbereich. Ich kann Ihnen nur die Zahlen von Oberbayern nennen: Dort gab es allein im letzten Jahr 993 neue Ausbildungsverträge. Eine Riesenleistung! ({9}) Der Vorschlag der Kultusministerkonferenz vom Oktober letzten Jahres, das gesamte Spektrum der Berufe auf acht - ich wiederhole: acht - Basisberufe zusammenzuschrumpfen, geht in die völlig falsche Richtung. Bei uns gibt es derzeit 355 anerkannte Ausbildungsberufe. Allein im letzten Jahr wurden 34 neu geschaffen. Sie wurden deshalb ins Leben gerufen, weil sie sich an den Realitäten in der Wirtschaft orientieren und somit auch eine Chance auf Weiterbeschäftigung bieten. Ein Konzept von acht Basisberufen halte ich für nicht durchführbar und für die betriebliche Realität völlig ignorierend. Mit diesem Konzept würden Sie mit Sicherheit nicht mehr, sondern wesentlich weniger Ausbildungsplätze haben. Ein weiteres Kriterium für die Bereitschaft von Betrieben, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, ist die Frage: Wie häufig ist der oder die Auszubildende im Betrieb? Hat der Betrieb überhaupt noch ausreichend Zeit, die geforderten Lehrinhalte zu vermitteln? Sehr geehrter Herr Fell, Sie sind Gymnasiallehrer. Haben Sie schon einmal einen Betrieb mit einer Ausbildung durchlaufen? - Nicht. Ich habe selber eine Lehre gemacht und weiß, was Ausbildung heißt. ({10}) Ich komme aus einem mittelständischen Handwerksbetrieb und stehe daher nach wie vor in engem Kontakt mit Mittelständlern. Als mit Abstand häufigster Grund wird angegeben, daß die Lehrlinge zuwenig im Betrieb sind. Jetzt möchte ich aber sagen: Es liegt nicht, wie immer behauptet wird, an der Schule allein, sondern es liegt auch an anderen Komponenten. Bei genauerem Nachfragen kommt man dahinter. Zum Teil hat es aber schon mit der Schulorganisation vor Ort zu tun. Die Möglichkeit, beim Teilzeitunterricht halbe Berufsschultage, die meistens zu einem ganzen Tag Abwesenheit vom Betrieb führen, durch den halbjährlichen oder jährlichen Wechsel zwischen zwei und einem ganzen Berufsschultag zu verhindern und damit die Anwesenheit im Betrieb wesentlich zu steigern, liegt in der Kompetenz der Länder. Sie hätten das in Ihren Ländern schon lange einführen können. ({11}) Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Abwesenheit vom Betrieb scheint mir immer wieder der Umfang der überbetrieblichen Ausbildung zu sein. Hier müßten wir an die Wurzel gehen. ({12}) Die überbetriebliche Ausbildung wird verpflichtend angeboten, wenn die in den Ausbildungsordnungen festgelegten Lehrinhalte durch die Betriebe allein nicht vermittelt werden können. Also ist doch die Frage, an welchem Maßstab sich die Ausbildungsordnungen orientieren, ({13}) an einem durchschnittlichen mittelständischen Betrieb oder an einem Großbetrieb mit eigener Lehrwerkstatt. Ich meine, die Ausbildungsordnungen müssen sich mehr an der Praxis, das heißt an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der ausbildenden Betriebe orientieren, die ja auch die Mehrzahl der Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Wir müssen auch die Frage stellen, ob das rasant wachsende Wissen in der beruflichen Erstausbildung überhaupt noch vermittelt werden kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hoffmann?

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. ({0}) - Doch. Aber das ist meine erste Rede, und ich nehme dasselbe Recht in Anspruch wie die Redner vorher. ({1}) Es ist die Frage, ob die Erstausbildung auch hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Auszubildenden das Erforderliche überhaupt noch leisten kann oder ob wir nicht vermehrt zu einem lebenslangen Lernen übergehen müssen. Wir müssen auch die Frage stellen, ob innerhalb einer Berufsgruppe nicht auch theoriegeminderte Berufsbilder angeboten werden müssen. ({2}) Gerade für die Leistungsschwächeren wäre auf diese Weise ein Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Dies ist bisher immer an den Gewerkschaften gescheitert, weil damit natürlich eine unterschiedliche Bezahlung verbunden ist. ({3}) Aber ich frage Sie: Was nützt es dem Jugendlichen, wenn Sie diese auf dem Arbeitsmarkt benötigten Berufe nur aus ideologischen Gründen blocken? ({4}) Aufbauend auf die Erstausbildung muß es natürlich ein Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebot für Fachkräfte geben, und zwar in einem verzahnten System zwischen Erstausbildung und Weiterbildung auch unterhalb der Meister- und Technikerebene. In diesem Zusammenhang muß ich sagen: Ich finde es absolut skandalös, daß Herr Lafontaine gerade das Meister-BAföG im Haushaltsentwurf um 40 Prozent gekürzt hat. Das ist wirklich skandalös. ({5}) Sicherlich muß den Betrieben, insbesondere den Großbetrieben, immer wieder klargemacht werden, daß sich eine Investition in den eigenen Facharbeiternachwuchs von morgen lohnt und daß die Schaffung von regulären betrieblichen Ausbildungsplätzen letztlich auch zur Aufgabe der Wirtschaft gehört. Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem Herr Hoffmann, vielleicht können Sie mich aufklären: Meines Wissens hat der DGB bis heute noch keinen einzigen Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt. Ich glaube, das wäre auch einmal eine gute Sache. ({6}) Ein wichtiges Kriterium für die Betriebe ist natürlich auch die Ausbildungswilligkeit und Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen. Hier reicht es nicht zu versuchen, mit einem Sofortprogramm Versäumnisse zu mildern, die im mangelnden Schulsystem vor Ort liegen. Hierbei dürfen nicht nur Symptome kuriert, sondern es müssen die Ursachen angegangen werden. ({7}) In diesem Zusammenhang stellt sich nicht nur die Frage nach der Sach- und Personalausstattung der Schulen in den einzelnen Bundesländern, sondern auch die Zielrichtung des Unterrichts muß hinterfragt werden. ({8}) Muß Schule nur Spaß machen, oder muß Schule in der Erziehung nicht auch stärker auf die Vermittlung sogenannter Sekundärtugenden, wie Zuverlässigkeit und Leistungsbereitschaft, Fleiß und Belastbarkeit, Beständigkeit und Pünktlichkeit, hin erziehen? Ich meine schon. ({9}) Zusammenfassend ist festzustellen, daß ein Strohfeuer an Programmen und Soforthilfemaßnahmen nicht notwendig strukturelle Verbesserungen ersetzen kann. Diese Veränderungen müssen von der inhaltlichen Ausgestaltung der beruflichen Bildung über die verstärkte Orientierung an der betrieblichen Wirklichkeit bis hin zur allgemeinen Wirtschaftspolitik erfolgen. Gerade im letzten Punkt hat die neue Bundesregierung bewiesen, daß es ihr nicht um die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland zugunsten von mehr Ausbildungsund Arbeitsplätzen geht. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Aigner, ich darf auch Sie sehr herzlich zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag beglückwünschen. ({0}) Der Kollege Hoffmann hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. - Bitte schön, Herr Hoffmann, Sie haben das Wort.

Walter Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Aigner, Sie haben mich direkt mit der Frage angesprochen, ob der DGB entsprechende Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. ({0}) Ich bin hauptberuflich beim DGB in Südhessen beschäftigt. Ich will Sie darüber aufklären, daß wir in Form eines Vereines in den letzten Jahren 48 behinderte Jugendliche in Büroberufen - ich denke: mit großem Erfolg - ausbildet haben. ({1}) Wenn Sie die Entwicklung bundesweit verfolgen, dann müssen Sie zugeben, daß die Kritik, die vor ein paar Jahren zu Recht geäußert wurde, dahin gehend positive Auswirkungen gezeigt hat, daß mittlerweile viele Hauptvorstände der Gewerkschaften direkt oder in Vereinsform intensiv ausbilden. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen das Wort. - Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines ist in dieser Debatte sehr auffällig: Zum erstenmal sprechen die heuIlse Aigner tigen Oppositionsfraktionen - im Unterschied zu den letzten 16 Jahren - nicht mehr davon, daß die Lage auf dem Ausbildungsmarkt eigentlich in Ordnung sei und daß die Situation in Spanien und Portugal noch viel schlimmer sei. ({0}) Die CDU/CSU-Fraktion, besonders die Kollegin Aigner, beteiligt sich vielmehr - im Unterschied zu der F.D.P. zum erstenmal in Ansätzen an der Diskussion, welchen Nachholbedarf wir in bezug auf die Struktur im Bereich der beruflichen Bildung in Deutschland haben. Das ist die Rückendeckung, die diese Regierung braucht, um die überfälligen Strukturreformen anzupacken. Wir hoffen sehr, daß wir mit Ihnen, Frau Kollegin Aigner, und vielleicht auch in Zukunft in anderer Weise mit der F.D.P. in einen Streit um die besten Ideen hinsichtlich der strukturellen Reformen eintreten können. ({1}) Es geht aber nicht an, die tatsächliche Situation, in der sich heute junge arbeitslose Menschen befinden, zu verdrängen und ({2}) der Bundesregierung zynischerweise, wie es im F.D.P.Antrag geschieht, wegen ihres Sofortprogramms Augenwischerei zu unterstellen. Vielleicht sollten Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen, daß in unserem Lande 450 000 bis 500 000 Menschen unter 25 Jahren, die Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz haben oder die arbeitslos sind, einen Anspruch darauf haben, daß wir konkrete Maßnahmen und zwar jetzt - für die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen und vor allem für mehr Beschäftigung dieser jungen Menschen ergreifen. Ich habe den Eindruck, daß der eine oder andere von Ihnen diese Situation jetzt durchaus begriffen hat. Sie sollten auch nüchtern zur Kenntnis nehmen, daß wir und auch die Betroffenen noch nicht ganz vergessen haben, daß Sie diese Menschen sehr lange im Regen stehen gelassen haben, ({3}) daß Sie durch Tatenlosigkeit in Bonn mutwillig dazu beigetragen haben, daß Jugendarbeitslosigkeit erstmals zu einem drängenden Problem in unserer Gesellschaft geworden ist. ({4}) Sie sollten ferner zur Kenntnis nehmen, daß es 120 000 bis 140 000 junge Menschen in diesem Lande gibt, die länger als ein halbes Jahr arbeitslos sind. Ich will meinen Vorwurf des Zynismus an die F.D.P. verdeutlichen. Können Sie sich eigentlich vorstellen, was Sie den Betroffenen antun, wenn Sie der Regierung vorwerfen, daß wir den jungen Menschen zum Beispiel durch unser Programm helfen wollen, aus Verschuldung und Obdachlosigkeit zu entkommen? Kennen Sie eigentlich die Situation nicht, in der die jungen Menschen leben? ({5}) Jeder weiß, daß wir jungen Menschen, die längere Zeit arbeitslos waren, aus ihrer Situation heraushelfen und ihnen Brücken in Beschäftigung und Qualifikation bauen müssen. ({6}) Diese Brücken denunzieren Sie hier mit den Begriffen „Unwirksamkeit“ und „Augenwischerei“. Dazu sage ich Ihnen ganz deutlich: Diese Art des Verdrängens der sozialen Situation von jungen arbeitslosen Menschen lassen die Regierung und die Koalitionsfraktionen Ihnen nicht durchgehen. ({7}) Es ist auch bezeichnend, daß Sie in Ihrem Antrag zur Lösung der Probleme von arbeitslosen Jugendlichen kein Wort sagen. ({8}) Die sind Ihnen völlig egal. Deshalb reduziert sich Ihr Antrag nur auf einen - wenn auch wichtigen - Teilbereich, nämlich auf die Schaffung von Ausbildungsplätzen. Das ist in Ordnung. Aber Sie dürfen uns nicht Augenwischerei vorwerfen, wenn wir uns auch um die Jugendlichen kümmern, die heute bereits arbeitslos sind. ({9}) Nun zu den ausbildungsfördernden Maßnahmen des Sofortprogramms: Hier tun wir das Notwendige, um allen jungen Menschen, die seit dem Vermittlungsjahr 1997/98 noch einen Ausbildungsplatz suchen, neue Perspektiven zu geben und Zukunftsängste zu nehmen. Wir machen deutlich, daß wir - im Unterschied zur alten Regierung - handeln und daß es nicht länger bei Sonntagsreden bleibt. Bereits im Januar dieses Jahres wurden im Rahmen des Sofortprogramms 124 000 junge Leute durch die Arbeitsämter gezielt angesprochen. Hier mußte zum Teil nachgearbeitet werden, weil die anfängliche Resonanz nicht besonders toll war. Wir wissen alle, daß es nicht einfach ist, junge arbeitslose Menschen dazu zu bringen, sich den angebotenen Möglichkeiten zu stellen. Immerhin haben schon gut 50 Prozent der angesprochenen jungen Menschen, also etwa 64 000, ein konkretes Angebot von den Arbeitsämtern erhalten. Innerhalb eines Monats haben fast 6 000 Jugendliche eine Maßnahme angetreten. Davon sind 42 Prozent Frauen. Sie wissen alle, daß die Arbeitsverwaltung etwa zwei Monate zur Vorbereitung solcher Maßnahmen braucht. Deshalb warten wir einmal in Ruhe ab, wie sich die Bilanz im März, April oder Mai dieses Jahres darstellen wird. Sie wissen auch, daß sich Arbeitsverwalter, Träger von Ausbildungsmaßnahmen und Unternehmen sehr sorgfältig überlegen, ob sie in einem laufenden Ausbildungsjahr noch zusätzlich Ausbildungsplätze zur VerfüParl. Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen gung stellen. Das braucht seine Zeit. Deshalb kann ich Sie nur davor warnen, sich nach noch nicht einmal acht Wochen nach Vorlage des Sofortprogramms an dem öffentlichen Gerede über die notwendige Hilfe für junge Menschen zu beteiligen. Daß die F.D.P. das tut, wundert uns, ehrlich gesagt, nicht besonders. ({10}) Es kommt hinzu, daß wir im Rahmen der ausbildungsfördernden Maßnahmen den Schwerpunkt natürlich auf Trainingsprogramme für Jugendliche legen, die noch kurzfristig eine Ausbildungsstelle suchen. Bei den Maßnahmen, die insbesondere den Jugendlichen zugute kommen sollen, die beim Übergang von der Ausbildung in den Beruf arbeitslos geworden sind - auch darum geht es in diesem Programm, im F.D.P.Programm natürlich nicht -, lag der Schwerpunkt bei der Nach- und Zusatzqualifizierung. Mittlerweile gibt es hier schon etwa 1 600 Teilnehmer. Daß Sie Lohnkostenzuschüsse grundsätzlich für sinnvoll halten, verbindet uns. Deshalb ist es gut, daß wir hier die Handlungsspielräume auf örtlicher Ebene vergrößern. Es ist auch richtig, daß wir hier Maßnahmen der Sozialbetreuung integrieren, mit denen Jugendliche angesprochen werden sollen, die nicht von sich aus nach Angeboten des Arbeitsamtes suchen. Hiermit wurden innerhalb von vier Wochen schon viele Jugendliche erreicht. Ich gehe davon aus, daß in einem halben Jahr deutlicher sein wird, was machbar ist. Die Arbeitsverwaltung geht davon aus, daß schon im ersten Quartal 20 Prozent der gesamten Mittel abgesetzt sein werden. Wir wissen genau - deshalb brauchen wir, Frau Aigner, an der Stelle auch gar nicht kontrovers zu diskutieren -, daß mit einem Sofortprogramm weder die strukturellen Probleme der Berufsausbildung noch die strukturellen Ursachen für den Ausbildungsplatzmangel gelöst werden können. ({11}) Nur, der entscheidende Punkt ist: Wenn wir innerhalb von hundert Tagen ein Programm auf den Weg bringen, mit dem 20 Prozent der Betroffenen wirksam geholfen werden kann, dann muß sich die F.D.P. fragen, ob sie ihren Vorwurf der Augenwischerei aufrechterhalten will. Die Betroffenen werden sich für Ihren Zynismus bedanken, mit dem Sie diese Sache hier behandeln. ({12})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Bitte schön.

Heinz Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003261, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade Maßnahmen angesprochen, in deren Rahmen sich Menschen für Jugendliche, die schwer vermittelbar sind, durch persönliche Betreuung engagieren sollten. Solche Maßnahmen werden bereits durchgeführt und sollten durch das Programm ausgebaut werden. Glauben Sie nicht, daß man das nicht auch über die Länder vorantreiben müßte, so wie es zum Beispiel gerade in Baden-Württemberg geschieht, wo über eine neue Maßnahme, die des Jugendberufshelfers, diskutiert wird? Halten Sie über die „Brückenkurse“ hinaus einen Jugendberufshelfer für sinnvoll, der sich, in Verlängerung der Schulsozialarbeit, im besonderen der Berufsvorbereitungsjahre annimmt und sich in dieser Zeit gezielt um diejenigen jungen Menschen kümmert, deren Ausbildungswilligkeit und Motivation zu verbessern ist?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ja, wir sollten diesen Wettstreit guter Ideen in den Bundesländern akzeptieren. Sie wissen vielleicht, daß am nächsten Dienstag im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ ein Meinungsaustausch zwischen Vertretern der Bundesregierung, den Tarifpartnern und auch den Vertretern der Länder genau zu der Frage, was konkret für die betroffenen Jugendlichen vor Ort getan werden kann, stattfinden wird. Diese Bundesregierung ist - im Unterschied zur alten Regierung - zu diesem Gedankenaustausch bereit, um vorurteilslos gute Anregungen, die in einzelnen Ländern entwickelt werden, aufzunehmen und dafür zu sorgen, daß auch zwischen den Bundesländern dieser Wettbewerb fortgesetzt wird. Nur, als Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen sage ich: Sie wissen, daß der Lehrstellenzuwachs in Nordrhein-Westfalen besonders groß war. In diesem Sinne halte ich den Vorgang in Baden-Württemberg für diskussionswürdig. Ich weiß genau, daß auf der Länderebene die Art von Diskussion, wie die F.D.P. sie hier anstößt, in der Regel gar nicht geführt wird, weil die Betroffenheit von der realen Situation der Jugendlichen die Landespolitiker davon abhält, solche Diskussionen zu führen und solche Anträge zu stellen, wie die F.D.P. es heute tut. ({0}) Im übrigen, Herr Parr, als früheres Mitglied der Landtagsfraktion der F.D.P. in Düsseldorf haben Sie sehr dazu beigetragen, daß die Popularität der F.D.P. bei Wahlen offenkundig immer weiter gestiegen ist. Ich sage noch einmal ganz deutlich: Vieles von dem, was Sie hier zum Rundfunk vorschlagen, ist okay. Sie sagen: Wolfgang Clement macht eine prima Politik. Das ist in Ordnung. Wenn Sie das in einem Jahr auch mit Blick auf die Bundesregierung feststellen, dann sind wir uns sicherlich wieder einig. Ich sehe deshalb Ihrer weiteren Begleitung unserer guten Aktion gelassen entgegen. Das „Bündnis für Arbeit“ hat in einer eigenen Arbeitsgruppe Gespräche über die Zukunft der Berufsausbildung begonnen. Wir wollen diese Strukturdebatte und diese Strukturreform voranbringen. Es geht uns natürlich auch um die Modernisierung bestehender und die Schaffung neuer Ausbildungsberufe. Denken Sie nur bitte daran: Die durchschnittliche Dauer beträgt in diesem Zusammenhang zur Zeit 11 Monate. Wenn der Kollege Jork in seinem Antrag fordert, daß das innerhalb von 12 Monaten erledigt werden soll, dann sage ich Ihnen: Okay, darin sind wir uns einig. Wir sind schon soweit, aber wir versuchen, noch weiter voranzukommen. ({1}) Es ist auch richtig: Über viele Dinge wie die Schaffung neuer Berufsbilder im IT-Bereich besteht unter allen Beteiligten hier Konsens. Sie brauchen uns nicht vorzuwerfen, daß wir das nicht kapieren. Ich werfe Ihnen das auch nicht vor. Wenn die F.D.P. diese „Neuigkeit“ noch aufschreibt, dann ist das für eine Pressemitteilung vielleicht ausreichend, aber für einen Antrag im Deutschen Bundestag etwas dürftig. ({2}) Wir sind uns darin einig, daß wir die Ausbildungsbereitschaft der Existenzgründer stärken müssen. ({3}) Das Thema, wie wir die Ausbildungsbereitschaft von Ausländern stärken, die in Deutschland ein Unternehmen aufgebaut haben, verbindet uns. Wir sind uns auch darüber im klaren, daß es bei der Modernisierung des Systems der beruflichen Bildung darum geht, in Ostdeutschland das Bund-Länder-Sonderprogramm zu verlängern. Das machen wir. Die Verhandlungen darüber haben am vergangenen Freitag begonnen. Wir fördern auch weiterhin den Einsatz von Ausbildungsplatzentwicklern. Wir haben das Lehrstellenentwicklerprogramm deshalb zunächst bis zum Ende des Jahres 2001 verlängert. Wir wollen dieses Programm auch im Volumen ausweiten. So werden wir auch den Haushalt für das Jahr 2000 anmelden. Ich sage deutlich: Es bleibt dabei, daß diese Aufgabe in den alten Ländern von den Kammern aus eigener Kraft wahrgenommen werden muß. Das ist die originäre Arbeitsverteilung im System der dualen beruflichen Bildung. ({4}) Ich möchte noch eine letzte Bemerkung machen, mit der ich konstruktiv das aufnehme, was Frau Aigner gesagt hat. Ich glaube, es gibt einige Punkte, bei denen Sie noch erstaunt sein werden, wie weit die Tarifpartner, die Länder und die Bundesregierung auf dem Wege der Kooperation über das hinauskommen, was Sie in Ihrem Antrag in etwas dürftiger Art auf den Tisch gelegt haben. Auch wir wissen, daß wir ein Ausbildungssystem brauchen, das sowohl Jugendlichen mit schlechteren Startchancen als auch leistungsbereiteren Jugendlichen die Bandbreite der Qualifikation reicht vom Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß bis zum Abiturienten adäquate und differenzierte Förderungs- und Ausbildungsangebote im System der dualen beruflichen Bildung macht. Dies und weitere Modernisierungsschritte werden Gegenstand der Gespräche im „Bündnis für Arbeit“ sein, wenn es um Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit geht. Meine Damen und Herren, das Wort von der Karawane könnte ich jetzt auch auf den Antrag der F.D.P. anwenden. Die Defizite, die in den letzten Jahren im Bereich der strukturellen Entwicklung des dualen Systems entstanden sind, werden wir konstruktiv mit allen Beteiligten angehen. Wenn sich die Opposition daran beteiligen will, ist sie herzlich dazu eingeladen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Sind Sie, Herr Kollege Catenhusen, obwohl Sie am Ende Ihrer Rede angelangt sind, bereit, noch eine Frage des Kollegen Koppelin zu beantworten?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Eine Frage vom Kollegen Koppelin natürlich ganz besonders gerne. - Bitte schön.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke schön, Herr Staatssekretär. - Es ist sehr löblich, was Sie, wie Sie angekündigt haben, noch alles in den Haushalt für das Jahr 2000 aufnehmen wollen. Wir hatten hier ja auch schon eine Debatte über den Etat des Bildungsbereiches für dieses Jahr. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, daß die Politiker Ihrer Koalition den Bildungsetat heute im Haushaltsausschuß radikal zusammengestrichen haben? Wären Sie bereit, mit der F.D.P. zusammen dafür zu kämpfen, ({0}) daß zumindest mancher Ansatz, der aus unserer Sicht positiv zu bewerten ist, doch noch wieder aufgenommen wird? Wenn Sie das Ergebnis der heutigen Beratungen im Haushaltsausschuß zu Ihrem Etat sehen würden, wären Sie entsetzt darüber, was dort alles zusammengestrichen worden ist. All das, was Sie hier bei der ersten Lesung versprochen haben, findet nun plötzlich nicht mehr statt, weil die Koalitionspolitiker meinen, sie müßten einen bestimmten Betrag in Ihrem Etat einsparen. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen und mit uns Gespräche mit dem Ziel zu führen, den einen oder anderen Ansatz doch noch wieder aufzunehmen?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Herr Kollege, Koordination und Abstimmung innerhalb dieser Bundesregierung und auch mit den Koalitionsfraktionen klappen sehr gut. Deshalb ist mir all das, was Sie als Neuigkeit mitteilen wollen, natürlich bekannt. Interessant ist, was mit dem Begriff „radikal“ umschrieben wird. Im Rahmen der Durchführung des Haushaltsverfahrens war eine notwendige Operation eine 1,5prozentige Einsparung, die allen Ressorts vorgegeben war. Von dieser ist der Etat des BundesministeriParl. Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen ums für Bildung und Forschung ausgenommen worden. Während der 16 Jahre, die Sie regierten, haben Sie es bei den von Ihnen immer wieder vorgenommenen pauschalen Kürzungsaktionen nie geschafft, daß dieses Ministerium auch nur ein einziges Mal von pauschalen Kürzungen ausgenommen wurde. ({0}) Zu dem von Ihnen als radikal bezeichneten Beschluß: Es geht um - das ist schon ein wenig schmerzhaft 75 Millionen DM bei einem Haushaltsvolumen von 15 Milliarden DM. Deshalb sollten Sie bei der Wahl Ihrer Begriffe vielleicht eine Stufe niedriger greifen, sonst wirken Sie bei dieser Debatte etwas lächerlich. Ich sage Ihnen dazu aber auch: Die Kürzung ist zwar sehr bedauerlich, aber das ändert nichts an zwei Tatsachen, an deren Umsetzung auch Sie persönlich beteiligt waren - vielleicht sind Sie ja ein reuiger Umkehrer, der durch die löbliche Absicht, uns zu helfen, die alten bösen Taten schnell vergessen machen will -: Erster Fakt ist, daß Sie von 1994 bis 1998 den Forschungshaushalt um 300 Millionen DM abgesenkt haben. Zweiter Fakt ist, daß in der mittelfristigen Finanzplanung für 1999 bis 2002, an deren Entstehung Sie Mitverantwortung tragen, ein Nullwachstum vorgesehen war. Dieser Kampfesmut, uns jetzt bei den 75 Millionen DM beizustehen, ist sehr lobenswert. Darüber freuen wir uns natürlich auch. Es handelt sich bei der Kürzung zwar um einen bedauerlichen Schritt, aber die schwierigen finanzpolitischen Rahmenbedingungen - das sage ich ganz deutlich -, die durch das Verfassungsgerichtsurteil noch verschärft wurden, erfordern ein kluges Vorgehen aller. Ein Erfolg wäre es, bei den Haushaltsberatungen für 2000 ein ähnliches Etatvolumen wie 1999 zu erreichen; das ist uns wichtiger als der Kampf um diese 75 Millionen DM. Ich hoffe aber, daß auch darüber auf Spitzenebene noch Gespräche möglich sind. Danke schön. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/335 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Harmonisierung der gastgewerblichen Mehrwertsteuersätze in der Europäischen Union - Drucksache 14/294 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({0}) Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Tourismus Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Klaus Brähmig.

Klaus Brähmig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000240, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am 19. Januar 1999 auf Drucksache 14/294 ihren Antrag zur Harmonisierung der gastgewerblichen Mehrwertsteuersätze in der Europäischen Union eingebracht. Es stellt sich die Frage: Warum? Aus populistischen Gründen, wie uns die Vertreter der Regierungskoalition gleich wahrscheinlich glaubhaft machen wollen? Sicherlich nicht! Wir stehen zu den guten und auch zu den weniger guten Entscheidungen der vergangenen Legislaturperiode. Der Hauptgrund liegt darin, daß die CDU/CSUBundestagsfraktion in der Tourismus- und Dienstleistungsbranche einen der großen Hoffnungsträger bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sieht. Sie sichert bereits heute direkt und indirekt 2,5 Millionen Arbeitsplätze und 80 000 Ausbildungsplätze in Deutschland, hat einen Anteil von zirka 8 Prozent am Bruttoinlandsprodukt und erwirtschaftet einen Umsatz von zirka 230 Milliarden DM. ({0}) In meinem Wahlkreis, der Sächsischen Schweiz, sind allein 8 340 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Tourismus- und Dienstleistungsbereich tätig. Das sind immerhin 15 Prozent. Das Potential für mehr Arbeit im Bereich Urlaub, Reisen und Freizeit ist noch keineswegs voll ausgeschöpft. Die Voraussetzung für die Schaffung neuer, nicht exportierbarer Arbeitsplätze im Gastgewerbe ist aber, daß die stark mittelständisch geprägte Tourismusbranche in Deutschland Rahmenbedingungen vorfindet, die es ihr erlauben, sich im globalen Wettbewerb gegen die Mitbewerber zu behaupten. Einen wichtigen Aspekt bei der Setzung wirtschaftsfreundlicher Rahmenbedingungen stellt meines Erachtens die gravierende Benachteiligung des deutschen Gastgewerbes durch stark divergierende Mehrwertsteuersätze in der Europäischen Union dar. ({1}) - Ich werde dazu kommen. - Zu den Detailfragen der Mehrwertsteuersätze wird nachfolgend mein Kollege Klaus-Peter Willsch Stellung nehmen. ({2}) In Anbetracht der Tatsache, daß die deutsche Bundesregierung zur Zeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist es nur konsequent, die Bundesregierung aufzufordern, diesen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmer durch Verhandlungsgeschick auf europäischer Ebene bzw. durch die Anwendung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes in der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen. ({3}) - So ist es. Vertreter der rotgrünen Regierungskoalition werden jetzt bestimmt fragen, warum die CDU/CSU dieses Ziel nicht in ihrer Regierungsverantwortung durchgesetzt hat, ({4}) vor allem vor dem Hintergrund einer Pressemitteilung von Frau Irber vom 29. Januar 1999. Die Antwort ist sehr einfach. Erstens. Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung wollte die Bürgerinnen und Bürger und die deutschen Unternehmen durch eine große Steuerreform auf einen Schlag um 30 Milliarden DM entlasten. ({5}) Zweitens. Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung hat durch die Begrenzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und durch die Einführung eines demographischen Faktors in die Rentenberechnung die Wirtschaft um zweistellige Milliardenbeträge entlastet. ({6}) Drittens. Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung war es, die durch die Änderung des Kündigungsschutzes eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes vorangetrieben hat. Unter anderem haben die obengenannten Maßnahmen im letzten Jahr zu einer deutlichen Rückführung der Arbeitslosigkeit beigetragen. ({7}) Dagegen hat die neue, die rotgrüne Bundesregierung trotz aller Warnungen, auch der Tourismusspitzenverbände, ein mittelstandsfeindliches Jahressteuergesetz verabschiedet, das zum Beispiel mit der Abschaffung des Vorsteuerabzugs bei Geschäftsessen und Geschäftsreisen neue Belastungstatbestände für das Gastgewerbe beinhaltet. Dies schwächt die Nachfrage nach geschäftlicher Bewirtung und geschäftlichen Reisen erheblich. ({8}) Die rotgrüne Bundesregierung hat gestern die ökologische Steuerreform abschließend durchgepeitscht, die nach Schätzung der Tourismusbranche eine durchschnittliche zusätzliche Belastung von zirka 24 000 DM pro Betrieb im Gastgewerbe bedeutet. ({9}) Die rotgrüne Bundesregierung hat heute gegen den ausdrücklichen Einspruch der Branchenverbände die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse durchgesetzt. Auch hier werden die Unternehmen des Gastgewerbes zusätzlich belastet, sowohl finanziell als auch durch mehr Bürokratie. Der Schwarzarbeit in der Gastronomie wird damit Tür und Tor geöffnet. ({10}) Die rotgrüne Bundesregierung hat zusätzlich die obengenannten Reformen der CDU/CSU/F.D.P.Bundesregierung rückgängig gemacht bzw. ausgesetzt und läßt sich dafür als sozialer Wohltäter feiern. So geht es nicht! Die Zeche zahlen Mittelstand und die 4,5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland. ({11}) Festzustellen bleibt, daß die Zahl der Arbeitslosen seit dem Amtsantritt von Gerhard Schröder um zirka 490 000 Personen angestiegen ist. ({12}) Hier zeigt sich sehr deutlich der fundamentale Unterschied im Politikansatz: Während die CDU/CSU das mittelständisch geprägte Gastgewerbe entlastet hat und weiterhin entlasten will, ({13}) damit zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, bittet die rotgrüne Bundesregierung die Neue Mitte zusätzlich zur Kasse und erwartet danach von den Branchenvertretern die Schaffung zusätzlicher Arbeits- und Ausbildungsplätze. Dies kann man nur als schlechten Witz auffassen. Genau an dieser Stelle fragen sich interessierte Beobachter - zu denen ich mich zähle -: Was hat die neue Regierung in 16 Jahren Oppositionszeit gemacht? Fehlanzeige! ({14}) Wo sind die durchdachten Konzepte, die uns vor der Wahl versprochen wurden? - Fehlanzeige! Ihre bisherige Regierungspraxis zeigt - sei es am Beispiel der Ökosteuer, sei es am Beispiel der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung -, daß es sich hier nicht mehr um handwerkliche Fehler handelt, sondern um grobe Schnitzer - oder, besser gesagt: um Pleiten, Pech und Pannen, die unsere Gesellschaft teuer zu stehen kommen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie nur 16 Wochen gebraucht haben, um 16 Jahre erfolgreiche und solide Regierungspolitik der CDU/CSU und F.D.P. zugrunde zu richten. ({15}) Abschließend möchte ich ein letztes Argument gegen den vorliegenden Antrag entkräften. Die von der CDU/CSU vorgelegten Zahlen verdeutlichen, daß bei der Anwendung eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes nur kurzzeitig mit Steuermindereinnahmen in Höhe von zirka 1,3 Milliarden DM zu rechnen ist. Eine durch die Anwendung eines reduzierten Mehrwert steuersatzes gesteigerte Nachfrage nach gastgewerblichen Dienstleistungen aus dem In- und Ausland führt aber zu einem Ausgleich durch erhöhte Steuereinnahmen. Weiterhin würden die durch die Mehrwertsteuerermäßigung verursachten Steuermindereinnahmen bereits durch das Entstehen von 30 000 neuen Arbeitsplätzen und die damit verbundenen Mehreinnahmen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen wieder ausgeglichen. Ich denke, hier ist von uns eine seriöse Gegenfinanzierung vorgelegt worden. ({16}) Sehr geehrte Kollegen der SPD, liebe Frau Irber, nachdem ich in der Ausgabe 5/1999 der Zeitschrift „Fremdenverkehrswirtschaft International“ mit Freude vernommen habe, daß auch Sie sich als niederbayerische Abgeordnete - wie unser Kollege Ernst Hinsken vehement für eine Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes einsetzen, um Unternehmen aus Ihrem Wahlkreis gegen die bevorteilte Konkurrenz aus Österreich zu schützen, dürfte doch eine Lösung dieser Frage möglich sein. Das Werben für den vorliegenden Antrag wird Ihnen in Ihrer Partei besonders leicht fallen, da Ihr Parteivorsitzender und Finanzminister ja ein großer Verfechter der Nachfragepolitik ist. Jetzt kann Herr Lafontaine beweisen, wie ernst es ihm mit seinem Bekenntnis zur Steigerung der Kaufkraft und zur Steigerung der Nachfrage ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam in den zuständigen Ausschüssen eine Lösung im Sinne der Arbeitslosen und des Mittelstandes im Hotelgewerbe finden. Ich freue mich schon heute sehr auf die Beratungen im Ausschuß und möchte mit einem Zitat des Bundeswirtschaftsministers, Herrn Müller, meine Rede schließen, der kürzlich sagte: Es gibt keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine richtige oder falsche. - Lassen Sie uns richtige Wirtschaftspolitik betreiben! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({17})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort für die Bundesregierung hat die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sagen Sie einmal, Herr Kollege Brähmig, all das, was Sie soeben gesagt haben, haben Sie doch wohl nicht ernst gemeint. Sie sind ja nun schon in der dritten Wahlperiode hier im Deutschen Bundestag. Mir war zunächst gemeldet worden, der Kollege Willsch spreche als erster. Dazu hätte ich dann gesagt, daß man mit ihm jemanden ins Feuer geschickt hätte, der nicht wisse, was diejenigen, die schon länger im Bundestag sitzen, vorher getan haben. ({0}) Sie, Herr Brähmig, müßten aber eigentlich wissen, was Sie vor unserer Regierungszeit getan haben. Sie sind jetzt in der dritten Wahlperiode hier im Bundestag. Das, was Sie da verbreitet haben, kann wirklich nicht ernst gemeint gewesen sein. ({1}) - Herr Kollege Ramsauer, Sie sind für Ihre qualifizierten Zurufe bekannt. Machen Sie ruhig so weiter. ({2}) - Herr Kollege Ramsauer, tun Sie das ruhig. Aber halten Sie sich zurück! Ein weiterer Zuruf wie der in der vergangenen Woche gegenüber der Kollegin Kristin Heyne würde für einen Aufstand der ehrenwerten Parlamentarierinnen und Parlamentarier in diesem Hause sorgen. ({3}) - Ich habe Ihren Zuruf gehört. ({4}) - Das dürfte nicht so schwer sein, Herr Kollege Ramsauer. Es gibt wirklich Grenzen. Ich komme auf das zurück, was heute das Thema ist. Herr Kollege Brähmig, Sie haben es gut gemeint. Das ist in Ordnung. Ich kann das verstehen. Sie sind guten Willens. ({5}) Aber Sie wissen genau, daß dieser Antrag, den Sie heute vorlegen, nichts anderes ist als Populismus und Opportunismus. ({6}) Ich halte Ihnen das nicht als Person vor. Ich weiß, daß Sie da persönlich sehr engagiert sind. Es ist aber, wie ich gerade schon sagte, nichts anderes als Populismus und Opportunismus. Sie haben nun wirklich jahrelang Zeit gehabt, all Ihre guten Vorsätze umzusetzen. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Zahlen, die im CDU/CSU-Antrag enthalten sind, nicht stimmen. Es würden also, wenn wir den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Beherbergungsumsätze einführen würden, Steuereinnahmeausfälle von rund 1,35 Milliarden DM auftreten. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Gaststättenumsätze hätte Steuerausfälle von rund 3,15 Milliarden DM zur Folge. ({7}) - Ja, klar, das spielt bei uns keine Rolle mehr. - Bei uns stimmen die Zahlen. In Ihrem Antrag sind sie falsch.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinsken?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Bitte, Herr Kollege Hinsken. Ich freue mich schon darauf.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Hendricks, würden Sie denn Ihren Kollegen, Herrn Staatssekretär Mosdorf, auch als Populisten bezeichnen, der - nur in andere Worte gekleidet - das gleiche gesagt und gefordert hat - und zwar beim Tourismusgipfel auf dem Petersberg vor wenigen Wochen -, was heute der tourismuspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Klaus Brähmig, ausgeführt hat?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich kann sehr wohl verstehen, daß auch die Wirtschaftspolitiker in unserer Fraktion durchaus dieser Auffassung sein können. Ich kann verstehen, daß auch die Tourismuspolitiker in unserer Fraktion dieser Auffassung sein können. Das alles akzeptiere ich aus der jeweiligen fachlichen Sicht. Aus finanzpolitischer Sicht - nicht nur aus finanzwirtschaftlicher Sicht, sondern auch aus Gründen der Steuersystematik und der Gleichbehandlung der am Wirtschaftsleben Teilhabenden - kann ich das jedoch nicht unterstützen. Es hat natürlich auch haushaltswirtschaftliche Komponenten. ({0}) Der Vorwurf des Populismus richtet sich aber gegen die Union in ihrer Gesamtheit, die in den letzten 16 Jahren nun wirklich genug Zeit hatte, alles Nötige zu tun. Leider ist es jetzt zu spät. Was die Gaststättenumsätze anbelangt, ist diese Art der steuerlichen Behandlung nämlich EU-rechtlich seit 1993 gar nicht mehr möglich. Sie hätten also schon sieben Jahre früher aufwachen müssen. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Brähmig?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Bitte schön, Herr Kollege Brähmig.

Klaus Brähmig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000240, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie auch mitbekommen, daß ich in meiner Rede natürlich einiges an Selbstkritik geübt habe. Allerdings akzeptiere ich das Argument des Populismus, zumindest auf meine Person und meine Arbeitsweise bezogen, weder hier noch im Ausschuß. Die Kollegen der SPD wissen dies. Mit mir kann man in der Sache diskutieren. Sie werden doch letztendlich nicht bestreiten, daß das, was ich gesagt habe, in der Sache begründet ist. Es geht darum, daß eine eindeutige Wettbewerbsbenachteiligung des deutschen Hotellerie- und Gastronomiegewerbes vorhanden ist, und dies natürlich schwerpunktmäßig in den Grenzregionen Westdeutschlands und Süddeutschlands. Diese Dinge trägt uns die Branche, diese Dinge tragen uns auch die betroffenen Kolleginnen und Kollegen - egal, welcher politischen Richtung sie angehören - ständig vor. Ich will noch auf eines hinweisen, ({0}) weil Sie mir unterstellt haben, ich hätte hier mit falschen Zahlen operiert: Ich habe ganz eindeutig von zirka 1,3 Milliarden DM gesprochen. Ich hätte natürlich auch die 1,35 Milliarden, also die Zahl, die der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband sowie das Finanzministerium genannt haben, anziehen können. Ob diese Zahl in den letzten Wochen nach oben oder nach unten revidiert worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich will Ihnen abschließend noch sagen, daß die Tourismuspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für standortwichtige Entscheidungen - ob es nun um „duty free“, um die Mehrwertsteuerproblematik oder um eines der vielen weiteren anstehenden Probleme geht - an Ihrer Seite stehen. Das habe ich mehrfach erklärt. Danke schön.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Brähmig, Sie haben es nicht einmal als Frage formuliert, aber das ist auch nicht weiter wichtig. Ich kann mir die Frage ja denken. ({0}) Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß es Wettbewerbsunterschiede zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten der Europäischen Union gibt. Es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, daß es eben doch wichtiger ist, daß die Unterstützung den Unternehmen unmittelbar zugute kommt. Wie Sie selbst wissen, ist doch klar, daß ein abgesenkter Mehrwertsteuersatz natürlich zu einer Preissenkung führen muß und somit den Verbrauchern, in diesem Fall also den Gästen zugute kommt. Das kann man den Gästen ja wünschen; das ist keine Frage. Aber um die Wettbewerbsposition der Unternehmen zu stärken, ist dieses Mittel nicht so sehr geeignet; da ist es sozusagen ein Durchlaufposten. Es geht wohl eher darum, eine vernünftige Unternehmenssteuerreform zu machen, so wie wir sie noch in diesem Jahr vorbereiten werden. ({1}) Außerdem haben wir den Mittelstand durch unsere Steuergesetzgebung, die wir heute beschlossen haben, schon entlastet. Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis, auch wenn Sie eben noch einmal das Gegenteil behauptet haben. Wir sind da auf dem richtigen Weg. Wir wollen, daß die Unternehmen unmittelbar entlastet werden. Das wird auch geschehen. ({2}) Einen Punkt darf ich noch anfügen. Es gibt in der Tat noch vorübergehende Genehmigungen für einzelne Länder in der Europäischen Union für reduzierte Mehrwertsteuersätze. Wir werden mittelfristig dafür Sorge tragen, daß sie angeglichen werden. Aber bitte erwarten Sie auch nicht zuviel von der deutschen Präsidentschaft in ihrem ersten halben Jahr. Wir kümmern uns auch um den anderen Bereich, den Sie gerade noch angesprochen haben - das ist der Bereich des Tax-free -, und das zusätzlich zu den großen Themen, die wir sowieso in der Steuerpolitik in der Europäischen Union zu regeln haben. Wir tun das mit allem Engagement. Dieses Thema jetzt, Anfang März, noch auf die Agenda der deutschen Präsidentschaft setzen zu wollen ist einfach von den Abläufen her, die in der Europäischen Union üblich und möglich sind, ausgeschlossen. Das muß man ehrlicherweise sagen. Ich will noch eine Zahl zurückweisen, die Sie sozusagen nur mitgeteilt haben. Sie haben gesagt, die Unternehmen der Tourismusbranche hätten dargelegt, sie würden durch die ökologische Steuerreform im Schnitt mit 24 000 DM pro Betrieb und Jahr zusätzlich belastet. ({3}) Ich habe es jetzt auf die Schnelle nicht nachgerechnet, weil es in der Tat schwer ist, 2 Pfennig pro Kilowattstunde Strom in Relation zu 24 000 DM zu setzen. Vielleicht kann mir jemand schnell helfen und mir sagen, wie viele Kilowattstunden Strom das sein müssen, die dann in jedem dieser Betriebe pro Jahr verbraucht werden sollen. Aber es muß eine ganz erhebliche Zahl sein, weil 2 Pfennig in 24 000 DM unheimlich viele Male hineingeht. Das kann ich sagen, auch ohne das nachgerechnet zu haben. Diese Zahl kann wohl ernsthaft nicht gemeint sein. Überprüfen Sie das einmal! ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem Kollegen Ernst Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich möchte gern das aufgreifen, was soeben Frau Staatssekretärin Hendricks zu der Problematik, die jetzt auf der Tagesordnung steht, ausgeführt hat, und feststellen: Nicht nur Ihr Kollege Mosdorf, sondern auch der Bundeswirtschaftsminister Müller steht einer Mehrwertsteuersenkung für das Beherbergungsgewerbe positiv gegenüber. ({0}) Warum? Sie sind deshalb dafür, weil festgestellt werden muß, daß hier das deutsche Gaststättengewerbe benachteiligt wird. ({1}) Es kann und darf doch nicht sein, daß dann, wenn jemand in Kehl am Rhein Urlaub macht, er pro Nacht mit 16 Prozent Mehrwertsteuer belastet wird und daß er, wenn er über den Rhein fährt und auf Straßburger Gebiet ist, nur noch 5,5 Prozent Mehrwertsteuer zahlt. Oder: Wenn jemand in Freilassing Urlaub macht, dann zahlt er auch wieder 16 Prozent Mehrwertsteuer; fährt er 5 Kilometer über die Grenze weiter nach Salzburg, dann zahlt er nur 10 Prozent. In Luxemburg sind es sage und schreibe nur 3 Prozent, die bezahlt werden müssen. Es ist doch nicht von der Hand zu weisen, daß das eine wettbewerbliche Benachteiligung der deutschen Gastronomie ist. ({2}) Mir ist klar - Herr Kollege Kubatschka - daß, wenn es zu einer EU-weiten Harmonisierung kommen soll, auch die anderen Länder bereit sein müssen, hier mitzumachen. ({3}) Es kann doch nicht sein, daß 12 von den 15 EU-Staaten bereits einen solch niedrigen Mehrwertsteuersatz, aber 3 Länder den vollen Mehrwertsteuersatz haben. Die Bundesrepublik Deutschland ist mit 16 Prozent in der Spitzengruppe dieser drei. ({4}) Das kann und darf nicht weiter hingenommen werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat momentan die EU-Ratspräsidentschaft inne, die es zu nutzen gilt. Wenn die EU nicht in der Lage ist, Bewegung in die Angelegenheit zu bringen, dann sind wir gezwungen damit Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden können; wir können keine Sonne aus Mallorca importieren, aber wir können billiger werden -, einen Beschluß zu fassen, der in die Richtung geht, daß es wieder interessanter wird, Urlaub in Deutschland zu machen. Wenn das nicht der Fall sein wird, wird sich gerade die deutsche Hotellerie und Gastronomie auch weiterhin auf dem Abstellgleis befinden. Eine letzte Bemerkung. Kollege Brähmig hat bereits darauf verwiesen -

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Hinsken, Sie haben noch genau sieben Sekunden. ({0})

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darum eine letzte Bemerkung, Herr Präsident. Kollege Brähmig hat bereits darauf verwiesen: In Irland hat man den Mehrwertsteuersatz gesenkt, und siehe da, die Urlauber wurden mehr, das Angebot wurde verstärkt angenommen, mit dem Ergebnis, daß die Senkung mehr als kompensiert wurde. Bitte tun Sie das gleiche. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Kurzintervention sollte eine Kurzintervention bleiben. ({0}) Ich verstehe das alles. Aber wir sollten uns jetzt schon ein bißchen bemühen, auf die Zeit zu achten. Die Frau Parlamentarische Staatssekretärin hat natürlich das Recht, darauf zu antworten. Bitte schön.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hinsken, was an Ihnen so sympathisch ist, ist, daß Sie das alles immer mit richtigem Engagement machen. Was Sie immer bleiben, ist Bäckermeister; ({0}) das ist keine Frage. Erst waren Sie mit allem Engagement Sozialpolitiker, dann kurzfristig mit allem Engagement Bauernpolitiker, und jetzt sind Sie Tourismuspolitiker, und Sie machen auch dies mit allem Engagement und mit allem Herzblut. Das ist wirklich sympathisch. Aber auch, wenn man mit allem Herzblut eine Sache verfolgt, muß man immer wieder nach rechts und links gucken, um die Zusammenhänge in der Politik zu sehen. Außerdem müssen Sie sich sagen lassen: Vielleicht haben Sie Ihr Herz für den Tourismus zu spät entdeckt. Vielleicht wäre es Ihnen voriges Jahr noch gelungen, Ihre Fraktion zu überzeugen. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich darf das von hier oben leider nicht kommentieren. Deswegen gebe ich sofort das Wort an den Kollegen Ernst Burgbacher von der F.D.P.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in dieser Woche einiges erlebt: gestern die Ökosteuer, ({0}) heute das Steuerentlastungsgesetz ({1}) und die Neuregelung der 630-DM-Jobs. ({2}) Meine Damen und Herren, ich fürchte, Sie haben in den letzten beiden Tagen, gestern und heute, die Rechnung im wahrsten Sinne des Wortes ohne den Wirt gemacht. ({3}) Denn ich fürchte, manche Gastwirte und Hoteliers werden diese Zeche nicht bezahlen können. ({4}) Auch zu dieser späten Stunde finde ich das überhaupt nicht zum Lachen. Es reicht auch nicht, das mit den Worten „Populismus“ und „Opportunismus“ abzutun, wie Sie das getan haben, Frau Hendricks. Wir sollten vielleicht doch noch einmal ein Stück in die Materie einsteigen. Meine Fraktion, die F.D.P., hat schon 1968, bei der Einführung der Mehrwertsteuer, den reduzierten Steuersatz unter anderem für Hotellerie und Gastronomie gefordert. ({5}) Wir haben diese Forderung ständig wiederholt. Sie ist damals an der Großen Koalition gescheitert. Sie scheiterte inzwischen an den Finanzministern. Ich werde dazu nachher einen ganz konkreten Fall nennen. Wir sollten uns klarmachen, daß die Welt sich wandelt und daß wir heute in einer anderen Situation sind als noch vor ein oder zwei Jahren. Wir haben den Euro. Mit dem Euro ist auf einmal das Wechselkursrisiko entfallen, ({6}) und es gibt Preistransparenz. Die Preistransparenz führt zu verschärftem Wettbewerb. Ich sage ganz klar: Wir wollen diesen Wettbewerb und begreifen ihn als Chance. Nur müssen wir uns klarmachen: Der Geschäftsreisende, der Kurzurlauber, der Anbieter von Urlaubsreisen wird jetzt vergleichen. Er wird sehen: Wo ist die Leistung? Wo ist der Preis? Dann wird er entscheiden, ob er das Hotel in Offenburg oder in Straßburg mietet oder ob er das Hotel in Maastricht oder in Aachen bucht. Das hat sich mit dem Euro gewaltig gewandelt. ({7}) Die F.D.P. hat sich übrigens als einzige Partei immer konsequent für den Euro ausgesprochen. ({8}) Die F.D.P. ist auch die einzige Partei des Wettbewerbs. Wir nehmen ihn an. Deshalb weise ich hier Opportunismusvorwürfe zurück. Es geht nicht darum, einen Bereich zu subventionieren. ({9}) Vielmehr geht es darum, faire Wettbewerbsbedingungen in Euroland zu schaffen. ({10}) Meine Damen und Herren, bei einem Nettopreis von 100 Euro zahle ich für das Zimmer in Deutschland 116 Euro, in Holland und Belgien 106 Euro, in Frankreich 105,50 Euro und schließlich in Luxemburg 103 Euro. Das muß man doch zur Kenntnis nehmen. Hier besteht politischer Änderungsbedarf. Für die Leistungen haben die Unternehmen zu sorgen, und das werden sie auch tun. Meine Damen und Herren von der rotgrünen Mehrheit, Sie melken gestern und heute das Hotel- und Gaststättengewerbe schon gewaltig. ({11}) Zur Ökosteuer: Sehr geehrte Frau Hendricks, ich habe im Ausschuß eine Rechnung am Beispiel eines Stuttgarter Hotels mit 100 Betten vorgelegt: jährliche Mehrbelastung durch die Ökosteuer 16 000 DM, jährliche Entlastung bei der Rentenversicherung etwa 6 500 DM, bleibt unter dem Strich eine zusätzliche Belastung von etwa 10 000 DM. Mit dem 630-Mark-Gesetz gefährden Sie Betriebe ganz massiv in ihrer Existenz, weil die Betriebe in der Hotellerie und in der Gastronomie mit Spitzen zu kämpfen haben. Die werden sie nicht mehr vernünftig abdecken können. Sehr geehrte Frau Hendricks, die heute beschlossene Regelung, daß die Vorsteuer auf Reisekosten für Unternehmen und deren Personal nicht mehr abziehbar ist, bedeutet, daß Übernachtung und Essen für diese Personen 16 Prozent mehr kosten. Das wird zu ernsthaften Problemen in der Gastronomie führen. ({12}) Ich will gar nicht auf die Trinkgeldbesteuerung eingehen. Vor der Wahl haben Sie noch davon gesprochen, sie abzuschaffen. Damit haben wir nie gerechnet. Ich glaube, der zentrale Denkfehler ist: Sie meinen, durch höhere Steuersätze mehr Einnahmen zu bekommen. Das Gegenteil ist richtig. Ich denke, ein niedrigerer Mehrwertsteuersatz kann in der Staatskasse mehr Wert bedeuten. Darauf sollten wir hinarbeiten. ({13}) Meine Damen und Herren, für die F.D.P.-Fraktion ist der Abbau der Arbeitslosigkeit das höchste Ziel; er hat oberste Priorität. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent kann vielleicht etwas dazu beitragen, daß der Arbeitsplatzabbau, der mit den von Ihnen gestern und heute beschlossenen Gesetzen verbunden ist, ein Stück weit gebremst wird. Deshalb haben wir in der F.D.P.Fraktion beschlossen, dem Antrag zuzustimmen. ({14}) Daß er von der CDU/CSU kommt, stört uns nicht; denn es geht um die Sache. Wir freuen uns, wenn wir irgendwo gleicher Meinung sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, der baden-württembergische Wirtschaftsminister, Walter Döring, hat seit längerem einen Bundesratsvorstoß für einen reduzierten Mehrwertsteuersatz geplant. Er scheiterte bisher am Finanzminister. Ich fordere Sie auf, zu helfen, daß die Aktivitäten von dieser Seite erfolgreich sind. ({15}) Meine Damen und Herren, ich halte die Situation im Hotel- und Gaststättengewerbe wirklich für besorgniserregend. Lassen Sie uns in der heutigen Debatte und in dem anschließenden Beratungsprozeß zusammen ein Zeichen setzen, das uns in der Sache voranbringt! Im Interesse der Beschäftigten in der Hotellerie hoffe ich, auf meiner Hotelrechnung bald lesen zu können: „In diesem Betrag sind 7 Prozent Mehrwertsteuer enthalten.“ Vielleicht könnte man für die Abgeordneten, die heute zustimmen, einen Zusatzstempel machen: „Sie haben damit Arbeitsplätze erhalten. Wir danken Ihnen.“ ({16})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Klaus Müller vom Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Nach den vergangenen harten Wochen im Finanzausschuß habe ich mich gefreut, daß mit diesem Antrag der CDU/CSU der Urlaub zumindest auf dem Papier etwas näher rückte. Ihr Antrag fußt auf zwei Überlegungen. Erstens. Sie sagen, das deutsche Gastgewerbe leide unter dem internationalen Wettbewerb. Besonders die Erhebung des normalen Mehrwertsteuersatzes sei von Nachteil. Zweitens. Sie sagen, die Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf 7 Prozent, zumindest bis zu einer EU-einheitlichen Regelung, sei das geeignete Instrument, zu einer Lösung zu kommen. Warum Ihr Antrag mehr nach einem Geschenk an das Gastgewerbe riecht als nach einer durchdachten finanzpolitischen Lösung, zeigen folgende Aspekte. ({0}) Zur Lage des Gastgewerbes, wobei ich mich auf die Situation der Beherbergung beschränken will - ich hoffe, damit den Kern Ihres Antrages zu treffen -, ist folgendes festzuhalten: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Gästeübernachtungen in Deutschland im Sommerhalbjahr 1998 um 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Deshalb konstatieren Tourismusforscher: Das Problem sind nicht die Gästezahlen, sondern die - auch in Ihrem Antrag erwähnte hemmungslose Bauwut. Zwischen 1994 und 1996 wurde die Zahl der Betten um 10 Prozent erhöht. Da wundert es natürlich nicht, daß trotz Übernachtungszahlen, die auf hohem Niveau stagnieren, die Auslastung spürbar sinkt. ({1}) Gleichzeitig wird im „Handelsblatt“ von Dienstag dieser Woche Herr Gerd Hesselmann, Präsident des Deutschen Reisebüro- und Reiseveranstalterverbandes, mit den Worten zitiert: Die zweistelligen Zuwächse . . . lassen ein spürbares Wachstum erwarten. Für die laufende Saison erwartet er ein Umsatzplus von 5 Prozent. Das heißt, die Notwendigkeit „einer verstärkten politischen Unterstützung“ oder, anders formuliert, eines neuen Subventionstatbestandes kann ich hier nicht erkennen. Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes erscheint mir hier nicht sinnvoll. Sie gehen davon aus, daß die deutsche Hotelerie mit dem 16prozentigen Satz einen besonderen Wettbewerbsnachteil zu verkraften hat. ({2}) Ich zitiere: Die Umsatzsteuer ist bei den in Rede stehenden Umsätzen nur einer von vielen preisbestimmenden Faktoren und dürfte nicht für die Entscheidung ausschlaggebend sein, ob ein Urlaub zum Beispiel in Spanien oder Deutschland verbracht wird. Diese bestechende Analyse kommt nicht von mir, sondern vom damaligen Parlamentarischen Staatssekretär, Herrn Hansgeorg Hauser, CDU/CSU, der den gestellten Antrag seiner Fraktion klugerweise nicht namentlich unterstützt hat. Der Gedanke des ermäßigten Satzes für das Gastgewerbe ist nicht neu und wurde schon zu Ihren Regierungszeiten von den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU abgelehnt. Darüber hinaus hat der Kollege Hauser betont, daß das Hauptziel der damaligen Regierung im Juni 1997 die Haushaltskonsolidierung gewesen sei und er daher keine Möglichkeiten sehen würde, von der bisherigen umsatzsteuerlichen Behandlung der Hotelumsätze abzugehen. An dieser Aussage hat sich nur eines geändert, nämlich die Regierungszusammensetzung. Die Aussage gilt weiter. Bemerkenswert ist, daß diese Forderung weder im Wahlprogramm der CDU noch in der Wahlplattform von CDU und CSU enthalten ist. Sprich: Wären Sie weiter in der Regierung geblieben, hätte dieser Antrag niemals das Tageslicht erblickt. Dank Herrn Hauser wissen wir, daß die Mehrwertsteuer nur einer der preisbestimmenden Faktoren ist. Aber auch der Preis ist nur eines von vielen Kriterien bei Reiseentscheidungen. Ein Löwenanteil am Deutschlandtourismus kommt mit 50 Prozent den Geschäftsreisen zu, sicherlich nicht das preissensibelste Segment. Nach aktuellen Emnid-Umfragen kommt der Qualität viel mehr Bedeutung zu als dem Preis. Besonders der Faktor Sonne fällt dabei ins Gewicht. Nicht einmal jeder fünfte Befragte bezeichnet den Preis als „etwas“ oder „deutlich“ wichtig. Deshalb läßt sich also nicht unmittelbar eine besondere Belastung des deutschen Gastgewerbes ableiten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Burgbacher?

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Müller, würden Sie mir erstens zustimmen, daß sich die Zahlen des DHV, die Sie genannt haben, auf den weltweiten Tourismus beziehen und überhaupt nichts mit der Auslastung in Deutschland zu tun haben? Würden Sie mir zweitens zustimmen, daß für Geschäftsreisende der Faktor Sonne eine relativ geringe Rolle spielt? Sie sagen, der Preis spiele keine Rolle. Würden Sie mir drittens zustimmen, daß sich der Preis dadurch, daß die Mehrwertsteuer für diese Reisen nicht mehr abziehbar ist, sehr stark erhöht und wir sehr wohl Einbrüche befürchten müssen?

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrter Kollege, so wie ich diesen Artikel verstanden habe - ich denke, das „Handelsblatt“ ist eine sehr präzise Informationsquelle -, wird hier vom deutschen Umsatz gesprochen. Wir werden das in den Finanzausschußberatungen noch einmal überprüfen, wir haben dann viel Zeit, darüber zu reden. Ich gehe davon aus, daß Geschäftsreisende genauso wie Bundestagsabgeordnete auf Reisen in der Tat nicht die Sonne genießen können. Ich glaube aber, daß für die meisten Geschäftsreisenden - ich hatte das Vergnügen, vor dem Einzug in den Bundestag in einer Firma bzw. in einer Bank zu arbeiten - der Preis in der Regel nicht das entscheidende Kriterium ist, sondern die Erreichbarkeit und die Infrastruktur der Hotelanlage, das heißt die Qualität. Für Privatreisende ist gemäß den Umfragen, die uns vorliegen, nicht das preisliche Argument das Entscheidende, sondern andere Faktoren, nämlich Naturqualität, das Angebot vor Ort, Sonne, Klima etc. Ich kann nur sagen: In Schleswig-Holstein - da kenne ich mich ein bißchen aus - ist das alles gegeben. ({0}) Sie begründen Ihre Forderung, das Gastgewerbe zu entlasten, mit dem stark vertretenen Mittelstand und den hohen Beschäftigungszahlen. Das ist sympathisch. Ich frage Sie aber: Warum beschränken Sie Ihre Mittelstandsförderung auf das Gastgewerbe? Sollen arbeitsintensive Branchen gefördert werden, ist die Senkung des Mehrwertsteuersatzes nicht der richtige Weg. Der richtige Weg - schließlich wollen wir konstruktiv nach vorn diskutieren - heißt Senkung der Lohnnebenkosten. ({1}) Das ist ein Thema, das von Ihnen, liebe Opposition, bisher sträflich vernachlässigt wurde. Mit dem Einstieg in die ökologische Steuerreform haben wir gestern den richtigen Schritt getan. ({2}) Aber damit soll es genug sein mit dem Herumgemäkel an dem mühsamen Antrag der Opposition. Kommen wir zu den konstruktiven Vorschlägen: Erstens. Ihre Initiative, die Steuerpolitik auf EU-Ebene zu harmonisieren, findet bei uns hohe Sympathie. Zweitens gehen wir mit Ihnen d'accord, die Lohnnebenkosten zu senken, um damit auch das Tourismusgewerbe als arbeitsintensives Gewerbe zu entlasten. Drittens. Familien, Geringverdiener und Mittelverdiener werden durch unsere Steuerreform, die wir heute morgen beschlossen haben, entlastet und haben damit sicherlich die Möglichkeit, einen Teil ihrer Mehreinnahmen in Reise und Urlaub zu stecken. Auch in diesem Punkt gehen wir mit Ihnen absolut d'accord. Die Frage der Unternehmenssteuerreform hat bereits die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks angesprochen. Last, but not least: Mit diesem Antrag erleben wir eine ganz neue Qualität von Bündnissen, nämlich schwarzrote Bündnisse. Dabei meine ich mit „rot“ nicht unseren verehrten Koalitionspartner, sondern ich gehe eine Schattierung weiter. Das wird Ihnen gleich die Kollegin Ehlert mitteilen. Es gibt eine Koalition von CDU und PDS, weil die PDS just einen sehr ähnlich lautenden Antrag im November 1998 eingebracht hat. Ich fasse zusammen: Ihr Antrag zeugt von einer fehlenden finanz- und wirtschaftspolitischen Konzeption. Die Problembeschreibung ist mangelhaft, die Instrumentenwahl unpassend, und das für eine nur vorübergehende Ermäßigung, die eigentlich doch bald wieder anders geregelt werden sollte. Das findet nicht unsere Zustimmung. Vielen Dank. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort der Abgeordneten Heidemarie Ehlert, PDS.

Heidemarie Ehlert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003112, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Harmonisierung der Steuern in der Europäischen Union ist für die nächsten Jahre ein Thema, bei dem es richtigerweise endlich sichtbare Fortschritte geben muß. Unsere Gründe für eine Harmonisierung unterscheiden sich allerdings wesentlich von denen der CDU. ({0}) Deshalb möchte ich zumindest in aller Kürze auf eines verweisen: Im Interesse einer europäischen Entwicklung, die ökologisch, sozial und gerecht sein soll, setzt sich die PDS-Fraktion für eine Wende in der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik der Europäischen Union ein. Nach wie vor wirkt die in Maastricht vereinbarte, einseitig monetäre Orientierung der EU in die falsche Richtung. Wenn Markt und kapitalistische Konkurrenz für alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Europa das entscheidende Gestaltungsprinzip sein sollen, dann können Sie doch nicht, wenn dieser Markt versagt, für das Gastgewerbe einseitig nach einer staatlichen Lösung rufen. ({1}) Eine Wende in dieser Politik und Steuerharmonisierung sind notwendig. An erster Stelle stehen für uns die Harmonisierung der Einkommensteuer und der Unternehmenssteuern auf der Basis einer sozial gerechten Lastenverteilung für alle, für die Bürgerinnen und Bürger und für die Wirtschaft. Anliegen einer sozialen Steuerharmonisierung muß sein, Steuerdumping und Steuerflucht zu unterbinden. Das gilt auch für Unternehmenssteuern. Unternehmensgewinne, die in soziokulturelle, ökosoziale Projekte und zukunftsfähige Arbeitsplätze fließen, sollten steuerlich begünstigt werden. ({2}) Die Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze wäre ein weiterer wünschenswerter Schritt, falls er sich nicht an der gegenwärtigen Obergrenze von 25 Prozent orientiert. ({3}) Die PDS-Fraktion hat im November einen Antrag eingereicht, der die Bundesregierung auffordert, im Ecofin-Rat die Initiative zu einer Änderung des Anhangs H der 6. Umsatzsteuerrichtlinie zu ergreifen, um die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf arbeitsintensive Dienstleistungen, insbesondere auf Reparaturarbeiten im Handwerk zu ermöglichen. Diese Dienstleistungen sind sehr arbeitsintensiv und somit teuer. Deshalb wird der Neukauf der Reparatur vorgezogen, was unökologisch ist. ({4}) Bei einer entsprechenden Senkung des Mehrwertsteuersatzes hätten im Handwerk und im Dienstleistungsbereich zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können. Aber diesen Antrag haben Sie abgelehnt. Jetzt hingegen, wo offensichtlich die vielgepriesenen Marktmechanismen versagt haben, rufen Sie nach dem Gesetzgeber und fordern einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für die Beherbergung. Dazu hatten Sie 16 Jahre lang Zeit. Sie wollen neue Steuergeschenke für die Wirtschaft. Die Arbeitsplätze benutzen Sie als Alibi für Ihren Antrag. ({5}) Sie wissen sicherlich genausogut wie ich, daß gerade auf Grund der bisherigen Steuervergünstigungen, die Sie selbst eingeführt haben, in den letzten Jahren Hotels wie Pilze aus dem Boden schossen, und zwar nicht nur in traditionellen Tourismusgebieten. Die Hoteliers in den neuen Bundesländern können dies sicherlich bestätigen. Es muß gründlich geprüft werden, ob dieser Antrag die Lobby derer bedienen soll, die auf Grund der Steuerabschreibungen häufig am Bedarf vorbei ins Gastgewerbe investiert haben. Nur deshalb ist das Angebot größer als die Nachfrage, und nicht anders herum. Meine Herren, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihr Antrag nicht mit dessen Überschrift „Harmonisierung ...“ übereinstimmt. Zwar haben Sie noch gestern in der Ökosteuer-Debatte eine Harmonisierung gefordert; heute jedoch fordern Sie einen Alleingang Deutschlands, statt die Bundesregierung aufzufordern, sich im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft für eine Harmonisierung der Umsatzsteuer einzusetzen. ({6}) Das würden wir unterstützen. Deshalb empfehlen wir Überweisung an die Ausschüsse. ({7})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Dieter Grasedieck von der SPD-Fraktion.

Dieter Grasedieck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Opposition ist die Kunst, etwas zu versprechen, was die Regierung nicht einlösen kann“, so sagen viele. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, Sie haben diese Kunst in einem Crashkurs, nämlich in nur drei Monaten, erlernt. Herr Hauser, der von Herrn Müller bereits zitiert wurde, sagte am 30. September 1997 unter anderem: Die Einführung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 Prozent auf die Abgabe von Speisen und Getränken durch Hotels ist EG-rechtlich gar nicht zulässig. Das bezog sich auf den ersten Punkt, die Speisen und Getränke. Des weiteren sagte Herr Hauser: Die Besteuerung der Beherbergungsumsätze wird wegen der damit verbundenen Steuermindereinnahmen von rund 1,35 Milliarden DM und aus steuersystematischen Gründen abgelehnt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Müller?

Dieter Grasedieck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön.

Elmar Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001546, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, Sie haben in der Tat den seinerzeitigen Staatssekretär Hauser richtig zitiert. Ich möchte hier ein Mißverständnis ausräumen. Die Beiträge der Kollegen aus den Regierungsfraktionen, in denen es heißt, es gehe hier um Geschenke, machen deutlich, daß hier ein falscher Eindruck erweckt wird. ({0}) Ich erinnere noch einmal daran, daß 1993 im Zuge der Einführung der EU-Mehrwertsteuerregime den damaligen Mitgliedsstaaten ausdrücklich genehmigt worden war, für eine Übergangsfrist verminderte Steuersätze beizubehalten. Deshalb nun die Aufforderung - ich frage Sie, ob Sie das unterstützen können - an die Bundesregierung, im Rahmen ihrer Präsidentschaft auf eine Harmonisierung hinzuwirken, denn die Übergangszeit für Länder wie Frankreich, Spanien, Portugal etc. war nun lang genug, so daß endlich eine Harmonisierung herbeigeführt werden könnte.

Dieter Grasedieck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, das ist für uns eigentlich gar keine Frage. Wir sind natürlich mit Ihnen einer Meinung, daß wir versuchen müssen, eine solche Harmonisierung zu erreichen. Das ist aber seit 16 Jahren ein Problem. Auch Sie kennen das, aber leider haben Sie das nicht gelöst. Wir werden darum kämpfen; das ist für uns sonnenklar. Ich wollte aber an dieser Stelle einmal auf den Widerspruch hinweisen: Sie wechseln die Kleider, und schon argumentieren Sie anders. Das ist falsch, Herr Kollege. ({0}) Heute, anderthalb Jahre später, bringen Sie den Antrag ein, diesen Mehrwertsteuersatz zu senken. Die Haushaltslage hat sich aber nicht verändert. ({1}) - Herr Hinsken, die Haushaltslage hat sich im Vergleich von 1997 zu 1998 nicht verändert. Sie wissen doch ganz genau, daß wir den Bürger wirklich entlasten. Wir gehen mit der Steuerlast - gerechnet bis zum Jahre 2002 - um 20,5 Milliarden DM herunter. ({2}) Darüber haben wir heute morgen ausführlich gesprochen. Davon profitiert natürlich auch der Wirt, davon profitiert auch der Hotelier. Sie von der CDU/CSU setzen doch absolut auf Populismus. Darum geht es in der Hauptsache. ({3}) Der Antrag, den Sie heute stellen, ist ein Schauantrag in Reinkultur. Herr Brähmig, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten den Antrag damals nicht gestellt, weil Ihre „große Steuerreform“ mit 35 Milliarden DM Entlastung folgen sollte. Dann aber haben Sie ausgeführt, daß der Antrag, den heute wir stellen, eigentlich gar nichts koste, weil damit die Wirtschaft angekurbelt werde. Wenn das der Fall ist, Herr Brähmig, dann ist ihre Aussage erstens ein Widerspruch, und zweitens ist es dann doch so: Wenn es heute nichts kostet, dann hat es doch auch früher nichts gekostet. Dann hätten Sie den Antrag ruhig stellen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Genehmigen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brähmig?

Dieter Grasedieck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte, Herr Kollege.

Klaus Brähmig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000240, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Grasedieck, stimmen Sie mir zu, daß man Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik viel stärker ganzheitlich sehen muß und das alles nicht nur aus finanzpolitischer Sicht betrachten darf? Ich glaube, unter der einseitigen Sichtweise leidet unser Land insgesamt. Ich will noch einmal sagen, daß wir in der Zeit, in der wir die Verantwortung für die Bundesrepublik Deutschland hatten, diese gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge bei den Trägern der politischen Verantwortung in vielen Fällen nicht so herübergebracht haben, wie es für die Volkswirtschaft dringend notwendig gewesen wäre.

Dieter Grasedieck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Brähmig, natürlich benötigen wir den gesamtwirtschaftlichen und den gesamtfinanzpolitischen Ansatzpunkt. Das ist für uns gar keine Frage. Aber wenn Sie das so sehen, dann hinken Ihre Vergleiche absolut, und zwar insofern, als daß Sie nur eine Steuerart herausgreifen. Sie führen nämlich nicht auch die anderen Steuerarten an. Sie müssen aber den Globalansatz sehen. Entscheidend ist: Was bezahlt der Bürger vor Ort? Was bezahlt die Bürgerin vor Ort? Was bezahlt der Betrieb vor Ort? In diesem Punkt sieht es in Deutschland ganz gut aus. Im Vergleich mit allen europäischen Ländern liegt unsere Steuerlast im unteren Drittel und ist damit ausgesprochen günstig, Herr Brähmig. Auch das muß berücksichtigt werden. Sie dürfen nicht nur einen Faktor - also nicht nur die Mehrwertsteuer - herausgreifen. ({0}) Zurück zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren. Sie fordern in Ihrem Antrag, grundsätzlich solle ein allgemeiner Steuersatz in der EU angestrebt werden. Sie wissen doch ganz genau, daß wir den vereinbarten Mindeststeuersatz einhalten, und zwar exakt 16 Prozent, und daß die Menschen in den anderen Länder viel mehr an Mehrwertsteuer zahlen als wir in Deutschland. ({1}) Weiterhin schreiben Sie, Herr Hinsken, die Lohn- und die Lohnnebenkosten führten zu hohen Hotelpreisen. Das sagen Sie immer. Aber lediglich die Lohn- und Lohnnebenkosten zu nennen, ist wieder nur eine Teilwahrheit. Im Hinblick auf die Lohnkosten ist das sogar falsch, Herr Hinsken, denn damit liegen wir im Vergleich mit Gesamteuropa wieder im unteren Drittel. In Frankreich, Schweden oder in Dänemark verdient man mehr, um nur diese Länder als Beispiel zu nennen. Vielleicht wissen Sie das auch. Im Bereich der Lohnnebenkosten haben Sie in den 16 Jahren nichts unternommen. Wir haben darauf Wert gelegt und Anträge gestellt, die Lohnnebenkosten zu senken. Erst jetzt, mit der Senkung der Rentenbeiträge von 20,3 Prozent auf 19,5 Prozent im Zuge der gestern verabschiedeten Einführung der Ökosteuer, sind die Lohnnebenkosten zum erstenmal gesenkt worden. Das war ein richtiger Schritt und ein guter Ansatz. ({2}) Sie beklagen des weiteren, die Hotels seien nicht hinreichend ausgelastet. Wenn man das einmal regional betrachtet, dann muß ich Ihnen sagen: Der Tourismus blüht an Emscher und Lippe und wird im Revier weiterentwickelt. In manchen Teilen haben wir in den letzten fünf oder sechs Jahren einen Zuwachs von 30 bis 40 Prozent verzeichnet. Als Beispiel könnte ich auch meinen Wahlkreis mit aufführen. ({3}) - Herr Hinsken, jetzt möchte ich das erst einmal ausführen. Sie können Ihre Frage hinterher in einer Kurzintervention einbringen. Grundsätzlich sollen Entlastungen bei den Umsatzsteuern dem Endverbraucher zugute kommen. Zur Zeit gilt der reduzierte Mehrwertsteuersatz nur bei Lebensmitteln und Büchern, aus sozialem und kulturellen Gründen. Wir werden das weiterhin beibehalten. Das ist für uns - wie sicherlich auch für Sie - keine Frage. Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung anzugreifen, Probleme zu überzeichnen, Initiativen zu entwickeln und Alternativen aufzuführen. Das ist richtig. Sie aber legen gerade Ihre Regierungskleider ab und sprechen schon mit einer anderen Zunge. ({4}) Auch in der Opposition muß der Politiker, die Politikerin glaubwürdig bleiben. Herr Schäuble wurde heute in einem Zeitungsinterview mit den Worten zitiert: „Die CDU will sich in der Opposition von Grund auf erneuern.“ Sie suchen Starts in Zukunftsprogramme, so erklärte Herr Schäuble. Der heutige CDU-Antrag war ein absoluter Flop, ein Fehlstart. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Abgeordnete Klaus-Peter Willsch, CDU/CSU-Fraktion.

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte zunächst die Frau Staatssekretärin ansprechen, aber sie scheint nicht mehr anwesend zu sein. Ich kann das durchaus verstehen. Ich wollte zum einen natürlich richtigstellen, daß hier bei der CDU/CSU-Fraktion keine Ahnungslosen ins Feuer geschickt werden, sondern daß das nach Sachkunde geht und danach, ob jemand etwas zum Thema zu sagen hat. Ich finde es zum anderen vor dem Hintergrund dessen, was ich den Kanzler Schröder so ganz allein in der europäischen Welt zum Thema Duty free sagen höre, ganz besonders interessant - die Frau Staatssekretärin kommt gerade wieder in den Saal -, daß Sie uns des Opportunismus und des Populismus bei diesem Thema zeihen. ({0}) Ich halte sehr viel von Steuersystematik und einer klaren ordnungspolitischen Ausrichtung. Aber ich denke, daß man das nicht zum Dogma erheben darf angesichts der Tatsache, daß an diesem Punkt nationale Interessen wirklich kraß verletzt werden. Es geht doch in unserem Antrag darum - Frau Ehlert, Ihnen würde ich empfehlen, ihn erst einmal zu lesen, bevor Sie sich zu Wort melden -, daß wir die Mehrwertsteuersätze in diesem Sektor harmonisieren. Das ist der erste Ansatz. ({1}) Wir haben die Ratspräsidentschaft. Bei der ganzen Kraft, mit der unser Bundeskanzler herumläuft, sollte es doch möglich sein, an diesem kleinen Punkt eine Harmonisierung zu erreichen. Wir sagen dann aber auch im zweiten Schritt, daß wir es nicht länger hinnehmen wollen, daß hier das deutsche Gastronomie- und Hotelleriegewerbe kraß benachteiligt wird. Es ist doch nicht einzusehen, warum unser Gastgewerbe einen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent zahlen muß, wenn in 12 der 15 Ländern der Europäischen Union reduzierte Mehrwertsteuersätze angewendet werden. Es ist uns aus EUrechtlichen Gründen nicht untersagt, ebenfalls einen reduzierten Mehrwertsteuersatz anzuwenden. ({2}) Was hindert uns daran, unseren eigenen Hoteliers und Gastronomen die niedrigen Sätze zugute kommen zu lassen, wie das andere Regierungen in Europa tun? Ich will zu der Rede von Herrn Müller, der leider nicht mehr anwesend ist, noch kurz anmerken, daß wir keinesfalls ein Patentrezept zur Belebung der deutschen Hotellerieszene und zur Steigerung der Belegungen der deutschen Hotels gefunden haben. Aber angesichts der von mir dargestellten Situation, daß in 12 von 15 Ländern der Europäischen Union andere Verhältnisse bestehen und daß wir dementsprechend einen Nachteil gegenüber ihnen haben, kann man doch nicht ernsthaft davon sprechen, wir würden einen neuen Subventionstatbestand herbeiführen. Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen herbeiführen. ({3}) Daß der ehemalige Staatssekretär Hansgeorg Hauser als Regierungsverantwortlicher die Situation in vergangenen Debatten anders beurteilt hat, könnte ich jetzt lokker abtun mit den Worten: Was schert mich das; ich bin ja erst seit September dabei. - So einfach will ich es mir aber nicht machen. Sie dürfen nicht vergessen, was wir mit den Petersberger Beschlüssen auf den Weg gebracht hatten: eine Entlastung der Bürger und der Wirtschaft um 30 Milliarden DM und die Senkung aller Steuersätze, vom Eingangssteuersatz bis hin zum Spitzensteuersatz, um ein Drittel. Wir haben in den letzten Tagen beobachten müssen - traurig, traurig -, was Sie daraus gemacht haben: Eine kümmerliche Reform ist dabei herausgekommen. Wenn wir mit unserem großen Wurf Erfolg gehabt hätten, dann wäre die Dringlichkeit unseres heute gestellten Antrages nicht so hoch. ({4}) Es gibt in der Tat schwierige Rahmenbedingungen innerhalb der deutschen Hotellerie. Auch ich weiß, daß die Sonne bei uns weniger scheint als auf Mallorca oder in Griechenland. Ich kann aber nicht erkennen, warum es gerecht sein soll, daß der Gastronom in Straßburg, wo die Sonne nur unwesentlich mehr als in Kehl scheint, mit 5,5 Prozent dabei ist, aber unser Gastwirt mit 16 Prozent Mehrwertsteuer kalkulieren muß. ({5}) - Das kann man nicht erklären. Auch der Einwand von Herrn Müller, bei Geschäftsreisen, die in der Tat ein wachsendes Segment sind, spiele der Preis keine Rolle, trifft nicht zu. Ich weiß jetzt nicht, ob es schon länger her ist, daß er im Bankbereich gearbeitet hat. Ich jedenfalls war bis vor kurzem Bürgermeister einer Kurortgemeinde. Ich kann Ihnen bezüglich der Auslastung unserer Hotels sagen, daß heute bei Geschäftsreisen sehr wohl auf den Preis geachtet wird. ({6}) Die Frage, ob mit 7 oder 16 Prozent Umsatzsteuer gerechnet wird, kann für einen Auftrag entscheidend sein. Viele Punkte sind von meinen Vorrednern bereits angesprochen worden. Deshalb will ich nur noch kurz betonen, daß wir für unsere Hotellerie- und Beherbergungswirtschaft einen Wettbewerbsnachteil beseitigen wollen. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir das erreichen können. Mit der Einführung des Euro ist der Währungsschleier weggezogen, und die Preise sind noch leichter vergleichbar. Diese positive Entwicklung begrüßen wir. Um so wichtiger ist es aber, daß unter gleichen Bedingungen gearbeitet werden kann. So richtet sich mein Appell vor allen Dingen an die Regierungsfraktionen. Sie haben ja gesagt, daß Sie nicht alles anders, aber vieles besser machen wollen. Wenn Sie sagen, wir hätten in der Vergangenheit zu wenig getan, dann geben Sie sich einen Ruck und helfen Sie dem Gastgewerbe. Nach meinen Beobachtungen der letzten zwei Tage habe ich aber die Befürchtung, daß das Spiel, das Sie in diesem Hohen Haus gegenwärtig treiben, leider eher darauf hinausläuft, die Belastbarkeit der Wirtschaft zu testen. ({7}) Im Zusammenhang mit der Ökosteuer haben Sie, zunächst durch die vorgesehene Freistellung der Großverbraucher, später dann durch die Einführung eines reduzierten Satzes, gezeigt, daß Sie die Arbeitsplatzverluste in Grenzen halten wollen. Sie wollen nicht gar so viele Arbeitsplätze mit Ihren Vorhaben vernichten. Daher denke ich, daß Sie gerade dem durch die Entscheidungen der letzten beiden Tage gebeutelten Bereich der Hotellerie eine wirksame Hilfe bieten können. Ich will Ihnen einmal die Situation in meinem Wahlkreis beschreiben. Gehen Sie einmal in ein typisches Hotel im Rheingau. Was der Besitzer dort in den letzten Tagen um die Ohren geschlagen bekommen hat, ist enorm: 20 000 DM Mehrbelastung pro Jahr durch die Ökosteuer. Sie halten die Entlastung bei der Rentenversicherung dagegen. Diese Entlastung schlägt bei ihm gar nicht durch. Als Hotelier, als ein Unternehmer mit mitarbeitenden Familienangehörigen fragt er sich schon heute, wie er eigentlich die Mitarbeiter für die anstehende Saison zusammenbekommen kann. Er fragt sich, ob seine Nachbarin oder seine Bekannte, die bisher geholfen hat und sich ein kleines Zubrot hinzuverdient hat, noch weiter unter den Bedingungen arbeiten wird, die Sie für die 630-Mark-Jobs festgelegt haben. Sie haben in den letzten Tagen hier dafür gesorgt, daß unser Hotelleriegewerbe wirklich zwei schwarze Tage erleben mußte. ({8}) Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, dann würden Sie nach diesen schwarzen Tagen ein Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht für diesen Teil der Wirtschaft setzen. Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das war die erste Rede des Kollegen Willsch. Ich darf auch ihm dazu im Namen des Hauses gratulieren. ({0}) Nun gebe ich für die SPD-Fraktion das Wort der Kollegin Brunhilde Irber.

Brunhilde Irber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der CSU, Ihr Antrag ist ein Wunder ({0}) ein Wunder der Wandlungsfähigkeit. Vor allem ist Ihr Antrag zum Wundern. Noch am 27. Juni 1998 - also kurz vor der Wahl - hat der ehemalige Bundesfinanzminister Waigel, Ihr ehemaliger Parteivorsitzender, Herr Hinsken, durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften, versteckt im Gesetz zur Ermittlung der Daten für den Verteilungsschlüssel des Gemeindeanteils am Umsatzsteueraufkommen, die Tür zu einem herabgesetzten Mehrwertsteuersatz für die Gaststätten zugeschlagen. ({1}) Er hat die Leistungen der Gastronomie zur Dienstleistung umdefiniert und damit verhindert, daß die Steuern für diese gesenkt werden können. Deshalb kann sich Ihr Antrag, den Sie heute stellen, nur auf die Hotellerie beziehen. Anders kann es nicht sein. ({2}) Dazu muß ich Ihnen sagen: Sie haben eine Senkung 16 Jahre nicht gewollt. Das ist nach dem, was Sie in den letzten Wochen abgeliefert haben, auch kein Wunder. Aber es ist unglaubwürdige Oppositionspolitik. ({3}) Ein weiterer Punkt. Natürlich ist Ihr Antrag auch ein bißchen unlogisch. In ihm wird der internationale Wettbewerb und die Globalisierung herausgestellt, unter dem das Gaststättengewerbe angeblich zu leiden habe. Ich muß sagen: Das ist ein bißchen schwach; ({4}) denn eine Gaststätte in Kassel steht nicht im Wettbewerb zu einer Gaststätte in Barcelona und auch nicht, sehr geehrter Herr Kollege Bürgermeister, zu einer in Straßburg. Dort gibt es eine ganz andere Gästeklientel als bei uns im Bayerischen Wald, als in der Fränkischen oder Sächsischen Schweiz, Herr Brähmig. ({5}) Natürlich gibt es Wettbewerbsverzerrungen, aber nur in den Grenzregionen und nicht im gesamten GastKlaus-Peter Willsch stättengewerbe. Das Gaststättengewerbe kommt zwar nicht in den Genuß des halbierten Mehrwertsteuersatzes. Aber der Tourismus profitiert vom niedrigen Regelsteuersatz. Das muß man doch zur Kenntnis nehmen. ({6}) Die Take-aways werden auch bei uns nur mit 7 Prozent besteuert. Das sollten Sie vielleicht auch berücksichtigen. Ihr Antrag hat die Überschrift „Harmonisierung der gastgewerblichen Mehrwertsteuersätze in der Europäischen Union“. Tatsächlich aber zielen Sie mit Ihrem Antrag auf eine einseitige Rücknahme. Im Antrag steht, daß der massive Zuwachs an Bettenkapazitäten durch den Wettbewerb zu einem Rückgang der Zimmerpreise und letztendlich auch zu vielen Konkursen geführt habe. Wenn dieser Preisrückgang nicht zu einem Anstieg der Übernachtungszahlen geführt hat, warum soll es dann eine Steigerung der Anzahl der Übernachtungen um bis zu 29 Prozent bei einer Absenkung des Mehrwertsteuersatzes um 9 Prozent geben? Das müssen Sie mir erst einmal erklären. ({7}) In Musterrechnungen wird angenommen, daß der Steuerausfall bei einer Steigerung der Zahl der Übernachtungen um nahezu 29 Prozent, vielleicht sogar schon bei einer Steigerung um 14 Prozent, ausgeglichen werden könnte. Diese Steigerungsraten sind Traumdaten. Wenn es dazu kommen würde, dann wäre das tatsächlich ein Wunder. ({8}) - Herr Hinsken, Irland lebt vom Urlaubstourismus, aber nicht vom Geschäftsreisetourismus. Deutschland lebt zu mehr als 50 Prozent vom Geschäftsreisetourismus. Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. ({9}) Wie ich sehe, möchte Herr Brähmig eine Zwischenfrage stellen. Herr Präsident, ich weiß nicht, ob Sie es gestatten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen sehr dafür, daß Sie so gut aufpassen. ({0}) Ich war gerade dabei, hier ein Stückchen Schokolade zu verteilen. - Herr Kollege Brähmig.

Klaus Brähmig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000240, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Irber, stimmen Sie mir erstens zu, daß Tourismus in der Volkswirtschaft eine Querschnittsaufgabe ist? In diesem Sinne habe ich die Beschreibung des Lebensweges unseres Kollegen Ernst Hinsken von Frau Staatssekretärin Hendricks als ein Kompliment empfunden. Stimmen Sie mir zweitens zu, daß wir nicht nur diesen Antrag einbringen, sondern den gesamten Prozeß der Verbesserung des Tourismusstandortes Deutschland im Auge haben? Den Antrag zur Verbesserung der Ausstattung mit Finanzmitteln der Deutschen Zentrale für Tourismus, der eben diesem Ziel dient, haben Sie in dieser Woche im Ausschuß nicht als zustimmungswürdig angesehen. Ich wundere mich sehr darüber, wie Sie allein mit diesen zwei Anträgen - weitere werden in den nächsten Wochen und Monaten folgen, weil die SPD-Fraktion offensichtlich kein Tourismuskonzept hat ({0}) umgehen. Ich gehe davon aus, daß wir uns weiterhin mit diesen Punkten auseinandersetzen werden.

Brunhilde Irber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Brähmig, was den Tourismus als Querschnittsaufgabe anbelangt, gebe ich Ihnen recht. Ich werde im folgenden darauf eingehen. Ich gebe Ihnen auch recht, was den Lebensweg des verdienten Herrn Kollegen Hinsken anbelangt. Das ist gar keine Frage. Die Frau Staatssekretärin hat dies sehr liebenswürdig und sehr charmant unterstrichen. Ihr gestriger Antrag auf Anhebung des Haushaltsansatzes der DZT ist wirklich mehr als lächerlich. Sie wissen haargenau, daß wir es während der letzten vier Monate zum erstenmal in der Geschichte des Tourismusausschusses im Deutschen Bundestag geschafft haben, den Mittelansatz anzuheben, und zwar um 11 Prozent, wohingegen Sie in Ihrem Haushaltsentwurf in der mittelfristigen Finanzplanung eine Absenkung auf 30 Millionen DM vorgesehen hatten. Wo leben Sie denn? Ziehen Sie doch Ihren Antrag zurück! Sie blamieren sich damit doch nur. ({0}) Ich komme zur Querschnittsaufgabe. Die Probleme im Gaststättengewerbe sind eine Querschnittsaufgabe. Der Grund für diese Probleme liegt in erster Linie in den ungünstigen Rahmenbedingungen in der Form von Überregulierung und Arbeitszeiten, die in unserer Gesellschaft zunehmend nicht mehr akzeptiert werden, weil niemand mehr gern abends und an den Wochenenden arbeitet. Saisonarbeit verspricht keine runde Rentenbiographie und ist nicht besonders attraktiv. Dazu kommen mangelnde Qualifizierung, eine ungenügende Kapitalausstattung bei Geschäftseröffnung und viele Ausbildungsabbrüche. Dies sind die Hauptprobleme der Gastronomie und Hotellerie. Wir wollen durch eine neue Tourismuspolitik der Bundesregierung, durch Priorität von Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung neue Akzente setzen, Umweltaspekte und Nachhaltigkeit stärken, touristische Leitbilder - Ihr Lieblingsthema - in den Regionen fördern, Produkte in den Regionen als Angebote erstellen und dabei die typische Ausgestaltung der Regionen erhalten. Ich glaube, das ist ein tolles Programm. ({1}) Wenn wir in dieser Legislaturperiode nur die Hälfte davon verwirklichen können, dann wäre das für das Gewerbe klasse. In Europa ist es unsere Absicht, alle Faktoren, nicht nur die Steuerfaktoren, zu harmonisieren. Dadurch werden wir den Tourismus nachhaltig fördern und das Hotel- und Gaststättengewerbe stärken. Darüber hinaus wünschen wir uns von der Bundesregierung, Frau Staatssekretärin, daß sie den Vorschlag der Kommission, die Mehrwertsteuer für arbeitsintensive Dienstleistungen versuchsweise zu senken, ernsthaft prüft. ({2}) Damit kann im Zusammenhang einer europäischen Harmonisierung der Steuersätze auch der Nachteil für die Betriebe in den Grenzregionen aufgehoben werden. ({3}) Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, möchte ich nur noch eines sagen: Hätten Sie den Antrag im letzten Jahr gestellt, wäre er mehr wert gewesen. Danke schön. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/294 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 4 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der PDS Haltung der Bundesregierung zu dem am 11.02.1999 veröffentlichten Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen zur Verletzung des internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte durch die Bundesrepublik Deutschland Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der Abgeordneten Maritta Böttcher von der PDS-Fraktion. Ich will darauf hinweisen, daß wir bei dieser Aktuellen Stunde sehr auf die Einhaltung der Redezeiten achten werden. Ich denke, das liegt im gemeinsamen Interesse. Da wir das gegenüber allen Kollegen so halten werden, ist das dann ja auch ein faires Verfahren. Frau Böttcher, Sie haben das Wort.

Maritta Böttcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002631, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Bericht eines UNO-Ausschusses, der die Einhaltung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte überprüft. Die Bundesrepublik Deutschland hat 1976 den internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte unterzeichnet. Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten, nach und nach die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen. Die Verwirklichung der Rechte wird mittels Berichten überprüft, die der Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erstellt. Der vorliegende Bericht dieses Ausschusses kritisiert in nie dagewesener Komplexität und Schärfe die Innenund Sozialpolitik der Bundesrepublik. Der Bericht spricht deutlich die Benachteiligung der Ostdeutschen als Problem an und empfiehlt dringend, den Prozeß der Integration zu beschleunigen. Wie der Bericht zeigt, ist es kein Wunder, daß die Ostdeutschen mehrheitlich dazu neigen, soziale Gerechtigkeit stärker zu betonen, da sie in ihren sozialen und kulturellen Rechten eingeschränkter als die Westdeutschen sind. Meine Damen und Herren, ich kann mir fast jeden Punkt aus diesem Bericht herausgreifen und weiß genau, daß die PDS genau dazu schon Anträge eingebracht oder die Politik der alten Bundesregierung in dieser Hinsicht kritisiert hat. Ich hoffe, Sie gehen nun nicht davon aus, daß die PDS sogar in der Lage wäre, noch die UNO zu unterwandern. ({0}) Vielleicht nehmen Sie die Kritik ja endlich ernst, wenn sie von höheren Stellen formuliert wird. Eigentlich ist mir egal, wem Sie glauben und wem nicht ({1}) - vielleicht hören Sie wenigstens zu -, ({2}) wenn die Damen und Herren von der CDU/CSU und F.D.P. nur endlich anfangen, über die Versäumnisse ihrer Regierungspolitik gründlich nachzudenken, und SPD und Grüne sich die Forderungen des Ausschusses für ihre Politik zu eigen machen. ({3}) Lassen Sie mich ein paar wenige Themen, die dem Ausschuß Anlaß zur Besorgnis geben, benennen: Erstens. Der Ausschuß bemerkt, daß noch keine Armutsgrenze festgelegt worden ist. Vielleicht erinnern Sie sich an unseren Antrag zur Einführung einer sozialen Grundsicherung, mit der jedem und jeder ein Einkommen gesichert werden soll, das sich an der EUDefinition von Armut orientiert. Zweitens. Der Ausschuß ist besorgt über den Status der Asylbewerberinnen und -bewerber auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und gesundheitlichen Rechte, die mit dem Asylbewerberleistungsgesetz wesentlich eingeschränkt wurden. Dessen Abschaffung wäre ein Schritt, um den Forderungen des Ausschusses nachzukommen. ({4}) Drittens. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere die Verbesserung des Beschäftigungsniveaus in Ostdeutschland, wird eingefordert. Vielleicht erinnern Sie sich an geeigneter Stelle an die Vorschläge zur Einführung der Umlagefinanzierung und den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. ({5}) Damit könnte wirklich ein Politikwechsel für mehr Ausbildung und Beschäftigung umgesetzt werden. Viertens. Der Ausschuß fordert einen anderen Umgang mit ehemaligen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der DDR sowie mit ehemaligen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der DDR. Auch auf diese Problematik haben wir immer wieder aufmerksam gemacht. Fünftens. Der Ausschußbericht kritisiert, daß Beamte kein Streikrecht haben. Die PDS fordert schon lange die Reformierung des Beamtenrechts in Form der Schaffung eines einheitlichen Dienstrechts. Damit könnte auch das Streikrecht gesichert werden. Sechstens. Der Ausschuß fordert geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Studiengebühren. Das Verbot von Studiengebühren im HRG ist die einzige sichere Möglichkeit, dieser Empfehlung nachzukommen. Einen Staatsvertrag können die Länder kündigen. Hier sind bundesweite Regelungen vonnöten. Machen Sie sich bitte bei all diesen Punkten klar: Ich rede hier nicht von verrückten sozialistischen Ideen. Ich rede von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechten, die in einem internationalen Pakt festgeschrieben sind, den die Bundesrepublik schon lange vor der Existenz der PDS unterzeichnet hat. Die Bundesrepublik hat sich verpflichtet, geeignete Schritte hin zu diesen im Pakt festgeschriebenen Rechten zu unternehmen und nicht in die Gegenrichtung. Ist denn etwa die Regelung über die Zumutbarkeit von Arbeit für Erwerbslose ein Schritt in diese Richtung? Erwerbslose Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger müssen jede Arbeit, auch unentlohnte, annehmen. Das widerspricht eindeutig dem Pakt. ({6}) Ich verstehe, daß Sie die Vorschläge einer Oppositionspartei ablehnen müssen. Das gehört zum Geschäft. Aber daß die Vereinten Nationen die Nichteinhaltung von Verträgen in der vorliegenden Art und Weise feststellen müssen, ist diesem reichen Land doch wohl nicht angemessen. Ich erwarte Schritte, die dahin führen, daß die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in Zukunft besser gesichert werden. Der Ausschuß hat die rotgrüne Regierung mit reichlich Vertrauensvorschuß bedacht. Ich hoffe, Sie werden ihn nicht enttäuschen. ({7})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Abgeordnete Stephan Hilsberg, SPD. ({0})

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich das Thema für diese Aktuelle Stunde das erste Mal las, habe ich mich erst ein bißchen gewundert und dann geärgert, geärgert in zweierlei Hinsicht: zum einen darüber, daß die Situation vieler Menschen im Osten Deutschlands, gemessen an den westdeutschen Verhältnissen, in der Tat miserabel, hundsmiserabel ist, und über manchen sozialen Mißstand, den wir noch nicht haben ändern können, zum anderen aber noch mehr über die billige und demagogische Tour, mit der Sie hier wieder versuchen, für sich daraus Nutzen zu ziehen. ({0}) Mit Betroffenheitspathos in der Stimme wird darüber hergezogen, daß ein UNO-Ausschuß die Bundesrepublik Deutschland an den Pranger stellt. Man hat manchmal das Gefühl, Sie ziehen einen richtigen Genuß daraus, daß Sie plötzlich von dieser Seite Unterstützung erhalten in Ihrer Art, immer nur - was Sie am besten können auf die miese Tour, ohne jeden konstruktiven Ansatz Nutzen daraus zu ziehen, wie schlecht es den Menschen an den verschiedensten Orten geht. ({1}) Um demagogischen Tricks entgegenzutreten und der Wahrheit die Ehre zu geben, muß man ein bißchen aufklären. Da reicht das, was Sie hier gesagt haben, Frau Böttcher, nicht aus. Es ist richtig: Es gibt einen Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in der UNO. Das ist gut; das haben wir übrigens mit erkämpft. Er überprüft regelmäßig die Einhaltung des Sozialpaktes, den die Bundesrepublik übrigens unterschrieben hat, als die DDR noch lange nicht bereit war, einen internationalen Pakt über Menschenrechte, den sie zwar unterschrieben hatte, in der DDR rechtsgültig umzusetzen. Das ist die Wahrheit über die Situation. ({2}) Dieser Ausschuß verlangt von seinen Mitgliedstaaten, die diesen Pakt unterschrieben haben und ihn einzuhalten gedenken, regelmäßig Berichte über die Lage in dem jeweiligen Land. Dann wird darüber Rechenschaft abgegeben, wieweit das entsprechende Land den Pakt tatsächlich einhält oder wo noch Differenzen bestehen. Der Bericht, der hier vorlag, ist über zweieinhalb Jahre alt. Er stammt also noch aus der Zeit der alten Koalition von CDU/CSU und F.D.P. Daß es daran viel zu kritisieren gibt, ist ja wohl selbstverständlich. Sie vergessen, dabei gleichzeitig zu erwähnen, daß in demselben Ausschußbericht die Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung positiv und sehr lobend herausgestellt wird. ({3}) Darauf sollte man einmal hinweisen. Sie vergessen, zu erwähnen, daß wir ein Projekt zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit beschlossen haben und daß wir in dieses Projekt 2 Milliarden DM hineinstecken. Sie vergessen, zu erwähnen, daß wir die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, und zwar die Maßnahmen im Bereich der Qualifizierung und der Weiterbildung, insbesondere in Ostdeutschland, verstetigt haben und weiter verstetigen müssen, was auch richtig ist. Man kann ja zum Beispiel über die Einführung von Studiengebühren sprechen. Niemand in diesem Hause will sie einführen. Das sage ich jetzt einfach einmal so; denn das weiß ich auch von vielen Kollegen aus der CDU. Aber wenn man schon in dieser anprangerischen Art und Weise über Studiengebühren spricht, dann sollten Sie nicht vergessen, daß solch bewährte Sozialstaaten wie Dänemark oder Holland, wo es den Menschen wirklich nicht schlechtgeht, Studiengebühren haben, ohne daß das große soziale Miseren hervorruft. ({4}) Das ist kein Plädoyer für die Einführung von Studiengebühren. Aber Sie sollten doch wenigstens der Wahrheit die Ehre geben. Zum Schluß möchte ich noch folgendes sagen: Es ist richtig, daß insbesondere Ostdeutschland eine ehrlichere Bestandsaufnahme braucht, als das in den letzten Jahren von hier aus erfolgt ist. Das ist nämlich die Voraussetzung dafür, daß man die Menschen dazu bringt, an dem Aufbau unseres Landes konstruktiv mitzuarbeiten. Dieser wird sehr lange dauern. Aber in Veranstaltungen in Ostdeutschland, in denen über die jetzige Situation gejammert wird, erlebe ich es immer häufiger, daß Jugendliche fragen: „Wo leben wir eigentlich?“ und sagen: „Ich kann inzwischen studieren, wo ich will, und ich tue das auch. Ich reise durch Europa, was ich vorher nicht konnte. Ich habe eine phantastische Perspektive. Mir macht das Leben Spaß.“ Das ist etwas, was wir für Ostdeutschland erkämpft haben, was Sie von der PDS ihnen nie hätten geben können. Darauf können wir stolz sein. Das sind die Zukunftsaussichten, die wir haben. Deren Realisierung wollen wir für alle erreichen. Ich sage Ihnen: Wir werden sie auch für alle erreichen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Manfred Grund, CDU/CSU.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Falls wirklich einmal ein deutscher Steuerzahler auf die Idee käme, zu fragen, was aus seinen Steuern wird, die in den Beitrag einfließen, den die Bundesrepublik an die UNO leistet - das sind pro Jahr 200 Millionen Dollar, also 300 Millionen DM -, dann sollte man ihm den Bericht der UNOKommission, über den wir heute debattieren, nicht zeigen. Denn es könnte sein, daß er auf die Idee käme, seine Steuerlast anteilig um den Betrag zu mindern, der bisher an die UNO gezahlt wird. ({0}) Denn in diesem Bericht - Kollege Hilsberg hat soeben davon gesprochen, daß eine Art Staatenranking durchgeführt wird - wird ein Zerrbild von Deutschland gezeichnet, und zwar ein Bild des häßlichen Deutschlands in der Welt. Man sollte ihn der Steuerzahlerin bzw. dem Steuerzahler wirklich nicht zu lesen geben. ({1}) Man fragt sich, wie dieser Bericht zustande gekommen ist. Man fragt sich, was unsere Delegation bei der UNO im Vorfeld der Abfasssung dieses Berichtes eigentlich getan hat. Man fragt sich: Wenn die Bundesrepublik Deutschland - ich komme noch auf Beispiele zu sprechen - in diesem Bericht derart schlecht abschneidet, wie dann Länder wie Nordkorea oder Kuba abschneiden würden? Es geht um den internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Grundlage für den hier debattierten Bericht ist der dritte periodische Bericht, der übrigens nicht zweieinhalb Jahre alt ist, sondern maximal ein halbes oder ein Dreivierteljahr, Herr Kollege Hilsberg. Grundlage des Berichtes vom 11. Februar 1999 sind Antworten auf Fragen, die von der UNO gestellt worden sind und die die jetzige Bundesregierung sehr ordentlich beantwortet hat. Im Vorfeld der Abfassung dieses Berichtes ist eine hochrangige Delegation der jetzigen Regierung bei der UNO gewesen und hat Rede und Antwort gestanden. Frau Kollegin Mascher, ich nehme an, daß Sie an dieser hochrangigen Delegation teilgenommen haben. Es ist mir ein Rätsel, wie auf der Grundlage der Gespräche, die Sie geführt haben, dieser Bericht zustande gekommen ist. Ich will einige Beispiele vortragen - über die Arbeitslosigkeit wurde bereits gesprochen -: Der Ausschuß bemerkt mit Bestürzung, daß nur 12 Prozent der Angestellten des öffentlichen Dienstes auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik der ehemaligen DDR einschließlich Lehrern, Wissenschaftlern und anderen Fachleuten weiterbeschäftigt worden seien und daß die übrigen ohne Arbeit oder angemessene Entschädigung oder eine zufriedenstellende Rentenregelung auskommen müssen. ({2}) In dem Bericht äußert man sich besorgt über den Status der Asylbewerber und über die mißliche Lage der Roma und Sinti in Deutschland. Es wird bemerkt, daß Beamte kein Streikrecht haben; man ist besonders besorgt über die Gewalt gegen Frauen in Deutschland, ist bestürzt über den fortgesetzten Mißbrauch und die sexuelle Ausbeutung von Kindern in Deutschland. Auf die Besorgnis über Studiengebühren ist hingewiesen worden. Der Bericht macht ebenso auf die alarmierende Anzahl von HIV- und Aidsopfern, auf die Notlage von Obdachlosen in Deutschland und auf die besonders schwierige Situation von Hausbesetzungen in Deutschland aufmerksam. So geht es dann noch weiter. Der Bericht kommt zu einigen Stellungnahmen. Ich will nur einmal einige Dinge herausgreifen, die auch die Kollegin von der PDS angesprochen hat. Ich möchte einmal mit dem Staatsdienst beginnen: Ich habe vorgelesen, daß in dem Bericht davon ausgegangen wird, daß 12 Prozent der ehemaligen Staatsbediensteten einschließlich Lehrern im Staatsdienst verblieben sind. Die anderen sind also ohne adäquate Rechte. ({3}) - Das steht in dem Bericht: einschließlich Lehrern. Dieser Eindruck wird ja auch permanent vermittelt. Ich habe mir einmal die Zahlen des Thüringer Kultusministeriums besorgt. Dort hat es, wie in allen Kultusministerien der neuen Länder, eine Überprüfung auf persönliche Eignung gegeben. Von 40 500 Bediensteten, die sich 1990/91 auf persönliche Eignung haben überprüfen lassen, sind ganze 1 400 wegen mangelnder persönlicher Eignung gekündigt worden, davon 1 300 Lehrer, deren Mitarbeit in der Staatssicherheit nachgewiesen worden ist. Diese 1 300 Lehrer sind aber nicht aus dem Schuldienst gegangen: 350 waren zum Zeitpunkt der Überprüfung wegen Vorruhestand - Altersübergangsregelung - schon ausgeschieden, 310 wurden weiterbeschäftigt, 250 schieden durch Auflösungsverträge aus. 270 Kündigungen mußten ausgesprochen werden, die dann im Wege der Abfindung im wesentlichen auch durchgeführt worden sind. Ganze 120 Lehrer sind dann tatsächlich im Wege des Vergleiches ausgeschieden. Das heißt: 120 von 40 000 Lehrern - dazu kann man sich einmal die Prozentzahl ausrechnen. Wir alle wissen ganz genau, wie groß die Anzahl derer ist, die weiterbeschäftigt werden. Herr Präsident, ich sehe, daß meine Redezeit abgelaufen ist. Ich komme noch einmal wieder; ich habe mich für eine weitere Rede eingetragen. Ich habe noch einiges zu sagen. Also bis dahin. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Vielen Dank. Bisher haben sich hinsichtlich der Redezeit alle an die Vorgaben gehalten. Ich gebe das Wort jetzt der Kollegin Katrin GöringEckardt vom Bündnis 90/Die Grünen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grund, ich glaube schon, daß man einen Bericht, in dem es um Menschenrechte geht - auch wenn wir in Deutschland es in dieser Hinsicht in mancher Beziehung besser haben als die Menschen in anderen Ländern -, ernst nehmen sollte. Sie haben bei Ihrer Aufzählung auch Beispiele genannt, bei denen ich nicht so ohne weiteres sagen kann, wir sollten darüber hinweggehen. Ich nenne beispielsweise die Situation der Asylbewerber oder der Obdachlosen in Deutschland. Wenn man Menschenrechte anderswo einfordert, dann sollte man zu Hause anfangen und sollte es ernst nehmen, wenn man diesbezüglich Kritik bekommt. Auch wenn in diesem Bericht - das haben Sie zum Teil ausgeführt; sicherlich wird Frau Mascher das nachher noch einmal tun - einige Ungereimtheiten und möglicherweise auch Fehler sind und er sich auf die Politik der alten Regierung bezieht: Der Bericht sagt ganz klar und deutlich, daß mit dem Koalitionsvertrag der neuen Regierung auf diesem Gebiet sicherlich eine Menge an Verbesserungen stattfinden wird. ({0}) - Lassen Sie mich einfach weiterreden, dann reden wir auch über Keil oder nicht Keil. Es wundert mich schon, daß Sie einen solchen Bericht zum Anlaß nehmen, hier zum x-tenmal darauf zu verweisen, was vermeintliche Leiden in Ostdeutschland seien. Wissen Sie, warum mich das wundert? Nicht, weil ich nicht weiß, wie die Situation dort ist - das weiß ich sehr wohl. Ich weiß sehr wohl, daß es dort Benachteiligungen gibt. Ich weiß sehr wohl, daß die Entwicklung noch lange nicht da angekommen ist, wo wir sie uns wünschen. Es wundert mich auch nicht deswegen, weil ich nicht wollte, daß sich die Situation nach und nach angleicht. Ich weiß eben auch, daß eine ganze Reihe von Entwicklungen stattgefunden haben. Ich gehe nicht davon aus, daß Sie all diese Entwicklungen schlecht finden. Ich weiß auch, daß das, was die neue Bundesregierung gerade in bezug auf Ostdeutschland vorhat und zum Teil auch schon eingeleitet hat, deutliche Verbesserungen bringen wird. Deswegen wundere ich mich, daß Sie diesen Bericht zum Anlaß einer Debatte nehmen. Ich denke, daß Sie damit nur eines bezwecken: nämlich die innere Einheit immer weiter zu verhindern; denn nur das würde die Existenzberechtigung der PDS auf Dauer garantieren. Ich muß Ihnen also vorwerfen, weiterhin dafür zu sorgen, daß die innere Einheit nicht zustande kommt. ({1}) Wenn Sie auf den öffentlichen Dienst und auf Lehrerinnen und Lehrer verweisen, muß ich Ihnen ganz klar sagen: Ich bin in diesem System in die Schule gegangen. Ich habe gute und schlechte Lehrer gehabt, wie das sicherlich überall der Fall ist. Aber ich habe auch Lehrer gehabt, die haben mich strammstehen und den Pioniergruß üben lassen. Ich möchte Ihnen ganz klar sagen: Es geht um Lehrer mit politischen Funktionen und mit Vergangenheit in der Staatssicherheit, die davon betroffen sind. Herr Grund hat ja sehr eindrücklich die Zahlenverhältnisse deutlich gemacht. ({2}) - Doch, es geht auch um Lehrer. Das steht in dem Bericht. Das wissen Sie auch. Ich habe überhaupt keine Lust darauf, daß meine Kinder, die mit diesen Lehrern, die in dem System sehr viele Jahre gelehrt haben, zum Teil genug zu tun haben, auch noch mit solch einer Art von Erziehungsmethoden konfrontiert werden. Dazu habe ich keine Lust. Das möchte ich ihnen gern ersparen. ({3}) Jetzt, Frau Böttcher, ganz zum Schluß würde ich Sie gerne noch beim Wort nehmen, weil Sie sozusagen in einer Doppelopposition sind. Sie sind ja in der Opposition zur alten und zur neuen Bundesregierung, wie Sie auch nicht müde werden zu betonen. Ich würde Sie gerne fragen - Sie sagen, natürlich kann man etwas machen, und nennen hier den öffentlichen Beschäftigungssektor -, wie Sie denn da agieren, wo Sie nun tatsächlich gestalten könnten. Ich habe mir einmal angeschaut, wie das Ganze beispielsweise in Sachsen-Anhalt aussieht, wo Sie hinnehmen, daß das Kinderbetreuungsgesetz schmerzhafte Qualitätseinbrüche erlangt, oder auch in MecklenburgVorpommern, wo nichts geschehen ist. Ich zitiere die „Ostsee-Zeitung“ im Zusammenhang mit dem öffentlichen Beschäftigungssektor. Da müssen Sie sich fragen lassen. Wir sind sehr gespannt, wie Sie dafür sorgen, daß die Situation verbessert wird. Ich bin sehr, sehr skeptisch, daß das tatsächlich gelingt, und wundere mich auch deswegen, daß Sie nicht für die innere Einheit sorgen, sondern für die innere Spaltung. Vielen Dank. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Abgeordnete Klaus Haupt, F.D.P.

Klaus Haupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003140, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stellungnahme des VN-Ausschusses ist aus meiner Sicht alles andere als ein seriöses Papier. Ich glaube auch - das möchte ich an einigen Beispielen beweisen -, daß sie sich auf einem sehr billigen Niveau bewegt. ({0}) Der VN-Ausschuß unterstellt der deutschen Politik eine pauschale Diskriminierung. Zum Beispiel wären die Zahl ist heute schon von Herrn Grund genannt worden - nur 12 Prozent der öffentlich Bediensteten im Bereich Wissenschaft und Technologie - einschließlich der Lehrer - in Deutschland weiterbeschäftigt worden. Ich war nach der Wende als stellvertretender Landrat für Bildung verantwortlich. Ich habe die Bildungsstrukturen in meinem Landkreis mitgeschaffen. Nach dieser Aussage wären die Schulen leer gewesen. Das ist schlicht und einfach falsch. ({1}) Ich darf hier ganz deutlich sagen, daß der VNAusschuß geflissentlich auch übersieht, daß sich die Internationale Arbeitsorganisation, IAO, inzwischen sehr positiv gerade über die Rechtsprechung zu dieser Thematik geäußert hat. Der Bericht des VN-Ausschusses behauptet zum Beispiel auch, daß frühere DDRBedienstete ohne angemessene Entschädigung und zufriedenstellende Rentenregelungen auskommen mußten. Nun kann man ja über das Rentenüberleitungsrecht geteilter Meinung sein. Aber eine solch pauschale Abqualifizierung des deutschen Rentenrechts offenbar doch lediglich die Inkompetenz dieses Ausschusses. Der Ausschuß hat noch nicht einmal den Hauch von Ahnung, besonders was die Verhältnisse im Osten Deutschlands betrifft. Eine kühne These zum Beispiel: Streikverbot für deutsche Beamte. Da muß ich sagen: Der Ausschuß kennt den entsprechenden Passus im genannten Pakt selber nicht; denn dort steht ausdrücklich, daß die Einschränkung des Streikrechts für Soldaten, Polizei und öffentliche Bedienstete legitim ist. Weiter suggeriert der Ausschuß, Deutschland treffe nicht die international vorgeschriebenen Maßnahmen gegen Kinderarbeit. Fakt ist doch, daß die Bundesrepublik Deutschland die Kriterien der IAO betreffend Kinderarbeit erfüllt. Die Liste solchen offensichtlichen Unfugs, den leider die PDS jetzt hier nutzen will, könnte man fortsetzen. ({2}) Der VN-Ausschuß war offenbar nicht willens, die von der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung gestellten Informationen zur Kenntnis zu nehmen. Ich sage ganz ehrlich: Solch unseriöse Arbeit wird weder dem Ansehen des Ausschusses noch der VN als Ganzes nützlich sein. ({3}) Nun war für mich ganz interessant, daß der Ausschußbericht auch Positives enthielt, zum Beispiel in Punkt 6: Der Ausschuß glaube, die neue Bundesregierung werde der Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte verstärkt Nachdruck verleihen. ({4}) In Punkt 25 heißt es sogar, schlußfolgernd aus der Regierungserklärung des Kanzlers, daß die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Rechte nun zu neuen Höhen geführt würden; man empfiehlt eine rasche Umsetzung. Nun denke ich: Was wir gestern und heute erlebt haben, war ein Anschauungsunterricht über den Unterschied zwischen Ankündigung und Realität, zwischen Schein und Sein. Gerade diese Maßnahmen sind wirklich nicht geeignet, günstig auf Arbeitsplätze im Osten zu wirken. Ich denke nur an die Ökosteuer, das schamlose Abkassieren der Bürger. Das schwächt durch die zunehmenden Kosten gerade die Wirtschaftskraft im Osten. Im Steuerentlastungsgesetz, das aus unserer Sicht ein Arbeitsplatzvernichtungsgesetz ist, wird der größte Arbeitgeber, der größte Steuerzahler und der größte Ausbilder nicht entlastet, sondern belastet. Das wird im Osten deutlich zu Buche schlagen. Die Entscheidung über die 630Mark-Jobs heute nachmittag wird Schwarzarbeit fördern und Arbeitsplätze vernichten. ({5}) Meine Damen und Herren von der PDS, ein Wort gestatten Sie mir noch. Ich halte das Papier für peinlich, aber Ihr Vorgehen für noch peinlicher. ({6}) Ihre Partei ist nicht an Problemlösungen interessiert, sondern an Stimmungsmache. ({7}) Sie lösen keine Probleme, Sie brauchen Probleme. Da muß ich sagen: Wenn Sie so arbeiten, dann sind Sie wirklich die Verweigerer der deutschen Einheit. Das halte ich für bedauerlich. ({8})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heinrich Fink, PDS-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Heinrich Fink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003116, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es wurde in der bereits hitzigen Debatte von den Vorrednerinnen und Vorrednern betont, daß der Gegenstand unserer Debatte der erste Bericht der Regierung Kohl ist, der seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten dem Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der UNO vorgelegt worden ist. Ich möchte Sie also gleich darauf aufmerksam machen, daß die Zitate, die ich hier bringe, nicht aus einem PDSWahlprogramm stammen, sondern aus einem UNOBericht. Ich meine, daß wir schon Vertrauen zur UNO haben sollten. Ich möchte nicht verschweigen, was von der UNO analysiert wurde. Es wurde ausdrücklich als Analyse angesehen. Unter Punkt A der Einführung wird ausdrücklich betont, daß der Bericht von einer hochrangigen Delegation der neuen Bundesregierung vorgestellt wurde. Der angebotene Dialog wird als offen und vorwärtsweisend gewürdigt. Das nicht von der neuen Bundesregierung erstellte Papier wird auch nicht der neuen Bundesregierung angelastet. Die Regierungserklärung Schröders wird ausdrücklich als Hoffnungszeichen gewürdigt und als Zeichen zukünftiger positiver Veränderungen verstanden. Allerdings wird der Delegation mangelnde Fähigkeit zu aktuellen Auskünften in entscheidenden Fragen zur Last gelegt. Unter Punkt A 5 wird aufgeführt, daß die Antworten auf Fragen zur Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern Genauigkeit und nähere Einzelheiten vermissen ließen. Es fehlen also genaue Kenntnisse darüber, wie viele Angehörige des öffentlichen Dienstes - damit sind auch lehrende Fachkräfte Ostdeutschlands gemeint - wo und weshalb von ihren Posten entfernt worden sind. Kritisiert wird, daß die Delegation ebenfalls keine verbindlichen Auskünfte über die Anzahl der von Armut betroffenen Menschen und über Sozialhilfeempfänger in Deutschland machen konnte. Sie konnte mithin keine Auskunft über die Verteilung von Armut im Verhältnis von Ost und West geben. Ich kann hier feststellen, daß die von der UNO geäußerten Punkte der Kritik an der Regierung Kohl genau mit denen der außerparlamentarischen Bewegung der Erfurter Erklärung von 1997 übereinstimmen, die eine Bewegung für eine neue Regierung und eine neue Politik ist. Unter Punkt 16 merkt der Ausschuß mit Bestürzung an, daß nur 12 Prozent der in Wissenschaft und Technik beschäftigten Angestellten des öffentlichen Dienstes die Lehrer sind also gar nicht mit einbezogen - weiterbeschäftigt worden sind. ({0}) Insgesamt waren von dem in dem Bericht kritisierten Vorgehen mehr als 1 Million Menschen betroffen. Darunter waren zirka 20 Prozent der Lehrer und sogar 50 Prozent der Wissenschaftler an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen. An einzelnen Universitäten belief sich der Anteil der Entlassenen auf sage und schreibe 80 Prozent der Mitarbeiter. Sogar die Internationale Arbeitsorganisation hat sich mit dem Problem der nach der Vereinigung praktizierten Abwicklung von Wissenschaftlern unter dem Aspekt der Diskriminierung befaßt. Ein weiteres Beispiel: Ohne dem ein übergroßes Gewicht beimessen zu wollen, sei hier angemerkt, daß von 2 172 Mitarbeitern des diplomatischen Dienstes ganze vier Personen weiterbeschäftigt wurden. Dann sei noch darauf hingewiesen, daß allein von der Beschneidung der Renten, die auf berechtigten Sonderund Zusatzversorgungen beruhen, mehr als 1 Million Menschen betroffen sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, erinnert werden muß noch einmal an die Schritte, die zu diesem Ergebnis führten. Die Katastrophe begann mit Art. 13 des Einigungsvertrages. Die meisten Arbeitnehmer verloren mit der Abwicklung der Institutionen und der dann folgenden Zwangspause in der „Warteschleife“ ihre Arbeit. Für die anderen folgten sogenannte Bedarfskündigungen. Der Rest wurde im Rahmen fachlicher Evaluierungen herausgefiltert, wobei letztgenannter Prozeß dieses Attribut nur in sehr eingeschränktem Maße verdient. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Einigungsvertrag steht, daß nur abgewickelt werden kann, was nicht wiederaufgebaut ist. Wir haben dagegen geklagt und sogar bis zum Oberverwaltungsgericht gewonnen. Versuche, über Wiederbewerbungen einen Arbeitsplatz zu finden, wurden konterkariert. Dabei wurden spezielle Fragebögen entwickelt, die unter den sonst erreichten Standards des Persönlichkeitsschutzes lagen. Ich erinnere daran, daß der Minister für Wissenschaft und Kultur des Freistaates Sachsen zwei Listen mit insgesamt 884 Namen vorwiegend ostdeutscher Naturwissenschaftler an alle Hochschulen des Landes mit dem Vermerk verschickt hat, daß all diese Wissenschaftler künftig von einer Anstellung an einer sächsischen Hochschule auszuschließen seien. Die Motive für diese Säuberung, die mit einer unglaublichen Diskriminierung ostdeutscher Menschen einherging, sind vielgestaltig.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Abgeordneter Fink, ich muß darauf hinweisen, daß Sie leider der erste Abgeordnete sind, der sich in dieser Aktuellen Stunde nicht an die vorgegebene Redezeit hält.

Prof. Dr. Heinrich Fink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003116, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich bitte um Entschuldigung.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Prof. Dr. Heinrich Fink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003116, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Was ich deutlich machen möchte, ist: Ich hoffe, daß die neue Regierung alles daransetzen wird, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung auch in den neuen Bundesländern dergestalt zu fördern, daß die innere Einheit unseres Landes endlich hergestellt wird. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Auch dies war eine erste Rede im Deutschen Bundestag, zu der ich gratuliere. ({0}) Jetzt gebe ich das Wort der Parlamentarischen Staatssekretärin Ulrike Mascher.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grund hat gefragt: Wie ist dieser Bericht zustande gekommen? Vielleicht kann ich da ein bißchen aufklären. Am 23. und 24. November hat sich der Ausschuß der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit dem dritten Bericht der Bundesrepublik beschäftigt. Der Bericht, über den wir jetzt diskutieren, geht auf diese Ausschußsitzung zurück. An den Beratungen hat auch eine deutsche Delegation teilgenommen: Vertreter des Außen-, des Arbeitsund des Innenministeriums. Ich selber habe ihr nicht angehört, habe mich aber ausführlich erkundigt und kann Ihnen deswegen sagen, daß der Dialog zwischen dem Ausschuß und der deutschen Delegation in einer aufgeschlossenen Atmosphäre verlaufen ist. Die Mitglieder des Ausschusses haben mehrmals begrüßt, daß die deutsche Delegation alle Fragen umfassend, verständlich und auch selbstkritisch beantwortet hat. Die Ausschußmitglieder haben sich positiv zu den angekündigten Maßnahmen der neuen Bundesregierung geäußert, etwa im Bereich der Rentenversicherung, der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder der Ausländerpolitik. ({0}) Aber der schriftliche Bericht gibt diese Atmosphäre leider nur teilweise wieder. Es werden weitere positive Aspekte erwähnt. Dazu gehört auch der Hinweis auf die Regierungserklärung von Gerhard Schröder am 10. November, aus der geschlossen wird, daß sich die Maßnahmen, die er da angekündigt hat, positiv auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Menschen in unserem Land auswirken. Trotzdem verwundert es ein bißchen, daß der Ausschuß in einigen Teilen den Eindruck erweckt, als habe er die vorgetragenen Informationen und die ausführlichen schriftlichen Vorlagen gar nicht oder nur sehr unzulänglich gewürdigt. Es ist das gute Recht dieses Ausschusses, Kritik und Besorgnis auszusprechen. Es gibt aber ein paar Punkte - wegen der Kürze der Zeit möchte ich Ihnen nur drei Beispiele nennen -, bei denen sich die Bundesregierung fragt, was zwischen den mündlichen Beratungen und der Verfassung des Berichtes tatsächlich stattgefunden hat. Der Ausschuß fordert die Bundesregierung zum Beispiel auf, effektive Maßnahmen zur Regulierung der Kinderarbeit in Übereinstimmung mit dem Pakt und den einschlägigen Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation zu ergreifen. ({1}) Das verblüfft ein bißchen, weil die Berichte der Bundesregierung zu dem entsprechenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation in den letzten zehn Jahren niemals beanstandet wurden, und der Ausschuß der Vereinten Nationen tauscht sich mit dem entsprechenden Ausschuß der Internationalen Arbeitsorganisation regelmäßig aus. Es kann nur eines richtig sein: Die Internationale Arbeitsorganisation hat die Bundesrepublik seit zehn Jahren nicht beanstandet. Der UNODr. Heinrich Fink Ausschuß beanstandet dies nun und fordert uns auf, uns hier endlich korrekt zu verhalten. Zwei andere Punkte betreffen die Fragen, um die es in dieser Debatte eigentlich geht, nämlich die Fragen, in welchem Umfang Staatsbedienstete der ehemaligen DDR nach der deutschen Einheit in den öffentlichen Dienst übernommen wurden und welche Leistungen sie nach einem Verlust des Arbeitsplatzes erhalten haben. Die Bundesregierung bedauert es sehr, daß der Ausschuß die Nichtübernahme solcher Beschäftigten nach bestimmten Kriterien als eine Diskriminierung auf Grund ihrer politischen Einstellung wertet. Wir werden deshalb als Bundesregierung dem Ausschuß der Vereinten Nationen unseren Standpunkt nochmals ausführlich darlegen. ({2}) Ärgerlich ist in diesem Zusammenhang die Bemerkung des Ausschusses, die sich in Abs. 16 findet, daß nur 12 Prozent der öffentlichen Bediensteten im Wissenschafts- und Technologiebereich der ehemaligen DDR weiterbeschäftigt worden sind; das wurde hier schon mehrmals angesprochen. Die Quelle hierfür ist offensichtlich eine Mitteilung einer Nichtregierungsorganisation, der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrechten und der Menschenwürde. Leider hat der Ausschuß übersehen, daß sich diese Mitteilung vom Oktober 1998 auf das Jahr 1992 bezieht. Damals waren die Sonderkündigungstatbestände nach dem Einigungsvertrag noch nicht höchstrichterlich entschieden. Außerdem waren Maßnahmen wie zum Beispiel die Schaffung von außeruniversitären Einrichtungen im Sinne des Art. 91 b GG - Herr Hilsberg kennt die ganze Geschichte - noch nicht abgeschlossen. Durch solche Maßnahmen wurden zum Beispiel im April 1993 12 500 Arbeitsplätze geschaffen. In diesem Zusammenhang stellt sich die 12Prozent-Regelung, die hier beanstandet wird, natürlich völlig anders dar. Es kommt immer darauf an, welches Stichjahr man wählt. Ich bedaure sehr, daß sich der Ausschuß der Vereinten Nationen auf eine so weit zurückliegende Zahl bezieht und nicht auf eine aktuelle. Es verwundert in der Tat, wenn die Frage gestellt wird, wie diese Menschen abgesichert worden sind, nachdem sie ihren Arbeitsplatz verloren haben. Wir alle wissen: Alle Bürger der ehemaligen DDR, die im Zuge der deutschen Vereinigung ihren Arbeitsplatz verloren haben oder nicht übernommen wurden, haben Anspruch auf Arbeitslosengeld, auf Altersübergangsgeld und auf Altersrente. Hier den Eindruck zu erwecken, sie seien sozial ins Bodenlose gefallen, ist, so glaube ich, unverantwortlich und entspricht nicht den Tatsachen. ({3}) In dem Bericht wird darauf hingewiesen, daß sich ein Gremium der Internationalen Arbeitsorganisation mit diesem Komplex beschäftigt hat. Leider wird aber nicht erwähnt, daß dieses Gremium der Internationalen Arbeitsorganisation das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 8. Juli 1997, in dem diese Sonderkündigungsmöglichkeiten als verfassungsrechtlich korrekt bezeichnet wurden, begrüßt hat. Hier wird der Eindruck erweckt: Ein Gremium beschäftigt sich damit, vermutlich, weil es nicht korrekt ist. Die Tatsache aber, daß dieses Gremium diese Sonderkündigungstatbestände als verfassungsrechtlich einwandfrei bezeichnet hat, wird in diesem Bericht nicht ausgeführt. Die Bundesregierung muß ihren nächsten Bericht über die Durchführung des Paktes bereits in diesem Jahr vorlegen. Er wird von den beteiligten Bundesministerien und den Ländergremien erstellt und wird sich auch mit der Kritik des Ausschusses, über die wir heute hier diskutieren, ausführlich auseinandersetzen. Wir sind selbstverständlich bereit, auch Anregungen des Ausschusses daraufhin zu überprüfen, wie wir ihnen folgen können. Positiv ist, daß, anders als bei den vorangegangenen Berichten, nun sinnvollerweise eine anerkannte Nichtregierungsorganisation an der Verfassung des Berichts beteiligt wird, nämlich das Deutsche Forum Weltsozialgipfel. Ich hoffe, daß dann solche Ungereimtheiten wie die Bezugnahme auf alte, weit zurückliegende Zahlen und Unterlagen nicht mehr stattfinden, daß wir mit dem nächsten Bericht vielleicht zufriedener sind und unser eigenes Land darin besser wiedererkennen können. Danke. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Abgeordnete Arnold Vaatz, CDU/CSU.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt natürlich in Deutschland wie auch in allen anderen Ländern Etliches, was einem nicht gefallen kann. Das ist ganz klar. ({0}) Dazu gehören die hohe Arbeitslosigkeit, die fortschreitende Kriminalität beispielsweise im Handel mit Frauen aus Ländern, in denen die Verhältnisse wesentlich schlechter sind als bei uns, zum Zwecke der Prostitution, der sexuelle Mißbrauch von Kindern und viele andere Dinge. Deshalb ist es gut, daß es ein UNO-Gremium gibt, das sich mit diesen Mißständen befaßt. Es ist auch gut, daß ein solches UNO-Gremium nicht nur die Berichte der Staaten liest, sondern auch Nichtregierungsorganisationen zu Wort kommen läßt, um das zu überprüfen, was die Staaten berichten. So weit möchte ich bei der Beurteilung der Sinnfälligkeit dieses Berichtes gehen. Wenn aber jemand vom Mond oder vom Mars käme und diesen Bericht läse, dann müßte er den Eindruck haben, Deutschland sei eines der verkommensten Staatsgebilde, die es auf der Welt gibt. ({1}) Der Sündenkatalog ist schon ausführlich angesprochen worden. Eine der Sünden, die dort angemerkt wird, ist die schlechte Lage der Asylbewerber. Spätestens an diesem Punkt muß der von außen Kommende natürlich stutzen; denn das bedeutet doch, daß in die Hölle Deutschland eine ganze Reihe von Menschen aus Ländern fliehen, ({2}) in denen es noch schlechter aussieht. Spätestens hier hätte die UNO merken müssen, daß etwas nicht stimmt. So sieht es auch mit den 12 Prozent noch Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst der DDR aus, und denen, die angeblich aus politischen Gründen nicht weiterbeschäftigt worden sind. ({3}) Ich kann es mir ersparen, zu erklären, was es mit der Seriosität dieser Bemerkung auf sich hat. Vielleicht muß man aber auch einmal deutlich machen: Zu fordern, alle Lehrer sollten in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zusammenfall der DDR weiterbeschäftigt werden, hieße, daß man an einen Lehrer in einer demokratischen Gesellschaft mit Gewaltenteilung dieselben Qualifikationsanforderungen stellt wie an einen Lehrer in einer Diktatur. Das ist aus Gründen der Sorgfaltspflicht gegenüber den Kindern ausgeschlossen. Es ist vorhin bereits gesagt worden, was die Beschäftigung dieser Lehrer ausgemacht hat. Es ist auch etwas zur Dimension der Geschichte gesagt worden. Ich kann dazu nur sagen: Wir schulden unseren jungen Leuten glaubwürdige Vorbilder. Wir schulden ihnen Menschen, die sie anerkennen, wenn sie von ihnen aufs Leben vorbereitet werden. Dazu kann man nicht Personen verwenden, die für die Staatssicherheit andere Menschen an eine Diktatur verraten haben. ({4}) Vorhin hat mit dem Kollegen Fink ein Beispiel für eine solche Kündigung gesprochen. Herr Kollege Fink, ich bin mit dem, was Ihnen an der Humboldt-Universität widerfahren ist, zufrieden. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn meine Kinder studieren, dann werde ich froh sein, wenn es nahezu ausgeschlossen ist, daß sie auf Dozenten treffen, die sich damals in einer solchen Weise zum Diener eines totalitären Regimes gemacht haben. ({5}) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung sollte in der Stellungnahme, die sie bis Juli abzugeben hat, gegenüber der UNO deutlich machen, daß dieses Bild von Deutschland falsch ist, und dazu beitragen, es wieder geradezurücken. Die Gelegenheit hat sie. Ich hoffe, sie hat an Ort und Stelle auch das entsprechende Personal. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Abgeordnete Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich zunächst mit Herrn Fink schimpfen; jetzt muß ich leider aber erst einmal etwas zu Herrn Vaatz sagen. Wir sollten die in dem Bericht enthaltene Passage zum Asylrecht schon sehr ernst nehmen. Es ist in der Tat ein Problem, wenn wir Asylbewerbern und Flüchtlingen dann, wenn wir sie dulden, weil sie noch nicht anerkannt sind, nicht die volle Krankenbehandlung gewähren und bei der Zahnbehandlung Abstriche machen. Wenn wir davon ausgehen, daß wir jedem Bürger und jeder Bürgerin in diesem Land eine bestimmte Grundversorgung gewähren, dann haben auch Flüchtlinge diese verdient. Ich hoffe, daß wir in der Koalition darüber sprechen werden, auch an diesen Mißständen etwas zu ändern; denn das, was im Asylbewerberleistungsgesetz steht, ist eines humanitär orientierten Landes nicht würdig. ({0}) Es ist auch berechtigt, daß wir uns immer wieder fragen, was wir gegen sexuelle Gewalttaten und gegen Frauenhandel machen können. Aber hier muß man sich schon wundern, daß in dem Bericht nicht gesagt wird, daß dieses Problem bei uns kein besonderes ist und es sich auch von der Problemlage in unseren Nachbarländern nicht wesentlich unterscheidet. Aber um diese Fragen ging es der PDS im Grunde gar nicht. Es ging um die Frage, ob sie einen Keil in die deutsche Bevölkerung treiben und die Teilung vertiefen kann und ob sie erklären kann, daß den DDR-Bürgern immer Ungerechtigkeiten widerfahren sind. Ihre Beispiele waren ja auch so vielsagend: der öffentliche Dienst, die DDR-Diplomaten. Sie haben einfach nur referiert, was an falschen Zahlen in dem Bericht von 1992 enthalten ist, ohne einmal zu erwähnen, daß es vielleicht auch gute Gründe dafür gab, bestimmte Leute - ich will gar nicht von allen sprechen, die man entlassen hat - zu entlassen. Gerade viele DDR-Diplomaten, die eine große politische Nähe zum System hatten und zum Teil für das MfS gearbeitet haben, arbeiten heute zu Recht nicht mehr für unsere Republik. ({1}) Ich bekenne auch ganz freimütig: Ich bin froh darüber, daß auch die Mitglieder des ehemaligen Staatsrates der DDR und des ehemaligen Ministerrates der DDR nicht mehr Mitglieder der Bundesregierung oder Repräsentanten unseres Staates sind. ({2}) Auch ist es ganz entscheidend, daß wir zumindest bei denjenigen, die für das MfS berichtet haben, sagen, daß diese im öffentlichen Dienst des Bundes, unserer Länder und unserer Kommunen nichts verloren haben. Die Themen, die die PDS hier in den letzten Wochen aufgegriffen hat, weisen stets dieselbe Grundmelodie auf: zuerst die Frage - das steht leider auch in dem Bericht einer Ihnen nahestehenden Organisation - der Entschädigung der nicht mehr im öffentlichen Dienst arbeitenden Menschen, dann die Forderung von Frau Kenzler nach Amnestie und Entschädigung von Straftätern aus der DDR, die hier rechtmäßig verurteilt wurden. Sie sollten nicht nur Strafnachlaß bekommen - man kann immer darüber reden, ob man irgendwann einmal einen Strich zieht; ich finde es gegenwärtig zu früh, aber darüber darf man diskutieren -, sondern auch eine Entschädigung dafür, daß sie wegen ihrer Straftaten bestraft wurden. Das ist einfach absurd, zeigt aber Ihre Geisteshaltung. Sie sind die DDR-Hoheitsträger-Gewerkschaft, ein DDR-Traditionsverein, und wollen sich mit dem Unrecht der DDR nicht wirklich auseinandersetzen. ({3}) Das gleiche hat sich in der Diskussion um Ihre Einstellung von Herrn Rupp gezeigt. Ich bin gar nicht dagegen, daß man ehemaligen Spionen Strafen nachläßt und versucht, ihnen auf ihrem Weg zurück in den Arbeitsmarkt zu helfen. Aber daß Sie ihn ausgerechnet mit Außen- und Sicherheitsfragen betrauen wollten, ({4}) das war wirklich ein politischer Skandal. Das Beispiel Ihres Bundesvorstandsmitglieds Benjamin, der den Mauerbau gerechtfertigt hat, zeigt: Diese Linie geht durch Ihre Partei hindurch. Sie wollen sich nicht der Vergangenheitsaufarbeitung stellen. Die Bekenntnisse, die Sie im Wahlkampf zum Grundgesetz abgegeben haben, waren und bleiben Lippenbekenntnisse. Auch das ist uns in dieser Aktuellen Stunde durch die Redebeiträge von Ihrer Seite bestätigt worden. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nun möchte der Kollege Manfred Grund seine unterbrochene Rede fortsetzen. - Ich gebe Ihnen das Wort.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, Frau Mascher für ihren vierten Bericht ein paar Anregungen mit auf den Weg zu geben. In dem Ausschußbericht, den wir heute diskutieren, wird auf eine bestehende Kluft zwischen den alten und den neuen Bundesländern hingewiesen, die abzubauen ist. Vielleicht gehen Sie in dem zukünftigen vierten Bericht einmal darauf ein, daß auch zehn Jahre nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit die Lebenserwartung in den neuen Bundesländern immer noch niedriger als in den alten Bundesländern ist! Untersuchen Sie einmal, warum das so ist und ob das nicht etwas mit Umweltvergiftung, mit schwerer körperlicher Arbeit, aber auch mit Rationierung von Medizin in der ehemaligen DDR zu tun hat! Außerdem möchte ich gerne etwas zum Thema „politisches“ Strafrecht sagen. Es ist angeklungen, daß viele, wahrscheinlich politisch motiviert, aus ihren Ämtern und Positionen herausgedrängt worden sind. Ich will Ihnen einmal beispielhaft etwas zu zwei Prozessen vorlesen. Wir können uns dann ja einmal darüber unterhalten, was tatsächlich ein politischer Prozeß gewesen ist. Ich zitiere einmal: Das Urteil erging nach Artikel 6 Abs. II der DDRVerfassung, „Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen“. Verbunden mit dem Urteil waren Sühnemaßnahmen …, die bestimmten, daß der Verurteilte alle Rentenansprüche verloren hat, daß er kein öffentliches Amt, keinen freien Beruf ausüben und keinen Betrieb kontrollieren dürfe, daß er nicht Mitglied einer Partei, kein Lehrer oder Prediger sein dürfe und daß er alle Vorrechte, inklusive des Führerscheins für ein Auto, verloren habe. Das ist einem Mann passiert - einem christlichen Demokraten und Gewerkschafter -, der als Zentrumspolitiker und als Gewerkschafter bei den Nazis eingesessen hat und danach 1953/1954 von der SED wieder eingeknastet worden ist. So viel zu politischen Prozessen. Ich zitiere jetzt aus der „Thüringer Allgemeinen“ über einen Prozeß am Erfurter Landgericht - „Beobachtungen vom Todschlagsprozeß gegen ranghohe DDRGrenzoffiziere“: Als der Zeuge Gisbert Greifzu ({0}) von seinen Verletzungen durch die Splitterminen berichtet, zischt in der zweiten Reihe ein untersetzter Zuhörer mit Halbglatze „Rohrkrepierer“. Greifzu und sein Freund wollten durch eine Rohrleitung kriechen, waren an dieser Stelle jedoch beobachtet worden. Die Umsitzenden finden die Bemerkung „einfach klasse“. Der Mutter eines 20jährigen Minentoten wurde 1984 lediglich mitgeteilt, daß ihr Sohn bei einer Straftat ums Leben kam. „Genau so“, kommentiert ein Mann mit Brille. „Es ging doch allen gut, wir haben doch alles für die Jugend getan! … sind doch selbst schuld.“ So viel zu politischem Strafrecht. Vielleicht ist es interessant, einmal ein paar Zahlen zur Regierungs- und Vereinigungskriminalität zu hören. Insgesamt gab es 22 550 Ermittlungsverfahren. Davon sind 21 776 eingestellt worden; 98 Prozent endeten also mit Einstellung. Es gibt 211 rechtskräftige Verurteilungen - meist mit Freiheitsstrafen auf Bewährung. Gerade 21 Personen müssen ins Gefängnis. ({1}) Wenn man weiß, daß Mielke sogar die Untersuchungshaft noch entschädigend angerechnet worden ist, dann fragt man sich, wie ein solcher Bericht zustande kommt. Volker Beck ({2}) Ich will noch auf eines eingehen, das schon angesprochen worden ist, und zwar Altersabsicherung und Rentenversicherung. Neben der Sozialversicherung der ehemaligen DDR, der der Großteil der Werktätigen unterworfen war, weil er gar keine Chance hatte, sich anderweitig zu versichern, gab es 50 Zusatzversorgungssysteme und vier Sonderversorgungssysteme. Soweit tatsächlich Beiträge in diese Zusatz- und Sonderversorgungssysteme gezahlt worden sind, stehen diesen Beiträgen Leistungen gegenüber. Das führt dazu, daß jemand, der Mitglied in einem Sonder- und Zusatzversorgungssystem gewesen ist, heute im Durchschnitt 300 DM bis 500 DM mehr an Rente erhält als jemand - jetzt Rentner -, der in der ehemaligen DDR normal sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. So viel zu der Diskriminierung, die uns hier vorgehalten wird. ({3}) - Frau Kollegin Mascher, ich würde Ihnen sehr empfehlen, dafür zu sorgen, daß dieses Zerrbild von Deutschland, das übrigens von einer Nichtregierungsorganisation, die der PDS nahesteht, mit gezeichnet worden ist - diese Nichtregierungsorganisation ist offensichtlich auch noch vom Arbeitsamt gesponsert worden, möglichst schnell aus der Welt geräumt wird. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Engelbert Wistuba, SPD-Fraktion.

Engelbert Wistuba (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003266, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meines Beitrages möchte ich mich bei der PDSFraktion für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde recht herzlich bedanken. Die Kolleginnen und Kollegen, die mich kennen, wissen, daß es mir an und für sich nicht leicht fällt, mich bei der PDS für irgend etwas zu bedanken. Aber sie gibt uns heute und hier die Möglichkeit, über die positive Beurteilung des Programms der neuen Bundesregierung durch den Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen zu sprechen. Wenn schon bei der Opposition in diesem Hause zumindest bei der Opposition auf der rechten Seite des Saales - die ersten Schritte der neuen Regierung, zum Beispiel die Verbesserung beim Kündigungsschutz, erwartungsgemäß nicht auf Zustimmung gestoßen sind, so freut es mich doch, daß diese Maßnahmen bis nach New York gedrungen sind und dort positive Resonanz gefunden haben. ({0}) Der Bericht mit der positiven Wertung ist vom 4. Dezember letzten Jahres, also exakt drei Monate alt. Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben seitdem die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen, sondern weitere Reformen im Geiste des Paktes vorangebracht. Als Wirtschaftspolitiker der SPD-Fraktion möchte ich mein Augenmerk insbesondere auf einige wirtschaftspolitische Maßnahmen richten, die für die Realisierung des wichtigsten Zieles, nämlich die Schaffung von Arbeitsplätzen von Bedeutung sind. Ich möchte nur an die gestern von uns verabschiedete Ökosteuer erinnern. Zum 1. April werden die Lohnnebenkosten um 0,8 Prozent sinken; die Preise für Energie, für die endlichen Ressourcen werden moderat steigen. Diese Reform hat endlich die Abkehr von der scheinbar automatischen und selbstverständlichen Regel eingeleitet - zumindest war dies in den letzten 16 Jahren so -, nach der die Arbeit durch den Anstieg der Lohnnebenkosten kontinuierlich teurer wird. Die Kritiker, die die Ökosteuer für nicht weitgehend genug halten, seien daran erinnert, daß es sich bei dem gestern verabschiedeten Paket nur um die erste Stufe handelt. Weitere werden folgen. ({1}) Das Entscheidende ist, daß die Trendwende vollzogen wurde. Die klare Botschaft unserer Politik ist: Bei uns wird die Arbeitskraft nicht teurer, sondern billiger. ({2}) Ein weiteres Beispiel für unsere praktische, umweltfreundliche und zugleich innovationsorientierte Wirtschaftspolitik ist das von uns auf den Weg gebrachte 100 000-Dächer-Programm. Einerseits haben wir mit diesem schnellen Handeln den notwendigen Anreiz für die verbliebenen einheimischen Hersteller von photovoltaischen Zellen geschaffen, hier im Lande zu bleiben. Andererseits werden durch dieses Programm, wenn es ausgeschöpft wird - und die ersten Reaktionen deuten auf eine große Nachfrage hin -, 2,5 Milliarden DM an Investitionen mobilisiert. ({3}) Dies ist ein wertvoller Beitrag zur Sicherung bestehender bzw. Schaffung neuer Arbeitsplätze. Aber auf unserer Agenda stehen noch zahlreiche Projekte. Zu den zentralen Reformprojekten, die wir uns vorgenommen haben, gehört eine umfassende Unternehmenssteuerreform. Ich bin optimistisch, daß es uns gelingt, eine einheitliche Unternehmensbesteuerung im Bereich von 35 Prozent zu erreichen. ({4}) Während Sie von der Opposition jahrelang von der Senkung der Unternehmenssteuer gesprochen haben, nehmen wir sie ernsthaft in Angriff. Wir leisten damit einen weiteren Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen. Freuen würde es mich, wenn diese Reform im Sommer abgeschlossen werden könnte. Auch hier bin ich optimistisch. Verehrte Damen und Herren, der Ausschuß des Wirtschafts- und Sozialrates ist der Ansicht, daß mit dem in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder skizzierten Programm die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte vorangebracht werden. Er empfiehlt daher ausdrücklich, daß - ich zitiere wörtlich - „die neue Politik so bald wie möglich in die Tat umgesetzt wird“. ({5}) Der Ausschuß des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und auch Sie von der Opposition können sicher sein, daß wir dieser Aufforderung weiter nachkommen werden. Danke. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dies war die erste Rede des Kollegen Wistuba. Dazu möchte ich Ihnen im Namen des Hauses gratulieren. ({0}) Der vorgesehene Beitrag der Kollegin Vera Lengsfeld wird zu Protokoll genommen?*) ({1}) Nun gebe ich der Kollegin Silvia Schmidt von der SPD-Fraktion das Wort.

Silvia Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003217, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu ei- nigen Punkten des Berichtes des Wirtschafts- und Sozi- alrates der Vereinten Nationen Stellung nehmen, die mich als ostdeutsche Sozialpolitikerin besonders berührt haben. Ich freue mich darüber, daß der Ausschuß folgende Punkte positiv festgestellt hat: Bildungs- und Trainings- programme, um jungen Menschen im allgemeinen und Frauen im besonderen, vor allem denen in den neuen Ländern, zu helfen, eine Beschäftigung zu finden, die Ausarbeitung eines Aktionsplans, der darauf gerichtet ist, Frauen im Arbeitsprozeß gleiche Möglichkeiten zu sichern, die Reform des Rentensystems, die Wiederein- führung von Maßnahmen des Kündigungsschutzes und auch die Zahlung von Krankengeld. Diese sozial- und arbeitspolitischen Feststellungen des Wirtschafts- und Sozialrates decken sich mit den Forderungen, die wir schon als Opposition erhoben haben und die wir nun umsetzen werden und zum Teil schon umgesetzt haben. Wir bekämpfen mit unserem Sofortprogramm die Ju- gendarbeitslosigkeit. Dieses Programm wird aktiv in den Arbeitsämtern umgesetzt und von den Jugendlichen auch angenommen. Allein im Arbeitsamt meines Wahl- kreises Sangerhausen nehmen bereits 86,5 Prozent der angesprochenen jungen Menschen an diesem Programm teil. Dabei werden sie von Sozialarbeitern in einem Zahlenverhältnis von 1 zu 10 begleitet. Daneben werden Streetworker eingestellt, die sich ganz besonders um die Jugendlichen bemühen, die abseits von der Gesellschaft stehen und zum Teil unter Brücken leben. *) Anlage 11 Von der Arbeitslosigkeit sind besonders Frauen betroffen. 52 Prozent der Arbeitslosen in Sachsen-Anhalt sind Frauen. Wir werden mit dem Aktionsprogramm „Frau und Beruf“ den Frauen im Arbeitsprozeß gleiche Rechte sichern. Dazu gehört ein effektives Gleichstellungsgesetz und eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der aktiven Arbeitsförderung. ({0}) Wir stellen der Bundesanstalt für Arbeit 105,2 Milliarden DM zur Verfügung. Das sind 2,7 Milliarden DM mehr als im letzten Jahr. Damit werden 1999 200 000 Menschen eine Chance bekommen, im zweiten Arbeitsmarkt gefördert zu werden, davon 180 000 Menschen allein in Ostdeutschland. ({1}) Wir korrigieren die gravierenden sozialpolitischen Fehlentscheidungen der alten Regierung. Wir werden eine sozial gerechte Rentenstrukturreform durchführen. Wir haben die Verschlechterung im Kündigungsschutz korrigiert. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gilt wieder ohne Einschränkung. Für alle, auch für Jugendliche, wird Zahnersatz kein Luxus, sondern Sachleistung. - Wir schaffen mit diesen Korrekturen endlich wieder mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Dies wird auch vom Ausschuß gefordert. Darauf will ich näher eingehen. Der Ausschuß sieht die Gefahr, daß die unvollständige Integration von Ost- und Westdeutschland die umfassende Umsetzung des Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte behindert. Die Gefahr ist begründet. Sie bleibt so lange bestehen, bis es zu einer vollständigen Angleichung der Arbeits- und Lebensbedingungen gekommen ist. ({2}) Meine Herren von der Opposition - ich will meine Freude nicht verhehlen, Sie nach 16 Jahren der Regierung Kohl als Oppositionsmitglieder bezeichnen zu können -, ({3}) für die schleppende Integration tragen vorwiegend Sie die Verantwortung. Durch das nicht gehaltene Versprechen von den blühenden Landschaften und den Eindruck, der Aufbau Ost könne aus der Portokasse bezahlt werden, haben Sie natürlich die entsprechende Wählerklientel verloren. ({4}) Ich habe bewußt nicht gesagt, daß Sie die ausschließliche Verantwortung tragen. Ich weiß, daß es weitere Gründe gibt, die das Zusammenwachsen von Ost und West schwierig gestalten, und daß die alte Bundesregierung nicht für alles die Schuld trägt. Wir werden hier alles versuchen, um weiterzukommen. Wir stabilisieren die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern auf hohem Niveau. Das Stop-and-go der vergangenen Jahre hat endlich ein Ende. ({5}) - Vielleicht bei Ihnen. ({6}) Wir stellen rund 146 Milliarden DM an Bundeszuweisungen für den Aufbau Ost bereit. Das sind rund 12 Milliarden DM mehr als im Vorjahr. Die Investitionszuweisungen mit 6,6 Milliarden DM werden verstetigt. Wir haben den Aufbau Ost zur Chefsache gemacht. Staatsminister Schwanitz sitzt direkt beim Bundeskanzler. ({7}) Ich bin optimistisch, daß sich die Bedenken des Ausschusses in diesen Punkten nicht bewahrheiten werden. Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen: Der Aufsetzungsantrag ist Ausdruck typischer PDSKlientelpolitik. Sie versuchen damit, sich zum Anwalt von Pionierleitern, FDJ-Sekretären und von Staatsbürgerkundelehrern zu machen, die Marxismus-Leninismus unterrichtet haben. ({8}) Die Befürchtung, die in Punkt 16 des Berichts des UNO-Ausschusses geäußert wird, in den neuen Ländern seien Lehrer aus politischen Gründen entlassen worden, ist nicht ganz richtig. Es gab IMs und Parteisekretäre. In Sachsen-Anhalt arbeiten 1999 ungefähr 14 000 Lehrer weniger als 1992. Der Abbau ist ausschließlich eine Folge der sinkenden Schülerzahlen und der Strukturveränderungen. Der restliche Abbau geschah nicht durch Kündigungen, sondern durch sozial verträgliche Lösungen. Ich verweise auf den Tarifvertrag von 1997 für Sachsen-Anhalt. In Sachsen-Anhalt geht man davon aus, daß 90 Prozent der jetzt dort tätigen Lehrer auch schon in der DDR unterrichtet haben. Das kann ich nur bestätigen: In unserer Schule arbeiten noch sehr viele Lehrer, die ihr früheres SED-Parteibuch gegen das der PDS eingetauscht haben. Wer also behauptet, Lehrer seien aus politischen Gründen entlassen worden, verkennt die Tatsachen. Ich danke. ({9})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Edelbert Richter von der SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Edelbert Richter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001832, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Punkt 16 des Textes des UN-Ausschusses noch etwas sagen, obwohl schon Verschiedenes dazu gesagt worden ist. Ich möchte an die Adresse der PDS sagen: schlechte Kritik. Es ist mehrfach gesagt worden, daß nur 12 Prozent der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik der ehemaligen DDR weiterbeschäftigt worden seien. Das ist einfach Unsinn. ({0}) - Auch das ist Unsinn. - Am offensichtlichsten ist das bei den Lehrern zu erkennen. Auch das ist hier schon einigermaßen deutlich geworden. Aber das wichtigste ist, daß Sie mit solchen falschen Zahlenangaben Ihr eigenes, an sich berechtigtes Anliegen diskreditieren. ({1}) - Da gibt es einen Schleichweg, über den ich jetzt nichts weiter sagen möchte. Ich möchte auf etwas ganz anderes hinaus: Schon die richtigen Zahlen sind doch schlimm genug. Wir brauchen doch deswegen nicht zu behaupten, daß nur 12 Prozent der ehemaligen DDR-Mitarbeiter weiterbeschäftigt worden seien. Von den Mitarbeitern der ehemaligen Akademieeinrichtungen sind weniger als 50 Prozent weiterbeschäftigt worden - das ist doch schon aussagekräftig genug -, davon viele nur auf der Basis von Zeitverträgen oder Drittmitteleinwerbungen. An den Hochschulen ist das wissenschaftliche Personal im Durchschnitt um etwa 60 Prozent reduziert worden. Das ist doch auch aussagekräftig genug. Die schlimmste mir bekannte Zahl betrifft die Industrieforschung. Hier sind 80 Prozent des Personals verlorengegangen, und zwar nicht - das ist der nächste Punkt - aus unmittelbar politischen, sondern aus ökonomischen Gründen. Damit komme ich zu einem weiteren Einwand gegen den Text des UN-Ausschusses. Es ist auch nicht wahr, daß die Mehrheit der Betroffenen eher aus politischen so steht es dort wörtlich - als aus fachlichen oder wirtschaftlichen Gründen aus Ihren Positionen entlassen wurde. Die Mehrheit ist gerade aus unmittelbar wirtschaftlichen oder finanziellen Gründen entlassen worden, nämlich auf Grund des „losgelassenen“ Marktes. Sofern der Markt damals allerdings von der Politik „losgelassen“ worden ist, waren die Entlassungen indirekt die Folge einer verkehrten Wirtschaftspolitik. Darauf müßte man doch eigentlich hinweisen. ({2}) Sie waren eben nicht die Folge politischer Diskriminierung. Wer die Abwicklung von ideologisch belasteten Instituten oder Personen derart in den Vordergrund rückt, der verstellt gerade den Blick auf die viel schwerwiegenderen Verluste, die aus wirtschaftspolitischen Ursachen eingetreten sind. Mit denen müssen wir uns beschäftigen. Für dieses Ausmaß an Verlusten - an dieser Stelle muß ich mich der heutigen Opposition zuwenden - trägt die alte Bundesregierung die Verantwortung. Für mich persönlich ist das ein ganz wesentliSilvia Schmidt cher Grund gewesen, mich in diesen Fragen zu engagieren. ({3}) Ich darf daran erinnern, daß die damalige SPDOpposition Ihre Wiedervereinigungspolitik - das wird inzwischen manchmal vergessen - von Anfang an und dann immer wieder kritisiert hat, allerdings mit dürftigem Erfolg. Unsere Forderung in bezug auf die Treuhandpolitik - sie steht hier im Hintergrund - hieß zum Beispiel: Sanierung vor Privatisierung. Wäre man dieser Forderung gefolgt, dann wäre ein großer Teil des Forschungspotentials erhalten worden. Schon zu Beginn des Abbaus dieses Potentials - ich habe das noch einmal nachgelesen - hat im Februar 1991 der damalige forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion - fast prophetisch, wie man heute sagen muß - im Titel einer Presseerklärung erklärt: Neue Bundesländer: Todesurteil für die Forschung ist gefällt. Damit man es nicht vergißt, möchte ich noch einmal betonen, daß das im Februar 1991 gesagt worden ist. Ein Zwischenbericht des BMFT zeigte damals nämlich die völlige Konzeptionslosigkeit der Bundesregierung in dieser Frage. Ich erinnere etwas unbescheiden daran, daß ich mich seit 1992 leidenschaftlich für die ostdeutsche Forschung eingesetzt habe. ({4}) Inzwischen stellt sich allerdings die Frage - auch darüber müssen wir reden -, inwieweit die Prozesse von damals nun noch rückgängig gemacht werden können. Das ist die eigentliche Frage. Es nützt uns nichts, wenn wir immer wieder von dem sprechen, was vorher passiert ist. Wir müssen wissen, wie es nun weitergehen soll. Wenn ich an einzelne Schicksale von Wissenschaftlern denke, dann tut es mir selber sehr weh, sagen zu müssen, daß bestimmte Prozesse, die gelaufen sind, nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Dennoch können Sie unserem Haushalt für das Jahr 1999 entnehmen, daß wir uns redlich bemüht haben, einiges wiedergutzumachen. Wir werden das weiterhin tun. Wir haben die Forschungs- und Entwicklungsausgaben für Ostdeutschland beträchtlich gesteigert. Ich hoffe, daß das auch im nächsten Haushalt wieder gelingt. Zur PDS gewandt, möchte ich sagen: Ich finde es schade, daß wir nicht auf die eigentlichen Fragen zu sprechen gekommen sind. Ich habe es versucht, aber die Zeit von fünf Minuten ist zu kurz. Mit dem uns vorliegenden Text konnte man nicht sehr viel weiterkommen. Danke schön. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch - 4. SGB XI-Änderungsgesetz ({0}) - Drucksache 14/407 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Gesundheit ({1}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß gemäߧ 96 GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Dagegen gab es auch keinen Widerspruch. Allerdings haben die Kollegen Regina Schmidt-Zadel, SPD, Eva-Maria Kors, CDU/CSU, Detlef Parr, F.D.P., und Frau Bundesmini- ster Andrea Fischer ihre Reden zu Protokoll gegeben*), so daß in dieser Aussprache lediglich der Kollege Ilja Seifert von der PDS-Fraktion als Redner angemeldet ist. Ich erteile ihm das Wort.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich wohl nicht dafür entschuldi- gen, keine schriftliche Rede vorbereitet zu haben. Ich denke, das Thema ist wichtig genug. Ich hatte mich ei- gentlich auf eine lebhafte Debatte gefreut. Es geht heute immerhin darum, einen Minischritt aus der Sackgasse der Pflegeversicherung gutzuheißen. Ich möchte das ausdrücklich hervorheben, damit wir wenig- stens dahin kommen, daß Tages- und Kurzzeitpflegeein- richtungen in Zukunft zumindest bei der Stufe II und III der Pflegeversicherung genauso wie stationäre Einrich- tungen bezahlt werden. Allerdings wäre schon ein wesentlich größerer Schritt vonnöten. Wir stehen vor dem Beginn einer europawei- ten Sozialunion. Dazu gehört auch, daß die Situation von Menschen mit den verschiedensten Behinderungen, die auf assistierende Begleitung angewiesen sind, we- sentlich verbessert werden muß. Als erster Schritt wäre das Sozialsystem insgesamt zu demokratisieren. Für Deutschland heißt das, daß die Alleinherrschaft der Kas- sen, unterstützt durch den MDK, also den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen, und die Spitzenver- bände der Pflegekassen, zu brechen ist und die Behin- dertenorganisationen und andere Selbsthilfeorganisatio- nen in die Organisation der assistierenden Begleitung einzubeziehen sind. Außerdem geht es darum, schnell den veralteten, aus- schließlich somatisch definierten Pflegebegriff zu strei- chen und durch einen Begriff zu ersetzen, der von be- gleitender Assistenz in jeder Situation ausgeht. Nur dann wird die Menschenwürde gewahrt, wenn man zum Bei- *) Anlage 12 spiel auch im Zustand der Demenz ernst genommen und nicht als reiner „Satt-und-sauber-Pflegefall“ betrachtet wird. ({0}) Ebenso müssen auch Geld- und Sachleistungen endlich gleichgestellt werden. Es kann doch nicht sein, daß jemand, der seine Assistenz selbst organisiert, wesentlich weniger Geld bekommt als jemand, der sich irgendwelchen professionell betriebenen Pflegeeinrichtungen anvertraut, wo die Menschen häufig eher verwaltet als versorgt werden. Deshalb ist die Debatte, die von dieser kleinen Gesetzesänderung ausgeht, sehr wichtig. Ich kann Sie alle nur einladen: Greifen Sie die Vorschläge der Behindertenund Selbsthilfeorganisationen auf! Lassen Sie uns an diese Sache menschenwürdiger herangehen, indem wir die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen! Dann werden alle gemeinsam etwas davon haben, nicht nur die, die unmittelbar betroffen sind, sondern auch die, die die Arbeit leisten. Insgesamt wird die Gesellschaft dadurch reicher. Ich bin gerne bereit, die Diskussion fortzuführen. Wir werden unsere Vorschläge demnächst in kompakter Form einbringen. Ich denke, daß wir dann alle zusammen etwas erreichen können, was für Menschen mit und ohne Behinderung von Vorteil ist. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche mir, daß wir eine grundsätzliche Diskussion führen werden. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 14/407 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Haushaltsausschuß soll den Gesetzentwurf gemäß § 96 der Geschäftsordnung erhalten. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 - den letzten für heute - auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Kersten Naumann, Eva-Maria Bulling-Schröter, Rolf Kutzmutz und der Fraktion der PDS Verlängerung der Pachtverträge für ehemals volkseigene Flächen - Drucksache 14/291 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) Rechtsausschuß Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion der PDS fünf Minuten erhält. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Kersten Naumann, PDS.

Kersten Naumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003197, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Kabinettsausschuß „Neue Länder“ hat in der gemeinsamen Sitzung mit dem Landeskabinett von Mecklenburg-Vorpommern am 17. Februar in Schwerin den Beschluß gefaßt - ich zitiere -: Inhaber von landwirtschaftlichen Betrieben können ab sofort bei der BVVG eine Verlängerung der Pachtverträge auf 18 Jahre beantragen. ({0}) Diese Entscheidung stützt sich auf die gültige Treuhandrichtlinie von 1993, in der es hinsichtlich der Pachtdauer heißt: Sie beträgt bis zu 12 Jahre und kann verlängert werden. Die PDS stimmt den SPD-Agrarministern von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zu, die davon sprechen, daß dies ein wichtiges Signal für die Planungssicherheit der Landwirte ist, und damit die im PDS-Antrag gegebene Begründung unterstützen. Wir freuen uns darüber, daß die Regierungskoalition in diesem Falle bei ihrer politischen Linie aus der Zeit vor den Bundestagswahlen geblieben ist. ({1}) Denn es macht gerade im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Agenda 2000 sehr wohl etwas für den Bauern, der handeln und investieren will, aus, ob er planungstechnisch über zwölf oder 18 Jahre Sicherheit verfügt. Wir sehen in dieser Entscheidung einen Hoffnungsschimmer, um zu einer Lösung bei einem der kompliziertesten Probleme der deutschen Einheit, der Bodenfrage, zu kommen. Wir vermuten sogar, daß der zu beratende PDS-Antrag diese Entscheidung beschleunigt hat. Die Bundesregierung hat jetzt grünes Licht gegeben. Das ist die Voraussetzung für eine Vorwärtsbewegung. Nun muß aber zügig durchgestartet werden. Für den Start wird jedoch die notwendige Arbeitsanweisung an die BVVG, die noch immer nicht vorliegt, von entscheidender Bedeutung sein. Denn woher können wir gewiß sein, daß an der nächsten Kreuzung nicht wieder nach rechts abgebogen wird? Diese Gefahr ist sehr groß. Unsere Sorge wird dabei durch Meldungen genährt wie „Es wird keinen Automatismus geben“ und „Über weitere Kriterien wird derzeit nachgedacht“. Natürlich ist es eine Selbstverständlichkeit, daß eine Verlängerung der Pacht die Erfüllung der bisherigen Pachtbedingungen und vor allem die ordnungsgemäßen Pachtzahlungen voraussetzt. Wenn daran gedacht ist, zum Beispiel weitere Regelungen über die umweltgerechte Bodennutzung aufzunehmen, dann findet das die Zustimmung der PDS. Wenn allerdings Klauseln beabsichtigt sind, durch die auf die bisherigen Pächter politischer Druck ausgeübt werden soll, dann muß mit unserem energischen Widerstand gerechnet werden. ({2}) Die PDS fordert deshalb in Umsetzung ihres Antrages, daß die „Arbeitsanweisung für die BVVG“ zum Gegenstand der Beratung im Ernährungsausschuß gemacht wird. Wir mußten in der Vergangenheit oft die Erfahrung machen, daß die Beschlüsse des Bundestages auf dem Verwaltungswege mißachtet werden. Ich erinnere hier nur an den Streit um die Privatisierung von Naturschutzflächen. Die öffentliche parlamentarische Behandlung der Pachtregelungen erscheint uns aus einem speziellen Grund besonders dringlich. Nach Auffassung von Albrecht Wendenburg, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen, verstößt die Pachtvertragsverlängerung gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Zugleich fordert er jedoch, daß eine Pachtverlängerung ausschließlich das Ergebnis eines Kompromisses mit den früheren Eigentümern sein kann. Aber die Bodenreform ist historisch anerkannt und verbrieftes Recht. Daran müssen wir, auch wenn es den Alteigentümern nicht paßt, leider immer wieder erinnern. ({3}) Sie ist Bestandteil eines Einigungsvertrages zweier deutscher Staaten. Sowohl die alte als auch die neue Bundesregierung haben das Bodenreformproblem in Brüssel nicht im Sinne des Einigungsvertrages gelöst. Beide Bundesregierungen gingen und gehen den Weg des geringsten Widerstandes und lehnten bzw. lehnen eine Behandlung im Ministerrat ab, obwohl klar ist, daß der Umgang mit der Bodenreform eine Angelegenheit der deutschen Wiedervereinigung ist. Das Thema der Pachtverlängerung ist nicht von dem weiteren Umgang mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz zu trennen. Was man dazu von der Bundesregierung hört, erfüllt uns mit großer Sorge. Diese Sorge wird durch die wieder zunehmenden Aktivitäten der Alteigentümer, nicht nur bezüglich der Pachtverträge, verstärkt. Meine Herren von der CDU/CSU, selbst Ihr sächsischer Landwirtschaftsminister fordert inzwischen die Bundesregierung auf, gegen die Entscheidung der Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Wir geben dem SPD-Landwirtschaftsminister Fritsch aus Brandenburg vorbehaltlos recht, der kurzfristige Lösungen einfordert. Wir teilen seinen Standpunkt, „qualifiziert, tragfähig und im Interesse der ostdeutschen Bodennutzer“ zu handeln. Ich hoffe, ich konnte Ihnen deutlich machen, daß es über alle Parteigrenzen hinweg Zustimmung zu unserem Antrag und der inzwischen getroffenen Entscheidung des Kabinettsausschusses „Neue Länder“ gibt. Mit Bedauern möchte ich äußern: Eigentlich wäre es notwendig, heute sofort über diesen Antrag abzustimmen. Doch angesichts der nur wenigen Abgeordneten, die hier sitzen, wäre das sicher unfair denjenigen gegenüber, die nicht da sind, weil doch jeder von uns sagen können soll: Ja, auch ich habe im Interesse der Bäuerinnen und Bauern einer Verlängerung der Pachtverträge auf 18 Jahre zugestimmt. Danke schön. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Karsten Schönfeld, SPD-Fraktion.

Karsten Schönfeld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003229, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Naumann, Sie haben zu Recht auf die Entscheidung des Kabinettsausschusses vom 17. Februar in Schwerin hingewiesen, daß die langfristigen Pachtverträge für ehemals volkseigene Flächen auf 18 Jahre verlängert werden sollen. Sie haben ebenso zu Recht darauf hingewiesen, daß wir damit eine Forderung aus der Zeit vor der Bundestagswahl in die Tat umgesetzt haben. So sind wir von der SPD nun einmal: Das, was wir versprechen, lösen wir dann, wenn wir dazu in die Lage versetzt werden, auch ein. ({0}) In einem Punkt, Frau Naumann, haben Sie allerdings nicht recht: Ich kann Ihnen sagen, daß gestern vom Bundesfinanzministerium die entsprechende Anweisung an die BVVG gegeben wurde, ({1}) so daß die Behandlung des jetzigen Tagesordnungspunktes zwar wichtig ist, wir dazu aber keinen Beschluß mehr fassen müssen. ({2}) Die Bundesregierung hat sehr schnell auf die von der Europäischen Kommission geforderte Korrektur des Flächenerwerbsprogrammes für die ostdeutsche Landwirtschaft reagiert. Der früheren Bundesregierung war es nicht gelungen, der Europäischen Kommission in Brüssel Sinn und Zweck des Flächenerwerbsprogrammes klarzumachen. Wir hatten bereits 1997 Bundeskanzler Kohl aufgefordert, wegen des zunehmenden Widerstands der EU-Kommission gegen Teile des Flächenerwerbsprogrammes tätig zu werden. Die SPD ist immer dafür eingetreten, den landwirtschaftlichen Betrieben in Ostdeutschland die notwendige Sicherheit für anstehende Investitionsentscheidungen zu geben. ({3}) Die SPD-Bundestagsfraktion hat deshalb in der letzten Legislaturperiode den Antrag gestellt, langfristige Pachtverträge für ehemalige volkseigene Flächen auf 18 Jahre zu verlängern. Wir haben dies, wie schon gesagt, in die Tat umgesetzt. ({4}) Es ging ja immerhin um eine Nutzfläche von fast 1 Million Hektar. Betroffen sind vor allem die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und SachsenAnhalt. Betroffen sind Wiedereinrichter, Neueinrichter und - mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent an den langfristigen Verpachtungen - juristische Personen. Ich denke, wir haben mit der Verlängerung der Pachtverträge eine gute Entscheidung getroffen. Den Betrieben - egal, welcher Eigentumsform - ist damit eine entsprechende Planungssicherheit ermöglicht worden. Das trägt dazu bei, daß hier für die ostdeutschen landwirtschaftlichen Betriebe eine entsprechende Chancengleichheit gegeben ist. Dies ist ebenso ein geeignetes Mittel, die Bedenken der EU-Kommission gegen den vergünstigten Flächenerwerb auszuräumen. Wichtig ist es jetzt, eine schnelle Anpassung des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes vorzunehmen, um endgültig auf die Beanstandungen aus Brüssel zu reagieren. Im Unterschied zur abgewählten Kohl-Regierung wird die SPD-geführte Bundesregierung alles tun, um auch weiterhin den Landwirten in Ostdeutschland den Flächenerwerb zu ermäßigten Preisen zu ermöglichen. ({5}) Ich stelle abschließend fest: Die ostdeutsche Landwirtschaft kann sich auf die SPD und auf die neue Bundesregierung verlassen. Vielen Dank. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich bitte um Verständnis, daß ich Ihre Zwischenfrage nicht zulassen kann. Der Redner hat bereits das Rednerpult verlassen. Das Wort hat jetzt der Kollege Gottfried Haschke, CDU/CSU.

Gottfried Haschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000818, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Langfristige Pachtverträge für Grund und Boden wünscht sich jeder Bauer und jeder landwirtschaftliche Unternehmer, um die notwendige Planungssicherheit für seinen Betrieb zu haben. 80 Prozent langfristige Pachtverträge fordert jede Bank in den neuen Ländern im Rahmen der Vergabe von Krediten für Investitionen in der Landwirtschaft. Die Banken sind in der Regel mit Pachtverträgen für 12 Jahre zufrieden. Die Pachtflächen der Landwirtschaftsbetriebe bei uns in den neuen Ländern setzen sich natürlich unterschiedlich zusammen. Alle Betriebe bewirtschaften Privatflächen. Nicht alle Betriebe hatten aber bisher Zugriff auf Treuhandflächen, jetzt BVVG-Flächen genannt. ({0}) Es gibt nicht in jedem Dorf Treuhandflächen. Das ist und bleibt ein Kritikpunkt der Bauern im Osten. Ich spreche nicht nur für private Bauern. Auch juristische Betriebe dürfen, wenn nötig, zusätzliche Flächen günstig erwerben. Sie haben in ihrem Einzugsgebiet aber keine und sind deshalb benachteiligt. Die Bauern klagen an dieser Stelle über Chancenungleichheit. Die Umstrukturierung der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern ist noch nicht ganz abgeschlossen, obwohl dies verschiedentlich behauptet wird. ({1}) Ein Beispiel: Ein Junglandwirt, der seine Ausbildung abgeschlossen und von seinem Großvater vielleicht 10, 20 oder 30 Hektar geerbt hat, hat zu wenig für den Beginn. Wie soll er also beginnen, wenn er nicht von irgendwoher weitere Flächen zupachten kann? Das Pachtgeschehen ist in der Vergangenheit nicht immer seriös gelaufen. Es ist ganz klar: Wer den Zugriff hatte und Bescheid wußte, hat die Zeit genutzt und hat daher jetzt Vorteile gegenüber dem, der zusätzliche Flächen erwerben muß - zum Beispiel wenn er neu beginnt - oder in einem Ort wohnt, in dem es keine Treuhandflächen gibt; dort muß dieser nämlich ganz andere Preise bezahlen. Es gibt im ganzen Pachtgeschehen der Vergangenheit natürlich - auch das müssen wir an dieser Stelle, wenn wir über Pachtverträge reden, erwähnen - Dinge, die unseriös und sittenwidrig gelaufen sind. ({2}) Zum Beispiel sind Pachtverträge mit einer Laufzeit von 25 Jahren mit unkundigen Personen, denen man dann Versprechungen gemacht hat - manchmal zwischen Tür und Angel -, abgeschlossen worden. Ich will nicht sagen, daß diejenigen, die die Verträge angeboten haben, nur Leute waren, die aus den neuen Bundesländern kamen. Vielmehr kamen sie von überall her. Das ärgert natürlich unsere Bauern in den neuen Bundesländern. Deshalb möchte ich an dieser Stelle sagen: Es wäre durchaus richtig, sich das gesamte Pachtgeschehen noch einmal anzuschauen und dort, wo es notwendig ist, noch etwas zu korrigieren; denn sonst ist die Situation für Neuanfänger untragbar, und es wäre für manch einen unmöglich, in der Zukunft zu bestehen. Wir wissen auch, daß es für unseriöse Leute viele Tricks gibt, um mit allen möglichen Mitteln jetzt bestehende Pachtverträge an sich zu ziehen. Ich glaube, hier muß in erster Linie die BVVG aufpassen, daß das Pachtland nicht den Leuten verlorengeht, die es am notwendigsten brauchen und die der Verlust am meisten treffen würde, also den Bürgern aus den neuen Bundesländern. Wir sind durchaus dafür, die Existenzsicherung zu gewähren und den Betrieben bei Investitionen auf alle Fälle die Pachtverträge zu verlängern. ({3}) Aber ich muß dazusagen: Dies darf nicht flächendekkend und hundertprozentig geschehen. Man muß sich im Einzelfall anschauen, ob es sich bei einem Betrieb lohnt oder nicht. Man muß natürlich auch solche Betriebe berücksichtigen, die dringend aufgestockt werden müssen; dabei müssen in erster Linie Neuanfänger bedacht werden. Man muß verhindern, daß die Treuhandflächen in unseriöse Hände gelangen. Wir haben natürlich jetzt schon durch das Bürgerliche Gesetzbuch die Möglichkeit, die Existenz zu sichern. Aber ich muß ganz offen sagen: Unsere Bauern sind natürlich noch sehr unkundig darin, sich das zu erstreiten. Man kann ihnen die Flächen nicht so ohne weiteres wegnehmen, wenn dann die Existenz des Betriebes nicht mehr gewährleistet wäre. Wir haben aber schon eine Möglichkeit: Nach dem „Bohl-Papier“ sind ehemals volkseigene Flächen im Regelfall zwölf Jahre zu verpachten. Es ist festgeschrieben, daß die Pächter das Recht auf eine Verlängerung der Verträge haben, zum Beispiel bei Investitionen. Eine neue gesetzliche Regelung ist da praktisch nicht erforderlich. Darüber hinaus ist im EALG auch festgelegt, daß Pächter Rückgabeflächen, die für Alteigentümer in Frage kommen, 18 Jahre nutzen dürfen. Des weiteren hat der Einspruch der Europäischen Union gegen das EALG nichts mit der Verpachtung zu tun. Vielmehr wird der ermäßigte Verkaufspreis der Flächen beanstandet, und die Begünstigungen werden als Wettbewerbsverzerrungen angesehen. Schließlich wird, wie wir es hier gehört haben, die langfristige Verpachtung auch von der neuen Regierung unterstützt. Die CDU/CSU ist für längerfristige Verpachtung, aber sie ist gegen die Verpachtung aller Flächen über einen Zeitraum von 18 Jahren hinaus. Ich glaube, Ökosteuergesetz, Steuerreform, Agenda 2000 gefährden unmittelbar die Existenz vieler Landwirtschaftsbetriebe. ({4}) Ich finde es unverantwortlich: Noch nie hat eine Regierung so rücksichtslos gegen die Bauern in Deutschland entschieden wie in diesen Tagen. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort der Kollegin Steffi Lemke, Bündnis 90/Die Grünen.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Naumann, ich verstehe ja, daß bestimmte Klischees sorgfältig gepflegt werden müssen, so beispielsweise das der PDS als Retter der ostdeutschen Landwirtschaft. Bloß, Sie müssen aufpassen: Wenn manche Prozesse überholt sind, sollte man irgendwann auch einmal ein Einsehen haben und beispielsweise diesen Antrag, der inzwischen schlicht und einfach überholt ist, vielleicht für erledigt erklären. ({0}) Die Aspekte, die Sie in Ihrem Antrag ansprechen, sind ja nicht neu. Wir diskutieren hier im Bundestag und auch in der Öffentlichkeit - mindestens in Ostdeutschland - seit mehreren Jahren über einen Interessenausgleich im ländlichen Raum der neuen Bundesländer. Ich denke, daß wir uns in den nächsten Monaten vor allem unter diesem Aspekt mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz beschäftigen werden. Dazu eine Aktuelle Stunde zu beantragen, das haben Sie leider verpaßt, so daß ich denke, daß wir uns heute auf Ihren Antrag beschränken sollten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Lemke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Naumann?

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber bitte.

Kersten Naumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003197, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Lemke, erstens ist das keine Aktuelle Stunde, und zweitens habe ich folgende Bitte: Sind Sie von den Regierungsparteien bereit, uns diese Anweisung kurzfristig zur Verfügung zu stellen? Wie ich von Herrn Schönfeld hörte, ist sie gestern verabschiedet worden. Sollte sie den Anforderungen entsprechen, die wir in unserem Antrag formuliert haben, dann sind wir auch bereit, diesen Antrag zurückzuziehen. ({0})

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe nicht gesagt, daß wir uns momentan in einer Aktuellen Stunde befinden. Ich habe Sie darauf hingewiesen, daß Sie es leider verpaßt haben, zum EALG eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Aber damit habe ich kein Problem. Ich gehe davon aus, daß das Finanzministerium Ihnen diese Arbeitsanweisung zur Verfügung stellen wird. ({0}) - Sie können sie auch auf kurzem Wege von Kollege zu Kollegin bekommen. Dann können wir den Antrag heute abend noch für erledigt erklären, und ich bekomme meinen Zug noch. Aber Herr Heinrich möchte wahrscheinlich auch noch das Wort ergreifen. Zurück zur Lage, die ernst ist. Ich denke, wir haben schon dadurch eine schwierige Situation für die ostdeutsche Landwirtschaft, daß die EU-Kommission das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz in Frage gestellt hat. Gerade deshalb war im Bereich der Flächenverpachtung dringender Handlungsbedarf gegeben. Gottfried Haschke ({1}) Deshalb, Herr Haschke, haben wir uns nicht auf den Weg einer Gesetzesänderung gemacht. Das ist in der Tat nicht nötig, wie Sie angemerkt haben. Vielmehr haben wir gesagt: Wir regeln das auf dem unbürokratischen, einfachen Weg einer Arbeitsanweisung. Das reicht momentan völlig aus, da die gesetzlichen Grundlagen vorhanden sind, aber bei der BVVG bisher eine etwas andere Praxis üblich war. Hier wollten wir durch die Arbeitsanweisung unterstützend eingreifen. Es ist uns ein sehr wichtiges Ziel - wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben -, den ostdeutschen Landwirtschaftsbetrieben Planungssicherheit zu geben. ({2}) Herr Haschke, es ist nicht richtig, daß das EALG und die Verpachtung der Flächen nichts miteinander zu tun hätten. Sie haben sehrwohl etwas miteinander zu tun, weil durch die EALG-Entscheidung Verunsicherung entstanden ist. Wir stehen jetzt vor einer Novellierung; das heißt, diese Rechtsunsicherheit wird noch eine Weile anhalten, ehe wir zu einer vernünftigen Lösung kommen. Deshalb wollten wir wenigstens in diesem Punkt ein Signal an die Öffentlichkeit, ein Signal an die Betriebe, die momentan im Osten wirtschaften, geben: daß wir sie unterstützen, daß sie sich auf die rotgrüne Bundesregierung verlassen können. Frau Naumann, Sie haben gesagt, die Bundesregierung hätte den Weg der Klage beschreiten sollen. Ich halte das für den völlig falschen Weg. Wir hätten uns in langwierige Rechtsstreitigkeiten mit der EUKommission begeben. Weil wir befürchten müssen, daß es letztendlich doch darauf hinausgelaufen wäre, ist es vernünftig, im Einvernehmen zu einer Lösung zu kommen, die für alle Betriebe verträglich ist, und einen Ausgleich zwischen den Interessengruppen herbeizuführen. Ein entsprechender Vorschlag wird momentan in den Ministerien erarbeitet. Ich bin zuversichtlich, daß wir zu einer vernünftigen Lösung kommen werden. ({3}) Zu den Pachtverträgen. Der Kollege Schönfeld hat die Kernpunkte der Arbeitsanweisung schon dargestellt. Sie sind der Öffentlichkeit seit der Konferenz in Schwerin im wesentlichen bekannt. Ich denke, wir haben hier eine sehr praktikable Lösung gefunden, indem man die Bedenken, die auch von der CDU vorgetragen worden sind, durchaus ernstgenommen hat. Es gibt keinen Automatismus in der Pachtverlängerung. Es wird geprüft, ob der Pächter im Vorfeld korrekt gehandelt hat, das heißt, ob er seiner Zahlungsverpflichtung nachgekommen ist. Er muß einen Antrag stellen; es gibt keine automatische Verlängerung der Pachtverträge. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, daß wir die Situation in Ostdeutschland, wo die Betriebe nur 8 Prozent Eigenflächen haben, ernst nehmen. Die Pachtsicherheit für die Betriebe, an die eine gewisse Kreditwürdigkeit gebunden ist, wird verdeutlicht. ({4}) Die neue Regelung der Bundesregierung festigt die Rechtsposition der jetzigen Pächter. Es wird jetzt bereits vor dem Verkauf der Flächen die Verlängerung möglich gemacht, die auch bisher schon möglich gewesen wäre. Wir wollten die Praxis beschleunigen. Das wird jetzt umgesetzt. Wenn uns die PDS in dieser Arbeit unterstützt, indem sie den Antrag zurückzieht, und wenn wir dann im Agrarausschuß für andere, wichtige Diskussionen mehr Zeit haben und auch hier im Plenum die wirklich aktuellen Debatten der Landwirtschaft führen können, dann freuen wir uns natürlich besonders. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Ulrich Heinrich, F.D.P.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine sehr delikate Diskussion, die hier geführt wird; denn es geht nach meinem Dafürhalten auch sehr stark um Eigentum. Es geht um das EALG, wo wir einen Verkaufsstopp haben, und es geht um die Entscheidung der Europäischen Kommission. Die Bundesregierung hat nach dem, was ich heute von Ihnen gehört habe, wohl nicht die Absicht, dagegen Klage zu erheben, weil das aller Voraussicht nach aussichtslos wäre. Ich teile diese Meinung übrigens. Trotz allem hat natürlich der Verkaufsstopp etwas mit dem zu tun, was wir heute diskutieren. Ich wundere mich besonders stark darüber, daß man - wie wir gerade von der Kollegin Lemke gehört haben - mit der langfristigen Verpachtung möglichst noch vor dem Verkauf Fakten schaffen will. Wer es mit dem EALG wirklich ernst meint, wer Wiedereinrichter, Neueinrichter zum Zuge kommen lassen will, der darf natürlich nicht durch langfristige Pachtverträge Fakten schaffen, so daß solche Flächenerwerbsprogramme mehr oder weniger ins Leere laufen. ({0}) Pacht kommt vor Kauf. Langfristige Pachtverträge sind zu berücksichtigen. Ich möchte den Landwirt sehen, der jetzt in ein Flächenerwerbsprogramm einsteigt. Bisher ist ja nur sehr wenig verkauft worden. Der Verkauf war sehr schleppend. Der Stopp gilt seit Dezember, seit der Entscheidung der Kommission. Seitdem ist überhaupt kein Verkauf mehr getätigt worden. Wer jetzt versucht, mit der langfristigen Verpachtung Fakten zu schaffen, der hält sehr wenig von Privatisierung. ({1}) Ich habe allergrößtes Interesse daran, daß die Privatisierung dieses BVVG-Landes ordentlich und in aller Ruhe stattfinden kann. Deshalb meine ich, daß die Bundesregierung jetzt einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen sollte, der die Bedenken der Kommission ausräumt. Die Beihilfehöhe darf nicht über 35 Prozent hinaus angehoben werden; so sieht die Kommission es vor. Vor allen Dingen muß auch die Stichtagsregel vom 3. Oktober 1990 außer Kraft gesetzt werden. Das ist eine klare Vorgabe. Dementsprechend erwarte ich von der Bundesregierung, daß sie einen Gesetzentwurf vorlegt. Ich unterstütze ihn. Ich plädiere auch für eine sehr zügige Beratung. Wir wollen, daß das Flächenerwerbsprogramm sehr schnell umgesetzt werden kann, damit die Möglichkeiten, Eigentum zu erwerben, geschaffen werden können, die man mit dem Gesetzentwurf ursprünglich im Auge hatte. Ich bin nicht bereit, einer Verlängerung zuzustimmen. Offensichtlich kann eine solche auf dem Verwaltungswege erreicht werden. Da haben wir dann keine Mitwirkungsrechte mehr. Wenn das so ist, dann müssen wir das hinnehmen. Die Mehrheiten im Hause sind ohnehin klar. Das muß ich nach den eben gehaltenen Reden erneut zur Kenntnis nehmen. An die Antragsteller der PDS gerichtet: Wir brauchen keine neue Diskussion. Wir müssen über die neue Eigentumsregelung nicht noch einmal nachdenken. Sie ist im EALG geregelt. Darüber brauchen wir nicht neu nachzudenken. Wir brauchen auch nicht über neue Mitwirkungsrechte der Bundesländer nachzudenken. Diese Mitwirkungsrechte der Bundesländer, die über den Bundesrat eine Veränderung des ursprünglichen Gesetzentwurfs bewirkt haben, haben zu der Entscheidung der Europäischen Kommission geführt. Das muß man sich vergegenwärtigen. Insofern halte ich das, was hier vorgesehen wird, für eigentumsfeindlich. Mir wäre es lieber, wir könnten das Flächenerwerbsprogramm fortsetzen und die notwendigen Verpachtungen vornehmen, und zwar so, wie wir das ursprünglich vorgesehen hatten. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort für die Bundesregierung hat der Staatsminister im Kanzleramt, Rolf Schwanitz.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst will ich mich bei dem Antragsteller bedanken, unabhängig davon, ob das Haus entscheidet, daß der Antrag vielleicht als erledigt anzusehen ist. Es ist aus der Sicht der Bundesregierung schon ein außergewöhnliches und ein erfreuliches Ereignis, wenn die Regierung, bevor die Opposition ihre Wünsche formuliert und das Parlament beschließt, den Vollzug melden kann. ({0}) Das ist schon ordentlich. Es ist selten; das gebe ich zu. Ich will das aber erwähnen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Claus?

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Bitte schön.

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß dieser Antrag schon einmal vor drei Wochen auf der vorläufigen Tagesordnung des Bundestages stand und dessen Behandlung nur an einem Fristproblem gescheitert ist? Das ist damals übrigens erstmals an einem Fristproblem gescheitert. Wir verzichten ansonsten darauf, diese Dinge vorzuhalten. Ist es richtig, daß er drei Wochen, bevor Sie nach Schwerin gekommen sind, schon auf der Tagesordnung stand? Oder ist das falsch?

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Herr Kollege, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Sie können sicher sein, daß die Verlängerung der Pachtverträge, so wie die Bundesregierung das beschlossen und angewiesen hat, kein Prozeß ist, den man in zwei Tagen entscheidet. Sie können sicher sein, daß wir an diesem Thema schon längere Zeit arbeiten. ({0}) In der Tat ist die Verlängerung der Pachtverträge eine Forderung, die uns nicht erst seit drei oder vier Wochen bewegt; ({1}) die Antragsteller haben das in ihrem Antrag erwähnt. Die Sozialdemokraten haben in der letzten Legislaturperiode diesen Vorschlag vor dem Hintergrund des Prüfverfahrens, das es in der EU gab, und der daraus folgenden Verunsicherungen im ländlichen Raum in Ostdeutschland gemacht. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, daß von der damaligen Koalition, der heutigen Opposition, Stimmen kamen wie „völlig unnötig“, „nicht realisierbar“ oder „nicht angebracht“. ({2}) Wenn Herr Haschke heute hier formuliert hat, die Pachtverträge sollen verlängert werden, dann freue ich mich darüber. Das zeigt mir, daß bei der neuen Opposition ein Stück Bewegung in das Thema gekommen ist. Mich freut das sehr. In der Tat: Die Blockade ist vom Tisch, wir haben das entschieden. Ich glaube, das tut der Sache auch gut. ({3}) Meine Damen und Herren, es gibt in der Tat neuen Handlungsdruck - das ist von verschiedenen Rednern erwähnt worden -: Die Europäische Kommission hat am 20. Januar entschieden, daß das Flächenerwerbsprogramm nach dem EALG beanstandet wird, und zwar im wesentlichen aus zwei Gründen. Zum einen wurde die Regelung zur sogenannten Ortsansässigkeit - der 3. Oktober 1990 war der Stichtag - als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot angesehen; zum zweiten wurde der Umfang der Vergünstigungen, den es beim Flächenerwerb in der alten Konstellation gab, vor dem Hintergrund der zulässigen Beihilfehöhe beanstandet. Deswegen sage ich ausdrücklich: Die Verlängerung der Pachtverträge ist wichtig, sie ist das richtige Signal. Denn selbstverständlich hat diese Entscheidung Verunsicherung bei den ostdeutschen Bauern verursacht. Wir wollen diese Verunsicherung beseitigen und brauchen deswegen eine klare Entscheidung mit unmittelbarem Bezug auf diese Beanstandung. ({4}) Ich will noch zwei Hinweise zum Antrag geben, auch wenn er sich vielleicht als erledigt herausstellen sollte. Es ist im Begründungsteil des Antrages der Wunsch enthalten, neue Pachtverträge abzuschließen. Meine Damen und Herren von der PDS, ich bitte, diese Forderung noch einmal sorgsam zu überlegen. Alle, die sich mit der Materie in den letzten Jahren beschäftigt haben, können eigentlich nur zu dem Schluß kommen, daß, wenn man es politisch fördern würde, neue Pachtverträge abzuschließen, genau das Gegenteil von dem eintreten würde, was wir eigentlich wollen, nämlich nicht zu verunsichern und für Ruhe bei den Betroffenen zu sorgen. Es gäbe einen Aufschrei bei den ostdeutschen Bauern, wenn man mit neuen Pachtverträgen die Pachtverhältnisse gestalten wollte. Ein weiterer Punkt, der im Antrag steht, erscheint mir völlig unangebracht; ich möchte ihn deswegen erwähnen. Es wird gefordert - auch der Kollege von der F.D.P. hat darauf hingewiesen -, daß der Privatisierungsumfang bei dieser Gelegenheit noch einmal überdacht werden solle. Ich sage für die Bundesregierung ganz klar: Wir wollen die Privatisierung. Ich bin übrigens fest davon überzeugt: Die ostdeutschen Bauern wollen den Erwerb der Fläche; sie wollen nicht im Pachtverhältnis verbleiben. Das ist ganz entscheidend. In dieser Frage, meine Damen und Herren von der Opposition, liegt Ihr Antrag völlig neben der Erwartungshaltung der ostdeutschen Bauern. Ich glaube, Sie müssen noch einmal kritisch auf das Papier schauen. Wir werden eine sorgsame Analyse der Beanstandungen der EU-Kommission vornehmen. ({5}) - Herr Grund, ich stehe gleich zur Verfügung. - Wir werden die beiden tragenden Säulen, die beim EALG und beim Flächenerwerbsprogramm, das wir 1994 verabschiedet haben, inhaltlich bestimmend waren, nämlich auf der einen Seite die Gewährung von Ausgleichsleistungen in Kombination mit einem begünstigten Flächenerwerb und auf der anderen Seite die Chancengleichheit der ostdeutschen Bauern, bei der Neuregelung zur Geschäftsgrundlage machen. Ich bin sicher, daß das bei den ostdeutschen Bauern auf breite Zustimmung stoßen wird. Wir werden zügig handeln, so daß auch das Thema Verkaufsstopp - da bin ich zuversichtlich - in absehbarer Zeit vom Tisch kommt. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zu einer Zwischenfrage der Kollege Grund.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Herr Kollege Schwanitz. - Das war eigentlich meine Frage. Sie hatten zu Recht gesagt, die ostdeutschen Bauern wollen nicht im Pachtvertrag, auch nicht im langfristigen, verbleiben. Vielmehr besteht ein großes Interesse, Flächen zu erwerben. Bis wann wird die Bundesregierung etwas vorlegen, das es den Bauern ermöglicht, zu erwerben und nicht im Pachtvertrag zu verbleiben?

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Sie können davon ausgehen, daß wir an der Materie zügig arbeiten. Zur Zeit befinden wir uns in bezug auf den Entwurf in der Ressortabstimmung. Wir werden das selbstverständlich bald angehen und das Parlament damit befassen; denn wir haben ein gemeinsames Interesse daran, daß die beanstandete Regelung wieder in ein übliches Verfahren hineingenommen wird und eine Beruhigung derjenigen erfolgt, die durch langfristige Pachtverträge gesichert sind, und wir in der Tat zum Flächenerwerb zurückkehren können. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, diesmal von der Kollegin Naumann?

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Bitte schön.

Kersten Naumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003197, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich weiß nicht, von welchem Antrag Sie sprechen. In unserem Antrag ist nicht von neuen Pachtverträgen die Rede. ({0}) Darin geht es ausschließlich um die Verlängerung. Dieser Antrag ist der Antrag von vor drei Wochen, er sagt nichts zu neuen Pachtverträgen. Möchten Sie ihn sehen? Der Beschluß steht am Anfang: „Der Bundestag wolle beschließen:“ ({1}) - Er sprach von dem, was wir fordern. Das steht aber nicht in dem Beschluß, und auf ihn beziehen wir uns. Ich meine die Verlängerung der Pachtverträge auf 18 Jahre.

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Manchmal tut die Regelung des Bundestages, daß die Begründung nicht mit beschlossen wird, auch der Geschäftslage gut. Das trifft auch für Ihren Antrag zu. Im letzten Absatz der Begründung sprechen Sie von neuen Pachtverträgen. Ich habe das gelesen, weil ich auch Ihre Begründung lese. Insofern glaube ich, daß auch die Beanstandung richtig ist. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/291 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit einverstanden? Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich danke Ihnen, daß Sie bei dieser Debatte so lange ausgeharrt haben. Ich wünsche nunmehr Ihnen allen im Plenum, auf der Tribüne und in der Lobby ein schönes Wochenende. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 17. März 1999, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.