Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/26/2002

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 2 des Kollegen Michelbach auf: Was gedenkt die Bundesregierung gegen die aktuelle Insolvenzwelle bei mittelständischen Unternehmen zu unternehmen, und wie viele Unternehmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Oberfranken von der Insolvenzwelle betroffen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Herr Abgeordneter Michelbach, im Jahr 2001 gab es in Deutschland rund 32 300 Unternehmensinsolvenzen. Im Vergleich zum Jahr 2000 stieg damit die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 14,3 Prozent. Nach ersten Schätzungen, die das Statistische Bundesamt für das erste Quartal 2002 auf der Basis von Ergebnissen von mehr als der Hälfte der Bundesländer vorgenommen hat, setzt sich der bereits seit Anfang der 90er-Jahre zu beobachtende Aufwärtstrend der Insolvenzzahlen auch im Jahr 2002 fort. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen hat im ersten Quartal des Jahres 2002 um circa 5 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum zugenommen. Meldungen, wonach für das laufende Jahr mit einer nie da gewesenen Pleitewelle, mit Steigerungsraten um 25 Prozent und mehr als 40 000 Unternehmensinsolvenzen zu rechnen sei, können vor diesem Hintergrund nicht nachvollzogen werden. Für die Beurteilung der Unternehmensentwicklung in einer Volkswirtschaft ist nicht allein die Zahl der Insolvenzen maßgeblich, sondern auch die Zahl der Neugründungen. Von entscheidender Bedeutung ist das Gründungsgeschehen insgesamt und damit der Saldo. Dieser ist weiterhin deutlich positiv. Im Jahr 2001 standen in Deutschland 545 000 Gründungen 470 000 Liquidationen gegenüber. Damit der Saldo auch weiterhin positiv bleibt, ist es die zentrale Aufgabe der Wirtschafts- und Finanzpolitik, Raum für private Initiative und insgesamt ein positives Klima für Investitionen und Unternehmensgründungen zu schaffen. Die Bundesregierung hat in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren Beachtliches zuwege gebracht. Mit den in mehreren Stufen realisierten Steuerreformmaßnahmen werden mittelständische Unternehmen im Jahr 2005 gegenüber 1998 per saldo um rund 16,7 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Die Steuerentlastungen ermöglichen den Unternehmen höhere Nettogewinne und erleichtern auf diesem Wege die notwendige Bildung von Eigenkapital. Die Finanzierung des Mittelstands ist und bleibt ein zentraler Punkt der Mittelstandspolitik. In diesem Jahr stehen allein aus dem ERP-Sondervermögen des Bundes insgesamt 5,2 Milliarden Euro für zinsgünstige Förderkredite zur Verfügung. Die beiden Förderinstitute des Bundes, die KfW - Kreditanstalt für Wiederaufbau - und die Deutsche Ausgleichsbank, werden zusätzlich rund 9 Milliarden Euro für die Kreditfinanzierung des Mittelstands anbieten. In der Region Oberfranken in Bayern gab es im Jahr 2000 laut Bayerischem Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung 284 Unternehmensinsolvenzen. Im Jahr 2001 stieg die Zahl um knapp 65 Prozent auf 468. ({0}) Die Zahlen zum ersten Quartal 2002 liegen aufgrund einer Modifizierung der Berechnungsmethode bei der Abgrenzung zwischen Verbrauchern und Kleingewerbetreibenden derzeit noch nicht vor.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer ersten Nachfrage hat der Kollege Michelbach das Wort.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung der Frage, insbesondere im Hinblick auf den Regierungsbezirk Oberfranken. Stellen Sie bei der Steigerung um 65 Prozent in nur einem Jahr nicht fest, dass es ein Ausbluten der Grenzregionen zwischen den alten und den neuen Bundesländern gibt? Welche Maßnahmen treffen Sie, um den Grenzregionen, die das Fördergefälle hin zu den neuen Bundesländern unmittelbar erleiden müssen, zu helfen?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Sie kennen die Möglichkeiten, die die Bundesregierung im europäischen Rahmen hat. Diese Möglichkeiten werden in vollem Umfang ausgeschöpft. Darüber gibt es in der politischen Debatte, soweit ich das sehe, keinen Dissens zwischen Opposition und Regierung. Ich verweise allerdings auch auf die Verpflichtung des Freistaats Bayern, sich um die dortigen Regionen eigenständig zu kümmern und den strukturschwachen Regionen gegebenenfalls mit eigenen Fördermaßnahmen zu helfen. Ich darf allerdings unterstellen, dass es entsprechende Aktivitäten gibt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Michelbach hat noch eine zweite Nachfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bewusst, dass das EU-Recht leider keine eigenen Fördermöglichkeiten der Bundesländer zulässt - ich verweise auf die Subventionskontrolle -, sodass wir eine Veränderung der Fördermaßnahmen, insbesondere eine eigene Förderkulisse für die Grenzregionen brauchen, damit in Berlin und in München über entsprechende Maßnahmen entschieden werden kann? Sehen Sie nicht die Notwendigkeit zur Änderung der Fördermaßnahmen und der Wettbewerbskontrolle der EU?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Wir sind immer gern bereit, uns auch bei der EU-Kommission und bei der EU ganz generell für die Interessen der deutschen Wirtschaft und der deutschen Regionen stark zu machen. Ich will auch gar keinen Dissens zwischen einer Landesregierung und der Bundesregierung herbeiführen. Es geht uns um die Sache, nämlich um den Bestand unseres Mittelstandes, der für unsere Wirtschaft insgesamt wichtig genug ist. Wir haben keine näheren Angaben über die Entwicklung in Oberfranken, aber insgesamt gesehen ist der Anteil der Insolvenzen im Baugewerbe relativ und auch absolut hoch. Auch in Ihrem Bereich wird wohl das Baugewerbe eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Die Insolvenzen betreffen im Baugewerbe im Jahr 2001 2,8 Prozent der Unternehmen. Im Durchschnitt aller Unternehmen betreffen sie nur 1,1 Prozent. Man muss außerdem sehen, dass mehr als 26 Prozent der Insolvenzen im Jahr 2001 in den neuen Bundesländern ohne Berlin - davon 40 Prozent im Baugewerbe - zu verzeichnen waren. Die Bundesländer mit der höchsten Insolvenzhäufigkeit - auch das ist interessant - waren im Jahr 2001 ostdeutsche Länder, nämlich Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Nachfrage, und zwar vom Kollegen Schauerte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gerade die letzte Aussage über die katastrophale Entwicklung in den neuen Ländern zeigt natürlich, wie sehr die Chefsache Aufbau Ost misslungen ist. Meine Frage lautet: Wissen Sie, wie viele Arbeitsplätze in den 468 in Konkurs gegangenen Unternehmen in Oberfranken betroffen waren?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Das ist vom Ministerium nicht aufgearbeitet worden. Vermutlich ist die statistische Basis nicht vorhanden. Weil Sie von der katastrophalen Situation gerade in der Bauwirtschaft in Ostdeutschland sprechen, möchte ich an dieser Stelle eines noch einmal sagen. Sie wissen sehr genau, dass ein erheblicher Teil der Insolvenzen - „Insolvenz“ ist nicht mit „Pleite“ oder „Konkurs“ gleichzusetzen; das sollte man in der Öffentlichkeit immer wieder betonen; das Insolvenzrecht ist auch gerade verbessert worden - vor dem Hintergrund der Politik, die Sie in den 90er-Jahren betrieben haben, zu sehen ist. Es ist daran zu erinnern, dass Sie über Sonderabschreibungstatbestände nicht nur für Investitionsruinen, sondern auch dafür gesorgt haben, dass sich in der Bauwirtschaft eine Blase hat entwickeln können, die jetzt zum Platzen gekommen ist, was viele Arbeitsplätze kostet. Das ist jedenfalls ein Teil der Wahrheit, über die wir zu reden haben, wenn wir die Bauwirtschaft in Ostdeutschland einer näheren Betrachtung unterziehen, Herr Schauerte.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Helmut Heiderich auf: Sind der Bundesregierung die Untersuchungen des Landwirtschaftszentrums Haus Düsse bekannt, wonach es im ökologischen Landbau 18,7 Prozent Ferkelverluste bis zum Absetzen gab, im Vergleich zu 12,4 Prozent bei normaler Aufzucht, und hat die Bundesregierung Kenntnis über andere vergleichende Versuche über die Tierhaltung im ökologischen Landbau und der herkömmlichen Tierhaltung, besonders bei der Haltung von Legehennen, vor dem Hintergrund von Meldungen, dass Futterzusammensetzungen in Öko-Betrieben verstärkt das Federpicken von Legehennen auslösen?

Matthias Berninger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002627

Herr Kollege Heiderich, ich beantworte im Namen der Bundesregierung Ihre Frage wie folgt: Der Bundesregierung sind die vorgenannten Untersuchungen bekannt. Eine angemessene ursachenorientierte Kommentierung der Untersuchungsergebnisse bedarf jedoch einer genauen Analyse der Ausgestaltung des Verfahrens der jeweiligen, vor allem tiergesundheitsrelevanten, Vorkommnisse in den einzelnen Durchgängen der Aufzuchtspartien. Darüber hinaus muss man klar sagen, dass die Untersuchungen auf eineinhalbjährige Erfahrungen zurückzuführen sind und daher noch keineswegs repräsentativ sein können. Wir haben gerade im Ferkelaufzuchtbereich im ökologischen Landbau Vergleiche mit dem konventionellen Landbau und kommen hier zu ähnlichen Ergebnissen. Es sind vor allem zwei Dinge sehr wichtig: Zum einen ist es sehr stark von den einzelnen Betriebsleitern abhängig, wie hoch die Mortalität bei den Ferkeln ist, und zum anderen hängt sie sowohl in der konventionellen als auch in der ökologischen Landwirtschaft sehr stark von der Qualität des eingesetzten Futters ab.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Heiderich zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich hatte auch zum Thema der Legehennen etwas gefragt; darauf haben Sie leider keine Antwort gegeben. Deshalb frage ich dazu noch einmal: Ist Ihnen bekannt, dass es nach Untersuchungen offensichtlich insbesondere bei der Freilandhaltung von Legehennen im ökologischen Bereich zu sehr starken Krankheitsbelastungen kommt und dass gerade in diesem Bereich dann entweder entsprechende Medikamente eingesetzt werden müssen oder eben mit erhöhten Mortalitätsraten gerechnet werden muss?

Matthias Berninger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002627

Herr Abgeordneter, natürlich sind mir solche Untersuchungen bekannt. Im ökologischen Landbau haben wir in den letzten Jahren die Forschungsintensität erheblich erhöht. Die Bundesregierung hat mit der Gründung des Bundesinstituts für ökologischen Landbau in Trenthorst, einer Außenstelle der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, gerade einen Grundstein dafür gelegt, in diesem Bereich zu seriösen Forschungsergebnissen zu kommen. Wir haben im Geflügelbereich auch wieder sehr unterschiedliche Ergebnisse. In der Tat ist aber richtig, dass insbesondere die essenzielle Aminosäure Methionin, die auch für das von Ihnen genannte Federpicken relevant ist, in den Futterkombinationen des ökologischen Landbaus durchaus optimierbar ist. Daran arbeiten wir. Ich bin auch sehr erfreut darüber, dass es uns in den Haushaltsberatungen innerhalb der Bundesregierung gelungen ist, das Bundesprogramm für den ökologischen Landbau, insbesondere für den Bereich Forschung, nicht nur für zwei Jahre, sondern für sechs Jahre festzuschreiben, sodass wir hier zu guten Ergebnissen kommen werden. Erlauben Sie mir eine weitere Bemerkung. Die Frage, welche Tierrassen hier zum Einsatz kommen, ist von großer Relevanz. Die Betriebe haben gerade im Bereich der Schweinezucht einen relativ langen Vorlauf. Hier werden alte, wesentlich robustere Haustierrassen vom ökologischen Landbau bevorzugt, die sich dann auch eher artgerecht halten lassen als solche Rassen, die nur auf entsprechende Fleischproduktion oder andere Leistungen hin hochgezüchtet worden sind und dann, wenn sie sich im natürlichen Umfeld bewegen, anfälliger für Krankheiten sind.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt noch eine zweite Nachfrage.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich muss zuerst noch eine Bemerkung machen. Ich würde gern mit Ihnen auch einmal erörtern, ob das Methionin, das heute in der Regel ja aus gentechnischen Verfahren gewonnen wird, im ökologischen Landbau auch einsetzbar wäre. Aber ich möchte gern noch zu einem zweiten Feld fragen: Wie beurteilen Sie Studien, die ja nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus anderen Ländern vorliegen - insbesondere aus der Schweiz kenne ich eine solche -, wonach die Produkte des ökologischen Landbaus von der Hygiene, von den Inhaltsstoffen, von der Zusammensetzung und von ihrer ernährungswirtschaftlichen Wirkung her keineswegs besser und gesünder sind als die aus gewachsener Landwirtschaft erzeugten Nahrungsmittel? Diese Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass Ihre Frau Ministerin immer öffentlich erklärt, die Produkte des ökologischen Landbaus seien eben besser bzw. gesünder.

Matthias Berninger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002627

Herr Abgeordneter, zunächst zu Ihrer Eingangsbemerkung: Methionin ist die essenzielle Aminosäure, die durch konventionelle Chemie hergestellt wird. Nehmen Sie den größten Hersteller in Deutschland, Degussa. Das ist Zyanidchemie, also ganz konventionell. Ob es unbedingt immer mehr oder weniger giftig ist, wenn man diese Verfahren oder Bioreaktoren wählt, lasse ich dahingestellt sein. Aber nun zu Ihrer zweiten Frage: Auch auf diesem Gebiet gibt es natürlich eine ganze Reihe von Untersuchungen, zum Beispiel solche, die insbesondere die Vorteile ökologisch hergestellter Produkte, wie den geringen Nitratgehalt bei Salaten, unterstreichen. Ich denke auch an Untersuchungen der Europäischen Union, die deutlich machen, wie groß heutzutage die Anzahl an Lebensmitteln ist, die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln aufweisen, und dass es bei immerhin 4 Prozent der Lebensmittel in Deutschland erhebliche Überschreitungen der Rückstandshöchstmengen gibt. Produkte aus dem ökologischen Landbau, bei deren Anbau es von vornherein keinen Kontakt mit den entsprechenden Chemikalien gab, sind daher gesundheitlich von Vorteil. Auch auf diesem Gebiet gibt es also noch erheblichen Forschungsbedarf. Wir fördern den ökologischen Landbau, weil wir der Auffassung sind, dass eine Kombination von positiven Effekten - Gesundheitswirkung, ein erheblich besserer Beitrag zum Tierschutz und zum Landschafts- und Gewässerschutz - zu unterstützen ist. Ich denke, dass das Sinn macht. Angesichts der Tatsache, dass 68 Prozent der Bundesbürger der Meinung sind, dass man in diesem Bereich eher noch zu wenig macht, glaube ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wenn wir diese Förderung intensivieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes - es handelt sich um die Fragen 4 und 5 - werden schriftlich beantwortet. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Dr. Klaus Grehn auf: Wie erklärt die Bundesregierung, dass trotz vermehrter Kirchenaustritte und der Stagnation bzw. einem Rückgang der absoluten Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland immer noch ein pauschalierter Betrag für die Kirchensteuer bei der Berechnung von Lohnersatzleistungen berücksichtigt wird und damit die Leistungen gekürzt werden?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Präsidentin, wenn der Abgeordnete einverstanden ist, dann möchte ich die Fragen 6 und 7 gemeinsam beantworten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wie ich sehe, ist der Abgeordnete einverstanden. Beide Fragen behandeln den gleichen Themenkomplex. Das geht also selbstverständlich. Daher rufe ich nun auch Frage 7 auf: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung angesichts der im entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts - Az.: 1341-90 vom 24. April 1991 - der Durchschnittszahl der Kirchenmitglieder unter den Erwerbstätigen beigemessenen hohen Bedeutung für die Berechtigung des pauschalierten KirchenParl. Staatssekretär Matthias Berninger steuerabzuges aus der Tatsache, dass das Statistische Bundesamt trotz seiner gesetzlichen Verpflichtung zu einer dreijährigen Periodizität für die Lohn- und Einkommensstatistik bis zum heutigen Tag als aktuellste Zahlen die von 1995 und nicht die von 1998 vorlegen kann?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich beantworte die Fragen wie folgt: Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23. März 1994 festgestellt, dass die Berücksichtigung der Kirchensteuer beim Arbeitslosengeld als Lohnabzug, der bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfällt, so lange berechtigt ist, wie eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirche angehört. Nach den vorliegenden Berechnungen gehörten zum Jahresende 2000 rund 57 Prozent der lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer einer die Kirchensteuer erhebenden Kirche an. Dies ist nach wie vor eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer. Angaben zur Anzahl der Arbeitnehmer, die Mitglied einer Kirche sind, lassen sich aus der Lohn- und Einkommensteuerstatistik entnehmen, die in einem dreijährigen Turnus erstellt wird. Es trifft zu, dass die letzte Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes auf den Daten des Jahres 1995 basiert. Sie wurde Ende des Jahres 1999 erstellt. Danach betrug der Anteil der Arbeitnehmer, die Kirchensteuer zahlen, an der Gesamtzahl der lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer 60 Prozent. Die große Zeitdifferenz zwischen dem Erfassungszeitrahmen und der Aufarbeitung der Bundesergebnisse ergibt sich aus den langen Steuererklärungsfristen. Hinzu kommen die Bearbeitungszeiten der Finanzverwaltungen und der statistischen Ämter. Mit den Ergebnissen für das Jahr 1998 wird deshalb frühestens gegen Ende 2002 gerechnet. Für die Jahre 1996 und folgende wird der Anteil der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer in Anlehnung an den Anteil der Kirchenmitglieder in der Bevölkerung anhand der Auskünfte der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Verbandes der Diözesen Deutschlands ermittelt. Es wird für das Jahr, für das zuletzt Auswertungen der Lohn- und Einkommensteuerstatistik vorliegen - wie ich eben schon ausgeführt habe, ist dies derzeit das Jahr 1995 -, die Differenz zwischen den Anteilen der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung und der Zahl der lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer ermittelt. Diese Differenz wird näherungsweise als konstant betrachtet und auf den aktuellen Wert des Anteils der Kirchenmitglieder in der Bevölkerung bezogen. Zum Jahresende 1995 waren 68 Prozent der Bevölkerung Mitglied der evangelischen oder der katholischen Kirche. Der Anteil der lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer, die Kirchensteuer zahlen, lag acht Prozentpunkte niedriger. Zum Jahresende 2000 waren 64,9 Prozent der Bevölkerung Mitglied der evangelischen oder der katholischen Kirche. Der Anteil der lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer, die Kirchensteuer zahlen, ist daher mit 57 Prozent anzunehmen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der Kollege Dr. Grehn hat die Chance, vier Nachfragen zu stellen. Herr Grehn, Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage, bitte.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Danke schön, Frau Präsidentin, ich werde diese Chance nutzen, und zwar vierfach. ({0}) Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie angesichts Ihrer Aussagen zu den aktuellen Prozentzahlen folgende mir vom Statistischen Bundesamt mit Datum vom 27. März 2002 zugegangene Äußerung - ich zitiere -: ... wenn Sie in Übersicht 2, d. i. die für die sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerschaft relevante Übersicht, eine Gesamtquote von knapp 60 % - die hatten Sie genannt kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen finden, so relativiert sich diese Quote doch beträchtlich angesichts der Streuung über die Bundesländer: In Sachsen-Anhalt beträgt diese Quote nur 14,0, im Saarland dagegen 85,1 %. Ein weiteres Problem wird ebenfalls in der Kommentierung angesprochen: Zieht man anstelle der reinen Kirchensteuerpflicht die tatsächliche Belastung durch Kirchenlohnsteuer heran, so verringert sich diese Quote um 8 Prozentpunkte und kommt der 50-%-Grenze schon sehr nahe. Berücksichtigt man weiter den hohen Stand der Arbeitslosigkeit und die Tatsache, dass im Gegensatz zu den jüngeren die älteren Mitbürger/ innen im Rentenalter in der Regel nicht aus der Kirche austreten - sie sind zwar weiterhin kirchensteuerpflichtig, jedoch nicht kirchenlohnsteuerpflichtig und meist auch nicht mit Kircheneinkommensteuer belastet -, dass der Bevölkerungsanteil der Älteren einerseits immer größer wird und andererseits die Mitgliederbewegung in beiden großen Kirchen rückläufig ist ..., so dürfte sich die Quote inzwischen noch weiter verringert haben. Das heißt, sie liegt damit mit hoher Wahrscheinlichkeit unter 50 Prozent.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen zunächst nur sagen, wovon die Bundesregierung ausgeht. Die Berechnungsgrundlagen habe ich Ihnen geschildert. Der Anteil derer, die lohn- und einkommensteuerpflichtig sind, liegt gegenwärtig, wie wir ermittelt haben, bei etwa 57 Prozent. Dies ist nach unserer Auffassung eine Mehrheit. Spekulationen, dass er deutlich unter 50 Prozent liegen könnte, kann ich mich hier nicht anschließen. Ich kann nur von dem ausgehen, was uns vorliegt. Im Übrigen will ich darauf verweisen, dass uns unterschiedliche Quoten von Kirchenzugehörigkeit in den einzelnen Bundesländern dabei nicht besonders interessieren, sondern nur der daraus ermittelte Bundesdurchschnitt. Wie der ermittelt wird, habe ich Ihnen geschildert. Ich würde auch energisch davor warnen, hier Quoten auf Länderebene herunterzubrechen. Wir nehmen ja auch bundesweit einen einheitlichen Beitrag für die Arbeitslosenversicherung; niemand sagt, dass er in MecklenburgVorpommern höher und in Baden-Württemberg niedriger sein müsste. Es gibt bestimmte Grundlagen, die bundesweit ermittelt werden. Die statistischen Grundlagen, die wir haben, habe ich Ihnen dargestellt. Vizepräsidentin Petra Bläss

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Dr. Grehn, Ihre zweite Frage. Ich bitte Sie zuvor aber darum, möglichst kurze und präzise Fragen zu stellen. Das ist hier so üblich.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Wie hoch, Herr Staatssekretär, sind die aufgrund dessen nicht ausgezahlten Lohnersatzleistungen? Ich bitte darum, hierbei auch Unterhaltsgelder etc., die auch bei der Kirchensteuer berücksichtigt werden, miteinzubeziehen.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Grehn, die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, weil mir das entsprechende statistische Material nicht vorliegt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nummer drei, bitte.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, für wie dringlich halten Sie eine schnelle Lösung des Problems angesichts der Tatsache, dass sich die Zahl von 60 Prozent, die Sie genannt haben, auf die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland bezieht, nicht aber auf die Arbeitnehmerschaft, wie es das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1994 gefordert hat?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Grehn, das Problem ist, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 1994 nicht stärker ausgeführt hat, was es als Mehrheit erachtet. Die Ermittlungsverfahren habe ich Ihnen dargestellt. Für uns ist nach wie vor der Anteil von 57 Prozent, der auf der Basis der Lohn- und Einkommensteuerstatistik ermittelt wurde, eine Mehrheit. Von daher sind die Grundlagen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts erfüllt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die letzte Frage, bitte, Herr Dr. Grehn.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, zur Begründung des pauschalierten Abzuges wird immer darauf verwiesen, dass der bürokratische Aufwand zu hoch wäre. Für wie richtig halten Sie diese Aussage angesichts der Tatsache, dass über die elektronische Datenverarbeitung eine individuelle Berechnung mit wenig Zeit- und Kostenaufwand möglich ist?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Grehn, Sie wissen selbst, dass die Politik immer unter einem doppelten Druck steht: Auf der einen Seite wird öffentlich gefordert, man müsse alles so einfach wie möglich handhaben und so schnell wie möglich machen, während auf der anderen Seite - das kennen Sie ja sehr gut aus Gesetzgebungsverfahren, bei Verordnungen und Ähnlichem - der Gesetzgeber aufgrund vieler Einzeleinflüsse immer gehalten ist, Einzelfallgerechtigkeit zu gewährleisten. Ich halte das jetzige Verfahren für in Ordnung: Wir befinden uns auf dem Boden von Recht und Gesetz und beachten die Grundlagen, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 vorgegeben sind. Einen Änderungsbedarf würde ich erst dann sehen, wenn weniger als 50 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen Kirchenmitglieder wären.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Fragen 8 und 9 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Peter Rauen auf: Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die Zahl der älteren Arbeitslosen, das heißt derjenigen, die 55 Jahre oder älter sind, von Mai 2001 bis Mai 2002 um 115 501, das heißt um 16 Prozent, zurückgegangen ist, während die Zahl der jüngeren Arbeitslosen unter 25 Jahren in demselben Zeitraum um 61 082, das heißt um 15,6 Prozent, gestiegen ist - Presse-Information Nr. 43 der Bundesanstalt für Arbeit vom 7. Juni 2002 -? Zuvor möchte ich Sie beruhigen: Mir wurde zugesichert, dass ich informiert werde, sobald in dem Fußballspiel Brasilien gegen die Türkei ein Tor fällt.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter, ich möchte die Fragen 10 und 11 zusammen beantworten. Sind Sie damit einverstanden? ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich die Frage 11 ebenfalls auf: In welchem Umfang sind die Abgänge bei den älteren Arbeitslosen darauf zurückzuführen, dass diese Personen neue Beschäftigungsverhältnisse gefunden haben, und in welchem Umfang sind sie auf andere Gründe zurückzuführen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Hinsichtlich der Entwicklung der Anzahl der Arbeitslosen bei den unter 25Jährigen und den über 55-Jährigen besteht kein kausaler Zusammenhang. Der in der Frage angesprochene Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit im Mai 2002 gegenüber dem Vorjahr ist eine Folge der wirtschaftlichen Entwicklung. Aufgrund der noch ungünstigen konjunkturellen Lage sind insbesondere Jugendliche betroffen, die von der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis übergehen wollen, da die Betriebe Jugendliche nach der Ausbildung in geringerem Maße übernehmen. Gleichwohl lag auch im Mai 2002 die Arbeitslosenquote - bezogen auf die abhängig zivilen Erwerbspersonen - der Jugendlichen unter 25 Jahren mit 8,7 Prozent deutlich unter der aller Altersgruppen, die bei 10,5 Prozent lag. Das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik der Bundesanstalt für Arbeit für jugendliche Teilnehmer haben einen noch stärkeren Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit verhindert. Im Mai 2002 lag die Zahl der Teilnehmer bei 537 000, im Mai 2001 waren es 515 000. Im Mai 2002 gab es insgesamt rund 62 520 Abgänge von Arbeitslosen im Alter von über 55 Jahren. Durch Aufschlüsselung der wichtigsten Abgangsgründe ergibt sich folgendes Bild: Von diesen rund 62 000 Personen befinden sich 25,5 Prozent in Erwerbstätigkeit, 1,9 Prozent in Ausbildung und 19,2 Prozent in Arbeitsunfähigkeit, 20,2 Prozent sind aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, für 9,4 Prozent gelten Sonderregelungen - Stichwort: § 428 SGB III -, 16,3 Prozent haben ihre Arbeitslosenmeldung nicht erneuert und in 5,5 Prozent der Fälle wurden sonstige Gründe angegeben bzw. keine Nachweise erbracht. Aus diesen Zahlen lässt sich der Anteil der einzelnen Kategorien am Abbau des Bestandes der Arbeitslosen nicht errechnen. Abgänge wegen Arbeitsunfähigkeit - beispielsweise nach sechswöchiger Krankheit - führen nach Beendigung des Krankenstandes häufig wieder zu Zugängen in Arbeitslosigkeit. Auf den Arbeitslosenbestand haben diese Personen - anders ist es bei Abgängen in Erwerbstätigkeit - oftmals nur einen kurzfristigen Einfluss. Ähnliches gilt für Abgänge wegen Nichterneuerung der Meldung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Rauen, Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Schönen Dank für die von Ihnen genannten Zahlen. Ich möchte aber auf den Kern der Frage zurückkommen. Im Mai 2002 waren 225 600 Personen mehr arbeitslos als im Mai des vergangenen Jahres. Es fällt aber auf, dass trotz dieser insgesamt schlechten Entwicklung bei den über 55-Jährigen im Mai 115 501 Personen - das sind 16 Prozent - weniger erwerbslos waren als im Jahr zuvor, während bei den unter 25-Jährigen 61 082 Personen - das sind 15,6 Prozent - mehr arbeitslos gemeldet waren. Wie erklären Sie sich das? Das ist ja von der allgemeinen Entwicklung völlig losgekoppelt.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Rauen, ich will es noch einmal sagen: Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Steigerung der Arbeitslosigkeit unter 25-Jährigen und dem Rückgang bei den über 55-Jährigen. ({0}) - Doch, danach ist in der ersten Frage gefragt. Schauen Sie sie sich an, Herr Schauerte. Im Übrigen beantworte ich die Frage von Herrn Rauen und nicht Ihre Zwischenrufe. Es gibt keinen kausalen Zusammenhang. Wir können feststellen, dass die Arbeitslosigkeit bei jungen Leuten aus verschiedenen Gründen zunimmt; das bezieht sich aber im Wesentlichen auf die zweite Stufe eines Übergangs in das Erwerbsleben. Nun zu Ihrer Frage, was die Älteren angeht: Im Mai 1998 hatten wir 946 000 registrierte Arbeitslose über 55 Jahren. Wir haben jedes Jahr, also nicht nur im Vergleich von 2001 zu 2002, einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit Älterer festgestellt. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ein Grund ist, dass wir mit dem Zweiten SGB-III-Änderungsgesetz im Jahre 1999 die arbeitsmarktlichen Instrumente stärker zugespitzt haben, beispielsweise auf Langzeitarbeitslose und auf Ältere. Wir haben auch deutliche Erfolge mit der Kampagne „50 plus - die können es“ der Bundesanstalt für Arbeit - Sie kennen diese Kampagne vielleicht - erzielt. Diese Kampagne ist in den letzten Jahren sehr massiv vorangetrieben worden. Es gibt also unterschiedliche Gründe dafür, dass die Zahl der Arbeitslosen über 55 Jahren rückläufig ist. Natürlich spielt auch der demographische Effekt eine Rolle; das ist überhaupt nicht zu bestreiten. Die Altersgruppe der über 55-Jährigen umfasst faktisch zehn Altersjahrgänge, sofern sie dem Arbeitsmarkt noch zur Verfügung stehen. Ein Teil derer sind Jahrgänge, die in den 90er-Jahren sozusagen durch Anpassungsmaßnahmen in den neuen Bundesländern in großer Zahl in die Arbeitslosigkeit gegangen sind - über verschiedene Instrumente - und jetzt durch Erreichung der Altersgrenzen den Arbeitsmarkt verlassen. Für den Monat Mai habe ich Ihnen die über 62 000 Abgänge nach den Abgangsgründen aufgeschlüsselt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Nachfrage des Kollegen Rauen.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, am 27. Februar 2002 gab es einen Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ unter der Überschrift „Nur wer verfügbar ist, gilt als wirklich arbeitslos - Frankfurter Arbeitsamtschef bereinigt die Statistik Projektstart ‚Arbeitsamt 2000‘ steht auf der Kippe“. Dort heißt es: Nach seiner Rückkehr aus Nürnberg, wo sich am Montag in der Bundesanstalt für Arbeit alle 181 bundesdeutschen Arbeitsamtsdirektoren mit Arbeitsminister Walter Riester ... getroffen hatten, bekräftigte Griesheimer im Gespräch mit der FR sein Vorhaben, „die Arbeitslosenstatistik zu aktualisieren“. Der private Vermittler PEBG sei bereits beauftragt, 4 500 arbeitslos gemeldeten Frauen Teilzeitjobs anzubieten, zugleich aber auch ihre Verfügbarkeit zu testen. Der Arbeitsamtsdirektor ist überzeugt, dass sich dann „ein beachtlicher Teil abmelden wird. 20 bis 30 Prozent im Bestand gehen runter“. Hier werden noch weitere Gruppen genannt, nämlich die Schwerbehinderten, die „Kindergeld-Arbeitslosen“ und die über 57-Jährigen. Sie alle, so heißt es, würden massiv angegangen, schriftlich zu erklären, dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Steht hier Methode dahinter, statt zu vermitteln, mit aller Gewalt die Statistik vor der Bundestagswahl zu bereinigen, oder wie erklären Sie sich diese Aussagen eines Arbeitsamtschefs zwei Tage nach einem Treffen mit Bundesarbeitsminister Riester?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Das, was da geschildert wird, hat mit dem Treffen mit Bundesarbeitsminister Riester überhaupt nichts zu tun. Den Zusammenhang entnehmen Sie möglicherweise der Zeitung oder Sie konstruieren ihn. Ich weise das zurück. Was da beschrieben wird, ist die bestehende Rechtslage - das war schon zu Ihrer Regierungszeit Rechtslage; das ist Rechtslage, zu unserer Regierungszeit -: Derjenige, der Leistungen nach dem SGB III bezieht, muss eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Eine der Voraussetzungen ist die Erfüllung der Versicherungszeiten. Eine weitere Voraussetzung ist, dass er dem Arbeitsmarkt jederzeit für die Vermittlung zur Verfügung steht. Wenn einzelne Arbeitsämter mit bestimmten Programmen die Vermittlungsfähigkeit testen, ist das nur Recht und Gesetz und keine Kampagne, die irgendetwas mit dem Besuch von Walter Riester in Nürnberg zu tun hat. Im Übrigen würde ich gern einmal bei dem Arbeitsamtsdirektor in Frankfurt nachfragen, wie der dauerhafte Effekt ist. Eines ist doch völlig klar: Wer eine angebotene Stelle ablehnt, hat entweder mit Sperrzeiten zu rechnen oder er wird, wenn er nicht verfügbar ist, aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen, weil er dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Das ist doch korrekt, oder?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine weitere Nachfrage des Kollegen Rauen.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sollten bei diesem Arbeitsamtschef in der Tat nachfragen; denn es gibt aus der Arbeitsverwaltung selbst vermehrt Aussagen, für die leider niemand seinen Namen hergibt, dass die nach dem Job-AQTIV-Gesetz einzustellenden 3 000 Vermittler nicht mit Vermitteln, sondern ausschließlich mit der Bereinigung der Arbeitslosenstatistik beschäftigt sind, wobei vor allem abgehoben wird auf die älteren Arbeitnehmer, auf Jüngere und auf Frauen, die nach einer Geburt einen Teilzeitjob suchen. Nach diesen Aussagen ist verstärkt die Vermutung angebracht, dass hier zwar bestehende Rechtsgrundsätze angewandt werden, dass aber mit aller Gewalt alles getan wird, um die Arbeitslosenstatistik vor der Bundestagswahl zu bereinigen.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Rauen, ich will Ihnen das noch einmal sagen: Ich teile Ihre Wertung überhaupt nicht. Wenn Sie der Meinung sind, das, was da gemacht werde, sei unrecht und diene nur dem unlauteren Ziel der Bundesregierung, die Arbeitsmarktstatistik zu bereinigen, dann weise ich das entschieden zurück. Es gibt die Rechtsgrundlage, dass jemand, der eine Leistung bezieht, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss. Wenn Arbeitsämter das bei bestimmten Gruppen oder in bestimmten Zusammenhängen überprüfen, tun sie nur das, was der Gesetzgeber in diesem Hause beschlossen hat. Das halte ich für richtig und sozusagen für selbstverständlich. Deswegen teile ich Ihre Interpretation des Ganzen überhaupt nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzte Frage für Herrn Rauen.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Andres, gibt es Dienstanweisungen schriftlicher Art über dieses Vorgehen der massierten Bereinigung der Statistiken oder trifft es zu, dass, wie mir aus einem Arbeitsamt mitgeteilt wurde, diese Anweisungen in der Regel mündlich über den Weg der Dienstbesprechung gegeben werden?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Mir sind solche Dienstanweisungen nicht bekannt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat der Kollege Dr. Grehn eine Nachfrage hierzu.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, meine Zusatzfrage bezieht sich auf die erste Frage des Kollegen Rauen. Wie bewertet die Bundesregierung die unterschiedliche Situation der vom Kollegen Rauen genannten beiden Gruppierungen - Ältere und Jüngere - im Bundesgebiet Ost und im Bundesgebiet West?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich kann Ihnen dazu jetzt keine konkreten statistischen Angaben machen. Aber die Problemlage ist für das ganze Bundesgebiet zunächst einmal gleich. Als wir angetreten sind, haben wir gesagt, dass wir die Arbeitslosigkeit bestimmter Zielgruppen nachhaltig verändern wollen. Wir haben eine Reihe von Dingen auf den Weg gebracht, mit denen wir insbesondere die Zielgruppe Jugend und die Zielgruppe Ältere stärker in den Fokus genommen haben. Ich habe eben schon auf das Zweite SGB-III-Änderungsgesetz hingewiesen, mit dem wir bestimmte Regelungen für Altersgrenzen über 50 Jahre, Einbeziehung in Maßnahmen und Ähnliches, verändert haben. Wir haben das Jugendsofortprogramm auf den Weg gebracht und insbesondere mit Blick auf die Arbeitslosigkeit Jugendlicher jungen Menschen mit einem bundesweiten Programm eine zweite, dritte und vierte Chance geboten, weil wir es für unerträglich halten, dass wir, obwohl wir in einem der reichsten Länder der Erde leben, hinnehmen müssen, dass junge Menschen nach der allgemein bildenden Schule Arbeitslosigkeit als erste Lebenserfahrung machen. Das wollten wir nicht. Deswegen haben wir politisch gehandelt und werden in diesem Bereich auch weiter handeln. Ich sage es noch einmal: Einen kausalen Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Jugendarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit Älterer, wie er in der Frage des Abgeordneten Rauen unterstellt wird, sehen wir nicht. Es gibt in Ost und West gesonderte Probleme, die mir und Ihnen bekannt sind. Wir haben in weiten Teilen der neuen Bundesländer über eine öffentlich finanzierte Berufsausbildung durch ein Gemeinschaftsprogramm von Bund und Ländern zusammen mit der Bildungsministerin Edelgard Bulmahn flächendeckend 16 000 Ausbildungsplätze im dualen System finanziert. Hätten wir das nicht getan, gäbe es in den neuen Bundesländern sehr viel mehr junge Menschen ohne die Chance, eine Ausbildung im dualen System zu machen. Wir haben zum Zweiten das Problem, dass es für eine bestimmte Zeit in den neuen Bundesländern - jenseits der Problematik des Arbeitsmarktes - eine exorbitant hohe Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer gegeben hat. Die Gründe dafür kennen Sie. Es wurde das Instrument des Altersübergangsgeldes eingeführt; denn bei der Transformation des Beschäftigungssystems waren es überwiegend ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung verloren haben. Ich kann Ihnen sagen: In der Zwischenzeit ist die Quote älterer Arbeitsloser in weiten Teilen der neuen und der alten Länder vergleichbar hoch.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Nachfrage, und zwar von der Kollegin Christine Ostrowski.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, zur Vergleichbarkeit der Probleme habe ich eine Nachfrage. Ist Ihnen bekannt, dass die Jugendarbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern deutlich über der in den alten Bundesländern liegt und dass sich trotz Ihrer Sondermaßnahmen, die Jugendarbeitslosigkeit einzudämmen - diese Maßnahmen sind natürlich zu begrüßen -, der Abstand zwischen der Jugendarbeitslosigkeit Ost und der Jugendarbeitslosigkeit West nicht verkleinert hat, seit Sie an der Regierung sind?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, das ist mir nicht bekannt. ({0}) Sie haben gefragt, ob mir das bekannt sei. Dieser Tatbestand ist mir nicht bekannt und er trifft im Übrigen nicht zu. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Wolfgang Meckelburg auf: Trifft es zu, dass die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit dazu übergegangen sind, ältere Arbeitslose, die die Voraussetzungen für den Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes erfüllen, zur Abgabe der Erklärung zu veranlassen, dass sie dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen - zum Beispiel dadurch, dass diesen Personen Vermittlungsangebote unterbreitet werden, mit deren Annahme von vornherein nicht zu rechnen ist -, und, wenn ja, werden die betreffenden Arbeitslosen gegebenenfalls über die mit der vorzeitigen Inanspruchnahme des Altersruhegeldes verbundenen rentenrechtlichen Nachteile aufgeklärt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Auch hier äußere ich die Bitte, beide Fragen des Kollegen Meckelburg gemeinsam beantworten zu können, weil sie in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe somit noch die Frage 13 des Kollegen Wolfgang Meckelburg auf: Wenn ja, hat die Bundesregierung das Vorgehen der Arbeitsverwaltung durch eine entsprechende Weisung veranlasst, oder gedenkt sie, diesem Vorgehen entgegenzuwirken?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Job-AQTIV-Gesetz verpflichtet die Arbeitsämter ausdrücklich zu einem Profiling und zur Erarbeitung einer individuellen Eingliederungsstrategie. Diese Vermittlungsoffensive macht aber nur dann Sinn, wenn Klarheit darüber besteht, ob der einzelne Arbeitslose weiterhin am Erwerbsleben teilnehmen will. Die Arbeitsämter bieten vielfältige Hilfen zur Vermittlung und Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser an. Wie Sie wissen, Herr Abgeordneter Meckelburg, können Arbeitslose, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, alternativ von der Sonderregelung des § 428 SGB III Gebrauch machen, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Voraussetzungen - das heißt: unter Einschränkung ihrer Arbeitsbereitschaft - in Anspruch zu nehmen, wenn sie im Gegenzug dazu bereit sind, zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine abschlagsfreie Altersrente in Anspruch zu nehmen. Das Gesetz stellt es den Betroffenen damit frei, für welchen Weg sie sich entscheiden. Im Rahmen des Profilings und der Eingliederungsvereinbarung kommen die Arbeitsämter ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach, über beide Wege ausführlich zu informieren und zu beraten. Dabei werden ältere Arbeitslose weder gezielt veranlasst, von dieser Regelung des § 428 SGB III Gebrauch zu machen, noch werden sie unzureichend über die rentenrechtlichen Aspekte der Entscheidung informiert. Sowohl in den Informationen für die Betroffenen als auch in besonderen Merkblättern, die mit dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger abgestimmt sind, werden die Betroffenen nachdrücklich darauf hingewiesen, sich über die Auswirkungen ihrer Entscheidung beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu erkundigen. Im Übrigen darf ich auf Folgendes hinweisen: Bei der Information der Arbeitsämter über die Regelung des § 428 SGB III geht es um die exakt gleiche Regelung, die bereits die frühere Bundesregierung zum 1. Januar 1986 mit § 105 c in das Arbeitsförderungsgesetz eingefügt und deren Geltungsdauer sie dreimal verlängert hat. Ältere Arbeitslose, die sich für eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben entscheiden, haben einen Anspruch darauf, dass die Arbeitsämter sie unter Nutzung der speziell für ältere Arbeitslose bestehenden Fördermöglichkeiten konsequent in die Vermittlungsbemühungen einbeziehen. Mit der Abklärung des Vermittlungswunsches älterer Arbeitsloser und der Information und Beratung der Betroffenen kommen die Arbeitsämter, wie ausgeführt, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nach. Ihre Frage, ob die Bundesregierung gedenkt, diesem Vorgehen entgegenzuwirken, ist mir deshalb nicht verständlich.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die erste Nachfrage von Herrn Meckelburg. - Bitte.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, dass nicht gezielt veranlasst werde, ältere Arbeitnehmer in den Vorruhestand zu schicken. Können Sie mir bestätigen, dass seit Mitte letzten Jahres zumindest auf Arbeitsamtsdirektorenkonferenzen ständig - ohne darüber schriftlich etwas darzulegen darüber gesprochen wird, dass man in den einzelnen Arbeitsämtern dafür sorgen möge, dass die Zahl derjenigen, die in hohem Alter vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden, vergleichbar wird, dass also auf Arbeitsamtsdirektorenkonferenzen in dieser Hinsicht Druck gemacht wird, der schriftlich nicht nachvollziehbar ist? Sind Sie darüber informiert? Wenn dies so ist, befürworten Sie das oder würden Sie dem entgegenwirken?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich wiederhole es - das habe ich bereits in meiner vorherigen Antwort auf Ihre Frage klargestellt -: Das, was die Arbeitsverwaltung hier macht, nämlich festzustellen, ob jemand der Vermittlung zur Verfügung steht oder nicht, die Betroffenen bezüglich der rechtlichen Grundlagen, um die es geht, zu beraten und ihnen darzustellen, dass sie sich aus dem Vermittlungsauftrag streichen lassen können, wenn sie sich im Gegenzug dazu verpflichten, zu dem für sie nächstmöglichen Zeitpunkt eine abschlagsfreie Rente in Anspruch zu nehmen, ist Recht und Gesetz. Ich weiß nicht, Herr Abgeordneter Meckelburg, welchen Bestrebungen ich entgegentreten soll.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zweite Nachfrage.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, es geht mir nicht darum, sicherzustellen, dass Sie nach Recht und Gesetz handeln, sondern darum, inwieweit Sie hier verstärkt Aktivitäten entfachen, um die Arbeitsmarktstatistik zu bereinigen, indem Sie gerade von diesen Möglichkeiten mehr als vorher Gebrauch machen. Es ist doch offensichtlich, dass, seitdem es das JobAQTIV-Gesetz gibt, die Zahl der Übergänge in die Nichterwerbstätigkeit sehr stark gestiegen ist. Das muss einen Grund haben; das ist kein Zufall. Die Frage ist daher, wie Sie das begründen. Um Recht und Gesetz geht es dabei nicht. Mir geht es um Folgendes: Wird hier verstärkt auf Konferenzen der Arbeitsamtsdirektoren Druck dahin gehend ausgeübt, möglichst viele der Älteren über Profiling oder auf andere Weise in den Vorruhestand zu schicken, damit die Arbeitslosenstatistik bereinigt wird?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Meckelburg, ich verstehe eines nicht ({0}) - ich muss nicht alles verstehen; aber Hauptsache, ich begreife es -: ({1}) Wer auf der einen Seite für regelmäßige Meldekontrollen eintritt - das ist ja ein häufiger Vorschlag aus Ihrer Partei; vorher haben Sie aber die Meldekontrollen, die im SGB III verankert waren, auf eigene Initiative zurückgenommen -, wer also auf der einen Seite sagt, die Arbeitsverwaltung solle stärker kontrollieren, ob zum Beispiel eine Vermittelbarkeit vorliegt und die Bereitschaft dazu vorhanden ist, der darf doch auf der anderen Seite nicht fragen, was die Bundesregierung dagegen zu tun gedenkt, wenn die Arbeitsverwaltung das umsetzt. Das Bundesarbeitsministerium hat die Rechtsaufsicht. Die Geschäftspolitik wird durch den Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt. Sie gibt sich bestimmte geschäftspolitische Ziele; das wissen Sie. Die Bundesanstalt für Arbeit hat eine große Vermittlungsoffensive auf den Weg gebracht. Sie heißt: „50 plus - die können es“. Über diese Offensive und die Erfolge, die mit ihr erzielt worden sind, ist im Ausschuss, dem auch Sie angehören, berichtet worden. Mit dem Job-AQTIV-Gesetz haben wir beispielsweise das Profiling - ich habe das ausgeführt - als Regelinstrument vorgesehen. Das heißt, mit den Arbeitslosen wird ein Profil entwickelt und eine Eingliederungsvereinbarung unterzeichnet. Ich sage es noch einmal: Ob jemand der Vermittlung zur Verfügung steht, wenn er 58 Jahre und älter ist, oder nicht, ist ausschließlich seine individuelle Entscheidung. Die Arbeitsämter haben zu beraten. Sie haben dem betroffenen Menschen die Situation darstellen. Wenn sie das tun, ist das nicht mehr, als Recht und Gesetz anzuwenden. Hier habe ich an keiner Stelle einzuschreiten. Es ist auch nicht Aufgabe der Bundesregierung, so etwas zu tun.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, Herr Kollege.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Damit es noch einmal klar wird: Mir geht es nicht darum, dass dies nicht Recht und Gesetz ist. Ich bestätige Ihnen ausdrücklich, dass Sie im Job-AQTIV-Gesetz mehr Profilingmöglichkeiten vorgesehen haben. Bei uns hieß das anders. Bei Ihnen heißt es Profiling. Diesen Streit brauchen wir nicht zu führen. Wir befinden uns in einem Wahljahr. Sie haben versprochen, dass Sie in diesem Jahr die Arbeitslosenstatistik nicht ändern wollen. Ich frage daher ganz gezielt, ob Sie nicht auf Arbeitsamtsdirektorenkonferenzen, wobei nicht nachvollziehbar ist, worüber dort gesprochen wird, durch die Hintertür, über Profiling oder sonstige Möglichkeiten, Druck dahin gehend ausüben, möglichst viele ältere Arbeitnehmer aus der Statistik herauszubekommen. Das ist die Frage, um die es uns hier geht. Können Sie also sicherstellen, dass weder bei Ihnen noch bei der Bundesanstalt für Arbeit eine solche Absicht besteht?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Punkt eins. Ich habe bereits in Beantwortung einer Frage des Abgeordneten Rauen darauf verwiesen, dass mir solche schriftlichen Weisungen oder Ähnliches nicht bekannt sind. Punkt zwei. Wenn das, was Sie hier beklagen, durch die Arbeitsverwaltung gemacht wird, ist das nicht mehr als die Anwendung von Recht und Gesetz. Die Arbeitsverwaltungen sind gehalten, dies zu tun. Von daher verstehe ich den konstruierten Widerspruch nicht. Punkt drei - darüber haben wir hier schon häufiger, auch in Aktuellen Stunden, diskutiert -: Ich kann Ihnen ausdrücklich bestätigen, dass die Bundesregierung nicht die Absicht hat, in dieser Legislaturperiode irgendetwas an der Arbeitslosenstatistik zu ändern, und dabei bleiben wir auch. Was in der neuen Legislaturperiode geschehen wird, werden wir sehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine letzte Nachfrage des Kollegen Meckelburg. - Bitte.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie absolut sicherstellen, dass alle Personen, die im Rahmen des Profiling getestet und gefragt werden, ob sie die Möglichkeit eines vorzeitigen Eintritts in den Vorruhestand wahrnehmen möchten, über die möglichen Nachteile informiert werden und dass sie nicht zu Dingen gedrängt werden, die den Nachteil haben, dass sie am Ende Abschläge bei der Rente in Kauf nehmen müssen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ob ich das sicherstellen kann, weiß ich nicht. ({0}) Mir sind die Tatbestände, die Sie unterstellen, nicht bekannt. Deswegen muss ich dazu auch keine Erklärung abgeben. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was ich hier angeführt habe, ist Recht und Gesetz. Ich stelle Ihnen gerne Informationen der Bundesanstalt für Arbeit in Form von Faltblättern und Ähnlichem zur Verfügung. Wir haben überhaupt keine Veranlassung, die Arbeitsämter zu irgendetwas anzuhalten, da sie nur Recht und Gesetz anwenden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt zwei weitere Nachfragen. Zunächst ist der Kollege Peter Weiß an der Reihe. - Bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da die hier in Rede stehenden rechtlichen Regelungen und deren Anwendung von niemandem bestritten werden und Sie zu Recht darauf hingewiesen haben, dass diese Regelungen schon seit vielen Jahren Gesetzeslage und Praxis sind, möchte ich Sie fragen: Muss es nicht auch Ihnen merkwürdig, ja geradezu verdächtig vorkommen, dass die Arbeitsämter ausgerechnet jetzt, wenige Monate vor einer Bundestagswahl - und nicht schon vor einem oder zwei Jahren, als die gleiche Gesetzeslage galt -, durch mündliche Anweisungen angehalten werden, zum einen Regelungen anzuwenden, mit denen man ältere Arbeitnehmer ab 58 Jahren aus der Arbeitslosenstatistik und der Vermittlung herausbekommt, und dass zum Zweiten verstärkt jungen Menschen in den neuen Bundesländern Angebote für Arbeitsplätze im Westen gemacht werden und diese, wenn sie sie ablehnen, aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen werden?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Mir sind diese mündlichen Anweisungen nicht bekannt. Mir ist auch nicht bekannt, dass dies ausgerechnet jetzt, vor der Bundestagswahl, stattgefunden hat. Wenn ich richtig informiert bin, ist es die Aufgabe der Arbeitsämter, arbeitslose Menschen zu beraten. Hinsichtlich des Zungenschlages, den Sie bei einem anderen Problem eingebracht haben, kann ich Ihnen Folgendes sagen: Für den Fall, dass jemand ein zumutbares Arbeitsplatzangebot ablehnt, sieht das Gesetz bestimmte Sanktionen vor, die dann auch durchgeführt werden müssen. Sonst sind Sie doch immer diejenigen, die das fordern. Aber jetzt sagen Sie, man solle das nicht machen? Ich verstehe die gesamte Diskussion überhaupt nicht. Ich halte noch einmal fest: Die Arbeitsverwaltung hält sich an Recht und Gesetz; sie wendet bestehendes Gesetz an. Hier ist überhaupt nichts herumzuinterpretieren, zurückzuweisen oder durch die Bundesregierung zu stoppen. Wenn Sie sagen, an irgendeiner Stelle finde durch die Arbeitsverwaltung ein Rechtsbruch statt, dann wird das Bundesarbeitsministerium - es hat die Rechtsaufsicht einschreiten. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es eine weitere Nachfrage des Kollegen Dr. Grehn. - Bitte.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie einerseits die Regelungen für ältere Arbeitslose, die hier zur Diskussion gestanden haben, also das vorzeitige Eintreten in die Rente wegen Arbeitslosigkeit, und auf der anderen Seite die Diskussion - sie macht auch vor der Bundesregierung nicht Halt - um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Grehn, ich bin der Auffassung, dass das ein neues Thema ist. Ich gebe Ihnen dennoch auf Ihre Frage eine Antwort. Die Bundesregierung hat erklärt, dass sie keinerlei Veranlassung sieht, die Renteneintrittsaltersgrenze zu verändern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Fragen 14 und 15 werden schriftlich beantwortet. Deshalb rufe ich jetzt die Frage 16 des Kollegen Hartmut Schauerte auf: Wird in letzter Zeit in den Arbeitsämtern angestrebt, die Arbeitslosenzahl bei älteren Arbeitnehmern spürbar zurückzuführen, und, wenn ja, mit welchen Mitteln?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich möchte gern beide Fragen des Kollegen Schauerte zusammen beantworten. Sind Sie damit einverstanden?

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich zusätzlich die Frage 17 des Kollegen Schauerte auf: Treffen Hinweise aus der Arbeitsverwaltung zu, dass die von der Bundesregierung groß angekündigte Job-Vermittlungsoffensive in den Arbeitsämtern derzeit nicht greift, weil die Vermittler vor Ort in der Hauptsache damit beschäftigt sind, die Arbeitslosenstatistik zu bereinigen ({0}), anstatt zu vermitteln?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Die Bundesanstalt für Arbeit befasst sich vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung, nach der es in den nächsten Jahren mehr ältere und weniger jüngere Erwerbstätige geben wird, bereits seit einiger Zeit verstärkt mit der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer. Ich wiederhole: Sie befasst sich seit einiger Zeit verstärkt mit der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer. Sie hat 1999 mit einer Anzeigenkampagne und Informationsbroschüren auf die veränderte Situation hingewiesen. Ziel der Aktion war, die Arbeitgeber für die sich abzeichnenden Veränderungen am Arbeitsmarkt zu sensibilisieren und sie dafür zu gewinnen, älteren Arbeitnehmern verstärkt die Chance einer Weiterbeschäftigung bzw. Neueinstellung einzuräumen. Auch die Partner des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit haben sich in ihrem Beschluss vom 4. März 2002 dafür ausgesprochen, die bisherige Politik gegenüber älteren Arbeitnehmern zu verändern. Wurde insbesondere bis Ende der 90er-Jahre versucht - auch durch den vorzeitigen Ruhestand älterer Arbeitnehmer -, die Beschäftigungschancen der jüngeren zu erhöhen, soll künftig die verstärkte Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorrangiges Ziel arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen sein. Im Herbst 2000 startete die Bundesanstalt für Arbeit die Vermittlungsaktion „50 plus - die können es“, die im Herbst 2001 nochmals überarbeitet und erweitert wurde. Im Rahmen dieser Aktion versucht die Bundesanstalt für Arbeit, den im Bündnis für Arbeit beschlossenen Paradigmenwechsel zu unterstützen. Dies geschieht in erster Linie durch zielgenaue Vermittlung und Überzeugungsarbeit bei den Arbeitgebern, durch Motivationshilfen und Trainingsmaßnahmen für ältere Bewerber sowie durch betriebliche Einstellungshilfen, zum Beispiel Eingliederungszuschüsse für Ältere. Die Kampagne wurde von den Arbeitsämtern durch vielfältige Aktivitäten wie beispielsweise Pressekonferenzen, Arbeitsmarktgespräche mit Arbeitgebern und Bewerbern, Vortrags- und Informationsveranstaltungen aufgegriffen und umgesetzt. All diese Maßnahmen haben zur Verbesserung der Eingliederungschancen der Älteren beigetragen. Im Bundesgebiet konnten im Jahr 2000 389 000 Ältere ab 50 Jahre in eine Erwerbstätigkeit einmünden. Das waren 4 Prozent mehr als im Jahr 1999. Im Rahmen des Job-AQTIV-Gesetzes, das am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, wurden im SGB III bereits bestehende Regelungen erweitert und darüber hinaus weitere Regelungen geschaffen, die insbesondere der Verbesserung der Arbeitsmarktsituation älterer Arbeitnehmer dienen sollen. Diese Neuregelungen werden den Trend zur besseren Eingliederung Älterer noch verstärken. Auch im Jahr 2001 konnten trotz allgemein verschlechterter Arbeitsmarktlage immer noch 383 100 Ältere in eine Erwerbstätigkeit vermittelt werden. Wie die Bundesanstalt für Arbeit dazu mitteilt, treffen die von Ihnen geäußerten Hinweise - das ist die Antwort auf die Frage 17, Herr Schauerte - nicht zu. Die Vermittlungsoffensive der Arbeitsämter, in deren Zusammenhang die Bundesanstalt für Arbeit ermächtigt wurde, die Personalkapazitäten in der Vermittlung um insgesamt 3 000 Kräfte zu erhöhen, verfolgt das Ziel, individuelle Arbeitslosigkeit zu vermeiden und zu beenden. Die dafür notwendigen Aktivitäten der Arbeitsämter orientieren sich an den Gegebenheiten und der Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und beziehen sich auf die vier Handlungsfelder: Akquisition und laufende Aktualisierung von offenen Arbeitsstellen, Aktualisierung und Flexibilisierung der Bewerberprofile, Integrationsvereinbarungen mit Risikogruppen und assistierte Arbeitsvermittlung. Die Arbeitsämter haben zur Umsetzung der Vermittlungsoffensive so genannte Amtskonzepte entwickelt, in denen sie ihre Handlungsschwerpunkte benennen, die sich am jeweiligen regionalen Bedarf ausrichten und der Arbeitsmarktentwicklung angepasst werden. Dabei ist es selbstverständlich, dass die Ergebnisse der Vermittlungsoffensive der Arbeitsämter auch in der Statistik ihren Niederschlag finden werden. Da die Vermittlungsoffensive jedoch erst seit Anfang 2002 läuft, ist es für Ergebnisse und deren Beurteilung noch zu früh.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schauerte zur ersten Nachfrage.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, basiert der Wert für die angesprochene Vermittlungstätigkeit von - wenn ich das richtig mitbekommen habe - circa 390 000 im Jahr 2001 noch auf den Zahlen der alten Arbeitsamtsstatistik, bei der 70 Prozent eindeutig falsch waren?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, er basiert nicht auf einer falschen Statistik. Die Behauptung, 70 Prozent seien eindeutig falsch, ist nicht richtig.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zweite Nachfrage.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann muss ich weiterfragen: Wurde denn bei den 390 000 die Vermittlungstätigkeit anders gezählt als bei der allgemeinen Arbeitslosigkeit?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein. Die Vermittlungsstatistik der Bundesanstalt für Arbeit, die im vergangenen Jahr galt, ist durch Untersuchungen des Bundesrechnungshofes und durch Untersuchungen der eigenen Innenrevision überprüft worden. Sie galt also. Nur ist Ihre Behauptung, 70 Prozent seien falsch, nicht richtig. Ansonsten haben Sie das Problem schon richtig erkannt.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es geht hier ja nicht um die Frage, wer es richtig erkannt hat und wer nicht, Vizepräsidentin Petra Bläss

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Doch, es kommt immer auf diese Frage an.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- sondern um wahrheitsgemäße und weiterführende Antworten. Wir machen hier ja kein Katz-und-Maus-Spiel. Ich frage deswegen noch einmal: Ist diese Zahl von 390 000, die Sie erwähnt haben, genauso stabil oder instabil wie die Vermittlungszahlen aus den Arbeitsämtern, die wir für das Jahr 2001 kennen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Sie ist sogar ein bisschen stabiler, weil die Bundesanstalt für Arbeit zu bestimmten Problembereichen auch Sondererhebungen macht. ({0}) Die Bundesanstalt für Arbeit führt beispielsweise jeweils im September eine umfassende Arbeitsmarktuntersuchung durch, die jährlich fortgeschrieben wird. In der Diskussion war die allgemeine Vermittlungstätigkeit der Bundesanstalt für Arbeit. Da gab es eine Reihe von Befunden. Diesen Befunden sind wir nachgegangen. Wir haben jetzt auch entsprechende Veränderungen veranlasst, damit wir wieder vernünftige statistische Grundlagen bekommen. Die Bundesregierung hat ein Interesse an realer Vermittlung und nicht an irrealen Vermittlungsstatistiken.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzte Frage, bitte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe die dritte Frage nur deswegen gestellt, weil Sie zuvörderst erklärt hatten, es gebe keine selbstständige Ermittlung dieser Zahlen. Nun meine vierte Frage. Jeder Vernünftige wird alle Anstrengungen begrüßen, die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren. Das Ziel dabei muss jedoch sein, sie in Arbeit zu vermitteln, Beschäftigung zu schaffen. Deswegen meine Frage: Liegen Ihnen hinsichtlich der Reduzierung der Zahl der älteren Arbeitslosen für die Monate des Jahres 2002 Erkenntnisse vor, wie viele aufgrund von Altersregelungen entlassen worden sind und wie viele tatsächlich eine neue Beschäftigung bekommen haben?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Schauerte, ich bitte um Verständnis. Diese Frage habe ich eben schon Herrn Rauen beantwortet, und zwar anhand der Daten für den Monat Mai. Ich bitte Sie, diese einfach dem Protokoll zu entnehmen. Da habe ich die Abgangsstatistik der über 55-Jährigen aufschlüsselt und genau dargelegt, wie viele in Beschäftigung und wie viele in Rente oder Ähnliches gingen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, worauf ist zurückzuführen, dass sich in der Schweiz in der Altersgruppe der 54- bis 65-Jährigen 70 Prozent noch in Arbeit befinden und bei uns, in der Bundesrepublik Deutschland, nur 39 Prozent? Liegt das an den Arbeitsämtern oder liegt das an falscher Bundespolitik?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Woran das in der Schweiz liegt, kann ich Ihnen nicht beantworten. Woran das in der Bundesrepublik Deutschland liegt, kann ich Ihnen in vielen Positionen beantworten. Das hat unter anderem etwas mit der Politik der Bundesregierung zu tun, der Sie angehörten. ({0}) - Ja, das ist so. Das können Sie sich anschauen. Wir haben im europäischen Vergleich ein Problem mit der Beschäftigungsquote Älterer. Dieser Tatbestand ist nicht neu, sondern schon länger bekannt. Deswegen gibt es nach dem Europäischen Rat von Lissabon die Überlegung, dringend Strategien zu entwickeln, um die Beschäftigungsquoten von Frauen und von Älteren deutlich zu erhöhen. Dies ist unser Ziel. Man muss sich jedoch überlegen, mit welchen Instrumenten man dieses Ziel umsetzen kann. Ein Grundproblem dabei ist: Sie können so viel vermitteln und anpreisen, wie Sie wollen, aber damit ältere Arbeitslose beschäftigt werden können, sind zwei Dinge notwendig, einerseits jemand, der bereit ist, sie zu beschäftigen, und andererseits muss alles getan werden, um ihre Qualifikation, ihre Beschäftigungsfähigkeit entweder zu erhalten oder zu verbessern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hinsken, Sie können leider nur eine Nachfrage stellen, denn dies war nicht Ihre Frage. ({0}) - Dann dürfen Sie. Ring frei für Sie.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich erhebe lediglich Anspruch auf mein Recht, das ich als Parlamentarier habe. Herr Staatssekretär, Sie haben sich auf Lissabon bezogen. Hat die Bundesregierung diese Erkenntnis erst in Lissabon gewonnen oder hat man sich schon früher Gedanken darüber gemacht, etwas in diese Richtung - sie ist richtig - zu unternehmen? Wenn ja: Warum ist dies nicht rübergekommen? Warum hat man keine entsprechenden Schritte unternommen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Hinsken, diese Erkenntnisse sind uns schon früher gekommen. Wir haben uns genau angesehen, welche Fehler die Vorgängerregierung, der Sie angehörten, gemacht hat. Die Vorgängerregierung hat schon selbst Teile revidiert. Ich will Sie nur daran erinnern, dass Sie, also eine Bundesregierung unter Ihrer Beteiligung, ein umfangreiches und nicht zu finanzierendes Vorruhestandsprogramm aufgelegt haben. Jetzt aber stellen Sie sich hier hin, beklagen sich und fragen, wann die Bundesregierung in dieser Beziehung etwas gemerkt hat. Es gibt im Bündnis für Arbeit - dies habe ich eben zwar nicht Ihnen, aber Ihren Kolleginnen und Kollegen im Zusammenhang mit einer anderen Frage beantwortet - eine Verabredung, dass wir einen Paradigmenwechsel brauchen. Wir müssen mehr für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer tun. Dazu gehören sehr unterschiedliche Dinge, so beispielsweise auch, Anstrengungen zu unternehmen, die Qualifikation älterer Arbeitnehmer zu erhalten und zu verbessern. Dies ist ein Problem, mit dem man sich auseinander setzen muss. Hier hat die Bundesregierung eine Menge getan und darauf sind wir sehr stolz. Sie hat auch die notwendigen Schlussfolgerungen aus den Fehlern der Vorgängerregierung gezogen, der Sie angehörten, wie ich noch einmal betonen möchte. ({0}) - Nein, ich kann immer lachen. Ich kann so lachen wie Sie. Sie glauben gar nicht, was für ein lebensfroher Mensch ich bin.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt kommen wir zur Frage 18 der Kollegin Claudia Nolte: Wie viele der 132 000 Menschen, die im April 2002 gegenüber März 2002 nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik gezählt wurden, haben tatsächlich einen ungeförderten bzw. einen geförderten Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten und wie viele einen Arbeitsplatz im zweiten Arbeitsmarkt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Nolte, die Frage lässt sich mit den zur Verfügung stehenden Daten nicht beantworten. Die Differenz von rund 132 000 Menschen im Arbeitslosenbestand ergibt sich aus Zugängen in bzw. Abgängen aus Arbeitslosigkeit. Sollte die Frage jedoch darauf abzielen, wie viele Arbeitslose in eine geförderte bzw. ungeförderte Erwerbstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt oder in den zweiten Arbeitsmarkt abgegangen sind, sieht die Antwort wie folgt aus: Nach der Abgangsstatistik der Bundesanstalt für Arbeit gingen im April 2002 rund 282 000 bei den Arbeitsämtern gemeldete Arbeitslose in eine ungeförderte Erwerbstätigkeit von über sieben Tagen und rund 21 800 Arbeitslose in eine geförderte Erwerbstätigkeit von über sieben Tagen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Also: 282 000 ungefördert in den ersten Arbeitsmarkt und 21 800 gefördert in den ersten Arbeitsmarkt. Denn auch bei Gewährung eines Lohnkostenzuschusses erfolgt die Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Rund 23 400 Arbeitslose gingen in eine Beschäftigung auf dem zweiten Arbeitsmarkt, also in ABM, SAM usw. Betrachtet man jedoch allein die Daten der Bundesanstalt, so wird man sehen, dass die Zahl der Abgänge in eine ungeförderte Erwerbstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt unterschätzt wird, weil beispielsweise auch Personen mit dem statistischen Abgangsgrund „Nichterneuerung der Meldung“ in eine ungeförderte Erwerbstätigkeit gegangen sein können, ohne dass die Arbeitsämter davon Kenntnis erlangen. Ich habe vorhin schon einmal - Frau Nolte, da waren Sie nicht hier - die Abgangsstatistik aufgeschlüsselt. ({0}) Es gibt viele unterschiedliche Begründungen und auf diese möchte ich noch einmal hinweisen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es die erste Nachfrage von Frau Nolte. ({0})

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Also keine Nachfragen dazu. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Sie sah aber so aus, als ob sie fragen wollte. Wir kommen damit zur Frage 19 der Abgeordneten Nolte: In wie vielen Fällen war zwischen März und April 2002 ein Abgang in Nichterwerbstätigkeit zu verzeichnen und ist es richtig - wie der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, für den Berichtsmonat April 2002 beschrieben hat -, dass das Job-AQTIV-Gesetz im Wesentlichen dazu geführt hat, dass große Abgänge aus der Arbeitslosigkeit in Nichterwerbstätigkeit zu verzeichnen waren, und insoweit eine Bereinigung der Statistik hieraus resultiert?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Eine einfache Erfassung eines Abgangs in Nichterwerbstätigkeit gibt es bei der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit nicht. Die Abgangsgründe sind vielschichtig. Sie setzen sich zahlenmäßig wie folgt zusammen - ich will es noch einmal aufzählen -: Abgänge in Erwerbstätigkeit rund 342 000, Abgänge in Aus- und Weiterbildung rund 51 000, Abgänge in Krankheit rund 108 000, Nichterneuerung der Meldung rund 88 000 - wer sich nicht mehr meldet, kann einen Job gefunden haben -, Ausscheiden aus dem Erwerbsleben rund 16 000, Wehr- und Zivildienst rund 15 000, Wohnortwechsel rund 13 000, Schule und Studium rund 10 000. Es ist nicht auszuschließen, dass das Job-AQTIV-Gesetz, wie von Herrn Gerster beschrieben, in einem gewissen Umfang zu Abgängen aus Arbeitslosigkeit in Nichterwerbstätigkeit beigetragen hat. Auch wenn Profiling gemacht wird und Eingliederungsvereinbarungen getroffen werden, kann es natürlich passieren, dass die Menschen, die gemeldet sind und diese Maßnahmen in Anspruch nehmen, aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr in der Statistik auftauchen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt sieht es wirklich so aus, als wollte die Kollegin Nolte eine Nachfrage stellen.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

So ist es. Herr Staatssekretär, das ist in der Tat schwierig. Wie wollen Sie die Wirkung des Job-AQTIV-Gesetzes überprüfen, wenn man die Folgen dieses Gesetzes nicht zuordnen kann? Wie kommt Herr Gerster zu der Annahme, dass aufgrund des Job-AQTIV-Gesetzes eine deutliche Zahl von Abgängen in die Nichterwerbstätigkeit zu verzeichnen ist?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Das Problem ist zunächst - das wissen Sie aus den Ausschussberatungen -, dass erst mit In-Kraft-Setzen des Job-AQTIV-Gesetzes stufenweise Maßnahmen wie Profiling und Eingliederungsvereinbarungen durchgeführt werden. ({0}) - Langsam. Über eine konkretere und genauere Beratung des sich arbeitslos meldenden Menschen erhalten Sie ein Bild von seinen Verhaltensweisen. Es wurde eben in anderen Fragen angemahnt, dass die Arbeitsverwaltung die Vermittlungsfähigkeit der Arbeitslosen stärker überprüfen soll. Das kann dazu führen, dass bestimmte Personengruppen aus der Statistik herausfallen oder freiwillig auf eine Vermittlung verzichten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Nachfrage.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was auffallend ist und auch in dem Bericht von Herrn Gerster auffällt, ist die hohe Zahl der Abgänge in Wehr- und Zivildienst. Ich weiß nicht, ob Ihnen Ihre Kollegin Frau Schulte Schützenhilfe leisten und sagen kann, wie das in den anderen Monaten aussah. Wie erklären Sie sich, dass Anfang dieses Jahres plötzlich deutlich mehr Personen als in den Jahren vorher eingezogen wurden?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ob deutlich mehr eingezogen werden oder nicht, kann ich nicht beantworten. ({0}) Sie haben ganz konkret nach den Monaten März und April gefragt. Die Arbeitsverwaltung hat mitgeteilt, dass es im März und im April rund 15 000 Abgänge in Wehr- und Zivildienst gab. Nun wird Frau Staatssekretärin Schulte sicherlich genauer wissen, wann die Einberufungstermine sind. Aber ich halte das, was mir mitgeteilt worden ist, für realistisch. - Sie nickt. ({1}) - Ich habe Ihnen aber doch für die Abmeldungen unterschiedliche Gründe genannt. Sie haben jetzt nach den Abgängen in Wehr- und Zivildienst gefragt. Ich nehme an, dass die Bundeswehr und die Zivildienstträger einmal im Frühjahr und einmal im Herbst einberufen. Ich weiß nicht, wie das Verfahren ist. ({2}) Für die Monate März und April war es so, wie ich es Ihnen vorgelesen habe.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die weitere Klärung muss auf einen Briefwechsel oder Nachfragen im Ausschuss verschoben werden. Ich rufe jetzt die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Hansjürgen Doss auf: Welche Maßnahmen hat die Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen der Initiative „50 plus - die können es“ ergriffen und wie hoch sind die Mittel für diese Förderprogramme?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Doss, ich habe eben etwas über die Aktion „50 plus“ ausgeführt. Bei der Kampagne „50 plus - die können es“ handelt es sich nicht um ein Förderprogramm der Bundesanstalt für Arbeit. Vielmehr handelt es sich dabei um eine gezielte Vermittlungsaktion, in deren Rahmen die Bundesanstalt für Arbeit den im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit beschlossenen Paradigmenwechsel in der Politik gegenüber älteren Arbeitnehmern mit den vorhandenen Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik unterstützt und versucht, ältere Menschen besser am Arbeitsmarkt zu positionieren. Dies geschieht in erster Linie durch zielgenaue Vermittlung und Überzeugungsarbeit beim Arbeitgeber, ferner durch Motivationshilfen und Trainingsmaßnahmen für ältere Bewerber sowie durch betriebliche Einstellungshilfen, zum Beispiel Eingliederungszuschüsse für Ältere. Dazu wurde auch das Faltblatt „Leistungen zur Eingliederung Älterer“ für Arbeitgeber herausgegeben. Darüber hinaus wurden von den Arbeitsämtern Pressekonferenzen, Arbeitsmarktgespräche mit Arbeitgebern und Bewerbern sowie Vortrags- und Informationsveranstaltungen durchgeführt. Diese Initiativen fanden ein breites Echo in der Öffentlichkeit und bei den am Arbeitsmarkt Beteiligten. Die Förderung älterer Arbeitnehmer durch Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem SGB III erfolgt nach Einzelfallprüfung aus dem Eingliederungstitel der örtlichen Arbeitsämter, die darüber in eigener Verantwortung entscheiden. Es handelt sich dabei um Ermessensleistungen, für die die Aufwendungen nicht personenspezifisch erfasst werden. Da es sich bei der Kampagne „50 plus - die können es“, wie bereits erwähnt, zudem nicht um ein spezielles Förderprogramm mit einem festgelegten Mittelvolumen handelt, ist keine Aussage über die Höhe der Aufwendungen möglich.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Doss, bitte Ihre erste Nachfrage.

Dr. Hansjürgen Doss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000411, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben mit Sicherheit festgestellt, dass eine Reihe unserer Fragen durch einen roten Faden miteinander verbunden sind. Es gibt etwas, das wir uns nicht erklären können; vielleicht können Sie uns dabei weiterhelfen. Seit Januar/Februar verändert sich die Arbeitslosenstatistik: Die Zahl der älteren Arbeitnehmer nimmt ab und die der jüngeren nimmt zu, und zwar zeitgleich mit der Einstellung von rund 3 000 neuen Vermittlern. Dabei handelt es sich doch um eine Entwicklung, die erklärungsbedürftig ist.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Da Sie schon die ganze Zeit über anwesend waren, Herr Doss, haben Sie sicherlich auch die unterschiedlichen Gründe und Begründungszusammenhänge gehört, die ich für die Bundesregierung bereits vorgetragen habe. Sie haben nach der Aktion „50 plus“ gefragt. Ich habe es Ihnen erklärt: Sie läuft faktisch seit 1999. Für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit Älterer gibt es sehr unterschiedliche Gründe. Einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Arbeitslosigkeit älterer und der jüngerer Menschen gibt es nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Doss, Ihre nächste Nachfrage? ({0}) Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Dr. Klaus Grehn.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, Sie haben zu Recht ausgeführt, dass die Initiative „50 plus - die können es“ im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit entwickelt worden ist. ({0}) Ich gehe davon aus, dass in diesem Bündnis die Ergebnisse der Maßnahmen evaluiert worden sind. Können Sie angesichts der Tatsache, dass es sich seit sehr langer Zeit so verhält, dass sich Arbeitgeber eher von älteren Arbeitnehmern trennen und dafür entsprechende Maßnahmen wie Abfindungen durchführen, eine Aussage dazu treffen, wie wirksam diese Initiative - etwa in Bezug auf die Integration älterer Arbeitnehmer auf dem ersten Arbeitsmarkt - gewesen ist?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Dr. Grehn, ich möchte betonen, dass die Aktion „50 plus die können es“ nicht im Bündnis für Arbeit entwickelt worden ist, sondern von der Bundesanstalt für Arbeit. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass sie auch ein besonderes Anliegen von Präsident Jagoda war, der sich sehr darum gekümmert und die damit verbundenen Aktivitäten stark vorangetrieben hat. Dazu kam aber, dass es im Bündnis für Arbeit im März 2000 eine Reihe von Beschlüssen gegeben hat, die sich mit einem Paradigmenwechsel hinsichtlich der Beschäftigung Älterer befasst haben. Das Bündnis hat einvernehmlich festgehalten, dass es nicht sinnvoll ist, die Älteren immer früher in Rente zu schicken. In einer demographisch sich verändernden Gesellschaft verstärken sich der Zwang und die Notwendigkeit, auch Ältere mit ihrer Arbeits- und Lebenserfahrung und ihren Qualifikationen stärker in der Beschäftigung zu halten. Dazu sind unterschiedliche Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, zum Beispiel die Änderung des SGB III. Wir haben - übrigens auch durch eine Vereinbarung im Bündnis für Arbeit - im Job-AQTIV-Gesetz festgelegt, dass ältere Arbeitnehmer über 50 in Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten durch Maßnahmen der Bundesanstalt qualifiziert und gefördert werden können. Es handelt sich also um ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Dass das nicht von heute auf morgen wirkt, ist auch klar. Was die Evaluation angeht: Wir begleiten das durch entsprechende Untersuchungen, zum Beispiel des IAB. Dazu liegen mir gegenwärtig aber keine Ergebnisse vor; da bitte ich um Verständnis.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Hansjürgen Doss auf. Wie viele ältere Arbeitslose sind durch diese Maßnahmen in Beschäftigung gekommen und wie viele Arbeitslose hätten auch ohne die Vermittlung einen Arbeitsplatz gefunden?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Die in der Antwort auf Ihre erste Frage dargestellten Maßnahmen haben zur Verbesserung der Eingliederungschancen der Älteren beigetragen. So konnten im Bundesgebiet im Jahr 2000 389 000 Ältere ab 50 Jahre in eine Erwerbstätigkeit einmünden. Das waren 4 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Jahr 2001 konnten trotz allgemein schlechterer Arbeitsmarktlage 383 100 Ältere eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Die Bundesregierung hält es im Übrigen für unseriös, darüber zu spekulieren, wie viele ältere Arbeitslose auch ohne die in der Antwort auf die Frage 20 aufgezeigten Vermittlungshilfen einen Arbeitsplatz gefunden hätten. Die Vermittlungshilfen werden gerade deshalb erbracht, weil oftmals Schwierigkeiten bestehen, ältere Arbeitnehmer in das Erwerbsleben zu reintegrieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat der Kollege Doss eine Nachfrage.

Dr. Hansjürgen Doss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000411, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dass man es als unseriös bezeichnet, wenn nachgefragt wird, ob etwas effektiv ist, halte ich schon für bemerkenswert, Herr Staatssekretär.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich habe den Begriff nicht auf die Nachfrage, sondern auf einen bestimmten Gegenstand bezogen, der da unterstellt war. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das war eher ein Kommentar als eine Nachfrage. Deshalb können wir den Vorgang abschließen. Die Fragen 22 und 23 werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur letzten Frage zu diesem Geschäftsbereich, nämlich der Frage 24 des Kollegen Wolfgang Lohmann ({0}): Schließt die Bundesregierung aus, dass sie zur Absicherung der im Bundeshaushalt 2003 geplanten Ausgaben für Arbeitslosenhilfeempfänger die Beiträge, die der Bund für Arbeitslosenhilfebezieher nach § 232 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, an die Krankenkassen zahlt, erneut absenken muss?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Lohmann, die Antwort ist ganz einfach: Eine Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge für Arbeitslosenhilfebezieher steht zurzeit nicht zur Diskussion.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Erste Nachfrage von Herrn Lohmann, bitte.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich nach dieser Aussage davon ausgehen, dass es unabhängig davon, ob die Anzahl der Arbeitslosenhilfeempfänger steigt oder sinkt, keine Auswirkungen auf die Einnahmesituation der gesetzlichen Krankenversicherung geben wird? Werden Sie dafür sorgen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Lohmann, ich wiederhole: Eine Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge für Arbeitslosenhilfebezieher steht zurzeit nicht zur Diskussion. Wovon Sie bei dieser Antwort ausgehen, ist einzig und allein Ihre Angelegenheit.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine zweite Frage. Die Frage bezog sich auf den Haushalt 2003. Dass das in diesem Jahr keine Diskussion ist, ist mir selbstverständlich bekannt. Es ging mir darum, zu erfahren, ob solche Auswirkungen im Jahr 2003 zu erwarten sind.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich sage noch einmal: Wir haben nicht die Absicht - eine solche Diskussion gibt es gegenwärtig nicht -, die Krankenversicherungsbeiträge für Arbeitslosenhilfebezieher zu verändern. Wenn ich richtig informiert bin, wird der Haushalt - er ist durch das Kabinett bereits beschlossen worden - im September hier in erster Lesung beraten. Dann ist der Haushalt in der Hand des Parlaments. Darüber, was dabei herauskommt, kann die Bundesregierung doch nicht spekulieren, Herr Lohmann. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es noch eine Nachfrage von Herrn Dr. Grehn. Bitte.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, ich darf dann umgekehrt fragen: Besteht angesichts der Rentenabsenkung, die dadurch erfolgt ist, dass der Zahlbeitrag abgeführt wird, die Absicht, den Krankenversicherungsbeitrag wieder zu erhöhen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich habe doch schon gesagt: Es gibt gegenwärtig keine Diskussion darüber und auch keine Absicht, zu einer Veränderung des Krankenversicherungsbeitrags, sei es nach oben oder nach unten, zu kommen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit ist die Beratung zu diesem Geschäftsbereich abgeschlossen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Die Fragen 25 und 26 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Dr. Gerd Müller auf: Welche Investitions- und Umzugskosten setzt die Bundesregierung für den Umzug der Schule für Feldjäger und Stabsdienste in Sonthofen nach Hannover an?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das Nutzungs- und Ausbaukonzept für die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover zur Nutzung durch die Schule für Feldjäger und Stabsdienste ist in Auftrag gegeben und wird zurzeit erarbeitet. Erst nach Vorlage und Prüfung mit abschließender Genehmigung dieser Unterlagen können detaillierte Aussagen zu Investitionskosten in Hannover gemacht werden. Ich möchte die folgende Frage auch gleich beantworten. Dann können Sie Ihre weiteren Fragen, auf die ich mich schon freue, im Anschluss daran stellen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich auch die Frage 28 des Abgeordneten Dr. Gerd Müller auf: Ist die Bundesregierung bereit, einen Umzug der Schule für Feldjäger und Stabsdienste von Sonthofen nach Hannover zu stoppen, wenn dies mit Mehrkosten am Standort Hannover im Vergleich zum Erhalt des Standortes Sonthofen führt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Zurzeit besteht für die Bundesregierung keine Veranlassung, von der Entscheidung abzuweichen, also die Schule aufzugeben. Die Verlagerung der Schule von Sonthofen nach Hannover ist weiterhin geplant.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt kann es losgehen mit den schon mit Freude erwarteten Fragen. Bitte, Herr Kollege.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, das freut uns in Sonthofen nicht. Dann müssen wir eben die Wahl gewinnen. Das war aber nur eine Vorbemerkung. Wir kämpfen bis zum letzten Soldaten. Vizepräsidentin Petra Bläss Die Frage an Sie ist: Sollte durch die laufenden Untersuchungen zur Investition in Hannover das Ergebnis bestätigt werden, dass der Erhalt der Schule für Feldjäger in Sonthofen kostengünstiger bleibt, wie dies nach den derzeit vorliegenden Berechnungen der Fall ist, ist der Bund dann bereit, auf der Basis dieser wirtschaftlichen Erhebungen die kostengünstigere Entscheidung zu treffen, nämlich die Schule in Sonthofen zu belassen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Müller, es gibt realistische Zahlen, wonach eine Sanierung der ehemals von den Nationalsozialisten errichteten Ordensschule in Sonthofen mindestens 44 Millionen Euro kosten würde. Demgegenüber stehen die Kosten für die Umsiedlung in die in den 70er-Jahren fertig gewordene Offiziersschule des Heeres in Hannover, welche die zentrale Einrichtung für die Ausbildung der Offiziere war. Es war die Entscheidung der früheren Bundesregierung, diese Schule nach Dresden zu verlegen. Bei der Berechnung, die ich auch kenne, ist man von einer Idealvorstellung für die Feldjägerausbildung ausgegangen und hat für eine Verlagerung nach Hannover all das gefordert, was Sie weder in Sonthofen noch an irgendeiner anderen Stelle für die Feldjägerausbildung besitzen. Das hat eine merkwürdige Rechnung ergeben, die aber absolut nicht stimmt. Ich nehme an, dass Sie auf die Summe von 50 Millionen Euro anspielen. Interessanterweise ist diese Rechnung von Herren aus Sonthofen aufgestellt worden. Zugrunde gelegt wurde dabei ein Forderungskatalog, der nicht einmal für Sonthofen galt. Es bleibt dabei: Der Umbau und die Organisation der aus den 70er-Jahren stammenden Kasernenanlagen in Hannover für die Nutzung durch die Feldjäger wird 15 Millionen Euro ausmachen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ihre zweite Frage, bitte.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Mehrkosten für Hannover ergeben sich aus der Schätzung des Staatlichen Hochbauamtes. Ich frage Sie: Warum bezieht der Bund das Kooperations- und Mitfinanzierungsangebot der Kommunen nicht ein? Sonthofen hat ein weit gehendes Angebot gemacht. Warum geht man darauf nicht ein?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Meine Sympathie gehört sehr Sonthofen, aber sie gehört auch Hannover. Es geht nämlich darum, diese in Rede stehende, zentral gelegene Schule, die nach dem Kriege gebaut wurde und die im Rahmen der deutschen Einheit wofür ich allerdings auch Sympathie habe, obwohl es Hannover trifft - nach Dresden verlagert und dort mit Hunderten von Millionen umgebaut worden ist, nutzen zu können. Die Vorstellungen für diese 50 Millionen Euro teure Ausbaumaßnahme sind nicht durch das Bundesverteidigungsministerium, sondern durch die Oberfinanzdirektion initiiert worden. Die Oberfinanzdirektion hat natürlich ausgerechnet - Sie kennen ja das System, dass wir nicht selbst bauen, sondern die Länder für uns bauen -, was es kosten würde, wenn jeder der genannten Wünsche umgesetzt würde. Die Kosten wurden einfach summiert, ungeachtet der Tatsache, dass all dies bei der Sanierungsmaßnahme in Sonthofen nicht vorgetragen wurde. Es ist aber völlig unvorstellbar, dass man diese Rechnung wird akzeptieren können. Im Übrigen wissen Sie auch, dass wir in Sonthofen ja noch einiges belassen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ihre dritte Frage, bitte.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich stelle fest: Es gibt keine militärische Begründung für diesen Umzug. Deshalb müssen die wirtschaftlichen Gründe ausschlaggebend sein: Der Bund muss sich wirtschaftlich verhalten. Deshalb frage ich: Ist die Bundesregierung bereit, als Grundlage dieser Entscheidung eine Gesamtkostenbewertung - Hannover versus Sonthofen, unter Einbeziehung sämtlicher möglicher Kosten und Erlöse bei Veräußerung bzw. Nichtveräußerung der Liegenschaft vorzunehmen? Man muss eine entsprechende Bewertung für Sonthofen vornehmen, indem man die Fragen „Was ist diese Liegenschaft wert?“ und „Welche Einnahmen kann der Bund erzielen?“ beantwortet. Anschließend muss man einen Vergleich mit Hannover anstellen. Dieses attraktive Gelände liegt in der Nähe der Messe. Dort sind hohe Verwertungszuschläge zu erwarten.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Hannover hat sich im Rahmen der Wiederherstellung der deutschen Einheit eindeutig bereit erklärt, zu akzeptieren, dass die Offiziersschule verlegt wird. Wenn Sie sich die Landkarte ansehen, dann erkennen Sie, dass Hannover sehr zentral liegt. Feldjäger brauchen wir in der ganzen Bundesrepublik Deutschland. Übrigens beträgt die Entfernung zwischen der Offiziersschule und der Messe - daran sehe ich, dass Sie Hannover nicht kennen - einige Kilometer. Der Umzug nach Hannover hat also nichts mit der „Nähe“ zur Messe zu tun. Die Berechnungen, die man angestellt hat, um nachzuweisen, dass es besser ist, den Umzug der Schule für Feldjäger und Stabsdienste von Sonthofen nicht durchzuführen, waren von Anfang an falsch. Ich bin übrigens der Meinung, dass man diese Liegenschaft niemals hätte übernehmen sollen; denn eine Instandhaltung ist sehr aufwendig. Zudem bleibt die ABC-Abwehr- und Selbstschutzschule weiterhin in Sonthofen. Damit behält Sonthofen eine nennenswerte Einrichtung. Im Rahmen der gleichmäßigen Verteilung von Ausbildungsstandorten über das gesamte Bundesgebiet ist es sinnvoll und richtig, die Schule für Feldjäger und Stabsdienste nach Hannover zu verlagern. Ich sehe diesem Umzug mit großem Interesse und Freude entgegen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Dr. Müller, Sie haben das Wort zu einer letzten Nachfrage.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie halten daran fest, die Anzahl der in Sonthofen, in einer wirtschaftlich peripheren Region, stationierten Soldaten, inklusive Zivil- und Dienstposten, um 2 000 zu verringern. Dennoch behaupten Sie, dass Ihr Herz für Sonthofen schlägt. Angesichts dessen frage ich Sie: Können Sonthofen und sein Umland trotz der Verlagerung dieser Schule auf Hilfen des Bundes zur Nutzung der verbleibenden Liegenschaft - sie ist zweifelsohne wirtschaftlich nicht einfach zu nutzen - aus Konversionsmitteln zählen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Es ist ganz spannend, festzustellen, welche Anforderungen überall an die Bundeswehr gestellt werden. Herr Kollege Müller, zunächst einmal geht es darum, dass wir eine leistungsfähige Bundeswehr haben. Wir müssen immer mehr Aufgaben mit einem begrenzten personellen Bestand bewältigen. In der Vergangenheit, in der die Situation anders war, haben wir uns von den Ländern zum Teil Liegenschaften aufdrängen lassen - bekanntermaßen hatte die Bundesrepublik Deutschland 1949 keine Bundeswehr -, die die Länder ganz gern loswerden wollten, weil sie die Kosten dafür aufbringen mussten. Ich gehe davon aus, dass der Bund und das Land Bayern der Gemeinde Sonthofen gemeinsam helfen, sofern das überhaupt notwendig ist, die Liegenschaft weiterhin sinnvoll zu nutzen. Ich bin sehr gespannt, was die Unterhaltskosten dieses Bauwerks - ich kenne es ja - betrifft. Ich sage Ihnen ausdrücklich: Konversion ist zunächst einmal Aufgabe der Länder. Als Theo Waigel - in Klammern gesprochen: CSU - Finanzminister war, wurde die Regelung getroffen, dass die Länder einen bestimmten Anteil der Staatseinnahmen für Konversionsaufgaben bekommen, die ihnen zur Verfügung stehen. Da ich hier gerade den Kollegen Brüderle sehe, fällt mir ein: Während die einen etwas aus diesen Mitteln gemacht haben, haben die anderen nur das Geld eingestrichen. Ich hoffe nicht, dass das bei Bayern der Fall ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bevor ich die nächste Frage aufrufe, kann ich Sie erst einmal erlösen: In der 48. Spielminute ist Brasilien gegen die Türkei durch ein Tor von Ronaldo mit eins zu null in Führung gegangen. Sind Sie damit zufrieden? ({0}) - Als Präsidentin bewerte ich das nicht. Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Helmut Heiderich auf: Welche Finanzmittel hat die Bundesregierung in den neuen Bundeshaushalt 2003 und die nachfolgende Finanzplanung eingestellt, um die im „Ressort-Konzept Stationierung“ vom Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, getroffene Aussage: „Das Kommando der Division Luftbewegliche Operationen, DLO, wird zunächst in Veitshöchheim aufgestellt und dann nach Rotenburg an der Fulda verlegt, sobald dort die erforderliche Infrastruktur geschaffen worden ist“ auch verwirklichen zu können, und in welchen Jahresabschnitten ist die Finanzierung der Infrastrukturmaßnahmen vorgesehen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Heiderich, die Kosten für die infrastrukturellen Anpassungsmaßnahmen in der Alheimer-Kaserne in Rotenburg an der Fulda werden nach den ersten Untersuchungen auf etwa 15,3 Millionen Euro geschätzt. Die dafür erforderlichen Mittel werden im Rahmen der Infrastrukturdurchführungsplanung berücksichtigt. Es ist vorgesehen - die Kaserne ist erst ab Ende 2003 frei -, dass im Rahmen des Haushalts 2004 2,6 Millionen Euro, im Rahmen des Haushalts 2005 5,1 Millionen Euro, im Rahmen des Haushalts 2006 2,5 Millionen Euro sowie im Rahmen der Haushalte 2007 und 2008 jeweils rund 2,6 Millionen Euro ausgegeben werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Heiderich, Sie haben das Wort zu einer Nachfrage, bitte.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn ich das richtig verstanden habe, erstreckt sich Ihre Finanzplanung auf fünf oder sechs Jahre. Wie stellt sich die Bundesregierung die Verwendung dieser Liegenschaft in den Jahren, in denen der Ausbau stattfinden soll, vor? Ist es geplant bzw. vorgesehen, dass der Umzug der DLO aus Veitshöchheim nach Rotenburg partiell stattfindet? Wenn ja, in welchen Jahren und in welchen Zeitabschnitten? Oder haben Sie geplant, den Umzug erst dann insgesamt stattfinden zu lassen, wenn der Ausbau vollendet ist?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich gehe einmal davon aus, dass die Bundeswehr insgesamt ein Interesse daran hat, relativ schnell die neue Struktur zu verwirklichen. Da das Panzergrenadierbataillon 52, das jetzt in Rotenburg an der Fulda stationiert ist, erst zum 31. März 2004 aufgelöst ist, kann natürlich die Aufnahme des Kommandos Division Luftbewegliche Operationen - die wohnen ja jetzt auch nicht gerade in Räumen, die nicht benutzbar sind - erst ab dem Jahre 2004 beginnen und wird dann bis 2006 abgeschlossen sein. Ich denke, das ist in Ihrem Sinne.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Noch eine Nachfrage? - Bitte, Herr Kollege.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich warte eigentlich noch auf die Beantwortung meiner Frage. Eine Antwort auf die Frage des Umzugs ist bis dato bei mir noch nicht angekommen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wenn wir erst zum 31. März 2004 das Panzergrenadierbataillon 52, das dort stationiert ist, auflösen, können die anderen vorher nicht in dessen Räumlichkeiten. Dann habe ich gesagt, dass nach der derzeitigen Planung von 2004 an, also nach der Auflösung, der Umzug des Kommandos dorthin erfolgen und bis zum Jahre 2006 abgeschlossen sein soll.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, soll der Umzug sukzessive, je nach Fertigstellung der Bauten, erfolgen, sodass die Verlegung 2006 schon beendet wäre. Ich darf in dem Zusammenhang noch anfügen, dass der Umbau natürlich schon früher stattfinden könnte, weil das sich zurzeit in der Alheimer-Kaserne befindende Kommando diese Kaserne schon teilweise räumt. Im Jahre 2003 geht nämlich ein großer Teil zum Einsatz in den Kosovo; 2004 muss da nur noch der dort verbliebene Restbestand aufgelöst werden. Man könnte also mit dem Ausbau schon im Jahre 2003 beginnen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege, ich kann nicht ganz nachvollziehen, dass wir hier über Baupläne reden. Ich kann Ihnen nur in aller Deutlichkeit sagen, dass wir für den Umbau 15,3 Millionen einplanen und dass nach dem Abzug des Bataillons die Sanierung und auch der Umzug erfolgen. Mehr kann man eigentlich für einen Standort - ich erinnere mich an die Bedenken Ihres Vorredners - nicht tun.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch zur Verfügung. Die Fragen 30 und 31 werden schriftlich beantwortet, sodass ich jetzt die Frage 32 der Kollegin Annette WidmannMauz aufrufen kann: Ist bezüglich der noch in dieser Legislaturperiode geplanten Verabschiedung des Disease-Management-Programmes „Brustkrebs“ eine leitlinienkonforme Ausgestaltung ({0}) umfassend gesichert und teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass ohne diese Vorgaben eine Versorgungsverbesserung betroffener Frauen nicht zu erreichen ist?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Vielen Dank. - Frau Abgeordnete, die Bundesregierung ist wie Sie der Ansicht, dass eine Verbesserung der Versorgung von Brustkrebspatientinnen nur durch eine Behandlung gemäß dem gesicherten aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erreichen ist. Sie begrüßt es daher ausdrücklich, dass es dem Koordinierungsausschuss gelungen ist, dem Bundesministerium für Gesundheit auch für das Krankheitsbild Brustkrebs seine Empfehlung für die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme zu übermitteln. Auf der Grundlage dieser einvernehmlichen Empfehlung werden daher in der Vierten Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung neben den Anforderungen an die Programme für Diabetes auch die Anforderungen für Programme zum Brustkrebs festgelegt. Die Verordnung soll zum 1. Juli 2002 in Kraft treten. Sie ist dann Grundlage für die Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme durch das Bundesversicherungsamt und damit auch für die Förderung der zugelassenen Programme durch den Risikostrukturausgleich. Bei der Erarbeitung der Anforderungen für Programme zum Brustkrebs wurden vom Koordinierungsausschuss infrage kommende internationale Leitlinien und zum Teil zugrunde liegende Originalarbeiten herangezogen, da es derzeit noch keine zertifizierte nationale Leitlinie zur Therapie von Brustkrebs gibt. Bei der Erarbeitung der Anforderungen haben auch ausgewiesene Experten, insbesondere der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, der Direktor der Universitäts-Frauenklinik Ulm, Herr Professor Kreienberg, mitgewirkt. Im Übrigen hatten alle betroffenen Organisationen und Fachgesellschaften Gelegenheit, anlässlich der Anhörung am 17. Juni mündlich oder schriftlich eine Stellungnahme abzugeben, die, soweit möglich, bei der Erarbeitung der Anforderungen Berücksichtigung findet. Es ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Vierten Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung nur Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme festgelegt werden. Es ist Aufgabe der Krankenkassen, auf dieser Grundlage Programme zu entwickeln bzw. ihre Entwicklung zu veranlassen und dann eine Zulassung beim Bundesversicherungsamt zu beantragen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

War das bereits die Beantwortung auch der nächsten Frage? - Nein. Dann rufe ich jetzt die Frage 33 auf: Wie lauten die Leitlinien, nach denen die Bundesregierung das Disease-Management-Programm „Brustkrebs“ noch in dieser Legislaturperiode verabschieden will und sind diese bereits öffentlich zugänglich? Im Anschluss hat die Kollegin Widmann-Mauz die Gelegenheit, vier Zusatzfragen zu stellen.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Anlage 3 des vorgelegten Entwurfs einer Vierten Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung enthält die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Brustkrebs, die erfüllt sein müssen, damit die Programme nach einer entsprechenden Prüfung durch das Bundesversicherungsamt zugelassen werden können. Diese Anforderungen basieren weitestgehend auf der einvernehmlichen Empfehlung des Koordinierungsausschusses vom 13. Juni, also auf den zur Bearbeitung der Anforderungen herangezogenen Leitlinien. Ich möchte Ihnen gerne den Hinweis geben, dass die gesamten Ergebnisse der Beratungen auf den Internetseiten des BMG abrufbar sind. Dort finden Sie weitere Details zu den medizinischen Inhalten, zu den verschiedenen Diagnose- und Therapieschritten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Widmann-Mauz, Ihre erste Nachfrage.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie kennen bestimmt den offenen Brief, den die Bundesministerin von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, von Herrn Professor Dr. Klaus-Dieter Schulz, der gleichzeitig Leiter der KonHelmut Heiderich zertierten Aktion Brustkrebsfrüherkennung in Deutschland ist, erhalten hat. Er schreibt der Bundesregierung klar ins Stammbuch, dass die vom Koordinierungsausschuss verabschiedeten und durch die Bundesregierung in Kraft zu setzenden Rechtsvorschriften in keiner Weise zu einer Verbesserung der Brustkrebsbehandlung beitragen. Wie beurteilen Sie diese Äußerung? Gab es eine Einbeziehung interdisziplinärer Fachgesellschaften bei der Erarbeitung dieser Leitlinie?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Der Koordinierungsausschuss hat verschiedene Sektionen gebildet, die sich mit den Teilbereichen der Erstellung befasst haben. In den Bereichen, die sich mit der Frage der inhaltlichen Ausgestaltung, also mit der Vorgabe einzelner Therapieund Diagnoseschritte, befasst haben, bildeten die Ausführungen des Präsidenten der Deutschen Krebsgesellschaft der Universitäts-Frauenklinik Ulm, Herrn Professor Kreienberg, eine wichtige Arbeitsgrundlage. Er hat der Ministerin in einem Schreiben ausdrücklich versichert, dass die festgelegten Inhalte von allen Vertretern als gut angesehen werden. Der von Ihnen angesprochene Kritikpunkt wird von uns aufgenommen. Dieser Brief ist mir persönlich nicht bekannt. Ich werde mich aber natürlich darum kümmern. Im Rahmen einer Anhörung - ich habe schon darauf hingewiesen - ist bereits deutlich geworden, dass im Rahmen der endgültigen Ausgestaltung des Programms an der einen oder anderen Stelle noch etwas verändert werden muss. Ich möchte hier auch ganz deutlich sagen, dass wir gerade in gesonderten Gesprächen mit den Organisationen „Frauenselbsthilfe nach Krebs“, „Koalition Brustkrebs“ und „Women’s Health Coalition“ eine sehr breite Zustimmung für die Schritte, die jetzt gegangen werden, gefunden haben. Wir arbeiten auf der Basis, dass es noch keine zertifizierte deutsche nationale Leitlinie in diesem Bereich gibt und dass man auf verschiedene internationale Punkte zurückgreifen muss. Ich glaube, auf einer solchen Basis ist es nie auszuschließen, dass der eine oder andere Vertreter sagt, er hätte diese oder jene Richtung präferiert. Wir haben alle diese Programme, mit denen wir gesundheitspolitisches Neuland betreten, so angelegt, dass sie wissenschaftlich evaluiert werden, dass sie begleitet werden und dass sie in einem Jahresrhythmus dem neuen wissenschaftlichen Stand angepasst und überarbeitet werden. Man wird sehen, welche Veränderungen noch notwendig sind.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Nachfrage von Frau Widmann-Mauz.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass es in der Bundesrepublik eine S3-Leitlinie zur Brustkrebsbehandlung und weitere nutzbare Fragmente hochwertiger Leitlinien gibt, und können Sie uns bitte sagen, warum diese in der Bundesrepublik erarbeiteten Standards bei der Erarbeitung des Disease-Management-Programms keine Berücksichtigung gefunden haben?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Der Vorsitzende der Deutschen Krebsgesellschaft ist ein besonders ausgewiesener Wissenschaftler mit sehr großer praktischer und klinischer Erfahrung. Was zur fachlichen Erarbeitung heranzuziehen und was als neuester wissenschaftlicher Standard zu werten ist, entscheidet in unserem Gesundheitswesen die Selbstverwaltung unter Einbeziehung der entsprechenden ärztlichen Gruppierungen und Fachgesellschaften. Dies ist nicht Aufgabe der Politik, nicht Aufgabe des Bundesgesundheitsministeriums. Das entspricht auch den Grundlagen und Richtlinien, nach denen unsere Selbstverwaltung arbeitet. Ich denke, dass das auch gut so ist; denn ich glaube, dass die notwendige Kompetenz bei den Menschen versammelt war, die an diesem Projekt gearbeitet haben, und weniger hier.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Weitere Nachfrage, bitte.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie beurteilen Sie denn den Vorwurf der Konzertierten Aktion zur Brustkrebsfrüherkennung, dass eine Einbindung der für die Funktionsfähigkeit der multidisziplinären Versorgungskette zuständigen Fachgesellschaften und Berufsverbände zur Prüfung der medizinischen Inhalte eben nicht erfolgt ist und damit auch die Voraussetzung eines fachübergreifenden Konsenses nicht vorliegt?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Frau WidmannMauz, wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, beziehen Sie sich nicht mehr auf die Disease-Management-Programme, sondern die Vorsorge. Dies würde einen völlig anderen Bereich betreffen. Die Früherkennung von Brustkrebs ist im Screening-Programm Mammographie angesiedelt. Diese Disease-Management-Programme beginnen demgegenüber erst an dem Punkt, an dem es bereits einen Befund für eine Erkrankung gegeben hat. Im Bereich der Früherkennung arbeiten wir im Augenblick an einem Screening-Programm. Dort laufen mehrere Modellvorhaben. Dazu gab es bereits eine Anhörung im Rahmen des Gesundheitsausschusses, bei der über den Stand der Dinge und über die Beteiligung berichtet wurde. Das ist ein von den Disease-Management-Programmen losgelöstes und getrenntes Programm und wurde sehr wohl in gemeinsamer Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften und der Selbstverwaltung erstellt. Es wird jetzt an verschiedenen Orten erprobt und wird dann im Jahre 2003 in das ganz normale Vorsorgeprogramm aufgenommen werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzte Nachfrage, bitte.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf zunächst einmal zusammenfassen, dass Sie der Meinung sind, dass Früherkennung und Therapie des Brustkrebses hier getrennt behandelt werden und nichts miteinander zu tun haben. Meine Frage bezieht sich noch einmal darauf: Sie haben angesprochen, dass Sie bereit sind, die jetzt vom Koordinierungsausschuss vorgelegten Leitlinien zu überarbeiten. Ich zitiere Herrn Professor Schulz, der sagt: In der derzeitigen Form ist der Entwurf zu einem Disease-Management-Programm unbrauchbar und verschlechtert die Versorgung an Brustkrebs erkrankter Frauen. Darf ich Sie fragen, ob Sie in diesem Sinne die Leitlinien bzw. das Disease-Management-Programm überarbeiten werden, ob Sie dabei zum Beispiel mit berücksichtigen werden, wie die Zusammenarbeit zwischen Praxis und Klinik besser geregelt werden kann, und ob auch Fragen, die zivil- und strafrechtliche Konsequenzen haben - wie bei Folgen von Fehlbehandlungen, die im Rahmen dieses Management-Programmes von Ärzten verursacht werden -, abgedeckt und geregelt werden?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Frau Abgeordnete, ich weise noch einmal deutlich darauf hin, dass es darum geht, im so genannten kurativen Bereich eine notwendige qualitative Verbesserung zu erreichen. Der kurative Bereich beginnt dort, wo es bereits einen Befund gibt, zum Beispiel wenn die Frauen selbst etwas getastet haben. Für diesen Fall ist in dem Programm vorgegeben, wie die einzelnen Diagnoseschritte aussehen müssen, um eine zweifelsfreie, gut abgesicherte Diagnostik zu erzielen, die über Umfang und Schwere der Erkrankung Auskunft gibt. Darüber hinaus werden in diesem Programm die verschiedensten Maßnahmen und Möglichkeiten von operativen Eingriffen, strahlentherapeutischen Maßnahmen bis hin zu psychosozialen Hilfen für den kurativen Bereich beschrieben. Andere Anforderungen sind an Programme der Früherkennung zu stellen. Das sind die so genannten ScreeningProgramme. Damit wollen wir Frauen, die davon ausgehen, dass sie gesund sind - das sind die Frauen, die von den Disease-Management-Programmen erfasst werden, nicht mehr; sie haben einen Erstbefund -, zu Untersuchungen motivieren. Die Voraussetzungen dafür sind völlig andere als im Bereich der Disease-Management-Programme. Wir mussten zum Beispiel Grenzen für die Strahlenbelastung festlegen. Deshalb haben wir uns zum Beispiel auf das Alter von 50 Jahren als Beginn der regelmäßigen Mammographie geeinigt. Man muss die beiden Bereiche immer zusammen sehen. Man darf sie vor allem nicht trennen, wenn jemand durch einen Befund in den Bereich der Therapie übergeht, unabhängig davon, ob dann kurz- oder langfristige Maßnahmen der Rehabilitation notwendig werden. Zu dem, was Sie gerade hier vorgetragen haben, kann ich nur sagen: Das ist eine sehr undifferenzierte und pauschale Kritik. Ich habe nicht gesagt, dass wir jetzt die Leitlinien überarbeiten, sondern ich habe Ihnen gesagt, dass es genereller Bestandteil der Leitlinien ist, dass sie wissenschaftlich begleitet und beständig dem Stand der Wissenschaft angepasst werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich rufe jetzt den letzten Geschäftsbereich, den des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung. Ich rufe die Fragen 34 und 35 des Kollegen Dr. HansPeter Uhl gemeinsam auf: Ist die Bundesregierung bereit, die Finanzierung für den Autobahnring der Bundesautobahn A 99 bis zum Anschluss an die Lindauer Autobahn sicherzustellen, sodass dieser rechtzeitig vor der Fußballweltmeisterschaft 2006 fertig gestellt werden kann? Ist die Bundesregierung bereit, die Einstellung der laufenden Bauarbeiten dadurch abzuwenden, dass sie die erforderlichen Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre 2003 ff. bis spätestens August 2002 erteilt, um den Auftrag für den Tunnel Aubing rechtzeitig vergeben zu können? Ich bitte um Kürze, dann hat auch die Kollegin Ostrowski die Chance, dass ihre Fragen noch beantwortet werden.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

An mir soll es nicht liegen, Frau Präsidentin. Herr Kollege Uhl, ja, die Bundesregierung ist bereit, die Finanzierung des Westringes München, also der Bundesautobahn A 99, sicherzustellen, sodass er bis zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft 2006 fertig gestellt werden kann. Die zweite Frage beantworte ich gleich mit, weil es einen Zusammenhang zwischen beiden Fragen gibt: Die Bundesregierung ist, in Abstimmung mit der Bayerischen Staatsregierung, ebenfalls bereit, die zur zeitgerechten Vergabe des Tunnels Aubing benötigten Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung zu stellen. Einzelheiten dazu werden im Rahmen der bevorstehenden Vergabe geregelt werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, Herr Kollege Uhl.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen von Ihrem Hause mitgeteilt worden, dass die zeitgerechte Zur-Verfügung-Stellung der Finanzmittel in den Monaten Juli und August, also in den nächsten beiden Monaten, erfolgen muss, weil sonst der nötige Bau des Tunnels innerhalb dieser kritischen Phase nicht mehr möglich ist? Sind Sie in der Lage, diese Finanzmittel per Verpflichtungsermächtigung tatsächlich in den nächsten zwei Monaten, also Juli, spätestens August 2002, zur Verfügung zu stellen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ja, Kollege Uhl, uns ist bekannt, dass in Kürze mit der Vergabe der auf dem kritischen Weg liegenden Einhausung bei Aubing begonnen werden muss. Wir kennen den Terminplan und wir werden sicherstellen, dass die Arbeiten entsprechend fortgeführt werden können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zweite Nachfrage, bitte.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann ist Ihnen sicher auch mitgeteilt worden, dass die derzeitig vorgesehene Vergabe dieses Tunnelprojektes zu außergewöhnlich günstigen Konditionen erfolgen kann. Wenn die Mittel nicht zur Verfügung gestellt würden, müsste eine Neuausschreibung mit erheblichen Nachbesserungen erfolgen. Es würde sich also ein erheblicher finanzieller Schaden für die öffentliche Hand ergeben. Ich nehme an, dass Sie auch dieses wissen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Das ist mir nicht bekannt - wie Sie wissen, verläuft das Vergabeverfahren auf einer anderen Ebene -, da ich die Ergebnisse der Ausschreibungen nicht auf den Tisch bekomme. Im Rahmen des Vergabeverfahrens stellen wir aber sicher, dass der Bund die Mittel im Rahmen einer Verpflichtigungsermächtigung bereitstellt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 36 der Kollegin Christine Ostrowski auf: Warum geht gemäß der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Stephan Hilsberg, auf die mündliche Frage 15 der Abgeordneten Heidemarie Ehlert in der Fragestunde am 12. Juni 2002 ({0}) das Programmvolumen für den Stadtumbau Ost weit über die Vorschläge der Expertenkommission hinaus, die in ihrem Abschlussbericht rund 700 Millionen Euro jährlich, also nahezu das Doppelte der jetzt eingestellten Summen, kalkulierte?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Frau Kollegin Ostrowski, in den Empfehlungen der Kommission, die Sie angesprochen haben, heißt es wörtlich: Die Kommission empfiehlt, den Abriss von leerstehenden Wohnungen dort, wo er für den Stadtumbau nützlich und für das Marktgleichgewicht erforderlich ist, mit bis zu 140 DM pro Quadratmeter Wohnfläche zu fördern. Dazu wären über 10 Jahre circa 300 Millionen DM jährlich aufzuwenden, die je zu einem Drittel vom Bund, den Ländern und den jeweiligen Kommunen aufzubringen wären. Allein der Bund stellt im Jahre 2002 153 Millionen Euro bereit. Die gleiche Summe ist für 2003 vorgesehen. Hinzu kommen die Mittel der Länder in gleicher Höhe sowie die Mittel der Kommunen in halber Höhe. Da allein die Mittel des Bundes für den Stadtumbau Ost den Empfehlungen der Kommission entsprechen, trifft die Aussage der Bundesregierung zu, dass das Programmvolumen weit über die Vorschläge der Kommission hinausgeht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Ostrowski zu einer kurzen Nachfrage.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, dass in der Tabelle 17 auf der letzten Seite des Abschlussberichts der Expertenkommission alle Vorschläge der Kommission, auf die ich mich in der Frage beziehe, zusammengefasst sind? Können Sie mir ferner bestätigen, dass die jährliche Summe 1,39 Milliarden DM, also rund 700 Millionen Euro, beträgt? Ich möchte eine weitere Frage anschließen: Können Sie mir weiterhin bestätigen, dass die rund 150 Millionen Euro, die der Bund in den ersten Jahren bereitstellt, nicht ausschließlich für den Abriss bereitstehen, sondern dass diese Summe hälftig für Abriss und Rückbau eingesetzt werden soll? Beim Abriss ist also der Anteil des Bundes unter dem Anteil, den die Expertenkommission vorgeschlagen hat. Letztendlich muss man sagen, dass die Vorschläge der Expertenkommission ein Volumen umfassen - ich habe es in meiner Frage genannt -, das weit über die Summe hinausgeht, die Sie angeboten haben.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Frau Ostrowski, ich bin nicht Ihrer Meinung. ({0}) Ich will Ihnen noch einmal die Zahlen nennen: Die Expertenkommission hat allein für den Abriss 140 DM pro Quadratmeter Wohnfläche gefordert. Das ergibt eine Summe von insgesamt 300 Millionen DM. Davon entfallen 100 Millionen DM auf den Bund. Der Bund stellt aber 153 Millionen Euro zur Verfügung; das sind 300 Millionen DM. Davon steht die Hälfte, also 75 Millionen Euro, für den Abriss zur Verfügung. Das sind nach meiner Rechnung 50 Millionen DM mehr, als die Kommission gefordert hat. Zu den Gesamtmitteln, die wir für den Stadtumbau Ost zur Verfügung stellen, müssen die steuerliche Abschreibung und die Investionszulage hinzugerechnet werden. Hinzu kommen die Förderung des selbst genutzten Wohneigentums und die Förderung aufgrund des § 6 a des Altschuldenhilfe-Gesetzes. Damit ergibt sich eine Summe, die weit über 5 Milliarden Euro liegt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Angesichts der fortgeschrittenen Zeit rufe ich jetzt die Frage 37 der Kollegin Ostrowski auf, wobei ich um eine kurze Nachfrage bitte: Wie lässt sich erklären, dass - obwohl für 25 Antragsteller auf Altschuldenhilfe nach § 6 a des Altschuldenhilfe-Gesetzes bereits 218 Millionen Euro von insgesamt vorgesehenen 358 Millionen Euro bewilligt sind und weitere 65 Anträge auf Entlastung bereits vorliegen - die Bundesregierung keine Notwendigkeit für Überlegungen zu einer Aufstockung des Programmvolumens sieht?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Frau Ostrowski, das Verhältnis der bisher bewilligten Anträge zu dem bewilligten Mittelvolumen lässt sich nicht hochrechnen. Insofern kann aus der Zahl der vorliegenden Anträge nicht auf das erforderliche Mittelvolumen geschlossen werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Ostrowski, bitte.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, Sie bestätigen also, dass bisher 25 Anträge bewilligt wurden, die einen Umfang von 218 Millionen Euro haben, wobei das Gesamtvolumen nur 358 Millionen Euro beträgt. Es liegen aber 65 weitere Anträge vor. Halten Sie es für realistisch, dass die noch verbleibenden Mittel in Höhe von 140 Millionen Euro für die noch vorliegenden 65 Anträge ausreichen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die Frage ist nicht, ob ich das für realistisch halte. Wir bearbeiten diese Anträge. Aus den ersten 25 bearbeiteten Anträgen kann man nichts hochrechnen. Denn - das wissen auch Sie - Anträge kommen von großen Wohnungsunternehmen - diese wollen hohe Beträge und die müssen bewilligt werden - und von kleinen Wohnungsunternehmen, die geringe Beträge anfordern, die wir zur Verfügung stellen müssen. Wir haben das Problem im Auge. Sie wissen - darüber habe ich bereits im Ausschuss berichtet -, dass wir mit den neuen Bundesländern auf Staatssekretärsebene in Gesprächen sind. Ich gehe davon aus, dass wir im Rahmen des § 6 a des Altschuldenhilfe-Gesetzes eine für alle Wohnungsunternehmen gerechte Lösung finden werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, vor allem auch für das Tempo Ihrer Beantwortung. Die Fragestunde ist damit beendet. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Weitere Maßnahmen der Bundesregierung zur Förderung des Mittelstandes Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner für die SPDFraktion ist der Kollege Rainer Wend. ({0})

Dr. Rainer Wend (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden nicht das erste Mal über das Thema Mittelstand. Es lohnt sich, über dieses Thema zu sprechen, weil jeder von uns unabhängig davon, welcher Fraktion er angehört, weiß, dass der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bildet, ({0}) was Beschäftigung, Innovationen und Ausbildung angeht. Deshalb war es kein Zufall, dass die Bundesregierung dem Mittelstand in besonderer Weise Aufmerksamkeit gewidmet hat. Zunächst möchte ich mich ausdrücklich für die Initiativen bedanken, die der Bundeswirtschaftsminister zu Beginn dieser Woche auf einer Pressekonferenz angekündigt hat. ({1}) Wir alle wissen, dass die aktuellen Finanzierungsprobleme des Mittelstandes besonders gravierend sind. Dabei geht es darum, dass sich die Privatbanken insgesamt weitgehend aus der Finanzierung zurückgezogen haben. Aber auch Sparkassen und Volksbanken sagen, dass es zunehmend unattraktiv werde, kleinere Kredite an Existenzgründer und den unteren Mittelstand zu vergeben, weil Aufwand und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zueinander stünden. Deshalb ist die Reaktion des Bundeswirtschaftsministers richtig, wenn er sagt: Wir wollen Kleinstkredite bis 25 000 Euro ohne Sicherheiten und unbürokratisch vergeben. Dies ist praktische Politik für den deutschen Mittelstand. In der „Berliner Morgenpost“ von heute heißt es wörtlich: Der Sparkassenverband hat die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller ... für Kleinstdarlehen an kleine und mittlere Firmen begrüßt. Angesichts der schwierigen Situation vieler kleiner Unternehmen sei die schnelle und unbürokratische Vergabe von Krediten von bis zu 25 000 Euro ein richtiger Weg, erklärte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes ... Dies ist in der Tat der richtige Weg. ({2}) Lassen Sie mich dennoch auf die von Ihnen in diesem Zusammenhang regelmäßig angesprochenen Themen eingehen, wobei ich verstehe, dass sie dem Mittelstand Sorgen machen. Stichwort: 630-Mark-Gesetz. Ich bin nicht sicher - dieses Gefühl hatte ich in den Gesprächen, die ich gerade in den letzten Wochen geführt habe -, ob wir mit diesem Gesetz, was die Bürokratie angeht, alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, es möglichst einfach zu gestalten. ({3}) Diejenigen, die jetzt ihre Backen aufblasen, sollten sich allerdings Folgendes gefallen lassen: Als wir 1998 die Regierung übernommen haben, gab es etwa 5,6 Millionen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. In den letzten zehn Jahren Ihrer Regierung hat sich diese Zahl insgesamt sogar verdoppelt. Gleichzeitig haben Sie in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit die Lohnnebenkosten von 34 auf 42,3 Prozent steigen lassen. Es kam also zu einer Steigerung der Lohnnebenkosten und gleichzeitig haben Sie einen immensen Druck auf die Sozialversicherungssysteme ausgeübt, indem Sie 630-Mark-Jobs in einem Umfang von 5,6 Millionen zugelassen haben. Eine Regierung, die diesem Treiben zugeschaut und damit den Druck auf die Sozialversicherungssysteme noch einmal erhöht hätte, hätte verantwortungslos gehandelt, und zwar nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für den deutschen Mittelstand. Denn zu Recht wird immer wieder gesagt, dass geringe Lohnnebenkosten ein Standortvorteil seien. Nur diese Regierung hat es geschafft, die Lohnnebenkosten stabil zu halten. Nachdem sie während Ihrer Regierungszeit um acht Prozentpunkte gestiegen sind, sind sie in unserer Regierungszeit um einen Prozentpunkt gesunken. Meine Damen und Herren, das ist eine gute Zahl. ({4}) Deshalb möchte ich noch ein Wort zu einem anderen Thema, das auch immer eine Rolle spielt, sagen, nämlich zum Betriebsverfassungsrecht. Auch hier verstehe ich, dass gerade ein kleinerer Unternehmer im Mittelstand in seinem Betrieb am liebsten allein entscheiden würde, was wie geschieht. Das verstehe ich. ({5}) Ich sage aber auch: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Entscheidungen einzubinden, ihnen Mitverantwortung zu geben ({6}) und damit auch ihre Identifikation mit dem Unternehmen zu erreichen ist ein wirtschaftlicher Standortvorteil, den Sie nicht vernachlässigen sollten und zu dem unser neues Betriebsverfassungsgesetz entscheidend beiträgt. ({7}) Deshalb möchte ich zum Abschluss einen Satz an den Mittelstand richten: Vertrauen Sie nicht unbedingt nur denjenigen, die Ihnen jederzeit nach dem Mund reden, sondern überlegen Sie auch, was für den Standort Deutschland, für seine Solidität, für die Sozialversicherungssysteme und auch für die sozialen Standortvorteile dieses Landes am besten ist. Dann werden Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Sie mit dieser rot-grünen Bundesregierung nicht so schlecht gefahren sind. Vielen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Hansjürgen Doss von der CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Hansjürgen Doss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000411, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollege Wend, Sie sind der Pflichtverteidiger dieser Bundesregierung. Ihre Rede war nicht ganz so giftig wie sonst, sondern eher moderat. ({0}) Vielen Dank für diese Ihre Rede, die uns aber nicht weitergebracht hat, weil die Lage des Mittelstandes entgegen dem, was Sie hier vorgetragen haben, doch relativ verzweifelt ist. Das merkt man, wenn man auf Veranstaltungen ist. Das liest man in den Zeitungen. Die Fakten und Daten weisen dies nach. Auch die Anrufe, die wir bekommen, belegen das. Deswegen sage ich: Die Mittelständler haben längst gemerkt, dass sie für diese Regierungskoalition im Jahre 1998 nichts anderes waren als Stimmvieh. Die Umverteilungspolitik ist in der Zwischenzeit immer weiter betrieben worden, und zwar dreieinhalb Jahre lang und zu Lasten der kleinen, fleißigen Unternehmen und der Mittelständler. ({1}) Das ist unser eigentlich zentrales Problem. Der sozialdemokratische Regulierungswahn mit immer mehr Bürokratie und immer mehr Kosten sowie immer höheren Steuern und Abgaben hat zu dem Ergebnis geführt, das wir heute sehen: Pleitenrekorde und Resignation. ({2}) Die Menschen sind im Grunde genommen verzweifelt. Sie sehen keine Zukunft. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. ({3}) Lesen Sie im „Handelsblatt“ von heute nach - uns scheinen Sie ja nicht zu glauben -, dort steht geschrieben: Der von Ihnen seit längerer Zeit beschworene Aufschwung schwächelt schon wieder. ({4}) Schröders Aufschwung schwächelt bereits, bevor er überhaupt angefangen hat. Das sind doch Tatsachen, die Sie nicht einfach verdrängen können. Sie können nicht so tun, als sei gar nichts. ({5}) Erst war es die weltwirtschaftliche Entwicklung, die an allem schuld war. Dann waren es die Auswirkungen der Terroranschläge. Ich denke, in Kürze werden Sie den Eurokurs entdecken. All dies tun Sie nur, um von Ihrem eigenen Versagen in der Wirtschafts- und Mittelstandspolitik abzulenken. Sie lesen offensichtlich nicht, was Ihnen der Mittelstand mit seinen Verbänden mitteilt. Unter anderem sage ich Ihnen: Schauen Sie sich einmal dieses Schwarzbuch an, das die ASU herausgegeben hat. Herr Wirtschaftsminister, das ist eine Ohrfeige für Sie. Es beinhaltet im Grunde genommen die Bilanz einer parteipolitisch unverdächtigen Gruppierung von Unternehmen. ({6}) - Ihre fröhliche Unbekümmertheit bei ernsten Dingen ist ja Ihr Markenzeichen. ({7}) - Wenn Sie die Lage des Mittelstandes wirklich so erheitert, ist das ein sehr guter Hinweis für Ihre Verfassung. ({8}) Die Bauwirtschaft steht am Abgrund. Im ersten Quartal 2002 gab es noch weniger Aufträge, es gab 8 Prozent weniger Umsatz und 7 Prozent weniger Beschäftigte. Die Bundesregierung tut nichts von Bedeutung für die Bauwirtschaft. ({9}) Im Gegenteil: Die Investitionsquote im Bundeshaushalt befindet sich im Jahr 2002 auf einem Rekordtief von 10,1 Prozent, 1998 lag sie bei 12,5 Prozent. Die Situation im Handel ist zum Verzweifeln. Die Menschen haben schlichtweg das Vertrauen in die Zukunft verloren. Sie machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz und deswegen werden auch Kaufentscheidungen zurückgestellt. Wer Angst hat vor der Zukunft, investiert nicht. ({10}) Das schlägt sich in den Einzelhandelsumsätzen nieder, ab 2001 real minus 0,7 Prozent. Was macht die Bundesregierung? - Sie hetzt die Menschen mit einem Antiteurogipfel auf. Hier werden ganz Branchen wegen einzelner schwarzer Schafe in Sippenhaft genommen. ({11}) - Vielen Dank für den berechtigten Applaus. Im Handwerk ist die Stimmung so schlecht wie seit zehn Jahren nicht mehr. Aufträge, Investitionen und Umsätze nehmen ab. Allein in diesem Jahr werden mindestens 60 000 Arbeitsplätze verloren gehen. Vielleicht kommt jetzt wieder bei Ihnen die fröhlich unbekümmerte Heiterkeit auf, wenn Sie von 60 000 Arbeitsplätzen weniger hören. ({12}) Jetzt rückt die Bundestagswahl näher und plötzlich entdeckt der Bundeskanzler mit seinen Mannen den Mittelstand. Er war das Stimmvieh beim letzten Mal und wird jetzt wieder als Stimmvieh benötigt. Plötzlich soll eine Mittelstandsbank geschaffen werden. Nicht neue Staatsbanken braucht der Mittelstand, sondern eine vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik. ({13}) Der Mittelstand braucht mehr Eigenkapital. Hier tut die Bundesregierung alles, damit das vorhandene Eigenkapital aufgezehrt wird. Jetzt hat die Bundesregierung vollmundig eine Mittelstandsoffensive angekündigt. Offensichtlich herrscht bei ihnen eine Art rot-grüner Torschlusspanik. Die ganze rotgrüne Verzweiflung wird an der Absicht deutlich, Mikrokredite bis zu 25 000 Euro durch die Deutsche Ausgleichsbank ohne Sicherheiten zu vergeben. Herr Wend, Sie hatten bereits darauf aufmerksam gemacht. Bei aller Notwendigkeit einer stetigen und ausreichenden Kreditversorgung des Mittelstands: Mit einer solchen staatlichen Kreditvergabepolitik sind Pleiten nahezu vorprogrammiert. Die CDU/CSU ist in der Lage, die Probleme anzupacken. Wir haben das durch unser Regierungsprogramm deutlich gemacht. Das ist das, was dem Mittelstand Hoffnung auf verbesserte Rahmenbedingungen für seine Zukunft macht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kommen Sie bitte zum Schluss. ({0})

Dr. Hansjürgen Doss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000411, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jetzt soll Wirtschaftsminister Müller aus seinem Schattendasein heraustreten. ({0}) Dazu aus der „FAZ“ von heute: ({1}) 43 Prozent ziehen Lothar Späth als Wirtschaftsminister vor, nur 10 Prozent Müller. Der gegenwärtige Wirtschaftsminister ist auch am Ende dieser Legislaturperiode noch 42 Prozent der Bevölkerung völlig unbekannt. Ich schlage deswegen ein Denkmal für unseren Wirtschaftsminister vor, das Denkmal für den unbekannten Minister. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat die Parlamentarische Staatssekretärin Margareta Wolf das Wort.

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Herr Kollege Doss, Sie haben hier das Papier von der Arbeitsgemeinschaft Schwarzer Unternehmer liegen lassen. Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Doss, es gibt die wunderschönen Worte eines französischen Schriftstellers: Das Falsche ... überrascht und verblüfft, aber das Wahre überzeugt und herrscht. Das gilt auch für das, was Sie uns heute erzählt haben. Ich habe gestern einen Blick in Ihr Wahlprogramm geworfen - ich habe es schon ein paar Mal gelesen -, darin ist kein einziges Wort zur Finanzierung zu lesen. Wir finden dazu auch kein einziges Wort über Basel II. Da Sie gerade wieder einmal die Legende von den Nettoeinkommen erzählt haben, möchte ich Ihnen zwei Zahlen nennen. Vielleicht hören Sie dann endlich damit auf, hier ständig Märchen zu erzählen. Die Nettoeinkommen waren im Jahr 1998 preisbereinigt niedriger als im Jahr 1994. Das sagt sehr viel über Ihre Regierungsfähigkeit aus. Sie waren nämlich um 920 Euro niedriger als im Jahr 1994. Wir haben eine klare Umkehr erreicht. Von 1998 bis 2001 stiegen die Nettoreallöhne um 7,1 Prozent. ({0}) Das sind netto 534 Euro. Lassen wir doch einmal die Fakten sprechen! Herr Doss, weil Sie immer über die Bürokratie reden, möchte ich Ihnen sagen: Eine neue Studie der EU-Kommission weist aus, dass für Existenzgründer heute die Gründung an einem Tag möglich ist; der Durchschnitt in Europa liegt bei zwölf Tagen. Die Mindestkosten von 20 Euro sind gering; europäischer Durchschnitt: 90 Euro. Die Anzahl der notwendigen Verfahren wird auf vier geschätzt; damit liegt Deutschland absolut im Benchmark. ({1}) Wir liegen bei den Förderprogrammen - so die OECD auf Platz 1, wenngleich wir alle wissen, dass Finanzierung heute das Hauptproblem der kleinen und mittleren Unternehmen ist. Deshalb steht Finanzierung für uns ganz oben auf der Agenda. Herr Kollege Rauen, Sie verlassen bald dieses Parlament. Ich fände es wirklich schön, wenn Sie bei der letzten Rede, bei der ich Ihnen noch antworten kann, ({2}) zumindest zuhören würden. Vor zwei Wochen haben wir hier über Bürokratieabbau diskutiert. Da haben Sie noch behauptet, das Hauptproblem, das wir in diesem Land hätten, seien das Steuerrecht, das Arbeitsrecht, das Sozialrecht und das Umweltrecht. Sie haben vielleicht bei den gerade vorgetragenen Zahlen - für eine Gründung braucht man in Deutschland einen Tag - gesehen, dass das nicht das Problem ist. ({3}) Unser Problem ist die Finanzierung. Durch Probleme bei der Finanzierung droht tatsächlich das junge Pflänzchen einer neuen Unternehmenskultur, das sich in diesem Land entwickelt hat, langsam, aber sicher zu verdorren. Weil das so ist, hat der Bundeswirtschaftsminister bereits im Jahr 1999 eine Arbeitsgruppe „Finanzierung“ eingerichtet. In ihr sind die Verbände vertreten - nicht Ihre ASU, sondern der ZDH, der DIHK, der BDH, der BDI und alle Bankenverbände. Mit ihnen gemeinsam haben wir eine Erklärung unterzeichnet. Ich diskutiere mit ihnen seit 2000 über Beteiligungskapital, über Basel II, über VC-Fonds. ({4}) - Venture-Capital-Fonds heißt das. - Wir sind auf einem relativ guten Wege. Aufgrund einer Studie der KfW aus diesem Monat, die sie in Zusammenarbeit mit den angesprochenen Verbänden der Kreditwirtschaft gemacht hat - 7 000 Unternehmen hat sie als Grundlage für diese Studie befragt -, wissen wir, dass es vor allen Dingen für kleine und mittlere Unternehmen in den letzten Monaten immer schwieriger geworden ist, Kredite zu erhalten. Die Hauptgründe für die Ablehnung von Krediten waren neben der Eigenkapitalquote die unzureichenden Sicherheiten und natürlich auch die Geschäftspolitik der Banken. Meine Damen und Herren, es kann doch wohl auch nicht sein, dass alle in der Vergangenheit entstandenen Strukturprobleme sich innerhalb kurzer Zeit in nichts auflösen. Ich hätte es schön gefunden, wenn Sie dazu einmal etwas gesagt hätten. ({5}) Da können wir so viel machen, wie wir wollen: In nichts lösen sie sich nicht auf. Die Steuerreform hat die Unternehmen entlastet. Erstmals sind sie tatsächlich in der Lage, Rücklagen zu bilden. Die Rolle, die das Beteiligungskapital spielt, ist in der Vergangenheit nicht ernst genug genommen worden. Selbige KfW-Studie weist nach, dass weniger als 15 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen Beteiligungskapital für wichtig und notwendig hielten. Dieser Anteil hat sich in den letzten dreieinhalb Jahren verdoppelt. Ich glaube, dass dieser Punkt perspektivisch einen Paradigmenwechsel in der Unternehmensfinanzierung und in der Unternehmenskultur in Deutschland darstellt. Diese werden wir weiter verstärken. Somit werden wir die Finanzierungsspielräume beim Fremdkapital wieder verbreitern. Im Hinblick auf die fehlenden Sicherheiten haben wir in den letzten Jahren mit Haftungsfreistellungsvermerken, Garantien und Bürgschaften gearbeitet. Gerade das von Rainer Wend angesprochene Beispiel der Ausgestaltung der Mikrodarlehen zeigt doch, dass die Adjektive der Mittelstandsfinanzierung zukünftig „schnell“ und „unbürokratisch“ heißen müssen und nicht „unkonkret“, verehrter Herr Kollege Doss. ({6}) Nur so kann dem Mittelstand wirklich perspektivisch geholfen werden. Wie Sie sich denken können, rufen auch mich Leute an. Ich sage auf jeder Veranstaltung meine Büronummer. Wir haben im Büro am Tag 20, 30 Anrufe von Unternehmern, die sagen: Meine Privatbank, meine Sparkasse - das nimmt sich inzwischen nicht mehr viel - gibt mir keinen Kredit. Wissen Sie, womit ich mich seit Monaten beschäftige? - Ich fahre zu Bankangestellten und entwickle Business-Pläne für KMUler weiter. Damit beschäftige ich mich. Dies ist das zentrale Problem und an der Lösung desselben sollten wir alle Interesse haben. Hier helfen weder Populismus noch irgendwelche irrealen Forderungen weiter, die wir hier allenthalben präsentiert kriegen. Heute stand in der „Financial Times Deutschland“ ein - wie ich fand - sehr spannender Artikel. Er beginnt - ich möchte einige Sätze zitieren - mit: Die zurückhaltende Kreditpolitik vieler Banken bremst nach Ansicht von Ökonomen den Aufschwung in Deutschland. ... Nach Berechnung von Thomas Mayer, Euro-Chefvolkswirt der Investmentbank Goldman Sachs, ({7}) ist das reale Kreditwachstum zuletzt auf den tiefsten Stand seit ... Anfang der 80er-Jahre gesunken. „Das passt eigentlich nicht zur aktuellen Lage. Es spricht einiges dafür, dass wir strukturelle Veränderungen auf Seiten der Kreditgeber erleben“, so Mayer. Dies ist auch meine Wahrnehmung. In Ihrer Fraktion - so höre ich immer - gibt es Lobbyisten für die privaten Banken in Deutschland. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns darin unterstützen würden, dass der Attentismus, den wir seit Jahren bei den Privatbanken beobachten, endlich aufhört und diese Verantwortung für unseren Mittelstand übernehmen. ({8}) Was erzählen Ihnen denn die Unternehmer, womit begründet wird, dass sie keine Kredite mehr bekommen respektive die Förderanträge nicht durchgeleitet werden? Sie begründen es mit Basel II. Ich möchte Ihnen eines sagen: Ich plädiere sehr dafür, dass wir die Debatte um Basel II hier in diesem Hause, Sie diese dann aber auch mit dem Mittelstand endlich rational führen, weil Basel II, nachdem wir dort vieles durchgesetzt haben, eine Stärkung des Mittelstandes bedeuten könnte. ({9}) - Sie müssen dies auch einmal zur Kenntnis nehmen. Die Schimären, die hier immer aufgebaut werden und jeglicher Grundlage entbehren, bringen uns überhaupt nicht weiter. ({10}) - Den Antrag haben wir alle unterstützt. Ich habe ihn auch mitformuliert, verehrter Herr Kollege. Wir haben in Basel ein Retail-Portfolio bis zu Krediten von 1 Million Euro durchgesetzt. ({11}) - Herr Schauerte, wir haben ihn alle zusammen erarbeitet. Er war die Grundlage für unsere Verhandlungen in Basel. ({12}) Wir haben uns in ganz wesentlichen Punkten durchgesetzt. Das heißt, dass die Kredite, die die kleinen und mittleren Unternehmen bekommen, in Zukunft zu 95 Prozent überhaupt nicht unter das Rating von Basel II fallen. Dies sollte man erst einmal zur Kenntnis nehmen. ({13}) Ich finde gleichzeitig aber auch, dass unser Mittelstand professioneller werden muss. Aber auch die Banken müssen eine transparentere Geschäftspolitik machen. Dies werden wir aber nur erreichen, indem wir die Beziehung zwischen dem Bankangestellten und dem Unternehmer - Herr Schauerte, dies ist kein lustiges Thema - wieder aufbauen, und nicht, indem wir durchs Land reisen und irgendwelche Märchen erzählen, die überhaupt nicht stimmen, dem Mittelstand nicht weiterhelfen und im Übrigen auch der Kreditvergabe in Deutschland keinen Schub geben. Insofern sollten wir wahrnehmen, dass wir bei dem Thema Finanzierung alle in einem Boot sitzen. ({14}) Dieses Thema eignet sich überhaupt nicht für einen parteipolitischen Schlagabtausch. Danke schön. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Rainer Brüderle von der FDP-Fraktion.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stinkt irgendwie zum Himmel: Drei Monate vor der Bundestagswahl werden von der HartzKommission Vorschläge gemacht, wie man am Arbeitsmarkt etwas verändern könnte. Monopolminister Müller kommt nach vier Jahren erfolgloser Tätigkeit für den Mittelstand plötzlich mit einem Mittelstandsprogrämmchen. Zufall - wer nichts Arges dabei denkt. Natürlich gibt es bezüglich des Arbeitsmarktes eine Strategie: Man geht davon aus, dass man dann, wenn man am 16. August einen Kommissionsbericht vorlegt, nichts mehr zu machen braucht. Ich biete Ihnen ausdrücklich an - die FDP-Fraktion ist jederzeit zu Sondersitzungen des Bundestages bereit -, ({0}) dass wir sofort die Empfehlungen der Hartz-Kommission umsetzen. ({1}) Es fehlt zwar noch einiges, so etwa im Tarifvertragsrecht, ({2}) aber machen Sie es endlich! Ihr Verhalten ist oberfaul. Sie tun vier Jahre lang nichts anderes, als den Arbeitsmarkt zu verregeln und zu verriestern. Kurz vor der Bundestagswahl kommen Sie dann mit Gutachtenvorschlägen - zufällig von dem VW-Personalchef -, finden diese ganz toll, sagen: Wir müssen darüber reden, es muss vertieft werden wegen sozialer Gerechtigkeit. Nach der Bundestagswahl ist die Wundertüte zu. Nichts ändert sich. Das ist typisch für Ihre Politik. Hier machen Sie es genauso. Sie haben den Mittelstand vier Jahre lang drangsaliert. Herr Müller fühlt sich bei Post, Telekom, Eon und Holzmann zu Hause, der Mittelstand ist für ihn ein Fremdwort. Mir hingegen wirft er vor, ich sollte mich um den Weinbau kümmern. Sie sollten sich einmal um den Weinbau kümmern. Er ist nämlich mittelständisch strukturiert. ({3}) Sie würden dann nämlich mit den wahren Problemen des deutschen Mittelstandes in Berührung kommen. Sie dürfen nicht nur im Sinne von Konzernen denken. Ihr wirtschaftspolitisches Monopoly ist eben der falsche Weg. Die Konsequenz ist, dass sich am Arbeitsmarkt nichts tut. ({4}) - Sie als Metallfunktionär können ruhig schreien. Sie haben jetzt eine neue Wunderwaffe entdeckt. Sie bieten jetzt das Mikrodarlehen bis zu 25 000 Euro an. Das ist eine tolle Sache. Damit die Banken mitmachen, gewähren Sie 80 Prozent Haftungsfreistellung. Das heißt, das Haftungsrisiko bei der Bank beträgt als Obergrenze 5 000 Euro. Die Banken werden sich alle um diese Darlehen reißen. Herr Müller, das wird ein großer Hit. Zudem erhalten die Banken dafür eine zusätzliche Prämie. Wenn sie 1 Prozent bekommen - in der Regel ist bei den Banken die Marge bei der Vermittlung von Bundes- oder Landesdarlehen niedriger -, haben sie im Jahr einen Anreiz von 50 Euro als Prämie. Die Banken in Deutschland werden die Arbeiten in den anderen Kreditbereichen sofort einstellen und alles tun, um Müllers Wunderdarlehen für 50 Euro im Jahr zu vermitteln. Das ist eine wahre Heldentat. ({5}) Das passt zu der Monopolystrategie von Grün-Rot. Aber der deutsche Mittelstand lässt sich nicht auf den Arm nehmen. Es nützt nichts, drei Monate vor der Wahl ein Pipifaxprogramm aufzulegen. Das ist Augenwischerei. Sie haben den Mittelstand vier Jahre lang drangsaliert. Der Mittelstand will kein Pseudodarlehen mit einem Anreiz von 50 Euro für die Banken. Er will vielmehr faire Rahmenbedingungen. Sie haben den Mittelstand bei der Steuerpolitik nicht anständig und fair behandelt. Was Sie gemacht haben, war eine Steuerpolitik primär für die Großkonzerne, was für den Mittelstand eine Behinderung bedeutet. Wenn die Deutsche Bank ihre Anteile veräußert, dann ist das steuerfrei. Wenn das ein Mittelständler macht, dann ist das etwas anderes. Wir brauchen eine Reform der Reform, um dem Mittelstand aus der Misere zu helfen. ({6}) - Uns das zum Vorwurf zu machen, ist wirklich eine schändliche Vorgehensweise. Herr Staffelt, statt die Klappe so weit aufzureißen, sollten Sie sich schämen. Damit helfen Sie dem Mittelstand überhaupt nicht. ({7}) Kurz vor der Bundestagswahl wollen Sie die Bürokratie abbauen. Wir haben konkret vorgeschlagen, die Umsatzsteuervoranmeldung um 12 Millionen Formulare zu reduzieren ohne eine Mark Mindereinnahme für den Staat. Es soll - das ist international üblich - nicht monatlich, sondern vierteljährlich eine Umsatzsteuererklärung gemacht werden. Daraufhin hat Frau Scheel von den Grünen erklärt: Das kann man nicht machen. Wenn die Umsatzsteuererklärung vierteljährlich gemacht wird, können die Mittelständler in der Zwischenzeit schummeln. - Ich weiß nicht, welchen Umgang Frau Scheel hat. Für den Fall müssten die Grünen eigentlich die tägliche Umsatzsteuererklärung einführen, weil auch in vier Wochen geschummelt werden kann. Das, was Sie vorführen, ist absurdes Theater. ({8}) Sie können bei Ihren Aktuellen Stündchen noch nicht einmal die Reihenfolge der Redner aufstellen. Die Frage war, ob Herr Müller die Aktuelle Stunde eröffnen soll oder nicht. Sie werfen lauter Nebelkerzen. Sie können sich nicht vorbeimogeln. Sie haben vier Jahre lang versagt. Der Arbeitsmarkt und das Wachstum zeigen das eindeutig. Die Bilanz im Mittelstand ist klar negativ. Dafür kommen Sie mit diesem Witzprogramm. Herr Müller, schämen Sie sich nicht, den deutschen Mittelstand mit einem solchen Pseudoprogramm abspeisen zu wollen? Was Sie machen müssten, sind faire Rahmenbedingungen, Entbürokratisierung, die Sicherung der sozialen Sicherungssysteme, damit das Ganze berechenbar ist und sich die Betroffenen darauf einstellen können. Alles andere ist Augenwischerei. Sie geben dem Mittelstand keine faire Chance. Deshalb kommen Sie auf dem Arbeitsmarkt nicht voran. Er bleibt Ihre einzige Hoffnung. ({9}) - Herr Geschäftsführer, Sie haben eine tolle Reihenfolge der Redner aufgestellt. So schlecht, wie Sie die Reihenfolge aufstellen, so blamabel ist auch Ihr Verfahren. Sie können es einfach nicht. Opfer ist der Mittelstand. Es zeigt sich: Die Arbeitslosen in Deutschland haben keine Gewerkschaft. Es wird Insiderpolitik betrieben. Aber wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen. Wir werden das im Wahlkampf allen sagen. Ihre Politik ist gegen den Mittelstand und gegen die Arbeitslosen gerichtet. Es hilft nichts, mit Nebelkerzen zu werfen, nachdem man vier Jahre lang in der Politik versagt hat. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Rolf Kutzmutz von der PDS-Fraktion.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeswirtschaftsminister hat bei der Vorstellung seiner mittelstandspolitischen Ziele für die nächste Wahlperiode ausgeführt: Meine Vorstellungen kommen früh und konkret und nicht spät - „spät“ übrigens ohne h und schwammig. Was den Begriff „früh“ angeht, ist das allerdings nach vier Amtsjahren so eine Sache. So hat sich Minister Müller am Montag zu den geräuschvollen und aus seiner Sicht unsinnigen Debatten mit den Koalitionsfraktionen geäußert; wobei ich für die PDS zumindest hinsichtlich der Energiepolitik feststellen möchte: Wir sind froh, dass die Koalitionsfraktionen gelegentlich für Geräusche sorgten und Sand in das Getriebe des ministerialen Treibens gossen; sonst wäre dort noch weniger Mittelstandsfreundliches herausgekommen, als wir auch so schon konstatieren müssen. Aber man soll schließlich bei niemandem, auch bei Minister Müller nicht, die Hoffnung auf Besserung aufgeben. Wenn allerdings, Herr Kollege Brüderle, der Europaverband der Selbstständigen - um einen weiteren Interessenverband zu zitieren - heute schreibt, dass er schon seit Jahrzehnten fordert, den Unternehmen bis zu zehn Beschäftigten größere Aufmerksamkeit zu schenken, zeigt das auch, dass dies bei früheren Wirtschaftsministern nicht der Fall gewesen ist. ({0}) Gespannt bin ich auf das Verwaltungsdatengesetz, das zum Abbau der Bürokratie beitragen soll. Auch die Generationswechselprämie verdient aus meiner Sicht Beachtung. Das ist zweifellos ein interessantes Modell zur Darstellung von Eigenkapital. Denn so haben beide Seiten, sowohl der Jung- als auch der Seniorunternehmer, noch fünf Jahre lang ein gemeinsames Interesse am Florieren des Betriebes. Natürlich wird das Ganze schwierig - ich meine sogar, fast unmöglich -, wenn der Weg zum dazu versprochenen Darlehen der Deutschen Ausgleichsbank über eine Hausbank führen muss. Das wäre die beste Gewähr dafür, dass sich auch dieser gute Ansatz als Totgeburt erweist. Dieses Schicksal droht, so fürchte ich, dem seit Wochenbeginn überall zitierten Mikrodarlehen. Den Wirbel darum kann ich beim besten Willen nicht verstehen. Betrachtet man nämlich das Konzept im Detail, so ist es faktisch nichts anderes als das seit Jahren praktizierte Startgeld der Deutschen Ausgleichsbank, nur dass es nicht mehr auf Existenzgründungen beschränkt ist, sondern auf alle Kleinund Kleinstbetriebe in den ersten drei Jahren ihrer Existenz ausgedehnt werden soll. Dieser Fortschritt läuft aber ins Leere. Was nützt dem Interessenten das eine unbürokratische Antragsformular, wenn er keine Hausbank findet, die es für ihn bei der Ausgleichsbank einreicht? Denn den versprochenen Verzicht auf Sicherheiten gibt es nicht, solange die Hausbank nur zu 80 Prozent von der Haftung freigestellt ist. Sie sucht dann immer noch für die übrigen 20 Prozent nach Sicherheiten. Ich behaupte, dass die Blockadewand damit genauso hoch sein wird wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt, weil es für einen Banker letztlich derselbe Aufwand ist, ob er für den Förderkredit in Höhe von 5 000 Euro oder für ein Darlehen des eigenen Hauses in Höhe von 50 000 Euro im Unternehmen nach Pfändbarem fahnden muss. Da bleibt im Zweifel die Tür zu, so wie wir es schon seit Monaten beim erwähnten Startgeld erleben. Zu dem Aprilscherz des SPD-Vorsitzenden zur Gründung einer Mittelstandsbank will ich mich heute nicht äußern. Wenn die bestehende Förderbank eigene, direkte Vertriebskanäle nutzen würde, wäre das schon eher hilfreich. Man braucht keine neuen Filialen aufzubauen, sondern kann die der Industriekreditbank, der jüngsten KfWTochter, nutzen. Die Prüfung der eingereichten Unternehmenskonzepte könnte gewiss locker aus den erhöhten Margen bezahlt werden, die der Bund heute vergeblich den Banken hinterherzutragen versucht. Die interessieren sich für Unternehmensfinanzierungen frühestens dann wieder, wenn sie echte öffentliche Konkurrenz bekommen haben. Denn bekanntlich belebt nur die Konkurrenz und nicht irgendein Informationsforum Basel II das Geschäft. Die Wurzel des Problems liegt in der handfesten Verweigerung der Banken. Ähnlich kurzsichtig reagiert der Minister aus meiner Sicht auf das zweite dramatische Problem neben der Unternehmensfinanzierung. Ich meine die miserable Zahlungsmoral, über die wir heute nicht zum ersten Mal sprechen. Es ist ein Unding, wenn sie auf die Zahlungssäumigkeit der Kommunen reduziert wird, wie es am Montag geschehen ist. Diese Frage kann nicht auf die öffentliche Hand reduziert werden. Vergangenen Freitag hat der Bundesrat eine Gesetzesinitiative zur Forderungssicherung beschlossen. Sie ist zwar auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss, dürfte aber über das - seinem Titel hohnsprechende - Zahlungsbeschleunigungsgesetz hinausführen, das es dank RotGrün zurzeit gibt. Wenn man schon über die Kommunen nachdenkt, dann besteht die Lösung des Problems nicht in Beschwerdestellen in Berlin, sondern in einer besseren kommunalen Finanzausstattung vor Ort. Echte Mittelstandspolitik wäre, sich in dieser Frage mit dem Finanzminister anzulegen. Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich gehöre diesem Haus jetzt fast acht Jahre an und bin seit zwölf Jahren Bürger dieser Republik. Minister Müller ist das Beste an Wirtschaftsminister, was mir in dieser Zeit begegnet ist. ({1}) Das heißt aber noch lange nicht, dass er schon ein guter ist. Danke schön. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt Bundesminister Werner Müller. ({0}) Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst einmal darauf hinzuweisen, dass wir durchaus Mittelstandspolitik mit Erfolg gemacht haben. ({2}) Ich könnte Ihnen viele einzelne Dinge nennen. Ich könnte darauf hinweisen, dass wir 150 000 Arbeitsplätze in der mittelständischen Wirtschaft dadurch neu geschaffen haben, dass wir die regenerativen Energien fördern. ({3}) Ich könnte darauf hinweisen, dass wir das Meister-BAföG völlig neu belebt haben, sodass es sich wieder lohnt, Meister zu werden. ({4}) Ich könnte darauf hinweisen, dass wir ein gutes Dutzend überbetrieblicher Ausbildungsstätten neu errichtet haben. Ich könnte darauf hinweisen, dass wir 24 Kompetenzzentren für elektronischen Geschäftsverkehr für den Mittelstand gebildet haben. Ich könnte darauf hinweisen, dass wir 40 Existenzgründerlehrstühle an den Hochschulen neu etabliert haben. Ich könnte darauf hinweisen, dass wir mittels meiner Förderung etliche Tausend neuer Betriebsgründungen im Hochtechnologiebereich in Ostdeutschland zuwege gebracht haben. Ich könnte jetzt eine ganze Zeit lang weiter aus dem Ihnen im März vorgelegten Bericht zitieren, den Sie geflissentlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen. ({5}) Nur, was uns insgesamt beschäftigt, ist doch, nüchtern betrachtet, nicht die Frage: Sind die Rahmendaten für den Mittelstand heute schlechter oder besser als Ende 1998? Ich habe noch in keiner einzigen Veranstaltung einen Mittelständler erlebt, der gesagt hat: Gebt mir die Rahmendaten von Ende 1998 wieder! ({6}) Allein die Tatsache, dass Sie die für den Mittelstand so wichtigen Steuersätze unverändert gelassen haben - 53 Prozent in der Spitze - und den Eingangssteuersatz in den 90er-Jahren sogar noch laufend erhöht haben, spottet doch jeder Beschreibung dessen, was man Mittelstandspolitik nennt. ({7}) Die Problematik, vor der der Mittelstand heute steht, hat nicht diese Bundesregierung und auch nicht die Opposition geschaffen. Das Problem besteht tatsächlich darin, dass die Finanzierung des Mittelstandes nicht mehr eine Aufgabe des privaten Bankensektors zu sein scheint. Jedenfalls drückt dem Mittelstand dort der Schuh am allermeisten. Nun leben wir in einer Marktwirtschaft. Wir können also nicht so ohne weiteres die Banken zwingen, Kredite an den Mittelstand zu geben. ({8}) Auf der anderen Seite können wir aber auch nicht die Augen vor dem Problem verschließen, das sich in den letzten zwölf Monaten in dramatischer Weise aufgebaut hat. Zunächst einmal will ich der Klarheit halber etwas zu dem Mikrokredit sagen, den ich vorgeschlagen habe. Das ist weniger ein Kredit, um - wie soll ich sagen? - den Mittelstand am Leben zu erhalten; das ist vor allem ein Gründerkleinkredit. Wir brauchen Gründungen. Gründungen im Dienstleistungssektor erfordern nun einmal nicht viel Kapital. Da hat jemand eine Idee. Er braucht dann ein Büro, einen PC und vor allem muss er Werbung machen. Dafür braucht er nicht viel Geld, aber er braucht doch einen Kredit. Solche Kredite werden heute in aller Regel nicht mehr gegeben, weil man eine Idee schlecht beleihen kann. Der Lösung dieses Problems haben wir uns angenommen. Vor diesem Hintergrund gibt es für solche Gründungen nun bis zu 25 000 Euro Kredit - und das relativ formlos. Damit das Ganze besser funktioniert als bisherige Gründerkredite, ist das ausgestattet mit einer hohen Haftungsfreistellung und mit einer insgesamt attraktiven Marge. Wir sind mit dem Sparkassen- und Giroverband im Gespräch über die Zusage, dass das auch aktiv vertrieben wird. Ein ganz anderes Problem, das wir seit den letzten zwei, drei Jahren zunehmend sehen, ist, dass die Unternehmensübergabe aus Altersgründen nicht mehr so funktioniert, wie wir das brauchen, damit wir die Arbeitsplätze nicht verlieren. Deswegen wollen wir in einem begrenzten Wirtschaftsraum, nämlich in Ostdeutschland, wo heute schon Betriebe aus Altersgründen übergeben werden müssen - wiewohl diese Betriebe in aller Regel maximal erst an die zwölf Jahre existieren -, einen Versuch machen. Wir sagen: Solange der Alteigentümer 20 000 Euro im Betrieb belässt, legt der Staat 20 000 Euro hinzu. Dann hat der Betrieb 40 000 Euro Eigenkapital und kann sich bei der DtA bis zu 120 000 Euro Kredit beschaffen. Das ist etwa die Summe, die notwendig ist, um die Betriebsübergabe abzusichern. Ferner hat das den Vorteil, dass der Alteigentümer auch noch mit Rat und Tat zur Seite steht. Ein anderes Thema ist die Bürokratiebelastung. Wir haben das übernommen. Ich will zugeben, man hätte sich dieses Themas vielleicht etwas früher und umfänglicher annehmen müssen. Es ist aber nicht einzusehen, dass man die deutschen Unternehmen unverändert mit 230 statistischen Meldepflichten belastet. ({9}) Deswegen habe ich mir ein einfaches Ziel gesetzt: Wir werden die Statistikbelastung der deutschen Wirtschaft schlicht halbieren. Das wird möglich durch Überprüfung der Meldepflicht, durch Streckung der Erhebungszeiträume ({10}) und insbesondere auch durch den Übergang auf mehr Stichprobenerhebungen. Es ist hochinteressant, dass die Vorarbeiten zu diesem Thema bei den Ländern, aber vor allem bei den Wirtschaftsverbänden auf Kritik stoßen. Dazu will ich deutlich sagen: Die Kritik der Wirtschaftsverbände wird mich nicht beeindrucken. Wir erheben Statistiken oft auf gesetzlicher Basis, aber nicht einzig und allein, um irgendwelche Wirtschaftsverbände zu befriedigen. Wenn die Verbände irgendwelche Statistiken brauchen, können sie sie auch selber erheben. Weiterhin wollen und müssen wir konkrete Hilfe bei Finanzierungsfragen geben. Mein Haus bekommt heute schon jeden Tag zwischen 10 und 20 Briefe ({11}) mit der Bitte, bei Finanzierungsfragen irgendwie zu vermitteln. Wir werden diese Finanzierungshilfen künftig in Zusammenarbeit mit dem Sparkassen- und Giroverband und den Genossenschaften systematisch aufbauen. In relativ kurzer Zeit werden wir überall dort, wo Vermittlungsprobleme bei Krediten bestehen, anbieten, vermittelnd tätig zu werden und in aller Regel sind wir dann auch erfolgreich bei der Vermittlung. Es kann nicht sein, dass wir den Mittelstand in diesem Punkt im Regen stehen lassen. Das verstehe ich - um es deutlich zu sagen - unter konkreter Mittelstandspolitik. Ich kann Ihnen einiges durchaus zugestehen. Ich habe beispielsweise Texte zum Mittelstand in den Wahlprogrammen von FDP und CDU gelesen. Ich kann mit allen Überschriften übereinstimmen darin steht überhaupt nichts Falsches. Nur finde ich in Ihren Programmen keinen einzigen Satz dazu, wie das realisiert werden soll. ({12}) Der große Unterschied, Herr Doss, ist ja wohl der: Sie sagen, ich sei nicht furchtbar bekannt. Mich persönlich stört das nicht so furchtbar. Mir ist wichtig, dass ich im Büro am Schreibtisch sitze und arbeite. Ich muss nicht jeden Tag ins Fernsehen rennen und Überschriften verkünden. ({13}) Ich arbeite konkret daran, dass die Situation des Mittelstandes von Tag zu Tag irgendwo immer ein Stückchen besser wird. ({14}) Das ist das, was mir am Herzen liegt. Herr Brüderle, eines muss ich zurückweisen. Sie haben am Anfang gesagt, wir machten immer wieder Programme und nach der Wahl würde sich nichts ändern. Das ist falsch; denn Sie kommen ja nicht dran, sondern wir werden nach der Wahl das umsetzen, was wir vor der Wahl konkret sagen. ({15}) Wenn ich Ihre Überschriften betrachte, kann ich in der Tat die Vermutung äußern: Außer Luft ist sonst nichts. ({16}) Herr Brüderle, wir treten ganz ruhig und nicht aufgeregt, eben mit Sachprogrammen an und werden ganz am Schluss sehen, was der Bürger will: irgendwelche schönen Überschriften oder ganz konkrete Mittelstandspolitik. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Rauen von der CDU/CSUFraktion.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Müller, Sie haben eben Ihre erfolgreiche Mittelstandspolitik gepriesen. Die Wirklichkeit ist: Wir haben in Deutschland ein Mittelstandssterben, wie es dies seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. ({0}) Im letzten Jahr haben 33 000 mittelständische Unternehmen Konkurs angemeldet; für dieses Jahr erwarten wir den Konkurs von 40 000. Wohin auch immer ich als Bundesvorsitzender der Mittelstandsvereinigung komme, ob nach Hamburg oder nach München, ob nach Trier oder nach Leipzig, überall muss ich mich der grauenBundesminister Dr. Werner Müller haften Erkenntnis stellen, dass zurzeit viele mittelständische Unternehmen Insolvenz anmelden müssen. Daher muss man sich schon fragen: Was ist da eigentlich falsch gelaufen? Herr Müller, es ist gut, dass Sie mittlerweile, 88 Tage vor der Wahl, die Mittelstandspolitik entdeckt haben. Ich frage mich nur, wo Sie selbst als Minister der rot-grünen Bundesregierung die letzten fast vier Jahre gewesen sind. ({1}) In Ihrer Presseerklärung von gestern haben Sie angekündigt, Bürokratie abzubauen, zum Beispiel durch die Verringerung der Zahl der Meldepflichten. Außerdem haben Sie eingeräumt, dass die Neuregelung der 630-Mark-Jobs Probleme aufgeworfen hat. Herr Müller, warum haben Sie in diesem Bereich nichts gemacht? Wir werden die alte Regelung, jetzt auf der Basis von 400 Euro, ohne Wenn und Aber wieder einführen. Auf dieses Geld sind 20 Prozent Lohnsteuer zu zahlen und Feierabend! Für den fleißigen Arbeitnehmer, der einen Nebenjob ausübt, ist brutto dann wieder gleich netto. ({2}) Herr Müller, mir fällt auf, dass ich mit dem, was Sie an Grundsätzlichem sagen, immer sehr einverstanden sein kann. Das irritiert mich ein bisschen. In Ihnen sehe ich dann immer jemanden, der von Unternehmen Ahnung hat. Ich frage mich allerdings ständig: Wo bleiben Sie eigentlich, wenn es ans Eingemachte geht? Im Wirtschaftsbericht 1999 Ihres Hauses hieß es: Wenn wir die Zukunft gewinnen wollen, dann müssen wir die Staatsquote auf 40 Prozent reduzieren. Das fand ich großartig. Sie haben damals festgestellt, dass das mit Sozialabbau nichts zu tun hat. Sie haben damit völlig Recht. Wo waren Sie, ein Minister dieser Regierung und damit jemand, der in diesem Land Verantwortung trägt, als Ihr Kabinettschef auf dem Bundesparteitag der SPD unser Ziel, die Staatsquote auf 40 Prozent zu senken, mit Verarmung des Staates und mit sozialem Kahlschlag gleichgesetzt hat? Wo waren Sie, Herr Müller? Bei Ihnen klaffen Worte und Taten meilenweit auseinander. Ich habe noch in guter Erinnerung, was Sie damals zum Betriebsverfassungsgesetz geschrieben haben. Wenn ich mir anschaue, was nachher herauskam, dann muss ich feststellen: Müller fand im Ergebnis nicht statt. Ich finde es sehr schade, dass ein Mann wie Sie in keiner Weise in der Lage ist, sich durchzusetzen, obwohl er es eigentlich könnte. Das, was Sie nun im Zusammenhang mit einem Mikrodarlehen planen, ist doch alles nur heiße Luft. Es ist fast eine Beleidigung des Mittelstands, so etwas 88 Tage vor der Wahl anzubieten. ({3}) Herr Müller, der Mittelstand ist ausgeblutet. Frau Wolf hat zu Recht gesagt: Das Problem ist die Eigenkapitalsituation im Mittelstand. Auch ich beobachte, dass sich die Geschäftsbanken aus der Finanzierung des Mittelstandes verabschiedet haben. Viele Unternehmer, die vor Jahren noch froh waren, Partner einer Geschäftsbank zu sein, freuen sich, wenn sie bei den öffentlichrechtlichen Banken oder bei Genossenschaftsbanken unterkommen. Ich nehme zum Beispiel eine Analyse des Mittelstands sehr ernst, die der Sparkassen- und Giroverband erstellt hat. Auf der Basis von 150 000 Bilanzen und von Daten aller 530 Sparkassen wird deutlich, dass in den letzten zwei Jahren 40 Prozent der mittelständischen Unternehmer keine Gewinne erzielt haben. Ein weiteres Ergebnis dieser Analyse ist, dass 37 Prozent dieser Unternehmer kein Eigenkapital mehr haben; sie haben vielmehr „Kapital auf der falschen Seite“. Frau Wolf, angesichts dessen reicht es nicht, auf die Segnungen durch Basel II zu verweisen. Basel II hebt auf die Eigenkapitalsituation ab. Wenn wir diese Situation verändern wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass den Menschen nach Steuern mehr bleibt. Es gibt keine Alternative dazu, dass der Staat von dem, was wir alle erarbeiten, weniger verbraucht, damit die Menschen mehr in der Tasche haben. ({4}) Das gilt sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Unternehmer, der Geld für Investitionen und dergleichen braucht. Wie ich sehe, läuft meine Redezeit unheimlich schnell ab. Ich möchte noch auf die aktuelle Situation eingehen. Unternehmer sind gar nicht da, um Arbeitsplätze zu schaffen. Unternehmer sind da, um die Wünsche ihrer Kunden zu bezahlbaren Preisen zu erfüllen. Wenn sie das können, dann bekommen sie Aufträge, und wenn sie Aufträge haben, dann können sie Menschen beschäftigen. Sie haben in den letzten drei Jahren wahrheitswidrig behauptet, der Mittelstand sei entlastet worden. Das ist nicht wahr. Mittelstand und Arbeitnehmer sind belastet und nicht entlastet worden. ({5}) Arbeitnehmer und Unternehmer haben den gleichen Einkommensteuertarif. ({6}) Die Forderungen der Gewerkschaften gehen darauf zurück, dass die Arbeitnehmer Verluste der realen Kaufkraft gehabt haben. Um wie viel mehr gilt dies für den Mittelständler, der noch Verschlechterungen bei den Abschreibungsmöglichkeiten hinnehmen musste, der energieintensiv produziert oder energieintensive Dienstleistungen erbringt. Aufgrund dessen haben wir die Situation, die wir jetzt haben. Die Lohnerhöhung von 3,2 Prozent, auf die man sich jetzt im Baugewerbe geeinigt hat, bedeutet, dass ein Facharbeiter bei mir 76,05 Euro brutto mehr bekommt. Netto verbleiben ihm davon 32,57 Euro in der Tasche. Als Unternehmer muss ich 113,06 Euro aufwenden, um diese Lohnerhöhung zu finanzieren. Das heißt, damit der Mitarbeiter lächerliche 32,57 Euro mehr bekommt, verschwinden 80,49 Euro in öffentlichen Kassen. Meine Damen und Herren, es gibt keine Alternative, Eine Steuerreform, die den Arbeitnehmer nicht in die Nähe des Spitzensteuersatzes bringt, ist ebenso dringend nötig wie eine Deregulierung des Arbeitsmarktes, die wieder Luft durch ganz Deutschland bläst, damit hier wieder mehr geleistet wird, mehr Wirtschaftswachstum kommt und damit auch Reformen finanziert werden können. Mit dem, was Sie gemacht haben, haben Sie den Mittelstand in den Ruin und in den Dreck geführt. Schönen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Werner Schulz vom Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Werner Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002108, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Rauen, Kollege Doss, Kollege Brüderle, meine Vorredner der Opposition, man gewinnt wirklich den Eindruck, als hätten Sie den Mittelstandsbericht der Regierung, der im März dieses Jahres, also vor knapp drei Monaten, vorgelegt wurde, nicht gelesen und nicht zur Kenntnis genommen. ({0}) Ich unterstelle das aber nicht, weil ich glaube, dass Ihre Wahlkampfstrategie eher darauf hinausläuft, Halb- und Unwahrheiten zu verbreiten. Das ist im Moment Ihre Strategie. ({1}) Kollege Rauen, es ist doch absurd, dass der Mittelstand, wie Sie hier behaupten, nicht entlastet wurde: 9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr, 16,7 Milliarden Euro im Jahr 2005! Diese Steuerreform ist in ihrer Auswirkung berechnet worden. 30 Prozent der Entlastung kommen allein dem Mittelstand zugute, da wir den Eingangssteuersatz und den Spitzensteuersatz gesenkt, den Grundfreibetrag angehoben und die Möglichkeit geschaffen haben, dass die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet werden kann. Das hat doch Wirkung hinterlassen. ({2}) Sie fragen, wo der Wirtschaftsminister ist. Ich bin erstaunt, wo Sie sind. Ich habe mir das gestern angeschaut. Der Kollege Michelbach, der heute hier sitzt, und Kollege Nooke haben mit der PDS am Brandenburger Tor den trauten Schulterschluss geübt, um die verzweifelte Lage, Kollege Doss, im Mittelstand auszunutzen und diese Situation mit Unwahrheiten anzuheizen. Da sind frustrierten und verärgerten Handwerkerfrauen vergiftete Zuckerstücke von Ihnen herübergereicht worden. Es ist unglaublich, was Sie dort getan haben. ({3}) - Nein, Sie machen böse Politik, Kollege Doss. Das regt mich auf. Ich habe mir das eine Stunde lang angesehen und noch nie eine solch üble Hetze erlebt. ({4}) Da sagt doch der Kollege Michelbach: Ja, zu den Großen wie Holzmann kommt der Bundeskanzler, zu den Kleinen kommt der Gerichtsvollzieher. ({5}) Sie müssten dann aber auch dazu sagen: Wenn man Holzmann nicht gerettet hätte ({6}) von der Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth, über Koch bis zum Bundeskanzler haben das übrigens alle versucht; allein der Bundeskanzler hat es geschafft ({7}) und den Konkurs etwas hinausgezögert hätte, wäre doch vielen kleinen und mittelständischen Betrieben gar nicht klar geworden, dass sie da aussteigen müssen. Ansonsten wären die, die in dem Moment als Subunternehmer tätig waren, mit in den Konkurs gerissen worden. So sind sie doch gerettet worden. Das ist die Wahrheit. Daran hingen doch ganz viele Arbeitsplätze im Baunebengewerbe. ({8}) Sie sprechen jetzt auch noch von Zahlungsmoral und vergessen dabei, dass der Bundestag ein Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen verabschiedet hat. Aber das Wissen darum ist im Mittelstand nicht verbreitet. Die Leute wissen nicht Bescheid. ({9}) - Es ist eine Information des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, dass 90 Prozent der mittelständischen Betriebe das gar nicht kennen. - Nun frage ich Sie: Warum stellen Sie sich nicht hin und verbreiten ein paar Informationen, anstatt immer nur Lügen unter die Leute zu bringen? Das ist unsäglich. ({10}) Ich habe ja viel Verständnis dafür, Kollege Brüderle, dass der Weingeist belebt. Er scheint aber offensichtlich auch die Wahrnehmungsfähigkeit enorm zu trüben. Zu Ihrem Angriff, bei dem Sie Minister Müller als Monopolminister bezeichnet haben, sage ich: Die Entscheidung zur Fusion von Eon und Ruhrgas ist noch nicht gefallen. Ich kenne momentan nur einen großen Lobbyisten, der dazu deutlich Ja und Hurra schreit: Das ist der ehemalige Wirtschaftsminister, der Kollege Rexrodt; der ist nämlich Vorstand einer Lobbyfirma, die den Mineralölkonzern BP vertritt, der wiederum der Eigner von Ruhrgas ist. Es geht also um ein sehr handfestes Geschäftsinteresse, wenn man diese Fusion befürwortet. Das ist die Position des Herrn Kollegen Rexrodt. Ich nehme an, dass das die FDP-Wirtschaftspolitik widerspiegelt. Sie sprechen von Mittelstandspolitik. Was machen Sie denn? Sie verwirren die Leute. Ihre Wirtschaftspolitik beruht im Moment zu 50 Prozent auf Psychologie und zu 50 Prozent auf Zweckpessimismus. Momentan ist das Ihre Mittelstandspolitik. ({11}) - Wasser ist sehr gut und ernüchternd. Ohne Wasser käme auch der Weinbau nicht aus. In der Wasserwirtschaft haben wir einiges zu bieten. Sie berührt auch die Umweltschutztechnik, Herr Kollege Brüderle. Dort gibt es etwa 1,3 Millionen Arbeitsplätze, und zwar überwiegend im Mittelstand. Was wir auf diesem Gebiet geleistet haben, ist eine Erfolgsgeschichte. ({12}) Ich habe die gestrige Pressekonferenz von Wirtschaftsminister Müller verfolgt und seine Rede nachgelesen. Ich lese solche Dinge auch nach. Offensichtlich kommen Sie nicht zum Lesen dieser Materialien, weil Sie so viele Demagogieveranstaltungen besuchen müssen. ({13}) - Ich möchte nur ein bisschen zurückgeben und ein wenig Staub zu Ihnen zurückschicken. - Allein für die Exportförderung der Umweltschutztechnik, die auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien, der Photovoltaik usw. in den letzten Jahren einen Boom erfahren hat, werden demnächst zusätzlich 20 Millionen ausgegeben. Das ist ein enormer Beitrag für die Mittelstandspolitik, die wir in den letzten Jahren sehr wohl gefördert haben. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Lennartz von der SPD-Fraktion.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Sie etwas von Rugby verstehen. Rugby ist ein harter, aber fairer Sport. In Ihrer Rede habe ich die Fairness vermisst. Sie sollten mit dem Kollegen Niebel sprechen; der kann Ihnen etwas über Fairplay erzählen. ({0}) - Ich will auf diese Ausführungen nicht eingehen. Lassen Sie mich eine Bemerkung zu Herrn Rauen machen. Herr Rauen, während Ihrer Rede habe ich mich gefragt, ob es sich bei Ihnen um einen Verdrängungsprozess handelt. Was haben Sie uns - darüber haben wir hier im Parlament schon öfter gesprochen - vor vier Jahren eigentlich hinterlassen? - 1 500 Milliarden Verschuldung, die höchste Verschuldung, die wir in diesem Staat jemals hatten! ({1}) [SPD]: Endlich sagt einer einmal die Wahrheit!) Sie haben uns die höchste Arbeitslosigkeit hinterlassen: fast 5 Millionen. Wir haben im Schnitt über 500 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Herr Rauen - ich schätze Ihren Sachverstand, den man erkennt, wenn man sich mit Ihnen privat unterhält -, wer hat uns denn die höchste Abgabenund Steuerlast hinterlassen? - Das war im Jahre 1998 doch Ihre Regierung! Es darf nicht wahr sein, dass Sie sich jetzt hier hinstellen und so tun, als hätten die Menschen das alles vergessen. Seien Sie sich selbst und uns gegenüber einmal ehrlich und ziehen Sie Bilanz. Das kann ich Ihnen nur raten. ({2}) Ich will den Sachverhalt in meine Worte fassen. Wenn man am Samstag und Sonntag im Wahlkreis unterwegs ist, spricht man mit Leuten aus dem Mittelstand. Ich will hier deutlich machen: Der Mittelstand in Deutschland ist ein starker und verlässlicher Partner. Über 3,3 Millionen kleine und mittelständische Unternehmen stellen fast 70 Prozent aller Arbeitsplätze, ({3}) rund 80 Prozent der Ausbildungsplätze und tragen 57 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei. ({4}) Lieber Herr Rauen, wir sind die zweitgrößte Exportnation der Welt, auch dank des Mittelstandes. Wie können wir die zweitgrößte Exportnation der Welt sein, wenn wir so schlecht wären, wie Sie es hier darzustellen versuchen? Akzeptieren Sie diese Datenlage doch einmal! ({5}) - Das ist nicht wahr. Unter Ihrer Regie waren wir die drittgrößte Exportnation der Welt, mittlerweile sind wir die zweitgrößte Exportnation der Welt. Das ist das Ergebnis unserer Politik. Meine Damen und Herren, auf den Mittelstand können wir zu Recht stolz sein, auf das hohe Ausbildungsniveau Werner Schulz ({6}) ebenso wie auf die hervorragend ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir können stolz sein auf das vom Mittelstand Erreichte. Wir sind stolz auf die Kreativität und Innovationskraft der Unternehmerinnen und Unternehmer. Der Mittelstand in Deutschland hat eine solide und verlässliche Politik, Herr Rauen, mehr als verdient. ({7}) 16 Jahre Regierungsuntätigkeit unter Kohl, meine Damen und Herren von der Opposition, waren Sand im Getriebe des Mittelstandes. Diese Bundesregierung hat notwendige Reparaturen durchgeführt, damit der Motor Mittelstand wieder anspringt. Wir gehen da einen geraden und aufrichtigen Weg: Zukunftsinvestitionen statt Zinszahlungen und Entschuldung statt Neuverschuldung. ({8}) Es liegt im Interesse des Mittelstandes, wenn wir die Neuverschuldung bis zum Jahre 2006 auf null zurückfahren und den Schuldenberg kontinuierlich abbauen; ({9}) denn unser Konsolidierungskurs schützt den Mittelstand nicht nur vor Steuererhöhungen, sondern wir haben dadurch sogar den Spielraum für erhebliche Steuersenkungen geschaffen, die wir dann auch durchgeführt haben. Eine Politik auf Pump, wie sie in Stoibers bzw. Ihrem Wahlprogramm nachzulesen ist, wird zwangsläufig Steuererhöhungen zur Folge haben. Ihre milliardenschweren Wahlversprechen sind unfinanzierbare Luftschlösser. Sie wären schon pleite, bevor Sie den ersten Spatenstich setzen. ({10}) - Sie werden Gott sei Dank nicht in die Lage kommen, das zu beweisen. Sie haben 16 Jahre lang bewiesen, dass Sie unfähig sind, dieses Land zu führen. Sehen Sie sich doch Ihre Bilanz nach 16 Jahren an! ({11}) Durch unsere Steuerpolitik werden Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft im Jahr 2005 im Vergleich zu 1998 rund 41 Milliarden Euro weniger an Steuern zahlen. Allein Mittelstand, Handel, Handwerk und Gewerbe werden in diesem Zeitraum um 16,7 Milliarden Euro entlastet. Auch die faktische Freistellung von der Gewerbesteuer führt zu einer zusätzlichen Entlastung von Personenunternehmen. All dies hätten Sie machen können. Warum haben Sie es nicht getan? Warum haben Sie nicht geleistet, was wir unter Wirtschaftsminister Müller in diesen Jahren geleistet haben? Sie, Herr Brüderle, waren doch von Anfang an mit dabei. An solchen Daten können Sie doch nicht vorbeigehen. Der Mittelstand erwartet von der Politik zu Recht auch eine Stärkung der Innovationsfähigkeit. Mit der steuerlichen Entlastung des Mittelstandes sind die finanziellen Freiräume für Forschung und Entwicklung geschaffen worden. Wir erhöhen auch weiterhin, wie in den letzten vier Jahren, konsequent die Ausgaben für Bildung und Forschung auf 8,6 Milliarden Euro im Jahre 2003. Das ist gegenüber 1998 ein Anstieg um rund 18 Prozent. Wir investieren in Hochschulen. Wir investieren in den Wissenschaftsstandort. Wir investieren allein in die Infrastruktur 12 Milliarden, fast 27 Prozent mehr als im Jahre 1998. Das ist konkrete Mittelstandspolitik. Das sind Aufträge für Arbeitgeber, für den Mittelstand. Das sind Sekundäraufträge. ({12}) Das hätten Sie alles machen können. Sie haben es nicht getan. ({13}) Hier wird so viel darüber gesprochen, wer hier alles unterwegs ist. Lassen Sie mich dazu noch zwei oder drei Bemerkungen machen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nein, Herr Kollege.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann mache ich zwei Bemerkungen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zwei, okay.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Müller, Sie haben das Programm Mikrodarlehen angesprochen. Wir kennen doch wirklich die Probleme bei Existenzgründungen vor Ort, zum Beispiel im Falle von bis zu zehn Beschäftigten. Da Sie das eben eingehend erläutert haben, möchte ich auf diesen Punkt nicht eingehen. Dafür gehe ich etwas ausführlicher auf den zweiten Punkt ein: Basel II. Wenn wir unterwegs sind, was hören wir dann zu Basel II? Wir wissen doch, was wir als Politiker im Deutschen Bundestag in Basel zu erreichen versucht haben. Stimmt das oder stimmt das nicht? ({0}) - Warum gehen Sie dann in der Woche zu den Betrieben und versuchen, Basel demagogisch als Würgegriff für den Unternehmer darzustellen? Es kommt noch ein Punkt hinzu. Sie müssten einmal Ihre Kolleginnen und Kollegen reden hören, wie sie den Mittelstand informieren: Da ist Basel II das große Gespenst, das den Mittelstand vernichtet. Nur, eines muss ich mittlerweile auch zur Kenntnis nehmen, Frau Kollegin - das sage ich sehr offen -: Obwohl Basel II wahrscheinlich erst mit Wirkung vom 1. Januar 2006 oder 2007 in Kraft tritt, handeln manche Banken bereits so, als ob Basel II bereits in Kraft sei: Ich nehme es gern zur Kenntnis, Herr Rauen, dass Sie sagen: Das ist so. Dann seien Sie doch diesem Bundeswirtschaftsminister mehr als dankbar, dass er gemeinsam mit der Kreditwirtschaft ein Informationsbüro zu Basel II einrichten will, damit Informationspolitik betrieben wird und sich der Mittelstand keine Sorgen zu machen braucht. Darum geht es doch. Dies hat der Minister gestern in seiner Pressekonferenz vorgestellt. Lesen Sie doch auch bitte das, was Ihnen unangenehm ist! Zum Wahlkampf gehört, dass man sachlich und ordentlich miteinander umgeht. Wir reden nicht, wir handeln. Wir bauen keine Luftschlösser, wir schaffen eine solide Grundlage für die Zukunftsfähigkeit unseres Mittelstands. Das sind die Rahmenbedingungen, die ein leistungsstarker Mittelstand braucht. Finanzierbar, machbar und umsetzbar - das ist die Politik von Wirtschaftsminister Müller. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Lennartz, wie ich erfahren habe - Ihr Geschäftsführer hat mir das signalisiert -, war das Ihre letzte Rede im Deutschen Bundestag. ({0}) Deswegen war ich hinsichtlich der Redezeit auch extrem großzügig. ({1}) Ich danke Ihnen jedenfalls für Ihre letzte Rede und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg. Ich bedanke mich im Namen des Hauses für die kollegiale Zusammenarbeit. ({2}) Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dagmar Wöhrl von der CDU/CSU-Fraktion.

Dagmar G. Wöhrl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002829, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich hätte gern etwas auf die Rede des Kollegen Lennartz erwidert, aber mit Rücksicht darauf, dass es seine letzte Rede war, komme ich zur Mittelstandspolitik zurück. Man hat wirklich das Gefühl, dass kurz vor der Wahl der Mittelstand von Ihnen wieder entdeckt wird. Aber ich bin mir sicher, dass die Liebe, die Sie herüberzubringen versuchen, nicht in der Form erwidert wird, wie Sie sich das vielleicht wünschen. Plötzlich reden Sie hier von einer Mittelstandsfinanzierung. Das zeigt erstens, es ist kurz vor der Wahl, und zweitens, Sie haben ein schlechtes Gewissen. Das ist gut so. Sie haben ein verdammt schlechtes Gewissen und das kann ich auch verstehen. ({0}) Vier Jahre lang haben Sie den Mittelstand stranguliert, jetzt machen Sie halbherzige Beatmungsversuche. Sie zimmern hektisch einen Maßnahmenkatalog zusammen, ein notdürftiges Carepaket, könnte man sagen, von dem niemand satt wird. Außerdem kommt es viel zu spät. ({1}) Zudem reden Sie plötzlich von Bürokratieabbau durch Reduzierung von Meldepflichten - toll! Aber denken Sie auch einmal darüber nach: Wer hat eigentlich dazu beigetragen, dass die Bürokratie noch mehr aufgebläht worden ist? Schauen Sie sich einmal an, wie die Verwaltungskosten der Betriebe bei uns in Deutschland inzwischen aussehen. 30 Milliarden Euro im Jahr werden nur für Bürokratie ausgegeben. Wer ist am meisten davon betroffen, liebe Kollegen von der Koalition? - Die Kleinen sind es. Betriebe mit bis zu neun Beschäftigten haben Bürokratiekosten von 3 500 Euro im Jahr. Größere Betriebe mit über 500 Beschäftigten haben dagegen Bürokratiekosten von 150 Euro im Jahr. Diese Zahl müsste Ihnen zu denken geben. Was haben Sie gemacht, statt das bürokratische Dickicht zu lichten? - Sie haben dem Mittelstand immer mehr die Luft zum Atmen genommen. Ich will jetzt gar nicht näher auf die 630-Mark-Jobs eingehen. Das Gesetz ist inzwischen ein Schwarzarbeitförderungsgesetz geworden. ({2}) Das Scheinselbstständigengesetz ist ein Existenzgründungsverhinderungsgesetz geworden und Ihr Anspruch auf Teilzeit heißt für alle Unternehmer inzwischen: Um Himmels willen, bloß keine Frau einstellen! - Das haben Sie mit Ihren Gesetzen bewirkt. Was wollen Sie jetzt machen? Das neue Zauberwort des Herrn Ministers heißt Mikrodarlehen. Das ist sicher schön für manchen Existenzgründer, der gute Ideen und eine schlechte Finanzlage hat. Aber das ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Damit packt man nicht das Übel an der Wurzel. Ich habe mir extra die Pressekonferenz des Ministers angesehen. Er konnte auf die vielen Nachfragen der Journalisten, wie es mit der Haftung aussieht, nicht antworten. Dieses Geld soll nämlich ohne Risikofaktor und ohne Prüfung der unternehmerischen Erfolgsaussichten ausgegeben werden. Das heißt, alles wird auf dem Prinzip Hoffnung aufgebaut. Das erinnert stark an die ganze Wirtschaftspolitik dieser Regierung in den letzten vier Jahren: Es wird versprochen, versprochen, versprochen, ohne dass irgendeine Sache zu Ende gedacht worden ist. Im Endeffekt heißt es: versprochen und gebrochen, weil Sie nicht erfüllen können, was Sie versprechen. ({3}) Warum werden wir denn dieses Jahr über 40 000 Pleiten haben? Über 600 000 Arbeitsplätze werden davon betroffen sein. Das Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme beträgt bei deutschen Unternehmen nur 18 Prozent. In Holland und Belgien sind es 45 Prozent, ganz zu schweigen von den USA. Warum hat der Mittelstand eine so hauchdünne Eigenkapitalquote, die ihn in Krisenzeiten so anfällig macht? Ich sage Ihnen, warum: Durch die Abgaben- und Steuerpolitik, die Sie auf den Weg gebracht haben, haben Sie den Mittelstand stranguliert. ({4}) Sie müssen endlich aufhören, nur Almosen zu verteilen und eine Klein-klein-Politik zu machen. Sie müssen vielmehr Reformen für den Mittelstand auf den Weg bringen. Sie führen eine Generationswechselprämie im Osten ein. Damit wird ein neuer Subventionstopf aufgemacht. Es wird aber nicht gesagt, wie man die Mitnahmeeffekte, die sich jetzt schon abzeichnen, und wie man den Missbrauch in diesem Bereich verhindern will. Denken Sie einmal über Folgendes nach: Wäre es nicht viel sinnvoller, einem Unternehmer, der den Betrieb vom Vater oder von der Mutter übernimmt, die Erbschaftsteuer für zehn Jahre zu stunden? Wenn er dann den Betrieb weiterführt und auch noch Arbeitsplätze schafft, sollte man ihm die Erbschaftsteuer erlassen. Das wäre ein echter Anreiz. ({5}) Damit wäre der Volkswirtschaft mehr geholfen als mit vielen anderen Maßnahmen. Stattdessen denken Sie hinter verschlossener Tür darüber nach, die Erbschaftsteuer zu erhöhen. Damit würden aber viele potenzielle Betriebsnachfolger vergrault werden. Sie haben ein Flickwerk von unausgegorenen Einzelmaßnahmen auf den Tisch gelegt. Es wurde kein geschlossenes Mittelstandskonzept präsentiert. ({6}) Ich sage Ihnen: Verteilen Sie nicht Pflaster und Placebo! Fangen Sie mit der richtigen Therapie an! Ich kann nur einen positiven Punkt in dieser Debatte sehen, nämlich den, dass Sie endlich erkannt haben, dass es vor allem der Mittelstand ist, der in diesem Land Beschäftigung schafft. Auf Ihre Alibiveranstaltung, die Sie am Montag auf der Pressekonferenz inszeniert haben, kann man wirklich verzichten. Der Mittelstand in Deutschland weiß genau, dass er bei uns offene - und nicht wie bei Ihnen: geschlossene - Türen findet. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Jelena Hoffmann von der SPD-Fraktion. ({0})

Jelena Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002681, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Oppositionskollegen, Frau Wöhrl, Herr Doss und Herr Brüderle! Ihre Mittelstandspolitik hat zum Ziel, die mittelständischen Verbände gegen die rot-grüne Regierung aufzubringen und Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer auszuspielen. ({0}) Es ist nicht die Betriebsverfassung, die - wie Sie überall erzählen - dem Mittelstand das Leben schwer macht. Sie wissen doch, dass nur 4 Prozent aller Unternehmen, die bis zu 100 Mitarbeiter beschäftigen, einen Betriebsrat haben. Der Mittelstand hat ganz andere Sorgen; ich nenne zum Beispiel Bürokratie und Finanzierung. Diese Probleme des Mittelstandes sind aber nicht in den letzten vier Jahren der rot-grünen Bundesregierung entstanden. ({1}) Wenn ich Ihnen zuhöre, dann muss ich mich jedes Mal fragen, wo Ihre guten Vorschläge vor vier Jahren waren. Warum haben Sie damals nicht gehandelt? Die Probleme sind in den letzten Jahren der kohlschen Regierung sukzessive gewachsen, man kann sagen: aufgebaut worden. Wegen der Kürze der Zeit gehe ich heute nur auf ein Problem ein: auf bürokratische Hemmnisse in der Wirtschaft, die besonders KMUs belasten. Ich möchte die Opposition heute auf ihre eigene Broschüre aus dem Jahre 1994 hinweisen, auf die Empfehlungen der so genannten Waffenschmidt-Kommission. Bevor Sie uns Bürokratismus vorwerfen, möchte ich Sie fragen: Wie viele Empfehlungen aus dieser Broschüre haben Sie während Ihrer Regierungszeit umgesetzt? Schließlich hatten Sie bis 1998 immerhin noch vier Jahre Zeit, entsprechend zu handeln. Sie hätten in dieser Zeit einige Vorschläge schnell umsetzen können. Sie haben aber nicht auch nur einen kleinen Schritt zur Entbürokratisierung des Mittelstandes gemacht. Unsere Mittelstandspolitik unterscheidet sich von der Ihren auch in diesem Punkt gravierend. In drei Bereichen beklagen sich die Unternehmen über bürokratische Belastungen ganz besonders: Das sind Steuern und Abgaben, Arbeit und Soziales sowie Statistik und Umwelt. Natürlich gebe ich zu, dass die bürokratischen Belastungen bei den 630-DM-Jobs und der Scheinselbstständigkeit nicht kleiner geworden sind. ({2}) Doch ich muss zum einen unterstreichen, Herr Brüderle, dass die hierzu eingeführten Regelungen notwendig waren, und zum anderen, dass deren Umsetzung schon vereinfacht wurde und weiterhin vereinfacht wird. ({3}) Auf der Pressekonferenz vom 24. Juni 2002 hat Wirtschaftsminister Werner Müller zugesagt, in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam mit Arbeitsminister Walter Riester die Handhabung dieser Regelungen zu überprüfen, ohne die entsprechenden Gesetze inhaltlich infrage zu stellen. ({4}) Lassen Sie mich auf einige ganz konkrete Schritte zur Entbürokratisierung der Wirtschaft eingehen, die die im Bundesministerium für Wirtschaft bestehende Projektgruppe „Abbau von Bürokratie“ gemacht hat. Hiervon profitieren vor allem Mittelständler und Existenzgründer. Dazu gehören die Erprobung einer bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer oder die Verbesserung der Kommunikation zwischen Unternehmen und Krankenkassen, die oft beklagt worden ist. Diese ist vereinfacht und beschleunigt worden. Das steht in der entsprechenden Broschüre. Warum haben Sie das eigentlich nicht umgesetzt? Immer wieder wird vorgetragen, dass eine Existenzgründung in Deutschland mit großen bürokratischen HürDagmar Wöhrl den verbunden sei. Das stimmt so nicht. Die Gründer beschweren sich nicht in erster Linie über die Gesetze, sondern darüber, dass ihnen Informationen fehlen oder dass Informationen falsch sind. Das Problem wird gelöst. Noch in diesem Jahr wird den Kammern und Beratern in den Kommunen ein entsprechendes Internetinformationssystem zur Verfügung gestellt. Als nächste Schritte sollen die Verbesserung des Umgangs mit Verdienstbescheinigungen und die Entlastung im Bereich der Steuervoranmeldungen folgen. Das alles sind Vorschläge von Ihnen von vor 1994. Lassen Sie mich abschließend auf ein Thema eingehen, welches in der öffentlichen Diskussion immer wieder als Beispiel für bürokratische Hemmnisse genannt wird. Es geht um die Meldepflichten im Bereich der amtlichen Statistik. Wirtschaftsminister Müller ist bereits darauf eingegangen; auch ich möchte dazu etwas sagen. Der Wirtschaftsminister hat hierzu festgestellt, dass eine Entlastung der Unternehmen von den Meldepflichten im Bereich der amtlichen Statistik um 50 Prozent für erreichbar gehalten wird. Hier stehen neben dem Bund auch die Verbände und die Länder in der Pflicht. Man kann übrigens mit uns über bürokratische Hemmnisse und viele Vorschläge trefflich streiten. Doch eines ist mit uns nicht machbar: Einschnitte in das soziale Netz. Was wir nicht sagen und nicht hören, sind die positiven Dinge; auch darauf möchte ich kurz eingehen. Über schnelles und unbürokratisches Handeln der Verwaltung wird zu wenig oder gar nicht gesprochen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Hoffmann, kommen Sie bitte zum Schluss.

Jelena Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002681, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Noch zwei Sätze. - Denn eines ist uns allen klar: Regulierung und Regelungen, zum Beispiel solche zur Förderung des Mittelstandes, sind wichtig. Alles wollen wir nicht abschaffen. Deshalb sage ich hier: Es ist nicht alles Gold, was glänzt; aber vieles ist besser, als die Opposition es im Wahlkampf darstellen will. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Hartmut Schauerte von der CDU/CSU-Fraktion.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Dem Mittelstand geht es wirklich schlecht. Darüber besteht hier ja wohl kein Streit. Denn nicht umsonst hat die SPD zum ersten Mal in den letzten vier Jahren eine Aktuelle Stunde zur Lage des Mittelstandes beantragt. ({0}) Dies geschah vor dem Hintergrund einer Erklärung des zuständigen Ministers. Wir begrüßen es, dass Sie glauben, dass wir über die Sorgen des Mittelstandes wirklich ernsthaft sprechen müssen. Nun schauen wir uns einmal an, was an den Vorschlägen, die Gegenstand dieser Aktuellen Stunde sind, wirklich dran ist. Ich möchte nur wenige Punkte ansprechen, zum Beispiel die Frage der Mikrodarlehen. Schon der Begriff ist interessant. Normalerweise stellt man die Vorsilbe „mikro“ einer Sache voran, die man mit dem Mikroskop suchen muss. Es könnte sein, dass das auch hier der Fall ist. Es sind also ausgesprochen kleine Beträge. Ich behaupte: Deswegen wäre kein einziger Insolvenzfall vermieden worden. Aber so, wie sie angelegt sind, sind sie auch nichts Neues. Auch bisher gab es bei öffentlichen Fördermitteln Haftungsfreistellungen. Ich weiß, wovon ich rede. Hier nimmt man sie bei Kleinstbeträgen vor, belässt einen erheblichen Prozentsatz des Risikos bei der Bank und erklärt draußen - das ist das eigentlich Erstaunliche -, dass diese Kredite überhaupt nicht geprüft würden. Mein erster Punkt. Können Sie sich vorstellen, dass irgendeine Ortsbank - ich weiß, wovon ich rede - einen Kredit vergibt, aber nicht - selbst wenn sie nur mit 20 Prozent beteiligt ist - überprüft, ob die Sache gut geht? Also vermeiden Sie doch den Eindruck, das würde überhaupt nicht mehr geprüft. ({1}) Dann würde nämlich am Ende jeder sagen: Hallo, hier bin ich. Ich beabsichtige eine Existenzgründung und hätte gerne 50 000 DM bzw. 25 000 Euro. Was soll das? Mein zweiter Punkt. Sie wollen prüfen lassen, ob es eine Generationswechselprämie im Großversuch geben könne. ({2}) Das möchten Sie nach der Wahl prüfen lassen. Eine Generationswechselprämie bzw. Übergangsprämie in Höhe von 20 000 Euro - eine tolle Sache? Herr Müller wenn Sie Ihrem Finanzminister beigebracht hätten, die Besteuerung der Übergabe von selbstständigen mittelständischen Handwerksunternehmen ({3}) auf die nächste Generation wieder auf den vernünftigen Stand zurückzuführen, den wir hatten, nämlich auf den halben Steuersatz, ({4}) dann hätten Sie den Menschen ungleich mehr geholfen als jetzt im Nachhinein mit der Gewährung einer so genannten Übergangsprämie, die Sie dann natürlich zunächst auch mit dem Finanzminister besprechen müssten. Denn sie ist vermögensmäßig dem Übergebenden zugewachsen. Dieser zahlt auf das, was er in dem Betrieb stehen lässt, zunächst einmal Steuern. ({5}) All das ist nicht durchdacht, sondern hektisch. Mein dritter Punkt. Ich möchte gerne die KfW/DtA ansprechen. Herr Minister Müller, das „Handelsblatt“, das ja für seine präzise Berichterstattung aus dem Leben der Jelena Hoffmann ({6}) Wirtschaft bekannt ist, überschreibt die Meldung über Ihr Mittelstandsgespräch wie folgt: Müller kündigt neuen Fusionsversuch von KfW und Ausgleichsbank an. - Herr Müller kündigt also den neuen Versuch eines Gesprächs mit seinem Nachbarn, Herrn Eichel, an. ({7}) Das ist ein wesentlicher Kern Ihres Mittelstandsförderungsprogramms. Ja, wo leben wir? Das Haus brennt lichterloh und Sie können nicht einmal die einfachsten Dinge regeln. Das ist unerträglich! ({8}) Ein letzter Punkt. Ja, Herr Wend, die ehemaligen 5,6 Millionen 630-DM-Beschäftigten zahlten damals pauschal 20 Prozent Steuern. Von diesen sind heute 1,2 Millionen wieder aufgetaucht, die 22 Prozent Versicherungsbeiträge zahlen. Der Rest ist in die Schwarzarbeit oder in die Untätigkeit gegangen. Die Abschaffung der 630-DM-Beschäftigungsverhältnisse war ein miserables Geschäft für die Kassen des Staates. ({9}) Wir empfehlen, den Steuersatz von 20 Prozent wieder einzuführen und 5 Millionen fleißigen Menschen wieder eine Chance zu geben, zusätzliches Geld zu verdienen. Dieses Geld würde in den Konsum fließen und der Staat könnte 20 Prozent Steuern einnehmen. Dann könnte der Finanzminister den Überschuss gerne an den Sozialminister abgeben. Das wäre gar kein Problem. Es ist besser, der Finanzminister übergibt zwölfmal im Jahr einen Monatsscheck, als dass Millionen Menschen Abrechnungssysteme zu beachten haben, die überhaupt nicht funktionieren, Arbeit lähmen und den Mittelstand gefährden bzw. kaputtmachen. ({10}) Ich komme zum Schluss. Nachdem der Bundeskanzler mit seinem Slogan von der „Neuen Mitte“ gewählt worden ist, hat er ihn im Laufe der Legislaturperiode zum alten Eisen getan. Dieses alte Eisen ist nun rostig geworden und soll 80 Tage vor der Wahl - ich wiederhole es: 80 Tage vor der Wahl - wieder blank poliert werden. Auf diesen Trick fällt niemand herein. Da hilft es auch nicht, wenn Sie, Herr Müller, zum ersten Mal im Kranz Ihrer gesamten Staatssekretäre hier bei einer Mittelstandsdebatte dabei sind. Alle sind da; selbst der ehemalige, den ich herzlich begrüße, ist da. Eine solche Aufmerksamkeit gab es seitens der SPD-Regierung noch nie, wenn es um eine Mittelstandsdebatte ging. ({11}) Ich komme zu meiner letzten Bemerkung. Aus der ruhigen Hand des Bundeskanzlers in der Frage der Reformpolitik ist die flatterhafte Hand des Wirtschaftsministers geworden. Es ist zu spät für diese Regierung. Aber es ist früh genug für Lothar Späth. Ich bedanke mich. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Ditmar Staffelt.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider Gottes ist diese Debatte auch durch die Äußerungen von Herrn Schauerte nicht sehr viel sachlicher geworden. Ich kann Ihnen zunächst einmal zum Thema Finanzierung Folgendes sagen: Ich weiß aus sehr vielen Gesprächen landauf, landab mit Gewerbetreibenden, Handwerkern und denjenigen, die in Dienstleistungsunternehmen tätig sind, dass gerade die Kleinsten in besonderer Weise Probleme bei der Ausstattung mit Bankkrediten haben. Gerade für diesen Kreis ist das, was Minister Müller ({0}) am Montag in seiner Pressekonferenz vorgestellt hat, ({1}) ein ganz wichtiger Schritt, um sich überhaupt am Markt weiter zu halten. Das sollten Sie loben und nicht kritisieren, Herr Schauerte. ({2}) Ihnen geht es gar nicht um die Sache, Ihnen geht es ausschließlich um Polemik, wie wir alle wissen. Wir haben in dieser Wahlperiode eine Vielzahl von Maßnahmen - das können Sie nicht einfach wegdiskutieren - für den Mittelstand ergriffen. Wir haben in Deutschland eine hervorragende Förderkulisse, und zwar sowohl beim Bund über KfW und Deutsche Ausgleichsbank als auch bei vielen Landesinvestitionsbanken. Wir haben die Existenzgründungen, die Innovationen und die erneuerbaren Energien unterstützt und Darlehen in Milliardenhöhe an kleine und mittelständische Unternehmen vergeben. Die Banken, die als Förderbanken des Bundes tätig sind, können von sich sagen, dass sie alles Erdenkliche getan und sich weit aus dem Fenster gelehnt haben, um die innovativen Impulse der New Economy aufzunehmen und mitzuhelfen, dass ein Bereich wie die Informationsund Kommunikationstechnik endlich in die Weltspitze geführt wird. ({3}) Zu Ihrer Regierungszeit lagen wir im europäischen und im weltweiten Vergleich im unteren Mittelfeld. ({4}) Heute befinden wir uns in einer Situation, die insbesondere für den Mittelstand von Bedeutung ist: Die Informations- und Kommunikationsbranche liegt im Branchenvergleich nach Umsatz- und Beschäftigungszahlen auf Platz drei. 89 Prozent der deutschen Betriebe haben Zugang zum Internet. Damit liegen wir vor den USA und Großbritannien. 44 Prozent der deutschen Betriebe nutzen das Intranet. 62 Prozent der deutschen Betriebe sind im Internet präsent. Damit liegen wir nach Finnland, aber vor den USA an der Spitze. Das alles wollen Sie nicht hören. Deutschland ist Weltspitze beim B2B-E-Commerce. Wir haben gerade den Bereich des elektronischen Handels nachhaltig ausgebaut. Wir haben mit dem Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung neue Rahmenbedingungen geschaffen. Sie diskutieren das alles weg, Sie interessiert das alles nicht. Aber gerade der Mittelständler, der mittelständische Industriebetrieb profitiert davon, dass er sich heute beim Einkauf über die Region hinaus über das Internet hervorragende Lieferanten aussuchen und seine Produkte über die Landesgrenzen hinaus anbieten kann. Auch bezüglich des Exports ist der Mittelstand von uns nachhaltig gefördert worden, Herr Schauerte. Auch das interessiert Sie nicht. Sie machen Ihre Witzchen mit Ihren Fraktionskollegen und sind gar nicht an einer seriösen Debatte interessiert. ({5}) - Ja, das kennen wir von Ihnen. Glücklicherweise werden Sie von Ihrer eigenen Fraktion nur bedingt ernst genommen. Wir haben im Bereich erneuerbare Energien exportwirtschaftliche Voraussetzungen geschaffen, die sich sehen lassen können. Der Minister hat darauf verwiesen. Es sind 100 000 neue Arbeitsplätze entstanden. Viele Unternehmen haben eine große Zukunftsperspektive in der Windenergie oder in der Photovoltaik. ({6}) - Ja, das sind Leistungen, die sich sehen lassen können. ({7}) Wir haben die Deregulierungspolitik angemessen fortgesetzt. ({8}) Wir haben allerdings auch unsere deutschen Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen gegenüber anderen europäischen Ländern geschützt. ({9}) Vergessen Sie auch nicht: Wir haben eine Reihe von Gesetzen, beispielsweise das Tariftreuegesetz, gemacht, was Sie uns jetzt vorwerfen. ({10}) Wir haben die Bauabzugssteuer und das Korruptionsregister - dazu müssen Sie sich noch verhalten - eingeführt, weil wir nicht wollen - so ist es zu Ihrer Regierungszeit immer mehr Usus geworden -, dass jene, die sich nicht mehr an Recht, Gesetz und an die Spielregeln und Vorgaben des Marktes halten, den ehrlichen Kaufmann und den ehrlichen Handwerker aus dem Markt werfen. Wenn wir dagegen etwas tun, ist das Ordnungspolitik zugunsten des Mittelstandes, lieber Herr Schauerte. ({11}) Sie betreiben im Grunde die Verstetigung vieler Vorurteile, die es im Lande gibt. Sie setzen immer wieder Behauptungen in die Welt, die längst nicht mehr der Wahrheit und dem aktuellen Stand der Debatte entsprechen. ({12}) Kommen wir noch einmal auf die Steuerreform zu sprechen! Als sie beschlossen wurde, hat es in diesem Lande eine leise Kritik gegeben: Sie sei vielleicht nicht optimal, aber die Richtung stimme. ({13}) DIHT, BDI und wie sie alle heißen haben diese Steuerreform für richtig gehalten. Sie ist ein riesiger Reformschritt für dieses Land und entlastet die Mittelständler genauso wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. ({14}) Das können Sie gar nicht kleinreden, weil der Lohnzettel das an jedem Monatsende dem Einzelnen deutlich macht. ({15}) - Nein, das ist so. - Deshalb, Herr Schauerte, sollten Sie sich mäßigen ({16}) und nicht in diesem Lande dauerhaft die Unwahrheit über Punkte verbreiten, die auch vom Sachverständigenrat ganz in diesem Sinne beantwortet sind. ({17}) Er hat noch einmal klargestellt: Saldiert hat jeder Bürger, jede Bürgerin in diesem Lande durch die Steuerreform mehr im Portemonnaie als jemals bis 1998 unter Ihrer Ägide. ({18}) - Bei der Stimmung im Mittelstand müssen Sie sehr differenzieren. ({19}) Wir wissen sehr genau, dass es in der Bauwirtschaft große Probleme gibt. Wir wissen sehr genau, dass es in der Bauwirtschaft Ostdeutschlands große Probleme gibt. ({20}) - Auch dazu will ich Ihnen einen Punkt sagen. Das ist ja immer wieder Ihr Hauptthema. Ich habe vorhin in der Fragestunde Herrn Michelbach diese Frage beantwortet. ({21}) Worum geht es hier eigentlich: um die Zahl der Insolvenzen oder um den Saldo zwischen Unternehmensneugründungen und Insolvenzen? Wir haben im Jahre 2001 in Deutschland 545 000 Gründungen gehabt. Denen standen 470 000 Liquidationen gegenüber. Saldiert heißt das: Wir haben 75 000 Firmen zusätzlich für dieses Land gewonnen. Vergessen Sie das bitte nicht! ({22}) Wenn Sie einigermaßen objektiv sind, schauen Sie sich heute einmal den Neuen Markt an! Schauen Sie sich an, wie in den Jahren 1999 und 2000 auch mit unserer Hilfe - mit Venture-Capital, privat und öffentlich - viele innovative Unternehmen entstanden sind, die sich allerdings nicht alle haben halten können. ({23}) - Aber, lieber Herr Schauerte, früher haben Sie uns hier immer erzählt, wir müssten mit Liquidationen ganz anders umgehen: wie in den Vereinigten Staaten, wo es gar kein Makel ist, wenn ein Selbstständiger drei-, vier-, fünfmal in seinem Leben ein Unternehmen gründet. ({24}) Jetzt drehen Sie das wieder um. Sie machen es genau so, wie es Ihnen gerade in das politisch-taktische Konzept passt. Diese Politik wird kurze Beine haben. Dessen können Sie sicher sein, Herr Schauerte. ({25})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letz- ter Redner in der Aktuellen Stunde hat der Kollege Christian Lange von der SPD das Wort. Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt noch einmal schön Gas geben!)

Christian Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegen von der Opposition, wissen Sie, was mich an dieser Aktuellen Stunde stört? - Kein Wort der Alternative aus Ihrer Richtung, sondern nur Miesmacherei, eine ganze Stunde lang! ({0}) Nicht einmal die letzte Aussage des Herrn Staatssekretärs nehmen Sie zur Kenntnis: 75 000 Firmen mehr sind da. Nein, da kommt bei Ihnen nur Hohngelächter. Es gibt auch Gründe, warum es 75 000 Firmen mehr gibt. ({1}) Das kommt nämlich nicht von ungefähr. Deutschland verzeichnete in den letzten drei Jahren den geringsten Anstieg der Lohnstückkosten in der Europäischen Union. Auch das ist ein Grund zur Freude, auf den man einmal hinweisen sollte, anstatt ständig mieszureden. ({2}) Genau das Gleiche gilt für deutsche Waren und Dienstleistungen. Sie sind im Ausland gefragter denn je; das ist erwähnt worden. Deutschland ist Vizeweltmeister. Das Volumen der ausländischen Direktinvestitionen hat sich von 1998 bis 2000 mehr als verzehnfacht. Liebe Kollegen von der Opposition, das müssen Sie sich einmal vorstellen. Dies ist das Ergebnis dieser Politik und ein Grund zur Freude. Angesichts der schwierigen Weltwirtschaftslage profitiert der Mittelstand davon. Dies entspricht einem Pfund, mit dem wir zu wuchern haben. Wir dürfen nicht ständig denjenigen, die einen Arbeitsplatz haben, fleißig sind und arbeiten, mit Hohn und Spott begegnen. Vielmehr müssen wir sie ermutigen, dass sie auf diesem Weg weiter fortschreiten. ({3}) Ich möchte einen zweiten Punkt nennen. Wir brauchen zuverlässige Rahmenbedingungen. Schauen wir uns doch einmal an, von wo wir bei der Steuerpolitik gekommen sind: 1998 lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent. Dies war das Ergebnis von 16 Jahren schwarz-gelber Regierung. Wo sind wir heute? - Bei 48,5 Prozent! Wo werden wir am Ende dieser Steuerreform sein? - Bei 42 Prozent! Davon profitiert der Mittelstand. Der Eingangssteuersatz lag nach 16 Jahren Ihrer Politik bei 23,9 Prozent. Wo sind wir heute? - Bei 19,9 Prozent! Wo werden wir am Ende dieser Steuerreform sein? - Bei 15 Prozent. ({4}) Das ist das Ergebnis unserer Steuerreform: solide Rahmenbedingungen für den Mittelstand. Nehmen Sie dies endlich einmal zur Kenntnis. ({5}) Ich will Ihnen noch eines sagen. Gerade der Mittelstand hat über Jahre und Jahrzehnte dafür gekämpft, dass die Gewerbesteuer abgeschafft wird. Wir haben dafür gesorgt, sodass sie gegen die Einkommensteuerschuld aufParl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt gerechnet werden kann, dass der Gewerbetreibende sie eben nicht mehr zahlen muss. Dies haben wir in vier Jahren geschafft. Sie haben es in 16 Jahren nicht hinbekommen. Auch das ist die Wahrheit. ({6}) Auch bei der Steuer- und Abgabenquote müssen Sie die Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen. Ich habe mir den OECD-Vergleich genau angesehen: Schweden hatte 1999 eine Steuer- und Abgabenquote von 52,2 Prozent. Wissen Sie, wo wir 1999 lagen? - Bei 37,7 Prozent. Wir gehen aber noch weiter herunter. Wir werden unter dem OECD-Schnitt liegen. Dieser liegt nämlich nur bei 37,3 Prozent. Wir liegen heute bereits darunter. Auch dies gehört zu den soliden Rahmenbedingungen durch die Steuerpolitik dieser Bundesregierung. Dafür gilt es - gerade für den Mittelstand - der Bundesregierung noch einmal ein herzliches Dankeschön zu sagen. ({7}) Dafür, dass dies so bleibt, werden die Weichen gestellt. Dem Herrn Minister bin ich außerordentlich dankbar dafür, ({8}) dass er endlich das Thema „Rückzug der privaten Banken aus der Finanzierung“ angesprochen hat. Im Zentrum der Offensive steht deshalb die Forderung nach einer Mittelstandsbank des Bundes mit dem Ziel der Förderung aus einer Hand. Dies ist doch das, was wir überall von kleinen Unternehmern hören, die nicht die Zeit bzw. ganze Abteilungen oder Personenscharen haben, um sich damit zu beschäftigen, welche Programme es gibt. Nein, sie wollen alles aus einer Hand. Genau dieser Weg wird jetzt beschritten. Programme und Instrumente für Existenzgründer und kleine Unternehmen werden bei der Mittelstandsbank zentriert. Die Geschäftsfelder zwischen der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank werden abgegrenzt. ({9}) Es gibt weniger Bürokratie und mehr Transparenz. Deshalb sind auch die Kleinkredite von bis zu 25 000 Euro über fünf Jahre so dringend notwendig. Mit denen werden wir sehr schnell und unbürokratisch an Existenzgründer im Dienstleistungsbereich herangehen. ({10}) Damit werden wir Motor von Existenzgründungen in Deutschland sein. Auch dies ist ein Grund zur Freude, statt es mieszureden. ({11}) Wenn es um die Bereitstellung von Fremdkapital für mittelständische Unternehmen geht, ist die effiziente Durchleitung von Förderkrediten ein weiterer wichtiger Faktor. Bislang lässt das Interesse der Hausbanken an der Durchleitung von Förderdarlehen zu wünschen übrig. Wir wissen das. Dies müssen wir ändern. Ich könnte mir beispielsweise eine Erhöhung der Bankmargen ({12}) oder eine höhere Haftungsfreistellung für die Hausbanken vorstellen. Wir gehen also genau in diese Richtung und müssen diesen Weg weiter fortschreiten. Hören Sie also endlich auf, das, was in Deutschland geschaffen wurde, mieszureden, denn die meisten Menschen, auch junge Leute, finden ihre Ausbildungsplätze im Mittelstand. Die wollen nicht, dass ihre Arbeit schlecht und miesgeredet wird. ({13}) Sie wollen endlich hören, dass das Ergebnis, das ich Ihnen vorgetragen habe, auch zur Kenntnis genommen wird, und zwar auch von denjenigen, die eine Stunde lang keine Alternative zu bieten hatten. ({14}) Damit können Sie Deutschland nicht erneuern, meine Damen und Herren! ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. Juni 2002, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.