Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Wer hat Fragen an die
Bundesregierung? - Bitte sehr, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, Ihre Finanzpolitik hat sich mit dem Wechsel der Finanzminister
im Laufe der letzten vier Jahre geändert. Die PDS hat am
17. Dezember vergangenen Jahres eine Große Anfrage
zur Verteilung und Verteilungswirkung von Steuern und
Abgaben gestellt. Kann ich, da Sie heute hier Bilanz ziehen, davon ausgehen, dass unsere Große Anfrage bereits
beantwortet ist, sodass wir die Möglichkeit haben werden,
dieses Thema auf der Grundlage Ihrer Zahlen hier im Plenum ausführlich zu diskutieren?
Verehrte Frau Kollegin, es steht jeder Fraktion frei, Antworten auf Große Anfragen zum Gegenstand
von Plenardebatten zu machen. Das liegt bei Ihnen.
Die Frage war, wann
die Antwort auf die Große Anfrage dem Haus zugeleitet
werden wird.
Die Antwort ist von uns unterschrieben und
müsste Ihnen alsbald zugeleitet werden.
Dazu meldet sich
Herr Staatsminister Schwanitz.
Frau Kollegin, die Antwort auf die Große Anfrage der
PDS zur Verteilung und Verteilungswirkung von Steuern
und Abgaben war unter der TOP-1-Liste im Kabinett. Sie
wird Ihnen also demnächst zugeleitet werden.
Das Wort hat Herr
Kollege Wolfgang Dehnel.
Herr Staatssekretär,
können Sie auch Angaben zu den im gleichen Zeitraum in
den neuen Ländern erzielten Nettoeinkommen machen?
Haben Sie dazu Zahlen in Ihrem Ministerium erarbeitet?
Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit und der
stark angestiegenen Abwanderung gerade von jungen
Familien aus den neuen Bundesländern in die alten Bundesländer ist doch zu erwarten, dass die Realeinkommen
in den neuen Ländern nicht besonders gestiegen sein
können.
Herr Kollege, die Zahlen, die ich Ihnen vorgetragen habe, sind Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Tendenziell - darauf habe ich vorhin hingewiesen ist die relative Entlastung in den neuen Bundesländern
größer, weil dort die tariflichen Löhne noch unter denen
der alten Bundesländer liegen und wir die größten Entlastungen gerade in den unteren und mittleren Einkommensgruppen vorgenommen haben. Von daher ist die relative
Entlastung in den neuen Ländern größer.
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr.
Wie erklären Sie sich
dann die große Abwanderungsbewegung gerade unter
diesen Menschen, wenn sie eigentlich seit 1998 in den
neuen Ländern bessere Lebensbedingungen vorfinden?
Herr Kollege, das hängt nicht unbedingt nur
mit den Steuern, die man auf Lohn und Gehalt zahlt, oder
mit der Erhöhung des Kindergeldes zusammen, sondern
das hängt auch mit der beruflichen Perspektive junger
Menschen zusammen. In den neuen Ländern müssen im
Moment beispielsweise die Ausbildungsmöglichkeiten
noch mehr oder weniger staatlich unterstützt werden, weil
es nicht genug private Ausbildungsplätze gibt. Wir haben
den Drang, das zu ändern, und sind zuversichtlich, dass
sich die Situation weiter verbessert. Sie hat sich schon verbessert; sie wird sich noch weiter verbessern.
Nun möchte der Kollege Dr. Ilja Seifert eine Frage stellen. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, Sie wollten
eigentlich zur Einkommenssituation berichten. Wenn ich
es richtig verstanden habe, haben Sie sich nur zur Einkommenssituation von abhängig Beschäftigten geäußert.
Wie sieht es mit denen aus, die keinen Arbeitsplatz haben
bzw. sich von ABM zu ABM oder von SAM zu ABM hangeln und zwischendurch immer wieder einmal arbeitslos
sind? Ich denke insbesondere an die Situation im Osten
Deutschlands. Wenn man über die Einkommenssituation
in Deutschland spricht, dann muss man die Situation dieser Menschen ja wohl mit bedenken. Ich denke an Regionen, in denen seit Jahren eine Arbeitslosigkeit oberhalb
von 20 Prozent besteht und die zudem noch mit Abwanderung zu tun haben.
Herr Kollege, ich darf darauf hinweisen,
dass in der Amtszeit dieser Bundesregierung die Mittel für
die Förderung von Familien mit Kindern von 40 Milliarden DM auf 53 Milliarden DM gestiegen sind, zum einen
durch die kräftige Ausweitung des Kindergeldes, zum anderen aber auch durch Leistungen wie beispielsweise die
deutliche Verbesserung des Erziehungsgeldes oder die
Verbesserungen beim Wohngeld.
Herr Dr. Seifert hat
noch eine Frage.
Es kann ja sein, dass wir aneinander vorbei geredet haben. Vielleicht darf ich die Frage
noch einmal anders stellen: Wir wissen, dass in den letzten 13 Jahren im Osten wesentlich weniger Kinder geboren worden sind, weniger als im Westen und weniger als
früher in der DDR. Für Kinder, die nicht geboren werden,
kann auch kein Kindergeld gezahlt werden, also bekommen viele Menschen vermutlich weniger oder gar kein
Kindergeld. Das aber war nicht meine Frage.
Die Frage ist: Wie geht es den Menschen, die keinen
festen Arbeitsplatz haben, die immer mal wieder eine
mehr oder weniger alimentierte Beschäftigung bekommen? Wie hat sich deren Einkommenssituation in den
letzten Jahren entwickelt? Sind deren Einkommen
tatsächlich gestiegen oder sind sie gesunken? Nach der
täglichen Erfahrung in einem Wahlkreis in Ostsachsen
kann ich nicht nachvollziehen, dass es den Menschen im
Osten relativ besser geht als im Westen.
({0})
Vielleicht können Sie das so erläutern, dass auch ein
schlichtes Gemüt wie ich es versteht.
Herr Kollege, ich möchte noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass ich von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern und von der Entwicklung der realen
Nettolöhne gesprochen habe. Diese ergeben sich nach Abzug der Lohnnebenkosten, also der Beiträge zur Sozialversicherung, und nach Abzug der zu zahlenden Steuern
sowie unter Berücksichtigung der Preissteigerungsrate und
sind in dieser Wahlperiode deutlich gestiegen, während sie
in der letzten Wahlperiode leider Gottes kräftig gesunken
waren.
Noch Fragen zur Einkommensentwicklung in Deutschland? - Das ist nicht der
Fall. Dann danke ich Herrn Staatssekretär Diller.
Mir ist gesagt worden, dass nun Kollege Meckelburg
etwas zur Riester-Rente fragen möchte. Auch dieser
Punkt hat heute im Kabinett eine Rolle gespielt. Ich freue
mich, dass Frau Staatssekretärin Ulrike Mascher für
Antworten zur Verfügung steht. Wollen wir zunächst
einige Fragen sammeln? Vielleicht können wir so in
eine möglichst gute Diskussion kommen. Herr Kollege
Meckelburg, Sie beginnen.
Frau Staatssekretärin, es hat in der Wochenendpresse Berichte gegeben, wonach von den bislang 2 Millionen Deutschen, die
einen Altersvorsorgevertrag unterzeichnet haben, rund
400 000 ihre Police inzwischen wieder storniert haben.
Das scheint auch der Hintergrund für den Bericht heute
Morgen im Kabinett gewesen zu sein.
Darf ich Sie fragen, ob es Pläne gibt, die private Altersvorsorge in eine private Zwangsrente umzuwandeln,
wofür der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion,
Klaus Brandner, laut „Focus“ vom 29. April plädiert hat?
Stimmt des Weiteren die Aussage in der „Welt am Sonntag“, dass diese Pläne nicht den Gefallen des Bundeskanzlers gefunden haben und deshalb kassiert wurden?
Frau Schwaetzer,
bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, nachdem der Bundesarbeitsminister heute im Kabinett berichtet hat, dass nur ein relativ geringer Anteil der
eigentlich Anspruchsberechtigten überhaupt in Erwägung
zieht, einen Vertrag für die so genannte Riester-Rente abzuschließen: Was will die Bundesregierung tun, um die
Akzeptanz dieses Produkts zu erhöhen?
Herr Kollege
Schemken, geht Ihre Frage in die gleiche Richtung oder
wollen wir erst eine Antwort hören?
({0})
- Frau Mascher, bitte sehr.
Herr Meckelburg,
für die Zahl von 400 000 Stornierungen kenne ich keine
Quelle; sie ist auch nicht belegt. Ich halte es nicht für unplausibel, dass es einige Stornierungen gibt, allerdings
nicht in diesem Umfang. Dass es bei Verträgen, die bereits
im letzten Jahr abgeschlossen worden sind, die nicht zertifizierte Produkte betrafen, möglicherweise Stornierungen
gibt, kann ich nicht ganz ausschließen. Aber die Zahl von
400 000 ist nirgendwo belegt. Falls Sie die Quelle dafür
nennen können, gehen wir der Sache noch einmal nach.
Nach unseren Recherchen ist diese Zahl nicht belegt.
Zur zweiten Frage: Aufgrund der Tatsache, dass jetzt
schon für etwa 15 Millionen Arbeitnehmer in 156 Tarifbereichen entsprechende Tarifverträge abgeschlossen
sind und eine ganze Reihe von Pensionsfonds und Pensionskassen neu genehmigt wurden - Pensionskassen hat es
auch schon früher gegeben -, gehen wir davon aus, dass eine
ausreichende Beteiligung von Berechtigten an der zusätzlichen Altersvorsorge erzielt wird. Wir haben immer gesagt,
dass wir die Akzeptanz in einigen Jahren prüfen werden.
Aber ich gehe davon aus, dass wir etwa 90 Prozent der Berechtigten mit beiden Teilen - betrieblicher Altersvorsorge
und zusätzlicher privater Altersvorsorge - erreichen, sodass
sich die Frage einer verbindlichen zusätzlichen Altersvorsorge, wie sie andere europäische Länder, zum Beispiel die
Schweiz, kennen, für uns nicht stellt. Insofern entbehren
Spekulationen, ob Gerhard Schröder irgendwelche Pläne
kassiert hat, jeder Grundlage.
Frau Dr. Schwaetzer hat gesagt, es gebe nur einen sehr
geringen Anteil derjenigen, die zusätzliche Altersvorsorgeprodukte annähmen, und die Akzeptanz bleibe erheblich hinter den Erwartungen zurück. Mir ist eine Umfrage
des DIW, eines seriösen wirtschaftswissenschaftlichen
Instituts, bekannt, wonach 80 Prozent der Befragten erklärt haben, dass sie aufgrund der Möglichkeiten der Förderung, die alltagssprachlich Riester-Rente heißt, daran
denken, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben. Ich
weiß, dass das Deutsche Institut für Altersvorsorge, das
nachdrücklich von der Deutschen Bank unterstützt wird,
hier zu anderen Ergebnissen gekommen ist. Aber dann
muss man sich auch die Fragestellung genau ansehen.
Man muss vor allem sehen, welche Gruppen befragt worden sind: Es handelte sich nämlich vornehmlich um Ältere, für die sich in der Tat die Frage stellt, ob es sinnvoll
ist, mit vielleicht 55 Jahren in dieser Form für das Alter
vorzusorgen. Ob die Riester-Förderung in einem solchen
Fall geeignet ist, kann sehr wohl mit einem Fragezeichen
versehen werden. Dies muss man sich genau anschauen.
Nach den Untersuchungen des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung hier in Berlin wollen 80 Prozent der
Befragten zusätzlich für das Alter vorsorgen.
Herr Meckelburg hat
eine weitere Frage. Danach kommen Herr Schemken und
Frau Dr. Schwaetzer an die Reihe. Zuerst einmal Herr
Meckelburg, bitte.
Frau Staatssekretärin, wenn ich das gerade richtig verstanden habe, haben Sie als Zielgröße genannt, dass Sie 90 Prozent der Bevölkerung in die private Altersvorsorge einbeziehen
möchten. Steht dies nicht im Gegensatz zu dem, was
Bundesarbeitsminister Riester gerade auf einer Pressekonferenz, die man auf Phoenix verfolgen konnte, gesagt hat,
wonach man bis 2008 bzw. 2010, also über den Einführungsbereich hinaus, deutlich über 70 Prozent der Menschen und kurzfristig in drei bis fünf Jahren, zwei Drittel
der Menschen erreicht haben möchte? Darf ich Sie einmal
fragen, welches Ziel Sie sich denn für das Ende dieses Jahres gesetzt haben, also wie viele Menschen bis dahin private Altersvorsorge betreiben sollen?
Herr Meckelburg,
ich glaube, dass es nicht besonders zielführend ist, wenn
wir hier zwischen zusätzlicher privater Altersvorsorge
und zusätzlicher betrieblicher Altersvorsorge trennen.
Das ist ein gemeinsames Projekt: Wir wollen die zusätzliche Altersvorsorge fördern. Nach den Entwicklungen,
die sich jetzt abzeichnen, und auch nach den Einschätzungen „der Branche“, wie dies so schön heißt, also der
Finanzdienstleister, wird sich die zusätzliche Altersvorsorge zu zwei Dritteln im betrieblichen Bereich und zu
etwa einem Drittel im privaten Bereich abspielen. Ich
fände es spekulativ, jetzt Zahlen zu nennen, wie viele
Menschen in dem einen und in dem anderen Bereich zu
erreichen sind. Ich habe Ihnen die Zahl der nach den Tarifabschlüssen Berechtigten genannt. Wir haben noch
weitere Tarifabschlüsse zu erwarten, die dieses Element
aufgreifen. Zum Ende dieses Jahres bzw. zu Beginn des
nächsten Jahres werden wir sehen, wie die Situation ist.
Aber ich bin vorsichtig, hier und jetzt Zielvorgaben zu
formulieren.
Herr Kollege
Schemken, bitte.
Frau Staatssekretärin,
Sie verwiesen soeben auf die Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge, in der ja unter anderem festgestellt
wird, dass die Riester-Rente deshalb nicht so gut anläuft,
weil den Menschen draußen die wahre Lage der Rente
verschleiert werde.
Ist es vor diesem Hintergrund nicht zu beklagen, dass
die Renteninformationen erst im Jahre 2004 an alle Menschen herausgegeben sein werden und dass bis Ende
2002, das ja für den Abschluss der Verträge entscheidend
ist, nur 50 Prozent der Menschen diese Informationen erhalten haben werden? Im Hinblick darauf, dass möglicherweise bei dem einen oder anderen Rentner Lücken
vorhanden sind und diese verschleiert werden könnten,
wäre es ja kontraproduktiv, wenn die übrigen 50 Prozent
erst im Jahre 2004 über ihre wirkliche Lage in der gesetzlichen Rente Bescheid wüssten.
Herr Schemken,
das sehe ich nicht so. Die sozialdemokratisch-grüne Bundesregierung hat als erste Regierung ganz klar gesagt: Die
gesetzliche Rente wird in der Zukunft nicht mehr ausreichen, um das, was man sich im Alter als gutes Auskommen wünscht und vorstellt, tatsächlich auch zu realisieParl. Staatssekretärin Ulrike Mascher
ren. Deswegen wollen wir für all diejenigen, die bisher
noch keine oder vielleicht eine unzureichende zusätzliche
Altersvorsorge haben, den Aufbau zusätzlicher Altersvorsorge ermöglichen, und zwar vor allen Dingen durch Zulagen für diejenigen, die ein geringes Einkommen haben
oder die aus anderen Gründen, etwa weil sie mehrere Kinder haben, hinsichtlich ihrer Möglichkeit, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben, etwas eingeschränkt sind.
Wir haben die Situation nicht verschleiert, sondern
ganz klar gesagt: Wir raten jedem und jeder, die Möglichkeiten zu nutzen, die wir anbieten. Deswegen hat sich der
Finanzminister bereit erklärt, eine beachtliche Menge
Geld - 12,6 Milliarden Euro in der Endstufe - zur Verfügung zu stellen.
Wir haben darüber hinaus gesagt: Um jedem klar zu
machen, wie seine persönliche Situation ist, wollen wir
- so rasch es möglich ist, was die technischen Voraussetzungen betrifft; das ist nach den Informationen der Rentenversicherungsträger im Jahr 2004 der Fall - jedem Versicherten jedes Jahr eine Renteninformation zukommen
lassen. Bisher hatte man nur ab dem 55. Lebensjahr einen
Anspruch auf diese Renteninformationen. Wir wollen all
denjenigen, die älter als 27 sind, ab dem Jahr 2004 solche
Renteninformationen zukommen lassen. Es ist ein Riesenpaket sowohl an technischen als auch an logistischen
Problemen zu bewältigen.
Nun haben die Rentenversicherungsträger schon in
diesem Jahr begonnen, solche Renteninformationsbriefe
zu verschicken. Es ist von Landesversicherungsanstalt zu
Landesversicherungsanstalt unterschiedlich, welche Altersgruppen schon jetzt solche Informationen bekommen.
Darüber haben wir hier schon diskutiert. Die BfA, die
bundesweit Renteninformationen verschickt, informiert
die 27- bis 45-Jährigen als Erste, damit sie die richtige
Weichenstellung treffen.
Von daher kann ich nicht sehen, dass wir uns den Vorwurf der Verschleierung der wahren Situation der Rente
bei jedem Einzelnen zu Eigen machen müssten. Wir tun
eine Menge dafür, individuell zu informieren und generell
die notwendigen Weichenstellungen zu befördern.
Frau Dr. Schwaetzer.
Frau Staatssekretärin, ich habe von Ihnen Auskunft nicht über irgendwelche
Umfragen erbeten, sondern darüber, wie hoch der Prozentsatz derer ist, die Anspruch auf eine Riester-Rente haben und bis Ende des Jahres einen entsprechenden Vertrag
abschließen könnten, das aber offensichtlich nicht tun.
Wenn ich das selber einmal hochrechne, komme ich auf
maximal 7 Prozent der Anspruchsberechtigten, die schon
einen Vertrag abgeschlossen haben.
Nun weichen Sie immer darauf aus, im Bereich der Betriebsrente laufe es ganz toll. Im nächsten Satz sagen Sie
aber, die Betriebsrente komme für etwa zwei Drittel der
Berechtigten in Frage. Das bedeutet, dass immer noch ein
Drittel - nicht 7 Prozent - eigentlich eine private Altersvorsorge abschließen müsste. Das sind diejenigen, die
sonst im Alter besonders große Rentenlücken hätten.
Deswegen kann ich Sie nur noch einmal fragen: Was
will die Bundesregierung eigentlich tun, um die Akzeptanz dieses Produktes in der Öffentlichkeit zu fördern?
Oder haben Sie diesen Teil Ihrer eigenen Reform schon
abgeschrieben?
Frau Dr. Schwaetzer,
natürlich haben wir diesen Teil unserer eigenen Reform
nicht abgeschrieben. Wir gehen von etwa 30 Millionen
Berechtigten aus. Wenn man die - wie gesagt nicht von
uns erfundene, sondern von den Finanzdienstleistern
stammende - Einschätzung zugrunde legt, dass etwa zwei
Drittel ihre zusätzliche Altersvorsorge über betriebliche
Angebote aufbauen werden, dann kommt man auf etwa
10 Millionen, die das im Bereich privater zusätzlicher
Altersvorsorge tun werden.
({0})
Wir stellen jetzt, nach drei Monaten - Zahlen von Ende
März sind die letzten, die mir zur Verfügung stehen -, fest,
dass immerhin schon 2 Millionen Verträge abgeschlossen
wurden. Wir haben jetzt noch drei Viertel des Jahres, neun
Monate, nicht erfasst.
({1})
- Ich habe Ihnen gerade gesagt: Die Zahl 2 Millionen ist
von Ende März. Das ist die Zahl, die mir zur Verfügung
steht. Ich hätte gerne eine Zahl vom 10. Juni; aber leider
habe ich sie nicht. Diese Zahl wird wesentlich höher sein;
ich weiß nicht, wie viele Millionen.
Ich bin deswegen ganz zuversichtlich, weil wir von
Monat zu Monat mehr Verträge - auch im Bereich der privaten zusätzlichen Altersvorsorge - haben werden.
({2})
Nun hat der Kollege
Peter Dreßen eine Frage.
Frau Staatssekretärin, trifft es
zu, dass nach der Rentenreform der rot-grünen Koalition
ein höheres Rentenniveau vorgesehen ist als nach der Reform der alten Regierung mit dem demographischen Faktor? Trifft es zu, dass wir trotzdem - im Gegensatz zur alten Regierung und zusätzlich zu den 67 oder 65 Prozent,
die wir dann erreichen - eine betriebliche oder so genannte private Altersvorsorge vorsehen?
Trifft es weiterhin zu, dass im Moment alles, was von
Oppositionsabgeordneten kommt, nur im spekulativen
Bereich ist?
({0})
Wir haben, wie gesagt, noch neun Monate vor uns. Wir
waren es, die gesagt haben: Wartet in Ruhe ab, was auf
euch zukommt; ihr könnt euch das beste Produkt aussuchen. - Das Modell einer zusätzlichen Altersvorsorge per
Tarifvertrag, das die Gewerkschaften entwickelt haben,
dürfte voraussichtlich wohl eines der besten Produkte sein,
weil dabei die geringsten Verwaltungskosten anfallen.
Herr Dreßen, es
ist richtig, dass wir, um eine Belastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern durch dramatisch steigende Rentenversicherungsbeiträge abzuwenden, entschieden haben, dass das Rentenniveau in den nächsten 10, 20,
30 Jahren bei einer angenommenen 45-jährigen durchschnittlichen Erwerbstätigkeit nicht mehr die bisherige
Höhe von 70 Prozent erreicht; wir müssen hier eine moderate Absenkung vornehmen. Ich will mich auf den
Streit über das Rentenniveau, das eine sehr abstrakte Rechengröße ist und eigentlich nichts darüber aussagt, welche Rente die Betroffenen tatsächlich bekommen, jetzt
nicht einlassen. Wir könnten das stundenlang rauf- und
runterdiskutieren.
Richtig ist allerdings, dass wir gesagt haben: Wenn wir
solche Steigerungen der Zahlbeträge in der Zukunft nicht
mehr finanzieren können - es wird Steigerungen geben,
aber die Steigerungen werden nicht mehr so groß sein -,
dann müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, die
notwendig sind, damit die Menschen durch eine zusätzliche Altersvorsorge im betrieblichen oder im privaten Bereich ein gutes Auskommen im Alter haben. Die Menschen müssen vorsorgen können, damit dann beide
zusammen, gesetzliche Rente und zusätzliche Altersvorsorge, ein schönes Alter, das wir uns alle wünschen, ermöglichen. Das ist der entscheidende Unterschied. Wir
haben nicht gesagt, dass es erhebliche Belastungen in der
Zukunft gibt, die wir mindern wollen, sondern wir haben
gesagt: Wir helfen den Menschen, damit sie durch einen
Aufbau zusätzlicher Altersvorsorge im Alter ein gutes
Auskommen haben. Die Spekulationen über Zahlen halte
ich nicht für besonders hilfreich.
Mir liegen noch drei
Wortmeldungen vor, die auch noch beantwortet werden
können; ich bitte aber, damit einverstanden zu sein, dass
wir sie zusammenfassen, weil sonst die Zeit knapp wird.
Jetzt hat die Kollegin Nolte das Wort.
Frau Staatssekretärin, ein
Blick in die neuen Länder zeigt, dass dort die meisten Unternehmen weniger als 20 Beschäftigte haben, dass die
Löhne - schon seit langer Zeit - durchschnittlich niedriger sind als in den Altbundesländern, dass vor allen Dingen die Langzeitarbeitslosigkeit sehr hoch ist und dass die
Zuschüsse für die Arbeitslosenhilfeempfänger in die Rentenkasse durch Ihre Regierung abgesenkt worden sind,
sodass sich die Rentensituation für die Menschen in den
neuen Bundesländern sehr dramatisch darstellen wird. Ist
Ihre Erwartung, dass wir dort erhebliche betriebliche Altersvorsorge aufbauen können, angesichts der Betriebsstruktur realistisch und welche Maßnahmen sehen Sie vor,
um gezielt in den neuen Bundesländern für private Altersvorsorge zu werben, weil die Situation dort etwas
schwieriger ist?
Die nächste Frage hat
der Kollege Dr. Seifert.
Meine Frage knüpft zum Teil direkt an das an, was Frau Nolte gerade fragte. Wenn ich Sie
richtig verstanden habe, Frau Staatssekretärin, dann ist das,
was Sie ein gutes Einkommen im Alter nennen, das, was
einmal mit dem Stichwort „lebensstandardsichernde
Rente“ bezeichnet wurde. Wie hoch ist die Zahl der Menschen mit verhältnismäßig geringen Einkommen, die bereits eine private Altersvorsorge abgeschlossen haben? Ich
denke in erster Linie an Menschen aus Ostdeutschland,
aber es gibt ja auch im Westen welche, die ein verhältnismäßig geringes Einkommen haben. Die so genannte
Riester-Rente wurde von uns unter anderem kritisiert, weil
wir befürchten, dass Menschen mit geringen Einkommen
weniger geneigt sein werden, das auch noch für Altersvorsorge auszugeben. Können Sie anhand bereits abgeschlossener Verträge sagen, wie hoch der Anteil von Menschen
mit geringen Einkommen ist - entsprechend den Altersgruppen -, die solche Verträge abgeschlossen haben, im
Verhältnis zu Menschen mit höheren Einkommen?
Nun folgt die Kollegin Erika Lotz. Danach fragt noch Frau Störr-Ritter.
Frau Staatssekretärin, ich finde es
schon sehr erstaunlich, dass vonseiten der Opposition
jetzt Sorge über den Stand hinsichtlich der Verträge zur
Riester-Rente geäußert wird; der zugrunde liegenden Gesetzgebung hat die Opposition ja nicht zugestimmt.
({0})
Sie haben dankenswerterweise schon auf die Möglichkeiten von Arbeitnehmern im Rahmen einer betrieblichen
Altersvorsorge hingewiesen. Ich möchte hervorheben,
dass mit unserer Gesetzgebung die betriebliche Altersversorgung eine Renaissance erfahren hat.
Nun zu meiner Frage, Frau Staatssekretärin: Finden
Sie es nicht erstaunlich, wenn die Opposition bezüglich
des Zustandekommens von Verträgen Sorge äußert und
gleichzeitig aus den Reihen der Opposition dazu aufgefordert wird, zurzeit noch keine Verträge abzuschließen,
sondern damit bis nach der Bundestagswahl zu warten?
({1})
Finden Sie das nicht sehr widersprüchlich? Ich denke dabei
auch daran, dass ein Mitglied eines angeblichen Kompetenzteams jetzt die Erhöhung der Rentenbeiträge angesprochen hat. Das alles ist meines Erachtens sehr scheinheilig.
Nun folgt die Kollegin Störr-Ritter.
Frau Staatssekretärin, nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Infratest haben nur 7 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer geplant, einen so genannten Riester-VerPeter Dreßen
trag abzuschließen. Könnte dies nicht doch mit der fehlenden Information über die Versorgungslücken zusammenhängen - die Menschen haben nicht so viel Geld zur
Verfügung, dass sie es planlos ausgeben können -, und
welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung dazu, dass
der Anteil bei Frauen, die einen solchen Vertrag abzuschließen planen, weniger als die Hälfte des entsprechenden Anteils bei Männern beträgt?
Nun hat die Frau
Staatssekretärin das Schlusswort. Bitte sehr.
Vielen Dank. Frau Nolte hat die Sorge geäußert, dass sich wegen der
Betriebsstruktur in den neuen Bundesländern die betriebliche Altersvorsorge vielleicht nicht so entwickeln kann
wie in den alten Bundesländern. Man muss hierbei sehen,
dass es bei der betrieblichen Altersvorsorge vier Durchführungswege gibt. Ein Durchführungsweg ist die Direktversicherung. Wir haben in unserem Gesetz den
Rechtsanspruch jedes einzelnen Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlung normiert. Auch diejenigen, die in einem
Betrieb mit weniger als 20 Beschäftigten tätig sind, in einem Betrieb also, in dem es keine Pensionskasse gibt und
in dem natürlich auch ein Pensionsfonds eher unwahrscheinlich ist, haben die Möglichkeit, diesen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung zu realisieren, und haben
damit die Möglichkeit, Beiträge sozialversicherungs- und
steuerfrei - was eine erhebliche Förderung bedeutet - in
der betrieblichen Altersvorsorge einzusetzen.
Es gibt also Formen in der betrieblichen Altersvorsorge,
die auch für Kleinbetriebe geeignet sind, für die es sonst
überhaupt nichts gibt. Es gibt also auch dann Möglichkeiten, wenn sie sich nicht der Metallkasse anschließen oder
dem Pensionsfonds der chemischen Industrie, unter dessen
Dach auch kleine Betriebe etwas in dieser Beziehung machen können. Es gibt also Formen, die auch solchen Arbeitnehmern entsprechende Möglichkeiten geben.
Auch für Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfeempfänger gibt es die Zulagenförderung. Ich bestreite nicht,
dass es für jemanden, der Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezieht, nicht einfach ist, dann auch die Mindestbeiträge aufzubringen. Aber die Möglichkeit, die Förderung für sich zu nutzen, ist vom Gesetz her gegeben.
Herr Seifert hat gefragt, ob ich Zahlen dazu nennen
kann, wie viele Abschlüsse es von Menschen mit geringem
Einkommen und/oder Menschen aus Ostdeutschland gibt.
Ich muss Sie enttäuschen. Wir haben derzeit keine Zahlen.
Ich kann Ihnen dazu noch nichts sagen. Anfang des nächsten Jahres werden wir sicherlich Zahlen dazu haben.
Frau Lotz hat darauf hingewiesen, dass es ein wenig an
das Vergießen von Krokodilstränen erinnert, wenn eine
Fraktion solche Sorgen äußert, deren sozialpolitischer
Sprecher, Herr Laumann, dazu aufgefordert hat, keine
Verträge abzuschließen, weil nach der Bundestagswahl,
von der er annimmt, dass sie von der CDU/CSU gewonnen wird,
({0})
alles besser wird. Mich erinnert das, wie gesagt, an die
Krokodilstränen: Es wird etwas beklagt, was offensichtlich selbst verursacht wurde, indem gesagt wird:
„Schließt noch nicht ab!“, und dann jammert man, dass
die Zahlen zu niedrig sind. Ich halte das für ziemlich unverantwortlich, weil ich trotz aller möglichen Schnelligkeit und allen Drucks, den ich mir in einem Gesetzgebungsverfahren inzwischen vorstellen kann, meine, dass
eine grundlegende Änderung des Förderkonzepts in der
zusätzlichen Altersvorsorge nicht so rechtzeitig beschlossen werden könnte - ich benutze wohlgemerkt den
Irrealis „könnte“ -, dass sie auch in Anspruch genommen
werden könnte.
({1})
Ich halte das, was der Kollege Laumann, den ich wegen
seines sozialpolitischen Engagements sehr schätze, öffentlich erklärt hat, für unverantwortlich.
Frau Störr-Ritter hat die Sorge geäußert, dass aufgrund
der noch nicht flächendeckend vorhandenen Informationen über den Stand der Rentenanwartschaften die Bereitschaft, zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen, unzulänglich ist. Frau Störr-Ritter, ich hätte mir gewünscht, dass
die alte Bundesregierung schon 1996 den Rechtsanspruch
auf jährliche Information beschlossen hätte.
({2})
Wir haben das gemacht; es geht aber nicht schneller. Sie
können sich gern bei Herrn Professor Ruland, dem Geschäftsführer des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger, informieren. Es liegt nicht an der zögerlichen
Haltung der Bundesregierung, dass es im Jahr 2002 noch
keine flächendeckenden Informationen gibt, sondern an der
Masse der Renteninformationen. Sie müssen erstellt und
versandt werden. Ich habe mich vergewissert, dass es sich
dabei um ein erhebliches praktisches Problem handelt. Wir
werden das aber Zug um Zug in den Griff bekommen.
Ich bedauere es sehr, dass es im Jahr 2002 noch keine
flächendeckenden Informationen gibt. Aber uns das als
Versäumnis anzurechnen, halte ich auch nicht für sehr
redlich, weil Sie nichts dafür getan haben, solch eine ehrliche Renteninformation zu ermöglichen. Ich bin mir sicher, dass gerade Frauen, die ihre Rentenanwartschaft
- leider - häufig dramatisch überschätzen, in stärkerem
Maße als bisher von den - auch für nicht erwerbstätige
und verheiratete Frauen - bestehenden Fördermöglichkeiten Gebrauch machen werden, wenn sie die Zahlen
über ihre Rentenanwartschaften auf dem Papier sehen.
Wir tun alles dafür, sie zu informieren. Wir haben eine
sehr informative Broschüre über die zusätzliche Altersvorsorge von Frauen aufgelegt. Ich kann Sie nur auffordern, auch Ihrerseits dafür zu werben, dass Frauen entsprechende Verträge abschließen.
({3})
Ich bedanke mich
bei der Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 14/9299, 14/9350 Ich rufe zunächst gemäß Nr. 10 der Richtlinien für
die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache
14/9350 auf. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft. Zur Beantwortung der
Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Matthias
Berninger zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Ulrich
Heinrich von der FDP-Fraktion auf:
Auf welchen Beweisen basieren die Vermutungen der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, in ihrer Regierungserklärung vom 6. Juni
2002, wonach höchstwahrscheinlich der Nitrofen-Skandal im
ökologischen Landbau auch die konventionelle Landwirtschaft
erfasst hat?
Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, die Frage zu beantworten.
Herr Abgeordneter Heinrich, ich beantworte die Frage für die Bundesregierung wie folgt: In dem
besagten Lager in Malchin ist in den Jahren 1995 unter anderem Getreide eingelagert worden, das die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in die Intervention
gegeben hat. Allein im Wirtschaftsjahr 1999/2000 handelte es sich dabei um 1500 Tonnen Getreide.
Wir haben uns ferner die Lieferlisten der Firma NSP für
das laufende Wirtschaftsjahr 2001/2002 angesehen. Diese
Lieferliste enthält einen Befund, der uns große Probleme
bereitet. Es ist dort nämlich Weizen in einer Größenordnung von 72 Tonnen eingelagert worden, der aus einem
Umstellungsbetrieb stammt, das heißt, der noch nicht ökologisch vermarktet werden konnte. Diese 72 Tonnen sind
im Dezember 2001 an ein konventionelles Futtermittelwerk in Malchin geliefert worden.
Unmittelbar vor Beginn dieser Fragestunde haben wir
das amtliche Untersuchungsergebnis von Rückstellproben dieser Lieferungen aus Mecklenburg-Vorpommern
bekommen.Zumindest bei der ersten Untersuchung - das
ist wirklich brandaktuell; insofern bitte ich um Verständnis, dass wir Sie vorher nicht informieren konnten - hat
man in einer von zehn Rückstellproben 0,346 Milligramm
Nitrofen je Kilogramm Weizen gefunden. Dieser Weizen
ist zu konventionellem Futtermittel verarbeitet worden.
Erste Zusatzfrage.
Sie sagen gerade, dass der
Weizen zu konventionellem Futtermittel verarbeitet
wurde; er stammt dann voraussichtlich aus einem Umstellungsbetrieb, der konventionelle Ware und nicht Ökoware angeliefert hat.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Bei diesem Weizen handelt es sich in der
Tat um eine Lieferung aus einem Umstellungsbetrieb. Wo
der Fehler gemacht worden ist und warum der Weizen
zunächst als Ökoware eingelagert wurde, kann ich noch
nicht sagen. In diesem Jahr wurden ja in der Halle etwa
500 Tonnen Getreide, deren Spuren wir im Moment nachfolgen, zusätzlich eingelagert. Dann wurde festgestellt,
dass das besagte Getreide offensichtlich von einem Umstellungsbetrieb stammt. Das wurde dann konventionell
vermarktet, wie es üblich ist, und ging an ein ortsansässiges Futtermittelwerk, das große Mengen Futter produziert.
In meiner Frage konnte ich
nicht die Ergebnisse zugrunde legen, die Sie eben erst,
wie Sie ausgeführt haben, bekommen haben. Die Aussagen der Frau Ministerin, dass hier die Vermutung nahe
liegt, dass eventuell Ware durch Ware aus nicht ökologischen Betrieben verunreinigt sein könnte, wurden ja
schon sehr viel früher geäußert.
Meine Frage war: Auf welche Beweise hat Frau Künast
damals ihre Aussage gestützt? Was Sie jetzt anführen, ist
ja eine neue Entwicklung, die man nicht voraussehen
konnte. Mir geht es darum, dass von Frau Ministerin
Künast immer wieder auf konventionelle Ware hingewiesen wurde, aber nirgends Beweise dafür vorlagen. Wir
wissen, dass im konventionellen Bereich über 190 Proben
stattgefunden haben und nirgends auch nur das Geringste
gefunden wurde. Ich möchte konkret wissen, auf welcher
Grundlage solche Aussagen getätigt werden.
Herr Abgeordneter, die Nachfrage beantworte ich Ihnen sehr gerne: Grundlage Nummer eins waren die konventionellen Getreidelieferungen, die in den
Vorjahren in dieser Halle eingelagert waren. Wir vollziehen zurzeit nach, welche Lieferungen es in den Jahren
1995 bis 1999 gegeben hat. Allerdings ist diese Frage
nicht mehr von aktueller Relevanz für die Verbraucher,
weil das Getreide aus dieser Zeit in aller Regel schon verarbeitet und verbraucht sein dürfte.
Darüber hinaus sind wir natürlich, weil es sich hierbei
auch um ein Problem internationaler Dimension handelt,
dabei, die Wege nachzuvollziehen, die das Interventionsgetreide genommen hat, das im Regelfall in Länder außerhalb der EU exportiert wurde.
Neben dieser Erkenntnis haben bereits am Donnerstag,
zum Zeitpunkt der Regierungserklärung - auf die bezieht
sich ja Ihre Frage -, Lieferlisten vorgelegen und wir wussten bereits zu diesem Zeitpunkt, dass eine Getreidelieferung in den konventionellen Bereich gegangen ist. Wir haben allerdings zunächst das Ergebnis der Untersuchungen
abgewartet, bevor wir diese Getreidelieferung thematisiert haben. Ich bitte um Verständnis, aber wir wollten
Schaden von der betroffenen Firma abwenden.
Nun kommt die
Frage 2.
({0})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
- Sie haben schon zwei gestellt, aber ich gebe Ihnen heute
großzügigerweise noch eine dazu.
Wenn konventionelles Getreide dort eingelagert war und man in dem keine Rückstände gefunden hat, stellt sich natürlich die Frage, wie
dann die Verunreinigung tatsächlich zustande kommen
konnte. Dazu hätte ich auch von Ihnen ganz gern noch
eine Antwort. Die Lagerart - auf dem Boden als Schüttgut ausgebracht - hat sich ja nicht verändert. Dass vorher
konventionelles Getreide nicht verunreinigt wurde, nachher ökologisch produziertes Getreide aber doch verunreinigt wurde, wirft ja erhebliche Fragen auf.
Da uns bisher keine Ergebnisse von Untersuchungen des in den Vorjahren gelieferten Getreides
vorliegen, kann ich die Ausgangshypothese Ihrer Frage,
dass nämlich dieses Getreide bei der Lagerung in der Halle
nicht belastet worden ist, nicht bestätigen. Ich werde bei
der Beantwortung der folgenden Fragen darauf näher eingehen. Wir gehen vielmehr davon aus, dass bei der Lagerung in der Halle Belastungen möglich gewesen sind.
Wir sind noch bei der
dringlichen Frage 1, in der es darum geht, ob auch die konventionelle Landwirtschaft betroffen ist. Danach behandeln wir Frage 2, in der es darum geht, was wir machen,
wenn die konventionelle Landwirtschaft nicht betroffen
ist, und ob es, falls dies der Fall ist, möglicherweise Schadenersatzprozesse gibt.
Jetzt hat der Kollege Straubinger das Wort zu einer
Zusatzfrage. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
ich möchte Folgendes fragen: Wurden in Malchin verschiedene Partien unterschiedlich gelagert? Kann aufgrund neuerer Erkenntnisse jetzt tatsächlich nachvollzogen werden, dass in Malchin sowohl Ökoware als auch
offensichtlich nicht für den Ökobereich vorgesehene
Ware eingelagert waren? Der Kollege Heinrich hat ja vorhin ausgeführt, dass die Lagerhaltung insgesamt Schüttgut betraf. Er hat auf Presseberichte hingewiesen, zum
Beispiel auf den im „Focus“ - er liegt vor mir -, in denen
es heißt: Getreide wurde eingelagert und mit einem Radlader umgekehrt, um eine Nachtrocknung des Getreides
zu bewirken. Wie soll es jetzt möglich sein, eine einzelne
Partie herauszufinden?
Herr Abgeordneter, das ist dadurch möglich, dass diese Halle - sie ist sehr groß - in verschiedene
Abteilungen unterteilt ist. Der größte Problembereich
- auch darauf werde ich bei der Beantwortung der folgenden Fragen eingehen - ist in Abteilung vier zu finden.
In dieser Abteilung ist das verseuchte Getreide gelagert
worden. Es war ursprünglich für den ökologischen Landbau vorgesehen. Man hat dann offenbar - so kann ich jetzt
nur spekulieren - den Fehler festgestellt und dieses Getreide ordnungsgemäß nicht mit dem Etikett „ökologisch“
verkauft, sondern einem ortsansässigen Futtermittelhersteller als konventionelles Getreide angedient. In Rückstellproben des Getreides, das, wie ich Ihnen eben gesagt
habe, an der gleichen Stelle lagerte wie die anderen infrage stehenden Getreidepartien, hat man ebenfalls eine
Nitrofen-Belastung gefunden.
Ich sage noch einmal: Meine Aussage steht unter dem
Vorbehalt, dass auch die zweite amtliche Probe positiv ist.
Ich wollte Ihnen meine Information allerdings nicht vorenthalten.
Der Kollege Schindler
hat das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
wir hören solche Botschaften wirklich nicht gern; denn sie
beunruhigen zusätzlich. Wie weit reichen die Erkenntnisse - schon letzten Samstag wurde stolz die frohe Botschaft verkündet, man habe alles im Griff - und können Sie
darüber Auskunft geben, woher die Getreidepartien im
Einzelnen herkommen? Jetzt ist von einem Umstellungsbetrieb die Rede. Anhand von Lieferbescheinigungen,
von Wiegescheinen muss es möglich sein, die Vorgänge
nachzuvollziehen. Tappen wir alle noch im Dunkeln, obwohl man rasch aufklären wollte?
Herr Kollege Schindler, wir wissen sehr
genau, wer Getreide angeliefert hat und welche Lieferwege dieses Getreide genommen hat. Es waren drei: Einmal die Lieferung in die Halle NSP Malchin, dann die Lieferung von dort an Dritte; Dritte können diese Lieferung
weiterverteilt haben. Darüber hinaus ist ein sehr großer
Teil der Lieferungen an einen Zwischenhändler, nämlich
an das Unternehmen Busse, weitergegeben worden. Dieses Unternehmen hat wiederum andere beliefert. Am
Ende ist der Löwenanteil zu dem besagten Hersteller,
GS agri, gelangt, über den in der letzten Zeit viel geredet
worden ist; denn bei ihm hat man zunächst - Ausgangspunkt war Hipp-Putenfleisch - Nitrofen gefunden.
Wir vollziehen alle Lieferwege nach. Die Öffentlichkeit muss eindeutig darüber informiert werden, dass alle
Nitrofen-Funde, über die wir jetzt reden, durch das Nachvollziehen der Lieferwege aufgedeckt worden sind. Analysen von Bereichen außerhalb dieser Lieferwege haben
bisher - in Fragen, die hier gestellt worden sind, ist das
schon angeklungen - zu keinen Ergebnissen geführt. Jeder Nitrofen-Fund in der Lebensmittelkette ist mit Getreide in Verbindung zu bringen, das in Malchin gelagert
worden ist. Dieses Getreide ist von unterschiedlichen
Landwirten angeliefert worden. Um eine Frage zu beantworten, die später gestellt werden wird: Das erhärtet den
Ermittlungsstand der Staatsanwaltschaft, die die Auffassung vertritt, die Quelle der Kontamination sei diese
Halle, vor allem besagte Abteilung vier dieser Halle, eindeutig. Auf diesen Punkt werde ich aber später noch zu
sprechen kommen.
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Jetzt hat der Kollege
Carstensen das Wort.
Herr
Staatssekretär, gerade Ihre letzte Antwort veranlasst mich
zu der Frage, ob Sie bestätigen können, dass diese
315 Tonnen Weizen aus der ökologischen Produktion
nicht einmal 14 Tage in dieser Halle gelagert wurden, bevor sie am 2. November zur Verarbeitung an die Betriebe
ausgeliefert wurden.
Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen nicht
über jede einzelne Getreidelieferung Auskunft geben.
Dazu müsste ich mir die Liste im Detail anschauen. Ich
kann aber bestätigen, dass es Lieferungen über NSP zum
Beispiel an GS agri ab dem 31. Juli gegeben hat und dass
das Getreide zum Teil nur sehr kurze Zeit in dieser Halle
gelagert worden ist.
Die Halle ist in der Tat erst ab dem 1. August angemietet worden. Aber die Schlüsselübergabe hat schon einige
Tage vorher stattgefunden. So erklärt sich, dass der
31. Juli in Lieferlisten aufgetaucht ist. Wir haben dieses
Datum erst im Nachhinein dadurch herausfinden können,
dass offensichtlich das Liefer- und Rechnungsdatum verwechselt worden ist. Nach Abgleich der verschiedenen
Listen von GS agri, Zwischenhändler und NSP konnten
wir diesen Umstand aufklären. Wir haben genauso gestutzt wie Sie. Wir haben aber dann herausbekommen,
dass die Schlüsselübergabe vorher stattgefunden hat.
Nun der Kollege Deß.
Herr Staatssekretär, sind die
Erzeugerbetriebe, die dieses Getreide produziert haben,
namentlich bekannt? Wenn ja: Liegen diese Betriebe ausschließlich in Deutschland oder sind auch Betriebe aus
dem Ausland dabei?
Die Erzeugerbetriebe sind namentlich
bekannt. Leider ist ein Betrieb - das ist die Agrargenossenschaft in Stegelitz - ursprünglich verdächtigt worden,
Quelle der Vergiftung zu sein. Dieser Betrieb ist aber in
den Medien zu Unrecht dafür verantwortlich gemacht
worden. Das zeigt, dass es die Biobauern und die bäuerlichen Betriebe sind - wie bei vielen anderen Lebensmittelkrisen auch -, die zunächst einmal für das Problem verantwortlich gemacht werden. Soweit mir bekannt ist, sind
sämtliche Zulieferer Betriebe, die in Deutschland gewirtschaftet haben.
Nun die Kollegin
Höfken.
Herr
Staatssekretär, bestätigt sich damit die These, dass es sich
hier um ein Problem handelt, das nicht in der Ökoproduktion und auf den Biobauernhöfen verursacht wurde und
das nur aufgrund der vorhandenen doppelten Kontrollen
im Ökobereich entdeckt wurde? Bestätigen Sie, dass wir
leider davon ausgehen müssen, wie in den vergangenen
Debatten schon des Öfteren zum Ausdruck gebracht, dass
kontaminierte Ware auf den Markt für konventionelle
Ware gelangen konnte, ohne entdeckt zu werden? Sind Sie
ebenfalls der Ansicht, dass man die Probleme in beiden
Bereichen angehen muss, da es unerheblich ist, ob die Gesundheit der Verbraucher durch konventionelle oder durch
ökologische Waren beeinträchtigt wird?
Frau Abgeordnete, ich teile Ihre Einschätzung. Es ist einer der wichtigsten Punkte in der
agrarpolitischen Diskussion, dass wir im Falle einer Lebensmittelkrise dafür sorgen müssen, dass wir erst die Ursache des Problems herausfinden, bevor einzelne landwirtschaftliche Betriebe an den Pranger gestellt werden.
Wir haben schon verschiedene Lebensmittelkrisen erlebt,
bei denen die Verbraucher gemeinsam mit den bäuerlichen Betrieben die Leidtragenden waren. Ich habe die
Hoffnung, dass man zu einem anderen Umgang mit den
bäuerlichen Betrieben kommt.
Es gibt aufgrund der Ermittlung in den letzten 14 Tagen keine Anhaltspunkte, dass die Kontamination bereits
auf dem Acker erfolgt ist. Dagegen sprechen verschiedene
Aspekte: die hohen Werte von Nitrofen, die Frage, ob man
den Stoff in dieser Form anwenden kann, das Problem,
dass ein mit Nitrofen in hoher Konzentration belastetes
Getreide Geruchsspuren aufweisen kann. All diesen Fragen sind wir nachgegangen. Die Ermittlungen von Bund
und Ländern lassen nur den Schluss zu, dass die Kontamination nicht in bäuerlichen Betrieben, sondern in Malchin
stattgefunden hat. Dazu kann ich Ihnen bei der Beantwortung der anderen Fragen mehr sagen.
Wir kommen nun zu
den weiteren dringlichen Fragen.
Ich rufe jetzt die dringliche Frage 2 des Kollegen
Ulrich Heinrich auf:
Welche Auswirkungen für die konventionelle Landwirtschaft
erwartet die Bundesregierung für den Fall, dass sich diese Vermutungen der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft, Renate Künast, als falsch erweisen sollten
und die betroffene Wirtschaft gerichtliche Schritte gegen die Bundesministerin einleitet?
Herr Staatssekretär, bitte.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Die Frage 2 des Kollegen Heinrich geht
davon aus, dass sich die Behauptung der Ministerin
Künast, dieses Problem könne sich auf den konventionellen Landbau ausdehnen, als falsch erweist. In Anbetracht
dessen, was ich Ihnen eben mitgeteilt habe, ist Ihrer Frage
sozusagen die Grundlage entzogen. Es ist so, dass zumindest eine Lieferung in den konventionellen Bereich gegangen ist, eine gemessen an der Produktionsmenge des
Futtermittelwerks zugegebenermaßen sehr kleine Lieferung. Besonders bedauerlich ist - da stimme ich dem zu,
was der Abgeordnete Schindler vorhin zum Ausdruck gebracht hat -, dass dieses Problem nun auch auf den konventionellen Bereich übergegriffen hat.
Es gibt eine Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege.
Das heißt, dass die Getreidelieferung durch Umwidmung von Bio- in konventionelle
Ware in den konventionellen Strang gelangt ist. Stimmt
das so?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Nein, Herr Abgeordneter. Ich habe es
eben dargestellt. Es ist so, dass Getreide aus einem Umstellungsbetrieb, das noch nicht als Bioprodukt vermarktet werden kann, als Partie eingelagert worden ist.
Nachdem man festgestellt hat, dass es nicht für den ökologischen Landbau zugelassen ist, hat man es, wie in einem solchen Fall üblich, für den konventionellen Landbau zur Verfügung gestellt, indem man es diesem
Futtermittelwerk angedient hat.
({0})
Wie konnte man das dann in
der Lagerhalle getrennt erfassen und ganz gezielt auslagern?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Aufgrund der mir vorliegenden Lieferlisten gehe ich davon aus, dass die einzelnen Partien genau dokumentiert wurden. Ich muss ohnehin sagen, dass
die sehr strengen Dokumentationspflichten bezüglich der
Lieferwege, die im ökologischen Landbau Standard sind,
es uns jetzt leichter machen, alle Wege nachzuverfolgen.
Ich rufe die
dringliche Frage 3 der Kollegin Annette Widmann-Mauz
auf:
Welche Mengen konnten bis heute an mit Nitrofen verseuchten Weizen, Futter- und Lebensmitteln sichergestellt werden - im
Nachgang zu der Staatssekretärskonferenz am 9. Juni 2002 und
den dort erworbenen Erkenntnissen?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Frau Kollegin Widmann-Mauz, es ist so,
dass wir, wie gesagt, die Lieferwege sehr genau kennen
und in den letzten Tagen aktiv waren. Wir wissen, dass von
NSP 18 Betriebe und von GS agri 73 Betriebe mit 90 Betriebsstätten beliefert worden sind. Wir wissen, dass es
auch Lieferungen im zweistelligen Tonnenbereich von
dem Futtermittelhändler Busse an Dritte gegeben hat. Wir
verfolgen jetzt jeden dieser Wege weiter. Die Länder haben das, wie es auch in dem Bericht für die Europäische
Kommission von dieser Woche angeklungen ist, konsequent umgesetzt. Betriebe, bei denen die Möglichkeit besteht, dass Nitrofen in die Nahrungsmittel gelangt ist, werden gesperrt. Es finden entsprechende Untersuchungen
statt. Ergebnis dieser Untersuchungen sind die NitrofenFunde überall im Bundesgebiet, die es jetzt langsam gibt.
Aber noch einmal: Diese Funde deuten nicht darauf
hin, dass wir ein Problem mit der Frage haben, wo die
Quelle ist, sondern sind ein Beleg dafür, dass wir mit der
Ausgangsthese, dass Malchin die Quelle der Kontamination ist, richtig liegen. Sie sind insoweit beunruhigend für
die einzelnen Hersteller, aber beruhigend in Bezug auf die
Frage der Quelle der Kontamination und die Richtigkeit
der Ausgangsüberlegung.
Sie fragen nach den genauen Mengen. Ich bitte um Verständnis: Wir haben, auch bei den Ländern, versucht,
diese Zahlen mit Blick auf diese Fragestunde zu ermitteln.
Die zuständigen Behörden der Länder konnten uns jedoch
nicht umfassend sagen, um welche Mengen es sich handelt. Aber an den eben beschriebenen Distributionswegen
können Sie erkennen, dass es hier um größere Mengen
geht, die allerdings aufgrund der Dokumentation klar
überschaubar sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn die Dokumentation aufgrund des hervorragenden Kontrollsystems so lückenlos ist, wie Sie es darstellen, können Sie dann abschließend sagen, dass Sie alle
Betriebe und auch alle Endabnahmestellen ausfindig gemacht haben, oder mit welchen Prozentwerten hinsichtlich
noch nicht gefundenen Futtermittel- oder Lebensmittelvorkommen, die nitrofenbelastet sind, rechnen Sie noch?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Frau Kollegin, ich könnte hier nur spekulieren. Wir haben die Länder sehr frühzeitig zusammengerufen, mit ihnen mehrere Sitzungen gehabt und
eine gemeinsame Taskforce eingerichtet. Es ist deutlich
geworden, dass es sich hier um ein bundesweites Problem
und nicht um ein regional eingrenzbares Problem handelt.
Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass die zuständigen Behörden in den Ländern mit äußerster Sorgfalt
vorgehen. Das haben wir auch in Brüssel so vorgetragen.
Deswegen möchte ich an dieser Stelle nicht spekulieren,
inwieweit hier durch Fehler Ungenauigkeiten entstehen
können. Wir können nur feststellen, dass zurzeit in allen
Bundesländern mit äußerster Sorgfalt an diesem Thema
gearbeitet wird.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie hier nicht über prozentuale Zahlen in
Bezug auf das, was noch nicht aufgeklärt ist, spekulieren
wollen, wie kommt es dann, dass in dem entsprechenden
Ausschuss des Europäischen Parlamentes vonseiten der
Bundesrepublik genauere Zahlen genannt wurden und
über diese auch spekuliert wird?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Was meinen Sie mit „genaueren Zahlen“?
Ich meine
damit, dass etwa 6 Prozent des gesamten Bereiches noch
nicht aufgeklärt sind.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich
war dort nicht anwesend. Ich kann Ihnen nur sagen, dass
wir davon ausgehen, dass die Länder mit äußerster Sorgfalt vorgehen. Es ist völlig klar, dass jede Ungereimtheit
ausgesprochen unerquicklich ist. Ich gehe nicht davon
aus, dass wir in der Nachverfolgung ein größeres Problem
haben. Aber es kann, wenn in der Lieferkette an Dritte,
Vierte oder Fünfte weitergeliefert wurde, in der Tat zu
Schwierigkeiten kommen. Das steht völlig außer Frage.
Außerdem sind in den Behörden Menschen tätig. Leider
ist es so, dass im Bereich der Lebensmittelsicherheit die
personelle Ausstattung der Behörden ausgesprochen eingeschränkt ist.
Soweit es den Verantwortungsbereich unseres Ministeriums betrifft, kann ich sagen, dass diese Angelegenheit
seit dem Tag, an dem die entsprechende Nachricht bei uns
eingetroffen ist, mit größter Sorgfalt und Ernsthaftigkeit
behandelt wird. Auch für die Länderkollegen nehme ich
in Anspruch, dass dort so vorgegangen wird.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Carstensen.
Herr
Staatssekretär, Sie haben in einer Ihrer vorherigen Antworten gesagt, dass es sich bei den jetzt gefundenen Mengen um größere Mengen handelt. Wir beide wissen, dass
am 2. November 2001 aus der Halle in Malchin 315 Tonnen Bioweizen verkauft worden sind. Wir beide wissen auch, dass die Firma GS agri pro Monat ungefähr
1 700 Tonnen Biofuttermittel mit einem Anteil von
60 Prozent Getreide produziert. Das heißt, dass sie pro
Monat 1 000 Tonnen Getreide verarbeitet. Wir können
also davon ausgehen, dass diese 315 Tonnen bis Mitte
November verarbeitet worden sind.
Wie passt das jetzige Finden von größeren Mengen mit
Ihrer These zusammen, dass das Lager in Malchin die alleinige Quelle für die erfolgte Kontamination sein kann?
Getreide von dort dürfte doch heute überhaupt nicht mehr
auf den Markt sein. Es sind sieben Monate vergangen.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Ich verstehe Ihre Frage insoweit nicht, als
dass wir jede Getreidepartie verfolgen. Interessanterweise
finden wir immer dann, wenn Getreide, das in Malchin
gelagert wurde, entweder über NSP und den Zwischenhändler GS agri oder über einen anderen Weg in den
Verkehr gebracht wurde und wir diesen Weg nachverfolgen - sei es in Rheinland-Pfalz, sei es in SchleswigHolstein, sei es in Bayern -, positive Funde bei den Rückstellproben. Das bezieht sich nicht nur auf das Getreide,
das an die GS agri geliefert worden ist, sondern auch auf
das Getreide, das an die 17 - wenn man Busse einbezieht,
sind es noch mehr - Betriebe bzw. Futtermittelhersteller
geliefert worden ist. Daran sehen Sie: Wir können die
Spur immer wieder bis nach Malchin zurückverfolgen.
Insofern verstehe ich nicht, warum das nicht zu meiner
Ausgangsthese passen soll.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Straubinger.
Herr Staatssekretär,
die Bundesregierung geht davon aus, dass der Kontaminationspunkt das Lager Malchin ist. Wurden, um diese
These zu untermauern, mittlerweile zusätzliche Proben
von Ökogetreide in anderen Lagerstätten gezogen und zu
welchem Ergebnis kam man, wenn Proben von anderen
Lagerstätten gezogen wurden?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Wir haben insbesondere in den landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch in den vorgeschalteten
Trockeneinrichtungen diverse Proben gezogen. Dort gab
es, bevor das Getreide Malchin erreicht hat, keine positiven Funde.
Eigentlich ist das, was ich im Folgenden aus einem Inspektionsbericht zitieren möchte, die Antwort auf eine
spätere Frage. Aber ich möchte Ihnen schon jetzt vorlesen, was Mitarbeiter der Biologischen Bundesanstalt für
Land- und Forstwirtschaft, die sich die Halle in Malchin
genauer angesehen haben, in ihrer Stellungnahme zum
Hallenzustand unter anderem festgestellt haben:
Die Abteilung 4 der Halle befand sich in einem sehr
sauberen Zustand. Ritzen waren freigelegt. In der
Halle
- jetzt kommt es sind zweifelsfrei Gerüche von Pflanzenschutzmitteln
wahrnehmbar. Der Betonfußboden war im Bereich
der Trizilinablagerung auskristallisiert. Im Außenbereich der Halle zeigten die Gräser typische NitrofenSymptome.
Für diejenigen, die es nicht wissen: Trizilin ist ein Handelsname für eine Nitrofen-Emulsion. Das heißt, Nitrofen
wird in organischen Lösungsmitteln gelöst.
Worauf möchte ich hinaus? - Die Experten der BBA
gehen fest davon aus, dass in dieser Halle größere Mengen Nitrofen vorhanden waren und diese größeren Mengen punktuell in das Getreide eingebracht wurden. Das erAnnette Widmann-Mauz
klärt die manchmal sehr hohen und manchmal gar nicht
vorhandenen, also keineswegs homogenen Belastungen
des Getreides.
Darüber hinaus hat es am vorletzten Wochenende eine
erste Untersuchung gegeben, bei der man im Staub der
Halle 2 Gramm Nitrofen pro Kilogramm festgestellt hat.
Gestern wurde eine weitere Analyse des Bodens durchgeführt. Das Ergebnis waren 77,9 Gramm Nitrofen pro Kilogramm. Das ist mehr als das 77-Millionenfache des
Grenzwertes. Alles deutet darauf hin - da sind wir mit den
ermittelnden Behörden in Mecklenburg-Vorpommern,
der Staatsanwaltschaft und dem Landeskriminalamt, einer Meinung -, dass diese Halle, die früher das zentrale
Lager für Pflanzenschutzmittelreserven der drei Nordbezirke der ehemaligen DDR war, der Ort der Kontamination ist.
Zu dieser
Frage der Kollege Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.
Herr
Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, es gebe eine Dokumentation, die Ihnen die Aufklärung erleichtere. Es ist
ja gut, wenn dem so ist. Müssten Sie dann aber nicht,
wenn Malchin die einzige Quelle ist, zum jetzigen Zeitpunkt lückenlos darüber Auskunft geben können - zumindest für den Ökolandbau -, wohin das Getreide gelangt ist? Das Gleiche gilt für die Mengen. Darauf haben
Sie geantwortet, das könnten Sie nicht sagen.
Wenn es eine Dokumentation gibt: Warum hat die Aufarbeitung doch verhältnismäßig lange gedauert? Denn
wenn es Dokumente gibt, in die man schauen kann,
müsste man im Grunde genommen schneller handeln
können, als es geschehen ist. Die Lebensmittelkrisen dauern in Deutschland einfach zu lange.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Abgeordneter, die Ausgangsthese,
dass die Aufklärung in diesem Fall zu lange gedauert hat,
teile ich nicht. Im Gegenteil: Gerade aus den Reihen der
Opposition gab es Vorwürfe, dass wir mit der kontaminierten Halle in Malchin das Problem zu schnell gelöst hätten.
({0})
- Lassen Sie uns gleich darüber reden! Es kommen noch
entsprechende Fragen.
Zu Ihrer Frage: Die zuständigen Mitarbeiter unseres
Hauses und auch der Länder arbeiten mit Hochdruck daran, die Wege nachzuvollziehen. Zum Teil werden die
Verfahren dadurch erschwert, dass einzelne Verursacher
dieses Nitrofen-Skandals aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bei der Herausgabe von Informationen mauern. Aber seit dem Zeitpunkt, als die Leitung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft in Gestalt meines Kollegen, des Staatssekretärs Müller, die Information erhalten
hat, dass Nitrofen in Putenfleisch enthalten ist, wird mit
Hochdruck an diesem Thema gearbeitet. Ich sage Ihnen:
Ich bin erleichtert, dass wir relativ schnell die Quelle der
Kontamination gefunden haben; denn das lässt eindeutig
den Rückschluss zu, dass die bäuerlichen Betriebe nicht
die Verursacher sind. Das sollte uns alle freuen, ich denke,
auch Sie.
Der Kollege
Ronsöhr kann erst zu der nächsten Frage eine weitere Zusatzfrage stellen. Deswegen gebe ich zunächst das Wort
der Kollegin Christine Ostrowski und dann dem Kollegen
Schindler.
Herr Staatssekretär, können Sie erklären, warum eine Lagerhalle, die zur DDRZeit mit Nitrofen bestückt war, nach der Vereinigung quasi
nahtlos zur Lagerung von Getreide verwendet wurde?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Frau Kollegin, Sie wissen, dass die Zuständigkeit dafür nicht beim Bund liegt, sondern bei den
entsprechenden Behörden vor Ort. Ich kann mir das nicht
erklären.
Kollege
Schindler.
Herr Staatssekretär,
wie erklären Sie, nachdem Sie uns im Moment vorwerfen,
wir hätten zu schnell kritisiert, die Aufklärung sei nicht
ordnungsgemäß gewesen, dass auch der Minister Backhaus
in der Öffentlichkeit Selbstzweifel geäußert hat? Das
Gleiche gilt für Graefe zu Baringdorf. Dazu hätte ich gern
Ihre Meinung gehört. Es gibt ja eine enge Abstimmung.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Abgeordneter, ich denke, es ist absolut angebracht und legitim - das ist in Ihr Benehmen gestellt -, die Frage zu stellen, ob Malchin tatsächlich die
Quelle der Kontamination ist. Sie können davon ausgehen, dass wir in den letzten 14 Tagen nichts anderes getan
haben, als uns immer wieder diese Frage zu stellen. Wir
hatten am Mittwoch vorvergangener Woche eine Ausschusssitzung, in der wir ausführlich informiert haben.
Auch dort wurde immer wieder die Frage gestellt, wie das
Nitrofen in die Lebensmittel gelangt sein kann.
Wir haben alle möglichen anderen Wege verfolgt. Aber
aufgrund der Tatsache, dass in Malchin die Abteilung 4
hochgradig mit diesem Stoff kontaminiert war und jedes
nitrofenbelastete Getreidekorn, das wir bisher gefunden
haben, nur eines mit den anderen gemeinsam hatte, nämlich dass es dort gelegen hat, gehen wir davon aus, dass
die Halle der Ort der Kontamination ist.
Wir gehen aber auch allen anderen Spuren selbstverständlich mit dem gleichen Nachdruck nach. Man müsste
aber andere konkrete Hypothesen für eine Belastung
nachweisen und auch Anhaltspunkte haben. Es gab nur einen Anhaltspunkt aus einer Lieferung auf Basis einer
Rückstellprobe im Bereich von Kochwürstchen. Bis zum
vergangenen Wochenende ging man dabei davon aus,
dass schon, bevor Futter mit dem Getreide aus Malchin
hergestellt worden ist, Nitrofen-Funde im Fleisch feststellbar waren. Es hat sich aufgrund der amtlichen Proben
abschließend herausgestellt, dass diese Wurstprobe nicht
belastet war. Vor diesem Hintergrund können wir nach
wie vor sagen: Malchin ist der Ort der Kontamination.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Meinolf Michels.
Die Halle in Malchin
wurde vorher für die Lagerung von Pflanzenschutzmitteln
genutzt. Kann es sein, dass es in Deutschland Hallen mit
ähnlichen Verwendungszwecken gibt, die heute für die
Getreidelagerung genutzt werden? Wenn ja, hat die Bundesregierung diesen Faden aufgenommen, um festzustellen, ob nicht auch an anderen Stellen, an denen heute Getreide gelagert wird, früher einmal Pflanzenschutzmittel
gelagert wurden?
Herr Abgeordneter, ich bin Ihnen für die
Frage sehr dankbar; denn die ersten Fragen, die wir uns
am Samstag, dem 1. Juni, gestellt haben, waren: Wenn es
ein Zentrallager für die Pestizide für die drei Nordbezirke
gegeben hat, was ist dann mit den übrigen Bezirken? Was
ist mit anderen Altlasten? Sind die vielleicht in andere
Nutzung gegangen? Wir haben daher die Länder noch am
Samstag gebeten, dieser Frage nachzugehen. Der bisherige Stand der Ermittlungen sagt glücklicherweise, dass es
keine ähnliche Nutzung, keine ähnlich kontaminierten
Orte wie in Malchin gegeben hat.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Ulrike Höfken.
Aufklärung ist wichtig und es wäre schön, wenn der Eifer der
Opposition beispielsweise auch bei BSE so groß gewesen
wäre. Was mich bei dieser Art von Aufklärungswillen befremdet, ist, dass sich neun von 20 Fragen, die wir vorgelegt bekommen haben, darauf beziehen, ob es nicht noch
andere Quellen als diese Lagerhalle gibt. 90 Prozent der
Zusatzfragen beziehen sich ebenfalls darauf.
Ich stelle die Frage an den Staatssekretär: Denken Sie,
dass das vielleicht eine Art Verdächtigungskampagne gegen
den Ökolandbau ist? Denn die Fragen zielen offensichtlich
ausschließlich darauf, Ökobetriebe zu verdächtigen.
({0})
Damit wird die Debatte zu meinem großen Bedauern dazu
instrumentalisiert, einem sich positiv entwickelnden Wirtschaftsbereich Schaden zuzufügen.
Frau Abgeordnete, ich gehe nicht davon
aus, dass dies das Ansinnen der Opposition ist. Im Gegenteil: Ich gehe davon aus, dass wir alle ein Interesse haben, klar und zweifelsfrei festzustellen, wie es zu dieser
Belastung gekommen ist. Es ist eine ernste Sache,
({0})
wenn ein verbotener Stoff in Lebensmitteln auftaucht.
({1})
Die anderen mit diesem Lebensmittelskandal in Verbindung zu bringenden Punkte, zum Beispiel die Unterlassung
des Futtermittelherstellers GS agri, die Funde sofort zu
melden - das Verschweigen hat auch an anderer Stelle stattgefunden -, finde ich schändlich. So wurde dieses Thema
nicht als Gesundheitsrisiko, sondern als Versicherungsfall
betrieben. Diese Aspekte sind das Hauptthema, das die Verbraucherinnen und Verbraucher neben der Frage, ob Malchin die Quelle der Kontamination ist, interessiert.
Ich kann Ihnen sagen: Es war auch schon bei der Debatte um die Regierungserklärung so, dass die Opposition
an dieser Frage weit weniger interessiert war als an der
Frage, ob Malchin der Ort der Kontamination war. Wenn
sie mit dem gleichen Eifer hierzu Fragen stellen würde,
könnten wir sicher noch weitere Aspekte des NitrofenSkandals aufklären.
({2})
Der eine ist
für die Frage, der andere ist für die Antwort verantwortlich. Jetzt hat das Wort der Kollege Albert Deß.
({0})
- Frau Kollegin Höfken, Sie können zur nächsten Frage
eine Zusatzfrage stellen. Zwei Zusatzfragen stehen nur
dem fragestellenden Abgeordneten zu.
Jetzt fragt zunächst der Kollege Deß und dann der Kollege Heinrich.
Ich hatte mich nach der
Frage einer PDS-Kollegin zu Wort gemeldet. Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, dass es von der
ehemaligen DDR-Regierung unverantwortlich war,
Nitrofen noch weitere zehn Jahre bis zum Ende der DDR
einzusetzen, obwohl seit Anfang der 80er-Jahre bekannt
war, dass dieses Mittel krebserregend ist?
Herr Abgeordneter Deß, dazu muss man wissen,
dass dieses Mittel auch in der alten Bundesrepublik noch
bis 1988 in Verkehr gebracht werden konnte. Wenn Sie sich
aber die Altlasten in Bitterfeld und anderswo anschauen,
dann steht außer Zweifel, dass das Regime in der DDR mit
solchen Giftstoffen anders umgegangen ist, als wir es in
Westeuropa und in der Bundesrepublik zum Standard gemacht hatten. Dies nehmen wir zum Anlass, bei der Osterweiterung der Europäischen Union keinerlei Zugeständnisse in Fragen der Lebensmittelsicherheit und des
Umgangs mit Schadstoffen zu machen.
({0})
Kollege
Heinrich.
Herr Staatssekretär, Sie haben
hier eben die mangelnde Bereitschaft der Industrie, von
GS agri, sowie der R + V Versicherungen beklagt und zugleich uns, der Opposition, vorgeworfen, dass wir einseitig agierten. Waren Sie mit dieser Äußerung aber nicht
selbst absolut einseitig, da Sie verschwiegen haben, dass
die Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach
- das ist eine Behörde in Ihrer Zuständigkeit - seit März
davon wusste und sich bis zum 23. Mai, als es von einem
Ökoverband bekannt gegeben worden ist, nicht gemeldet
hat? Es ist auch ein offenes Geheimnis, dass bei der
„Ökomesse“ in Nürnberg alle über die Nitrofen-Belastung sowohl des Futters als auch der Produkte gesprochen
haben und nur das BMVEL nichts davon gehört hat. Wo
ist hier die Einseitigkeit?
Herr Abgeordneter, zunächst einmal bin
ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie mich hier widerlegt haben und sich auch für die Frage der Verursacher und die
Fehler interessieren, die von ihnen begangen wurden.
Bei dem von Ihnen angesprochenen Aspekt geht es um
die Aufklärung. Insoweit muss man deutlich differenzieren: Diejenigen, die frühzeitig Kenntnis hatten, es aber
entgegen dem Futtermittelrecht nicht meldeten, sondern
dieses Futtermittel weiterhin einsetzten, um Putenfleisch
und Eier zu produzieren, obwohl sie wussten, dass das Putenfleisch auch in den sensiblen Bereich der Babynahrungsherstellung gehen soll, und die Öffentlichkeit nicht
warnten, sondern sich mit ihrer Versicherung an einen
Tisch setzten, um das Problem still und heimlich auf dem
kleinen Dienstweg zu lösen, stehen für mich im Kreise der
Verursacher an erster Stelle.
({0})
- Herr Abgeordneter, ich möchte zunächst sehr gerne die
von Ihnen gestellte Frage beantworten. Sie können dann
noch eine stellen.
Sie haben dann einen zweiten Problemkreis angesprochen: die Fehler in der Aufklärung. Sie wissen, dass wir
hier weder etwas verheimlichen noch etwas beschönigen.
Im Anschluss an die Regierungserklärung haben wir dieses Thema mehrere Stunden lang Punkt für Punkt debattiert. Die Fehler haben sich in der öffentlichen Verwaltung
insbesondere dadurch ereignet, dass sich die zuständigen
Mitarbeiter kein Bild von der Dimension des Problems
gemacht haben und deswegen Informationen abgeheftet
und nicht weitergegeben haben. Klar ist, dass hier die
Bundesanstalt für Fleischforschung einen Fehler gemacht
hat. Über dieses Versäumnis reden wir sehr offen.
Klar ist aber auch, dass wir sofort gehandelt haben,
nachdem die Spitze unseres Hauses von diesem Problem
erfahren hat. Es gibt Versäumnisse bei den Ökokontrollstellen, es gibt stille Rückrufaktionen im Ökohandel. Das
alles sind Fehler im Bereich der Aufklärung, die meiner
Meinung nach nicht entschuldbar sind. Darüber hinaus
gab es unmittelbar nach Bekanntwerden der Krise Anlaufschwierigkeiten bei der Koordinierung der Aktivitäten von Bund und Ländern. Dies klappt inzwischen glücklicherweise hervorragend.
Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass
es hier eine Gruppe von Verursachern gibt, die im Zentrum unserer Empörung stehen sollten. Hier handelt es
sich um Leute, die sogar Kindergärten weiter mit Putenfleisch beliefert haben, obwohl sie wussten, dass dieses
Putenfleisch belastet ist.
({1})
Ich rufe die
dringliche Frage 4 der Kollegin Annette Widmann-Mauz
auf:
Kann die Bundesregierung weitere Quellen für die NitrofenVerseuchung ausschließen - im Nachgang zu der Staatssekretärskonferenz am 9. Juni 2002 und den dort erworbenen Erkenntnissen?
Frau Kollegin Widmann-Mauz fragt nach
einem Punkt, der in der Diskussion bereits eine Rolle gespielt hat: Können wir andere Nitrofen-Belastungen ausschließen?
Natürlich kann man das nie ausschließen. Man kann
aber aufgrund der bisherigen Ergebnisse, das heißt der
Analysen alter gaschromatographischer Untersuchungen
sowohl im Lebensmittel- als auch im Futtermittelbereich,
wo man keine Nitrofen-Funde hatte, und aufgrund der
Tatsache, dass das Pflanzenschutzmittel Nitrofen in Osteuropa eben nicht mehr weit verbreitet ist, sondern im Gegenteil nur noch an einer Stelle, in der Bundesrepublik
Jugoslawien, zum Einsatz kommt, sowie aufgrund der
Tatsache, dass wir seit vielen Jahren, nämlich seit dem
Nitrofen-Verbot, hier keinerlei Probleme hatten, davon
ausgehen, dass dieser Skandal und die daraus entstandenen Probleme auf eine eindeutige Kausalkette zurückzuführen sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie stellen Sie sich zu der Aussage des Leiters des
Neuform-Labors, Peter Dräger, der in der „FAZ“ zitiert
wird: „Der mit Nitrofen verunreinigte Wegestaub hätte
hüfthoch liegen müssen“, um überhaupt zu einer solchen
Kontamination zu kommen? Wie bewerten Sie diese Aussage, auch vor dem Hintergrund, dass dieses Labor zum
Beispiel alle Lebensmittel der Reformhäuser prüft und
auch in der Vergangenheit schon auf Nitrofen geprüft hat?
Dieser Experte, Herr Dräger, geht
zunächst einmal davon aus, dass es zu einer homogenen
Kontamination des Getreides gekommen ist. Wenn Sie
meinen bisherigen Antworten gelauscht haben, werden
Sie mitbekommen haben, dass alle Ermittlungen von einer punktuellen Belastung ausgehen. Insofern ist die Ausgangshypothese, es sei zu einer homogenen Belastung gekommen, falsch.
Die zweite Ausgangshypothese, die Belastung sei über
den Staub in der Halle gekommen, halte ich ebenfalls für
falsch. Aus der Tatsache, dass wir zunächst eine positive
Staubprobe hatten, hat der Experte offensichtlich geschlossen, der Staub in der Halle sei das Problem. Wie bereits gesagt wurde, ist in dieser Halle mit Radladern gearbeitet worden. Ich zitiere hier noch einmal aus dem
BBA-Bericht über die Besichtigung der Halle in Malchin:
„Der Betonfußboden war im Bereich der Trizilin-Altlagerung auskristallisiert.“ Das heißt, sie haben diesen Stoff
einfach auf dem Boden gehabt. Deshalb erklärt es sich
relativ leicht, dass es beim Umgang mit dem Getreide,
beispielsweise beim Verladen, beim Wenden oder wobei
auch immer, zu punktuellen Kontaminationen gekommen
sein kann. Wie wir erleichtert feststellen können, ist nicht
jedes Getreidekorn aus dieser Halle belastet, sondern nur
ganz bestimmte Partien, was das Krisenmanagement jetzt
sicherlich leichter macht.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sprechen gerade vom Krisenmanagement.
Nachdem wir in der letzten Woche über die Regierungserklärung diskutiert haben und vor zwei Wochen die
Sondersitzung des Ausschusses hatten, würde mich interessieren, wie die konkreten Maßnamen aussehen. Sie haben vorher gesagt, mit der Leitung der Bundesanstalt für
Fleischforschung sei offen geredet worden. Wie sehen
denn die konkreten Maßnahmen aus, um dieses Missverhalten, nämlich das Nichtweiterleiten einer wirklich
wichtigen Information, zu sanktionieren bzw. zu ahnden?
Zunächst einmal möchte ich darauf
hinweisen, dass das Ministerium, als der Chloramphenicol-Skandal bekannt wurde, alle Beamten, auch im
nachgeordneten Bereich - zu dem zählt auch diese
Bundesforschungsanstalt -, am 23. Januar mit einem
entsprechenden Erlass aufgefordert hat, Informationen
mit einer solchen Tragweite an die entsprechenden Verantwortlichen im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft weiterzuleiten. Mit
Schreiben vom 30. Januar hat der Chef der Bundesanstalt
für Fleischforschung uns bestätigt, dass der Erlass den
Mitarbeitern zur Kenntnis gegeben worden ist. Ich bedauere wie wir alle, dass er dort nicht zur Kenntnis genommen wurde und die Mitarbeiter nicht entsprechend
vorgegangen sind.
Darüber hinaus hat die Bundesanstalt für Fleischforschung bisher den Standpunkt vertreten, sie habe im Rahmen des Drittmittelbereichs eine privatwirtschaftliche
Analyse gemacht, das heißt, sie habe wie jedes andere private Labor auch ihre Labors genutzt, um Analysen für die
Wirtschaft zu machen, und daher keinen Grund gesehen,
uns zu informieren. Diese Frage wird mit den Mitarbeitern erörtert.
Unsere Prioritäten sind ganz klar gesetzt: Wir wollen
zunächst alle Spuren des Getreides nachvollziehen. Wir
wollen den Fall aufklären. Wir wollen so gut es eben geht
dafür sorgen, dass die Verbraucher nicht mit diesem Gift
in Kontakt kommen. Wenn wir das in vernünftiger Form
gemacht haben, werden wir uns danach auch um die Fehler kümmern, die bei uns gemacht worden sind. Bei uns
und auch in den Ländern ist die Strategie eindeutig: Jetzt
konzentrieren wir uns auf die Aufklärung, und wenn der
Fall gelöst ist und wir den Verbleib sämtlichen Getreides
nachvollzogen haben, werden wir uns mit den übrigen
Fragen beschäftigen. Ich denke, auch die Verbraucher haben ein Anrecht darauf, dass der Schwerpunkt genau so
gelegt wird.
Es liegen
Anmeldungen für Zusatzfragen von dem Kollegen
Ronsöhr, der Kollegin Ostrowski, der Kollegin Höfken,
dem Kollegen Carstensen und dem Kollegen Straubinger
vor. Wir beginnen mit dem Kollegen Ronsöhr.
Herr Staatssekretär, weil es immer wieder um die Halle in Malchin
geht: Ich möchte feststellen, dass ich Ihre Aussagen dazu nie
kritisiert habe.
Natürlich kann man fragen, ob es außer der Halle in
Malchin noch andere Ursachen gibt. Diese Halle als einzige Ursache ist auch von anderen in Zweifel gezogen
worden. Können Sie bestätigen, dass der Parlamentarische Staatssekretär Thalheim in einer sächsischen Zeitung
bezweifelt hat, dass die Halle in Malchin die einzige Ursache ist, weil er hier ein Diskreditierungspotenzial für die
ostdeutsche Landwirtschaft vermutet?
Herr Abgeordneter, ich kann bestätigen,
dass der Parlamentarische Staatssekretär Thalheim wie
auch der niedersächsische Landwirtschaftsminister
Bartels, der Landwirtschaftsminister von MecklenburgVorpommern, Backhaus, und die Bundesministerin
Künast am vergangenen Donnerstag, nachdem bekannt
geworden war, dass angeblich Würstchen belastet seien,
die vor der Lieferung hergestellt worden waren, zunächst
gesagt haben, es sei nicht auszuschließen, dass es weitere
Kontaminationsquellen gebe. Dies war von Anfang an
eher unwahrscheinlich. Den von Ihnen vermuteten Hintergrund der Äußerungen des Kollegen Thalheim würde
ich als hoch spekulativ zurückweisen.
Worum es uns von Anfang an ging und auch jetzt noch
geht, ist, entsprechende Offenheit zu demonstrieren. Wir
gehen jeder Vermutung, auch jeder Expertenmeinung
nach, und sei sie noch so abwegig. Niemand konnte damit
rechnen, dass in einer solchen Halle Getreide eingelagert
wird. Daran kann man schon erkennen, dass solche Probleme in aller Regel mit dem gesunden Menschenverstand zunächst einmal nicht erklärbar sind, rationale Ursachen nicht zu erkennen sind, sondern dass man bei
Lebensmittelkrisen dieser Art immer wieder das Unmögliche denken muss.
Frau Kollegin Ostrowski, bitte.
Herr Kollege Deß, Sie
haben mich angeregt, mich jetzt ein zweites Mal zu melden.
Herr Staatssekretär, in der Halle in Malchin wurden zu
DDR-Zeiten Pflanzenschutzmittel gelagert. Nach der Vereinigung wurde darin Getreide gelagert. Sehen Sie denn
einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Nutzungsmöglichkeiten und der Privatisierungspolitik der Treuhand?
({0})
Frau Kollegin Ostrowski, das ist sicher
auch eine der wichtigen Fragen, denen man jetzt in Mecklenburg-Vorpommern nachgeht, um festzustellen, wo
Fehler gemacht worden sind. Es ist zweifellos so, dass
auch Versäumnisse in diesem Bereich zu suchen sind, wobei ich Ihnen eines klar sagen will: Weder die Frage, was
in der DDR geschah, noch die Frage, was die Treuhand
gemacht hat, steht für mich im Mittelpunkt, sondern für
mich steht im Mittelpunkt, nachdem klar ist, dass man das
Gift im Essen hat, wie sich die Leute danach verhalten haben. Darauf sollten wir uns in erster Linie konzentrieren.
Die Staatsanwaltschaft wird ja nun ermitteln, ob schuldhaftes Verhalten vorgelegen hat. Es werden sicherlich verschiedene Akteure Rechenschaft ablegen müssen.
Ich möchte aber auch ergänzen, dass wir nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit insgesamt doch eine
sehr erfolgreiche Politik der Altlastensanierung in den
neuen Ländern betrieben haben. Die alte Regierung hat sicherlich richtig gehandelt, im Einigungsvertrag festzulegen, dass hierfür in erster Linie der Bund aufkommen
muss. Das hat sichergestellt, dass die Kommunen mit
großer Sorgfalt Altlasten ausfindig gemacht haben, die
dann auch beseitigt wurden, sodass wir nicht davon ausgehen können, permanent in den neuen Ländern mit diesen Problemen konfrontiert zu werden.
Frau Kollegin Höfken, bitte.
Herr
Staatssekretär, Sie haben meine Vermutung zurückgewiesen, dass es sich hier um einen Angriff auf die Ökolandwirtschaft handeln könnte. Auch die Opposition hat bestätigt, dass dies nicht der Fall ist. Wären Sie insofern
nicht der Auffassung, dass die Fragen 4, 5, 7, 8, 9,
13, 14, 15, 17 und die Zusatzfragen eigentlich bereits beantwortet sind
({0})
und wir uns weiteren Fragen dieser interessanten Diskussion zuwenden könnten?
({1})
Frau Abgeordnete, es würde mir eine
Rüge des Parlamentspräsidenten einbringen, wenn ich
diese Frage wahrheitsgemäß beantworten würde.
({0})
Kein Kommentar. - Herr Kollege Carstensen, bitte.
Herr
Staatssekretär, ich habe das Gefühl, dass Sie sich genauso
wie ich über einige Äußerungen von Frau Kollegin
Höfken, die sonst so tough ist und nicht so viel Angst vor
Fragen hat, wundern.
({0})
Deshalb sage ich und versuche, das in Frageform zu kleiden: Können Sie sich vorstellen, sind Sie mit mir der Meinung und sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass
auch die Opposition ein Interesse daran hat, diese Geschichte aufzuklären? Sind Sie ebenfalls bereit, zur
Kenntnis zu nehmen, dass auch diejenigen - zu denen
gehörte auch ich -, die bis gestern bzw. vorgestern noch
der Meinung waren
({1})
- hören Sie doch einmal einen Augenblick zu! -, dass dieses Mittel auf dem Ökobetrieb, der den Weizen nach Malchin geliefert hat, appliziert worden sein könnte - zum
Beispiel als Erntehilfe -, inzwischen die Erkenntnis haben, dass dieses nicht stimmt, weil es dort Rückstandsproben gibt?
Können Sie sich auch vorstellen, dass wir Ihre These,
dass es sich bei der Halle in Malchin um die alleinige
Quelle handelt, deswegen für sehr unwahrscheinlich ansehen, weil von dort 550 Tonnen Getreide - davon waren
315 Tonnen Weizen - geliefert worden sind? Ich habe Ihnen schon eben meine Bedenken mitgeteilt. Oder stehen
im Moment größere Mengen Getreide aus Malchin in dem
Verdacht, belastet gewesen und ins Futtermittel gelangt zu
sein?
Matthias Berninger Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Wir reden in der Tat noch immer über die
550 Tonnen. Sie haben die Zahl genannt; ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht genau weiß, welche exakte
Menge in den Lieferlisten festgelegt wurde. Ich habe es
mehrfach gesagt: Wann immer man diese Spuren zurückverfolgt und Nitrofen im Getreide oder aber auch in anderen Lebensmitteln gefunden hat, gab es eine eindeutige
Verbindung zwischen dem positiven Befund und der Lagerhalle in Malchin. Wenn man dazu noch betrachtet, in
welchem Zustand sich diese Halle befindet, lässt das für
die Staatsanwaltschaft und die ermittelnden Behörden
von Bund und Ländern nur den Schluss zu, dass Malchin
der Ort der Kontamination ist.
Kollege
Straubinger, bitte.
Herr Staatssekretär,
wenn man von der These ausgeht, dass das nur über Malchin gekommen sein kann, dann muss man natürlich auch
davon ausgehen, dass hier mehrere Einlagerungs- und
Auslagerungsvorgänge stattgefunden haben. Ich nehme
an, dass, wenn alles richtig gehandhabt wird, das Lager
im Anschluss an diese Einlagerungs- und Auslagerungsvorgänge gereinigt wird. Müsste es bei den einzelnen
Proben dann nicht eine abfallende Konzentration der
Nitrofen-Belastung geben? Um es etwas salopp auszudrücken: Durch die ständigen Einlagerungs- und Auslagerungsvorgänge müssten hier gewisse Reinigungsprozesse stattgefunden haben, sodass die Verunreinigung
geringer wurde.
Matthias Berninger Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft: Herr Abgeordneter, zunächst einmal verstehe ich unter einem solchen Reinigungsprozess nichts anderes als eine illegale Entsorgung von
Giftmüll, die dadurch vorgenommen wurde, dass Getreide in dieser Halle gelagert und dann woandershin
transportiert wurde. Es gibt höchst unterschiedliche
Konzentrationen. Diese deuten darauf hin, dass größere
mit Nitrofen hoch belastete Partikel beim Wende-,
Lade- oder sonstigem Vorgang in das Getreide hineingekommen sind und im Rahmen der Futtermittelherstellung so homogenisiert wurden, dass sie von den Tieren aufgenommen wurden.
Das Problem ist, dass Nitrofen ein fettlöslicher Stoff
ist, der sich in den Tieren anreichert und akkumuliert. Je
mehr kontaminiertes Getreide die Tiere zu sich nehmen,
desto höher ist die Anreicherung. Um es deutlich zu sagen: Wir gehen davon aus, dass die Belastung in den Hallen Stück für Stück sank. Das ist sehr erschreckend, weil
wir daher davon ausgehen müssen, dass das bereits in den
Vorjahren dort eingelagerte konventionelle Getreide nitrofenbelastet war.
({0})
Warum hat man das erst jetzt herausgefunden? Die Antwort auf diese Frage ist sehr wichtig, weil der Biolandbau
häufig kritisiert wird. Dies wurde herausgefunden, weil es
bei einem Hersteller für Babynahrung hervorragende Endkontrollen bei der ökologischen Lebensmittelerzeugung
gegeben hat. Früher ist das offensichtlich an allen Kontrollinstitutionen vorbeigegangen.
Der Kollege von Klaeden hatte sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte schön.
Herr Präsident,
ich glaube, bei diesem Punkt drehen wir uns in der Fragestunde im Kreis. Deshalb beantrage ich im Namen
meiner Fraktion eine Aktuelle Stunde zu dem Thema:
Haltung der Bundesregierung zum aktuellen NitrofenSkandal.
({0})
Es ist eine
Aktuelle Stunde zu dem hier angesprochenen Thema beantragt worden. Die Aktuelle Stunde werden wir nach Ablauf der Fragestunde aufrufen.
Wir setzen die Fragestunde fort. Wir kommen zur dringlichen Frage 5 des Kollegen Hans-Michael Goldmann.
({0})
- Also, die dringlichen Fragen 5 bis 20 werden schriftlich
beantwortet.1)
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die gestellten Fragen, die Fragen 1 und 2, sollen schriftlich beantwortet werden.
Das Gleiche gilt für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Auch hier sollen die Fragen 3 und 4 schriftlich
beantwortet werden.
Das gilt wiederum für den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.
Auch die Fragen 5 und 6 sollen schriftlich beantwortet
werden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Günther Friedrich
Nolting auf:
Peter H. Carstensen ({1})
1) Abdruck als Anlage zum Plenarprotokoll der 242. Sitzung
Zu welchen Ergebnissen kommt der deutsch-britische Bericht
zu den Umständen im Zusammenhang mit dem fatalen Seeschiffsunglück, das sich am 6. März 2002 neben der HMS „Cumberland“
ereignete, und warum wurde dieser Bericht dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages bisher nicht zugeleitet?
Frau Staatssekretärin.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Nolting, das Kentern eines Beibootes der britischen Fregatte „Cumberland“ am
6. März 2002 überlebten zwei britische und ein deutscher
Soldat. Zwei Soldaten der deutschen Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ konnten nur noch tot geborgen werden.
Die gemeinsam durchgeführte britisch-deutsche Untersuchung über die von der „Cumberland“ geführte Rettungsaktion kommt zu dem Ergebnis, dass die beiden deutschen Soldaten nicht, wie anfangs vermutet wurde, an
Unterkühlung gestorben, sondern ertrunken sind. Beide Toten hatten ihre Rettungsschwimmwesten nicht korrekt angelegt und die Spritzwasserschutzhauben nicht übergezogen. Im Fall des Oberbootmaaten dürfte dies unmittelbar
zum Tode geführt haben, da sein Kopf unter die Schwimmkörper seiner Rettungsweste geriet. Der Hauptgefreite ertrank durch ständiges Einatmen von Spritzwasser.
Auch die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat in beiden
Fällen als Todesursache Ertrinken festgestellt. Ihren Ermittlungen lagen unter anderem das Ergebnis der britischdeutschen Untersuchung zugrunde. Der Havarieausschuss
der Marine hat den Unfall in Bezug auf das Verhalten der
„Mecklenburg-Vorpommern“ untersucht und dem Befehlshaber der Flotte seinen Bericht zur Entscheidung und
damit zum förmlichen Abschluss des Verfahrens vorgelegt. Er ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gekommen,
dass die Bergungsaktion zwar durch die „Cumberland“ geleitet und durchgeführt worden sei, es die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ jedoch unterlassen habe, ihren Motorkutter als zusätzliches Rettungsmittel unverzüglich zu
Wasser zu bringen. Dies wäre nach den Umständen möglich, zumutbar und geboten gewesen.
Die Staatsanwaltschaft hat im Hinblick auf die Todesursache kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Inzwischen hat sie die Havarieakten, die der britisch-deutsche
Untersuchungsbericht umfasst, angefordert, da sich in
dem marineinternen Havarieverfahren Sachverhalte ergeben haben, die zu einer Abgabe an die Staatsanwaltschaft
wegen unterlassener Hilfeleistung geführt haben.
In diesem neuen Verfahren geht es nicht mehr um die
Feststellung der Todesursache, sondern um ein mögliches
schuldhaftes Verhalten eines der Beteiligten auf der
„Mecklenburg-Vorpommern“. Daher ist größte Zurückhaltung geboten, um eine Vorverurteilung und Einflussnahme von außen zu vermeiden. Aus diesen erkennbaren
Gründen, Herr Kollege, hat es noch keinen abschließenden Bericht an den Verteidigungsausschuss gegeben.
Zusatzfrage des Kollegen Nolting, bitte schön.
Frau Staatssekretärin, Sie haben dieses tragische Unglück angesprochen.
Ich will dieses Thema mit Zurückhaltung behandeln. Aber
es hätte dieser Frage nicht bedurft, wenn es im Verteidigungsausschuss eine umfassende Information gegeben
hätte. Deshalb meine Frage:Warum sind die Informationen, die Sie uns heute hier geben, und der Bericht der
deutsch-britischen Kommission - diese Frage steht noch
immer im Raum - nicht dem Verteidigungsausschuss zugeleitet worden?
Herr Kollege Nolting, das habe
ich mit meiner ausführlichen Antwort auf Ihre schriftlich
eingereichte Frage zu erklären versucht. In der Tat ist es
für einen verantwortlichen Truppenführer - in diesem Fall
für den zuständigen Admiral - eine schwere Entscheidung, ein solches Verfahren förmlich nicht zu beenden
und die Staatsanwaltschaft ermitteln zu lassen; die Frage
hinsichtlich der Todesursache ist ja erledigt. Das haben
Sie, wie ich dem Protokoll über die Sitzung des Verteidigungsausschusses, an der ich nicht teilnehmen konnte,
entnommen habe, mehrfach erfahren.
Die Frage, ob unterlassene Hilfeleistung und ob ein Fehlverhalten eines Beteiligten, der auf der „Mecklenburg-Vorpommern“ Dienst hatte, vorliegt, hat zu der von Ihnen angesprochenen Zurückhaltung geführt, Herr Kollege. Wir
hatten in den letzten Wochen Grund, zu sagen: Nein, es ist
notwendig, diesen Fall an die Staatsanwaltschaft abzugeben.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Nolting.
Frau Staatssekretärin, hätten wir uns nicht vieles auch an öffentlicher
Diskussion ersparen können, wenn der Bericht, der jetzt
mehrfach angesprochen wurde und der eine Tatsachenfeststellung beinhaltet, den Ausschussmitgliedern zugestellt worden wäre?
Herr Kollege Nolting, wie Sie
ja wissen, habe ich mich - auch das wiederhole ich - mit
dieser Frage intensiv in Neustadt beschäftigt. Ich habe mir
dort zeigen lassen, wie die Rettungswesten angelegt werden, und sagen lassen, dass alle Zeitsoldaten - die ertrunkenen Männer waren Zeitsoldaten - wissen, wie wichtig
es ist, das Anlegen dieser Westen zu beherrschen. Alle
möglichen Vermutungen wurden öffentlich geäußert. Unter anderem wurde behauptet, wir hätten die falsche
Schutzkleidung, die falschen Westen. Dies alles trifft
nicht zu. Das wurde sorgfältig überprüft. Bis zum Mai
dieses Jahres wurde ermittelt, wie ein solcher Unfall passieren konnte. Weil ich mich informieren wollte, wie ein
solches Unglück passieren konnte, habe ich sogar in Kauf
genommen, der historischen Rede von Herrn Bush am
23. Mai nicht beiwohnen zu können, was ich bedaure. Es
ist ein tragisches Unglück, dass beide Männer ihre Westen nicht richtig angelegt haben.
Wir haben dann eine Auswertung vorgenommen. Danach hat sich die Frage gestellt, ob es möglich gewesen
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
wäre, diese Männer zu retten, wenn man sie schneller erreicht hätte. Dies hat dazu geführt - dafür habe ich sehr
viel Verständnis -, dass der zuständige Befehlshaber der
Flotte mit dem Abschluss des Verfahrens gewartet und die
Sache an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat. Noch einmal: Die Staatsanwaltschaft hat noch nicht endgültig entschieden. Sie hat eigene Ermittlungen in diesem Fall angestellt. Deswegen konnte es weder zu dem Zeitpunkt,
den Sie angesprochen haben, noch kann es heute einen abschließenden Bericht geben. Es ist völlig klar, dass Sie
später einen solchen Bericht erhalten werden. Das Unglück ist eine große Tragödie.
Die
Frage 8 des Abgeordneten Gehrcke wird schriftlich beantwortet. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Stephan Hilsberg zur Verfügung.
Die Frage 9 des Kollegen Peter Weiß wird schriftlich
beantwortet.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Paul Breuer
- er ist anwesend - auf:
Sind die Vorarbeiten der Bundesregierung zur Aufstellung des
Bundesverkehrswegeplanes bereits so fortgeschritten, dass nunmehr eine definitive Aussage über die Aufnahme des Weiterbaus
der Hüttentalstraße, Bundesstraße B 62, von Siegen-Süd in Nordrhein-Westfalen bis Niederscheiderhütte in Rheinland-Pfalz in
den vordringlichen Bedarf getroffen werden kann?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Sehr
geehrter Herr Abgeordneter Breuer, der Weiterbau der
Hüttentalstraße von Siegen-Süd bis Niederscheiderhütte
ist nach Auffassung der Bundesregierung im Rahmen der
laufenden Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans
als indisponibel zu betrachten. Die Bundesregierung wird
vorschlagen, sie in den vordringlichen Bedarf aufzunehmen.
Herr
Breuer hat keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Werner
Wittlich auf:
In welchem Zeitraum kann der Weiterbau der Hüttentalstraße,
Bundesstraße B 62, von Siegen-Süd in Nordrhein-Westfalen bis
Niederscheiderhütte in Rheinland-Pfalz nach Einschätzung der
Bundesregierung verwirklicht werden?
Ist Herr Wittlich anwesend? - Das ist der Fall.
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Sehr geehrter Herr Wittlich, man befindet sich zurzeit - es geht ja
um das gleiche Projekt - im Planfeststellungsverfahren.
Erst nach Vorliegen des Baurechts kann die Bundesregierung nach Abstimmung mit den Auftragsverwaltungen
der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz
Aussagen zu einer Finanzierung der Maßnahme treffen.
Zusatzfrage, Kollege Wittlich, bitte schön.
Herr Staatssekretär,
wann kann das Baurecht erlangt werden? Man hört vor
Ort die unterschiedlichsten Aussagen.
Aufgrund der Tatsache, dass das ein Projekt ist, das vor Ort
- ich will nicht sagen: umstritten ist - beklagt wird, rechnen wir nicht damit, dass das Baurecht vor Ende des
Jahres 2003 erlangt wird.
Weitere
Zusatzfrage.
Wie wäre es dann,
wenn das Baurecht im Jahr 2003 erlangt wird, mit der
Finanzierung? Wäre die gesichert? Wird das eingeplant?
Das
wird eine Frage der Aufstellung der nächsten Verkehrsund Verkehrsfinanzierungsprogramme sein.
Vielen
Dank. - Eine Zusatzfrage vom Kollegen Breuer.
Herr Staatssekretär, halten
Sie es für möglich, dass im Vorfeld der Schritte, die Sie
eben beschrieben haben, Maßnahmen für den Geländeerwerb bzw. den Erwerb von Immobilien, die heute noch
auf der Trasse stehen, getroffen werden?
Prinzipiell ist so etwas möglich. Allerdings ist es ja bis zum
Ende des Jahres 2003 noch ein gewisser Zeitraum. Es ist
allgemein nicht üblich, dass solches Gelände bereits so
frühzeitig erworben wird. Außerdem ist das eine Frage der
Abstimmungsgespräche unseres Hauses mit den Landesauftragsverwaltungen. Ich glaube, dass darüber im gegenseitigen Interesse Einvernehmen erzielt werden kann,
zumal das Projekt indisponibel gestellt worden ist.
Die Fragen 12 und 13 der Kollegin Ostrowski sollen schriftlich
beantwortet werden.
Ebenfalls sollen die beiden Fragen der Kollegin Ehlert
- das sind die Fragen 14 und 15 - schriftlich beantwortet
werden.
Dann kommen wir zur Frage 16 des Abgeordneten
Hans Michelbach:
Hält die Bundesregierung die Planungen zur ICE-Neubaustreckenverbindung Nürnberg-Berlin mit Anbindung der
Region Oberfranken vor dem Hintergrund der Ablehnung durch
die SPD-Landtagsfraktion in Bayern - vergleiche „Coburger Tageblatt vom 3. Juni 2002“ - weiterhin aufrecht und, wenn ja, wann
wird eine endgültige Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn AG, DB AG, abgeschlossen?
Herr Michelbach ist anwesend.
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Sehr geehrter Herr Michelbach, die Bundesregierung hat entschieden, die Realisierung der Verkehrsprojekte „Deutsche
Einheit“ Nr. 8.1 und Nr. 8.2 im Zuge der ICE-Verbindung
Nürnberg-Berlin fortzusetzen. Hierin eingeschlossen ist
die Anbindung der Region Oberfranken in Coburg.
Für den Abschnitt Nürnberg-Ebensfeld, der im Zusammenhang mit dem Ausbau der S-Bahn nach Forchheim
realisiert wird, befinden sich entsprechende Finanzierungsvereinbarungen in Vorbereitung. Für den Abschnitt
Ebensfeld-Erfurt besteht bereits eine Finanzierungsvereinbarung, die einem geänderten Bauablauf, der sich nach
Aussetzung des Weiterbaus im Sommer 1999 ergeben
hatte, angepasst wird. Die bereits bestehende Finanzierungsvereinbarung aus dem Jahr 1999 für die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt wird hinsichtlich der Kosten
und des geänderten Bauablaufs derzeit fortgeschrieben.
Zurzeit befindet sich die Finanzierungsvereinbarung für
den Neubauabschnitt Erfurt-Gröbers bei der DB AG in der
Vorbereitung. Für den Neubauabschnitt Gröbers-Leipzig,
der seit Oktober 1996 im Bau ist, besteht bereits eine Finanzierungsvereinbarung.
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat der DB AG mitgeteilt, dass für vordringliche Teilmaßnahmen des VDE 8.2 Anträge auf
Finanzierung von vorzeitigem Grunderwerb und von
unumgänglichen bauvorbereitenden Maßnahmen im Rahmen der betreffenden Vereinbarung beim Eisenbahn-Bundesamt gestellt werden können.
Zusatzfrage, Kollege Michelbach.
Herr Staatssekretär,
vielen Dank für die klare Antwort.
Meine Zusatzfrage lautet: Warum hat die SPD-Landtagsfraktion in Bayern bei dieser Klarheit zusätzliche Studien und zusätzliche Veränderungswünsche vorgetragen
und würde dies in Bezug auf Ihre Position, dass nämlich
die ICE-Neubaustrecke Nürnberg-Coburg-Berlin in dieser Form gebaut wird, Wirkung zeigen?
Herr
Michelbach, erstens ist es nicht unsere Aufgabe, hier über
die Motivation von Dritten zu spekulieren, und zweitens
hat die SPD-Landtagsfraktion in Bayern keine zusätzlichen Informationswünsche geäußert, sondern Informationen über den Hintergrund dieser Bauentscheidung erbeten. Diese Informationen werden wir ihr - wie allen
anderen Fraktionen auch - selbstverständlich zur Verfügung stellen.
Herr Staatssekretär,
sehen Sie durch diese neue Initiative der SPD-Landtagsfraktion - es heißt darin, es solle alles neu geprüft werden neue Hemmnisse für die notwendige Ausbaumaßnahme,
die Sie hier doch bejaht haben?
({0})
Ist in Verbindung mit der A 73 in jedem Fall die Durchführung der Maßnahmen gewährleistet?
Herr
Michelbach, die Haltung der Bundesregierung zur Frage
der Realisierung der VDE Nr. 8.1 und 8.2 hatte ich Ihnen
in der Antwort auf die von Ihnen gestellte Frage dargestellt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
({0})
Wir kommen zur Frage 17 des Kollegen Albrecht Feibel:
In welchem Umfang sind seit der Privatisierung der Bahn Zuschüsse des Bundes an die DB AG geflossen ({0})?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr
Feibel, die Deutsche Bahn AG hat in den Jahren 1998 bis
2001 nachstehende Zuschüsse erhalten. - Ich habe jetzt
ein Problem. Mir liegt eine Tabelle mit etwa 30 Zahlen vor
- Sie haben umfangreiche Zahlenangaben gewünscht -,
bei denen es sich jeweils um Millionenbeträge handelt.
Ich kann sie Ihnen im Einzelnen vortragen, aber dann haben Sie wahrscheinlich wenig davon. Ich kann sie Ihnen
kursiv oder summarisch vortragen, aber ich kann sie Ihnen auch schriftlich übergeben; dann könnten wir die
Frage auf dieser Grundlage weiter erörtern.
Darüber hinaus möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass
der Bund Investitionsmittel für den Aus- und Neubau und
für Ersatzinvestitionen der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes zur Verfügung stellt. Die Mittel erhält die
DB Netz AG sowohl für den Bereich Fahrweg als auch für
den Bereich Station und Service. Eine Aufgliederung über
die beiden Bereiche liegt der Bundesregierung nicht vor.
Die Mittel zum Ausgleich des technisch-betrieblichen
Rückstands im Bereich der früheren Deutschen Reichsbahn - dabei handelt es sich um nicht investive Altlasten - erhält das Unternehmen DB AG Holding. Auf die
konkrete Verwendung der Mittel nimmt der Bund keinen
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Einfluss. Ich möchte noch die Zahlen für das zurückliegende Jahr 2001 nennen. In dem Jahr sind an investiven
Mitteln für zinslose Darlehen, für das Bundesschienenwegeausbaugesetz, das Zukunftsinvestitionsprogramm, für
Baukostenzuschüsse, für das Programm für investive Altlasten nach dem Deutsche-Bahn-Gründungsgesetz und für
Lärmsanierung insgesamt 7,6 Milliarden ausgegeben worden. Wir haben im GVFG-Bundesprogramm und im Programm für den Hauptstadtvertrag weitere 251 Millionen
zusätzlich ausgegeben. Wir haben für den Bedarf im Bereich der Altlasten der Deutschen Reichsbahn, das heißt
dem Material- und Personalaufwand, knapp 1,7 Milliarden
ausgegeben. Das ergibt einen Gesamtbetrag in Höhe von
9,518 Milliarden im vergangenen Jahr.
({0})
- Das sind alles D-Mark-Beträge, weil im Jahr 2001 noch
in D-Mark gerechnet wurde. - Etwa auf demselben Niveau liegen auch die Ausgaben der Vorjahre.
Herr Kollege Feibel, sind Sie damit einverstanden, dass Ihnen die
schriftliche Aufstellung der Zahlen übergeben und dass
sie gleichzeitig zu Protokoll gegeben wird?
Herr Präsident, ich bin
mit der Übergabe dieser Daten einverstanden.1) Darüber hinaus möchte ich, ohne die Liste zu kennen, noch zwei Zusatzfragen stellen. Sind in dieser Liste auch Rückflüsse
bzw. Beträge aufgeführt, die die Deutsche Bahn nicht in
Anspruch genommen hat, wie es im Jahr 2001 der Fall war?
Diese
Liste enthält nur Ist-Zahlen, das heißt nur tatsächlich an
die DB AG geflossene Beträge.
Das heißt, die genehmigten Beträge sind nicht aufgeführt?
Sie enthält nicht die Soll-Zahlen, sondern die abgerufenen, geflossenen und verbauten Mittel.
Meine zweite Zusatzfrage lautet: Können Sie davon ausgehen, dass die der
Bahn zur Verfügung gestellten Mittel ausschließlich in Investitionen des Netzbetriebs und nicht des Fahrbetriebs
geflossen sind?
Die
Liste enthält auch Beträge zur Finanzierung von nicht investiven Altlasten. Da dazu auch der Material- und Personalaufwand der Altlasten bei der Deutschen Reichsbahn
gehört, kann ich nicht davon ausgehen, dass das alles Investitionen sind.
Zu einer
weiteren Frage erteile ich dem Kollegen Schmidt das
Wort.
Herr Staatssekretär, können Sie in diesem
Zusammenhang bestätigen, dass die Bundesregierung
über die von Ihnen genannten Zahlen hinaus durch Son-
derzuwendungen für den Aufbau von Ingenieurkapazitä-
ten im Unternehmen Deutsche Bahn AG in Höhe von rund
460 Millionen DM sichergestellt hat, dass die im laufen-
den und im nächsten Haushaltsjahr vorgesehenen Haus-
haltsmittel, die nochmals Steigerungen gegenüber dem
Vorjahr enthalten, auch tatsächlich fristgemäß und sach-
gerecht verbaut werden können?
Herr Ab-
geordneter, davon kann man ausgehen. Das kann ich be-
stätigen.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwor-
tung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär
Wolf-Michael Catenhusen zur Verfügung.
Frage 18 der Kollegin Maritta Böttcher:
Wären nach Auffassung der Bundesregierung Einschreibge-
bühren und Studiengebühren für so genannte Langzeitstudie-
rende, deren Einführung die Landesregierung in Nordrhein-West-
falen plant, im Falle eines In-Kraft-Tretens der vom Deutschen
Bundestag beschlossenen sechsten Novelle des Hochschulrah-
mengesetzes zulässig?
Frau
Kollegin Böttcher, auf Ihre Frage möchte ich Ihnen ant-
worten: Mit der Novelle des Hochschulrahmengesetzes
wird die Einführung von Studiengebühren bis zum ersten
berufsqualifizierenden Studienabschluss in allen Bundes-
ländern grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gesetz garan-
tiert den Studienwilligen und ihren Familien damit, dass
ein Studium bis zum Bachelor bzw. bis zum konsekutiven
Masterabschluss, bis zum Diplom, Magister oder bis zum
Staatsexamen auch künftig studiengebührenfrei bleibt.
Der Bund hat für den Hochschulbereich eine Rahmen-
gesetzgebungskompetenz und muss den Ländern Spiel-
räume für Ausnahmeregelungen einräumen. Grundsätz-
lich lässt das vom Bundestag beschlossene Sechste Gesetz
zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes daher zu,
dass das Landesrecht in besonderen Fällen Ausnahmen
von der Studiengebührenfreiheit vorsieht. Die Regelung
unterstützt dabei insbesondere die Einführung neuer
nachfrageorientierter Studienfinanzierungsmodelle wie
1) Anlage 2
Studienkonten und Bildungsgutscheine. Das Landesrecht
regelt, welchen Umfang das Studienkonto bzw. die
Bildungsgutscheine für ein gebührenfreies Studium haben
und wann die Regelstudienzeit als deutlich überschritten
gilt und damit Studiengebühren erhoben werden können.
Hierbei sind differenzierte Regelungen möglich und sinnvoll, etwa zur Berücksichtigung von Gremientätigkeiten,
Kindererziehungszeiten und Auslandsstudienzeiten sowie
zur Ermöglichung eines Teilzeitstudiums.
Erst die konkrete Ausgestaltung der Gebührenregelung
im Landeshochschulrecht lässt demnach die Überprüfung
zu, ob es sich noch um eine rahmenrechtlich zulässige
Ausnahmebestimmung handelt, die der im Hochschulrahmengesetz neu verankerten Studiengebührenfreiheit entspricht.
Zusatzfrage, Kollegin Böttcher?
Ja. - Herr Staatssekretär, ich
möchte zusätzlich nachfragen, wie die Bundesregierung
politisch den Sachverhalt beurteilt, dass das bevölkerungsreichste Bundesland, in dem rund ein Drittel aller
Studentinnen und Studenten bundesweit studieren, die
Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums infrage stellt,
und zwar nur wenige Wochen nach der Verabschiedung
eines Studiengebührenverbots für das Erststudium durch
den Deutschen Bundestag.
Darauf möchte ich Folgendes antworten: Bei dieser Diskussion muss man berücksichtigen, dass durch noch so
strikte Regelungen im Hochschulrahmengesetz die Erhebung von Verwaltungsgebühren durch ein Bundesland
nicht generell ausgeschlossen werden kann. Meine Ministerin, Frau Bulmahn, hat ja in den letzten Tagen deutlich gemacht, dass wir über die Pläne von NordrheinWestfalen nicht glücklich sind. Bei Entscheidungen auf
Landesebene muss auch in die Überlegungen einbezogen werden, ob damit das Signal verbunden sein könnte,
dass neue Hürden für den Studienzugang - vielleicht
nicht so sehr geldmäßige, sondern eher bewusstseinsmäßige - aufgebaut werden. Ich denke, die Landesregierungen sind gut beraten, dieses auch dann in ihre
Abwägungen einzubeziehen, wenn sie vor großen finanziellen Problemen, was die Konsolidierung des eigenen
Haushaltes angeht, stehen.
({0})
Noch eine
weitere Frage, Frau Böttcher?
Ja. - Kann ich also davon
ausgehen, dass die Bundesregierung die studentische Kritik teilt, dass es mit der sechsten Novelle des Hochschulrahmengesetzes bisher weder rechtlich noch politisch gelungen ist, die anhaltende Debatte um die Einführung von
Studiengebühren zu beenden?
Die
sechste Novelle schreibt den Konsens, den die Wissenschaftsminister aller Bundesländer in Meiningen im letzten Jahr gefunden hatten, rechtlich fest und schränkt damit den Spielraum auch landesgesetzlicher Regelungen
im Kontext des Hochschulrahmengesetzes ein. Ich mache
aber noch einmal deutlich, dass jedes Hochschulrahmengesetz auf diesem Gebiet nur eine Rahmengesetzgebung
darstellt und Handlungsspielräume für die Länder nicht,
wie manche glauben, völlig ausschließen kann.
Damit
kommen wir zur Frage 19 der Kollegin Böttcher:
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, das vom Deutschen Bundestag in der sechsten Novelle des Hochschulrahmengesetzes beschlossene Studiengebührenverbot dahin gehend
nachzubessern, dass zumindest für das gesamte Erststudium ausnahmslos Studiengebühren ausgeschlossen werden?
Ich antworte auf diese Frage mit Nein.
Das war
es? - Gut. Dann kommen wir zur Frage 20 des Kollegen
Dr. Heinrich Fink:
Wäre nach Auffassung der Bundesregierung die Realisierung
des im Rahmen einer durch Pressemeldungen bekannt gewordenen Kooperationsvereinbarung zwischen der Technischen Universität München und dem Centrum für Hochschulentwicklung
({0}) entwickelten Modells zur Einführung von Studiengebühren ab dem ersten Semester im Falle eines In-Kraft-Tretens der
vom Deutschen Bundestag beschlossenen sechsten Novelle des
Hochschulrahmengesetzes zulässig?
Herr
Kollege Fink, auf Frage 20 möchte ich zunächst mit der
Feststellung Nein antworten. Das vom CHE und der
Hochschulrektorenkonferenz gemeinsam veröffentliche
Eckpunktepapier „Studiengebühren als Optionen für autonome Hochschulen“ stellt von seinem Ansatz her einen
Gegenentwurf zur Gebührenfreiheit für ein erstes berufsqualifizierendes Studium dar, die die Bundesregierung
mit dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen sechsten Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes
verbindlich festschreiben will.
Der mit dem Modell verfolgten Absicht, in Kooperation mit einzelnen Hochschulen Möglichkeiten auszuloten, um den Hochschulen die autonome Entscheidung zur
generellen Erhebung von Studiengebühren ab dem ersten
Semester zu überlassen, wird hinsichtlich der staatlichen
Hochschulen mit In-Kraft-Treten des sechsten HRG-Änderungsgesetzes der Boden entzogen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fink.
Wie wird die Bundesregierung darauf reagieren, wenn es trotzdem dazu kommt?
Darüber müsste zunächst die zuständige Landesregierung
entscheiden. Dass sie diese Regelung als problematisch
ansieht, kann man auch den öffentlichen Äußerungen des
zuständigen Ressortministers des Freistaates Bayern unschwer entnehmen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Fink.
Gesetzt den Fall, der Freistaat
Bayern stimmt dem zu: Wird die Bundesregierung dem
Freistaat Bayern zustimmen oder wird sie dem Freistaat
Bayern zumindest ihre Missbilligung zu verstehen geben?
Diese
Bundesregierung setzt sich in der Regel nicht mit hypothetischen Fällen auseinander. Herr Kollege Fink, was die
rechtliche Bewertung, dass eine solche Regelung nicht
mit der vom Bundestag beschlossenen sechsten Novelle
des Hochschulrahmengesetzes vereinbar ist, angeht: Dieser Bewertung habe ich nichts hinzuzufügen.
Wir kommen zur Frage 21 des Kollegen Dr. Fink:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche weiteren Hochschulen das im Oktober 2001 vom CHE unterbreitete Kooperationsangebot „Studiengebühren als Optionen für autonome Hochschulen“ angenommen und Kooperationsvereinbarungen zur
Entwicklung von Modellen zur Einführung von Studiengebühren
abgeschlossen haben?
Ich
kann auf die Frage, ob uns bekannt ist, dass weitere Hochschulen dieses Kooperationsangebot angenommen haben,
nur antworten: Uns ist diesbezüglich nichts bekannt.
Herr Kollege Fink, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen?
Nein.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.
Alle übrigen Fragen zu diesem Geschäftsbereich - es
handelt sich um die Fragen 22 bis 25 - werden schriftlich
beantwortet. Das Gleiche gilt für die Fragen des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amtes - es handelt sich
um die Fragen 26 bis 29 - und des Bundesministeriums
des Innern; es handelt sich um die Fragen 30 bis 32.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, zur Frage 33. - Ich stelle fest, dass
der Kollege Michelbach nicht mehr anwesend ist. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Fragen 34 und 35 des Kollegen Dr. Kolb sollen
schriftlich beantwortet werden.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Die von der CDU/CSU beantragte Aktuelle Stunde soll
um 15.30 Uhr beginnen. Ich unterbreche die Sitzung bis
zu diesem Zeitpunkt.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Die CDU/CSU-Fraktion hat zu den Antworten der
Bundesregierung auf die dringlichen Fragen 1 bis 4 eine
Aktuelle Stunde verlangt.
Ich rufe daher auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zum NitrofenSkandal
Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat der Kollege
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was mir
und auch vielen anderen im Zusammenhang mit dem
Nitrofen-Skandal missfällt, ist die Tatsache, dass man so
außerordentlich viel Zeit zur Aufarbeitung dieses Skandals benötigt.
({0})
Wenn sich unsere Feuerwehren beim Löschen von Bränden genauso viel Zeit lassen würden, wie man in Deutschland für die Aufarbeitung von Lebensmittelskandalen
braucht, dann wären Teile von Deutschland schon abgebrannt. Es muss einfach schneller gehandelt werden.
Der Herr Staatssekretär hat in der Fragestunde betont,
es sei alles dokumentiert. Darauf kann ich nur erwidern,
dass man dann nur in die Dokumente hineinschauen
müsste, um zu erfahren, wohin das mit Nitrofen verseuchte Getreide gelangt ist.
({1})
- Der Staatssekretär hat hier davon gesprochen, dass eine
lückenlose Dokumentation vorliegt. Man müsste also in
der Lage sein, schneller zu handeln. Das gilt allerdings
nicht nur für das Bundesverbraucherschutzministerium,
sondern auch für einige Landwirtschaftsministerien der
Länder.
({2})
Es darf nicht so lange dauern, wie das hier der Fall gewesen ist.
({3})
Herr Staatssekretär, die CDU/CSU-Fraktion stimmt
mit Ihnen darin überein, dass es skandalös ist, wenn Firmen, die Erkenntnisse über Nitrofen-Belastungen haben,
diese den Behörden nicht melden.
({4})
Es ist schlimm, dass Firmen weiter Getreide ausgeliefert
haben, obwohl sie von Nitrofen-Belastungen in diesem
Getreide wussten. Aber es ist genauso schlimm, wenn auch
Ökoverbände keine Meldungen über derartige Belastungen machen. Dieser Punkt geht nach meiner Ansicht in
der Diskussion unter. All das muss als skandalös bezeichnet werden.
Wie sieht es mit der Bundesanstalt für Fleischforschung
in Kulmbach aus? Sie hat schon im Januar von den Nitrofen-Belastungen erfahren. Sie musste aber erst einmal Vorkehrungen treffen, um genaue Messungen zum Nachweis
von Nitrofen durchführen zu können. Experten sagen
heute, dass es schneller möglich gewesen wäre und dass
das nicht unbedingt zwei Monate hätte dauern müssen.
Im März kam Putenfleisch auf den Markt, das in einem
hohen Maße mit Nitrofen belastet war, aber auch das
wurde nicht gemeldet.
Nun sagt mir die Bundesanstalt für Fleischforschung in
Kulmbach - ich halte es für blödsinnig, dass man sich so
herausredet -, der Grund sei, dass die Erlasslage des
Ministeriums das nicht hergegeben habe. Sie haben am
6. Juni, also in diesem Monat, den Erlass vom Januar korrigieren müssen.
({5})
- So hat mir das die Bundesanstalt für Fleischforschung
in Kulmbach berichtet. Man hat den Erlass, den man im
Januar herausgegeben hat, korrigieren müssen. Dazu
kann ich nur fragen, Herr Staatssekretär: Wie viele Lebensmittelkrisen müssen in Deutschland eigentlich stattfinden, bevor wir zu einer wirklichen Erneuerung des Verbraucherschutzes kommen?
({6})
Wir haben in diesem Hause - da widerspreche ich dem,
was Ulrike Höfken immer sagt - viele Beschlüsse zur
Aufarbeitung der BSE-Krise gemeinsam gefasst. Wir haben gemeinsam Konsequenzen aus der Krise gezogen. Ich
glaube auch, dass ich mich als Oppositionspolitiker hier
mit der entsprechenden Sorgfalt eingelassen habe.
Aber das Schlimme ist: Jetzt, anderthalb Jahre nach der
BSE-Krise, sagt Frau Künast, an und für sich sei alles beim
Alten geblieben. Im Grunde genommen hat sie also in den
anderthalb Jahren nach dem Ausbruch der BSE-Krise
nichts zur Erneuerung des Verbraucherschutzes getan.
({7})
Das ist das Problem.
Wir hatten im vergangenen Winter einen Fischmehlskandal. Ich dachte, dass zumindest daraus Konsequenzen gezogen worden sind. Aber es sind wieder keine Konsequenzen gezogen worden. Im Grunde genommen ist das
dem Ministerium vorzuhalten.
Ich fordere Sie im Namen meiner Fraktion jetzt wirklich auf, die entsprechenden Schritte für einen ganz konsequenten Verbraucherschutz einzuleiten. Sonst sind Sie
als Parlamentarischer Staatssekretär Ihr Geld und ist die
Ministerin ihr Ministergehalt nicht wert.
({8})
Als nächster Redner hat die Kollegin Jella Teuchner von der SPDFraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Sowohl die Union als auch die FDP haben
heute an die Bundesregierung viele dringliche Fragen
zum Thema Nitrofen in Futtermitteln gestellt. Im Mittelpunkt ihrer Fragen steht einmal mehr die Aufklärungsarbeit des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft und nicht die Verantwortung der Futtermittelhersteller und der Wirtschaft.
Die Antworten auf die meisten Fragen wurden gestern
von der EU-Kommission gegeben: Es wird keine Ausfuhrbeschränkungen für deutsche Bioprodukte geben und
über die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen hinaus sind keine Sofortmaßnahmen erforderlich.
Die Veterinärexperten der EU-Staaten zeigten sich
zufrieden mit der Schadensanalyse der deutschen
Behörden und den bisher getroffenen Maßnahmen.
So schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ heute. Das Problem, so die Kommission, liege in der föderalen Organisation, die für Probleme bei Kontrollen immer wieder verantwortlich sei.
Die Europäische Kommission bestätigt damit, was wir
schon letzte Woche hier gesagt haben: Renate Künast hat
schnell und richtig gehandelt. Die Kommission bestätigt
damit auch, dass es wichtig ist, die Koordination zwischen dem Bund und den Ländern zu verbessern. Sie wissen, dass wir hier ebenfalls erste Maßnahmen ergriffen
haben. Sie wissen aber auch, dass wir dabei ohne die Mitwirkung der Länder keine Fortschritte machen können.
({0})
Mit Ihren Fragen haben Sie wieder einmal versucht,
dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Schuld an dem NitrofenSkandal in die Schuhe zu schieben.
({1})
Ich finde das mittlerweile unerträglich, weil Sie in Ihrer
Rhetorik den großen Verbraucherschützer mimen, in
Ihrem Handeln aber weiterhin die Täter schützen.
({2})
Haben Sie eigentlich gemerkt, dass am letzten Donnerstag sechs Redner von der Union und der FDP und
33 Seiten des Plenarprotokolls erforderlich waren, bis von
Ihnen zum ersten Mal darauf hingewiesen wurde, dass
Futtermittelhändler und Lebensmittelhersteller eine gravierende Verantwortung tragen?
({3})
Es bleibt festzuhalten: Es war das Bundesministerium
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft,
das die Nitrofen-Funde öffentlich gemacht und die Aufklärung vorangetrieben hat.
({4})
Wenn Sie nun versuchen, Renate Künast daraus einen
Strick zu drehen, dann verhindern Sie die Aufklärung. Sie
schützen nicht die Verbraucher, sondern die Täter.
({5})
Herr Kollege Küster, könnten Sie bitte etwas maßvoller sein.
({0})
- Das Wort hat die Kollegin und nicht Sie, Herr Küster!
Ich meine aber auch, dass wir
in diesem Zusammenhang nicht von „Blasenkopf“ sprechen sollten.
Wir werden Ihnen Ihre durchsichtigen Wahlkampfmanöver - denn mehr ist es nicht - nicht durchgehen lassen. Mit Ihrem Vorgehen werden Sie auch in der Öffentlichkeit nicht punkten können.
({0})
Ihr Spiel ist voll und ganz durchschaut. Ich bin der Meinung, Sie sollten darauf aufpassen, dass Ihnen die Öffentlichkeit für Ihr Verhalten und Ihre Vorgehensweise nicht
die rote Karte zeigt.
({1})
Das Wort
hat der Kollege Ulrich Heinrich von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! Letzten Donnerstag habe ich
Frau Ministerin Künast vorgeworfen, sie betreibe eine
chaotische Informationspolitik. Offensichtlich war die
Europäische Kommission der gleichen Meinung.
({0})
Anscheinend war die Angelegenheit so gravierend, dass
wir kurz davor standen, dass ein generelles Verbot des
Exports von Bionahrungsmitteln aus der Bundesrepublik
Deutschland verhängt wird. Wenn das nicht Zeugnis genug für die Dramatik und Ernsthaftigkeit ist, in der wir
hier verhandeln, dann weiß ich nicht, was alles noch passieren muss, damit das klar wird.
Herr Staatssekretär Berninger, Sie geben sich viel
Mühe; das gebe ich zu. Aber trotz allem sind wir in der
Sondersitzung des Ausschusses vom 30. Mai 2002 belogen worden - nicht von Ihnen, Herr Staatssekretär -, als
ich gefragt hatte, wie die Informationen an die Behörden
weitergegeben worden sind. Uns wurde gesagt, dass alle
Behörden am 23. Januar benachrichtigt worden seien und
weiterhin alle Unregelmäßigkeiten sofort gemeldet werden müssten. Jetzt stellen wir fest, dass diese Informationen nicht weitergegeben worden sind und dass nicht das
geschehen ist, was wir erwarten, nämlich dass unverzüglich informiert wird.
Ich bin in meinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt
worden. Denn wir mussten leider Gottes erleben, dass die
Dinge erst durch das Tätigwerden der Kommission und
das Zusammentreffen der Vertreter von Bund und Ländern
im Rahmen der Sondersitzung des vergangenen Sonntags
einigermaßen zurechtgerückt werden konnten. Ich stelle
ganz deutlich fest: Die Koordination zwischen Bund und
Ländern stimmt nicht und hat mit einem vorsorgenden
Verbraucherschutz überhaupt nichts zu tun.
({1})
Bei den verseuchten Shrimps bestand das gleiche Problem:
({2})
Wenn etwas passiert,
({3})
dann wird immer gesagt: Wir sind die Starken und klären
Millimeter für Millimeter auf. - Sie blasen sich auf und
wir stellen bei der nächsten Problemstellung fest, dass
man dem Thema wieder hinterherläuft und die Dinge
nicht vorsorgend im Griff hat.
Ich sage Ihnen eines: Das nächste Thema wird kommen; es werden die Nitrofurane sein. Ich warne Sie heute
erneut davor, dieses Thema zu leicht zu nehmen.
Sie sind von dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft entsprechend unterrichtet worden. In Ihrer Antwort darauf haben Sie gesagt, Sie meldeten die
Vorfälle an die Kommission und hätten dann zwei Wochen Zeit, um selber zu handeln. Vergangene Woche ist
die Zweiwochenfrist abgelaufen, Herr Staatssekretär
Berninger. Wo sind Ihre Handlungen? Haben Sie uns
heute etwas darüber zu sagen, was in Zukunft bei Importen von Geflügelfleisch zum Beispiel aus Brasilien, Thailand und China geschieht? Es gibt Befürchtungen, dass es
im vorsorgenden Verbraucherschutz Mängel gibt. Man
kann es sich nicht so einfach machen, immer wieder zu sagen, dass man aufkläre, die eigentlichen Probleme, die
sich stellen, aber beiseite schiebt.
Ich möchte einmal deutlich auf das hinweisen, was
Prinz Charles heute in Deutschland gesagt hat.
({4})
- Ja, bei ihm war Frau Künast. Die FAO war ihr nicht ganz
so wichtig. Ich habe am Donnerstag schon nach einem
Prinzen für die Frau Ministerin gerufen. Offensichtlich ist
er heute gekommen; ich freue mich für sie.
Was er gesagt hat, ist richtig: Man darf aufgrund eines
Skandals nicht eine ganze Branche niedermachen. Hätte
sie sich doch nur daran gehalten!
({5})
Dieses Vorgehen ist doch typisch. Wie war es denn bei
BSE? Was hat nicht alles diese Diskussion in den letzten
anderthalb Jahren beherrscht! Man hat immer einen
Schuldigen gehabt
({6})
und ihn als Sündenbock hingestellt. Übrig geblieben ist
nichts davon.
({7})
Auf der Basis dieser Ideologie, in die Sie sich hineingesteigert haben, werden Sie mit Ihrer Politik scheitern.
Ich bedanke mich.
({8})
Herr Kollege Carstensen, Sie haben, wie ich es eben bestätigt gefunden habe, den Kollegen Küster als Blasenkopf bezeichnet. Das ist kein parlamentarischer Sprachgebrauch.
Ich bitte Sie, dies in Zukunft zu unterlassen.
({0})
- Sie haben nicht das Recht, dazu Stellung zu nehmen.
({1})
Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Ulrike
Höfken.
Herr
Carstensen hat mit sich selber gesprochen, sagt er gerade.
({0})
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Heinrich,
ich finde, Sie müssen sich entschuldigen; denn Sie verwechseln den ersten Erlass der Ministerin vom Januar, in
dem sie festgelegt hat, dass Vorkommnisse im Hinblick
auf die Lebensmittelsicherheit an das Bundesministerium
zu melden sind, mit dem zweiten Erlass, in dem diese Meldepflicht auf privatrechtliche Verträge ausgedehnt wird.
Insofern ist Ihnen absolut nichts Falsches erzählt worden.
Sie sind mitnichten belogen worden.
({1})
Ich möchte mich bei der Bundesministerin Renate
Künast, bei den Staatssekretären, insbesondere den
Staatssekretären Müller und Berninger, und allen Mitarbeitern des Ministeriums für die rasche und energische
Aufklärungsarbeit bedanken.
({2})
Wir sind nicht die Staatsanwaltschaft. Das Ergebnis der
Untersuchung ist, dass es sich in zwei Fällen, bei den Betrieben NSP und GS agri, um Fahrlässigkeit und Kriminalität handelt und alle Spuren in diese Halle nach
Malchin führen. Es ist aber doch schwer zu verstehen,
dass diese Untersuchungsergebnisse nun ständig angezweifelt werden. Sie sollten jedenfalls nicht instrumentalisiert werden - das weisen Sie von sich; ich hoffe, das
stimmt - gegen die Betriebe des ökologischen Landbaus,
die überhaupt nichts dazu können, übrigens ebenso wie
die Betriebe des konventionellen Landbaus.
({3})
Wir wollen den Verbraucherschutz verbessern und das
haben die Ministerin Renate Künast und die Koalition mit
großen Anstrengungen getan. Besonders nach der Übernahme des Verbraucherschutzministeriums wurde eine
ganze Reihe von Verordnungen und Gesetzen erlassen.
Ich möchte daran erinnern, dass heute zeitgleich der Vermittlungsausschuss zum Verbraucherinformationsgesetz
tagt. Da zeigt sich doch die ganze Heuchelei der Opposition, gerade die der FDP.
({4})
Diese so genannte Freiheitspartei verweigert den Verbrauchern und der Öffentlichkeit die Informationsansprüche. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
({5})
Das ist das schlechte Gewissen derjenigen, die sich auf die
Seite derer stellen, die die Verschwiegenheit tatsächlich
befürworten, und nicht auf der Seite derer sind, die nichts
zu befürchten haben.
({6})
Wir haben bei der Vorbesprechung im Bundesrat in der
letzten Woche überhaupt keinen eigenständigen Vorschlag der Unionsfraktion und der FDP zu hören bekommen.
({7})
Es ist ganz klar: Man will die Informationsansprüche verhindern und begründet das damit, dass dadurch Kriminalität nicht zu verhindern sei. Das wissen auch wir. Aber
alle diese Maßnahmen, alle Verordnungen zum Verbraucherschutz tragen dazu bei, dass das Netz des Verbraucherschutzes immer engmaschiger wird und es zu mehr
Fortschritt in Sachen Verbraucherschutz kommt. Das trägt
auch zum Schutz der seriösen Unternehmen und Betriebe
bei, die jetzt durch den Nitrofen-Skandal in Mithaftung
genommen werden.
Durch das Verbraucherinformationsgesetz können
Ross und Reiter genannt werden und die Behörden erhalten die Möglichkeit aufzuklären. Das gilt auch für die
Täuschungsfälle, so zum Beispiel
({8})
bei als „rindfleischfrei“ deklarierten Würstchen, beim
berühmten Wasser im Schinken oder bei der unterlassenen Information - hier geht es um vorsorgenden Verbraucherschutz - im Bereich der Babynahrung. Sie versuchen,
eine Situation aufrechtzuerhalten, in der es Informationen
nur auf der Grundlage des Polizeirechts gibt. Sie wissen
ganz genau, wie defizitär dieses Recht in diesem Bereich
ist. Wir wollen die Informationsmöglichkeiten jedoch auf
ein hohes Niveau bringen.
({9})
Ihr Verhalten entlarvt Sie endgültig als Parteien, die mit
dem Verbraucherschutz nichts zu tun haben wollen, wenn
es ernst wird.
({10})
Wir haben - ich komme noch einmal auf die Vielzahl
der beschlossenen Gesetze und Maßnahmen aus der letzten Zeit zurück - verbesserte Kontrollen im Futtermittelgesetz festgelegt. Daneben ist ein Futtermittelkontrollplan aufgelegt worden. Ziel sind bundeseinheitliche
Regelungen, ein Sachkundenachweis für die Futtermittelkontrolle. Es gibt verbesserte Kontrollen im Ökolandbau,
die Ökokontrollstellen haben strengere Meldepflichten
auferlegt bekommen. Stille Rückrufaktionen sollen nicht
mehr möglich sein. Das ist, Frau Widman-Mauz, wie Sie
anmerken werden, ein Gesetz, zu dem auch Sie einen Vorschlag gemacht haben. Sie haben ihn allerdings zu einem
Zeitpunkt gemacht, als das schon längst im Gesetz verankert war, das heißt zu spät.
({11})
Außerdem müssen Bundesbehörden - das habe ich bereits angesprochen - in Zukunft auch bei Privataufträgen
ihre Informationen an die zuständigen Behörden weitergeben.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Wir
haben das Tierarzneimittelneuordnungsgesetz tatsächlich
noch verabschiedet und damit zum verbesserten Verbraucherschutz in diesem Bereich beigetragen.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist längst zu Ende.
Ich
erwarte, dass Sie uns bei diesen Maßnahmen in Zukunft
unterstützen.
Danke schön.
({0})
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter
von der PDS-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Dieser Futtermittelskandal
bestätigt wieder einmal: Die Kontroll- und Schutzmechanismen, die die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln und der Tierbestände mit schadstofffreien Futtermitteln gewährleisten sollen, sind
offensichtlich unzureichend. Das ist auch in Bayern so,
liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU. Dort
sind nach der „Süddeutschen Zeitung“ von heute 45 Biobauern betroffen. Da Sie immer von Selbstverpflichtung
und Selbstkontrolle der Wirtschaft reden, kann ich Ihnen
nur sagen: Diese Mittel sind ungeeignet; sie haben versagt, ausreichende Sicherheiten zu bieten. Wir sollten
diese Instrumentarien endlich aus dem Verkehr ziehen.
({0})
Inzwischen hat sich bestätigt, dass auf Ökohöfen sowohl Schweine- als auch Geflügelfleisch nitrofenbelastet
ist. Entgegen ersten Äußerungen sind doch belastete
Fleisch- und Wurstwaren in den Handel gelangt.
Schweine hatten auf einem Hof bereits seit dem 10. Mai
Futter bekommen, dessen Nitrofen-Belastung inzwischen
sicher ist. Ursprünglich und spontan waren die Bauern
von einer Fütterung von nur einer Woche ausgegangen.
Das war eine Fehleinschätzung. Der Hof hatte sich zu sicher gefühlt, weil das Futtergetreide, das er bezogen hatte,
nicht in dem betroffenen Lager in Malchin gelagert worden war.
Damit ist klar, dass die sehr verzweigten Handelskanäle
bei einem Skandal nicht schnell genug rückverfolgt werden
können. Das muss auch Ihnen zu denken geben; hier muss
etwas getan werden. In diesem Fall ist sogar ein DemeterHof betroffen, dessen Wirtschaftsgrundlage eigene betriebsinterne Kreisläufe sind, die Zukäufe von außen mit
Ausnahme witterungsbedingt schlechter eigener Ernte nicht
zulassen. Damit können sogar Ökohöfe mit den strengsten
Auflagen ihrer Verbände in solche Skandale geraten.
Für die Ökobranche müssen daraus folgende Konsequenzen gezogen werden: Regionale Strukturen müssen
gestärkt werden, um die Anonymität der Handelswege zu
überwinden. Die lasche Ökoverordnung auf EU-Ebene
muss novelliert werden. Ökoanbauverbänden, aber auch
konventionellen Anbietern darf nur noch zertifiziertes
Futter zur Verfügung gestellt werden.
Die Adressaten sind also nicht nur die Ökobauern. Der
Fall diskreditiert nicht die Ökobranche, sondern er bestätigt
sie in ihrer Ausrichtung auf geschlossene Betriebsorganismen, in denen Futterzukäufe, aber auch Pflanzenschutzund Düngemittelzukäufe von außen nur in Ausnahmefällen
vorgesehen sind. Wenn sich eine gefährliche Abweichung
für Umwelt und Gesundheit zeigt, kann diese in solchen
Fällen schneller lokalisiert und minimiert werden.
Die Achillesferse ist bei Nitrofen gerade nicht die Philosophie der Ökobauern, sondern deren Verbindung zum
offenen konventionellen Handelssystem. Da Ökohöfe
nicht auf einer Insel leben, wird es solche Verbindungen
aber auch weiterhin geben. Einmal mehr bestätigt sich
also, dass die konventionelle Landwirtschaft mit ihren
Zulieferern und Händlern sowie die entsprechenden Kontrollen Schwerpunkt einer ökologischen Agrarwende sein
müssen. Das sind wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern aufgrund dieses Skandals wirklich schuldig.
({1})
Konkret ist notwendig, bundeseinheitliche Regelungen
zu schaffen, die das mit Futtermittel handelnde Unternehmen verpflichten, jede gehandelte Futtermittelcharge mit
einer Garantieerklärung zu versehen.
({2})
Für die Landwirte muss daraus nicht nur die Herkunft des
Futtermittels bzw. der Zusatzstoffe und die Korrektheit
der Rezeptur hervorgehen, sondern vor allem eine Versicherung, dass das betreffende Futtermittel frei von einer
Kontaminierung mit Schadstoffen ist. Hier sind jetzt die
Landesregierungen gefordert. Unternehmen bzw. Handelsfirmen, die eine solche Garantieerklärung abgeben,
sind den Landwirten und der Öffentlichkeit in einer Liste
zugänglich zu machen; denn nach Änderung der Gewährleistungshaftung in der Bundesrepublik Deutschland verlangt auch die Landwirtschaft als Verbraucher bzw.
Nutzer von Futtermitteln eine Positivliste von den Futtermittelherstellern und vom Futtermittelhandel.
Lieber Kollege Deß, Sie haben sich in der Fragestunde
zur Chemikalienpolitik der DDR geäußert. In der Bundesrepublik werden jährlich rund 1 000 Tonnen Nitrofen
hergestellt. Die Herstellerfirma behauptet, es sei nur ein
Zwischenprodukt. Mich interessiert - das muss gegebenenfalls noch recherchiert werden -, ob dies stimmt und
ob die Betriebswege überprüft worden sind.
Zum Schluss noch eine Anmerkung zu Ihren Äußerungen in der Fragestunde, meine Kolleginnen und Kollegen
von der CDU/CSU: Der Landwirtschaftsminister aus
Bayern, Herr Miller - Sie kennen ihn sicherlich besser als
ich -, hat gestern beantragt, dass nitrofenverseuchtes Biofleisch, dessen Kontamination unterhalb der Grenzwerte
liegt, als konventionelles Produkt verkauft werden darf.
Dem wurde Einhalt geboten. Aber wie ernst Sie es mit
dieser Problematik nehmen, sieht man bei solchen Äußerungen aus Bayern immer wieder.
({3})
Als nächste
Rednerin hat die Kollegin Christel Deichmann von der
SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe ein Stück
weit Verständnis dafür, dass die Opposition versucht, aus
solch einer Situation Honig zu saugen. Ich denke aber, das
Interesse an der Sache, die wir gemeinsam verfolgen sollten, sollte Vorrang vor dieser Profilierungssucht haben.
Das, was Sie von CDU/CSU und FDP zu dem Thema geboten haben, ist fernab von Gut und Böse.
({0})
Ich will es ganz deutlich sagen: Der Berufsstand ist der
Leidtragende in dieser Situation.
({1})
Die Versäumnisse, die im Umfeld passiert sind, müssen
deutlich herausgestellt werden und dann gilt es, ihnen
Einhalt zu gebieten. Ich kann mich nur dem anschließen,
was Frau Höfken gesagt hat: Die Bundesregierung hat intensiv und zügig aufgeklärt. Ich schließe hier auch die
Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern ein.
({2})
Obwohl wir schon eine ganze Menge zusammengetragen
haben, was uns erheblich weiter bringt, sind wir allerdings
noch nicht am Ende des Erkenntnisstandes.
In diesem Fall ist besonders schwierig, dass die Unternehmen und auch die Verbände schon seit Wochen von
der Verunreinigung wussten, sie aber den Behörden nicht
gemeldet haben. Sie haben die Futtermittel weiter verkauft und in die Nahrungskette einfließen lassen, sogar in
Nahrungsmittel für Kinder.
({3})
Eine stille Rückrufaktion der Produkte wurde veranlasst.
({4})
Das ist im Moment nicht zu verurteilen, aber es hilft in der
Sache überhaupt nicht weiter. Das Vertrauen der Verbraucher wurde schändlich untergraben, und der Schaden ist
nicht wieder gutzumachen. Da beziehe ich auch den
Raiffeisenverband mit ein. Hier wird wieder Raffgier über
Fairness und die Verbraucherinteressen gestellt. Wir haben das hier deutlich zu machen und in dieser Richtung
für unsere Bürgerinnen und Bürger hier zu arbeiten.
Der Nitrofen-Skandal hätte erheblich eingegrenzt werden können, wären die Informationen schneller geflossen.
({5})
- Ich habe es eben deutlich gesagt: Es geht um die Verbände, es geht auch um die entsprechenden Unternehmen,
die mit diesem Produkt gehandelt haben.
({6})
Hier können wir Lücken schließen - die Bundesregierung
hat entsprechende Regelungen auch schon auf den Weg
gebracht -, aber gegen Schlamperei und Kriminalität, die
in diesem Skandal ganz deutlich geworden sind, helfen
eben auch keine Gesetze. Da hilft nur, die Dinge öffentlich zu benennen.
Wir brauchen ein Schnellwarnsystem. Warum melden
die Prüfeinrichtungen nicht Befunde, die weit über den
gesetzlich zulässigen Grenzen liegen? Das wäre erste
Bürgerpflicht; dafür muss man nicht erst ein Gesetz schaffen. Wir brauchen einfach eine stärkere Ausrichtung hin
zur gläsernen Produktion. In dem Zusammenhang sage
ich aber gleichzeitig deutlich: Das bringt weitere Kosten
mit sich. Wir müssen uns dann auch darüber unterhalten,
wer die Kosten für die zusätzlichen Zertifizierungen und
Prüfungen trägt. Das gehört einfach mit zur Debatte.
Es hilft nicht, wenn wir hier Schuldzuweisungen hin
und her schieben. Wir müssen vielmehr gemeinsam dafür
sorgen, dass unsere Verbraucher auch wirklich das bekommen, was auf dem Etikett steht. Da fordere ich Sie zur
aktiven Mitarbeit auf.
({7})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Albert Deß von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eines stelle ich vorneweg fest:
Leidtragende des Nitrofen-Skandals sind bis jetzt vor allem die betroffenen Ökolandwirte, die im guten Glauben
Futter eingekauft haben und der Meinung waren, das Getreide sei in Ordnung. Leidtragende sind aber auch die
Verbraucher, die durch diesen Nitrofen-Skandal wieder
einmal verunsichert wurden. Leidtragende sind auch die
gesamte Landwirtschaft und die gesamte Agrarbranche,
die - durch wen auch immer verursacht - wieder in der öffentlichen Diskussion stehen.
({0})
Im „Spiegel“ vom 10. Juni 2002 heißt es:
Künasts Kapriolen,
Renate Künast hat sich ihre erste große Panne als
Verbraucherschutzministerin geleistet: Die Entwarnung im Nitrofen-Skandal kam zu früh, inzwischen
zweifeln Ermittler sogar, ob die Pflanzenschutzhalle
in Malchin wirklich die Hauptquelle des Gifts war.
Es war und ist ein Trauerspiel, was hier abgelaufen ist.
Frau Künast erklärte zunächst zusammen mit den SPDLandwirtschaftsministern Backhaus und Bartels, dass die
Halle die einzige Quelle der Verunreinigung gewesen sei.
Einige Tage später lief die Meldung: Minister Backhaus
erklärt, die Halle kann nicht die einzige Ursache sein.
({1})
Ein Wissenschaftler erklärt mit Zahlen, dass die Halle allein nicht die Ursache für die hohe Kontaminierung sein
kann. Dann erklärt man Brüssel gegenüber: Es war doch
die Halle. Es war also ein regelrechter Zickzackkurs, der
hier eingeschlagen wurde.
Ich hatte in meiner jüngsten Rede hier gefragt: Was
nun, Frau Künast? Es gibt eine Reihe von Widersprüchlichkeiten in der Aufklärung dieses Skandals. Und heute
frage ich wieder: Was nun, Frau Künast? Warum war es
möglich, dass die Ministerin nach dem ChloramphenicolSkandal wieder fast ein halbes Jahr lang anscheinend
nichts von diesen Nitrofen-Rückständen gewusst hat, obwohl eine Bundesbehörde darüber informiert war? Statt
schnell aufzuklären haben Frau Künast und der Bundeskanzler den Bauernverband und den Raiffeisenverband
pauschal angeklagt, als ob die Verbände für die Ökogetreidelagerung in Malchin zuständig gewesen wären.
Es ist unerträglich, wie Frau Künast von eigenen Versäumnissen ablenkt und mit Pauschalvorwürfen andere an
den Pranger stellt.
({2})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe einigen von Ihnen heute das Protokoll der Agrarausschusssitzung vom 7. November 2001 gezeigt. Ich habe in der
Sitzung aus anderen Gründen gefordert, dass Ökoprodukte stärker kontrolliert werden sollten. Heute stelle ich
die Frage: Wie viel staatliche Kontrollen hat es in diesem
Bereich seit dem 7. November 2001 gegeben? Auch diese
Frage muss die Bundesregierung beantworten. Wäre
nämlich das Problem früher erkannt worden, wäre der
Schaden vor allem für die betroffenen Ökobauern wesentlich geringer.
Eine Feststellung kann ich Ihnen nicht vorenthalten.
Wie hätte Frau Künast reagiert, wenn dieser Skandal im
konventionellen Bereich genauso abgelaufen wäre, wie er
jetzt im Ökobereich abgelaufen ist und dazu noch in unionsregierten Ländern wie zum Beispiel Baden-Württemberg? - Frau Künast hätte den rhetorischen Kriegszustand
gegen die konventionelle Landwirtschaft ausgerufen.
({3})
Heute würde sie hier stehen und ein Verbot der konventionellen Landwirtschaft fordern.
({4})
Die Ministerin hat die jetzt betroffenen Ökobauern mit
Recht in Schutz genommen. Bloß, Gleiches hätte ich für
die übrige Landwirtschaft auch bei der BSE-Krise und
beim so genannten Antibiotika-Skandal erwartet.
({5})
Hier hat die Ministerin flotte Sprüche losgelassen, die
ganze Landwirtschaft an den Pranger gestellt
({6})
und die Verbraucher verunsichert. Niemand von dieser
Seite hat sich bis heute für die Vorwürfe beim so genannten Antibiotika-Skandal entschuldigt, bei dem der Staatsanwalt festgestellt hat, dass nicht in einer einzigen Untersuchungsprobe Antibiotika gefunden wurden. Ich stelle
die Forderung, dass die Frau Ministerin die konventionelle oder - wie ich es besser ausdrücke - die moderne,
nachhaltige Landwirtschaft in der Öffentlichkeit genauso
behandelt wie die Ökolandwirtschaft.
({7})
Ich mache der Ökolandwirtschaft keine Vorwürfe. Das
sage ich hier in aller Öffentlichkeit. Wir müssen dafür sorgen, dass das Vertrauen in die landwirtschaftlichen Produkte wieder hergestellt wird. Wir haben größtes Interesse
daran, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher gesunde Nahrungsmittel erhalten. Ob es sich um Ökoprodukte oder um Produkte der konventionellen Landwirtschaft handelt, ist zweitrangig. In diesem Sinne müssen
wir arbeiten. Dann können wir für unsere Landwirtschaft
etwas erreichen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Für die
Bundesregierung hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger das Wort.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal muss man eines ganz deutlich sagen: Der Nitrofen-Skandal ist nach wie vor unter Kontrolle. Jeder Nitrofen-Fund, den wir jetzt machen, ist auf
ein und dieselbe Quelle, nämlich das Lager in Malchin,
zurückzuführen. Auch die Nachricht vom heutigen Tage,
dass 72 Tonnen Getreide aus dieser Halle in Malchin an
einen konventionellen Futterbetrieb gelangt sind, darf
nicht dazu führen, dass man sich pauschale Überschriften
wie „Nun ist auch die konventionelle Landwirtschaft betroffen“ oder „Nun hat sich das auch auf die konventionelle Landwirtschaft ausgeweitet“ ausdenkt.
({0})
Es ist für die Bürgerinnen und Bürger als Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land wichtig, zu erkennen, dass jeder Nitrofen-Fund, von dem wir jetzt reden, nichts anderes als das Ergebnis der Rückverfolgung
sämtlicher Spuren ist, die das Getreide seit der Einlieferung in die Halle in Malchin hinterlassen hat.
In der Fragestunde haben wir in größerem Umfang darüber diskutiert, ob Malchin der Ort der Kontamination ist
oder nicht. Wir gehen vonseiten der Bundesregierung fest
davon aus und sind damit einer Meinung mit den Ermittlungsbehörden der Länder und insbesondere auch mit
der Staatsanwaltschaft.
Lassen Sie mich aus einem Bericht zitieren, der, so
glaube ich, einiges deutlich macht. Dort steht:
Die o. a. Teilnehmer besichtigten gemeinsam den
entsprechenden Teil der Halle, wobei als erster Eindruck eine markante Geruchsbelästigung festgestellt
wurde, die auch jetzt noch einen eindeutigen Hinweis
auf die frühere Nutzung gab.
Der visuelle Eindruck zeigte trotz der inzwischen
sorgfältigen feuchten und mechanischen Reinigungsversuche deutlich Chemikalienspuren im Hallenboden und dem unteren Bereich der Hallenwände.
Dabei gab es deutliche Verkrustungen und farbliche
Penetrationen.
Ein lädierter und zwischenzeitlich niemals reparierter Boden bzw. mit organischem Material gefüllter
Heizungsschacht sind als Schadstoffsenken anzusehen - siehe nachstehende Abbildung.
Diese erspare ich Ihnen jetzt. Um Sicherheit in das Verfahren zu bringen, ist es wichtig, dass wir den Ermittlungsstand eindeutig zur Kenntnis nehmen.
Die Informationspolitik der Bundesregierung wurde
hier kritisiert. Interessanterweise hat die Kommission in
beiden Sitzungen, nämlich sowohl in der am letzten Mittwoch als auch in der am gestrigen Dienstag, die Informationspolitik der Bundesregierung ausdrücklich gelobt.
({1})
Insofern ist dieser Vorwurf zurückzuweisen.
({2})
Die Kommission hat es zu Recht stutzig gemacht, dass
eine Würstchenprobe zwischenzeitlich als nitrofenbelastet angesehen wurde, was nicht in dieses Bild gepasst
hätte. Es gibt eine amtliche Untersuchung, nach der abschließend erklärt wurde, dass diese Probe nicht belastet
war, sodass die Kommission davon abgesehen hat, irgendwelche Sanktionsmaßnahmen gegen die Bundesrepublik Deutschland zu ergreifen. Ich gehe davon aus,
dass sie, solange wir die Spuren konsequent weiterverfolgen, davon auch weiterhin absehen wird. Für Bund und
Länder kann ich hier erklären, dass genau das jetzt unsere
Aufgabe ist. Nur so können wir verhindern, dass der Verbraucher durch weiteres Nitrofen zusätzlich belastet wird.
Meine Damen und Herren, hier wurde gesagt, dass das
alles nicht schnell genug geht. Zur gleichen Stunde - insofern ist das wirklich eine Aktuelle Stunde - tagt der Vermittlungsausschuss. Das Verbraucherinformationsgesetz
steht im Vermittlungsausschuss auf der Tagesordnung.
Dieses Gesetz soll eine neue Rolle des Bundes im Bereich
der Lebensmittelsicherheit regeln.
Ich habe mit Ihnen von der Opposition eineinhalb Jahre
über dieses Thema diskutiert. Sie haben daran nur herumgenörgelt und herumgemeckert.
({3})
Am letzten Donnerstag saß der Minister Sinner des Landes Bayern hier, der ebenfalls eine stärkere Kontrollfunktion des Bundes abgelehnt hat. Ich kann Ihnen eines sagen: Wenn Sie wollen, dass der Bund eine bessere und
koordinierende Rolle einnehmen kann, sollten Sie vonseiten der Länder Ihre Blockadehaltung gegen das Verbraucherschutzgesetz aufgeben.
({4})
Darüber hinaus können Sie mit dem Verbraucherinformationsgesetz den Behörden ein wichtiges Werkzeug an
die Hand geben, das dort zu einer neuen Informationskultur führt.
({5})
Warum ist das ein wichtiges Werkzeug? - In dem Maße,
in dem wir den Bürgerinnen und Bürgern signalisieren,
dass das Behördenwissen im Bereich der Lebensmittelsicherheit nicht geheim, sondern öffentlich zugänglich
ist,
({6})
schaffen wir eine neue Informationskultur, die auch dazu
führen wird, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der öffentlichen Verwaltung - ({7})
- Meine Damen und Herren von der Opposition, das alles
scheint Ihnen offensichtlich nicht zu gefallen.
({8})
Ich denke aber, es ist angemessen, dass Sie mir während
meiner Rede zuhören. Jedenfalls halte ich von diesem Dazwischengeblöke überhaupt nichts.
({9})
Das Verbraucherinformationsgesetz soll in den Behörden eine neue Informationskultur schaffen. Wir können
nicht einfach von oben nach unten mit Erlassen dafür
sorgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
öffentlichen Verwaltung für dieses Thema sensibilisiert
werden.
({10})
Das schaffen wir nicht, wenn die Opposition in dieser
Debatte nur kleinkariert an uns herumkrittelt. Vielmehr
müssen wir alle gemeinsam die Mitarbeiter in den Landkreisverwaltungen, ob sie nun in Bayern oder in Schleswig-Holstein sitzen, auffordern und ermahnen,
({11})
solche Informationen weiterzugeben. Sie, meine Damen
und Herren, haben die Chance, für diese neue Informationskultur Ihren Beitrag zu leisten, indem Sie Ihre kleinkarierte Wahlkampfblockade im Vermittlungsausschuss
aufgeben.
({12})
Eine ganze Reihe weiterer Themen sind angesprochen
worden. Ich will auf zwei Vorredner eingehen. Die Kollegin Bulling-Schröter hat angesprochen, dass Nitrofen im
Rahmen der Herstellung von Chemikalien in Deutschland
nach wie vor vorkommt. Das ist richtig. Im Rahmen eines
geschlossenen Produktionskreislaufes passiert das. Wir
sind natürlich auch dieser Spur nachgegangen. Ich kann
Ihnen aber zur Beruhigung sagen, dass dieses Nitrofen
nicht freigesetzt wird, sondern ein Zwischenprodukt im
Rahmen der Herstellung eines Stoffes mit dem Markennamen Iloxan ist. Von dort geht für die Verbraucher also
keine Gefahr aus. Das sollte man hier auch sagen, damit
nicht jede Nachricht und jede Spur zu erneuter hektischer
Betriebsamkeit führt.
Der Kollege Heinrich hat etwas gemacht, was ich im
höchsten Maße unverantwortlich finde. Er hat nämlich
der Bundesregierung bei einem anderen wichtigen Verbraucherschutzthema Untätigkeit vorgeworfen. Ich führe
das aus, um deutlich zu machen, dass wir bei diesem
Thema Ihre Nachhilfestunden überhaupt nicht brauchen.
({13})
Wir haben in Brüssel durchgesetzt, dass nach dem Antibiotikum Chloramphenicol gesucht wird.
({14})
- Überhaupt nicht. Der Skandal ist dadurch entstanden, dass
wir nach dem Stoff haben suchen lassen, sonst hätte man
diese Shrimps damals gar nicht gefunden und sie wären ins
Futtermittel und damit in die Nahrungsmittelkette gelangt.
In dem Punkt sind Sie völlig falsch informiert.
({15})
- Ihnen gefällt das, was wir machen, nicht.
({16})
Dabei sollte Sie die Tatsache beruhigen, dass wir uns des
Themas Verbraucherschutz ernsthaft annehmen.
Jetzt komme ich zum zweiten Beispiel, dem Nitrofuran, das mit Nitrofen nichts zu tun hat. Seit 1995 ist die
Menge des importierten Geflügels von 31 Tonnen sprunghaft auf inzwischen 191 000 Tonnen in Europa gestiegen.
Wir alle miteinander haben ein gemeinsames Interesse
daran, dass dieses importierte Geflügel bei den Tierschutzstandards, aber vor allem auch bei den Lebensmittelstandards nach den gleichen Kriterien produziert
wird, wie das in Deutschland der Fall ist.
Die Bundesregierung ist deswegen in dieser Frage sehr
frühzeitig aktiv geworden und hat die Kommission, nachdem sie erste Kenntnisse davon hatte, dass möglicherweise verbotene Stoffe - in dem Fall ein verbotenes Antibiotikum - zum Einsatz kommen, aufgefordert, den
Einsatz dieser Stoffe zu untersagen. Wir haben dies in
Brüssel durchgesetzt. Ich will Ihnen einfach nur die Ergebnisse der letzten Meldungen vorlesen. 31. Mai 2002:
Nachweis von Nitrofuran aus Thailand - Sendung unschädlich beseitigt. 31. Mai 2002: erneuter Nachweis bei
der nächsten Lieferung - ebenfalls unschädlich beseitigt.
Eine dritte Sendung ebenfalls vom 31. Mai 2002 wurde
wiederum unschädlich beseitigt. Auch aus Brasilien wurden entsprechende Lieferungen gefunden und unschädlich
beseitigt.
Ich will damit deutlich machen: Während Sie Forderungen an uns stellen, handeln Bund und Länder schon
lange verantwortlich und sorgen dafür, dass diese Stoffe
nicht in die Nahrungsmittelkette kommen. Es ist mir
wichtig, dies hier zu nennen, weil Lebensmittelsicherheit
ein Thema ist, das uns alle gleichermaßen betrifft. Dieses
Thema ist sehr wichtig und taugt nicht dazu, so billigen
Wahlkampf zu machen, wie das heute einige versucht haben, obwohl Ihnen jede Frage zufrieden stellend beantwortet worden ist.
Danke.
({17})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Norbert Schindler von der CDU/CSUFraktion.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Schlimm genug, was
derzeit passiert! Aufgrund der großen politischen Vorwürfe geht das tägliche Geschäft unter. Ich möchte hier
anführen: Die siebte Änderungsverordnung steht an. Sie
kommt aber wegen des europäischen Streits mit Spanien
um Obst und Gemüse nicht zustande.
Dieses Problem wird durch die aktuelle Auseinandersetzung über den Nitrofen-Skandal überlagert. Hoffentlich - ich sage das aus tiefer Sorge um die betroffenen
Landwirte und im Hinblick auf die Angst aller Verbraucherinnen und Verbraucher in dieser Republik - weitet
sich dieser Skandal nicht aus, egal in welchem Bereich.
Die Biohöfe sind diesmal zuerst betroffen. Es wird genau untersucht und geforscht. Die Bundesregierung unterstellt uns, wir, die Opposition, verfolgten das mit
Häme. Ich möchte mit aller Deutlichkeit klarstellen: Wir
machen uns genauso große Sorgen um die Existenzen da
wie dort. Niemand von uns hat die Gewähr, dass wir morgen oder übermorgen nicht mit einer entsprechenden Meldung konfrontiert werden. Herr Staatssekretär Berninger,
Sie haben vorhin gesagt, dass 72 Tonnen irgendwohin unterwegs seien. Man könnte doch einmal nachfragen, wohin diese 72 Tonnen gelangt sind. Was soll eigentlich passieren, wenn diese 72 Tonnen irgendwo untergemischt
worden sind?
Jetzt kommt natürlich der politische Drive. Wenn man
mit dem Thema Bio so umgeht, wie Sie es tun - in einer
Zeitung ist eine Karikatur erschienen, die Frau Renate
Künast als Witwe Bolte darstellt, die neben einem Baum
steht, in dem Hähnchen hängen; darunter steht: Und ihres
Lebens bester Traum hängt an diesem Apfelbaum -, dann
zeigt das, wie gefährlich es ist, wenn man sich in der Politik einseitig festlegt
({0})
und unterstellt: Nur bestimmte Kinder bekommen die
Masern. Jetzt sind wir in einer Situation, in der Sie, ideologisch festgelegt, selbst betroffen sind.
Es komm hinzu, dass Kanzler Schröder auf dem SPDParteitag, der vor wenigen Tagen in Berlin stattgefunden
hat, von überkommenen oder verkommenen - ich habe es
nicht genau verstanden - Strukturen gesprochen hat. Es ist
auch in der hier stattfindenden Debatte gesagt worden,
dass die eigentlich Verantwortlichen bei den Versicherungen und im Bereich der Agraraufsicht zu suchen seien.
Das ist genauso, als ob der Innenminister sofort in Kenntnis gesetzt werden soll, wenn ein Kripobeamter feststellt,
dass irgendwo etwas Schlimmes passiert ist. In Kenntnis
der Vorgänge vor Ort machen wir uns wirklich leichtsinnig Vorhaltungen. In diesem Zusammenhang muss ich leider Gottes auch den Kanzler erwähnen. Was sind nicht alles für Relativierungen auf dem SPD-Agrarkongress, der
vor einigen Monaten in Magdeburg stattgefunden hat, im
Vergleich zu den Aussagen von vor 18 Monaten vorgenommen worden, als noch von Agrarfabriken geredet
wurde! Jetzt haben Sie Ihre Meinung innerhalb kürzester
Zeit geändert. Das ist angesichts dieses schwierigen Themas keine vertrauensbildende Maßnahme.
Frau Ministerin Künast, natürlich hat der Staat die politische Verantwortung zu tragen. Aber, Herr Berninger,
man kann den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes in der ARD nicht vorführen und sagen, der solle bloß
ruhig sein, weil der gefordert habe, Gift bei der Bekämpfung von Obst- und Gemüsekrankheiten zuzulassen. Da
ist ein zu lockerer Umgang mit der Verantwortung, die
man gemeinsam hat. Das dient wirklich nicht der Sache.
({1})
Wir stehen jetzt zum Teil vor einem Scherbenhaufen.
Rot-Grün ist seit fast vier Jahren und Frau Ministerin
Künast seit eineinhalb Jahren in der Verantwortung. Die
Menschen - das zeigen ernst gemeinte Umfragen - nehmen Ihnen nicht mehr ab, wenn Sie von durchgreifenden
Kontrollen und von überkommenen Strukturen, die aus
der Vergangenheit herrühren, reden und behaupten, dass
es im eigenen Hause keine Versäumnisse gegeben habe.
Sie hatten nicht 18, sondern fast 44 Monate Zeit zu handeln, schieben aber immer nur anderen die Verantwortung
in die Schuhe. Deswegen bitte ich Sie, Ihre ideologischen
Schuldzuweisungen in die eine oder andere Richtung zu
relativieren; denn solche Schuldzuweisungen dienen der
Sache wirklich nicht.
({2})
Wir, die in der politischen Verantwortung sind, sollten
in Zukunft mit dem jetzt zur Diskussion stehenden Thema
kühl umgehen, auch wenn die Sorge um die schwangeren
Frauen - sie sind die Ersten, die betroffen sind; darin ist
die Angst begründet - noch so groß ist. Wir sollten genau
darlegen, welche Rückstände gesundheitsgefährdend sind
und welche nicht. In diesem Zusammenhang muss ich
noch eines sagen: Sie haben in den 16 Jahren, in denen wir
regiert haben und in denen Sie in der Opposition waren
- das betrifft vor allem die Partei der Grünen -, Themen
mit Emotionen belegt, die Sie jetzt, so Sie in der Regierungsverantwortung sind, selber zu spüren bekommen.
Jetzt hat Sie die eigene Lehre eingeholt.
Ich appelliere im Interesse aller Betroffenen an uns
alle: Gehen wir in Zukunft kühl mit diesem Thema um
und lassen wir auch die spitzen Vorwürfe! Wir in der Opposition haben das gleiche Recht und die gleiche Sorgfaltspflicht, im Interesse aller Staatsbürger nach den Ursachen zu forschen. Hoffentlich bleibt es bei dieser Halle.
Hoffentlich kann die Verteilung in der Konsequenz wirklich so eingegrenzt und beherrscht werden, wie das heute
noch der Fall zu sein scheint. Im Hinblick auf schlimmere
Befürchtungen möchte ich weitere Schuldzuweisungen
überhaupt nicht machen.
Abschließend noch eine Bemerkung.
Herr Kollege Schindler, Sie haben Ihre Redezeit um eine Minute
überzogen. Bitte keine Bemerkung mehr.
Danke schön für den
Hinweis. - Jedem ist bewusst geworden: „Bio“ findet
nicht mit auf dem Misthaufen kratzenden Hühnern statt.
In das Bewusstsein aller Verbraucherinnen und Verbraucher sind mittlerweile andere Größenordnungen gekommen. Der schnelle Antritt, auf einen Anteil von 20 Prozent
zu kommen, war deshalb nicht nur leichtsinnig,
({0})
sondern für manche Bereiche lebensgefährdend. Gut
Ding will Weile haben! Was man erreichen wollte, ist leider Gottes so nicht eingetreten.
Danke schön.
({1})
Als
nächster Redner hat der Kollege Gustav Herzog von der
SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition hat aus der Fragestunde diese Aktuelle Stunde entwickelt. Ich will zu Beginn zwei Fragen stellen:
Erstens. Konnten das Parlament und die Öffentlichkeit
durch die Fragen der Opposition neue Erkenntnisse gewinnen? - Ich sage: Ja. Die Antworten der Regierung haben uns einige neue, leider auch unerfreuliche Erkenntnisse gebracht.
Zweitens. Wurde durch die dringlichen Fragen der Opposition und durch diese Aktuelle Stunde bis jetzt - es folgen ja noch ein paar Redner - das Problem einer Lösung ein
Stückchen näher gebracht? - Da habe ich große Zweifel.
Ich will eine erste Vorbemerkung machen. Bei allen
diesen Diskussionen wird mir deutlich, dass wir uns zum
Thema Föderalismus in diesem Bereich ernsthaft Gedanken machen müssen - nicht in dieser, aber in der nächsten
Wahlperiode -, weil es nicht sein kann - der Kollege
Ronsöhr hat es durch seine Zwischenfragen nach den Dokumenten provoziert -, dass man in einem solchen Fall
durch 16 Bundesländer rennen muss, um irgendwelche
Unterlagen zusammenzuholen.
({0})
Das ist nicht nach Europa vermittelbar. Das ist auch nicht
den Verbrauchern vermittelbar. Darüber müssen wir uns
über Parteigrenzen hinweg ernsthaft Gedanken machen.
({1})
Die zweite Vorbemerkung: Wird diese Debatte irgendetwas zur Einkommenssicherung der deutschen Landwirtschaft beitragen? - Mit vollster Überzeugung sage ich:
Nein. Diese Debatte wird sicherlich nicht dazu beitragen.
Wir haben am Donnerstag dreieinhalb Stunden diskutiert, haben uns beschäftigt mit den Verursachern, den
Vertuschern, den Aufklärern und den gesetzlichen Verbesserungen, die wir in die Wege geleitet haben. Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt, wer seriös mit dieser Angelegenheit umgeht.
({2})
Ich muss feststellen, dass die Opposition ein klein wenig
auf dem Weg der Besserung ist. Am Donnerstag haben Sie
von der Opposition sich nämlich nur damit beschäftigt,
welche Probleme möglicherweise bei der Regierung liegen. Heute haben Sie auch versucht, einige Fragen zur Sache zu stellen.
Hat sich vom letzten Donnerstag bis heute einiges
geändert? - Bei den Verursachern eher nein, denke ich.
Mich hat noch einmal sehr, sehr nachdenklich gemacht,
dass der Herr Staatssekretär hier aus einem Untersuchungsbericht zitieren konnte, in dem steht, in einer Halle,
in der Getreide gelagert worden sei, seien offensichtlich
Gerüche nach Pflanzenschutzmitteln feststellbar. Ich wiederhole meine Frage vom letzten Donnerstag: Was denken sich eigentlich die Leute dabei, dort Getreide oder Lebensmittel einzulagern?
({3})
Hierbei müssen wir auch nach der Verantwortung der
Unternehmen fragen.
({4})
Fragen der Opposition zielen darauf: Kontrolliert der
Staat denn nun auch wirklich jeden Import? Ich gehe immer noch davon aus, dass die Verantwortung für die Produkte, die in dieses Land eingeführt, verarbeitet und den
Verbrauchern angeboten werden, bei den Unternehmen
liegt. Sie müssen doch dafür sorgen, dass die Produkte gesundheitlich unbedenklich sind und den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Man muss also fragen: Kontrollieren die Unternehmen genug oder wird hier auf
Verdacht eingekauft und eingeführt nach dem Motto
„Wenn irgendetwas drin ist, wird der Staat es ja schon finden“? Ich sage noch einmal: Auch über die Verantwortung
der Unternehmen für die Produktsicherheit müssen wir
ernsthafter diskutieren.
({5})
Hat sich bei denjenigen, die bei GS agri, NSP und - ich
erwähne das der Vollständigkeit halber, die Opposition
fragte bereits danach - auch bei den Ökokontrollstellen,
den Verbänden und der Raiffeisen-Versicherung versuchen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, etwas geändert? - Nein, auch bei ihnen gibt es nichts Neues. Auch
die Aufklärer sind noch immer mit Volldampf damit beschäftigt, Informationen einzuholen.
Es gibt allerdings immer noch - auch daran hat sich
nichts geändert - kritische Nachfrager, aber auch Nebelwerfer in dieser Angelegenheit. Dabei handelt es sich um
Wissenschaftler, die, ohne genau zu wissen, worum es
geht, ihre Positionen in der Öffentlichkeit vertreten, und
Medien, die das auch noch transportieren.
({6})
Es gibt auch solche Informationen wie heute morgen, als
um 10.42 Uhr eine Meldung vor Fleisch aus einem nitrofenbelasteten Betrieb in Hamburger Bioläden warnte.
Eine Stunde später hieß es in einer weiteren Meldung: Ob
das betroffene Fleisch tatsächlich mit Nitrofen belastet
sei, könne noch nicht abschließend beurteilt werden.
Auch hierbei stellt sich die Frage, wie wir in Zukunft mit
solchen Informationen umgehen. Ich meine, wir sollten
uns langsam bemühen, davon wegzukommen, dass immer neue Spekulationen in die Welt gesetzt werden.
Das Vertrauen unserer Verbraucher in die Lebensmittel
ist wieder einmal erschüttert worden. Diesmal betrifft es
die Ökoprodukte, was aber offenbar durch konventionelle
oder kriminelle Schlampereien verursacht worden ist.
Statt aber einen öffentlichen Hickhack zu veranstalten,
sollten wir alle daran mitarbeiten, das Vertrauen der Verbraucher wiederzuerlangen und den betroffenen Bauern
gemeinsam zu helfen.
({7})
Vielen Dank.
({8})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Max Straubinger von der CDU/CSUFraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, die Debatte
zeigt deutlich - auch die heutige Aktuelle Stunde wird es
offenbaren -, dass die Bundesregierung bei der Bewältigung der Nitrofen-Krise versagt hat.
Wir werfen der Bundesregierung vor, dass sie bei der
Aufklärung viel zu lange Wege gegangen ist und meinem
Eindruck nach bei der Aufklärung geradezu Scheuklappen trägt.
({0})
Wer nur einseitig auf die Kontaminationsstelle Malchin
eingeht, geht mit der Bewältigung der Krise sicherlich
nicht sachgerecht um.
({1})
Das geht aber nicht an. Es gibt verschiedenste Hinweise
darauf - und es ist in der Fragestunde deutlich geworden,
dass die Bundesregierung die entsprechenden Fragen
nicht beantwortet hat -, dass es möglicherweise auch andere Quellen gibt.
({2})
- Nein, sie wurden eben nicht beantwortet, sondern der
Herr Staatssekretär hat auf meine Frage geantwortet, dass
kein anderes Ökogetreide auf Rückstände untersucht
wurde. Meines Erachtens ist es aber notwendig, unabhängig von Malchin auch bei anderen Stellen aufs Geratewohl Untersuchungen anzusetzen, damit die notwendige
Aufklärung betrieben werden kann.
Ich meine, dass es insgesamt mit entscheidend ist,
sachgerecht mit der Bewältigung umzugehen. Dies wurde
viele Wochen lang verschleppt. Das Versagen der Bundesbehörden wurde schon vielfach angesprochen, aber es
liegt auch ein Versagen der Produzenten, der Futtermittelmischer und anderer vor.
Es ist dies keine Frage eines Verbraucherschutzgesetzes, Frau Höfken, oder anderer neuer gesetzlicher Regelungen. Die Futtermittelhersteller wären aufgrund der Gesetzeslage verpflichtet gewesen, die Information über die
Belastungen weiterzugeben. Dann wäre dies auch offenkundig geworden. Hier ist ein Gesetzesverstoß begangen
worden, den wir verurteilen. Es geht nicht um die Frage
eines Verbraucherschutzgesetzes;
({3})
denn die notwendigen gesetzlichen Regelungen sind vorhanden.
Lassen Sie mich noch eine weitere Bemerkung machen:
Es handelt sich auch um das Versagen einer Bundesbehörde, wenn am 19. März Nitrofen im Putenfleisch festgestellt wird und dies nicht an das zuständige Ministerium
weitergegeben wird. Wenn dann gesagt wird, wie am
30. Mai bei einer außerordentlichen Sitzung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vonseiten des zuständigen Staatssekretärs Müller,
dass die Bundesanstalt gemäß der vorgeschriebenen Vorgehensweise richtig gehandelt hat, so war offensichtlich
der Erlass der Bundesregierung, so wie er im Januar ergangen ist, einfach unvollständig; er wurde ja jetzt erst
durch die Bundesregierung nachgebessert. Hier wird ja offensichtlich, dass eine Teilschuld für das Versagen auch bei
der Bundesregierung liegt.
({4})
Deshalb kritisieren wir die Bundesregierung.
Die Leidtragenden sind aber die Verbraucherinnen und
Verbraucher, weil sie wiederum bezüglich der Lebensmittelversorgung in Deutschland verunsichert werden. Darüber hinaus sind natürlich die Leidtragenden auch alle
Landwirte, egal ob sie Lebensmittel bzw. Grundlagen dafür
konventionell oder wie die Ökobaubetriebe produzieren;
insbesondere betrifft das natürlich die in der Ökolandwirtschaft Tätigen. Das kommt aber auch daher, dass Rot-Grün
öffentlich ein verklärtes und zum Teil sehr falsches Bild der
Ökolandwirtschaft vermittelt hat, sehr einseitig für die Produktionsweise der Ökolandwirtschaftsbetriebe eingetreten
ist und die konventionell produzierenden Betriebe bei jeder
sich bietenden Möglichkeit an den Pranger gestellt hat.
({5})
Das ist natürlich auch dazu angetan, dass die Verbraucher
entsprechend verunsichert wurden.
({6})
- Doch. Wer ständig jeglichen Einsatz von Dünge- und
Pflanzenschutzmitteln bekämpft, vergisst, dass Pflanzenschutzmittel notwendig sind, um qualitativ hochwertige
Produkte herzustellen.
Es ist hier eben auch festzuhalten, dass beim Getreideanbau in der Natur Fusarien und Mykotoxine, also Pilze,
entstehen und das Getreide damit behaftet ist. Sachgerechter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bedeutet auch
Verbraucherschutz, werte Damen und Herren. Ich glaube,
dass wir das auch einmal zum Ausdruck bringen müssen.
({7})
Hier wird eben die ideologische Scheuklappe von RotGrün besonders deutlich.
Es gibt eine Menge von Versagern in dieser Kette. Das
beginnt bei der Zertifizierung der Halle, was ja, wie dargelegt, durch einen Ökoverband geschah.
Herr
Kollege Straubinger, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja, ich komme sofort
zum Schluss. - Es sind dann natürlich auch entsprechende
Weichenstellungen notwendig.
({0})
Ich glaube, dass die Bundesregierung dazu nicht die Kraft
hat.
({1})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Albert Schmidt vom Bündnis 90/Die
Grünen.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss kein Agrarexperte sein, um hier in einer
Debatte zum Ausdruck zu bringen, dass wir die konsequent am Verbraucherschutz ausgerichtete Politik unserer
Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin ausdrücklich unterstützen.
({0})
Die beste und wichtigste Nachricht des heutigen Tages,
liebe Kolleginnen und Kollegen, lautet: Die deutschen
Biobauern bleiben im europäischen Geschäft. Und das ist
gut so.
({1})
Das ist nicht nur gut so, sondern das ist auch wohl begründet. Ich möchte hier noch einmal mit aller Klarheit
sagen: An diesem ganzen Skandal trifft die Biobauern gerade keine Schuld. Der Nitrofen-Skandal ist kein Skandal
des ökologischen Landbaus,
({2})
sondern der Skandal geht, wie wir jetzt zunehmend begreifen müssen, auf skrupellose Leute in der Futtermittelwirtschaft zurück.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie bitte
ganz nüchtern und unaufgeregt zur Kenntnis: Ohne Biohersteller in der Lebensmittelwirtschaft wäre der ganze
Skandal überhaupt nicht aufgedeckt worden. Es war doch
ein Hersteller von ökologischer Babynahrung aus Bayern,
der quasi am Eingangstor seines Werkes auf Nitrofen gestoßen ist. Es ist doch ein Wunder, dass dort überhaupt
noch die Produkte daraufhin untersucht wurden, obwohl
das Pestizid überhaupt nicht mehr zugelassen ist. Das war
ein Biohersteller, der diese Kontrolle durchgeführt hat!
({4})
Er hat das Futtermittel an den Hersteller zurückgeschickt
und gesagt: nicht mit mir.
({5})
Daraufhin kam die Kette der Ereignisse ins Rollen. Wir
sind zwar der Meinung, dass das viel zu lange gedauert
hat und der Weg viel zu umständlich war. Dies ist aber
nicht den Bio-Herstellern vorzuwerfen,
({6})
weil es ein Bio-Hersteller war, der kontrolliert hat, was
woanders überhaupt nicht kontrolliert worden wäre.
({7})
Es ist also unbestreitbar, dass in diesem Fall die BioHersteller die Initialzündung für die Aufdeckung des
Skandals gegeben haben. Dennoch wollen wir festhalten,
dass Ökobetriebe im Bereich der Landwirtschaft letztlich
keine Pestizide brauchen: Im ökologischen Landbau werden keine Pestizide eingesetzt, es müssen dafür keine Pestizide produziert werden, es müssen keine gelagert werden und es müssen keine geliefert werden.
({8})
Aus der Sicht der Verbraucher müssen wir heute eine
Schlussfolgerung ziehen: Die Agrarwende ist nötiger
denn je, und zwar für die gesamte Produktionskette von
der Futtermittelerzeugung über die Tierhaltung bis hin zur
Nahrungsmittelherstellung.
({9})
Sie haben diese Aktuelle Stunde heute aber nicht beantragt, um die Agrarwende zu befördern;
({10})
Sie unternehmen hier vielmehr den untauglichen Versuch,
den Ruf von Renate Künast zu erschüttern.
({11})
Fragen Sie die Menschen auf der Straße nach Renate
Künast. Sie werden Ihnen sagen: Verbraucherschutz in
Deutschland hat einen Namen, und zwar Renate Künast.
Sie ist die Anwältin der Verbraucherinnen und Verbraucher.
({12})
Sie hat öffentlich und umgehend informiert. Sie hat die
Quellen aufgespürt und benannt. Sie hat das gesamte Geflecht möglicher Verursacher aufgezeigt. Das ist ihre
Leistung. Es wird - ohne Ansehen der Person - Punkt für
Punkt aufgeklärt.
Wir müssen aber nicht nur von den Verursachern, sondern auch von den Vertuschern reden. Es geht auch um gewisse verhängnisvolle Strukturen in einem „Verschweigerkartell“ der Futtermittelwirtschaft, um höchst eigenartige
personelle Verflechtungen, die in der Tat fragwürdig sind.
Ich will Ihnen einmal sagen, wie an den Stammtischen
({13})
in Bayern Raiffeisen dekliniert wird: Raiffeisen, Greifeisen, Bescheißeisen.
({14})
Ich will hier nichts darüber aussagen, ob diese Beurteilung angemessen ist, zumal ich selbst bei der Raiffeisenbank in Augsburg ein Konto habe; aber auf eines möchte
ich hinweisen: Wenn genossenschaftlich gebundene
Versicherungen glauben, man könne stille Aktionen zur
Rückholung von durch Gifte verseuchten Nahrungs- oder
Futtermitteln durch verschwiegene Abwicklungen vertuschen, dann ist dies eine mit krimineller Energie betriebene Gemeinheit zum Schaden der Bauern sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher.
({15})
Die Verantwortung dafür liegt in dem Bereich, der der
Landwirtschaft eigentlich vorgelagert ist. Wen trifft aber
nachher die Krise? - Die Bauern, und zwar die Ökolandwirte genauso wie die konventionellen. Sie haben in diesem Bereich deckungsgleiche Interessen. Deshalb müssen wir Punkt für Punkt aufklären und die Konsequenzen
ziehen.
Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass die EU die Linie von Renate Künast „Aufdecken - Informieren - Zur
Rechenschaft ziehen - Kontrollieren“ voll bestätigt. Ich
erwarte allerdings auch, dass die Länder an der Umsetzung nun konsequent mitwirken, um eine Debatte über föderale Strukturen zu vermeiden.
An die Adresse der CDU/CSU sage ich: Solange Sie im
Bundesrat den Weg für ein Verbraucherinformationsgesetz, das den Menschen erlaubt, alles zu erfahren, was den
Behörden über die Inhaltsstoffe der Nahrung bekannt ist,
nicht frei machen, haben Sie überhaupt keine Glaubwürdigkeit in Sachen Verbraucherschutz.
({16})
Sie können nach außen nicht vermitteln, warum Informationen in den Aktenschränken der Behörden verschlossen
bleiben sollen und warum Sie den Menschen auf der
Straße dieses Wissen nicht zubilligen. Das versteht kein
Mensch. Damit werden Sie nicht punkten. Sie werden unangenehme Rückfragen erhalten. Wir werden Sie an dieser Stelle nicht aus der Verantwortung entlassen.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, für mehr Verbraucherschutz, auch für mehr Information zu sorgen, indem
Albert Schmidt ({17})
man den Menschen das Wissen, das die Behörden haben,
weitergibt.
({18})
Wenn Sie das weiterhin verweigern, melden Sie sich aus
der ernsthaften Verbraucherschutzdebatte ab.
({19})
Das Wort
hat die Kollegin Annette Widmann-Mauz von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr
Kollege Schmidt, Ihre Ausführungen zeigen, dass Sie sich
in dieser Debatte wirklich nicht auskennen.
({0})
Die Vorwürfe, die Sie uns machen, sind schlicht falsch.
Erster Punkt. Von uns hat niemand der Firma Hipp einen Vorwurf gemacht, dass sie so stark geprüft und dann
auch etwas gefunden hat. Im Gegenteil: Was macht uns
stutzig? - Uns macht stutzig, dass nur die Firma Hipp entsprechende Funde gemeldet und verfolgt hat, wo doch so
viele Verarbeiter von Bioprodukten in dieser Kette von
den verseuchten Futtermittelprodukten betroffen sind.
Das muss uns zu denken geben!
({1})
Es muss uns auch zu denken geben, dass zum Beispiel
ein Ökoverband wie „Naturland“ schon längst Bescheid
weiß, aber nicht handelt. Dem müssen wir nachgehen und
darum müssen wir uns kümmern,
({2})
und zwar unabhängig davon, ob es ein Bioverband oder
ein konventioneller Verband ist. Wir müssen im Interesse
der Verbraucherinnen und Verbraucher schauen, wo die
Lücken sind.
({3})
Die Lücken sind sowohl in diesem Bereich als auch innerhalb der Bundesregierung zu finden.
({4})
Ich fand es schon sehr mutig von Ihnen, Herr Schmidt,
dass Sie davon gesprochen haben, dass die Europäische
Kommission mit dem, was in unserem Land passiert, vollkommen zufrieden sei. Ich muss diese Woche anscheinend auf einem anderen Stern gelebt haben.
({5})
Denn was sich diese Woche abgespielt hat, belegt doch
das glatte Gegenteil.
Byrne spricht von einer vollkommen verfehlten Informationspolitik. Vor zwei Wochen wurde nämlich noch gesagt, der Skandal sei beendet. Jetzt heißt es, dass wieder
etwas gefunden wurde und dass der Skandal doch noch
nicht beendet sei. Der Agrarminister von MecklenburgVorpommern sagt, dass wir erst am Anfang stünden, was
die Aufklärung betrifft. Selbst Ihr Parteifreund im Europaparlament Graefe zu Baringdorf ist der Meinung, dass
man den Mund nicht so voll hätte nehmen dürfen, wie es
Frau Künast getan hat.
Von einer klugen Informationspolitik, durch die die
Verbraucherinnen und Verbraucher seriös informiert werden, kann überhaupt keine Rede sein. Da das Vertrauen
angeblich so groß sein soll, muss ich Sie fragen: Würde
die Europäische Kommission die irischen Prüfer aus Dublin nach Deutschland schicken, wenn man nicht vermuten
würde, dass hier etwas zu finden sei?
({6})
Ich sage deshalb ganz klar: Mit dem, was Sie hier auf den
Weg gebracht haben, kann doch etwas nicht stimmen.
Was ebenfalls erstaunlich war und was auch Herr Byrne
ausdrücklich kritisiert hat, hat mit der Frage zu tun, wie in
Deutschland Informationen von Stellen, die prüfen und
kontrollieren, weitergeleitet werden. Ich muss mich schon
wundern: Es gab in der Fragestunde heute Nachmittag
keine einzige Antwort auf die Frage, wie man mit der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach verfahren
will. Wir hören nichts darüber, ob dieses Fehlverhalten,
das dort an den Tag gelegt wurde, sanktioniert werden soll.
Die Bundesregierung scheint ein solches Verhalten durchgehen zu lassen. Mir ist nichts davon bekannt - ich habe
den Herrn Staatssekretär ausdrücklich dazu befragt -, ob
hier in irgendeiner Weise gehandelt wird.
Wir sind jetzt seit drei Wochen damit beschäftigt, den
Skandal einzugrenzen und zurückzuverfolgen, woher das
Getreide kommt und welche Bereiche insgesamt betroffen sind. Sie haben immer wieder den Eindruck erweckt,
dass in dem geschlossenen System der Biokreislaufwirtschaft die Rückverfolgbarkeit hundertprozentig gegeben
sei. Im Fachausschuss des Europäischen Parlamentes
heißt es dagegen, dass man noch nicht so weit sei und dass
der Skandal noch nicht hundertprozentig eingegrenzt
werden könne. Nur eines kann stimmen: Entweder handelt es sich um einen geschlossenen Kreislauf und wir
können sehr schnell lückenlos dokumentieren
({7})
oder wir können es nicht.
Es ist kein Wunder, wenn die zweite Möglichkeit zutrifft.
({8})
Denn Sie haben ein Biosiegel eingeführt, das den Zusatz
von konventionellen Produkten in Bioprodukten erlaubt.
({9})
- Herr Herzog, schauen Sie sich bitte die entsprechende
EU-Verordnung an. Darin ist festgelegt, dass Bio-BabyAlbert Schmidt ({10})
nahrungsmittel bis zu 30 Prozent aus konventionellen Bestandteilen bestehen dürfen.
({11})
Ich möchte zitieren, was beispielsweise der Pressesprecher des Öko-Landbau-Verbandes Demeter, Renée
Herrnkind, sagt. Ihre Politik, im Biobereich ganz schnell
auf Masse zu setzen, ohne dass die Strukturen der Landwirtschaft, auch die Kontrollstrukturen, nachwachsen
können, hat folgende Auswirkungen - ich zitiere aus einer Reuters-Meldung -:
„Wir sehen Risiken in dieser Industrialisierung“, sagt
Renée Herrnkind, Pressesprecher des Öko-LandbauVerbands Demeter.
Weiter heißt es in der Meldung von Reuters:
Die Supermarktketten haben das Potenzial von
Ökoprodukten erkannt und drängen daher die Produzenten, immer mehr zu liefern. „Wenn der Druck
erhöht wird, ist es für die Erzeuger schwieriger, die
Qualitätserfordernisse einzuhalten“, sagt Uli Zerger
von der Stiftung Ökologie und Landbau. Die Nachfrage nach Bioprodukten sei in den vergangenen
Jahren jedoch so stark und so schnell angestiegen,
dass sich die ökologischen Betriebe nicht so schnell
auf den erhöhten Bedarf hätten umstellen können.
Es heißt weiter, dass vielfach Ware aus dem Ausland importiert werde, dort potenzielle Schwachstellen zumindest zu vermuten seien und dass die veränderten Logistikanforderungen durch diese Branche gar nicht in dem
notwendigen Umfang zu erfüllen seien.
Frau Kollegin Widmann-Mauz, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme
zum Schluss. - Es kommt doch darauf an, dass wir eine
Verbraucherschutzpolitik betreiben, die vier Gesichtspunkten gerecht wird: mehr Transparenz, Eigenverantwortung stärken, Kontrollen so gestalten, dass sie wirken
können, und nachhaltig handeln.
Deshalb ist der Verweis - dieser Satz sei mir noch gestattet, Herr Präsident - auf eine vermeintliche Blockadehaltung nicht gerechtfertigt. Ich zitiere die bereits in der
letzten Woche vorgelegte Ausschussdrucksache 14/748.
Damit hätten die Koalitionsfraktionen die Möglichkeit
gehabt, die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher bei solchen Skandalen zu verbessern. Sie haben
dagegen gestimmt und das blockiert.
({0})
- Nein, das ist nicht blanker Unsinn.
Frau Kollegin, bitte!
Sie hatten die
Möglichkeit dazu, haben sich dieser Verbesserung aber
verweigert.
Ich danke Ihnen.
({0})
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Kollege Dr. Gerald Thalheim das Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass
sich der Deutsche Bundestag erneut ausführlich mit diesem Thema beschäftigt. Nicht gut finde ich den Versuch,
aus diesem Thema politisch Funken zu schlagen. Hinter
dem Nitrofen-Skandal steht kein Versagen der Bundesregierung, schon gar nicht von Bundesministerin Künast.
Im Gegenteil, die entschlossene Aufklärung, die das Bundesministerium betrieben hat, findet allgemein Anerkennung, auch bei der EU-Kommission.
({0})
- Zu dir komme ich gleich.
Es ist auch kein Versagen der ökologischen Landwirtschaft.
({1})
Wir wissen heute, dass es eher Zufall war, dass das Ökogetreide in diesem am stärksten verseuchten Teil der Halle
in Malchin gelagert wurde. Es ist auch kein vordergründiges Versagen der Kontrollinstitutionen,
({2})
wenn, dann der Biokontrollstelle. Es ist ein Versagen von
Menschen, insbesondere der Menschen in der Futtermittelbranche, von den Beschäftigten bis in die Chefetage.
({3})
- Da können Sie lachen.
Das eigentliche Problem ist die Katastrophe für die gesamte Branche, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck
entstanden ist: Was sich in Malchin abgespielt hat, könnte
sich auch anderswo abspielen; wie dort mit den Informationen umgegangen worden ist - da sind auch die Ökolandbauverbände zu kritisieren -, könnte auch woanders passieren. Das ist die Katastrophe. Deshalb ist dieses Thema
nicht für gegenseitige Schuldzuweisungen geeignet.
Damit sind wir bei dem eigentlichen Punkt, dem Unglaublichen, das sich in Malchin abgespielt hat. Auch ich
bin nach einigen Informationen, die dargelegt worden
sind, mit der Meinung in die Öffentlichkeit gegangen,
dass es sich so nicht abgespielt haben kann. Ich bin eines
Besseren belehrt worden. Ich habe erst heute früh mit jemandem telefoniert, der dort war. Wenn man in einer
Halle Pflanzenschutzmittel findet und darauf Getreide lagert, dann ist das ein Skandal - und doch die Erklärung.
Jedem Azubi in der Landwirtschaft wird im ersten Lehrjahr eingebläut, Futtermittel nicht gemeinsam mit Pflanzenschutzmitteln zu lagern bzw. sie nicht hintereinander
Albert Schmidt ({4})
an derselben Stelle zu lagern. Wir dürfen als Parlament
nicht die Illusion erwecken, dass wir ein solch eklatantes
Fehlverhalten durch Beschlüsse verhindern könnten. Hier
muss sich das Bewusstsein der Betroffenen ändern. Hinter
diesem Skandal steht eine unglaubliche Ignoranz, was das
Vorgehen, die Informationspolitik, aber nach wie vor auch
das Geschäftsgebaren des Futtermittelhandels und der Futtermittelindustrie anbelangt.
({5})
Da sind wir bei der Antwort auf Ihre Frage, Kollege
Schindler, warum wir nicht schneller und besser informieren konnten: weil die Futtermittelindustrie nach wie
vor nicht in der Lage ist, Herkünfte anzugeben und darzulegen, welche Partien in welches Mischfuttermittel geraten sind. Das ist der entscheidende Punkt.
({6})
- Da können Sie schreien, wie Sie wollen, die entscheidende Frage lautet: Woher kommt die Ignoranz in dieser
Branche? - Ich kann Ihnen die Antwort geben: Der Grund
ist, dass diese Branche gewohnt war, dass sich die Politik
schützend vor sie stellt.
({7})
Das ist die Antwort auf die Frage, die hier rhetorisch gestellt worden ist.
Es ist reine Höflichkeit, wenn ich von diesem Pult aus
nicht darüber spreche, welche Parolen die Vorgänger in
unserem Haus im Hinblick auf BSE und ähnliche Bereiche ausgegeben haben. Da wurden Denkverbote ausgesprochen. Die Wirkung ist bis heute zu sehen, auch in der
Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach.
({8})
Wann ist denn Herr Honikel eingestellt worden? Ich hatte
die große Ehre, gemeinsam mit Herrn Stoiber die Bundesanstalt in Kulmbach zu besuchen. Ich kann mich noch
gut daran erinnern, wie Herrn Honikel auf die Schulter
geklopft und er zu privaten Untersuchungen motiviert
wurde. Auch aus dieser Hinsicht, aufgrund des Verhaltens
von Herrn Honikel, lassen sich keine Funken schlagen,
auch wenn Sie das immer wieder versuchen.
({9})
Meine letzte Botschaft. Wie viele andere habe ich
geglaubt, dass alle in der Branche Beteiligten Schlussfolgerungen aus der BSE-Krise gezogen haben. Die große
Enttäuschung ist: Was die Informationspolitik und die
Tatsache anbelangt, dass wirtschaftliche Interessen nach
wie vor höher gestellt werden als der Verbraucherschutz,
sind keine Schlussfolgerungen gezogen worden.
({10})
Ich kann uns alle nur ermahnen, daraus die nötigen
Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie lauten:
Erstens. Wer Qualität will - das hat wieder keiner angesprochen -, muss auch einen entsprechenden Preis zahlen.
({11})
Die Motivation für das Anmieten der Halle in Malchin
war vermutlich, dass es sich dabei um das günstigste Angebot, was die Kosten anbelangt, handelte.
Zweitens. Wir müssen die Kontrollen verstärken. Aber
da besteht wiederum eine Illusion: Wir können nicht jedes
Lebensmittel auf 10 000 chemische Stoffe, die produziert
werden, prüfen. Wir müssen zu Regelungen kommen,
dass ein solcher Eintrag von Anfang an vermieden wird.
Drittens. Wir müssen dafür sorgen, dass sich das Bewusstsein ein Stück weit ändert. Das ist ein entscheidender Punkt. Falsche Haltungen haben wieder zu diesem
Skandal geführt.
Hier ist viel zu tun. Wir sollten uns gemeinsam anstrengen. Die Branche hat es nicht verdient, wegen der
schwarzen Schafe in der aktuellen Krise an den Pranger
gestellt zu werden. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten.
Vielen Dank.
({12})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 13. Juni 2002, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.