Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Danke schön, Herr
Bundesminister.
Ich bitte darum, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, der soeben aufgerufen worden ist. Die
erste Wortmeldung kommt vom Kollegen Manfred
Grund.
Herr Minister, bei dem
Sachstand zu den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“,
über den Sie gerade berichtet haben, geht es um Projekte,
die schon lange vor 1998, also vor Ihrem Antritt als Minister, begonnen und in Teilen fortgeführt, in Teilen aber
auch in eine Warteschleife überführt oder blockiert worden sind. Sie haben von dem VDE-Projekt Nr. 8, dem
Schienenprojekt Berlin-Erfurt-München, gesprochen,
dessen Bau unterbrochen worden ist, weil die Finanzierung nicht geklärt war und die Verkehrsprojekte unter einen allgemeinen Finanzierungsvorbehalt gestellt worden
sind.
Wie erklären Sie sich und uns, dass ausgerechnet eines
der wichtigsten Infrastrukturprojekte der neuen Bundesländer, nämlich der Bau dieser Hochgeschwindigkeitstrasse, mit dem Ergebnis unterbrochen worden ist, dass
wahrscheinlich frühestens im Jahr 2012 mit einer Fertigstellung zu rechnen ist und dass damit in den neuen Bundesländern mindestens vier Jahre sowohl hinsichtlich der
Fertigstellung als auch hinsichtlich der Bindung von Bauleistungen verloren sind?
Gleichzeitig wurde die neue ICE-Trasse von Frankfurt
nach Köln bei Verdopplung der Baukosten munter weitergebaut. Warum wurde dieser Schnitt ausgerechnet in
den neuen Bundesländern vorgenommen, der uns sehr zu
schaffen gemacht hat, während andernorts parallel zu einer vorhandenen Bahn- und Autobahntrasse eine ICETrasse bei erhöhten Baukosten entsteht?
Die Ausgangslage war Folgende: Mit
der Regierungsverantwortung haben wir auch 1,5 Billionen DM Bundesschulden übernommen. Deswegen gab
es zur Haushaltskonsolidierung keine Alternative. Das
führte dazu, dass mit Steuergeldern besonders sorgsam
umgegangen werden muss.
Auch müssen Sie sich bei den von Ihnen verglichenen
Projekten den jeweiligen Projektauftrag vor Augen
führen. Während wir bei dem VDE 8.1, 8.2 und 8.3 das
Teilstück 8.3 realisiert haben und damit einen hohen verkehrlichen Wert erzielen konnten, hat es in anderen Bereichen, in denen Tunnel und Brückenbauwerke die
großen Kostenfaktoren sind, keinen Sinn, den Bau zu unterbrechen. Deswegen gab es eine Entscheidung für das
Projekt 8.3, aber gegen die Fortführung der Projekte 8.1
und 8.2. Dies geschah vor dem Hintergrund der von der
alten Regierung hinterlassenen Verschuldung.
In Köln galten andere Vertragsverpflichtungen. Sie
wissen, dass es eine funktionale Ausschreibung und ein
geteiltes Risiko zwischen dem Bund und der DB AG gab,
was beim Schienenwegeausbau ein unübliches Verfahren
in Deutschland ist. Die Trasse nach Köln musste durchgebaut werden, weil es keinen Sinn hat, Teilstrecken zu
realisieren, die dann keine Fortführung gefunden hätten.
Das war eine völlig neue Streckenführung. Deswegen unterscheidet sich die in drei Teilabschnitten projektierte
Strecke von Berlin nach München deutlich von der
Strecke von Köln nach Frankfurt.
Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Grund.
Herr Minister, der Verweis auf die Bundesschuld, die Sie urplötzlich vorgefunden haben, wirkt etwas seltsam, wenn man berücksichtigt,
dass in den letzten zwei Jahren ungefähr 2 Milliarden DM,
die der Bahn zur Projektierung und zum Bau zur Verfügung gestanden haben, nicht abgerufen worden sind, weil
man nicht in der Lage gewesen ist, diese Mittel entsprechend einzusetzen.
Ich habe noch eine Nachfrage, die diesen Bereich
betrifft. Sie haben angegeben, die Verkehrsprojekte
„Deutsche Einheit“ hätten für die jetzige Bundesregierung nach wie vor eine hohe Priorität. Sie haben aber in
Ihrer Amtszeit keinen neuen Bundesverkehrswegeplan
vorgelegt. Sie haben nur die Erwartung geäußert, dass in
Form einer Abgrenzung abgeklärt werden soll, welche
Projekte im Rahmen eines neuen Bundesverkehrswegeplans realisiert werden könnten. Gibt es denn - auch um
bei den Straßenbauämtern und den Landesverwaltungen
Klarheit zu bekommen - einen Finanzrahmen, von dem
Sie ab dem Jahr 2002 ausgehen und innerhalb dessen sich
die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ und der Bundesverkehrswegeplan bewegen werden?
Sie haben sicherlich Verständnis dafür,
dass ich dem Haushaltsgesetzgeber nicht vorweggreifen
will. Aber bekanntlich hat die Bundesregierung in dem
„Zukunftsprogramm Mobilität“ mit 90 Milliarden Euro
eine Voraussetzung geschaffen, wie sie für die Bundesrepublik Deutschland einzigartig ist. Insofern gibt es in
der Tat einen finanziellen Rahmen.
Lassen Sie mich zum Bundesverkehrswegeplan eine
kurze Anmerkung machen. Die Länder haben mehr als
1 800 Projekte gemeldet. Das sind noch wesentlich mehr
als beim letzten Bundesverkehrswegeplan von 1992, der
aus Ihrer Regierungszeit stammt und der übrigens mit
100 Milliarden DM unterfinanziert war. Insofern findet
ein ordnungsgemäßer Ablauf statt. Wir prüfen alle Projekte und werden dann auch die jeweiligen Projektdaten
mit den Bundesländern im Einzelnen besprechen. Das ist
die Phase, die nun ansteht und die ich gemeinsam mit den
Verkehrsministern auf der letzten Verkehrsministerkonferenz beschlossen habe.
Lassen Sie mich noch etwas zur Schienenpolitik sagen.
Diese Bundesregierung hat die Schiene in einem sehr hohen Maße gefördert; denn wir haben die Situation vorgefunden, dass Sie die Schieneninvestitionsanteile von noch
annähernd 9 Milliarden DM im Jahr 1995 auf annähernd
6 Milliarden DM im Jahr 1998 abgesenkt haben. Das
führte dazu, dass die Bahn Planungskapazitäten abgebaut
hat, die wir erst wieder aufbauen müssen. Die Bundesregierung hat es der Bahn ermöglicht, diese Planungskapazitäten wiederherzustellen. Sie sehen also, dass wir
die Fehler der Vergangenheit vermeiden wollen und dass
wir der Bahn eine Perspektive bieten wollen, damit sie
eine kontinuierliche Planung durchführen kann. Deshalb
haben wir auch das „Zukunftsprogramm Mobilität“ aufgelegt.
({0})
Die nächste Frage
stellt der Kollege Hirche.
Herr Minister, zunächst einmal
möchte ich darauf hinweisen, dass der Verkehrsausschuss
durch eine gewisse Fügung der Organisation just in diesen Minuten eine Expertenanhörung zum Thema Luftverkehr durchführt, die offenbar wegen des Staatsaktes
heute Morgen verschoben worden ist. Das führt zu der
unglücklichen Situation, dass kein Verkehrspolitiker und
kein Mitglied des Verkehrsausschusses anwesend sind.
Ich bitte dafür um Verständnis.
Ich habe folgende Fragen. Herr Minister, wir haben für
die neuen Bundesländer ein besonderes Planungsrecht
geschaffen. Sind Sie mit der Anwendung dieses Planungsrechts zufrieden und bedarf es einer Verlängerung
oder einer Ausdehnung auf Gesamtdeutschland?
Des Weiteren möchte ich an die Frage des Kollegen
Grund anknüpfen. Ist denn nun sichergestellt, dass Mittel,
die die Bahn in einem Haushaltsjahr nicht verbauen kann,
dann der Straße zur Verfügung gestellt werden? Schließlich sind die Verkehrshindernisse im Bereich der Straße
ebenso groß wie im Bereich der Bahn.
Herr Hirche, Sie kennen das Haushaltsrecht und wissen, dass es sich um getrennte Titel im Einzelplan 12 handelt. Ich kann Ihnen aber versichern, dass
wir gerade für die Straße ungeheuer viel getan haben. Ein
Rekordhaushalt für die Bundesfernstraßen und ein Zukunftsinvestitionsprogramm, mit dem wir 125 Ortslagen
vom Schwerlastverkehr und anderem Straßenverkehr entlasten, sind sehr deutliche Zeichen dafür, dass diese Bundesregierung den Bedürfnissen der Bürger nach Mobilität, aber auch nach Schutz vor Lärm und Abgasen in den
Ortslagen in einem hohen Maße entspricht. Sie werden sicherlich zustimmen, dass diese Politik der Bundesregierung für die Bürger außerordentlich wichtig ist.
Ich möchte noch Ihre Worte des Bedauerns aufgreifen.
Wie Sie alle wissen, hat der Staatsakt die heutige Planung
durcheinander gebracht. Insofern freue ich mich, dass einige Mitglieder des Verkehrsausschusses anwesend sind.
Ich habe aber auch Verständnis für diejenigen Mitglieder
des Verkehrsausschusses, die in der Anhörung sind. So ist
dies leider. Wir beide haben ja am Staatsakt teilgenommen. Es war wichtig, dass wir uns vom ehemaligen Bundestagspräsidenten Stücklen gebührend verabschieden
konnten.
Nun zurück zu Ihrer Frage: Ich möchte ausdrücklich
deutlich machen, dass es uns darum geht, das bestehende
Planungsrecht zu nutzen. Gleichzeitig haben wir im
Bundesverkehrswegeplan neue Kriterien eingeführt,
mit denen die Frage der Raumordnungsbeziehungen
berücksichtigt werden soll. Damit wollen wir deutlich
machen, dass es uns nicht um abstrakte Planungen, sondern darum geht, mit direktem und effizienten Einsatz von
Mitteln die höchste Wirkung zu erzielen. Ich glaube, das
ist auch in Ihrem Sinne. Deshalb sage ich: Das bestehende
Planungsrecht, auch das geteilte, wird von uns für die
Realisierung von Projekten genutzt. Weiteren Handlungsbedarf sehe ich nicht.
Der Kollege Hirche
hat noch eine weitere Frage.
Herr Minister, ich möchte noch
eine Nachfrage zu konkreten Instandhaltungsproblemen
stellen, über die ich erst gestern auf einem Kolloquium der
Bauindustrie informiert worden bin.
Erstens. Welchen Fortschritt macht der Bau der Bahnstrecke Hamburg-Berlin? Befindet man sich im Planungssoll? Was ist insbesondere mit den vielen ebenengleichen Bahnübergängen, die sämtlich für die neuen
Geschwindigkeiten ausgelegt werden müssen?
Zweitens. Was ist mit dem Sonderproblem im Wasserbereich, dem Havelausbau? An einer Stelle der Havel, an
der eine Schleuse oder ein Übergang vorhanden ist, ist die
Sohle offenbar undicht, wodurch Wasser aus dem Kanal
in das Grundwasser sickert. Eigentlich müssten Sofortmaßnahmen zur Behebung dieses Problems eingeleitet
werden. Dafür stehen aber offenbar keine Gelder zur Verfügung.
Das waren mehrere Fragen. Ich möchte
mit der zweiten beginnen. Ich bitte Sie um Verständnis,
dass mir zurzeit keine Informationen zu dem Havelproblem vorliegen. Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Frage
schriftlich zu beantworten. Es scheint mir ein sehr komplexes technisches Problem zu sein. Ich werde dieses
Thema in meinem Hause gut aufbereiten lassen. Sie haben ja ein Interesse an soliden Informationen.
Zu Ihrer ersten Frage: Das Ausbauvorhaben VDE Nr. 2
- das ist die rund 270 Kilometer lange Strecke Hamburg-Berlin - ist ja gemäß der mit diesem Projekt ursprünglich verfolgten Absicht realisiert. Uns geht es darum - das müssen Sie unterscheiden -, in einer zweiten
Phase das zu realisieren, was quasi als Auftrag aus der
Entscheidung entstanden ist, die Transrapidstrecke zwischen Hamburg und Berlin nicht zu bauen. Damals wurde
entschieden, dass 1 Milliarde DM aus dem Transrapidplafond zur weiteren Ertüchtigung der Strecke Hamburg-Berlin eingesetzt wird. Ich halte dies für eine gute
und solide Entscheidung.
Allerdings gab es hierbei ein Problem: Diese 1 Milliarde konnte damals nicht für den Ausbau der Infrastruktur mobilisiert werden, weil sich die Kommunen nach
dem bundesweit geltenden Recht zu einem Drittel an der
Finanzierung der Kreuzungsbauwerke beteiligen müssen.
Das hätte die an der Strecke liegenden Kommunen aber
überfordert. Deswegen hat die Bundesregierung nach
vielen Gesprächen und nach einem Abwägungsprozess
entschieden, zwar nicht auf Rechtsansprüche nach dem
Eisenbahnkreuzungsgesetz zu verzichten, aber die Vorfinanzierung zu übernehmen, damit nicht vielleicht aufgrund der Haushaltslage einzelner Gemeinden eine wichtige Infrastrukturaufwendung in Höhe von 511 Millionen
Euro - das ist der heutige Wert - blockiert wird. Dies ist
uns gelungen. Ich glaube, dies ist im Interesse aller.
Ich betone ausdrücklich: Die Bundesregierung hat
keine Rechtsansprüche aufgegeben. Wir wollten auch keinen Präzedenzfall schaffen. Die jetzige Regelung hat vielmehr mit dem spezifischen Problem zu tun, für das wir
eine sinnvolle Lösung angeboten haben; denn sonst wäre
es nicht möglich, in einer zweiten Ausbaustufe die Strecke
Hamburg-Berlin für Höchstgeschwindigkeiten zwischen
200 und 230 Kilometern pro Stunde so zu ertüchtigen,
dass die Fahrzeit auf dieser Strecke - ohne Stopp - auf anderthalb Stunden verkürzt werden kann. Insofern haben
wir einen klugen Weg gewählt, der mit Sicherheit auch
Ihre Zustimmung finden wird.
Der nächste Fragesteller ist der Kollege Dehnel.
Herr Bundesminister, ich stimme mit Ihnen überein, dass die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ - so haben Sie es formuliert rückblickend betrachtet eine große Erfolgsgeschichte
sind. Sie haben das aber nur der derzeitigen Bundesregierung geschuldet.
Nein, das würde ich nicht sagen.
Sie stimmen mir also
wahrscheinlich zu, wenn ich sage, dass es eine große Leistung der ehemaligen Regierung unter Helmut Kohl war,
die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ in Planung und
Umsetzung erheblich vorangebracht zu haben. So viel
zum Rückblick.
Gestatten Sie mir aber auch einen Blick nach vorn:
Wenn die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“, wie Sie
sagen, in der nächsten Legislaturperiode abgeschlossen
sein sollen, ist es dann nicht sinnvoll, schon jetzt Planungen für Verkehrsprojekte der europäischen Einheit voranzubringen? In meiner Heimat, der erzgebirgischen Region, gibt es heute auf den 120 Kilometern zwischen Bad
Brambach und Altenberg/Geising keinen einzigen Grenzübergang für Schwerlasttransporte auf der Bahn. Ich frage
dies vor dem Hintergrund, dass Europa in kurzer Zeit zusammenwachsen wird und wir in der Europäischen Union
Verkehrsprojekte brauchen, die heute schon geplant und
in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden müssen.
Wie sehen die diesbezüglichen Planungen in Ihrem Hause
aus?
Herr Dehnel, ich freue mich über Ihre
vielen Fragen sowie darüber, dass sich das Haus langsam
füllt. Dies zeigt, dass Verkehrspolitik nicht nur die Bürger,
sondern auch das Parlament bewegt.
In der Beantwortung Ihrer Frage muss ich etwas weiter ausholen. Natürlich habe ich jetzt nicht jedes die neuen
Bundesländer betreffende Projekt präsent. Sie wissen,
dass die Länder eine Reihe von zusätzlichen Projekten angemeldet haben, die sich in dem Verfahren zur Erstellung
des Bundesverkehrswegeplans befinden. Das heißt, diejenigen Projekte, für die bis zum 31. Dezember 1999 kein
Baurecht erlangt wurde, werden in ein Verfahren zur
Bewertung der jeweiligen verkehrlichen Wirkung einbezogen.
Das gilt natürlich auch für den grenzüberschreitenden
Bereich. Das von uns eingeführte Kriterium, Raumwirksamkeitsbezüge zu schaffen, spricht eher für als gegen
solche Projekte. Andererseits gibt es im Hinblick auf
größere Projekte aber auch eine Reihe von Vorfestlegungen. Sie wissen, dass der Bundeskanzler in Magdeburg
sehr deutlich gemacht hat, dass es eine Fortführung der
A 14 in Richtung Norden geben muss, dass die A 72 für
den sächsischen Raum von großer Bedeutung ist und dass
nicht zuletzt die Aufhebung des Baustopps für die Projekte 8.1 und 8.2 zusätzlichen Schub bringt. Daran können Sie erkennen, dass die neuen Bundesländer bei dieser
Bundesregierung sehr gut aufgehoben sind. Das gilt auch
für alle anderen Bewertungsverfahren.
Eine Nachfrage, Herr
Kollege Dehnel, bitte.
Herr Bundesminister, Sie haben die neuen Bundesländer gewürdigt. Auch
ich freue mich darüber, dass die A 72 und die A 14 kommen werden. Aber leider ist von Ihnen die Weiterführung bis nach Tschechien überhaupt nicht erwähnt
worden. Deshalb frage ich, welche Planungen es in Ihrem
Hause zur Weiterführung von Straßen aus Bayern, Sachsen und Brandenburg in Länder wie Tschechien und Polen gibt, die der Europäischen Union beitreten werden.
Sie wissen, dass diese Projekte angemeldet sind und sich jetzt in der Bewertung befinden. Ich
möchte dem Verfahren nicht vorgreifen, kann Ihnen aber
sagen, dass ich mit meinen Amtskollegen aus Polen und
Tschechien, aber auch aus anderen Beitrittsländern ständig im Gespräch bin. Nicht zuletzt finanziert die EU in
diesen Ländern Verkehrsinfrastrukturprojekte in einem
hohem Maße. Wir denken also gesamteuropäisch; transeuropäische Netze und grenzüberschreitende Routenlinien sowohl für die Schiene als auch für die Straße sind
ebenfalls Gegenstand unserer Betrachtung.
Im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans gibt es das
von mir eben beschriebene Verfahren. Wir werden zum
Beispiel mit dem Land Sachsen auch in eine Diskussion
darüber eintreten, ob die in den Gutachten enthaltenen
Daten vom Land geteilt werden oder ob das Land bestimmte Projekte für wichtiger als andere hält. Das alles
sind wichtige Prozesse. Ich bin immer daran interessiert,
dass wir diese Prozesse ordnungsgemäß durchführen, versichere Ihnen aber, dass wir europäisch denken.
Es sind bei mir jetzt
noch vier Fragen angemeldet. Im Interesse aller bitte ich
diese vier Kollegen um kurze Fragen und bitte auch, wenn
es geht, um kurze Antworten. - Herr Kollege Otto, bitte.
Herr Minister, ich
komme noch einmal auf den Baustopp des Projektes
Nürnberg-Erfurt zurück. Sie haben einen dreijährigen
Baustopp zu verantworten; das haben Sie hier auch bestätigt. Sie haben ihn mit fehlenden Finanzierungsgrundlagen begründet. Herr Grund hat eben erläutert, dass die
Bahn überhaupt nicht in der Lage war, Mittel auszugeben.
Des Weiteren haben Sie den Versuch gemacht, den Baustopp damit zu begründen, dass die Baureife nicht gegeben gewesen sei. Das ist auch nicht richtig. Das Projekt 8.1 war fast in seiner Gänze planfestgestellt und
baureif. Daran kann es auch nicht gelegen haben.
Sie haben in Ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben,
alles komme noch einmal auf den Prüfstand. Im Rahmen
der Überprüfung sollte dieses Projekt unter technischem
Aspekt zerredet werden.
({0})
Meine erste Frage: Was hat die Überprüfung nun ergeben? Geschah dies auf Druck der Grünen, die Ihnen aufgetragen haben, dieses Projekt nicht zu realisieren? Haben
sich tatsächlich technische Änderungen ergeben? Sie erinnern sich an die vielen Varianten, die erarbeitet worden
sind, beispielsweise mit einem provisorischen Anschluss
bei Ilmenau usw. Welche technischen Ergänzungen haben
sich wirklich durch die Überprüfung ergeben? Haben sie
das Projekt preiswerter gemacht oder vereinfacht?
Meine zweite Frage: Welche Vorstellungen bestehen
zur Fertigstellung dieses Projektes? Wenn wir Milliarden
verbauen, dann will die Wirtschaft und dann wollen wir
wissen, wann diese Milliarden aktiviert werden. Hier
kann nicht auf irgendeinen Zeitpunkt verwiesen werden.
In der Antwort Ihres Hauses vom 27. März auf meine
Anfrage wird hierzu weiterhin eine unklare Aussage getroffen. Es wird auf Abstimmungen mit der Bahn, auf
Finanzierungsverhandlungen usw. hingewiesen. Gibt es
jetzt eine klare Aussage über die komplette Fertigstellung
des Projektes Nr. 8.1? Wann ist diese Strecke zwischen
Nürnberg, Erfurt, Halle, Leipzig und Berlin als Schnellverkehrsstrecke funktionsfähig?
Herr Otto, die Frau Präsidentin hatte
eben um kurze Antworten gebeten.
Zu Ihrer ersten Frage: Sie haben uns damals einen Haufen Schulden hinterlassen: Bundesschulden von 1,5 Billionen DM und 80 Milliarden DM jährliche Zinsleistung.
Unter diesem Gesichtspunkt sollte alles auf den Prüfstand. Als wir mit dem Schwerpunkt, Infrastrukturinvestitionen in Zukunft in einem höheren Maße als zu Ihrer
Zeit zu gewährleisten, massiv in die Haushaltskonsolidierung eintraten, war es eine zwingende Folge, den Baustopp aufzuheben. Das haben wir getan. Ich glaube, dass
das richtig war. Alles andere, was Sie in diese Entscheidung hineingeheimnissen, ist nicht zutreffend.
Die VDE Nr. 8.1 und 8.2 boten sich an, weil das Projekt 8.3 abgeschlossen war. Bevor man in milliardenschwere Maßnahmen einsteigt - Sie wissen, 3,7 Milliarden Euro allein für das Projekt 8.1 -, muss das Geld
vorhanden sein. Alles andere würde viel zu teuer. Deswegen war es eine kluge und richtige Entscheidung der Bundesregierung, das Projekt zu prüfen und den Bau voranzutreiben, nachdem wir die Finanzlinie gesichert hatten.
Dazu gehört - dies zu Ihrer zweiten Frage -, dass wir
jetzt, nachdem der Baustopp vor kurzem aufgehoben worden ist, mit der Bahn in Finanzierungsvereinbarungs- und
Bauzeitverhandlungen eintreten müssen, was für jedes
Projekt normal ist. Auch in dieser Hinsicht brauchen Sie
jetzt nicht zu versuchen, eine kleine Wahlkampflinie aufzubauen. Das lohnt sich nicht; das kann ich Ihnen versichern. Wir haben die besseren Antworten, Herr Otto.
Jetzt ist Herr Kollege
Fischer mit seiner Frage an der Reihe.
Frau Präsidentin, nach der Bemerkung des Kollegen Hirche bezüglich
der Anwesenheit der Verkehrspolitiker weise ich darauf
hin, dass trotz laufender Ausschusssitzung fünf Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion aus dem Verkehrsausschuss
anwesend sind, weil meine Fraktion den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“ immer eine überragende Bedeutung zugemessen hat.
({0})
Was hat Sie bewogen, Herr Bundesminister, das Parlament unrichtig dahin gehend zu informieren,
({1})
Sie hätten erstmalig die raumordnerische Wirkung in die
Reihe der Kriterien für die Aufstellung des Bundesverkehrswegeplanes aufgenommen, wohingegen nach meinen Informationen dieses Kriterium seit eh und je galt?
Der allererste Plan ist von Herrn Lauritzen im Jahr 1976
erstellt worden.
Ein guter Mann! Ich hatte allerdings gedacht, dass Sie gekommen seien, weil ich Ihnen hier etwas mitteilen kann.
Ich glaube, wir sind alle - das gilt für das gesamte Haus
und für alle Parteien - der Meinung, dass wir die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern fördern müssen, weil dies etwas mit der Prosperität der neuen Bundesländer zu tun hat.
({0})
Ich füge an: Das ist auch gut so; denn eine gemeinsam vertretene starke Linie hilft bei der Herstellung gleicher Lebensbedingungen in Deutschland.
Der zweite Punkt. Sie wissen - ich habe Ihnen im Verkehrsausschuss auch mehr als einmal dargestellt, wie die
Kriterien des Bundesverkehrswegeplans sind -, dass wir
die Raumwirksamkeitsbezüge qualifiziert, eigenständig
ausgestaltet und verstärkt haben. Dieses Novum sollte
von Ihnen nun zumindest akzeptiert werden. Nicht zuletzt
sage ich natürlich auch, dass Lauritz Lauritzen eine gute
Arbeit gemacht hat; er kam aus einer vernünftigen Partei.
Frau Kollegin Blank,
Ihre Frage.
({0})
- Ich kann jetzt keine Nachfrage zulassen, damit die anderen auch noch zum Zuge kommen. Das halte ich für
kollegialer.
({1})
Frau Kollegin Blank, bitte.
Herr Minister, bis jetzt
waren Ihre Mitteilungen weniger inhaltsreich; sie hatten
mehr Unterhaltungswert.
({0})
Ich komme jetzt noch einmal auf das Projekt 8.1 zurück.
Kann es nicht so gewesen sein, dass Sie, nachdem RotGrün das Projekt Nürnberg - Erfurt gestoppt hat, plötzlich
gemerkt haben, dass Mittel, die für die Planung transeuropäischer Netze ausgegeben worden waren, an die Europäische Union hätten zurückgezahlt werden müssen, dass
Sie daraufhin in Ihrem Investitonsprogramm einen kleinen Betrag ausgewiesen haben und eine Absichtserklärung abgegeben haben, diese Strecke doch zu bauen?
Die zweite Frage. Was ist eigentlich an Ihrem Sachstandsbericht Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ außer der Beschäftigung von Mitarbeitern - neu? Im
Grunde genommen sind die VDEs beschlossene Sache
aus den Jahren 1992 und 1993 und ist es eigentlich die
Aufgabe jeder Regierung, die Projekte fortzuführen.
Eine weitere Frage zum Bundesverkehrswegeplan. Sie
haben seinerzeit ausgeführt - ich erinnere mich an das
Jahr 1998 -, dass Sie im Jahr 1999 oder 2000 ganz schnell
einen neuen Bundesverkehrswegeplan vorlegen wollten.
Warum ist das bis jetzt noch nicht geschehen? Kann ich
davon ausgehen, dass die rot-grün oder rot regierten Bundesländer so viele Anmeldungen getätigt haben, dass Sie
in Schwierigkeiten kommen, die entsprechenden Beträge
in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen?
({1})
Sie haben von 90 Milliarden Euro Investitionen gesprochen. Ich würde sagen: Das ist normale Abwicklung in
den nächsten zehn Jahren. Das ist nichts Neues.
({2})
Ich meine, dass Sie den Bundesverkehrswegeplan deswegen nicht vorlegen, weil Sie sonst Schwierigkeiten mit
den rot-grün regierten Bundesländern bekommen und
weil Sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, dass
der Bundesverkehrswegeplan unterfinanziert ist. Ich sage
Ihnen übrigens noch einmal: Es ist kein Finanzplan, sondern ein Bedarfsplan.
Frau Blank, da hilft alles nichts. Die
VDE 8.1 und 8.2 wurden von uns aus materiellen Gründen auf den Prüfstand gestellt. Wenn Sie einen solchen
wirklich riesigen, für die Menschen unfassbaren Betrag
von 1 500 Milliarden Bundesschulden hinterlassen, dann
muss jede nachfolgende Regierung Projekte, die 3,7 Milliarden Euro und mehr kosten, auf den Prüfstand stellen.
Das ist so. Das muss man tun. Wir haben das getan.
({0})
Wir haben alles mobilisiert, haben Haushaltskonsolidierung betrieben und trotzdem die Investitionen hochgefahren, während die alte Regierung sie - da muss ich
Ihrem Kurzzeitgedächtnis ein bisschen auf die Sprünge
helfen - zuvor zurückgefahren hatte. Vor dem Hintergrund ist es die richtige Entscheidung gewesen, die Projekte 8.1 und 8.2 jetzt zur Realisierung zu bringen. Sie waren dazu - auch das muss ich sagen - nicht in der Lage.
({1})
Ich will Ihnen noch etwas sagen, weil ich glaube, dass
Sie bisher noch nicht begriffen haben, was 90 Milliarden Euro investive Mittel bis zum Ende dieses Jahrzehnts bedeuten. Sie bedeuten eine hohe Arbeitsmarktwirkung. Sie bedeuten, dass die Länder kalkulieren
können, und das ist die Voraussetzung dafür, dass man
über den Neubau von Straßen und Schienen, aber auch
Wasserstraßen diskutieren kann.
Zum Bundesverkehrswegeplan. Ich vermute, dass Sie
so spät gekommen sind, dass Sie meinen Ausführungen
nicht folgen konnten. Deshalb will ich sie kurz wiederholen. Es gab 1 800 Anmeldungen aus den Bundesländern,
und zwar aus allen Bundesländern, unabhängig von der
Couleur. Diese Anmeldungen müssen in einem geordneten Verfahren geprüft werden. Daran arbeiten wir sehr zügig. Mir geht es darum, dies so transparent wie möglich
zu machen. Deswegen wird es in den nächsten Wochen
die bilateralen Gespräche mit den Ländern geben. Sie
werden die Rohdaten dann überprüfen. Ich glaube, dass
das richtig ist.
Die Situation wäre etwas einfacher gewesen, wenn es
statt 1 800 nur 1 000 Anmeldungen gegeben hätte. Dadurch hätten wir zumindest ein gehöriges Maß an Zeit
einsparen können. Es ist aber so, dass ich keinem Land
vorschreiben kann, welche Projekte es anmeldet. Deswegen muss jedes Projekt auf den Prüfstand. Dem kommen
wir nach. Ein geordnetes Verfahren ist für Deutschland
besser als einseitige Entscheidungen, die vielleicht nur
eine fokussierte Betrachtung zur Folge hätten.
({2})
Aufgrund des Zeitrahmens kann ich jetzt nur noch eine kurze Frage des Kollegen Letzgus zulassen.
Herr Bundesminister,
Sie sprachen vorhin davon, dass die A 14 in kürzester Zeit
vollendet worden ist: Wir haben mit den Baumaßnahmen
damals sehr zügig angefangen und Sie haben sie sehr zügig zu Ende gebracht; darüber können wir uns beide
freuen. Am meisten freuen sich natürlich die Autofahrer,
die diese Autobahn jetzt benutzen. Sie fahren zügig von
Halle nach Magdeburg. Nun möchten sie natürlich gerne
wissen, wie sie in Zukunft in Richtung Norden weiterfahren können. Daher meine Frage: Können Sie etwas über
den zukünftigen Streckenverlauf sagen?
Der Hintergrund meiner Frage ist folgender: Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Herr Weis,
hat sich - das stand in der Presse - auf eine Verbindung
Magdeburg-Schwerin und eine G-Variante, also eine
autobahnähnliche Straße, durch den Norden der Altmark
festgelegt. Können Sie dazu etwas sagen?
Ich möchte erst einmal unterstreichen,
dass diese Bundesregierung es für sinnvoll erachtet, die
A 14 in Richtung Norden fortzusetzen. Das hat der Bundeskanzler auch in Magdeburg im Sinne der Menschen in
den neuen Bundesländern sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Zum anderen ist es so, dass vier Bundesländer betroffen sind. Es handelt sich nämlich um einen Großraum,
der zwischen Lüneburg, Schwerin und dem Magdeburger
Bereich quasi ein Viereck bildet.
Wir führen auf der Fachebene zurzeit Gespräche über
die Fortführung der A 14. Es macht mehr Sinn, dieses Projekt gemeinsam mit den Ländern durchzuführen, anstatt
jetzt eine einseitige Erklärung abzugeben. Es ist aber gut,
wenn sich die politischen Parteien - auch die Partei, der
ich angehöre - positionieren. Das ist in einem sensiblen
Jahr wie diesem sehr wichtig. Die Bundesregierung ist mit
den Ländern im Gespräch. Wir alle sind der Auffassung,
dass die A 14 fortgeführt werden muss. Damit ist aus unserer Sicht eine Grundsatzentscheidung getroffen.
({0})
Angesichts der Tatsache, dass relativ wenige Fragen für die Fragestunde vorliegen, gestatte ich dem Kollegen Fischer, doch noch
seine angemeldete zweite Frage zu stellen.
({0})
Ich möchte im
Anschluss an die Bemerkung des Bundesministers zum
Planungsvolumen für die Schiene folgende Frage stellen:
Haben Sie es aufgrund Ihrer Ausführungen über den
Planungsvorlauf der Bahn für vertretbar gehalten, bei der
Aufstellung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2001 im
Sommer 2000 einem Etat mit einem Volumen für Investitionszuschüsse im Bereich Schiene von nur noch
6,75 Milliarden DM - das ist ein absolutes Rekordminus zuzustimmen? Zu diesem Zeitpunkt war die UMTS-Versteigerung noch gar nicht abgeschlossen. Das beschlossene Volumen wurde durch den besonders günstigen
Verlauf der Versteigerung der UMTS-Lizenzen überraschenderweise für drei Jahre um jeweils 2 Milliarden aufgestockt. Sie haben aber 6,75 Milliarden DM als Normalausstattung für ausreichend gehalten; denn so haben Sie
damals als Kabinettsmitglied entschieden.
Was halten Sie von der Informationspolitik zu dem
Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 2 HamburgBüchen-Berlin? Bahnchef Mehdorn hat in einem
„Stern“-Interview vom 3. Februar 2000 der Bevölkerung
versprochen, dass es in anderthalb Jahren, also Mitte
2001, auf einer für 350 Millionen DM ertüchtigten
Strecke möglich sei, in 90 Minuten von Hamburg nach
Berlin zu fahren.
Herr Kollege Fischer,
jetzt muss ich eingreifen. Sie haben zugesichert, nur eine
Frage zu stellen. Das war die Abmachung, da Sie schon
eine Frage gestellt haben.
Die beiden
Fragen hängen zusammen, weil es um Geld geht. - Auf
dem Bahnhof Friedrichstraße stehen Informationstafeln
der DB AG, auf denen zu lesen ist: Wenn die Hindernisse
beseitigt sind, fahren wir bald mit Tempo 230 in 90 Minuten nach Hamburg. - Sie aber informieren uns heute,
dass dieses frühestens ab 2005 der Fall sein wird. Sind Sie
der Meinung, dass wir der Bevölkerung eine Informationspolitik in dieser widersprüchlichen oder unseriösen
Art und Weise zumuten können?
Herr Fischer, ich glaube, Sie haben die
Ringfragetechnik gut entwickelt: Eine Frage schließt sich
an die andere an. Ich will auf zwei konkrete Fragen eingehen.
Sie haben die Mittel von knapp 9 Milliarden DM im
Jahr 1995 auf knapp 6 Milliarden DM im Jahr 1998 gesenkt. Wir haben 1999 Kassensturz gemacht und dann
Konsolidierung betrieben. Wir konnten die globale Minderausgabe für dieses Ministerium zu großen Teilen abwenden und haben aufgebaut. Daraus wird sehr deutlich,
dass wir auch der Schiene genau das richtige Maß an Anerkennung geben, indem wir auf die ursprünglichen Steigerungsraten zurückgehen, die damals schon außergewöhnlich waren. Das sollten Sie anerkennen. Sie sollten
uns eigentlich loben für das, was wir getan haben, statt
hier herumzumäkeln. Aber ich will darauf nicht eingehen,
Herr Fischer, weil wir uns aus dem Ausschuss lange genug kennen und wissen, dass dies wahrscheinlich zum Ritual gehört.
Wichtiger ist, Herr Fischer, dass es uns gelungen ist, etwas voranzubringen. Wir haben für die Schiene Geld organisiert, wir haben der Schiene neue Planungskapazitäten organisiert und wir wollen, dass die Schiene einen Teil
des Verkehrs aufnimmt. Wir wollen die Schiene stärken.
Wenn das unser gemeinsames Ziel ist, freue ich mich darüber ganz besonders.
Zur Strecke Hamburg-Berlin: Dieses VDE wird in
dem vorgesehenen Rahmen abgewickelt. Wir haben nach
der Vereinbarung im Jahr 2000 gesagt, dass wir eine
Beschleunigung ermöglichen und eine ICE-Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen den Städten Hamburg und Berlin realisieren wollen. Dadurch wird diese
Strecke attraktiv und vielleicht auch eine interessante Alternative zum innerdeutschen Flugverkehr.
Dabei ergab sich eine Schwierigkeit, die ich eben in der
Beantwortung einer anderen Frage sehr ausführlich beschrieben habe. Wenn diese hohen Geschwindigkeiten erreicht werden sollen, ist es notwendig, Kreuzungsbauwerke auf dieser Strecke neu herzurichten. Das ist daran
gescheitert, dass Kommunen nicht in der Lage waren, ein
Drittel der notwendigen Investitionen zu tätigen.
Wir haben hier einen sehr guten und intelligenten Weg
beschritten. Die Bürger können erkennen, dass diese Bundesregierung schnelle Bahnverbindungen will, dass sich
die Bahn im Sanierungsprozess befindet und attraktiver
wird. Wenn wir das von unserer Seite mit einer attraktiven
Infrastruktur verbinden, ist das genau der richtige Weg in
die Zukunft hin zu einer Mobilität, bei der die Menschen
entscheiden können. Ich glaube, das ist immer noch das
Beste.
({0})
Die Regierungsbefra-
gung ist beendet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/9003 -
Die Fragen 1 und 2 zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Justiz1), die Frage 3 zum Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums der Finanzen und die
Fragen 4 und 5 zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Wirtschaft und Technologie werden sämtlich
schriftlich beantwortet, sodass ich jetzt bereits den
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und
Sozialordnung aufrufe. Zur Beantwortung steht Herr Par-
lamentarischer Staatssekretär Gerd Andres zur Verfü-
gung.
Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Dr. Klaus
Grehn:
Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass Ver-
mittlungsgutscheine für private Arbeitsvermittlung von den
1) Antworten lagen bei Redaktionsschluss nicht vor, sie werden zu
einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.
Arbeitsämtern nicht an Langzeitarbeitslose ausgegeben werden,
die nicht mehr im Bezug von Leistungen des Arbeitsamtes stehen?
Herr Abgeordneter
Grehn, wenn Sie gestatten, würde ich gern die Fragen 6
und 7 gemeinsam beantworten, weil sie in einem Zusammenhang stehen.
Bitte.
Dann rufe ich jetzt
auch noch die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Klaus Grehn
auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die gesetzlichen Regelungen für private Arbeitsvermittlung so zu verändern, dass diese besonderen Problemfälle finanziell angemessen berücksichtigt werden?
Die Antwort auf die
Frage 6: Mit dem Vermittlungsgutschein wurde eine neue
Leistung in das Recht der Arbeitsförderung eingeführt.
Sie ermöglicht es Arbeitslosen, zulasten der Bundesanstalt für Arbeit private Vermittler in Anspruch zu nehmen.
Einstweilen kann nicht eingeschätzt werden, in welchem
Umfang dieses Instrument in Anspruch genommen
wird und wie viele Mittel dadurch gebunden werden.
Damit keine über die verfügbaren Haushaltsmittel hinausgehenden Mehrausgaben entstehen, muss deshalb die
Gewährung des Vermittlungsgutscheins auf Leistungsempfänger beschränkt werden. Den Ausgaben für den
Vermittlungsgutschein stehen damit Einsparungen bei
den Leistungen für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gegenüber.
Die Frage 7 beantworte ich wie folgt: Bei den Vermittlungsgutscheinen handelt es sich um ein befristet eingeführtes arbeitsmarktpolitisches Instrument. Erst nach Vorlage breiterer Erkenntnisse und Erfahrungen mit dem
Instrument wird über Änderungen zu entscheiden sein.
Arbeitslose, die keine Leistungen beziehen, sind jedoch
nicht von vermittlerischer Unterstützung durch private
Vermittler oder andere Einrichtungen außerhalb der Arbeitsämter ausgeschlossen.
Nach § 37 a SGB III kann das Arbeitsamt Dritte mit der
Vermittlung Arbeitsuchender beauftragen. Hierbei gibt
es keine Beschränkung auf Leistungsbezieher. Die Arbeitsämter setzen dieses Instrument insbesondere zur Vermittlung von Arbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen
ein; dazu gehören in der Regel Langzeitarbeitslose. Die
Arbeitsämter sind in diesen Fällen verpflichtet, zu prüfen,
ob ihre Vermittlung durch die Beauftragung Dritter erleichtert werden kann. Ein Arbeitsloser hat andererseits
das Recht, die Beauftragung eines Dritten mit der Vermittlung zu verlangen, wenn er oder sie sechs Monate
oder länger arbeitslos ist.
Herr Kollege Grehn,
zu einer ersten Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können
Sie sagen, wie groß die Gesamtzahl derjenigen ist, die von
der Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen ausgeschlossen sind?
Nein, die Frage kann ich
nicht beantworten. Die Zahl kann ich Ihnen aber gerne
nachliefern.
Zu einer weiteren
Nachfrage, bitte, Herr Grehn.
Herr Staatssekretär, können
Sie vielleicht erläutern, welche Auswirkungen diese Form
der Sonderbehandlung der überwiegend Schwervermittelbaren - Nichtleistungsempfänger sind in aller Regel
Langzeitarbeitslose - auf die Chancen der am schwersten
Vermittelbaren hat, die von dieser Möglichkeit ausgegrenzt sind?
Herr Abgeordneter
Grehn, ich möchte das noch einmal wiederholen: Es gibt
die Einschaltung Dritter oder Privater nach dem SGB III
in drei verschiedenen Formen. Einmal kann das Arbeitsamt von vornherein Dritte beauftragen. Das Arbeitsamt ist
dabei in keiner Art und Weise gehindert und kann die
vollen Kosten übernehmen, wenn es das für notwendig
hält. Die Kosten können auch über den Sätzen liegen, die
wir für die Vermittlungsgutscheine veranschlagt haben.
Die zweite Form der Einbeziehung Dritter besteht
darin, dass nach dem Job-AQTIV-Gesetz jeder Arbeitslose nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit das Recht auf
Einschaltung eines Dritten hat.
Die dritte Möglichkeit, die wir jetzt geschaffen haben,
sind die Vermittlungsgutscheine, die nach der Dauer der
Arbeitslosigkeit gestaffelt sind: In den ersten drei Monaten gibt es keinen Gutschein, nach drei Monaten - das
kennen Sie - gibt es einen Gutschein mit einer entsprechenden zeitlichen Staffelung, der drei Monate gültig ist.
Die Frage, die Sie gestellt haben, bezieht sich auf Personen, die Langzeitsarbeitlose sind und keine Leistungen
beziehen. Diese zahlenmäßig abzugrenzen bin ich jetzt
nicht in der Lage. Deswegen musste ich Ihre erste Frage
so beantworten, wie ich es getan habe. Ich liefere das
gerne nach. Häufig haben jedoch Langzeitarbeitslose beispielsweise einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe und
sind damit Leistungsbezieher. Wie groß die Gruppe ist,
die bei der Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen nicht
berücksichtigt wird, kann ich Ihnen nicht sagen.
Herr Kollege Grehn,
Sie haben noch zwei weitere Möglichkeiten zur Nachfrage.
Herr Staatssekretär, zunächst
danke ich Ihnen für die nochmalige Aufklärung. Repetitio
Vizepräsidentin Petra Bläss
est mater studiorum. Ich nehme das gerne an, aber Sie haben mir Bekanntes genannt. Ich dachte, ich erfahre Neuigkeiten.
Meine nächste Frage ist: Sie haben in Ihrer Antwort
gesagt, Sie wüssten nicht genau, wie die Vermittlungsgutscheine genutzt werden. Nun gibt es Zahlen, die sich
um die 25 000 belaufen. Es gibt Einschätzungen, dass sie
eher weniger genutzt werden. Darauf bezieht sich meine
Frage: Wenn die Vermittlungsgutscheine eher weniger
genutzt werden und wenn die bisher zugelassenen privaten Arbeitsvermittler, die sich nun auf der Grundlage der
neuen Bestimmungen hinsichtlich der Vermittlungsgutscheine zur Zulassung angemeldet haben, über zu wenig
Arbeit klagen, sehen Sie dann nicht die Möglichkeit, die
Effektivität dieser Maßnahme zu erhöhen, indem Sie die
betreffende Gruppe in die Vergabe von Gutscheinen mit
einbeziehen?
In meiner Beantwortung der Frage 6 habe ich gesagt, dass es bei der
Schaffung dieses Instrumentes nicht möglich war, einzuschätzen, in welchem Umfang es genutzt wird. Sie haben
Recht - wir haben jetzt mit den Vermittlungsgutscheinen
einen Monat Erfahrung -: Auch nach meinem Informationsstand sind ungefähr 25 000 ausgegeben worden.
Nach meinem Informationsstand sind gegenwärtig
41 eingelöst worden. Einlösen kann man sie erst, wenn es
zu einem Vermittlungserfolg gekommen ist. Ich muss
aber schlicht um Verständnis bitten: Ein Monat ist viel zu
kurz, um einschätzen zu können, wie sich dieses Instrumentarium auswirkt. Dazu brauchen wir ein bisschen
mehr Zeit. Sie waren ja heute Morgen im Ausschuss anwesend, als der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit dies
erläutert hat.
Wir haben das genau im Auge. Uns ging es darum - ich
will das noch einmal ausdrücklich sagen -, mit dem JobAQTIV-Gesetz die Einbeziehung Dritter in die Vermittlungstätigkeit deutlich auszuweiten. Mit den Vermittlungsgutscheinen haben wir ein weiteres Instrument
geschaffen, das wir anwenden wollen. Aber gesetzliche
Änderungen etwa in Bezug auf die Einbeziehung anderer
Gruppen können wir erst vornehmen, wenn wir damit Erfahrung gesammelt haben.
Eine Frage bleibt
noch. Bitte.
Herr Staatssekretär, es steht
mir nicht zu, hier einen Kommentar dazu abzugeben, weil
Fragestunde ist. Aber es ist schon interessant, dass Sie auf
der einen Seite zwei Möglichkeiten für eine bestimmte
Gruppierung schaffen und sie auch finanzieren, aber nicht
eine dritte Möglichkeit einführen wollen.
Meine Frage ist eine andere: Hat Ihr Ministerium in der
kurzen Zeit, in den fast sechs Wochen, die das Gesetz nun
gilt, schon Briefe von Betroffenen erhalten, die schildern,
wie sie die Situation einschätzen, und wie würden Sie auf
solche Briefe reagieren? Ich sage das, weil uns diesbezüglich sehr viele Briefe mit entsprechenden Anforderungen erreichen.
Ich kann die Frage, ob
das Ministerium angeschrieben worden ist, gegenwärtig
nicht beantworten. Ich kann nur mit Blick auf meinen eigenen Posteingang sagen, dass mich solche Briefe nicht
erreicht haben. Ich möchte nicht ausschließen, dass andere Stellen des Arbeitsministeriums dazu angeschrieben
worden sind. Wenn Sie solche Briefe haben, können Sie
sie uns gerne zur Verfügung stellen. Ich biete das ausdrücklich an.
Ich will aber noch einmal sagen - das ist auch heute
Morgen im Ausschuss dargestellt worden -: Die neue
Vermittlungsmöglichkeit über die Gutscheine ist Ende
März in Kraft getreten. Wir haben faktisch nur den Monat
April zur Beurteilung. Ich bitte um Verständnis, wenn ich
sage: Bei dem, was ausgegeben wurde, und dem, was eingelöst wurde, ist der Erfahrungshorizont, den wir aufgrund dessen haben können, noch nicht sehr aussagekräftig. Deswegen braucht das noch etwas Zeit. Wir
beobachten sehr genau, was sich da abspielt. Wir gehen
auch möglichen Informationen über Windhundverfahren
und eventueller Bereicherung an den Gutscheinen, die in
der Presse dargestellt wurden, nach. Wir haben aber bis
jetzt noch keine handfesten Anhaltspunkte oder Beweise
dafür, dass in dieser Art und Weise mit den Vermittlungsgutscheinen umgegangen wird.
Sie wissen, dass wir mit dem Verband im Gespräch
sind - das ist heute Morgen geschildert worden -, um eine
Zertifizierung für Vermittler zu schaffen, die zunächst einmal auf der Verbandsebene selbst vorgenommen werden
soll. Auch hier sind wir tätig und beobachten sehr genau
die Entwicklung.
Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Hier
werden alle Fragen, die Fragen 8 und 9, schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Uschi Eid zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Gerald Weiß
auf:
Wird sich die Bundesregierung im EU-Ministerrat für die unveränderte Fortsetzung des AKP-Zuckerprotokolls - AKP: Länder im afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum, die mit
der EU durch das Abkommen von Cotonou vom Juni 2000 assoziiert sind - und für die Ausklammerung des sensiblen Produktes
Zucker aus den geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
mit den 76 AKP-Staaten einsetzen, und teilt sie die Auffassung,
dass die Umsetzung der entgegengerichteten Vorschläge der
Kommission zwangsläufig zur Vernichtung von vielen Tausend
Arbeitsplätzen in der Zuckerwirtschaft, zum Existenzverlust einer
Vielzahl landwirtschaftlicher Betriebe und zur weitgehenden Aufgabe des europäischen Zuckerrübenanbaus führen würde?
Herr Abgeordneter Weiß, im AKP-EG-Partnerschaftsabkommen vom 23. Juni 2000, das mittlerweile
Abkommen von Cotonou genannt wird, haben sich die
AKP-Staaten und die EU-Mitgliedstaaten zu einer WTOkonformen Neuregelung ihrer Handelsbeziehungen verpflichtet, welche unter Aufgabe der einseitigen Handelspräferenzen schrittweise erreicht werden soll.
In diesem Zusammenhang wird auch das AKP-Zuckerprotokoll überprüft werden, wobei das Ziel vorgegeben
ist, die aus dem Protokoll erwachsenden Vorteile für
die Vertragsparteien zu erhalten. Dabei verweise ich auf
Art. 36 Abs. 4 des Abkommens von Cotonou.
Die Bundesregierung teilt die Besorgnisse der Zuckerwirtschaft. Sie wird sie in ihre Überlegungen einbeziehen,
wie sie dies bei bisherigen Verhandlungen stets getan hat.
Herr Kollege Weiß,
bitte Ihre erste Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, wenn die Bundesregierung die Besorgnisse
teilt, ist ihr ja das Zahlenmaterial bekannt: Wenn das geschähe, was die EU-Kommission will, würde auf dem
Zuckermarkt ein zusätzliches Einfuhrpotenzial von über
6 Millionen Tonnen entstehen.
Wenn wir für die zollfreie Einfuhr aus den am wenigsten entwickelten Ländern - Stichwort: LDC-Initiative 2 Millionen Tonnen veranschlagen, haben wir bei einem
heutigen Verbrauch in der EU von weniger als 13 Millionen Tonnen ein zusätzliches Einfuhrpotenzial von
8 Millionen Tonnen. Wenn dieser Import im Zuge einer
wirklich unkontrollierten Freihandelspolitik so hereinbräche, was würde das Ihrer Einschätzung nach für das
Preisgefüge, das Absatzgefüge und die Arbeitsplätze in
der Zuckerwirtschaft bedeuten? Sie sagen, Sie würden
die Besorgnisse, die Ihnen gegenüber geäußert werden,
berücksichtigen. In welcher Weise werden Sie vor diesem
Hintergrund handeln?
Herr Abgeordneter, diese Importe brechen
nicht über uns herein. Denn es gibt vom Jahr 2000 bis zum
Jahr 2008 eine Übergangszeit. Die AKP-Staaten und die
EU haben im Rahmen der WTO-Konferenz in Doha,
Katar, am 14. November 2001 gemeinsam eine Ausnahmeregelung, den so genannten Waiver, zu Art. 1 und
Art. 13 des GATT aufrechterhalten, wonach die bisherigen Handelsregelungen und damit auch das AKP-Zuckerprotokoll weiterhin gelten. Selbst nach 2008 kann es
noch lange Übergangsfristen geben, in denen sich die
Märkte gründlich auf die Freihandelsabkommen vorbereiten können.
Ich füge allerdings hinzu, dass es aus entwicklungspolitischer Sicht selbstverständlich erforderlich ist, dass die
Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika, in der Karibik
und im pazifischen Raum, die zum Teil nur Zucker verkaufen können, die Möglichkeit haben, ihren Zucker auch
bei uns zu verkaufen.
Bitte Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Weiß.
Es wird
nicht so recht ersichtlich, wie Sie auf die zutage getretenen Besorgnisse reagieren wollen. Deshalb möchte ich
Sie fragen: Werden Sie im Ministerrat der Europäischen
Union dem Mandat, das die Kommission mit Blick auf die
angestrebten Abkommen begehrt, undifferenziert zustimmen oder nicht oder werden Sie auf eine Modifizierung
hinwirken?
Sie selber haben soeben richtig gesagt, dass die
Verhandlungen erst Ende September 2002 aufgenommen
werden. Sie sollen am 31. Dezember 2007 abgeschlossen
werden. Das heißt, wir stehen am Beginn der Verhandlungen. Verhandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass
Ergebnisse nicht schon zu Beginn feststehen.
Ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass natürlich
auch die Aufgabe besteht, in Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ein Freihandelskonzept zu verfolgen. Denn
wir können nicht auf der einen Seite von den Entwicklungsländern verlangen, dass sie ihre Märkte für unsere
Produkte öffnen, und auf der anderen Seite unsere Märkte
für Produkte aus den Partnerländern im Süden schließen.
Dann kommen wir zur
Frage 11 des Abgeordneten Martin Hohmann:
Welche der Staaten, die die Rücknahme eigener, aus
Deutschland ausreisepflichtiger Bürger verweigern oder behindern - „Die Rückseite der Republik“, in: „Der Spiegel”, 10/2002,
S. 36 ff. - erhielten in den letzten drei Jahren deutsche Entwicklungshilfe und in welcher Höhe?
Herr Abgeordneter Hohmann, Ihre Frage, die
von meinem Haus zu beantworten ist, steht in einem sehr
engen Zusammenhang mit Ihrer Frage 19, die von meinem Kollegen aus dem Innenministerium beantwortet
werden wird. Deswegen kann ich vorab die an uns gerichtete Frage nicht beantworten. Ich verweise auf die
Antwort des Kollegen aus dem BMI.
({0})
Bitte, Herr Kollege
Hohmann.
Ich habe dazu keine
Nachfrage.
Die Frage 12 wird
schriftlich beantwortet.
Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Danke, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister
Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 13 des Abgeordneten Klaus
Hofbauer:
Ist nach Auffassung der Bundesregierung der angestrebte
Zeitpunkt für den Beitritt der Länder Estland, Lettland, Litauen,
Malta, Polen, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische
Republik, Ungarn und Zypern zur Europäischen Union im
Jahr 2004 noch realistisch und, wenn nein, welche Gründe bestehen für Befürchtungen, diesen Termin nicht einzuhalten?
Herr Kollege Hofbauer, der angestrebte Zeitpunkt
für den Beitritt dieser zehn Länder im Jahre 2004 ist nach
Auffassung der Bundesregierung weiterhin realistisch.
Bitte, Herr Kollege
Hofbauer, Ihre erste Nachfrage.
Frau Präsidentin! Herr
Staatsminister, wie können Sie es sich erklären, dass in der
Presse immer mehr Meldungen erscheinen, dass der Zeitpunkt 2004 nicht eingehalten werden kann? Ich darf zum
Beispiel den Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Schmid, zitieren, der erst vor kurzem in einer größeren Zeitung in Süddeutschland gesagt hat: Dieser
Zeitpunkt wird nicht mehr haltbar sein. - Dies bedeutet
natürlich Verunsicherung in der Bevölkerung und bei den
betroffenen Stellen, zum Beispiel bei Speditionen.
Unternimmt die Bundesregierung etwas gegen solche
Äußerungen? Auch im „Focus“ dieser Woche steht ein
entsprechender Artikel geschrieben. Irgendwoher müssen
diese Argumente doch kommen. Deswegen frage ich Sie:
Was unternimmt die Bundesregierung, um dieser Tendenz
entgegenzuwirken?
Frau Präsidentin, wenn Sie es erlauben, würde ich
gleich meine zweite Frage anschließen. - Herr Staatsminister, Sie wissen, dass Verhandlungen über sehr wichtige Kapitel noch nicht abgeschlossen sind. Hier denke ich
an die Kapitel der Landwirtschaft und auch der Regionalpolitik. Besteht nicht die Gefahr, dass der Grundsatz
„Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ nicht mehr einzuhalten
ist, dass hier sehr rasche Abschlüsse erfolgen und dass wir
auf Dauer keine guten Ergebnisse erhalten?
Herr Kollege, maßgebend für die Politik der Bundesregierung ist nicht die eine oder andere Meinungsäußerung namhafter europäischer Politiker und auch nicht die
entsprechende Kommentierung in den Medien. Maßgeblich für uns sind die Fortschrittsberichte der Europäischen
Union und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen der
jeweiligen Ratssitzungen.
So hat der Gipfel von Laeken festgestellt, dass der Erweiterungsprozess sehr gut gedeiht. Gerade bei der ersten
Gruppe der Beitrittsländer, den zehn von Ihnen benannten, sind mittlerweile 21 bis 27 der 29 Kapitel vorläufig
erfolgreich abgeschlossen. Es bleiben jeweils zwei bis
acht Kapitel zu behandeln. Sie haben die entsprechenden
Themen genannt. Sie sind in der Tat nicht ganz einfach zu
lösen. Aber daraus kann man weder ableiten, dass der
Zeitplan nicht einzuhalten ist, noch kann man daraus ableiten, dass ein politischer Rabatt gegeben wird.
Wir sind zuversichtlich, dass in voller Gründlichkeit
verhandelt wird und der Termin dennoch eingehalten werden kann. Allerdings - auch dies sei gesagt - kann für kein
Land die Garantie gegeben werden, dass es tatsächlich bei
dem Datum 2004 bleibt.
Jetzt rufe ich die Frage 14 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
Welches Lohn- und Wohlstandsgefälle ist nach Auffassung der
Bundesregierung nach dem Beitritt der Tschechischen Republik
zur Europäischen Union zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik, insbesondere in den Grenzregionen, zu erwarten?
Herr Kollege, das Wohlstandsgefälle zwischen der
Tschechischen Republik und Deutschland - danach hatten
Sie gefragt - betrug im Jahre 1999 59 : 107, und zwar gemessen in Prozent des durchschnittlichen Bruttoinlandsproduktes pro Kopf in Kaufkraftparitäten aller 15 EU-Mitgliedstaaten. Für die deutschen Grenzregionen zur
Tschechischen Republik waren die Werte zwischen 67,
nämlich in Chemnitz, und 105, nämlich in der Oberpfalz
und in Oberfranken. Auf der tschechischen Seite betrugen
sie 49 in Nordwesttschechien und 54 in Südwesttschechien.
Das Lohngefälle Deutschlands zu Tschechien betrug
1996 - in diesem Jahre wurde die letzte richtige Messung
durchgeführt - 3,4 : 1. Bis zum Beitritt, voraussichtlich im
Jahre 2004, dürfte sich das Gefälle geringfügig verkleinert haben. Der Beitritt der Tschechischen Republik zur
Europäischen Union wird aber mittelfristig zu einer Verringerung dieses Abstandes führen. Die Prognosen für die
Annäherungsgeschwindigkeit hängen stark von der angenommenen Differenz in den Wachstumsraten ab und
fallen daher sehr unterschiedlich aus.
Herr Kollege
Hofbauer, bitte.
Herr Staatsminister,
das Lohngefälle ist nach wie vor vorhanden und wird auch
nach dem Beitritt bestehen bleiben. Ich frage Sie: Für welchen Zeitraum wird dieser große Unterschied bestehen
bleiben? Sind in diesem Bereich Übergangsregelungen
erforderlich? Denn in der Praxis kann und muss man feststellen, dass der Wettbewerb, zum Beispiel im Mittelstand,
selbst bei einem Lohngefälle von 1 : 3 mit Sicherheit ganz
erheblich beeinträchtigt wird. Das wird zu Verwerfungen
führen. Wie will man diesen entgegenwirken?
Wie lange die Disparitäten genau anhalten und wie
stark sie ausfallen werden, ist schwer zu prognostizieren.
Dass dem jedoch so ist, ist nicht zu bestreiten. Dementsprechend wurden diverse Programme aufgelegt. Für den
Arbeitsmarkt gibt es eine siebenjährige Übergangsfrist
bezüglich der vollständigen Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Zudem hat die Europäische Kommission spezielle Förderprogramme für die
Grenzregionen entwickelt. Der Umfang von ursprünglich
195 Millionen Euro wurde nun durch das Europäische
Parlament und den Rat um 50 Millionen Euro aufgestockt.
Ferner können die mittel- und osteuropäischen Staaten
schon heute auf die Mittel der PHARE-, ISPA- und
SAPARD-Programme zurückgreifen. Im Moment des
Beitritts haben sie natürlich auch den Zugriff auf die anderen Förderungsmöglichkeiten.
Es ist der Kommission und dem Rat bewusst, dass insbesondere die deutsche Ostgrenze als Grenzgebiet zu den
Beitrittsländern im Rahmen einer Strukturpolitik besonders ins Auge gefasst werden muss. Wir gehen aber davon
aus, dass in dem Moment, in dem die deutsche Ostgrenze
durch den Beitritt der genannten Länder durchlässig wird,
die Wirtschaftsleistung der gesamten Region - auf deutscher und nicht deutscher Seite - vergrößert wird und damit auch die Erwerbsmöglichkeiten mittelständischer Betriebe steigen.
Bevor ich die nächste
Frage aufrufe, möchte ich verkünden, dass es eine interfraktionelle Verständigung gab, die Aktuelle Stunde vorzuziehen, und zwar auf 15 Uhr. Ich wiederhole: Um 15 Uhr
beginnt die Aktuelle Stunde, da wir nur noch relativ wenige Fragen in der Fragestunde haben.
Jetzt kommen wir zur Frage 15 des Abgeordneten
Hartmut Koschyk:
Inwieweit sind Presseberichte zutreffend - Quelle: „Schlesisches Wochenblatt” vom 26. April 2002 -, wonach die Mittel aus
dem Bundeshaushalt zur Förderung der deutschen Minderheit in
Polen stark rückläufig sowie einige Organisationen der deutschen
Minderheit in Polen unverhältnismäßig hoch von Kürzungen betroffen sind, und inwieweit sind der Fortbestand und die Arbeit der
Organisationen durch diese Kürzungen gefährdet oder eingeschränkt?
Herr Koschyk, für die Förderung der deutschen
Minderheit in Polen stehen im Jahr 2002 insgesamt mehr
Mittel zur Verfügung als jeweils in den vorangegangenen
Jahren. Die Hilfen des Bundesministeriums des Innern für
die deutsche Minderheit und ihr Umfeld in Polen werden
aus Mitteln des jeweiligen Bundeshaushalts und aus
Rückflussmitteln finanziert.
Für das Jahr 2002 werden vom Bundesministerium des
Innern 5,164 Millionen Euro bereitgestellt. 2001 waren es
11,34 Millionen DM, das sind 5,8 Millionen Euro. Zusätzlich sind 2002 circa 43 Millionen Zloty Rückflussmittel
verfügbar. Dies entspricht einer erheblichen Steigerung
gegenüber den 2001 vorhandenen Rückflussmitteln in
Höhe von 4,6 Millionen Zloty.
Die Äußerung - Sie haben eine Zeitung zitiert -, dass
einige Organisationen der deutschen Minderheit unverhältnismäßig stark von Kürzungen betroffen sind, kann
vor diesem Hintergrund nicht nachvollzogen werden.
Richtig ist, dass die Einrichtungen der deutschen Minderheit jährlich Zuschüsse zu ihren Verwaltungskosten erhalten. Im Jahre 2001 wurden hierfür 1,7 Millionen DM gewährt. Für das Jahr 2002 sind 776 037 Euro - das sind
etwa 1,5 Millionen DM - vorgesehen. Diese Mittel werden der deutschen Minderheit über die deutschen Generalkonsulate in Breslau und Danzig zur Verfügung gestellt
und von ihnen eigenverantwortlich auf die verschiedenen
Organisationen der deutschen Minderheit verteilt.
Außerdem ist vorgesehen, dass Rückflussmittel in
Höhe von 2,4 Millionen Zloty für Verwaltungs- und Personalkosten eingesetzt werden. Bei der Höhe dieser
Strukturhilfen wird nach einer jahrelangen Förderung in
der Vergangenheit erwartet, dass ein höherer Anteil an
Eigenleistungen erbracht wird.
Herr Kollege
Koschyk, Ihre erste Nachfrage, bitte.
Herr Staatsminister,
besteht nicht die Gefahr, dass dann, wenn die Rückflussmittel - das sind rückfließende Mittel von Krediten, die
man zum Beispiel für mittelständische Existenzgründer
usw. eingesetzt hat - in die allgemeine Förderung der
deutschen Minderheit in Polen einbezogen werden, die
Stiftung, die diese Mittel verwaltet und auch die Rückflussmittel erhält, diese nicht mehr für den ursprünglich
zugedachten Zweck, zum Beispiel für Infrastrukturprojekte, Existenzgründungshilfen usw., bereitstellen kann?
Die Stiftung verwaltet diese Mittel, aber nicht völlig eigenständig, sondern in Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern. In diesem Zusammenhang
können die Mittel auch für weitere Hilfen eingesetzt werden. Über die genaue Planung, die die Stiftung vornimmt,
bin ich im Moment nicht orientiert. Mir ist aber noch nicht
zu Ohren gekommen, dass genau dieses Problem, das
theoretisch entstehen könnte, tatsächlich besteht.
Zweite Frage, bitte,
Herr Koschyk.
Sie haben bei der
Mittelzuweisung aus dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern für die deutschen Minderheiten in Polen
nur die Vergleichszahl für 2001 und 2002 genannt. Wie
haben sich die Mittel insgesamt seit 1998 entwickelt?
Sie haben sich insgesamt eher positiv entwickelt,
wie ich gerade dargestellt habe, weil wir Rückflussmittel
mit einsetzen können. Generell trifft für diesen Politikbereich das zu, was für alle anderen auch zutrifft - insbesondere auch für alle anderen Bereiche der auswärtigen
Kulturpolitik -, nämlich dass wegen der Notwendigkeit
der allgemeinen Haushaltskonsolidierung jeder einzelne
Titel seine eigenen Einsparpotenziale ausschöpfen muss.
Jetzt rufe ich die
Frage 16 des Kollegen Hartmut Koschyk auf:
Wie begründet die Bundesregierung ihre bisherige Haltung,
kein eigenes Rechtsgutachten zur Frage der Fortgeltung der so genannten Benes-Dekrete sowie daraus resultierender Diskriminierungen in Auftrag zu geben, vor dem Hintergrund ihrer Feststellungen, dass es sich bei der Frage einer Aufhebung der Benes-Dekrete
um ein bilaterales Problem handelt - Quelle: Brief der Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern, Dr. Cornelie SonntagWolgast, abgedruckt in der Zeitschrift „Das Landvolk“ vom April
2002 -, und wie gedenkt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Ergebnisse der Rechtsgutachten des Europäischen Parlaments zum Gegenstand bilateraler Erörterungen mit der Tschechischen Republik zu machen?
Herr Koschyk, nach Auffassung der jetzigen sowie
aller früheren Bundesregierungen stellt die aufgrund der
Benes-Dekrete erfolgte Enteignung und Ausbürgerung
Sudetendeutscher völkerrechtliches Unrecht dar. In der
Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 sind die
deutsche und die tschechische Seite - mit breiter Zustimmung in beiden Parlamenten - übereingekommen, ihre
Beziehungen zukunftsgerichtet fortzuentwickeln und
nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden rechtlichen
und politischen Fragen zu belasten. Die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997 stellt heute mit allen ihren
Elementen die Grundlage der bilateralen Beziehungen
dar. Dazu gehört auch der Grundsatz, dass jede Seite ihrer
Rechtsordnung verpflichtet bleibt und respektiert, dass
die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat.
Unbeschadet dieser Haltung geht die Bundesregierung
davon aus, dass der Acquis von allen Beitrittsländern ab
Beitritt einzuhalten ist. Sie hält es für einen normalen
Vorgang, dass die europäischen Institutionen die Rechtsordnungen von Beitrittsländern auf ihre Vereinbarkeit mit
dem Recht der Europäischen Union prüfen.
Die Ergebnisse des Rechtsgutachtens des Europäischen Parlaments liegen noch nicht vor und sollten jetzt
abgewartet werden.
Herr Kollege
Koschyk, bitte.
Herr Staatsminister,
ich hatte in meiner Frage die Bundesregierung um Auskunft gebeten, warum sie nicht bereit ist, ein eigenes
Rechtsgutachten in Auftrag zu geben. Die tschechische
Seite hat ja unbeschadet der Deutsch-Tschechischen Erklärung ein solches Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.
Wäre es dann nicht im Sinne der Deutsch-Tschechischen
Erklärung möglich, dass auch die Bundesregierung ein
eigenes Rechtsgutachten zu der Frage in Auftrag gibt, ob
diese Dekrete bis heute andauernde Diskriminierungen
für tschechische Staatsbürger deutscher oder ungarischer
Nationalität oder auch für künftige EU-Bürger entfalten?
Herr Koschyk, diese Rechtsgutachten, die Sie gerade angesprochen haben, sind im Zuge der Beitrittsverhandlungen Tschechiens zur Europäischen Union entstanden. Von daher sind die Verhandlungspartner die
Tschechische Republik und die Europäische Union, nicht
die Bundesregierung. Die Bundesregierung hat hierzu
eine klare Auffassung; ich habe sie gerade im Grundsatz
dargestellt. Auch die tschechische Seite hat erklärt, dass
die Benes-Dekrete erloschen seien. Von daher kann daraus kein neues Unrecht über das hinaus, was damals entstanden war, was aber abgeschlossen ist, entstehen. Es
gibt eine Ausnahme, über die wir hier auch schon öfter
diskutiert haben, nämlich die Restitutionsgesetzgebung.
Dies ist ein Punkt, der auch bei den Beitrittsverhandlungen mit der EU eine Rolle spielt.
Herr Staatsminister,
wäre es nicht, wenn man zum Beispiel an die tschechische
Entscheidung im so genannten Dreithaler-Prozess oder an
die auch vom UNO-Menschenrechtsausschuss beanstandete innertschechische Restitutionsgesetzgebung denkt,
doch angezeigt, vonseiten der Bundesregierung durch ein
Rechtsgutachten klären zu lassen - man muss ja keinen
deutschen, sondern man kann auch einen international anerkannten Völkerrechtler hinzuziehen -, ob diese Dekrete
heute und damit auch im Falle eines EU-Beitritts weiter
andauernde diskriminierende Wirkungen entfalten?
Für den Umgang mit den Dekreten gibt es im bilateralen Verhältnis eine klare Regelung, die ich vorhin zitiert habe. Aufgrund Ihres Interessenhintergrundes sollten
Sie es eigentlich begrüßen, dass sich die Europäische
Union im Rahmen des Beitrittsprozesses damit befasst.
Damit schließe ich
diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.
Da die Fragen 17 und 18 schriftlich beantwortet werden, rufe ich jetzt die Frage 19 des Kollegen Martin
Hohmann auf:
Welche Staaten verweigern oder behindern die Rücknahme eigener aus Deutschland ausreisepflichtiger Bürger - „Die Rückseite der Republik“ in: „Der Spiegel“, 10/2002, Seite 36 ff.?
Herr Kollege Hohmann, Schwierigkeiten bei der Rückführung ausreisepflichtiger ausländischer Staatsangehöriger ergeben sich oft aus der
mangelnden Rückkehrbereitschaft der betroffenen Personen. Viele Herkunftsstaaten kommen ihrer völkerrechtlichen Pflicht zur Rückübernahme eigener ausreisepflichtiger Staatsangehöriger nach und arbeiten mit den
zuständigen deutschen Behörden bei der Feststellung der
Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen und der
Ausstellung von Heimreisedokumenten gut zusammen.
Mit einer Reihe von Staaten ist die Zusammenarbeit
dagegen nicht zufriedenstellend. Die Bundesregierung
wirkt durch geeignete Maßnahmen - dazu gehören etwa
der Abschluss von Rückübernahmeabkommen, Expertengespräche und Gespräche mit den Botschaftern der Herkunftsstaaten - fortlaufend darauf hin, Schwierigkeiten
bei der Rückführung zu beseitigen. Für den Erfolg dieser
Maßnahmen wäre es meines Erachtens nicht sehr förderlich, die Staaten zu benennen, bei denen Rückführungsprobleme bestehen. Dies wäre grundsätzlich nicht zweckmäßig.
Herr Kollege
Hohmann, bitte.
Frau Präsidentin!
Herr Staatssekretär, es ist natürlich schwierig, eine Nachfrage zu stellen, wenn die ursprüngliche Frage im Grunde
nicht beantwortet worden ist. Andererseits geht mir eine
gewisse Einsicht in die Motivation dafür - Sie haben sie
eben genannt - nicht ab.
Bei den Maßnahmen, die Sie zu unternehmen gedenken, haben Sie Gespräche mit den Botschaftern erwähnt.
Sind auch weitergehende Maßnahmen, die für diese - lassen Sie es mich so sagen - Verweigerungsstaaten vielleicht ein wenig fühlbarer sind, bereits in Anwendung
oder in Erwägung gezogen worden?
Herr Kollege Hohmann, bei der
Bekanntgabe bestimmter Länder und Staaten, mit denen
es Schwierigkeiten gibt, befinden wir uns auf einer kontinuierlichen Linie mit der alten Bundesregierung: Das war
nie Gegenstand öffentlicher Erörterungen, weil es in der
Tat nicht erfolgversprechend und zweckmäßig wäre.
Es gibt vielfältige Initiativen. All diese könnte ich Ihnen detailliert auflisten; ich habe sie dabei. Ich habe Ihnen
die Länder nicht deswegen nicht genannt, weil ich sie
nicht kenne, sondern, wie gesagt, weil ich es nicht für
zweckmäßig halte. Ich denke, dass man auch auf das
Lomé-Folgeabkommen hinweisen muss, auf das Sie mit
Ihrer Frage im Grunde genommen abzielen. Mit diesem
wird letztendlich ein Zusammenhang zwischen auf der
einen Seite migrationspolitischen Verpflichtungen und
auf der anderen Seite entwicklungspolitischen Leistungen
hergestellt. Sie wissen, dass in dieses Nachfolgeabkommen auch eine so genannte Rückübernahmeklausel aufgenommen worden ist. Aber Sie werden auch wissen, dass
dieses Cotonou-Abkommen, wie es sich jetzt nennt, zwar
schon von Deutschland, aber noch nicht von allen europäischen Staaten ratifiziert ist, und dass auch zwei Drittel
der restlichen Staaten noch nicht zugestimmt haben, was
notwendig ist, damit dieses Abkommen in Kraft tritt.
Dann hat der Kollege
Eckart von Klaeden dazu eine Nachfrage.
Herr Staatssekretär, ich habe Verständnis dafür, dass Sie dies nicht öffentlich erörtern wollen. Sind Sie denn bereit, dem Kollegen
Hohmann über die Fragen, die ihn interessieren, im Innenausschuss Auskunft zu geben?
Ich gebe gern dort Auskunft, wo
wir auf eine verlässliche Vertraulichkeit bauen können.
Das ist überhaupt keine Frage. Aber ich entnehme Ihrer
Frage, dass Sie volles Verständnis dafür haben, dass die
Namen der Länder, mit denen wir gewisse Probleme haben, nicht für die öffentliche Erörterung geeignet sind.
Aber dass sich das
Parlament dafür interessiert, können Sie sicherlich nachvollziehen?
Dafür habe ich volles Verständnis
und das ist überhaupt kein Problem. Es ist nicht so, dass
ich nicht darüber reden will, aber eine öffentliche Erörterung ist erfolgsmindernd, weil diese Reaktionen auslösen
würde, die die Sache nur erschweren. - Ich merke an Ihrer Gestik, dass Sie mir zustimmen.
Damit sind wir auch
mit diesem Geschäftsbereich am Ende. Vielen Dank, Herr
Staatssekretär.
Die Fragen 20, 21 und 22 zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung.
Die Fragen 23 bis 26 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe daher die Frage 27 des Kollegen Karl-Josef
Laumann auf:
Seit wann sind dem BMVg die gravierenden hygienischen und
bautechnischen Mängel in der Küche der Theodor-Blank-Kaserne
in Rheine-Bentlage, die zur Schließung der Kasernenküche führten, bekannt und welche Informationen liegen der Bundesregierung über den Zustand weiterer Kasernenküchen vor?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Laumann, die Notwendigkeit, den baulichen und hygienischen Zustand der
Truppenküche in der Theodor-Blank-Kaserne zu ändern,
ist seit 1979 bekannt. Für die Zuhörer muss man sagen,
dass die Bundeswehr nicht selbst bauen darf, sondern sich
dazu der Länderverwaltungen bedient, die dafür pro Jahr
über 600 Millionen bekommen.
1985 wurde erstmals ein konkreter Bauantrag zur Sanierung gestellt. Er wurde 1988 gestoppt, bevor er überhaupt
ausgeführt wurde. 1989 war man sich darüber klar, dass man
einen Antrag auf Neubau des Wirtschaftsgebäudes erneut
stellen muss. Dass dessen Planung nach drei Jahren ebenfalls eingestellt wurde, hatte etwas damit zu tun, dass im
Jahre 1991 Veränderungen im Umfang der Bundeswehr
zum Tragen kamen, aber natürlich auch dringlichere Baumaßnahmen in den neuen Bundesländern für den Erhalt
von Bundeswehreinrichtungen anstanden.
Im Januar 1995 wurde die Dringlichkeit der Baumaßnahme durch das BMVg selber hervorgehoben. Es hat
dann im Jahre 1996 einen erneuten Bauantrag in Auftrag
gegeben. 1997 wurde der Bauzustand der Truppenküche
noch einmal als ungenügend gerügt. Bis zur Schließung
der Truppenküche aus Betriebsschutz- und Hygienegründen nach einer entsprechenden Besichtigung durch den
Wehrbereichshygieniker am 11. April 2002 wurde der
dringendste Bedarf stets repariert, aber das Problem nicht
gelöst, Herr Kollege.
Dem Bundesministerium der Verteidigung sind die
Gründe, die zur Schließung der Truppenküche geführt haben, am 16. April auf dem Dienstwege mitgeteilt worden.
Das dürfte in der Abteilung WV des Hauses keinen verwundert haben. Wir haben das Problem, dass wir die
Frage des Zustandes der Wirtschaftsgebäude selbstverständlich auch in anderen Kasernen und nicht nur in Ihrem
Wahlkreis, Herr Laumann, thematisieren müssen. Doch
seit der Reform der Bundeswehr im Jahre 1991 und auch
in diesem Jahre hat es mehrere Male Stationierungsänderungen sowie Veränderungen in Umfang und Größe der
Truppe vor Ort gegeben, die dazu geführt haben, dass
viele notwendige Baumaßnahmen umgeplant wurden.
Darüber hinaus gibt es auch immer wieder Mitteilungen vom Bundesrechnungshof, der auch auf die Bundeswehr ein wachsames Auge wirft. Beabsichtigt ist, dass
nach der derzeit in Arbeit befindlichen Neuordnung des
Verpflegungswesens verschiedene Neubauten durchgeführt werden müssen. Dabei muss auch geprüft werden,
wie die genannte Neubaumaßnahme aussehen soll. Ich
gehe aber davon aus, dass für die Theodor-Blank-Kaserne
eine Lösung gefunden wird.
Jetzt hat der Kollege
Laumann eine erste Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ich gehe davon aus, dass Ihnen bekannt ist, dass in
dieser Kaserne weit mehr als 1 000 Soldaten ihren Dienst
ausüben, davon allein weit mehr als 500 Wehrpflichtige,
die einen Anspruch auf Truppenverpflegung haben. Mir
geht es eigentlich um Folgendes: Können Sie einen Termin angeben, wann die Truppenküche in dieser Kaserne
wieder arbeitsfähig ist? Denn die Lösungen, die zurzeit
praktiziert werden, nämlich die Truppe über CateringService und Ähnliches zu versorgen, sind kein Zustand,
der allen Ernstes mittelfristig beibehalten werden kann.
Ich meine vielmehr, dass eine kurzfristige Entscheidung
notwendig ist.
Was die Kurzfristigkeit angeht,
muss ich sehr kritisch anmerken, dass man bei den Mängeln hinsichtlich der Standortverwaltung und anderen
schon in der Vergangenheit einiges hätte auf den Weg
bringen können. Gegenwärtig sind sowohl der Umfang
als auch die Verpflegungsart im Grunde sehr antiquiert.
Bei der Änderung des Verpflegungskonzepts stellen wir
uns bekanntlich auch die Frage, welche Tätigkeiten vor
Ort wahrgenommen werden können und was wir zuliefern
lassen. Damit sind wir derzeit beschäftigt. Ich werde in
der Antwort auf Ihre nächste Frage ausführen, womit wir
zurzeit beschäftigt sind.
Der Zustand, dass es von 1979 bis heute nicht zu einem
Neubau gekommen ist, ist einerseits ohne Zweifel unbefriedigend. Andererseits, Herr Kollege Laumann, habe ich
in verschiedenen Orten Neubauten angetroffen, die ich für
überdimensioniert halte. Deswegen müssen wir einen vernünftigen Weg finden. Ich stimme Ihnen aber darin zu,
dass wir diese Maßnahme nicht einfach vor uns herschieben können.
Damit kommen wir
schon zu Frage 28:
Was wird künftig seitens des BMVg unternommen, um der
Fürsorgepflicht gegenüber wehrpflichtigen Soldaten, die Anspruch auf Verpflegung unter anderem auch in der TheodorBlank-Kaserne haben, gerecht zu werden?
Herr Laumann, die Versorgung
der Soldaten aus der Theodor-Blank-Kaserne wird zurzeit
über drei Feldküchen gewährleistet, die neben dem Speisesaal mobil aufgestellt wurden und die so schlecht nicht
sind. Solche Feldküchen werden auch in den internationalen Einsätzen genutzt.
Ab dem 1. Juli 2002 erfolgt die Verpflegungsleistung
über zwei Truppenküchen, und zwar des nahe gelegenen
Fluglehrzentrums oder des ehemaligen Jagdgeschwaders 72 in Westfalen. In der Theodor-Blank-Kaserne ist
der Neubau einer Truppenküche vorgesehen. Die notwendige konzeptionelle Grundlage für diese wie für andere
investive Baumaßnahmen an Wirtschaftsgebäuden wird
nach dem neuen Verpflegungskonzept geschaffen werden
müssen. Ich hoffe, dass wir uns dafür nicht zu lange Zeit
nehmen müssen. Oberstes Ziel muss - damit haben Sie
völlig Recht - der Anspruch des Soldaten auf eine bedarfsgerechte und, nebenbei gesagt, auch schmackhafte
Ernährung sein, und zwar auch da, wo die befristeten Behelfsmaßnahmen notwendig sind und in der Tat meistens
in vertretbarer Form stattfinden. Ich würde nicht sagen,
dass das, was in der Feldküche geleistet oder das, was zutransportiert wird, schlecht ist, aber längerfristig ist das
natürlich keine Lösung.
Herr Kollege
Laumann, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich frage noch einmal nach: Können Sie mir einen
einigermaßen konkreten Termin angeben, wann es zu einem Neubau der Truppenküche kommt? Ich kenne sie
sehr gut; ich war schließlich als Soldat dort.
Die vorgesehene Versorgung über das Jagdgeschwader
oder das Fluglehrzentrum führt dazu, dass diese Küchen
etwa die doppelte Anzahl von Mahlzeiten produzieren
müssen wie vorher. Das wiederum hat zur Folge - wie ich
aus dieser Kaserne weiß -, dass die Essensauswahl mächtig zusammengestrichen wird, weil die erforderlichen Kapazitäten nicht vorhanden sind.
Wenn alle im Bundestag mittelfristig aus einer Feldküche ernährt würden, würden wir sicherlich für eine Lösung sorgen. Sorgen Sie doch jetzt auch für eine Lösung
in der Kaserne Bentlage!
Ich habe mich zwei Tage und
zwei Nächte in Afghanistan aufgehalten. Weil es dort besonders wichtig ist, dass die Soldaten gut ernährt werden,
würde ich nicht abwerten, was eine Feldküche leisten
kann. Das möchte ich ausdrücklich anmerken.
Etwas anderes sind aber natürlich - deshalb habe ich
das Ihnen und den anderen Kolleginnen und Kollegen
auch dargestellt - die unglaublichen Bauvorgänge von
1979 bis heute. Wenn Sie mit uns und den anderen Kollegen dazu beitragen, dass es zu einem modernen Liegenschaftsmanagement kommt und wir uns das, was wir
heute machen, wirklich abgewöhnen, bin ich fest davon
überzeugt, dass wir beide es noch als aktive Abgeordnete
erleben, dass wir diese Küche einweihen können.
({0})
- Nach der Wahl. Ich möchte diese Funktion ja noch eine
Wahlperiode wahrnehmen.
({1})
- Nein, deswegen sage ich ja, dass wir sie in der nächsten
Wahlperiode noch wahrnehmen wollen; das ist wohl
wahr. Vor der Bundestagswahl ist das Konzept doch noch
nicht fertig.
Wir wechseln jetzt den
Standort und kommen zur militärischen Nutzung der
Kyritz-Ruppiner Heide.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Wolfgang Gehrcke
auf:
Hat die Bundesregierung ihre Position zur Beendigung der
militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide geändert und
wenn ja, wie?
Liebe Frau Präsidentin! Sehr
geehrter Herr Kollege Gehrcke, ich hätte beinahe gesagt:
ein Dauerthema. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht
für die Bundesregierung keine Veranlassung, ihre Absicht
der weiteren militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner
Heide, des berühmten Truppenübungsplatzes Wittstock,
zu ändern. Entsprechend den Vorgaben, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2000 gemacht hat, wurden die umliegenden Gemeinden angehört. Deren Stellungnahmen werden derzeit
durch das Land Brandenburg ausgewertet, welches in
Amtshilfe für den Bund die Anhörung durchgeführt hat.
Ich möchte um Erlaubnis bitten, die Frage 30 des Kollegen Wolfgang Gehrcke im Zusammenhang mit Frage 29
beantworten zu dürfen.
Herr Kollege
Gehrcke, sind Sie damit einverstanden? - Das scheint der
Fall zu sein. Dann rufe ich die Frage 30 des Kollegen
Wolfgang Gehrcke auf:
Zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass sich weitere
Gemeinden, darunter die Stadt Wittstock, im Zuge der Anhörung
gegen eine weitere militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes ausgesprochen haben, die Schlussfolgerung, das Truppenübungsplatzkonzept so zu ändern, dass dem Begehren der Gemeinden Rechnung getragen wird?
Wie erwähnt, wurde die Anhörung der Gemeinden durch das Land Brandenburg - das
betrifft wieder die Frage, was die Länder für den Bund
übernehmen - im Rahmen der Amtshilfe durchgeführt.
Deren Stellungnahmen werden zurzeit ausgewertet. Wir
werden bald eine entsprechende Zusammenfassung übersandt bekommen. Das Bundesministerium der Verteidigung wird dann die vorgetragenen Belange der Gemeinden im Rahmen seiner Entscheidung über die künftige
militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock sachgerecht abwägen. Ob und wenn ja, in welchem
Umfang dadurch eine Änderung des Truppenübungsplatzkonzeptes der Bundeswehr erforderlich sein wird,
kann man abschließend erst dann entscheiden, wenn man
von einer Änderung ausgeht. Ich gehe allerdings davon
aus, dass wir Wittstock auf jeden Fall brauchen.
Herr Gehrcke hat jetzt
vier offene Nachfragen.
Zur ersten Nachfrage, Herr Gehrcke, bitte.
Ich habe natürlich viel
mehr offene Fragen, die beantwortet werden müssen.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, Kompliment
dafür, wie elegant Sie Wahlwerbung selbst im Zusammenhang mit der Beantwortung von Fragen betrieben
haben. Ob der von Ihnen bei der Beantwortung der Fragen von Herrn Laumann signalisierte Optimismus, dass
Sie auch künftig in Ihrer Funktion als Parlamentarische
Staatssekretärin Fragen beantworten werden, angebracht
war, werden wir noch sehen.
Zu meiner ersten Nachfrage: Am Ostersonntag hat der
Bundesvorsitzende des Bündnisses 90/Die Grünen, Herr
Fritz Kuhn, auf der traditionellen Ostermarschkundgebung in der Kyritz-Ruppiner Heide mitgeteilt, dass die
Fraktion der Grünen geschlossen für eine Beendigung der
militärischen Nutzung und für eine zivile Nutzung des
Truppenübungsplatzes eintrete. Wenn mich nicht alles
täuscht, sind die Grünen noch immer Ihr Koalitionspartner, jedenfalls derzeitig. Bedeutet das, dass nur eine
Hälfte der Bundesregierung an dem bisherigen Truppenübungsplatzkonzept festhält, während die andere
Hälfte das nicht mehr tut?
Ich gehe einmal davon aus,
dass Herr Kuhn zwar viel über die Landespolitik in
Baden-Württemberg weiß, dass es ihm aber ähnlich wie
ehemaligen sozialdemokratischen Oppositionspolitikern
- ich möchte keine Namen nennen - ergeht, die, als sie die
Regierungsverantwortung übernommen haben, feststellen mussten, dass sie über Militärpolitik auf Bundesebene
noch einiges lernen müssen. Insoweit bin ich ziemlich zuversichtlich, dass auch der kluge Bundesvorsitzende der
Grünen lernen wird, dass eine Entlastung Süddeutschlands, also des Truppenübungs- und Bombenabwurfplatzes Siegenburg, und des niedersächsischen Standortes
Nordhorn sinnvoll ist. Ich glaube, dass Herr Kuhn seine
Meinung in dem Moment ändern wird, in dem er sich
selbst alle plausiblen Argumente, die für die weitere
militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock sprechen, vor Augen führt.
In der ehemaligen DDR - das kann ich Ihnen, Herr
Gehrcke, jetzt nicht ersparen - sind 25 000 fliegende Einsätze pro Jahr durch die dort stationierten sowjetischen
Streitkräfte durchgeführt worden.
({0})
Wir planen gerade einmal 1 700. Wir verlangen unseren
Soldatinnen und Soldaten gerade von Marine und Luftwaffe ab, einen Großteil ihrer fliegerischen Ausbildung
außerhalb Deutschlands, ja sogar außerhalb Europas
durchzuführen, damit die deutsche und die europäische
Bevölkerung nicht übermäßig belastet wird. Ich halte
es deshalb für notwendig - ich kann Ihnen gerne ein Privatissimum darüber geben, was wir dort alles vorhaben -,
am Truppenübungsplatz Wittstock festzuhalten. Ich war
eine derjenigen, die zusammen mit der CDU/CSU immer
für die weitere Nutzung dieses Truppenübungsplatzes
gestimmt haben.
Die zweite Nachfrage
des Kollegen Gehrcke.
Ich könnte jetzt natürlich
meinen Werbeblock einbringen, da ich Abgeordneter aus
dieser Region bin und sie deshalb gut kenne.
Das habe ich mir schon gedacht.
Ich danke für die Vorlage.
Aber das werde ich jetzt nicht tun.
Darf ich Ihre Antwort auf meine erste Nachfrage so
verstehen, dass Sie davon ausgehen, dass der Bundesvorsitzende des Bündnisses 90/Die Grünen, Herr Fritz Kuhn,
der für den Bundestag kandidiert, in dieser Frage genauso
umfallen und eine 180-Grad-Kehrtwende vornehmen
wird wie Herr Scharping, wenn er in den Bundestag
einzieht? Das war doch wohl Ihre Kernaussage.
Wenn sich ein Landtagsabgeordneter solchen Argumenten öffnet - Sie haben den Namen
genannt, den ich vorhin bewusst nicht genannt habe; Sie
hätten auch meinen Kollegen Kolbow nennen können -,
({0})
dann ist dies einfach eine Frage der Kenntnis von der
Aufteilung und Nutzung der Truppenübungsplätze in der
gesamten Bundesrepublik. Ich habe dafür durchaus Verständnis, auch für die betroffenen Gemeinden und natürlich auch für Sie als Abgeordnete. Dennoch ist das, was
wir dort planen, sinnvoll und vernünftig. Ich bin sogar zuversichtlich, dass wir auch Oppositionspolitiker davon
überzeugen können. Natürlich kann Herr Kuhn und kann
auch jede Partei eine andere Meinung haben. Wir aber
sind der festen Überzeugung, dass man an Wittstock festhalten muss.
({1})
Sie können sogar noch
zwei Fragen stellen.
Frau Parlamentarische
Staatssekretärin, ich muss Sie fragen, ob Sie nicht auch
Verständnis für die Bevölkerung haben. Ich frage dies vor
dem von Ihnen zu Recht geschilderten Hintergrund, dass
die Bevölkerung zu Zeiten der DDR eine unverhältnismäßig hohe, aggressive Belastung über sich ergehen lassen musste. Glauben Sie nicht, dass die Menschen, die
dort noch wohnen, aus der Vergangenheit heraus ein gewisses Anrecht haben, jetzt nicht schon wieder, wenn
auch in einer nicht vergleichbaren Art und Weise, von
Fluglärm und Bombenabwurfsübungen behelligt zu werden?
Herr Gehrcke, um einmal auf
eine andere Region der Bundesrepublik Deutschland zu
kommen, in der nächsten Woche werde ich in Geilenkirchen sein. Dort geht es um AWACS. Es ist völlig unstrittig, dass jeder fliegerische Übungsbetrieb Lärm mit sich
bringt. Wir wollen aber - darauf habe ich vorhin bereits
hingewiesen - von 25 000 Einsätzen pro Jahr bzw.
450 Einsätzen am Tag auf 1 700 Einsätze pro Jahr heruntergehen. Ferner wollen wir, angelehnt an die Praxis von
Nordhorn und Siegenburg, an Werktagen nur noch von
9 bis 17 Uhr mit einer zweieinhalbstündigen Mittagspause fliegen. An Feiertagen soll der Luft- und Bodenschießplatz nicht genutzt werden; vielmehr wird die zwischen den Übungsflächen gelegene Straße für die Bürger
geöffnet werden.
Allerdings muss auch Nachtflug geübt werden; hierbei
geht es vor allem um das Abwerfen von Munition, die aber
reine Übungsmunition sein wird, wohingegen durch die
früheren Bombenabwürfe Explosivstoff bis zu 500 Kilometer verbreitet wurde. Wenn Sie sich in Nordhorn und
Siegenburg erkundigen, wird man Ihnen bestätigen, dass
wir diese Tiefflüge vor allen Dingen im Winterhalbjahr
durchführen, weil sie dann zu einem früheren Zeitpunkt
stattfinden können.
Die Bundeswehr möchte diesen Flugplatz übernehmen.
Die Übernahme wäre viel schneller vonstatten gegangen,
wenn die Vorgängerregierung keine Verfahrensfehler
gemacht hätte.
({0})
Diese Bundesregierung wird auch dafür sorgen, dass die
riesigen Mengen an Altmunition beseitigt werden. Mehr
kann man eigentlich nicht verlangen.
Eine Frage können Sie
noch stellen.
Man muss nicht mehr,
sondern etwas anderes verlangen: dass die gesamte militärische Nutzung eingestellt wird.
Letzte Frage: Bei vorangegangenen Debatten - Sie
haben Recht, es ist heute nicht die erste Debatte und auch
nicht die erste Behandlung dieses Themas in einer Fragestunde; das macht diese Gegend ja auch etwas berühmt haben Sie als Argument angeführt, dass der Bürgermeister von Wittstock, der der FDP angehört und sich für die
Garnison einsetzt, immer mit einem hohen Stimmenergebnis wiedergewählt worden sei. Nun hat sich die
Stadtverordnetenversammlung in Wittstock, also das
demokratische Stadtparlament, mit großer Mehrheit
gegen eine Fortsetzung der militärischen Nutzung und für
eine zivile Nutzung ausgesprochen. Würden Sie mir zustimmen, dass ein Beschluss einer Stadtverordnetenversammlung mindestens so gewichtig wie die private Meinung eines Bürgermeisters ist?
Ich habe die Unterlagen dabei;
ich wusste, dass Sie mich danach fragen würden. Ob es
nun die private Meinung des Bürgermeisters ist oder ob
ein Stadtrat dazu noch zusätzliche Auskünfte bekommen
möchte, lasse ich dahingestellt sein. Ich habe mir jedenfalls fest vorgenommen, einmal mit den Bürgern in Wittstock zu reden. Ich war Vorsitzende des Gesprächskreises
Kommunalpolitik und weiß daher, welche Rechte Kommunalparlamenten zustehen.
Was wir hier tun, ist sinnvoll und richtig. Dass eines
unserer Ausbildungsregimenter dort stationiert ist, ist gerade für die Entwicklung von Wittstock eine schöne
Sache. An einer solchen Stationierung ist auch Herr
Koschyk interessiert, übrigens auch der Stadtrat von Wittstock. Dieser Truppenübungsplatz ist zur Entlastung von
Siegenburg und Nordhorn erforderlich. Er wird von uns
sehr viel weniger und behutsamer genutzt, als es in der
Vergangenheit der Fall war. Daher gehe ich davon aus,
dass die Menschen dort eines Tages dankbar sein werden,
dass sie diesen Truppenübungsplatz nicht verhindern konnten.
({0})
Es gibt jetzt noch eine
letzte Nachfrage des Kollegen Koschyk.
({0})
- Ach, zu beiden Fragen. Das ist sehr geschickt; damit
darf er zwei Fragen stellen.
Frau Staatssekretärin, Sie haben in der Antwort auf die Frage des Kollegen
Gehrcke nur auf die bei der Veranstaltung jüngst in dieser
Region geäußerte Auffassung des Vorsitzenden der Bündnisgrünen, Herrn Kuhn, abgehoben. Wie bewerten Sie es
denn, dass dem Deutschen Bundestag ein Gruppenantrag
vorliegt, von mehreren Kolleginnen und Kollegen auch
Ihrer Fraktion unterschrieben - auch von Kolleginnen und
Kollegen, die sich mit Verteidigungsfragen befassen -,
der sich ebenfalls dagegen ausspricht, diesen Übungsplatz
weiterhin militärisch zu nutzen, und der sich für eine zivile Nutzung einsetzt?
Auf der einen Seite sind die
Antragsteller frei gewählte Abgeordnete. Auf der anderen
Seite gehöre ich zu den Leuten, die nach dem Motto leben: Man muss den Menschen auch die Wahrheit sagen.
In diesem Falle sieht die Wahrheit so aus, dass die Verteilung nicht so erfolgen kann, dass die schönen Dinge den
neuen Bundesländern zugute kommen, während sich der
Übungsbetrieb auf die alten Bundesländer beschränkt.
Wir haben inzwischen einige hervorragende Beispiele
dafür, dass die Bevölkerung damit, wie die Bundeswehr
die in Betrieb befindlichen Truppenübungsplätze benutzt,
außerordentlich zufrieden ist. Ich betreue den Unterausschuss Neue Bundesländer und kann nur sagen, dass das
zutraf, ob ich nun in Ohrdruf oder in der Oberlausitz, in
Jägerbrück oder in anderen Gebieten war. Deswegen
haben wir den Kollegen, die diese Anträge gestellt haben,
gesagt: Das mag ja vielleicht ganz spektakulär sein; aber
wir sind der Überzeugung, dass unsere Position richtig ist.
Es ist ihr Recht, solche Anträge zu stellen; die Mehrheit
des Bundestages wird aber mit ihrer Stimme diesen
Antrag ablehnen.
Wie bewerten Sie es
dann, Frau Staatssekretärin, dass der Unterausschuss
Neue Länder beschlossen hat, über diesen Gruppenantrag
eine Anhörung durchzuführen, dass es also im Ausschuss
eine Mehrheit für die Durchführung einer Anhörung zu
diesem Thema gab?
Es tut mir Leid; ich kann mich
nicht daran erinnern. Ich war verwundert, als ich dies las.
Ich war bei jeder dieser Sitzungen anwesend, weil ich den
Unterausschuss Neue Bundesländer des Verteidigungsausschusses begleite.
Nach meiner Kenntnis führt einer der mit diesem Gruppenantrag befassten
Ausschüsse eine Anhörung durch. Nach meiner Kenntnis
ist es der Unterausschuss Neue Länder.
Das glaube ich nicht, weil das
Truppenübungskonzept Angelegenheit des Gesamtausschusses ist. Es kann sein, dass sich der Verteidigungsausschuss damit befassen wird.
({0})
Auch ich glaube, dass
das außerhalb der Sitzung zu klären ist. - Es liegen keine
weiteren Fragen vor. Danke, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen 31, 32 und 33 zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit werden schriftlich
beantwortet. Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Dann beginnt
- vorgezogen - die Aktuelle Stunde.
({0})
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder aufgenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zu den anhaltend
hohen Arbeitslosenzahlen in Deutschland, zu
den im europäischen Vergleich niedrigen
Wachstumsraten und den geringen Investitionen in Straße und Schiene
Ich darf darauf hinweisen, dass wir uns in der Aktuellen Stunde befinden. Daher darf mit Ausnahme der Bundesregierung nicht länger als fünf Minuten gesprochen
werden.
Ich eröffne die Aussprache. Sind alle da? - Das scheint
der Fall zu sein. Dann hat als erster der Kollege Peter
Rauen für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! „Es wird und wird
nicht besser“, so hat die „Bild“-Zeitung die Arbeitslosenzahlen vom April dieses Jahres kommentiert. Es wird
nicht nur nicht besser, es wird im Kern immer schlechter.
Gerade im April dieses Jahres waren gegenüber dem Vorjahresmonat 156 000 Arbeitslose mehr zu verzeichnen als
ein Jahr zuvor. Das war die höchste Arbeitslosenzahl in einem April seit 1998. Wenn es richtig ist, dass der Arbeitsmarkt ein Spiegelbild der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ist, dann ist die Lage dort ein einziges Desaster.
({0})
Kanzler Schröder wollte, wie er in seiner Regierungserklärung gesagt hat, an dem gemessen werden, was er auf
dem Arbeitsmarkt bewegt. Wir werden im Jahre 2002 in
Deutschland über 4 Millionen Arbeitslose haben. Damit
hat er sein Ziel weit verfehlt; er ist auf dem Arbeitsmarkt
gescheitert.
({1})
Ich möchte noch mit einer Auffassung aufräumen, die
immer wieder von der Bundesregierung ins Feld geführt
wird, nämlich dass auf dem Arbeitsmarkt zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse geschaffen wurden. Ich verweise
auf die Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes. Hieraus geht ganz klar hervor, dass wir in Erwerbstätigenstunden gerechnet im Jahr 2002 in Deutschland weniger
arbeiten werden als im Jahr 1998. Das heißt, die vermeintlichen Erfolge auf dem Arbeitsmarkt hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Wir haben zwar mehr Teilzeitarbeitsverhältnisse, aber trotzdem wird in Deutschland
nicht mehr gearbeitet. Steuern und Abgaben werden nicht
auf den Arbeitsplatz gezahlt, sondern von den geleisteten
Stunden. Dabei liegen wir heute schlechter als im
Jahre 1998. Dann wird immer wieder die Wachstumsschwäche, die wir haben, genannt. Wir haben ja in den
letzten zwei Jahren in Europa bezüglich des Wachstums
unvergleichlich weit hinten gelegen.
({2})
Nach Einschätzung der Regierung vom November 2000
hätten wir in den Jahren 2001 und 2002 rund vier Prozent
Wachstum haben sollen. Dieses hat in Deutschland nicht
stattgefunden.
({3})
Vier Prozent Wachstum, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, bedeuten, dass Wachstum im Wert von rund
165 Milliarden DM stattgefunden hätte. Bei einer Steuerund Abgabenquote von fast 44 Prozent wird, gemessen
am Wachstum, klar, warum Bund, Ländern, Gemeinden
und den Sozialversicherungskassen insgesamt rund
65 Milliarden DM an Einnahmen fehlen. Dies ist das Ergebnis einer verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik dieser rot-grünen Bundesregierung.
Ich habe schon bei der Steuerdiskussion im Mai 2000
gesagt: Wer eine solche Politik gegen den Mittelstand und
die Arbeitnehmer macht wie diese Regierung,
({4})
der wird am Arbeitsmarkt brutal scheitern. Genau das ist
heute eingetreten. Alle 15 Minuten geht in Deutschland
ein Unternehmen in die Insolvenz.
({5})
Dabei sind noch nicht die mitgerechnet, die ihren Betrieb
aufgeben, weil er sich für sie nicht mehr rechnet: 33 000
im letzten Jahr, 40 000 werden es in diesem Jahr sein.
Ohne Unternehmer gibt es keine Arbeitsplätze.
Ich verstehe schon, dass die Gewerkschaften höhere
Löhne fordern und dass in Deutschland im Moment ein
Arbeitskampf im Gange ist;
({6})
denn auch die Gewerkschaften sind von dieser Regierung
in die Irre geführt worden.
({7})
Sie haben geglaubt, dass die Lohnzusatzkosten reduziert
würden. Auch mit diesem Versprechen ist die Regierung
brutal gescheitert.
({8})
- Sie mögen ja hier Zwischenrufe machen, aber nehmen
Sie bitte die Fakten zur Kenntnis.
({9})
In meinem Betrieb betragen die Sozialversicherungsbeiträge in diesem Jahr 41,9 Prozent. Sie lagen im
Jahr 1998 bei 42 Prozent. Das heißt, meine Mitarbeiter haben lediglich 0,1 Prozent weniger an Lohnzusatzkosten.
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist zu Ende.
Ja. - Das sind bei einem
Gehalt von 5 000 DM 2,50 DM für den Arbeitnehmer und
2,50 DM für den Betrieb pro Monat,
({0})
und das bei einer unvergleichlichen Erhöhung der Energiekosten, angetrieben durch die Ökosteuer, wobei die
Steuerreform und die moderaten Lohnabschlüsse der letzten Jahre - weil die Gewerkschaften der Regierung geglaubt hatten - völlig konterkariert wurden durch das, was
an Lohnmehrkosten aufgebracht werden musste.
({1})
Vor diesem Hintergrund muss man leider feststellen,
dass es überhaupt keine Anzeichen gibt, dass wir vor einer Besserung stünden. Selbst der Geschäftsklimaindex
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist weit überschritten. Wir sind in der Aktuellen
Stunde.
({0})
- ja, ich komme zum
Ende -, der von Herrn Eichel als Indiz für ein bevorstehendes Wachstum bemüht worden ist, hat sich beim letzten Mal wieder verschlechtert.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({0})
Ich erteile das Wort
dem Bundesarbeitsminister Walter Riester.
Meine Damen und Herren! Ich bin sehr für eine
Debatte zu diesem Thema, aber ich frage mich, warum die
Opposition sie mit Unwahrheiten beschmutzt.
({0})
Es ist nicht so, dass die Arbeitslosigkeit stagniert, sondern wir haben die Arbeitslosigkeit um 10 Prozent reduziert, und zwar eine Arbeitslosigkeit, die wir von Ihnen
übernommen haben.
({1})
Von 1,8 Millionen im Jahr 1982 auf 4,8 Millionen stieg sie
in der Verantwortung Ihrer Regierung.
({2})
Ich kann ja verstehen, dass die Bewältigung des Problems einigen Leuten zu langsam ging. Aber ich kann
nicht verstehen, dass diejenigen, die das Problem verursacht haben, nun mit dem Finger auf uns zeigen.
({3})
Ich freue mich über die zurückgehende Arbeitslosigkeit; Sie haben Sorge. Besonders freut mich, dass die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen um 18 Prozent zurückgegangen ist.
({4})
Auch das ist nicht von alleine passiert. Wir haben dafür
gesorgt, indem wir mit vielen Aktiven in den Arbeitsämtern konsequent für das Gesetz zur Integration Schwerbehinderter kämpfen und in den Betrieben und Köpfen Barrieren abbauen, um diese Menschen in den Arbeitsmarkt
zu bringen.
({5})
Warum haben Sie dagegen gestimmt? Warum wollten Sie
auch das nicht?
Ich freue mich, dass inzwischen 400 000 junge Menschen über das JUMP-Programm Zugang zu Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung bekommen haben. Warum haben Sie dagegen gestimmt? Warum freuen Sie sich nicht
darüber?
({6})
Herr Rauen, ich freue mich, dass 1,2 Millionen Menschen zusätzlich in Arbeit sind, seit wir die Regierung
übernommen haben. Dafür brauche ich keine Rechenbeispiele; ich freue mich einfach darüber. Warum freuen Sie
sich nicht?
({7})
Warum brauchen Sie eine Debatte, in der alles mies gemacht wird? Diejenigen, die sich hineinknien, die den
Karren aus dem Dreck ziehen, die vielen Tausenden von
Menschen, die sich der schwierigen Herausforderung der
Arbeitslosigkeit stellen, erleben eine Debatte, in der Sie
alles und jedes mies machen.
({8})
Wir sind die drittstärkste Wirtschaftsnation der Welt.
Was hören wir von Ihnen? Von Ihnen hören wir, dass das
Wachstum zu gering ist. Haben Sie denn vergessen, dass
das Wachstum in der letzten Legislaturperiode gerade einmal halb so stark war wie jetzt? Haben Sie das vergessen?
Das können Sie doch nicht vergessen haben!
({9})
Wir freuen uns darüber, dass wir immer noch ein doppelt
so hohes Wachstum haben, obwohl die Wirtschaft in den
USA eingebrochen ist. Dafür stehen wir und dafür kämpfen wir.
({10})
- Mein lieber Herr dahinten, der Sie von der roten Laterne
sprechen: Die rote Laterne hat schon 1993 aufgeblinkt. Da
waren Sie in der Regierungsverantwortung und haben
freidemokratisch gelächelt.
({11})
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich
habe den Eindruck, dass Sie die Menschen nicht mögen,
die gegen die Arbeitslosigkeit kämpfen, dass Sie nicht zu
unserem Land, das stark ist und sich den Herausforderungen stellt, stehen. Warum wohl? Für was braucht die Opposition ein Schreckensbild, das sie den Menschen immer
wieder vor Augen führt?
Wir stehen zu der Kampagne, 400 000 junge Menschen, die Schwierigkeiten haben, in Arbeit zu bekommen. Bei Schwerbehinderten, die anderenfalls keine Arbeit gefunden hätten, ist die Arbeitslosigkeit um
18 Prozent gesunken. Die Arbeitslosigkeit insgesamt ist
um 10 Prozent geringer geworden. In diesem Monat wird
die Zahl der Arbeitslosen mit Sicherheit unter der
4-Millionen-Grenze liegen.
({12})
Was haben wir von Ihnen übernommen? Im Januar/
Februar Ihres letzten Regierungsjahres 4,8 Millionen Arbeitslose.
({13})
Was ist dann passiert? Menschen kamen massenweise in
ABM und SAM. Das waren - Herrn Kolb habe ich es vorhin aufgezeigt - in Ostdeutschland fast 300 000. Sie haben versucht, die Statistik zu manipulieren. Das lassen wir
Ihnen nicht durchgehen.
({14})
Wir hatten im letzten Monat einen Rückgang der Arbeitslosigkeit um 132 000. Auch in diesem Monat wird es
einen deutlichen Rückgang, nämlich um weit über
100 000, geben. Das Job-AQTIV-Gesetz greift. Ich frage
Sie: Sind Sie bereit, nun endlich bei Reformen mitzumachen?
({15})
Sie haben sich gegen die jungen Menschen gestellt. Sie
haben gegen das Job-AQTIV-Gesetz gestimmt. Sie haben
gegen die Integration Schwerbehinderter gestimmt.
({16})
Sie dokumentieren uns ein Land, das so, wie Sie es darstellen, nun wirklich nicht ist.
({17})
- Das ist richtig. Aber auch mit Unternehmern waren bei
Ihnen 4,8 Millionen Menschen arbeitslos.
({18})
Auch mit Unternehmern waren bei Ihnen 1,2 Millionen
Menschen weniger in Arbeit. Daran darf ich Sie erinnern.
Ich kann überhaupt nicht erkennen, warum jemand,
wenn diese rückwärts gerichtete Politik weitergeht und
Sie sich allem verwehren, auf Sie setzen soll. Wenn Sie
wieder in die Regierungsverantwortung kämen,
({19})
warum würden Sie nicht erneut unser Land in eine Arbeitslosigkeit von bis zu 5 oder 6 Millionen Arbeitslosen
führen? Sie standen kurz vor 5 Millionen. Wer sollte darauf vertrauen, dass Sie unserem Land bei all Ihrem Verweigern und Rückwärtsgerichtetem, bei all dem, wogegen Sie sich stemmen, tatsächlich einen Schub der
Erneuerung bringen? Daran glauben große Teile aus Ihren
eigenen Reihen nicht mehr. Sonst würden Sie sich hier
nicht so darstellen.
({20})
Wir werden konsequent den Weg der Absenkung der
Arbeitslosigkeit, des Aufbaus von Beschäftigung,
({21})
der Hilfe für Problemgruppen, die durch ein Wirtschaftswachstum allein keine Unterstützung erfahren und die Arbeit finden sollen, gehen. Diese Gruppen habe ich Ihnen
aufgezählt; gegen all diese Gruppen haben Sie sich gestellt.
({22})
- Da hinten kräht wieder jemand „Stimmt gar nicht!“.
({23})
Die Zahl von rund 196 000 arbeitslosen schwer behinderten Menschen haben wir um 35 000 reduziert. Das ist eine
Leistung. Für jeden Einzelnen freue ich mich.
({24})
Ich darf Ihnen auch sagen, dass ABM und SAM
({25})
in weiten Bereichen Ostdeutschlands, wo es keine Arbeitsplätze zu vermitteln gibt, die bessere Alternative ist,
als nur Leistungen zu beziehen. Das wissen wir.
({26})
Vor kurzem war ich in Rosenheim in Bayern. Dort bin
ich vom Diakonischen Werk zu einer wichtigen Jugendinitiative eingeladen worden. In dieser wichtigen Jugendinitiative sind Menschen, die an AB-Maßnahmen teilnehmen. Sie haben Angst, wenn Ihnen erklärt wird, dass dies
alles abgestellt werden soll. Diese jungen Menschen bekommen sonst keine Unterstützungsleistungen. Sie haben
mich gefragt: Was ist zu erwarten, wenn es einen Regierungswechsel gibt?
({27})
Ich habe sie nur mit dem konfrontiert, was Ihr Kandidat,
meine Damen und Herren von der FDP, sagt. Dann sind
sie blass geworden. Für mich ist auch dieser Bereich
wichtig. Das war in dem Arbeitsamtsbezirk, der die geringste Arbeitslosigkeit aufweist, in dem diese jungen
Menschen trotzdem keine Chancen haben,
({28})
aber Gott sei Dank vom Diakonischen Werk betreut werden. Diesen 18 Menschen, mit denen ich gesprochen
habe, möchte ich ihre Chancen erhalten. Dies ist mir genauso wichtig wie Ihre angestrebten 18 Prozent.
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
({29})
Für die FDP-Fraktion
erteile ich dem Kollegen Dr. Heinrich Kolb das Wort.
({0})
Jetzt hören Sie doch erst
einmal zu!
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
({1})
Herr Andres, als unlängst die Feierstunde zum 50-jährigen Bestehen der Bundesanstalt für Arbeit stattgefunden
hat, haben deren Beschäftigte vor dem Versammlungssaal
mit Transparenten demonstriert, auf denen zu lesen stand:
„Was sollen wir vermitteln, wenn es keine Arbeitsplätze
gibt?“. Das ist, auf eine kurze Formel gebracht, das ganze
Drama rot-grüner Arbeitsmarktpolitik.
({2})
Denn, Herr Riester, zwar wollen Sie Arbeitslose verpflichten, sich stärker als bisher um die Wiederaufnahme
von Arbeit zu bemühen.
({3})
Sie üben auch Druck auf die Vermittler der Bundesanstalt
für Arbeit aus. Sie setzen, wie wir übrigens schon seit Jahren, verstärkt auf private Arbeitsvermittlung. Dies alles
sind für sich genommen sinnvolle Schritte. Aber, Herr
Riester, Sie übersehen das Wichtigste: Die Arbeitslosigkeit in unserem Land kann auf Dauer nur dann erfolgreich
reduziert werden, wenn gleichzeitig, also parallel zu diesen Maßnahmen, von Unternehmern genügend neue
Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt bereitgestellt werden. Daran krankt es.
({4})
- Diese Arbeitsplätze, Herr Kollege Weiermann, kann
man nicht per Gesetz verordnen.
({5})
Wenn man dies könnte, hätten Sie schon längst ein solches
Gesetz auf den Weg gebracht.
Neue Arbeitsplätze entstehen, wenn das unternehmerische Umfeld stimmt, wenn es Freiräume für eine erfolgreiche unternehmerische Betätigung gibt und wenn sich
das Eingehen eines unternehmerischen Risikos nach Steuern auch wirklich lohnt.
({6})
Hier muss man feststellen: Die rot-grüne Politik krankt
am falschen Paradigma. Wer bei der Formulierung seiner
Gesetze immer das Großunternehmen mit dem Gewerkschaftsbüro neben der Betriebskantine vor Augen hat, der
muss ganz zwangsläufig den Mittelstand überfordern.
({7})
- Nein, das ist keine Mittelstandslüge. Das ist ein Faktum,
Herr Dreßen. Das ist das Problem.
({8})
Sie liegen ganz offensichtlich mit Ihrer Politik falsch.
Im letzten Jahr kam es zu 33 000 Unternehmenszusammenbrüchen. In diesem Jahr wird es 40 000 Unternehmenszusammenbrüche bzw. Insolvenzen geben. Das
heißt, der Mittelstand, die tragende Säule unserer Volkswirtschaft, knickt ein. Das müsste für uns alle eigentlich
ein Alarmsignal sein.
({9})
Dazu kommt, dass die Netto-Existenzgründungsrate
sinkt. Dies ist ein „Erfolg“ des rot-grünen Kampfes gegen
die so genannte Scheinselbstständigkeit. Viele Vollblutunternehmer ziehen sich frustriert zurück und geben Ihr
Unternehmen auf, weil es keinen Spaß mehr macht, in
Deutschland selbstständig zu sein und ein Unternehmen
zu führen.
({10})
Das erklärt - um zum Thema dieser Aktuellen Stunde
zurückzukommen -, warum die Arbeitslosigkeit in
Deutschland auf einem hohen Niveau verharrt und warum
Deutschland mit nur noch 0,6 Prozent Wirtschaftswachstum das Schlusslicht in Europa ist.
Ungefähr 75 Prozent der 3,3 Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland haben bis zu fünf
Beschäftigte, 95 Prozent sogar bis zu 20 Beschäftigte.
Wenn jedes der 3,3 Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland - Herr Dreßen, das ist keine Mittelstandslüge, das ist die Wahrheit - nur einen zusätzlichen Beschäftigten einstellen würde, hätten wir das
Problem der Arbeitslosigkeit - das werden Sie zugeben
müssen - weitgehend gelöst.
({11})
Deswegen muss der Mittelstand in das Zentrum der Politik gerückt werden und darf nicht - wie bei Ihnen - nur
eine Randrolle spielen.
Wir von der FDP wollen den Mittelstand in Deutschland aus dem Würgegriff rot-grüner Politik befreien,
({12})
und zwar nicht als Selbstzweck, sondern um die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass als Ergebnis unternehmerischer Entscheidungen - das ist der einzige Weg,
auch wenn das nicht in Ihr Weltbild passt ({13})
mehr Arbeitsplätze angeboten werden.
({14})
Deswegen fordern wir ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem mit einem einheitlichen Stufentarif
mit Sätzen von 15, 25 und 35 Prozent.
({15})
Deswegen wollen wir mehr Freiraum für betriebsnahe
Lohngestaltungen, deswegen wollen wir die Einführung
eines Niedriglohnbereichs mit steuer- und abgabefreien
630-Euro-Jobs. Deswegen wollen wir eine mittelstandsfreundliche Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, das
auch auf die funktionierende informelle Mitbestimmung
in den kleinen und mittleren Unternehmen Rücksicht
nimmt.
({16})
Deswegen wollen wir eine Veränderung beim Kündigungsschutz und beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
und die Rücknahme des Rechtsanspruchs auf Teilzeitarbeit. Deswegen wollen wir die Rücknahme des Gesetzes
zur Bekämpfung der so genannten Scheinselbstständigkeit.
Meine Damen und Herren, das, was ich hier nur schlagwortartig skizziert habe und skizzieren konnte, ist, nicht
der bequeme Weg. Darüber sind wir uns allerdings im
Klaren. Aber ich bin heute mehr denn je davon überzeugt:
Es gibt keine Alternative. Darin bestärkt uns nicht nur
- ich habe das schon wiederholt zitiert - der Sachverständigenrat Ihrer Bundesregierung, sondern darin bestärkt
uns auch die EU-Kommission, die sich in einer jüngst verDr. Heinrich L. Kolb
öffentlichten Untersuchung mit der Frage beschäftigt hat,
warum Deutschland bei Wachstum und Beschäftigung
hinterherhinkt.
Dort heißt es:
Ohne weit reichende Reformen auf dem Arbeitsmarkt könnte der Wachstumsunterschied auf mittlere
Sicht signifikant bleiben.
Passiere nichts, so Kommissar Solbes, werde das Wachstum in Deutschland in den nächsten fünf Jahren nur 2 Prozent ausmachen, im Rest der Eurozone hingegen
2,75 Prozent. Das heißt, die Probleme, die wir bei Wachstum und Arbeitslosigkeit haben, sind hausgemacht. Sie
tragen dafür die Verantwortung.
({17})
Wir werden nach dem 22. September umgehend darangehen, die Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung in Deutschland zu schaffen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({18})
Jetzt hat die Parlamentarische Staatssekretärin Margareta Wolf das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kolb,
wir wissen, dass Sie lediglich in der Lage sind, schlaglichtartig irgendetwas zu erzählen, was in sich widersprüchlich ist. Ihre Konzepte sind unseriös, verehrter Herr
Kollege, das sagen alle Wirtschaftswissenschaftler.
Sie haben gerade die Kommission angesprochen, daher
frage ich: Wie wollen Sie mit dem Ausgabevolumen, das
Sie in Ihrem Programm vorgesehen haben - es sind über
100 Milliarden mehr -, dem Stabilitätspakt genügen?
Oder sind Sie jetzt auch noch Antieuropäer geworden?
({0})
Mein lieber Herr Kollege, ich schätze Sie sehr, aber
auch ich möchte ein Schlaglicht aus Ihrem Programm zitieren. Hören Sie mir einmal zu, Sie werden nämlich langsam zu einer Haider-Partei, zu einer rechten Partei. In
Ihrem Programm steht
({1})
- hören Sie zu -:
Die Interventionsspirale des kollektivistischen Beglückungsstaates kennt keine Grenzen. Der Sozialstaat
ist entartet zu einem Wohlfahrts- und Versorgungsstaat,
der mit seinen ausufernden Belastungen die Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung gefährdet.
Wer war es denn - Herr Kolb, ich erwarte schon und es
ist guter demokratischer Stil, dass man sich zuhört -,
({2})
der Zeiss-Jena für jeden Arbeitsplatz im Monat
400 000 DM gezahlt hat? Das waren doch Sie, das waren
nicht wir.
({3})
Sie erzählen je nach Gusto. Es ist wirklich flaneurhaft,
was Sie hier machen. Ich finde das unverantwortlich.
Heute Morgen hat Theo Waigel anlässlich der Trauerfeier einen sehr schönen Satz gesagt. Er sagte, wir sollten
uns manchmal zu Gemüte führen, was ältere Parlamentarier sagen. Ich habe vor zwei, drei Wochen Herrn Eppler
gehört. Herr Eppler hat gesagt: Es gibt kein Land in Europa, in dem man wöchentlich, monatlich auf Arbeitslosen- statt auf Wachstumszahlen starrt, in dem man nicht
auf die Leute stolz ist, die in diesem Land tatsächlich arbeiten, in dem man jede Debatte nutzt, um den Standort
tatsächlich schlecht zu reden. Das ist unverantwortlich.
({4})
Wir wissen, verehrter Herr Kollege, bereits seit 25 Jahren - auch das hat Eppler gesagt und es ist richtig -, dass
Wachstum und Beschäftigung nicht rein nationalökonomisch geschaffen werden, sondern dass das von Entwicklungen außerhalb von Europa und von Entwicklungen innerhalb von Europa abhängig ist. Seit 25 Jahren werden
wir bei jeder Bundestagswahl mit der These „Den Aufschwung wählen“ konfrontiert. Das ist Volksverdummung. Was Herr Rauen hier heute geboten hat, geht genau
in die gleiche Richtung und ist noch nicht einmal kompatibel mit Ihrem Programm.
({5})
Ich glaube, die Präsenz in dieser Debatte lässt auch deutlich werden, dass Sie es selber nicht mehr ertragen, hier
jede Woche die gleiche Debatte zu führen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
({6})
Wir haben 1 Million neue Arbeitsplätze geschaffen.
Wir haben allein im Bereich der erneuerbaren Energien
100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Was lese ich im
Programm der FDP? Das Erste, was Sie machen wollen
- die CDU/CSU will das auch -, ist, diesen innovativen
Schritt, diesen Exportschlager, diesen Beschäftigungsmotor abzuschaffen.
({7})
Sie müssen sich einmal überlegen: Wollen Sie zurück
oder wollen Sie nach vorne? Wollen Sie zukunftsfähige
Arbeitsplätze schaffen oder wollen Sie wieder ein
Arbeitslosenpotenzial von 11,7 Prozent evozieren, wie
Sie es zum Ende Ihrer Regierungszeit hatten? Das wird
die Bevölkerung schon merken. Führen Sie nur jede Woche diese Debatte.
({8})
- Sie können weiter an Umfragen glauben. Wir glauben
daran nicht so unbedingt.
({9})
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte
Ihnen einmal sagen, was die Institute dazu meinen, wie es
dem Wirtschaftsstandort Deutschland wirklich geht; Herr
Riester hat das in Teilen schon gesagt. Wir haben den Vorteil, dass wir exportstarke Unternehmen haben und dass
die Entwicklung der Exportvolumina in 2001 laut IMF in
Deutschland bei plus 4,7 Prozent lag. Der Welthandel lag
bei minus 0,2 Prozent, die USA lagen bei minus 4,6 Prozent, Japan lag bei minus 6,5 Prozent und Italien bei plus
1,1 Prozent. Oder lassen Sie mich einmal die Zahlen zur
Arbeitslosenquote nennen, wegen der wir diese Debatte
führen: Eurostat sagt, wir liegen mit 7,9 Prozent niedriger
als alle anderen großen europäischen Mitgliedstaaten,
zum Beispiel als Spanien mit 13 Prozent, als Italien mit
9,5 Prozent, als Frankreich mit 8,6 Prozent. Herr Kolb,
warum sagen Sie unseren Unternehmen, die ja etwas unternehmen sollen, immer, sie seien so schlecht und wir
seien insgesamt die rote Laterne in Europa? Das ist unverantwortlich. Das wird den Leistungen der Menschen in
unserem Lande auch nicht gerecht.
({10})
Wir haben die zweithöchste Anzahl von Patentanmeldungen. Patente, das wissen Sie, stehen für Innovationen.
Wir stehen da in Europa gleich hinter Schweden. Die
deutschen Biotech-Firmen haben die höchsten Wachstumsraten in Europa. Die Zahl der Beschäftigten auf diesem Gebiet hat sich verdoppelt.
({11})
Das sagt eine Studie aus Baden-Württemberg.
Wir haben natürlich auch ein hohes Maß an wirtschaftlichem und sozialem Konsens in Wirtschaft und Gesellschaft sowie ein stabiles Wachstum und einen den Strukturwandel fördernden Ordnungsrahmen. Wir sollten das
insgesamt einmal zur Kenntnis nehmen. Wenn ich in
Ihrem Programm lese, wie Sie das Bündnis für Arbeit
({12})
als ein Degradierungsinstrument beschreiben, dann muss
ich Sie bitten: Reden Sie auch nicht mehr über soziale
Marktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft basiert auf sozialem Konsens zwischen den Verbänden der Arbeitgeber,
den Verbänden der Arbeitnehmer und der Politik.
({13})
Sagen Sie doch, was Sie wirklich wollen.
Ich kann wirklich dringend empfehlen, dieses Programm zu lesen; dann weiß man, was sich hinter diesen
wohlfeilen Sätzen und der „Spaßgesellschaft“ tatsächlich
verbirgt.
({14})
Wir sind bei den ausländischen Direktinvestitionen auf
dem höchsten Rang.
({15})
Wir haben - das attestieren uns die Institute - eine
Wettbewerbspolitik, die unfaire Konkurrenz verhindert.
Sehr geehrter Herr Kollege Rauen, wir haben eine Verzehnfachung bei den ausländischen Direktinvestitionen.
({16})
Wir liegen bei einer Größenordnung von 80,7 Milliarden Euro. Da ist Vodafone explizit ausgerechnet, verehrter Herr Kollege. Ich darf schon erwarten, dass auch
Sie sich bisweilen die Zahlen anschauen, wenn Sie uns
schon immer mit diesen Debatten mittwochnachmittags
nerven.
({17})
Wir alle wissen, dass es heute wichtig ist, dass die Beschäftigten weitergebildet werden und dass es Bildungsinitiativen in den Unternehmen gibt. Wir liegen durch unsere relativ umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen für
Angestellte ziemlich weit vorn in Europa.
Letzte Bemerkung. Deutschland ist in der Rankingliste - und zwar in der aktuellen - auf Platz 15 und somit immer noch vor allen anderen großen EU-Ländern. Großbritannien ist auf Platz 16, Frankreich ist auf Platz 22,
Spanien ist auf Platz 23, Italien ist auf Platz 32.
({18})
Allein die Vereinigten Staaten liegen als großes Industrieland vor uns.
Verehrter Kollege, Sie beziehen das auf Dänemark,
Österreich und Island. Das sind kleine Länder, die von
daher natürlich eine viel kleinere Arbeitslosenzahl haben. Sie wissen, dass sie in einer Größenordnung von
300 000 liegt; das entspricht der Einwohnerzahl von
Bonn. Das ist natürlich nicht vergleichbar mit der der
Bundesrepublik Deutschland, die ein starkes Wirtschaftsland ist.
Ich komme zu meiner letzten Bemerkung: Auch wir
- das ist bei den Ausführungen von Herrn Riester sehr
deutlich geworden - machen uns selbstverständlich Sorgen, wenn die Arbeitslosenquote ein wenig steigt oder wir
Befürchtungen haben müssen, dass der Ölpreis wegen des
Krieges im Nahen Osten steigt.
({19})
Die Schadenfreude, mit der Sie an das Thema herangehen,
wird ihm allerdings nicht gerecht. Ich weiß, dass man
nicht immer nur zurückschauen, sondern den Blick auch
nach vorne richten sollte. Wenn ich nach vorne schaue,
entdecke ich bei Ihnen allerdings nichts außer unseren Initiativen, die Sie in Ihrem Programm fortschreiben, verehrte Kollegen von der CDU/CSU.
({20})
Kümmern wir uns gemeinsam um die Arbeitslosen und
verdummen Sie die Leute nicht weiter, indem Sie hier jeden Mittwoch immer die gleichen Debatten führen und
keine einzige Perspektive aufzeigen!
Danke schön.
({21})
Für die PDS-Fraktion
erteile ich dem Kollegen Dr. Klaus Grehn das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch das Thema
dieser Aktuellen Stunde reiht sich in den Versuch der
Unionsparteien ein, mit aller Macht zugegebenermaßen
wichtige Themen zu Dauerthemen im Wahlkampf zu
machen.
({0})
- Herr Kolb, an diesem Dauerlauf - er erinnert mich an
den Lauf eines Hamsters im Rad - ist allerdings wenig
Neues. Andere Konzepte haben wir von Ihnen auch in der
Vergangenheit nicht gesehen.
({1})
Gewiss - das sieht auch die PDS so - wiederholt die
Regierung Schröder einige wesentliche Fehler, die ihre
Vorgängerin bereits gemacht hat.
({2})
Dazu zählt eine unzureichende Wirtschaftspolitik, die
wenig zur erhofften Wende auf dem Arbeitsmarkt beigetragen hat. Dazu gehört auch, dass es wenig Nachhaltigkeit bei den Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt gibt.
Herr Bundesarbeitsminister, die Bäume wachsen dort
wahrlich nicht in den Himmel. Schließlich beschneidet sie
die dringend notwendigen und zudem Beschäftigung
schaffenden öffentlichen Investitionen. Das geschieht
nicht nur bei Schiene und Straße, wie Sie das in Ihrem Antrag geschrieben haben.
Bei der Union werden alle diese Sachverhalte und Politikfelder aus wahltaktischen Gründen in Bezug zu den
hohen Arbeitsmarktzahlen gesetzt. Das ist insofern demagogisch, als auch die Regierung Kohl bei höherem
Wirtschaftswachstum kein Rezept gegen die damals noch
höhere Arbeitslosigkeit gefunden hat.
({3})
Für die PDS stellt sich natürlich mit aller Schärfe die
Frage, warum es auch dieser Bundesregierung nicht gelungen ist, gegen die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit vorzugehen.
({4})
Millionen Wählerinnen und Wähler - übrigens nicht nur
der PDS - stellen sich diese Frage auch. Auch 12 Jahre
nach der Vereinigung ist fast jeder fünfte Ostdeutsche
ohne Erwerbsarbeit. Die Bundesregierung greift zu Mitteln, die sie selbst längst als völlig untauglich für einen
Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit erkannt haben
müsste. Dazu gehören die Experimente mit der Bundesanstalt für Arbeit und die eigentlich gescheiterten Modelle, wie zum Beispiel das Mainzer Modell. Sie wendet
sich dem Kern des Problems nicht mit tauglichen Mitteln
zu.
Auch die Unionsparteien setzen weiter auf das falsche
Pferd. Sie lassen ihren Kanzlerkandidaten Stoiber verkünden, dass neue Arbeitsplätze vor allem im Niedriglohnbereich entstehen.
({5})
So bleibt es erneut der PDS überlassen, der Regierung und
der CDU/CSU zu erklären, dass solche Konzepte nicht
greifen werden. Wären solche Versuche, die Sie vorschlagen, nämlich erfolgversprechend, wäre ganz Ostdeutschland ein Eldorado für Arbeitsplatzsuchende.
({6})
Das Gegenteil ist aber der Fall. Herr Kolb, Sie wissen
ganz genau, dass der Bruttolohn aller abhängig Beschäftigen in den neuen Bundesländern durchschnittlich
20 762 Euro beträgt. Damit liegt er um 22,5 Prozent unter dem in den alten Bundesländern. Dennoch ist die Arbeitslosenrate um das 2,3-fache höher; die Beschäftigung
hat in den neuen Bundesländern dramatisch abgenommen.
({7})
Das führt Ihre Aussagen eigentlich ab absurdum.
Der Kern des Problems liegt ganz woanders. Er liegt in
der Schaffung von Arbeitsplätzen mit existenzsicherndem
Einkommen oberhalb der Armutsgrenze.
({8})
Eine solche Entwicklung sichert die Steigerung der Binnennachfrage, die die Wirtschaft ankurbelt und zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Das Warten auf Automatismen
und das Schielen auf die amerikanische Konjunktur ist lösungshemmende Untätigkeit. Das muss die gegenwärtige
Koalition den Wählerinnen und Wählern erklären.
Nichts deutet darauf hin, dass das erwartete Wunder eines beschäftigungswirksamen Wachstums von mehr als
2,3 Prozent in diesem Jahr eintreten wird. Aus Wahlkampfgründen die geplanten tiefen Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme zu verschweigen oder zu verschieben wird die Menschen in Deutschland nicht mehr
ruhig stellen können.
Auch die PDS hat keinen Königsweg zur massenhaften Schaffung von Arbeitsplätzen.
({9})
Aber wir weisen auf eine ganze Reihe von Problemen hin.
Ich nenne zum Beispiel das Stichwort Reserve. Der Kanzler hätte beim Bündnis für Arbeit mit der Faust auf den
Tisch schlagen sollen. Die Bundesregierung hat jedoch im
Gegensatz zur PDS kein erkennbares Konzept zur nachhaltigen Senkung der Arbeitslosigkeit. In ihrem beschäftigungspolitischen Programm hat die PDS eine Reihe von
Vorschlägen eingereicht. Ich nenne nur einige: Ausweitung der öffentlichen Investitionen und ein kommunales
Infrastrukturentwicklungsprogramm. Wir können Ihnen
dieses Konzept gerne zur Verfügung stellen und die Details dazu erklären.
({10})
Das bedeutet etwa 5 Millionen neue Arbeitsplätze.
Die PDS stimmt mit den Unionsparteien überein: Die
Untätigkeit und das der Union bekannte Aussitzen von lebenswichtigen Problemen unseres Volkes seitens dieser
Bundesregierung müssen beendet werden. Ob das allerdings der zukünftige Kanzler besser als der vor 16 Jahren
macht, ist nicht klar.
({11})
Für die SPD-Fraktion
erteile ich nun das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Wend.
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Kurz vor den Bundestagswahlen ist es Zeit, die Regierungszeit bis 1998 und
die letzten vier Jahre miteinander zu vergleichen. Der Vergleich lohnt sich.
({0})
Arbeitslosenzahl 1998 unter Schwarz-Gelb 4,3 Millionen, heute 3,8 Millionen; ein Minus von 10 Prozent.
({1})
Langzeitarbeitslosenzahl 1998 unter Schwarz-Gelb
1,5 Millionen, heute 1,2 Millionen; ein Minus von
15,7 Prozent.
({2})
Die Zahl älterer Arbeitsloser 1998 unter Schwarz-Gelb
950 000, heute 714 000; ein Minus von 24,8 Prozent.
Nettolöhne und -gehälter 1998 unter Schwarz-Gelb
508 Milliarden Euro, heute 596 Milliarden Euro; ein Plus
von 17,2 Prozent. Kreditaufnahme des Bundes 1998 unter Schwarz-Gelb 28,8 Milliarden Euro, heute 22,3 Milliarden Euro; ein Minus von 22,5 Prozent. Ausgaben für
Bildung und Forschung 1998 unter Schwarz-Gelb
7,27 Milliarden Euro, heute 8,4 Milliarden Euro; ein Plus
von 15,5 Prozent. Forschungsförderung Ostdeutschland
1998 unter Schwarz-Gelb 8,4 Milliarden Euro, heute
11,8 Milliarden Euro; ein Plus von 24,4 Prozent.
({3})
Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur 1998 unter
Schwarz-Gelb 9 Milliarden Euro, heute 11,5 Milliarden Euro; ein Plus von 21,5 Prozent.
({4})
Durchschnitt der ausländischen Direktinvestitionen in
den 90er-Jahren unter Schwarz-Gelb 13 Milliarden Euro,
Durchschnitt unter Rot-Grün in vier Jahren 90 Milliarden Euro.
({5})
Durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in den 90er-Jahren unter Schwarz-Gelb 1,2 Prozent,
durchschnittliches Wachstum unter Rot-Grün in vier Jahren 1,8 Prozent.
({6})
Es gibt keine ökonomische Kennziffer, bei der RotGrün nach vier Jahren nicht deutlich besser liegt, als Sie
am Ende Ihrer Regierungszeit gelegen haben.
({7})
- Ich weiß, Sie führen lieber ominöse Lampen- und Lichterdebatten. Aber wenn es um die harten Fakten geht,
dann kneifen Sie, weil Sie nichts zu bieten haben, was sich
mit unseren Leistungen vergleichen lässt.
({8})
Aber erinnern wir uns - das ist ja das Schöne; es ist
noch gar nicht so lange her, dass Schwarz-Gelb regiert
hat -: Was haben uns die Herrschaften, die mit lauter
Stimme reden, aber nicht gut zuhören können, hinterlassen? 1,5 Billionen DM Staatsverschuldung - die höchste
Verschuldung, die unser Land je gehabt hat -, 4,3 Millionen Arbeitslose - die höchste Zahl von Arbeitslosen -,
42,3 Prozent Sozialversicherungsbeiträge - hochgetrieben in Ihrer Regierungszeit von 34 auf 42,3 Prozent ({9})
und die höchste Steuerlast, die es in unserem Land je gegeben hat.
({10})
Die Erblasser dieses ökonomischen Desasters aber führen
mit uns Schlusslichtdebatten. Meine Damen und Herren,
ich kann an Ihre Seite gewandt nur sagen: Das ist unanständig.
({11})
Sie wollen vielleicht nicht so gerne - das mag für Sie
auch nicht so angenehm sein - die Zahlen der Vergangenheit hören. Dann wenden wir uns einmal den Konzepten
für die Zukunft zu. Die FDP schlägt vor: dreimal unter
35 Prozent, also Staatsquote, Steuern und Abgaben unter
35 Prozent senken.
({12})
Dazu hat der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Herr
Merz, gestern etwas Schönes in der „Welt“ gesagt:
Während, mit Verlaub, eine Zielsetzung „drei Mal
35“ ziemlich albern ist ...
Dem ist nichts hinzuzufügen, Herr Kolb.
({13})
Er hat in dem Interview etwas später noch gesagt:
Beim FDP-Parteitag hat offensichtlich ein kollektives Besäufnis ohne Alkohol stattgefunden.
({14})
Ich meine, dabei müssen wir Herrn Brüderle als Weinbauminister in Schutz nehmen. Ein bisschen Alkohol wird
sicherlich dabei gewesen sein; aber ansonsten will ich
dem gerne folgen.
Wenn aber die FDP so hart kritisiert wird, frage ich
mich im Hinblick auf die CDU/CSU: Warum kopieren Sie
dann fast die FDP und tauschen die 35 Prozent nur gegen
40 Prozent aus?
({15})
Wissen Sie, was es bedeuten würde, wenn die Staatsquote
tatsächlich auf unter 40 Prozent gesenkt würde?
({16})
170 Milliarden Euro weniger Staatsausgaben durch Bund,
Länder und Kommunen. Wo bleiben dann die Investitionen für den Straßenbau, für die Krankenhäuser, Schulen
und Kindergärten?
({17})
Wo bleiben das Krankengeld und das Arbeitslosengeld?
Entweder sind Sie ökonomisch nicht ernst zu nehmen,
weil Sie nicht zu Ende denken, oder Sie wollen diesen Sozialstaat kaputtmachen.
({18})
Beides sind Gründe, die zeigen, dass Ihre Regierungsunfähigkeit nach wie vor umfassend ist, meine Damen und
Herren.
({19})
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist um.
Das ist eigentlich schade.
Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen.
Wir wissen, dass die letzten vier Jahre nicht einfach waren, aber dem Kompass, den Fixsternen zu folgen, die Erneuerung unserer Gesellschaft zu betreiben, ohne dabei
den sozialen Zusammenhalt aus den Augen zu verlieren,
ist die wirkliche Staatskunst, der wir uns auch in Zukunft
widmen werden. Die Bürger merken das und werden es
honorieren.
({0})
Das Wort hat jetzt der
Kollege Ulrich Klinkert für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Wend hat
in den Saal gerufen: Es ist Zeit zu vergleichen. Herr Kollege Wend, jetzt vergleichen wir einmal, und zwar das
Wahlprogramm der SPD aus dem Jahr 1998 mit den erreichten Realitäten.
({0})
Unter der Überschrift „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“ wurden den Menschen 1998 viele konkrete Versprechungen gemacht. Bundeskanzler Schröder verstieg
sich sogar zu der Aussage, dass es die SPD nicht verdienen würde, wieder gewählt zu werden, wenn es nicht gelinge, die Arbeitslosigkeit unter 3,5 Millionen zu drücken.
({1})
Wir werden ihn beim Wort nehmen, meine Damen und
Herren.
({2})
Das SPD-Programm des Jahres 2002 ist dagegen sehr
viel schwammiger. Es steht nicht mehr unter der Überschrift „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“, sondern
unter der Überschrift: Schröder, Schröder, Schröder.
({3})
Man darf sehr gespannt sein, wie die Bundesregierung in
dem zu erwartenden Wahlkampf ihr Versagen in der Wirtschaft und vor allen Dingen in der Arbeitsmarktpolitik begründen will.
({4})
Falls der Bundeskanzler auch im Sommer des Jahres 2002 zu einer Tour durch die neuen Bundesländer starten will, hat er in Leipzig schon einmal einen Vorgeschmack darauf bekommen, dass es inzwischen in den
neuen Bundesländern nicht mehr reicht, mal die Ostcousinen zu besuchen oder sich bei einer Grundsteinlegung ins Bild zu drängeln.
({5})
Nein, die Menschen in den neuen Bundesländern wollen
konkrete Antworten auf ihre besorgten Fragen. Es war
sehr bemerkenswert, dass die beiden Vertreter der Bundesregierung in der heutigen Debatte so gut wie nichts
über die neuen Bundesländer gesagt haben.
({6})
Die Menschen in den neuen Bundesländern wollen
wissen, warum entgegen allen Wahlversprechen nach vier
Jahren rot-grüner Regierung die Chefsache Aufbau Ost
im April 2002 zu einer historischen Rekordarbeitslosigkeit von 18,1 Prozent in den neuen Bundesländern geführt
hat. Sie wollen wissen, warum die Schere zwischen Ost
und West hinsichtlich der Arbeitslosigkeit und des Wirtschaftswachstums immer weiter auseinander geht.
({7})
Sie wollen auch wissen, warum die Schere zwischen
Deutschland und Europa hinsichtlich der Arbeitslosigkeit
und des Wirtschaftswachstums immer weiter zuungunsten Deutschlands auseinander geht.
({8})
Die Bundesregierung will alles mit der schwächelnden
internationalen Konjunktur begründen. Frau Wolf, Sie haben das Beispiel Spanien gebracht und darauf verwiesen,
dass dort die Arbeitslosenquote mit zurzeit 13 Prozent wesentlich höher sei. Sie haben aber verschwiegen, dass die
Arbeitslosenquote in Spanien vor vier Jahren bei 20 Prozent lag. Während Spanien unter diesen Voraussetzungen
eine äußerst erfreuliche Entwicklung genommen hat, ist
die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern Jahr für
Jahr dramatisch gestiegen. Das ist das Ergebnis rot-grüner
Politik.
({9})
Weiter heißt es in dem SPD-Regierungsprogramm von
1998:
Arbeitsplätze schaffen und Arbeitsplätze sichern, das
steht im Mittelpunkt unseres Regierungsprogramms.
Aber die Realität sieht so aus - Herr Riester, da können
Sie die Statistik verbiegen, wie Sie wollen -, dass im Jahre
2002 in den neuen Bundesländern genau 200 000 Arbeitsplätze weniger zur Verfügung stehen als im Jahre 1998.
Dies hat zu dem historischen Höchststand der Arbeitslosenquote von 18,1 Prozent geführt, und das, obwohl die
Abwanderung aus den neuen Bundesländern beispielsweise im vergangenen Jahr so hoch war wie nur kurz nach
der Wende. Die Menschen glauben einfach nicht mehr an
die Chefsache Aufbau Ost dieses Bundeskanzlers.
({10})
Weiter steht im SPD-Regierungsprogramm von 1998:
„Wir wollen eine neue Chance für Ostdeutschland.“ Die
SPD sei die einzige Partei, die die berechtigten Interessen
der ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger mit bundesdeutscher Kraft durchsetzen könne.
({11})
Das war vielleicht 1998 für viele Menschen eine gewisse
Hoffnung. Aber das klingt heute in den Ohren der Bürger
der neuen Bundesländer wie blanker Hohn.
({12})
Von wegen Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit: Statt
Arbeit bewegt sich die Arbeitslosigkeit aufgrund einer
verfehlten Mittelstandspolitik und der Streichung einer
ganzen Reihe von Mitteln für den Aufschwung Ost auf
Rekordniveau. Statt Innovation wird eine Sozialpolitik
des 19. Jahrhunderts betrieben, die den Arbeitsmarkt
lähmt und dem Standort Deutschland schadet. Völlig verfehlt ist beispielsweise die Energiepolitik. Statt Gerechtigkeit gibt es eine schamlose Abzocke durch die Ökosteuer, die insbesondere die sozial Schwachen trifft und
dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet. Statt Gerechtigkeit gibt es einen rot-grünen Rentenbetrug, der nur
einen Inflationsausgleich statt einer gesetzlich verbürgten
Angleichung der Renten an die Nettolöhne gebracht hat.
({13})
Nur eine einzige Aussage des Regierungsprogramms
der SPD von 1998 hat heute eine erstaunliche Aktualität
erfahren. Zu Beginn dieses Programms ist zu lesen:
„Deutschland braucht einen Politikwechsel. Die Zeit für
den Wechsel ist da.“ Das stimmt.
Vielen Dank.
({14})
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Dr. Thea Dückert für Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Rauen hat sich zu Beginn der Aktuellen Stunde seiner eigenen Fraktion zugewandt und gesagt, er müsse eigentlich nur das wiederholen, was er in vielen vergangenen Sitzungen und Aktuellen Stunden schon vorgetragen
habe.
({0})
Wenn man sich vor diesem Hintergrund anschaut, welche
Präsenz Sie von der CDU/CSU aufbieten, dann weiß man,
wie ernst Sie dieses Thema nehmen, das Sie selber auf die
Tagesordnung gesetzt haben.
({1})
Heute wurde in einer Zeitung - ich glaube, es war das
„Handelsblatt“ - die Frage aufgeworfen, warum in den
Wahlkampfprogrammen der Parteien, in der letzten Woche beispielsweise der FDP, immer das Nirwana beschrieben wird, nicht aber Konzepte, mit denen in der
Realität die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen
verbessert werden können.
({2})
Ich bin ziemlich sicher, dass sich die Wählerinnen und
Wähler von diesem Nirwana nicht einlullen lassen. Aber
genau dieses Nirwana wird immer wieder beschrieben.
({3})
Schauen wir uns einmal einige Vorschläge aus solchen
Programmen an. Herr Stoiber verspricht beispielsweise
800 000 zusätzliche Arbeitsplätze durch Kombilöhne.
({4})
Er sagt nichts zur Finanzierung
({5})
und verweist lediglich auf das Konzept „3 mal 40“. Damit
erscheint er als Entfesselungskünstler: Er glaubt offensichtlich, auf diese Weise die konjunkturelle Entwicklung
entfesseln zu können.
Haben Sie sich einmal mit Ihren eigenen Landesregierungen und Kommunen darüber unterhalten, was dieses
Konzept „3 mal 40“ bedeutet und wo die Ausgaben in
Höhe von 170 Milliarden Euro eingespart werden sollen?
Wie sollen denn Ihre Kommunen und Ihre Länder diese
leeren Versprechungen umsetzen?
({6})
Keine Schulen mehr, keine Schwimmbäder mehr, keine
Bibliotheken mehr?
({7})
Damit müssen Sie sich einmal auseinander setzen. Was
Sie hier versprechen, ist ein Gruselkabinett für die Städte
und Gemeinden.
({8})
Wie wollen Sie die versprochene Entfesselung realisieren, die das alles finanzieren soll? Sie sagen etwas zu
630-Mark-Jobs, zum Kündigungsschutz, der wieder verschlechtert werden soll, und zur Streichung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Es kommen also all die alten
Hüte wieder, die Sie schon ausprobiert haben, die unsozial gewesen sind und die - das ist in diesem Zusammenhang viel wichtiger - bewiesen haben, dass sie wirklich
keine Entfesselung auf dem Arbeitsmarkt bewirken.
({9})
Das kann überhaupt keine zusätzlichen Arbeitsplätze
schaffen. Das sind erprobte Luftnummern, keine Konzepte.
Das alles wird noch mit weiteren Versprechen garniert,
die im Hinblick auf die Finanzierung ebenfalls eine blinde
Stelle aufweisen. So schlagen Sie ein Familiengeld vor,
um die Frauen vom Arbeitsmarkt fern zu halten,
({10})
anstatt die Bedingungen dafür zu verbessern, dass Frauen
Beschäftigung mit Erziehung verbinden können. Dieses
Famliengeld aber wollen Sie mit 20 Milliarden Euro finanzieren, die Sie aus der Sozialhilfe nehmen. Was ist das
für ein Konzept? Es beinhaltet Schwierigkeiten für
Frauen, Arbeit und Erziehung miteinander zu verbinden,
und schlägt auch noch bei denen, die es brauchen, die soziale Sicherheit weg.
({11})
Auch das, meine Damen und Herren, bringt keinen einzigen Arbeitsplatz mehr.
({12})
Interessant ist, dass Sie vor einigen Tagen mit Herrn
Späth eine Wunderwaffe präsentiert haben.
({13})
- Ich finde es interessant, weil er wirklich interessante
Dinge entwickelt hat. - Allerdings glaube ich, dass Herr
Späth zu spät kommt, um diese rückwärts gewandte Programmatik gerade im Bereich der Wirtschafts- und
Arbeitsmarktpolitik noch in irgendeiner Weise beeinflussen zu können.
Schauen wir uns einmal an, was die FDP vorschlägt.
({14})
- Ja, einen Spitzensteuersatz von 35 Prozent. Das bedeutet Steuersenkungen für Millionäre.
({15})
Wie wollen Sie das finanzieren? Noch viel pointierter als
die CDU/CSU durch die Streichung der Sozialhilfe. Was
Sie vorschlagen, produziert mehr Armut und nicht mehr
Arbeit.
({16})
Meine Damen und Herren, ich lasse mich einmal auf
die Schlusslichtdebatte ein, die Sie hier führen wollen.
Was die europäische Entwicklung angeht, so hat Frau
Wolf die zentralen Fakten schon genannt. Aber gucken
wir einmal nach Deutschland
({17})
und gucken wir einmal,
({18})
was wir zum Beispiel bei der Jugendarbeitslosigkeit vorfinden. Wir fanden nach Ihrer Regierungszeit eine Jugendarbeitslosigkeit vor, die unerträglich war. Wir haben
ein JUMP-Programm aufgelegt, das Sie bekämpft haben.
Es hat viel Erleichterung gebracht und uns übrigens im
europäischen Vergleich gerade hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit nach vorn gebracht. Auf diesem Gebiet sind
wir nicht mehr das Schlusslicht, wofür Sie verantwortlich
waren.
({19})
In Deutschland ist das Land Bayern das Schlusslicht
bei der Jugendarbeitslosigkeit. Ich wünsche Ihnen in Zukunft fröhliche Verrichtung mit dieser Art von Arbeitsmarktpolitik.
({20})
Das Wort hat jetzt der
Kollege Johannes Singhammer für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser
Bundeskanzler und diese rot-grüne Bundesregierung
({0})
haben den Arbeitnehmern in Deutschland das Blaue vom
Himmel versprochen. Die rote Laterne in Europa ist daraus geworden.
({1})
Eine Diskussion darüber können wir gern führen. Durchschnittlich fast 4 Millionen Menschen werden in diesem
Jahr arbeitslos sein, eine halbe Million mehr als Ihre eigene Zielmarke. Deutschland ist europaweit das Schlusslicht beim Beschäftigungszuwachs.
Erstmals seit Einführung einer EU-Statistik überhaupt
liegt Deutschland mit 7,9 Prozent Arbeitslosen über dem
EU-Durchschnitt. Daran soll sich nach den Prognosen der
EU-Kommission auch nichts ändern.
({2})
Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland haben netto
immer weniger in der Tasche. Das ist das zentrale Problem.
({3})
Die Beschäftigten und ihre Familien müssen durch die
Ökosteuer für die Jahre 1999 bis 2003 einschließlich der
Mehrwertsteuer insgesamt über 60 Milliarden Euro mehr
abliefern. Dieses Geld fehlt ihnen natürlich.
Herr Minister Riester, der Bundeskanzler hat in diesen
Tagen in einem großen Magazin die Aktivposten seiner
Bundesregierung aufgeführt. Dort hat er einige Ministernamen genannt; Sie waren nicht darunter. Wenn ich diese
Zahlen vergleiche, wundert mich das nicht, denn sie werden Ihnen zugerechnet.
({4})
Die Einkommensbelastungsquote, das heißt der Anteil
von Steuern und Sozialabgaben am Bruttoeinkommen, ist
von 55,1 Prozent im Jahr 1998 auf 56,6 Prozent in diesem
Jahr angestiegen. Das heißt, vom 1. Januar bis etwa
20. Juli dieses Jahres müssen die Arbeitnehmer arbeiten,
bis sie alle Steuern, Abgaben und Sozialbeiträge bezahlt
haben. Erst in den restlichen Wochen arbeiten sie für ihr
Netto.
({5})
In allen EU-Ländern wird in diesem Jahr die Steuerund Abgabenlast gesenkt; in Deutschland steigt sie um
0,5 Prozent. Das ist der schlechteste Wert innerhalb der
EU. Deshalb ist Deutschland leider Schlusslicht in Europa.
({6})
Deshalb ist auch die Streikbereitschaft in diesem Jahr
besonders ausgeprägt. Im Kern ist dieser Streik ein Aufbegehren gegen die Politik dieser Bundesregierung:
({7})
gegen immer mehr Abzockerei und gegen immer mehr
Bevormundung. Vor allem aber ist er vor dem Hintergrund der maßlosen Enttäuschung darüber zu sehen, was
Sie versprochen und nicht eingehalten haben.
({8})
Die Verantwortung dafür tragen der Streikkanzler und
diese rot-grüne Regierungsmannschaft.
Die Arbeitnehmer in Deutschland haben es nicht verdient, im Vergleich der EU-Staaten schlechter als ihre
Kollegen in Portugal, Griechenland oder Frankreich dazustehen, denn in punkto Leistungsfähigkeit brauchen
sich unsere Arbeitnehmer nicht zu verstecken. Die Einsatzbereitschaft der Menschen ist in Deutschland höher
als anderswo. Deshalb würde bei günstigen politischen
Rahmenbedingungen das Ergebnis besser sein.
({9})
- Herr Weiermann, Lautstärke ersetzt keine Argumente.
Das Übel in Deutschland sind die politischen Rahmenbedingungen, die Sie zu verantworten haben.
({10})
Wir hingegen wollen, dass sich Leistung in diesem Land
wieder lohnt. Wir wollen, dass mehr Geld netto in der
Tasche bleibt.
({11})
- Das stimmt doch überhaupt nicht. Jetzt hören Sie einmal
auf, so laut zu schreien! Es wird dadurch nicht besser.
({12})
Wir werden eine gerechtere Rentenregelung durchsetzen. Wir wollen nicht - Herr Weiermann, jetzt hören Sie
einmal zu -, dass im kommenden Jahr die Rentenbeiträge
trotz Ökosteuer auf 19,3 Prozent steigen werden, wie es
von den Instituten vorausgesagt wird. Deshalb ist unserer
Ansatz der richtige.
Um das mit netto und brutto noch einmal darzustellen:
Wir haben einen klaren Vorschlag für die so genannten
Minijobs gemacht. Wir wollen, dass künftig bei Löhnen
bis 400 Euro brutto gleich netto ausbezahlt wird - ohne
weitere Bürokratie. Das ist ein Konjunkturprogramm, wie
wir es brauchen.
({13})
- Herr Dreßen, jetzt haben wir es Ihnen schon ein paarmal
erklärt und Sie haben es immer noch nicht kapiert. Ich
sage es Ihnen aber noch einmal:
({14})
Allein dadurch, dass wir eine Vielzahl von Menschen aus
der größten Wachstumsbranche, nämlich der Schwarzarbeit, zurückholen und ihnen im normalen Arbeitsmarkt
wieder eine Chance bieten, werden sich - das werden Sie
sehen - die Einnahmen des Staates und der Sozialversicherung letztlich wieder verbessern.
({15})
Wir haben auch klar ausgeführt, dass wir auf Einkommen
bis zu 400 Euro eine 20-prozentige Pauschalsteuer, gezahlt durch die Arbeitgeber, haben wollen. Auch dadurch
wird der von Ihnen angesprochene Einnahmeausfall ausgeglichen.
({16})
- Jetzt sage ich Ihnen zusammengefasst noch einmal etwas; vielleicht wird es dann einfacher.
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist zu Ende.
({0})
Jawohl. - Wir
werden die lähmende Wirkung von immer dichterer Bürokratie, die sich wie Mehltau über unser Land gelegt hat,
beseitigen. Wir werden die Fenster aufmachen, durchlüften und für mehr Mut und Freiheit in unserem Land sorgen.
({0})
Ich werde mich zur
Lautstärke der Zwischenrufe nicht äußern, weil das immer von der einen Seite zur anderen Seite des Hauses geht
und sich das ungefähr die Waage hält.
({0})
Ich kenne die Sozialpolitiker; sie können das, glaube ich,
ganz gut verkraften. Gleichwohl ist vielleicht ein bisschen
Mäßigung angesagt.
Nun erteile ich dem Kollegen Franz Thönnes für die
SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da stellt sich doch der Kollege
Kolb hierhin und spricht vom Würgegriff.
({0})
Kollege Kolb, in der Zeit von 1994 bis 1998 sind die Sozialversicherungsbeiträge von 38,9 Prozent auf 42,5 Prozent gestiegen.
({1})
Sie haben selbst gewürgt!
({2})
Stellen Sie sich also nicht mit solchen Vorwürfen hier hin!
In den letzten vier Jahren sind die Sozialversicherungsbeiträge auf 41 Prozent reduziert worden. Das und nichts
anderes ist die Wahrheit!
({3})
Dann noch einmal zur roten Laterne, damit auch das
klar wird:
({4})
1994 Platz elf, 1995 Platz 14, 1996 Platz 15, 1997 Platz 14
und 1998 Platz 14. Sie haben am Ende die rote Laterne in
Europa gehabt.
({5})
Zuletzt waren Sie im Schlafwagen. Das haben die Menschen gemerkt. Deswegen wurden Sie abgewählt.
({6})
Seit zwei Monaten können wir wieder an die gute Situation des monatlichen Rückgangs der Arbeitslosigkeit
aus dem letzten Jahr anknüpfen. Auch den Vergleich zum
April 1998 brauchen wir nicht zu scheuen:
({7})
400 000 Arbeitslose weniger, 1,35 Millionen Erwerbstätige mehr und 570 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr,
({8})
und all das trotz erschwerter Rahmenbedingungen, trotz
der Wachstumsraten, die Sie hier kritisiert haben.
({9})
Das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann.
Eines ist klar: Wie immer man die Bilanz nach diesen
vier Jahren bewerten mag - Reformstau, Erstarrung und
Stillstand sind in dieser Republik vorbei und das wissen
die Menschen.
({10})
Weil Sie so gern auf Europa gucken, frage ich Sie: Wie
war das denn 1994 bis 1998?
({11})
In Europa ist die Arbeitslosenrate gesunken. Wie war das
in Deutschland in der Zeit von 1994 bis 1998? - Sie ist
von 8,4 Prozent auf 9,3 Prozent gestiegen.
({12})
So sehen die Zahlen im Vergleich zu Europa aus!
Bei Ihrer ewigen Nörgelei müssen Sie sich auch einmal vorhalten lassen, dass andere in Europa das ganz
anders sehen. Deutschland braucht sich als Wirtschaftsstandort nicht zu verstecken. Ich kann hierzu den Präsidenten der EU-Kommission Romano Prodi zitieren. In
der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24. April 2002 heißt es:
Aber, ehrlich gesagt, die Debatte der Deutschen über
all ihre Schwächen - mir kommt das manchmal
richtig masochistisch vor. Sie sind besser, als sie
glauben ... Im langfristigen Trend steht das Land
noch immer ... gut da.
Dass Sie bei einer von Ihnen beantragten Aktuellen
Stunde gerade mal mit 5 Prozent Ihrer Fraktionsstärke
hier sitzen, zeigt, dass sich viele den Masochismus, den
Sie hier betreiben, gar nicht anhören wollen.
({13})
Jetzt wollen wir einmal gucken, wo Sie wieder anknüpfen wollen. Sie wollen wieder da anknüpfen, wo Sie
mit Ihren Rezepten schon einmal gescheitert sind.
({14})
Die Arbeitslosenhilfe haben Sie reduziert. Das Schlechtwettergeld haben Sie abgeschafft.
({15})
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben Sie auf
80 Prozent gekürzt. Den Kündigungsschutz haben Sie in
80 Prozent aller Betriebe reduziert; die Beschäftigten sollten nicht mehr darunter fallen.
Was haben Sie in Ihr jetziges Programm hineingeschrieben? - Sie wollten wieder den Kündigungsschutz
reduzieren; Sie wollen die Sozialhilfe so mit der Arbeitslosenhilfe zusammenlegen, dass die Leistungen der
Arbeitslosenhilfe das Sozialhilfeniveau erreichen; Sie
wollen die Rechte, die das Betriebsverfassungsgesetz
vorsieht, reduzieren.
({16})
Vergessen wir nicht, dass die Wirtschaft Ihnen
während Ihrer Regierungszeit versprochen hat, dass,
wenn Sie das Kündigungsschutzgesetz ändern, 500 000
neue Arbeitsplätze entstehen. In der Zeit zwischen 1994
und 1998 gingen aber 600 000 Menschen mehr in die Arbeitslosigkeit.
({17})
Am Ende Ihrer Regierungszeit gab es 1 Million weniger Beschäftigte. Das war Ihre Bilanz. Mit Ihren Rezepten lässt sich Deutschland nicht reformieren.
({18})
Sie werfen uns andauernd vor, die ABM ausgeweitet zu
haben, anstatt sie zu reduzieren. Sie haben die Arbeitsmarktzahlen des Jahres 1998 beschönigt: Sie haben die
Anzahl der ABM und SAM um 467 000 nach oben gefahren.
({19})
Damit haben Sie die Arbeitslosigkeit kaschiert. Eigentlich
wäre die Arbeitslosigkeit um 1 Million und nicht um nur
600 000 gestiegen.
({20})
Wegen Ihrer gescheiterten Rezepte sind Sie abgewählt
worden. Ich sage Ihnen eines: Sie werden auch am
22. September mit Ihrem Wahlprogramm, das die gleichen Rezepte wie damals enthält, scheitern.
({21})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, Sie sehen, dass ich hinsichtlich der Balance
der Lautstärke der Zwischenrufe Recht hatte.
({0})
- Das freut mich.
Ich erteile nun dem Kollegen Wolfgang Meckelburg,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
({1})
Frau Präsidentin! Ich versuche, einen kleinen Ausgleich zu schaffen.
Nach der Rede von Herrn Thönnes kann man vielleicht
eine Phase der Ruhe und des Nachdenkens über die Argumente gebrauchen.
Herr Thönnes, wenn Sie auf die Worte von Herrn Prodi,
dass das Land im langfristigen Trend immer noch gut dastehe, verweisen, dann sage ich: Völlig richtig. Langfristige Trends entstehen in der Vergangenheit. Ich füge
hinzu: Der langfristige Trend für Deutschland wird besser
werden, wenn es nach dem 22. September eine neue Regierung gibt.
({0})
Herr Bundesminister Riester, wenn Sie behaupten,
dass wir das Land hier mies machen, dann sage ich in aller
Deutlichkeit: Das ist nicht unsere Absicht. Wir reden und
diskutieren faktisch in jeder Woche aktuell über dieses
Thema, über die miese Politik, die gerade Sie, der Arbeitsminister, in den vergangenen Jahren gemacht haben:
Sie haben mehr Bürokatie und mehr Regelungen geschaffen, statt das Gegenteil zu bewirken. Das ist die falsche
Politik. Deswegen werden wir uns die Freiheit herausnehmen, diese miese Politik deutlich zu kritisieren, auch
wenn Sie uns vorwerfen, wir täten etwas anderes.
({1})
Von den Kollegen bin ich ausreichend mit Zetteln versorgt worden. Einen finde ich besonders gut. Man kann
nämlich nicht häufig genug auf Folgendes hinweisen: Um
darzustellen, dass die Arbeitslosigkeit zurückgeht, kann
man Monate und Zahlen heranziehen. Ich greife auf die
Zahlen einer unabhängigen Quelle, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, zurück. Es
geht um die Frage, wie viele Stunden in Deutschland gearbeitet wird. Wenn es in Deutschland mehr Arbeit gäbe,
dann müsste diese Statistik einen steilen Anstieg widerspiegeln und erst dann hätten Sie den Beweis antreten
können, dass Arbeit entstanden ist.
Betrachtet man die Anzahl der Arbeitsstunden in
Deutschland der Jahre 1997, 1998, 1999 und 2000, stellt
man fest, dass die Kurve in der Tat nach oben geht. Im
Jahr 2001 sinkt dann die Anzahl der Arbeitsstunden. Die
Schätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung für 2002 beruht auf der Grundlage eines Wirtschaftswachstums von 1,25 Prozent. Sie sagt einen Rückgang voraus, obwohl niemand dieses Wachstum erwartet.
Man geht eher von 0,9 oder 0,8 Prozent aus. Dann geht die
Zahl noch weiter herunter. Wenn Sie nach Studie dieser
Statistik den Mut haben, zu sagen, dass mehr Arbeit entstanden ist, dann beweisen Sie wirklich, wo Sie die Stunden, die mehr gearbeitet worden sind, versteckt haben: Es
ist Schwarzarbeit entstanden.
({2})
Ich möchte das anhand einiger Zahlen verdeutlichen.
Betrachtet man die Zahlen für April, stellt man fest, dass
die Arbeitslosigkeit in der Tat um 400 000 zurückgegangen ist. Sie werden das Ziel von 3,5 Millionen Arbeitslosen im Schnitt des Jahres 2002 - versprochen von
Schröder - nicht erreichen. Sie selbst gehen von 4 Millionen Arbeitslosen aus. Das Ost-West-Gefälle ist größer
geworden: Vergleicht man wiederum die Zahlen für den
Monat April, stellt man fest, dass die Differenz zwischen
Ost und West im Jahre 1998 8,8 Prozent betrug; heute
liegt sie bei 10,3 Prozent. Die Schere geht auseinander.
Das ist ein Ergebnis der „Chefsache Ost“. Das sind ganz
einfach Zahlen, ohne Polemik vorgetragen. Sie können alles nachlesen.
Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen: Statt das Arbeitsrecht zu entbürokratisieren,
({3})
haben Sie vor allem auf die arbeitsmarktpolitischen Instrumente gesetzt, die die Arbeitslosigkeit künstlich senken. Da sind wir bei der Frage der Statistik.
({4})
- Ich will einmal sagen, was Sie machen.
({5})
Betrug der Anteil der über 58-Jährigen, die über vorruhestandsähnliche Regelungen aus der Statistik fielen, im
Durchschnitt der letzten Jahre circa 200 000 Menschen, so
sind es jetzt 265 000 Menschen, also 65 000 mehr. Auch
der Personenkreis Altersteilzeit stieg signifikant auf
60 000 an. Die gemeldeten offenen Stellen sind weiter
rückläufig. Im April 2002 - das ist die aktuelle Zahl wurden nur 252 000 offene Stellen gemeldet. Das sind
33,6 Prozent, also ein Drittel weniger als im April letzten
Jahres.
Zur Entwicklung der Erwerbstätigenzahl seit Oktober
empfehle ich Ihnen, den Bericht der Bundesanstalt für Arbeit nachzulesen. Dann bekommen Sie vielleicht einmal
einen Blick für die Realität und müssen sich nicht ständig
von der Regierung auf Zettel schreiben lassen, was Sie
hier vortragen.
({6})
Ein Blick auf die Entwicklung der Erwerbstätigenzahl seit
Oktober 2001 reicht: Die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt, also die Zahl der voll sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten ohne die 325-Euro-Jobs, liegt um 302 000
unter dem Vorjahresniveau.
Obwohl ich meine Redezeit bereits um 10 Sekunden
überschritten habe, muss ich eines noch nennen,
({7})
weil es angesprochen worden ist: die Jugendarbeitslosigkeit. Im April 2002 waren 473 000 Jugendliche unter
25 Jahren in Deutschland ohne Arbeit. Das sind 12,1 Prozent mehr als im April des letzten Jahres. Frau Dückert,
Sie haben vorhin das JUMP-Programm groß herausgestellt.
({8})
Was bedeutet das? Sie haben Jahr für Jahr
1 Milliarde Euro in das JUMP-Programm gesteckt und
haben jetzt schlechtere Zahlen.
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist jetzt weit überschritten. Ich dachte, es gäbe
eine kurze Bemerkung.
Sie können den
Bürgern draußen nicht mehr klar machen, dass Sie auf
dem Arbeitsmarkt wirklich etwas bewegt haben. Sie haben es redlich verdient, abgewählt zu werden.
({0})
Das Wort hat jetzt der
Kollege Reinhold Hiller für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde befasst
sich auch mit den Ihrer Meinung nach wohl zu geringen
Investitionen in Straße und Schiene. Da fragt man sich,
was an dieser Stunde aktuell ist. Die nach Ihrer Meinung
fehlenden Investitionen im Verkehrsbereich, die Sie
unterstellen wollen, können es ja wohl nicht sein. Dem
Einzelplan 12 konnten Sie entnehmen, dass die Investitionen für die Straße 4,6 Milliarden Euro und für die
Schiene 4,5 Milliarden Euro betragen. Insgesamt sind es
9,75 Milliarden Euro. Dazu kommen
1,44 Milliarden Euro aus den UMTS-Mitteln für Schieneninvestitionen und Ortsumgehungen. Zusätzlich - das
wissen Sie - sind 1,67 Milliarden Euro GVfG-Mittel vorgesehen. Darin kann die Aktualität dieser Aktuellen
Stunde also nicht liegen. Diese Zahlen sind auch Ihnen bekannt. Sie übertreffen in allen Punkten die Zahlen, die Sie
hinterlassen haben.
({0})
Das heißt, die Verkehrsinvestitionen liegen seit dem Regierungswechsel 20 Prozent über den Zahlen, die Sie hinterlassen haben.
({1})
Das haben Sie vergessen, und deshalb sind Sie nicht auf
der Höhe der Zeit, wenn Sie zu diesem Thema heute eine
Aktuelle Stunde beantragen.
({2})
Von Ihnen hätten wir eigentlich Lob und Anerkennung
für die Steigerung der Investitionen erfahren müssen.
Denn gleichzeitig hat auch die Verschuldung abgenommen. Deshalb möchte ich Ihnen eigentlich etwas unterstellen, was für die Rolle der Opposition kennzeichnend
ist und sehr häufig auftritt: Sie leiden unter Realitätsverlust. Das ist Ihr Problem.
({3})
Sie fordern die Absenkung der Staatsquote und gleichzeitig beklagen Sie die zu niedrigen Investitionen im Verkehrsbereich. Das ist auch noch sachlich falsch; das habe
ich Ihnen gerade gesagt.
Ich kann Ihnen eines prophezeihen: Je weiter man sich
von der Realität entfernt, desto weiter entfernt man sich
auch von einer möglichen Regierungsübernahme. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
({4})
Sie haben völlig vergessen, dass Ihr Bundesverkehrswegeplan zu fast 100 Milliarden DM unterfinanziert war. Die
neue rot-grüne Koalition hat es geschafft, Konstanz in ihn
zu bringen und damit auch circa eine Million Arbeitsplätze durch öffentliche Investitionen zu sichern. Dass Sie
der rot-grünen Regierung hier ein Versagen unterstellen
wollen, ist absoluter Unsinn.
({5})
Man kann es auch anders ausdrücken: Der Anteil der
Investitionen im Bau- und Verkehrsbereich wurde von der
rot-grünen Koalition in vier Jahren von 45 auf 51 Prozent
im Jahre 2002 gesteigert. Auch das hat positive Effekte für
den Arbeitsmarkt, die Sie immer negativ herunterreden.
({6})
Im Übrigen ist es so, dass diese Koalition den Schwerpunkt im Osten gesetzt hat. Sie wissen ganz genau, dass
die meisten öffentlichen Investitionen im Bereich Verkehr
im Osten erfolgen. Damit nimmt die Bundesregierung
ihre Verantwortung auch gegenüber der Infrastruktur und
der Beschäftigung wahr.
Ein anderer Bereich ist die Telematik. Hier sind in den
nächsten Jahren besonders zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu erwarten. Die rot-grüne Koalition hat den
Durchbruch für das Satellitennavigationssystem Galileo
geschaffen.
({7})
Auch hier sind zukunftsträchtige Arbeitsplätze im Bereich Automobilindustrie zu erwarten, der für die deutsche Volkswirtschaft von ganz besonderer Bedeutung ist.
Dies wird dazu beitragen, dass Deutschland auch in diesem Bereich konkurrenzfähig bleiben kann.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung - das haben
Sie auch nicht geschafft - private Finanzierungsmöglichkeiten im Verkehrsbereich eröffnet. Wir haben heute
Morgen kontrovers darüber diskutiert. Faktum ist: Hier ist
etwas auf die Schiene gebracht worden, zu dem Sie in den
letzten vier Jahren Ihrer Regierungsverantwortung nicht
in der Lage gewesen sind. Sie haben mehr Showveranstaltungen durchgeführt. Angesichts der Fakten sollten
Sie hier etwas bescheidener auftreten.
Sie sollten über Folgendes nachdenken - das habe ich
schon einmal gesagt -: Je realitätsferner die Opposition
ist, desto weiter ist sie von der Regierungsübernahme entfernt. Darüber können auch die aktuellen Umfragen, die
wir für nicht gut halten, nicht hinwegtäuschen.
Herzlichen Dank.
({8})
Jetzt hat der Kollege
Jochen-Konrad Fromme für die CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Herr Kollege Hiller, man muss sich die Zahlen natürlich genau ansehen. In Ihren Zahlen sind beispielsweise die Tilgungen
für die Konzessionsmodelle enthalten. Wenn wir im
Straßenbau im Augenblick so viel zu tun hätten, dann
wären die Straßenbauer sicherlich ganz anderer Meinung,
als wir es jetzt jeden Tag von ihnen hören.
({0})
Reinhold Hiller ({1})
Sie müssen die ganze Wahrheit sagen und nicht nur den
Bund heranziehen. Nehmen Sie doch einmal die Länder
und die Kommunen! Sie haben den Kommunen über die
Gewerbesteuerumlage so in die Tasche gegriffen, dass die
Investitionen um 9 Milliarden Euro unter dem Niveau von
1993 liegen. Das entspricht einem halben Prozent Wachstum des Bruttosozialproduktes.
Bei den laufenden Einnahmen für die Kommunen
spielt sich genau das Gleiche ab. Wenn Sie die Kommunen vernünftig behandelt hätten, dann hätten wir ein Prozent mehr Wirtschaftswachstum, weil sie ihren Aufgaben
nachkommen könnten.
({2})
Wir werden als Sofortmaßnahme die Gewerbesteuerumlage wieder senken.
Das bedeutet, dass der Stadtkämmerer von Hildesheim
weiß, dass er 1,7 Millionen Euro mehr, dass der Stadtkämmerer von Salzgitter weiß, dass er 0,7 Millionen Euro
mehr, und dass der Stadtkämmerer von Braunschweig
weiß, dass er 2 Millionen Euro mehr zur Verfügung hat.
Dieses Geld geht sofort in die Investitionen, in die Wirtschaft und in den Arbeitsmarkt.
Was war denn Ihr großer Fehler in der Politik? - Wenn
man den Menschen das Geld über die Ökosteuer und die
Inflationsrate wegnimmt, wenn sie für den Weg zur Arbeit
mehr Geld ausgeben müssen als vorher, statt mehr zu haben, dann fehlt ihnen Kaufkraft. Wenn ihnen Kaufkraft
fehlt, dann fehlt Nachfrage am Arbeitsmarkt, wenn Nachfrage am Arbeitsmarkt fehlt, dann fehlt Arbeit, wenn Arbeit fehlt, dann gibt es mehr Arbeitslose und weniger
Steuern. Das ist genau die Situation, die Sie hier angerichtet haben.
({3})
Das sind die elementaren Fehler Ihrer Politik. Wenn ich
den Menschen und den Kommunen als wichtigen Nachfragern am Arbeitsmarkt die Kaufkraft nehme, dann brauche ich mich nicht zu wundern, wenn keine da ist und
nichts passiert. Sie haben zu verantworten, dass sich diese
Spirale immer schneller dreht.
Dafür, dass es auch anders geht, gibt es doch Beispiele.
Ich kann ja verstehen, dass der Kanzler seine eigenen Versprechen vergisst, wie zum Beispiel die Reduzierung der
Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen,
({4})
dass die Renten wie die Nettolöhne steigen oder dass die
Ökosteuer nicht über 6 Pfennig steigen soll. Dass er dabei
aber auch noch vergessen hat, dass es in der Vergangenheit gute Rezepte gab, ist natürlich ein teuflischer Fehler.
Wenn er sich am Montag im Fernsehen hinstellt und sagt,
die Regierung Kohl habe in 16 Jahren keine Steuerreform
zustande bekommen, aber er, Schröder, habe die größte
gemacht, frage ich: Was war denn 1985 bis 1989? Da gab
es die stoltenbergsche Steuerreform. Mit einer nominalen
Absenkung von 41 Milliarden waren am Ende in den alten Bundesländern 3 Millionen Menschen mehr in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
({5})
Am Ende waren 121 Milliarden mehr Steuern in der
Kasse. Daran sehen Sie, wie man so etwas finanzieren
kann.
({6})
Und haben Sie ein Zweites vergessen? Der Deutsche
Bundestag hat unter der Regierung Kohl die Petersberger
Beschlüsse zweimal mit Kanzlermehrheit von CDU/CSU
und FDP beschlossen. Sie haben sie im Bundesrat
blockiert und deswegen tragen Sie die Verantwortung
dafür und niemand anders.
({7})
Wer war das denn? - Die Ministerpräsidenten Schröder,
Eichel, Lafontaine. Auf Letzteren sollten Sie übrigens ab
und zu mal hören, aber sein Name scheint bei Ihnen ein
Unwort geworden zu sein.
Das sind doch die Rezepte, die funktionieren. Wenn Sie
das leugnen, dann können Sie natürlich auch nicht verstehen, wie man die Wirtschaft ankurbeln und vorwärts kommen kann.
Ich kann Ihnen nur sagen: Schlag nach bei Stoiber,
Merz und Merkel. Wenn Sie unser Regierungsprogramm
lesen, werden Sie merken, wie es weitergehen kann. Dass
die Menschen das merken, sehen wir an jeder Umfrage.
Von Umfrage zu Umfrage werden die Ergebnisse besser
für uns und schlechter für Sie. Warum? - Weil die Menschen Ihnen nicht glauben. Sie haben sich hier hingestellt,
Herr Kollege Wend, und Zahlenreihen vorgetragen, die
kein Mensch nachvollziehen und verstehen kann.
({8})
Glauben Sie denn, dass auch nur ein Fernsehzuschauer
das verstanden hat?
Es ist aber ganz einfach: Steuern um 41 Milliarden senken wie bei Stoltenberg, 3 Millionen Menschen mehr in
sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Genau das
werden wir wiederholen und das werden die Menschen
begreifen. Deswegen wird es Zeit, dass der 22. September
kommt: damit es in Deutschland endlich wieder aufwärts
geht.
({9})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Albert Schmidt für Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Umso schöner. - Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Sie haben bei dem Titel Ihrer
Aktuellen Stunde die Frechheit besessen - ich muss diese
Unverfrorenheit fast bewundern -, auch die Formulierung
der angeblich „geringen Investitionen in Straße und
Schiene“ mit aufsetzen zu lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wollen wir hier
einmal Deutsch miteinander reden.
({0})
Als wir 1998 die Regierungsverantwortung in diesem
Land übernommen haben, lagen die Investitionen des
Bundes in die deutschen Verkehrswege bei 9,5 Milliarden Euro. Heute liegen sie bei 11,5 Milliarden Euro. Das
sind 4 Milliarden DM bzw. 2 Milliarden Euro binnen vier
Jahren mehr, und dies nicht einmalig, sondern durch die
Vereinbarung mit der Bahn für drei Jahre garantiert, eine
Situation, von der frühere Bahnchefs und frühere Verkehrsminister - jetzt ist Herr Wissmann leider nicht mehr
da - nur träumen konnten.
({1})
Hätten Sie damals auch nur ein bisschen von einer solchen
Steigerung erreicht, dann würden Sie noch heute mit
stolzgeschwellter Brust herumlaufen.
({2})
- Darauf komme ich gleich noch. Keine Sorge!
Unter Waigel und Wissmann haben Sie zum Beispiel
die Bahninvestitionen auf weniger als 6 Milliarden DM,
auf 5,7 Milliarden DM, zusammengestrichen. Sie haben
die Schienenwege Deutschlands als Sparbüchse missbraucht, um die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Sie
sind auf Verschleiß gefahren. Wir haben daher noch heute
nicht nur im Schienennetz Probleme. Auch im Straßennetz existieren Schlaglöcher, die aus Ihrer Zeit herrühren.
({3})
Wir haben die Investitionen massiv gesteigert und werden
dies fortsetzen.
Die Fraktionsvorstände der SPD und der Grünen haben
Anfang Januar in Wörlitz auf einer gemeinsamen Fraktionsvorständeklausur beschlossen, diese Zusatzausgaben
für das deutsche Verkehrswegenetz über das Jahr 2003
hinaus, nämlich bis 2007, zu verstetigen. Diese Berechenbarkeit braucht die Bauwirtschaft. Wissen Sie, was das
ausgelöst hat? Es ging nicht nur um den Verkehrsinfrastrukturbau. Allein das Unternehmen Deutsche Bahn
AG - ich war heute Vormittag nicht im Ausschuss, weil
ich im Aufsichtsrat sein musste ({4})
hat aufgrund dieser großzügigen Ausstattung für die Infrastruktur durch den Bund ein Gesamtpaket für die
Runderneuerung des gesamten Systems Schiene in einer
Größenordnung von 90 Milliarden DM binnen fünf Jahren geschnürt. Das bedeutet: Streckenerneuerung, moderne Technik, neue Fahrzeuge und Modernisierung der
Bahnhöfe. Die Auftragsbücher der Fahrzeugindustrie sind
voll. Das sind Investitionen. Auch der Bahnbau ist wie nie
zuvor in diesem Land beschäftigt. Sie aber behaupten, es
gebe geringe Investitionen. In welchem Land leben Sie
eigentlich?
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und
der FDP, jetzt möchte ich Ihnen noch etwas sagen - die
Hohepriester der Marktwirtschaft wissen es ja immer
ganz genau -: Die eigentliche Leistung besteht gar nicht
darin, dass die Beträge erhöht worden sind. Das ist zwar
eine Leistung für sich, aber die eigentliche Leistung besteht darin, dass wir diese Steigerung der Investitionen
trotz des Schuldenabbaus von 100 Milliarden DM infolge
der Tilgung im Rahmen der UMTS-Erlöse, trotz einer
Steuerreform, die die Menschen in diesem Land in einer
Größenordnung von 40 Milliarden DM netto entlastet,
und trotz einer Rückführung der Neuverschuldung auf ein
Niveau, von dem Sie nur träumen konnten, geschafft haben. Die eigentliche Leistung dieser Regierung ist, gleichzeitig konsolidiert und mehr investiert zu haben. Das will
Ihnen aber nicht in den Kopf gehen.
({6})
- Die Investitionsquote im Verkehrsetat liegt heute - der
Kollege hat es schon gesagt - bei 51 Prozent. Das heißt,
die größere Hälfte im Einzelplan 12 wird investiert. Als
Sie die Regierung übergeben haben, lag sie bei 45 Prozent. Das ist der Unterschied.
({7})
Jetzt aus aktuellem Anlass etwas dazu, was heute im
Verkehrsausschuss des Bundesrates in Bezug auf das Regionalisierungsgesetz passiert ist. Auch der Bundestag hat
sich heute im Verkehrsausschuss damit befasst. Er wird
sich am Freitag in zweiter und dritter Lesung hier im Plenum damit beschäftigen. Das hat sehr wohl etwas mit Investitionen zu tun. Denn ein Viertel der Regionalisierungsmittel werden investiert: Zuschüsse in den
Fahrzeugbau, Zuschüsse in die Infrastrukturmodernisierung usw.
Die Koalitionsfraktionen haben einen Gesetzentwurf
vorgelegt, über den heute im Verkehrsausschuss des Bundesrates und im Verkehrsausschuss des Bundestages debattiert wurde. Folgendes wird vorgeschlagen: ein Verzicht auf Rückforderungen in Höhe von mehr als
700 Millionen Euro, die der Bund aufgrund der gesetzlichen Lage für die letzten Jahre stellen könnte, eine
Anhebung der Regionalisierungsmittel auf ein Rekordniveau von 13,4 Milliarden DM für das vergangene Jahr,
also für 2001, eine Festlegung eines Rekordniveaus von
6,75 Milliarden Euro für das Jahr 2002 und eine Dynamisierungsrate von plus 1,5 Prozent bis zum Jahre 2007, also
kontinuierlich für die nächsten Jahre.
Albert Schmidt ({8})
Das ist Planungssicherheit für den öffentlichen Nahverkehr. Das ist eine Verstärkung der Investitionsquote.
Sie haben das heute Vormittag im Verkehrsausschuss abgelehnt.
({9})
- Ich weiß auch Bescheid, wenn ich nicht dabei war.
({10})
Im Bundesrat hat Bayern versucht, diesen Gesetzentwurf auszubremsen. Bayern hat den Antrag gestellt, ihn
zu stoppen und den Vermittlungsausschuss anzurufen, um
Obstruktionspolitik zu betreiben. Wissen Sie, was passiert
ist? - Der Antrag Bayerns wurde im Verkehrsausschuss
des Bundesrates mit neun zu fünf Stimmen abgelehnt;
übrigens auch mit den Stimmen Thüringens.
({11})
Das heißt im Klartext, es gibt auch in Ihren Reihen noch
ein paar Vernünftige.
Lassen Sie das dumme Gerede von angeblich niedrigen
Investitionen! Wir haben die Investitionen auf ein Rekordniveau gebracht. Dabei werden wir bleiben. So wollen und so werden wir weitermachen.
({12})
Nun erteile ich der
Kollegin Ingrid Arndt-Brauer für die SPD-Fraktion das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte als letzte
Rednerin die Spitzenpositionen zusammenfassen, die die
Bundesregierung erreicht hat. In dieser Debatte ist heute
sehr viel gelogen worden.
({0})
Falls ich daher Wahrheiten, die schon einmal gesagt worden sind, wiederhole, ist das nicht schlimm.
Wir haben in Deutschland eine Exportquote, die weit
höher liegt als in den vergleichbaren EU-Staaten. Wir haben stabile Lohnstückkosten. Wir haben einen hohen Zuwachs ausländischer Direktinvestitionen.
({1})
Wir haben, was immer wieder von ausländischen Journalisten bestätigt wird, ein sehr hohes internationales Ansehen. Wir belegen zum Beispiel einen Spitzenplatz bei
Patentanmeldungen und wir können ein großes Auslandsengagement deutscher Firmen aufweisen.
({2})
Seitdem Helmut Kohl nicht mehr Bundeskanzler ist, hat
sich der Wachstumsabstand beträchtlich verringert.
({3})
Außerdem besteht eine hohe Innovationsintensität. Wir
belegen einen Spitzenplatz in der Biotechnologie, den wir
erst durch unsere erhöhten Investitionen erreichen konnten.
({4})
In der Automobilbranche belegen wir einen Spitzenplatz und wir haben - auch dies darf man nicht verkennen ein großes Maß an sozialem Frieden. Wir sind Vorreiter
bei der Deregulierung von Netzwerkindustrien.
({5})
Wir haben einen expandierenden Markt für Wagniskapital und eine leistungsfähige Infrastruktur. Auch haben wir
- dies ist ein sehr wichtiges Thema - mutige Steuerentlastungen durchgeführt.
({6})
Wir haben nicht nur die Verbraucher entlastet, sondern
auch die Unternehmen, und zwar stark.
({7})
An dieser Stelle muss ich Ihnen Folgendes sagen: Ich
bin Mitglied des Finanzausschusses und gehöre eher zur
SPD-Linken. Ich habe diese Entlastung häufig als Steuergeschenk empfunden. Ich denke, so haben es auch die Unternehmen empfunden. Während meines Studiums der
Betriebswirtschaft habe ich gelernt: Wenn es den Unternehmen gut geht, wird investiert. Damit kommt es zu
Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.
({8})
Das hat aber auf diese Weise nicht so recht geklappt.
({9})
Vielleicht können Sie ja einmal mit den verantwortlichen
Personen reden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man
dieses Problem mit noch mehr Geschenken lösen kann.
Wir haben die Rahmenbedingungen erheblich verbessert. Wir haben also keine Schuld daran, dass UnternehAlbert Schmidt ({10})
men nicht so reagiert haben, wie sie laut Theorie hätten
reagieren sollen.
({11})
Wir werden diesen Weg weiter gehen. Das wissen Sie.
Unsere Steuerreform ist noch nicht beendet. Ich denke, irgendwann wird sich der Erfolg zeigen, und zwar auch auf
dem Arbeitsmarkt.
Im Bereich der Informationsgesellschaft sind wir in
Europa führend. Wir belegen ebenfalls einen Spitzenplatz
in der Umwelttechnologie, zum Beispiel bei der Nutzung
von Windkraft. Auch dies wäre unter Ihrer Regierung
überhaupt nicht denkbar gewesen. Wir haben ein hohes
Bildungs- und Ausbildungsniveau. Trotz der PISA-Studie
kann man sagen, dass wir in diesem Bereich immer noch
ein sehr hohes Potenzial haben. Weiterhin haben wir die
Entwicklungs- und Forschungsausgaben gesteigert. Dies
werden wir auch fortführen. Deshalb werden wir unseren
Platz in diesem Bereich auch halten.
({12})
Wir haben das Projekt „Schulen ans Netz“ gestartet,
das dazu führen wird, dass wir auch in Zukunft gut ausgebildete Schüler haben werden. Wir haben eine sehr
niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Das ist schon gesagt worden. Wir haben auch eine niedrige Armutsquote. Auch das
sollte man nicht unterschätzen. Wir belegen im Bereich
Studienstandort Deutschland den Platz des drittwichtigsten Gastlandes der Welt. Dies zeigt uns, dass ausländische
Studenten gerne zu uns kommen und gerne bei uns etwas
lernen wollen. Wir haben einen modernen Staat, der vergleichsweise schon sehr schlank ist, den man aber vielleicht noch weiter verschlanken kann. Wir haben in diesem Bereich eine Menge erreicht.
Außerdem führen wir einen konsequenten Klimaschutz durch.
({13})
Auch das wäre, wie vieles in anderen Bereichen, während
Ihrer Regierungszeit undenkbar gewesen. Wir haben
ferner eine hohe Wettbewerbsfähigkeit.
({14})
All dies habe ich etwas schnell aufgezählt, weil meine
Redezeit gleich zu Ende ist. Sie konnten aber sehen, dass
wir in sehr vielen und wichtigen Bereichen Spitzenplätze
in Europa einnehmen. Diese Spitzenplätze werden wir
natürlich erhalten und weiter ausbauen. Dazu haben wir
noch vier Jahre Zeit.
({15})
Danach werden wir neu über unsere Ziele nachdenken.
Die nächsten vier Jahre werden wir nutzen, um das erfolgreiche Programm, das wir begonnen haben, fortzuführen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({16})
Frau Kollegin, Sie
haben eine kostbare Minute verschenkt. Vielen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Damit sind wir am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 16. Mai 2002,
9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.