Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Zunächst Fragen zum Bericht. Bitte schön.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Herr Bury, ich habe folgende
Frage: Ist bei der Beratung heute Morgen im Kabinett
auch auf die - ich möchte es einmal so ausdrücken - indirekte Kritik eingegangen worden, die die Sachverständigen, die Umweltweisen, in ihrem Gutachten vor einigen
Tagen hinsichtlich der inflationären Anwendung des Begriffs der Nachhaltigkeit vorgebracht haben?
Sie haben gerade gesagt, dass es Ihnen gelungen sei,
den Begriff der Nachhaltigkeit aus der Ökonische - ich
war über diese Formulierung erstaunt - herauszuholen.
Dabei klang Kritik an der Verbindung von Nachhaltigkeit
und Umweltpolitik mit. Die Sachverständigen haben erklärt, dass der Begriff der Nachhaltigkeit weiterhin auf die
Bewahrung des natürlichen Kapitals konzentriert werden
muss. Wenn man diesen Begriff zu sehr vom natürlichen
Kapital abkoppelt, dann besteht die Gefahr, dass die Umweltpolitik eines Tages ein totales Anhängsel wird. Haben
Sie das berücksichtigt?
Haben Sie ebenso die Kritik berücksichtigt, die bei der
Formulierung mitschwang, dass manche Ziele willkürlich
festgesetzt seien? Auch ist Kritik an der Kontinuität der
Zieldefinition, die Sie gerade gegeben haben, geäußert
worden. Ist auch das heute Morgen behandelt worden?
Herr Kollege, der Sachverständigenrat, den Sie zitieren, hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich positiv bewertet, dass diese Strategie vorgelegt wird und dass sie
konkrete quantifizierte Ziele enthält. Dies ist die Haltung
des Sachverständigenrates für Umweltfragen.
Aus dieser Stellungnahme wird deutlich, was ich vorher nur angerissen habe. Wir haben in der traditionellen
Nachhaltigkeitsdiskussion die drei Säulen Ökologie,
Ökonomie und Soziales. Der Anspruch war zwar stets ein
integrativer, aber je nach Standpunkt des Betrachters ist in
der Diskussion sehr häufig deutlich geworden, dass die
Trennung dieser Säulen eher zementiert als überwunden
wurde. Das war einer der Gründe, warum wir gesagt haben: Wir führen diese Diskussion fort und überführen sie
in die vorhin beschriebenen vier Koordinaten.
Es ging aber auch darum, den Begriff der nachhaltigen
Entwicklung weiterzuentwickeln, weil es in der Vergangenheit in Deutschland nicht ausreichend gelungen ist,
ihm eine breite Wirkung zu verschaffen. Es ist noch nicht
allzu lange her, dass auf entsprechende Fragen gerade einmal knapp 15 Prozent der Befragten mit dem Begriff Konkretes zu verbinden wussten. Andere Staaten, in denen die
jeweiligen Regierungen im Gegensatz zu unseren Vorgängern früher agiert und einen breit angelegten Nachhaltigkeitsbegriff nicht nur propagiert, sondern auch zur
Leitlinie ihrer konkreten Politik gemacht haben, haben
hier positivere Ergebnisse zu vermelden.
Insofern hat sich unser Ansatz in der Praxis bereits bestätigt. Das schlägt sich in den schon beschriebenen Maßnahmen in dieser Legislaturperiode und in den Erfahrungen anderer Länder nieder. Im Kabinett ist dieser breite
Ansatz noch einmal positiv gewürdigt und bestätigt worden.
Darf ich noch eine
Zusatzfrage stellen?
Ja, bitte.
Sehen Sie nicht die
Gefahr, dass durch den von Ihnen gerade geschilderten
Ansatz eine wichtige, langfristig angelegte Grundlage der
Umweltpolitik verwässert wird, indem Sie den Ansatz,
über eine ethische Fundamentierung der Umweltpolitik
nachzudenken, zerstören und damit letztendlich eine für
die Umweltpolitik äußerst nachteilige Entwicklung hervorrufen?
Nein, ausdrücklich nicht. Da ich diese Befürchtungen
aus dem Umweltausschuss kenne, haben wir in unserer
Strategie deutlich gemacht, dass wir uns auf die wichtigen
Vorarbeiten der Umweltpolitik stützen und sie weiterführen. Wir haben Ihre Anregungen ebenso wie Anregungen des Nachhaltigkeitsrates aufgegriffen, die ethische
Dimension der Nachhaltigkeit in der Endfassung der Strategie deutlicher zum Ausdruck zu bringen, als es im Entwurf der Fall war.
Jetzt hat die
Kollegin Burchardt das Wort.
Zunächst einmal bringe ich
unsere Freude zum Ausdruck, dass diese Bundesregierung es zehn Jahre nach Rio geschafft hat, eine Nachhaltigkeitsstrategie vorzulegen. Damit hat sie eine ganz wesentliche internationale Verpflichtung umgesetzt und ist
rechtzeitig vor dem Bilanzgipfel in Johannesburg in der
Lage, auf der internationalen Bühne mit einer solchen
Strategie aufzutreten.
Zum Zweiten stelle ich fest, dass die Bundesregierung
- das sage ich an die Adresse des Kollegen Paziorek - in
ihrem institutionellen Arrangement, also durch die Einrichtung des Nachhaltigkeitsrats und des Staatssekretärsausschusses sowie durch die Strategie, die heute beschlossen worden ist, die Beschlusslage des Deutschen
Bundestages aus der letzten Legislaturperiode exakt umgesetzt hat. Sowohl zu den Rio-Beschlüssen als auch zu
den Beschlüssen des Deutschen Bundestages gehörte ausdrücklich der Auftrag, die Integration der ökologischen,
der sozialen und der wirtschaftlichen Dimension von
Nachhaltigkeit zu berücksichtigten. Diesem Auftrag ist
die Bundesregierung mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie in
vollem Umfange nachgekommen.
Viele Bürgerinnen und Bürger, die seit Jahren in lokalen Agenda-Initiativen engagiert sind, haben darauf gewartet, dass endlich auch von oben etwas passiert. Die Erwartung ist nun eingelöst. Hier stellt sich die Frage, wie
die Bürgerinnen und Bürger, die interessierte Öffentlichkeit, in die Erarbeitung dieser Strategie eingebunden worden sind. Eine zweite Frage in diesem Zusammenhang:
Welchen Beitrag erwartet die Bundesregierung von den
unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, um die
nachhaltige Entwicklung in der Bundesrepublik ein Stück
weit voranzubringen?
Die Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Erarbeitung der Strategie erfolgte in zwei Phasen: Wir haben bereits vor Vorlage eines ersten Entwurfes den Rat für
Nachhaltige Entwicklung um entsprechende Vorschläge
gebeten. In dem Rat für Nachhaltige Entwicklung, der
vom Bundeskanzler eingesetzt wurde, sind Unternehmen,
Gewerkschaften, Kirchen, Umweltverbände und andere
Gruppen vertreten, sodass schon hier ein breites Spektrum
an Erfahrungen und Vorschlägen in die Erarbeitung der
Strategie eingeflossen ist. Darüber hinaus gab es eine erste
Konsultationsrunde mit Verbänden und Institutionen sowie
ein öffentliches Forum „Nachhaltigkeit“ im Internet, das allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gab, ihre Anregungen und Vorschläge einzuspeisen.
Auf der Basis dieser ersten Konsultationsrunde hat der
Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung
Ende letzten Jahres den Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen und erneut öffentlich zur Diskussion gestellt. Auch hier gab es sowohl für den Rat für Nachhaltige Entwicklung als auch in einzelnen Konsultationen
mit Verbänden und Institutionen und erneut für die gesamte interessierte Öffentlichkeit die Möglichkeit, Kritik
und Anregungen einzubringen. In der Endphase der Erarbeitung der Strategie haben wir wesentliche Punkte der
Dialogphase dokumentiert und deutlich gemacht, welche
Anregungen in der Endfassung aufgegriffen worden sind.
Mit der Vorlage der Strategie ist das Thema der nachhaltigen Entwicklung nicht abgeschlossen. Wir haben daher ein Managementkonzept verankert, das ein regelmäßiges Monitoring vorsieht. Auch werden wir, wie vom
Deutschen Bundestag gefordert, alle zwei Jahre einen Bericht an das Parlament und die Öffentlichkeit geben.
Selbstverständlich wird dann zu diskutieren sein, inwieweit die gesetzten Ziele erreicht sein werden und wo es
dann weiteren Handlungsbedarf geben wird.
Wir haben in der Strategie sehr deutlich zum Ausdruck
gebracht, dass der Staat ein Akteur ist und dass Wirtschaft
und Gesellschaft hinsichtlich ihrer jeweiligen Verantwortungsbereiche ebenso angesprochen sind. Wir werden sie
am ehesten mit einem attraktiven Leitbild der Nachhaltigkeit gewinnen. Dieses legen wir heute mit unserer Strategie vor.
Jetzt hat die
Kollegin Bulling-Schröter das Wort.
Einen zentralen Punkt
der Strategie stellen die 21 Indikatoren für das 21. Jahrhundert dar. Hier wählt die Bundesregierung bei den zentralen Punkten Energie- und Ressourcenverbrauch sowie
Verkehrsentwicklung einen Ansatz, der nur relative Zielvorgaben, beispielsweise als Bezug auf eine Einheit Bruttoinlandsprodukt oder als Kennziffer Verkehrsintensität,
enthält. Gefordert werden unserer Ansicht nach aber absolute Werte. Denn wenn das Wirtschaftswachstum steigt
- was nach Punkt 10 ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung ist -, dürften die Einsparungen weitgehend wieder aufgefressen werden.
Nun zu meiner Frage an Sie: Die Verkehrsintensität im
Güterverkehr soll bis 2020 um 5 Prozent und im Personenverkehr um 20 Prozent reduziert werden. Wenn wir
aber nur von dem niedrigen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich knapp 1,8 Prozent in den
vergangenen fünf Jahren ausgehen und es für die Zukunft fortschreiben - ich meine, das ist realistisch -, so
wird sich mit den Zielvorgaben der Nachhaltigkeitsstrategie der Güterverkehr um 37 Prozent und der Personenverkehr um 16 Prozent erhöhen. Wie stehen Sie - auch im
Hinblick auf den Klimaschutz - dazu?
Richtig ist, dass die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz den Kern der Nachhaltigkeitsstrategie
darstellt. Wir haben deshalb für die Energie- und Ressourcenproduktivität ambitionierte Ziele festgelegt. Natürlich bestehen zwischen den verschiedenen Indikatoren
Zielkonflikte. Dies haben wir in der Endfassung der Strategie deutlicher herausgearbeitet, als es im Entwurf der
Fall war. Kern der nachhaltigen Politik ist es, diese Konflikte zwischen verschiedenen Indikatoren nach Möglichkeit auszubalancieren.
Was wir nicht gemacht haben und auch nicht tun werden, ist, Planvorgaben - etwa für die Wirtschaftsentwicklung - zu erstellen. Kern der Strategie ist es, über die Steigerung von Produktivität in diesen Bereichen ein Mehr an
Nachhaltigkeit zu erreichen. Dafür muss diese Produktivitätssteigerung idealerweise - wenn wir in puncto Nachhaltigkeit weiterkommen wollen - die entsprechenden Steigerungsraten in anderen Bereichen übertreffen.
Wie stehen Sie denn
nun zu den konkreten Zielvorgaben?
Wir haben 21 Ziele und Indikatoren. Zum Themenbereich Verkehr haben wir ein ganzes Maßnahmenbündel
in die Strategie aufgenommen, um die angestrebte Verlagerung des Verkehrs tatsächlich zu realisieren. Ich nenne beispielhaft die Einführung der Autobahnbenutzungsgebühr,
die auch eine Optimierung der Nutzung von Kapazitäten
und eine gewisse Verlagerung von Verkehrsströmen zum
Ziel hat, das 6-Milliarden-Investitionsprogramm für die
Schienenwege des Bundes im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms 2001 bis 2003 sowie Modernisierungsund Effizienzsteigerungsmaßnahmen im Schienenverkehr
durch die Fortführung der Bahnreform oder die Förderung
von Terminals des kombinierten Verkehrs. Das heißt, es
gibt eine Fülle von konkreten Maßnahmen, die dazu beitragen werden, die im Kapitel „Ziele und Indikatoren“ genannten Werte zu erreichen.
Jetzt hat die
Kollegin Dr. Grygier das Wort.
Noch einmal zu den eben
von Ihnen beschriebenen Zielkonflikten - schließlich
kann es auch etwas damit zu tun haben -: Ich frage zu dem
Bereich Klimaschutz nach. Im kürzlich verabschiedeten
Antrag der Koalition gibt es die Zielstellung, bis 2020 die
CO2-Emissionen um 40 Prozent zu reduzieren. In Ihrer
Nachhaltigkeitsstrategie taucht diese Zielvorgabe aber
gar nicht mehr auf. Vielmehr nehmen Sie auf die Selbstverpflichtung der Bundesrepublik Bezug, die CO2-Emissionen um 25 Prozent zu reduzieren, die nur bis zum
Jahr 2005 gilt. Nun stellt sich mir die Frage: Gibt es eigentlich auch mittelfristige Zielstellungen, wie sind sie zu
erreichen und wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass
das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2005 in Relation zu
1990 um 25 Prozent zu reduzieren, erreicht werden kann?
Frau Kollegin, die Bundesregierung bekennt sich
auch nach 2005 bzw. 2010 zu anspruchsvollen Klimaschutzzielen. In der Diskussion, die durchaus kontrovers
geführt worden ist, ging es aber um die Frage, ob wir die
Klimaschutzziele am ehesten erreichen, wenn wir national vorpreschen - das hätte nach unseren Erfahrungen mit
dem Kioto-Prozess dazu geführt, dass andere Länder
unter Verweis auf Deutschland in ihren eigenen Anstrengungen nachgelassen hätten - oder wenn wir uns gemeinsam innerhalb der Europäischen Union für die Vereinbarung weiterer ambitionierter Klimaschutzziele einsetzen.
Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden, weil wir
der Überzeugung sind, dass damit für den Klimaschutz
mehr gewonnen ist.
Jetzt hat die
Kollegin Dr. Schwaetzer das Wort.
Herr Staatsminister,
im Vorfeld hat eine ganze Reihe von Nichtregierungsorganisationen Vorschläge eingebracht, die in die Nachhaltigkeitsstrategie eingearbeitet werden sollten. Inwieweit hat die Bundesregierung diese konkret formulierten
Vorschläge aufgenommen und wie gedenkt die Bundesregierung - ich möchte das ganz präzise wissen - in den
nächsten Monaten die Diskussion mit den Nichtregierungsorganisationen weiterzuführen?
Wir haben - dies wird auch in der nationalen Strategie für eine nachhaltige Entwicklung dokumentiert - eine
Fülle von Anregungen aufgenommen. Das gilt beispielsweise für die Bereiche des Klimaschutzes, der Landwirtschaft und der Entwicklungszusammenarbeit. Wir haben
im Vergleich zum ersten Entwurf insbesondere das Kapitel „Globale Verantwortung“ deutlich stärker herausgearbeitet und etwa dem Aspekt der Katastrophenvorsorge
Rechnung getragen. Es wird einen engen Dialog mit dem
Rat für Nachhaltige Entwicklung sowie darüber hinaus
- dieser Rat versteht sich ja auch als Forum für die öffentliche Diskussion - mit der gesamten interessierten Öffentlichkeit und mit interessierten Gruppen über diese
Strategie geben.
Herr Heinrich,
bitte.
Herr Staatsminister, Sie haben
die Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung dargestellt
und unter anderem die Agenda 21 erwähnt. In der
Agenda 21 ist ja festgelegt, dass es ein Gleichgewicht zwischen der ökonomischen, der ökologischen und der sozialen Verantwortung geben soll. Sie haben jetzt von vier Säulen gesprochen. Sie haben das also erweitert. Heißt das,
dass Sie sich von der Agenda 21 verabschieden?
Des Weiteren haben Sie davon gesprochen, dass es
keine Planvorgaben für die Wirtschaft geben werde. Das
begrüße ich zwar ausdrücklich. Sie tun aber das Gegenteil
in der Verbraucherschutzpolitik. Sie wollen dort mit klaren Vorgaben - Sie haben im Haushalt erhebliche Mittel
zugunsten des ökologischen Landbaus umgeschichtet zum Beispiel dafür sorgen, dass der Anteil des ökologischen Landbaus bis 2010 auf 20 Prozent steigt. Das sind
für mich Widersprüche. Ich bitte Sie darum, diese aufzuklären.
Herr Kollege Heinrich, zu Ihrer ersten Frage: Wir verabschieden uns nicht von der Agenda 21. Vielmehr führen
wir sie konsequent fort.
Zu Ihrer zweiten Frage: Selbstverständlich - das war
ein Wunsch der Öffentlichkeit, der im Parlament eine
breite Mehrheit gefunden hat - gibt es in dem Kapitel über
Ziele und Indikatoren auch quantitative Festlegungen;
denn wenn man nicht weiß, wohin man will, dann darf
man sich nicht wundern, wenn man nirgendwo ankommt.
Es würde nicht ausreichen, schöne Ziele zu beschreiben
und vielleicht noch Wege aufzuzeigen, nicht aber deutlich
zu machen, wo wir stehen, und die Entwicklung nicht
messbar zu machen. Die Steigerung des Anteils des ökologischen Landbaus auf 20 Prozent ist ein Ziel neben anderen. Wir haben das Kapitel über die konventionelle
Landwirtschaft bewusst vergrößert. Es enthält zwar keine
Planvorgaben für einzelne Betriebe. Aber wir wollen das
Erreichen des Ziels von 20 Prozent durch entsprechende
Rahmenbedingungen fördern. Letztlich entscheiden die
Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrem Konsumverhalten darüber, ob wir dieses Ziel erreichen. Sie müssen von den qualitativen Vorteilen der Produkte des ökologischen Landbaus überzeugt werden.
Eine Nachfrage.
Kann ich aus den klaren Vorgaben zugunsten des ökologischen Landbaus die Schlussfolgerung ziehen, dass Sie den konventionellen Landbau
nicht als nachhaltig bezeichnen?
Nein, im Gegenteil: Wir haben - darauf habe ich gerade hingewiesen - in der überarbeiteten Strategie den Bereich des
konventionellen Landbaus sehr viel stärker herausgearbeitet und ein Leitbild für eine multifunktionale Landwirtschaft
entwickelt, das deutlich macht, dass die Landwirtschaft in
vielfältiger Weise Beiträge zu einer nachhaltigen Entwicklung in den jeweiligen Regionen leisten kann und in vielfacher Weise auch schon heute leistet.
Herr Kollege
Hermann.
Herr Staatsminister, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie ist,
quantitative Ziele festzulegen und damit sozusagen nicht
nur eine Marschrichtung anzugeben. Meine Frage geht
dahin, warum eigentlich für bestimmte Bereiche solche
Ziele vorgegeben wurden, zum Beispiel in der Landwirtschaft bis zum Jahr 2010 20 Prozent Ökolandbau zu erreichen, aber keine längerfristigen Ziele. Für die CO2 -Reduktion und den Bereich Klimaschutz wurden Ziele bis
zum Jahr 2005 vorgegeben. Gerade bei der Energie- und
Klimapolitik wie auch bei der Landwirtschafts- und Infrastrukturpolitik kommt es aber darauf an, langfristig zu planen, also 20-, 30-Jahres-Horizonte zu eröffnen, und zwar
auch quantitativ. Warum wurde das nicht festgelegt bzw.
nur in manchen Bereichen oder nur bis zum Jahr 2010?
Kollege Hermann, ich habe die Frage eben schon einmal beantwortet. Wo es sinnvoll und aus unserer Sicht
möglich war, haben wir quantitative Zielvorgaben gemacht. Im Bereich des Klimaschutzes haben wir deshalb
kein nationales langfristiges Ziel definiert, weil ein solches Ziel national nicht erreichbar ist. Wir haben aber
im Indikatorenkapitel deutlich gemacht, dass wir uns auf
europäischer Ebene dafür einsetzen, dass europäisch und
international selbstverständlich auch mittel- und langfristig ambitionierte Klimaschutzziele vereinbart werden.
Ich habe noch eine Nachfrage. In der Umweltpolitik geht
es um langfristige Ziele. In der Entwicklungspolitik ist
das Ziel des 0,7-Prozent-Anteils am Bruttosozialprodukt
wieder festgeschrieben worden. Wir haben aber erwartet,
dass in der Strategie angegeben wird, auf welchen Wegen,
in welchen Schritten und wann man dahin kommt.
Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, den
ich übrigens nicht auf dieses 0,7-Prozent-Ziel verkürzen
würde - auch wenn ich einräume, dass dem eine gewisse
symbolische Bedeutung zukommt -, wird der Öffnung
unserer Märkte, der Entwicklung fairer Handelschancen
und der Entschuldung der entsprechenden Länder - alles
Bereiche, in denen wir in den vergangenen Jahren große
Fortschritte erreicht haben - letztlich mindestens die gleiche, wenn nicht weit größere Bedeutung für die betroffenen Länder zukommen.
Was das Ziel angeht, die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen, so ist zu sagen,
dass es nach einem permanenten Rückgang in der Vergangenheit gelungen ist, zunächst eine Verstetigung zu erreichen. Wir haben nicht nur das 0,7-Prozent-Ziel als Langfristziel in die Strategie aufgenommen, sondern wir haben
auch aufgenommen, dass wir uns bemühen wollen, bis
zum Jahr 2006 einen Anteil von 0,33 Prozent zu erreichen.
Wir sind jetzt
schon nahe an dem Zeitpunkt, zu dem die Regierungsbefragung normalerweise beendet wird. Es gibt aber noch
eine Reihe von Fragen; der Fragebedarf ist groß. Unter
denjenigen, die Fragen stellen möchten, sind auch etliche
Kollegen, die schon zwei Fragen gestellt haben. Das ist im
Prinzip möglich. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass
das auf Kosten der Fragestunde geht.
Wer möchte zu diesem Bereich noch eine Frage stellen? - Ich nehme das auf und schließe damit die Liste.
Ich gebe jetzt dem Kollegen Paziorek das Wort.
Vielen Dank, Frau
Präsidentin.
Erstens. Herr Bury, war der Bundesregierung heute
Morgen bei der Beschlussfassung, die langfristigen und
mittelfristigen Ziele des Klimaschutzes in diesem Bericht
nicht quantitativ auszuweisen, bekannt, dass der Bundestag bei den Beratungen zu den Ergebnissen der Enquete-Kommission zur internationalen Klimaschutzpolitik quantitative Ziele vorgegeben hat, dass zwischen den
Fraktionen des Hauses bisher völlig unbestritten war, bis
zum Jahr 2030 beispielsweise die CO2-Emissionen in
Deutschland um 40 Prozent oder 50 Prozent zu reduzieren, und dass darüber hinaus im Bundestag auch qualitative Zielvorstellungen vereinbart worden sind? Ist das ein
bewusstes Abrücken von den Zielvorstellungen des Deutschen Bundestages?
Zweitens. Wird die Bundesregierung dann, wenn dieser Bericht in diesem Jahr in Johannesburg behandelt wird
und Fragen zu der Bewertung der Beschlussfassung des
Bundestages kommen, darauf hinweisen, dass sie von den
Zielen des Bundestages zur Reduktion der CO2-Emissionen bewusst abgerückt ist, weil sie die nationale Vorreiterrolle etwas anders sieht, als es hier bisher definiert
worden ist?
Herr Kollege Paziorek, ich habe bereits zweimal deutlich gemacht, dass wir uns in dem Ziel, über die bereits
vereinbarten Maßnahmen hinaus europäisch und international weitere ambitionierte Klimaschutzziele zu vereinbaren, nicht unterscheiden.
Es mag aber einen Unterschied hinsichtlich der Frage
geben, wie wir dieses Ziel am erfolgversprechendsten erreichen. In der Bundesregierung besteht darüber Konsens,
dass es nicht zielführend wäre, über die in der Strategie
enthaltenen Maßnahmen hinaus national quantifizierte
Ziele mittel- und langfristig festzuschreiben, weil das die
Bemühungen unserer europäischen Partner nicht erhöhen
würde - so ist die Erfahrung aus dem Kioto-Prozess -,
sondern bei dem einen oder anderen leider eher dazu
führte, eigene nationale Anstrengungen zurückzunehmen.
Deshalb besteht unser Weg, die gemeinsamen Bemühungen zum Klimaschutz weiter zu forcieren, darin, unsere
europäischen Partner für europäische, idealerweise für internationale gemeinsame Zielvorgaben zu gewinnen.
Diese Zielvorgaben müssen selbstverständlich über die
bereits beschlossenen hinausgehen.
Frau Kollegin
Burchardt.
Wir leben bekanntlich im
Zeitalter der Globalisierung. Die Globalisierung führt auf
der einen Seite zu einer zunehmenden internationalen
Verflechtung von technisch-ökonomischen Prozessen und
Entwicklungen, auf der anderen Seite hat sie Einfluss auf
die großen Problemlagen wie zum Beispiel Umweltzerstörung, Armut und Unterentwicklung. Welchen Sinn und
welchen Nutzen sieht die Bundesregierung vor diesem
Hintergrund in einer nationalen Strategie beim Klimaschutz? Welche konkreten Impulse für die Innovationsfähigkeit des Standortes Deutschland gehen aus Sicht der
Bundesregierung von dieser Strategie aus?
Der Sinn einer nationalen Strategie besteht darin, dass
jede Regierung in ihrem unmittelbaren Verantwortungsbereich - das wurde auch in Rio so verabredet - eigene
Beiträge leistet, um global zu einer nachhaltigen Entwicklung zu kommen. Wir haben in der Strategie aber
über die nationale Betrachtung hinaus dem internationalen, dem globalen Aspekt breiten Raum eingeräumt. Dies
gilt sowohl für das Leitbild als auch für die Handlungsfelder.
Ihre Frage war zweigeteilt. Was die Frage des globalen
Aspekts angeht, unterstütze ich die Idee des Vorsitzenden
des Nachhaltigkeitsrates, Volker Hauff, sehr, nach dem
Vorbild der Brundtland-Kommission eine Weltkommission zur Globalisierung und Nachhaltigkeit einzurichten,
weil ich überzeugt bin, dass in dem Thema der nachhaltigen Entwicklung eine Fülle von Antworten auf die
kritischen Fragen so genannter Globalisierungsgegner
stecken.
Im zweiten Teil Ihrer Frage hatten Sie nach dem Innovationspotenzial in Deutschland gefragt. Wir haben in den
Handlungsfeldern und noch konkreter in den Pilotprojekten deutlich gemacht, wo wir uns Innovationspotenziale
versprechen, die wir gemeinsam mit der Wirtschaft erschließen wollen und wo wir Vorsprünge auf Zukunftsmärkten erarbeiten können. Im Bereich Klimaschutz und
Energie beispielsweise gibt es Projekte zu Offshorewindparks. Dort verfolgen wir das Ziel, im Bereich der Windkraft durch Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, durch Klärung von Nutzungskonflikten und durch
Ausweisung geeigneter Standorte zu einem Durchbruch
zu kommen und den Anteil regenerativer Energien an der
Energieerzeugung in Deutschland weiter zu steigern. Dieses trägt zugleich auch dazu bei, Exportchancen für Produkte deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, für Ingenieure und Projektbüros, die in den letzten Jahren dank
der Förderpolitik dieser Bundesregierung ohnehin eine
sehr erfreuliche Entwicklung genommen haben, weiter zu
verbessern.
Im Bereich der Brennstoffzelle haben wir, um ein
zweites Beispiel zu nennen, sowohl für die stationäre Anwendung - Überschrift: „Virtuelles Kraftwerk“ - als auch
für die mobile Anwendung im Rahmen der „Clean Energy
Partnership Berlin“ Pilotprojekte auf den Weg gebracht
und unterstützt, die in diesem zukunftsträchtigen Bereich
der Steigerung von Energieeffizienz und der Erschließung
der Nutzung regenerativer Quellen Deutschland voranbringen sollen und damit dazu beitragen, dass wir auf den
Märkten der Zukunft auch ökonomisch die Nase vorn haben, im Sinne der Nachhaltigkeit natürlich begleitet dadurch, dass wir einen Beitrag für die Umwelt liefern und
zukunftsfähige Arbeitsplätze in unserem Land schaffen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Herr Kollege
Obermeier.
Herr Staatsminister,
wie Sie wissen, gibt es eine Enquete-Kommission mit
dem Namen „Nachhaltige Energieversorgung unter den
Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“. Diese Enquete-Kommission hat im vergangenen
Jahr einen ersten Bericht vorgelegt, der sich schwerpunktmäßig mit der Definition des Leitbilds der Nachhaltigkeit befasst. Im Übrigen gehen wir, die Mitglieder dieser Enquete-Kommission, sehr wohl von quantitativen
Zielen aus. In Ergänzung dessen, was mein Vorredner gesagt hat, weise ich darauf hin: Wir gehen davon aus, dass
das Ziel darin besteht, bis zum Jahr 2050 eine Minderung
des CO2-Ausstoßes um 80 Prozent zu erreichen.
Inwieweit bildeten die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse, insbesondere die Ergebnisse des Zwischenberichts,
eine Grundlage für Ihre Arbeit, und inwieweit flossen die
Inhalte des Zwischenberichts und der Studien in die Arbeit, die Sie jetzt vorgelegt haben, ein?
Die Arbeit der Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages und seiner Ausschüsse hat wertvolle Anregungen für die Erarbeitung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie geliefert. In der Endfassung des Berichts
dieser Strategie wird dokumentiert, inwieweit Anregungen der Enquete-Kommission und der Ausschüsse eingeflossen sind.
Herr Obermeier,
bitte.
Es stellt sich natürlich die Frage, inwieweit Differenzen zwischen dem, was
vonseiten der Enquete-Kommission im vergangenen Jahr
im Plenum vorgetragen wurde, und Ihrer Vorlage bestehen.
({0})
Wenn die Enquete-Kommission ihren Endbericht vorlegt, wird man gegebenenfalls - davon gehe ich aus - in
diesem Haus darüber diskutieren, inwieweit zwischen
dem Bericht der Enquete-Kommission und der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung Übereinstimmung
besteht und wo wir gegebenenfalls differierende Vorstellungen haben.
Die Kollegin
Bulling-Schröter - das ist die letzte Frage in diesem Zusammenhang - hat das Wort.
Herr Staatsminister, ich
möchte eine Frage zum Thema Energie bzw. Klima stellen. Wir haben das ambitionierte Ziel, bis 2005 25 Prozent
des CO2-Ausstoßes einzusparen. Laut einer DIW-Studie
lag die CO2-Einsparung im Jahr 2001 im Vergleich zum
Basisjahr 1990 bei 13,5 Prozent. Viele Wissenschaftsinstitute sind der Meinung, dass wir das Klimaschutzziel
nicht erreichen. Es muss festgestellt werden, dass diese
Gefahr besteht und dadurch weitergehende Ziele ebenfalls in Gefahr sind. Wurden diese Probleme in die Nachhaltigkeitsstrategie eingearbeitet? Unter welchen Voraussetzungen halten Sie das deutsche Klimaschutzziel für
erreichbar? Legt die Bundesregierung hinsichtlich ihrer
Einsparungskurven die temperaturbereinigten Werte oder
die tatsächliche Einsparung von CO2 bei ihrer Abrechnung zugrunde?
Frau Kollegin, Deutschland hat in den vergangenen
Jahren bereits deutlich größere Effizienzverbesserungen
erreicht als andere Länder. Bei der Energieeffizienz liegen
wir bei einer Steigerungsrate von 1,9 Prozent pro Jahr gegenüber 1,1 Prozent im EU-Durchschnitt. Diese Tendenz
wird sich aus meiner Sicht fortsetzen, wenn nicht gar verbessern. Dem von uns festgelegten Ziel liegt eine jährliche Steigerung von gut 2 Prozent zugrunde. Dieses Ziel
soll mithilfe einer Fülle von Maßnahmen erreicht werden:
der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung; der Vereinbarung mit der Wirtschaft zum Klimaschutz; der Energieeinsparverordnung; dem CO2-Minderungsprogramm für
Altbauten; der Selbstverpflichtung der Automobilindustrie zur Verminderung des Benzinverbrauchs und vielem
anderen. Das alles zeigt, dass unsere Zielsetzung mit konkreten Maßnahmen unterlegt ist.
Danke schön,
Herr Staatsminister. Ich beende die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 14/8756, 14/8777 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich zunächst gemäß
Ziffer 10 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf.
Zunächst kommen wir zur dringlichen Frage 1 des Abgeordneten Andreas Schmidt ({0}):
Wann haben Bundeskanzler Gerhard Schröder und Staatssekretär Dr. Frank-Walter Steinmeier von dem in der „Welt am
Sonntag“ vom 14. April 2002 erwähnten Fund von angeblich verschwundenen Original-Leuna-Akten im Bundeskanzleramt erfahren und was haben sie daraufhin unter strafrechtlichen - Verdacht
der falschen Anschuldigung - und disziplinarrechtlichen Gesichtspunkten gegenüber dem Sonderermittler Dr. Burkhard Hirsch und
den ihn unterstützenden Bediensteten der Abteilung 1 des Bundeskanzleramtes unternommen?
Es geht um den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramts, sodass Sie, Herr Staatsminister Bury, die Frage beantworten.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Schmidt, die in dem
von Ihnen angesprochenen Zeitungsartikel enthaltenen
Behauptungen über einen angeblichen Fund verschwundener Leuna-Akten im Bundeskanzleramt sind falsch. Bis
heute wurde keine der verschwundenen Leuna-Akten
oder eine andere der verschwundenen Akten wieder aufgefunden.
Herr Schmidt,
Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr
Kollege Bury, ich möchte das präzisieren: Trifft es zu,
dass bei einer stichprobenartigen Sichtung des Aktenbestandes im Rahmen einer Besprechung zwischen dem
Bundeskanzleramt und der Staatsanwaltschaft Bonn
im November 2001 Schriftgut im Original aufgefunden
wurde, obwohl die Bundesregierung gegenüber der
Staatsanwaltschaft behauptet hat, dass diese Originalunterlagen fehlen?
Herr Kollege Schmidt, es ist zutreffend, dass am
20. und 21. November 2001 auf Wunsch der Staatsanwaltschaft ein Informationsgespräch stattgefunden hat.
Der Staatsanwaltschaft wurden dabei bzw. im Nachgang
zu diesem Gespräch alle den Untersuchungsgegenstand
betreffenden Akten und die dazugehörigen Karteikarten
übergeben.
Ich finde,
wenn ich darauf hinweisen und es monieren darf, dass Sie
meine Frage nicht beantwortet haben. Ich habe gefragt, ob
Unterlagen im Original durch die Staatsanwaltschaft aufgefunden worden sind, von denen die Bundesregierung
behauptet hat, dass sie nicht mehr vorhanden sind.
Herr Kollege Schmidt, die Staatsanwaltschaft Bonn hat
im Bundeskanzleramt keine eigenen Recherchen durchgeführt. Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass der Staatsanwaltschaft am 21. November 2001 im Bundeskanzleramt
bzw. im Nachgang zu diesem Gespräch alle den Untersuchungsgegenstand betreffenden Akten und die dazugehörigen Karteikarten übergeben wurden. Von den Akten, die nach dem Regierungswechsel verschwunden
waren, wurde bislang keine wieder aufgefunden. Dazu
gehören sechs Bände Leuna-Akten, die im Original fehlen
und nur in ungeordneten Kopien mit Paginierungsfehlern
vorhanden sind, ein weiterer Band Leuna-Akten, der verschollen ist, ohne dass Kopien vorhanden sind, und die Originalakten weiterer Privatisierungsvorgänge. Dabei handelt
es sich um BBB - Bagger-Bugsier- und Bergungsreederei -, Baukombinat ELBO, Deutsche Seereederei Rostock, Interhotel, Motorradwerke Zschopau und Grimmener Hähnchen.
Frau Präsidentin, ich muss darauf hinweisen, dass ich meine Frage
immer noch nicht als beantwortet ansehe. Ich habe gefragt, Herr Kollege Bury: Sind Original -
Moment! Sie
haben zu Ihrer Frage zwei Nachfragen gestellt. Mehr dürfen Sie nicht stellen.
({0})
- Sie dürfen auch nicht Pausen nutzen, in denen ich mich
nach dem Namen von Kollegen erkundige. Sie haben ja
noch eine zweite Frage, zu der Sie Nachfragen stellen
können.
Bitte, Herr Kollege Friedrich.
Herr
Minister, noch einmal konkret: Hat die Staatsanwaltschaft
am 20./21. November im Bundeskanzleramt OriginalLeuna-Akten gesehen und erhalten und waren in diesen
Akten auch Leitungsvorlagen, wie es die „Welt am Sonntag“ schreibt?
Herr Kollege, ich habe diese Frage bereits zweimal
beantwortet
({0})
und gesagt, dass der Staatsanwaltschaft alle den Untersuchungsgegenstand betreffenden Akten und die dazugehörigen Karteikarten übergeben worden sind,
({1})
dass aber von den Akten, die nach dem Regierungswechsel verschwunden waren, keine wieder aufgefunden
wurde.
Wir sind immer
noch bei den Zusatzfragen zur dringlichen Frage 1. Bitte.
In diesem Zusammenhang hat die Kanzleramtsmitarbeiterin Frau
Sudhof jedoch auch von einem Missverständnis gesprochen. Warum ist es deshalb nach Aussage der Kanzleramtsmitarbeiterin nicht beabsichtigt, der Staatsanwaltschaft eine amtliche Auskunft zu geben, wie in der „Welt
am Sonntag“ berichtet wurde?
Frau Kollegin, ich hatte bereits darauf hingewiesen,
dass dieser Bericht falsch ist. Die Staatsanwaltschaft hat
selbstverständlich alle erbetenen Auskünfte erhalten.
Kollege von
Klaeden, bitte.
Herr Staatsminister, Sie haben gerade gesagt, bei den Akten handele es sich
um solche, die nach dem Regierungswechsel bzw. nach
der Bundestagswahl verschwunden seien. Darf ich fragen, worauf Sie diese Erkenntnis gründen? Das nämlich
ist mir neu.
Die Erkenntnis, dass Akten verschwunden sind, gründet sich insbesondere darauf, dass, wie Sie sicherlich
wissen, im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss Aktenkopien aufgetaucht sind, von denen die Originale nicht mehr vorhanden sind. Darüber hinaus gibt es
Kartei-, Registerkarten und anderes, die auf Akten verweisen, die nicht mehr aufzufinden sind. Insofern ist unbestritten, dass Akten verschwunden sind.
({0})
Zusatzfrage der
Kollegin Bonitz.
Herr Staatsminister, Sie
haben eben gesagt, die Staatsanwaltschaft habe alle erbetenen Auskünfte bekommen. Könnte es sein, dass das
Bundeskanzleramt von sich aus eine weitere Stellungnahme zugesagt hat, um dieses offensichtlich aufgetretene Missverständnis bei dem Ortstermin am 20./21. November aufzuklären? Wenn es eine solche Zusage
gegeben hat: Ist eine solche Stellungnahme jemals gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegeben worden?
Es war für uns in diesem Gespräch und in der nachfolgenden Korrespondenz nicht ersichtlich, dass es da ein
Missverständnis um die Untersuchungsausschussakten
gegeben hätte oder dass dieses Missverständnis nicht ausgeräumt wäre. Inwieweit dazu in Zukunft ergänzende
Stellungnahmen abgegeben werden, vermag ich hier nicht
zu sagen. Aber die Staatsanwaltschaft selber hat sich nach
meiner Kenntnis öffentlich, auch gegenüber Zeitungen, in
dem Sinne geäußert, dass der Bericht, auf den Sie Ihre
Frage stützen, absolut unzutreffend ist.
Ich rufe jetzt die
dringliche Frage 2 des Abgeordneten Andreas Schmidt
auf:
In welchem Umfang und seit welcher Zeit stehen von der Staatsanwaltschaft Bonn in dem Ermittlungsverfahren 50 Js 816/00 wegen angeblich verschwundener Akten und angeblicher Datenlöschungen im Bundeskanzleramt - vergleiche „Welt am Sonntag“
vom 14. April 2002 - erbetene Stellungnahmen des Bundeskanzleramtes aus?
Bitte, Herr Staatsminister.
Herr Kollege Schmidt, es stehen keine Stellungnahmen aus. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat sämtliche Unterlagen und Auskünfte erhalten, die sie schriftlich oder
mündlich beim Bundeskanzleramt erbeten hat.
Bitte, Herr Kollege Schmidt.
Herr
Kollege Bury, ich habe eine Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung oder hat das Bundeskanzleramt bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Aktenvernichtung erstattet,
und wenn ja, gegen wen?
Die Bundesregierung, Herr Kollege Schmidt, hat im
Sommer 2000 einen Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft gestellt.
Gegen
wen?
Das war ein Strafantrag wegen Datenlöschung, allerdings davon ausgehend, dass die Strafverfolgungsbehörden ohnehin von Amts wegen tätig geworden wären.
({0})
Herr Dr. Friedrich.
Herr
Minister, kann ich daraus schließen, dass es weder eine
Anzeige noch einen Strafantrag wegen Aktenvernichtung
gibt? Denn Sie haben jetzt von Datenlöschung gesprochen.
Es gibt den von mir eben beschriebenen Strafantrag,
Herr Kollege.
Frau Kollegin
Störr-Ritter, bitte.
Herr Staatsminister, hat das Bundeskanzleramt denn jetzt Beweise
dafür, dass vorsätzlich und rechtswidrig Akten vernichtet
worden sind?
Frau Kollegin, es ist ganz offenkundig, dass Akten
verschwunden und Dateien gelöscht worden sind. Daran
ändert auch der Sachverhalt nichts, dass die Verantwortlichen im Einzelnen bisher nicht zu ermitteln waren.
Zusatzfrage der
Kollegin Bonitz.
Herr Staatsminister, wenn
das so offensichtlich ist, warum gibt es dann keine weitere
Strafanzeige oder einen Strafantrag?
Frau Kollegin Bonitz, es gibt Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und entgegen Ihrer Annahme oder Hoffnung
sind sie auch nicht eingestellt.
Kollege von
Klaeden.
Herr Staatsminister, wie bewerten Sie dann die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Bonn, die der „Welt“ zu entnehmen war,
dass es nach der Befragung der Zeugen durch die Staatsanwaltschaft, die auch von Herrn Hirsch befragt worden
seien, keine Beweise für eine vorsätzliche Aktenvernichtung, sondern allenfalls Indizien gebe?
({0})
Herr Kollege von Klaeden, ich hatte bereits mehrfach
darauf hingewiesen, dass der Bericht, auf den Sie Ihre
Fragen stützen, falsch ist.
Ich rufe jetzt die
dringliche Frage 3 der Abgeordneten Sylvia Bonitz auf:
Hält die Bundesregierung ihre bisherigen Vorwürfe hinsichtlich einer gezielten, vorsätzlichen Vernichtung der Leuna-Akten
uneingeschränkt aufrecht angesichts der Berichterstattung in
der „Welt am Sonntag“ vom 14. April 2002 und der „Welt“ vom
16. April 2002, wonach die Bonner Staatsanwaltschaft bei einem
Ortstermin im Bundeskanzleramt am 27. November 2001 bei einer stichprobenhaften Prüfung sofort Original-Akten zum Komplex Leuna, darunter auch Leitungsvorlagen für den Amtschef und
für Bundeskanzler Helmut Kohl, gefunden habe, die angeblich
verschollen oder auf Geheiß von Mitarbeitern des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl vernichtet worden sein sollen?
Frau Kollegin Bonitz, wie bereits in meiner Antwort
auf die Fragen des Kollegen Schmidt ausgeführt, sind die
in dem von Ihnen angesprochenen Zeitungsartikel enthaltenen Behauptungen über einen angeblichen Fund
verschwundener Leuna-Akten falsch. Insofern hat die
Bundesregierung keine Veranlassung, ihre bisherige Einschätzung zu ändern.
Bitte.
Herr Staatsminister, welche stichhaltigen Beweise hat denn nun die Bundesregierung für ihren Vorwurf einer vorsätzlichen - das ist mir
wichtig: einer vorsätzlichen! - Aktenvernichtung und hat
auch die bisherige interne Chefermittlerin im Bundeskanzleramt, Frau Sudhof, diese Vorwürfe einer vorsätzlichen Aktenvernichtung gegenüber der Staatsanwaltschaft aufrechterhalten und belegen können?
Frau Kollegin, Fakt ist, dass von den im Bundeskanzleramt verschwundenen Akten bislang keine wieder aufgefunden wurde. Ich darf noch einmal darauf hinweisen,
um welche Vorgänge es sich handelt: Dazu gehören sechs
Bände Leuna-Akten, die im Original fehlen. Dazu gehört
ein weiterer Band Leuna-Akten, der verschollen ist, ohne
dass Kopien vorhanden sind. Dazu gehören die Originalakten der Privatisierungsvorgänge - ich nannte sie bereits - BBB, Baukombinat ELBO, Deutsche Seereederei
Rostock, Interhotel, Motorradwerke Zschopau, Grimmener Hähnchen, die im Kanzleramt nicht aufgefunden werden konnten. Es fällt mir schwer, zu glauben, dass diese
Akten ohne aktives Zutun verschwunden sind.
Herr Staatsminister, ich
frage ganz konkret: Hat Frau Sudhof als interne Ermittlerin im Bundeskanzleramt bei dem Ortstermin mit der
Staatsanwaltschaft am 20./21. November den Vorwurf einer vorsätzlichen Aktenvernichtung aufrechterhalten und
hat sie ihn belegen können?
({0})
Frau Kollegin, ich habe die Frage bereits beantwortet.
Es sind Akten in einem erheblichen Umfang verschwunden, verschollen und nicht wieder auffindbar.
({0})
Das war Gegenstand des Gespräches mit der Staatsanwaltschaft, auf das Sie sich beziehen.
({1})
Zusatzfrage des
Kollegen Friedrich.
({0})
Zu der
Müntefering-Geschichte kommen wir später. - Herr
Staatsminister, trifft es zu, dass es bis zum heutigen Tag
nicht ein einziges Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter
wegen Aktenvernichtung auf Initiative des Bundeskanzleramtes gibt?
Es gibt ein Disziplinarverfahren, das noch nicht abgeschlossen worden ist, da der Betroffene einen Klärungsantrag gegen die vom Chef des Bundeskanzleramtes
verfügte Verfahrenseinstellung gestellt hat.
Zusatzfrage der
Kollegin Störr-Ritter.
Herr Staatsminister, Frau Sudhof hat eingeräumt, dass es bei dem Termin am 20./21. November offensichtlich zu Missverständnissen zwischen dem Bundeskanzleramt und der
Staatsanwaltschaft gekommen sei. Für mich ist bis heute
noch nicht nachvollziehbar, wie es zu diesen Missverständnissen kommen konnte. Deshalb frage ich: Worin
bestanden diese Missverständnisse? Wann und von wem
sind sie aufgedeckt worden?
Frau Kollegin, während der zweitägigen Gespräche
mit der Staatsanwaltschaft wurde eine Vielzahl von Fragen besprochen. Einer der Staatsanwälte warf eher am
Rande die Frage auf, ob nicht auch Parallelvorgänge zu
den Leuna-Akten gerechnet werden müssten - er meinte
damit die von mir bereits vorher erwähnten Akten zur Begleitung des Untersuchungsausschusses „DDR-Vermögen“ in der 13. Legislaturperiode -, weil sich zum Teil in
den Untersuchungsausschussakten die Leunaer Karteizeichen befänden.
Dem Staatsanwalt wurde daraufhin erklärt, dass die
Untersuchungsausschussakten mit dem Privatisierungsvorgang nichts zu tun haben, sondern Akten über die
Leuna-Akten sind, deren Inhalt nicht Leuna, sondern die
Begleitung des Untersuchungsausschusses ist. In ihnen
wird etwa die Frage behandelt, welche Akten der Ausschuss beigezogen hat, welche Beweise außerdem erhoben wurden und Ähnliches. Die Beamten des Bundeskanzleramtes gingen davon aus, dass mit dieser Erklärung
das Missverständnis der Staatsanwaltschaft an Ort und
Stelle ausgeräumt gewesen sei.
Es stimmt also nicht, dass bei diesem Termin im November Akten aufgefunden worden sind, die zuvor übersehen wurden. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat, wie gesagt, keine eigene Aktenrecherche durchgeführt.
Zusatzfrage des
Kollegen von Klaeden.
Herr Staatsminister, da jetzt anscheinend alles auf Fehleinschätzung der
Staatsanwaltschaft und fehlerhafte Recherche der „Welt“
zurückgeführt werden soll, möchte ich die Frage stellen,
ob Ihnen der staatsanwaltschaftliche Vermerk, aufgrund
dessen es zu diesem Missverständnis gekommen sein soll,
überhaupt bekannt ist.
Herr Kollege von Klaeden, bei allem Respekt muss
ich sagen: Der Grund, warum wir dieses Thema erörtern,
liegt nicht in einem Missverständnis der Staatsanwaltschaft oder in der fehlerhaften Berichterstattung der
„Welt“, sondern in dem unglaublichen Vorgang, dass im
Bundeskanzleramt eine Vielzahl von Akten verschwunden und nicht mehr auffindbar ist.
({0})
Der in der „Welt am Sonntag“ erwähnte Vermerk der
Staatsanwaltschaft Bonn - ich habe bereits den entsprechenden Bericht kommentiert - ist dem Bundeskanzleramt nicht zur Kenntnis gegeben worden.
Zusatzfrage des
Kollegen Graf.
Herr Staatsminister,
haben Sie Erkenntnisse darüber, dass Akten aus dem
Kanzleramt bei der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgefunden worden sind?
({0})
Herr Kollege Graf, in der Tat, ich kenne solche Berichte aus der Berichterstattung über die Arbeit des Untersuchungsausschusses.
Ich rufe jetzt die
dringliche Frage 4 der Abgeordneten Sylvia Bonitz auf:
Wie erklärt die Bundesregierung ihr Dementi des Berichtes
der „Welt am Sonntag“ vom 14. April 2002, nachdem der Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof geäußert hat, dass auch in
den Vorzimmern beim Chef des Bundeskanzleramtes „rechtswidrige Datenlöschungen nicht nachweisbar“ seien, und nachdem der
Chef des Bundeskanzleramtes, Dr. Frank-Walter Steinmeier, hinsichtlich des Disziplinarverfahrens gegenüber Ministerialdirigent
G. H. wörtlich ausgeführt hat - „Welt“ vom 16. April 2002 -:
„Eine Beteiligung an Löschungen von Dateien im Bereich des von
G. H. geleiteten Ministerbüros und an der Entfernung dienstlicher
Akten konnte nicht festgestellt werden. ({0}) Das Disziplinarverfahren ist daher ohne Verhängung einer Disziplinarmaßnahme
einzustellen.“?
Frau Kollegin Bonitz, die beiden von Ihnen angesprochenen Zeitungsartikel befassen sich mit zwei völlig
unterschiedlichen Aspekten innerhalb des Gesamtvorgangs „Datenlöschung und Aktenvernichtung im Bundeskanzleramt“. Wie ich bereits in der Antwort auf Ihre
vorherige Frage dargestellt habe, sind die in dem Zeitungsartikel vom 14. April 2002 enthaltenen Behauptungen über einen angeblichen Fund verschwundener LeunaAkten falsch.
Zutreffend ist hingegen im Zeitungsartikel vom
16. April 2002 berichtet worden, dass in dem von Ihnen
angesprochenen Fall ein Disziplinarverfahren durchgeführt wurde. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, da der Betroffene einen Klärungsantrag gegen die
vom Chef des Bundeskanzleramtes verfügte Verfahrenseinstellung gestellt hat. Eine Einstellung des Verfahrens in diesem Einzelfall hätte jedoch für die Verdachtslage in dem von der Staatsanwaltschaft Bonn geführten
Verfahren wegen des Verdachts der Datenlöschung im
Bundeskanzleramt im Zusammenhang mit dem Regierungswechsel 1998 keine Bedeutung.
Bitte.
Herr Staatsminister, ich
darf einmal kurz bemerken, dass dieses Disziplinarverfahren auf die Eigeninitiative des betroffenen Beamten
zurückzuführen ist und nicht auf ein entsprechendes Ansinnen des Kanzleramtes.
Nun zu meiner Frage: Sie haben bislang keinen stichhaltigen Beweis für Ihren Vorwurf liefern können, dass
Akten gezielt vernichtet worden sind. In wie vielen Fällen
hat die Staatsanwaltschaft Ihre bisher bloßen Vermutungen und Verdächtigungen als stichhaltigen Beweis akzeptiert, der eine Anklageerhebung rechtfertigt, bzw. in wie
vielen Fällen hat sie sogar Anklage erhoben?
Frau Kollegin, was Ihre Bemerkung zum Thema
Disziplinarverfahren angeht, sollten Sie in Ihrer Ergänzung erwähnen, dass es ein zweites Disziplinarverfahren
gibt, das wegen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ruht.
({0})
Mit Blick auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
- sie dauern ja noch an - lässt sich Ihre Frage hinsichtlich
einer Anklageerhebung oder eines möglichen Urteils
selbstverständlich nicht beantworten.
Wenn ich kurz nachtragen
darf: Auch das zweite Disziplinarverfahren geht auf die
Initiative des Betroffenen selbst zurück. Es scheint ja so
zu sein, dass die Staatsanwaltschaft bislang in keinem
einzigen Fall Anklage erhoben hat.
Mich würde aber interessieren, ob die bisherige interne
Ermittlerin im Bundeskanzleramt, Frau Sudhof, noch mit
dieser Aufgabe befasst ist und, wenn nein, seit wann nicht
mehr.
Frau Kollegin Bonitz, ich wüsste nicht, dass es - mit
Ausnahme des Abschlusses der Arbeiten des Sonderermittlers - da zu Veränderungen gekommen ist.
({0})
Zusatzfrage des
Kollegen Neumann.
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, ob die Bonner Staatsanwaltschaft, die mit diesem Ermittlungsverfahren befasst ist,
einmal in der Konrad-Adenauer-Stiftung nachgesehen hat,
ob sich dort Teile der aus dem Kanzleramt verschwundenen Akten befinden? Dort sind ja bereits andere Dokumente aufgefunden worden, die im Kanzleramt nicht mehr
vorhanden waren.
Herr Kollege Neumann, ich kann Ihre Frage nicht beantworten, da mir der Sachverhalt nicht unmittelbar bekannt ist.
Zusatzfrage der
Kollegin Störr-Ritter.
Wir haben jetzt
gehört, dass Frau Sudhof das entstandene Missverständnis
anlässlich des erwähnten Termins direkt ausgeräumt hat. Ist
Ihnen bekannt, dass im Widerspruch dazu vom Bundeskanzleramt eine ergänzende amtliche Auskunftserteilung
zugesagt worden ist, und ist diese inzwischen erfolgt?
Frau Kollegin, ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft alle erbetenen Auskünfte und Stellungnahmen erhalten hat.
Zusatzfrage des
Kollegen Friedrich.
Herr
Staatsminister, wissen Sie, ob die Staatsanwaltschaft
Bonn Herrn Staatssekretär Steinmeier, Frau Sudhof oder
Mitarbeiter der Abteilung 1 des Bundeskanzleramts vernommen hat?
Herr Kollege, es hat ein Gespräch mit der Staatsanwaltschaft zu einer Vielzahl von Fragen gegeben, über
die ich bereits Auskunft gegeben habe.
Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft Bonn zusätzlich zu den mündlichen Erläuterungen eine Reihe von
schriftlichen Auskünften erhalten. Diese schriftlichen
Auskünfte wurden allerdings nicht durch den Chef des
Bundeskanzleramtes persönlich, sondern durch die zuständigen Mitarbeiter verfasst.
Nachdem die
dringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet worden
sind, rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 14/8756 in
der üblichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Die Frage 1 der Abgeordneten Ulrike Mehl soll schriftlich
beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Fragen 2 und 3 des Abgeordneten Helmut
Heiderich sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden.
Somit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Ich rufe Frage 4 des Abgeordneten Aribert Wolf auf:
In welcher Besoldungsstufe sind die Leiter der Leitungsstäbe
bzw. die Leiter der Ministerbüros - im Vergleich zum Bundesministerium für Gesundheit ({0}) - in den übrigen Bundesministerien eingestuft?
Beantworten wird sie der Parlamentarische Staatssekretär Körper. Bitte.
Frau Präsidentin, ich beantworte
die Frage wie folgt: Die Leiter der Leitungsstäbe bzw. die
Leiter der Ministerbüros sind in den Bundesministerien
nicht einheitlich eingestuft.
Die besoldungsrechtliche Einstufung ist nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen davon abhängig, welches statusrechtliche Amt der Leiterin oder dem
Leiter einer solchen Organisationseinheit im Einzelfall
rechtsförmlich verliehen worden ist. Wenn die Leitungsstäbe oder Ministerbüros organisatorisch als Referate
oder Arbeitsgruppen aufgebaut sind und insoweit von einer Ministerialrätin oder einem Ministerialrat geleitet
werden, erfolgt die Besoldung der Leiterin oder des Leiters nach den Besoldungsgruppen A 16 oder B 3.
({0})
Sind die Grundsatz- und Planungseinheiten als Unterabteilungen organisiert, die von einem Ministerialdirigenten
geleitet werden, richtet sich die Bezahlung der Leiterin
oder des Leiters nach der Besoldungsgruppe B 6. Im Bundesbesoldungsgesetz, das die Besoldung der Beamtinnen
und Beamten bundeseinheitlich verbindlich festlegt, ist
das Amt „Ministerialdirigent“ ausdrücklich mit dem Funktionszusatz „als Leiter einer Unterabteilung“ ausgebracht;
dem Amt „Ministerialrat“ hat der Gesetzgeber keine bestimmten Funktionen zugeordnet.
Die Aufbau- und Organisationsstrukturen der Leitungsstäbe sind aus den Haushalts- und Stellenplänen der
einzelnen Ressorts ersichtlich.
Herr Kollege Wolf zu
einer ersten Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, in welcher Besoldungsstufe der Leiter des
Leitungsstabes im Bundesgesundheitsministerium von
1995 bis 1997 eingruppiert war und wie die ab 1991 amtierenden Leiter des Ministerbüros eingestuft waren?
Herr Kollege Wolf, ich glaube,
dass es nicht meine Aufgabe ist, diesbezüglich ressortbezogene Fragen zu beantworten. Ich würde Ihnen vor allem
nicht raten, Vergleiche aus der Vergangenheit zu der Frage
anzustellen, wie welche Ressorts die Leiterinnen und Leiter der Ministerbüros besoldet haben. Ich würde aus meiner Kenntnis heraus sagen: Die alte Bundesregierung
würde da nicht besonders gut aussehen.
({0})
Die zweite Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Wolf.
Ich stelle die Frage noch
einmal, weil es schon mir überlassen bleiben muss, welche Fragen ich stelle.
({0})
Ich danke zwar für die Belehrungen. Es handelt sich hier
aber um das Fragerecht der Abgeordneten.
Deswegen frage ich Sie noch einmal: In welcher Besoldungsstufe waren der von 1995 bis 1997 amtierende
Leiter des Leitungsstabs und die ab 1991 amtierenden
Leiter des Ministerbüros im Bundesgesundheitsministerium eingestuft?
Herr Wolf, es ist auch das Recht
des Antwortenden, die Antwort so zu geben, wie ich es getan habe. Was ich zu dieser Frage gesagt habe, bleibt auch
jetzt bestehen. Punkt.
({0})
Damit rufe ich die
Frage 5 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf:
Welche Auswirkungen ergeben sich nach Ansicht der Bundesregierung im Hinblick auf den Kreis der Antragsberechtigten nach
§ 1 Abs. 6 Häftlingshilfegesetz ({0}) als Folge der im Februar
ergangenen Bearbeitungshinweise des Bundesministeriums des
Innern ({1}), wonach bei Zivildeportierten aus den ehemaligen Reichsgebieten jenseits von
Oder und Neiße grundsätzlich von vordringlichen sicherheitspolitischen Erwägungen der Gewahrsamnahme, trotz nachfolgender
Heranziehung zur Zwangsarbeit, ausgegangen wird, und stehen
ausreichend finanzielle Mittel für einen gegebenenfalls größeren
Kreis von Antragsberechtigten zur Verfügung?
Herr Kollege Koschyk, ich beantworte Ihnen die Frage wie folgt: Mit Rundschreiben vom
12. Februar diesen Jahres an die zuständigen obersten
Behörden der Länder hat das Bundesinnenministerium
seine unter dem 1. November 2001 an diese Behörden
übersandten Bearbeitungshinweise für Feststellungen
gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 des Häftlingshilfegesetzes HHG - durch die zuständigen Behörden der Länder um
Hinweise zur Anwendung des in § 1 Abs. 6 HHG normierten Ausschlusstatbestandes ergänzt. Nach § 10 Abs. 4
HHG stellen diese Behörden rechtlich bindend fest, ob jemand dem Kreis der politischen Häftlinge im Sinne von
§ 1 Abs. 1 HHG angehört. Dies ist nach § 1 Abs. 6 HHG
nicht der Fall, wenn jemand zur Durchsetzung von Arbeitsverpflichtungen - Zwangsarbeit - oder deshalb in Gewahrsam genommen wurde, um ihn als Vertriebenen oder
Aussiedler abzutransportieren.
Die ergänzenden Hinweise stellen nochmals ausdrücklich klar, dass es auf den primären Gewahrsamsgrund ankommt und demzufolge ein aus sicherheitspolitischen
Gründen angeordneter Gewahrsam den Ausschlusstatbestand auch dann nicht erfüllt, wenn der aus sicherheitspolitischen Gründen in Gewahrsam Genommene außerdem
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Darüber hinaus
kann nach den ergänzenden Hinweisen bei Zivildeportierten aus den ehemaligen Reichsgebieten jenseits von
Oder und Neiße zukünftig grundsätzlich, das heißt sofern
keine entgegenstehenden Tatsachen bekannt sind, davon
ausgegangen werden, dass der Gewahrsam primär sicherheitspolitisch motiviert war.
Es ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der klarstellenden Hinweise das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes häufiger als in der Vergangenheit verneint wird und
bei der hierfür zuständigen Stiftung für ehemalige politische Häftlinge mehr Anträge auf Gewährung von Unterstützungen zur Linderung einer Notlage im Sinne von
§ 18 HHG eingehen werden. Auf die Förderung besteht,
wie Sie wissen, kein Rechtsanspruch, ferner ist in § 16
Abs. 1 HHG die Höhe der Mittel festgelegt, die der Stiftung in den Jahren 2002 bis 2005 aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Es sind jährlich rund
767 Millionen Euro. Im Übrigen wird die Bundesregierung die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls geeignete Schritte vorschlagen.
Herr Kollege Koschyk,
bitte, zu einer ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär,
es ist aufgrund der ergänzenden Hinweise der Bundesregierung zur Anwendung des Häftlingshilfegesetzes der
Eindruck entstanden, dass der Tatbestand der Zwangsarbeit auf diese Weise mit entschädigt werden soll. Ich habe
Ihren Ausführungen entnommen, dass dies nicht die Intention der klarstellenden Hinweise ist.
Dies kann ich nur unterstreichen.
Das sehe ich genauso.
Sie haben eingeräumt, dass es durch diese Hinweise zu vermehrter Antragstellung kommen kann, Sie haben aber gleichzeitig
deutlich gemacht, dass die vermehrte Antragstellung nicht
die Hoffnung begründet, dass auch mehr Antragsteller mit
einer entsprechenden Förderung rechnen können, weil die
Bundeszuschüsse an die Häftlingshilfestiftung gedeckelt
sind. Sie haben auch gesagt, dass die Bundesregierung den
Vorgang sorgfältig beobachten wird. Heißt das, dass die
Bundesregierung gegebenenfalls, wenn die Mittel nicht
ausreichen, erwägt, den Bundeszuschuss an die Häftlingshilfestiftung aufzustocken?
Herr Kollege Koschyk, ich kann
konkret bejahen, dass diese Überlegungen angestellt werden. Man muss abwarten, wie viele Anträge eingehen
werden. Die Bundesregierung sieht zumindest eine gewisse Möglichkeit, in diesem Bereich durch Umschichtungen etwas zu tun.
Danke, Herr Staatssekretär.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Eckart Pick zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert
auf:
Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung - wie in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 9. April 2002 berichtet - entgegen
ursprünglichen Prognosen ({0}) in dieser Legislaturperiode
kein Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz ({1}) mehr in
den Deutschen Bundestag einbringen wird, und wenn ja, aus welchen Gründen nimmt sie von diesem wichtigen gesetzgeberischen
Vorhaben Abstand?
Herr Kollege Seifert, es ist nicht zutreffend, dass die Bundesregierung von der Vorlage eines
Entwurfs für ein Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz Abstand genommen hat.
Erste Nachfrage, bitte,
Herr Kollege Dr. Seifert.
Herzlichen Dank für die Antwort. Sie freut mich sehr. Können Sie mir jetzt bitte sagen,
wann Sie das einbringen werden? Wir wissen alle, dass
sich die Legislaturperiode dem Ende nähert. Wenn das
Gesetz noch verabschiedet werden soll - die Einbringung
allein nützt ja nichts, die Verabschiedung ist das Wichtige -, dann muss es in dieser oder der nächsten Sitzungswoche eingebracht werden.
Herr Kollege Seifert, die Bundesregierung ist bemüht, das Projekt zu befördern. Wir befinden uns im Moment in der Abstimmung mit den
anderen Ressorts, nachdem, wie Sie wissen, die Verbände
noch einmal beteiligt worden sind. Ich hoffe, dass es uns
gelingt, dieses Projekt noch vor Abschluss der Legislaturperiode zu realisieren.
Herr Dr. Seifert hat
eine zweite Nachfrage.
Herr Staatssekretär, jetzt bin ich
schon etwas weniger optimistisch als nach Ihrer ersten
Antwort. Ihre Hoffnung in allen Ehren, aber Sie haben
doch bestimmt so etwas wie einen Zeitplan. Ich verweise
nur darauf, dass zum Beispiel verschiedene Behindertenorganisationen sehr nachdrücklich gesagt haben, dass dieses Versprechen der rot-grünen Koalition nun eingelöst
werden müsse und es höchste Eisenbahn sei. Können Sie
nicht etwas konkretere Zeitangaben machen?
Herr Kollege Seifert, Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich keine Prognose
dazu abgeben will, wann die Abstimmung innerhalb der
Bundesregierung beendet sein wird. Ich sage noch einmal: Das Bundesministerium der Justiz als federführendes Ressort ist bestrebt, die Dinge möglichst schnell zum
Abschluss zu bringen, damit der Entwurf Kabinettsreife
erlangt.
Ich rufe jetzt die Frage 7 des Kollegen Dr. Seifert auf:
Welche Bedenken wurden - insbesondere von Arbeitgeberverbänden und den Kirchen - gegen das Gesetzesvorhaben vorgebracht und wie will die Bundesregierung angesichts nachdrücklicher Forderungen der Betroffenenorganisationen, zum
Beispiel von Menschen mit Behinderungen, von Migranten, von
Lesben und Schwulen und anderen, deren Diskriminierungen ja
geächtet und geahndet werden sollen, nach Verabschiedung eines
umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes diesen Bedenken
künftig begegnen?
Herr Kollege Dr. Seifert, die
Verbände der Arbeitgeber haben sich dafür ausgesprochen, das Diskriminierungsverbot auf die durch die
Richtlinie vorgegebenen Fallgestaltungen zu beschränken. Die Kirchen haben sich für eine Herausnahme der
Merkmale „Religion“ und „Weltanschauung“ aus dem
Gesetzentwurf ausgesprochen. Die Bundesregierung
wird diese Bedenken im Rahmen der laufenden Ressortsabstimmung prüfen und bei dieser Prüfung die nachdrücklichen Forderungen der Betroffenenorganisationen
berücksichtigen.
Auch hier eine Nachfrage des Kollegen Dr. Seifert.
Herr Staatssekretär, es handelt
sich hierbei um ein sehr wichtiges Vorhaben. Diskriminierungen jeglicher Art sollen nicht nur verboten, sondern
auch geahndet werden. Sie wissen so gut wie ich, dass die
von ihnen genannten Organisationen unter Umständen zu
den Diskriminierern gehören könnten und eigentlich die
Belange der Betroffenen und nicht die der Diskriminierer
geschützt werden müssten.
Ich verweise nur darauf, dass Ihre Ministerin am 3. Dezember 2001, als sie den Entwurf ihres Gesetzes vorstellte,
ausdrücklich sagte, dass die Bundesregierung jeder Form
der Diskriminierung entschlossen entgegentrete und sich
zukünftig jeder wirkungsvoll wehren könne, wenn er diskriminiert würde. Als zweiten Kernpunkt nannte sie ausdrücklich: Auch berufsständische Vereine und Organisationen dürfen nicht diskriminieren.
Wenn jetzt Arbeitgeberverbände - ich bleibe einfach
einmal bei diesem Beispiel - bestimmte Tatbestände nicht
in das Gesetz aufgenommen haben wollen, ist dies möglicherweise bereits der Versuch der Diskriminierung.
Wollen Sie dies tatsächlich zulassen?
Herr Kollege Seifert, ich beurteile
die Stellungnahmen der Verbände etwas anders als Sie.
Ich denke, es ist das Recht der Verbände, unter anderem
den Vorschlag zu machen, das aufgrund der Richtlinie unabdingbar Notwendige umzusetzen und andere Vorschläge, die wir in unseren Entwurf eingebracht haben,
nicht Gesetz werden zu lassen. Ich halte dies insofern für
eine Meinungsäußerung, der man nicht folgen muss. Dies
ist aber eine andere Frage.
Die letzte Nachfrage
des Kollegen Seifert, bitte.
Ich kann nur hoffen, dass Sie
das Letztere, nämlich dieser Meinungsäußerung nicht zu
folgen, tun. Dass diese das Recht haben, ist unbestritten.
Meine Frage lautet: Welche Gewichte setzen Sie? Wollen Sie diejenigen, die Diskriminierungsverbote verhindern, unterstützen oder diejenigen, die diskriminiert werden, davor schützen? Nur dies kann das Ziel dieses
Gesetzes sein. Dass es nicht leicht ist, so etwas durchzusetzen, weiß jeder. Aber dieses, wie jetzt gemunkelt wird,
aus dem Wahlkampf heraushalten zu wollen, kann nicht
im Interesse einer Regierung liegen, die bürgerrechtliche
Ziele verfolgt.
Herr Kollege Seifert, ich denke, die
Gewichte ergeben sich aus der Tatsache, dass das Bundesministerium der Justiz diesen Entwurf, der nach wie vor
für alle Welt erkennbar im Internet steht, vorgelegt hat.
({0})
In diesem Entwurf wird die Meinung des Hauses widergespiegelt. Über diesen Vorschlag wird im Gesetzgebungsverfahren diskutiert werden.
Es ist richtig, dass wir weit über die Erfordernisse der
Richtlinie hinausgehen wollen. Diese Frage muss im Gesetzgebungsgang geklärt werden. Wir hoffen, dass wir unsere Vorstellungen weitgehend durchsetzen können.
Ich bedanke mich,
Herr Staatssekretär. Die Fragen zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie werden schriftlich beantwortet.
Deshalb kommen wir bereits jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Brigitte Schulte zur Verfügung.
Die Fragen 10 und 11 werden schriftlich beantwortet,
sodass ich jetzt die Frage 12 des Abgeordneten
Dr. Hansjörg Schäfer aufrufe:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung geplant, um die
erhebliche Lärmbelästigung - insbesondere durch Nachtflüge der Bürgerinnen und Bürger, die im Einzugsgebiet von US-Militärflughäfen leben, zu verringern, und welche speziellen Erwägungen gibt es hierbei zu den US-Stützpunkten in Ramstein und
Spangdahlem, die seit dem 11. September 2001 eine auffällige
Steigerung der Starts und Landungen verzeichnen und ferner
durch die Auflösung der Rhein-Main-Airbase die jeweils ansässige Bevölkerung einer neuerlichen Zunahme der Lärmimmission
aussetzen werden?
Frau Präsidentin! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Schäfer,
der Flugbetrieb auf deutschen wie auf amerikanischen
Militärflughäfen orientiert sich an den militärischen Einsatznotwendigkeiten. Um zu Belastungsreduzierungen im
Einzugsbereich von Militärflugplätzen beizutragen, wurden analog zu den Fluglärmkommissionen an deutschen
Luftwaffenplätzen auch an den amerikanischen Militärflughäfen auf deutschem Boden spezielle Kommissionen
eingerichtet. Die vom Fluglärm betroffenen kommunalen
Gebietskörperschaften sowie das zuständige Bundesland
werden dadurch an der Lösung der Lärmbelastungsprobleme beteiligt.
In Ramstein wurde nach den Terroranschlägen vom
11. September 2001 durch die große Zahl militärischer
und humanitärer Hilfsflüge natürlich ein erhöhter Flugbetrieb im Hinblick auf Afghanistan verzeichnet. Die Anzahl der Flugbewegungen hat sich inzwischen allerdings
wieder dem Normalmaß angenähert. Zumindest augenblicklich ist ein bei diesem Flugplatz übliches Verkehrsaufkommen zu verzeichnen.
In Spangdahlem konnte mit Ausnahme einer geringfügigen Steigerung in den Monaten September und Oktober 2001 keine auffällige Änderung des örtlichen Flugbetriebsaufkommens festgestellt werden. Detaillierte
Aussagen zur Änderung der Lärmbelastungen infolge der
geplanten Verlegung des militärischen Flugbetriebs von
der Rhein-Main-Airbase in Frankfurt nach Ramstein und
Spangdahlem sind derzeit noch nicht möglich. Im Rahmen der diesbezüglich erforderlichen luftrechtlichen Verfahren werden natürlich alle Auswirkungen der geplanten
Verlegung geprüft.
Herr Kollege Schäfer
zu einer ersten Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin,
da ich leider Gottes zufällig in der Einflugschneise eines
dieser Flughäfen wohne
({0})
- es ist der am stärksten belastete Flughafen, nämlich der
in Ramstein -, muss ich Ihrer Aussage widersprechen und
frage Sie, ob Sie möglicherweise noch andere Erkenntnisse hinzuziehen können, da es in den letzten Monaten
aufgrund des Afghanistankrieges doch erheblich mehr
Belastungen - insbesondere in der Nacht - gab. Können
Sie diese Beobachtung von mir überprüfen lassen oder
eventuell jetzt schon bestätigen?
({1})
Ich kann sie Ihnen sogar doppelt bestätigen, weil ich selbst von dort mit Transportflugzeugen der Bundeswehr in Richtung der Türkei geflogen
bin. Zur Unterstützung der amerikanischen Soldaten bei
der Vorbereitung ihrer Operationen wurden vermehrt
Flüge durchgeführt.
({0})
Selbstverständlich war zu diesem Zeitpunkt sowohl auf
amerikanischer Seite als auch bei befreundeten Nationen
und natürlich auch bei uns ein erhöhtes Transportaufkommen notwendig. Das will ich gar nicht bestreiten.
Inzwischen hat sich die Situation verändert. Nach meinem Kenntnisstand - wir haben sorgfältig nachgefragt hat sich bei diesem ohnehin sehr stark frequentierten
Flugplatz gegenüber der Zeit vor September keine signifikante Erhöhung ergeben. Das wollte ich auch zunächst
nicht glauben. Deshalb habe ich nachgefragt.
Eine zweite Nachfrage des Kollegen Schäfer.
Es mag an meinen präsenilen Schlafstörungen hängen, aber ich habe am letzten
Sonntag nachts um exakt 4 Uhr Flugbewegungen gehört.
Ich habe nachgesehen: Es waren Transportflugzeuge, die
den Flughafen Ramstein angesteuert haben. Es kann mir
keiner weismachen, dass es eine Minimierung des Fluglärms sein soll, wenn jetzt gegenüber früher, als solche
Flugbewegungen nie stattgefunden haben, Flugbewegungen stattfinden.
Von einer Minimierung habe
ich nicht gesprochen.
({0})
Das ist ein stark frequentierter Bereich. Ich habe gesagt:
Im Vergleich zu dem, was sich nach dem 11. September
ereignet hat, ist der Flugbetrieb in diesem Jahr zurückgegangen. Das hängt auch damit zusammen, dass wir inzwischen andere Routen haben. Aber in dieser Situation,
in der Einsätze einschließlich deutscher Transporte notwendig sind und ein Militärflughafen wie dieser zusammen mit dem von Spangdahlem für die Amerikaner eine
große Bedeutung in Europa hat, kann ich sogar nachempfinden, dass der Lärm bei ganz normaler Belastung des
Flugplatzes für einen sensiblen Menschen sehr stark ist.
Das will ich überhaupt nicht bestreiten.
Ich danke Ihnen für das
Wort „sensibel“.
Wir bleiben beim
Thema Nachtflug und Fluglärm. Ich rufe nun die Frage 13
des Kollegen Dr. Hansjörg Schäfer auf:
Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung zum Urteil
des 4. Senats des BVerwG vom 21. März 1996, in dem das Gericht
unter anderem feststellt: „... der Gesetzgeber ermächtigt den Verordnungsgeber nicht, Immissionsgrenzwerte festzulegen, die im
Falle einer summierten Immission zu einer Gesundheitsgefährdung der Betroffenen führen“, und diesbezüglich zu den Regionen
rund um US-Militärflughäfen, und beabsichtigt die Bundesregierung in Anbetracht solcher Erkenntnisse, neuerliche Nachtflugausnahmegenehmigungen für US-Einheiten zu erteilen, wie dies
in den zurückliegenden Jahren beispielsweise für die in Landstuhl
stationierte USAREUR-Einheit geschah?
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Lieber Herr Kollege Schäfer, der Bundesregierung ist bekannt, dass der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 21. März 1996 mehrere Urteile verkündet hat. Allerdings hat keines dieser Urteile Immissionen
im Sinne des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zum
Gegenstand. Daher lassen sich anhand dieser Urteile
keine Maßnahmen für Flugplätze ableiten.
Trotzdem misst die Bundesregierung allen Aspekten,
die der Belastungsreduzierung der von notwendigen militärischen Übungen betroffenen Bevölkerung dienen,
große Bedeutung bei. Auch aus diesem Grunde wurde
schon bei den für die Sommermonate der letzten drei
Jahre geltenden Nachtflugausnahmegenehmigungen das
Prinzip einer ausgewogenen Belastungskompensation für
die betroffenen Bürger konsequent verfolgt.
Da die militärischen Notwendigkeiten für Nachteinsätze
mit Hubschraubern auch für die Bundeswehr bestehen, ist
die Einführung einer diesbezüglichen Dauerregelung geplant, die wie üblich mit den Ländern abgestimmt wird.
Diese Dauerregelung wird im Vergleich zu den Vorjahren
eine noch weitergehende Belastungskompensation für die
betroffene Bevölkerung enthalten.
Herr Kollege Schäfer,
auch hier haben Sie die Möglichkeit zu einer Nachfrage.
Frau Staatssekretärin,
Ihnen ist sicherlich bekannt, dass für die Novellierung des
Fluglärmgesetzes ein Positionspapier erarbeitet worden
ist, in dem für Nachtflüge ein Grenzwert von 50 Dezibel
vorgesehen ist. Wie stellen Sie sich vor, dass im Rahmen
der Summierung, zum Beispiel im Bereich des Flughafens
Ramstein durch Sommernachtflugübungen von Hubschraubern, durch Zielanflüge im Rahmen des PolygonBetriebs, durch Nachtflugbetrieb des Flughafens Ramstein während des Afghanistaneinsatzes, ein solcher Wert
realistisch erreichbar sein könnte?
Ich stelle mir Folgendes vor:
Erstens. Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass dies eine
Belastung für die Bevölkerung ist. Zweitens. Die jeweilige sicherheitspolitische Lage, in der wir uns befinden, ist
ausschlaggebend. Drittens. Wenn es die sicherheitspolitische Lage erlaubt, müssen wir auf die betroffenen Anwohner sehr viel stärker Rücksicht nehmen.
Ich kenne von früheren Besuchen beide Flughäfen und
weiß um die Sorgen von Anwohnern. Ich bin auch mit
amerikanischen Luftwaffenoffizieren in den 80er-Jahren
schon dort gewesen. Ich habe mir die Lage in Spangdahlem angesehen und das Ganze miterlebt.
Lösungen lassen sich nur in folgendem Rahmen ermöglichen: Erstens. Wir können auf die Dauer vielleicht
leisere Triebwerke entwickeln. Das müsste bei Transportflugzeugen leichter als bei Kampfflugzeugen möglich
sein. Zweitens. Außerhalb von Krisenzeiten müssen wir
die Zeit sorgfältiger nutzen, um diese Flugplätze gerade
von Nachtflügen zu entlasten. Aber im Moment kann ich
Ihnen da wenig Hoffnung machen.
Eine letzte Nachfrage.
Ich versuche, meine
Hoffnung trotzdem zu vermehren, indem ich Sie frage, ob
Sie Möglichkeiten sehen, dass immerhin eine dieser
Lärmbelastungsquellen wenigstens für die Dauer des
Afghanistaneinsatzes eingeschränkt wird. Das wäre zum
Beispiel der Nachtübungsflug von Hubschraubern in dieser Gegend.
Das Dilemma ist Folgendes: Es
sind nicht die gleichen Besatzungen, die sich im Einsatz
befinden und die so etwas trainieren, um es zu beherrschen. Man braucht aber beide Besatzungen. Bei einem
Teil der Nachtflüge habe ich an Sie gedacht, ohne zu wissen, dass Sie unmittelbar in der Nähe wohnen.
Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Kollege. Wir
werden uns das bei Gelegenheit ansehen. Wir können uns
das von den Amerikanern einmal zeigen lassen.
Für diese Geste wäre
ich Ihnen dankbar.
Danke, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen 14, 15 und 16 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun
Schaich-Walch zur Verfügung.
Wir kommen nun zur Frage 17 des Abgeordneten
Dr. Michael Luther:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die in der Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der
CDU/CSU ({0}) genannte Summe
von 853 546,38 Euro tatsächlich alle Kosten für die seit Beginn
der Legislaturperiode vollzogenen Entlassungen der zwei Staatssekretäre und fünf Abteilungsleiter des Bundesministeriums für
Gesundheit ({1}) umfasst?
Herr Kollege Luther,
aufgrund Ihrer Frage habe ich die damaligen Berechnungen noch einmal nachvollziehen lassen. Dabei hat sich bedauerlicherweise gezeigt, dass die Berechnung insoweit
fehlerhaft war, als die Versorgungsleistungen für einen
Vizepräsidentin Petra Bläss
Abteilungsleiter nicht berücksichtigt worden sind. Die
richtige Zahl lautet nach Überprüfung 1106 687,87 Euro.
({0})
Ich füge hinzu, dass sich die Ruhestandsbezüge durch
Anrechnungsvorschriften reduzieren, sobald die betroffenen Personen über andere Einkünfte verfügen. Das trifft
nach unserer Erkenntnis derzeit für mindestens zwei der
in den Ruhestand Versetzten zu. Zu den Gesamtkosten für
die seit dem Regierungswechsel in den einstweiligen Ruhestand versetzten Angestellten kann ich keine Aussage
machen, weil wir davon ausgehen, dass künftig noch weitere in den Ruhestand versetzte Kolleginnen und Kollegen ein anderes Arbeitsverhältnis antreten werden.
Herr Kollege Luther,
eine Nachfrage, bitte.
Frau Kollegin
Schaich-Walch, ich bitte Sie, uns die Berechnungen, die
dem Haushaltsausschuss seinerzeit übermittelt worden
sind, in aktualisierter Form vorzulegen, und schließe die
Frage an, welche Kosten die zusätzlichen Veränderungen
verursachen. Damals ging es um einen Staatssekretär und
zwei Abteilungsleiter, jetzt geht es um zwei Staatssekretäre und fünf Abteilungsleiter. Der Umfang der Frage
hat sich also nicht durch uns, sondern durch Ihr Handeln
erweitert. Lässt sich diese Frage beantworten?
Ich sichere Ihnen
zu, dass wir Ihnen mitteilen werden, um welchen Differenzbetrag es sich gehandelt hat. Er ist dadurch entstanden, dass insgesamt fünf Personen in den Ruhestand
versetzt worden sind, die Mitteilung an den Haushaltsausschuss aber nur die Kosten für vier Personen enthielt.
Haben Sie noch eine
zweite Nachfrage, Herr Luther?
Nein.
Eine weitere Nachfrage des Kollegen Schäfer, bitte.
Frau Staatssekretärin,
wie stellt sich die Rechtslage in Bezug auf die Entlassung
eines politischen Beamten bzw. eines Angestellten in entsprechender Funktion dar?
Herr Kollege Schäfer,
nach dem geltenden Beamtengesetz erhalten die betroffenen Personen bei einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bzw. bei der Anordnung des Ruhens des Dienstverhältnisses für drei Monate ihre vollen Bezüge. Danach
wird ein Übergangsgeld in Höhe von 75 Prozent für die
Dauer der Zeit gezahlt, in der die Funktion wahrgenommen wurde, mindestens jedoch für sechs Monate und
längstens für drei Jahre. Dabei ist jeder in dieser Zeit erzielte Verdienst anzurechnen. Für einen Versorgungsanspruch müssen mindestens die Probezeit und die fünfjährige Wartezeit erfüllt sein.
Jetzt kommen wir zur
Frage 18 des Abgeordneten Dr. Michael Luther:
Wie erklärt die Bundesregierung die Diskrepanz zwischen der
in dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ({0})
an den Haushaltsausschuss vom 7. November 2001 ({1}) genannten Anzahl von 53 Mitarbeitern im
Leitungsbereich des BMG und der in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU ({2}) genannten Anzahl von 38 Mitarbeitern im Leitungsbereich des BMG?
Die dem Haushaltsausschuss mitgeteilte Zahl von 53 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern setzt sich aus dem Leitungsstab sowie
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Büros der Parlamentarischen Staatssekretärin, des Staatssekretärs sowie der Geschäftsstelle der Drogenbeauftragten zusammen.
Der Leitungsstab umfasst 38 Mitarbeiter; dazu gehören
das Büro der Ministerin einschließlich der Persönlichen
Referentin der Ministerin, das Referat Grundsatzfragen
der Gesundheitspolitik, Frauen und Gesundheit, das Pressereferat, das Referat Öffentlichkeitsarbeit, das Kabinettund Parlamentreferat und das Verbindungs- und Koordinationsreferat.
Eine ganze Reihe der 53 Beschäftigten nimmt - wie Sie
dieser Auflistung entnehmen konnten - Koordinierungsaufgaben wahr, die sich durch die Umsetzung des
Bonn/Berlin-Beschlusses entwickelt haben. Das von uns
damit eingeführte Organisationskonzept hat zum Ziel, die
Bonner Arbeitseinheiten so weit wie möglich von der
Wahrnehmung von Terminen in Berlin zu entlasten und
dadurch den durch das Bonn/Berlin-Gesetz bedingten
Aufwand zu minimieren. Der Zuwachs von 15 Mitarbeitern stellt im Übrigen auch im Ressortvergleich durchaus
eine sparsame Lösung dar. In der Antwort auf die Kleine
Anfrage wurde demgegenüber die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Leitungsaufgaben im klassischen Sinne betraut sind, genannt.
Herr Kollege Luther
hat auch hierzu eine Nachfrage.
Gestatten Sie mir
die Vorbemerkung, dass es einigermaßen verwirrend ist,
wenn Sie einmal von 37, dann von 53, von 24 und von
38 Mitarbeitern im Leitungsbereich reden. Dem Haushaltsausschuss ist eindeutig mitgeteilt worden, dass es
sich um 53 Mitarbeiter handelt. Deshalb frage ich Sie:
Wen rechnen Sie zum Leitungsbereich und wen haben Sie
gegenüber dem Haushaltsausschuss zum Leitungsbereich
gerechnet?
Zum Leitungsbereich rechnen wir die von uns angegebenen 53 Mitarbeiter, die - wie ich bereits ausgeführt habe - im Leitungsstab, in den Büros der Parlamentarischen Staatssekretärin,
des Staatssekretärs und der Geschäftsstelle der neu hinzugekommenen Drogenbeauftragten und in dem Leitungsstab der Ministerin, der die Bereiche umfasst, in denen
Koordinierungsaufgaben zu leisten sind, tätig sind. Alles
zusammen ergibt 53 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Noch eine Nachfrage?
Ich habe noch eine
Nachfrage. - Teilen Sie meine Einschätzung, dass, wenn
53 von insgesamt 503 Mitarbeitern im Ministerium zum
Leitungsbereich gehören und damit jeder Zehnte im Leitungsbereich arbeitet, diese Zahl etwas hoch ist und Sie
damit im Vergleich zu anderen Bundesministerien an der
Spitze liegen?
Wir haben das geprüft und ich kann feststellen, dass wir durchaus im mittleren Bereich liegen. Das Gesundheitsministerium ist ein
Ministerium mit sehr vielen Aufgaben im Bereich der Gesetzesvorbereitung und -umsetzung. In diesem Zusammenhang ergeben sich viele Fragen, die auch die Bevölkerung sehr intensiv betreffen. Damit wir diese Fragen
rechtzeitig beantworten können und auch die Zuarbeit für
die Abgeordneten in einem entsprechenden Maße geleistet werden kann, ohne dass ein großer Teil von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern permanent zwischen Bonn und
Berlin hin- und herpendeln müssen, haben wir uns für
diese Lösung entschieden.
Herr Kollege Wolf hat
auch noch eine Nachfrage.
Es gibt andere Ministerien,
die weit hinter der Quote von 10,5 Prozent leitender Mitarbeiter im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitarbeiter liegen. Dabei handelt es sich durchaus um Ministerien, die
in Bonn ihren Sitz haben. Wie begründet denn das BMG,
dass es mit 10,5 Prozent im Verhältnis zu anderen Ministerien, die durch das Hin- und Herpendeln zwischen Berlin und Bonn die gleichen personellen Probleme haben, so
weit vorne liegt?
Ich habe bereits
dargelegt, welche Aufgaben das Ganze umfasst, und
meine, dass wir damit eine vernünftige Personalausstattung gefunden haben, die, wie gesagt, dem Umfang der
Aufgaben Rechnung trägt, die aber auch dafür Sorge trägt,
die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
Grenzen zu halten.
Ich rufe jetzt die
Frage 19 des Kollegen Wolfgang Zöller auf:
In welcher Weise hat das BMG die in dem Bericht des Bundesrechnungshofes vom 10. Juni 1996 genannten Forderungen zur
Straffung und Verschlankung der Organisationsstruktur des BMG
umgesetzt?
Für die Prüfung
hatte der Bundesrechnungshof zunächst die damalige Abteilung 4 - Verbraucherschutz, Veterinärmedizin - ausgewählt. Im Laufe der Untersuchung wurden zahlreiche
Kommunikationsbeziehungen zu Referaten der Unterabteilung Z 2 - Angelegenheiten der Europäischen Union,
Internationale Zusammenarbeit - sowie der damaligen
Unterabteilung 11 - Grundsatz- und Planungsangelegenheiten - festgestellt, die dazu führten, dass die Prüfung auf
Referate dieser Unterabteilung ausgedehnt wurde.
Die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes hat die
damalige Leitung des BMG in zwei Klausurtagungen
aufgegriffen und in die eigenen Überlegungen zur Verschlankung der Organisationsstrukturen und zur Abschichtung von Aufgaben einbezogen. Als Ergebnis dieses mehrjährigen Prozesses waren bereits die damalige
Unterabteilung 11 als Grundsatz- und Planungsabteilung
und mehrere kleine Referate aufgelöst worden. Die Abteilung 4, die primär Gegenstand der Untersuchung des
Bundesrechnungshofs war, ist bis auf geringe Ausnahmen
im vergangenen Jahr in das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft verlagert
und eingegliedert worden.
Herr Kollege Zöller,
bitte.
Ich kann Folgendes
nicht ganz nachvollziehen - vielleicht können Sie mir das
erläutern -: Sie haben gesagt, es seien Abteilungen in das
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft ausgelagert worden. Trotzdem ist die
Anzahl der Beschäftigten gestiegen.
Wir haben zwar
Referate, die sich mit dem Verbraucherschutz befasst haben, ausgegliedert, gleichzeitig aber neue Aufgaben übernehmen müssen. Ich trage Ihnen das gerne vor: Das sind
das Referat Gesamtwirtschaftliche Aspekte des Gesundheitswesens, das zusätzliche Arbeitsfeld Bündnis für Arbeit und das Referat Arzneimittelsicherheit. Ferner hat
sich aus der neuen Aufgabenverteilung ergeben, dass wir
Spiegelreferate zum Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vorhalten müssen.
Herr Kollege Zöller
hat noch eine zweite Frage.
Aus der Tatsache, dass
die Ministerien auch noch Spiegelreferate benötigen,
kann ich nur die Schlussfolgerung ziehen, dass die Aufgabenverteilung der Ministerien nicht sehr sinnvoll gewesen sein kann. Sehen Sie das anders?
Natürlich sehe ich
das anders; denn ich gehe davon aus, dass mein Ministerium und das Ministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft in den verschiedensten
Bereichen, zum Beispiel im Bereich der Arzneimittelsicherheit und der Tierarzneimittel, unter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten durchaus zu unterschiedlichen
Einschätzungen kommen können.
Es gibt eine Nachfrage der Kollegin Annette Widmann-Mauz.
Frau Staatssekretärin, wenn im Leitungsstab, wie Sie uns jetzt mitgeteilt haben, heute 53 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
beschäftigt sind - das entspricht gemessen an der Gesamtbeschäftigtenzahl einem Anteil von 10,5 Prozent -,
stellt sich die Frage: Warum haben Sie in der Antwort auf
die Kleine Anfrage meiner Fraktion behauptet, dass
38 Beschäftigte im Leitungsstab - das entspricht einem
Anteil von 7,6 Prozent - tätig seien? Können Sie mir diese
Diskrepanz erklären?
Das habe ich gerade eben deutlich gemacht: Zum Leitungsbereich des
BMG gehören neben dem Leitungsstab die Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen der Parlamentarischen Staatssekretärin, des Staatssekretärs und der Drogenbeauftragten.
Eine Nachfrage des
Kollegen Wolf.
Wir kennen ja nun die
Empfehlungen des Bundesrechnungshofs. In der Antwort
auf unsere Kleine Anfrage haben Sie auch die Zahlen der
Mitarbeiter aufgelistet, die in den Leitungsbereichen der
anderen Ressorts tätig sind. Wieso haben Sie bei diesen
Ressorts eine andere Berechnungsgrundlage verwendet
als im Bundesgesundheitsministerium, wenn Sie tatsächlich zu vergleichbaren Ergebnissen kommen wollten?
Ich habe Ihnen
schon vorhin die Grundlage für die Berechnung der
53 Stellen erklärt. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Ich rufe die Frage 20
des Kollegen Wolfgang Zöller auf:
Wie viele Referate gab es zum 1. Oktober 1998 in den Abteilungen Z, 1, 2 und 3 des BMG und wie viele Referate waren dies
zum 1. März 2002?
Am 1. Oktober 1998
gab es in den Abteilungen Z, 1, 2 und 3 des BMG insgesamt 60 Referate. Am 1. März 2002 waren es 67 Referate.
Herr Kollege Zöller
zu einer Nachfrage, bitte.
Können Sie für diesen
Zeitraum auch die Referate für den Leitungsbereich benennen?
Das kann ich. Ich
habe Ihnen für diesen Zeitraum aufgelistet, welche Bereiche der Leitungsbereich umfasst, also nicht nur Referate,
sondern auch Arbeitseinheiten. Ich wiederhole es aber
gern, Herr Kollege: Das sind die Referate Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik, Frauen und Gesundheit, Pressereferat, Öffentlichkeitsarbeit, Kabinett- und Parlamentreferat, Verbindungs- und Koordinationsreferat. Diese
Referate sind in der genannten Zahl von 67 Referaten
nicht enthalten.
Neu hinzugekommen, Herr Kollege Zöller, sind das
Referat Gesamtwirtschaftliche Aspekte des Gesundheitswesens, das ich vorhin schon erwähnt habe, das Referat
Arzneimittel, in dem eigenständig die immer drängender
werdenden Fragen der Arzneimittelsicherheit behandelt
werden, das Referat Tierarzneimittel und Veterinärberufe
- das resultiert aus der Trennung; dieses Referat ist sinnvollerweise bei uns angesiedelt und nicht in der Abteilung 4 geblieben, die in das BMVEL ausgelagert worden
ist -, das Referat Qualitätssicherung, Verbraucherschutz
und Bürgerrechte in der Pflege - die Einrichtung dieses
Referates war eine sinnvolle Reaktion auf die zunehmende Zahl von Berichten, nach denen die Pflege bei uns
im Großen und Ganzen sehr gut ist, es aber auch viele Vorkommnisse gibt, die zeigen, dass es einer Korrektur der
Situation in den Pflegeeinrichtungen bedarf -, das Referat Ernährungsmedizin, das Referat Gesundheitssicherstellung - dort sind im Wesentlichen die Aufgaben angesiedelt, die infolge des Anschlages vom 11. September
entstanden sind; ich verweise auf Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf Bioterrorismus; die
Aufgaben werden gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut geleistet - und das Referat Betäubungsmittelverkehr
und Arzneimittelmissbrauch; das betrifft ein immer wichtiger werdendes Thema, was besonders deutlich wird,
wenn wir an die Kindergesundheit denken.
Die Aufzählung macht deutlich, dass es darum ging,
auf gesundheitspolitisch wichtige Entwicklungen auch
organisatorisch zu reagieren. Darüber hinaus waren die
absolut notwendigen Spiegelreferate zum BMVEL, die
ich schon erwähnt habe, zu bilden.
Es gibt eine weitere
Nachfrage des Kollegen Zöller und dann noch eine Nachfrage des Kollegen Wolf. Bitte, Herr Zöller.
Habe ich Ihre Ausführungen richtig verstanden, dass es sieben zusätzliche
Referate sind?
Ja.
Danke schön.
Herr Wolf, bitte.
Man merkt an den Fragen,
dass wir wissen wollen, ob der Personalbestand im Bundesgesundheitsministerium aufgebläht worden ist. Sie haben ausgeführt, dass der Leitungsstab 38 Mitarbeiter umfasst, der Leitungsbereich aber 53 Mitarbeiter umfasst. In
der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage, in der nach
dem Leitungsbereich gefragt wurde, haben Sie 38 aufgeführt. Korrekterweise hätten Sie schon damals „53 Beschäftigte“ antworten müssen und diese ins Verhältnis zu
der Zahl in den übrigen Ministerien setzen müssen.
Warum haben Sie die Frage damals nicht korrekt beantwortet, wie Sie sie heute beantwortet haben?
Ich kann nicht finden, dass wir die Frage damals nicht korrekt beantwortet
haben. Es sind die 38 Mitarbeiter der Bereiche, deren Aufgaben ich gerade noch einmal spezifiziert aufgeführt habe.
Es gibt eine weitere
Frage, nämlich von der Kollegin Dr. Margrit Spielmann.
Frau Staatssekretärin,
können Sie noch etwas zur spezifischen Aufgabenstellung
der neu geschaffenen Referate sagen?
Frau Kollegin, darauf gehe ich gern ein. In dieser Legislaturperiode hat es
im Gesundheitsbereich Situationen gegeben, die sich für
unsere Bevölkerung zugespitzt haben. Dazu gehörte die
sich verschärfende Situation im Bereich BSE, die auch bis
heute noch nicht in Gänze ausgestanden ist. Dazu gehörte
ferner, dass es immer mehr neue Arzneimittel gibt, die
auch nach einem eingehenden Zulassungsverfahren
durchaus noch Probleme mit sich bringen. Wir haben weiter beobachtet, dass gerade Kinder häufig mit Medikamenten behandelt werden, die ihre Hyperaktivität etwas
dämpfen sollen, um sie für den schulischen Alltag unangebrachterweise, so sage ich einmal, etwas fitter zu machen. Wir mussten uns intensiver als bisher damit auseinander setzen, wie Tierarzneimittel wirken, wenn sie in
die Nahrungskette gelangen.
Das sind einige Gründe dafür, warum wir diese neuen
Aufgabenbereiche gebildet haben. Ich bin der festen
Überzeugung, dass die neuen Aufgaben, die sich uns stellen, diese Maßnahmen erforderlich machen. So können
wir die Sicherheit der Menschen in einem hohen Maße garantieren und können uns inhaltlich intensiv um die Frage
kümmern, wie es zu solchen Entwicklungen kommt. Wir
hätten uns bis zum 11. September nicht vorstellen können,
in welchem Ausmaß wir durch bioterroristische Aktionen
bedroht werden können. Diese Bedrohung macht Änderungen an verschiedenen Stellen im Gesundheitsbereich
notwendig, damit eine klare, schnelle Reaktion erfolgen
kann. An diesen Erfordernissen haben wir die verschiedenen Bereiche in den neuen Referaten ausgerichtet.
Nun kommen zwei
weitere Nachfragen, eine des Kollegen Luther und eine
der Kollegin Widmann-Mauz.
Ich als Abgeordneter fühle mich ein wenig hinters Licht geführt oder
verstehe Sie einfach nicht; das kann auch sein. Ich habe
vorhin nachgefragt, wie viele Mitarbeiter zum Leitungsbereich gehören. Sie haben geantwortet: 53. In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage, wie viele Mitarbeiter es
im Leitungsbereich gibt, steht: 38. Auf die Nachfrage
nach der richtigen Zahl haben Sie vorhin gesagt, die Zahl
38 sei richtig. Deswegen stelle ich folgende Frage: Welche der beiden Aussagen, die Sie gemacht haben, ist richtig? Gehören zum Leitungsbereich 53 oder 38 Mitarbeiter?
In allen Stellen zusammen, also im Leitungsstab der Ministerin mit den verschiedenen Referaten, die ich aufgezählt habe, in den
Büros des Staatssekretärs und der Parlamentarischen
Staatssekretärin sowie im Büro der Drogenbeauftragten,
gibt es 53 Mitarbeiter im Leitungsbereich. Der Teil, der
dem Leitungsstab zugeordnet ist, bringt es mit den Persönlichen Referenten und den einzelnen Referaten auf
38 Mitarbeiter.
Frau Widmann-Mauz,
bitte.
Frau Staatssekretärin, auch ich möchte hierzu eine Nachfrage stellen.
Können Sie bestätigen, dass im Leitungsbereich Ihres
Hauses, wie Sie das heute ausgeführt haben, 53 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind? Wenn Sie dieses bestätigen können, wie stehen Sie dann zu Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage, in der wir gefragt haben, wie
viele Mitarbeiter zum Stichtag 1. Januar 2002 im Leitungsbereich beschäftigt sind und auf die Sie geantwortet
haben, dass dies 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
seien?
Ich kann nur wiederholen: Insgesamt gibt es 53 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Leitungsbereich. 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es im Leitungsstab der Ministerin, wozu auch
ihre Persönliche Referentin und die Mitarbeiter in den dazugehörigen Referaten zählen, die ich Ihnen aufgezählt
habe. Das gebe ich Ihnen gerne schriftlich. Der andere
Anteil entfällt auf die Parlamentarische Staatssekretärin
mit ihrem Büro, auf den Staatssekretär mit seinem Büro
und auf das Büro der Drogenbeauftragten.
Herr Kollege von
Klaeden, auch Sie wollen eine Nachfrage stellen.
Frau Staatssekretärin, warum haben Sie die Frage denn dann nicht korrekt
beantwortet?
Haben Sie Zweifel
an der Zahl 53 oder an der Zahl 38?
Ich habe Zweifel
an der Korrektheit Ihrer schriftlichen Antwort, die Sie auf
unsere Kleine Anfrage gegeben haben. Ich finde es ein
wenig unverschämt, wie Sie versuchen, diese falsche Angabe dem Parlament gegenüber ins Lächerliche zu ziehen.
({0})
Also: Warum haben Sie diese Frage in der Kleinen Anfrage falsch beantwortet?
Ich habe diese
Frage nicht falsch beantwortet. Meine Antwort habe ich
Ihnen nun näher ausgeführt.
Gehören Sie als
Parlamentarische Staatssekretärin nicht zum Leitungsbereich des Ministeriums?
Herr Kollege von
Klaeden, ich muss Sie bremsen; Sie dürfen nur eine Nachfrage stellen. Wir bleiben ja aber noch bei diesem Thema.
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Wolfgang Lohmann
auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Stellenhebung
der Leiterin des Leitungsstabes des BMG auf B 6 mit einem
ku-Vermerk im Haushaltsplan verbunden ist?
Herr Kollege
Lohmann, dieser Vermerk wurde im Zuge der Haushaltsberatungen 2002 in den Haushaltsplan aufgenommen.
Erste Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Lohmann.
Frau Staatssekretärin, bedeutet dieser ku-Vermerk im
Haushaltsplan eine Umwandlung der als Nächstes frei
werdenden B-6-Planstelle in eine B-3-Planstelle? Resultiert daraus eine Benachteiligung der Person, die als
Nachfolger eines derzeitigen B-6-Stelleninhabers benannt wird?
Die nächste B-6Planstelle wird durch Erreichen der Altersgrenze des Stelleninhabers zum 1. September 2002 frei. Sie ist aufgrund
des genannten ku-Vermerks in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 3 umzuwandeln. Welche Funktion dieser
Planstelle letztendlich zugeordnet sein wird, hängt von
der noch ausstehenden Personalentscheidung für die Ende
August frei werdende Stelle eines Unterabteilungsleiters
ab. Entsprechend den sich daraus ergebenden Anforderungen werden unter Umständen Gespräche mit dem Finanzminister zu führen sein.
Der Kollege Wolf hat
das Wort zu einer Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie
haben - das haben wir bereits festgestellt - auf die Kleine
Anfrage der Union hinsichtlich der 38 Mitarbeiter nicht
ganz korrekt geantwortet. In Frage 14 der Kleinen Anfrage
haben wir gefragt, ob es durch die B-6-Stelle im Leitungsbereich zu Benachteiligungen von im BMG langjährig
tätigen Mitarbeitern kommt. Sie haben geantwortet: Nein,
es gibt keine Benachteiligung. Ergibt sich aus der Umwandlung einer B-6-Stelle in eine B-3-Stelle keine Benachteiligung desjenigen, der nun diese Stelle einnimmt?
Es gibt derzeit
keine Benachteiligung, weil nicht abzusehen ist, welche
Personalentscheidung in welcher Form getroffen werden
kann. Solange die Anforderungen nicht völlig klar sind
und nicht feststeht, ob eventuell jemand aus dem Hause
oder jemand anderer diese Stelle besetzen wird, ist dies
eine bloße Unterstellung.
Es gibt eine weitere
Nachfrage des Kollegen Luther.
Frau Staatssekretärin, Sie sagten, dass am 1. September eine B-6-Stelle altershalber ausscheidet. Ich möchte Sie fragen, um welche
Stelle in welchem Referat es sich handelt, die dann in eine
B-3-Stelle umgewandelt wird?
Es scheidet keine Stelle,
sondern eine Person aus, Herr Luther. Die Stelle im Stellenplan wird von dieser Person dann nicht mehr besetzt. Es
scheidet - das sage ich noch einmal - die Person aus.
Jetzt rufe ich die Frage 22 des Kollegen Wolfgang Lohmann ({0})
auf:
Welcher Besoldungsgruppe bzw. Tarifgruppe gehörten die in
der Antwort der Bundesregierung zur Frage 6 der Kleinen Anfrage
der Fraktion der CDU/CSU - Bundestagsdrucksache 14/8459 erwähnten Mitarbeiter, die zuvor in den Fraktionen der SPD und
des Bündnisses 90/Die Grünen beschäftigt waren, vor ihrer Einstellung in das BMG an und in welcher Zeit haben sie innerhalb
des BMG ihre gegenwärtige Besoldungsgruppe bzw. Tarifgruppe
erreicht?
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen werden in der Regel
entsprechend dem BAT vergütet. Ich bitte jedoch um Verständnis, wenn ich zu der konkreten Einstufung durch einen anderen Arbeitgeber keine Auskunft geben kann. Seit
Eintritt der genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
das BMG richten sich die Arbeitsverhältnisse und ihre
Dotierung nach den einschlägigen Bestimmungen für die
Bundesverwaltung, insbesondere nach dem Bundesangestelltentarifvertrag. Dies gilt selbstverständlich auch für die
nachfolgenden Höhergruppierungen, die sämtlich aus tariflich veranlassten Arbeitsplatzüberprüfungen resultieren.
Herr Kollege
Lohmann, eine Nachfrage, bitte.
Ich
habe in diesem Zusammenhang die Frage, in welchen
Zeiträumen solche Beförderungen der übrigen Mitarbeiter im BMG, die zuvor nicht den Fraktionen der SPD und
des Bündnisses 90/Die Grünen beschäftigt waren, üblicherweise vorgenommen werden.
Ein Gruppenleiter
wurde innerhalb von zwei Jahren von BAT I a nach BAT I
befördert. Ein weiterer Mitarbeiter wurde innerhalb eines
Jahres von BAT-O II a nach BAT-O I b höher gruppiert.
Der ehemalige Leiter des Ministerbüros wurde ein halbes
Jahr nach Eintritt in das BMG von BAT I a nach BAT I
höher gruppiert.
Im Übrigen wurden, wie bereits ausgeführt, der Leiterin des Ministerbüros, die über langjährige ministerielle
Erfahrung verfügt, die Leitung des Leitungsstabes übertragen. Sie erhält seit Beginn dieses Jahres nach Hebung
einer B-3-Planstelle eine außertarifliche Vergütung entsprechend B 6.
Die zweite Nachfrage,
bitte.
Mir ging es bei der Frage weniger um die Darstellung, wer
wann befördert worden ist - auch dafür bin ich dankbar -,
sondern um die Frage, wie üblicherweise bei den übrigen,
die diesen Vorteil nicht haben, vorgegangen wird.
Es entspricht dem
üblichen Vorgehen in einer Vielzahl von Fällen, wie Sie
sehen.
Kann man also davon ausgehen, wenn ich das noch fragen darf, dass das, was Sie geschildert haben, das normale
und übliche Verfahren bei allen Mitarbeitern ist, unabhängig davon, ob sie früher -
Herr Kollege
Lohmann, das ist jetzt nicht mehr zulässig gewesen.
({0})
- Auch dieser Kommentar ist eigentlich nicht zulässig.
Wir kommen jetzt zur Frage 23 des Kollegen Aribert
Wolf - es geht um die Einstufung der Leiterin des Leitungsstabes:
Wie begründet die Bundesregierung die Einstufung der Leiterin des Leitungsstabes analog zu einer Leiterin einer Unterabteilung, falls die Bundesregierung die vom BMF in seinem Schreiben
vom 7. November 2001, Ausschussdrucksache 14/3100 des Haushaltsausschusses, genannte Zahl von 53 Mitarbeitern des Leitungsbereichs nicht bestätigen kann und dort nur - wie in der Antwort der Bundesregierung auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage der
Fraktion der CDU/CSU, Bundestagsdrucksache 14/8459, ausgeführt - 38 Mitarbeiter oder - wie in der Antwort zur Frage 5 der
Kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU, a. a. O., ausgeführt gar nur 24 Mitarbeiter beschäftigt sein sollten, und womit ist dann
die hohe Einstufung der Leiterin des Leitungsstabes mit B 6 zu
rechtfertigen?
Um es vorweg zu
sagen, die Zahl 24 ist eine fiktive Größe, die gebildet
wurde, um einen Zahlenvergleich mit Ressorts zu ermöglichen, die den klassischen Leitungsbereich enger als das
BMG definieren. In der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage
wird dazu ausgeführt:
Bei einer Eingrenzung des Leitungsbereichs auf
diese Stellen
- gemeint sind die Stellen der Büros von Ministerin,
Staatssekretär, Parlamentarische Staatssekretärin und
Presse ergäbe sich im BMG ein Verhältnis von 24 zu 503,
dies entspricht 4,8 %.
Damit lägen wir im Ressortvergleich im Mittelfeld.
Der Leitungsstab des BMG umfasst aktuell neben dem
Ministerbüro fünf weitere Referate mit einem Personalbestand, wie ich vorhin schon ausführte, von insgesamt
38 Beschäftigten und liegt damit deutlich über der in der
GGO vorgesehenen personellen und organisatorischen
Mindestausstattung für eine Unterabteilung. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien in der vom Bundeskabinett am 26. Juli 2000 beschlossenen Fassung. Sie sieht vor,
dass für Unterabteilungen in der Regel mindestens fünf
Referate zusammengefasst werden; ein Referat umfasst
den Vorgaben der GGO zufolge neben der Referatsleitung
in der Regel mindestens vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Danach sollte eine Unterabteilung nicht weniger
als 25 Beschäftigte haben. Die Leitung des Leitungsstabes entspricht damit ohne weiteres der Leitung einer Unterabteilung, insbesondere wenn man die herausragende
Vizepräsidentin Petra Bläss
Bedeutung der im Leitungsbereich zu erledigenden Aufgaben berücksichtigt.
Eine erste Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Wolf.
In welcher Besoldungsstufe waren denn der von 1995 bis 1997 amtierende Leiter des Leitungsstabes und der ab 1991 amtierende Leiter
des Ministerbüros im Bundesministerium für Gesundheit
eingruppiert?
Ich kann Ihnen
diese Frage nicht beantworten, weil ich nicht damit vertraut bin, welche Mitarbeiter welche Vergütung hatten.
({0})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, Sie wissen, dass es sich hier nicht um eine
Debatte, sondern um die Fragestunde handelt. Die nächste
Fragestellerin ist die Kollegin Marga Elser.
({0})
- Sorry, ich bin schon ganz durcheinander. Ihre zweite
Nachfrage, bitte.
Das ist ja auch kein Wunder, weil hier mit Begriffen und Zahlen hin und her jongliert wird. Noch einmal die Frage, Frau Staatssekretärin:
Verwenden Sie den Begriff „Leitungsbereich“ im Ministerium immer einheitlich oder verwenden Sie den Begriff
„Leitungsbereich“ einmal so und einmal wieder anders?
({0})
Ich habe Ihnen gerade gesagt, der Leitungsstab umfasst das Büro der Ministerin einschließlich der Persönlichen Referentin, das
Referat Grundsatzfragen, Frauen und Gesundheit, das
Pressereferat, das Referat Öffentlichkeitsarbeit, das Kabinett- und Parlamentreferat und das Verbindungs- und Koordinierungsreferat. Wenn ich die Leitung des Leitungsstabes betrachte und diese auf der Zeitschiene vergleiche,
dann stelle ich fest, dass sie im BMA zurzeit mit B 6 besoldet wird, zu Ihrer Zeit aber mit B 9 besoldet wurde. Ich
könnte in dieser Art und Weise fortfahren, Herr Wolf.
({0})
Jetzt hat Frau Elser
eine Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ich interessiere mich dafür, welche Gestaltungsmöglichkeiten
hinsichtlich Arbeitsabläufen und Schwerpunkten, Aufbau- und Ablauforganisation im Leitungsbereich für eine
Ministerin oder einen Minister gegeben sind.
Frau Kollegin, in
diesem Zusammenhang möchte ich aus einer Stellungnahme des BMI unter Leitung von Innenminister Kanther
vom 14. April 1997 dem Bundesrechnungshof gegenüber
zitieren:
Generell besteht in allen Ministerien die Überzeugung, dass Arbeitsabläufe und Arbeitsstil, aber auch
die Arbeitsschwerpunkte in den Leitungsbereichen
von der jeweiligen Person der Ministerin oder des
Ministers geprägt sind.
({0})
Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf die Aufbauund Ablauforganisation im Leitungsbereich bleiben.
Hierdurch erklären sich die Unterschiede in deren
Organisation und der personellen Ausstattung der
entsprechenden Arbeitseinheiten in den Ministerien.
Im BMG war bereits im Jahre 1996 vorübergehend ein
Leitungsstab eingerichtet. Ich glaube, wir verfahren alle
noch immer so, wie es aus dieser Stellungnahme des ehemaligen Innenministers Kanther hervorgeht.
({1})
Frau Kollegin
Widmann-Mauz hat ebenfalls eine Nachfrage zu dieser
Frage.
Frau Staatssekretärin, Sie haben in Ihrer Antwort auf die Frage des
Kollegen Wolf angeführt, dass der Leitungsstab im
Bundesgesundheitsministerium 38 Beschäftigte umfasst.
Warum verwenden Sie in der Antwort auf unsere Kleine
Anfrage bei derselben Beschäftigtenzahl den Begriff
„Leistungsbereich“?
({0})
- Leitungsbereich, Entschuldigung.
({1})
Ich habe vorhin
umschrieben, dass der Leitungsbereich bei uns 53 Personen umfasst; 38 davon gehören in den Leitungsstab. Ich
kann Ihnen nochmals versichern: Die restlichen Personen
befinden sich bei der Parlamentarischen Staatsskretärin,
beim Staatssekretär und bei der Drogenbeauftragten.
Jetzt rufe ich Frage 24
der Kollegin Widmann-Mauz auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die beiden Anfang
2001 entlassenen Abteilungsleiter des BMG vor ihrer Entlassung
verbeamtet worden sind, und wenn ja, in welcher Weise sind dadurch deren Versorgungsansprüche gestiegen?
Weder die Abteilungsleiterin noch der Abteilungsleiter ist im BMG verbeamtet worden. Die Frage geht im Übrigen erkennbar
von einer fehlerhaften Annahme aus. Die Versorgungsregelungen für politische Beamte gelten arbeitsvertraglich
im Wesentlichen auch für Angestellte in entsprechenden
Funktionen. Durch eine Verbeamtung tritt deshalb keine
Besserstellung des oder der Beschäftigten ein.
Erste Nachfrage, bitte,
Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin, erhält der im Jahr 2001 aus dem Gesundheitsministerium entlassene Abteilungsleiter Schulte-Sasse
weiterhin Zahlungen seitens des Bundesgesundheitsministeriums, obwohl er seit kurzem Staatssekretär in Berlin
ist, bzw. sind bereits für die Zukunft erfolgte Zahlungen
nach dessen Amtsantritt als Staatssekretär zurückgefordert worden?
Ich habe bereits
vorhin ausgeführt, dass zu diesen Versorgungsregelungen, die ich näher beschrieben habe, gehört, dass eine
neue Tätigkeit entsprechend angerechnet werden muss nicht angerechnet werden kann. Ich habe vorhin ebenfalls
ausgeführt, dass es in dem Personenkreis, der vorzeitig in
den Ruhestand versetzt worden ist, zwei Personen gibt,
von denen wir ganz sicher wissen, dass sie eine andere
Beschäftigung gefunden haben, sodass wir davon ausgehen, dass sich der Betrag, der vorhin von mir genannt
wurde, infolgedessen reduziert. Dazu, in welcher Höhe,
kann ich keine Aussage machen. Ich denke, es wäre auch
nicht angebracht, über derartig persönliche Dinge anderer
hier im Bundestag zu sprechen.
Zweite Frage, bitte,
Frau Kollegin Widmann-Mauz.
Frau Staatssekretärin, Sie haben die Rechtslage nochmals geschildert. Ist Ihnen bekannt, ob schon gezahlte Vergütungen
zurückgefordert wurden?
Ich habe Ihnen gesagt, wie die Rechtslage ist. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, in welchem Umfang Anrechnungen vorgenommen
worden sind.
Eine weitere Nachfrage des Kollegen Pfaff.
Frau Staatssekretärin, wie unterscheiden sich bei der Versetzung in den einstweiligen
Ruhestand die Versorgungslasten bei einem angestellten
von denen bei einem beamteten Abteilungsleiter? Ist der
Unterschied wirklich so groß, wie durch die gestellten
Fragen impliziert wird?
Herr Kollege Pfaff,
Sie haben einen nützlichen Hinweis gegeben. In der Diskussion entsteht immer wieder der Eindruck, dass es diesbezüglich einen sehr großen Unterschied gebe. Entgegen
dieser landläufigen Meinung gibt es aber keinen Unterschied, da die angestellten Abteilungsleiter durch eine
entsprechende Gestaltung der Arbeitsverträge den beamteten Abteilungsleitern gleichgestellt werden. Es gibt auf
dieser Ebene also keinen Unterschied zwischen einem
Angestellten und einem Beamten.
Wir kommen zur letzten Frage dieses Themenkomplexes. Ich rufe die Frage 25
der Kollegin Annette Widmann-Mauz auf:
Kann die Bundesregierung ferner bestätigen, dass das BMG
plant, den derzeitigen Leiter der Abteilung 2 noch in dieser Legislaturperiode zu verbeamten?
Entsprechende
Planungen kann ich weder bestätigen noch dementieren.
Allgemein ist festzuhalten, dass der Übernahme in das
Beamtenverhältnis üblicherweise ein entsprechender Antrag vorausgeht, der vom BMI und BMF laufbahn- und
haushaltsrechtlich geprüft wird. In das Prüfverfahren ist
maßgeblich der Bundespersonalausschuss unter Vorsitz
des Präsidenten des Bundesrechnungshofs einzubeziehen.
Zu der Frage, ob ein Mitarbeiter des BMG einen solchen Antrag stellt, möchte ich mich hier nicht äußern, um
seine Persönlichkeitsrechte nicht zu beeinträchtigen.
Erste Nachfrage, bitte,
Frau Kollegin.
Ist geplant,
die Leiterin des Leitungsstabes des Bundesgesundheitsministeriums noch in dieser Legislaturperiode zu verbeamten?
Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass wir eine entsprechende Planung weder
bestätigen noch dementieren können.
Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Pfaff.
Frau Staatssekretärin, sind Sie
meiner Meinung, dass es sich bei den Fragen, die sich auf
die Verbeamtung und auf die Zahl der Beamten beziehen,
um Fragen handelt, die sich in erster Linie mit Inputs und
nicht mit Ergebnissen beschäftigen? Die Ausweitung des
Leitungsstabes kann durch die erkennbar verbesserte Gesetzgebung der letzten Jahre gerechtfertigt werden.
({0})
Herr Kollege, ich
stimme Ihnen ausdrücklich zu. Ich bin der Überzeugung,
dass dieses heutige Frage-und-Antwort-Spiel in keiner
Weise dazu beigetragen hat, den Gesundheitszustand
auch nur eines einzigen Menschen in der Bundesrepublik
Deutschland zu verbessern.
({0})
Es wäre sicher sinnvoller, wenn wir uns mit den Aufgaben
der neu geschaffenen Referate auseinander setzen würden
und wenn wir schauen würden, wo es noch weitere Verbesserungen geben könnte.
({1})
Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Wolf.
Frau Staatssekretärin, wie
verträgt sich die Personalaufblähung im Gesundheitsministerium - die Anzahl der Mitarbeiter ist zwar durch den
Wegfall einer Abteilung gesunken; aber die Anzahl der
leitenden Mitarbeiter ist gestiegen - mit der Tatsache,
dass den Versicherten gesagt wird, sie müssten im Gesundheitsbereich den Gürtel enger schnallen?
Herr Wolf, ich will
betonen, dass Sie es sind, die mit Ihrem Rezept der Wahlund Regelleistung erreichen wollen, dass die Versicherten
den Gürtel enger schnallen.
({0})
Ich habe Ähnliches bei der Politik der Bundesregierung
nicht feststellen können.
Eine zweite Nachfrage der Frau Kollegin Widmann-Mauz.
Frau Staatssekretärin, können Sie uns erläutern, warum der Bereich
Frauengesundheit nur im Leitungsstab und nicht in den
vorhandenen Abteilungen Ihres Ministeriums bearbeitet
werden kann?
Wir haben in diesem Bereich leider viele Versäumnisse der alten Bundesregierung vorgefunden.
({0})
Es ist ein besonderes Anliegen unserer Gesundheitsministerin, Fragen zur Frauengesundheit zu behandeln. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Problematik der
Mammographie und auf das Thema Vorsorgemaßnahmen
und Heilungschancen bei Brustkrebs. In diesem Bereich
gibt es leider noch ein ziemlich großes Defizit. Dieses Defizit wird nicht nur im Referat, das sich mit der Frauengesundheit beschäftigt, sondern auch im Zusammenhang
mit dem Arzneimittelmissbrauch aufgearbeitet. Ich finde
es ganz ausgezeichnet, dass sich die Ministerin dieser so
lange vernachlässigten Aufgabe schwerpunktmäßig angenommen hat.
({1})
Jetzt schließe ich diesen Themenkomplex ab, aber nicht den Geschäftsbereich.
Ich rufe die Frage 26 der Kollegin Ursula Lietz auf:
Warum ist es nicht möglich, Erkrankungen in das Bundeskrebsregister, in dem nur Todesfälle registriert werden, zu übernehmen, um so die Möglichkeit der statistischen Auswertung, zum
Beispiel nach Gebiet, Alter und familiärem Umfeld, zu haben?
Auf Bundesebene
gibt es auf gesetzlicher Grundlage ausschließlich die Todesursachenstatistik, in der die Daten der in den statistischen Landesämtern codierten Todesbescheinigungen zusammengeführt werden. Eine Rechtsgrundlage für eine
zentrale bundesweite Erfassung aller Krebserkrankungsfälle in einem Bundeskrebsregister existiert nicht und ist
aufgrund der in der Verfassung verankerten Länderzuständigkeit auch nicht durchsetzbar. Die Krebserkrankungsfälle werden daher von den Länderkrebsregistern,
also auf Länderebene, auf der Basis spezieller rechtlicher
Regelungen erfasst.
Frau Kollegin Lietz,
bitte Ihre erste Nachfrage.
Frau Schaich-Walch, ich
frage Sie, ob Sie nicht doch die Möglichkeit sehen, eine
Bundesregelung zu finden, mit der wir, auch wenn es im
Moment Datenschutzgründe gibt, die dagegen sprechen,
eine Möglichkeit schaffen, die Daten aller Krebserkrankten, also auch die, die zu Lebzeiten erfasst werden, und die
Früherkennungen in einem Register zusammenzufassen,
damit wir nicht nur demographische Gegebenheiten, sondern auch soziale bzw. geographische Besonderheiten
beim Auftreten von Krebserkrankungen besser registrieren
können.
Wir haben beim RobertKoch-Institut das Gesamtprogramm „Krebsbekämpfung“
aufgelegt, in das die Daten, die uns von den Ländern übermittelt werden, aufgenommen werden. Diese Übermittlung der Daten aus den Landeskrebsregistern klappt - so
muss man sagen - im Großen und Ganzen sehr gut. Die
Zusammenführung der Daten gibt uns eine gute Basis für
das Zusammenzuwirken in der Arbeitsgruppe „Bevölkerungsbezogenes Krebsregister Deutschland“, die wir jetzt
eingerichtet haben. Aber eine gesetzliche Verpflichtung
für ein einheitliches deutsches Bundeskrebsregister sehe
ich leider nicht als durchsetzbar an, weil die Länder diese
Aufgabe als ihre eigene hoheitliche Aufgabe betrachten.
Frau Kollegin Lietz,
Ihre zweite Nachfrage.
Ich habe keine zweite
Nachfrage.
Dann kommen wir zur
Frage 27 der Kollegin Ursula Lietz:
Hält die Bundesregierung es für machbar, eine Standardisierung der verschiedenen Landeskrebsregister vorzunehmen, um so
eine Vergleichbarkeit der Fälle und eine bundesweite Auswertung
zu ermöglichen?
Es gibt bereits eine
gewisse Standardisierung dahin gehend, dass alle Landeskrebsregister einen einheitlichen Basisdatensatz erheben und dass die Vorgaben der International Association
of Cancer Registries eingehalten werden. Hierfür wurde
durch das am 31. Dezember 1999 ausgelaufene Gesetz
über ein Krebsregister des Bundes gesorgt, das alle Länder zur Einrichtung von Krebsregistern nach weitgehend
einheitlichen Regularien verpflichtet. Allerdings durften
die Länder Ausnahmen vom Meldemodus und in Bezug
auf die Flächendeckung vornehmen.
Obwohl das oben genannte Krebsregister ausgelaufen
ist, wird die darin enthaltene Vorgabe, dass alle Landesregierungen ihre anonymisierten epidemiologischen Daten
einmal pro Jahr an das Robert-Koch-Institut in Berlin
weitermelden - das war das, was ich vorhin bereits ausgeführt habe -, weiterhin befolgt. Die Zusammenführung
wird am Robert-Koch-Institut vorgenommen. Damit sind
diese Daten auch der Öffentlichkeit zugänglich.
Frau Kollegin Lietz
bitte.
Frau Staatssekretärin, sehen Sie nicht trotzdem die Möglichkeit, die Länderregister stärker zu standardisieren, damit wir, wenn wir schon
kein Bundeskrebsregister einrichten können, zumindest
über die Länderdaten verfügen und durch eine Standardisierung zu besseren Ergebnissen kommen, die man bundesweit auswerten kann?
Ich kann Ihnen
versichern, dass die Gesundheitsministerin dieses Thema
auf der Gesundheitsministerkonferenz ansprechen wird.
Denn viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss und aus anderen Ausschüssen des Bundestages haben deutlich gemacht, dass ein großes Interesse an
einer Standardisierung besteht und dass die Abweichungen, die damals Grundlage dafür waren, dass sich die Länder überhaupt damit einverstanden erklärt haben, dass es
zu diesen Erhebungen und zu einem solchen Krebsregister kommt, möglichst gering sind, sodass man tatsächlich
sagen kann: Wir haben allgemein gültige Aussagen.
Ihre nächste Nachfrage bitte.
Ich habe eine zweite Nachfrage: Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, wo die
Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen
westlichen Ländern, was die Registrierung von Krebserkrankungen und deren Standards anbetrifft, steht?
Ich würde sagen:
Da befinden wir uns im Mittelfeld. Wenn ich es auf die
Bundesrepublik Deutschland beziehe, muss ich sagen:
Wir haben dort sehr große Unterschiede. Ich will auch
nicht verschweigen, dass es in den neuen Bundesländern
eine vorbildliche Erfassung gab.
Damit schließen wir
diesen Geschäftsbereich ab. Ich bedanke mich bei der Parlamentarischen Staatssekretärin für die Beantwortung.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Hier werden die Fragen sämtlich schriftlich beantwortet.
Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Christoph Zöpel zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Hartmut
Koschyk:
Aufgrund welcher Prüfungen und diesbezüglicher Ergebnisse
gelangt die Bundesregierung zu der Auffassung, dass sie die umstrittenen Benes-Dekrete nicht zum Gegenstand der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Tschechischen Republik machen wird
({0}), und wie bewertet sie vor diesem
Hintergrund die Tatsache, dass der Auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlaments die Vereinbarkeit der Benes-Dekrete mit
den Rechtsgrundsätzen der Europäischen Union durch ein Rechtsgutachten prüfen lässt?
Frau Präsidentin! Herr Kollege; die jetzige Bundesregierung tut, wie Sie wissen, sinnvollerweise - Sie erlauben mir diese Bemerkung - das Gleiche, was ihre Vorgängerin getan hat, nämlich die deutsch-tschechischen
Beziehungen durch die Vergangenheit nicht zu belasten.
Darauf haben wir uns in der Deutsch-Tschechischen Erklärung verständigt, die unter der Verantwortung der Regierung von Herrn Bundeskanzler Kohl abgeschlossen
wurde. Die jetzige Regierung bemüht sich darum, das
fortzusetzen. Das tun wir auch in einer Situation, in der
- wie ich hier schon ausgeführt habe - die Weisheit einiger Äußerungen im tschechischen politischen System infrage zu stellen ist.
Das alles bedeutet nicht, dass die Bundesregierung
- ich schätze, das macht sie wie ihre Vorgängerin - nicht
sehr sorgfältig beobachten würde, wie die Kommission
die Verhandlungen führt. Denn nur die Kommission führt
die Verhandlungen. Alles, was wir über die Hinweise zur
Sache und zum Verhalten gehört haben, die Herr Kommissar Verheugen jüngst in Prag gegeben hat, vermittelt
uns den Eindruck: Das Ganze ist auf einem guten, zukunftsorientierten und niemandem Schaden zufügenden
Wege.
Erste Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Koschyk.
Herr Staatsminister,
ich muss Ihre Antwort so deuten, dass Sie der Beurteilung
von Herrn Kommissar Verheugen zustimmen, dass die
Benes-Dekrete keine Bedeutung im Hinblick auf das Verfahren des Beitritts der Tschechischen Republik zur Europäischen Union haben. Wie bewertet es dann die Bundesregierung, dass das Europäische Parlament hier anderer
Auffassung zu sein scheint und verschiedene Rechtsgutachten in Auftrag gegeben hat und die österreichische Regierung durch die Frau Außenministerin Herrn Verheugen entschieden widersprochen hat, sie also zu einer anderen
Auffassung kommt, nämlich dass die Frage weiter andauernder Diskriminierungen tschechischer Bürger nicht tschechischer Nationalität, aber auch von EU-Bürgern sehr wohl
im Zuge des Beitrittsverfahrens geprüft werden muss?
Die Überlegungen und auch die prozeduralen
Schlussfolgerungen des Europäischen Parlaments in dieser Angelegenheit sind nicht nur legitim, sondern sie
könnten auch einen Beitrag zur Lösung der mit diesen
Dekreten verbundenen Beschwernisse leisten. Wenn das
Europäische Parlament dies tut, hat das den Vorteil, dass
nicht die deutsche und die tschechische Regierung - sie
haben ja vereinbart, das nicht zu tun - Probleme im
deutsch-tschechischen Verhältnis und auf dem gewünschten Weg der Tschechen nach Europa schaffen. Das Europäische Parlament würde solche Probleme ja nicht auslösen. Darin könnte die Weisheit dieses Verfahrens liegen.
Wir beobachten das mit aktivem Interesse. Wir verfolgen
auch sehr genau, was Herr Kommissar Verheugen sagt. Er
hat ja schon deutlich gemacht, dass hinsichtlich tschechischer Rechtsbestimmungen, die infolge der kommunistischen Machtausübung auf dem Gebiet der heutigen
Tschechischen Republik bestehen, sehr kritische Prüfungen angestellt werden können, ob sie zukünftig alle europäischen Bürger in gleicher Weise betreffen. Wenn Sie es
genau verfolgt haben, wissen Sie, dass er diese Prüfung
seitens der Kommission auch hinsichtlich der Benes-Dekrete nicht ausschließt.
Ich glaube, im Ergebnis - das ist das, was ich für die
Politik Deutschlands für richtig halte - wird es zu einer
europäischen rechtlichen Prüfung kommen, ob infolge
dieser Dekrete Diskriminierungen heute lebender Menschen - nur darum kann es gehen - stattfinden. Ich glaube,
das hilft beiden. Das ist auch der Hintergrund unseres
sehr konkreten Verhaltens. Das hat eben nichts damit zu
tun, dass dies in einem historischen Kontext stattfindet, zu
dessen Herbeiführung Deutschland im tragischen Teil seiner Geschichte viel beigetragen hat. Es gibt eben Fragen,
die heute gestellt werden müssen.
Es gibt eine zweite
Nachfrage des Kollegen Koschyk.
Herr Staatsminister,
Sie haben gesagt, dass die Bundesregierung sehr sorgfältig beobachtet, wie sich die EU-Kommission im Hinblick auf fortwirkende Diskriminierungen für Bürger der
Tschechischen Republik, aber auch für künftige EU-Bürger aufgrund der Folgewirkungen der Benes-Dekrete einlassen wird. Wie bewertet die Bundesregierung eigentlich
in diesem Zusammenhang die so genannte DreithalerEntscheidung des tschechischen Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahre 1995, bei der der tschechische Verfassungsgerichtshof ausdrücklich an die Benes-Dekrete
angeknüpft hat, und wie bewertet die Bundesregierung in
diesem Zusammenhang die Beanstandungen der tschechischen Restitutionsgesetzgebung durch den UN-Menschenrechtsausschuss im Fall Des Fours Walderode, bei
dem ebenfalls im Hinblick auf die tschechische Restitutionsgesetzgebung eine Anknüpfung an die Benes-Dekrete erfolgte, was der UN-Menschenrechtsausschuss
ausdrücklich als nicht mit dem UN-Pakt über bürgerliche
und politische Rechte im Einklang stehend erklärt hat?
Herr Kollege Koschyk, Sie haben das Datum des
Urteils genannt: 1995.
({0})
- Des Urteils. Sie haben das Datum 1995 genannt. Darauf
beziehe ich mich und sage, dass natürlich in den entsprechenden Fachreferaten des Auswärtigen Amtes diese Urteile bekannt sind und geprüft wurden. Dazu gibt es Vermerke.
Aus guten Gründen, die ich in meiner Antwort eingangs dargelegt habe, haben die Bundesregierungen daraus nicht die Konsequenz gezogen, das zum Bestandteil
der Verhandlungen zu machen, sondern sich die soeben
von mir dargestellte Strategie - wenn ein europäisches
Gericht das einmal überprüft, könnte das mehr zum
Rechtsfrieden beitragen als alles andere - zu eigen gemacht.
Sie werden mir nicht übel nehmen, dass ich nicht alle
Details der Analyse dieser Urteile - ich habe das alles einmal gelesen - präsent habe. Es gibt keine eindeutigen Ergebnisse, auch nicht bei der Rechtsprüfung, dass das
zukünftig dem europäischen Recht widerspricht. Wie jeder Rechtsfall ist auch dies ein spezieller. Ich äußere jetzt
eine Bitte. Angesichts der Tatsache, dass sich seit 1995 die
deutschen Regierungen so verhalten und sich die Kommission und das Europäische Parlament in einer adäquaten Weise intensiv damit beschäftigen, sollten wir es nicht
zu einer Veränderung unseres Verhaltens kommen lassen.
Frau Kollegin Rönsch
hat noch eine Nachfrage.
Beabsichtigt der Herr Bundeskanzler, seine ursprünglich geplante Reise in den nächsten Monaten anzutreten und,
wenn ja, wird er dann von Herrn Präsidenten Zeman eine
Entschuldigung einfordern?
({0})
Frau Kollegin, in der Bundesregierung ist der Eindruck entstanden, dass ein Besuch des Bundeskanzlers
vor den Wahlen zum tschechischen Parlament nach dem
heutigen Kenntnisstand nicht zur Klärung beitragen kann.
Was nicht zur Klärung beiträgt, stiftet keinen Nutzen. Besuche auf dieser Ebene sollten europäischen Nutzen stiften. Daraus ist aus heutiger Sicht zu folgern, dass ein
solcher Besuch des deutschen Regierungschefs wohl
sinnvollerweise erst später stattfindet. Das ist der heutige
Stand.
Jetzt zu der Frage der Entschuldigung: Einzelne Menschen können sich entschuldigen. Zu der Frage, ob Herr
Zeman absichtlich jemanden beleidigen wollte, kann ich
nur sagen: Das Gespräch, das Bundesaußenminister
Fischer mit ihm geführt hat und an dem ich teilnehmen
konnte, hat für mich zureichend deutlich gemacht, dass er
nicht subjektiv-vorsätzlich Deutsche - in dem Fall Sudetendeutsche - beleidigen wollte. In diesem Punkt gibt
es nach Meinung der Bundesregierung keine Kollektivschuld und keine Kollektivverantwortung. Unter Zugrundelegung dieser Kategorien kann man sich dann auch
nicht entschuldigen.
Unsere Folgerung daraus ist: Wir hoffen, dass es nach
den Wahlen in Tschechien wieder mehr Möglichkeiten
gibt, Versöhnung zu stiften und wir in Deutschland nicht
dazu beitragen, Versöhnung zu erschweren.
Ich rufe die Frage 33
des Kollegen Peter Weiß auf:
Warum oblag die Leitung der deutschen Delegation bei der
Geberkonferenz für Mazedonien am 13. März 2002 dem Auswärtigen Amt, obwohl der weitaus größte Teil der dort getätigten
Zusagen in die Verantwortung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fällt?
Frau Präsidentin! Herr Kollege, wir haben Richtlinien der Bundesregierung, und zwar nach meinem Wissen schon länger, als diese Bundesregierung im Amt ist.
Ich füge hinzu: Das ist auch gut so.
({0})
- Der Spruch, Herr Kollege, liegt im Rahmen der von mir
erwünschten Ausweitung der Toleranz im Innergesellschaftlichen - ein Punkt, in dem sich eigentlich Freie Demokraten und Sozialdemokraten immer einig waren.
({1})
Ich bezog mich aber mehr auf Ihren vorherigen kleinen
Disput mit meiner Kollegin aus dem Gesundheitsministerium darüber, ob wir denn nicht alles geändert hätten.
Wir haben nicht alles geändert und das ist in manchen Fällen richtig so. So wollten Sie es doch.
({2})
In diesen Richtlinien steht also, dass das Auswärtige
Amt bei internationalen Verhandlungen federführend ist
und ihm damit die Delegationsleitung obliegt, wenn es
nicht ein anders Ressort damit beauftragt.
Bei der Geberkonferenz in Mazedonien handelte es sich
um internationale Verhandlungen, die ausdrücklich im Annex des Ohrid-Abkommens vorgesehen waren. Innerhalb
der Bundesregierung bestand Einvernehmen darüber, dass
die Delegationsleitung angesichts des Kontextes beim Auswärtigen Amt lag. Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung war immer beteiligt. Die
Lösung ist einvernehmlich gefunden worden.
Jetzt ist aber der Kollege Weiß mit der ersten Nachfrage dran.
Herr
Staatsminister, wenn alle althergebrachten Regelungen
und Traditionen weiter bestehen sollen, warum gibt es
dann seit dem 5. März dieses Jahres einen neuen Runderlass des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Jürgen
Chrobog, zum Thema Koordination der Außenbeziehungen und welche Koordinierungsprobleme bzw. Zuständigkeitsprobleme innerhalb der Bundesregierung waren
Anlass für diesen neuen Runderlass?
Verübeln Sie es mir bitte nicht, aber die Überlegungen der Beamten hinsichtlich der möglichen Zusatzfragen
haben trotz aller Weisheit der Beamten nicht zu dieser Zusatzfrage geführt. Da ich nicht gerne ins Blaue hinein
rede, kann ich Ihre Frage im Augenblick nicht beantworten. Runderlasse dieser Art dienen aus guten Gründen
dem Zusammenwirken der Mitarbeiter der Ressorts und
Herr Chrobog hat ihn sicherlich aufgrund seiner zu Recht
und gut wahrgenommenen Verantwortung erlassen. Ich
kenne den Erlass nicht und müsste ihn vorher lesen. Ich
bin aber gern bereit, Ihre Frage in einer anderen Fragestunde zu beantworten, worauf Sie einen Anspruch haben.
Jetzt gibt es aber noch
eine zweite Nachfrage.
Herr Staatsminister, bedeuten Ihre grundsätzlichen Ausführungen
und die vielleicht noch nachzuholende Lektüre des neuen
Runderlasses in Ihrem Hause, dass das Auswärtige Amt
künftig grundsätzlich bei allen Verhandlungen mit anderen Staaten die Delegationsführung für sich beanspruchen
wird, also zum Beispiel auch bei Regierungsverhandlungen im Zusammenhang mit Zusagen zur Entwicklungszusammenarbeit, bei UN-Sonderkonferenzen unabhängig
vom Thema und der jeweiligen federführenden Zuständigkeit der Bundesressorts und unabhängig davon, welche Mitglieder der Bundesregierung einer Delegation angehören?
Das bedeutet es nicht, wie entsprechendes Verhalten
auch deutlich macht. So hatte zum Beispiel die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Delegationsleitung bei der Konferenz über
die Finanzierung der Entwicklung vor einigen Wochen in
Monterrey.
Im Fall der Geberkonferenz für Mazedonien hingegen
waren wir der Auffassung, dass der Zusammenhang des
Handelns besser hergestellt werden würde, wenn das Auswärtige Amt diese Aufgabe übernimmt, weil das Auswärtige Amt am stärksten in diesen schwierigen Komplex der
Herbeiführung von friedlichen Lösungen in Mazedonien
involviert war. In Monterrey haben wir die Federführung
der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit für richtig gehalten.
Ich danke Herrn
Staatsminister für die Beantwortung der Fragen. Die Fragen 34 und 35 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Detlef Parr auf:
Wie reagiert die Bundesregierung darauf, dass Beamte der
Europäischen Kommission die Bundesregierung für ihre bisherige Ablehnung eines Totalverbots der Tabakwerbung öffentlich
kritisiert und ein Totalverbot der Tabakwerbung durch die Weltgesundheitsorganisation ({0}) gefordert haben - vergleiche
„Financial Times Deutschland“ vom 19. März 2002 - ?
Herr Kollege Parr, für die Bundesregierung beantworte ich die Frage wie folgt: Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich alle Bestrebungen auf
EU- und internationaler Ebene, die negativen Folgen des
Tabakkonsums zu reduzieren. Dazu gehören auch Einschränkungen der Tabakwerbung. Die Bundesregierung
steht in diesem Zusammenhang mit der Tabakindustrie im
Gespräch über weitere Restriktionen, insbesondere zum
Schutz von Jugendlichen.
Allerdings müssen wir darauf achten, dass die Kompetenzordnung der Europäischen Union gewahrt bleibt. Da
dies bei der ersten Tabakrichtlinie aus dem Jahre 1998 mit
sehr umfangreichen Werbeverboten nicht der Fall war, hat
der Europäische Gerichtshof diese für nichtig erklärt.
Gemäß diesem EuGH-Urteil setzt sich die Bundesregierung auch bei den neuen Richtlinien zur Tabakwerbung
für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die
grenzüberschreitenden und damit binnenmarktrelevanten
Tatbestände ein.
Herr Kollege Parr zu
einer ersten Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, im „The Lancet“
gab es heftige Vorwürfe gegen die alte und die neue Bundesregierung. Ich würde von Ihnen gerne wissen, welche
Erkenntnisse die Bundesregierung bezüglich der Wirkung
der Tabakwerbung auf den Konsum hat.
Herr Kollege Parr, zunächst einmal ist
völlig richtig, dass ein britisches medizinisches Fachjournal die Bundesregierung sehr deutlich attackiert hat. Hintergrund der ganzen Angelegenheit ist, dass die Tabaklobby in den Vereinigten Staaten dazu gezwungen wurde,
ihre Archive zu öffnen. Diese Archive werden jetzt von
Wissenschaftlern durchforstet. Die Akten wurden nicht
im Vorfeld vernichtet, sodass man sehr viele höchst delikate Briefe aus den 80er-Jahren, insbesondere solche, die
den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und die damalige englische Regierungschefin Margaret Thatcher
betreffen, gefunden hat.
Aus dieser Korrespondenz geht hervor - die Tabaklobby hat sich jedenfalls dafür bedankt -, dass beide in engem Kontakt mit der Tabaklobby gestanden und in den
80er- und 90er-Jahren durch eine Verschleppungsstrategie
verhindert haben, dass eine EU-Richtlinie über die binnenmarktrelevante Tabakwerbung erlassen wurde. Diesen
Umstand kann ich nicht weiter beurteilen.
Ich möchte Ihre zweite Frage beantworten. Offensichtlich gibt es einen Zusammenhang zwischen einer jugendgerechten Tabakwerbung und dem in den letzten Jahren
immer weiter sinkenden Einstiegsalter beim Tabakkonsum. Der Lösung dieses Problems widmen wir uns vonseiten der Bundesregierung in besonderer Weise. Ich finde
es sehr besorgniserregend, dass das Durchschnittsalter inzwischen auf 13,6 Jahre gesunken ist. Damit wir hier Tacheles reden, nenne ich Ihnen einen der Hersteller, nämlich Joe Camel. Die Werbung der Firma Camel hat hier
einen besonderen Anteil. Ich denke, dies sollte man auch
in diesem Hause kritisieren.
Herr Kollege Parr hat
noch eine weitere Frage. Bitte.
Die Wirkung der Camel-Werbung
haben Sie der Presse entnommen. In Bezug auf die Wirkung der Tabakwerbung auf den Konsum hätte ich von der
Bundesregierung gerne eigene Erkenntnisse dargestellt
bekommen.
Ich möchte eine Zusatzfrage im Hinblick auf die
Selbstverpflichtung der Tabakindustrie und der AutomaPeter Weiß ({0})
tenhersteller, die zum Beispiel dafür Sorge tragen wollen,
dass im Umfeld von Schulen und bei der Nutzung von Automaten entsprechende Einschränkungen Platz greifen,
stellen. Wie beurteilen Sie dies im Zusammenhang mit
den Bestrebungen für ein absolutes Werbeverbot?
Bei der Beantwortung Ihrer Frage habe
ich darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung in Gesprächen mit der Tabakindustrie steht. Sie wissen, dass
wir keine grundsätzlichen Gegner von Selbstverpflichtungen, so sie denn tatsächlich ein Ziel erreichen, sind.
Hier muss man im Detail schauen, welche Angebote
vonseiten der Tabakindustrie gemacht werden und was
wir ihnen zusätzlich abhandeln können. Für mich gibt es
keine Kompromisse, wenn es um den Zugang von Jugendlichen zu Tabakprodukten geht. Dies gilt insbesondere auch bezüglich der Tabakwerbung, die junge Leute
als spezielle Zielgruppe hat. Ich denke, wir sollten hier für
absolute Klarheit sorgen.
Die Entwicklung, die nicht nur den Medien zu entnehmen war, sondern anhand der Statistiken natürlich auch
im Bundesgesundheits- und Verbraucherschutzministerium registriert worden ist, dass nämlich das Einstiegsalter der Raucherinnen und Raucher im Durchschnitt immer
niedriger wird, ist keinesfalls akzeptabel und darf durch
Werbe- oder Marketingstrategien der Tabakwirtschaft
nicht befördert werden.
Hierzu gibt es jetzt
eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Dr. Thea Dückert.
Herr Staatssekretär, ich möchte gerne von Ihnen wissen,
wie sich die Bundesregierung zur Antiraucherinitiative
des Herrn Byrne verhalten hat.
Herr Kommissar Byrne hat im Rahmen
der Verhandlungen um die Zukunft der Tabakmarktordnung im Agrarrat die Position vertreten, dass ein immer
größerer Anteil der EU-Gelder, die bisher für den Tabakanbau ausgegeben wurden, nun für Öffentlichkeitskampagnen gegen den Tabakkonsum eingesetzt werden
soll. Wir haben dies kräftig unterstützt.
Wir werden im nächsten Jahr 30 statt 20 Millionen Euro
für die Kampagne ausgeben. Ich gehe davon aus - die EUKommission hat hier unsere volle Unterstützung -, dass
wir ab dem Jahre 2004 diesen Betrag mit der Folge verdoppeln können, dass die EU dann erhebliche Mittel in
der Hand hat, um ihrerseits mit öffentlichen Kampagnen
gegen den Tabakkonsum besonders die Zielgruppe der
jungen Leute zu erreichen.
Wir bleiben beim
Thema Tabakwerbung. Ich rufe die Frage 37 des Kollegen
Detlef Parr auf:
Hat die Bundesregierung einem Verhandlungsmandat an die
Europäische Kommission zugestimmt, das diese ermächtigt, bei
den Beratungen über eine internationale Tabakkonvention der
WHO auch über ein Totalverbot der Tabakwerbung zu verhandeln?
Die Bundesregierung hat im April 2001 einer
Ausweitung der Ermächtigung der Kommission, ein WHORahmenübereinkommen zur Bekämpfung des Tabakkonsums und zu damit zusammenhängenden Protokollen auszuhandeln, zugestimmt. Das am 22. Oktober 1999 gegen die
Stimme Deutschlands erteilte ursprüngliche Mandat war
auf die Fragen begrenzt, die gemäß den Art. 95 und 152
des EG-Vertrages in die Zuständigkeit der Gemeinschaft
fallen.
Herr Kollege Parr, Bezug nehmend auf meine Antwort
auf Ihre erste Frage: Unserer Meinung nach liegt genau
das, was nicht binnenmarktrelevant ist, nicht in der Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft. Vor diesem
Hintergrund haben wir nicht erkennen können, dass die
EU-Kommission hier ein Verhandlungsmandat für die
Themenbereiche hat, die vom Europäischen Gerichtshof
als nicht im Zuständigkeitsbereich der Kommission liegend betrachtet wurden. Insofern ergibt sich als Beantwortung der Frage, dass es von unserer Seite kein umfassendes Verhandlungsmandat für diesen Themenkomplex
gegeben hat, wofür wir als Bundesrepublik Deutschland
- auch das war den Medien zu entnehmen - vonseiten der
WHO heftig kritisiert worden sind.
Eine kurze Zusatzfrage des Kollegen Parr; dann ist die Zeit für die Fragestunde vorüber.
Ich danke der Präsidentin für die
Großzügigkeit.
Über Zuständigkeiten zu diskutieren ist die eine Seite.
Die Frage ist, was die Bundesregierung tun wird. Steuert
die Bundesregierung auf ein totales Werbeverbot zu?
Ich habe in meiner ersten Antwort darauf
hingewiesen, dass wir in unseren Gesprächen mit der Tabakindustrie auch über Selbstverpflichtungen reden. Dies
ist ein Thema, über das wir intensiv diskutieren. Wir haben noch kein konkretes Ergebnis.
Über die Frage, ob es ein vollständiges Tabakwerbeverbot zum Beispiel für solche Zeitschriften geben wird,
die nur auf dem deutschen Markt erscheinen, wird die
Bundesregierung im Rahmen der Kompetenzordnung der
Europäischen Union dann entscheiden, wenn ein Angebot
der Tabakwirtschaft vorliegt. Wenn dieses Angebot nicht
ausreichend ist, wird dieses Thema erneut zu erörtern
sein. Dies ist aber unabhängig von der Frage, welche
Kompetenzen wir als Bundesrepublik Deutschland im
Rahmen der Kompetenzordnung bereit sind an Brüssel
abzugeben.
Damit ist die Fragestunde beendet.
Wie üblich werden alle noch nicht beantworteten Fragen schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Haltung der Bundesregierung zum Insolvenzantrag der Kirch-Media AG
Erster Redner in dieser Debatte ist der Staatsminister
Julian Nida-Rümelin.
Frau Präsidentin, ich hatte mich eigentlich darauf eingestellt, am Ende dieser Debatte zu sprechen.
Aber es macht gar nichts, dass das jetzt umgestellt wurde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, obwohl es verführerisch ist, die Kirch-Insolvenz auch für vordergründige
Polemiken zu nutzen, muss sie uns vor allem Anlass dazu
sein, die Medienordnung in Deutschland, in Europa und
auch im globalen Zusammenhang kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Schon seit Monaten führen wir im Rahmen
der Europäischen Union eine Diskussion über die Prinzipien einer europäischen Medienordnung. So wird etwa die
Fernsehrichtlinie novelliert werden, was Auswirkungen
auf die Medienlandschaft in Deutschland haben wird.
Ich beschränke mich auf einige wesentliche Thesen, die
ich zur Diskussion über die Konsequenzen aus der KirchInsolvenz beisteuern möchte und die wegen des Sachzusammenhanges zum Teil über den Zuständigkeitsbereich
des Bundes hinausgehen. Die gegenwärtigen Zuständigkeiten für Kontrolle und Aufsicht sind in Deutschland unübersichtlich. Wir hatten Mühe genug, etwa im Bereich
des Jugendschutzes eine tragfähige Lösung zu finden, die
von den Ländern und dem Bund gemeinsam verantwortet
werden kann.
Die erste These: Die Kirch-Insolvenz ist ein Warnsignal im Hinblick auf die Verflechtung von politischen und
medienpolitischen Interessen einerseits und medienwirtschaftlichen Privatinteressen andererseits.
({0})
Über die Details wird in den nächsten Wochen noch diskutiert werden. Aber es steht ganz außer Frage, dass es eine
enge Verflechtung gibt - welche Rolle die Bayerische Landesbank dabei gespielt hat, darüber wird noch diskutiert werden - und dass die risikofreudige Strategie von Kirch auch
mit dieser Verflechtung zu tun hat. Dass er entsprechende politische Rahmenbedingungen vorgefunden hat, die ihm erst
sein risikofreudiges Verhalten in diesem Umfange ermöglicht haben, steht für mich jedenfalls außer Frage.
({1})
Hier stellt sich natürlich die Anschlussfrage, welches
die Konsequenz daraus sein kann. Eine Konsequenz, über
die wir diskutieren müssen - wie gesagt, es ist Sache der
Länder, das dann politisch zu realisieren -, läuft auf die
Frage hinaus, ob in der gegenwärtigen Struktur der Medienordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht aufgrund von Standortkonkurrenz das öffentliche Interesse
an Medien- und Meinungsvielfalt sowie an hinreichend
viel politischer und kultureller Berichterstattung in unserem Land unterlaufen wird und wir die Instrumente, die
im Rahmen der Medienaufsicht der Länder zur Verfügung
stehen, erst dann wirksam zum Einsatz bringen können,
wenn die Zuständigkeiten der Länder stärker koordiniert
sein werden. Das geht bis hin zu einer gemeinsamen, koordinierten Medienaufsicht der Länder gegenüber den
verschiedenen privaten Rundfunkveranstaltern.
({2})
Die zweite These: Für mich liegt auf der Hand, dass wir
alles tun müssen, damit Deutschland vielleicht kein gutes
- viele wünschen sich ein besseres -, aber zweifellos das
beste frei empfangbare Fernsehsystem der Welt behält.
({3})
Diese Tatsache hängt ganz eng damit zusammen, dass wir
einen starken öffentlich-rechtlichen Hörfunk und ein starkes öffentlich-rechtliches Fernsehen haben. Wir müssen
alles tun, damit der öffentlich-rechtliche Sektor nicht marginalisiert wird.
({4})
Man stelle sich einmal die schlimme Vision einer Marginalisierung des öffentlich-rechtlichen Sektors vor und
bedenke dabei, dass das Internet eine immer größere Rolle
spielt - Stichwort Konvergenz - und die öffentlich-rechtlichen Sender dort wenig Spielräume haben und dass es
deutliche Warnsignale im Hinblick auf eine Überalterung
der Zuschauer gibt. Ferner ist hier an eine Werbevermüllung des frei empfangbaren privaten Fernsehangebots zu
denken. Noch sind wir nicht so weit; aber wir diskutieren
über eine weitgehende Liberalisierung der Werbemöglichkeiten privater Anbieter im frei empfangbaren Fernsehen.
Damit ginge eine geringere Attraktivität des frei empfangbaren Fernsehens einher, was zugegebenermaßen die von
manchem wirtschaftlich gewünschte Folge hätte, dass das
Pay-TV entgegen der jetzigen Situation wirtschaftlich attraktive Perspektiven böte.
Pay-TV ist gegenwärtig deswegen wenig attraktiv für
die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, weil es hier
ein so gutes frei empfangbares Fernsehangebot gibt. Das
hat sich Kirch offensichtlich falsch ausgerechnet.
({5})
Eine Entwicklung in der Richtung, wie sie etwa in den
Vereinigten Staaten von Amerika oder auch in Italien zu
beobachten ist, wo das frei empfangbare Fernsehen ein
Niveau erreicht hat, das einen nachdenklich stimmen
muss - wer das einmal erlebt hat, wird mir sofort zustimmen -, ist meiner Meinung nach nicht wünschenswert.
Die dritte Debatte, die wir meiner Meinung nach
führen müssen, befasst sich mit der Frage, wie viel Markt
mit hinreichend viel Struktur vereinbar ist. Ich sage das
bewusst so abstrakt. Es gilt, ein Spannungsverhältnis zwischen den von allen - auch von allen Ökonomen - anerkannten nivellierenden Tendenzen eines globalen Medienmarktes einerseits und dem Ziel globaler kultureller
Vielfalt einschließlich nationaler Identitäten andererseits
zu bewahren. Daran, dass es dieses Spannungsverhältnis
gibt, lässt sich nicht rütteln. Merkwürdigerweise wird
diese Diskussion in Frankreich, Italien, den anderen südeuropäischen Ländern und in Südamerika sehr viel intensiver geführt als bei uns. Aber auch wir müssen diese Diskussion führen. Es kann schließlich nicht die Rede davon
sein, dass die Produkte, die von den Medienunternehmen
angeboten werden, lediglich private Güter im Sinne der
Ökonomie bzw. privat konsumierbare Güter sind,
({6})
sondern es geht dabei offensichtlich auch - nicht nur, aber
auch - um öffentliche Güter, etwa das Bildungsniveau in
der Bundesrepublik Deutschland und das Maß der Informiertheit über politische Vorgänge. Ein völlig unpolitisches, reines Unterhaltungsprogramm ist selbst Politik.
Es trägt nämlich zur Entpolitisierung bei.
({7})
Deswegen kann es auf der einen Seite - auch im Hinblick auf Regionen, die wirtschaftlich weit schwächer
sind als die Bundesrepublik Deutschland - nicht sakrosankt sein, darüber zu diskutieren, wie wir Staatsferne
sichern können. Das kann auch für uns aktuell werden,
wenn Berlusconi doch noch versucht, bei uns einzusteigen und die bestehende Situation auszunutzen. Es geht
nicht an, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland
Staatsferne gesichert haben - wobei ich mir vorstellen
kann, dass die Staatsferne noch deutlicher gemacht und
auch noch stärker in das System unserer Medienordnung
implementiert werden kann, als dies gegenwärtig der Fall
ist - und dass dann von ausländischer Seite ein Ministerpräsident dieses Gebot der Staatsferne unterläuft.
({8})
Auf der anderen Seite müssen wir darauf achten, dass
Regionen - insbesondere solche, die wirtschaftlich
schwächer sind; die Bundesrepublik Deutschland stellt,
wie gesagt, nicht das führende Beispiel dar - nicht von international agierenden Medienkonzernen ihrer kulturellen
Identität beraubt werden. Dass dies ein schwieriger Balanceakt ist, ist mir bewusst.
({9})
Deswegen stellt es auch kein Vergehen gegen den Geist
des freien Marktes dar, wenn wir Regelungen einführen,
wie sie in Großbritannien, Australien, in den USA, in Brasilien und in vielen anderen Ländern selbstverständlich
sind,
({10})
die die ausländische Kapitalbeteiligung an Medienunternehmen beschränken, wobei damit im EU-Rahmen natürlich nur Kapital außerhalb der Europäischen Union gemeint sein kann, weil es innerhalb der Europäischen Union
keinen Unterschied zwischen inländischem und ausländischem Kapital gibt. Solche Beschränkungen halte ich als
Teil eines Konzepts einer Medienordnung, die auch global
Bestand haben kann, für selbstverständlich.
Danke schön.
({11})
Jetzt spricht der
Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Dr. Otto
Wiesheu.
({0})
Dr. Otto Wiesheu, Staatsminister ({1}): Bei uns
darf jeder sprechen. Wie das bei Ihnen ist, weiß ich nicht.
({2})
Die laufenden Verhandlungen über die Lösung der
Probleme, die im Zusammenhang mit der Insolvenz von
Kirch-Media aufgetreten sind - diese betreffen nicht die
Holding, nicht das Pay-TV und auch nicht die Beteiligungen -, werden mit dem Ziel geführt, den Konzern und die
Arbeitsplätze so weit wie möglich zu erhalten. Auf alle
Fälle ist es das erklärte Ziel der Banken wie der Insolvenzverwalter, den Kirch-Konzern als integrierten Medienkonzern im jetzt laufenden geregelten Insolvenzverfahren zu erhalten. Es wurde auch zugesagt, die nächste
Rate für die Übertragung der Bundesliga zu zahlen und
Verhandlungen über die nächste Saison aufzunehmen. Ich
stehe deswegen auf dem Standpunkt: Hier muss eine Lösung gefunden werden - sie wird auch gefunden werden -, die marktwirtschaftlich ist und die ohne Staatszuschüsse und staatliche Bürgschaften auskommt.
({3})
Das Hilfsangebot des Herrn Bundeskanzlers - ich
frage mich, warum er überhaupt ein solches Angebot gemacht hat - war überflüssig.
({4})
Er hat gesagt: Das, was bei Holzmann richtig war, ist auch
bei Kirch nicht falsch. Dazu kann ich nur sagen: Er hat
nichts dazugelernt; denn das, was schon bei Holzmann
falsch war, ist auch bei Kirch nicht richtig.
({5})
Es laufen Verhandlungen über die Filmrechte und die
Fußballübertragungsrechte. Diese Verhandlungen werden
von denjenigen geführt, die die Verantwortung tragen.
Nun möchte ich auf das Thema der ausländischen
Investoren zu sprechen kommen, das auch schon Herr
Nida-Rümelin angesprochen hat. Herr Clement hat vor einiger Zeit öffentlich gesagt, dass er verfassungsrechtlich
prüfen lassen werde, ob der Einstieg von Murdoch und
Berlusconi bei Kirch gegen Art. 5 des Grundgesetzes verstoße. Das ist in mehrerer Hinsicht erstaunlich: Erstens.
Wenn Bertelsmann in den USA, in Frankreich, in Italien
oder, wie jetzt angekündigt, in Spanien investieren würde
und wenn als Reaktion darauf die Aussage käme, hier hat
ein Deutscher nichts verloren, dann würde man sich sehr
wundern.
({6})
Manche nehmen also eine sehr seltsame Position im Hinblick auf den Einstieg von Murdoch und Berlusconi ein.
Zweitens. Als Bertelsmann in den USA investiert hat,
hat es eine solche Debatte, wie wir sie jetzt führen, dort
nicht gegeben. Man hätte sie dort im Hinblick auf unsere
internationale Wirtschafts- und Medienordnung als vollkommen abwegig betrachtet.
Drittens. Es war Herr Clement selbst - das belegt,
warum die jetzige Debatte scheinheilig ist -, der Herrn
Murdoch nachgelaufen ist und ihn nach Deutschland geholt hat. Herr Murdoch ist doch längst da: Er ist mit
49,5 Prozent an Vox beteiligt. Er hält auch noch andere
Beteiligungen. Herr Clement hat sich gerühmt, im Jahr
1998 Herrn Murdoch in Los Angeles besucht und zwei
Stunden mit ihm verhandelt zu haben. Herr Clement hat
damals gesagt: Herr Murdoch ist ein hochinteressanter
Typ, den man auf Dauer nicht aus Deutschland heraushalten sollte. Das sind die Fakten.
({7})
Es ist ziemlich scheinheilig, wenn hier anders argumentiert wird.
({8})
Schließlich ist das deutsche Medienrecht auch für jeden ausländischen Investor verbindlich. Sie sollten den
Artikel lesen, der am 6./7. April in der „Süddeutschen Zeitung“ unter der Überschrift „Kirch - Heuchler und Bösewichte“ erschienen ist; denn dort wird darauf hingewiesen, dass ausländische Investoren, egal woher sie
kommen, nach den medienrechtlichen Vorschriften genauso behandelt werden müssen wie die inländischen.
Zur Kritik von Herrn Clement an Herrn Kirch und an
den Vorgängen in dessen Konzern: Es war, glaube ich,
auch im Jahr 1998, als Herr Clement in einer Debatte im
nordrhein-westfälischen Landtag gesagt hat, wenn Kirch
kommen würde, würde er ihm den roten Teppich ausrollen. Herr Clement hat Herrn Kirch seinerzeit angeboten,
ihm unbesehen einen Kredit in Milliardenhöhe bei der
WestLB zu beschaffen, wenn er in Nordrhein-Westfalen
investiere. Das sind auch Fakten, an die sich heute niemand mehr erinnern möchte.
({9})
- Nein, ich sehe die Zusammenhänge.
Der Bundeskanzler hat zuerst eine nationale Lösung
angepriesen. Dann ist er vorsichtiger geworden und hat
nur noch gesagt, er lehne internationale Investoren nicht
grundsätzlich ab. Was ist denn die Rolle des Herrn Bundeskanzlers bei diesem Thema?
({10})
- Ich rede von den Gesamtzusammenhängen. - Ende Januar hat es in Hannover ein Treffen zwischen Herrn
Breuer, Herrn Bundeskanzler Schröder, Herrn Middelhoff,
dem Vorstandsvorsitzenden bei Bertelsmann, und Herrn
Erich Schumann, dem Mitgeschäftsführer der „WAZ“,
gegeben.
({11})
- Ich glaube schon, dass Sie das stört; denn jetzt kommen
die Wahrheiten auf den Tisch.
({12})
Bei diesem Treffen wurde die Lage erörtert und darüber
diskutiert, wie man bei einem Zusammenbruch des
Kirch-Konzerns - es wurde also schon damals davon gesprochen - Murdoch und deutsche Investoren bedienen
könne. Ich frage Sie - das ist auch interessant -: Warum
war denn die „WAZ“ bei dem Thema dabei? Warum war
Bertelsmann dabei?
({13})
- Moment! - Warum verspricht Schröder Herrn Murdoch
bereits zu diesem Zeitpunkt, er würde Pay-TV bekommen?
(Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer ({14})
Ende Januar zerteilt der Bundeskanzler einen Konzern,
der ihm nicht gehört, bei dem er nichts mitzureden hat und
wobei Voraussetzung natürlich die Insolvenz ist. Eine
Woche später nimmt der Herr Breuer Stellung und sagt,
Kirch ist nicht mehr kreditwürdig, was für einen Banker
absolut ungewöhnlich ist.
({15})
Es gibt eine Rolle, die der Herr Kanzler hier spielt. Ich
frage Sie: Was berechtigt den Bundeskanzler, Ende Januar
über die Zerlegung des Kirch-Konzerns zu debattieren
und Zusagen zu machen, deren Einhaltung die Insolvenz
voraussetzt?
({16})
Eine Woche später kommt der Herr Breuer mit seiner
Äußerung und beschleunigt den gesamten Prozess.
Dr. Otto Wiesheu, Staatsminister ({17})
Ihnen geht es um etwas ganz anderes. Als der Kanzler
vor einiger Zeit seine Kampagne gegen Springer angekündigt hat
({18})
- Sie sollten sich etwas beruhigen und zuhören -, ist ziemlich klar geworden, dass es ihm um die Springer-Beteiligung bei Kirch geht. Das war auch der Grund dafür, dass
die „WAZ“ dort teilgenommen hat.
({19})
Der Bundeskanzler hätte gern die Anteile, die Kirch
an Springer hat, der „WAZ“ zugespielt, weil diese einen
politischen Kurs verfolgt, der ihm gefällt.
({20})
Das ist mit der Hintergrund dafür
({21})
- Sie sollten Ihre Stimme schonen -, dass der Bundeskanzler hierbei eine Rolle gespielt hat, und zwar keine
gute Rolle.
({22})
- Regen Sie sich nur auf!
Ich habe Herrn Nida-Rümelin und seine Thesen über
die Staatsferne des Rundfunks gehört.
({23})
Das war sehr schön und sehr abstrakt gesprochen. Um was
es tatsächlich geht, ist aber die Parteinähe bestimmter
Medien, die Sie in einigen Bereichen vermissen, die Sie
gern hätten.
({24})
- Aber natürlich! Entschuldigung! Es gab die Ankündigung des Kanzlers, er werde eine große Kampagne gegen
Springer fahren - das ist vielleicht eine Reminiszenz an
seine Jusozeit, aber das hat er vor ein paar Monaten wiederholt - , weil ihm der politische Kurs dort nicht passt.
({25})
Da er die Kampagne nicht fahren konnte, probiert er es
jetzt auf eine andere Weise, indem er Anteile des Konzerns
an Medienkonzerne verschiebt, die ihm politisch nahe stehen. Das ist die Aktivität, die gelaufen ist. Das ist auch die
Aktivität, die Ende Januar gelaufen ist. Einen anderen
Sinn hatte das Gespräch nicht. Vielleicht können Sie einmal darlegen, ob über andere Themen gesprochen worden
ist. Das war also der Hintergrund. Gleichzeitig ist dem
Herrn Murdoch zugesagt worden, er könne sich am PayTV beteiligen oder es übernehmen.
({26})
Wenn sich Herr Schröder beim Kirch-Konzern als Retter aufspielen will, Monate vorher aber als Brandstifter
mit tätig war,
({27})
dann ist das - um einen Begriff des Herrn Schröder zu gebrauchen - menschlich unanständig und schäbig.
({28})
Zu dem Treffen gibt es eine Vorgeschichte. Auch darüber sollten Sie sich informieren lassen. Der Ministerpräsident von Niedersachen
({29})
hat einen Untersuchungsausschuss empfohlen. Was den das
kümmert, weiß ich nicht. In einem solchen Untersuchungsausschuss könnte man alle Beteiligten fragen, welche Rolle
sie eigentlich gespielt haben, und könnte man nach dem
Drehbuch fragen, das für einige vorgelegt worden ist.
Dass der Kirch-Konzern finanziell angeschlagen war,
ist bekannt.
({30})
Dass durch eine öffentliche Erörterung der Probleme die
Prozesse beschleunigt worden sind und eine Sanierung
ohne Insolvenz unmöglich gemacht worden ist, ist auch
bekannt. Dann kann man auch das Thema der Kreditvergabe durch die Landesbank erörtern; darauf wird man
aber sicher sowieso noch näher eingehen.
({31})
Der bei der Landesbank zuständige Dezernent - das muss
ich Ihnen bei dieser Gelegenheit mitteilen - war der Präsident selbst. Präsident Lehner kommt von der Münchener Sparkasse und ist bekanntermaßen SPD-Mitglied.
Aber Sie werden sich sicher nicht vorstellen können, dass
bei der Bayerischen Landesbank ein SPD-Mitglied Präsident werden kann.
Herr Staatsminister,
darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir uns in
einer Aktuellen Stunde befinden, in der die Redezeiten
streng begrenzt sind.
Dr. Otto Wiesheu, Staatsminister ({0}): Ja, das
weiß ich. Meine Redezeit ist aber auf zehn Minuten festgelegt.
Dr. Otto Wiesheu, Staatsminister ({1})
Diese zehn Minuten
sind schon um.
Dr. Otto Wiesheu, Staatsminister ({0}): Entschuldigung. Das war mir nicht bekannt.
({1})
Ich dachte, ich hätte noch ein paar Minuten Redezeit.
Ich hätte gern noch einige Ausführungen gemacht, will
meine Rede aber damit beenden.
({2})
Nächste Rednerin in
der Aktuellen Stunde ist die Kollegin Christine Scheel für
die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Wiesheu, es gibt anscheinend einige größere Unterschiede zwischen dem Bayerischen Landtag und diesem
Parlament. Die betreffen nicht nur die Redezeit. Normalerweise reden wir hier in diesem Hause über die Sache,
({0})
darüber, wer für etwas zuständig ist, und darüber, wer,
wenn eine Pleite stattgefunden hat, dafür die Verantwortung trägt. Darüber haben Sie leider kein einziges Wort
verloren.
({1})
Wir sprechen hier heute über ein Lehrstück vor allem
der bayerischen Wirtschaftspolitik. Am Beispiel Kirch ist
nämlich besonders plastisch geworden, wie die bayerischen Kompetenzen in der Wirtschaftspolitik wirklich
aussehen. Es ist schon eigenartig, Herr Wiesheu: 1997 haben Sie über die LfA versucht, einen Kredit für Leo Kirch
durchzubringen, der damit zu 100 Prozent von der bayerischen Regierung getragen worden wäre, haben aber 1998
die Kompetenz für diesen Bereich entzogen bekommen.
Die Kompetenz für diesen Bereich ist in die Staatskanzlei
zu Minister Huber und zu Herrn Stoiber abgewandert.
Jetzt, da der Karren im Dreck steckt, werden Sie wieder
hervorgezaubert; die anderen tauchen ab. Das ist die Realität, wie in Bayern debattiert wird und welche Möglichkeiten die Einzelnen in Bayern haben.
({2})
Wir haben es hier - das ist eine sehr ernste Sache - mit
einem der größten Unternehmenszusammenbrüche in der
deutschen Nachkriegsgeschichte zu tun. Es ist, gemessen
an den Schulden in einer Größenordnung von mittlerweile
7,2 Milliarden Euro, die größte Pleite. Diese Summe ist
für einen normalen Menschen kaum vorstellbar. Wenn
man sich anschaut, wie das Ganze abgelaufen ist, dann
muss man feststellen, dass in Bayern Großunternehmen
- dazu gehört das Unternehmen Kirch - auf Kosten des
Mittelstandes hofiert worden sind, und zwar jahrelang.
({3})
Es wurden über Jahre hinweg großzügig Kredite in Milliardenhöhe an den Großkunden Kirch vergeben. Dieses
Geld aus der Schatulle der Bayerischen Landesbank stand
damit dem Mittelstand und den kleinen Handwerkern
nicht mehr zu Verfügung. Man muss sich also die gesamte
Situation hinsichtlich der Vergabekriterien anschauen.
({4})
Wenn man sich weiterhin anschaut, wer in dem Vergabegremium der Bayerischen Landesbank sitzt, dann findet
man von Umweltminister Schnappauf über Herrn Staatsminister Wiesheu und Innenminister Beckstein das halbe
Kabinett. Man braucht sich also nicht darüber zu wundern, wie die bayerische Wirtschaftspolitik funktioniert.
({5})
Angesichts dieser Situation müssen wir feststellen,
dass es eine ganz enge Verknüpfung von Staat und Wirtschaft gibt.
({6})
Herr Stoiber höchstpersönlich geriert sich als oberster
Medienplaner des Landes. Auch er jettet in der weltweiten High Society umher und hat sich als Tête-à-tête mit
Murdoch getroffen. Lassen Sie doch diese wunderbaren
Erzählungen über andere, die Sie uns präsentiert haben!
Auch Herr Stoiber hat Herrn Murdoch in den Vereinigten
Staaten kontaktiert und hat Seilschaften zugunsten seines
Busenfreundes Kirch geknüpft.
Wenn wir untersuchen, wie versucht worden ist, an
Geld zu kommen, dann erkennen wir, dass es noch eigenartiger wird. Man wusste anscheinend, dass das Risiko
vor allem hinsichtlich der Formel 1 verdammt hoch ist.
Deswegen hat man unter an deren mit der Hypo-Vereinsbank versucht, dieses Kreditrisiko etwas breiter zu
streuen. Die Hypo-Vereinsbank ist aber nicht darauf eingegangen. Darum hat die Bayerische Landesbank den
Kredit trotz des hohen Risikos gewährt. Das spiegelt das
ausgeklügelte System wider, das sich in Bayern jahrzehntelang „bewährt“ hat.
Wenn man sich schließlich anschaut, dass Herr Stoiber
immer wieder öffentlich die Monstranz der freien Marktwirtschaft vor sich herträgt, aber in Hinterzimmern herummauschelt, dann muss man sagen: In Bayern haben
wir mittlerweile eher eine Planwirtschaft als eine freie
Marktwirtschaft.
({7})
Es bleiben die Fragen offen, ob es in dem Spiel Verlierer gibt und wer die bayerische Amigowirtschaft bezahlt.
Die Antwort ist längst bekannt: Der Steuerzahler zahlt die
Rechnung, und das gleich zweifach, nämlich einmal über
eine politisch motivierte Kreditvergabe ohne belastbare
Sicherheiten, die sich im Insolvenzverfahren höchstwahrscheinlich zulasten der Bayerischen Landesbank in Luft
auflösen und infolgedessen natürlich wiederum den Steuerzahler bzw. die Steuerzahlerin belasten, und zum Zweiten über die Steuerausfälle, wenn die privaten Banken ihre
Kredite, die sie im Medienmoloch versenkt haben, von
der Steuer absetzen.
Ich muss Ihnen klar sagen, dass wir daraus folgendes
Fazit ziehen: Herr Stoiber hat auf der ganzen Linie versagt, und zwar als Wirtschaftspolitiker, als Medienpolitiker und letztendlich auch als Landeschef. So jemand ist
Kandidat für die Bundestagswahl! Wir können erahnen,
was auf uns zukäme.
Danke schön.
({8})
Für die FDP-Fraktion
hat jetzt der Kollege Hans-Joachim Otto das Wort.
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Scheel, mit den Krokodilstränen,
die Sie hier geweint haben, können Sie die ganze Sahara
zum Blühen bringen.
({0})
Es ist doch wohl witzig: Wo waren Sie eigentlich, als Ihr
großer Kanzler Schröder so viel Geld für Holzmann hergegeben hat? Wo war da Ihr marktwirtschaftliches Engagement? Jetzt regen Sie sich über die Landesbankbeteiligung auf.
({1})
- Versprochen hat!
Ich möchte mich aber mit dem seriöseren Teil der Debatte beschäftigen. Also werde ich mich der Frage zuwenden, die Herr Nida-Rümelin aufgeworfen hat. Wir
sind uns darin einig, dass die Kirch-Pleite schon allein
deshalb ein Warnzeichen ist, weil sie in erster Linie
Folge einer verfehlten Medienordnung in Deutschland
ist.
({2})
Es ist wohl wahr, dass Kirch unternehmerische Fehler
gemacht hat. Ich glaube, das gibt er selbst zu. Wenn Kirch
aber alleine verantwortlich wäre, könnten Sie mir nicht erklären,
({3})
warum praktisch alle deutschen Privatsender immer tiefer
in die roten Zahlen rutschen. Das ist ein Problem, mit dem
wir uns hier offen beschäftigen müssen.
({4})
Lieber Herr Nida-Rümelin, in diesem Zusammenhang
fällt mir der Spruch ein: Wasch mir den Pelz, aber mach
mich nicht nass. Wenn Sie gleichzeitig eine Stärkung des
öffentlich-rechtlichen Systems fordern
({5})
und wenn Sie sich gegen die „Werbevermüllung“ - so haben Sie es formuliert - wenden,
({6})
dann werden Sie auf der anderen Seite in Deutschland
keine Standortbedingungen finden, unter denen private
Fernsehsender erfolgreich wirken können.
In Deutschland haben wir das mit weitem Abstand teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Welt:
6,5 Milliarden Euro Gebühren pro Jahr. Wir haben rund
20 öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme. Mit dem
Geld der Steuerzahler werden für 400 Millionen Euro die
Fußballrechte für 2002 und 2006 gekauft. Welch eine Vergeudung! Die Gebühren der Fußballmuffel, die nicht die
Fußball-WM sehen wollen, werden mit dafür verwendet.
Wenn wir das duale Rundfunksystem und die Vielfalt
in Deutschland sichern wollen, dann müssen wir Lebensbedingungen schaffen, die es privaten Sendern erlauben,
Gewinne zu machen.
({7})
Wenn Sie sich dagegen wehren, werden wir die Dinge nie
in Ordnung bringen.
Das nächste Thema: Staatsferne. Sie fordern Staatsferne; das ist auch witzig! Herr Nida-Rümelin, ich habe
noch nie gehört, dass Sie beispielsweise die Beteiligungen
Ihrer Partei an Verlagshäusern kritisiert haben.
({8})
An diesem Punkt hätte man sich über Staatsferne unterhalten können. Herr Nida-Rümelin, wo waren Sie, als der
der SPD angehörende Ministerpräsident Clement bei der
Besetzung des ZDF-Intendantenpostens mitgemischt hat?
Tolle Staatsferne!
Meine Damen und Herren, zur Holzmann-Geschichte
möchte ich noch einmal die Kollegin Scheel ansprechen.
({9})
Ich rede sehr gerne über Staatsferne, aber gerade die
SPD ist es doch, die in wirklich unverschämter Weise
überall dort, wo sie die Ministerpräsidenten stellt, Personalpolitik betreibt, durchgreift und auf Intendantenwahlen Einfluss nimmt. Das ist doch keine Staatsferne!
({10})
Ich bin sehr damit einverstanden, dass sich die Landesbanken - ({11})
- Ja, ich komme jetzt zu Bayern, kein Problem, Herr
Küster.
Wir sind natürlich dagegen, dass sich die Staatsbanken
überdurchschnittlich an den Risiken beteiligen.
({12})
Wir sind sogar der Meinung, dass die Staatsbanken zu privatisieren sind. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie da auf
unserer Seite wären. Wenn es um Staatsferne geht, Herr
Nida-Rümelin, haben Sie mit uns keine Probleme. Ich erwarte aber von Ihnen konsequentes Verhalten. Sie können
nicht auf der einen Seite sagen, die Bayerische Landesbank muss sich raushalten, auf der anderen Seite aber sagen, dass alles in Ordnung ist, was Herr Clement in Nordrhein-Westfalen mit der dortigen Landesbank macht.
({13})
Das Dritte, Herr Nida-Rümelin, sind die Ausländerquoten: Ich finde es witzig, dass dieselbe SPD, die jahrelang Leo Kirch als den bayerischen Dunkelmann des
deutschen Fernsehens diffamiert hat, jetzt nach einer nationalen Lösung schreit. Das ist doch wirklich enorm.
Jetzt höre ich von Herrn Wiesheu auch noch, dass Herr
Clement praktisch den Herrn Murdoch herbeigeredet und
ihn aufgefordert hat, in Nordrhein-Westfalen zu investieren. Sie aber fangen mit Deutschtümelei und Quoten gegen die Ausländer an.
({14})
Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass Sie
Berlusconi in keinem Fall werden fern halten können,
denn er ist EU-Bürger. Da geht Ihr Argument schon einmal
in die Irre. Wir sollten eigentlich froh sein, wenn kompetente ausländische Medienunternehmer bereit sind, in dieser schwierigen Situation Geld zu investieren. Murdoch
beispielsweise ist bereit, 600 Millionen Euro für Premiere
zu bezahlen.
({15})
- Ich habe gehört, dass Murdoch bereit ist, 600 Millionen
Euro zu investieren. Ich würde es, ehrlich gesagt, in der
Situation nicht machen.
({16})
Wenn er bereit ist, das zu tun, sollten Sie jetzt nicht mit
nationalen Quoten operieren.
Meine Damen und Herren, die Kirch-Pleite ist kein Anlass für Hysterie, sie ist vor allen Dingen auch kein Anlass
für Deutschtümelei. Es droht keine Mediendiktatur und
keine Gleichschaltung der Medien, wenn ausländische
Investoren nach Deutschland kommen. Ich finde, die SPD
sollte einmal ihre Position überprüfen: Hier ruft sie jetzt
nach nationalen Lösungen, stellt sich aber sonst die ganze
Zeit als weltoffene Partei dar.
({17})
Die Kirch-Krise bietet wie fast alle Krisen große Möglichkeiten und Chancen.
Herr Kollege Otto, ich
muss Sie an die Zeit erinnern.
Ich möchte
Sie auffordern, die Chancen, die die Kirch-Krise für uns
alle bietet, im Zuge einer Reform der Medienordnung in
Deutschland beherzt aufzugreifen,
({0})
aber ihr nicht mit Hysterie und Deutschtümelei zu begegnen.
Vielen Dank.
({1})
Für die Fraktion der
PDS spricht jetzt die Kollegin Angela Marquardt.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wirtschaftsliberale wollen
uns ja gelegentlich weismachen, dass Privatwirtschaft so
etwas wie das Gegenstück zu Politik und Staat ist.
({0})
Trotzdem hat uns der Fall Kirch klar gemacht und ein Paradebeispiel dafür geliefert, wie sehr beides zusammenhängen kann.
Die Geschichte des Medienimperiums Kirch beginnt in
den frühen 80ern. Die damals bestehende Koalition aus
CDU/CSU und FDP wollte dem vermeintlich linkslastigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk etwas entgegensetzen und hat sich für das Privatfernsehen stark gemacht.
Kohl und Strauß haben dabei von Anfang an auf Kirch gesetzt. Im Gegenzug hat dieser damals regelmäßig die private Kohl-Reklameshow „Zur Sache, Kanzler“ im deutschen Fernsehen ausgestrahlt, gewissermaßen als Dank
für eine Unterstützung, die natürlich gerade auch aus
Bayern kam.
1989 machte dann Edmund Stoiber die Medienpolitik
zur Chefsache und beauftragte den Leiter der Staatskanzlei, Erwin Huber, den Standort Bayern in Sachen Medienwirtschaft auszubauen. Ungeachtet der Kritik der damaligen Opposition setzte die Bayerische Staatsregierung
vor allem auf Herrn Kirch. So kam es, dass die Bayerische
Landesbank damals mit großzügigen Krediten - ich
Hans-Joachim Otto ({1})
glaube, fast 2 Milliarden Euro - die gewaltige Expansion
des Unternehmens finanzierte. Alle Warnungen, den
Kirch im Dorf zu lassen, wurden überhört und seine Expansion wurde zugelassen. Das Resultat kennen wir jetzt
alle; nicht umsonst debattieren wir heute darüber. Der
wirtschaftspolitisch ach so kompetente Kanzlerkandidat
hofft nun, aus der Sache fein herauszukommen.
Aber eines sage ich Ihnen: Ich glaube schon, dass die
Menschen im Land verstehen, dass hier nicht einfach nur
ein Unternehmer mit einem eigenwilligen Finanzkonzept
Pleite gegangen ist, sondern dass auch seine Amigos gescheitert sind,
({2})
die unter Wirtschaftskompetenz vor allen Dingen politische Freundschaften und politische Einflussnahme verstehen.
({3})
Alles in allem ergibt sich ein klägliches Bild: Zuerst
wird die Privatisierung vorangetrieben, wenn diese aber
gegen den Baum gelaufen ist, werden die Rufe nach dem
Staat wieder laut, der helfen soll.
({4})
Das ist eine Sache, die man der PDS oft genug vorwirft.
Diese Holzmann-Politik, die man meines Erachtens
auf die Formel „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ bringen kann,
({5})
ist eine Politik, unter der man nicht unbedingt Liberalismus versteht, bzw. das scheint manchmal der Liberalismus des Bundeskanzlers zu sein.
({6})
Auch ich finde es erstaunlich, dass die Politik jetzt versucht, zumindest hinsichtlich der Investoren Einfluss zu
nehmen. Sonst freut man sich über ausländische Investoren, aber hier beginnt man eine Debatte in Bezug auf
politische Einflussnahme. Die Angst vor politischer Einflussnahme ist natürlich durchaus berechtigt. Aber das
wissen genau jene selbst am besten, die all die Jahre diese
politische Einflussnahme genossen haben.
({7})
Insofern kann ich nur sagen: Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche!
({8})
Natürlich sind auch in meinen Augen weder Berlusconi
noch Murdoch besonders vertrauenswürdige Unternehmer. Aber ich glaube, dass hier Politiker, Intendanten und
Medienunternehmer in seltener Eintracht zusammenrücken. Der Fall Bertelsmann ist hier schon angesprochen
worden; dieses Unternehmen hat immerhin für schlappe
1,4 Milliarden Dollar die größte US-amerikanische
Verlagsgruppe übernommen.
Für die Sender Pro 7 und SAT 1 werden die Konsequenzen aus der Kirch-Pleite in meinen Augen längerfristig eher gering sein. Was aber die Zukunft des defizitären
Pay-TV angeht, sind natürlich viele Fragen aufgeworfen
worden, und auch hinsichtlich des Digitalfernsehens ist
einiges offen.
Die Lehre - das ist vom Staatsminister angesprochen
worden - aus diesem Kabinettsstück des Kapitalismus
kann meines Erachtens nur sein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk gestärkt wird. Er ist ein Grundpfeiler der
Mediendemokratie.
({9})
Wir dürfen den Versuchen, den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk anzugreifen und ihn zu gefährden, nicht Tür
und Tor öffnen. Der Fall Kirch zeigt, dass Medien keine
Ware sind. Man kann sie nicht ausschließlich dem Kartellrecht unterordnen und man darf sie nicht zur Ware machen. Das hat dieser Fall gezeigt. Sie sind Teil des demokratischen Systems und können das offen und transparent
nur dann sein, wenn eine unabhängige Berichterstattung
gewährleistet ist,
({10})
wenn Bürgerinnen und Bürger durch Information auch in
die Lage versetzt werden, sich eigenständig eine Meinung
zu bilden und an den demokratischen Prozessen zu beteiligen. Dafür schafft der öffentlich-rechtliche Rundfunk
mit die besten Voraussetzungen. Er wird heute mit Sicherheit auch diese Debatte übertragen.
Medien sind aber auch ein Teil der Kulturlandschaft.
Nicht umsonst ist das Ministerium für Kultur und Medien
eingerichtet worden. Auch Kultur kann nicht ausschließlich unter Verwertungsgesichtspunkten betrachtet werden.
({11})
Mir ist in dieser Diskussion in den letzten Wochen endgültig klar geworden, Kollege Otto, dass eine Deregulierung des Medienmarktes die falsche Lösung für dieses
Problem ist. Ich werde mich nicht ins Bockshorn jagen
lassen, sondern immer gegen diese Deregulierung kämpfen. Bevor wir die Medienordnung neu gestalten, bevor
wir sie öffnen, bevor wir sie verändern, Kollege Otto, sollten wir den Fall Kirch genau analysieren, bis ins Detail.
Denn die Chancen, die Sie hier sozusagen offeriert haben,
können wir wirklich nur nutzen, wenn dieser Fall aufgeklärt ist und wenn wir uns auch trauen, zu sagen, dass wir
eine solche Medienmonopolmacht, wie Kirch sie war, in
Zukunft verhindern wollen, dass es eine solche Monopolmacht mit dieser Bundesregierung oder auch mit anderen
Bundesregierungen nicht wieder geben wird.
({12})
Das Wort für die SPDFraktion hat der Herr Kollege Ludwig Stiegler.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben wieder Angst vor zeitgeschichtlichen Betrachtungen,
({0})
aber heute genügt die allerjüngste Zeit. - Herr Kirch hat
erklärt: Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen.
Weiter geht dieses Zitat aus der Bibel so: Der Name des
Herrn sei gepriesen.
Diese wirklich gute, mich seit Kindheit rührende Einstellung des Dulders Hiob wäre richtig, wenn der Herr
hier tätig gewesen wäre. Nur: Der Herr hat anderes zu tun.
Hier waren schwarze Herren tätig, die die Verantwortung
tragen und deren Name nicht gepriesen ist.
({1})
Wir haben erlebt, dass die CSU zu viel zu Kirch und zu
wenig in die Kirche gegangen ist. Darum sitzt sie jetzt im
Fegefeuer.
({2})
Wenn es so weitergeht, kommen auf die CSU noch die
loca inferna, vulgo Hölle, zu.
Meine Damen und Herren von der CSU, Sie haben ein
Lehrstück aufgeführt, das uns zeigt, wie man es nicht machen darf. Sie haben Staatseigentum riskiert. Jetzt sind Sie
- das ist typisch Stoiber und die CSU - auf der Flucht vor
der Verantwortung.
({3})
Jetzt werden in alter konservativer Tradition - ich bin
beinahe schon wieder in Weimar - Dolchstoßlegenden gedichtet, die zum Gegenstand haben, dass es angeblich ein
Verschwörungsgespräch gegeben habe. Es ist mir absolut
neu, dass Herr Breuer ein Instrument des Bundeskanzlers
oder der SPD ist. Das ist eine wirklich überraschende
Erkenntnis.
({4})
Immer wenn Sie mit Ihrer Verantwortung konfrontiert
werden, ist Ihnen jede Unwahrheit recht. Ich weise das
zurück. Seien Sie ein Mann und stehen Sie zu dem, was
Sie gemacht haben! Stehlen Sie sich nicht aus der Verantwortung!
({5})
Der Fall Kirch hat große bundespolitische Auswirkungen. Es gibt nämlich erhebliche Steuerausfälle. Man muss
nur daran denken, dass bei den beteiligten Banken Verlustrückstellungen in Milliardenhöhe vorgenommen werden müssen. Das hat Folgen für die Gewinne und für die
Eigenkapitaldecke. Dadurch verschlechtert sich die Möglichkeit der Kreditgewährung an kleine und mittlere Betriebe. Gerade die Bayerische Landesbank hat im Falle
von Sanierungen kleiner Betriebe immer auf die Grenzen
einer solchen Maßnahme hingewiesen. Aber im Falle von
Kirch hat sie den Bogen überspannt. Dadurch hat sie sich
selbst der Fähigkeit beraubt, den kleinen und mittleren
Unternehmen zu helfen.
Eine der größten Schweinereien ist, den Fall Holzmann
dem Fall Kirch gleichzustellen.
({6})
- Nein, das tut nicht weh, Herr Otto. Wenn Sie mir
zuhören, werden Sie mir zustimmen müssen. - Im Fall
Holzmann hat Roland Berger, dem Stoiber so vertraut,
dass er sogar mit ihm werben will, eine Konzeption vorgelegt. Diese Konzeption sollte von den Banken umgesetzt werden; der Bund war zu einer Bürgschaft bereit.
Kein Pfennig ist im Falle von Holzmann geflossen. Aber
im Falle der Bayerischen Landesbank und der anderen
Banken stehen Milliarden auf dem Spiel.
({7})
Es ist eine Schweinerei, hier einen Zusammenhang mit
dem Fall Holzmann zu konstruieren. Mit dem Konzept
von Herrn Berger, dem Sie an anderer Stelle so vertrauen,
wurde deutlich, dass wir helfen wollen - ich stehe dazu -,
indem wir auch in Zukunft mit einer Risikobürgschaft
einstehen, wenn das Risiko nicht mehr allein von Holzmann getragen werden kann und wenn es ein vernünftiges
Sanierungskonzept gibt. Wenn ich an die Privatbanken
denke - die Liberalen fordern doch immer die reine
Marktwirtschaft -, dann muss ich sagen, dass sie zu feige
sind, bestimmte Risiken zu übernehmen.
({8})
Da es im Falle von Holzmann um Arbeitsplätze geht,
stehen wir zu dieser Hilfe. Aber im Gegensatz zu Stoiber
hat Schröder keine einzige Mark ausgegeben. Stoiber hat
das Vermögen des Freistaates Bayern im höchsten Maße
gefährdet.
({9})
Jeder kleine Sparkassenvorstand wird verfolgt, wenn
der Tatbestand der Untreue vorliegt. Da frage ich mich,
was all die schwarzen Nickneger im Kreditausschuss der
Bayerischen Landesbank zu gewärtigen haben.
({10})
Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft München nicht
mehr nur länger beobachtet, sondern auch einmal prüft,
was hier los ist. Ich bin gespannt, was bei der Sonderprüfung herauskommen wird.
Ich hätte Ihnen, meine Damen und Herren von der
CSU, noch gerne gesagt, wie Sie sich verhalten müssten.
Ich sage aber nur: Die CSU hat gezeigt, wie man es in
Deutschland nicht machen kann, nämlich großkotzig auf
den Hintern zu fallen, aber dann noch mit vollen und stinkenden Hosen frech zu werden! Das werden wir Ihnen
nicht durchgehen lassen.
({11})
Nächster Redner ist
der Kollege Dr. Norbert Lammert für die Fraktion der
CDU/CSU.
Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nachdem der
für die Medienpolitik der Bundesregierung zuständige
Staatsminister diese Aktuelle Stunde mit einem an Unauffälligkeit kaum noch zu überbietenden „Divertimento
für kleine Besetzung“ begonnen hatte, hat die Debatte inzwischen eine Lautstärke erreicht, die man sich von diesem schönen Thema zu Recht erwarten durfte, wenngleich ich ein bisschen betrübt darüber bin, dass wir zum
jetzigen Zeitpunkt der Debatte über die Haltung der Bundesregierung zu diesem Insolvenzfall genauso wenig wissen wie zu Beginn der dazu beantragten Aktuellen Stunde.
({0})
Herr Kollege Stiegler, insofern wäre es wunderschön
gewesen, wenn Sie Ihre leider so eng bemessene Redezeit dafür genutzt hätten, ein bisschen zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen, was offenkundig nicht gelungen ist.
({1})
Die Medienwirtschaft gehört zu den nicht ganz so zahlreichen innovativen Wirtschaftsbranchen mit hohem
Wachstumspotenzial.
({2})
Deswegen gibt es nicht zufällig seit vielen Jahren einen
engagierten Wettbewerb der Länder, und zwar insbesondere des Freistaates Bayern und des größten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, mit jeweils einem hohen
Einsatz der Wirtschaftsförderung und der Landesbanken.
({3})
Herr Stiegler, Frau Scheel, warum wird hier eigentlich
mit einer geradezu unüberbietbaren Scheuklappenperspektive an der einen Stelle das Paradies vermutet und an
der anderen Stelle die Hölle an die Wand gemalt?
({4})
Ich komme aus Nordrhein-Westfalen und beobachte - offenkundig etwas länger als Sie - Glanz und Elend der
Bemühungen um die Entwicklung eines Medienstandortes.
({5})
- Herr Kollege Stiegler, es ist nicht zu übersehen, dass sowohl an der einen als auch an der anderen Stelle die Begeisterung über erhoffte Ansiedlungserfolge gelegentlich
den nüchternen Blick für Chancen und Risiken getrübt
hat. Bevor in Bayern über das erste vermeintliche Problem einer solchen Ansiedlungspolitik auch nur diskutiert
worden ist, hatten wir in Nordrhein-Westfalen bereits die
erste Serie einschlägiger Flops hinter uns.
({6})
- Ich trage das vor, weil dies Ihnen bei Ihrer Vorbereitung
von Ihren fleißigen Mitarbeitern offenkundig nicht mehr
rechtzeitig angereicht werden konnte.
Da gab es das berüchtigte HDO, „High Definition
Oberhausen“, ein Trickfilmzentrum, das wohl auch deswegen so hieß, weil es ein abschreckendes Beispiel für die
trickreiche Vernichtung von öffentlichen Mitteln war.
({7})
Unter massiver Förderung der nordrhein-westfälischen
Landesregierung hat sich der Gesellschafterkreis mehrfach verändert, zu dem aparterweise zu Beginn auch noch
Gesellschafter aus dem Kreis der Verwalter des früheren
SED-Vermögens gehörten. In der Zwischenzeit sind für
die öffentlichen Hände, für den nordrhein-westfälischen
Steuerzahler, Verluste in einer dreistelligen Millionenhöhe eingetreten.
({8})
- Eben darum.
Was hat diese Art der Auseinandersetzung für einen
Sinn? Herr Nida-Rümelin, wenn wir aus den Erfahrungen, die wir nicht zum ersten Mal machen, Konsequenzen
ziehen wollen, dann hat das mit der Keilerei „Rechte gegen Linke“ oder „Mitte gegen den Rest der Welt“ überhaupt nichts zu tun.
({9})
Der jetzt als der leibhaftige Gottseibeiuns geschilderte
Rupert Murdoch ist tatsächlich vom jetzigen nordrheinwestfälischen Ministerpräsidenten Clement in die deutsche Medienwirtschaft eingeführt worden. Er hat damals
eine Beteiligung bei Vox erworben, die nicht zu dem
gewünschten Ergebnis geführt hat. Ein konkretes Ergebnis dieses gemeinsamen Fehlengagements sind Kredite der öffentlichen Hand in Höhe von 30 bis 50 Millionen DM, die bis heute nicht zurückgezahlt worden
sind.
In Köln gibt es einen gigantischen Medienpark, der mit
erheblichen öffentlichen Subventionen auf den Weg gebracht worden ist und von dem die nordrhein-westfälische
Presse schreibt, hier betreibe ein Ministerpräsident „Medienpolitik mit Fördergeld und Brechstange“.
Ich empfehle also sehr, die Sachverhalte insgesamt und
die Probleme der Entwicklung der vergangenen Jahre zur
Kenntnis zu nehmen, die nun wirklich nicht zu übersehen
waren und keineswegs heute zum ersten Mal auftreten.
({10})
Die Medienwirtschaft ist ein Wirtschaftsbereich, der
wie jeder andere auch nach ökonomischen Gesichtspunkten organisiert werden muss. Er hat nicht mehr, aber auch
nicht weniger Anspruch auf öffentliche Unterstützung als
andere Bereiche auch. Deswegen halten wir in dieser
Debatte fest: Es darf bei der Restrukturierung einer in
wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Mediengruppe
in der Tat keine öffentlichen Hilfestellungen geben. Da
unterscheidet sich die Position der Bayerischen Staatsregierung ganz offensichtlich von der der Bundesregierung. Gerhard Schröder hat ja mit traumwandlerischer
Sicherheit zunächst einmal die möglichen Folgeprobleme einer Kirch-Insolvenz bei der Bundesliga vermutet und erst nach der verheerenden öffentlichen Reaktion
auf das Angebot von öffentlichen Bürgschaften angedroht, dass in Verlängerung der gescheiterten HolzmannIntervention auch für die Mitarbeiter der Kirch-Gruppe
mit entsprechenden öffentlichen Hilfen eingegriffen werden sollte.
Stichwort: Verlängerung. Ich erinnere an die Redezeit. Sie ist vorüber.
Jawohl. - Wir
dürfen uns bei der notwendigen Restrukturierung nicht
um die bitteren Einsichten drücken,
({0})
die in den letzten Jahren und keineswegs in den letzten
Tagen deutlich geworden sind. Bei der auch nach unserer Überzeugung zentralen Frage der Verbindung des
Wettbewerbsrechts - geht es nicht um die Frage: national oder international; sondern um die Frage: Wettbewerb oder Monopol; das ist die eigentlich spannende
Frage. Und was das Medienrecht, das besonders sensibel ist, angeht,
({1})
gibt es eine politische Partei in Deutschland, Herr
Stiegler, die sich bei dieser Diskussion sehr zurückhalten
sollte:
({2})
Das ist die Sozialdemokratische Partei Deutschlands.
Herr Kollege
Lammert, jetzt muss ich Sie wirklich ausbremsen. Sie haben Ihre Redezeit weit überzogen.
Eines werden wir
Ihnen nicht durchgehen lassen,
({0})
dass nämlich im Allgemeinen die Verbindung von politischem Einfluss und Medieneinfluss mit Abscheu und
Empörung zurückgewiesen wird und für den medienpolitischen Hausgebrauch
({1})
mit geradezu verzweifelter Wut an genau dieser Verbindung festgehalten wird.
({2})
Das Wort für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat die Kollegin
Grietje Bettin.
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich
dürfte die Kirch-Pleite niemanden wirklich überrascht haben. Denn wer sich in den letzten Jahren nur ein wenig mit
dieser Materie befasst hat, hätte wissen müssen, dass allein der Pay-TV-Sender Premiere World täglich - wohlgemerkt: täglich - rund 2 Millionen Euro Verlust eingefahren hat. Das entspricht einem Minus von mehr als
700 Millionen Euro pro Jahr, von den anderen defizitären
Sendern wie Sat 1, Kabel 1, N 24 und DSF ganz zu
schweigen. Nein, die Pleite von Kirch-Media kam wirklich nicht überraschend.
({0})
Dieser Kollaps war vorprogrammiert.
Als Außenstehende fragt man sich allerdings schon,
welchen bayerischen oder außer-bayerischen AmigoFreundschaften Leo Kirch immer wieder Bankkredite zu
verdanken hatte. Wer konnte oder wollte dort das drohende finanzielle Fiasko nicht sehen oder wahrhaben?
Die Frage, die sich fast schon automatisch stellt, ist: Hat
es möglicherweise erhebliche Unwägbarkeiten im Kreditgeschäft der beteiligten Banken gegeben? Eine Sonderprüfung durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen bei den größeren Kreditgebern ist hier sicherlich
geboten.
Inzwischen ist wohl jedem klar: Der Kirch-Konzern ist
in seiner bisherigen Form nicht mehr zu retten. Jetzt steht
für uns die Sorge um die deutsche Medienlandschaft und
die Arbeitsplätze im Vordergrund. Es geht nicht nur um
die Beschäftigten bei Kirch selbst, sondern auch um externe Produktionsfirmen und Zulieferer. Entscheidend ist
für uns, dass es zu einem zukunftsfähigen Sanierungskonzept für die Kirch-Gruppe kommt. Weitere Kredite
dürfen nur unter der Voraussetzung gewährt werden, dass
damit langfristig die Firma Kirch und die Arbeitsplätze
gesichert werden. Es darf nicht dazu kommen, dass durch
neue Kredite der Konkurs nur verschleppt wird und sich
bei der nächsten großen Zahlungsverpflichtung im Oktober das gleiche Problem stellt.
Eine pauschale Zerschlagung der Kirch-Gruppe, bei
der sich Banken und andere Beteiligte die Rosinen wie die
Free-TV-Sender oder die Formel-1-Rechte herauspicken,
lehnen wir ab. Wir fordern eine Gesamtlösung für die
Kirch-Gruppe, die allerdings nicht von der Politik und
schon gar nicht im Alleingang zu leisten ist, sondern im
Zusammenspiel zwischen den Banken, den Investoren
und dem Unternehmen zu gewährleisten ist.
Neben den finanzpolitischen Konsequenzen erfordert
die Krise um Kirch natürlich auch medienpolitische Konsequenzen. Denn es reicht bei weitem nicht mehr, die nationalen Medienmärkte isoliert zu betrachten. Andere Medienmogule, auch die jetzt immer wieder als Kirch-Erben
genannten Murdoch und Berlusconi, verfügen ebenfalls
über vielfältige Beteiligungen auf dem europäischen
Kontinent. Diese Beteiligungen beschränken sich bekannterweise nicht nur auf den Rundfunksektor, sondern
umfassen mitunter den gesamten Medienbereich. Monopole wie in Großbritannien oder Italien, die wahrscheinlich schon eine Gefahr für die Demokratie darstellen können, müssen in Deutschland verhindert werden.
({1})
Das gilt insbesondere für den Einstieg von Berlusconi,
auch und gerade aufgrund seines politischen Gewichts
in Italien. Auch Rupert Murdoch ist sicherlich allein
aufgrund seiner aggressiven Boulevardpresse kein Waisenknabe. Aber das deutsche Medienrecht ist umfassend und nicht mit dem von Großbritannien zu vergleichen.
({2})
Es gibt in Deutschland vielfältige Instrumente und
Möglichkeiten, um Meinungsmacht und Medienkonzentration zu begrenzen. In Deutschland existieren gesetzliche Grundlagen zur Medienkontrolle und zur Vielfaltssicherung, die auch einem Rupert Murdoch und einem
Silvio Berlusconi Grenzen setzen würden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht darum,
ausländische Medienbeteiligungen in Deutschland grundsätzlich zu verhindern. Solche Beteiligungen gibt es jetzt
schon, so gehören zum Beispiel 50 Prozent von Super
RTL dem amerikanischen Disney-Konzern. Diese können und dürfen auch zukünftig, zumindest als Minderheitsbeteiligungen, nicht ausgeschlossen werden. Vielmehr geht es darum - auch das ist eine Lehre aus der
Kirch-Pleite -, dass die Kontrollmechanismen insgesamt
noch verbessert werden müssen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.
({3})
Deshalb fordern wir die Einrichtung einer europäischen Kommission zur Ermittlung der Konzentration im
Medienbereich. Dabei sollen auch Cross-Ownership-Regelungen berücksichtigt werden. Rundfunk, Print, Online
und weitere publizistische Beteiligungen lassen sich heutzutage nicht mehr getrennt betrachten. Die Schaffung eines koordinierenden Medien- und Kommunikationsrates
auf Bundesebene würde unserer Meinung nach ebenfalls
helfen, zukünftige Pleiten und Verflechtungen auf dem
Mediensektor zu verhindern.
({4})
Dazu müssen allerdings die verantwortlichen Institutionen, die Landesmedienanstalten, die KEK oder auch das
Bundeskartellamt, enger als bisher zusammenarbeiten
können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schlussendlich zeigt
der Fall Kirch einmal mehr, wie wichtig eine kartellrechtliche und politische Aufsichtsfunktion im Medienbereich
ist; denn lässt man einem Unternehmen zu viele Freiheiten, Herr Kollege Otto, verliert es auf den differenzierten
Märkten selbst die Übersicht. Medienpolitik muss daher
immer über den Tellerrand hinaus schauen, sie muss gegebenenfalls Standortpolitik entlarven, Marktanteile im
Auge behalten und darf bei den einzelnen Verwertungsketten nicht die Übersicht verlieren.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Nächster Redner ist
der Kollege Bernd Neumann für die Fraktion der
CDU/CSU.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines der größten
deutschen Medienunternehmen, die Kirch-Gruppe, ist in
dramatische Schwierigkeiten geraten. Natürlich sind Managementfehler dafür mit entscheidend. Es ist durchaus legitim - vielleicht mehr im Bayerischen Landtag als hier -,
die Frage zu stellen: Gibt es da Verantwortung, ja oder
nein?
Ich möchte diese Diskussion hier nicht fortsetzen. Sie
ist wichtig, aber sie ist ein Stück weit in die Vergangenheit gerichtet. Es stellt sich vielmehr die Frage: Worauf
kommt es jetzt an? Aus meiner Sicht kommt es auf zwei
Dinge an: Wir müssen erstens alles tun, um möglichst
viele der 10 000 Arbeitsplätze zu erhalten, und zweitens
sicherstellen, dass die Vielfalt im Fernsehangebot nicht
eingeschränkt und die Machtbalance in unserem dualen
System nicht gefährdet wird.
Dazu gibt es unterschiedliche Vorschläge. Es gibt den
Vorschlag - ich zitiere -, der Bund müsse sich mit „1 Milliarde wenigstens eine Sperrminorität bei den Kirch-Anteilen sichern“ und gegebenenfalls - so heißt es weiter „einen Teil der Anteile zurückkaufen und zurück verstaatlichen“. Meine Damen und Herren, ich halte diesen Vorschlag für so abenteuerlich und absurd, dass ich ihn normalerweise nicht aufgreifen würde, wenn er nicht zufällig
von der leibhaftigen SPD-Sprecherin und Vorsitzenden
des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien,
Monika Griefahn, käme.
({0})
Abgesehen davon steht dieser Vorschlag völlig im Gegensatz zu Ihren Einlassungen am Anfang, Herr NidaRümelin. Sie sprachen davon, die Staatsferne zu sichern,
ja die Staatsferne eher noch zu verdeutlichen. Bei Ihrem
Vorschlag schlagen die Herzen der Altkommunisten in der
PDS höher, liebe Monika Griefahn. Ich hoffe, wir sind uns
einig: Dies wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Gebot
der Staatsferne, das kann überhaupt nicht infrage kommen.
({1})
Ernster zu nehmen sind die von der SPD zum Teil vorgebrachten Ängste vor möglichen ausländischen Anteilseignern wie Berlusconi und Murdoch. Wenn man länger
darüber nachdenkt, kann man diese nur für unberechtigt
halten.
Wir haben in Deutschland die stringentesten Mediengesetze der Welt. Diese führen dazu, dass ausländische
Unternehmen im Hinblick auf Investitionen in Deutschland zum Teil eher abgeschreckt als angezogen werden.
Der Fall Liberty Media ist aus meiner Sicht ein klassisches Beispiel dafür.
({2})
Wir haben ein funktionierendes Wettbewerbsrecht.
Wer gemessen am Zuschaueranteil über 26 Prozent und
unter bestimmten Bedingungen über 30 Prozent des Fernsehmarktes besitzt, darf sich nicht weiter ausdehnen. Eine
Situation wie in Italien, wo Berlusconi in der Tat über eine
völlig indiskutable Medienmacht verfügt, ist in Deutschland aufgrund der Gesetzeslage undenkbar. Dies sollte
man auch nicht herbeischwören.
({3})
Wir können uns nicht einerseits darüber freuen, wenn
deutsche Unternehmen wie Bertelsmann oder die WAZGruppe erfolgreich auf ausländischen Märkten agieren,
andererseits aber unseren eigenen Markt abschotten, ganz
abgesehen davon, das dies gegen die in den Römischen
Verträgen verankerte Niederlassungsfreiheit in der EU
verstieße. Es geht also gar nicht.
Herr Nida-Rümelin, man könnte zumindest theoretisch
darüber diskutieren, ob wir auch wie in Amerika und anderswo den Anteil ausländischer Anteilseigner begrenzen.
Wenn wir aber in der Philosophie deutscher Politik bleiben wollen, würde ich eher dafür plädieren, dafür zu werben, dass auch woanders diese Barrieren beseitigt werden
und wir nicht neue einführen.
({4})
Wer es ernst meint mit der Sicherung möglichst vieler
Arbeitsplätze der Kirch-Gruppe, kann nicht gleichzeitig
die wenigen, wirklich kapitalkräftigen Investoren behindern wollen.
({5})
Wer sonst soll denn im Bereich der privaten Fernsehanbieter das Gegengewicht zu dem so genannten Giganten
Bertelsmann bilden, das wir brauchen? Dies geht doch nur
mit kapitalkräftigen Investoren. Deswegen halte ich es für
falsch, solche Forderungen zu stellen.
Es ist schon gesagt worden: Wie politisch einseitig und
zum Teil auch unglaubwürdig Ihre Sorgen, meine Damen
und Herren von den Sozialdemokraten, im Hinblick auf
zu viel Meinungsmacht durch Medien sind, offenbart die
Tatsache, dass Sie Ihre eigenen Medienbeteiligungen an
mehr als 30 regionalen Tageszeitungen und Rundfunksendern
({6})
in Deutschland, die nach eigenen Angaben ohne Immobilien einen Wert von 750 Millionen DM haben, bisher verschleiert haben und Ihre Einnahmen nicht offen legen
wollten. Wenn Sie es mit Ihrer Forderung nach der Unabhängigkeit der Medien ernst meinen - ich hoffe dies -,
sollten Sie sich von Ihren Medienanteilen trennen, um
endlich den chancengleichen Wettbewerb aller Parteien in
Deutschland
({7})
im Willensbildungsprozess herzustellen.
({8})
Herr Kollege
Neumann, auch Sie muss ich an die überzogene Redezeit
erinnern.
Ich komme
zum Schluss.
Meine Damen und Herren von der SPD, in Anbetracht
des Meinungsbildes bei Umfragen verstehe ich Ihren Versuch, das Thema „Bayern, Kirch und Stoiber“ hochzuziehen; ich halte dies aber für untauglich. Wenn Sie sich
wirklich um den Erhalt der Arbeitsplätze kümmern wollen, verstehe ich nicht, dass Ihre einzigen Vorschläge
Herr Kollege
Neumann, ich bitte Sie, sich an die Redezeit zu halten.
- ich
komme zum Ende - die von Clement und Müller waren,
die darauf abzielten, über Staatsbürgschaften sicherzustellen, dass die Bundesligaklubs weiterhin die völlig
überholten Millionengagen an ihre Spieler zahlen können.
Es kann nicht wahr sein, dass dies die einzige konkrete
Forderung der Sozialdemokraten ist.
Vielen Dank.
({0})
Nächster Redner für
die Fraktion der SPD ist der Kollege Rolf Hempelmann.
Manchmal hat man das
Gefühl, dass wir heute hier bei der Weltmeisterschaft im
Nebelkerzenweitwurf sind.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns
- jedenfalls auf der linken Seite dieses Hauses - darüber
einig, dass hier durch die Bayerische Landesbank über
Jahre unverantwortliche Kreditvergaben vorgenommen
worden sind.
({0})
Bernd Neumann ({1})
Diese gehört zu 50 Prozent dem bayerischen Freistaat.
Wenn man sich die Besetzung ansieht, insbesondere die
des Verwaltungsrates, kann man sagen, dass dies der verlängerte Arm der bayerischen Landesregierung ist.
Fast 2 Milliarden Euro sind hier in den Teich gesetzt
worden. Deswegen habe ich überhaupt kein Verständnis
dafür, wenn man hier aufseiten der Opposition über alles
Mögliche redet, nur nicht über die Sache.
Meine Damen und Herren, wir brauchen uns nur die
letzte Kreditvergabe vor einem Jahr anzuschauen
({2})
- Herr Lammert, ich weiß, dass es Ihnen unangenehm
ist -,
({3})
um hier zu einem klaren Urteil zu kommen. Es ging um
den Erwerb der Rechte an der Formel 1. Verschiedene
Banken - das ist heute kurz angerissen worden - wurden
angesprochen. Alle, unter anderem auch die Hypo-Vereinsbank, haben abgewunken. Was geschah? Tags darauf
brüstete sich Leo Kirch damit, dass es nur einiger Telefonate bedurft habe und schon habe er den Kredit in einer
Größenordnung von 1 Milliarde Euro durch die Bayerische Landesbank erhalten.
({4})
Schauen wir uns einmal an, wie die Sicherungen aussehen. Danach wird unsereins, wenn er einen Kredit von
der Bank haben möchte, ja auch gefragt. Bei der Sicherung
Nummer 1 handelt es sich um die Rechte an der Formel 1
selbst. Der eine oder andere sagt - die Zahl ist heute auch
im Otto-Katalog erschienen -, dass diese 600 Millionen
Euro wert sind. Es gibt aber andere, die etwas von diesem
Geschäft verstehen und die schon vor einem Jahr gesagt
haben, dass der Wert auch Null sein kann, und zwar dann
- das wurde damals schon geplant oder jedenfalls angesprochen -, wenn die Automobilhersteller das Geschäft
selbst in die Hand nehmen, was aus deren Perspektive
durchaus Sinn und Verstand machen kann. Sicherung
Nummer 1 ist also nichts wert.
Sicherung Nummer 2 soll der 25-prozentige Anteil an
Kirch-Media sein. Wenn wir uns das einmal anschauen,
stellen wir fest, dass Kirch-Media mit 6 Milliarden Euro
verschuldet ist. Für unsereins wäre das natürlich eine tolle
Sache: Man geht zur Bank, um einen Kredit zu erhalten,
wird nach Sicherungen gefragt und sagt, dass die Bank
Vertrauen haben kann, da man eine Menge Schulden hat.
So läuft das im Allgemeinen nicht. In Bayern ist aber vielleicht manches möglich, was anderswo so nicht geht.
({5})
Sie müssen sich schon fragen lassen, wie die Entscheidung über diesen Kredit herbeigeführt wurde, wie die Kreditvergabe geprüft wurde und warum ausgerechnet die
Bayerische Landesbank Geld in ein Loch geschüttet hat, in
das alle anderen Banken nichts mehr hineingeben wollten.
({6})
Meine Damen und Herren, Herr Wiesheu kann einem
ja eigentlich Leid tun. Im Prinzip ist er heute vorgeschickt
worden. Normalerweise müsste dort jemand ganz anderer
sitzen.
({7})
Bei dem Spiel Hase und Igel ist es aber nun einmal so:
Wenn es darum geht, so genannte Erfolgsmeldungen zu
verbreiten, geht es nach der Methode Igel. Dann, wenn es
etwas zu vermelden gibt, ist Herr Stoiber immer als Erster da. Wenn es sich um schlechte Nachrichten handelt,
geht es nach der Methode Hase. Dann weiß er von nichts.
({8})
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat das gut erkannt. Ich
zitiere:
Er
- gemeint ist Stoiber ist für die Verkündung des Guten, Schönen und Erhabenen in Bayern zuständig. Die Hiobsbotschaften
lässt er erst einmal seinen Minister übermitteln.
Weiter heißt es in der „Süddeutschen Zeitung“, dass politische Verantwortung auch Haftung für Fehler anderer ist.
({9})
So etwas ist ja sogar in Bayern schon in dem einen oder
anderen Fall vorgekommen.
({10})
Es geht weiter:
Im Falle Kirch und Stoiber geht es nicht darum, dass
der Ministerpräsident für fremde Fehler geradestehen soll ... Es geht um die Haftung für die eigene
Politik...
Meine Damen und Herren, am 22. September dieses
Jahres ist die Wahl. Ich denke, Stoiber hat dann eine hervorragende Gelegenheit, an diesem Tag für seine eigene
Politik zu haften. Seine Juristen haben ihn jedenfalls
schlecht beraten, seinen Minister hier Attacken reiten zu
lassen und andere als Brandstifter zu betiteln. Es wäre
vielleicht klüger gewesen, hier die eigene Schuld darzustellen. Es ist ein typisches Delinquentenverhalten. Ich
denke, nach der Wahl wird Ihnen Ihr Bewährungshelfer
sagen, wie Sie sich in Zukunft verhalten sollen.
Vielen Dank.
({11})
Für die Bundesregierung spricht jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin
Dr. Barbara Hendricks.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Nida-Rümelin
hat am Anfang Ausführungen zu den kultur- und medienpolitischen Folgerungen gemacht. Ich möchte mich jetzt
auf die bankaufsichtsrechtlichen Fragen beschränken.
Dabei werde ich mich sehr hart an den Fakten orientieren
und mit Aussagen, so wie es das Kreditwesengesetz vorschreibt, ganz vorsichtig sein. Ich stehe nicht an zu sagen,
dass es dem Kollegen Wiesheu gut getan hätte, wenn er
etwas näher an der Wahrheit geblieben wäre.
({0})
Nach eigenen, von der Bundesregierung nicht bestätigbaren Aussagen der Kirch-Gruppe - sie sind öffentlich zugänglich gemacht worden - ist diese mit mindestens 6,5 Milliarden Euro verschuldet. Davon entfallen
- diese Informationen sind ebenfalls den Medien zu entnehmen - etwa 2 Milliarden Euro auf die Bayerische Landesbank.
Nach § 19 des Errichtungsgesetzes der Bayerischen
Landesbank aus dem Jahre 1972 führen die Staatsministerien der Finanzen und des Innern des Freistaates Bayern
die Aufsicht über die Bayerische Landesbank. Mitglieder
der Bayerischen Staatsregierung haben Sitz und Stimme
im Verwaltungsrat der Bank. Insoweit hat der Bund selbstverständlich keine Rechts- oder Fachaufsichtsbefugnisse.
Daneben sind jedoch noch eine Vielzahl anderer Banken bei der Kirch-Gruppe engagiert, so zum Beispiel die
Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG.
Der Ausgang des Insolvenzverfahrens bei der KirchMedia AG ist nicht absehbar. Grundsätzlich lässt sich aus
bankaufsichtsrechtlicher Sicht Folgendes sagen:
Für die beteiligten Banken, insbesondere die Häuser, deren Engagement bei der Kirch-Gruppe erheblich ist, wird
es darauf ankommen, dass der bankaufsichtsrechtliche
Mindestsolvabilitätskoeffizient - einfach ausgedrückt: das
Eigenkapital - nicht durch die erforderlich werdende Risikovorsorge bzw. durch entstehende Verluste unterschritten wird. Die Eigenkapitalmindestanforderung liegt bei
8 Prozent. Auf die Frage, ob diese Eigenkapitalanforderung
bei den beteiligten Banken im Einzelfall unterschritten
wird, kann die Bundesregierung wegen der Geheimhaltungsbestimmungen des § 9 des Kreditwesengesetzes keine
Auskunft erteilen.
Daneben sind weitere aufsichtsrechtliche Vorschriften,
wie zum Beispiel die §§ 13, 13 a und 13 b des Kreditwesengesetzes, - dabei handelt es sich um Großkreditvorschriften -, einzuhalten. Ferner gilt § 18 des Kreditwesengesetzes; er bezieht sich auf die Kreditunterlagen. Das
bedeutet im Einzelnen:
Als Großkredite gelten Kredite an einen Kreditnehmer,
deren Betrag 10 Prozent des haftenden Eigenkapitals des
Kredit gewährenden Instituts übersteigt. Ob die Meldeund Beschlussfassungsvorschriften für Großkredite in den
vorliegenden Fällen eingehalten worden sind, kann die
Bundesregierung wegen der Geheimhaltungsvorschriften
nicht sagen.
Nach § 18 des Kreditwesengesetzes darf ein Kreditinstitut einen Kredit von insgesamt mehr als 250 000 Euro
nur gewähren, wenn es sich von dem Kreditnehmer die
wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch die Vorlage der Jahresabschlüsse, offen legen lässt. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass die Kirch-Holding einen
Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2000 aufgestellt
hat, also vor der Kreditvergabe von rund 1 Milliarde Euro
durch die Bayerische Landesbank im vergangenen Jahr
für das Engagement, von dem der Kollege Hempelmann
gerade gesprochen hat.
({1})
Darüber, ob dadurch die Offenlegungsvorschrift des § 18
des Kreditwesengesetzes verletzt wurde, kann die Bundesregierung mit Hinweis auf die genannte Geheimhaltungsvorschrift des § 9 des Kreditwesengesetzes keine
Auskunft erteilen.
Die Prüfer des Jahresabschlusses bzw. eines Zwischenabschlusses eines Kreditinstitutes haben nach § 29
Abs. 3 des Kreditwesengesetzes dem Bundesaufsichtsamt
für das Kreditwesen und der Deutschen Bundesbank anzuzeigen, wenn bei der Prüfung Tatsachen bekannt werden, welche den Bestand des Instituts gefährden oder
seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können.
Hierzu zählen grundsätzlich wertberichtigungsbedürftige
Großkreditengagements wegen akuter nicht besicherter
Kreditrisiken. Auskünfte hierüber kann ich jedoch wegen
der Geheimhaltungsvorschriften des Kreditwesengesetzes ebenfalls nicht geben. Es bleibt Ihrer Klugheit überlassen, aus meinen Ausführungen Schlussfolgerungen zu
ziehen.
({2})
Die Bankenaufsicht hat bei den acht größten Kreditgebern der Kirch-Gruppe Sonderprüfungen angeordnet, mit
deren Abschluss frühestens zum Ende der ersten Jahreshälfte 2002 zu rechnen ist.
({3})
Das Wort hat der
bayerische Staatsminister Dr. Otto Wiesheu.
Dr. Otto Wiesheu, Staatsminister ({0}): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Redezeit will ich nur auf ein paar
Punkte eingehen.
Erstens. Ich habe den Eindruck, in der SPD-Fraktion
gibt es ausschließlich Bankfachleute.
({1})
Aber Sie sollten sich die entsprechenden Unterlagen
anschauen und nicht nur Wahlkampf betreiben. Ich sage
nur nebenbei, dass vor einiger Zeit Kirch-Pay-TV von
Lehman - Lehman Brothers ist eine Investmentbank, die
Betriebe für Investoren sehr genau prüfen und bewerten
muss - mit 8 Milliarden Euro bewertet worden ist. KirchMedia wurde sogar noch höher eingeschätzt. Es kommt
nicht von irgendwoher, dass die Investoren hohe Beträge
investiert haben, aber nur geringe Anteile bekommen haben. Sie machen das nicht, weil sie Geld übrig haben,
sondern sie prüfen sehr exakt. Vielleicht machen Sie sich
darüber einmal Gedanken!
Zweitens. Die Put-Optionen waren so, wie sie jetzt aufgetreten sind, nicht allgemein bekannt, auch nicht den
Banken.
Drittens. Sie sagen, es sei von der Landesbank unverantwortlich gewesen, hier entsprechende Kredite zu geben. War es auch bei der Hypo-Vereinsbank, der Commerzbank und der DZ unverantwortlich? In deren
Gremien sitzt kein Mitglied der Staatsregierung. War es
auch bei der Deutschen Bank und bei der Dresdner Bank,
die ebenfalls Kredite gegeben haben, unverantwortlich?
Was hier erzählt wird, ist alles ein großer Unsinn.
Viertens. Zu Ihrer seltsamen Sprache muss ich Folgendes sagen, Herr Stiegler: Sie haben behauptet, im Kreditausschuss säßen nur schwarze Nickneger. Dort sitzen
aber auch rote Nickneger, die genickt haben.
({2})
- Ich nehme nicht an, dass sie automatisch mitnicken,
weil wir sie so sehr überzeugt haben. Vielmehr haben sie
sich an den Grundlagen und Fakten orientiert, die hier aufgelistet sind. Insofern wurde hier sehr leichtfertig argumentiert.
Fünftens. Im Hinblick auf die Landesbank wurde auch
behauptet, es gebe negative Auswirkungen auf den Mittelstand. Sie müssen einmal überprüfen, wie weit die Themen,
die Frau Hendricks angesprochen hat, berührt sind. Woher
wollen Sie denn wissen, dass das Eigenkapital überlastet
worden wäre? Das wissen Sie nicht; denn das ist es nämlich nicht. Das wird auch die Untersuchung ergeben.
({3})
Zuvor hat Herr Hempelmann, glaube ich, gesagt, es seien
2 Milliarden in den Sand gesetzt worden. Woher wollen
Sie das wissen? Warten Sie doch erst einmal ab, was bei
der Sanierung herauskommt. Dann werden Sie sehen,
dass die Welt völlig anders ausschaut. Erst dann wird man
über die Beträge reden können.
({4})
Im Übrigen bitte ich Sie, sich zu informieren, bevor Sie
behaupten, Kirch-Media sei mit 6 Milliarden verschuldet.
Damit liegen Sie völlig falsch. Die Zahlen, die genannt
worden sind, beziehen sich auf die Holding, Kirch-Media,
Pay-TV und alle Beteiligungen. Kirch-Media ist nicht
einmal mit einem Drittel dabei. Ich kann und will Ihnen
hier nicht die konkrete Zahl nennen. Aber es ist inakzeptabel, hier so leichtfertig und ignorant aufzutreten und
Vorwürfe zu erheben.
({5})
- Mit einer gewissen Vorsicht sage ich Ihnen: Die Sanierung wird schneller vor sich gehen, als Ihnen lieb ist.
Sechstens. Herr Stiegler, Sie haben sich darüber aufgeregt, dass ich das Treffen in Hannover angesprochen habe.
Die Zusammenhänge, die ich genannt habe, wurden so in
der „Süddeutschen Zeitung“ dargestellt. Ich frage Sie
noch einmal: Warum geben Sie dazu Erklärungen ab? Was
macht der Geschäftsführer der „WAZ“ bei einem Treffen,
bei dem es um Kirch geht?
({6})
Was haben Murdoch und andere damit zu tun? Nein, da
ging es um politisch-strategische Themen.
Vorletzte Bemerkung: Herr Abgeordneter, Ihre großen
Sprüche, hier handle es sich um die größte Pleite der
Nachkriegsgeschichte, muss ich auch klarstellen. Die
größte Pleite der Nachkriegsgeschichte ist, bezogen auf
die Arbeitsplätze, immer noch Holzmann mit 23 000 Beschäftigten.
({7})
Bei Vulkan waren es 22 000 Beschäftigte. Bei Kirch ist
jetzt eine Gruppe mit nicht mehr als 5 000 oder 6 000 Beschäftigten in Insolvenz.
({8})
- Betrachtet man es von den Kosten, dann ist als Erste die
Neue Heimat zu nennen, die seinerzeit Steuerersparnisse
in Höhe von 4 Milliarden DM und Zuschüsse in Höhe von
10 Milliarden DM bekommen hatte und im Jahr 1985
Kredite in Höhe von 17 Milliarden DM gehabt hat. Wenn
man also schon über die größten Insolvenzen redet, dann
sollte man sich an Fakten halten.
({9})
Der letzte Punkt: Ich freue mich, dass manche die Auswirkungen auf den Medienstandort Bayern so sehr bedauerten. Ich habe noch nie erlebt, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion so um bayerische Anliegen gekümmert hat.
({10})
Dass Bayern nach wie vor der erfolgreichste Medienstandort ist, haben Sie vorgestern feststellen können, als München das Medienzentrum für die WM 2006 geworden ist.
Clement macht Sprüche und heult Tränen.
Meine Damen und Herren, die Fakten sprechen eine
andere Sprache. Das Thema, das Sie hier wahlkampfbedingt hochziehen wollen, wird Ihnen schneller zusammensacken, als Ihnen lieb ist.
Danke schön.
({11})
Jetzt spricht Herr Kollege Eckhardt Barthel für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Herr Minister Wiesheu, die
Staatsminister Dr. Otto Wiesheu ({0})
Kirch-Krise - Vielleicht können Sie mir ganz kurz Ihre
Aufmerksamkeit zuwenden.
({1})
Ich würde gern auf meinen Vorredner eingehen; ich
mache es auch ganz kurz.
In einem Ihrer letzten Sätze haben Sie festgestellt, dass
wir uns zu sehr mit bayerischen Angelegenheiten beschäftigen. Ich meine, dass es sich bei der Kirch-Krise
und den Folgen dieser Krise nicht mehr um eine bayerische
Angelegenheit handelt. Die Wirkungen und die Folgen für
die Medienordnung usw. sind nämlich nicht nur auf Bayern begrenzt, auch wenn dort die Ausführenden waren.
Das alles hat auch Auswirkungen auf die gesamte
Medienordnung der Bundesrepublik Deutschland. Insofern ist Bayern - es ist eigentlich gemein, was ich über
Bayern sage - bzw. die bayerische CDU zwar der Verursacher, aber die Wirkung ist nicht auf sie begrenzt.
({2})
Wenn man das Glück hat, etwas später in einer Debatte
zu sprechen, fragt man sich beim Zuhören manchmal, wer
bei Ihnen eigentlich die Rederegie führt. Dabei meine ich
sowohl die bayerische Regierung, wenn ich das einmal sagen darf, als auch die CDU/CSU. Es ist schon erstaunlich:
Während die Bayerische Staatsregierung über ihre Landesbank in das Titanic-Unternehmen Kirch MilliardenBeträge hineinpumpt, fragt sie hier - auch Herr Wiesheu
hat davon gesprochen - nach der Rolle des Bundeskanzlers. Wie passt das eigentlich zusammen? Denn der Bundeskanzler ist natürlich gar kein Akteur in diesem Pokerspiel um Kirch.
({3})
Der Kollege Lammert redet, während es hier um eine
konkrete Krise geht, die wir auch benannt haben, unterdessen über NRW. Allerdings machen Sie das - das gebe
ich zu - ganz geschickt: Sie verdrängen durch Generalisierung. Unser Thema ist aber die Krise bei Kirch.
({4})
Ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass Sie viel zu wenig auf die medienpolitischen Auswirkungen dieser Krise
eingegangen sind, obwohl dies im Hinblick auf unseren
Aufgabenbereich eigentlich im Mittelpunkt stehen müsste.
Herr Otto, auch ich würde gern als Botschaft den schönen Spruch verkünden, dass jede Krise eine Chance beinhaltet.
({5})
Das zu äußern ist aber angesichts der Wirkung auf die Medienordnung und Arbeitsplätze nicht so leicht. Ich gebe
Ihnen aber Recht: Wir sollten es tun, weil dadurch auch
der Blick nach vorne gerichtet wird. Was die Notwendigkeiten angeht, denke ich weniger an das Fußballentertainment als an die Programm- und Meinungsvielfalt, die Programmqualität, die Staatsferne und alles, was unter diesem Gesichtspunkt bereits genannt wurde.
Ich möchte zu der Frage nach den Ursachen noch einen
Punkt ansprechen. Das negative und traurige Beispiel
Kirch - oder nennen Sie es CSU oder Stoiber; alles ist
richtig -, über das wir heute reden, zeigt, welch böse Folgen es für die Medienordnung haben kann, wenn man Medienpolitik nur - ich betone: nur - unter dem Gesichtspunkt von kurzfristigen Standortinteressen und in einem
politisch-ideologischen Gleichklang mit den Medienunternehmern betreibt.
({6})
Am Ende der Ära Kirch stoßen wir jetzt auf merkwürdige Befindlichkeiten. Sehr viele Menschen - ich gehöre
dazu -, die sehr lange und mit Recht Kritik an Kirch, seinem Imperium und seinem Geschäftsgebaren geübt haben, haben heute die Sorge: Was kommt, wenn das Imperium wegfällt? Es ist kein Zufall, dass viele der Kritiker
- ich denke nur an den Poker um die Fußball-WM-Übertragungsrechte - befürchten, dass die Balance in unserem
pluralen System zwischen Öffentlich-Rechtlichen und
Privaten möglicherweise in Gefahr ist. Diese Sorgen
sollte man ernst nehmen.
Diese Sorgen haben bekanntlich zwei Namen: Murdoch
und Berlusconi. Ich gehöre nicht zu denen, die angesichts
dessen in Panik verfallen. Ich halte es auch für falsch,
davon auszugehen, dass die Freiheit über den Medienwolken grenzenlos ist. Es gibt zum Glück gesetzliche
Grenzen und Begrenzungen wirtschaftlicher und publizistischer Konzentration. Wir haben unter anderem auch eine
Medienaufsicht. Darüber, dass viele Reformmaßnahmen
notwendig sind, sind wir uns sicherlich einig. Wir werden
das auch angehen. Ich bin froh, dass meine Fraktion gerade in dieser Richtung schon wesentliche Vorleistungen
erbracht hat. Sie kennen auch den von uns eingebrachten
Antrag.
({7})
- Die kennen ihn alle. Wir werden uns auch noch darüber
unterhalten.
Ich glaube nicht, dass sich Medienpolitiker oder Medienrechtler jemals haben vorstellen können, dass ein ausländischer Medienzar, der „nebenbei“ auch noch Regierungschef eines anderen Landes ist, so bedrohlich auf den
deutschen Markt vorstößt. Dies ist sicherlich sehr originell.
({8})
- Ich hatte gesagt: bedrohlich. Bitte hören Sie mir genau
zu! Bitte nehmen Sie mir ab, dass ich weiß, dass er schon
Beteiligungen an deutschen Medienunternehmen hält.
Für uns ist - das wird auch immer wieder betont - das
Gebot der Staatsferne wichtig. Das wird hier entscheidend
berührt. Ich glaube, dass wir deshalb sowohl auf nationaler Ebene als auch auf EU-Ebene gesetzlich handeln müssen.
Eckhardt Barthel ({9})
Herr Kollege Barthel,
auch Sie muss ich leider an die Redezeit erinnern.
Letzter Satz: Wir
sollten - das ist zu meiner großen Freude schon von einigen angesprochen worden - in Anbetracht der Krise bei
Kirch nicht die Öffentlich-Rechtlichen aus den Augen
verlieren. Wir alle wissen, dass es keinen Wettbewerb
gibt, wenn es keine Öffentlich-Rechtlichen gibt. Deshalb
sollte eine Konsequenz aus der Bewältigung der Krise bei
Kirch - das ist eine Chance - die Stärkung der ÖffentlichRechtlichen sein.
Ich bedanke mich.
({0})
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Dr. Axel Berg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Pleiten gibt es nun einmal in der
Marktwirtschaft, also auch in der Medienbranche. Was ist
bei Kirch so besonders? Medien sind in Zeiten des digitalen Kapitalismus Machtfaktor. Ein Medienkonzern wie die
Kirch-Gruppe hat extreme politische Macht. Ein Garant
für das Funktionieren von Demokratie ist Pluralismus.
Deswegen gibt es Gewaltenteilung und eine freie Presse.
Die Pressemedien sind aber nicht mehr frei, wenn sie
nur einem oder wenigen gehören. Die Kirch-Gruppe gilt
als konservativ. Stoiber, auch konservativ, hat ein eigenes
politisches Interesse an der extremen Macht der KirchGruppe, weil sie ihm hilft, den Bundeskanzler und alles,
was in der Mitte der Gesellschaft ist oder sogar links von
ihr steht, schlecht zu machen. Nebenbei, liebe schwarze
Kollegen: Stoiber reiste persönlich nach Los Angeles, um
den Einstieg Murdochs bei Premiere möglich zu machen.
Finanziert wurde das Ganze damals durch einen Großkredit der Landesbanktochter BAWAG aus Österreich.
Auch Banken sind normal in Marktwirtschaften. Sie
geben Kredite und verdienen mit dem Produkt Geld ihr
Geld. Eine Sonderrolle hat aber die Bayerische Landesbank. Sie fungiert als Hausbank des Freistaates Bayern
und versteht sich als Universalbank besonderer Prägung.
Ihr Ziel ist es, den Freistaat Bayern bei seiner Aufgabenerfüllung zu unterstützen. Kontrolliert wird die Landesbank vom Verwaltungsrat, in dem die CSU-Landesregierung entscheidenden Einfluss hat.
({0})
- Nein, aber nicht so groß einsteigen. - Wenn also die von
der Bayerischen Staatsregierung kontrollierte Landesbank ungenügend gesicherte Kredite gibt - übrigens so
viele, wie noch nie eine Landesbank einem Unternehmen
gegeben hat, so viele, wie Kirch von keiner anderen Bank
bekommen hat, und das zu einem Zeitpunkt, als alle
Warnzeichen blinkten und hupten -, dann bedeutet das
entweder, dass Stoiber Steuermittel letztlich dazu benutzt
hat, seinem Helfershelfer und Spezl Kirch zu helfen, oder
aber, dass seine wirtschaftspolitische Kompetenz nur eine
Schimäre ist.
({1})
Kirch ist ein Musterbeispiel und ein vorläufiger Höhepunkt verfehlter bayerischer Wirtschaftspolitik. Nach
Grundig, Schneider-Unterhaltungselektronik, Fairchild
Dornier, Schmidt-Bank, dem fast kaputten Stahlkonzern
Maxhütte und der halbstaatlichen Immobiliengesellschaft
LWS geht es jetzt mit Kirch weiter. Auch Infineon, Siemens, Epcos, Viag und Interkom streichen Hunderte Stellen. Als Münchner kann ich nur hoffen, dass Stoiber die
Bundestagswahl so vernichtend verliert, dass wir auch in
Bayern endlich einen wirtschaftlich kompetenten Ministerpräsidenten bekommen.
({2})
Was ist jetzt zu tun? 10 000 Arbeitsplätze bei Kirch
selbst und noch einige Tausend bei den Zulieferern müssen gerettet werden. Die Beschäftigten haben gut gearbeitet. Ihnen ist kein Vorwurf zu machen. Etliche sind extra nach München und in die Umgebung gezogen, weil sie
vermuteten, dass in Bayern gute Medienpolitik gemacht
wird. Ihre Erwartungen wurden nicht erfüllt. Die hybride
Blase ist geplatzt. Durch die Kirch-Gruppe muss nicht nur
ein Ruck gehen. Sie muss auch richtig umstrukturiert
werden. Bei dem kirchschen Verantwortungschaos ist es
unmöglich, der öffentlichen Hand klar zu machen, dass
Steuergelder reingebuttert werden, ohne dass sich etwas
verändert. Aber es sieht ja gar nicht so schlecht aus. Vier
Banken bilden die Auffanggesellschaft. Pro 7, SAT 1 und
Kabel sind profitabel. Jetzt müssen wir strategische Investoren finden. Berlusconi wird nicht kommen.
Als Demokrat sehe ich in der Kirch-Pleite auch eine
große Chance, zu mehr Pluraliät und zu größerer Programmvielfalt zu kommen. Statt einem Kirch sehe ich viele
Medienunternehmen mit vielen Meinungen und einem
echten Wettbewerb der Meinungsmacher statt immer nur
„more of the same“. Das wäre ein Zustand, liebe Kolleginnen und Kollegen, der wirklich zu unserer offenen Zivilgesellschaft passen würde und angemessen wäre.
Gestatten Sie mir ein letztes Wort. Herr Wiesheu, Sie
tun mir, ehrlich gesagt, ein bisschen Leid; sonst ja nicht,
aber diesmal schon.
({3})
Wieder einmal müssen Sie für Ihren Chef die Kohlen aus
dem Feuer holen. Stoiber ist leider wieder zu feige, persönlich herzukommen - wie bei der LWS-Pleite, wie beim
BSE-Skandal, wie bei der Affäre um den Deutschen Orden. Verantwortung, denke ich, gehört aber auch zum politischen Geschäft.
({4})
Nächster Redner für
CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Dr. Martin Mayer.
Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Medienfachmann Peter Glotz, SPD, schreibt über den Medienunternehmer Leo Kirch - ich zitiere - :
Leo Kirch war über viele Jahrzehnte ein innovativer
Unternehmer. Zum Schluss hat er sich übernommen.
Jetzt kommt es darauf an, möglichst viel von seinem
Lebenswerk zu retten.
In der Tat hat Leo Kirch einen beachtlichen Anteil an
der beispielhaften Entwicklung des Medienstandortes
Bayern mit vielen hoch qualifizierten Arbeitsplätzen
und zahlreichen Ausbildungsplätzen, insbesondere in
der Region München. Für diese unternehmerische Leistung gebührt ihm auch heute noch Dank und Anerkennung.
Nun ist die Kirch-Gruppe offensichtlich durch Verluste
beim Bezahlfernsehen Premiere in eine finanzielle Krise
geraten
({0})
und man hat manchmal den Eindruck, dass bei der SPD
und bei den Grünen darüber Genugtuung herrscht.
({1})
Unser Augenmerk muss jetzt darauf gerichtet sein, mitzuhelfen, dass diese Krise abgewendet werden kann.
Zur Rettung des Unternehmens und damit auch der
Arbeitsplätze müssen fachkundige finanzstarke Investoren aus dem In- oder aus dem Ausland gewonnen werden.
({2})
Die Banken und der Insolvenzverwalter tun das Ihrige.
Wie verhalten sich nun die Bundesregierung und die
Koalition in dieser Situation? Wo sind die Bemühungen,
potenziellen Investoren den Weg zu ebnen? Der Bundeskanzler ist ganz offensichtlich in erster Linie damit beschäftigt, zum einen die Insolvenz der Kirch-Media AG zu
nutzen, um den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund
Stoiber zu diffamieren, und zum anderen seiner Partei einen möglichst großen Einfluss auf den künftigen Fernsehmarkt zu sichern. Anders lassen sich seine ersten öffentlichen Äußerungen nicht interpretieren. Die Kollegen
der SPD und der Grünen haben heute diesen Eindruck bestätigt.
({3})
Ihre Reden lenken letztlich davon ab, dass die rot-grüne
Wirtschaftspolitik in Deutschland zu einer Pleite geführt
hat und dass die rot-grüne Wirtschaftspolitik abgelöst
werden muss.
({4})
Heute ist schon angesprochen worden: Da trifft sich der
Herr Bundeskanzler und Chef der SPD hinter dem Rücken
von Leo Kirch mit dem Vorsitzenden der SPD-nahen
„WAZ“-Verlagsgruppe, die Teile der Kirch-Beteiligungen
erwerben will, und mit dem Vorstandschef einer Gläubigerbank, der Tage danach zum Schaden des Kirch-Unternehmens öffentlich über die Insolvenz spekuliert.
({5})
Ist das die Fürsorge für ein Unternehmen in der Krise oder
will da etwa eine Partei ihren Einflussbereich in der
Presse vergrößern und sich einen großen Brocken am
Fernsehen sichern?
({6})
Hinzu kommt ein Weiteres. Der Bundeskanzler warf in
seinen ersten Äußerungen Edmund Stoiber vor, er unterstütze Leo Kirch zu wenig. Was ist denn nun richtig? Zugleich erhebt die SPD im Bayerischen Landtag ständig
den Vorwurf - auch hier haben Sie das wiederholt -, Leo
Kirch werde von der CSU und der Bayerischen Staatsregierung zu stark unterstützt. Dieses Doppelspiel, diese
doppelbödige Argumentation ist durchsichtig. Es geht der
SPD nicht um das Wohl der Unternehmungen von Kirch,
sondern einzig und allein um Wahlkampfpolemik.
({7})
Die Zweifel an der Lauterkeit der Absichten werden auch
nicht ausgeräumt, wenn man die Äußerungen der SPD-Ministerpräsidenten gegenüber Berlusconi und Murdoch hört.
Dazu ist hier schon genug gesagt worden. Ich möchte aber
festhalten: Das ist eine große Heuchelei. Wer in der SPD
wirklich Sorge um zu viel Einfluss von Staat und Parteien
auf die Medien hat, der soll sich einmal mit den Beteiligungen der eigenen Partei an Zeitungsverlagen beschäftigen.
({8})
Wer wirklich einen Beitrag zum Überleben der Unternehmen der Kirch-Gruppe leisten will, der muss auch mögliche ausländische Kapitalgeber gut behandeln. Davon ist
bei der SPD leider nichts, aber auch gar nichts zu spüren.
Zum Abschluss noch ein Zitat von Peter Glotz - ich zitiere -:
Kirchs Insolvenz ist nicht nur ein Ende. Sie kann
auch ein Anfang werden.
Ich füge dem hinzu: Alle Beteiligten einschließlich der
Gläubigerbanken tragen eine große Verantwortung. Sie
müssen sich anstrengen, damit die Kirch-Unternehmen
weitergeführt werden können. Für diesen Neuanfang
wünsche ich viel Glück und Erfolg im Interesse der Beschäftigten, im Interesse der Geschäftspartner der KirchGruppe und schließlich auch im Interesse der Vielfalt des
Medienstandortes Deutschland.
({9})
Der letzte Redner in
dieser Debatte ist der Kollege Jörg Tauss für die SPDFraktion.
Dr. Martin Mayer ({0})
Liebe Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gelernt: Kirch ist
ein erfolgreiches Unternehmen und Rot-Grün ist schuld.
({0})
Es ist schon etwas platt, Herr Mayer und Herr Wiesheu,
was Sie an Ausführungen gemacht haben.
Ich möchte zitieren, und zwar nicht aus einer sozialdemokratischen Zeitung, sondern aus der „Financial Times
Deutschland“, an der wir noch nicht einmal beteiligt sind.
Sie hat ihre Berichterstattung zum Thema Kirch-Insolvenz mit den Worten „Bayerns verfehlte Politik“ überschrieben.
({1})
Ich glaube, dieses Zitat aus der „Financial Times Deutschland“ beschreibt die Verhältnisse in passender Weise.
Der Fall Kirch ist - davon brauchen Sie nicht abzulenken; das können Sie auch nicht - eine Pleite für die
stoibersche Medienpolitik, nicht nur was den Medienstandort München angeht, sondern auch für die Medienpolitik als solche. Darauf möchte ich näher eingehen.
Es hat mich sehr befremdet - das möchte ich an dieser
Stelle einmal sagen -, dass der bayerische Wirtschaftsminister kaum Worte für die Beschäftigten fand, für die kleinen Produktionsfirmen, übrigens nicht nur in Bayern. Ich
hätte erwartet, dass der bayerische Wirtschaftsminister
dieses Thema anspricht, statt sich in NRW und in Gegenden zu verlieren, in denen er sich regional gar nicht auskennt.
({2})
Nein, Sie hätten hier Ihre Verantwortung für den Medienstandort München offen legen müssen. Zu dieser Verantwortung hätten Sie sich bekennen müssen. Sie haben hier
in zwei Beiträgen nichts dazu beigetragen, sondern Nebelkerzen geworfen. Damit werden Sie nicht durchkommen.
({3})
Das Engagement der Bayerischen Landesbank ist das
Problem, über das wir uns unterhalten müssen - nicht die
intelligente Standortpolitik in Nordrhein-Westfalen. Trotz
warnender Stimmen war das Engagement der Bayerischen Landesbank in unverantwortlicher, in mangelhafter
Weise abgesichert, und das unter Ihrer Verantwortung.
Das steht schon heute - selbst wenn die Staatssekretärin,
wie sie uns gesagt hat, noch nicht so deutlich werden
konnte - auch unter rechtlichen Gesichtspunkten ganz offensichtlich fest.
Die Gründe für dieses Verhalten liegen auf der Hand.
Es ging darum, einen konservativen Multimediakonzern
zu installieren, auf den man unmittelbaren Einfluss hat
und mit dem man in Spenden verflochten war. Es ist kein
Zufall, dass Gelder in Höhe von 800 000 DM an Herrn
Kohl geflossen sind. Übrigens: Bei der „WAZ“, von der
Sie so viel reden, waren es auch 800 000 DM, die an Herrn
Kohl gegangen sind. Es ist hochinteressant, an was wir alles schuld sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren,
machen Sie sich also bitte nicht lächerlich!
({4})
Ich will mich in dieser Aktuellen Stunde aber nicht nur
mit diesem Totalausfall bayerischer Medienpolitik und
deren Konkurs beschäftigen. Herr Staatsminister NidaRümelin hat - ich weiß nicht, warum Sie das kritisiert haben, Herr Kollege Lammert - das Thema Medien und Medienpolitik ernsthaft angesprochen. Ich stimme Ihnen zu,
dass wir hier sehr wohl Konsequenzen ziehen müssen. Zu
der Frage, ob Bayern die richtigen Konsequenzen zieht,
kommen wir gleich noch.
Herr Kollege Otto, Sie haben hier zu Recht den privaten Rundfunk angesprochen. Nur, die privaten Rundfunkanbieter hatten vor Malone Angst, weil sie fürchteten, unter die Räder zu kommen. Die Zusammenhänge, die Sie
geschildert haben, waren nicht sehr nachvollziehbar.
Es ist immer wieder die Rede von den Beteiligungen
der SPD an Medienkonzernen. Früher durften wir noch
nicht einmal drucken - das war die historische Situation -,
weil die Konservativen, die Reaktionären und die Braunen
in diesem Lande den Druckereien verboten hatten, für die
SPD zu drucken. Daher haben wir uns Druckereien beschaffen müssen, die wir zum Teil noch heute haben.
({5})
Diese Unternehmen sind wirtschaftlich erfolgreich und
deswegen haben Sie Neidgefühle. Das tut mir sehr Leid.
Am Beispiel des Bayerischen Rundfunks - da geht es
nicht um Kapitalbeteiligungen - erkennt man, dass die
Gewaltenteilung zwischen Politik und Medien anders als
bei uns eben nicht funktioniert. Das zeigt auch der Fall
Kirch. Die Maschinerie unter Bundeskanzler Kohl hat
ihren Einfluss so wahrgenommen, dass jede Stelle eines
Abteilungsleiters und sogar die des Pförtners beim Zweiten Deutschen Fernsehen entsprechend besetzt wurde.
({6})
Sie lenken ab. Sie haben ohnehin ein gestörtes Verhältnis, was die Gewaltenteilung in der Politik angeht, siehe
Eingriffe in die bayerische Justiz. Es wäre hochinteressant,
über diese Themen einmal ein bisschen mehr zu reden.
({7})
Herr Kollege Otto und Herr Kollege Lammert, wir
müssen über das Wettbewerbsrecht sprechen. Es gibt auf
diesem Gebiet einige Probleme, über die wir diskutieren
müssen. Es geht darum, über das Wettbewerbsrecht die
Meinungsvielfalt im Rundfunk zu sichern. Das ist der
Hintergrund dafür, dass wir über ausländische Beteiligungen diskutieren. Es ist doch ein Schmarren, zu behaupten,
dass sich irgendjemand vor ausländischen Beteiligungen
fürchtet. Die Fragen sind einfach: Funktionieren die Verantwortung und die Abgrenzung, von denen ich gerade
geredet habe? Funktioniert der Ordnungsrahmen? - Es
kann nicht sein - über diesen Punkt diskutieren wir -, dass
durch Medienbeteiligungen die Gewaltenteilung zwischen Politik und Medien außer Kraft gesetzt ist.
Wir haben einen europäischen Auftrag. Was Berlusconi
in Italien im Sinne von wirklicher Macht tut, ist weder für
Europa noch für Italien noch für Deutschland akzeptabel.
Deswegen wollen wir die italienischen Verhältnisse, Frau
Präsidentin, nicht.
({8})
Bayern schaut nicht über seinen Gartenzaun hinweg.
Sie, Herr Wiesheu und Herr Huber, sind es, die nicht bereit sind, darüber zu reden, wie eine moderne Kommunikationsordnung aussieht. Sie errichten Ihre Gartenzäune.
Sie wollen die entsprechenden Zuständigkeiten: EU, Bundeskartellamt, Regulierungsbehörden, 15 Landesmedienanstalten, KEK, KEF, Aufsichtsräte noch und noch, in denen man sitzt.
Herr Kollege Tauss,
ich fühle mich sehr geehrt, dass Sie mich in Ihre Rede eingebaut haben; aber meine Uhr funktioniert tatsächlich. Sie
zeigt an, dass Sie Ihre Redezeit überschritten haben.
Frau Präsidentin, Sie haben völlig
Recht. - Nach der stoiberschen Pleite können natürlich
auch Chancen entstehen. Wer aber Sendezeiten für das Internet will, der zeigt, dass er weder medienpolitisch noch
wirtschaftspolitisch Ahnung hat. Das hat die heutige Debatte gezeigt.
Ich bedanke mich für die zusätzlichen Sekunden Redezeit.
({0})
Die Aktuelle Stunde
ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags ein auf morgen, Donnerstag, den 18. April 2002,
9 Uhr.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen noch einen
angenehmen, wenn auch sicherlich arbeitsreichen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.