Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Danke, Herr Staatsminister.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, der soeben aufgerufen worden ist. Der erste Fragesteller ist der Kollege Kubatschka.
Herr Staatsminister, Sie
haben auf Frankreich und Österreich verwiesen, wo die
Buchpreisbindung nach wie vor vorhanden bzw. wieder
gesichert worden ist. Liegen der Bundesregierung Erfahrungen aus Ländern vor, in denen dieses System nicht
vorhanden ist?
Auf europäischer Ebene wird gegenwärtig
über eine Richtlinie zur Buchpreisbindung beraten. In diesem Zusammenhang sind ganz interessante Daten zusammengestellt worden. So zeigt sich zum Beispiel, dass das
durchschnittliche Preisniveau in Ländern ohne Buchpreisbindung entgegen dem, was man nach ökonomischer
Theorie erwarten würde, höher ist als in Ländern mit
Buchpreisbindung. Im Fall Großbritannien ist der Buchpreis nach der Freigabe zunächst gesunken, dann aber
wieder gestiegen.
Ganz besonders faszinierend ist der Vergleich der
durchschnittlichen Anzahl von Buchhandlungen in Ortschaften mittlerer Größe, also zwischen 20 000 und
50 000 Einwohnern: In Österreich gibt es dort 4,7 Buchhandlungen, in der Schweiz 4,5 und in Deutschland 3,2.
In Großbritannien - ohne Buchpreisbindung - sind es 1,7
und in den USA 0,75 Buchhandlungen. Das sind dramatische Unterschiede. Ein zweites Beispiel: Die Zahl der
lieferbaren Bücher pro 1 Million Einwohner ist im deutschen Sprachraum um 44 Prozent höher als im amerikanischen und englischen Sprachraum, wo eine Buchpreisbindung nicht besteht.
Eine Nachfrage? Bitte, Herr Kubatschka.
Herr Staatsminister, bedeutet das, dass durch die Buchpreisbindung das in
Deutschland relativ gute Netz an Buchhandlungen, die
nicht nur Orte des Verkaufens, sondern auch Orte des kulturellen Austausches sind - viele Buchhandlungen bieten
Lesungen und andere Veranstaltungen an und sind vor allem auf dem flachen Land, dessen Vertreter ich bin, eine
Bereicherung -, gestützt wird?
Ich denke, dass mit dem Instrument der Buchpreisbindung, die wir jetzt auf Dauer gesichert haben,
auch die Spielräume von Buchhandlungen über ihre Rolle
als Marktteilnehmer und Anbieter der Ware Buch hinaus
- diese sind zugegebenermaßen enger geworden - sowie
ihre kulturelle Rolle größer sind als ohne Buchpreisbindung. Ohne Buchpreisbindungen sind Kalkulationen,
die durch Buchpreisbindung ermöglicht werden und gewisse Margen sichern, die übrigens auch innerhalb der
Verlage Quersubventionierungen zwischen erfolgreichen
und weniger erfolgreichen Büchern zulassen - das ist ein
ganz wichtiger Aspekt -, nicht möglich. Das gilt auch für
Buchhandlungen und ihre kulturelle Rolle. Man wird die
Entwicklung abwarten müssen. Der internationale Vergleich aber zeigt, dass die kulturelle Rolle, die die Buchhandlungen im deutschen Sprachraum spielen, mit der
Buchpreisbindung zusammenhängt.
Nächster Fragesteller
ist der Kollege Dr. Heinrich Fink.
Herr Staatsminister, wir
können uns wirklich beglückwünschen, dass es zu diesem
Gesetzentwurf gekommen ist. Ihr Vorgänger hat sich hier
sehr intensiv bemüht, aber offenbar geht es nicht ohne Gesetz.
Der Berliner würde fragen: Ist nun wirklich alles wasserdicht oder was ist in diesem Zusammenhang noch
möglich? Wie weit sind die Auseinandersetzungen auf europäischer Ebene? Ich würde in diesem Punkt die Ausführungen von Herrn Kubatschka gerne noch vertiefen:
Kann unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten tatsächlich nichts mehr dazwischenkommen oder sind noch weitere Schritte notwendig?
Meine zweite Frage: Bietet das Gesetz auch eine Handhabe, der Umgehung der Preisbindung über das Internet
zu begegnen?
Wir sind zuversichtlich, dass die Buchpreisbindung mit diesem nationalen Buchpreisbindungsgesetz
auf Dauer gesichert ist und nicht in Konflikt zu vorrangigem EU-Recht gerät, weil es bereits Auseinandersetzungen vor dem Europäischen Gerichtshof um nationale
Buchpreisbindungen gegeben hat, insbesondere in Bezug
auf Frankreich. Die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat die Vereinbarkeit einer nationalen
Buchpreisbindung per Gesetz nach französischem Muster
- andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben
ebenfalls ein nationales Buchpreisbindungsgesetz - ständig bestätigt: 1985 mit der Leclerc-Entscheidung, zuletzt
im Jahre 2000 in der Auseinandersetzung Echirolles. Wir
sind daher sicher, dass es nicht erneut zu der Konfliktklage
kommt, die beim Sammelrevers 2000, also bei der vertikalen Branchenabsprache per Vertrag, aufgetreten ist.
Zu Ihrer Frage nach dem Internet. Bücher, die zum
Zwecke des Reimports importiert werden, unterliegen
ebenfalls dem Buchpreisbindungsgesetz. Das ist das entscheidende Kriterium. Natürlich mag es Fälle geben, in
denen strittig ist, was zum Zwecke des Reimports exportiert wurde. Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung aber
wird verhindert, dass die Buchpreisbindung zum Beispiel
über das Internet unterlaufen wird.
Nun hat der Kollege
Dr. Uwe Jens das Wort zu einer Frage.
Herr Staatsminister, ich habe
zwei Fragen. Vorab möchte ich aber einen Hinweis geben:
Mit dem Argument, es schaffe mehr Transparenz, kann
man natürlich jede Preisbindung rechtfertigen. Beim Buch
geht es aber um ein besonderes Kulturgut, ebenso wie bei
Verlagserzeugnissen insgesamt. Ich glaube, deshalb kann
man die Preisbindung hier durchaus akzeptieren.
Zu meiner ersten Frage. Seitens der EU sind Bußgelder
gegenüber einigen Buchhändlern, aber auch gegenüber
dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels angedroht
worden. Meinen Sie, dass mit dieser Novellierung diese
Bußgeldandrohungen vom Tisch sind?
Meine zweite Frage: In welchen EU-Ländern gibt es
denn Regelungen, die mit denen, die wir jetzt schaffen
wollen, vergleichbar sind? Streben Sie auch an, das, was
wir jetzt vorhaben, EU-weit zu vereinheitlichen?
Die Frage war, ob das Buchpreisbindungsgesetz dazu führt, dass die jeweiligen Verfahren eingestellt
werden. Es zeichnet sich ab, dass das Beschwerdeverfahren von Libro eingestellt wird. Das bedeutet aber nicht,
dass alle Probleme mit dem Sammelrevers behoben
wären: Deswegen kam es ja zu dem Vorschlag, dies durch
ein nationales Preisbindungsgesetz zu klären. Ich denke,
nach Erlass dieses Gesetzes können solche Probleme
nicht mehr auftreten.
Ihre zweite Frage bezog sich auf die EU-Länder, in denen vergleichbare Regelungen bestehen. Wir haben uns
auch bei den gesetzlichen Formulierungen insbesondere
an Frankreich und Österreich orientiert, wo die Situation
vergleichbar ist. Aber es handelt sich hier auch um Belgien, Italien und andere Länder. Fragen Sie mich bitte
nicht, um welche Länder es sich genau handelt. Ich habe
nicht alle Namen im Kopf, sondern müsste sie nachsehen.
Es gibt nämlich eine ganze Reihe weiterer EU-Mitgliedstaaten, in denen entsprechende Gesetze bestehen. Bei
Belgien bin ich mir ganz sicher.
({0})
Nächster Fragesteller
ist der Kollege Dr. Norbert Lammert.
Herr Staatsminister, Sie haben in Ihrer Einführung zutreffend darauf
hingewiesen, dass dies ja nicht der erste Anlauf zur Sicherung der Buchpreisbindung ist. Hoffentlich ist es aber
der letzte. Mir fallen in diesem Zusammenhang übrigens,
abgesehen vom Bergbau, wenige Branchen ein, die sich
über viele Jahrzehnte einer so stabilen staatlichen Flankierung eines ganz vitalen eigenen wirtschaftlichen Interesses erfreuen, wie dies für die Verlage und den Buchhandel aus Gründen, die wir hier jetzt nicht noch einmal
austauschen müssen, der Fall ist. Dieser Sachverhalt aber
bleibt auffällig und verdient gewiss auch festgehalten zu
werden.
Mich hat eine Bemerkung in einer Mitteilung zur Verbändeanhörung sensibilisiert - deswegen möchte ich Sie
danach fragen -, die in Vorbereitung dieses Gesetzentwurfes stattgefunden hat. Dort wird darauf hingewiesen,
dass es seitens der EU-Direktion Binnenmarkt Vorbehalte
gegen einzelne Details der vorgesehenen Regelung grenzüberschreitender Verkäufe gebe. Wenn man die Leidensgeschichte dieses Anliegens in den vergangenen Jahren
verfolgt hat, gehen hier sofort bestimmte Warnlampen an.
Deswegen hätte ich gern gewusst, um welche Details
es sich handelt, bei denen die zuständige Generaldirektion
Vorbehalte angemerkt hat. Denn es wäre leider nicht das
erste Mal, wenn sich aus zunächst vermeintlichen Details
später Grundsatzprobleme ergäben, die dann eine Hürde
markieren, die wiederum nur schwer genommen werden
kann. Zwar hoffe ich dies ausdrücklich nicht, aber es ist
der Gegenstand meiner ersten Frage.
Meine zweite Frage betrifft den nationalen Entscheidungsprozess. Ich unterstelle, dass dieser Gesetzentwurf
mit dem Ziel der Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode eingebracht worden ist, was wiederum auch
die Mitwirkung der entsprechenden parlamentarischen
Gremien voraussetzt. Deswegen möchte ich Sie gerne fragen, welches Gewicht die vorgetragenen Bedenken der
Länder wegen der vorgesehenen Ordnungswidrigkeitsregelung in diesem Gesetzentwurf haben. Die Interessenlage der Länder leuchtet sofort ein; denn sie müssen diese
Ordnungswidrigkeitsregelung im Zweifelsfall exekutieren. Vielleicht können Sie etwas dazu sagen, ob es sich
hier um eine prinzipielle Frage oder auch um eine Detailfrage handelt.
Zunächst antworte ich auf Ihre Frage, inwiefern die von Ihnen zitierten Äußerungen Grund zur Sorge
sind, dass auch diese gesetzliche Regelung der Buchpreisbindung wieder von europäischer Seite unter Druck
geraten kann. Nach meinem Wissensstand sind unterdessen die Formulierungen, die moniert worden sind, herausgenommen worden. Das heißt, dass der Gesetzentwurf, so wie er jetzt vorgelegt worden ist, nicht auf die
gleichen Bedenken vonseiten der Europäischen Union
trifft.
In diesem Zusammenhang ist es vielleicht wichtig, darauf hinzuweisen, dass ein Bereich ausgenommen wurde.
- Dies geschah auf Wunsch der Branche; es entsprach an
sich nicht unserer Vorstellung. - Hierbei handelt es sich
um den Bereich der Zeitungen und Zeitschriften, also der
Presseerzeugnisse. Der Hauptgrund dafür ist nicht, dass es
dort nicht etwa auch Preisbindungen gibt. Der Hauptgrund
ist vielmehr, dass es zum Beispiel für wissenschaftliche
Zeitschriften, die von deutschen Verlagen überwiegend in
englischer Sprache vorgelegt werden und die sich an einem internationalen Markt orientieren müssen, der Spielräume bedarf, um dort bestehen zu können. Dies betrifft
die Grenzüberschreitung in eine Richtung. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit diesem Gesetzentwurf keine Probleme mit der Europäischen Union bekommen werden.
Zur Frage nach der Beteiligung der Bundesländer: Wir
haben jetzt ein ganz ordentliches Verfahren eingeleitet,
das es uns - gerade noch, wie ich zugebe - auch ohne Paralleleinbringung, die wir wirklich nur zur Sicherheit
getätigt haben, erlaubt, dieses Gesetz unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundesrates in der letzten
Plenarwoche zu verabschieden. Von daher werden die
Einwände der Länder sehr sorgfältig geprüft werden; ich
kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu aber noch nicht
Stellung beziehen.
Jetzt ist die Kollegin
Monika Griefahn mit ihrer Frage an der Reihe.
Herr Staatsminister, am Beispiel des amerikanischen Spielfilms „E-Mail für dich“
wird sinnfällig, was es bedeutet, keine Buchpreisbindung
zu haben. In diesem Film zwingt ein großer Buchladen
mit sehr preisgünstigen Büchern eine kleine, nette Buchhandlung, in der man sich trifft und in der Lesungen stattfinden, zum Schließen, weil die Bürger nicht mehr in einen kleinen Laden gehen, wenn sie die Bücher nebenan
billiger bekommen. Insofern war das, was Kollege
Kubatschka gesagt hat, ganz wichtig. Auf dem flachen
Land sind die Buchhandlungen Treffpunkte und Kommunikationsorte. Aber die Kommunikation in Form physischer Begegnung nimmt ab und mehr und mehr Leute
bestellen per Internet.
Sie haben eben auf eine Nachfrage etwas zum Internet
gesagt. Dennoch stellt sich für mich die Frage, wie man verhindern kann, dass Leute über den Internethandel Bücher
aus Ländern bestellen, in denen keine Buchpreisbindung besteht - ich nenne als Beispiel Amazon UK -, und dadurch
eine Ordnungswidrigkeit begehen. Amazon ist, so weit ich
weiß, einer der Läden, die weltweit schon Gewinne machen,
was in einem guten Aktienkurs zum Ausdruck kommt. Von
daher gibt es offensichtlich eine größere Nachfrage nach Internetbuchhandel. Ist eine Einschränkung möglich, wenn
die Bestelladresse kein „de“ am Ende hat?
Auch solche Internethändler sind dem Recht
unterworfen. Entscheidend dabei ist, ob das Kriterium so
gefasst ist, dass nicht am Ende etwa durch Internetangebote die Buchpreisbindung in Deutschland unterlaufen
wird. Das Kriterium ist präzise: Bücher, die in Deutschland produziert werden und vom Verlag mit der entsprechenden Buchpreisbindung versehen sind, können von einem internationalen Internethändler dem deutschen
Publikum nicht zu einem niedrigeren Preis verkauft werden. Das ist ausgeschlossen.
Dann stellt sich die Frage, wie dies rechtlich durchsetzbar ist. Sie haben ja gesehen, dass die Auseinandersetzung
mit Libro über die Grenzen ging. Innerhalb der Europäischen Union ist die Erzwingbarkeit notfalls über den Europäischen Gerichtshof in letzter Instanz gegeben. Was
Angebote aus anderen Ländern angeht - ich weiß nicht, ob
etwa Angebote aus China realistisch sind -, würde es sicherlich schwieriger werden. Aber das ist eine cura posterior, die uns jetzt keine Sorgen zu bereiten braucht.
({0})
Selbstverständlich.
Der Fall von Libro war
ziemlich eindeutig, weil Libro Internetbestellmöglichkeiten in Läden aufgebaut hat, also in Deutschland mit
Büchern gehandelt hat. Wie wäre es aber dann, wenn nicht
deutsche und nicht europäische Anbieter bzw. Anbieter
aus Ländern ohne Buchpreisbindung solche Bücher auspackten und als modernes Antiquariat deklarierten? Wäre
auch das zu unterbinden?
Hier hilft keine Deklaration; das ist genauso
geregelt. Die Verramschung wird von diesem Gesetz
natürlich zugelassen. Man kann also nach einem gewissen
Zeitablauf das Buch auf dem deutschen Markt billiger anbieten. Wenn ein Internethändler diese Möglichkeit nutzt,
dann ist dies sein gutes Recht. Aber die anfängliche Buchpreisbindung kann er rechtskonform nicht unterlaufen.
Gibt es weitere Fragen
zu diesem Themenbereich? - Das ist nicht der Fall. Gibt
es darüber hinaus noch Fragen an die Bundesregierung? Das ist auch nicht der Fall. Damit beende ich die Regierungsbefragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/8554 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Klaus Haupt
auf:
Plant die Bundesregierung eine Änderung des Jugendschutzgesetzes dahin gehend, wie in der Presse, beispielsweise im „Spiegel“ 8/2002, Seite 72 ff., berichtet, und wann gedenkt die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag die Beratung ihrer
Vorstellungen zu ermöglichen?
Bitte sehr, Frau Parlamentarische Staatssekretärin.
Herr Kollege Haupt, wie die Bundesregierung schon in ihrer Antwort vom 22. Juni 2001 auf die Große Anfrage
„Zukunft gestalten - Kinder und Jugendliche stärken“
dargelegt hat, verfolgt sie mit der Neuregelung des Jugendschutzgesetzes das Ziel, ein Gesetz zu schaffen, das
den Kriterien Vereinfachung und Vereinheitlichung des
Jugendschutzes, Rechtsklarheit für Wirtschaft und Eltern,
Stärkung des Elternrechts sowie Stärkung der Selbstverantwortung der Wirtschaft Rechnung trägt. Insbesondere
in der Antwort auf Frage 36 sind die wesentlichen Zielsetzungen, Maßnahmen und Schwerpunkte der in Aussicht genommenen Neuregelung unter Zusammenfassung
der Gefährdungstatbestände und der medienrechtlichen
Bestimmungen des Gesetzes zum Schutze der Jugend in
der Öffentlichkeit mit den Regelungen des Gesetzes über
die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte aufgeführt.
Des Weiteren hat die Bundesregierung in ihrer Antwort
auf Frage 35 die rechtliche und tatsächliche Ausgangssituation im Einzelnen dargelegt sowie darauf hingewiesen,
dass über die Neuregelung des Jugendmedienschutzes
und den damit verbundenen Zuständigkeitsfragen Gespräche zwischen Bund und Ländern vorgesehen sind. Da
die Gesetzgebungsmaßnahmen erst nach einem einvernehmlichen Abschluss dieser Gespräche angegangen werden können, kann bis heute kein Referentenentwurf eines
entsprechenden Bundesgesetzes vorliegen.
Im letzten Jahr hat die Bundesregierung Gespräche mit
den Ländern aufgenommen, um die jeweils im Bereich
des Jugendmedienschutzes zu treffenden Regelungen aufeinander abzustimmen. Eine einvernehmliche Vereinbarung konnte jedoch nicht wie ursprünglich vorgesehen auf
der Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Dezember letzten Jahres erzielt werden, sodass Nachverhandlungen notwendig wurden. Die Beratungen des Bundes und der Länder konnten erst jetzt zu einem erfolgreichen Abschluss
gebracht werden. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz
am 8. März 2002 haben sich die Länder auf mit dem Bund
zu vereinbarende Eckwerte einer Neuregelung geeinigt.
So erfreulich die Einigung mit den Ländern auch ist, so
hat die Verzögerung durch die erforderlichen Nachverhandlungen doch dazu geführt, dass die parlamentarische
Beratung über ein Bundesgesetz, in dem diese Eckpunkte
dann berücksichtigt sind, in dieser Legislaturperiode wohl
nicht mehr möglich ist. Wenn die Eckwerte zur Reform
des Jugendmedienschutzes von der Bundesregierung
auch formal beschlossen sind, wird die Bundesregierung
den Deutschen Bundestag unverzüglich unterrichten.
Herr Kollege Haupt
zu einer ersten Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin Niehuis,
nachdem in der Presse ein Teil der Novelle zum Jugendmedienschutz der Bevölkerung bereits präsentiert wurde,
gibt es eine lebhafte Diskussion, in der auch ich als Politiker immer wieder gefragt werde. Ich habe mich über
mein Büro bemüht, den Entwurf eines Gesetzes zum Jugendmedienschutz von Ihrem Haus zu bekommen. Das
war nicht möglich. Die Auskunft lautete, es liege nichts
vor. Mir ist es erst über den Umweg über die Presse gelungen, Informationen zu bekommen, die mich in die
Lage versetzten, die Vorstellungen der Bundesregierung
zu überprüfen. Warum wird in Ihrem Haus so verfahren?
Diese Verfahrensweise hilft zum Beispiel mir, dem kinder- und jugendpolitischen Sprecher meiner Fraktion, wenig bei der Beantwortung der Frage - an mich sind sehr
viele Fragen gerichtet worden -, wie ich zu der Problematik stehe, dass Jugendliche schon mit 14 Jahren - Sie
kennen ja die Diskussion - in die Disco gehen dürfen.
Die Bundesregierung hat nicht nur auf die Große Anfrage
- darauf habe ich ja schon hingewiesen -, sondern auch
auf die Fragen, die Ihr Kollege Guttmacher im letzten Februar zu diesem Thema gestellt hat, geantwortet. Nun ist
es so, dass beim Jugendmedienschutz sowohl die Länder
als auch der Bund zuständig sind. Erst am 8. März sind die
Eckwerte, wie gesagt, verabschiedet worden. Sie müssen
jetzt noch gegengezeichnet und vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Insofern liegen diese Eckwerte bis
heute offiziell nicht vor. Die Vereinbarung von Bund und
Ländern zum Jugendmedienschutz hat sich nun einmal
sehr lange hinausgezögert.
Herr Kollege Haupt
hat noch eine zweite Nachfrage. Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, inzwischen werden die Fragen zum Jugendmedienschutz, die
an mich gerichtet werden, zunehmend konkreter. Ich kann
sie aber nicht beantworten, weil mir keine Details bekannt
sind. Wenn nun von Ihrem Haus eine Regelung angedacht
wird, nach der Jugendliche ab einem bestimmten Alter mit
einem so genannten Erziehungsbeauftragten die Disco
besuchen können, erhebt sich für mich die Frage: Wie ist
das juristisch geregelt? Wer ist dieser Erziehungsbeauftragte? In welchem vertraglichen Verhältnis steht er?
Noch viel dramatischer ist die Frage: Wie soll das später
in der Praxis kontrolliert werden? Eine solche Regelung
eröffnet ja im Prinzip die Möglichkeit, dass jeder über
18-Jährige alibimäßig als Begleitung dient.
Sie zitieren jetzt mehr aus dem „Spiegel“, der ja darüber
veröffentlicht hat.
({0})
- Darauf bezog sich jedenfalls die Ausgangsfrage.
Zwischen den Kinder- und Jugendschutzbeauftragten
aller Art, der Bundesregierung und auch Vertretern der
Diskotheken wird schon seit langem eine Diskussion über
die Discobesuche geführt. Die Jugendämter beklagen
zum Teil, dass sie als Behörde mit Blick auf die Diskotheken wohl Anwesenheitsverbote, Zeitbegrenzungen
und Altersbegrenzungen vorsehen können, dass ihnen die
Gesetze zurzeit aber nicht ermöglichen, Auflagen zu erteilen.
Die Praxis hat gezeigt - viele wissen das -, dass sich
auch 14- bis 16-Jährige - Gesetz hin oder her - hin und
wieder in Diskotheken aufhalten. So entstand eine Diskussion in der Öffentlichkeit, an der sich gerade auch Kinder- und Jugendschutzbeauftragte beteiligt haben. Wie Sie
wissen, hat sich der Kinderschutzbund positiv dazu
geäußert. In der Diskussion geht es darum, ob man auf der
einen Seite mit dem Gesetz der Praxis ein wenig näher
kommen sollte, sodass auch 14- bis 16-Jährige bis 23 Uhr
eine Disco besuchen dürfen, und ob man auf der anderen
Seite die Möglichkeiten der Behörden, Auflagen zu erteilen, verbessern sollte. Tanzveranstaltungen als solche sind
ja noch nicht besonders jugendgefährdend - das müssen
Sie zugeben -; erst dann, wenn es dabei Alkoholausschank
oder Drogenhandel gibt, werden sie jugendgefährdend.
Nun ist um diese Überlegung, die zwischen Bund und
Ländern gar keine Rolle spielte, die aber in dem Artikel
im „Spiegel“ eine große Rolle spielte, eine Riesendiskussion in der Öffentlichkeit entstanden. Wenn Sie mich fragen, dann antworte ich: Ich begrüße außerordentlich, dass
die Öffentlichkeit über die folgenden Fragen diskutiert:
Wie ist das Leben der Jugendlichen heute? Wie stark ist
der gesetzliche Jugendschutz? Wie stark müssen Eltern in
dieser Republik sein, um zu Hause etwas freundschaftlich
zu regeln, ohne auf den Gesetzgeber zu gucken? Ist es
überhaupt sinnvoll, dass junge Leute zwischen 14 und
16 Jahren bis 23 Uhr eine Disco besuchen können?
Die Dauer der Verhandlungen, die wir geführt haben,
hat zum Ergebnis, dass in diesem Jahr weder ein Medienstaatsvertrag seitens der Länder noch neue bundesgesetzliche Regelungen, die sich auf den Jugendschutz in der
Öffentlichkeit beziehen, auf den Weg gebracht werden
können. Insofern findet diese Diskussion im leeren Raum
statt. Sie ist aber, wie ich finde, sehr fruchtbar. Ich habe
viele Briefe, positive und auch negative, bekommen. Für
meine Begriffe ist es erfreulich, dass das Gegenstand der
Diskussion wurde. Aber ob es überhaupt in irgendeiner
Weise zu einer gesetzlichen Fixierung kommt, wird erst
die nächste Legislaturperiode zeigen.
Danke, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie - das sind die Fragen 2 und 3 - werden schriftlich beantwortet.
Somit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Albert Deß auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Mengen an Weizen
seit dem 1. Oktober 2001 bis Ende Februar 2002 aus den osteuropäischen Staaten insbesondere über die Donau nach Bayern
transportiert wurden, und, wenn ja, um welche Mengen handelt es
sich dabei?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Sehr geehrter Herr Kollege Deß, genaue
statistische Informationen über die Einfuhr von Getreide
aus Osteuropa nach Bayern im Zeitraum Oktober 2001 bis
Februar 2002 liegen nur für die Monate Oktober und November 2001 vor. Danach wurden von Bayern insgesamt
rund 7 800 Tonnen Getreide aus osteuropäischen Ländern
importiert. Der Handel schätzt die Einfuhr von Getreide
aus osteuropäischen Staaten nach Bayern für den gesamten Zeitraum Oktober 2001 bis Februar 2002 auf maximal
20 000 Tonnen.
Herr Kollege Deß,
Ihre erste Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär Dr.
Thalheim, Ihnen ist sicherlich bekannt, dass es am Markt
momentan große Schwierigkeiten gibt. Was hat die Bundesregierung dagegen unternommen, dass die Kommission in Brüssel die Abschöpfung bei Getreideimporten im
letzten Quartal 2001 um 20 DM je Tonne gesenkt hat?
Dies ist eine der Ursachen, warum die Importe von Weizen in die EU so billig sind.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, wir teilen nicht die
Einschätzung, dass es sich um „große Schwierigkeiten“
handelt. Ich möchte an dieser Stelle lieber nur von
Schwierigkeiten sprechen.
Die Schwierigkeiten haben verschiedene Gründe. Zum
einen sind die Ernteerträge in den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union sehr ungleich: schlechte Ernte im
Süden, relativ gute Ernte im Norden. Damit einher geht
ein Überangebot. Auch was die Qualitäten anbelangt, ist
das Angebot unterschiedlich, sodass am Markt zurzeit
teilweise Überhänge vorhanden sind. Je nach Qualität fallen diese Überhänge unterschiedlich aus: Beim Weizen
sind es weniger, bei Futtergetreide eher mehr.
Der Grund, warum es bei den Zöllen eine Änderung
gab, ist einfach: In der Vergangenheit wurden erhöhte
Zölle wegen niedriger Exportkosten erhoben. Die Kommission ist der Meinung, dass es mittlerweile zu einer
Annäherung der Exportkosten der Beitrittsländer, insbesondere der südosteuropäischen Länder, gekommen ist
und dass sich höhere Zölle vor diesem Hintergrund nicht
mehr rechtfertigen lassen.
Wir wollen - das ist eine andere politische Frage - den
Beitritt. Ich denke hier insbesondere an die Ausführungen
des bayerischen Ministerpräsidenten. Vor diesem Hintergrund sind höhere Zölle für die Beitrittsländer, insbesondere für Ungarn als eines der Lieferländer, überhaupt
nicht gerechtfertigt.
Die zweite Nachfrage
des Kollegen Deß, bitte.
Herr Staatssekretär
Dr. Thalheim, ich freue mich, dass Sie dem bayerischen
Ministerpräsidenten so aufmerksam zuhören.
Ich war gestern bei einer Diskussion der Bauwirtschaft.
Vonseiten der Gewerkschaften ist dort gefordert worden,
dass nach dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen
Länder mindestens siebenjährige, besser noch zehnjährige
Übergangsfristen für die Arbeitnehmer gelten sollten. Ist
die Bundesregierung bereit, im Vorfeld der Osterweiterung
auch der Landwirtschaft einen gewissen Mindestschutz
zuzubilligen und deshalb in Brüssel dafür einzutreten, dass
solche Importabschöpfungen auf Getreide aufgrund der
aktuellen Marktlage wieder erhoben werden?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Die Haltung der Bundesregierung ist gerade in diesem Bereich ganz anders. Wir sind für den
freien Marktzugang. Im Übrigen habe ich in meiner Antwort auf Ihre erste Frage angedeutet, dass das auch die
Haltung der Bayerischen Staatsregierung ist. In diesem
Zusammenhang möchte ich die Zusagen gegenüber dem
ungarischen Ministerpräsidenten Orbán erwähnen.
Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass insbesondere
bayerische Bauern von den niedrigen Importpreisen profitiert haben. Natürlich gibt es auf diesem Gebiet eine
unterschiedliche Interessenlage: Auf der einen Seite stehen die Interessen derjenigen, die Getreide verkaufen
wollen, auf der anderen Seite die Interessen derjenigen,
die billige Futtermittel einkaufen wollen. Es sind insbesondere bayerische Schweinemäster in den Genuss der
niedrigen Getreidepreise gekommen. Die Interessenlage
auf diesem Gebiet ist also sehr unterschiedlich. Es ist in
keiner Weise angemessen, einen Zusammenhang zur Arbeitnehmerfreizügigkeit herzustellen; er wäre sachlich
nicht zu begründen.
Wir bleiben beim
Thema Weizen. Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Deß
auf:
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um
dem aktuellen Verfall der Getreidepreise und den Absatzschwierigkeiten, insbesondere bei Weizen, entgegenzuwirken?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Die Erzeugerpreise von Weizen lagen zu
Beginn des Wirtschaftsjahres nur geringfügig unter denen
des Vorjahres. Seitdem sind sie um knapp 5 Prozent gestiegen. Derzeit liegen sie um etwa 15 Prozent über dem
Interventionspreis. Insofern kann von einem Verfall der
Weizenpreise nicht gesprochen werden.
Auf dem Binnenmarkt ist der Absatz von Weizen stabil. Dass es im Verlauf des Wirtschaftsjahres zu sinkenden
Exporten kommen werde, war bereits zu Beginn der Kampagne offensichtlich. Wegen der schlechten Ernte in Teilen der Gemeinschaft ist das Angebot an Weizen deutlich
zurückgegangen. Nach letzen Informationen der EUKommission steht in diesem Wirtschaftsjahr lediglich ein
um rund 5 Millionen Tonnen geringeres Exportpotenzial
als im Vorjahr zur Verfügung. Bisher beläuft sich der
Rückgang der Ausfuhren an Weichweizen gegenüber dem
Vorjahr auf rund 4,5 Millionen Tonnen. Gleichzeitig sind
die Interventionsbestände an Weichweizen im Verlauf
dieses Wirtschaftsjahres um rund 430 000 Tonnen abgebaut worden. Bei Absatzschwierigkeiten wäre der Interventionsbestand angestiegen.
Die Bundesregierung setzt sich im Verwaltungsausschuss Getreide dafür ein, die Regeln für die Ausfuhr von
Getreide zu vereinfachen. Ein kompliziertes Lizenzsystem, hohe Kautionen bei der Beantragung einer Exportlizenz sowie nicht immer marktkonforme Lizenzlaufzeiten
können den Export zumindest teilweise behindern. Darüber hinaus hält die Bundesregierung keine weiteren
Maßnahmen für erforderlich.
Kollege Deß zu einer
Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie wissen sicher, dass bei den letzten GATT-Verhandlungen für
Getreide in Europa ein Schutzpreis von 36,49 DM festgelegt worden ist. Ich weiß, dass es sich hierbei um einen
theoretischen Wert handelt. Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass in Europa die Getreidepreise weit unter denen
liegen, die bei den letzten GATT-Verhandlungen festgeschrieben wurden?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Die Europäische Union wurde in der Vergangenheit dafür kritisiert, dass mit erheblichen öffentlichen Geldern der Export gestützt wurde und damit Weltmarktpreise verzerrt wurden. Wir freuen uns darüber, dass
wir jetzt ohne Hilfen exportieren können und nicht mehr
dem Vorwurf ausgesetzt sind, mit von Steuergeldern finanzierten Exportsubventionen den internationalen Markt
zu verzerren. Von den 12 Millionen Tonnen, die im vergangenen Jahr exportiert worden sind, sind allein 10 Millionen ohne Exporthilfen exportiert worden. Das zeigt,
wie erfolgreich die Politik der EU-Kommission in diesem
Feld gewesen ist. Von der Bundesregierung wird sie an
dieser Stelle ausdrücklich unterstützt.
Jetzt gibt es noch eine
Nachfrage vom Kollegen Deß.
Herr Staatssekretär Thalheim,
Sie sprachen davon, dass der Getreidepreis stabil sei. Wie
können Sie es ethisch verantworten, dass momentan ein
Landwirt, wenn er den Weizen verbrennen würde, eine
höhere Wertschöpfung hätte, als wenn er diesen Weizen
zum Müller bringt?
({0})
Das ist letztendlich keine ethische Frage. Es
geht hier vielmehr darum, zu welchem Preis international
Weizen produziert wird. Von dem niedrigen Getreidepreis
profitieren gerade die Länder mit hoher Bevölkerungszahl,
die Nahrungsmittel für die Versorgung ihrer Bevölkerung
importieren müssen. Die Fortschritte, die wir bei der
Hungerbekämpfung erzielt haben, resultieren zum Teil
auch aus diesen niedrigen Preisen, sodass ich darin
ethisch nichts Verwerfliches erkennen kann, dass Leute,
die wenig Geld haben, sehr billig Getreide auf den Weltmärkten einkaufen können.
({0})
Wir sind damit am
Ende dieses Geschäftsbereichs.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich setze jetzt einmal
voraus, dass auch Sie es zulassen, dass ganz unkonventionell eine Frage vorgezogen wird, weil der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zu einem dringenden Termin muss und sein Geschäftsbereich heute
sowieso nur mit einer mündlich zu beantwortenden Frage
vertreten ist. - Wir kommen damit also zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Die Fragen 30 und 31 werden schriftlich beantwortet.
Jetzt rufe ich die Frage 32 des Kollegen Nolting auf:
Wann plant die Bundesregierung angesichts der Äußerungen
des Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, vom 9. März 2002 in
Magdeburg, die Ostbesoldung an die Westbesoldung anzupassen,
und erachtet sie Sonderregelungen für Soldaten und Zivilbeschäftigte der Bundeswehr für möglich?
Frau Präsidentin, herzlichen Dank
für das Verständnis.
Ich antworte wie folgt: Seit der Herstellung der deutschen Einheit ist es Praxis, die von den Tarifvertragsparteien für den öffentlichen Dienst getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der Bemessungssätze in den neuen
Bundesländern inhalts- und zeitgleich auf die Beamtenbesoldung zu übertragen. Es gibt keine Veranlassung,
diese bewährte Praxis zu verändern. Dabei scheiden Sonderregelungen für einzelne Beschäftigtengruppen, zum
Beispiel nur für die Beamtinnen und Beamten oder nur für
einzelne Bereiche wie Soldaten oder Bundesbedienstete,
aus. Wie bisher muss diese Frage für den gesamten öffentlichen Dienst einheitlich gelöst werden. Die Laufzeit
der jetzt gültigen Vereinbarung endet am 31. Dezember
2002. Die Bundesregierung, Herr Kollege, geht davon
aus, dass die Frage weiterer Anpassungsschritte während
der nächsten Tarifverhandlungen eingehend erörtert wird.
Herr Kollege Nolting,
zu einer ersten Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich hatte eine ganz konkrete Frage gestellt.
({0})
Ich bitte darum, dass Sie diese beantworten. Der Bundeskanzler hat am 9. März dieses Jahres in Magdeburg erklärt,
dass die Ostbesoldung innerhalb weniger Jahre an die
Westbesoldung angepasst werden solle. Ich beziehe mich
hier, weil ich Mitglied im Verteidigungsausschuss bin, ausdrücklich auch auf die Soldaten und die Zivilbeschäftigten
der Bundeswehr. Es gibt dazu Anträge der FDP,
({1})
die zum Inhalt haben, die Ostbesoldung an die Westbesoldung anzupassen. Ich möchte Sie wirklich bitten,
heute hier deutlich zu erklären, ob das, was der Bundeskanzler am 9. März angekündigt hat, in den nächsten Jahren von der Regierung umgesetzt wird.
Herr Kollege Nolting, ich muss
Sie korrigieren. Der Bundeskanzler hat das nicht am
9. März, sondern am 10. März in Magdeburg gesagt.
({0})
Ich zitiere:
Ein Thema beschäftigt hier die Menschen seit der
Einheit und das ist das Thema des unterschiedlichen
Lohnniveaus zwischen West- und Ostdeutschland.
Ich finde, die Menschen beschäftigt dieses Thema zu
Recht. Denn auf Dauer ist es nicht möglich und fair,
diese Unterschiede aufrechtzuerhalten. Einerseits
gilt, Lohnanpassung muss im Einklang mit Produktivität geschehen, damit wettbewerbsfähige Arbeitsplätze nicht verschwinden. Andererseits ist es eine
berechtigte Erwartung der Menschen im Osten, dass
sich die Schere bei den Tariflöhnen schließt. Absehbar muss der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit“ auch durchgesetzt werden können. Das derzeitige Tarifsystem und der Tarifvertrag im öffentlichen Dienst laufen
- das habe ich vorhin schon gesagt Ende 2002 aus. Wo wir Politiker handeln können, im
öffentlichen Dienst nämlich, hat Reinhard Höppner
einen Vorschlag gemacht, der die vollständige Angleichung der Tarife ermöglicht. Sein Vorschlag, den
ich ausdrücklich unterstütze, sieht vor, die Tarife im
Osten bis 2007 schrittweise auf 100 Prozent anzuheben, und zwar für den gesamten Tarifbereich. Das ist
ein Angebot an die Gewerkschaften, insbesondere an
Verdi, über die Lohnangleichung mit uns in diesem
Sinne fair zu verhandeln.
Ich brauche dem nichts hinzuzufügen.
Es sieht nach einer
zweiten Nachfrage aus.
Herr Staatssekretär, ich stelle noch einmal fest, dass Sie meine Frage nicht
beantworten. Ich bin gerne bereit, eine weitere Frage zu
stellen, Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Machen Sie das.
- und bitte Sie, sie
konkret zu beantworten. Sie können davon ausgehen, dass
ich das veröffentlichen werde.
Sie können das veröffentlichen.
Das ist keine Drohung, sondern eine Ankündigung.
Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass gerade die
Soldaten und die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr in einem besonderen Dienstverhältnis stehen und Sie als Bundesregierung die Möglichkeit haben, eine sehr schnelle
Angleichung der Besoldung herbeizuführen? Und sind Sie
auf der Grundlage dessen, was Sie gerade noch einmal vorgelesen haben, nicht mit mir der Meinung, dass Sie dann
auch die Anträge der FDP unterstützen sollten, um stufenweise zu einer Angleichung zu kommen?
({0})
Herr Kollege Nolting, ich glaube,
Sie haben vorhin bei meiner Antwort nicht richtig zugehört; denn Ihre Kritik, dass ich Ihre Frage nicht konkret
beantwortet hätte, ist nicht berechtigt. Ich habe beispielsweise ausdrücklich gesagt:
Dabei scheiden Sonderregelungen für einzelne Beschäftigtengruppen, zum Beispiel nur für die Beamtinnen und Beamten oder nur für einzelne Bereiche
wie Soldaten oder Bundesbedienstete, aus.
Ich habe Ihnen mit dem Zitat des Bundeskanzlers den Lösungsweg aufgezeigt. Ebenso habe ich Ihnen aufgezeigt,
wie wir uns die Zeitschiene vorstellen. Ich glaube, dem ist
in der Tat nichts Konkreteres hinzuzufügen; es beantwortet Ihre Fragen ganz klar. Wir werden Ihrem Antrag dementsprechend nicht zustimmen.
({0})
Jetzt gibt es weitere
Nachfragen, zuerst vom Kollegen Niebel, dann vom Kollegen von Klaeden.
Herr Staatssekretär, dass Sie nicht
zustimmen wollen, ist schade. Ihre Aussage ist nur zum
Teil richtig. Wir haben besondere Besoldungsordnungen
für unterschiedliche Berufsgruppen, zum Beispiel die Besoldungsordnung C für wissenschaftliche Beschäftigte
und die Besoldungsordnung R für Justizbedienstete. Was
spricht eigentlich dagegen, aufgrund des besonderen
Dienstverhältnisses, das Soldatinnen und Soldaten haben,
in einer neu zu schaffenden Besoldungsordnung S - „S“
für Soldaten - die Angleichung der Besoldung zwischen
Ost und West zu regeln,
({0})
und das vor allem vor dem Hintergrund, dass in dem Unterausschuss des Verteidigungsausschusses, der sich mit
Fragen der Streitkräfte in den neuen Bundesländern beschäftigt - Frau Staatssekretärin ist anwesend ({1})
- die habe ich schon gestellt; Sie haben nicht zugehört,
Herr Kollege -, alle Fraktionen für eine Besoldungsordnung S für den Fall plädiert haben, dass die Verbände
nichts dagegen haben?
({2})
Uns ist bekannt, dass der Bundeswehrverband mittlerweile nichts mehr dagegen hat, eine eigene Besoldungsordnung S analog zu denen für Richter und Staatsanwälte
oder Hochschulpersonal einzuführen.
Lieber Herr Kollege Niebel, Sie
kennen meine Wertschätzung für Sie.
({0})
Aber trotzdem muss ich sagen: Was Sie mich gerade gefragt
haben, war nicht Gegenstand der Frage Ihres Kollegen.
({1})
Ihr Kollege hat mich beispielsweise nach der Anpassung
der Besoldung gefragt. Er stellte diese Frage auch im Hinblick auf das, was der Bundeskanzler am 9. März in
Magdeburg gesagt hat. Ich habe Ihrem Kollegen eine
klare Antwort darauf gegeben.
({2})
Ich habe gesagt, wie ein entsprechendes Verfahren aussehen könnte, wie die Zeitschiene ist und welcher der Beteiligten daran mitwirken muss. Ich glaube, dass man
diese Frage nicht klarer beantworten kann.
Eine gänzlich andere Frage ist die nach einer neuen Besoldungsordnung für Soldatinnen und Soldaten. Danach
bin ich von dem Kollegen Nolting nicht gefragt worden.
({3})
Man kann zwar über alles diskutieren. Aber ob dies der
richtige Weg ist, stelle ich anheim.
({4})
Jetzt gibt es noch eine
Nachfrage des Kollegen von Klaeden. Bitte.
({0})
Ich möchte nicht,
wie es der Kollege Lippelt gerade angeregt hat, eine neue
Besoldungsgruppe vorschlagen. Angesichts des langen
Zitats - es wurde auf die Vorschläge von Herrn Höppner
Bezug genommen - möchte ich zur Klarstellung fragen:
Kann ich davon ausgehen, dass die Angleichung auch die
Bundesbediensteten und die Soldatinnen und Soldaten mit
einbezieht? Können Sie diese Frage mit Ja beantworten?
Herr Kollege von Klaeden, Sie
haben meine Antwort richtig verstanden. Ich bin froh,
dass Sie aufgepasst haben. Ich kann auf Ihre Frage
schlicht und einfach mit Ja antworten.
Danke sehr.
({0})
Die Datumsfrage wollen wir jetzt nicht mehr diskutieren.
Das ist von mir richtig gestellt
worden, Frau Präsidentin.
Wir kehren zur normalen Reihenfolge der Geschäftsbereiche zurück und
kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht Frau
Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Wolfgang
Gehrcke auf:
Trifft es zu, dass die Einheit des Kommandos Spezialkräfte,
KSK, der Bundeswehr, wie im „Spiegel“ 11/2002 vom 11. März
2002, S. 175, berichtet, „nach Taliban-Kämpfern und al-QaidaKriegern jagt“?
Meine lieben Kolleginnen und
Kollegen, ich hoffe, Sie sind auch dann großzügig, wenn
es darum geht, dass ich im Haushaltsausschuss vor dem
Innenminister an die Reihe kommen kann.
Ich möchte die Frage folgendermaßen beantworten:
Herr Kollege Gehrcke, die deutschen Spezialkräfte werden entsprechend dem Bundestagsmandat vom 16. November 2001 eingesetzt.
({0})
Herr Kollege
Gehrcke, eine erste Nachfrage.
Frau Parlamentarische
Staatssekretärin, ich ahnte Ihre Antwort auf meine Frage.
Wenn ich mich nicht täusche, dann ist es so, dass sibyllinisch von Sibylle kommt.
({0})
Können Sie sich vorstellen, warum sich der afghanische
Übergangspräsident Karsai am 15. März vor den Kolleginnen und Kollegen des Auswärtigen Ausschusses, des
Verteidigungs- und des Entwicklungsausschusses ausdrücklich dafür bedankt hat, dass deutsche Soldaten auch
an den letzten Tagen mit amerikanischen und afghanischen Soldaten zusammen in Afghanistan gekämpft haben? Es muss also mehr dahinter stecken.
Vielen Dank für Ihre Frage. In
dem Mandat des Parlamentes, dem Sie leider nicht, dem
aber das Parlament mit großer Mehrheit zugestimmt hat,
ist ausdrücklich Folgendes enthalten:
Dazu beteiligt sich die Bundeswehr an der Operation
„Enduring Freedom“. Diese Operation hat zum Ziel,
Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen sowie
Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abzuhalten. Deutsche bewaffnete
Streitkräfte tragen dazu mit ihren Fähigkeiten bei.
Der Beitrag schließt auch Leistungen zum Zweck
humanitärer Hilfe ein.
Ich füge hinzu: aber nicht nur.
Zweite Nachfrage,
Herr Kollege Gehrcke.
Ich versuche es einmal
andersherum. Sie haben dankenswerterweise das Mandat
verlesen. Ich habe nie verstanden, warum der Auftraggeber und die Öffentlichkeit nicht den Inhalt des Auftrages kennen soll. Im Anschluss an Ihre Antwort möchte ich
Sie fragen, ob deutsche Soldaten die Aktivitäten, die Sie
vorgelesen haben, praktisch durchgeführt haben.
Sie wissen ganz genau, dass
ich zu diesem sensiblen Bereich des Einsatzes der Spezialkräfte in der Öffentlichkeit außerordentlich zurückhaltend bin. Die Zahl der davon betroffenen Soldaten ist
überschaubar. Aber was im Rahmen dieses Auftrages geschieht, ist nicht nur humanitäre Hilfe.
Der Kollege Carsten
Hübner hat eine Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, gestatten Sie die Frage, warum die Bundesregierung auch in
diesem Fall wieder, in dem es letztlich um eine Frage geht,
die mit den aus meiner Sicht durchaus berechtigten Sicherheitsinteressen der Soldaten und ihrer Familien gar
nichts zu tun hat, an einer Informationspolitik festhält, die
völlig unvergleichbar ist mit den Standards aller anderen
an diesen Einsätzen beteiligten Nationen? Sie können jeden Abend zum Beispiel in Berichten auf CNN - ich weiß
nicht, ob Sie sich das angucken - unter anderem InterEckart von Klaeden
views mit eingesetzten amerikanischen Elitesoldaten sehen, Sie erfahren die Zahlen gefangen genommener Talibankämpfer, die Zahl von Getöteten und anderes. Das alles ist aus internationalen Medien in Erfahrung zu bringen
und Quellen sind die für die Einsätze verantwortlichen
Militärs. Nur seitens der Bundesregierung wird selbst bei
Kleinigkeiten in einer Art und Weise gemauert, als befänden wir uns hier in einer Art Geheimdiensteinsatz. Mir ist
das völlig unerklärlich.
Lieber Herr Kollege Hübner,
nun kenne ich nicht nur CNN, sondern bin für die Bundesrepublik Deutschland immerhin acht Jahre Sprecherin
der deutschen Sozialdemokraten bei den NATO-Parlamentariern gewesen. Ich kenne daher sehr gut die Handhabung der Vereinigten Staaten von Nordamerika in diesen Dingen. Ich weiß, was sie in der Öffentlichkeit und in
den Medien vertreten und was sie nur guten Freunden sagen. Das finde ich im Interesse der Einsatzstrategie auch
völlig richtig. Ich kenne auch die Briten, die Franzosen
und andere Nationen.
Deswegen teile ich Ihre Meinung nicht. Ich halte es auch
für richtig und völlig verständlich, dass wir während einer
solchen Aufgabe den Gremien, die das ja sehr wohl bekommen - dafür gibt es die Geheimhaltungsstufe „streng
geheim“ -, Auskunft und Information geben. Nach einer
abgeschlossenen Aktion werden wir sicherlich auch der
Öffentlichkeit entsprechend Rechenschaft geben. Zum
jetzigen Zeitpunkt wäre es in meinen Augen noch nicht
verantwortbar.
Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Nolting.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie den Kolleginnen und Kollegen der PDS
übermitteln, dass es heute im Verteidigungsausschuss
eine umfassende Information gegeben hat? Es war übrigens bekannt, dass diese Information gegeben werden
sollte, aber an der gesamten Sitzung des Verteidigungsausschusses, von heute Morgen bis heute Mittag, hat kein
Vertreter der PDS teilgenommen. Dort hätte man die Fragen stellen können.
({0})
Würden Sie das bitte übermitteln?
Ich bin Ihnen außerordentlich
dankbar und ich lasse mich für diese Botendienste - wir
haben ja schon einmal die Griechen erwähnt - sehr gern
an Ihrer Stelle einsetzen. Das tue ich für die FDP außerordentlich gern.
Ich muss aber zur Ehre von Frau Lippmann sagen, dass
sie sich bei mir entschuldigt hat. Ich glaube, sie ist krank.
Sie hat mir gesagt, dass sie Fragen hatte. Ich vermute, dass
diese kleine Fraktion ähnliche Probleme hat wie Sie ab
und zu, Herr Nolting, dass man nämlich nicht überall
gleichzeitig sein kann.
({0})
- Aber er saß gleichzeitig im Auswärtigen Ausschuss. Ich
habe ihn getroffen; ich war nämlich schon ab 8 Uhr mit im
Unterausschuss.
({1})
Ich will hier nicht die anderen Vertreter entschuldigen,
aber ich bin in diesem Fall gern Ihre Botin.
Ich schlage vor, dass
wir wieder zur fachpolitischen Debatte zurückkehren. Der
Kollege Lippelt ist der nächste Fragesteller.
Frau Staatssekretärin, darf ich Ihnen en passant sagen,
dass im Auswärtigen Ausschuss heute auch eine sehr ausführliche Unterrichtung stattgefunden hat, an der der Kollege Gehrcke teilgenommem hat? Die Kenntnisse hat also
auch die PDS.
Meine Frage ist aber: Erinnere ich mich richtig daran,
dass bei den Diskussionen über die Zurverfügungstellung
deutscher Truppen alle Seiten dieses Hauses - vielleicht
mit Ausnahme der PDS, aber die wollte ja ohnehin dagegen stimmen - immer betont haben, dass das eigentlich
Gefährliche das Entsenden der 100 KSK-Leute ist, und
dass wir uns deshalb darüber verständigt hatten, weitere
Informationen, zum Beispiel hinsichtlich der genauen
Einsatzart, höchstens in internen Informationen zu geben,
aber nicht zum Gegenstand öffentlicher Erörterung zu
machen, da dies die Leute gefährden würde? Oder ist
meine Erinnerung falsch, dass wir genau dies im Zusammenhang mit den 100 KSK-Kräften immer gesagt haben?
Denn sonst kann ich die Diskussion, wie sie vonseiten der
PDS geführt wird, wirklich nicht verstehen.
Herr Kollege Lippelt, ich will
nicht untersuchen, welche Aktionen darüber hinaus gefährlich sind; denn schließlich handelt es sich dieses Mal um einen sehr gefährlichen Gegner, der wohl zu allen Mitteln
greifen wird. Aber da ganz klar ist, dass die Zahl der Soldaten, die für diese Spezialkräfte infrage kommen, sehr eingegrenzt ist, können wir nur mit Bedauern feststellen, wie
viele Informationen weitergegeben werden. Wir als Parlamentarier, die wir mit der Zustimmung zu diesem Einsatz
auch Verantwortung für die Menschen übernommen haben,
werden gut beraten sein, dies in der Öffentlichkeit nicht so
darzustellen. Dafür haben wir die Ausschüsse und dafür haben wir Gremien, an denen nicht jeder teilnehmen kann.
({0})
Jetzt rufe ich die
Frage 7 des Kollegen Carsten Hübner auf:
Welchem Kommando unterstehen die KSK-Einheiten bei
gemeinsamen Operationen mit militärischen Verbänden anderer
Nationen in Afghanistan?
Herr Kollege Hübner, Soldaten
des Kommandos Spezialkräfte unterstehen bei gemeinsamen Operationen mit militärischen Verbänden anderer
Staaten dem mit der Führung der Operation beauftragten
taktischen Führungsstab. Doch jeder konkrete Einsatz
deutscher Spezialkräfte wird vor Beginn der spezifischen
Operation durch die Bundesregierung freigegeben.
Herr Kollege Hübner
bitte zur Nachfrage.
Können Sie mir sagen - ohne
in ein Detail zu gehen, das die Sicherheit unserer Soldaten bei künftigen Operationen möglicherweise gefährden
könnte -, wer bei den letzten Operationen das Kommando
hatte?
Das ist öffentlich: Das ist ein
amerikanischer Offizier. Dieser trägt die Verantwortung
für den gesamten Bereich. Das ist doch völlig klar; „Enduring Freedom“ wird von den Amerikanern geführt.
Ist mir eine zweite Nachfrage gestattet?
Die sei gestattet.
Wenn bei diesen Operationen amerikanisches Kommando vorherrscht und es
bisher amerikanische Praxis war, zumindest einen Teil
der bei solchen Operationen festgenommenen Gegner
- al-Qaida- und Taliban-Kämpfer - nach Guantanamo zu
überführen: Halten Sie es für denkbar, dass unter denjenigen, die nach Guantanamo überführt worden sind, auch
Personen waren, die im Rahmen des deutschen Anteils an
diesen Operationen festgenommen worden sind?
Das betrifft Ihre zweite Frage,
Herr Kollege.
Verstehe ich das richtig, dass Sie bereits jetzt die Antwort auf die nächste Frage
geben wollen? - Dann muss ich zunächst die Frage 8 des
Kollegen Carsten Hübner aufrufen:
Kann die Bundesregierung die Aussage der Parlamentarischen
Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung, Brigitte
Schulte, auf meine dringliche Frage 7 in der Fragestunde vom
27. Februar 2002, Plenarprotokoll 14/220, Seite 21 827, weiterhin
bestätigen, dass bislang beim Bundeswehreinsatz im Rahmen der
Operation „Enduring Freedom“ keine Gefangenen gemacht und
auch nicht an andere Staaten überstellt wurden?
In aller Deutlichkeit: Ich habe
keinen Grund, meine Aussage vom 27. Februar 2002 zu
korrigieren. Deutsche Spezialkräfte haben keine Gefangenen gemacht und auch nicht an andere Staaten überstellt. Dies wäre vom Auftrag der dort eingesetzten Soldaten her - deshalb habe ich Ihnen diesen vorgelesen zwar grundsätzlich möglich, aber wir haben momentan
keinerlei Veranlassung, Ihnen Derartiges zu bestätigen.
Somit hat der Kollege
Hübner die Möglichkeit, zwei weitere Nachfragen zu stellen.
Ich habe noch eine Frage zu
den konkreten Abläufen der Entscheidungsfindung im
Rahmen der Operation. Als Mitglied dieses Hauses, das
nicht gedient hat, würde ich gerne wissen, wie die Koordination zwischen den eingesetzten Truppenteilen, dem
taktischen Führungsstab und den jeweiligen Regierungen
- vor allem angesichts der Dynamik, die bestimmte Aktivitäten entwickeln - ganz praktisch stattfindet.
Ich habe ernsthaft nicht vor,
Ihnen diese Form des Nachhilfeunterrichts zu geben.
Selbst wenn man nicht Mitglied des Verteidigungsausschusses ist, könnte man sich als deutscher Parlamentarier, der sich dafür interessiert, in dieser Hinsicht etwas
kundiger machen.
({0})
Eine weitere Nachfrage, Herr Kollege Hübner?
Nein, Frau Präsidentin.
Nun hat Kollege Niebel
eine Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, bestünde die
Möglichkeit, den Kollegen Hübner zu einer Wehrübung
für nicht gediente Abgeordnete einzuladen, bei der man all
das, wonach Kollege Hübner gefragt hat, lernen kann?
Nur wenn ihm erfahrene Mentoren wie Sie, die gedient haben, zur Seite gestellt werden.
({0})
Bewerbungen werden
nicht von uns angenommen.
Nun hat Kollege Gehrcke eine Nachfrage.
Frau Parlamentarische
Staatssekretärin, nachdem die Fragestunde einwandfrei
ergeben hat, dass ich nicht geklont worden bin und daher
nicht an den beiden genannten Ausschüssen zeitgleich
teilnehmen konnte - ich bedanke mich für Ihre Haltung
dazu -, habe ich eine ernsthafte Nachfrage zur gesamten
Informationspolitik der Bundesregierung. Ich möchte Sie
fragen, ob Sie nicht der Auffassung sind, dass wir es vermeiden sollten, hinsichtlich der Abgeordneten ein Zweiklassenrecht einzuführen. Ich finde es selbstverständlich,
dass die Mitglieder bestimmter Ausschüsse weitergehende,
als geheim eingestufte Informationen erhalten. Aber aus
meiner Sicht müssten grundsätzliche Informationen - die
Bundesregierung sollte hier zustimmen - an die Gesamtheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im
Rahmen des Plenums weitergegeben werden.
Ich habe gestern mit außerordentlichem Vergnügen den
offenen Brief der Kollegen der CDU/CSU-Spitze gelesen.
({0})
- Von der FDP wusste ich nicht. - Die Art und Weise der
Informationspolitik der Bundesregierung löst bei der Bevölkerung großes Misstrauen aus. Was die Rechte der Abgeordneten angeht, möchte ich Sie fragen, ob dieses Misstrauen denn tatsächlich im Sinne der Bundesregierung ist.
({1})
Ich muss Ihnen jetzt etwas sehr
Ernsthaftes sagen: Wir als Abgeordnete sind gewählt worden, um auch schwierige Aufgaben zu lösen. Dafür ist ein
Mandat erteilt. Dieses Mandat begründet die Tatsache,
dass es so genannte geschlossene Ausschüsse gibt. Vor Ihnen steht jemand, der weiß Gott lange genug als ordentliches Mitglied in einem solchen Ausschuss tätig gewesen
ist. Das bedeutet, dass nicht jede Diskussion auch in der
Öffentlichkeit geführt werden sollte, schon gar nicht
dann, wenn es um Bundeswehreinsätze geht. Bei dieser
Auffassung bleiben wir; denn der Einsatz der Truppen ist
überschaubar.
Das erteilte Mandat bedeutet darüber hinaus, Rechenschaft abzulegen. Unsere Fraktion - auch andere haben
das getan - hat sich an das Verfassungsgericht gewandt,
um die Rechte des Parlaments zu stärken. Dies haben wir
im Vorfeld der Diskussion erreicht; am kommenden
Freitag werden wir die Geltungsdauer eines Bundeswehrmandats verlängern.
Ich kann Ihnen nur sagen: Ich sehe keine Defizite. Ich
kann nicht beurteilen, ob sich die Fraktionsspitzen - es
geht ja wohl um die Union und die FDP - in den Gesprächen, an denen ich nicht teilgenommen habe, ausreichend informiert fühlten. Ich bemühe mich sehr, das Parlament ausdrücklich auch über die nicht öffentlichen
Geschehnisse korrekt zu unterrichten. Das setzt umgekehrt voraus, dass das Parlament bestimmte Dinge nicht
in der Öffentlichkeit austrägt.
Die Frage 9 der Abgeordneten Heidi Lippmann wird schriftlich beantwortet.
Deshalb kommen wir jetzt zur Frage 10 des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting:
Wie ist der gegenwärtige Sachstand beim Informationstechnikkonzept Herkules im Geschäftsbereich des Bundesministers der
Verteidigung und welche Auswirkungen hat die Gründung privatwirtschaftlicher IT-Gesellschaften auf die Bundeswehrbediensteten, die gegenwärtig im IT-Bereich der Bundeswehr beschäftigt
sind?
Herr Kollege Nolting, die ITGesellschaften sollen als Joint Venture zwischen der Bundeswehr und den im Rahmen des Herkules-Wettbewerbs
zu ermittelnden industriellen Partnern bzw. einem Partnerkonsortium gegründet werden.
Das Vergabeverfahren wurde am 28. Juni 2001 mit der
europaweiten Veröffentlichung des Teilnahmewettbewerbs
gestartet. Sieben Bieterkonsortien gaben bis zum 30. Juli
2001 fristgerecht Teilnahmeanträge ab. Vier Bieterkonsortien erfüllten die Voraussetzung für die weitere Teilnahme am Verfahren. Am 4. September 2001 wurden die
zuvor von Minister Scharping gebilligten Ausschreibungsunterlagen an diese vier Bieter übergeben. Zum
Ende der Angebotsphase gaben zwei Bieterkonsortien
frist- und formgerecht Angebotsunterlagen ab. Beide Angebote wurden als verhandlungsfähig beurteilt. Auf dieser
Basis wird seit dem 11. März 2002 mit beiden Bietern verhandelt.
Was die Frage bezüglich der Mitarbeiter betrifft: Die
bisher von der Bundeswehr wahrgenommenen Aufgaben
sind auch zukünftig mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundeswehr abzudecken, die diese Aufgaben
zum Zeitpunkt der Gründung der privatwirtschaftlichen
IT-Gesellschaften wahrgenommen haben.
Herr Kollege Nolting
zu einer Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, haben beide Konsortien eine Garantie gegeben, die
Mitarbeiter zu übernehmen? Wie haben sich die Konsortien zur Beteiligung mittelständischer Unternehmen
geäußert?
Herr Kollege Nolting, dies sind
Fragen, die noch zu klären sind. Natürlich sollen sie so
wirtschaftlich wie möglich handeln. Wir wollen ihnen
auch einen gewissen Freiraum geben, vor allen Dingen
wenn wir dem privaten Anbieterkonsortium die Mehrheit
übertragen würden.
Unser Interesse ist - dies ist so auch ausgeschrieben
worden -, dass mittelständische Unternehmen beteiligt
werden. Unser Interesse ist aber auch, dass unsere Mitarbeiter, die bislang in diesem Bereich tätig waren, eine
Chance bekommen. Sie wissen aber selbst, wie schnell der
technische Fortschritt auf diesem Gebiet voranschreitet.
Wer sich am Ende daran beteiligen kann und welche
unserer Mitarbeiter weiter beschäftigt werden, hängt
natürlich vom Abschluss der Verhandlungen ab. Ich gehe
davon aus, dass mittelständische Subunternehmer beteiligt werden, dass Aufträge auch speziell an diese vergeben
werden. Ich gehe auch davon aus, dass die Mehrheit unserer Mitarbeiter eine Chance hat, dort mitzuarbeiten.
Nachfrage Nummer
zwei, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich habe eine Frage zum IT-Netzwerk: Plant die
Bundesregierung ein eigenständiges, bundeswehrinternes
IT-Netzwerk und können beide Konsortien zusichern, ein
eigenständiges IT-Netzwerk herzustellen?
Habe ich nicht eben gesagt,
dass wir noch in den Verhandlungen sind?
({0})
Ich sehe, dass Sie über einige Dinge gut informiert sind.
Es muss noch entschieden werden.
({1})
- Ja, aber dies ist eine Frage der Entscheidung.
Ich rufe jetzt die Frage 11 des Abgeordneten Dr. Michael Luther auf:
Kann die Bundesregierung die Information des MDR-Inforadios vom 1. März 2002, dass nach dem Jahresbericht 2001 des
Beauftragten für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur der Bundeswehr die Kreiswehrersatzämter bei der Rekrutierung von Wehrdienstleistenden den „Bodensatz der Gesellschaft“
einkaufen, bestätigen?
Herr Kollege Dr. Luther, die
Bundesregierung kann diese Information des MDR-Inforadios vom 1. März 2002 überhaupt nicht bestätigen.
Dazu gibt es natürlich
eine Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Luther.
Frau Staatssekretärin, dies überrascht mich natürlich etwas. Ich habe mich
bei der Redaktion kundig gemacht. Dieser liegt der Jahresbericht 2001 des Beauftragten für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur vor. Ich selber kenne ihn
leider nicht. Er ist offensichtlich vertraulich. Man hat aber
daraus zitiert, und zwar, dass die Kreiswehrersatzämter
den „Bodensatz der Gesellschaft“ einkaufen würden.
Wenn Sie sagen, dies stehe darin nicht, würde ich Sie bitten, mir diesen Bericht zukommen zu lassen oder mich ihn
einsehen zu lassen, damit ich mich davon überzeugen
kann. Sehen Sie dazu eine Möglichkeit?
Herr Dr. Luther, der Beauftragte hat in dem Bericht Gespräche mit Soldaten wiedergegeben. Nicht nur ich war über die angesprochene Aussage sehr verwundert bis entsetzt. Darüber hinaus hat die
Abteilung Wehrbereichsverwaltung im BMVg ihn gebeten, die Einheiten bzw. Kommandeure zu nennen, die eine
solche Behauptung aufgestellt haben. Das ist bis heute
nicht geschehen. Ich fand es erschütternd, dieses Zitat in
dem Bericht zu lesen. Darin zeigt sich eine menschenverachtende Haltung. Im Rahmen der Beantwortung der
nächsten Frage werde ich erläutern, dass dies überhaupt
nicht zutreffen kann.
Wir möchten wissen, welche Kreiswehrersatzämter
möglicherweise kritisiert werden. Dazu muss gesagt werden, wo diese Leute anzutreffen sind, wenn dies so wäre.
An der Beantwortung dieser Fragen wird noch gearbeitet.
Wir haben noch keine Antwort darauf.
Herr Kollege Luther,
bitte.
Meine zweite Nachfrage: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass in dem
Bericht tatsächlich solche Äußerungen stehen? Offenbar
habe ich Sie am Anfang falsch verstanden.
Der Beauftragte für Erziehung und
Ausbildung beruft sich auf Aussagen von Soldaten, mit denen er gesprochen hat. Er führt eine große Zahl von Besprechungen durch. Dies ist auch seine Aufgabe. In diesem Zusammenhang ist ihm gegenüber das, was Sie zitiert haben,
geäußert worden. Dieses Zitat hat uns erschüttert. In dem Bericht heißt es sogar auch noch: „Quote statt Qualität“.
Ich war übrigens gestern bei Werbeaktionen in Brandenburg. Ich kann dies alles nicht bestätigen. Wir haben
dazu gesagt: Hier wird ein schwerer Vorwurf erhoben.
Daher möchten wir gern wissen, auf welche Kreiswehrersatzämter sich diese Beurteilung bezieht. Zusätzlich
möchten wir gerne wissen, ob das vielleicht die Einberufungspraxis eines speziellen Kreiswehrersatzamtes ist.
Man muss auch wissen, welche Verbände diese Erfahrungen gemacht haben. Bis zum heutigen Tag haben wir darauf keine Antworten.
Herr Kollege von
Klaeden.
Frau Staatssekretärin, ist es richtig, dass die angesprochene Aussage Bestandteil des Berichtes ist?
Es ist ein Zitat. Das bedeutet
aber nicht, dass sich der Beauftragte dieses zu Eigen
macht.
Das habe ich auch
nicht behauptet.
({0})
- Herr Kollege Zumkley, das habe ich mit meiner Frage
überhaupt nicht unterstellt.
({1})
- Nein, das ist nicht wahr. - Meine Frage ist lediglich, ob
dieses Zitat - ich bin ausdrücklich bereit, von einem Zitat
und nicht von einer Aussage zu sprechen - Bestandteil des
Berichtes ist.
Ich glaube, dass ich das vorhin
nicht geleugnet habe. Wir kennen den Bericht und das, was
in der Öffentlichkeit inzwischen bekannt geworden ist. Ich
teile den Bericht in der Form überhaupt nicht. Ich glaube,
das habe ich auch hier schon deutlich genug gesagt.
Das Zitat ist in dem Bericht übernommen worden. Ich
glaube, dass dieser inzwischen auch den Kolleginnen und
Kollegen vorliegt. Wir sind der Auffassung: Das ist in unserer Gesellschaft völlig unpassend. Es handelt sich,
wenn man von „Bodensatz“ spricht, um eine Diffamierung von Menschen. Das entspricht in keiner Weise dem
Führungsverhalten, das wir erwarten. Man könnte Freiwillige, die ungeeignet sind, nämlich auch zurückschicken. Ich meine, dass wir alle - als Parlament - eine
solche Aussage nicht billigen können.
({0})
Es gibt eine Zusatzfrage des Kollegen Jörg van Essen.
Frau Staatssekretärin, Sie
stimmen mir sicherlich zu, dass der Bericht davon lebt,
dass authentische Äußerungen der Truppe auch an die
Spitze des Hauses gelangen, weil sie nur auf diese Weise
einen Blick dafür bekommt, wie in der Truppe tatsächlich
gedacht wird.
Ich bin deshalb außerordentlich erschrocken und frage
Sie, weil jetzt nachgeforscht wird, wer bestimmte kritische Äußerungen abgegeben hat: Haben Sie nicht das
Gefühl, dass Sie damit diese wichtige Quelle kritischer
Informationen verstopfen, weil all diejenigen, die das mitbekommen, in Zukunft Angst haben, dass sie gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen werden oder sonstige
dienstliche Nachteile zu erwarten haben? Dieses Ergebnis
würde ich jedenfalls für katastrophal halten.
Die Freiheit der Meinungsäußerung sollte nicht dazu führen, dass Leute sagen, dass
bei den Kreiswehrersatzämtern eher „der Bodensatz der
Gesellschaft“ eingekauft wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Liberaler akzeptiert, dass vom „Bodensatz
der Gesellschaft“ gesprochen wird.
({0})
- Wer so etwas aufschreibt, muss sich auch gefallen lassen, dass nachgefragt wird.
Diese Form des Umgangs billige ich bei den Streitkräften nicht. Das hat mit Menschenführung überhaupt
nichts zu tun. Wer so etwas sagt, muss auch dazu stehen.
Das gilt vor allen Dingen, wenn es sich um einen Soldaten handelt, der offensichtlich Untergebene beurteilt und
damit auch eine Meinung zu diesen Soldaten abgibt. Es
kann sich ja nur um einen Ausbilder oder einen Vorgesetzten handeln. Das ist nicht meine Vorstellung von der
Bundeswehr.
({1})
Es gibt noch eine Zusatzfrage, und zwar des Kollegen Dirk Niebel.
Frau Staatssekretärin, selbstverständlich kann sich kein Liberaler mit dieser Äußerung
zufrieden geben.
Ich möchte einmal nachfragen, ob Sie nicht zumindest
die Gefahr befürchten, dass die Bereitschaft der Soldatinnen
und Soldaten, ungeschminkt ihre Meinungen kundzutun,
die auch für politische Entscheidungen irgendwann einmal
wichtig sein könnten, dadurch eingeschränkt wird, dass
nachgeforscht wird, wo die Quelle dieser Äußerung liegt.
Herr Kollege, ich werde gleich
die zweite Frage des Kollegen Luther beantworten. Dann
werden Sie sehen, dass es nicht den geringsten Grund für
diese Ausführungen gibt. Es ist schon erschütternd, dass
jemand, der Führungsfunktionen übernommen hat, das
von sich gibt.
({0})
- Ich werde sie im Rahmen meiner Antwort auf die zweite
Frage des Kollegen Luther ebenfalls beantworten.
Ich rufe die Frage 12
des Kollegen Dr. Michael Luther auf:
Welche Schul- und Berufsabschlüsse bzw. welche anderen
oder weiterführenden Graduierungen haben die Wehrdienstleistenden beim Eintritt in die Bundeswehr?
Herr Kollege Luther, die
Schulbildung der im Jahre 2001 zum Grundwehrdienst
einschließlich freiwilligem zusätzlichen Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen stellt sich wie folgt dar: Sonderschulabschluss: 953 oder 0,8 Prozent, Hauptschule
ohne Abschluss: 5 131 oder 4,1 Prozent, Hauptschule mit
Abschluss: 33 027 oder 26,3 Prozent, mittlere Reife:
49 272 oder 39,2 Prozent, Abitur oder Fachhochschulreife: 37 144 oder 29,5 Prozent, abgeschlossene Fachhochschul- oder Universitätsausbildung: 150 oder 0,1 Prozent.
Das heißt, von den im Jahr 2001 insgesamt eingezogenen Grundwehrdienstleistenden einschließlich der
zusätzlich freiwillig Wehrdienstleistenden - das ergibt
eine Summe von 125 708 - haben mehr als zwei Drittel
entweder mittlere Reife, Abitur bzw. Fachhochschulreife
oder eine darüber hinausgehende Ausbildung. Deswegen
verstehen Sie sicherlich, dass ich mich angesichts dieser
Zahlen über das Zitat sehr gewundert habe.
Herr Kollege Luther,
Ihre erste Nachfrage bitte.
Frau Staatssekretärin, mein Problem ist, dass nur diese eine Aussage veröffentlicht worden ist. Wenn man diesen Bericht liest,
muss man zu dem Ergebnis kommen, dass diese Aussage
der Wahrheit entspricht.
Wäre es nicht besser gewesen, dass diesem Bericht Ihre
Aussage - es ist sehr wichtig, dass sie in die Öffentlichkeit
gelangt - hinzugefügt wird? Dadurch würde dieser einzelnen Aussage eine andere gegenübergestellt, sodass es insgesamt zu einem Bild kommt, das der Öffentlichkeit vermittelt werden kann. Dieser Bericht ist zwar an und für sich
vertraulich, aber Sie sehen, dass in unserer Gesellschaft alles offen und jede Information zugänglich ist. Ich habe
diese Aussage von einem Bürger mitgeteilt bekommen.
Herr Dr. Luther, ich teile Ihre
Meinung. Gerade weil man damit rechnen muss, dass
selbst interne Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, muss man als Verantwortlicher darauf achten, in welchem Kontext diese Information steht. Da ein solches aus
dem Zusammenhang gerissenes Zitat mit Recht zu einer
Anfrage bei Ihnen führt, habe ich Ihnen auf diese Frage so
ausführlich geantwortet.
Deswegen ist es auch meine Meinung, dass es richtig
ist, nachzufragen, wer so etwas entgegen unseren Zahlen
behauptet. Abgesehen davon entspricht es weder meinem
noch Ihrem noch dem Menschenbild anderer Kollegen,
vom „Bodensatz der Gesellschaft“ zu sprechen. Es ist
richtig: Ein Beauftragter, der eine solche Formulierung
aufnimmt, muss daran denken, dass sie sich verselbstständigt. Ich denke, er würde es sich gut überlegen, bevor
er so etwas ein zweites Mal aufschreibt. Auch ich war
überrascht, als ich das las, und kann es nicht verstehen.
Herr Kollege Luther,
Ihre zweite Nachfrage.
Da sich Bürger
diesbezüglich bei mir gemeldet hatten und ich ihnen gerne
das Ergebnis der ganzen Bemühungen mitteilen möchte,
Sie aber gesagt haben, Sie seien noch bei der Untersuchung des Sachverhaltes: Sind Sie bereit, mich zu gegebener Zeit darüber zu informieren, welche Maßnahmen
ergriffen worden sind?
In diesem Fall bin ich weniger
streng. Wenn man von einer solchen Sache erfährt, will
man wissen, ob sie stimmt. Es kann sein, dass in einem
Kreiswehrersatzamt eine Auswahl getroffen worden ist,
die wir nicht nachvollziehen können, was ich mir aber
nicht vorstellen kann. Auch kann es passieren, dass ein
Vorgesetzter solche Erfahrungen gemacht hat. Das sollte
man nicht in der Öffentlichkeit verbreiten. Das gehört zur
Menschenführung. Es einfach stehen zu lassen und als Zitat aufzunehmen, verlangt in diesem Fall, die Grundlagen
einzusehen. Ich bin gerne bereit, Ihnen in einem persönlichen Gespräch etwas dazu zu sagen.
Es gibt noch eine
Nachfrage vom Kollegen Zumkley.
Frau Staatssekretärin, teilen
Sie meine Auffassung, dass subjektive Meinungsäußerungen nicht immer der Wirklichkeit entsprechen und dass es
sehr problematisch sein kann, daraus Rückschlüsse zu
ziehen?
Teilen Sie weiterhin meine Auffassung, dass durch die
Durchstechereien und Indiskretionen des Berichtes des
Beauftragten für Erziehung und Ausbildung das Vertrauensverhältnis, das zwischen den befragten Soldaten und
dem Beauftragten für Erziehung und Ausbildung besteht,
für weitere Berichte empfindlich gestört worden ist und
dass wir alles tun müssen, solche Durchstechereien auch
bei uns zu verhindern, indem wir diese Berichte nicht als
„Hehlerware“ für die eigene politische Auseinandersetzung benutzen?
Kollege Zumkley, Ihre Meinung teile ich ausdrücklich. Aber ich bin realistisch genug,
zu erkennen, dass solche Informationen doch das Licht der
Öffentlichkeit erblicken. Deswegen sollte ein Verantwortlicher bei der Wahl solcher Aussagen - ich beginne bei
demjenigen, der dies gesagt hat - sehr behutsam sein, weil
dies eine menschliche Einschätzung ist. Derjenige, der das
aufschreibt, muss wissen, dass sich so etwas verselbstständigt. Deswegen haben wir uns um den „Staatsbürger in
Uniform“ bemüht, deswegen haben wir das System der inneren Führung eingeführt. Ich wünsche mir, dass man mit
solchen Dingen etwas behutsamer umgeht.
Herr von Klaeden,
bitte.
Frau Staatssekretärin, um den Beauftragten für Erziehung und Ausbildung
beim Generalinspekteur in Schutz zu nehmen, möchte ich
fragen: Sind Sie tatsächlich der Ansicht, dass der Verfasser
eines internen Berichts bei dessen Veröffentlichung mit einem nicht rechtmäßigen Vorgang rechnen muss? Ich teile
ausdrücklich die Sorge des Kollegen van Essen, dass es
sich auf die Qualität des Berichtes auswirken würde
- das, was Kollege Zumkley gesagt hat, zugestanden -,
wenn jeder, der einen internen, vertraulichen Bericht verfasst, damit rechnen muss, dass dieser veröffentlicht wird.
Dieser Eindruck entstand bei mir angesichts Ihrer Antwort.
In diesem Fall wäre die Qualität der Berichte nicht mehr
gegeben und man könnte nichts mehr mit ihnen anfangen.
Meine Vorstellung ist, dass solche Sätze in einem solchen Bericht nicht stehen dürfen;
das sage ich mit aller Deutlichkeit. Meine Vorstellung ist
umgekehrt, dass wir, was das Instrument der Offenheit betrifft, uns bestimmten Spielregeln unterwerfen. Das ist
meine Vorstellung von einem Menschenbild in dieser Gesellschaft. Ansonsten bin ich relativ gelassen. Wenn man
erfährt, dass es keinen Hintergrund für die zitierte Bewertung gibt, sondern dass es eine Rede aus dem Bauch war,
dann soll richtig gestellt werden, dass es eine Rede aus
dem Bauch war. Dann ist das Thema erledigt.
Herr Kollege van
Essen hat das Wort zu einer Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ich
kann mich an eine Äußerung von Ihnen erinnern, als Sie
noch Oppositionsabgeordnete waren, wonach wir mehr
Generale mit Mut bräuchten. Teilen Sie meine Auffassung, dass wir froh sein können, dass es Generale wie General Löchel gibt, der den Mut hat, kritische Dinge an die
Führung heranzutragen? Ich persönlich würde mir mehr
dieser Generale wünschen.
Ich bin ausdrücklich für Generale mit Mut, und zwar auch heute noch. Ich würde die Arbeit von Herrn Löchel nicht nach diesem Zitat beurteilen.
Ich bin aber der Meinung, dass jemand, der mit Erziehung
und Ausbildung zu tun hat, behutsam darauf zu achten hat,
was er sagt. Er ist nicht sakrosant.
({0})
Die Frage 13 des Kollegen Hans Raidel wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Frage 14 des Kollegen Werner
Siemann auf:
Wie viele Offiziere und Unteroffiziere - bitte Dienstgrade getrennt aufführen - erfüllen die formalen Voraussetzungen für eine
vorzeitige Zurruhesetzung und wie viele von diesen sind in den
vergangenen Wochen angeschrieben worden?
Herr Kollege Siemann, in der
Laufzeit des Gesetzes - bis zum Ende des Jahres 2006 erfüllen rund 15 200 Offiziere und Unteroffiziere die formalen Voraussetzungen für eine vorzeitige Zurruhesetzung. Davon sind in den letzten Wochen 9 125 Soldaten
angeschrieben worden, die zu dem Personenkreis gehören, aus dem in den Jahren 2002 und 2003 vorzeitige Zurruhesetzungen stattfinden können. Die übrigen Soldaten
sollen jahrgangsweise in den folgenden Jahren angeschrieben werden.
Die Aufteilung auf die Dienstgrade und Stellung der
Soldaten stellt sich mit Stand vom 13. März 2002 wie
folgt dar: Von den infrage kommenden Soldaten sind
4 638 Soldaten des Truppendienstes, 1 842 Offiziere des
militärfachlichen Dienstes und 2 645 Berufsunteroffiziere befragt worden. Das ergibt zusammen die Zahl von
9 125 Soldaten.
({0})
Ich rufe nun die
Frage 15 des Kollegen Werner Siemann auf:
Wie viele der angeschriebenen Soldaten haben derzeit kein
Interesse bzw. haben ihr grundsätzliches Interesse an einer vorzeitigen Zurruhesetzung bekundet, verzichten aber auf die Einhaltung der Frist von drei Monaten zwischen der Entscheidung
und der Beendigung ihres Dienstverhältnisses, und welche Erwägungen, neben der der dienstlichen Abkömmlichkeit, werden in
die Prüfung, ob eine vorzeitige Zurruhesetzung erfolgen kann, mit
einbezogen?
Herr Kollege Siemann, Sie haben dann viermal die
Möglichkeit zu einer Nachfrage.
Rund 96 Prozent der angeschriebenen Soldaten haben geantwortet. 3 678 zeigten
kein Interesse. 5 051 prüfen für sich eine vorzeitige Zurruhesetzung. Gründe für eine vorzeitige Zurruhesetzung
können nur militärische Belange sein, zum Beispiel die
Auflösung eines Verbandes. Persönliche Wünsche nach
einer vorzeitigen Zurruhesetzung können im Einklang mit
den dienstlichen Belangen und der persönlichen Situation
Berücksichtigung finden.
Zu einer ersten Zusatzfrage der Kollege Siemann, bitte.
Ist die Hardthöhe
über den vielfach vorgetragenen Wunsch - der Anteil beträgt mehr als 50 Prozent -, vorzeitig aus dem Dienst entlassen zu werden, überrascht?
Nein. Die Betreffenden haben
uns geantwortet, dass sie die vorzeitige Zurruhesetzung für
sich prüfen lassen. Letztlich wird es von den Bedingungen
abhängen. Damit ist nicht gesagt, dass die Soldaten alle gehen wollen. Wenn ein Verband aufgelöst wird - Sie wissen, wie viele Verbände aufgelöst werden -, lassen die Soldaten das für sich prüfen und sagen: Es kommt darauf an,
was ihr in der Zukunft mit mir vorhabt. - Ich halte das für
einen völlig normalen Vorgang.
Haben Sie einen
Überblick über die Qualifikationen derjenigen, die pensioniert werden wollen? Handelt es sich bei ihnen um die
besser Qualifizierten?
({0})
Ich war schon im Bundestag,
als es den berühmten „goldenen Handschlag“ von Herrn
Wörner gab. Damals haben wir eine heftige Diskussion
darüber geführt, ob alle, die den Wunsch haben, gehen
können, wenn es die Belange erlauben, bzw. je nachdem,
wie es sich in militärischer Hinsicht ergibt. Seinerzeit hat
es beides gegeben, wie es auch jetzt beides gibt: Es gibt
Leute mit einer hervorragenden Qualifikation, die sich
ausrechnen können, dass sie noch eine andere Aufgabe
wahrnehmen können, und es gibt sicherlich auch Leute,
die sich sagen: Ich habe dem Vaterland lange genug gedient; jetzt bin ich ganz froh, wenn ich Ruhe bekomme. Die Frage kann aus dieser Sicht nicht beantwortet werden.
Ich würde das auch nicht empfehlen; man sollte vielmehr
darauf achten, welche Belange zu berücksichtigen sind.
Frau Staatssekretärin,
wie beurteilt die Bundesregierung die folgende Antwort
auf den Wunsch eines angeschriebenen Soldaten, der einer vorzeitigen Zurruhesetzung zugestimmt hat - ich zitiere -:
Eine abschließende Klärung ist zum gegenwärtigen
Zeitpunkt leider noch nicht möglich. Ich werde mich
erneut, gegebenenfalls erst in den nächsten Jahren,
an Sie wenden, sobald sich an diesem Sachverhalt etwas geändert hat.
Inwiefern soll Ihrer Meinung nach auf dieser Grundlage die
oft beschworene Planungssicherheit für Soldaten gelten?
Die Planungssicherheit, zu
günstigen Bedingungen vorzeitig in den Ruhestand gehen
zu können, können wir angesichts der finanziellen Lage
natürlich nicht jedem bieten. Das würde auch nicht nur für
die Soldaten gelten, sondern es gibt eine bestimmte
Quote, die sich an den genannten Bedingungen orientieren muss. Insoweit ist die Antwort völlig korrekt.
Es ist also in der Tat
so, dass Sie den Leuten, die Interesse haben zu gehen,
schreiben: In den nächsten Jahren melden wir uns wieder?
Nein, das ist nicht der Fall.
Darin stimme ich Ihnen zu. Das zeigen Sie mir nachher
bitte einmal.
Ich lasse Ihnen das
Schreiben zukommen. Dann können Sie das überprüfen.
Das gehört sich nämlich wirklich nicht. Da bin ich Ihrer Meinung.
Der Dialog hat in
Eigenregie geklappt.
Es gibt noch eine Nachfrage des Kollegen Zumkley.
Frau Staatssekretärin, können
Sie bestätigen, dass das Personalamt der Bundeswehr
durchaus froh darüber war, dass sich mindestens 3 000 oder
sogar mehr Personen bereit erklärt haben, vorzeitig in den
Ruhestand zu treten? Denn es gab Befürchtungen, dass die
Zahl nicht erreicht wird. Können Sie bestätigen, dass zur
Umsetzung der Bundeswehrreform eine solche vorzeitige
Zurruhesetzung, die im öffentlichen Dienst insgesamt systemwidrig ist, sehr positiv zu bewerten und auch notwendig ist?
Herr Kollege Zumkley, ich
darf Sie daran erinnern, dass die Länder zum Teil ebenfalls so etwas möchten und dass der Bund dies bislang abgelehnt hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die
Initiative von Nordrhein-Westfalen und anderen.
Es ist in der Tat eine besondere Situation. Für die Soldaten besteht bekanntlich hinsichtlich der Zahlen eine
nicht geeignete Schichtung. In der Vergangenheit sind
Menschen gegangen, die wir gern noch länger behalten
hätten. Andere sind geblieben, weil ihre Perspektiven im
Zivilberuf schlechter geworden wären.
Ich halte das für zweischneidig. Auf der einen Seite
halte ich es für gut, dass es Leute gibt, die sich auch noch
etwas anderes vorstellen können. Auf der anderen Seite
halte ich die Entscheidung darüber, wen wir gehen lassen
und wen nicht, dann aber für schwieriger. Hätten sich weniger gemeldet, hätte man mit Ausnahme von Einzelfällen, bei denen wir auf keinen Fall wollen, dass sie gehen,
dem Wunsch nachkommen können. Bei der jetzt bestehenden Entscheidungsmöglichkeit wird sicherlich der
eine oder andere fragen, warum wir ihn nicht gehen lassen; er könne bei seiner Frau im Geschäft einsteigen oder
Ähnliches. Es hat also alles zwei Seiten.
Ich halte es auf jeden Fall für positiv, dass die Soldaten
geantwortet haben und eine vorzeitige Zurruhesetzung für
sich prüfen lassen wollen - mehr können wir ihnen im
Moment schließlich nicht anbieten -, sodass wir eine
Auswahl treffen können. Das ist für uns wichtig.
Danke schön, Frau
Staatsekretärin.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur
Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Stephan Hilsberg zur Verfügung.
Die Fragen 16 und 17 werden schriftlich beanwortet.
Ich rufe jetzt die Frage 18 des Kollegen Eduard Lintner
auf:
Wie wird die Ankündigung des Bundeskanzlers, Gerhard
Schröder, dass die Schienenneubaustrecke von Nürnberg über
Bamberg nach Erfurt jetzt gebaut werden soll - vergleiche „Süddeutsche Zeitung“ vom 13. März 2002 -, konkret in die Tat umgesetzt und wann soll mit dem Weiterbau begonnen werden?
Sehr geehrter Herr Kollege Lintner, aufgrund der Aufhebung des
Baustopps durch Bundeskanzler Gerhard Schröder besteht nunmehr die Möglichkeit, die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Berlin nach Nürnberg unter Einsatz der
in den nächsten Jahren zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für die Schienenwege des Bundes zu bauen.
Die hierzu erforderlichen Abstimmungen zum konkreten
Ablauf des Weiterbaus werden derzeit mit der Deutschen
Bahn AG herbeigeführt.
Erste Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Lintner.
Herr Kollege Hilsberg,
sind Sie mit mir der Meinung, dass die bloße Ankündigung des Bundeskanzlers noch keinen Stein bewegt, sondern dass dazu die notwendigen Mittel bereitgestellt und
die Planungen vorangetrieben werden müssen? Wann
sind Mittel zum Weiterbau konkret eingeplant?
Sehr geehrter Herr Lintner, mit unserem Zukunftsprogramm
„Mobilität“, das vom Kabinett Anfang März verabschiedet wurde und ein umfangreiches Investitionsvorhaben
für dieses Jahrzehnt - der Schwerpunkt wurde auf die
neuen Länder gelegt - vorsieht, besteht Finanzierungssicherheit für einige neue Projekte, die, wie die Projekte
VDE 8.1 und 8.2 in Rede gestanden haben.
Für Projekte VDE 8.1 und 8.2 ist 1999 ein Baustopp
verhängt worden. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen musste das Projekt aufgrund veränderter Verkehrsprognosezahlen neu untersucht werden. Dies ist geschehen. Zum anderen konnte angesichts der desolaten
Finanzsituation des Bundes, welche nicht unsere Regierung, sondern die Vorgängerregierung zu verantworten
hatte, das große VDE-Projekt Hochgeschwindigkeitsstrecke nicht finanziert werden.
Eine Konsolidierung des Haushalts war dringend notwendig. In den letzten beiden Jahren wurde sie erfolgreich
in Angriff genommen. Dadurch besteht der Finanzierungsengpass für die Hochgeschwindigkeitsstrecke nun
nicht mehr. Zwangsläufig - das liegt in der Logik der Sache - ist der Baustopp für dieses Projekt nach positiven
Untersuchungsergebnissen durch den Bundeskanzler
selbst aufgehoben worden. Dies war die wichtigste Voraussetzung, um jetzt alle Maßnahmen, die rein technischer Natur sind, so schnell wie möglich einzuleiten. Wir
haben umgehend mit den Vorbereitungen begonnen, um
dieses Bauprojekt wieder in Angriff nehmen zu können.
Im Übrigen darf ich Sie über ein Detail informieren: Es
gibt bereits eine ganze Reihe von Baumaßnahmen. Dabei
handelt es sich um Kreuzungsmaßnahmen und um Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Baurechts. Sie können
also schon feststellen, dass derzeit an dem Hochgeschwindigkeitsprojekt gearbeitet wird.
Eine zweite Nachfrage.
Herr Kollege Hilsberg,
bedeutet das konkret, dass die Einwände, die gegen die
Fortführung dieser Schnellbahnstrecke erhoben worden
sind - sie waren in erster Linie nicht finanzieller Natur;
sie liefen vielmehr darauf hinaus, dass es verkehrspolitisch sinnvoller sei, die Strecke entlang dem Saaletal auszubauen -, nicht mehr erhoben werden, und zwar von keiner Koalitionspartei?
Das
heißt konkret, dass diese Einwände einer Überprüfung unterzogen wurden. Im Rahmen dieser Überprüfung kam
man zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Trassenführung im Rahmen der Projekte VDE 8.1 und von 8.2 die
beste ist. Im Übrigen besteht für diese Trasse, abgesehen
von Abschnitten der Ausbaustrecke nördlich von Nürnberg, Baurecht. Das Planfeststellungsverfahren ist durchgeführt worden. Von daher gibt es gegen die Fortsetzung
der Baumaßnahmen rechtlich gesehen keinen Einwand.
Herr Kollege
Michelbach hat eine Nachfrage.
Herr Staatsekretär,
erlauben Sie mir eine Zusatzfrage. Sie sagen, dass der
Konsolidierungsweg beschritten worden sei und der Finanzierungsengpass überwunden sei. Steht diese Aussage
nicht in völligem Widerspruch zu der Zusage, die der
Bundesfinanzminister der EU-Kommission gegenüber
machen musste, damit Deutschland keinen blauen Brief
bekam, nämlich bis zum Jahr 2004 40 Milliarden Euro
einzusparen und so die Defizitquote zu senken? Das passt
doch nicht zusammen.
Sehr geehrter Herr Michelbach, wie Sie wissen, gehört unser
Bundesfinanzminister dem Kabinett an. Der Beschluss
zum Zukunftsinvestitionsprogramm „Mobilität“, das mit
über 90 Milliarden Euro ausgestattet ist, ist unter seinem
Mitwirken zustande gekommen.
({0})
Ich rufe nun die Frage
19 des Kollegen Eduard Lintner auf:
Welche zeitlichen und örtlichen Vorstellungen hat die Bundesregierung für den Weiterbau und in welchen Tranchen soll die
Finanzierung erfolgen?
Herr
Kollege Lintner, der Weiterbau soll unverzüglich erfolgen. Konkrete Aussagen zu den zeitlichen und örtlichen
Vorstellungen sowie zu den Tranchen der Finanzierung
können angesichts der noch laufenden Abstimmung mit
der Deutschen Bahn AG von der Bundesregierung zum
gegenwärtigen Zeitpunkt nicht getroffen werden.
Kollege Hilsberg, angesichts der schon an anderer Stelle geführten Debatte
über die Frage, ob Vorlagen haushaltsrechtlich korrekt
sind und ob Ankündigungen in ausreichendem Maße finanziell abgesichert sind, frage ich Sie: Halten Sie es nicht
für einen Widerspruch, wenn Sie einerseits ankündigen,
der Weiterbau solle unverzüglich erfolgen, andererseits
aber hinzufügen, Sie könnten über die Finanzierung noch
nichts Genaues sagen?
({0})
Wenn
Sie informiert sind - davon gehe ich aus -, wie die Vergabe von großen Aufträgen im Baugeschäft abläuft, wie
lange die Ausschreibungszeiten sind und wie schwierig es
ist - das betrifft unsere jetzige Aufgabe -, Finanzierungsvereinbarungen mit der DB AG herbeizuführen bzw. zu
erneuern, dann wissen Sie ganz genau, dass uns der Zeitraum, der uns für unsere Entscheidungen zur Verfügung
steht, auf keinen Fall in Schwierigkeiten mit dem Haushaltsrecht bringen wird.
Herr Kollege Hilsberg,
bedeutet das also - da für das vierte Quartal des Jahres
2003 noch keine entsprechenden Vorkehrungen im Haushalt getroffen worden sind -, dass frühestens im Haushalt
2004 mit einer finanziell seriösen Unterfütterung des Versprechens des Bundeskanzlers, dass mit dem Bau der
Strecke von Nürnberg über Bamberg nach Erfurt sofort
begonnen werde, gerechnet werden kann?
Herr
Lintner, das bedeutet es nicht. Wie Sie wissen, ist über den
Haushalt für das Jahr 2003 noch nicht beraten worden.
Sie, der Bundestag, sind diejenigen, die über den Haushalt
zu entscheiden haben. Ich versichere Ihnen, es werden
entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.
Jetzt hat der Kollege
Michelbach eine Nachfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie behaupten, dass das Zukunftsinvestitionsprogramm
„Mobilität“, das mit 90 Milliarden Euro ausgestattet ist,
die finanzielle Grundlage für die Zusage des Kanzlers sei.
Wenn dem so ist, stellt sich die Frage: Warum ist dann in
der mittelfristigen Finanzplanung ein solcher Betrag für
die notwendigen Verkehrsausbaumaßnahmen nicht eingestellt? Sind die Ankündigung des Bundeskanzlers und
Ihre Aussage über das 90-Milliarden-Euro-Programm
nicht so lange als leere Versprechungen anzusehen, wie es
für sie keine Haushaltsgrundlage gibt?
Herr
Michelbach, wie Sie wissen, darf man den zweiten Schritt
nicht vor dem ersten tun. Der erste Schritt war: Wir haben
die notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen im Bundeshaushalt eingeleitet, damit die Investitionstätigkeit auf
ein befriedigendes und den verkehrlichen Bedürfnissen
entsprechendes Niveau angehoben werden konnte. Die
Mittel für einige Maßnahmen haben im Haushalt 2001
Rekordniveau erreicht. Sie waren in der mittelfristigen Finanzplanung, der alten Regierung nicht berücksichtigt
worden.
Der Bundeskanzler hat deutlich gemacht, dass es den finanziellen Spielraum gibt, um die notwendigen verkehrlichen Infrastrukturmaßnahmen in Deutschland realisieren zu
können. Wir werden zusammen mit dem Bundestag die entsprechenden Mittel einstellen, und zwar - hier können Sie
ganz sicher sein - unter Wahrung der Haushaltsordnung.
({0})
Es gibt noch eine weitere Nachfrage.
Herr Staatssekretär
Hilsberg, Sie haben vorhin gesagt, der Haushalt 2003 sei
noch nicht verabschiedet. Kann man also damit rechnen,
dass für den Bau der Strecke von Nürnberg über Bamberg
nach Erfurt entsprechende Mittel in den Haushalt 2003
eingestellt werden?
Die
notwendigen Vorarbeiten für die Realisierung der Hochgeschwindigkeitsstrecken 8.1 und 8.2 werden jetzt durchgeführt. Dabei geht es insbesondere - das sagte ich Ihnen
bereits - um die Aufnahme von Verhandlungen mit der
Deutschen Bahn AG zur Herbeiführung einer Finanzierungsvereinbarung. Die notwendigen haushaltsmäßigen
Grundlagen dafür werden im Zusammenhang mit dem
Haushaltsplan 2003 geschaffen. Dieser Haushaltsplan ist
in der Erstellungsphase. Es hat noch kein Jahr gegeben, in
dem der Bundeshaushalt vor Ablauf des Herbstes verabschiedet wurde. Sie haben also noch genug Zeit, um im
Plenum über diese Frage zu debattieren.
Sämtliche Fragen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes - das sind die Fragen 20 bis 23 - werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister
Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Wolfgang Gehrcke
auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die im Bericht der „Los Angeles Times“ - Reuters vom 10. März 2002,
14.30 Uhr - erwähnten Planungen der USA, Kernwaffen unter
bestimmten Bedingungen, so auch bei einer überraschenden militärischen Lage, einzusetzen, die Schwelle für einen Atomwaffeneinsatz senken?
Herr Kollege Gehrcke, der Bericht der „Los Angeles Times“ bezieht sich auf eine Studie des US-Verteidigungsministeriums mit dem Titel „Nuclear Posture Review“, die dem US-Kongress am 8. Januar 2002 vorgelegt
wurde. Die Studie ist als geheim eingestuft und in ihrer
Gesamtheit nicht veröffentlicht worden.
Die USA haben die Partner in der NATO über den wesentlichen Inhalt der Studie unterrichtet. Dabei haben sie
hervorgehoben, die bekannte Nuklearstrategie der USA
habe sich nicht geändert; Hauptthema der „NPR“ sei die
angestrebte drastische Reduzierung des US-Kernwaffenarsenals in den kommenden Jahren.
Der amerikanische Außenminister Powell ist am
12. März 2002 bei einer Senatsanhörung auf die „NPR“
eingegangen und hat erklärt, dass die USA die nukleare
Schwelle nicht abgesenkt haben.
Die deutsche Außenpolitik in diesem Bereich ist unverändert. Für die Bundesregierung bleibt die vertraglich
vereinbarte umfassende und verifizierbare Abrüstung
aller Nuklearwaffen zentrales abrüstungspolitisches Ziel.
Dieses Ziel ist im Nichtverbreitungsvertrag verankert.
Somit bleiben die Nuklearmächte, die den Nichtverbreitungsvertrag unterzeichnet haben, also allen voran die
USA und die Russische Föderation, dazu verpflichtet. Die
Bundesrepublik Deutschland ist Nichtnuklearstaat und
hat aus dem Vertragssystem den Anspruch auf Umsetzung
dieser Bestimmung.
Wir begrüßen im Übrigen die Absicht der US-Administration, das amerikanische Nuklearwaffenarsenal weiter zu
reduzieren.
Jetzt kommen wir zur
ersten Nachfrage des Kollegen Gehrcke.
Herr Staatsminister, wir
haben es heute offensichtlich damit, dass alles, was für
politische Strategien, leider auch für militärische Strategien, interessant ist, immer sofort mit dem Stempel „geheim“ versehen wird, obwohl in der Öffentlichkeit darüber geschrieben und berichtet wird.
Der „Los Angeles Times“ war auch zu entnehmen, dass
die Studie vom amerikanischen Verteidigungsminister
Rumsfeld unterschrieben ist. Sie haben das Prozedere erwähnt. Meinen Sie nicht auch, dass die Benennung von
Ländern, gegen die möglicherweise Atomwaffen eingesetzt werden können, wie dies in der Studie der Fall ist,
das internationale Klima nicht gerade günstig gestaltet?
Ich verweise nur darauf, dass die chinesische Regierung
den amerikanischen Botschafter deswegen einbestellt hat.
Herr Gehrcke, die Studie als Ganzes ist geheim. In
der Tat sind aber einige Auszüge, darunter auch die von
Ihnen gerade zitierte Passage, veröffentlicht worden. Darüber hat es eine öffentliche Diskussion gegeben, nicht
nur in den USA, sondern auch international. Eine ganze
Reihe von europäischen und auch deutschen Politikern
hat dazu Stellung genommen. Insbesondere der von Ihnen
gerade genannte Aspekt wurde dabei deutlich kritisiert.
Herr Kollege
Gehrcke, bitte, die zweite Nachfrage.
Herr Staatsminister, wenn
ich mir erlauben darf, das zu sagen: In Ihren Artikeln und
Aufsätzen habe ich Sie schon mutiger erlebt als bei der
Auskunft hier. Das zu bewerten steht mir aber nicht zu;
das müssen Sie selbst tun.
Halten Sie den zeitlichen Zusammenhang zwischen der
Zuleitung der Studie an den amerikanischen Kongress und
den Kriegsführungen in Afghanistan bzw. den Kriegsüberlegungen der USA, was den Irak angeht, für einen Zufall
oder zielt dieser Zusammenhang auf die militärischen,
also kriegerischen Verwicklungen?
Herr Gehrcke, wir müssen zwei Vorgänge unterscheiden: die Zuleitung an den Kongress und die Veröffentlichung. Die Veröffentlichung ist per Indiskretion geschehen. Man kann über die Motive nur spekulieren.
Die Frage 25 der Kollegin Lippmann wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt die Frage 26 des Kollegen Dr. Ilja Seifert
auf:
Wie bewertet die Bundesregierung militärische Planungen des
Pentagons der USA, in denen Russland und China als Ziele für
mögliche Atomschläge aufgelistet sind?
Herr Kollege Seifert, auch wenn in dem öffentlich
bekannt gewordenen Teil der Studie bestimmte Länder im
Rahmen einer sicherheitspolitischen Analyse genannt werden, enthält der NPR nach den Angaben, die die Regierung
der USA gegenüber der NATO gemacht hat, und übrigens
auch nach den Angaben, die Außenminister Powell gegenüber dem Kongress gemacht hat, keine diesbezüglichen
militärischen Planungen, insbesondere keine konkreten
Zielplanungen. Ich verweise hierzu auch auf die öffentlichen Erklärungen der US-Administration, denen zufolge
der NPR solche konkreten Zielplanungen nicht enthält.
Herr Kollege Seifert,
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage, bitte.
Herr Staatsminister, wenn das
so ist - ich muss das jetzt zur Kenntnis nehmen -, wie
kann es dann sein, dass in der Öffentlichkeit ganz andere
Dinge diskutiert werden? Wie kann es sein - ich beziehe
mich auch auf Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen
Gehrcke -, dass die Bundesregierung nach wie vor ein
großes Interesse daran hat und darauf hinarbeitet, die Gesamtzahl der Atomwaffen zu reduzieren bzw. Atomwaffen insgesamt abzuschaffen, obwohl davon die Rede ist,
systematisch ganz neue, relativ kleine Atomwaffen zu
entwickeln, die unterirdische Bunker und Höhlen zerstören sollen? Ist das nicht ein Widerspruch?
Das von Ihnen zitierte Papier enthält auch Aussagen
über so genannte atomare Gefechtsfeldwaffen und über
eventuelle Einsatzszenarien. Die amerikanische Regierung
hat auf Anfragen von Kritikern hin aber deutlich gemacht,
dass es keine konkreten Planungen in dieser Hinsicht gebe.
Eine zweite Nachfrage des Kollegen Seifert.
Können Sie mir den Unterschied zwischen konkreten Planungen, die es nicht gibt,
und Vorplanungen, ähnlichen Studien oder was immer da
veranstaltet wird, nennen?
Im Pentagon, dem amerikanischen Verteidigungsministerium, werden immer wieder strategische Studien
entwickelt, entweder für allgemeine Szenarien oder für
denkbare regionale Szenarien. Man muss aber zwischen
Eventualplanungen und konkreten Einsatzplanungen unterscheiden, die von der amerikanischen Regierung, insbesondere vom Präsidenten, legitimiert sein müssen. Das
ist in diesem Falle noch nicht so weit.
Herr Kollege Lippelt,
auch Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.
Herr Staatsminister, der russische Verteidigungsminister
sagte nach seinem Besuch in Amerika: Solche Planungen
macht das Militär immer; so etwas machen auch wir; das
darf man nicht so ernst nehmen. Haben Sie von dieser Bemerkung gehört?
Einige der Länder, die in diesem Bericht genannt
worden sind, haben darauf sehr kritisch reagiert, auch
wenn sie es, wie Russland, in einen größeren Kontext eingeordnet haben. Russland ist genauso wie wir insbesondere daran interessiert, dass die weit reichenden Reduktionsverpflichtungen im Bereich der strategischen Waffen
eingehalten werden. Dies ist eine Konsequenz der
START-Verhandlungen, die nun endlich in die Praxis umgesetzt werden soll. Es geht um die Reduktion auf 1 700
bis 2 200 Nuklearwaffen. Wir sollten diese außerordentlich deutliche Reduktion hier begrüßen.
Nun stellt der Kollege
Gehrcke noch eine Nachfrage.
Herr Staatsminister, man
lernt ja immer dazu. Man muss folglich so präzise fragen,
dass kein Schlupfloch offen bleibt. Da die Russen jetzt als
Kronzeugen für die Amerikaner herangezogen werden,
möchte ich noch einmal präzise nachfragen: Halten Sie es
nicht für denkbar, dass in der Öffentlichkeit der Gedanke
an einen Einsatz von Atomwaffen im Zusammenhang mit
dem Krieg in Afghanistan oder einem geplanten Krieg im
Irak aufkommen kann, wenn im gleichen Zeitraum, wo im
Krieg in Afghanistan thermobarische Bomben, also ein
neues Waffensystem gegen Höhlen, von den USA eingesetzt werden, dem Kongress ein Bericht zugeleitet wird
- ich hebe auf die Zuleitung und nicht auf die Veröffentlichung ab -, in dem der Einsatz von verkleinerten Atomwaffen gegen solche Höhlensysteme als möglich
beschrieben wird?
Herr Gehrcke, ich stimme Ihnen zu, dass dieser Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen kann. Umso wichtiger ist es ja auch, dass entsprechende kritische Fragen formuliert werden und die amerikanische Seite oder
derjenige, der dafür verantwortlich ist, die Möglichkeit
hat, dies zu interpretieren.
Ich rufe die Frage 27
des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf:
Welche Schritte beabsichtigt die Bundesregierung angesichts
der bekannt gewordenen Planungen der USA zum Einsatz von
Atomwaffen gegenüber ihren Partnern in der NATO zu unternehmen, um einen Verzicht auf den Ersteinsatz von Nuklearwaffen
herbeizuführen?
Herr Kollege Seifert, nach den Angaben der US-Regierung, die uns und den anderen Mitgliedstaaten der
NATO gegenüber gemacht worden sind, gibt es die angeblichen konkreten Planungen, über die wir gerade geredet
haben, nicht. Insoweit muss ich auf die Antworten verweisen, die ich gerade schon gegeben habe.
Herr Kollege Seifert,
bitte.
Wenn ich Ihre vorhergehende
Antwort richtig verstehe, sind Sie regelrecht froh, dass
meine Kolleginnen und Kollegen von der PDS und ich Ihnen diese Fragen stellen, damit Sie öffentlich Aufklärung
betreiben können. In Ihrer Antwort auf meine vorige Frage
sagten Sie, dass es konkrete Planungen, die vom Präsidenten legitimiert sind, noch nicht gebe. Jetzt sagen Sie, dass
es diese Planungen nicht gebe. Es besteht natürlich ein
gewisser Unterschied zwischen „noch nicht“ und „nicht“.
Darf ich davon ausgehen, dass die Menschheit von diesen
neuen Waffen verschont bleibt, oder muss man befürchten,
dass sie in zwei, drei oder fünf Jahren - ich will mich jetzt
nicht auf eine Zahl festlegen - doch da sind?
Herr Kollege Seifert, es gibt sie im Moment nicht.
In die Zukunft schauen kann ich in dieser Angelegenheit
genauso wenig wie Sie.
Zweite Nachfrage des
Kollegen Seifert.
Sie werden sicherlich verstehen, dass mich die von Ihnen gerade gegebene Antwort
nicht besonders glücklich macht. Ich fragte ja danach, was
die Bundesregierung tun will, um ihre Partner in der
NATO dazu zu bringen, Atomwaffen, soweit es geht, ganz
und gar abzuschaffen. Ich finde nämlich, 1 500 oder 2 300
sind immer noch ganz schön viele und damit kann man
immer noch allerhand und viel zu viel Schaden anrichten.
Was wollen Sie also tun, dass der Atomwaffenbestand
weltweit auf null sinkt? Das muss doch das Ziel sein.
Die Bundesregierung unterstützt dieses Ziel nachdrücklich. Das Ziel ist auch im Nichtverbreitungsvertrag
genannt, an den die Atommächte gebunden sind. Wir sind
aber auch der Meinung, dass eine Diskussion über einen
eventuellen Einsatz nuklearer Gefechtsfeldwaffen nicht
fruchtbar ist. Das ist übrigens kein Thema der NATO. Von
daher sind wir als NATO-Partner nicht offiziell zur
Stellungnahme aufgerufen. Vielmehr handelt es sich hierbei um nationale amerikanische Verteidigungspolitik.
Natürlich sind wir auch darüber mit der amerikanischen
Seite im Gespräch; aber unser Einfluss darauf ist natürlich
geringer als auf NATO-Planungen.
({0})
Danke, Herr Staatsminister. Die Fragen 28 und 29 werden schriftlich beantwortet.
Den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern hatten wir vorgezogen, sodass ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen aufrufen kann.
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.
Wir kommen zunächst zur Frage 33 des Abgeordneten
Gerhard Schüßler:
Wie hoch sind in den Veranlagungszeiträumen 2000 und 2001
jeweils die Mindereinnahmen aus der Einkommensteuer, die aus
der Erhöhung des Übungsleiterfreibetrages in § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz ({0}) durch Gesetz vom 22. Dezember 1999
resultieren?
Herr Kollege Schüßler,
steuerstatistische Daten über die Inanspruchnahme des
Freibetrages gemäß § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz
liegen nicht vor, weshalb eine Aussage über die tatsächliche Höhe der Mindereinnahmen infolge der Anhebung
des Übungsleiterfreibetrages in diesem Paragraphen nicht
getroffen werden kann.
({0})
Im Hinblick auf die Anhebung des Übungsleiterfreibetrags von 2 400 DM auf 3 600 DM pro Jahr wurden Steuerausfälle von rund 740 Millionen DM - das sind rund
380 Millionen Euro - geschätzt.
Zusatzfrage? - Bitte
sehr.
Frau Staatssekretärin, ist
Ihnen bekannt, dass in der Enquete-Kommission „Bürgerschaftliches Engagement“ Mitglieder Ihrer Fraktion, der
SPD-Fraktion, unter Bezug auf das Bundesfinanzministerium festgestellt haben, dass die Erhöhung von 2 400 DM
auf 3 600 DM zu Steuerausfällen von 400 Millionen Euro
geführt habe?
Die Schätzungen im
Gesetzgebungsverfahren beliefen sich auf 740 Millionen DM, also rund 380 Millionen Euro. Insofern sind
diese Schätzungen nicht allzu weit von den 400 Millionen Euro entfernt, auch wenn 20 Millionen Euro viel Geld
ist. Natürlich kann man nicht im Einzelnen sagen, wie
hoch die Ausfälle tatsächlich waren. Aber die Schätzungen liegen in dieser Größenordnung.
Nun kommt die
Frage 34 des Abgeordneten Schüßler:
Wie viele Einkommensteuerpflichtige haben - in absoluten
Zahlen - jeweils in den Veranlagungszeiträumen 1998, 1999,
2000 und 2001 den Übungsleiterfreibetrag, § 3 Nr. 26 EstG, in Anspruch genommen und welcher Betrag wurde pro Kopf von ihnen
durchschnittlich dabei geltend gemacht?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Wegen der fehlenden steuerstatistischen Angaben ist eine Aussage über die Anzahl
der Einkommensteuerpflichtigen, die den Übungsleiterfreibetrag in Anspruch genommen haben, nicht möglich.
Zusatzfrage?
Nein, danke.
Herr Kollege Klaeden
hat eine Zusatzfrage. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, warum verzichtet das Ministerium auf die Feststellung der im Gesetzgebungsverfahren angegebenen Schätzungen?
Herr Kollege von Klaeden,
die hier erfragten Angaben sind nicht Bestandteil der maschinell erfassten Daten aus der Einkommensteuererklärung und finden damit auch keinen Eingang in die
Lohn- und Einkommensteuerstatistik. Wenn man jede
einzelne Maßgabe des Einkommensteuerrechts gesondert
erfassen wollte, dann müssten sie auch einzeln maschinell
erfasst werden. Dies würde bei den Landesfinanzbehörden einen überbordenden Aufwand mit sich bringen. Das
ist nicht nur in diesem Fall so.
Nun rufe ich die
Frage 35 des Kollegen Aribert Wolf auf:
Wie werden die Finanzergebnisse der Sozialversicherungen,
insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung, in die Berechnung des gesamtstaatlichen Defizits nach Art. 104 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, EGV, mit einbezogen?
Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Wolf, das
„Maastricht-Defizit“ wird nach den Regeln des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, ESVG, ermittelt. Zum Sektor „Staat“ gehören die
Teilsektoren Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen. Die Sozialversicherungen, also auch die gesetzlichen Krankenversicherungen, gehen mit Ausgaben
und Einnahmen in die so genannte „Maastricht-Rechnung“ ein. Dabei legt das Statistische Bundesamt die Einnahmen- und Ausgabendefinition des ESVG zugrunde.
Die Ergebnisse weichen daher von den kassenmäßigen
Ergebnissen ab.
Zusatzfrage? - Bitte
sehr.
Es ist aber möglich, diese
Abweichungen umzurechnen. Das Defizit wird nach dem
ESVG, also nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, berechnet. Die Ergebnisse der Krankenkassen, die nach einem anderen Verfahren berechnet werden, können umgerechnet werden.
Können Sie ausschließen, dass die nach der VGR-Methode berechneten Zahlen der gesetzlichen Krankenversicherung höher sind als das bisher vorliegende Ergebnis,
das die Bundesgesundheitsministerin für die Krankenversicherung bekannt gegeben hat?
Herr Kollege Wolf, die Bundesgesundheitsministerin geht natürlich nicht nach Maastricht-Kriterien vor. Insofern unterscheiden sich die Methoden grundsätzlich. Deshalb dürfte ein Vergleich nicht
möglich sein. Denn die Bundesgesundheitsministerin hat
nur die kassenwirksamen Daten zu beachten und muss nicht
unter dem Gesichtspunkt der Maastricht-Kriterien rechnen.
Dies geschieht natürlich, wie ich gerade gesagt habe, durch
das Statistische Bundesamt und geht entsprechend in die
Berechnung nach den Maastricht-Kriterien ein.
Zusatzfrage zwei.
Wie hoch ist das Defizit
der GKV nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und können Sie ausschließen, dass es noch höher ist
als das bisher vorliegende Ergebnis?
Nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung haben sich die Defizite bzw.
Überschüsse der Krankenversicherung in den Jahren 1995
bis 2001 wie folgt entwickelt - Finanzierungssalden -:
1995 minus 4,4 Milliarden Euro, 1996 minus 4,6 Milliarden Euro, 1997 plus 0,9 Milliarden Euro, 1998 plus
0,7 Milliarden Euro, 1999 plus 0,1 Milliarden Euro, 2000
minus 0,8 Milliarden Euro, 2001 minus 2,2 Milliarden Euro. Das entspricht den Angaben der Bundesgesundheitsministerin, soweit ich das weiß.
Ich rufe die Frage 36
des Kollegen Aribert Wolf auf:
Um das Wievielfache übersteigt das von der Bundesministerin
für Gesundheit, Ulla Schmidt, für das Jahr 2001 bekannt gegebene
Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von
2,8 Milliarden Euro das vom Statistischen Bundesamt in der
aktuellen vorläufigen Berechnung des Maastricht-Defizits für das
Jahr 2001 geschätzte Defizit der Gemeinden?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Nach den aktuellen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes beträgt das
für „Maastricht“ relevante Defizit der Krankenversicherung 2,2 Milliarden Euro. Die Abweichung zum kassenmäßigen Ergebnis beruht auf den schon genannten methodischen Unterschieden zwischen den Rechenwerken
und auf unterschiedlichen Datenständen. Das entsprechende Defizit der Gemeinden betrug im vergangenen
Jahr 1,5 Milliarden Euro.
Erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin
Gudrun Schaich-Walch hat in einer Debatte des Deutschen Bundestages wörtlich gesagt:
Der zweite Punkt betrifft Ihren Umgang mit den Zahlen. Herr Wolf, Sie haben vorhin gesagt, dass das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen so hoch wie das
der Kommunen sei.
Daran schließt sich mein Zwischenruf „Höher!“ an. Die
Frau Staatssekretärin fährt fort:
Ich muss Sie korrigieren: Das stimmt nicht. Bei den
Kommunen sind es 26 Milliarden Euro.
Diese Aussage der Frau Staatssekretärin ist also falsch.
Die Frau Staatssekretärin
muss sich getäuscht haben. Die 26 Milliarden Euro beziehen sich auf die Gesamtheit der Länder.
So ist es. Vielen Dank.
Nun rufe ich die
Frage 37 des Kollegen Hans Michelbach auf:
Welche Schlüsse zieht das Bundesministerium der Finanzen
aus dem Rentenurteil des Bundesverfassungsgerichts?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 1. Januar
2005 einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Aufwand und
Ertrag insbesondere bei den Alterseinkünften neu geregelt
wird. Dabei hat es auf die Feststellung besonderen Wert
gelegt, dass dem Gesetzgeber bei dieser Neuregelung ein
weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht. Um
dessen Weite auszuloten, aber auch um zur Entwicklung
einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen zu gelangen, wird die Bundesregierung eine
Sachverständigenkommission bestellen.
Erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, es schließt sich natürlich die Frage an, welche
Schlüsse Sie aus dem Urteil ziehen und wie die nachgelagerte Besteuerung eingeführt werden soll. Welche finanziellen Auswirkungen ergeben sich aus dieser nachgelagerten Besteuerung?
Der Sachverständige Professor Dr. Rürup, der dem Bundesverfassungsgericht umfangreiche Berechnungen vorgelegt hat - auf diese Berechnungen beziehe ich mich; die Bundesregierung hat vor der von
uns ins Auge gefassten Bestellung der Sachverständigenkommission noch keine weiter gehenden Erkenntnisse erlangt -, geht davon aus, dass im Zuge des Übergangs zur
nachgelagerten Besteuerung auf der Grundlage eines etwa
eine Generation umfassenden Übergangszeitraums eine
Steuermindereinnahme des öffentlichen Gesamthaushaltes
im ersten Jahr in der Größenordnung von 1,3 Milliarden Euro entstehen wird. Die Mindereinnahmen würden
danach allerdings jährlich um die Größenordnung von etwa
1 Milliarde Euro steigen. Es gäbe also jedes Jahr eine geringfügige Zunahme der Ausfälle.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist es nicht so, dass die Entlastung, die sich daraus ergibt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr aus
versteuertem Einkommen entrichtet werden, insbesondere für jüngere Arbeitnehmer sinnvoll ist? Sollte man daher nicht frühzeitig diese Entlastung erreichen?
Herr Kollege Michelbach,
damit der öffentliche Gesamthaushalt die Ausfälle tragen
kann, muss die Übergangsfrist analog einem System kommunizierender Röhren angelegt sein, die Sie aus der Physik kennen: Der langsam, aber stetig wachsende Anteil
von Alterseinkünften, der der Besteuerung unterliegt,
muss einem in der gleichen Schrittfolge wachsenden Anstieg des von der Steuer freigestellten Lohnes in Höhe des
Pflichtbeitrags zur Rentenversicherung gegenüberstehen.
Dass insbesondere die jüngeren Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer davon profitieren, liegt auf der Hand;
denn diejenigen, die jetzt ins Berufsleben eintreten oder in
den letzten zehn Jahren ins Berufsleben eingetreten sind,
werden auf jeden Fall bis zum Ende ihrer Berufstätigkeit
eine vollständige Steuerfreiheit ihres Einkommens in der
Größenordnung ihrer Pflichtbeiträge erreichen.
Ich rufe die Frage 38
des Kollegen Hans Michelbach auf:
Wurde die Entscheidung des Bundesministers der Finanzen,
Hans Eichel, zur Umsatzsteuerbefreiung der Deutschen Post AG
durch etwaige Parteispenden an die SPD durch die Deutsche Post
AG in den Jahren 1996 bis 2001 beeinflusst und wenn ja, in welcher Höhe erfolgte sie?
Herr Kollege Michelbach,
die Antwort auf Ihre Frage ist Nein.
Erste Zusatzfrage.
Die Frage ist sicher,
Frau Staatssekretärin, sehr dürftig. Können Sie hier noch
einmal ausdrücken, ob Ihnen bekannt ist, dass sowohl in
der Wissenschaft mit Herrn Professor Lang und Frau
Professor Hey als auch in den Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen in der Frage der Umsatzsteuerbefreiung
eine völlig andere Meinung besteht? Ist diese Tatsache
nicht auch in dem Zusammenhang relevant, dass die Entscheidung gegen die Vorschriften des Bundesfinanzministeriums dahin gehend gefallen ist, indem Staatssekretär
Dr. Overhaus gleichzeitig auch Aufsichtsratsmitglied der
Post AG war? Ist nicht hier allein schon eine Beeinflussung vorhanden, die Sie nicht lediglich mit einem Nein
beantworten können?
Herr Kollege Michelbach,
Sie haben bei der Einleitung Ihrer Zusatzfrage gerade selber gesagt, die Frage sei etwas dürftig. Ich will mich dieser Bewertung nicht offiziell anschließen, aber gleichwohl
sagen, dass Ihre Frage, die nämlich darauf gerichtet war,
ob etwa die SPD Parteispenden im Zusammenhang mit der
Umsatzsteuerbefreiung der Post erhalten habe, eindeutig
mit dem Wort Nein zu beantworten ist. Die Frage kann
auch nicht umfangreicher beantwortet werden. Ich wiederhole: Sie ist mit dem Wort Nein zu beantworten.
Die steuerrechtliche Situation kann man natürlich auch
unterschiedlich beurteilen - zwei Juristen, drei Meinungen. Es ist auch klar, dass die steuerrechtliche Auslegung
im Bundesfinanzministerium eine andere war als im
Landesfinanzministerium Nordrhein-Westfalen. Diese
steuerrechtlichen Fragen sind ausführlich sowohl im
Rechnungsprüfungsausschuss als auch im Haushaltsausschuss und im Finanzausschuss erörtert worden. Ich verweise auf die entsprechenden Protokolle.
Zusatzfrage zwei.
Frau Staatssekretärin, es geht generell um die Beeinflussung. Ist Ihnen nicht
bekannt, dass es in dieser Frage ja gar nicht um den Vorwurf an die Post AG selbst geht, sondern um das Zustandekommen der Umsatzsteuerbefreiung als Einzelanordnung des Bundesfinanzministers Hans Eichel gegen die
Auffassung von Sachverständigen und der Finanzbehörden von Nordrhein-Westfalen? Ich glaube, das ist ein
Sondertatbestand. Vielleicht geben Sie zu dieser Frage
noch einmal eine Klarstellung.
Einzelweisungen des Bundesministeriums der Finanzen sind ausdrücklich in der
Verfassung vorgesehen; sonst könnten sie natürlich auch
gar nicht stattfinden. Sie finden allerdings nicht häufig
statt; es gibt etwa vier oder fünf Fälle im Jahr. Aber Einzelweisungen sind nach dem Grundgesetz - ich glaube, es
ist Art. 85, jedenfalls ist es ein Artikel in den Achtzigern ausdrücklich vorgesehen.
Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen beendet. Ich danke der Frau Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau
Ulrike Mascher zur Verfügung.
Die Fragen 39 und 40 werden schriftlich beantwortet.
Deswegen rufe ich die Frage 41 des Kollegen Dirk Niebel
auf:
Schließt sich die Bundesregierung nach der Einigung der Fraktionen im Deutschen Bundestag, dass Aupairs nicht sozialversicherungspflichtig sind, der Auffassung an, dass die Vergabe von
Betriebsnummern an Gasteltern durch die Arbeitsverwaltung
nicht länger erforderlich ist?
Frau Staatssekretärin.
Herr Niebel,
Aupairbeschäftigte sind nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes und den gleich lautenden Vereinbarungen der Spitzenverbände der Sozialversicherung
keine abhängig Beschäftigten, sondern stehen grundsätzlich in einem Betreuungsverhältnis besonderer Art, das
keine Sozialversicherungspflicht auslöst. Demzufolge
gehören sie auch nicht zu dem vom Arbeitgeber bei den
Einzugsstellen zu meldenden Personenkreis nach § 3 der
Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von
Daten für die Träger der Sozialversicherung, sodass die
Gasteltern von Aupairs auch keine für die Meldung notwendige Betriebsnummer beim zuständigen Arbeitsamt
beantragen müssen.
Eine Zusatzfrage? Nein. Wunderbar.
Dann rufe ich die Frage 42 des Kollegen Dirk Niebel
auf:
Wie wird die Bundesregierung nach ihrer Auskunft, dass Aupairs auch nicht zur gesetzlichen Unfallversicherung anzumelden
sind - Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Klaus Achenbach, vom 12. März
2002 auf meine schriftliche Frage vom 28. Februar 2002 -, Sorge
tragen, dass die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung diese
Einigung akzeptieren?
Der Bundesverband der Unfallkassen als zuständiger Spitzenverband der
Unfallversicherung für in Privathaushalten tätige Personen ist in einem Schreiben des Ministeriums vom
4. März 2002 über die Festlegungen der anderen Spitzenverbände der Sozialversicherung informiert und gleichzeitig gebeten worden, sich der grundsätzlichen Festlegung der übrigen Spitzenverbände der Sozialversicherung
zu Aupairs anzuschließen.
Zusatzfrage eins.
Frau Staatssekretärin, wie Sie
ganz richtig formuliert haben, ist das ja eine Bitte. Sollte
der Bundesverband der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand dieser Bitte nicht nachkommen, welche
Möglichkeiten gibt es, die Rechtsauffassung der Bundesregierung - wie aller Fraktionen dieses Hauses - durchzusetzen?
Ich gehe erst einmal davon aus, dass unserer Bitte Folge geleistet wird.
Zusatzfrage zwei:
Gesetzt den Fall, dass dem nicht
so wäre: Gibt es irgendeine Handhabe, das entsprechend
umzusetzen?
({0})
Herr Niebel, wir
werden, falls wir eine abschlägige Antwort bekommen,
noch einmal sorgfältig prüfen, wie wir das von allen
Fraktionen des Bundestages im Ausschuss für Arbeit und
Sozialordnung gemeinsam verfolgte Ziel, für die Aupairbeschäftigten keine Sozialversicherungspflicht zu konstituieren, erreichen können. Man muss allerdings sehen,
dass die Frage der Unfallversicherung, was den Schutz
der Betroffenen angeht, eine besondere Bedeutung hat.
Ich enthalte mich jedes Kommentars und bedanke mich für die Beantwortung
der Fragen.
Wir sind am Ende der Fragestunde und damit auch am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 21. März 2002,
9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.