Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/13/2002

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Mir liegen eine Reihe von Fragen vor. Zunächst hat der Kollege Hansjürgen Doss, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Dr. Hansjürgen Doss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000411, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, der Sparkassen- und Giroverband beschreibt in seiner „Diagnose Mittelstand“ die Lage des Mittelstandes wie folgt: Die Ertragslage ist unzureichend. Die Eigenkapitalausstattung ist besorgniserregend. Unternehmerische Tätigkeit wird immer unrentabler. Die Lage ist düster. Der Investitionstrend zeigt nach unten. Die Perspektiven für 2002 lauten: weniger Unternehmen und noch weniger Arbeitsplätze. Die Frage ist: Was rechtfertigt Ihren Optimismus? Sie schreiben: Wir senken Steuern und Abgaben. Wir sichern die Finanzierung des Mittelstandes. Wir schaffen ein besseres Klima für mehr Selbstständigkeit. Wir bauen Bürokratie ab. - Hier gibt es offensichtlich einen Dissens. Wie erklären Sie ihn?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Das müssen Sie den Sparkassen- und Giroverband fragen. Ich weiß nicht, ob er seine spezielle Kundschaft befragt hat oder wie die Bundesregierung einen breiten Querschnitt des Mittelstandes zugrunde gelegt hat.

Dr. Hansjürgen Doss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000411, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, Sie erlauben, dass ich noch einmal nachfrage. Ich denke, Sie machen sich das ziemlich einfach. ({0}) - Sie schreien sehr schön. - Sie haben sich in Ihren Feststellungen auf die Aussagen der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern bezogen. Nehmen Sie selektiv nur das zur Kenntnis, was Ihnen passt?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Herr Doss, ich will Ihnen gerne ein Gegenbeispiel nennen. Es ist üblich, dass Bankinstitute ihre Klientel befragen. Ich habe Ihnen nicht die Umfrage der KfW bei den von der KfW kreditierten Unternehmen zitiert. Diese Unternehmen haben im November des letzten Jahres angegeben, dass sie gute bis sehr gute Geschäftsaussichten haben. Im Mittel wollen alle von der KfW kreditierten Unternehmen im Jahre 2002 9 Prozent mehr Personal einstellen. Das ist, wie gesagt, eine ausschnittsweise Betrachtung, die bei der KfW-Klientel besonders gut ist. Das Ergebnis der Untersuchung des Sparkassen- und Giroverbandes bei seiner Klientel ist offensichtlich anders. Das kann aber durchaus so sein. Ich weiß aber nicht, ob der Bericht überhaupt richtig zitiert ist. Ich stehe mit dem Verband in ständigem Kontakt. Heute Abend werde ich dort eine Tagung eröffnen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Der nächste Fragesteller ist der Kollege Rainer Wend, SPD-Fraktion.

Dr. Rainer Wend (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister Müller, mir wird immer wieder mitgeteilt, dass die Finanzierung von Existenzgründungen und des Mittelstandes zunehmend problematisch werde, insbesondere die großen Privatbanken sich aus diesem Finanzierungsgeschäft zurückzögen. Meine Frage an Sie ist: Teilt die Bundesregierung diese Bewertung? Wenn ja, welche Möglichkeiten sehen Sie Ihrerseits, die Finanzierung von Existenzgründungen und des Mittelstandes zu verbessern?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Die Klage, die Sie aus dem Mittelstand schildern, bezieht sich auf einen Umstand, der der Bundesregierung seitens der mittelständischen Wirtschaft, insbesondere seitens potenzieller Existenzgründer, sehr wohl bekannt gemacht worden ist. Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich mit allen am Kapitalmarkt tätigen Institutionen zusammengesetzt und mit ihnen eine gemeinsame Erklärung erarbeitet, die auch von dem Bundesverband der Privatbanken mit unterschrieben wurde. Danach ist die Finanzierung des Mittelstandes die vorrangige Aufgabe der am Kapitalmarkt Tätigen. Die Bundesregierung wird den Bankensektor an dieser Selbstverpflichtung messen. Ich verhehle nicht, dass die Selbstverpflichtung, die der Bankensektor eingegangen ist, aus unserer Sicht noch nicht zu befriedigenden Zuständen geführt hat. Wir erleben, dass insbesondere Gründerdarlehen nur unter erschwerten Bedingungen gegeben und Antragsteller einer relativ langen Risikoprüfung unterzogen werden. Wir überlegen zusammen mit DtA und KfW, wie wir die Mittlerfunktion des Bankensektors so verbessern können, dass die von der Bundesregierung den Banken des Bundes bereitgestellten Gelder wirklich zur Gründung von Existenzen verwendet werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nächster Fragesteller ist der Kollege Heinrich Kolb, FDP.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ich wundere mich ebenfalls über Ihre wiederholte und so uneingeschränkt positive Darstellung der Geschäftserwartungen im Bereich des Mittelstandes. Meine eigenen Erfahrungen aus fast täglichen Gesprächen mit Mittelständlern sind andere. Vielleicht liegt ein Unterschied darin, ob man mit Verbandsfunktionären oder mit den Unternehmern selbst spricht. Meine Bitte vorab wäre: Vielleicht können Sie bei der Beantwortung der Frage sagen, was Sie als Wirtschaftsminister unter dem Begriff „Mittelstand“ verstehen. Es gibt ja sehr unterschiedliche Auffassungen. Vielleicht erklärt das auch die unterschiedlichen Erwartungen, die jeweils beschrieben werden. Meine Frage ist: Wir hatten im letzten Jahr 33 000 Konkurse und damit einen dramatischen Anstieg der Zahl der Konkurse. Die Perspektive für dieses Jahr ist leider, dass diese Zahl noch weiter ansteigt. Teilen Sie diese Einschätzung? Was will die Bundesregierung gegebenenfalls unternehmen, um diesen Trend zu stoppen?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Dass die Zahl der Insolvenzen ansteigt, ist ein Umstand, der seit 1992 belegt ist. Wir haben eine permanent steigende Zahl - auch prozentual betrachtet der Insolvenzen. Die einzige Ausnahme bei diesem langfristigen Trend war das Jahr 1999. Sie müssen die Zahl der Insolvenzen vor dem Hintergrund der Liquidationen in toto sehen. Seitdem diese Bundesregierung regiert, ist die Zahl der Unternehmensliquidationen permanent zurückgegangen, und zwar von über 500 000 auf 460 000 im letzten Jahr. Warum gerade im letzten Jahr die Zahl der Insolvenzen angewachsen ist, erklärt sich durch die von Ihnen begonnene Reform des Insolvenzrechts, die wir fortgesetzt haben. Wie Sie wissen, kann sich das Kleingewerbe durch Insolvenzantrag von Restschulden entlasten. Davon ist im letzten Jahr erstmals und deutlich Gebrauch gemacht worden. Die Zahl der Insolvenzen im Kleingewerbe ist in einer Größenordnung von 40 Prozent gestiegen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage?

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, verstehe ich Sie richtig, dass es nach Ihrer Auffassung im deutschen Mittelstand kein Insolvenzproblem gibt?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Wenn Sie zugehört haben, müssen Sie zugeben, dass ich das nicht gesagt habe. Ich habe gesagt, dass das Kleingewerbe - ich betone: das Kleingewerbe vom neuen Insolvenzrecht Gebrauch macht und insofern deutlich häufiger Insolvenzanträge gestellt hat, als das früher, als die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nicht gegeben war, üblich war. Im Übrigen - ich habe es schon einmal gesagt -: Betrachten Sie das Ganze vor dem Hintergrund der großen Zahl der Liquidationen, die permanent zurückgegangen ist. Der Saldo von Unternehmensgründungen und Liquidationen liegt unverändert bei 75 000; dies gilt auch für das letzte Jahr. Im letzten Jahr waren per saldo in Deutschland 75 000 Unternehmen mehr vorhanden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nächster Fragesteller ist der Kollege Christian Lange, SPD.

Christian Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben den Fachkräftemangel angesprochen, der auch meiner Erfahrung nach in der Tat ein großes Problem darstellt. Ich will es mit einer Frage zur Betriebsnachfolge kombinieren. Die Bundesregierung hat erstmals die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung durch die Verbesserung im Bereich des MeisterBAföG erreicht. Welche Erwartungen verknüpfen Sie damit insbesondere im Hinblick auf die Frage der Betriebsnachfolge? Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit der Neuordnung der Berufsbilder und meinen Sie, dass dadurch ein wesentlicher Abbau der Zahl der 300 000 Betriebe, für die ein Nachfolger gesucht wird, erreicht werden kann?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Lassen Sie mich zunächst einmal Zahlen nennen: Es gibt in Deutschland alles in allem 3,3 Millionen Betriebe, davon der weit überwiegende Anteil mit Betriebsgrößen von unter 100 Beschäftigten, Herr Kolb. Das ist der eigentliche Mittelstand. Fast 1 Million der 3,3 Millionen Betriebe werden in den nächsten zehn Jahren einen Nachfolger brauchen. Dabei handelt es sich also um ein immenses Problem. Schon heute ist es eine Tatsache, dass wir Arbeitsplätze in einer Größenordnung von 50 000 dadurch verlieren, dass in einer beachtlichen Zahl von Unternehmen, denen die Nachfolgeregelung nicht gelingt, der Betrieb geschlossen wird. Deswegen - auch das können Sie im Mittelstandsbericht nachlesen - haben wir die Kampagne „Nexxt“ gestartet, die letztlich nur dann erfolgreich sein kann, wenn auch genügend Leute zur Unternehmensnachfolge bereitstehen und die Erbschaftsteuer mittelstandsfreundlich und nicht - wie Sie das wollen - so wie bei den Kapitalgesellschaften gestaltet wird. Vielmehr sollte der Mittelstand seine Rechte behalten. Deswegen müssen wir darauf achten, dass es genügend Gründer gibt. Daher ist eine flexible Anwendung der Handwerksordnung erforderlich, für die Sie, Herr Lange, und ich uns eingesetzt haben. Was noch zu Klagen Anlass gibt: Wir müssen uns bemühen, über das Meister-BAföG für diejenigen, die sich nach Erhalt des Meisterbriefes selbstständig machen wollen, neue Dynamik zu bringen und angemessene Gründungshilfen gewähren. Ob das Maßnahmenbündel schon ausreicht, ist abzuwarten. Aber die Problematik ist erkannt und aus meiner Sicht mit zufrieden stellenden Maßnahmen aufgegriffen worden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zur nächsten Frage hat der Kollege Hans Michelbach von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Dr. Müller, was sagen Sie zu einer aktuellen Umfrage unter 3 000 Mittelstandsunternehmen, die besagt, dass 44 Prozent der Einzelhandelsunternehmen einen Umsatzrückgang aufweisen? 49 Prozent der Baufirmen klagen über die sinkende Zahl der Auftragseingänge, 76 Prozent im Wohnungsbau über ein geringeres Bauvolumen. 34 Prozent der Industrieunternehmen wollen Personal abbauen und nur noch 32 Prozent melden ausgelastete Anlagen. 50 Prozent der Großhandelsfirmen verzeichnen ein Umsatzminus und 37 Prozent der unternehmensnahen Dienstleister sind von Einbußen betroffen. Gibt es bei diesen eindeutigen, negativen Zahlen Anlass zur Gesundbeterei?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Das Wort „Gesundbeterei“ weise ich ausdrücklich zurück. Ich bitte Sie, die Statistiken so zu bewerten, wie man das erwarten kann. Wenn Sie von Umsatzeinbußen im Großhandel reden, müssen Sie Folgendes berücksichtigen. Wenn die Einfuhrpreise um 5 Prozent sinken, dann ergibt sich bei konstantem Volumen schon deswegen eine Umsatzeinbuße. Dass sich in der Bauwirtschaft die Auftragslage nicht rosig darstellt, ist mir bekannt. Das ist auf die viel zu lange öffentliche Subventionierung des gesamten Bausektors zurückzuführen, der sich in Ost- und Westdeutschland jetzt gesundkonsolidiert. Dort gibt es übrigens auch die höchsten Zahlen von Unternehmensschließungen bzw. der Insolvenzen, Herr Kolb. Die niedrigste Zahl der Insolvenzen gibt es bei den Handelsunternehmen. Zurück zu Ihrem ersten Punkt: Mir ist bekannt, dass seit September vergangenen Jahres der Einzelhandel tatsächlich über schleppenden Umsatz klagt. Auch der Januar ist entgegen den ersten Erwartungen - weil das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel überraschend gut verlief -, ein relativ schlechter Monat für den Einzelhandel gewesen. Die Bürger konsumieren nur sehr zögerlich. Die genauen Ursachen dafür müssen wir noch analysieren. Ich kann Ihnen aber noch eine persönliche Erklärung für den schlechten Januar geben: Es ist denkbar, dass die Bürger zunächst einmal eine etwas zögerliche Haltung gegenüber dem neuen Geld, dem Euro, an den Tag gelegt haben. Aber das ändert, wie gesagt, nichts daran, dass die Umsätze im Einzelhandel im Januar schlecht waren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie räumen jetzt eine hausgemachte Nachfrage- und Investitionsschwäche ein. ({0}) Wissen Sie nicht, dass sich die Ertragslage bei Umsatzrückgang und gleichzeitig erhöhten Personal- und fortlaufenden Bürokratiekosten automatisch verschlechtert? Können Sie mir angesichts dessen sagen, wie die Eigenkapitalausstattung, die notwendig ist, um Investitionen voranzubringen, gestärkt werden soll? Tatsache ist doch, dass die Eigenkapitalausstattung mit 4,9 Prozent beim Handel und mit 2,9 Prozent in der Bauwirtschaft einen absoluten Tiefstand erreicht hat.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Die Eigenkapitalausstattung des deutschen Mittelstandes ist auch im internationalen Vergleich in der Tat nicht rosig. Deswegen ist er auf Fremdfinanzierung angewiesen. Das war ein wesentlicher Grund, warum wir die übermäßige steuerliche Belastung, wie wir sie Ende 1998 vorgefunden haben, zugunsten des Mittelstandes verändert haben. Die Steuerreform ermöglicht es dem Mittelstand, mehr Eigenkapital zu bilden, wenn er - ich betone das - das will. Ich komme auf den Konsum zurück: Es ist ja nicht so, Herr Michelbach, dass den Bürgerinnen und Bürgern das Geld für den Konsum generell fehlt; denn korrespondierend mit den niedrigen Konsumausgaben wächst die Sparquote. Das belegt, dass die Bürger, die frei entscheiden können, ob sie konsumieren oder sparen, zurzeit einen höheren Teil ihrer Einkommen auf die hohe Kante legen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen und nicht den Eindruck zu erwecken, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern etwa durch erhöhte Steuern und Abgaben das Geld aus der Tasche ziehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nächster Fragesteller ist der Kollege Rolf Kutzmutz, PDS-Fraktion.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, ich komme auf die Mittelstandsfinanzierung zurück. Sie haben für den Bund und die Förderinstitute erklärt, dass man weiterhin bereit sei, den Mittelstand finanziell zu unterstützen. In den letzten Jahren war auffallend - das gilt auch jetzt -, dass der Flaschenhals bei dieser Förderung die Hausbanken sind. Gibt es in Ihrem Haus Überlegungen, wie man diesen Flaschenhals erweitern kann?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Herr Kutzmutz, wir müssen diesen Flaschenhals differenziert betrachten. Richtig ist, dass inzwischen etwa 80 Prozent der originär von DtA und KfW ausgelegten Kredite über Volksbanken und Sparkassen laufen. Das heißt also, vor allem die Privatbanken sind der Flaschenhals. Man darf dabei aber nicht vergessen: Wir leben grundsätzlich in einem marktwirtschaftlichen System. Wenn die Privatbanken sagen würden - ich betone: würden -, dass die Kreditierung von kleinen und mittelständischen Betrieben, zum Beispiel das Auslegen eines Kredites von 100 000 Euro, auf Dauer zu teuer sei, weil man die Kosten nicht mehr hereinbekomme, und dass man deshalb diese Kundschaft zurückweise, dann müssten wir versuchen, wirklich unkonventionell zu denken. Zum unkonventionellen Denken möchte ich nur das Stichwort „Direktvertrieb“ nennen, das heißt - um es etwas salopp zu formulieren -, man holt sich das Geld bei mir.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, in diesem Jahr sind zum ersten Mal 3 Millionen Euro in Ihrem Haushalt für die Netzwerkmanagementförderung in Ostdeutschland eingestellt. Obwohl das Jahr noch relativ jung ist, möchte ich Sie fragen: Wurden schon Anträge gestellt, um Geld in diesem Rahmen anzufordern?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Herr Kutzmutz, wir mussten das erst programmatisch aufarbeiten. Wir haben erst vor zehn Tagen dieses Programm mit einer kleinen Presseaktion gestartet.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nächster Fragesteller ist der Kollege Ernst Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, im Vorfeld der heutigen Kabinettsentscheidung haben Sie in den letzten Tagen großen deutschen Tageszeitungen eine Broschüre mit dem Titel „Zukunft Mittelstand - Mittelstandspolitik 2002“ beilegen lassen. ({0}) - Ich habe sie gelesen, deshalb frage ich. Mich interessiert, was die Herstellung und der Vertrieb dieser Broschüre gekostet haben. Herr Minister, mir wäre lieber, Sie würden etwas für den Mittelstand tun und nicht allein solche Broschüren herausgeben. ({1})

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das lieber wäre. Aber Sie sind ja auch Opposition. Sie müssen schon gestatten - das ist das gute Recht der Bundesregierung -, dass wir auf unsere Politik hinweisen, insbesondere wenn wir voller Überzeugung dahinter stehen und sie für gut befinden. Die Mittelstandspolitik meines Hauses ist eine gute Politik. Es freut mich, dass die Aktion, die Sie gerade erwähnten, Sie erreicht hat. Das zeigt, dass Sie die „FAZ“ lesen; denn wir haben sie nur wenigen Tageszeitungen beigelegt. Die Aktion ist insgesamt deutlich kostengünstiger, als wenn wir Anzeigen schalten würden, wobei der geringste Kostenblock das Drucken dieser 1,3-Millionen-Auflage ist. Ich vermute, dass die Aktion insgesamt etwa 200 000 Euro kostet, auf den Pfennig genau kann ich es Ihnen nicht sagen. Ich kenne die ungefähren Zahlen nur, weil eine Anfrage Ihrer Fraktion vorliegt, die wir schriftlich beantworten werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Nachfrage, Herr Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich nehme das, was Sie zu den Kosten gesagt haben, gern zur Kenntnis. Da ich diese Broschüre aufmerksam gelesen habe, ist mir natürlich nicht entgangen, dass hier vieles schöngeschrieben wird und dass Sie zum Beispiel die steuerliche Schlechterstellung der Personengesellschaften, der tragenden Säule des Mittelstandes, gegenüber den Kapitalgesellschaften ebenso wie verschiedene andere Dinge nicht erwähnt haben. ({0}) Deshalb möchte ich fragen: Warum haben Sie nichts gegen die Einstellungshemmnisse getan, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, um den jungen Bürgern, die bereit sind, in die Selbstständigkeit zu gehen, Mut zu machen? ({1}) Warum sind Sie unter dem Motto „Bürokratieabbau“ nicht eines der größten Hemmnisse angegangen und haben das 630-DM-Gesetz, jetzt 325-Euro-Gesetz, abgeschafft? ({2})

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Herr Hinsken, Ihre erste Frage verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht. ({0}) Sie können in der Mittelstandsbroschüre auch keinen Hinweis darauf finden, dass Lebkuchen Sägemehl enthalten. Warum nicht? - Weil es falsch wäre. Wir schreiben in dieser Broschüre doch nichts Falsches; wir schreiben in der Broschüre nur Richtiges. Deswegen brauchen wir in dieser Broschüre Ihre völlig aus der Luft gegriffene Unterstellung, dass die Kapitalgesellschaften bei der Steuerreform besser behandelt würden als die Personengesellschaften, auch nicht aufzugreifen. Von mir aus greifen wir sie einmal auf. Wir haben gerade festgestellt, dass die Personengesellschaften erbschaftsteuerrechtlich wesentlich besser gestellt sind. Ich wiederhole noch einmal: Erstens. Es wäre ein Verbrechen am Mittelstand, wenn Ihre Forderung durchkäme, dass Kapital- und Personengesellschaften steuerlich gleichgestellt werden müssen. Das dürfen Sie dem Mittelstand nicht zumuten. Zweitens. Wenn Sie in Bezug auf den Mittelstand fordern, die Besteuerung der Kapitalgesellschaften zu revidieren, müssen Sie immer bedenken: Die allermeisten Kapitalgesellschaften, GmbHs gibt es im Mittelstand. Das heißt, ein großer Teil des Mittelstandes würde wieder schlechter gestellt. ({1}) Wenn Sie dann noch fordern, dass der Mittelstand so Steuern zu zahlen hätte wie die Personen- und Kapitalgesellschaften, dann würden Sie 98 Prozent aller Unternehmen in Deutschland steuerlich schlechter stellen. Eine solche Forderung würde wahrscheinlich nicht einmal unser Finanzminister aufstellen, der der einzige Nutznießer Ihrer Forderung wäre. ({2}) - Es ist keine Frechheit, was ich hier sage; ich sage hier Tatsachen. Tatsachen sind nur für diejenigen Frechheiten, die Tatsachen nicht verkraften. ({3}) Inzwischen habe ich die genauen Zahlen, Herr Hinsken: Grafik und Layout unserer Broschüre kosteten 14 000 Euro, die Schalt- und Beilagekosten betrugen 143 000 Euro und der Druck der 1,3 Millionen Exemplare kostete 48 000 Euro. Das Ganze ist um weit mehr als die Hälfte billiger, als Anzeigen in den Organen, denen wir die Broschüre beigelegt haben, gewesen wären. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nächster Fragesteller ist der Kollege Engelbert Wistuba, SPDFraktion. ({0}) - Die Frage hat sich erledigt. - Dann hat der Kollege Jürgen Koppelin, FDP-Fraktion, das Wort.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben berichtet, dass Sie dem Kabinett heute den Mittelstandsbericht vorgelegt haben. Damit man sieht, welchen Stellenwert der Mittelstand im Kabinett hat, möchte ich erfahren, wie lange die Diskussion über diesen Bericht gedauert hat. Ich frage Sie weiter, ob die schlechte Politik, die die Bundesregierung für den Mittelstand macht, auch eine Rolle gespielt hat. Diese Politik kommt nicht unbedingt aus Ihrem Hause - ich will es einmal bei dem bewenden lassen, was Sie von Ihrer guten Politik sagten -; die gute Politik wird von der schlechten Politik des Arbeitsministers Riester - Kündigungsschutz, Betriebsverfassungsgesetz, Teilzeitgesetz usw. - überlagert. ({0}) - Ich habe nicht Sie gefragt, sondern den Minister. Sie sollten besser zuhören, damit er Ihnen erklären kann, was beim Mittelstand los ist. Ihr Problem ist ja, dass Sie überhaupt nicht wissen, was beim Mittelstand los ist. ({1}) Herr Minister, alle diese Gesetze spielen für den Mittelstand eine entscheidende Rolle. Das werden Sie bei der Tagung in Ihrem Hause ja auch von den Mittelständlern gehört haben. Ist das diskutiert worden, als Sie den Bericht vorgelegt haben? ({2})

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Über die Arbeitsmarktpolitik des Kollegen Riester - ({0}) - Darf ich fortfahren? ({1}) - Gut. Sie suchen da offenbar jemanden. ({2}) Über die Arbeitsmarktpolitik des Kollegen Riester ist heute im Kabinett nicht diskutiert worden. Das lag unter anderem vielleicht auch daran, dass ich etwas längere Ausführungen zu dem Mittelstandsbericht gemacht habe und zusätzlich noch das ERP-Wirtschaftsplangesetz im Kabinett verabschiedet worden ist. Beides zusammen ist ausgiebig erörtert worden. Ich weise immer wieder auf Folgendes hin: Wir haben auch andere Reformen zum Arbeitsmarkt realisiert. Die frühere Bundesregierung hatte veranlasst, dass man in Deutschland nicht mehr befristet einstellen kann. Diese Bundesregierung hat die Möglichkeit, ohne Angabe von Gründen befristet einzustellen, neu geschaffen. ({3}) - Natürlich! Ihr Gesetz war bis Ende des Jahres 2000 befristet. Es musste also ein neues Gesetz geschaffen werden. Dieses ist auch wesentlich flexibler, etwa in der Hinsicht, dass die Zeitdauer der Befristung zwischen den Sozialpartnern vereinbart werden kann. Ich erwähne das deswegen, weil aus meiner Sicht von der Möglichkeit, befristet einzustellen - insbesondere zum Nachteil älterer Arbeitnehmer -, viel zu wenig Gebrauch gemacht wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Mit Blick auf den vorgegebenen Zeitrahmen kann ich nur noch zwei Fragesteller aufrufen, den Kollegen Hartmut Schauerte und den Kollegen Rainer Wend.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wir führen diese Debatte, um dem Mittelstand zu helfen, vor allem aber, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. ZwiBundesminister Dr. Werner Müller schen Mittelstand und Arbeitslosigkeit besteht nämlich ein klarer Zusammenhang. Der Gründungsboom ist leider vorbei. Die Selbstständigenquote ist rückläufig. Das Wirtschaftswachstum ist gleichfalls rückläufig. Wir können das auch verifizieren. ({0}) - Das gehört zur Frage! - Gucken wir uns einmal die Situation in den Ländern an! Baden-Württemberg hat ein Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent und eine hohe Mittelstandsquote. Nordrhein-Westfalen hat eine geringe Mittelstandsquote und ein Wachstum von nur 0,1 Prozent. Klar erkennbar ist also: je weniger Mittelstand, desto weniger Wirtschaftswachstum und desto weniger Arbeitsplätze. Warum organisieren Sie die Steuerreform dann so, dass die Großkonzerne die Vorteile ab sofort erhalten, ({1}) der Mittelstand den eigentlichen Vorteil - was immer auch zwischendurch an kleinen Schritten passiert - aber erst im Jahr 2005 erhält? Meinen Sie nicht, dass das der wirtschaftlichen Entwicklung abträglich ist?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Herr Schauerte, ich darf Sie zunächst darauf hinweisen, dass die überwiegende Zahl der Kapitalgesellschaften zum Mittelstand gehört. Sie müssten also korrekt fragen: Warum gibt es für den einen Teil des Mittelstandes, wie Sie formulieren, Steuervorteile sofort und für den anderen Teil erst später? Ferner ist die Gewerbesteuerbelastung der Personengesellschaften ab sofort quasi entfallen. ({0}) - Das ist kein Witz! ({1}) - Es kann sein, dass Sie verwechseln, wer wann an der Regierung war. Der Höchststeuersatz ist von 1982 an immer wieder angehoben worden. ({2}) Bleiben wir bei dem Thema Gewerbesteuerbelastung: Erstens. Die Gewerbesteuerbelastung entfällt quasi ab sofort. Zweitens. Senkungen des Eingangs- und Spitzensteuersatzes pro rata sind schon vorgenommen worden, weitere sind bis 2005 gesetzlich vereinbart. Eine steuerliche Schlechterstellung ergibt sich zurzeit bei zu versteuernden Einkommen in einer Größenordnung von etwa 200 000 Euro aufwärts. Das betrifft wenige, aber doch einige. Wie gesagt, dieser Zustand verebbt bis zum Jahre 2005 weitgehend.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Schauerte, ich kann leider keine Zusatzfrage mehr zulassen. Der Kollege Rainer Wend ist der letzte Fragesteller.

Dr. Rainer Wend (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben den Vorwurf, dass Kleinunternehmen und der Mittelstand im Bereich der Steuerpolitik benachteiligt werden, eindrucksvoll widerlegt. ({0}) Ein weiterer Vorwurf gegenüber der Bundesregierung lautet, dass es zu einer Überregulierung der Regelungen kommt, die unsere Wirtschaft betreffen. Könnten Sie mir erläutern, was die Bundesregierung in den letzten dreieinhalb Jahren unternommen hat, um Bürokratisierungen im Wirtschaftsleben abzubauen?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Der Abbau von Bürokratie ist aus meiner Sicht eine der großen Notwendigkeiten. Ich darf Ihnen sagen, dass die Erfolge, die diese Bundesregierung erzielt hat, aus meiner Sicht zwar etwas größer als die früherer Jahre, aber für den Mittelstand nicht ausreichend sind. Eine der wichtigsten Änderungen, die wir geplant haben und von nun an auf rechtlicher Basis versuchsweise durchführen werden, ist die Einführung einer einheitlichen Betriebsnummer. Dadurch wird das ganze Meldewesen - insbesondere nach seiner Digitalisierung, was eine erhebliche Vereinfachung mit sich bringt - für die Betriebe vom Ansatz her zentraler und einheitlicher geregelt. Ich will Sie auf Folgendes hinweisen: Vonseiten der Bundesregierung haben wir die Initiative, die Altbundeskanzler Schmidt in einem Artikel in der „Zeit“ vom 4. Oktober letzten Jahres angestoßen hat, aufgegriffen: Er schlug vor, dass die ostdeutschen Länderparlamente das Recht erhalten sollen, in ihrem Bundesland, falls durch Mehrheit beschlossen, gewisse Regelwerke - wenn Sie so wollen: Bürokratiewerke - außer Kraft zu setzen. Das ist etwas, was der Kanzlerkandidat der CDU/CSU dieser Tage aufgegriffen hat. Diese Fragestellung ist im Rahmen der Konferenz der Wirtschaftsminister der Länder und der Konferenz der Ministerpräsidenten kurz erörtert worden. Es scheint so zu sein - diese Erkenntnis basiert auf einem Rechtsgutachten der Staatskanzlei Sachsen -, dass der aus meiner Sicht sehr intelligent entworfene Ansatz zum Abbau der Bürokratie von Herrn Schmidt verfassungsrechtlich nicht haltbar ist. Er würde umfangreiche Änderungen des Grundgesetzes voraussetzen. Deswegen ist er im ersten Anlauf leider nicht machbar.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Bundesminister, ich danke Ihnen. Damit ist die Regierungsbefragung beendet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 14/8460 Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun SchaichWalch zur Verfügung. Die Frage 1 stellt der Kollege Dr. Ilja Seifert: Wann und mit welchem Wortlaut setzte die Bundesregierung die Zusage des Staatssekretärs im Bundesministerium für Gesundheit, Dr. Klaus Theo Schröder, vom 21. Februar 2002 um, Widerspruch einzulegen gegen die restriktive Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ({0}) vom 26. Februar 2002 zur Abgabe von Sondennahrung, zum Beispiel an Menschen mit apallischem Syndrom ({1}), die künstlich ernährt werden müssen?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Herr Kollege, am 20. Februar 2002 führte Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder ein Gespräch mit Vertretern des Vereins SchädelHirnpatienten in Not, in dem diese ihm ihre Befürchtungen erläuterten, dass es bei Wirksamwerden der Neuregelung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Verordnungsfähigkeit von Ernährungstherapeutika zu medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungseinschränkungen komme. Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder hat zugesagt, dass das Bundesministerium für Gesundheit, sobald der Beschluss des Bundesausschusses vorliegt, in der vorgegebenen Beanstandungsfrist - diese beträgt zwei Monate - sehr genau prüfen wird, ob sich der Bundesausschuss bei seiner Neuregelung an den gesetzlichen Ermächtigungsrahmen gehalten hat, das heißt, ob berücksichtigt wurde, dass das medizinisch Notwendige auch diesem Patientenkreis zur Verfügung steht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen?

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja, gern, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, nun ist ja diese Prüfzeit noch nicht abgelaufen; das haben Sie gesagt. Unabhängig davon - das wissen Sie so gut wie ich - steht fest, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten sich nicht wehren können und deren Angehörige dadurch sehr verunsichert sind, dass zum Beispiel Wachkomapatientinnen und -patienten in Zukunft möglicherweise keine Sondennahrung mehr bekommen oder bestimmte Dinge wie Ballaststoffe zur Decubitus-Prophylaxe usw. nicht mehr verordnet werden können. Die Angst ist doch sehr groß. Kann denn die Bundesregierung nicht schneller als erst in acht Wochen etwas tun, um die Befürchtungen dieser Menschen, die sich ja nun wirklich in größter Not befinden, zu zerstreuen?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Bundesregierung befindet sich im Augenblick in der Situation, dass ihr der Beschluss des Bundesausschusses noch nicht zugestellt worden ist. Sie muss, wie gesagt, nach Zustellung über den Beschluss des Bundesausschusses innerhalb von acht Wochen entscheiden. Wir werden einer gründlichen Überprüfung dieser neuen Vorgaben des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen den Vorzug vor einer sehr schnellen Entscheidung geben. Ich kann Ihnen aber versichern: Wir werden darauf achten - das belegen nicht nur das Gespräch des Staatssekretärs, sondern auch Gespräche, die die Ministerin und auch ich geführt haben -, dass den Patientinnen und Patienten das, was als notwendig erachtet wird, nicht vorenthalten wird. Dazu werden wir auch die entsprechenden Leitlinien überprüfen. Das haben wir den Patientinnen und Patienten zugesichert.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, für diese Zusicherung danke ich Ihnen erst einmal. Es ist wichtig, dass Unsicherheit beseitigt wird. Das ändert aber nichts an der schwierigen Situation, dass die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und die privaten Pflegeverbände zurzeit keine Verhandlungen mit dem Bundesausschuss führen, weil man nicht miteinander reden kann, wenn die Bedenken der einen Seite überhaupt nicht berücksichtigt werden. Das Verhalten des Bundesausschusses ist ja etwas problematisch.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Auch wir haben mit dem Vorsitzenden des Bundesausschusses und seinen Vertretern Gespräche geführt und dabei noch einmal auf die Notwendigkeit der Versorgung dieser Patientinnen und Patienten hingewiesen. Wir haben das Gespräch auch auf die Versorgung von Säuglingen ausgedehnt, die normale Milchnahrung nicht vertragen, und darauf gedrängt, auch dafür die Kosten zu übernehmen. Wir haben Signale, dass der Bundesausschuss die Anregungen des Ministeriums aufgenommen hat. Der Bundesausschuss ist per Gesetz verpflichtet, in einem gesetzlich geregelten Anhörungsverfahren Sachverständige und Betroffene anzuhören. Ob dies auch geschehen ist, wird Bestandteil der Überprüfung sein. Nur vor diesem Hintergrund könnte überhaupt eine Genehmigung erfolgen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Dr. Seifert auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass der BÄK in dieser Weise die jahrelangen Erfahrungen und begründeten Forderungen der Angehörigen-Organisationen von Wachkomapatienten unberücksichtigt lässt, und welche Maßnahmen will sie ergreifen, um einer Verschlechterung der gesundheitlichen Versorgung dieses Patientenkreises durch die am 26. Februar 2002 erfolgte Konkretisierung des gesetzlichen Leistungsanspruchs auf Krankenkost nach § 31 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ({0}) in den Arzneimittel-Richtlinien entgegenzuwirken?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat bei der Erarbeitung der Neuregelung sowohl die Stellungnahmen der nach § 92 SGB V anhörungsberechtigten Organisationen - darauf habe ich schon verwiesen - als auch von anderen Institutionen übermittelte Stellungnahmen in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen. Das Bundesministerium für Gesundheit wird im Rahmen seiner Prüfung der Neuregelung nach § 94 SGB V dafür Sorge tragen, dass alle Versicherten und insbesondere Wachkomapatienten auch künftig medizinisch indizierte Ernährungstherapeutika auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Für die letzte Aussage können die Patientinnen und Patienten nur dankbar sein. Allerdings habe ich in Erinnerung, dass der Bundesausschuss seine Entscheidung wesentlich restriktiver gefällt hat und Sondennahrung und andere erforderliche Zusatznahrungsmittel nur in wenigen Ausnahmen - was dann immer mit besonderen Schwierigkeiten versehen ist - bewilligen will. Diesen Widerspruch zu Ihrer Aussage müssten Sie mir einmal erläutern.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe gerade von unserer politischen Zielsetzung gesprochen, die sich auch nach dem SGB V ergibt. In diesem Rahmen hat der Bundesausschuss zu entscheiden. Wie ich vorhin schon ausgeführt habe, ist uns die Stellungnahme des Bundesausschusses noch nicht zugeleitet worden und nicht bekannt. Bekannt sind uns bisher Teile aus Diskussionen und aus vorbereitenden Protokollen, auf deren Grundlage es, wie ich ebenfalls schon ausgeführt habe, Gespräche gegeben hat. Wir wissen, zum Beispiel in Bezug auf die Ernährung für Säuglinge, dass Anregungen aus den Diskussionen aufgenommen worden sind. Wie schon gesagt, müssen künftig medizinisch indizierte Ernährungstherapeutika auf Kosten der Krankenversicherung zur Verfügung stehen. Wir prüfen das. Wenn das nicht der Fall ist, werden wir diese Richtlinie nicht genehmigen.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, wären Sie, da es offensichtlich verschiedene Wissensstände gibt - es kann ja sein, dass das, was mir vorliegt, nicht der letzte Stand ist -, so freundlich, mir oder vielleicht auch allen anderen interessierten Kolleginnen und Kollegen des Parlamentes den Beschluss des Bundesausschusses zuzuleiten, sobald er Ihnen zugeleitet worden ist?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Sobald wir diesen Beschluss zugeleitet bekommen haben, wird das ge- schehen. Wir werden dann mit Sicherheit auch im Ge- sundheitsausschuss darüber diskutieren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Frau Par- lamentarische Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Die Fra- gen werden durch den Parlamentarischen Staatssekretär Stephan Hilsberg beantwortet. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Hans Michelbach auf: Welche Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen plant die Bundes- regierung für die Region Oberfranken?1)

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Michelbach, im vordringlichen Bedarf des Bedarfsplans Schiene sind die Region Oberfranken betreffend das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 8.1, NürnbergErfurt, die Ausbaustrecke Nürnberg-Leipzig/Dresden, Franken-Sachsen-Magistrale, und das länderübergreifende Projekt Ausbaustrecke Nürnberg-Grenze Deutschland/Tschechien, Richtung Prag, enthalten. Im Bundesverkehrswegeplan 1992 und im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen sind für Oberfranken 73 vordringliche Maßnahmen vorgesehen. 43 Neu- oder Ausbaumaßnahmen von Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen konnten bisher in Verkehr genommen werden. Für die übrigen Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs besteht weiterhin ein uneingeschränkter Planungsauftrag. Derzeit laufen in Oberfranken auf der Grundlage der von der Bundesregierung beschlossenen Programme - das sind das Investitionsprogramm 1999 bis 2002 und das Zukunftsinvestitionsprogramm 2001 bis 2003 - Bauarbeiten bei folgenden Projekten: Bundesautobahn A 73: Herbartswind - Landesgrenze Thüringen/Bayern - bis Coburg - Bundesstraße B 4 -; Bundesstraße B 4: Verlegung nördlich Coburg; Bundesstraße B 89: Ortsumgehung Burggrub - im Zukunftsinvestitionsprogramm enthalten -; Bundesstraße B 173: Ortsumgehung Wallenfels; Bundesstraße B 303: Verlegung Sonnefeld-Johannisthal, das ist die Ortsumgehung Sonnefeld. Bis 2003 ist der Baubeginn bei folgenden Maßnahmen vorgesehen: Bundesautobahn A 9: Anschlussstelle Bayreuth-Nord Richtung Sophienberg; Bundesstraße B 173: Lichtenfels-Zettlitz - das ist die Ortsumgehung Trieb und Hochstadt, im Zukunftsinvestitionsprogramm enthalten; gegenwärtig ist allerdings eine Klage anhängig -; Bundesstraße B 2: Ortsumgehung Zedtwitz. Außerdem ist im Rahmen der Bundesstraße B 22 der Baubeginn der Ortsumgehung Aichig vorgesehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben die Maßnahmen im Einzelnen dargestellt. Sind Sie bemüht, noch vor der Bundestagswahl den Bundes- verkehrswegeplan fortzuschreiben, und welches Finanz- volumen wird im Bundesverkehrswegeplan in Bezug auf diese wichtigen Infrastrukturmaßnahmen in Oberfranken zur Verfügung gestellt? 1) siehe hierzu auch Frage 7

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Diese Frage steht nicht im Zusammenhang mit Ihrer schriftlich eingereichten Frage.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Michelbach, Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt Maßnahmen bezüglich Oberfranken dargestellt. Der Bundeskanzler hat in diesem Zusammenhang auf einer SPD-Veranstaltung das Thema einer ICETrasse in den Raum geworfen. Aber wir wissen natürlich: Gebaut wird nur das, was im Rahmen der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes gesetzlich festgelegt worden ist. Sind Sie bereit, hier eine Aussage dahin gehend zu treffen, wann und mit welchem Finanzvolumen der Bundesverkehrswegeplan fortgeschrieben wird?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Sehr geehrter Herr Michelbach, wir haben hier bereits des Öfteren über die Fortschreibung des neuen Bundesverkehrswegeplanes diskutiert. Darüber gibt es Aussagen, auf die ich verweise. Ich lasse Ihnen das alles gern noch einmal schriftlich zukommen, auch bezogen darauf, was das für die Region Oberfranken bedeutet. Wir haben eine ausreichende Finanzierungsvorsorge getroffen. Jüngst hat das Kabinett ein Investitionsprogramm in Höhe von 90 Milliarden Euro für neue Verkehrswegeprojekte vorgestellt. Es beinhaltet 300 neue Ortsumgehungen, neue Ost-West-Verbindungen - der Schwerpunkt liegt dabei in Ostdeutschland - und den Ausbau von Autobahnen in einer Größenordnung von 1 100 Kilometern. Selbstverständlich wird die Region Oberfranken in diesem Programm ausreichend berücksichtigt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hartmut Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Finanzierung des jetzt vom Bundeskanzler angekündigten Weiterbaus der ICE-Strecke NürnbergCoburg-Erfurt nicht nur kurzfristig gesichert, sondern auch in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Sie ist durch das vom Kabinett beschlossene 90-Milliarden-Investitionsprogramm gesichert.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Peter Weiß ({0}) auf: Wird der Bundeskanzler, Gerhard Schröder, beim Europäischen Gipfel am 15./16. März 2002 dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac konkrete Zusagen hinsichtlich der von deutscher Seite zu erbringenden Leistungen für eine schnellere Realisierung der TGV-Verbindung über Straßburg/Kehl machen können, nachdem der französische Staatspräsident angekündigt hat, dieses Thema in Barcelona zur Sprache zu bringen ({1})?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Sehr geehrter Herr Weiß - wir treffen uns hier immer wieder wegen dieses Themas -, die Bundesregierung will den kurzen deutschen Anteil von Kehl nach Appenweier am Südast der Schnellbahnverbindung Paris-Ostfrankreich-Südwestdeutschland zeitgleich mit der Fertigstellung der Neubaustrecke in Frankreich, also bis Straßburg, realisieren. Die Bundesregierung wird sich bei ihren Entscheidungen an den Terminen orientieren, die von der französischen Seite für die Fertigstellung des Streckenanteils in Frankreich benannt wurden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da ja nun bekannterweise ein offenkundiger Streitpunkt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich ist, ob bereits mit der Realisierung des ersten Bauabschnitts für den TGV Est Européen eine Beschleunigung der Verbindungen über Straßburg/Kehl nach Appenweier realisiert werden kann, möchte ich Sie fragen: Wird der Bundeskanzler - wenn er dieses Thema auf dem Gipfeltreffen in Barcelona ansprechen sollte dem französischen Staatspräsidenten dazu Neues mitteilen können oder bleibt es bei der Aussage der Bundesregierung, dass sie sich in keinerlei Verpflichtung sieht, bis zum Jahr 2006 irgendetwas zur Beschleunigung einer möglichen TGV-Verbindung über Straßburg/Kehl nach Appenweier vorzunehmen?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Sehr geehrter Herr Weiß, unsere Position als Vorbereitung für das Gipfeltreffen am 15./16. März 2002 habe ich Ihnen in meiner gerade gegebenen Antwort auf Ihre schriftlich eingereichte Frage dargestellt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zweite Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da in den Antworten der Bundesregierung wie der Deutschen Bahn AG zu diesem Sachverhalt immer nur davon die Rede ist, dass es Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der französischen Regierung sowie zwischen der Deutschen Bahn AG und der SNCF über die Realisierung einer schnellen Verbindung des TGV über Straßburg/Kehl nach Deutschland gebe, möchte ich Sie fragen: Was ist Inhalt dieser Verhandlungen und welches Ziel wird damit angestrebt, wenn Sie sonst immer nur davon sprechen, dass bis zum Jahre 2006 auf deutscher Seite auf keinen Fall etwas passiert?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Weiß, ich kann nur wiederholen, was ich bereits gesagt habe: Die Strecke von Kehl nach Appenweier - das ist der deutsche Beitrag - ist mit 14 Kilometern sehr kurz. Diese Strecke zu realisieren hat für uns nur unter der Bedingung Sinn, dass sie Teil einer Gesamtstrecke wird. Daher kommt eine vorzeitige Realisierung dieses Teilstücks für uns nicht infrage. Es liegt in unserem Interesse, die Strecke so frühzeitig wie möglich, aber auch mit dem notwendigen verkehrswirtschaftlichen Nutzen in Betrieb zu nehmen. Deshalb werden wir Sorge dafür tragen, dass sie zeitgleich mit dem französischen Streckenteil in Betrieb gehen kann. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es gibt keine weiteren Fragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Werner Lensing auf: Welche Kosten hat das Anmieten und welche Kosten hat das Betreiben der beiden räumlich getrennten Messestände 129 sowie 202/203 verursacht, die bei der Fachmesse für Bildungs- und Informationstechnologie Learntec ({0}) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung angemietet wurden?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Lieber Herr Kollege Lensing, auf Ihre Frage möchte ich Ihnen antworten: Für den Messestand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit einer Größe von 120 Quadratmetern sind anlässlich der Learntec 2002 Gesamtkosten von 63 770,03 Euro entstanden. Die Kosten für den Messestand zur Präsentation des Förderprogramms „Neue Medien in der Bildung - Hochschulbereich“ und der in diesem Kontext vom BMBF geförderten Projekte betrugen 62 735,25 Euro. Der Messestand war im Messekatalog als Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingetragen. Beim Messestand für das Förderprogramm „Neue Medien in der Bildung Hochschulbereich“ waren alle Unteraussteller einzeln im Messekatalog aufgeführt.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Catenhusen, ist meine Wahrnehmung richtig, dass Ihre Auskunft impliziert, man hatte in Ihrem Ministerium von vornherein die Idee, zwei getrennte Stände unter den Kriterien, die Sie gerade erläutert haben, aufzubauen?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Die Entscheidungen wurden nacheinander gefällt. Für uns ist klar, dass wir wie in diesem Jahr auch in den kommenden Jahren einen Messestand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf der Learntec, einer der zentralen Messen für Lernen in Deutschland, aufbauen. Es hat sich im Kontext unseres Förderprogramms „Neue Medien in der Bildung - Hochschulbereich“ die Idee für eine zusätzliche Präsentation unseres Hauses auf der Messe ergeben.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich daraus schlussfolgern, Herr Catenhusen, dass die Denkprozesse in Ihrem Hause zwar nacheinander ablaufen - das verstehe ich sehr wohl -, aber dass es unter dem Aspekt des auch von Ihrem Hause geförderten lebenslangen Lernens schwierig war, diese Prozesse zu koordinieren?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Das können Sie nicht daraus schließen. ({0}) Aber Sie haben Recht: Politik ist ein Prozess, der immer für Anregungen offen sein sollte. Wir haben von den Besuchern dieser Stände keine Klagen darüber gehört, dass es an zwei Ständen auf der Learntec möglich war, über die Politik der Bundesregierung informiert zu werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Werner Lensing auf: Welche Kosten wären für das Anmieten und welche Kosten wären für das Betreiben eines gemeinsamen Messestandes entstanden?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Bei Messeständen in einer solchen Größenordnung - beide Messestände hatten eine Größe von 120 Quadratmetern ist die Preisdifferenz zwischen Bauen und Betreiben von einem oder zwei Messeständen marginal unterschiedlich, da sich während der gesamten Zeit etwa 100 Betreuerinnen und Betreuer zur individuellen Beratung von Interessierten vor Ort an den beiden Messeständen befanden. Messebauer berechnen üblicherweise die Kosten eines Messestandes nach der Formel Quadratmeter mal Kostensatz pro Quadratmeter. Der Kostensatz ist nur von der Qualität des Messebauers abhängig. Inhaltlich kann ein zweiter Stand natürlich Sinn machen, wenn es um die Präsentation eines speziellen Förderprogramms - in diesem Falle des Programms „Neue Medien in der Bildung - Hochschulbereich“ - geht und ein größerer Personenkreis damit erreicht werden kann. Sie wissen, dass viele zufällig auf Messestände stoßen. Die Präsentation war so ausgelegt, dass auch ein Forum integriert werden musste.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da mir, Herr Staatssekretär Catenhusen, die von Ihnen vorgetragenen Berechnungen auch schon im Vorfeld meiner Frage klar waren, werden Sie sehr wahrscheinlich Verständnis für meine Frage haben, ob eine rechtzeitige Evaluation auch unter dem Aspekt erhoffter Synergieeffekte zu einer deutlichen Minderung der Kosten hätte führen können.

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Das können Sie meiner Antwort nicht entnehmen. Wenn Sie sich vorher schon über die Kosten informiert haben - ({0}) - Wenn Sie sich schon über die Berechnungen informiert haben, wundere ich mich natürlich noch etwas mehr über Ihre Frage. Im Kern, Herr Kollege Lensing, kommt es darauf an, ob es dann, wenn man auf einer Messe zwei Stände an verschiedenen Ecken und nicht nebeneinander aufbaut, möglich ist, Beratungspersonal einzusparen. Da der eine Stand allgemein über die Breite der Förderpolitik des BMBF informierte, der andere Stand aber den Auftragnehmern des BMBF ermöglichte, ihre Projekte darzustellen, wäre der Personaleinsatz logischerweise auch durch ein Nebeneinander der beiden Stände nur unwesentlich beeinflusst worden. Wir hätten die Unterauftragnehmer nicht dazu animieren können, das gesamte Förderprogram des BMBF auf dem Ministeriumsstand darzustellen. Lieber Kollege Lensing, damit habe ich, wie ich glaube, sehr präzise Antworten gegeben.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Um die Regierung nicht in zusätzliche unnötige Schwierigkeiten zu bringen und aufgrund Ihrer freundlichen Ansprache verzichte ich auf eine weitere Frage. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke dem Kollegen Lensing und dem Parlamentarischen Staatssekretär. Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Wir kommen zur Frage 7 des Kollegen Michelbach, zur Gefahr der Wettbewerbsverzerrung aufgrund der EU-Osterweiterung: Sieht die Bundesregierung die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung aufgrund der EU-Osterweiterung, und wenn ja, welche Fördermaßnahmen plant die Bundesregierung für Oberfranken? Diese Frage wird von der Parlamentarischen Staatssekretärin Margareta Wolf beantwortet.

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Lieber Herr Kollege Michelbach, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung sieht in der EU-Osterweiterung vor allen Dingen eine große politische, aber auch eine große wirtschaftliche Chance. Von einem größeren EU-Binnenmarkt - das besagen alle Studien - werden in der Regel gerade die wettbewerbsfähigen Unternehmen in Deutschland profitieren. Allerdings muss eine beitrittbedingte Belastung der Arbeitsmärkte vermieden werden. Deshalb hat sich die Bundesregierung - das werden Sie verfolgt haben - für begrenzte flexible Übergangsregelungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit, aber auch des Dienstleistungssektors eingesetzt, um wirtschaftliche und soziale Auswirkungen im Zusammenhang mit der Osterweiterung abzufedern. Die Regelungen für den Dienstleistungssektor beziehen sich, wie Sie wissen, hauptsächlich auf die Bauwirtschaft und den sensiblen Handwerksbereich. Selbstverständlich sehen wir auch die besondere Situation der Grenzregionen. Aufgrund unserer Initiative hat die Europäische Kommission ein Programm zur Festigung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der Grenzregionen vorgeschlagen. Gegenwärtig erfolgt die Konkretisierung der so genannten Gemeinschaftsaktion für Grenzregionen. Im Rahmen von „Interreg III A“ kann Oberfranken Fördermittel aus dem bayerisch-tschechischen Programm erhalten, in dem EU-Fördermittel in Höhe von 63,8 Millionen Euro für den Zeitraum von 2000 bis 2006 zur Verfügung stehen. Die Durchführung des Programms obliegt aber, wie gesagt, dem Land Bayern, das seinerseits die entsprechenden regionalen Förderschwerpunkte setzt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie sprechen einzelne bescheidene Förderinstrumente an. Der Bundeskanzler hatte aber Ende 2000 in Weiden in der Oberpfalz angekündigt, das Spektrum strukturpolitischer Förderinstrumente insgesamt zu nutzen und für eine vernünftige Förderkulisse mittels eines Grenzregionenprogramms des Bundes und der Länder zu sorgen. Warum ist bis heute nicht mehr als eine glatte Null dabei herausgekommen, zumal die entsprechenden EU-Länder in wenigen Monaten grünes Licht für den Beitritt bekommen sollen?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Sehr geehrter Kollege Michelbach, zum einen wird der Abschluss der Verhandlungen mit den potenziellen Beitrittsstaaten im Jahre 2004 erwartet. Zum anderen bin ich nicht der Meinung, dass das von Ihnen angesprochene Programm „Gemeinschaftsaktion für Grenzregionen“ besonders niedrig ausgestattet ist. Im Gegenteil: Im Rahmen dieses Programmes werden Mittel in Höhe von 260 Millionen Euro verausgabt. Um zu unterstützen, was der Bundeskanzler in Weiden gesagt hat, möchte ich Ihnen die Maßnahmen nennen, deren Finanzierung in diesem Programm vorgesehen ist: Erstens soll das Budget für die transeuropäischen Netze um 150 Millionen Euro aufgestockt werden. Gleichzeitig schlägt die Kommission vor, den Höchstfördersatz für grenzüberschreitende TEN-Projekte von 10 Prozent auf 20 Prozent anzuheben. Zweitens sind Kooperationsmaßnahmen zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen in den Grenzregionen in einer Größenordnung von 15 Millionen Euro vorgesehen. Davon soll ein Projekt der Grenzlandkammern für die Strategieberatung in Höhe von 10 Millionen Euro unterstützt werden. Drittens werden für Maßnahmen zur Förderung und Erleichterung der Zusammenarbeit in den Grenzregionen Mittel in einer Größenordnung von 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Viertens werden für den Einsatz von zusätzlichen Gemeinschaftsmitteln im Rahmen des Jugendaustausches und der Freiwilligendienste für die Grenzregionen 10 Millionen Euro verausgabt. Last but not least haben wir im Haushalt 2002 30 Millionen Euro für strukturpolitische Maßnahmen, für die Unterstützung von Verkehrssystemen in den Grenzregionen und für kleine und mittlere Unternehmen, für Ausbildung und Aktionen im interkulturellen Bereich vorgesehen. 18 Millionen Euro werden für Projekte der KMUs in den Grenzregionen und 2 Millionen Euro für Programme im Rahmen der Jugendarbeit aufgewandt. - Wir ergänzen somit die Mittel durch die EU-Programme um 30 Millionen Euro. Ich hoffe, dass wir dadurch die in diesen Regionen vorhandenen verständlichen Ängste auch materiell abfedern können.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie mit mir der Meinung, dass gezielte Fördermaßnahmen notwendig wären, und zwar insofern, als das jeweils zuständige Bundesland ein eigenes Förderinstrument bekommt, um im Zuge der EU-Osterweiterung die Chancengleichheit zu erreichen, insbesondere durch eine Förderkulisse, die nicht der Beihilfekontrolle der EU unterstellt ist?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Herr Kollege, weil ich diese Ihre Meinung teile, habe ich gerade versucht, deutlich zu machen, dass Oberfranken aus dem bayerisch-tschechischen Programm Fördermittel in Höhe von 63,8 Millionen Euro erhalten kann und dass Bayern in der Lage ist, die regionalen Förderschwerpunkte des Programmes selber zu definieren und dieses Programm eigenständig durchzuführen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben von den Mitteln der Europäischen Union für die Grenzregionen in Höhe von circa 200 Millionen Euro berichtet. Sie haben auch, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Zahlen aus dem Bundeshaushalt genannt und hier 30 Millionen Euro angeführt. Halten Sie den Haushaltsansatz auf Bundesebene für die deutschen Grenzregionen angesichts einer so gewaltigen Herausforderung wie der EU-Osterweiterung, vor allem in struktureller Hinsicht, für ausreichend oder meinen Sie nicht auch, dass er zu gering ist? Denkt die Bundesregierung an weitere nationale Maßnahmen?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Herr Kollege Koschyk, Europa und der Bund wenden insgesamt 290 Millionen Euro für strukturpolitische Maßnahmen auf. Sie wissen, dass sich diese Bundesregierung vorgenommen hat, den Haushalt zu konsolidieren, die Schulden abzubauen. Insofern sollten wir jetzt erst einmal abwarten, wie diese strukturpolitischen Maßnahmen tatsächlich wirken, ob in den Grenzregionen eine Angleichung erreicht werden kann. Im nächsten Haushaltsjahr wird sich die Bundesregierung dann Gedanken darüber machen, ob sie diesen Ansatz erhöht oder ihn so belässt. Grundsätzlich kann man aber sagen: Die Höhe der eingesetzten Summe sagt nicht unbedingt etwas über die Qualität der Maßnahmen aus.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hofbauer.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, der Herr Bundeskanzler hat in Weiden zusätzliche Gelder des Bundes versprochen. Nun müssen wir feststellen, dass Sie vorwiegend EU-Gelder erläutert haben: Die EU gibt weit über 200 Millionen Euro. Der Freistaat Bayern gibt ungefähr 100 Millionen Euro. Der Bund aber hat sich bisher fast nicht beteiligt. Ich muss also feststellen, dass die Zusage des Herrn Bundeskanzlers in Weiden einfach nicht eingehalten wurde. Ich möchte hinzufügen: Wir müssen bedenken, dass diese EU-Gelder für 23 Regionen von Finnland bis Griechenland bestimmt sind - 150 Millionen Euro für den Straßenbau. Allein für die A 6 werden noch 150 Millionen Euro benötigt. Dieses Geld reicht also lediglich beispielsweise für eine Straße in Ostbayern. 10 Millionen für den Mittelstand: Was wollen Sie hier machen? Die Probleme sind riesengroß und wir bekommen fast keine Hilfe.

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Herr Kollege Hofbauer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Sie wissen, dass es überhaupt nur aufgrund der Initiative der Bundesregierung bei der Europäischen Kommission dazu kam, ein Programm „Gemeinschaftsaktion für Grenzregionen“ aufzulegen. Sie wissen vielleicht, dass sich der Haushaltsrat und das Europäische Parlament aufgrund nachhaltigen Drucks seitens der Bundesregierung darauf verständigt haben, zusätzliche Finanzmittel in der Größenordnung von 65 Millionen Euro einzusetzen. Ich kann nicht erkennen, warum es strukturpolitisch gesehen klüger wäre, als Bundesregierung jetzt statt 30 Millionen Euro 60 Millionen Euro einzustellen. Zunächst einmal muss doch verfolgt werden, welche Wirkung die vom Land Bayern und der Europäischen Union getätigten Investitionen haben. Herr Kollege Hofbauer, ich muss Sie darauf hinweisen, dass wir im Gegensatz zu Vorgängerregierungen sparsam mit dem Geld umgehen, weil wir sparen wollen. ({0}) Wir sind auch nicht der Meinung, dass man strukturpolitische Fragen allein durch zusätzliche Subventionen lösen kann. Hier kommt es auch auf intelligente Konzepte der Länder für die jeweiligen Regionen an, die versuchen, dieses Problem als Chance für die Grenzregionen zu begreifen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Brüderle.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie sagten eben, dass Oberfranken eigenständig über die Fördermittel disponieren kann. Angesichts der Tatsache, dass solche Fördermittel in Brüssel notifiziert werden müssen bzw. der Beihilfenkontrolle der EU unterliegen, frage ich Sie: Worin genau besteht die Eigenständigkeit in der Disposition der Mittel?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Es handelt sich um das Programm „Interreg III A“. Dies ist ein Programm, das EU-Fördermittel zur Verfügung stellt. Es zielt auf Bayern und Tschechien. Bayern kann eigenständig Fördermittel aus diesem Programm in einer Größenordnung von 63,8 Millionen Euro beantragen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Sie haben leider keine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Brüderle. Deswegen rufe ich jetzt die Frage 8 des Kollegen Jochen-Konrad Fromme auf: Hat die Bundesregierung ihre Auffassung zur Notwendigkeit der Beibehaltung des Gesetzes über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand, „VW-Gesetzes“, die in den letzten Wochen von Mitgliedern der Bundesregierung, unter anderem dem Bundeskanzler Gerhard Schröder, immer wieder betont worden ist, geändert vor dem Hintergrund, dass sie in ihrem neuen Verhaltenskodex für Vorstände und Aufsichtsräte durch die Bundesministerin der Justiz, Professorin Dr. Herta DäublerGmelin, die Forderung erhoben hat: „Alle Aktionäre sollen gleiche Rechte erhalten. Höchst- und Mehrfachstimmrechte ({0}) sollen abgeschafft werden“? Die Frage wird von dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, Professor Dr. Eckhart Pick, beantwortet.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Fromme, das von Ihnen angeführte Zitat findet sich in dem von Ihnen angesprochenen Corporate Governance Kodex nicht. Insbesondere enthält der Kodex auch keine Soll-Vorschrift, etwa zur Abschaffung von Stimmrechtsbeschränkungen welcher Art auch immer. Folglich haben weder die Bundesregierung noch die Kodex-Kommission eine solche Forderung gegenüber wem auch immer erhoben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mir erklären, wie dieser Eindruck durch das Vorstellen des Papiers erzeugt werden konnte? Wenn die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ dies in einer Überschrift schreibt, muss dieser Eindruck bei der Präsentation ja entstanden sein.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege, ich kann mir das nur so erklären, dass aus dem Text des Kodex, der auf der Pressekonferenz damals vorgestellt worden ist und der den Redakteurinnen und Redakteuren zur Verfügung stand, falsch zitiert wurde. Ich darf mir erlauben, diese Passage - es geht um die Bestimmung 2.1.2 - aus dem Kodex, den Herr Dr. Cromme gemeinsam mit der Bundesministerin der Justiz damals vorgestellt hat, zu zitieren: Jede Aktie gewährt grundsätzlich eine Stimme. Aktien mit Mehrstimmrechten oder Vorzugsstimmrechten ({0}) sowie Höchststimmrechte bestehen nicht. Ich will hinzufügen, dass das eine etwas verkürzte Darstellung der gegenwärtigen Rechtslage ist. In der Tat gibt es aufgrund des VW-Gesetzes Stimmrechtsbeschränkungen. Ich denke, dass sich dieser Kodex insbesondere auch an künftige Investoren aus dem Ausland richtet. Insofern wäre die Gewichtung sicherlich schlecht gewesen, wenn die Kodex-Kommission gesagt hätte, dass es eine einzige Ausnahme, nämlich aufgrund des VW-Gesetzes das VW-Werk, gibt. Insofern ist deutlich gesagt worden: Grundsätzlich gibt es im deutschen Recht keine Höchststimmrechte oder gar Golden Shares.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zweite Zusatzfrage.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich davon ausgehen, dass Sie sich auf der Ebene der EU - diese will das ja abschaffen - dafür einsetzen werden, dass das VW-Gesetz - genauso wie englische Regelungen - beibehalten wird?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Sie kennen den Standpunkt der Bundesregierung. Das VW-Gesetz spielt in diesem Unternehmen bzw. Konzern eine große Rolle. Deswegen wird die Bundesregierung erst dann entsprechende Überlegungen anstellen, wenn von den Betroffenen selbst dieser Wunsch an die Bundesregierung herangetragen wird. Ich denke, das ist dieselbe Haltung, die auch die Vorgängerregierung eingenommen hat. ({0}) Herr Kollege, Sie wissen, dass es bei den Initiativen der Europäischen Kommission insbesondere um diese so genannten Golden Shares geht. Diese haben eine etwas andere Qualität als das Höchststimmrecht im Rahmen des - verkürzt ausgedrückt - VW-Gesetzes. Nach diesem werden die Stimmrechte auf ein Fünftel des Grundkapitals beschränkt. Es handelt sich nicht um eine Blockade, wie sie etwa durch einen Golden Share entstehen könnte. Insofern sind die bisherigen Initiativen, die sich zum Teil gegen Mitgliedstaaten richten, ausschließlich auf diese so genannten Golden Shares gerichtet.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf. Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Peter Dreßen auf: Welche Pflanzenschutzmittel können die gewerblichen Anbauer von Stachel- und Johannisbeeren im ökologischen und konventionellen Anbau in Deutschland gegen den falschen und den echten Mehltau einsetzen, nachdem im Rahmen des Pflanzenschutzgesetzes die meisten Pflanzenschutzmittel nicht mehr eingesetzt werden dürfen? Diese Frage wird durch den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim beantwortet. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrter Herr Kollege Dreßen, gegen echten Mehltau an Stachelbeeren sind zurzeit Pflanzenschutzmittel mit den Wirkstoffen Lecithin, also ein Bioblattmehltaumittel, und Schwefel, also diverse Netzschwefelpräparate, wie zum Beispiel Netzschwefel, Stulln, Thiovit und Kumulus WG, zugelassen. Beide Wirkstoffe stehen auch dem ökologischen Landbau zur Verfügung. Gegen echten Mehltau an Johannisbeeren ist zurzeit kein Pflanzenschutzmittel zugelassen. Am 1. März 2002 ist jedoch eine Genehmigung nach § 18 a des Pflanzenschutzgesetzes für das Mittel Discus gegen echten Mehltau an Stachelbeeren und Johannisbeeren erteilt worden. Ein weiterer Genehmigungsantrag mit der gleichen Indikation ist für das Mittel Vento Spezial eingereicht worden. Falsche Mehltaupilze an Johannis- und Stachelbeeren haben nach hier vorliegenden Erkenntnissen bisher keine wirtschaftlichen Schäden verursacht. Aus diesem Grunde sind keine Pflanzenschutzmittel gegen den Erreger zugelassen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Möchten Sie eine Zwischenfrage stellen, Herr Kollege Dreßen?

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. - Habe ich Sie richtig verstanden, dass jetzt ein Ersatzmittel gegen Mehltau zugelassen ist? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Das ist richtig. Um den Zwischenruf aufzugreifen: Das ist insofern kein Thema für den Wissenschaftlichen Dienst, als mit dem Pflanzenschutzgesetz von 1998 eine Systemumstellung in Deutschland mit der Folge wirksam geworden ist, dass für circa 800 Anwendungsgebiete keine Anwendungen möglich waren. Die Bundesregierung hat sich intensiv bemüht, gemeinsam mit der Biologischen Bundesanstalt hier für Abhilfe zu sorgen. Bei rund der Hälfte dieser so genannten Lücken ist diese Abhilfe erreicht worden. Wir arbeiten mit Nachdruck daran, bis zum Saisonbeginn eine größere Anzahl weiterer Lücken zu schließen.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin in meiner Frage unterbrochen worden. Herr Staatssekretär, ich komme zu einem Punkt, der ebenfalls eine große Rolle spielt. Sie wissen, dass das Pflanzenschutzmittel Lebaycid zum Schutz der Kirschbäume gegen die Kirschfruchtfliege nicht mehr zugelassen ist. Die Obstbauern, insbesondere am Kaiserstuhl, wo es sehr viele Kirschbäume gibt, ({0}) haben die große Befürchtung, dass sie dann keine Kirschen verkaufen können. Wenn sie keine Pflanzenschutzmittel mehr spritzen dürfen, dann sind Maden in den Kirschen. Es ist aber verboten, Lebensmittel mit Maden in den Handel zu bringen. Gibt es hier eine ähnliche Lösung wie bei den Stachelbeeren? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Nein, eine ähnliche Lösung wie bei den Stachelbeeren gibt es gegenwärtig nicht. Diese Anwendung bei der Kirschfruchtfliege gehört zu den schwierig zu schließenden Lücken. Das Problem besteht zum Ersten darin, dass es keinerlei biologische Möglichkeiten gibt, die Kirschfruchtfliege zu bekämpfen. Zum Zweiten haben wir in Deutschland nur noch ein Präparat zugelassen, das im Gegensatz zu anderen Mitbewerbern, zum Beispiel Frankreich, viel längere Wartezeiten vorsieht. Zum Dritten ist das Präparat Lebaycid aus Gründen des Umweltschutzes verboten worden. Die Biologische Bundesanstalt hat allerdings die Möglichkeit, bei Gefahr im Verzuge, das heißt beim Nachweis, dass gehandelt werden muss, im Ausnahmefall eine Zulassung auszusprechen.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wollte noch einmal nachfragen, ob die Bundesregierung beabsichtigt, bei Gefahr im Verzuge dieses Mittel zuzulassen. Es ist unehrlich gegenüber anderen Ländern, in denen man wie in Frankreich sieben Tage und bei uns 21 Tage vor der Ernte mit dem Dimethoat spritzen darf. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Mit der Verabschiedung des Pflanzenschutzgesetzes 1998 hat der Gesetzgeber ein zum Teil über den anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union liegendes Schutzniveau in Deutschland festgeschrieben. Insofern ergeben sich aus der rechtlichen Umsetzung dieses hohen Schutzniveaus Unterschiede in der Pflanzenschutzmittelanwendung in den Ländern der Europäischen Union.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, könnten Sie noch einmal die Bedingungen erläutern, unter denen in Deutschland - der Kollege Dreßen hat vom Kaiserstuhl gesprochen, aber auch die Fränkische Schweiz ist eines der größten Kirschanbaugebiete in der Bundesrepublik - eine solche Ausnahmegenehmigung bei Gefahr im Verzuge für den Einsatz von wirksamen Bekämpfungsmitteln gegen die Kirschfruchtfliege erteilt werden kann? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Gefahr im Verzuge besteht insofern, als wir außer diesem einen Präparat Lebaycid über keine anwendbaren Alternativen verfügen. Daher bedarf es der Antragstellung und des Hinweises, dass dieser Schadenserreger - in diesem Fall konkret die Kirschfruchtfliege in dieser Region und in diesem Jahr besonders stark auftritt und Schädigungen der Kirschen zu erwarten sind. In der Regel können das die Behörden vor Ort erfassen und belegen. Damit wäre die Handlungsmöglichkeit für die Biologische Bundesanstalt gegeben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem bekannt ist, dass etliche Lücken im Pflanzenschutz nicht geschlossen werden können und dass zum Beispiel zur Bekämpfung des Feuerbrandes nichts Adäquates zur Verfügung steht, nachdem bekannt ist, dass zur Bekämpfung der Kirschfruchtfliege nichts Adäquates zur Verfügung steht - denn es ist ja von Ihrem Hause abgelehnt worden, die Wartezeit für Adimethoat zu verkürzen, sodass die Kirschen nach Ablauf der Wartezeit verfault an den Bäumen hängen und nicht mehr geerntet zu werden brauchen -, frage ich Sie: Ist die Bundesregierung bereit, die Bundesratsinitiative des Landes BadenWürttemberg, die jüngst eingebracht worden ist, zu unterstützen, wonach die Übergangsfristen des § 45 Abs. 1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes so geändert werden, dass an die Stelle des 1. Juli 2001 - dieses Datum ist ja abgelaufen - das neue Übergangsdatum 1. Januar 2005 tritt, was nach dem EU-Recht möglich wäre und uns helfen würde, die derzeitigen Lücken im Pflanzenschutz wirksam zu schließen? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Die Entscheidung liegt nicht bei der Bundesregierung, sondern beim Gesetzgeber. Der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber hat sich eindeutig geäußert, indem er dem Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen zugestimmt hat, wonach ein einfaches Zurückfahren auf die Situation vor dem 1. Juli des vergangenen Jahres nicht angezeigt ist, weil es auf der einen Seite gelungen ist, eine ganze Reihe der bestehenden Lücken - ich habe bereits Zahlen genannt; von ehedem 800 hat man für 500 Anwendungsgebiete eine Entscheidung getroffen - zu schließen, und es zum anderen für das Offenbleiben bestehender Lücken gute Gründe gibt. Das heißt: Das Adimethoat - um bei diesem Beispiel zu bleiben - ist ein Insektizid, das zu den Phosphorsäureesthern gehört, mit erheblicher Giftigkeit; ich will das einmal so platt sagen. Wir gehen davon aus, dass die Anwendung dieses Präparats im nächsten Jahr in ganz Europa generell verboten wird. Es macht deshalb wenig Sinn, aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes einen generellen Freibrief zu geben und am Ende auf die Situation des vergangenen Jahres zurückzufallen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, die Fragen 27 und 28 des Kollegen Heinz Seiffert und die Fragen 29 und 30 des Kollegen Hansgeorg Hauser, werden schriftlich beantwortet. Da aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung nur eine Frage zur Beantwortung ansteht - die Frage 31 des Kollegen Benno Zierer, die Fragen 33 und 34 des Kollegen Johannes Singhammer und die Fragen 35 und 36 des Kollegen Dr. Peter Ramsauer werden schriftlich beantwortet -, ziehe ich diesen Geschäftsbereich vor. Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Jochen-Konrad Fromme auf: Sieht die Bundesregierung konkrete Einspareffekte allein durch eine Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, und wenn ja, in welcher Höhe werden sie eintreten? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Fromme, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Übergreifendes Ziel aller Reformbestrebungen ist es, Langzeitarbeitslosigkeit durch Vermittlung in dauerhafte Beschäftigung zu überwinden. Des Weiteren muss eine Neustrukturierung der Leistungen zu einem Abbau administrativer Doppelstrukturen führen. Die Entscheidung, ob sich diese Hauptziele einer Reform besser durch eine Harmonisierung und Optimierung der beiden Leistungssysteme oder durch deren Verschmelzung erreichen lassen, ist in dem bevorstehenden umfangreichen Diskussionsprozess zu klären. Im Rahmen dieses Diskussionsprozesses sind eine Vielzahl von finanzpolitischen, sozialpolitischen, verfassungsrechtlichen und organisatorischen Problemen zu lösen. Ich gehe davon aus, dass durch Synergieeffekte Einsparungen erzielt werden. Die Neuordnung muss sich gesamtwirtschaftlich rechnen. Zugleich müssen die daraus resultierenden Finanzverteilungseffekte ausgewogen sein. Die genauen Finanzierungseffekte sind vom Inhalt der Neustrukturierung abhängig und können zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht quantifiziert werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage?

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, geben Sie mir Recht, dass, wenn der Bundesfinanzminister im Zusammenhang mit dem Sparkonzept zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien diese Maßnahme an erster Stelle nennt, der Verdacht auf der Hand liegt, im Bundeshaushalt solle an dieser Stelle kräftig gespart werden?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Fromme, einen Verdacht kann ich weder bestätigen noch ausräumen. Es ist Ihre Angelegenheit, wie Sie etwas bewerten. Der Bundesfinanzminister ist zurzeit dabei, eine Kommission zu installieren, die sich insbesondere mit der kommunalen Finanzsituation auseinander setzt. Dass dabei beispielsweise Fragen der Ausgaben für die Sozialhilfe eine Rolle spielen, ist klar. Aber mit der Frage, ob man Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe entweder anders miteinander verzahnt oder auch verschmilzt und mit welchen finanziellen Entwicklungen dabei gerechnet werden kann, hat das nichts zu tun. Es hängt sehr von der Gestaltung ab und davon, welche Maßnahmen durchgeführt werden, um entsprechende Effekte ausweisen zu können. Danach haben Sie schließlich gefragt.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie ich Sie jetzt verstehen muss, sind durch die organisatorische Zusammenlegung allein keine Einsparungen zu erzielen, sondern es müssen andere Maßnahmen damit verbunden werden. Können Sie wenigstens das bestätigen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, Herr Abgeordneter Fromme. Man muss das Problem sehen, das sich dahinter verbirgt. Auf der einen Seite gibt es die Arbeitslosenhilfe, die durch das SGB III garantiert ist und durch den Bund finanziert wird. Auf der anderen Seite gibt es die Sozialhilfe, die über die Sozialhilfeträger - sprich: überwiegend durch die Länder - finanziert wird. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Systeme. Die Arbeitslosenhilfe ist in ihrer Ableitung sozusagen eine Lohnersatzleistung, während die Sozialhilfe das sozioökonomische Lebenshaltungsminimum finanzieren soll. Schon aus den unterschiedlichen Finanzierungsquellen und Ableitungen ist erkennbar, welche Probleme sich in diesem Zusammenhang ergeben. Was die Schnittmenge angeht, beschränkt sich die Auseinandersetzung auf diejenigen, die Sozialhilfe beziehen, im erwerbsfähigen Alter sind und bei denen Anstrengungen unternommen werden müssten, sie in eine Arbeitsstelle zu vermitteln bzw. in Arbeit zu bringen, damit der Bezug von Sozialhilfe wie auch von Arbeitslosenhilfe entfällt. Es handelt sich also um relativ schwierige Materien, die man angehen muss und die wir - die Bundesregierung hat bereits angekündigt, dass dies in der nächsten Legislaturperiode angepackt wird - auch angehen wollen. Aber solange die Entscheidung, ob beides zusammengelegt werden oder ob eine Zusammenführung im Sinne einer engen Kooperation erfolgen soll, nicht gefällt ist, sind über die finanziellen Auswirkungen keine Aussagen möglich.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Klaus Grehn.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, denkt die Bundesregierung bei der Zusammenlegung auch an Alternativen und wäre es für die Bundesregierung eine Alternative, wenn alles, was den Bereich Arbeitslosigkeit betrifft und alles, was sich um diesen Bereich rankt, einschließlich privater Vermittlung, in die Arbeitsverwaltung eingeordnet und die Sozialhilfe auf das zurückgeführt würde, wofür sie ursprünglich gedacht war, nämlich als Hilfe in besonderen Lebenslagen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Grehn, wenn Sie eben der Zielsetzung zugestimmt haben, zuallererst Langzeitarbeitslose aus der Arbeitslosigkeit herauszuführen, dann müssen Sie sehen, dass eines der Modelle unter anderem darin besteht, beispielsweise Arbeitslosenhilfeempfänger, die ergänzende Sozialhilfe bekommen, zu betreuen und mit ihnen entsprechend umzugehen. Aus der Arbeit des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ist Ihnen bekannt, dass die Bundesregierung gegenwärtig einen Modellversuch mit dem Titel „MoZArT“ durchführt, in dem die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsverwaltung und Sozialhilfeträgern in 30 Modellprojekten in der Bundesrepublik erprobt wird. Wir haben dafür die rechtlichen Grundlagen geändert, damit es möglich ist, dass Leistungen aus einer Hand gewährt werden, also Arbeitsämter auch die Sozialhilfeleistungen auszahlen können oder Sozialämter die der Arbeitslosenhilfe. Wenn dies systematisch durchdacht wird, erscheint es in der Tat sinnvoll, darüber nachzudenken, wie man in einer organisatorischen Einheit für diese Zielgruppe - es geht nur um Sozialhilfeempfänger, die im arbeitsfähigen Alter sind, einer Arbeit nachgehen könnten und gleichzeitig Bezieher von Arbeitslosenhilfe sind - ein Modell finden könnte, das ermöglicht, dass die Betreuung aus einer Hand erfolgt, dass alle Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung stattfinden und Drehtüreffekte - erst ist jemand in dem einen Leistungssystem und wird dann an das nächste weitergegeben - unterbleiben und Ähnliches mehr. Darüber wird gegenwärtig diskutiert. Wir haben zwar angekündigt, dass wir die Systeme stärker miteinander verzahnen wollen. Aber welche Lösung letztendlich herauskommt, kann ich nicht prophezeien. Wir denken auch über die Alternativen nach, die Sie genannt haben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Ilja Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ist die Entscheidung über die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe noch längst nicht gefallen. Das veranlasst mich zu der Frage: Müssten Sie nicht das größte Interesse daran haben, dass in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entsteht, diese Grundsatzentscheidung ist schon gefallen - wenn man die Presseberichterstattung verfolgt, kann man ja fast denken, dass die Zusammenlegung schon morgen erfolgt -, dass vielmehr vermittelt wird, dass zwar Überlegungen über verschiedene Alternativen der Verzahnung angestellt werden, diese aber nicht unbedingt in der Überführung der Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe enden müssen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Seifert, Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass die Entscheidung noch nicht gefallen sei. Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass die Bundesregierung immer deutlich gemacht hat, dass gegenwärtig nur Modellprojekte - diese habe ich eben genannt - durchgeführt werden und dass man daran interessiert ist, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe - das macht ja aus ganz unterschiedlichen Gründen Sinn - stärker miteinander zu verzahnen. Aber die Entscheidung über die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wird erst in der nächsten Legislaturperiode getroffen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen werden von der Parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Schulte beantwortet. Die Frage 10 des Kollegen Benno Zierer und die Fragen 11 und 12 des Kollegen Jürgen Koppelin werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Albrecht Feibel auf: Von wann bis wann war Annette Fugmann-Heesing bei der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb, GEBB, beschäftigt und wie hoch war ihr Jahresgehalt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Präsident, herzlichen Dank. - Herr Kollege Feibel, es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie danach fragen. Ich bitte deshalb, die Fragen 13 und 14 im Zusammenhang beantworten zu dürfen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Feibel, sind Sie damit einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Dann rufe ich auch die Frage 14 des Kollegen Albrecht Feibel auf: In welcher Höhe hat die frühere Chefin der GEBB, Annette Fugmann-Heesing, nach ihrem Ausscheiden eine Abfindung erhalten? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Dr. Fugmann-Heesing war vom 21. August 2000 bis zum 31. Dezember 2001 als Geschäftsführerin der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb tätig. Im Vorfeld dieser Tätigkeit hat sie seit Anfang Mai 2000 im Rahmen eines Vorvertrags die Gründung der GEBB vorbereitet. Wie ich Ihnen bereits in meinen vorangegangenen Antworten, zuletzt am 15. Januar 2002, mitgeteilt habe, genießt diese Gesellschaft ein rechtliches Eigenleben, das heißt, die Gesellschaft ist hinsichtlich gesellschaftsinterner Vorgänge wie des Abschlusses und der Auflösung von Arbeitsverträgen mit Mitarbeitern selbstständig. Die Gesellschaft entscheidet auch, ob und wie sie Einzelheiten der Arbeitsverträge gestaltet. Dies gilt auch für die Frage nach einer möglichen Abfindung von Frau Dr. FugmannHeesing.

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Kollegin, sind Sie der Meinung, dass wir bei Einrichtungen, die zu 100 Prozent dem Bund gehören, auf jegliche parlamentarische Kontrolle verzichten können? Denn das, was die Bundesregierung hier und auch in anderen Bereichen praktiziert, ist nichts anderes, als ihr Handeln der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen. Das ist der Grund, warum ich mit Ihren vorhergehenden Antworten - verständlicherweise - nicht zufrieden war. ({0})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Feibel, Sie wissen ganz genau, dass ich nicht der Meinung bin, dass dem Parlament etwas vorenthalten werden soll. Aber es gibt Spielregeln - an deren Ausgestaltung habe ich ein bisschen mitgewirkt -: Die GEBB wird vom Bundesrechnungshof kontrolliert. Weder der Bundesrechnungshof noch wir geben der Öffentlichkeit Auskünfte über einen solchen persönlichen Bereich, nach dem Sie gefragt haben. Wenn aber der Bundesrechnungshof die GEBB geprüft hat, dann wird er dem Rechnungsprüfungsausschuss und dem Haushaltsausschuss entsprechende Informationen geben.

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie erklären Sie sich, dass der Bundesrechnungshof allein für die Vorprüfung mehr als ein halbes Jahr benötigt, bevor er die eigentliche Prüfung vornehmen kann? Wie sollen angesichts der zeitlichen Verzögerung dieser Prüfung, die ein Ersatz für die parlamentarische Kontrolle sein soll, noch irgendwelche Veränderungen herbeigeführt werden können, wenn es nicht möglich ist, aktuelle Zahlen beispielsweise im Haushaltsausschuss vorzulegen? Insbesondere Ihr Kollege hat sich geweigert, diese Zahlen im Haushaltsausschuss in nicht öffentlicher Runde bekannt zu geben.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Feibel, Sie wissen doch sehr genau, dass es eine ganze Reihe von öffentlichen Unternehmen und Gesellschaften gibt, die nicht in der Öffentlichkeit darstellen, was die Mitarbeiter verdienen und was sie beim Ausscheiden aus ihrem Arbeitsverhältnis bekommen. Bei uns Bundestagsabgeordneten und auch bei Parlamentarischen Staatssekretären ist es leicht, eine solche Information zu erhalten. Jeder kann nachlesen, was wir bekommen. Hier geht es doch um eine andere Frage. Der Rechnungshof kann die Angelegenheit prüfen. Sie wissen aus Ihrer Tätigkeit im Haushaltsausschuss, dass es im Anschluss an eine Prüfung sehr wohl einen Bericht gibt. Dieser geht an den Rechnungsprüfungsausschuss. Die Information gegenüber dem Parlament findet allerdings nicht in der Öffentlichkeit statt. Es gibt also Kontrollmechanismen und die müssen Sie nun abwarten.

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie der Auffassung sind, dass diese Kontrollmechanismen ausreichen, aber gleichzeitig die parlamentarische Kontrolle eigentlich bejahen, sehe ich darin einen erheblichen Widerspruch, weil Sie nicht bereit sind, den zuständigen Ausschuss über die notwendigen Fakten zu informieren. Das führt natürlich auch zu der Vermutung, dass im Zusammenhang mit den Privatisierungsabsichten oder vielleicht auch - das sage ich in Anführungsstrichen Pseudo-Privatisierungsabsichten der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb eine weitere - gestatten Sie mir den Ausdruck - Verdunkelungsgefahr in Bezug auf das Regierungshandeln besteht.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Natürlich weise ich das mit größter Empörung zurück. Wie Sie, Herr Kollege Feibel, wissen, werden wir uns in der nächsten Woche im Haushaltsausschuss auch mit einigen Initiativen der GEBB beschäftigen. Ich darf an Flottenmanagement und an Bekleidungsmanagement erinnern. Ich hoffe, wir kommen dort noch ein Stück voran. Wenn ich mir Ihre Vita und auch Ihre sonstigen Fragen ansehe, bin ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass auch Sie ein Interesse daran haben, dass moderne Verwaltung effizient wird. Den Versuch, mit dieser Gesellschaft auch in den großen Apparat der Bundeswehrverwaltung Effizienz in Abläufe wie zum Beispiel die Beschaffung hineinzubringen, halte ich weiterhin für sehr richtig. Sich dazu einer Gesellschaft zu bedienen, die nicht nur mit Stellenplänen arbeitet, wie beim Einzelplan 14 sonst üblich, halte ich auch für richtig. Außerdem ist das Recht auf Auskunft dem Parlament in bestimmten Gremien ja auch vorbehalten. Aber augenblicklich ist es ja nicht Ihre Absicht, durch Ihre Fragen herauszubekommen, wie gut wir das Ganze organisieren, sondern es interessiert die Leute natürlich vor allen Dingen, welche Entschädigung die ehemalige Finanzsenatorin bekommt. Auf die Entschädigung hat sie einen Anspruch. Wie bei anderen Unternehmen der öffentlichen Hand hat sie aber auch Anspruch auf einen gewissen Schutz und deshalb kann das nicht in der Öffentlichkeit dargestellt werden. ({0}) - Ich weiß ja, was Sie möchten. Aber ich halte es einfach für selbstverständlich, dass es Gremien gibt, in denen solche Fragen intern besprochen werden.

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die letzte Ausführung ist Ihre Betrachtung der Dinge. Ich sehe das ein bisschen anders, das ist auch mein gutes Recht. ({0}) Wenn Sie schon nicht sagen wollen, wie Frau FugmannHeesing für das, was sie geleistet hat, honoriert wurde und ob sie vielleicht eine Abfindung in der Größenordnung von ein oder zwei Jahresgehältern bekommen hat, nachdem sie ein Jahr beschäftigt war, können Sie vielleicht etwas anderes ausführen, was uns als Parlamentarier dann doch etwas beruhigt. Für Frau Fugmann-Heesing sind Zielvorstellungen formuliert wurden. Ein Ziel war zum Beispiel, Immobilien in der Größenordnung von 1,5 Milliarden DM zu veräußern, damit Geld in die Kasse der Bundeswehr kommt - das ist Ihr Anliegen ebenso wie unseres -, und so wenig Kosten wie möglich zu produzieren. Sind diese Zielvorstellungen nach Ihrer Auffassung erreicht worden oder gibt es ganz erhebliche Abweichungen davon?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein, Herr Kollege. Wir werden in der Tat ein wirtschaftlicheres Vorgehen erreichen. Auch Sie, Herr Feibel, wissen, dass wir zu viele Liegenschaften besitzen, sowohl bebaute als auch unbebaute Liegenschaften. Es kommt jetzt darauf an, beim Verkauf solcher Liegenschaften - da wollten wir uns ja der Gesellschaft bedienen - darauf zu achten, dass wir auch einen angemessenen Preis bekommen. Im Moment ist der Immobilienmarkt nicht so ideal, um beliebig verkaufen zu können. Was die wirtschaftlichen Abläufe betrifft - ich bin gern bereit, das auch noch einmal öffentlich zu diskutieren -, so haben wir, seit wir die GEBB gegründet haben, doch einen Umdenkungsprozess erreicht, der zu Einsparungsmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung, auch schon bei der Beschaffung, geführt hat. Die Einsparungen - das will ich gern zugeben - sind natürlich noch nicht mit 1,5 Milliarden zu quantifizieren. Ich gehöre aber auch zu denjenigen, die die Meinung vertreten, dass das ein bisschen Zeit braucht. ({0}) - Ja, aber ich bin der Meinung, dass wir mehr erreichen werden. Wir werden in einer größeren Zeitspanne mehr an Wirtschaftlichkeit erreichen. Ich hoffe, dass wir beide das in der nächsten Wahlperiode gemeinsam verfolgen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Siemann.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben uns bestätigt, dass das Haushaltsrecht des Bundestags durch die Gründung dieser Gesellschaft, auch der geplanten Gesellschaften zum Bekleidungsmanagement und Flottenmanagement, nicht beeinträchtigt wird, wollen aber die Fragen des Kollegen Feibel nicht beantworten. In welchen Ausschüssen - da erbitten wir Ihren Rat können wir Antwort auf diese Fragen bekommen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Aber lieber Herr Siemann, ich habe doch gerade dargestellt, dass der Rechnungsprüfungsausschuss da ein Element ist und es gewährleistet ist, dass der Bundesrechnungshof prüft. ({0}) - Lassen Sie doch die Leute erst einmal arbeiten! - Ich bin ziemlich sicher, dass hier nichts anderes interessiert als eine Zahl, die in der Öffentlichkeit eine Neiddebatte auslöst, wobei ich nicht Ihnen unterstelle, eine solche Neiddebatte beginnen zu wollen, um Gottes willen! ({1}) - Nein. Ich bin mir auch ganz sicher, dass Sie das nicht wollen. - Hierbei geht es einfach um Abläufe, die wir Ihnen darstellen werden. Ich bin davon überzeugt, dass Frau Fugmann-Heesing mit der ihr eigenen energischen und durchsetzungsfähigen Art einiges in Bewegung gebracht hat. Das merkt man spätestens an den Widerständen, die da gewesen sind. Lassen Sie uns also in Ruhe abwarten. Für diese Fragen haben wir den Rechnungsprüfungsausschuss. Es gibt den Bericht des Rechnungshofs. Anschließend besteht sehr wohl auch die Möglichkeit, das im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags zu behandeln. Es ist aber kein Gegenstand öffentlicher Darstellung. Das ist bei dieser Gesellschaft nicht der Fall und das ist, finde ich, auch in Ordnung.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wären Sie bereit, auch in dieser Gesellschaft die von der Justizministerin vorgestellten 50 Regeln für Vorstände und Aufsichtsräte durchzusetzen? Wenn das geschähe, würde sich das Problem erledigen, weil die Gesellschaft das Ganze von sich aus veröffentlichen würde. ({0})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das ist eine gute Frage. Ich finde den Gedanken eigentlich auch gar nicht so unsympathisch. Aber lassen Sie die doch erst einmal ein bisschen arbeiten! Gegen die Regeln, die die Justizministerin aufgestellt hat - sie hat natürlich gedacht, dass das Gehalt allen bekannt ist -, habe ich nichts. Ich persönlich habe auch keine Probleme damit, dies den Leuten draußen darzustellen. Mit den Gesellschaften, die wir jetzt für die Bundeswehr brauchen, betreten wir Neuland. Sie wissen, dass der Widerstand gegen diese Neuausrichtung in Teilen sehr energisch ist, berechtigt, zum Teil aber auch unberechtigt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Martin Hohmann auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Vorkommnissen von Drohungen gegen Angehörige bzw. zu Belästigungen von Angehörigen der in Afghanistan eingesetzten Soldaten des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr - Bericht der Zeitung „Welt am Sonntag“ vom 3. März 2002 - und insbesondere dazu, wer dahinter steckt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sehr geehrter Herr Kollege Hohmann, die Berichterstattung der „Welt am Sonntag“ vom 3. März trifft nach unseren Feststellungen insoweit zu, als es gegenüber der Ehefrau eines Soldaten des Kommandos Spezialkräfte Belästigungen in Form von Telefonanrufen und von schriftlichen Mitteilungen auf das Mobiltelefon gegeben hat. Anzeige wurde erstattet. Die polizeilichen Ermittlungen zu Tätern und Motiven sind noch nicht abgeschlossen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, vielen Dank. - Hat es seitdem weitere Vorfälle gegeben oder ist es bei diesem einen Vorfall geblieben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nach unserer Kenntnis gibt es keine weiteren Vorfälle. Bundesminister Scharping hat am letzten Sonntag einen Teil der Frauen getroffen - das haben wir aus vielerlei Gründen der Öffentlichkeit nicht vorab bekannt gegeben - und hat erfahren, dass ein guter Teil der Frauen von dem betroffen war, was ihnen und ihren Kindern nach der Darstellung in der Öffentlichkeit an Ausführungen zugemutet wurde. Weitere Vorfälle, bei denen von draußen auf die Angehörigen eingewirkt wurde, hat es aber Gott sei Dank nicht gegeben. Allerdings sind viele Journalisten in der Region präsent. Sie versuchen, von den Leuten Storys zu erhalten. Erinnern Sie sich daran, was los war, als die ersten Soldatinnen in die verschiedenen Verbände kamen. Eine solche Situation wollten wir vermeiden. Es handelt sich hierbei um einen sehr eingegrenzten Personenkreis, dessen Standort bekannt ist. Wir appellieren immer wieder an Sie, bei diesem Thema zurückhaltend zu sein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es aufgrund des Einsatzortes des KSK irgendwelche Hinweise oder Verdachtsgründe, dass diese Initiative einen islamistischen Hintergrund hat?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Es ist gut, dass Sie mich danach fragen; denn es ist natürlich eine berechtigte Frage. Einen solchen Zusammenhang können wir heute nicht nachweisen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine klare Erkenntnis darüber, dass die Vorfälle damit zusammenhängen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Günther Friedrich Nolting werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Werner Siemann auf: Wie beurteilt die Bundesregierung den Jahresbericht 2001 des Beauftragten für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur und welche Konsequenzen wird sie aus diesem Bericht ziehen, insbesondere im Hinblick auf Aussagen wie „Der politischen Leitung wird mit starken Vorbehalten begegnet“ und „Die Zurückhaltung der ,Generalität‘ wird zunehmend unverhohlen kritisiert. Die Truppe steht nicht mehr vorbehaltlos hinter der militärischen Führung“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 1. März 2002?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Siemann, der Jahresbericht des Beauftragten für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur soll dem Generalinspekteur dazu dienen, Trends und Tendenzen in den Streitkräften rechtzeitig zu erkennen. Die Aussagen im Jahresbericht sollten für den Generalinspekteur eine Grundlage zur Bewertung der Streitkräfte, für seine Beratung des Bundesministers der Verteidigung und gegebenenfalls auch für erforderliche Maßnahmen, die dann wiederum für das Parlament relevant wären, sein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, man kann darüber, dass der Bericht an die Öffentlichkeit gelangt ist, denken, wie man will; aber er ist in der Öffentlichkeit. Er ist ins Internet gestellt und für jedermann zugänglich. Auch die Soldaten kennen diesen Bericht. Was wird die Hardthöhe, der Generalinspekteur und der Minister, konkret veranlassen, um die Dinge, die in dem Bericht als Missstände angeprangert werden, zu beseitigen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich habe den Bericht mit großer Aufmerksamkeit gelesen. Ich muss Ihnen sagen: Ich halte es im Interesse des Verteidigungsministeriums für wichtig, dass die Darstellung gemäß dem Blankeneser Erlass offen und sorgfältig ist. Allerdings habe ich an einigen Anmerkungen des Berichts Zweifel. Ich beziehe mich nicht auf die Anmerkungen zur politischen Führung; als Politiker muss man es ertragen, kritisiert zu werden. Aussagen in diesem Bericht, dass sich die Soldaten von ihren militärischen Vorgesetzten so wenig vertreten fühlen, kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Wir beide wissen das besser. Andere Fragen, die in der Tat berechtigte Sorgen widerspiegeln, haben sowohl Regierung als auch Parlament zu klären.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, der besondere Vertrauensverlust der Soldaten in die politische Führung wird gerügt, weil Versprechungen zur Erhöhung der Attraktivität der Bundeswehr nicht eingehalten worden sind. Es wird ausgeführt, dass man auf den Kanzler setze, der die Finanzierung richten werde. Können wir davon ausgehen, dass die Finanzierung der Bundeswehr nun zur Chefsache wird?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wir können sehr wohl davon ausgehen. Wir haben bereits eine große Anzahl von Beförderungsmöglichkeiten geschaffen. Ich bedauere es sehr, dass auch die Soldaten, die in den letzten Jahren stärker als je zuvor gefordert waren, von der Abschaffung der Zulagen aufgrund der allgemeinen Sparzwänge betroffen sind. Sie haben das, genau wie ich in der Vergangenheit, gerügt. Gegenüber dem Innenminister und dem Finanzminister haben wir uns aber nicht durchsetzen können. Das gilt sowohl für die Zeit, in der Sie das Land noch regierten, als auch für unsere Regierungszeit. Eine weitere Attraktivitätssteigerung hinsichtlich der Beförderungsmöglichkeiten werden wir erreichen, sobald ein Teil der älteren Berufssoldaten aus dem Dienst ausscheidet. Weder konnte die vorangegangene Bundesregierung alle Wünsche erfüllen noch kann dies diese Bundesregierung. Gemeinsam müssen wir uns darüber Gedanken machen, ob die Besoldungsstrukturen noch stimmen. Wir brauchen Bündnispartner: den Innenminister und die Länder. Ich bin in der Tat der Meinung, dass wir auf diesem Gebiet noch mehr tun müssen. Herr Siemann, einen Teil der Klagen, die ich in dem Bericht gelesen habe, fand ich doch ein bisschen zu banal.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Werner Siemann auf: Trifft es zu, dass beim Tornado-Geschwader der Marineflieger nur sechs von 40 Piloten combat ready - volle Einsatzfähigkeit sind, „Der Spiegel“ vom 25. Februar 2002, und falls ja, was wird dagegen unternommen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Die Auswertung der Ausbildungsergebnisse 2001 ergab, dass mit Stand vom 1. Januar 2002 sechs von gegenwärtig 40 Einsatzbesatzungen den Anforderungen von combat ready genügen, also den höchsten Einsatzbereitschaftsstatus gemäß NATO-Standard erreicht haben. 33 Einsatzbesatzungen verfügen jedoch über den Status limit combat ready und sind damit natürlich auch einsatzfähig, wenn es darauf ankommt. Das Tornado-Geschwader der Marine verfügt damit über 39 Besatzungen, die den Anforderungen für einen Einsatz nach NATO-Standards gerecht werden. Mit der im Mai 2002 beginnenden Waffeneinsatzausbildung des Marinefliegergeschwaders 2 auf Sardinien werden neben den sechs bisherigen Besatzungen elf weitere Besatzungen den Status combat ready wiedererlangen. Somit stehen dem Tornado-Geschwader der Marine voraussichtlich ab Mai 2002 wieder 17 Besatzungen mit dem Einsatzstatus combat ready zur Verfügung.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Weitere Zusatzfrage?

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann, wenn wieder 17 Maschinen voll zur Verfügung stehen. - Wie lange wird es dauern, bis alle Besatzungen diesen Einsatzstandard erreicht haben werden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Es lohnt, sich einmal den Forderungskatalog anzusehen, der für combat ready erfüllt sein muss. Unser Problem war, dass wir im letzten halben Jahr bestimmte Schießübungen mit der Bordkanone nicht leisten konnten, weil der Flugplatz in Sardinien für uns gesperrt war. Wie Sie sich vielleicht erinnern, hatten wir im Jahr 2000 einen etwas unangenehmen Vorfall auf einem holländischen Flugplatz, als auf einen Turm geschossen wurde. So waren auch die Holländer nicht sonderlich angetan von der Idee, alle Übungsabläufe bei ihnen stattfinden zu lassen. Ich gehe davon aus, dass wir im Laufe des Jahres 2003 diesen Status erreichen können, wenn nicht Übungsmöglichkeiten eingegrenzt werden und damit die Ausbildung in bestimmten Kategorien verhindert wird. Weiterhin gehe ich davon aus, dass der Klarstand der Maschinen, der noch nie so hoch war, wie wir es uns immer wünschen - das wissen Sie ja auch -, es erlauben wird, dass alle Ende des Jahres 2003 den entsprechenden Standard erreicht haben.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, gibt es weitere Einheiten in der Bundeswehr, die, obwohl sie theoretisch voll einsatzfähig sein sollten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt unter Berücksichtigung dieser Kriterien nicht voll einsatzfähig sind?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Einsatzfähig sind wir; aber den höchsten Einsatzstandard haben wir sicherlich auch in anderen Verbänden nicht immer. Den haben wir übrigens noch nie überall und bei allen Besatzungen erreicht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau Parlamentarische Staatssekretärin. Wir haben jetzt noch den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums des Innern. Ich weise darauf hin, dass die Aktuelle Stunde nicht vorgezogen wird, falls die Fragestunde früher zu Ende geht, sondern pünktlich um 15.35 Uhr eröffnet wird. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Staatsminister Christoph Zöpel zur Verfügung. Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Peter Weiß zum Thema Einschränkung der öffentlichen Religionsausübung in verschiedenen Ländern auf: Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung hinsichtlich der politischen, wirtschaftlichen und Entwicklungszusammenarbeit mit denjenigen Ländern zu ziehen, in denen nach dem vom Missions- und Hilfswerk Offene Grenzen, Seesen/Harz, veröffentlichten Verfolgungsindex Christen hinsichtlich der Einschränkung der öffentlichen Religionsausübung am stärksten verfolgt werden, allen voran in Saudi-Arabien, Nordkorea und Laos?

Not found (Gast)

Sehr geehrter Herr Kollege, die Probleme, die Diskriminierung, die Menschenrechtsverletzungen und teilweise auch die Verfolgung, denen religiöse Minderheiten, darunter auch christliche Gruppen, in vielen Teilen der Welt ausgesetzt sind, werden von der Bundesregierung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Regierung hat in ihrer Antwort vom 22. Dezember 1999 auf die Große Anfrage Ihrer Fraktion zur Verfolgung von Christen in aller Welt dargelegt, welchen Ansatz sie grundsätzlich verfolgt, um Bedrohungen der Religionsfreiheit gerade auch gegenüber Christen entgegenzutreten. Die Bundesregierung geht dabei von einem Ansatz aus, der generell auf den Dialog zur Förderung rechtsstaatlichen und freiheitlichen Denkens abstellt. Im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit basieren alle fünf Kriterien zur Bewertung von Rahmenbedingungen in den einzelnen Partnerländern auf den Menschenrechten und haben wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung der Frage, ob und wie mit einem solchen Land zusammengearbeitet wird. Defizite sind Gegenstand des Politikdialogs. Einen Automatismus, der bei einem bestimmten Maß von Menschenrechtsverletzungen bestimmte Sanktionen vorsähe, gibt es sinnvollerweise nicht. Im Übrigen muss jeder Einzelfall im Gesamtkontext geprüft werden. Von den drei in der vorliegenden Frage genannten Ländern ist nur Laos Partnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Im Rahmen des politischen Dialogs thematisiert die Bundesregierung ihre Besorgnisse über die Menschenrechtslage. Sie wird dies auch anlässlich der anstehenden Regierungsverhandlungen zur weiteren entwicklungspolitischen Zusammenarbeit im Sommer 2002 tun und auf die Einhaltung der in der laotischen Verfassung garantierten Religionsfreiheit drängen. Dieser Dialog im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ist der geeignete Rahmen, auf Fortschritte in dem hier angesprochenen Bereich hinzuwirken.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da Sie in Ihrer Antwort auf die Länder abgehoben haben, mit denen wir aktuell staatliche Entwicklungszusammenarbeit pflegen, möchte ich Sie fragen: Hat die Bewertung einzelner Länder als sehr problematische Länder hinsichtlich der Gewährung von Religionsfreiheit Auswirkungen auf die politische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland, für deren Außenpolitik Sie und das Auswärtige Amt zuständig sind, und diesen Ländern oder spielt das in den politischen Beziehungen, zum Beispiel zu Saudi-Arabien, keine Rolle?

Not found (Gast)

Das spielt auch bei den Beziehungen mit den anderen Ländern eine Rolle. Ich habe die Fakten in Bezug auf das Land, in dem die Diskriminierung von Christen nach unserem Kenntnisstand am wenigsten systematisch erfolgt, dargelegt. Wenn es Entwicklungszusammenarbeit gibt, bestehen am ehesten Möglichkeiten der Einwirkung. In Nordkorea - um zu den beiden anderen Ländern zu kommen - gehört es zu den angestrebten Folgen der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen, überhaupt über diese Problematik reden zu können, und zwar im Rahmen dessen, was an Gesprächen mit der nordkoreanischen Regierung möglich ist; ich sehe, Sie nicken, Herr Kollege Koschyk. Ich sage das nicht ausweichend, sondern das ist ein Faktum. Saudi-Arabien ist ein Land, das relativ unabhängig ist. Es hat eine hervorragende ökonomische Grundlage und spielt eine spezifische Rolle. Es gibt eigentlich nur die Möglichkeit eines kontinuierlichen Dialogs mit der saudischen Regierung - der von den EU-Botschaftern wahrgenommen wird -, damit das Land sich den in den entsprechenden Erklärungen der Vereinten Nationen festgelegten Grundsätzen annähert. ({0}) Daneben gibt es - das liegt schon an der Grenze dessen, was sich für die hier öffentlich stattfindende Erörterung eignet - Bemühungen, die private Religionsausübung in diesem Lande, soweit es angesichts der dort herrschenden Auffassung darüber möglich ist, aufrechtzuerhalten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Weiß zu einer Nachfrage, bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da Sie zu Recht die Entwicklungszusammenarbeit angesprochen haben, möchte ich Sie fragen: Hat die Bewertung einzelner Länder als besonders problematisch hinsichtlich der Gewährleistung der freien Religionsausübung, die Bestandteil der Menschenrechte ist und damit zu den fünf Kriterien unserer Entwicklungszusammenarbeit gehört, irgendwelche Auswirkungen? Von den zehn Ländern, in denen Christen nach der von mir zitierten Untersuchung am stärksten verfolgt werden, sind die Volksrepublik China, Pakistan und Vietnam Schwerpunktpartnerländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und das von Ihnen bereits angesprochene Laos ist Partnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Spielt es bei der Einordnung und der Fortentwicklung der Entwicklungszusammenarbeit irgendeine Rolle, dass die Religionsfreiheit dort offensichtlich in einem nur unzulänglichen Maße gewährleistet ist bzw. in einem hohen Maße behindert wird?

Not found (Gast)

In Ihrer Frage haben Sie drei Länder genannt. Sinnvollerweise ist die Vorbereitung auf diese drei Länder konzentriert worden. Zu Laos ist festzuhalten: In diesem Land ist die Religionsfreiheit in der Verfassung garantiert. In einzelnen Provinzen werden christliche Gruppen unter Druck gesetzt. Es gibt vor allem dann Probleme, wenn Missionierung festgestellt wird. Zwischen dem Ergebnis, unsere Position in der Verfassung, in der Rechtsordnung festzuschreiben, und einem der Erkenntnis der Botschaften folgenden Hinweis in dem entsprechenden politischen Dialog gibt es eigentlich nicht viel Konkretes. Ich würde aber sagen, eine Verschlechterung hinsichtlich der Religionsausübung, also eine Abweichung von der Verfassung von Laos, bei ausdrücklicher Billigung der Regierung hätte Konsequenzen für die Art und das Ausmaß deutscher Entwicklungshilfe. So wird auch in anderen Fällen von Menschenrechtsverletzungen gehandelt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 21 des Kollegen Koschyk auf: Inwieweit hat die Bundesregierung die Empfehlung des polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski, die er in seiner Rede in der Friedrich-Ebert-Stiftung am 6. März 2002 abgegeben hat ({0}), in der Diskussion über die Benes-Dekrete eine Lösung zu finden, zum Anlass genommen, dieses Thema mit dem polnischen Staatspräsidenten zu erörtern, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Not found (Gast)

Herr Kollege Koschyk, ich bedanke mich für Ihre Frage. Ich möchte sie beantworten, indem ich das vorlese, was Präsident Kwasniewski gesagt hat. Vorher möchte ich zwei Dinge dazu sagen: Wir teilen seine Auffassung. Aber aus förmlichen Gründen ist festzustellen: Formelle Gespräche mit dem polnischen Präsidenten kann nur der Präsident unseres Landes führen. Das Auswärtige Amt kann nicht auf Fragen antworten, die in den Verantwortungsbereich des Bundespräsidenten fallen. Ich lese Ihnen nun vor, was Präsident Kwasniewski gesagt hat - wir finden das insgesamt richtig; es entspricht unserer Politik -: Der Erweiterungsprozess der EU ist etwas anderes als die Lösung der Fragen, die ein Erbe des Zweiten Weltkriegs sind. Es wäre völlig unverständlich, paradox, aber auch gefährlich, wenn es sich herausstellen würde, dass auf dem Weg der Erweiterung der EU die Schatten von Hitler, Benes, Roosevelt, Churchill und Stalin stehen. Das würde bedeuten, dass wir uns selbst der Kriegs- und Nachkriegslogik unterwerfen lassen, die wir eigentlich überwinden wollen. Es gibt Probleme - eines wurde gelöst. Ich spreche hier von den Entschädigungen für die Zwangsarbeiter, aber wir haben noch andere Fragen: die Frage des Kulturerbes, der Benes-Dekrete ({0}), die Vertriebenenfrage und die der Gesten gegenüber dieser Gruppe. Dies sind Fragen, über die wir in einem vernünftigen Dialog entscheiden sollen, in einem Prozess, der Zeit in Anspruch nimmt, aber auch historische Wahrheit und große politische und soziale Sensibilität fordert. Ich unterstreiche das noch einmal: Die Schatten dieser Menschen, die ich erwähnte, dürfen kein Hindernis im Erweiterungsprozess und auf dem Weg zur EU darstellen. Ansonsten wird alles zerstört werden, was uns gelungen ist, bisher zu schaffen. Wenn es nicht der Präsident eines wichtigen Nachbarstaates wäre, würde ich sagen: Das könnten auch Vertreter der Bundesregierung gesagt haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die erste Nachfrage des Kollegen Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, natürlich ist mir klar, dass es keine direkten Konsultationen zwischen der deutschen Bundesregierung und dem polnischen Staatspräsidenten gibt. Aber es hat ja Gespräche auch des Herrn Bundeskanzlers mit dem polnischen Staatspräsidenten gegeben. Ist dabei vonseiten der Bundesregierung der in meiner Frage angesprochene Teil - der polnische Präsident hat sich nicht nur in dieser Rede, sondern während seines Deutschlandbesuches verschiedentlich zu diesen Fragen geäußert - mit dem polnischen Präsidenten erörtert worden und wird die Bundesregierung die Anregungen des polnischen Präsidenten bei ihren weiteren Konsultationen und Kontakten mit der polnischen Regierung aufgreifen?

Not found (Gast)

Den ersten Teil Ihrer Frage beantworte ich folgendermaßen: Ich kann es Ihnen korrekterweise nicht sagen. Die Gespräche mit dem Kanzler, die im Kern Vier-AugenGespräche sind, könnte ich wiedergeben. Aber Fragen zu Gesprächen auf Präsidentenebene können nach unserer Verfassung nicht von einem Vertreter des Auswärtigen Amts beantwortet werden. Für die Politik der Bundesregierung gilt hinsichtlich all dieser Fragen, dass es sich im Kern um bilaterale Angelegenheiten handelt. Wir wollen sie nicht dazu nutzen, die Verhandlungen über EU-Beitritte zu verzögern. Denn unseres Erachtens erleichtert ein erfolgter Beitritt die Erörterung all dieser Fragen im europäischen Rahmen. Bei unserem Gespräch mit allen infrage kommenden Regierungen betonen wir diesen Grundsatz, sind aber erfreut darüber, dass vor allem im Rahmen des doch etwas schwierigeren Verhältnisses zwischen Tschechien und Deutschland ein europäischer Dialog beginnt. Er zeigt, dass die Überwindung der Folgen faschistischer - konkret gesagt: nationalsozialistischer - und kommunistischer Machtausübungen ein Problem aller Demokratien Europas ist.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich trotzdem noch einmal fragen, ob und in welcher Art und Weise die Bundesregierung den Kerngehalt dieser Äußerungen des polnischen Präsidenten, denen Sie ja zustimmen, zum Gegenstand bilateraler Gespräche mit der polnischen Seite angesichts dessen machen wird, dass der polnische Präsident zum Beispiel in einem Interview mit der „Welt“ gesagt hat: „Es gibt die Vertriebenen, die auf eine ehrenvolle Geste hoffen“? Wird die Bundesregierung mit der polnischen Regierung über eine vom polnischen Präsidenten so genannte „ehrenvolle Geste“, also über den Versuch der Aufarbeitung des Vertreibungsunrechts, in ein Gespräch treten?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ohne dass dieses in der - bezogen auf ein korrektes Handeln in der Außenpolitik - notwendigen Form vom Auswärtigen Amt aufgeschrieben wurde, sage ich für die politisch Verantwortlichen dieser Regierung: Ja.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Hartmut Koschyk auf: Mit welchen Ergebnissen hat die Bundesregierung die Situation der deutschen Minderheit in Polen ({0}) im Rahmen der Gespräche mit dem polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski thematisiert und inwieweit hat die Bundesregierung das bereits einmal gescheiterte und nun erneut in den parlamentarischen Beratungen befindliche Minderheitengesetz angesprochen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, das polnische Parlament hat, wie Sie vermutlich wissen, am 15. Februar 2002 in erster Lesung über das Gesetz über nationale und ethnische Minderheiten beraten. Im Anschluss wurde der Gesetzentwurf an die Sejm-Kommission zur weiteren Beratung überwiesen. In der Debatte im polnischen Parlament unterstützten Vertreter verschiedener Minderheiten den Entwurf und hoben insbesondere lobend hervor, dass damit die in Polen lebenden Minderheiten einen mit den Regelungen in anderen europäischen Ländern vergleichbaren Schutz erhalten würden. Im Unterschied zu früheren Legislaturperioden unterstützt die größte Fraktion im Sejm den Gesetzentwurf. Die Bundesregierung sah daher keinen Anlass, den nun vorliegenden Gesetzentwurf anzusprechen. Die für den Mai geplante Volkszählung in Polen steht nach Erkenntnissen der Bundesregierung nicht im Widerspruch zu den einschlägigen europäischen Normen. Im Übrigen ist und bleibt die Bundesregierung mit ihrem Nachbarn und Partner Polen auch weiterhin auf allen Ebenen in einem intensiven Meinungsaustausch auch über die Fragen der Förderung nationaler Minderheiten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Koschyk, bitte die erste Nachfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie sagen, dass nach Meinung der Bundesregierung die für den 20. Mai in Polen anberaumte Volkszählung mit europäischen Normen nicht in Widerspruch stehe. Ich habe eine amtliche Übersetzung des Fragebogens in deutscher Sprache vorliegen. Demnach sollen die Angaben nicht anonym, sondern unter Nennung des vollen Namens gemacht werden. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Beantwortung der Frage 16, nämlich welche Nationalität jemand besitzt und ob er eine andere Staatsangehörigkeit neben der polnischen besitzt, von den Angehörigen der deutschen Minderheit mit gewisser Sorge gesehen wird, weil sie nicht anonym erfolgen kann?

Not found (Gast)

Dass die deutsche Minderheit mit diesem Gesetzentwurf - Hartmut Koschyk ({0}): Nicht Gesetzentwurf, sondern Fragebogen.

Not found (Gast)

Damit kein Missverständnis entsteht: Der Bundesregierung ist bekannt, dass die deutsche Minderheit mit dieser Volksbefragung einige kritische Fragen verbindet. Nach unseren Informationen führt aber die polnische Regierung mit der deutschen Minderheit derzeit Gespräche über diese Thematik. Es ist richtig, dass zunächst einmal eine innerstaatliche Diskussion erfolgt. Nach unserer Kenntnis werden diese Gespräche von der deutschen Minderheit als konstruktiv gewürdigt. Sie verübeln mir sicher nicht, dass ich jetzt nicht alle Einzelheiten kenne. Aber ich werde mich persönlich vergewissern, ob von der polnischen Regierung und von den Repräsentanten der deutschen Minderheit die Gespräche so geführt werden, dass es von deutscher Seite keinen Grund gibt, in eine im Prinzip innerstaatliche Angelegenheit Polens - wenn auch nur ganz behutsam - einzugreifen. Im Übrigen kann ich feststellen, dass solche Fragen unserer Botschaft im Umgang mit der polnischen Regierung mittlerweile selbstverständlich sind. Ich danke Ihnen für die Hinweise.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich danke Herrn Staatsminister Zöpel. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Klaus Hofbauer auf: Welche Initiativen unternimmt die Bundesregierung, um die Stellung der Kommunen auf europäischer Ebene zu stärken, insbesondere eine Garantie des kommunalen Selbstverwaltungsrechts im zu erarbeitenden europäischen Verfassungsvertrag zu erreichen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hofbauer, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Bundesregierung hat sich bereits mehrfach in der Vergangenheit für eine Stärkung der Kommunen auf europäischer Ebene und zur Aufnahme des kommunalen Selbstverwaltungsrechts in die europäischen Verträge, die der Konvent und die Regierungskonferenz 2004 möglicherweise zu einem europäischen Verfassungsvertrag weiterentwickeln werden, eingesetzt. Die Bundesregierung ist insbesondere bei folgenden Gelegenheiten dafür eingetreten: im Rahmen der Regierungskonferenz 1996 mit dem Versuch, das Recht der kommunalen Selbstverwaltung in den Europäischen Verträgen zu verankern, bei der Konkretisierung des Subsidiaritätsprinzips zugunsten der Kommunen und Regionen, bei der Ratifizierung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung des Europäischen Rates vom 15. Oktober 1985 und bei der Sicherung einer angemessenen Vertretung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften auf europäischer Ebene. Die Länder und Kommunen haben die Möglichkeit, im Ausschuss der Regionen ihre Auffassungen auf EUEbene geltend zu machen. Der Vertrag von Nizza hat die Stellung des Ausschusses der Regionen gestärkt, indem für seine Mitglieder ein politisches Mandat auf regionaler oder lokaler Ebene vorgeschrieben wird. Die Bundesregierung steht einem engen Meinungsaustausch mit den Deutschen, die auch die Kommunen im Konvent zur Zukunft der EU vertreten, offen gegenüber. Dies sind namentlich der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Herr Teufel, der vom Bundesrat entsandt wurde, und als Beobachter für den Ausschuss der Regionen Herr Professor Dammeyer aus Nordrhein-Westfalen. Letzterer ist einer von sechs Beobachtern, die aus Regional- und Kommunalvertretungen in den Ausschuss der Regionen gewählt wurden. Die Bundesregierung achtet dabei stets auf die Tatsache, dass die Kommunen staatsrechtlich den Ländern zugeordnet sind. - Diese Bemerkung wollte ich noch pflichtgemäß hinzugefügt haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nun kommen wir zu den Nachfragen des Kollegen Hofbauer.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mir konkret sagen, welche Schwerpunkte hier von der Bundesregierung angestrebt werden? Wir müssen ja feststellen, dass das Europarecht immer mehr in die Rechte und Aufgaben der Kommunen eingreift, insbesondere in die Finanzhoheit, die Planungshoheit, die Organisationshoheit und die großen Bereiche der Daseinsvorsorge. Bei den Gemeinden, Städten und Landkreisen hat man den Eindruck, dass die Übermacht Europas immer größer wird. Welche konkreten Ziele streben Sie an, um die Selbstverwaltung der Kommunen zu stärken und deren Gängelung durch Europa zurückzuschrauben?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hofbauer, wenn man darüber reden will, welche Aufgaben und welche Aufgabenverluste bei der kommunalen Selbstverwaltung auftreten, dann muss man eine zweifache Diskussion führen: einmal in Deutschland selbst die Diskussion darüber, wie sich das Verhältnis des Bundes zu den Ländern und kommunalen Gebietskörperschaften und das interne Verhältnis der Länder zu den kommunalen Gebietskörperschaften entwickelt haben - der größere Teil dessen, was Sie eben angesprochen haben, ist Ergebnis der Entscheidungen dieser Ebenen - und zum anderen die Diskussion auf europäischer Ebene, die Sie mit Ihrer Frage in erster Linie im Auge hatten. Dass wir insoweit unterscheiden müssen, hängt ganz entscheidend damit zusammen, dass wir in Deutschland mit dem Thema der kommunalen Selbstverwaltung sehr gute Erfahrungen gemacht haben, unsere Strukturen und deren rechtliche Verankerung - das wissen Sie genauso gut wie ich - in Europa aber keine gängige Praxis sind. Deswegen fanden und finden wir bei Fragen der kommunalen Selbstverwaltung auch im Zuge anderer Verhandlungen auf EU-Ebene fast nur die Unterstützung Österreichs. Auch wenn es schwierig ist, anderen unsere Strukturen zu vermitteln, können Sie versichert sein, dass wir uns darum ganz konkret bemühen, weil wir das Gut der kommunalen Selbstverwaltung hoch schätzen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ihre zweite Frage, bitte, Herr Hofbauer.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe keine weitere Zusatzfrage.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich die Frage 24 des Kollegen Hofbauer auf: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein Schutz des kommunalen Selbstverwaltungsrechts im europäischen Verfassungsvertrag in Inhalt und Umfang dem Standard der Garantie des Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz entsprechen muss, und wenn nein, warum nicht?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hofbauer, ich glaube, diese Frage ist zum Teil in Ihre vorhergehende Frage eingeflossen und daher schon von mir beantwortet worden. Ich kann Ihre Frage eindeutig mit Ja beantworten. Bisher aber hat die Forderung Deutschlands und Österreichs nach Verankerung des Rechts der Kommunen auf Selbstverwaltung in den europäischen Verträgen nicht die Unterstützung anderer Mitgliedstaaten gefunden; der Diskussionsprozess ist Ihnen bekannt. Ich habe eben bereits umrissen, welche Schwierigkeiten hier bestehen. Dies entbindet uns aber nicht von der Aufgabe, diesen Gedanken auch weiterhin in die auf europäischer Ebene geführte Verfassungsdebatte einzubringen. Das entspricht auch der Art und Weise der Pflege unserer Kontakte.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt besteht für den Kollegen Hofbauer noch einmal die Gelegenheit, eine Nachfrage zu stellen.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben die Problematik aufgezeigt: Die Stellung der Kommunen ist in den verschiedenen Ländern Europas sehr unterschiedlich. Wir haben in Deutschland allerdings gute Erfahrungen mit der starken Stellung der Kommunen gemacht. Ich entnehme Ihrer Antwort, dass Sie schon fast resigniert haben, den Standard Deutschlands auf europäischer Ebene umsetzen zu können. Könnten Sie vielleicht einige der Vorgaben nennen, die Sie den Mitgliedern des Konvents von deutscher Seite mitgegeben haben bzw. mitgeben werden? Und könnten Sie auch die Strategie darstellen, wie Sie versuchen wollen, dass die in Deutschland vorhandenen Grundsätze in den europäischen Verfassungsvertrag aufgenommen werden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Hofbauer, wenn Sie bei mir auch nur an irgendeiner Stelle den Hauch von Resignation festgestellt haben, so muss ich Sie korrigieren. Wer mich kennt, der weiß, dass mir dies absolut fremd ist, gerade auch bei diesem Sachverhalt. Ich habe nur versucht, die Konstellationen realistisch darzustellen. Ich glaube nicht, dass wir hier in unseren Einschätzungen weit auseinander liegen. Im Grunde genommen sind wir beide von dem Modell der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland überzeugt. Wir glauben, es hat sich bewährt. Dies hängt vielleicht ein wenig mit unserer Biografie zusammen; denn uns beiden ist das Thema der Kommunalpolitik nicht fremd. Ich glaube, man sollte eines beachten: Es geht nicht darum, die Debatte in der Richtung zu führen, dass alle unserem Beispiel folgen. Umgekehrt aber muss klar sein - und zwar auf Grund der Erfahrungen, die wir gemacht haben -, dass wir unser Modell der kommunalen Selbstverwaltung beibehalten. Sie haben mich auch gefragt, welche Strategie wir verfolgen. Ich glaube, dass es ausreicht, wenn man auf die Erfolgsgeschichte der kommunalen Selbstverwaltung bei uns verweist. Das dürfte das beste Argument sein.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich die Frage 25 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass laut Bericht der Zuwanderungskommission circa 80 Prozent der Antragsteller im Asylverfahren keinen Pass vorlegen, und wie hoch schätzt die Bundesregierung den Anteil an absichtlich verborgenen bzw. vernichteten Personaldokumenten ein?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Dehnel, die Schätzung, dass etwa 80 Prozent der Antragsteller in Asylverfahren keinen Pass oder sonstige Personaldokumente vorlegen, weil sie solche nicht besitzen bzw. weil sie sie vernichtet haben oder verbergen, ist nicht neu. Das weiß jeder, der sich mit dieser Materie beschäftigt. Diese Angabe stammt aus dem so genannten Süssmuth-Bericht, der Ihnen bekannt sein dürfte. Die Zahl selbst ist durch Mitarbeiter des Bundesamtes, die zur Geschäftsstelle der unabhängigen Kommission Zuwanderung abgeordnet waren, dort eingebracht worden. Sie beruht auf aktuellen Schätzungen des Bundesamtes und seiner Außenstellen. Wie hoch - das ist mir sehr wichtig - der Anteil an absichtlich verborgenen oder vernichteten Personaldokumenten ist, ist nicht feststellbar. Dies muss man der Fairness halber hinzufügen. Deswegen wäre eine entsprechende Aussage spekulativ. Aus der Tatsache aber, dass ein Asylbewerber keine gültigen Personaldokumente im Asylverfahren vorlegt, kann nicht ohne Weiteres auf einen Asylmissbrauch geschlossen werden, weil im Falle politischer Verfolgung der Verfolgerstaat im Zweifel keine zur Ausreise berechtigenden Reisedokumente ausstellen wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, Herr Kollege Dehnel.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sagten, die Zahl in dem Bericht beruhe auf einer Schätzung. Nach meinem Kenntnisstand steht in dem Bericht aber ganz klar und deutlich, dass man davon ausgehen kann, dass 80 Prozent der Antragsteller in Asylverfahren keinen Pass vorlegen. Auch häufen sich gerade in der letzten Zeit - das haben Sie vielleicht in den Berliner Zeitungen gesehen - Inserate, mit denen Pässe aus China, dem Libanon oder sonst woher gesucht werden. Darin wird sogar die Passnummer angegeben. Damit wird eine Mithilfe suggeriert; denn bei Vorlegen eines Passes wird eine entsprechende Verlängerung des Asylverfahrens genehmigt. Genau darauf hebt auch der Bericht ab. Sie dagegen sagen, das sei alles an den Haaren herbeigezogen und geschätzt. Man kann doch eigentlich davon ausgehen, dass es 80 Prozent der Asylbewerber betrifft, oder nicht?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Dehnel, exakt dieser Frage bin ich natürlich in weiser Voraussicht nachgegangen: Ich ahnte, dass Sie mir diese Frage stellen würden. Ich sage Ihnen ganz offen: Es ist eine Schätzung. Es gibt beispielsweise auch keine Ergebnisse darüber, wie hoch die Anerkennungsquote bei diesen geschätzten 80 Prozent der Asylbewerber bzw. den verbliebenen 20 Prozent der Asylbewerber ist. Dazu gibt es keine statistischen Erkenntnisse, keine Zählungen. Auch über den zweiten Teil, den ich dargestellt habe, gibt es keine Schätzung. Angesichts dessen werbe ich darum, dann, wenn man solche Zahlen verwendet, immer auch die Zahlengrundlage zu nennen. Deswegen habe ich auch meine Quelle und die Fundstelle genannt. Dies ist mir ganz wichtig. Daraus sollte man - das sage ich in aller Sachlichkeit - auch keine falschen Schlussfolgerungen ziehen. Deshalb möchte ich jetzt noch einmal auf den letzten Absatz meiner vorhin gegebenen Antwort hinweisen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine weitere Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Dehnel.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir einer Meinung, dass der Anteil derjenigen, bei denen es - eventuell auch unter Einsatz krimineller Mittel - zu einem Verschwinden des Passes kommt, dennoch sehr hoch sein muss, auch wenn es sich um eine Schätzung handelt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Dehnel, ich will mich gar nicht darauf fixieren, ob diese Zahl gut oder schlecht geschätzt ist. Aber die Tatsache, dass diese Zahl geschätzt ist, also diejenigen, die im Asylverfahren keinen Pass vorlegen, nicht statistisch erfasst sind, ist schon eine Aussage für sich. Viel mehr kommt es mir darauf an, nicht automatisch die Schlussfolgerung zu ziehen, die Sie etwa in Ihre Frage hineingelegt haben. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Es gibt keine Belege, keine Fakten, nur eine Schätzung. Zudem hat derjenige - ich sage das, um einen Eckpunkt zu setzen -, der politisch verfolgt wird, häufig keinen gültigen Pass mehr. Dies ist unter anderem ein Kennzeichen politischer Verfolgung. Deswegen muss man mit diesem Umstand sachgerecht umgehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 26 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf: Mit welchen erkennungsdienstlichen Maßnahmen will die Bundesregierung diesen Verhaltensweisen im Umgang mit dem Gastrecht entgegenwirken, um die ordnungsgemäße Durchführung von Asylverfahren einschließlich zweifelsfreier Identitätsfeststellung gewährleisten zu können? Dies ist die letzte Frage, die in der heutigen Fragestunde aufgerufen wird. Ich weise jetzt schon darauf hin, dass wir die Sitzung nicht unterbrechen müssen; denn laut Plan beginnen wir um 15.35 Uhr mit der Aktuellen Stunde.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Präsidentin, vielleicht haben Sie schon geahnt, dass ich jetzt eine längere Antwort parat habe, sodass ich die Zeit voll ausnutzen kann.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Staatssekretär, Sie kennen die Spielregeln. Es sollte auch noch die Chance bestehen, zwei Zusatzfragen stellen zu können.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Selbstverständlich. Nach dem Bericht der unabhängigen Kommission „Zuwanderung gestalten - Integration fördern“ vom 4. Juli 2001 ist aufgrund fehlender Personaldokumente eine zweifelsfreie Klärung der Identität und des Verfolgtenschicksals im Asylverfahren häufig nicht möglich. Die Bundesregierung hat deshalb mit dem Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus eine gesetzliche Grundlage für Sprachaufzeichnungen geschaffen, anhand derer eine identitätssichernde Sprachanalyse zur Bestimmung des Herkunftsstaates oder der Herkunftsregion durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge auch gegen den Willen des Betroffenen erfolgen kann. Bislang waren solche Sprachanalysen nur mit Zustimmung des Asylbewerbers möglich. Im Jahre 2000 wurden vom Bundesamt circa 700 Sprachanalysen auf freiwilliger Basis durchgeführt. Im Jahre 2001 waren es circa 1 000. In etwas über 60 Prozent dieser Fälle konnte ein anderer Herkunftsstaat, als im Asylverfahren angegeben, der Sprache zugeordnet werden. In etwa 30 Prozent der Fälle wurde das vom Asylbewerber angegebene Herkunftsland bestätigt. Für den Bereich der Sprach- und Textanalyse hat das Bundesministerium des Innern in den laufenden Haushaltsverhandlungen mit dem Bundesministerium der Finanzen den Sach- und Personaleinsatz für die Haushaltsjahre 2002 und 2003 deutlich erhöht. Künftig sollen Mittel für rund 15 000 Sprachaufzeichnungen zur Verfügung gestellt werden. Neben diesen neuen identitätssichernden Maßnahmen nimmt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wie auch schon bisher Lichtbilder und Abdrücke aller zehn Finger der Asylbewerber auf. Die insoweit gewonnenen Unterlagen können gemäß § 16 Abs. 5 des Asylverfahrensgesetzes zur Feststellung der Identität oder zur Zuordnung von Beweismitteln für Zwecke des Strafverfahrens oder zur Gefahrenabwehr verarbeitet und genutzt werden. Durch diese im Rahmen des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus erfolgte Neufassung des § 16 Abs. 5 des Asylverfahrensgesetzes ist es heute möglich, die Fingerabdrücke von Asylbewerbern automatisiert mit dem polizeilichen Tatortspurenbestand des Bundeskriminalamtes abzugleichen. Alle erkennungsdienstlichen Unterlagen aus dem Asylverfahren können heute entsprechend der durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus erfolgten Änderungen des besagten § 16 zehn Jahre nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens aufbewahrt werden und stehen somit den Strafverfolgungsbehörden für längere Zeit zur Verfügung. Um die Rückführung abgelehnter Asylbewerber zu verbessern, hat die Bundesregierung mit dem Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus darüber hinaus die Möglichkeit geschaffen, an Staatsangehörigen von Staaten, bei denen Rückführungsschwierigkeiten bestehen, durch die jeweilige Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland erkennungsdienstliche Behandlungen vorzunehmen. Im Falle der Verschleierung der Staatsangehörigkeit nach der Einreise in das Bundesgebiet lässt sich so der Herkunftsstaat zweifelsfrei ermitteln. Darüber hinaus setzt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge speziell geschulte Reisewegbeauftragte ein, die Asylbewerber vornehmlich aus herkunftsstarken Ländern auf freiwilliger Basis nach ihren Reisemodalitäten befragen. Das Bundesministerium des Innern hat in den laufenden Haushaltsverhandlungen mit dem Bundesministerium der Finanzen den Sach- und Personaleinsatz für diesen Bereich für die Haushaltsjahre 2002 und 2003 verdreifacht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Sie haben es wirklich fast geschafft. Ich lasse daher jetzt nur noch eine kurze Zusatzfrage zu und bitte um eine kurze Antwort.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie waren ja auch schon bei uns an der Landesgrenze zu Tschechien. Sie wissen, dass die Bundesgrenzschützer hervorragende, aber auch schwierige Arbeit leisten. Wenn Menschen, die illegal über die Grenze kommen, aufgegriffen werden: Wie ist dann gewährleistet, dass die Maßnahmen des Erkennungsdienstes angewandt werden können? Denn die Bundesgrenzschützer können nicht wissen, ob es sich um Terroristen oder Asylbetrüger handelt.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ob es eine hundertprozentige Garantie gibt, Erkenntnisse über Personen zu bekommen, die beispielsweise im Zusammenhang mit bestimmten terroristischen Strukturen stehen, will ich einmal dahingestellt sein lassen. Aber Sie haben an dem Maßnahmenkatalog, Herr Dehnel, gemerkt, worum es uns geht und welche Möglichkeiten wir eingeräumt haben, einen Zusammenhang herzustellen. Dort, wo Erkenntnisse vorliegen, können diese genutzt werden, um beispielsweise jemanden an der Einreise zu hindern. Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt zur Einreisesituation. Daher haben wir diese Maßnahmen in dem so genannten Sicherheitspaket 2 vorgesehen. Die Praxis wird zeigen, wie wirksam diese Maßnahmen sein werden. Aber Sie wissen: Dieses Gesetz ist erst seit dem 6. Januar dieses Jahres in Kraft.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Fragestunde ist beendet. Ich bedanke mich bei dem Staatssekretär. Ich verweise darauf, dass die noch offen stehenden Fragen für den Bereich des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung - wie üblich - schriftlich beantwortet werden. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Milliardendefizit in der gesetzlichen Krankenversicherung Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin für die Fraktion der CDU/CSU ist die Kollegin Dr. Sabine Bergmann-Pohl.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Unser Gesundheitssystem leidet. Aus den systemimmanenten Überregulierungen folgt der Zwang zu ständigen gesetzlichen Nachsteuerungen. Dies schreibt ein SPD-Gesundheitspolitiker, liebe Frau Schaich-Walch, am 26. Februar 2002 in seinen elf Thesen zur notwendigen Neugestaltung des Gesundheitswesens. Recht hat er. ({0}) Aber in der rot-grünen Gesundheitspolitik herrscht Konzeptionslosigkeit. ({1}) Die Folgen: Die Beiträge explodieren. Die Ausgaben für Arzneimittel steigen. In einigen Gebieten Ostdeutschlands ist die Versorgung der Bevölkerung durch zunehmenden Ärztemangel ernsthaft gefährdet. ({2}) Die Patienten sind unzufrieden. Staatsdirigismus greift um sich. ({3}) Wenn Herr Eichel und Herr Riester Geld brauchen, weil aus Brüssel ein blauer Brief droht, dann wird den Sozialversicherungssystemen durch Verschiebebahnhöfe Geld entzogen. ({4}) Oder es werden Gesetze wie das Arzneimittelbudgetablösungsgesetz geschaffen, deren In-Kraft-Treten man gar nicht erst abwartet; denn am nächsten Tag berät man bereits das Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetz mit der umstrittenen Aut-idem-Regelung. Als Novum wird ein Ablasshandel mit der Industrie vereinbart. Es wird gefeilscht wie auf einem Basar. ({5}) Wer wundert sich dann noch, wenn diese Regelung nicht funktioniert, wenn es an den erforderlichen Daten fehlt und keiner der Beteiligten, insbesondere ältere Patienten, die getroffene Regelung überhaupt akzeptiert? Frau Ministerin, es hatte doch alles so gut angefangen. Mit vollmundigen Ankündigungen, es besser machen zu wollen, ({6}) sind Sie vor gut einem Jahr mit einer so genannten Gesundheitspolitik des Vertrauens angetreten. Am 15. Februar 2001 haben Sie Folgendes gesagt: Zu einer Kultur des Vertrauens gehört nicht zuletzt das Vertrauen in die Berechenbarkeit der Finanzierung des Systems. Jetzt, gut ein Jahr später, ist das Vertrauen bereits aufgebraucht. Sie haben durch Ihre Politik und durch die Politik Ihrer Vorgängerin im letzten Jahr in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Defizit in Höhe von 5,48 Milliarden DM verursacht. Sie waren vor einem Jahr auch mit der Aussage angetreten: Dabei geht es nicht nur um Einzelmaßnahmen, sondern wir brauchen ein Gesamtkonzept. Von diesem Konzept ist bis heute weder etwas zu sehen, noch sieht man überhaupt einen roten Faden in Ihrer Gesundheitspolitik. ({7}) Frau Ministerin, Sie haben aus den Fehlern Ihrer Vorgängerin wirklich gar nichts gelernt. Anstatt runde Tische einzuberufen, hätten Sie an einem Gesamtkonzept arbeiten sollen. Statt auf Wünsche von Lobbyisten einzugehen, hätten Sie die Erfahrungen der Sachverständigen im Gesundheitswesen nutzen sollen. Beratungsresistent haben Sie und die Koalitionsfraktionen es versäumt, sinnvolle und vor allen Dingen intelligente Steuerungsmechanismen einzuführen. ({8}) Sie sind in einen puren Aktionismus verfallen und produzieren allenfalls Stückwerk, ein Einzelgesetz nach dem anderen: ({9}) Kassenwahlrecht mit Wechselverbot, Wohnortprinzip mit unzureichender Vergütung im Osten, eine Aufblähung des Risikostrukturausgleichs mit weiteren finanziellen Verwerfungen, ({10}) überstürzte Einführung eines DRG-Systems mit Verschiebebahnhöfen in den ambulanten Bereich - das ist nur eine kleine Kostprobe dieser vielen Gesetze. Alle diese Gesetze waren nicht aufeinander abgestimmt. ({11}) Sie lassen eine grundlegende Reform der Krankenversicherung vermissen, Herr Schmidbauer, ({12}) die den Leistungserbringern eine verlässliche Zukunft und den Patienten die notwendige medizinische Versorgung sichert. Defizite und Zweiklassenmedizin sind die Folgen Ihres Handelns. ({13}) Der jetzige Kanzler ist mit dem Slogan angetreten: „Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen.“ ({14}) - Was darunter zu verstehen ist, sehen wir, Frau SchmidtZadel: mehr Arbeitslose mit Firmenpleiten ohne Ende, durch Reglementierung der Wirtschaft Schlusslicht in Europa, ({15}) eine chaotische Gesundheitspolitik und - wie in den Medien zu hören und zu lesen ist - ein Korruptionsskandal der SPD, der seinesgleichen sucht. ({16}) Es wird Zeit, dass Sie abgewählt werden. ({17})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu dem letzten Punkt nicht äußern. Bei manchen Dingen hätte man lieber geschwiegen. ({0}) Die gesetzliche Krankenversicherung hat das Jahr 2001 bei einem Ausgabevolumen von rund 138 Milliarden Euro mit einem Defizit von rund 2,8 Milliarden Euro abgeschlossen. Der durchschnittliche Beitragssatz wird sich nach dreijähriger Beitragssatzstabilität in diesem Jahr bei etwas unter 14 Prozent einpendeln. ({1}) Wer bei dieser Zahl von Rekorddefiziten in der gesetzlichen Krankenversicherung ({2}) oder von einem Rekordanstieg bei den Beitragssätzen spricht, Frau Bergmann-Pohl, hat vergessen, was in der Regierungszeit von CDU/CSU und FDP gemacht wurde. ({3}) Es kann sein, dass Sie ein kurzes Gedächtnis haben: Was stört mich das, was ich gestern getan habe. ({4}) Wenn wir uns die Rekorddefizite und die Beitragssatzentwicklung anschauen, müssen wir feststellen, dass wir allemal besser waren. ({5}) Meine liebe Kollegin ich sage Ihnen eines: 1992 - Sie brauchen gar nicht zu lachen - hatten Sie eine Defizit von 4,8 Milliarden Euro bei einem Ausgabevolumen von 108 Milliarden Euro und 1995 ein Defizit von 3,7 Milliarden Euro bei einem Ausgabevolumen von 124 Milliarden Euro. 1996 - hören Sie zu - hatten Sie ein Defizit von 3,6 Milliarden Euro bei einem Ausgabevolumen von 128 Milliarden Euro. In der Zeit von 1991 bis 1998 stieg der durchschnittliche Beitragssatz von 12,3 Prozent auf 13,6 Prozent. ({6}) Allein im ersten Jahr Seehofer lag der Anstieg bei 0,7 Beitragssatzpunkten. Worin bestand Ihre Lösung? Was war das Intelligente, das Sie immer wieder versucht haben? ({7}) Sie haben nur eine Antwort gekannt: Beitragssatzerhöhungen, Leistungsausgrenzungen und immer mehr Zuzahlungen der kranken Menschen. Das war ihre einzige Antwort. ({8}) Mit Ihren Spargesetzen der Jahre 1996 und 1997 haben Sie durch Zuzahlungserhöhungen und Leistungsausgrenzungen 6 Milliarden Euro von den Versicherten geholt: ({9}) Anhebung der Zuzahlungen bei Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Zahnersatz, Krankenhausbehandlung, Fahrtkosten, Vorsorge- und Rehamaßnahmen, außerdem die Absenkung des Krankengeldes, die Ausgrenzung des Zahnersatzes für Kinder und Jugendliche und den Ausschluss von allen Präventionsmaßnahmen. ({10}) Kommen Sie nicht mit dem Argument, dies alles hätte einem guten Zweck gedient, nämlich dem Aufbau des ostdeutschen Gesundheitswesens. ({11}) Das können Sie wiederholen, so oft Sie wollen, meine Damen und Herren. Es wird dadurch nicht richtiger. ({12}) Bis 1998 gab es überhaupt keinen Kassenarten übergreifenden West-Ost-Transfer; dennoch ist allein im Westen der Beitragssatz von 12,2 Prozent auf 13,6 Prozent gestiegen. ({13}) 1998 gab es zum ersten Mal einen krankenkasseninternen Ausgleich. ({14}) Erst 1999 gab es zum ersten Mal einen auf 1,2 Milliarden DM begrenzten Transfer von West nach Ost. Wir haben die Begrenzung aufgehoben und dafür gesorgt, dass sich die ostdeutschen Kassen endlich entschulden konnten und dass die Angleichung der Gesundheitssysteme in Ost und West auf den Weg gebracht werden konnte. ({15}) Sie haben nichts für den Osten getan. Sie haben im Westen Defizite verursacht und die Beitragssätze angehoben bei immer mehr und höheren Belastungen der Patienten und Patientinnen. Sie können das Gegenteil so oft wiederholen, wie Sie wollen. ({16}) Jeder kann in die Gesetze schauen. Vergessen Sie eines nicht, meine Damen und Herren: Ich bin gegenwärtig die Ministerin in einem Ministerium, ({17}) dem Herr Seehofer vorgestanden hat und in dem mir all das aufgelistet werden kann, was zu Ihren Zeiten passiert ist. Machen Sie sich darüber keine falschen Vorstellungen! Angesichts dessen, was wir an West-Ost-Transfer auf den Weg gebracht haben - wobei es uns gelingt, die ostdeutschen Kassen zu entschulden - unterstützen Sie die Klage Ihres Kanzlerkandidaten und anderer CDU-regierter Länder und wollen den Risikostrukturausgleich abschaffen, wodurch die ostdeutschen Kassen wieder in eine desolate Situation kämen. ({18}) - Ich sage nicht bewusst die Unwahrheit. ({19}) Sie wollen das nicht hören. Sie müssen auch einmal zu Ihren Taten stehen, lieber Herr Kollege, ({20}) und nicht in dem einen Bundesland das eine sagen und in dem anderen etwas anderes. ({21}) Zu den Arzneimittelausgaben. Frau Kollegin BergmannPohl, Sie haben in einem Recht: Zwei Drittel der Mehrausgaben und des Defizits sind auch der Steigerung der Arzneimittelausgaben geschuldet. Das liegt nicht in erster Linie daran, ({22}) dass mehr verordnet wurde - das kann man nachprüfen -, ({23}) sondern es wurden mehr teure Medikamente verordnet. ({24}) Auch dafür gibt es zwei Gründe. Der eine Grund ist, dass es wirkliche Innovationen gibt. ({25}) Jeder weiß, dass nur dann geforscht und entwickelt wird, wenn sich das anschließend auch im Preis niederschlägt; sonst setzt die Industrie die Forschung nicht fort. Bei wirklichen Innovationen habe ich nichts dagegen. ({26}) Was aber falsch ist und wo wir ansetzen müssen, ist, dass viel zu viele teure Arzneimittel verschrieben wurden, obwohl sie keinen erhöhten therapeutischen Nutzen gegenüber anderen Medikamenten haben, die sich bereits auf dem Markt befinden. ({27}) Deshalb kann eine intelligente Arzneimittelpolitik nur bei der Steuerung ansetzen. Ich erläutere Ihnen, was wir mit dem Ausgabenbegrenzungsgesetz auf den Weg gebracht haben - dazu stehe ich nach wie vor. ({28}) Erstens. Die Menschen sollen die Innovationen bekommen, die sie brauchen, um bisher nicht heilbare Krankheiten zu bekämpfen oder auch ihre Lebensqualität zu erhöhen. ({29}) Dafür brauchen wir Geld. Zweitens. Ich erwarte, dass überall da, wo es medizinisch-therapeutisch gleichwertige Medikamente gibt, die Ärzte und Ärztinnen das Wirtschaftlichkeitsprinzip beachten, weil nur dann sicherzustellen ist, dass auch morgen noch die Menschen die teuren Innovationen verschrieben und von der Kasse ersetzt bekommen. Drittens. Wir werden neue Arzneimittel danach bewerten, ob sie gegenüber anderen einen erhöhten therapeutischen Nutzen haben. ({30}) Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, das ist eine Arzneipolitik, die auf Dauer die medizinische Versorgung der Menschen und hohe Qualität bei bezahlbaren Preisen sicherstellt. Wir machen damit Schluss mit einer Politik, die die Probleme in der gesetzlichen Krankenkasse nur zulasten der Kranken gelöst hat. Vielen Dank. ({31})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Dieter Thomae.

Dr. Dieter Thomae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002320, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es steht eindeutig fest: 1998, als Sie die Regierung übernommen haben, konnten die Krankenkassen ein nennenswertes Plus vorweisen. Heute haben sie - das steht definitiv fest - ein nennenswertes Minus. ({0}) Die medizinische Versorgung ist nicht besser geworden. Aufgrund Ihrer Budgetierungspolitik sind viele Leistungen nicht mehr erbracht worden. Die Mediziner können nicht mehr alle Arzneimittel, krankengymnastischen und logopädischen Maßnahmen verschreiben, weil ihr Budget erschöpft ist. Daran ändert auch nichts, dass Sie glauben, mit der Beseitigung des Arzneimittelbudgets sei das Problem gelöst. ({1}) Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Aufgrund Ihrer Budgetierungspolitik sinkt der Punktwert. Hier gibt es große Probleme; denn gerade in den neuen Bundesländern werden viele Praxen nicht mehr besetzt. Darunter leidet die medizinische Versorgung in den neuen Bundesländern massiv. Dies haben Sie zu verantworten. ({2}) Sie machen nun bestimmte Gruppen für das Defizit der Krankenkassen verantwortlich. Sie beschimpfen die Ärzte, weil sie zu viele Arzneimittel verschrieben. Man muss aber feststellen, dass aufgrund Ihrer strengen Budgetierung hochinnovative Arzneimittel für chronisch Kranke über viele Wochen und Monate hinweg nicht verschrieben wurden. Diese leiden am meisten unter Ihrer Politik. Das, was Sie betreiben, ist schlimmer als eine Zweiklassenmedizin. ({3}) Sie beschimpfen auch die Krankenkassen, weil diesen die Verwaltungsausgaben davonliefen. Die steigen in der Tat. Wenn man aber sieht, welche Einzelgesetze Sie auf den Weg gebracht haben und welche Auswirkungen diese auf die Verwaltung der Krankenkassen haben, dann darf man sich nicht wundern, dass zusätzliche Ausgaben im Verwaltungbereich getätigt werden. Sie alle wissen: Wir wollen Disease-Management-Programme, aber nicht im Zusammenhang mit dem Risikostrukturausgleich. Ihre Konzeption der Disease-Management-Programme bedeutet eine nennenswerte Ausweitung der Verwaltungstätigkeiten der Krankenkassen. Dies hat mir das Bundesversicherungsamt bestätigt. Ich könnte Ihnen noch andere Bereiche nennen, in denen Sie die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen durch planwirtschaftliche Instrumente nach oben treiben. Dafür sind Sie mit Ihrer Konzeption verantwortlich. ({4}) Man ist angesichts der unterschiedlichen Vorschläge aus Ihren Reihen, was in Zukunft im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gemacht werden soll, fassungslos. Herr Gerster hat Vorschläge gemacht, die in Ihrer Fraktion nicht mehrheitsfähig sind. Auch das Bundeskanzleramt scheint seine eigenen Vorstellungen zu haben. Nur von der SPD-Bundestagsfraktion höre ich überhaupt nichts. ({5}) Die Gesundheitsministerin sagt jeden Tages etwas anderes. Einmal möchte sie diesen Weg und ein anderes Mal jenen Weg gehen. Sie sind stolz auf das Ausgabenbegrenzungsgesetz. Ich sage Ihnen: Sie werden in zwei Punkten Schiffbruch erleiden. Sie werden mit der Aut-idem-Regelung Schiffbruch erleiden. ({6}) Ich sage Ihnen auch voraus: Sie werden das Thema der Reimporte und der Parallelimporte wieder von der Tagesordnung streichen müssen; denn das, was Sie planen, wird nicht funktionieren. Dann werden die Einsparungen, von denen Sie träumen, völlig dahin sein. Die Gesundheitspolitik wird im Kanzleramt und im Ministerium, aber nicht mehr in der Fraktion gemacht. Es ist eigentlich sehr bedauerlich, dass sich die Fraktion mit ihren Konzepten und Vorstellungen nicht durchsetzen kann. Wir erwarten auch von der SPD-Bundestagsfraktion eindeutige Konzepte, aus denen hervorgeht, wie sie nach der Bundestagswahl die Gesundheitspolitik organisieren will. Dazu hören wir, wie gesagt, nichts. Das ist traurig. Die Ministerin hat versagt. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen. Es wird Zeit, dass wir Rot-Grün ablösen. ({7})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Katrin Göring-Eckardt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Kolleginnen, Liebe Kollegen! Die Finanzentwicklung der GKV - wir haben es bereits gehört zeigt natürlich deutlich, dass wir Handlungsbedarf haben. ({0}) Es besteht auch Bedarf für Konzepte über diese Legislaturperiode hinaus, die wir als Bundesregierung vorgelegt haben. Sie, Herr Thomae, haben keinen einzigen Vorschlag geliefert. Das ist keine Politik. ({1}) Wir erwarten von Ihnen keine Konzepte, aber den einen oder anderen Vorschlag könnten Sie hier schon liefern, wenn Sie es ernst meinen. ({2}) Es ist hier bereits gesagt worden: Die GKV hat in der Tat mit einem Defizit von 2,8 Milliarden Euro abgeschlossen. In Westdeutschland lag das Defizit bei über 2,9 Milliarden Euro, im Osten, Herr Thomae, wurde erfreulicherweise ein Überschuss von 0,12 Milliarden Euro erzielt. ({3}) Wenn man die Ursachen dieser Finanzentwicklung beurteilen will, muss man genau hinsehen. Man kann Ihnen den Hinweis nicht ersparen, dass die Ursachen eben wirklich nur zu einem ganz geringen Teil kurzfristig sind. Vielmehr liegen sie in Ineffizienzen des Systems, die Sie in Ihrer Regierungszeit gefördert haben und die nicht kurzfristig zu heilen sind. ({4}) Die Opposition betreibt - damit wird sie nicht durchkommen - Täuschung der Öffentlichkeit, indem sie die Ursachen für die Finanzentwicklung der Krankenkassen einseitig der jetzigen Bundesregierung zuschieben will. Sie wollen damit von Ihren eigenen Fehlern ablenken. Im Unterschied zu Ihnen doktern wir nicht kurzfristig an Symptomen herum, sondern wir sagen sehr klar: Es müssen langfristig Änderungen her. ({5}) - Ich werde es Ihnen gleich sagen. Schauen wir uns doch erst einmal die Rekorddefizite der Krankenkassen an - sie lagen alle in Ihrer Regierungszeit -: 4,8 Milliarden Euro, 3,7 Milliarden Euro und 3,6 Milliarden Euro in den Jahren 1992, 1995 und 1996. Gezahlt haben das die Versicherten und die Unternehmen. Herr Thomae, Sie haben gerade von einem Plus geredet, das Sie uns übergeben haben. Das war vor allen Dingen ein Plus, das die Patientinnen und Patienten, die Versicherten, zu zahlen hatten ({6}) mit erhöhten Zuzahlungen, die wir zurückgenommen haben. Das war richtig. Das Zuzahlungsvolumen der Patientinnen und Patienten ist im Zeitraum von 1991 bis 1998 von 0,6 Milliarden Euro auf 2,8 Milliarden Euro gestiegen. ({7}) Die rot-grüne Regierung hat das zu Recht zurückgenommen. Wir haben zu Recht eine Einschränkung vorgenommen, weil wir der Meinung sind, dass die zusätzlichen Kosten im Gesundheitssystem nicht ausgerechnet auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten ausgetragen werden können. ({8}) Die externen Ursachen durch Kostensteigerungen aufgrund zunehmender Alterung der Bevölkerung oder durch medizinischen Fortschritt sind von der Politik nicht beeinflussbar. Das wissen Sie auch und Sie sollten die Menschen nicht für dumm verkaufen. ({9}) Sie wissen sehr wohl, wo welche Ursachen wofür liegen. Es geht darum, die Verteilung der gesellschaftlichen Kosten durch die Politik zu steuern. Da haben Sie sich nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert, gerade die FDP nicht, die vor allen Dingen Lobbypolitik gemacht hat. ({10}) Eine geplante langfristige Reform und nicht Planwirtschaft ist zehnmal besser als Lobbypolitik zum Nachteil der Versicherten. Wir betreiben keine Kostenverlagerung zuungunsten der Patientinnen und Patienten. ({11}) Der Weg der Konsolidierung der Kassen ist mühsam und lässt sich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen. Wenn Sie das Gegenteil behaupten, betreiben Sie vor allen Dingen Augenwischerei. Es geht um eine langfristige Reform. Schauen Sie sich an, was beispielsweise im Krankenhausbereich passiert ist! Dort betrug die Kostensteigerung in den Jahren 1991 bis 1995 8 Prozent, in den letzten drei Jahren hatten wir eine Kostensteigerung von gerade einmal 1 Prozent. ({12}) Hier wurden in der Tat Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen ({13}) und mit dem Fallpauschalengesetz werden wir jetzt eine langfristige Kostenstabilisierung hinbekommen. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Machen Sie deutlich, dass Sie hier tatsächlich mit an einem Strang ziehen! ({14}) Hauptursache für das Defizit ist der Arzneimittelsektor. ({15}) Die Ministerin hat deutlich gesagt, was hierzu zu sagen ist. In der letzten Zeit sind vor allen Dingen teure Medikamente ohne einen wirklichen Zusatznutzen verschrieben worden. Dieses Problem packen wir mit dem neuen Gesetz an. Hier kann man nur sagen: Mehr ist eben nicht immer mehr. Deswegen machen wir nicht eine einfache Politik nach dem Motto „Mehr Geld ins System“ ({16}) oder nach dem Motto „Die Versicherten und Patientinnen und Patienten werden es schon irgendwie bezahlen“, sondern wir machen eine Politik ({17}) nach dem Motto: Langfristige Probleme müssen langfristig gelöst werden. ({18}) Deswegen braucht man langfristige Konzeptionen, mit denen die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen gestärkt wird, die integrierte Versorgung gefördert wird und das System der Stärkung von Hausärztinnen und Hausärzten gestützt wird. ({19}) Damit kommen wir voran und nicht mit kurzfristiger Rumdokterei, wie Sie sie jahrelang betrieben haben und offensichtlich wieder betreiben wollen. Das wird nicht so kommen. Dafür können die Patientinnen und Patienten und die Versicherten nur dankbar sein. Vielen Dank. ({20})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat die Kollegin Dr. Ruth Fuchs für die PDS-Fraktion.

Dr. Ruth Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000615, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich hätte mich regelrecht gewundert, wenn Sie für heute nicht diese Aktuelle Stunde beantragt hätten. ({0}) Das war ein gefundenes Fressen, sozusagen eine Retourkutsche zu der Aktuellen Stunde vom letzten Mal. Ich sage dazu nur: Der Wahlkampf hat begonnen. ({1}) Richtig ist natürlich, dass die wachsenden Defizite in der gesetzlichen Krankenversicherung ein ernst zu nehmendes Problem sind. Richtig ist auch die Feststellung, dass Verursacher dieses Problems in erster Linie schon die jetzige Bundesregierung ist. Aber Ihre Kritik, meine Damen und Herren von der rechten Seite dieses Hauses, hat für mich einen ganz bitteren Beigeschmack, doch dazu später. Zunächst einmal möchte ich einige Bemerkungen zu den gegenwärtigen Defiziten und ihren Ursachen machen. ({2}) Frau Ministerin Schmidt, es ist auch unsere Auffassung damals gewesen, dass die Aufhebung des Arzneimittelbudgets und des Kollektivregresses ein notwendiger Schritt ist, aber wir haben von Anfang an gesagt, dass die vorschnelle Abschaffung dieser Instrumente, ohne dass man andere funktionstüchtige Instrumente zur Verfügung hat, eine Fehlentscheidung ist. Wir sehen jetzt auch, was dabei herausgekommen ist. Sie haben das ebenfalls sehr schnell erkannt und haben sehr aktiv versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben. Die Festbetragsregelung und das ArzneimittelausgabenBegrenzungsgesetz, das Sie auf den Weg gebracht haben, enthielten aber viele Halbheiten und haben zum Teil sogar neue Probleme geschaffen. Doch der schwerwiegendste Fehler der Bundesregierung war unserer Meinung nach, die Politik der sozialpolitischen Verschiebebahnhöfe nicht zurückzunehmen, obwohl Sie das vor der Wahl versprochen haben. Richtig ist, dass Sie von der früheren Regierung 5 bis 6 Milliarden jährliche Einnahmeverluste der GKV übernommen haben ({3}) - ja, übernommen haben -, aber Sie haben dann das genaue Gegenteil von dem getan, was Sie gesagt haben. Sie haben nämlich durch weitere Beschneidung der Bemessungsgrundlagen ({4}) bei den Arbeitslosenhilfebeziehern die Einnahmeseite der GKV verschlechtert. ({5}) In dem Wissen um die demographische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt, in dem Wissen darum, dass der medizinische Bedarf und damit die Ausgabenseite steigt, und in dem Wissen darum, dass, wie Herr Thomae vorhin schon gesagt hat, die Grundlohnsumme, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, zurückgeht, ({6}) hätten Sie das einfach nicht tun dürfen. ({7}) Die Hoffnung, dass die Arbeitslosenzahlen zurückgehen oder dass durch die Gesundheitsreform 2000 von heute auf morgen Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen werden können - Sie haben den Fehler gemacht, das zu glauben; ohne Zweifel werden dadurch aber nur auf längere Sicht Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen -, hat sich nicht erfüllt; es ist eine Hoffnung geblieben. Somit sind die Defizite in der GKV schon hausgemacht. Die Verantwortung dafür hat die rot-grüne Regierung zu tragen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, davon mag man sich eine Art Wahlkampfvorteil versprechen, aber ich sage Ihnen: Die Menschen draußen haben so manches nicht vergessen. Sie sind - wie man immer so sagt - nicht so dumm, wie man meint. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass die jetzige Regierung in dieser Legislaturperiode insgesamt bestrebt war, etwas von den Belastungen zurückzunehmen, die die dritte Stufe der seehoferschen Gesundheitsreform für die Versicherten gebracht hat. Ich will nur folgende nennen: steigende Zuzahlungen und Selbstbeteiligung, Leistungskürzungen; ich erinnere nur an die unsägliche Streichung der Erstattung für Zahnersatz für Kinder und Jugendliche. ({8}) Vorgesehen war das auch für die gesamte Bevölkerung. Niemand, so glaube ich, hat auch vergessen, dass Sie Elemente der privaten Krankenversicherung wie Selbstbehalte und Beitragsrückerstattung einführen wollten, ({9}) die über kurz oder lang die Substanz des Solidarausgleichs zerstört hätten. ({10}) - Lieber Kollege Thomae, ich möchte Sie gar nicht erst an die Blamage mit dem Krankenhausnotopfer erinnern. ({11}) Lieber Kollege Parr und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, was ist von Ihnen heute zur Zukunft des Gesundheitswesens zu hören? - Es sind die alten Sprüche, nur ein bisschen weniger klar ausgedrückt. Sie klingen ein bisschen verschwommener. ({12}) Nach wie vor sprechen Sie von Eigenverantwortung. Was ist die Versicherung denn anderes? Aufgrund der Versicherungsbeiträge besteht doch eine hohe Eigenverantwortung. Bei Ihnen sieht das so aus: Die CDU ist für Regel- und Wahlleistungen, die CSU hat sich zurzeit mehr auf Selbstbehalte, Kostenerstattung und Systeme der Leistungsabwahl durch Versicherte verlegt. Im Klartext heißt das: Auffrischung der dritten Stufe der Gesundheitsreform und Zerschlagung des Solidargedankens. ({13}) - Und die PDS? Das habe ich Ihnen, Herr Thomae, doch schon immer gesagt: Wir sind für Gesundheitsreformen, die den Solidargedanken erhalten. Wir haben auch Finanzvorschläge. Nachher gehen wir hinaus und ich gebe Ihnen unsere Finanzvorschläge.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Fuchs, Sie müssten jetzt vom Pult weggehen, weil Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Dr. Ruth Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000615, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe das Dringendste und Notwendigste angesprochen. Das Schlimme ist nur, dass die ganze Debatte, die wir hier führen, Wahlkampf pur ist. Die tatsächlichen Probleme werden durch solche Aktuellen Stunden nicht geklärt und den Menschen draußen, die unter den Defiziten leiden, hilft unser Gequatsche hier nicht. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Dr. Martin Pfaff für die SPD-Fraktion.

Prof. Dr. Martin Pfaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001701, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die CDU/CSU dieses Thema jetzt aufgreift, wundert niemanden. ({0}) Das gehört zum Parlamentarismus. ({1}) Dass sie das in einem Wahljahr tut, verwundert noch weniger. Was aber verwundert und vielleicht auch zu kritisieren ist, ist die Qualität der Argumente, die hier vorgetragen werden. Das Kurzzeitgedächtnis ist wirklich erstaunlich. Die Ministerin hat darauf hingewiesen - ich sage es noch einmal -: 1992 9,3 Milliarden DM Defizit, 1995 7,1 Milliarden DM Defizit, 1996 6,9 Milliarden DM Defizit. Das sollten Sie zumindest erwähnen. ({2}) Damals gab es noch die D-Mark. ({3}) - Auf 1998 komme ich gleich noch zu sprechen. Ich sage deshalb: Wer im Glashaus sitzt, sollte wahrlich nicht mit Steinen werfen. ({4}) In Ihren bisherigen Beiträgen wurde die Gesundheitspolitik auf die Finanzpolitik verkürzt. Den Erfolg der Gesundheitspolitik nur an Defiziten oder Überschüssen zu messen, wie Sie es tun, ist eine sehr verengte Sicht der Dinge. Man muss die Ursachen berücksichtigen: die leider anhaltende Arbeitslosigkeit; die leider eingetretene konjunkturelle Abkühlung; die Steigerung der Einkommen der Mitglieder um nur 1,6 Prozent; die Fehlsteuerung im Arzneimittelsektor und - das sage ich frank und frei - die Verschiebebahnhöfe, die wir von der Vorgängerregierung geerbt haben, ({5}) - ja, sowie die von uns selbst zu verantwortenden Verschiebebahnhöfe. Keiner von uns glaubt doch, dass es solche Sparaktionen, die auch zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gehen, gegeben hätte, wenn wir keine Schulden in Höhe von 1,5 Billionen DM geerbt hätten. ({6}) Viel wichtiger ist noch, dass ein Teil der Ausgaben durchaus gewollt ist, weil sie die Versorgung verbessern: Sozio- und Psychotherapie, Prävention, Ausweitung der Rehamaßnahmen, Patientenförderung, Disease Management, Zahnersatz bei Jugendlichen, neu geschaffene Institutionen der Selbstverwaltung zur Qualitätsverbesserung, Weiterbildung im Bereich der Allgemeinmedizin, Methadonbetreuung. ({7}) Es gibt auch solche Maßnahmen, die die Verteilungsgerechtigkeit erhöht haben: Senkung der Zuzahlung, ({8}) Härtefallregelungen für chronisch Kranke, Neuregelungen bei der Krankenversicherung der Rentner, Abschaffung des Krankenhausnotopfers. Das sind doch qualitative Verbesserungen im System. ({9}) Deshalb sage ich: Defizite haben eine unterschiedliche Qualität. Was man zu Ihrer Klage gegen den Risikostrukturausgleich auch immer sagen mag: Tatsache ist, dass ohne diesen die Beitragssätze in Mecklenburg-Vorpommern um 1,5 Prozent höher wären; Tatsache ist auch - das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen -, dass die Beitragssätze der AOKen in den neuen Ländern um rund 6 bis 7 Beitragssatzpunkte höher lägen. Selbst in Baden-Württemberg - ({10}) - Ja, wohlgemerkt außer Sachsen. Das ist völlig richtig. Selbst in Bayern - auch darauf muss ich hinweisen wären die Beitragssätze 1,7 Prozentpunkte höher. ({11}) - Ich sagte ja nicht, dass Sie es abschaffen wollen, ich sagte nur, dass jeder, der das relativiert, also auch Sie, sich das vergegenwärtigen muss. Dann wurde noch der Überschuss des Jahres 1998 angesprochen. Wer nicht darauf hinweist, dass dieser Überschuss nur durch erhebliche Leistungskürzungen und eine enorme Ausweitung der Selbstbeteiligung erzielt werden konnte, ist unredlich. ({12}) Die Kürzung von Leistungen, die Erhöhung der Zuzahlung - all das ist Kunst der Primitiven; das kann jeder machen. ({13}) Ausgaben einfach auf die Haushalte der Kranken und Alten zu übertragen, das ist in meinen Augen auch kein Ausdruck von Staatskunst. Das ist der Weg der Privatisierung und Entsolidarisierung, für genau den Sie im Jahr 1998 die politische Quittung bekommen haben. ({14}) Dazu, dass die Instrumente der Entsolidarisierung - Selbstbeteiligungen, Kostenerstattung, Beitragsrückgewähr usw. - in einem früheren CSU-Papier sogar als Ausdruck von Eigenverantwortung bezeichnet wurden, kann ich nur sagen: Wer Jahr für Jahr Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt hat, um im Alter im Krankheitsfalle Leistungen in Anspruch nehmen zu können, der hat wahrlich genügend Selbstverantwortung gezeigt. Deshalb sind Ihre Vorschläge insbesondere angesichts der Zuzahlungen, die von Ihnen verantwortet werden müssen, und der Tatsache nicht überzeugend, dass in den Jahren, in denen Sie Regierungsverantwortung getragen haben, trotz dieser Privatisierungsmaßnahmen die Beitragssätze um über 2 Prozentpunkte gestiegen sind. Da muss man etwas sorgfältiger herangehen. ({15}) Wenn Sie wirklich ernst genommen werden wollen, dann sollten Sie den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, während Sie ihnen in die Augen schauen, gleichzeitig sagen: Mit uns gäbe es kein Defizit, aber wir hätten eure Selbstbeteiligungen erhöht, eure Leistungen gekürzt und trotzdem noch die Beiträge erhöhen müssen. Wenn Sie in der jetzigen Situation so handeln würden, zeigten Sie Courage. ({16}) Ansonsten wird Ihre Aufregung schnell als Bestandteil von Wahlkampfgeplänkel enttarnt werden. ({17})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Redner ist der Kollege Aribert Wolf für die Fraktion der CDU/CSU.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die rot-grüne Koalition kann sich bemühen, ihre Gesundheitspolitik schönzureden, wie sie will; aber die Fakten sprechen eine andere Sprache. ({0}) Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sind zur gleichen Zeit im Gesundheitswesen so viele negative Faktoren ({1}) zusammengekommen wie unter dieser rot-grünen Bundesregierung. ({2}) Erstens. Die finanzielle Lage der Krankenkassen ist desolat: ein Defizit von 2,8 Milliarden Euro! Frau Schmidt, sagen Sie wenigstens wie der Kollege Pfaff die Wahrheit, nämlich dass die Krankenkassen beim RegieDr. Martin Pfaff rungswechsel ein Plus von 1,1 Milliarden DM aufwiesen, und reden Sie nicht von Schulden, die Sie übernommen hätten. ({3}) Dass dieses Defizit kein Pappenstiel ist, Frau Schmidt, sehen Sie daran, dass der Kollege Eichel, als er den blauen Brief aus Brüssel angedroht bekommen hat, versucht hat, die Schuld für das Defizit, das Deutschland zu verzeichnen hat, auf die Länder und Kommunen zu schieben. Aber eigentlich hätte er sich erst einmal Sie, Frau Schmidt, vorknöpfen müssen, denn das Minus von 2,8 Milliarden Euro bei den Krankenkassen, das Sie zu verantworten haben, liegt doppelt so hoch wie das Minus, das alle Gemeinden in ganz Deutschland aufgehäuft haben. Daran erkennen Sie, wer die wirkliche politische Verantwortung dafür trägt, dass sogar Europa die Politik der rot-grünen Bundesregierung rügt. ({4}) Zweitens. Herr Pfaff, wir kritisieren nicht nur das finanzielle Defizit, sondern wir kritisieren auch, dass die Qualität der Versorgung der Patienten durch die Leistungserbringer, also die Pfleger und die Ärzte, immer weiter zurückgeht, weil der Budgetdruck immer weiter wächst, Sie aber keinerlei Reformen auf den Weg bringen wollen. All das hinterlässt seine Spuren. ({5}) Wir haben also erstens ein Milliardendefizit, zweitens eine schlechter werdende Versorgung und drittens Rekordbeitragssätze. ({6}) Noch nie mussten die Bundesbürger für die gesetzliche Krankenversicherung so viel bezahlen wie unter dieser Regierung. Allein im Jahr 2001 sind die Beitragssätze von 13,5 auf 14 Prozent gestiegen. ({7}) Hinzu kommt noch ein vierter Negativpunkt. Vier Negativpunkte auf einmal hat es noch nie gegeben. Sie haben ja noch nicht einmal ein Konzept, wie Sie darauf reagieren wollen. ({8}) Bis jetzt hat jede Regierung, die Defizite und steigende Beitragssätze feststellen musste, gehandelt. Sie aber sind nicht einmal in der Lage zu handeln, denn Sie wissen nicht, was Sie tun sollen. ({9}) Es stehen weitere dunkle Wolken am Horizont, die den Kostendruck eher erhöhen werden als etwas Positives erwarten lassen. Sie wissen alle, wie es um die Entwicklung der Altersstruktur in unserer Bevölkerung bestellt ist und was der medizinische Fortschritt, der ja nicht stehen bleibt, sondern weiter voranschreitet, kostet. Ohne Konzept, nur mit einzelnen Steinchen werden Sie die hereinstürzenden Wassermassen nicht aufhalten können, sondern Sie werden unaufhaltsam hinweggeschwemmt werden. Und welche Einzelmaßnahmen das sind! Frau Kollegin Bergmann-Pohl hat sie angesprochen. Während Sie den Pflegekräften in den Krankenhäusern und auch den Krankenhausärzten, die alle über eine ungeheure Arbeitsbelastung klagen, keine Perspektive bieten, erlauben Sie der Pharmaindustrie in einem höchst fragwürdigen Akt, für 400 Millionen DM ein ihr unangenehmes Gesetz abzukaufen. Damals hat es bereits begonnen, nach Kölner Klüngel zu riechen. ({10}) Das sehen auch die Bundesbürger so. Zwei Drittel äußern sich unzufrieden mit Ihrer Gesundheitspolitik. Es wird höchste Zeit, dass Sie zugeben, dass Sie die selbst gesteckten Ziele, die Sie in Ihre Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben haben, bei weitem verfehlt haben. Wenn man selber keine Konzepte hat, bleibt einem in der Not nur noch eines - auch das haben Sie hier wieder eindrucksvoll bewiesen, Frau Schmidt -: Man greift zu Lügen. Man greift zu der Lüge, dass Bayern den Risikostrukturausgleich abschaffen will. Die Wahrheit ist, Frau Schmidt, dass es eine Klage - nicht ein Gesetz oder dergleichen - der Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beim Bundesverfassungsgericht gibt. Es soll rechtlich überprüfen, ob es gerecht ist, wie Sie den Risikostrukturausgleich organisiert haben. Kein Mensch will die Solidarität zwischen West und Ost abschaffen, kein Mensch will den Risikostrukturausgleich, den Finanzausgleich, die Finanzströme zwischen West und Ost abschaffen. Aber es muss gerecht zugehen, Frau Schmidt. Das soll das Bundesverfassungsgericht überprüfen, nichts anderes! ({11}) Sie haben nur Angst davor, dass das Gericht feststellt, dass das, was Sie tun, nicht richtig ist, weil es nicht richtig sein kann, dass eine Kasse mehr Geld aus dem Ausgleichstopf bekommt, als sie selber für Leistungen bezahlt. Es kann nicht sein, dass jemand, der etwas bezahlt, mehr gutgeschrieben bekommt, als er tatsächlich bezahlen muss. Das soll das Bundesverfassungsgericht überprüfen. Es kann auch nicht sein - das ist doch keine Solidarität -, dass eine Kasse, die wenig Geld hat und hohe Beitragssätze verlangen muss, einer anderen, die niedrige Beitragssätze und gefüllte Kassen hat, Unterstützungszahlungen leisten muss. ({12}) Das ist keine Frage des Ost-West-Ausgleichs, sondern eine Frage der Gerechtigkeit. Das sehen im Übrigen auch SPD-Mitglieder so, wie die Vorsitzende des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen, Frau Mönig-Raane vom DGB. Sie sagt, dass die Zahlerkassen inzwischen so viel Geld, vor allem an die Ostkassen, zahlen müssen

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Wolf, ich muss Sie jetzt leider bremsen, denn Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- ich bin gleich fertig -, dass die Empfänger ihre Beitragssätze teilweise unter das Niveau der Zahler senken können. Damit wird - das sagt ein SPD-Mitglied! - der Grundgedanke der Finanzhilfen auf den Kopf gestellt. Ich komme zum Schluss. Es wird Zeit, dass die Gesundheitspolitik in Deutschland wieder in bewährte Hände kommt, dass wieder ein Bundesgesundheitsminister Seehofer auf dem Amtssitz Platz nimmt, der von Bundeskanzler Stoiber die Ernennungsurkunde erhält. Ich bedanke mich. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Monika Knoche für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Wolf, ich will Ihnen Ihre bayerisch-landsmännische Vorfreude nicht nehmen, aber ich glaube, daraus wird nichts werden. ({0}) Es ist ja erlaubt, jetzt schon mal in die Vollen zu greifen, den Wahlkampf zu eröffnen und die Abwahl zu prophezeien. Aber wenn die CDU/CSU das tut, muss sie auch ihre Alternativen darlegen. Dann muss sie etwas auf den Tisch legen, sagen, um was es geht, und korrekt kritisieren; denn es geht heute um die Defizite, ({1}) die Sie zum Anlass für eine Aktuelle Stunde genommen haben. Niemand von Ihnen wird bestreiten, dass es durch die Arzneimittelausgaben einen beträchtlichen Kostenschub gegeben hat. Niemand von Ihnen hat kritisiert, dass es im Krankenhausbereich und im Bereich der ärztlichen Versorgung zu einer Stabilisierung der Ausgaben gekommen ist ({2}) und dass jetzt zusätzlich ein DRG-System etabliert werden wird, das ja nicht ausgabensteigernd wirken wird. Dazu habe ich keine Kritik von Ihnen gehört. Ich vermute, wenn Sie an der Regierung wären, würden Sie genau das Gleiche tun. ({3}) - Ich habe nicht gehört, dass Sie sich grundsätzlich gegen das DRG-System aussprechen. ({4}) - Sei es drum, wir haben sehr stabile Ausgabenblöcke. Was es erstmalig unter dieser Regierung gibt - auch das können Sie nicht abstreiten -, ist, dass es im materiellen Sinne einen West-Ost-Ausgleich unter den Kassen gibt, den es so vorher nicht gegeben hat. ({5}) Es hat jeweils in Ostdeutschland und in Westdeutschland einen Risikostrukturausgleich gegeben. ({6}) Das Zusammenführen des solidarischen Ausgleiches gibt es erst unter dieser Regierung. ({7}) Reden Sie also die Tatsachen nicht weg und sagen Sie nicht, dass es dies gegeben hat! Auch die Elemente, die zum Risikostrukturausgleich neu hinzugekommen sind, tragen dazu bei, die Beitragssätze der einzelnen Kassen entsprechend ihren Versorgungsausgaben auszutarieren. Auch hier gibt es bei einer seriösen Betrachtung nichts, was man von Grund auf kritisieren kann. Herr Wolf, mich hat etwas verwundert, dass Sie die Finanzpolitik von Herrn Eichel, die Stabilität des Euro und den blauen Brief der EU-Kommission im Zusammenhang mit den gesetzlichen Krankenkassen angesprochen haben. ({8}) Vielleicht sollten wir darüber einmal intensiver diskutieren. Meines Erachtens können die Defizite der gesetzlichen Krankenkassen nicht direkt in die Staatsverschuldungsquote eingerechnet werden. ({9}) - Moment, dies bezieht sich darauf, dass es keine Finanztransfers aus dem Steueraufkommen in die gesetzliche Krankenversicherung gibt. ({10}) Bevor man hier also so lautstark in die Vollen geht, sollte man diese Besonderheit des deutschen Krankenversicherungssystems beachten und vor diesem Hintergrund vorschlagen, wie man im Sinne dieses Systems Lösungen herbeiführen kann. Meines Erachtens müssten Sie, wenn Sie so denken, die Debatte darüber eröffnen, ob Sie durch Steuerzufinanzierungen oder auf andere Art und Weise indirekt die Verschuldungsquote reduzieren wollen. ({11}) Da Sie einen Rückgriff auf 1998 machen, möchte ich auf die damalige Finanzsituation hinweisen: Unter Seehofer hat der Gesetzgeber erstmalig in die Beitragssatzstabilität eingegriffen und den Beitragssatz gesenkt, und zwar zu dem Preis, dass das sich dadurch ergebende Kostenaufkommen zulasten der Kranken unter den Versicherten im Rahmen von Zuzahlungen externalisiert wurde. ({12}) Es ergab sich eine geschönte Bilanz. Denn Sie haben mit der Systematik der paritätischen Finanzierung gebrochen. ({13}) Aus Ihren früheren Beiträgen - heute haben Sie dazu nichts gesagt - kann ich nur folgende Alternative erkennen: Festschreibung des Arbeitgeberbeitragssatzes und freies Floaten im Rahmen der Zuzahlungen durch Kranke. ({14}) Das wird kein Werbemoment in Ihrem Wahlkampf sein. Die Menschen haben genügend schlechte Erfahrungen gemacht, um zu wissen, was das bedeutet. ({15})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat der Kollege Wolfgang Zöller für die CDU/CSU die Chance zu erwidern.

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer dann, wenn Fragen zu den Kosten im Gesundheitswesen gestellt werden, fällt Rot-Grün nichts anderes ein, als mit Statistiken zu tricksen. Ich will das gleich belegen; denn trotz aller Trickserei kommen Sie um folgende Tatsachen nicht herum: Erstens. 1998 haben wir eine gesetzliche Krankenversicherung übergeben, die einen Milliardenüberschuss zu verzeichnen hatte. ({0}) Heute steht Rot-Grün vor einer Kassenlandschaft mit einem Defizit von mehr als 5 Milliarden DM. Zweitens. Sie tricksen auch mit Ihrer Behauptung, dass die Stabilität der Beiträge nicht gegeben gewesen sei. 1992 wurde unter Seehofer ein Gesundheitsreformgesetz - im Übrigen mit den Stimmen der SPD - verabschiedet. ({1}) Der Erfolg war, dass von 1993 an die Beiträge - ich nenne sie einmal: 13,4, 13,2, 13,2, 13,5, 13,5, 13,5 und noch einmal 13,5 Prozent - stabil waren. Wer angesichts dieser Zahlen nicht von stabilen Beiträgen spricht - es tut mir Leid -, der will einfach die Statistik fälschen. ({2}) Wir kommen jetzt zu einem entscheidenden Punkt. Die Kollegin Knoche hat gesagt, es gebe stabile Ausgabenblöcke. Wenn es also in der gesetzlichen Krankenversicherung stabile Ausgabenblöcke gibt, dann kann nur die Einnahmeseite das Problem sein. Sie hätten Recht, wenn Sie das so sehen würden. Das Hauptproblem der letzten Jahre in der gesetzlichen Krankenversicherung ist nämlich die Einnahmeseite. ({3}) Was hat Rot-Grün dagegen getan? ({4}) Sie haben die Einnahmeseite noch verschlechtert. Wenn Sie nach unserem Konzept fragen und danach, was wir tun würden: Wir müssten nur Ihre Maßnahmen zurücknehmen, die seit 2001 bewirken, dass die Situation auf der Einnahmeseite schlechter wird. Dann würde das Defizit verschwinden. ({5}) Sie haben durch Ihre Maßnahmen die Einnahmeseite in Milliardenhöhe verschlechtert. Ich möchte stichpunktartig einige Beispiele nennen. Sie haben die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gesenkt. ({6}) - Entschuldigung, da gibt es einen gravierenden Unterschied. Bei uns gab es noch einen Überschuss. Ihre Politik führt aber zu einem Defizit. ({7}) Ein weiteres Beispiel, das vorhin ebenfalls angeschnitten wurde, sind die Instandhaltungskosten. Warum sind Sie nicht dem guten Beispiel Bayerns gefolgt? Bayern hat die Instandhaltungskosten getragen. Was haben Sie gemacht? ({8}) Sie haben den Beitragszahlern die Kosten aufgehalst. Was haben Sie bei der Reform der Erwerbsunfähigkeitsrenten und bei der Rentenminderung gemacht? Im Klartext: Es gibt 2 Milliarden DM weniger Einnahmen jährlich, weil Sie von der Nettolohnbezogenheit der Renten abgekommen sind. Mit einem Trick von Riester wurden 4 Prozent der Rentenversicherung ganz herausgenommen. Das heißt, dass für diese 4 Prozent künftig keine Beiträge gezahlt werden. ({9}) Das bedeutet eine zusätzliche Verschlechterung auf der Einnahmeseite.SiehabenalsogravierendeFehlergemacht, die Ursachen für die negative Entwicklung nicht richtig erkannt und die Einnahmeseite weiter verschlechtert. ({10}) Ich möchte noch kurz einen weiteren Punkt nennen. Sie haben letzte Woche erneut eine Verschlechterung herbeigeführt. Weil Sie nicht den Mut haben, den Rentnern vor der Wahl die Wahrheit zu sagen, machen Sie den Besserverdienenden ein Wahlgeschenk, indem sie bis kurz vor der Wahl weniger Krankenkassenbeiträge zahlen müssen. Unser Hauptproblem - darin sollten wir uns eigentlich einig sein - ist die sinkende Lohnquote in Deutschland. ({11}) Wir können diese sinkende Lohnquote nur bekämpfen, indem wir eine vernünftige Wirtschaftspolitik machen. ({12}) Damit sind wir beim entscheidenden Punkt. Sie machen eine verkehrte Wirtschaftspolitik, selbst in der Gesundheitspolitik. Sie werden zum Beispiel Arbeitsplätze verlagern. Mit Reimporten wollen Sie Geld in Milliardenhöhe einsparen. ({13}) Warum aber sind die Reimporte billiger? - Weil die Medikamente im Ausland nicht mit 16 Prozent, sondern nur mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt werden. Die deutschen Beitragszahler müssen mehrere Milliarden mehr zahlen, weil in Deutschland der Mehrwertsteuersatz für Medikamente so hoch ist. Es ist aber unvernünftig, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, nur weil man im eigenen Land die Hausaufgaben nicht gemacht hat. ({14}) Meine Redezeit ist leider um.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wunderbar, dass Sie das selber erkannt haben.

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, die Präsidentin blinkt schon. ({0}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden erleben: Was Rot-Grün sagt und wie Rot-Grün handelt, kann man nur mit dem Satz „Zwei fremde Welten begegnen sich“ beschreiben. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Während ich jetzt darüber nachdenke, wie man hier oben blinkt, ({0}) spricht der Kollege Eike Hovermann für die SPD-Fraktion. ({1})

Eike Hovermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde ist oft dazu angetan, darüber nachzudenken, ob man mit einer Redezeit von fünf Minuten wirklich eine politische Auseinandersetzung führen kann. ({0}) Ich vermute, dass das heute auch nicht richtig geklappt hat. Wir haben den untauglichen Versuch erlebt, die Milliardendefizite einseitig der Bundesregierung anzulasten ({1}) - ich komme gleich auf einige Strukturüberlegungen; das kann man ja nachvollziehen -; denn Sie wissen ganz genau, welche Rolle der Föderalismus in unserem Gesundheitswesen spielt. Ohne den Bundesrat sind aus meiner Sicht strukturelle Reformen nur schwer machbar. Frau Bergmann-Pohl, ich komme gleich noch auf das von Ihnen verwandte Zitat zu sprechen. Ich habe das nämlich gesagt, wenn auch in einem etwas anderen Zusammenhang. Trotz dieser Schwierigkeiten mit dem Bundesrat hinsichtlich der DRGs und der integrierten Versorgung haben wir uns mit Erfolg an Reformschritte herangewagt. Wir haben sie beschlossen; aber das heißt noch lange nicht, dass sie umgesetzt werden. Es liegen ja auch in der Umsetzungsproblematik gewisse Gefahren; ({2}) Gefahren, Herr Dr. Thomae, weil manche in der Selbstverwaltung der Leistungserbringer die integrierte Versorgung nicht wollen. Man ist da ja einem durchaus interdisziplinären Leistungsdruck ausgesetzt und macht manches lieber allein, anstatt sich im Rahmen der ganzen Behandlungskette mit den Kollegen niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten in den Wettstreit um die beste Gesundheitsversorgung zu begeben. Bei dem Thema dieser Aktuellen Stunde vergessen Sie völlig, dass Sie - das ist auch ein Strukturmoment und schon oft wiederholt worden - mit Beitragserhöhungen, Zuzahlungen und der Ausgrenzung von Leistungen nicht Defizite, wohl aber defizitäre Strukturen geschaffen haben, die viel zäher sind und bestehen bleiben. ({3}) - Frau Widmann-Mauz weiß das noch nicht; sie bekommt es gleich erklärt. ({4}) Die Schaffung defizitärer Strukturen - Herr Kirschner würde sagen: die wo viel Geld kriegen und wo nix bei rauskommt ({5}) führte zu Kosten, die uns geblieben sind. Diese Strukturen sind schwer durch neue zu ersetzen; sie müssen erst wachsen. Wir sollten ihnen das Wachstum zugestehen und nicht ständig an ihnen herumnörgeln. Die Selbstverwaltung scheint in der bestehenden Form und mit ihren bestehenden Rechten immer weniger in der Lage zu sein, die unterschiedlichen und kaum harmonisierbaren Interessen auf neue Wege zu bringen. Es liegt in den Selbstverwaltungen der Kassen und der Ärzte begründet, dass die integrierte Versorgung nicht richtig angestoßen wird. Mir stellt sich hier die Frage, warum man das nicht als Modellversuch in einem Bundesland wie Nordrhein-Westfalen oder bei Herrn Kirschner in der Nähe der Kasse Zollern-Alb ausprobiert. Das geschieht nicht; vielmehr wird der Status quo zäh verteidigt. Das ist aus meiner Sicht das zentrale Problem. Den Patienten und der Kostentransparenz dient das nicht, der Qualität schon gar nicht. Ich erinnere hier nur an den Streit um das ambulante Operieren: Wir machen es. Woher bekommen wir das Geld? Findet ein Transfer vom stationären zum ambulanten Sektor statt? ({6}) Die Selbstverwaltung hat es geschafft, dass eine nicht zu tun und das andere zu lassen. ({7}) - Herr Lohmann, Sie wissen ganz genau, dass ich nicht Herr Jung bin und im Koordinierungsausschuss die Probleme für die beiden anderen Sektoren lösen kann. ({8}) Ich erinnere auch an große Defizite bei der Brustkrebsoder Diabetesversorgung. Herr Dr. Thomae - - Wo ist er denn? ({9}) Das gilt auch für die Hörgeräteversorgung, hinsichtlich deren sich Herr Dr. Thomae ungeheuer um den Wettbewerb kümmert und die Preise senken will. Das könnte man auch einmal näher besprechen. An diesen Beispielen kann man vielfach Geldvergeudung, kostspielige Drehtüreffekte und mangelnde Qualität erkennen. Die defizitären Strukturen - Frau Widmann-Mauz, jetzt wieder der andere Begriff: nicht die Defizite, sondern die defizitären Strukturen -, die Geld kosten und nichts bringen, können aber nicht allein der Bundesregierung angelastet werden. Das ist falsch, weil Strukturen viel Zeit zum Wachsen benötigen. Sie haben diese Strukturen mächtig gegossen; in Ihrer Zeit sind sie gewachsen. Dies war also ein untauglicher Versuch. ({10}) - Melden Sie sich doch! Ich antworte Ihnen immer gerne. - Dennoch haben wir mit den Disease-ManagementProgrammen neue Wege gegen diese defizitären Strukturen beschritten. ({11}) Frau Präsidentin, die randaliert da hinten. Das stört mich. ({12})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Um im Jargon zu bleiben: Das bewegt sich noch auf der Ebene homöopathischer Dosen. Deshalb rüge ich das nicht.

Eike Hovermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ihr Ruf nach festen Punktwerten, Herr Parr, oder gar nach Aufhebung des Budgets vernebelt doch die Grundsatzproblematik, dass unendliche Leistungen nicht mit endlichen Mitteln zu finanzieren sind. Keiner von uns wird alleine strukturelle Reformen auf den Weg bringen können. ({0}) - Ich will versuchen, es in einem Satz zusammenzufassen; das muss ich wohl auch.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es muss aber ein kurzer Satz sein.

Eike Hovermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir brauchen die Regierung und die Opposition - wir hoffen, dass die bisherigen Verhältnisse bestehen bleiben werden - und auch die Länder. Der überwiegende Teil dessen, was Sie an struktureller Reform vorschlagen, Herr Parr, bedarf der Zustimmung durch den Bundesrat. Lassen Sie uns also, anstatt die Kultur der gegenseitigen Beschimpfung zu pflegen, überlegen, in welchen Punkten wir uns treffen, um bei Lahnstein II sagen zu können, was wir gemeinsam angehen wollen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Glück. Herzlichen Dank für das Zuhören. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die CDU/CSU hat jetzt der Kollege Dr. Wolf Bauer das Wort.

Dr. Wolf Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Es ist schon interessant, was hier heute alles zu hören war. Ich kann gar nicht alles aufgreifen. Herr Pfaff, wir waren vor nicht allzu langer Zeit auf einer Veranstaltung der Pneumologen. Dort hat der Vorsitzende gesagt: Die medizinische Versorgung ist schlechter geworden. Ich habe bei dem Kollegen Thomae eine Anleihe gemacht und dazwischengerufen: Können Sie das bitte noch einmal sagen? ({0}) Darauf hat er gesagt: Jawohl. Die medizinische Versorgung ist schlechter geworden. Sie können doch in jeden Teil unseres Landes gehen: Alle werden Ihnen sagen, dass ihnen als Patienten die Rationierung zu schaffen macht. ({1}) Sie bekommen einfach nicht mehr, was sie brauchen. Innovationen kann man zum Teil ganz vergessen. Die Menschen bekommen das Billigste. Und uns werfen Sie vor, wir würden die Augen vor der Wirklichkeit verschließen! ({2}) Sie sollten sich einmal unter das Volk mischen und zur Kenntnis nehmen, welche Stimmung dort herrscht. Sie sagen immer wieder, dass die Zuzahlungen doch von Ihnen reduziert worden seien. Wenn Sie aber ehrlich wären, hätten Sie die Zuzahlungen ganz abgeschafft. ({3}) Sie haben sie bescheidenerweise heruntergesetzt. ({4}) Was aber haben Sie damit erreicht? - Sie haben den sozial Schwachen die Möglichkeit genommen, die Medikamente zu bekommen, die sie brauchen. ({5}) Vorher war aufgrund der Sozialklausel, der Überforderungsklausel, jedem die Möglichkeit gegeben, dass er das bekommt, was er braucht. Sie aber haben die Zuzahlungen reduziert und die Rationierung eingeführt. Nun kann sich der sozial Schwache seine Medikamente nicht mehr selber kaufen. Das kann nur noch der Besserverdienende tun. Das ist Ihre Politik. ({6}) Eigentlich wollte ich auf etwas ganz anderes eingehen. Bei einem Defizit geht es immer um zwei Seiten, nämlich um die Ausgaben- und die Einnahmenseite. Ich möchte mich einmal auf die Einnahmenseite konzentrieren. Hier geht es in der Hauptsache um die Beiträge. Die Frau Ministerin hat im Januar 2001 gesagt: Ich erwarte, dass der durchschnittliche Beitrag stabil bleibt. Was aus dieser Erwartung geworden ist, haben wir gesehen: Der Beitragssatz stieg um 0,5 Prozentpunkte auf eine Rekordhöhe von mittlerweile 14 Prozent. ({7}) Im Januar 2002 hat sie gesagt - hier gibt es einen feinen Unterschied -: Ich gehe davon aus, dass die Kassenbeiträge im Durchschnitt stabil bleiben. - Damit sie im Januar 2003 nicht noch eine dritte Variante suchen muss, werden wir dafür sorgen, dass sie dazu keine Gelegenheit mehr haben wird. Es ist heute bereits gesagt worden - das muss man immer wiederholen -: Wir hatten nicht nur in den Jahren 1998 und 1997 einen Überschuss von 1,1 Milliarden DM. Wir haben auch im Jahr davor - das ist nicht zu bestreiten - das Defizit um 6 Milliarden DM abgebaut. Man kann jetzt nicht so tun, als sei dies nicht wahr. Ich war schon ein wenig erschüttert, als die Frau Ministerin vorhin sagte, dass es im Jahre 2001 ein Defizit in Höhe von „nur“ 2,8 Milliarden Euro gegeben hätte. Dies ist nun wirklich so traurig, dass man das Wörtchen „nur“ in diesem Zusammenhang eigentlich nicht benutzen dürfte. ({8}) Was zeigt das Ganze? Dies ist letztendlich eine traurige Bilanz, die Bilanz einer verfehlten kopflosen Gesundheitspolitik, die auch durch all Ihr Reden nicht schöner wird. Es ist nun einmal so. Heute ist viel über Beitragssätze und Ähnliches gesprochen worden. Ich weiß auch, wie gern Sie als Argument immer die Erblast heranziehen, wenn Sie nicht mehr weiterwissen. Auf eines möchte ich in diesem Zusammenhang aber ganz besonders hinweisen: Man muss die Entwicklung der Beitragssätze einmal weiter zurückverfolgen. In zwölf Jahren SPD-geführter Bundesregierung sind die Beitragssätze um 3,8 Prozentpunkte gestiegen. ({9}) Wenn man dies auf die zwölf Jahre umrechnet, kommt man auf eine Steigerung von etwa 0,3 Prozentpunkten pro Jahr. Jetzt kommt es aber: In 17 Jahren CDU/CSU-geführter Bundesregierung gab es eine Steigerung um 1,6 Prozentpunkte. Dies sind auf 17 Jahre umgerechnet pro Jahr 0,1 Prozentpunkte. Also 0,1 gegenüber 0,3 Prozentpunkten. ({10}) - Das kann ich gern noch einmal wiederholen. Jetzt haben wir es mittlerweile geschafft, dass die Beitragssätze in nur einem Jahr um 0,5 Prozentpunkte steigen. Sie müssten uns im Namen der Krankenversicherten nahezu anflehen, die Regierungsverantwortung zu übernehmen, damit es nicht mehr so weitergeht. ({11})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Bauer, so viel Zeit für Wiederholungen ist nicht mehr. Ich nehme jetzt einen Begriff aus dem Plenum auf und sage: Die Präsidentin blinkt. ({0})

Dr. Wolf Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist aber sehr schade. Ich bedanke mich trotzdem fürs Zuhören. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Horst Schmidbauer für die SPD-Fraktion.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ganze Manöver heute ist sehr durchsichtig. Man kann sehr schnell erkennen, was sich dahinter eigentlich verbirgt: Man benutzt das Defizit in der gesetzlichen, solidarischen Krankenversicherung, um die Krankenversicherungen krank zu reden, sie madig zu machen, um Angst bei den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Patientinnen und Patienten zu schüren, ({0}) um damit den Boden für den Einstieg in eine Zweiklassenmedizin zu bereiten. Da machen wir nicht mit. ({1}) Das lassen wir Ihnen genauso wenig wie die Fehleinschätzung des Kollegen Bauer durchgehen. Ich will noch einmal daran erinnern: Zur Zeit der Regierungsübernahme gab es eine Emnid-Umfrage, die seinerzeit von der ABDA in Auftrag gegeben worden war. Herr Kollege Bauer, Sie müssten das Ergebnis dieser Emnid-Umfrage gut kennen. Seinerzeit sagten 40 Prozent der Patientinnen und Patienten aus, sie könnten ihr Rezept nicht mehr oder nicht mehr voll einlösen. ({2}) Das war der entscheidende Grund dafür, dass wir gesagt haben: Sie haben mit der Abzockerei der Patientinnen und Patienten überzogen. Folge war eine Rationierung bei den Patienten. Weil die Menschen nicht mehr zu ihren Arzneimitteln kamen, mussten wir handeln und haben gehandelt. ({3}) In der Zwischenzeit sind Zuzahlungen in einer Größenordnung von etwa 2 Milliarden Euro aufgelaufen, die wir den Menschen zurückzugeben haben. Ich bin stolz darauf, dass die Ministerin mit allem Nachdruck verfolgt hat, ({4}) dass vor allen Dingen die chronisch Kranken in diesem Lande freigestellt werden, damit wir endlich sagen können: Wir haben für die Menschen eine soziale Basis unabhängig von ihrer Krankheit geschaffen. ({5}) Das, was Sie wollen, haben Sie lediglich besser verpackt. Sie sprechen jetzt von Eigenverantwortung, von abwählbaren Leistungen. ({6}) Im Kern handelt es sich aber um nichts anderes als ein neu verpacktes Grund- und Wahlleistungsmodell, das Sie den Bürgern schmackhaft machen wollen. Mit Ihren Heilsversprechungen geht in Wirklichkeit als Nebenwirkung die Zerstörung des Solidarsystems einher. Das trifft die Menschen unmittelbar. ({7}) Sie müssen den Bürgern vor der Wahl sagen, was von den heutigen Leistungen abwählbar sein soll und was sie - ich hoffe, dass es nie so weit kommt, dass Sie etwas zu sagen haben - bei Ihrem Konzept in Zukunft zusätzlich bezahlen müssten. Wie tief müssten sie in ihre Taschen greifen? ({8}) Mir ist heute aufgefallen, dass die Opposition an der Aufklärung der Ursachen, die für dieses Defizit verantwortlich sind, nicht interessiert ist. ({9}) Wenn Sie die Ursachen nämlich benennen müssten, wäre Ihre Showveranstaltung doch zu Ende. Ich glaube, das ist der eigentliche Punkt: Sie sind für die eigentlichen Ursachen und deren Wirkungen blind. ({10}) Ich glaube, die Ministerin hat es sehr deutlich gesagt: Das Defizit 2001 geht zu zwei Dritteln zulasten des Arzneimittelsektors. Es betrug 11,2 Prozent; das sind umgerechnet 3,1 Milliarden Euro. Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Allein die Mehrausgaben in diesem Jahr betragen 3,1 Milliarden Euro und das Defizit betrug 2,8 Milliarden Euro. Das ist die Ursachenbetrachtung, die wir vornehmen müssen. ({11}) Die Aufklärung hat den Arzneimittelmarkt noch nicht erreicht. Deshalb genügt der Blick nach hinten nicht, sondern wir müssen den Blick nach vorne richten. Würde die Aufklärung Wirkung zeigen, wäre der Nutzen für die Patienten transparent; denn es waren nicht die Innovationen, die zu dieser Entwicklung geführt haben, ({12}) sondern es waren die Preise der Analogpräparate, der „me,too“-Präparate, die keinen nachgewiesenen Mehrnutzen für die Patientinnen und Patienten haben. Der Anteil der Ausgaben für die Innovationen im Bereich der Arzneimittel ist nur von 14,6 auf 14,8 Prozent gestiegen. Der Anteil dieser so genannten „me,too“-Präparate ist von 10,2 Prozent auf 16,3 Prozent gestiegen. Ohne dass die Patientinnen und Patienten einen therapeutischen Mehrnutzen haben, haben wir sehr viel Geld zusätzlich ausgegeben. Wenn in den 23 Präparatgruppen dieser Analogpräparate die preisgünstigsten Arzneimittel verordnet worden wären, hätten 2 Milliarden Euro gespart werden können, ({13}) ohne dass es einen Qualitätsverlust für die Patientinnen und Patienten gegeben hätte. ({14}) Ich muss sagen: An solchen Fragen können wir nicht vorbeigehen; solchen Fragen müssen wir uns stellen. Dafür brauchen wir ein Konzept. ({15}) Sie werden sehen, dass unsere Gesetze greifen. Bei der Umsetzung brauchen wir die Mithilfe der Ärzte und Krankenkassen. Ich glaube, dass wir über Zielvereinbarungen bezüglich einer Beratungspflicht Transparenz in den Arzneimittelmarkt hineinbringen und dass wir unser Ziel erreichen können, damit auch Beitragsstabilität zu gewährleisten. Ich bin mir sicher, dass wir 2002 ein positives Ergebnis erreichen werden. Dann können wir uns noch einmal sprechen. ({16})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt spricht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch. ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es mir ganz schön leicht gemacht. Ich habe festgestellt, dass Sie sich nicht entscheiden konnten. Herr Zöller, Sie haben gerade beklagt, dass wir ein Einnahmedefizit haben; das hat Herr Bauer auch getan. Heute Morgen haben Sie im Gesundheitsausschuss ein Einnahmedefizit in nicht unerheblicher Höhe für die gesetzlichen Krankenkassen beschlossen, indem Sie dem Antrag der FDP zugestimmt haben, dass Sozialhilfe und Arbeitslosenversicherung zusammengelegt werden, ohne eine Lösung für die Einnahmeausfälle auf der Beitragsseite der GKV zu haben. ({0}) Nur die Tatsache, dass Sie keine Mehrheit haben, hat dieses Desaster heute verhindert. ({1}) Der zweite Punkt betrifft Ihren Umgang mit den Zahlen. Herr Wolf, Sie haben vorhin gesagt, dass das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen so hoch wie das der Kommunen sei. ({2}) Ich muss Sie korrigieren: Das stimmt nicht. Bei den Kommunen sind es 26 Milliarden Euro. ({3}) Das hätten Sie eigentlich wissen müssen, wenn Sie sich den Kommunal- und den Länderbereich angeschaut hätten. Das heißt, 1 Prozent sind es auf der Länderseite; 0,1 Prozent wären es bei den Krankenkassen gewesen. In diesem Jahr haben wir aber kein Defizit mehr, weil wir mindestens mit einem ausgeglichenen Finanzergebnis rechnen können. Sie können jetzt nicht immerzu klagen: Die Leute erhalten keine Leistungen. Die Beiträge sind zwar gestiegen. Aber die Steigerung der Beiträge und die Zunahme der Ausgaben haben mehr Solidarität ermöglicht und eine bessere Versorgung geschaffen. Ich bin der Überzeugung, dass das kurzfristig vertretbar ist, bis die strukturellen Maßnahmen, die wir bereits ergriffen haben, ihre Wirkung entfalten. ({4}) Wir haben in diesem Land keine Rationierung. ({5}) Horst Schmidbauer ({6}) Die Patientinnen und Patienten erhalten das, was notwendig ist. Der medizinische Fortschritt kommt den Menschen überall in diesem Land zugute. Dabei bleiben die Beiträge stabiler als bei Ihnen. ({7}) Herr Wolf hat vorhin so nett gesagt: Wir hatten damals ein größeres Defizit bei geringeren Ausgaben, aber wir haben gehandelt. - Wie haben Sie denn gehandelt? ({8}) Sie haben dahin gehend gehandelt, dass Sie die Zeche von den Betrieben und den Arbeitnehmern haben zahlen lassen und die kranken Menschen zur Kasse gebeten haben. ({9}) Sie haben nämlich allein mit den Spargesetzen von 1996 und 1997 die Versicherten durch Zuzahlungserhöhungen und Leistungsausgrenzungen mit 6 Milliarden Euro belastet. An dieser Schraube haben Sie immer weiter gedreht. Sie haben nicht zur Kenntnis nehmen wollen, ({10}) dass weder die Budgetierung - wir haben erkannt, dass dies nicht das Allheilmittel ist - noch die Erhöhung der Zuzahlungen eine Lösung ist; denn nachdem Sie die Zuzahlungen erhöht haben, sind die Ausgaben allein im Arzneimittelbereich bereits 1998 um 5 Prozent gestiegen. ({11}) Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass Zuzahlungen keine Lösung sind. Man darf nicht glauben, damit die Ausgaben steuern zu können. Was wir brauchen, haben auch Sie ab und an gefordert, aber letztlich niemals umgesetzt: Wir brauchen intelligentere Steuerungsmechanismen, als wir sie jetzt haben. Ich denke, wir haben mit dem Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz die Möglichkeit dazu der Selbstverwaltung gegeben. Auch die Kassen sind fest davon überzeugt, dass wir in diesem Jahr Beitragssatzstabilität erreichen werden. Unser Weg ist ganz sicher der schwerere. Wir greifen nicht einfach jemandem in die Tasche, der dann zahlen muss, egal, ob er will oder nicht. ({12}) Wir erwarten zum Beispiel von der Ärzteschaft und den Apothekern Verhaltensänderungen im Umgang mit den Ressourcen der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist ein besserer Weg, als einfach die Zuzahlungen zu erhöhen. ({13}) Sie haben sich auch einer weiteren Maßnahme nicht unterzogen. Sie haben sich nie die Mühe gemacht, Qualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen. Als wir darüber diskutiert haben, wie wir bei den Krankenhäusern mehr Wirtschaftlichkeit erreichen können, haben Sie erklärt: Für das Fallpauschalengesetz sind wir zwar, aber mitmachen können und wollen wir nicht. - Wenn es wirklich Ernst wird, dann ist der Punkt gekommen, an dem Sie sich verweigern. Auch weigern Sie sich, den Menschen klar zu sagen, was sie von Ihrer künftigen Politik zu erwarten haben, was wirklich Sache ist. ({14}) Ich bin der Überzeugung, dass Ihre Konzeption, Herr Zöller, von Wahl- und Regelleistungen letztendlich in die Sackgasse führen wird. ({15}) Ihr gesamtes Repertoire von Wahl- und Regelleistungen, Kostenerstattung, Selbstbehalten, höheren Zuzahlungen - das ist aus Ihrem CDU-Papier - wird nur eines bringen, nämlich die Privatisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Was eine privatisierte Krankenversicherung bedeutet, sehen Sie in den USA. Dieses System ist für alle Beteiligten teurer und die Gesamtversorgung der Gesellschaft ist letztendlich schlechter. ({16}) - Ich habe mir das CDU-Konzept sehr genau angesehen und es bewertet. ({17}) Der Weg, den Sie vorgeschlagen haben, birgt die Gefahr einer permanenten Unterversorgung der Versicherten. Sie werden damit den Menschen die Möglichkeit eröffnen, Leistungen zu wählen. Gesunde und gut Verdienende werden sich billigere Tarife wählen. Andere werden auf ihren hohen Kosten sitzen bleiben. Dem System werden auf diese Weise Mittel entzogen. Es wird ausgesprochen schwierig sein, den Menschen deutlich zu machen, dass dadurch keine Folgekosten entstehen. Das System, das wir haben und von dem wir fest überzeugt sind, dass es ein gutes System ist, braucht keinen Systemwechsel. Es benötigt aber eine weitere Fortentwicklung in Richtung zu mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit. Das ist der richtige Weg. Ich bin der Überzeugung, dass sämtliche Maßnahmen, die im Laufe der letzten Jahre ergriffen worden sind - ich nenne den Krankenhaussektor, Qualitätsverbesserungen in verschiedenen Bereichen, Veränderungen bei der Arzneimittelversorgung, künftige Veränderungen im Bereich der Vorsorge; wir hatten heute eine ausführliche Diskussion über die Mammographie -, dazu beitragen werden, langfristig das System zu verbessern, zu stabilisieren und es für alle Menschen bezahlbar zu halten. ({18})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Erwiderung erteile ich dem Kollegen Wolfgang Lohmann, CDU/CSU, das Wort.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde das großartig: Es wird uns dauernd vorgehalten, wir hätten kein Konzept, und anschließend wird auf dieses nicht vorhandene Konzept eingeschlagen. ({0}) Herr Schmidbauer, es war die Spitze, als Sie sagten: Wir müssen uns den Herausforderungen stellen und dafür brauchen wir ein Konzept. - Sie haben nur vergessen zu sagen: Das haben wir eben nicht. ({1}) Deswegen ist und bleibt das Ganze ein Herumdoktern an Symptomen, wie es Herr Gerster, der demnächst die Arbeit der Bundesanstalt für Arbeit leiten wird, bezeichnet hat. Herr Hovermann hat Recht, wenn er sagt, die Aktuelle Stunde mit 5-Minuten-Beiträgen sei nicht geeignet, tiefschürfende Diskussionen in Rede und Gegenrede zu führen. Das ist klar. Man muss also etwas vereinfachen. Deshalb komme ich darauf zurück, worin der Sinn liegen kann. Es geht ja ausdrücklich in dieser Aktuellen Stunde um die Verantwortung für das Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung. Man kann dabei nicht erzählen, was früher irgendwann einmal gewesen ist. Es wurde sehr viel - man hat es sehr strapaziert - von Bilanz gesprochen. Bei der Bilanz gibt es einen Ausgangspunkt, die Eröffnungsbilanz, und einen Schlusspunkt, die Schlussbilanz. Weil das Jahr noch nicht ganz zu Ende ist, sprechen wir besser von einer Zwischenbilanz. Es ist klar - es wurde schon x-mal gesagt -: In der Eröffnungsbilanz stand kein Defizit, sondern im Gegenteil ein Überschuss. ({2}) Die Politik, die vorher betrieben wurde und deren Folgen Sie gar nicht so abrupt beseitigen konnten, wirkte sogar in das Jahr 1999 hinein, denn auch in diesem Jahr gab es einen Überschuss von 1,1 Milliarden. Erst dann war Feierabend mit dem Staat, als wirklich Ihre Maßnahmen zum Tragen kamen. Ulla Schmidt hat seit ihrem Amtsantritt die finanziellen Probleme der GKV - ich behaupte das, Frau Schmidt ignoriert. Sie haben im Juli 2001 erklärt, das größte Problem der GKV seien nicht die angekündigten Beitragserhöhungen, sondern sei die mangelnde Qualität im Gesundheitswesen. Im Herbst letzten Jahren setzten Sie noch eins drauf, indem Sie sagten: Wenn einzelne Kassen ihre Beiträge erhöhen wollen, kann ich das nicht verhindern. Ja, wer denn sonst? Sie haben eben gesagt: Ich bin zurzeit Ministerin. - Natürlich. Deswegen tragen Sie die Verantwortung für die Lage, in der wir jetzt sind. ({3}) Manches kann als Realitätsverlust bezeichnet werden. Immer höhere Beiträge werden für mittelmäßige Qualität - davon spricht der Sachverständigenrat - gezahlt. Wenn es um höhere Beiträge für eine ständige Steigerung der Qualität und eine Verbesserung der Versorgung ginge, dann könnte man darüber reden. Aber das Gegenteil ist der Fall und das ist nicht in Ordnung. Im Übrigen: Warum sind im Zusammenhang mit den Zuzahlungen die Überschüsse entstanden? Wenn Sie wenigstens so ehrlich gewesen wären, nachdem Sie im Wahlkampf die Zuzahlungen bis aufs Äußerste diffamiert haben, sie hinterher ganz abzuschaffen! Was aber haben Sie getan? Ganz bescheiden und verschwiegen haben Sie sie um 1 DM gekürzt und die Spreizung verringert. Das hatte Folgen im Umfang von 1 Milliarde. Sie haben eben selbst erklärt, es seinen 6 Milliarden gewesen. Sie haben also 5 Milliarden klammheimlich eingesteckt. ({4}) Deswegen muss man sagen: Sie haben die Leute hinters Licht geführt. Das ist nicht zu bestreiten. Ihre viel beschworene Aut-idem-Regelung, mit der Sie bereits im vergangenen Sommer die Probleme bei den Ausgaben für Arzneimittel lösen wollten, bringt die Leute in den Wartezimmern der Ärzte richtig in Stimmung. Man könnte Ihnen raten: Reden Sie einmal mit den Leuten auf der Straße und hören Sie sich an, was sie zu Ihrer Politik sagen! Gerade ältere Menschen und chronisch Kranke befürchten, dass sie in den Apotheken nicht mehr die Arzneimittel erhalten, die sie brauchen. Deswegen ist diese Politik nicht in Ordnung und deswegen geht es auch nicht nur darum, welche Alternativen es gibt. Natürlich können wir uns auch über Alternativen unterhalten. Aber hier und heute geht es darum, wer der Verursacher für die Lage der gesetzlichen Krankenversicherung ist ({5}) und wer es zu verantworten hat, dass den Leuten ein um 0,5 Prozentpunkte höherer Beitragssatz - das sind immerhin mehr als 8 Milliarden zusätzlich - aus der Tasche gezogen wird. Das nämlich sind Sie. ({6}) Die Spitzenverbände der Krankenkassen mussten Sie am 14. September 2001 auffordern - daran sieht man, dass Sie das offensichtlich gar nicht so wichtig genommen haben -, die dramatische Finanzsituation in der GKV zum Thema des runden Tisches zu machen. Man könne nicht in Ruhe über zukünftige Reformen diskutieren, hieß es wörtlich vonseiten der Spitzenverbände der Krankenkassen, solange die aktuellen Probleme nicht angegangen würden. Recht haben sie. Es spricht für sich, dass die Kassen Sie dazu auffordern müssen, sich um ihre Belange zu kümmern. In der öffentlichen Anhörung zum 10. SGB-V-Änderungsgesetz haben Sie im Gespräch mit dem Sachverständigenrat im Gesundheitsausschuss auch erfahren, dass sich der runde Tisch bis heute nicht inhaltlich mit den Finanzproblemen der GKV befasst hat. Bis jetzt fanden nur Plauderrunden statt. ({7}) Ehe die Frau Präsidentin anfängt zu blinken -

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Sie tut es schon. ({0})

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber erst seit kurzem. - Statt das Gesundheitswesen vor der Bundestagswahl mit einem wirklich überzeugenden und nachhaltigen Konzept zu reformieren, meint RotGrün die Probleme aussitzen zu können. Man kann fast schon glauben, Sie seien froh, dass die Krankenkassen endlich die Beiträge erhöht haben. Dass Sie sich bei der Rede der Ministerin nicht geschämt haben, Frau SchaichWalch, wundert mich eigentlich. Ich hatte insofern etwas mehr Mitgefühl von Ihnen erwartet. Vielen Dank. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich werde ganz nachdenklich. Die Attraktivität des Blinkens scheint ziemlich groß zu sein. - Letzte Rednerin dieser Aktuellen Stunde ist die Kollegin Regina Schmidt-Zadel für die SPD-Fraktion.

Regina Schmidt-Zadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lohmann, ich möchte nicht polemisch werden, aber dazu, wer sich schämen muss, werde ich gleich etwas sagen. Denn einer Ihrer Vorredner hat von „Ablasshandel“ und „kölschem Klüngel“ geredet. Ich will Ihnen allen Ernstes sagen: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. ({0}) Dann müssen wir auch über schwarze Kassen und Klüngel in Oggersheim reden, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Das möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben. Darüber sollten Sie nachdenken, bevor Sie solche Aussagen machen. ({2}) Für Ihre Pläne, wie wir sie hören, benötigen Sie mehr Geld. Diese Mittel müssten die Beitragszahler bzw. die Patientinnen und Patienten durch höhere Zuzahlungen aufbringen. ({3}) Das war doch die Politik in den 16 Jahren Ihrer Regierung. Auch deswegen sind Sie abgewählt worden. Erinnern Sie sich einmal daran, was Sie den Patientinnen und Patienten und den Versicherten zugemutet haben! ({4}) Wir dagegen muten den Akteuren im Gesundheitswesen zunächst einmal zu, die Wirtschaftlichkeitsreserven zu mobilisieren, die noch im System vorhanden sind, bevor wir über neue Geldquellen nachdenken. ({5}) - Die kann ich Ihnen nennen. Sie haben vielleicht zugehört, als der Sachverständigenrat im Ausschuss war, Herr Parr, oder waren Sie abwesend? Er hat die Wirtschaftlichkeitsreserven aufgezeigt. ({6}) - Ich kann Ihnen die Liste und auch das Buch schicken. Wir betreiben nicht wie Sie knallharte Klientelpolitik, sondern fordern auch die Leistungserbringer. Mit einer qualitätsorientierten Gesundheitspolitik haben wir positive Zeichen gesetzt. Denken Sie nur an das Fallpauschalengesetz, das mittel- und langfristig sowohl die Qualität als auch die Wirtschaftlichkeit in der stationären Versorgung erhöhen wird. ({7}) Trotz der Bedenken einiger Länder wurde dieses Gesetz - das möchte ich auch noch anmerken - im Bundesrat verabschiedet. Nicht alle CDU-regierten Länder haben sich wie die süddeutschen Länder verhalten, die nicht zugestimmt haben. Es gibt also auch bei Ihnen einige positive Zeichen. Die Bilanz der rot-grünen Regierung in der Gesundheitspolitik kann sich sehen lassen. Das Defizit der Krankenkassen im Jahr 2001 als Beweis für das Scheitern rotgrüner Politik anzuführen ist nichts anderes als billige Polemik. ({8}) - Nein, Sie können sich sicher sein: Die Zahlen lügen nicht. ({9}) Auch ich hätte mir wirklich ein besseres Ergebnis gewünscht. Wenn aber weiterhin so viel Geld für strukturelle Überkapazitäten sowie für Unter- und Fehlversorgung verpulvert wird - ich verweise noch einmal auf das Gutachten des Sachverständigenrats; die Stellen, an denen das geschieht, sind ja identifiziert -, dann wird sich auch in der Zukunft ein Defizit nicht vermeiden lassen. Das werden wir verändern. ({10}) Wolfgang Lohmann ({11}) Wenn ich sicher sein könnte, dass die Krankenkassen jede Mark nur für medizinische notwendige und qualitätsorientierte Leistungen ausgeben, dann könnte ich sogar mit einem Ausgabenüberschuss leben; denn dann wüsste ich, dass die Patientinnen und Patienten gut versorgt und die Beitragsgelder gut angelegt sind. ({12}) Wir werden unsere Offensive für mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit fortsetzen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Ministerin; denn sie hat in das Zentrum ihrer Gesundheitspolitik die Qualität gestellt. ({13}) Wir haben mit der Gesundheitsreform 2000 den längst überfälligen Paradigmenwechsel vollzogen, weg vom reinen Kostendenken hin zu Qualität und Wirtschaftlichkeit. Sie sind herzlich eingeladen, uns auf diesem Weg zu folgen. Den ersten Schritt in diese Richtung haben die unionsregierten Länder bereits gemacht. Sie haben in ihrem Papier zur Gesundheitspolitik - man höre und staune; das sollten Sie auch einmal lesen, Herr Parr - immerhin eingeräumt, dass im Gesundheitssystem noch beträchtliche Wirtschaftsreserven vorhanden sind. Das ist doch schon ein enormer Fortschritt gegenüber Ihrer Regierungspolitik. Es wäre schön, wenn Sie das in Zukunft in Ihrem Handeln beherzigen würden, anstatt Aktuelle Stunden zu beantragen, die purer Wahlkampf sind. ({14}) Ihre heuchlerischen Aussagen, die Sie heute gemacht haben, ({15}) lassen mich aber daran zweifeln, dass bei Ihnen - vielleicht auch in der Gesundheitspolitik - noch die Vernunft einkehren wird. ({16})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde - und damit auch die „Blinkerei der Präsidentin“ - ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. März 2002, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.