Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/20/2002

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Das Wort zu einer Frage gebe ich zunächst dem Kollegen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, die Fluggesellschaften in aller Welt und insbesondere in Europa sind in einer schwierigen Situation. In den letzten Monaten haben wir mit Sabena und Swissair zwei Pleiten erlebt. Beim Kauf von Airbussen gerade durch diese beiden Gesellschaften hatte die Bundesregierung Ausfallbürgschaften geleistet, sodass jetzt eine Belastung in Höhe von etwa 250 Millionen Euro auf uns zukommt, dem natürlich der Wert der bestellten Flugzeuge entgegensteht. Beabsichtigt die Bundesregierung, weiterhin Bürgschaften auszusprechen, wenn Airbusse von Fluggesellschaften bestellt werden, und sieht sie noch Risiken bei Fluggesellschaften, deren Bilanzen im Augenblick nicht so gut sind?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Koppelin, Sie stellen den Sachverhalt richtig dar. Die Standorte, an denen der Airbus produziert wird - vor allen Dingen Deutschland und Frankreich -, haben eine hohes Interesse daran, dass moderne Flugzeuge verkauft werden. Deshalb werden wir unsere Sicherungspolitik auch nicht ändern. Wir werden allerdings sehr genau hinschauen, von welchen Linien die Flugzeuge bestellt werden und wie deren ökonomische Situation ist. Manche waren ja - nicht bei Sabena, aber bei Swissair - über die Entwicklung überrascht. Bei solchen Absicherungen ist es also zwingend geboten, sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des bestellenden Unternehmens genau anzuschauen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, in Ihrem Bericht habe ich zumindest eine Andeutung über eine Zusammenarbeit mit osteuropäischen Staaten vermisst. Wir wissen, dass es auch dort eine positive Entwicklung bei Großraumtransportflugzeugen gibt. Sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass angesichts der augenblicklichen Diskussion um das Transportflugzeug A400M und des wirklich amateurhaften Verhaltens des Verteidigungsministers die Briten eine Chance erkennen, auszusteigen und mit den USA das Großraumtransportflugzeug zu bauen, wenn es auf unserer Seite so weitergeht, sodass wir quasi gezwungen wären, zum Beispiel mit der Ukraine ein neues Transportflugzeug zu entwickeln?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Zunächst weise ich mit Entschiedenheit Ihre Bemerkung zurück, die auf den Verteidigungsminister zielte. ({0}) Der Verteidigungsminister hat übrigens auch auf der Grundlage der Entscheidung des Parlaments alles getan, damit wir nach 30 Jahren endlich wieder ein Transportflugzeug bekommen. ({1}) Deutschland befindet sich in einer blamablen Situation: ({2}) Wir sind im Hinblick auf Transportflugzeuge nicht handlungsfähig, da es im letzten Jahrzehnt leider versäumt worden ist, dafür zu sorgen, dass eine hoch entwickelte Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik über ein modernes, leistungsfähiges Transportflugzeug verfügt. Herr Koppelin, Sie haben Recht: Wir haben verschiedene Varianten geprüft, auch die Frage einer Beteiligung am Bau der „Antonow“. Sie wissen, dass dabei eine große Rolle gespielt hat, wie viele Arbeitsplätze entstünden und wie viele Kernkompetenzen, die wir an unserem Standort haben, umgesetzt werden könnten. Ich bin aber davon überzeugt, dass der jetzt eingeschlagene Weg richtig ist, und hoffe sehr, dass es nach der A400M-Entscheidung jetzt rasch zum Bau der Flugzeuge kommt. Das ist für die Arbeitsplätze in Deutschland von großer Wichtigkeit, aber auch im Hinblick darauf von besonderer Bedeutung, dass wir das Transportflugzeug dringend brauchen. Das bedeutet allerdings nicht - das sage ich ausdrücklich -, dass wir nicht die Zusammenarbeit mit Ländern Mittel- und Osteuropas suchten. Insbesondere in der Ukraine und in Russland, aber auch in angrenzenden mitteleuropäischen Staaten gibt es enorme Fähigkeiten gerade in dieser Branche, die wir gemeinsam nutzen wollen. Es gibt eine Reihe von Kooperationsideen, die wir umsetzen wollen. Gleichwohl sind wir entschlossen, das Flugzeug A400M herzustellen, sodass wir endlich einen guten Transporter zur Verfügung haben werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Rossmanith.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn ich boshaft wäre - aber das bin ich nicht -, würde ich Sie jetzt fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass wir mit der Wiedervereinigung Deutschlands zusätzliche internationale Verpflichtungen im militärischen Bereich eingehen mussten und deshalb eine andere Kapazität erforderlich war, weshalb bereits seit Beginn der 90er-Jahre die Diskussion um ein Nachfolgemodell für die Transall geführt wird und dabei - Sie haben es angedeutet - mehrere Alternativen angesprochen wurden. Ich bin aber nicht boshaft und will diese Frage nicht stellen. Ich stelle eine ganz kurze Frage zum Luftfahrtforschungsprogramm III: Hat sich die Bundesregierung schon Gedanken über die Höhe der finanziellen Ausstattung dieses Luftfahrtforschungsprogramms gemacht oder besteht im Moment nur der Wille, dieses Programm unter dem Titel „Luftfahrtforschungsprogramm III“ fortzusetzen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Rossmanith, wenn Sie gestatten, dass ich die Frage, die Sie eigentlich gar nicht gestellt haben, dennoch beantworte, dann erlaube ich mir den Satz: Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Transporter A400M wird nicht nur für militärische Belange interessant sein - das ist meine feste Überzeugung -, sondern insbesondere auch für humanitäre Hilfen. Das darf man nicht unterschätzen. Wir brauchen dringend Transportkapazitäten in diesem Bereich. Deshalb war es ungeachtet der veränderten politischen Situation wichtig, diesen Weg zu gehen. ({0}) - Ich sage ja, dass es nicht nur ein Militärflugzeug ist. Es ist ein Flugzeug, das man gerade im humanitären Bereich dringend braucht. Zu Ihrer Frage im Hinblick auf das Luftfahrtforschungsprogramm III: Ja, wir haben uns Gedanken gemacht. Wir haben auch präzise Vorstellungen. Ich habe eben einige inhaltliche Schwerpunkte dieses Programms genannt. Es geht dabei vor allem um Triebwerkstechnik, um die Emissionsreduzierung, um Lärmreduzierung und um die Reduzierung des Treibstoffverbrauchs. Wir setzen also besondere Akzente für dieses Luftfahrtforschungsprogramm. Ich sage das Folgende ausdrücklich auch in einer Regierungsbefragung: Wir haben in den letzten Jahren interfraktionell in diesem Bereich so gut zusammengearbeitet, dass es sogar gelungen ist, eine Länderbeteiligung am Luftfahrtforschungsprogramm zu erreichen. Ich sage das gerade dem Kollegen Rossmanith, weil sowohl der Bremer Bürgermeister als auch die Bayerische Staatsregierung dabei geholfen haben. So können wir sagen: Wir haben mit dem Lufo II ein gutes Programm realisieren können. Die Industrie hat einen höheren Anteil als bei Lufo I gezahlt. Wir haben auch eine Bund-Länder-Beteiligung erzielt. Ich hoffe sehr, dass wir das in dieser Weise fortsetzen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, das Ziel der weiteren Lärmreduzierung in ihre Öffentlichkeitsarbeit aufzunehmen, damit endlich der Unfug aufhört, dass sofort, wenn im Rahmen der Konversion die weitere fliegerische Nutzung eines aufgegebenen Fliegerhorstes im zivilen Bereich andiskutiert wird, Bürgerinitiativen wegen des Lärms ein Riesenspektakel veranstalten? Ich halte es für notwendig, dass wir diese Thematik nicht immer nur hier diskutieren und diesbezügliche Aktivitäten entfalten, sondern auch in der Öffentlichkeit kundtun, welche Fortschritte gemacht wurden und durch dieses Programm weiter erzielt werden sollen und auch können.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Rossmanith, in einer Demokratie muss man aushalten, dass es Kritik gibt; mit ihr muss man sich auseinander setzen. Das tun wir auch. Wir sind souverän genug, die Bürger ernst zu nehmen, wenn sie diese Standpunkte vertreten. Das ist auch wichtig. Ich glaube, dass es eine Informationslücke hinsichtlich der erzielten technischen Fortschritte gibt. Wir hatten in den letzten zehn Jahren bei der Lärmreduzierung einen Quantensprung, übrigens auch, weil wir bei der Forschung zur Triebwerkstechnik darauf gedrängt haben. Man kann das bei MTU genau beobachten. Dort wurden geradezu Quantensprünge gemacht. Die Lärmemission der Flugzeuge ist deutlich geringer geworden. Der Lärmteppich eines modernen Airbusses, wie man das im Fachchinesisch nennt, ist mit dem eines Flugzeuges von vor 30 Jahren völlig unvergleichbar. Es ist wirklich ein großer Fortschritt erzielt worden. Ich nutze die Gelegenheit Ihrer Frage, diesen Umstand einer großen Öffentlichkeit deutlich zu machen. Ich bin gern bereit, im Rahmen der Möglichkeiten der Bundesregierung - ich hoffe dabei auf Ihre Unterstützung - alles zu tun, um öffentlich zu vermitteln, dass wir wirklich Fortschritte gemacht haben. Was die Triebwerkstechnik angeht, gelten wir hinsichtlich der Lärmreduzierungen inzwischen als erste Adresse in der Welt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Straubinger.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben sehr umfangreich auf die Erfolge der Vergangenheit hingewiesen. Wir sind uns alle - auch parteiübergreifend - darin einig, dass Erfolge erzielt wurden, aber zukünftig noch Verbesserungen bei der Flugsicherheit, dem Treibstoffverbrauch und dergleichen erreicht werden müssen. Die erreichten Erfolge sind auch auf die Luftfahrtforschungsprogramme der Vergangenheit zurückzuführen. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass das erste Luftfahrtforschungsprogramm unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl für die Jahre 1995 bis 1998 mit 600 Millionen DM seitens des Bundes ausgestattet war. Das Nachfolgeprogramm unter der Verantwortung Ihrer Regierung für die Jahre 1999 bis 2002 ist mit 240 Millionen DM ausgestattet. Der Zeitraum für dieses Programm ist fast abgelaufen. Was passiert in den folgenden Jahren? Sie haben vorhin angekündigt, die Bundesregierung überlege, ein Luftfahrtforschungsprogramm III aufzulegen. Die bloße Absicht nützt aber sehr wenig, weil die Forschungseinrichtungen dauerhaft für die Zukunft planen müssen. Können Sie uns bereits heute darlegen, wie das Luftfahrtforschungsprogramm III nach den Vorstellungen der Bundesregierung ausgestattet sein soll - nicht nur in den Zielstellungen, sondern auch in finanzieller Hinsicht - und in welchem Zeitraum es verwirklicht werden soll?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Straubinger, ich danke Ihnen für den Hinweis. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass wir kurz nach der Übernahme der Regierungsverantwortung im Jahre 1998 die Chefgespräche für unseren Haushalt hatten und sozusagen binnen kürzester Frist das Lufo II gestartet haben. Sie haben darauf abgehoben, wir hätten 50 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen, während es vorher insgesamt 600 Millionen DM gewesen seien. Der Grund liegt in der Unterschiedlichkeit unseres Staatsverständnisses. Wir glauben, dass der Staat nicht alles finanzieren muss. Das Programm ist genauso umfangreich wie vorher, nur zahlt jetzt die Industrie ein bisschen mehr. Wir finden, es ist in Ordnung, dass wir die Industrie - vor allem, wenn es der Wirtschaft gut geht; Sie wissen, die Branche hat sich gut entwickelt - einladen, einen eigenen Beitrag zu leisten. Ich bin ein bisschen stolz darauf - es haben viele mitgeholfen, ich will es trotzdem hervorheben -, dass es uns gelungen ist, mit der Beteiligung der Länder, die genauso viel wie der Bund getragen haben, mit Lufo II ein erhebliches Programm, das auch gut läuft, zustande bekommen zu haben. Wenn Sie mich persönlich fragen, muss ich Ihnen sagen: Wir haben gute Ideen in der Sache, haben das Programm aber noch nicht quantifiziert. Dies sollte im Anschluss an das Lufo II im Jahre 2003 beginnen. Sie wissen, wie die Entscheidungsprozesse sind. Deshalb ist es wichtig, dass das Programm in den Haushalt 2003 eingestellt wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich entnehme dem Stenographischen Bericht über die Sitzung vom 24. Januar, dass die Kollegin Margit Wetzel mindestens 50 Millionen Euro jährlich für ein Luftfahrtforschungsprogramm III für erforderlich hält. Ist die Bundesregierung bereit, für das Luftfahrtforschungsprogramm jährlich 50 Millionen Euro in den Haushalt einzustellen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Straubinger, der Standpunkt und die Meinung einer sehr kompetenten Kollegin wie Frau Wetzel werden natürlich bei der Bundesregierung auf offene Ohren stoßen. Das ist gar keine Frage. ({0}) - Wenn Sie schon einmal im Flugzeug gesessen hätten, dann wüssten Sie, dass Sie es mit ruhiger Hand steuern müssen. Dabei können Sie nicht „herumfiebern“, ({1}) sondern Sie müssen steuern. Das tun wir auch. Frau Wetzel kommt aus einer Region, in der die Luftfahrtindustrie eine große Rolle spielt. Sie weiß deshalb auch ein bisschen, was notwendig ist. Meine persönliche Meinung ist - ich habe das eben bereits ausgeführt -: Wir brauchen ein Lufo III etwa mit 50 Millionen Euro pro Jahr. Das würde diesen Zahlen entsprechen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Weitere Fragen liegen nicht vor. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Wir haben die Regierungsbefragung früher als vorgesehen beendet. In Abstimmung mit den Fraktionen unterbreche ich die Sitzung bis 13.35 Uhr. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde - Drucksache 14/8246 Zu Beginn der Fragestunde behandeln wir gemäß Nr. 15 der Richtlinien für die Fragestunde vier schriftliche Fragen der Abgeordneten Ilse Aigner und vier schriftliche Fragen der Abgeordneten Susanne Jaffke. Ich rufe zunächst die Fragen der Abgeordneten Ilse Aigner auf: 2/42 Welche militärischen und wirtschaftlichen Gründe waren ausschlaggebend, die Entscheidung, das Fernmeldebataillon Dillingen zu schließen, zu ändern und dafür das Fernmeldebataillon am Standort Murnau aufzulösen, und wie stellt sich der Sanierungsbedarf bzw. Bauzustand bei beiden Standorten dar? 2/43 Welche militärischen Gründe ({0}) gibt es für eine Verlegung der Fernmeldeschule des Heeres von Feldafing/Pöcking nach Günzburg, Dillingen, Donauwörth oder einen anderen Standort und sind bei diesen Standorten ausreichend Grundstücksflächen in öffentlicher Hand vorhanden? 2/44 Wie hoch sind die zusätzlichen Kosten, die durch eine Verzögerung der geplanten und unabwendbar notwendigen Sanierungsarbeiten, unabhängig von der momentan geplanten Verlegung, an den Lehrsaalgebäuden und der Abwasserentsorgung der Fernmeldeschule Feldafing entstanden sind bzw. noch entstehen werden? 2/45 Ist nach jetzigen Erkenntnissen ein Lehrbetrieb nach dem 1. Januar 2003 in der Fernmeldeschule Feldafing sichergestellt und wann ist der letztmögliche Zeitpunkt, mit den Sanierungsarbeiten bzw. dem Bau von Lehrsaalersatzflächen zu beginnen? Da die Fragen inzwischen schriftlich beantwortet sind, kann die Fragestellerin nur fragen, warum die Antworten nicht innerhalb der Wochenfrist gegeben wurden. Frau Kollegin Aigner, Sie haben das Wort.

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Schulte! Warum ist die Antwort auf die von mir am 6. Februar gestellten Fragen nicht fristgemäß Ende der letzten Woche, sondern erst heute früh um 10.48 Uhr per Fax eingegangen? ({0})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege, angesichts der zwischen uns geführten umfangreichen Korrespondenz muss ich darauf hinweisen, dass kein Ministerium mehr Anfragen hat als das BMVg. ({0}) Liebe Frau Kollegin Aigner, zunächst einmal entschuldige ich mich dafür, dass das passiert ist. Ich muss aber darauf hinweisen, dass sich 90 Prozent unserer Mitarbeiter in Bonn und 10 Prozent in Berlin befinden. Die tüchtigen Mitarbeiter vom Parlaments- und Kabinettsreferat waren bis auf einen Mitarbeiter, der Ihnen geschrieben hat, bedauerlicherweise erkrankt. Das ist wahr. Im Rheinland wurde zu dieser Zeit - Sie werden sich sicher erinnern - Karneval gefeiert, was eine mehrtägige Freizeit bedeutet. Es handelt sich um den Zeitraum zwischen Weiberfastnacht und Rosenmontag. - Es tut mir Leid. Ich habe versucht, Ihnen die Antwort wenigstens heute Nacht zukommen zu lassen. Ich habe die Antwort gestern Abend unterschrieben. Herr Präsident, ich bin gern bereit, die Antwort hier vorzutragen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das brauchen Sie nicht. Frau Kollegin Aigner hat aber eine Zusatzfrage.

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, auf die von mir gestellte Frage nach den wirtschaftlichen und militärischen Gründen für die Änderung der Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung, nämlich statt des Fernmeldebataillons am Standort Dillingen nun das Fernmeldebataillon am Standort Murnau aufzulösen, wurde wie folgt geantwortet: Von der ursprünglichen, mit dem Entwurf des Ressortkonzepts Stationierung vom 29. Januar 2001 bekannt gegebenen Absicht, das Fernmeldebataillon 230 in Dillingen aufzulösen, wurde Abstand genommen. Wieso konnte für eine derartig lapidare Antwort bzw. Nichtantwort, die in jeder Zeitung nachzulesen war, die Frist nicht eingehalten werden? Das hätten Sie überall abschreiben können. ({0})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin, es handelte sich - Sie erinnern sich - nicht nur um eine Frage. In meinen Unterlagen befinden sich vier Fragen. ({0}) Ich habe versucht, Ihnen auf alle Fragen eine Antwort zu geben. Ich habe begründet, warum die Nähe zu Dillingen hinsichtlich der weiteren Zusammenarbeit wichtig ist. Sie haben sich ja auch mit der Verlegung der Schule beschäftigt. Offensichtlich aus diesem Grund wurde das Fernmeldebataillon in Murnau aufgelöst und die Liegenschaft aufgegeben. Ich habe versucht, Ihnen korrekt und nach bestem Wissen und Gewissen zu antworten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Aigner, möchten Sie auch zu den anderen Fragen in der gleichen Art und Güte Zusatzfragen stellen?

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ich darf, möchte ich das tun. Ich habe noch eine Frage zu der Frist. Frau Staatssekretärin, ich akzeptiere selbstverständlich Ihre Entschuldigung. Am Freitag hätte ich noch die Möglichkeit gehabt, mündliche Fragen, und zwar sachliche, für die heutige Fragestunde nachzureichen. Da die Antwort allerdings erst heute eingegangen ist, konnte ich von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen. Jeder weiß, dass in Bayern am 3. März Kommunalwahlen stattfinden. Könnte das Vorgehen - das könnte man böswilligerweise unterstellen - in Ihrem Ministerium damit zusammenhängen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich habe Ihre Frage gestern Abend auf den Tisch bekommen und war ganz entsetzt. Um keinen Tadel vom Präsidenten zu bekommen, wollte ich Ihnen wenigstens noch gestern Abend eine Antwort geben, und zwar in der Erkenntnis, dass Sie heute Nachmittag Zusatzfragen stellen können. Ich beantworte Ihnen, wie Sie wissen, gern alle Fragen. Das ist klar. Ich habe es überhaupt erst gestern Abend erfahren, dass sie nicht beantwortet worden waren. Ich habe Ihnen deshalb unsere Antwort vorweg geschickt, damit Sie noch weiter fragen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich kann jetzt allerdings nur die Fragen zulassen, die nach Nr. 15 der Richtlinien für die Fragestunde zulässig sind. Deshalb muss ich die Kollegin Aigner trotz der Bereitschaft der Frau Staatssekretärin darauf hinweisen, dass sie nur nach dem Warum und Wieso, nicht aber nach weiteren inhaltlichen Dingen fragen darf.

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte meine Frage auf alle vier Fragen bezogen wissen: Warum sind die Fragen nach Zahlen - es handelt sich ja um Binsenweisheiten, die, wie gesagt, in allen öffentlichen Dokumenten enthalten und auch an den Standorten bekannt sind - nicht schon frühzeitiger von Ihrem Haus - nicht von Ihnen persönlich, Frau Staatssekretärin; ich nehme Ihnen ja die Entschuldigung auch ab, da ich Sie persönlich schätze - beantwortet worden? Es haben, wie gesagt, schon alle Zahlen vorgelegen und die Antworten sind teilweise, mit Verlaub, falsch gewesen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich kann das, was Sie jetzt sagen, nicht widerlegen, aber ich kann das, wenn es stimmt, dadurch wieder gutmachen, dass ich Ihnen anbiete, dass wir ein Gespräch darüber führen und Sie dabei eine sorgfältigere Auskunft bekommen. Mit meiner Vorgehensweise hatte ich eigentlich das Gegenteil erreichen wollen, Herr Präsident: Die Fragende sollte, von den Antworten ausgehend, die ihr vorher mitgeteilt wurden, weitere Fragen stellen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Als ehemalige Parlamentarische Geschäftsführerin kennen Sie ja wohl die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu. Ich war dabei aber, wie Sie wissen, immer etwas großzügiger.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Aigner, können Sie sich mit dem vorgeschlagenen Verfahren einverstanden erklären?

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir werden es so versuchen oder auf einem anderen parlamentarischen Weg.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Danke schön. Ich rufe jetzt die Fragen der Kollegin Susanne Jaffke auf: 1/218 Ist es richtig, dass die Standortverwaltungen im Bereich operatives Liegenschaftswesen der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH ({0}) unterstellt wurden und, wenn ja, treffen diese Entscheidungen auch für die Standortverwaltungen Neubrandenburg, Torgelow und Eggesin zu? 1/219 Inwiefern will die Bundesregierung an diesen Standorten die bisherigen Ausbildungsplätze in Anzahl und Qualität sicherstellen und erhalten? 1/220 Wie viel ziviles Personal an den Standorten Neubrandenburg und Torgelow ist davon betroffen und in Kenntnis gesetzt worden? 1/221 Wie viel ziviles Personal an den Standorten Neubrandenburg und Torgelow ist von Entlassung bzw. Umsetzung betroffen? Der Sachverhalt unterscheidet sich nicht von dem bei den Fragen der Kollegin Aigner.

Susanne Jaffke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001008, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

So ist es. In der Tat wurden auch die von mir schriftlich eingereichten Fragen vom Bundesverteidigungsministerium nicht fristgerecht beantwortet. Bei mir ist der etwas ungewöhnliche Umstand eingetreten, dass die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin aus ihrem Büro per Fax um 22.42 Uhr am 19. Februar abgesandt wurde und mein Büro erreichte. Ich hoffe ja sehr - so könnte ich ketzerischerweise sagen dass die Arbeitnehmerrechte durch einen Arbeitseinsatz nach 22 Uhr nicht vernachlässigt wurden. ({0}) So möchte auch ich in diesem Zusammenhang fragen: Warum ist die fristgerechte Beantwortung der Fragen nicht möglich gewesen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich wiederhole es noch einmal: 90 Prozent unserer Mitarbeiter sind in Bonn; das war eine Entscheidung des Bundestages, die meine Zustimmung und die verschiedener Kollegen damals nicht gefunden hat, die aber erfolgt ist. In der Tat gab es im Rheinland von Weiberfastnacht bis zum Rosenmontag einschließlich eine besondere Situation ({0}) - nein, am Dienstag müssen sie arbeiten, da war ich nämlich auch da -, sonst hätten wir natürlich Leute von Bonn nach Berlin geholt. Bis auf einen Mitarbeiter hat nämlich eine Grippewelle alle in Berlin erfasst. Soweit meine Antwort darauf, Frau Kollegin Jaffke. Wenn Sie aber ernsthaft glauben, dass Mitarbeiter im Leitungsbüro eines Ministeriums eine geregelte Arbeitszeit haben, dann irren Sie sich; denn in Sitzungswochen trifft das ganz bestimmt nicht zu. Als Entschädigung dafür gibt es ja auch eine Ministerialzulage. Wir sind übrigens noch später nach Hause gegangen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage?

Susanne Jaffke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001008, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dieses Schicksal ereilt uns ja alle. Trotzdem hätte ich zu den Fristen noch eine Nachfrage. Ich habe mich selbstverständlich in der sitzungsfreien Woche um die fristgerechte Beantwortung meiner Fragen über das Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages bemüht. Von dort wurde mir in einem Rückruf mitgeteilt, dass die Hardthöhe deshalb nicht in der Lage war, mir die Fragen innerhalb der Frist zur Beantwortung vorzulegen, weil kein unterschriftsberechtigtes Leitungsmitglied erreichbar war. Können Sie das bestätigen? ({0}) Wenn nicht, müsste ich den Leiter des Parlamentssekretariats der Bundestagsverwaltung bemühen, diese Aussage, die er mir gegenüber persönlich gemacht hat, zu bestätigen. Könnten Sie dazu bitte noch eine Auskunft geben? ({1})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin Jaffke, das kann ich ausdrücklich nicht bestätigen, es sei denn, die Fragen wären an das Büro meiner Kollegen gegangen und dort liegen geblieben. Im Zeitalter der modernen Kommunikationstechniken bin ich in der Lage - ich habe die EDV nämlich mit eingeführt -, mir solche Unterlagen, wenn sie mir gemailt werden, jederzeit in meinem Wahlkreis in Hameln ausdrucken zu lassen und Ihnen selbstverständlich eine Antwort zu geben. Das kann nicht der Grund gewesen sein. Denn selbst am Rosenmontag war ich für die Berliner erreichbar, allerdings nicht für die Bonner; denn die waren nicht da. Das kann es also nicht gewesen sein. Ich bin ganz erstaunt, dass es heißt, es sei kein unterschriftsberechtigtes Mitglied erreichbar gewesen. Das höre ich zum ersten Mal.

Susanne Jaffke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001008, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann würde ich Sie herzlich bitten, sich darum zu kümmern. Da die Antwort auf die schriftlich gestellten Fragen inhaltlich nicht ausreichend ist, möchte ich nachfragen: Ist es möglich, dass Sie gestern den Weg der nächtlichen Beantwortung der Fragen auch deshalb genutzt haben, um heute einer inhaltlichen Nachfrage aus dem Wege zu gehen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann können wir drei Feststellungen treffen: Erstens. Das Gesprächsangebot der Frau Staatssekretärin Brigitte Schulte gilt auch gegenüber der Kollegin Susanne Jaffke. ({0}) Zweitens. Sie können natürlich für die nächste Sitzungswoche erneut Fragen einreichen. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters Drittens. Da die Karnevalszeit zu Ende ist, können wir davon ausgehen, dass die Mitglieder der Bundesregierung die Fragen, die in Zukunft gestellt werden, fristgerecht innerhalb einer Woche beantworten werden. ({1}) Ich danke Ihnen, Frau Schulte, und rufe nunmehr die übrigen Fragen in der üblichen Reihenfolge auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Heidi Lippmann auf: Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass ein Kriegsdienstverweigerungsantragsteller im Gegensatz zum Wehrpflichtigen ein selbst zu bezahlendes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen muss?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Frau Kollegin Lippmann, nach § 2 Abs. 2 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes ist dem Antrag auf Kriegsdienstverweigerung ein polizeiliches Führungszeugnis beizufügen. Die Vorlage des Führungszeugnisses soll die Anerkennung von Antragstellern verhindern, die wegen bestimmter krimineller Taten verurteilt worden sind. Es handelt sich dabei um Taten, die eine Gewaltbereitschaft erkennen lassen und daher mit der behaupteten Gewissensentscheidung nicht vereinbar erscheinen. Das Führungszeugnis dient dem Antragsteller zum Nachweis seiner Rechtsposition. Aus diesem Grunde ist es grundsätzlich angebracht, dass der Antragsteller die mit diesem Nachweis verbundenen Kosten trägt. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass bei der Beantragung des Führungszeugnisses auch eine Gebührenbefreiung wegen Mittellosigkeit beantragt werden kann. Mittellosigkeit wird bei Schülern, Studenten, Auszubildenden und bei Empfängern von Sozialhilfe vermutet. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass der Anteil der Ablehnungen der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer wegen einer Eintragung im Führungszeugnis äußerst gering ist. Aus diesem Grunde wird derzeit innerhalb der Bundesregierung geprüft, ob die in § 2 Abs. 2 Kriegsdienstverweigerungsgesetz festgelegte Vorlagepflicht geändert werden sollte.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage der Kollegin Lippmann.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Vielen Dank für die Auskunft, Frau Staatssekretärin. Wenn meine Frage der Anlass dafür sein sollte, dass eine solche Prüfung vorgenommen wird, wäre ich sehr dankbar. Aber ich gehe nicht davon aus, dass Sie das mit Ja beantworten werden. Ist denn geplant, im Prüfungszeitraum alle Kriegsdienstverweigerungsantragsteller von der Gebührenerhebung zu befreien?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Nein, das ist nicht geplant. Wir prüfen zurzeit, ob diese Vorschrift, das polizeiliche Führungszeugnis vorzulegen, noch sinnvoll ist. Darüber hinaus muss ich Sie daran erinnern, dass wir immer nach Wegen zur Verwaltungsvereinfachung suchen. Wenn sich herausstellt, dass das polizeiliche Führungszeugnis bei der Anerkennung so gut wie gar keine Rolle mehr spielt, weil nichts drin steht, dann ist die Abschaffung dieser Vorschrift aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sinnvoll. Allerdings überlegen wir zugleich, ob wir die Vorlage eines Führungszeugnisses durch eine Regelanfrage, wie im Wehrpflichtgesetz vorgesehen, ersetzen werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich freue mich natürlich, dass diese Prüfung erfolgt, aber wie wir ja wissen, dauert eine solche Prüfung in Ihrem Hause sehr lange. Das vermute ich einfach einmal. ({0}) Es müsste auch noch eine Gesetzesänderung erfolgen, weil die Verpflichtung zur Vorlage eines Führungszeugnisses im Kriegsdienstverweigerungsgesetz steht. Ist geplant, diese noch in dieser Legislaturperiode, also bis zur letzten Sitzungswoche Anfang Juli, durchzuführen?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Zunächst einmal möchte ich auf Ihre erste Bemerkung, dass Ihre Frage vielleicht dazu geführt hat, dass diese Prüfung stattfindet, eingehen. Ich muss Sie enttäuschen. Auf der Arbeitsebene wird schon länger darüber geredet. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob die Änderung des Gesetzes in dieser kurzen Zeit noch möglich sein wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin, und rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur Verfügung. Ich rufe Frage 2 der Frau Kollegin Lippmann auf: Wurde die Bundesregierung von US-amerikanischer oder bosnischer Seite informiert, bevor die bosnische Regierung am 18. Januar 2002 trotz des wegen nicht vorgelegter Beweise ergangenen gegensätzlichen Urteils des höchsten bosnischen Gerichtes sechs von den USA des Terrorismus verdächtigte Algerier an Soldaten des amerikanischen SFOR-Kontingentes auslieferte ({0}), und welche Rechtsgrundlage sieht die Bundesregierung für diese Vorgehensweise, auch vor dem Hintergrund ihres Engagements für den Aufbau einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung, deren untrennbarer Bestandteil die Gewaltenteilung ist? Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters

Not found (Gast)

Frau Kollegin Lippmann! Die Bundesregierung erhielt vorab keine Informationen vonseiten der USA bzw. von der Regierung von Bosnien und Herzegowina über die geplante Überstellung der sechs Algerier, nach denen Sie gefragt hatten. Die Prüfung der Frage nach der einschlägigen Rechtsgrundlage ist eine innerstaatliche Angelegenheit und obliegt den zuständigen Stellen in Bosnien und Herzegowina. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang jedoch auf die intensiven Bemühungen der Regierung von Bosnien und Herzegowina, ihren Verpflichtungen aus den Resolutionen 1368 und 1373 der Vereinten Nationen nachzukommen und den Terrorismus effektiv zu bekämpfen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Können Sie mir sagen, aufgrund welcher internationalen rechtlichen Grundlage - über diese beiden von Ihnen genannten Resolutionen hinaus - die Überstellung oder die Auslieferung dieser sechs Algerier, die unter dem Verdacht standen, al-Qaida-Mitglieder zu sein, an das amerikanische SFOR-Kontingent erfolgte? Ich frage ganz konkret nach der internationalen rechtlichen Grundlage.

Not found (Gast)

Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus den beiden gerade genannten Resolutionen. Das sind nicht irgendwelche Meinungsäußerungen, sondern das sind die von den Vereinten Nationen festgelegten Prinzipien, nach denen der Terrorismus bekämpft werden soll und nach denen sich alle Länder zu richten haben. Dazu haben sich diese verpflichtet.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Es fällt zwar nicht in den Kompetenzbereich der Bundesregierung, aber es ist doch von einem darüber hinausgehenden Interesse innerhalb des NATO-Bündnisses, der KFOR-Truppen und der Antiterrorallianz, ob bekannt ist, was mit diesen sechs algerischen Gefangenen geschehen ist. Sind sie in die USA verbracht worden? Welchen Status erhalten sie dort?

Not found (Gast)

Es bestand ein begründeter Anfangsverdacht, dass die sechs Personen Mitglieder des al-Qaida-Netzwerkes sind. Nach unseren Informationen werden sie in die USA oder in eines der von den Vereinigten Staaten betriebenen Kriegsgefangenenlager gebracht. Unserer Auffassung nach müssten sie dort wie Kriegsgefangene behandelt werden. Auf jeden Fall haben sie ein Anrecht auf ein faires Verfahren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Frage 3 der Kollegin Dr. Elke Leonhard wird schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann wird die Fragen beantworten. Ich rufe zunächst die Frage 4 des Kollegen Hans Michelbach auf: Welche Initiativen plant die Bundesregierung zur Anbindung der oberfränkischen Industriestandorte nach dem Rückzug der DB Cargo?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Michelbach, die Bundesregierung steht zu den mit der Bahnreform verfolgten Zielen, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, die finanzielle Belastung der Steuerzahler durch die Schiene zu begrenzen und die Wirtschaftlichkeit einer unternehmerisch geführten Deutschen Bahn AG zu erreichen. Die Entwicklung einer modernen und leistungsfähigen Bahn ist ein Kernelement der integrierten Verkehrspolitik. Die Bundesregierung wird ihren Beitrag dazu mit ordnungs- und investitionspolitischen Maßnahmen weiterhin leisten. Seine Verantwortung nach Art. 87 e Abs. 4 Grundgesetz nimmt der Bund dadurch wahr, dass er entsprechend dem Verkehrsbedarf und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahn des Bundes finanziert. Dies schafft, insbesondere auch durch die im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms erhöhten Leistungen des Bundes, Möglichkeiten, Nachfragepotenziale zu aktivieren, und ist deshalb sinnvoller, als auf dem Markt nicht konkurrenzfähige Angebote zu subventionieren. Mit der Bahnreform ist verbunden, dass nach dem maßgeblichen Aktienrecht ein direktes Einwirken des Bundes auf die unternehmenspolitischen Entscheidungen des Vorstandes der Deutschen Bahn AG nicht zulässig ist. Nach Auskunft der DB Cargo in Nürnberg laufen für den angesprochenen Raum derzeit noch Kooperationsverhandlungen zur Übernahme der Bedienung durch nicht bundeseigene Eisenbahnen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mir geht es, Herr Staatssekretär, um das Vorgehen der Deutschen Bahn AG in diesem Bereich. Natürlich ist es richtig, was Sie hinsichtlich der Nachfragepotenziale sagen; aber es ist auch richtig, dass man Wettbewerb zulassen muss. Die Deutsche Bahn AG betreibt durch eine Art unternehmerische Rosinenpickerei einen unzulässigen Wettbewerbsausschluss, indem sie den interessierten privaten Anbietern den Zutritt in eine geschlossene Region in Oberfranken verweigert. Damit belastet sie die Wirtschaft in der Region, die keine Alternative bezüglich einer Verbesserung der Verkehrsanbindung hat. Das heißt, Sie haben eine Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur, aber die DB Cargo friert die Nachfragepotenziale zulasten anderer Anbieter ein.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Der Eigentümer Bund, Herr Kollege Michelbach, hat natürlich ein ordnungspolitisches Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb im Schienennetz. Nur durch Wettbewerb auf der Schiene wird der Verkehrsträger insgesamt attraktiver und wird sich gegen die Konkurrenz, insbesondere die Straße, besser behaupten können. Bei der Vollendung der Bahnreform wird deshalb die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Wettbewerbes eine zentrale Rolle spielen. So soll durch eine Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes die Wettbewerbsaufsicht gestärkt werden. Die Bundesregierung hat den Wunsch, dass Privatbahnen vermehrt als Anbieter auftreten und Chancen bei der Güterverkehrsbedienung auf der Schiene wahrnehmen. Im Zuge der Bahnreform steht schon heute anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen der Zugang zum Netz der Deutschen Bahn AG frei. Damit haben diese die Möglichkeit, Marktchancen zu nutzen. Die Deutsche Bahn AG hat zugesagt, mit jedem Güterverkehrskunden zu verhandeln und ihm eine Alternative zu bieten, bevor die im Rahmen von MORA C erforderlichen Maßnahmen umgesetzt werden. Entsprechend sucht die DB AG mit dem Ziel, möglichst viel Verkehr auf der Schiene zu halten, intensiv nach Lösungen, die von ihr nicht mehr bedienten Güterverkehrsstellen durch bestehende oder neu zu gründende nicht bundeseigene Eisenbahnen zu erhalten. In dem Fall, den Sie ansprechen, sind einige Stellen ganz geschlossen worden. Es sind nicht im Sinne der „Rosinenpickerei“ einzelne Kunden bedient worden, sondern es geht um ein Angebot an die NE-Bahnen, sich diese regionalen Märkte zu erschließen. Wenn die NE-Bahnen dies wollen, können sie sicher auch mit den potenziellen Kunden verhandeln und versuchen, diese für sich zu gewinnen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, das ist im Grundsatz richtig. Aber warum lassen Sie dann zu, dass Güterverkehrsstellen der DB Cargo erst geschlossen werden, statt dass sie von den privaten Anbieter nahtlos übernommen werden? Das ist doch das Problem. Wie wollen Sie denn die Schiene weiter stärken, wenn Sie circa 650 Güterverkehrsstellen in Deutschland schließen, ohne privaten Anbietern die Chance zu geben, sofort einzusteigen? In Oberfranken gibt es private Anbieter, die man auf einige wenige Standorte verwiesen hat, während die lukrativen Standorte, die ganz in der Nähe sind, für diese Anbieter nicht zugänglich gemacht werden. So kann doch kein Wettbewerb entstehen. Deswegen müssen Sie hier ordnungspolitisch eingreifen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Michelbach, wenn wir ordnungspolitisch eingreifen würden, würden wir eine ordnungspolitische Sünde begehen. Ich sage noch einmal: Mit der Bahnreform ist nach dem geltenden Aktienrecht ein direktes Eingreifen des Bundes in die unternehmenspolitischen Entscheidungen des Vorstandes der DB AG nicht zulässig. Die Deutsche Bahn AG wurde privatisiert, damit sie sich als wirtschaftlich funktionierendes Unternehmen aufstellen kann. Sie können jetzt vom Bund nicht verlangen, dass er in das Geschäftsgebaren der Deutschen Bahn AG eingreift. Das lässt das Aktienrecht nicht zu. Wir haben das getan, was wir machen konnten: Wir haben in Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG sichergestellt, dass jede von der DB Cargo nicht mehr bediente Güterverkehrsstelle und alle dahinter liegenden Gleisanschlüsse so lange erhalten bleiben, bis der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und die darin organisierten NE-Bahnen, also die privaten Bahnen, die Möglichkeit der Weiterbedienung geprüft haben. Wir haben also die Voraussetzungen für den Weiterbetrieb geschaffen und haben ein Verfahren implementiert, das es ermöglicht, beim Verband nachzufragen, welche Regionen privat erschlossen werden können. Das können wir leisten und das haben wir gemacht. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Georg Girisch auf: Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung bereit ist, ab 2003 für alle baureifen Bauabschnitte der Bundesautobahn A 6 zwischen Amberg und Waidhaus ausreichend Finanzmittel einzuplanen, damit der Lückenschluss der A 6 rechtzeitig zur bevorstehenden EU-Osterweiterung fertig gestellt werden kann? Wollen Sie diese Frage zusammen mit der Frage 6 beantworten, Herr Staatssekretär?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ja, Herr Präsident, wegen des Sachzusammenhangs möchte ich die beiden Fragen zusammen beantworten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich auch die Frage 6 des Abgeordneten Georg Girisch auf: Wenn ja, im Rahmen welcher Haushaltstitel und -jahre ist diese Finanzierung vorgesehen, und wie werden sich die absehbaren Verzögerungen bei der Erhebung der „streckenbezogenen LKW-Maut“ auf den Fertigstellungstermin der A 6 zwischen Amberg-Ost und Waidhaus auswirken?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Girisch, nach den bekannten Aussagen der Bundesregierung zur Bundesautobahn A 6 Amberg/OstPfreimd-Waidhaus soll die Teilstrecke östlich der BAB A 93 bis 2005 und die Gesamtstrecke zwischen Amberg/Ost und Waidhaus bis 2008 durchgehend fertig gestellt werden. Einzelheiten der Finanzierung werden, ausgehend von dem vorhandenen Baurecht, auf der Basis der Ansätze für den Bundesfernstraßenbau in den jährlichen Bundeshaushalten zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und der bayerischen Straßenbauverwaltung festgelegt. Angesicht fehlender Zugehörigkeit von Abschnitten der BAB A 6 zu dem aus der LKW-Maut finanzierten Anti-Stau-Programm gibt es hieraus - zumal in dem Programmbeginnjahr 2003 keine Rückwirkungen auf die Bundesautobahn A 6.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie rechnen also damit, dass die A 6 bis 2008 fertig gestellt ist. Kann man zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die A 6 bis 2008 komplett finanziert ist?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Da die Bundesregierung davon ausgeht, dass die Autobahn bis 2008 fertig gestellt ist, ist sie auch der Meinung, dass sie in diesem Zeitraum finanziert werden kann. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass zwei Teilstücke im Bau sind und ein Teilstück schon in Betrieb genommen wurde. Für das Teilstück Woppenhof-Kaltenbaum gibt es schon einen Planfeststellungsbescheid. Die Finanzierung ist durch das ZIP-Programm sichergestellt. Der Baubeginn ist voraussichtlich für Mitte dieses Jahres, im August oder September, zu erwarten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Weitere Zusatzfrage.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann man sagen, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel die dafür notwendigen Mittel bereits freigegeben hat?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Sie wissen Herr Kollege Girisch, dass wir nach dem Haushaltsrecht den Haushalt Jahr für Jahr aufstellen müssen. Hinzu kommt die mittelfristige Finanzplanung. Es ist aber die politische Absicht der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung, die ersparten Zinsausgaben aufgrund der Versteigerung der UMTS-Lizenzen für die Verstetigung der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen zu nutzen.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, dass Mittel der Bahn AG, die nicht für das Streckennetz ausgegeben werden, für die A 6 verwendet werden können?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Es gibt eine klare Festlegung im Haushalt, dass die Mittel, die für den Straßenbau eingestellt sind, für den Straßenbau verwendet werden und dass die Mittel, die für Schieneninvestitionen zur Verfügung stehen, für Schieneninvestitionen eingesetzt werden. Daher kann ich Ihre Frage nicht positiv beantworten.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann man zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die A 6 komplett finanziert ist und die Endfinanzierung der A 6 sichergestellt ist?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Man kann zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass die Autobahn im Jahre 2008 fertig gestellt ist. Das bedeutet, dass wir entsprechende Entscheidungen für den Zeitraum noch fällen werden, für den es aus den Gründen, die Sie kennen, bis jetzt noch keine festen Finanzzusagen geben kann.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Die Fragen werden von Herrn Staatsminister Professor Dr. Julian Nida-Rümelin beantwortet. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Hartmut Koschyk auf: Wie gewährleistet die Bundesregierung die Sicherung des kulturellen Erbes der Siebenbürger Sachsen im Zusammenhang mit der geplanten Herauslösung des Siebenbürgischen Museums - Quelle: Unterrichtung durch die Bundesregierung „Konzeption zur Erforschung und Präsentation deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa“, Bundestagsdrucksache 14/4586 Nr. 4.5 - aus der untrennbaren musealen Einheit von Siebenbürgischem Museum, Siebenbürgischem Archiv, Siebenbürgischer Bibliothek und Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim, und wie rechtfertigt sie vor dem Hintergrund der Existenzsicherung dieses in Deutschland einzigartigen, wertvollen Bestandes an siebenbürgischem Kulturgut das Junktim gegenüber dem Trägerverein Siebenbürgisches Museum Gundelsheim e. V., einer Wiederbesetzung der Stelle des Museumsleiters und weiterer Mitarbeiter nur dann zuzustimmen, wenn der Träger der Verlagerung des Museums ohne Einschränkung - Quelle: Schreiben des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien vom 21. November 2001 an den Trägerverein Siebenbürgisches Museum Gundelsheim e. V. - zustimmt? Herr Staatsminister, bitte.

Not found (Gast)

Wenn ich darf, möchte ich die beiden Fragen des Kollegen Koschyk im Zusammenhang beantworten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich auch Frage 8 des Kollegen Hartmut Koschyk auf: Wie hoch beziffert die Bundesregierung die auf den Bundeshaushalt entfallenden Kosten, wie sie mit der Verlagerung des Siebenbürgischen Museums von Gundelsheim nach Ulm und dem späteren Betrieb des Hauses in Ulm verbunden sind, und wie bewertet die Bundesregierung die Verlagerung des Museums unter der Maßgabe einer effizienten Verwendung von Haushaltsmitteln angesichts der im Jahr 1997 mit Bundesmitteln erfolgten Renovierung des Gebäudes in Gundelsheim und angesichts der dem Bund am derzeitigen Standort entstehenden Unterhaltungskosten?

Not found (Gast)

Um mir persönlich ein klares Bild zu verschaffen und um Ihre Fragen so präzise wie nur möglich beantworten zu können, habe ich heute ein ausführliches Gespräch geführt, an dem unter anderem der Vorsitzende des Trägervereins sowie der Vorstand des Bundesverbandes und Mitarbeiter des Museums teilgenommen haben. Man kann das Ergebnis folgendermaßen zusammenfassen: Dieses Museum, das erst seit 1990 - übrigens lange vor meinem Amtsantritt - von der Bundesregierung gefördert wird, und zwar gegenwärtig pro Jahr mit circa 1 Million DM, also circa 500 000 Euro, erzielt nicht die Besucherzahlen, die man bei dieser Unterstützung durch Steuermittel erwarten sollte. Im letzten Jahr waren es etwas mehr als 4 100. Ich habe mir die langfristige Besucherstatistik besorgt. In dieser fand ich das interessante Ergebnis, dass dieses kleine lokale Museum vor dem Beginn der Förderung des Bundes im Jahre 1990 deutlich höhere Besucherzahlen, etwa doppelt so hohe, erzielte wie heute mit einer Bundesförderung von circa 1 Million DM. Wir können ein Museum nicht in der Größenordnung, nämlich in Höhe von 250 DM pro Besucher, subventionieren, wie es vielleicht im Opernbereich angemessen erscheinen mag. Das habe ich den Vertretern des Bundesverbandes und des Trägervereins im Rahmen dieses Gesprächs sehr deutlich gesagt. Es gibt im Übrigen - lassen Sie es mich präzise ausdrücken - den Entwurf eines Prüfungsberichtes des Prüfungsamtes des Bundesrechnungshofes vom Januar 2002, der zu genau dem gleichen Ergebnis kommt wie ich. Es gibt zwei Möglichkeiten: Die eine Möglichkeit ist, dass das Museum in Gundelsheim bleibt. Fachleute sagen - das lässt sich erhärten -, dass angesichts der Verkehrslage und der Aufmerksamkeit, die vor Ort unter Einbeziehung der anderen Einrichtungen, auf die Sie in Ihrer Frage auch abheben, besteht, die Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wenn das so ist, dann muss der Bund seine Förderung herunterfahren. Langfristig sehe ich keine Perspektive mehr für die Förderung durch den Bund. Die andere Möglichkeit ist - das war die bisherige Linie meiner Behörde -, dieses Museum nach Ulm zu verlagern, in der Hoffnung - auch das Donauschwäbische Zentralmuseum ist dort; das Museum ließe sich in dessen Nähe ansiedeln -, dass wir dort höhere Besucherzahlen und die nötige Aufmerksamkeit gewinnen. Nun gibt es das ernst zu nehmende Gegenargument - das sprechen Sie in Ihrer Frage an -, dass man dadurch den Zusammenhang auflöst, der zwischen dem Siebenbürgischen Museum, dem Siebenbürgischen Archiv, der Siebenbürgischen Bibliothek und dem SiebenbürgenInstitut in Gundelsheim besteht. Ich sage ganz deutlich: Gegen den Willen der Repräsentanten derjenigen, für die wir bereit sind, zusätzliche Millionenbeträge einzusetzen - damit komme ich gleich zur Beantwortung Ihrer zweiten Frage; es handelt sich geschätzt um circa 9 Millionen DM -, tun wir das nicht. Deswegen sind wir heute so verblieben, dass in sehr kurzer Frist der Versuch unternommen wird, eine Verlagerung all dieser Einrichtungen von Gundelsheim nach Ulm zu prüfen. In diesem Fall müssen auch Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mitspielen, weil der Bund Träger nur des Museums ist. Die anderen Einrichtungen liegen nicht in unserer Verantwortung. Wenn zu erwarten ist, dass auch die anderen Einrichtungen verlagert werden, wären Herr Dr. Machat und die anderen Betroffenen bereit, vorab der Verlagerung des Museums zuzustimmen. Wenn es nicht möglich ist, den Zusammenhang der Einrichtungen an einem neuen Ort sicherzustellen, soll das Museum auf Wunsch derjenigen, die dort die Verantwortung tragen, insbesondere auf Wunsch des Trägervereins - das ist also nicht mein Vorschlag -, in Gundelsheim bleiben, was allerdings bedeutet, dass der Bund nicht mehr in der alten Höhe fördern können wird. Einen Satz noch, weil Sie die Maßnahme im Jahr 1997 angesprochen haben. Dies war übrigens nicht nur vor meiner Zeit, sondern lag sogar noch in der Verantwortung der früheren Bundesregierung. Es handelte sich dabei nicht um Bauinvestitionen, sondern um Investitionen in eine verbesserte Präsentation der Ausstellung. Das sind summa summarum keine verlorenen Mittel. Nun kann man kritisch fragen, ob man angesichts der stagnierenden, ja sogar zurückgehenden Besucherzahlen 1997 mit einer doch relativ großen Investition nicht hätte vorsichtiger sein müssen. Aber: Tempi passati. Insgesamt lässt sich das auch am neuen Ort sinnvoll nutzen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, zunächst einmal bin ich froh darüber, dass meine beiden Fragen zur heutigen Fragestunde zu dem sicherlich nicht zufällig für heute anberaumten Gespräch geführt haben und damit alle Beteiligten an einen Tisch gebracht wurden. Kann man dann, wenn, wie Sie sagen, auch die anderen Beteiligten, nämlich das Land Baden-Württemberg und das Land Nordrhein-Westfalen, mit der Verlagerung aller Einrichtungen von Gundelsheim nach Ulm einverstanden sind, davon ausgehen, dass das von der Bundesregierung entsprechend finanziell begleitet würde - es geht um mehr als nur um die Verlagerung des Museums -, und konnten Sie heute auch die Zustimmung der Repräsentanten der Siebenbürger Sachsen dafür erreichen?

Not found (Gast)

Die Position der Siebenbürger Sachsen war ganz klar: Sie kämpfen nicht für den Standort Gundelsheim, sondern für den Zusammenhang. Das heißt: Wenn die Rahmenbedingungen in Ulm besser sind und wenn sich in Ulm der gleiche Zusammenhang herstellen lässt, dann sind sie für die Verlagerung. Ich habe allerdings auch deutlich gemacht - damit bin ich beim ersten Teil Ihrer Zusatzfrage -, dass der Bund zusätzliche Aufgaben nicht schultern kann. Wie gesagt: Es sind geschätzt insgesamt 9 Millionen DM, die die Verlagerung nur des Museums kosten würde. Schon das ist schwer zu bewältigen, aber es ist zu bewältigen. Weitere Lasten könnten wir nicht auf uns nehmen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Weitere Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wird denn der Bund, das heißt Ihr Haus, im Hinblick auf eine mögliche Verlagerung aller dieser Einrichtungen nach Ulm auch Kontakte aufnehmen und entsprechende Verhandlungen mit den beteiligten Bundesländern führen?

Not found (Gast)

Wir sind so verblieben, dass die Initiative jetzt beim Trägerverein bzw. bei den Siebenbürger Sachsen liegt, aber wir sehr konstruktiv daran mitwirken. Wir gehen jetzt davon aus, dass wir einen gemeinsamen Termin mit Beteiligung von Vertretern Baden-Württembergs, Nordrhein-Westfalens, des Bundes sowie des Bundesverbands, des Trägervereins und Repräsentanten der Einrichtungen, um die es hier geht, vereinbaren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich darf noch einmal auf mögliche finanzielle Aspekte dieser Verlagerung zu sprechen kommen. Die neu errichtete Kulturstiftung des Bundes - darüber haben wir uns einmal im Rahmen einer Regierungsbefragung unterhalten - wurde vonseiten der Bundesregierung damit begründet, dass man einer alten Idee des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt nachgekommen sei, eine zentrale Einrichtung auch für die Repräsentanz des geistig-kulturellen Erbes des früheren deutschen Ostens zu schaffen. Könnte von diesem Stiftungsgedanken her, wenn die Verlagerung nach Ulm unter Zustimmung aller Beteiligten zustande kommt, auch eine Unterstützung hierfür geleistet werden?

Not found (Gast)

Manche Kritiker, auch aus den Reihen Ihrer Partei, haben immer wieder die zu geringe finanzielle Ausstattung der Kulturstiftung des Bundes betont. Wir haben dafür im Haushalt 2002 25 Millionen DM - ich sage es einmal altmodisch, weil dann die Zahlen rund sind - eingestellt und mit einer Verpflichtungsermächtigung einen Aufwuchs auf 75 Millionen DM bis 2004 erreicht. Dennoch würden diese Stiftungsmittel - es soll eine Kulturstiftung sein, die für den Bund kulturelle Akzente setzt und damit ein breites Aufgabenfeld wahrnehmen soll -, die jährlich zur Verfügung stehen - es ist kein Kapital -, sehr rasch verplant sein. Die spezifische Rolle der Stiftung, wie wir sie ihr zugedacht haben, nämlich - ich bleibe bei einem Bild aus dem Bereich des Fußballs - als Libero zu wirken, einzelne Projekte zu fördern und es dann wieder sein Bewenden sein zu lassen, wäre dann nicht mehr möglich. Das heißt, eine institutionelle Förderung der Kulturstiftung des Bundes in diesem Bereich kommt nicht infrage, was aber nicht ausschließt, dass wir einzelne und befristete Projekte - dabei geht es um die Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien; das ist angesichts der Tatsache, dass sich Europa nach Osten öffnet und zunehmend die Konturen des alten historischen Europas annimmt, ein sehr wichtiges Feld - in diesem Bereich fördern. Dies kann auch in Kooperation mit den dortigen Einrichtungen geschehen.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf noch einmal darauf zurückkommen, Herr Staatsminister, was passieren wird, wenn sich die Lösung der Verlagerung nicht einvernehmlich mit allen Beteiligten realisieren lässt und man am Standort Gundelsheim festhalten muss. Es gibt nicht nur in diesem spezifischen Bereich der Kulturszene im Zusammenhang mit § 96 des Bundesvertriebenengesetzes, sondern generell in Deutschland erfolgreiche Konzeptionen, dass man Kultureinrichtungen gerade im musealen Bereich an dezentralen Standorten durch ein entsprechendes Marketing auch in Zusammenarbeit mit der regionalen und lokalen Kulturszene so aufwerten kann, dass sich entsprechende Besuchererfolge einstellen. Das gibt es auch im Zusammenhang mit dem § 96 des Bundesvertriebenengesetzes. Ich denke an die Einrichtungen in Königswinter-Heisterbacherrott mit entsprechenden Besucherzahlen, aber auch im allgemeinen Kulturbereich ist so etwas möglich. In Ihrer Antwort hat mich der Automatismus ein wenig erschreckt: Wenn das nicht zustande kommt, dann müssen wir unsere Förderung kontinuierlich reduzieren. Dazu habe ich die Frage, ob die Bundesregierung dann nicht bereit wäre, erfolgreiche Konzeptionen, die zu entsprechenden Besucherzahlen und zur Erhöhung der Besucherzahlen an anderen Orten geführt haben, auf den Standort Gundelsheim anzuwenden und ein Stück zu fördern.

Not found (Gast)

Die Einschätzung der Fachleute - ich bin kein Museumsorganisator -, auch von Frau Dr. Wild, die an dem heutigen Gespräch teilgenommen hat, und des eigenen Referates, ist, dass sich an diesem Ort kein Potenzial dieser Art ergeben wird. Hier sind alle Möglichkeiten ausgereizt. Frau Dr. Wild hat dargestellt, was das Museum auch in Kooperation mit der Gemeinde schon unternommen hat. Die Besucherstatistik ist - das muss ich deutlich sagen - deprimierend. Wenn der Bund nicht gefördert hätte, wäre sie wahrscheinlich nicht anders ausgefallen. Der Rückgang mag mit dem Rückgang der so genannten Erlebnisgeneration zusammenhängen. Andererseits haben wir aus Rumänien Zuwanderung, die zum Teil aus dem kulturellen Umfeld der Siebenbürger Sachsen kommt. Nach Einschätzung der Fachleute sollte man sich keine Illusionen machen. In Gundelsheim wird es nicht gelingen, die Besucherzahlen auf das Niveau zu bringen, das notwendig ist, um eine Förderung von rund 1 Million DM pro Jahr zu rechtfertigen. Nun kann man kritisch fragen: Warum kommen wir erst nach zehn Jahren zu dieser Erkenntnis? Für das letzte Jahr übernehme ich eine Mitverantwortung. Aber ich denke, wir sollten nicht noch weitere Versuche starten, die zusätzliche Steuergelder in Anspruch nehmen und die Situation nicht verbessern werden. Das Museum ist nach übereinstimmender Einschätzung aller - das sollte man ausdrücklich sagen - in einer guten Verfassung, sowohl bei der Präsentation als auch bei der Organisation.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollege Peter Hintze.

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich habe - zugegebenermaßen mit leichtem Erschrecken verfolgt, dass Sie hier dem Haus dargelegt haben, dass Sie die Förderung des kulturellen Erbes Europas, was die Subventionierung durch die Bundesregierung angeht, an Besucherzahlen binden, und das, obwohl Sie dem Museum ausdrücklich bescheinigen, dass es eine sehr gute Arbeit leistet. Mich erschüttert dieser kulturpolitische Ansatz. Wie viele Besucher erwartet denn die Bundesregierung, um dieses wichtige kulturelle Erbe Europas zu erhalten?

Not found (Gast)

Herr Hintze, Sie sind da erschrocken, aber Sie sollten da nicht erschrocken sein. Ich war zuvor Kulturreferent in einer Stadt, in einer Kommune. Wenn wir dort zum Beispiel Auslastungen von Theatern hätten, wie sie in manchen anderen Städten gelegentlich als ganz akzeptabel angesehen werden, dann hätten wir dort ein ähnliches Desaster in der Kulturpolitik wie in manchen anderen Städten in Deutschland. Ich habe das nie zugelassen. Wenn die Besucherzahlen in einer Einrichtung dramatisch zurückgehen, dann kann nicht gelten, was ein kluger Theaterkritiker einmal geschrieben hat: Leeres Theater, gutes Theater. - Dann ist es vielmehr ein schlechtes Theater. Das Theater muss bei denjenigen ankommen, für die wir die Steuergelder zur Verfügung stellen. In diesem Fall bewegen wir uns in einer Größenordnung von etwa 250 DM pro Besucherin oder Besucher. Das ist für ein Museum generell zu viel. Eine solche ungünstige Zahl wird es in Deutschland kaum noch einmal geben. Das ist nicht nur meine Einschätzung, sondern auch die Einschätzung des Bundesrechnungshofes. Wir sollten nicht gegen ausdrückliche Stellungnahmen des Bundesrechnungshofes verstoßen, ohne sehr gute Gründe zu haben. ({0}) Dass das zu viel ist, liegt jedenfalls auf der Hand. Andererseits ist das Museum in seiner jetzigen Form und Struktur auf diese Förderung angewiesen. Für mich war in dem Gespräch heute interessant, dass die Vertreter des Trägervereins und des Bundesverbandes ohne dieses Erschrecken, das ich erst einmal nachvollziehen kann, gesagt haben: Das können wir uns schon vorstellen. - Dieses Museum hat auch vor Beginn der Bezuschussung durch den Bund gut gearbeitet. Es hatte einen anderen Charakter. Aber das ist alles Zukunftsmusik. Wir müssen uns natürlich einen Weg überlegen, bei dem diese Einrichtung nicht beschädigt wird. Sie soll ja fortbestehen. Aber sie kann nicht mit dieser Erwartung belastet werden, die wir jetzt haben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Die Fragen der Kollegen Eckart von Klaeden und Hans-Peter Friedrich zur Tätigkeit des Bundeskanzleramtes im Zusammenhang mit den Vermittlungsstatistiken der Bundesanstalt für Arbeit werden durch Herrn Staatsminister Hans Martin Bury beantwortet. Zunächst geht es um die Frage 9 des Kollegen von Klaeden: Welche Stelle im Bundeskanzleramt hat Anfang Januar 2002 das vom Abgeordnetenbüro des Staatsministers beim Bundeskanzler, Hans Martin Bury, weitergeleitete Schreiben eines Revisors der Bundesanstalt für Arbeit ({0}) über geschönte Vermittlungsstatistiken zur weiteren Bearbeitung erhalten, und was ist dort angesichts der Schwere der in dem Schreiben erhobenen Vorwürfe im Einzelnen unternommen worden?

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, das Schreiben des Controllers der Bundesanstalt für Arbeit ging am 3. Januar dieses Jahres in meinem Berliner Abgeordnetenbüro ein und wurde von dort unmittelbar an die zuständige Fachabteilung im Bundeskanzleramt - das ist die Abteilung 3 weitergeleitet. Dort war bereits nach Veröffentlichung des „Stern“-Artikels vom 6. Dezember 2001 über Missstände bei der Arbeitsvermittlung der Bundesanstalt für Arbeit beim zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Stellungnahme angefordert worden. Das Schreiben des Controllers war allgemein gehalten und nahm ausdrücklich auf den genannten „Stern“-Artikel Bezug. Nach einem Telefonat mit einem Sachbearbeiter in meinem Berliner Abgeordnetenbüro konkretisierte der Controller der Bundesanstalt für Arbeit am 9. und am 17. Januar in zwei E-Mails an mein Berliner Abgeordnetenbüro die Vorwürfe. Die E-Mails wurden ebenfalls an die Fachabteilung im Bundeskanzleramt weitergeleitet. Angesichts der Schwere der Vorwürfe war eine sorgfältige Prüfung und Bewertung ihrer Substanz erforderlich. Eine Weiterleitung des Schreibens bzw. der E-Mails des BA-Controllers an das BMA oder die Bundesanstalt war dabei ausgeschlossen, weil er „inständig“ um Vertraulichkeit insbesondere gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gebeten hatte. ({0}) Am 24. Januar 2002 wandte sich der Controller dann entgegen seiner ursprünglichen Absicht parallel auch an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Er befürchtete eigenen Ausführungen zufolge, dass die inzwischen vom Bundesrechnungshof in Stichproben ermittelten Prüfungsergebnisse über fehlerhafte Statistiken bei der Arbeitsvermittlung innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit nicht aufgeklärt würden, sondern dass dort „weiter vertuscht und verzögert“ werden solle.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist der Bericht des „Stern“ zutreffend, dass im Kanzleramt erwogen wurde, den Chef des Kanzleramtes, Herrn Steinmeier - wie der „Stern“ schreibt, „Schröders besten Mann“ -, zum Aufräumen nach Nürnberg zu schicken? Ist damit nicht ein gewisses Unwerturteil gegenüber der Arbeit des Bundesarbeitsministeriums verbunden?

Not found (Gast)

Der Bericht des „Stern“ ist in diesem Punkte nicht zutreffend. Insofern kann auch nicht davon die Rede sein, dass hier ein negatives Urteil über das BMAgefällt würde.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass der Vorabbericht des Bundesrechnungshofes, der unter anderem zu den Rücktrittsforderungen gegen Herrn Jagoda geführt hat, von Mitarbeitern des Bundesarbeitsministeriums an Journalisten weitergegeben worden sein soll? Wenn Ihnen das nicht bekannt ist, darf ich Sie darum bitten, diesem Vorgang nachzugehen und mich darüber zu unterrichten, weil er für die Frage des Umgangs mit solchen Vorgängen und die Frage, wie man mit dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit umgeht, nicht ohne Relevanz ist.

Not found (Gast)

Da mir nicht bekannt ist, durch wen und auf welchem Wege der genannte Bericht an die Presse weitergegeben wurde, vermag ich den Vorgang auch nicht zu bewerten. ({0}) - Gerne.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Friedrich.

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie sagen, wann das Bundeskanzleramt oder das BMA die Presse zum ersten Mal über die gesamten Vorgänge informiert hat? Zunächst wurde eine Stellungnahme angefordert, dann wurden im Januar Gespräche geführt. Wann haben Sie die Presse zum ersten Mal offiziell informiert?

Not found (Gast)

Die Information der Presse erfolgte nach meiner Kenntnis durch das Bundesarbeitsministerium und durch den Regierungssprecher in der Regierungspressekonferenz. Die exakten Daten habe ich nicht hier.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe nun die Frage 10 des Abgeordneten Hans-Peter Friedrich auf: Was hat das Bundeskanzleramt dem Revisor der BA auf dessen Schreiben an den Staatsminister beim Bundeskanzler, Hans Martin Bury, geantwortet und wie erklärt sich die Bundesregierung angesichts ihrer Antwort, dass der BA-Revisor sich gezwungen sah, sich mit Schreiben vom 24. Januar 2002 an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester, persönlich zu wenden, da er seine Erkenntnisse vom Bundeskanzleramt nicht ernst genommen sah ({0}) und er sich in der augenblicklichen Situation nicht mehr anders zu helfen wusste ({1})?

Not found (Gast)

Herr Kollege Friedrich, wie bereits in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen von Klaeden ausgeführt, dauerte die Prüfung noch an, als sich der Controller am 24. Januar 2002 entgegen seiner ursprünglichen Absicht parallel auch an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wandte. Wie gesagt, befürchtete er eigenen Ausführungen zufolge, dass die inzwischen vom Bundesrechnungshof berichteten Prüfungsergebnisse über fehlerhafte Statistiken bei der Arbeitsvermittlung innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit nicht aufgeklärt würden, sondern dass dort „weiter vertuscht und verzögert werden“ solle.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, gab es vor dem „Stern“-Artikel im Dezember im Kanzleramt schon irgendwelche Hinweise darauf, dass es bei der Statistik oder der Arbeitsvermittlung möglicherweise zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist? In der Presse ist zum Beispiel von einem Bericht vom Mai 2000 die Rede. War zu diesem Zeitpunkt schon etwas bekannt? Haben Sie Bürgerbriefe bekommen? Haben Sie schon vorher Briefe von Revisoren bekommen?

Not found (Gast)

Der von Ihnen angesprochene Bericht ist mir persönlich nicht bekannt. Der „Stern“-Artikel im Dezember bezog sich im Wesentlichen auf Ineffizienzen bei der Arbeitsvermittlung. Dies war Anlass, eine entsprechende Stellungnahme anzufordern, um über mögliche Konsequenzen beraten zu können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dazu eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden und dann des Kollegen Dr. Grehn.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, meine Frage zielt darauf ab, ab wann der Bundesregierung die Missstände tatsächlich bekannt waren. Heute wird der Bundesarbeitsminister von „dpa“ wie folgt zitiert: Die Missstände in der Arbeitsverwaltung bestünden seit mehr als zehn Jahren. Er selbst habe sofort reagiert. Welche Reaktionen des Bundesarbeitsministers seit seinem Amtsantritt sind dem Bundeskanzleramt bekannt?

Not found (Gast)

Richtig ist, dass der Bundesarbeitsminister unmittelbar, nachdem der Bundesrechnungshof in seiner Überprüfung zu dem Ergebnis kam, ({0}) dass Manipulationen der Vermittlungsstatistik vorlagen, und nachdem diese Feststellung durch Schreiben eines Controllers der Bundesanstalt für Arbeit erhärtet wurde, tätig geworden ist und eine umfassende Aufklärung sowie zu ziehende Konsequenzen vorangetrieben hat. Dass diese Missstände schon seit längerer Zeit bestehen und offenkundig bis in die Verantwortung früherer Bundesregierungen zurückreichen, haben sowohl die Prüfung und Bewertung des Rechnungshofes als auch die nachfolgende Aufklärung des Sachverhaltes deutlich ergeben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Grehn.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, ich habe nur eine relativ kurze Frage. Liegen Ihnen in der Zwischenzeit, bis sich der Schreiber des an das Bundeskanzleramt gerichteten Briefes an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gewandt hat, Ergebnisse eigener Untersuchungen vor, die unabhängig von dem sind, was der Bundesrechnungshof vorgelegt hat und was zwischenzeitlich aus den eigenen Untersuchungen des BMA bekannt ist?

Not found (Gast)

Der Bundesarbeitsminister hat auf der Basis der Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes und der Informationen des Controllers der Bundesanstalt für Arbeit selbstverständlich weiter gehende Untersuchungen angeordnet; diese Untersuchungen laufen und bestätigen im Kern die Vorwürfe des Controllers und die Ergebnisse der Stichprobenüberprüfung des Bundesrechnungshofes.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen werden durch Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks beantwortet. Die Fragen 11, 12 und 13 der Kollegen von Klaeden und Austermann werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Ursula Heinen auf: Hält der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, das in Art. 6 Abs. 2 der Verordnung ({0}) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken vorgesehene Verfahren der Frühwarnung entgegen dem Wortlaut für eine Ermessensvorschrift, und wenn ja, was sind die Gründe für diese Auffassung?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Heinen, Kommission und Rat verfügen bei der Feststellung einer erheblichen Abweichung der Haushaltslage vom mittelfristigen Haushaltsziel oder vom entsprechenden Anpassungspfad im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1466/97 über einen Beurteilungsspielraum. Nach der Konzeption der genannten Verordnung, die auf die wirtschaftspolitische Grundsatzbestimmung des Art. 99 EGVertrag gestützt ist, beinhaltet diese Feststellung in erster Linie eine Bewertung der Wirtschaftspolitik des betreffenden Mitgliedstaates. Es kommt darauf an, in welchem Maße der Mitgliedstaat seine im Stabilitätsprogramm angekündigte und vom Rat gebilligte Politik realisiert hat und inwieweit externe Faktoren zu der entstandenen Abweichung beigetragen haben. Der Rat konnte im vorliegenden Fall davon ausgehen, dass den Anforderungen des Stabilitätspaktes durch Bundesfinanzminister Eichel Rechnung getragen wird, ohne dass es hierzu einer Empfehlung bedurfte.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zurück zu meiner Frage: In dem besagten Art. 6 heißt es: Stellt der Rat ein erhebliches Abweichen der Haushaltslage von dem mittelfristigen Haushaltsziel oder vom entsprechenden Anpassungspfad fest, so richte er als frühzeitige Warnung vor dem Entstehen eines übermäßigen Defizits gemäß Art. 103 Abs. 4 eine Empfehlung an den betreffenden Mitgliedstaat, die notwendigen Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen. Halten Sie dies für eine Ermessensvorschrift oder für eine tatsächlich bindende Vorschrift?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Das Bundesfinanzministerium und die Kommission waren sich völlig einig darüber, dass im Falle Deutschlands keine rechtliche Notwendigkeit bestand, eine Frühwarnung auszusprechen. Dies hat Kommissar Solbes in einem Schreiben an Minister Eichel vom 29. Januar 2002 noch einmal ausdrücklich bestätigt. Insofern beziehe ich mich auf meine Ihnen soeben gegebene Antwort: Es besteht ein Beurteilungsspielraum. Es geht hierbei weniger um die bloßen Zahlen und darum, ob man mit einem Defizit von 2,5 Prozent oder 2,6 Prozent relativ nah am Kriterium von 3 Prozent angelangt ist; vielmehr soll die frühzeitige Warnung - das ist ihr Ziel, wenn sie denn sinnvoll sein soll - gleichsam die Politik beurteilen, also die Frage beantworten, ob gute oder schlechte Politik gemacht wird. Eine frühzeitige Warnung hat nur dann Sinn, wenn zugleich eine Änderung der Politik angemahnt würde. Dies war niemals Gegenstand des entsprechenden Entwurfs der Europäischen Kommission. Der Bundesregierung wurde im Gegenteil in dem von der Kommission verfassten Entwurf bestätigt, dass gegen ihre Politik keine Einwendungen bestehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Peter Hintze.

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie führten eben aus, dass es doch eine Art von Ermessen gibt, obwohl das im Widerspruch zum Text steht, und legten als Beweis für Ihre Aussage dar, dass eine Politikänderung nicht erforderlich und die Bundesregierung deswegen auf dem richtigen Pfad sei. Sind demnach alle Berichte, die die Bundesregierung - auch in den Ausschüssen - abgegeben hat, nachdem zur Erreichung des angestrebten Ziels, im Jahre 2004 entweder keine Neuverschuldung zu erreichen oder jedenfalls nahe an eine Null-Neuverschuldung heranzukommen, zusätzliche Sparanstrengungen unternommen werden, falsch?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege Hintze. Sie müssen differenzieren. Die ins Auge gefasste frühzeitige Warnung bezog sich auf das schon abgelaufene Jahr 2001 und auf das Jahr 2002. Sie bezog sich nicht auf die Folgejahre, auf 2003 und folgende, sondern auf das aktuelle Haushaltsjahr, in dem eine frühzeitige Warnung hätte ausgesprochen werden können, aber nicht ausgesprochen werden musste. Das heißt, zur Erreichung des Ziels, im Jahre 2004 einen nahezu ausgeglichenen gesamstaatlichen Haushalt von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungssystemen vorzulegen, sind in der Tat auf allen Ebenen weitere politische Anstrengungen notwendig. Sie dürfen diesen Umstand aber nicht mit der frühzeitigen Warnung, die sich auf das Jahr 2002 hätte beziehen sollen, vermischen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Friedrich.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie sagen, mit diesem Schreiben aus Brüssel sei eine Bewertung der Politik - gute oder schlechte Politik - verbunden. Sie sagen, im Entwurf sei der Bundesregierung bestätigt worden, es sei eine gute Politik gemacht worden. Warum wollte dann der Bundeskanzler dieses Lob aus Brüssel nicht entgegennehmen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Der Bundeskanzler hat sich nicht etwa dagegen gewehrt. Das Lob aus Brüssel ist auch so öffentlich bekannt geworden. In der Tat ist der Bundesregierung bestätigt worden, dass sie eine ordentliche Haushalts- und Finanzpolitik macht. Das bestätigen auch die Daten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Ursula Heinen auf: Gibt es Bestrebungen seitens des Bundesministers der Finanzen, Hans Eichel, das Kriterium von höchstens 3 Prozent für das öffentliche Haushaltsdefizit neu zu definieren und konjunkturelle Einflüsse dabei herauszurechnen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Heinen, eine Änderung des Stabilitätspakts steht aus Sicht der Bundesregierung nicht zur Debatte. Die 3-Prozent-Defizitgrenze hat natürlich weiter Bestand. Auf europäischer Ebene ist es überdies gerade die Bundesregierung, die aufgrund der methodischen Probleme des strukturellen Defizits stets die Bedeutung des nominalen Defizits hervorhebt. Das nominale Defizit muss auch in Zukunft im Mittelpunkt der Stabilitäts- bzw. Konvergenzprogramme stehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn dem so ist, wie Sie gerade gesagt haben, dass es nämlich bei den Zielen bleibt, warum haben Sie dann solche Mühen auf sich genommen, zu verhindern, dass die Kommission eine entsprechende frühzeitige Warnung nach Art. 6 erteilt? Das bedeutet doch im Grunde, dass Sie das 3-Prozent-Kriterium und das, was damit verbunden ist, nicht interessiert.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Wir haben keine Bemühungen auf uns genommen, um zu verhindern, dass eine frühzeitige Warnung ausgesprochen wird. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie bewerten Sie das Verhalten des Bundeskanzlers und des Finanzministers im Ecofin-Rat der vergangenen Woche? Das war doch ein klares Bemühen, eben diese Warnung zu verhindern.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Frau Kollegin Heinen, dies war eine Zusage, die sich auf das Jahr 2004, also auf die Zukunft, bezog. Ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen, dass sich das ins Auge gefasste „early warning“ auf das laufende Haushaltsjahr bezogen hätte.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Lennartz.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, die Bemühungen des Finanzministers sind darauf gerichtet, die Nettoverschuldung des Staates zu reduzieren. Könnten Sie uns heute kundtun, ob die Bemühungen der vorherigen Regierung genauso intensiv waren wie die Bemühungen von Herrn Eichel?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Lennartz, im Verein der europäischen Mitgliedstaaten wird es Deutschland - mit allen Anstrengungen als Gesamtstaat - wie auch Frankreich erst im Jahre 2004 gelingen, einen nahezu ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. In allen anderen Ländern ist dies schon jetzt der Fall oder wird vor 2004 der Fall sein. Das heißt, die Bundesregierung hat völlig zu Recht den Stabilitäts- und Wachstumspakt in Brüssel vorangetrieben und erreicht, dass im Zusammenhang mit der Einführung des Euro dieser Pakt geschlossen worden ist. Allerdings sind in der Tat im Gesamtstaat ab dem Jahr 1996 Versäumnisse zu beobachten. Ich möchte dabei nicht auf einzelne Ebenen des Gesamtstaates abheben. Aber wenn der Gesamtstaat - also Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungssysteme - schon im Jahre 1996 echte Anstrengungen in dieser Hinsicht unternommen hätte, dann hätten wir die Hälfte der Wegstrecke schon längst hinter uns gelassen. So aber haben wir einen großen Teil der Wegstrecke noch vor uns. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Peter Hintze.

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, habe ich Sie eben richtig verstanden, dass Sie vor diesem Hause erklärt haben, niemand in der Bundesregierung - weder der Finanzminister noch der Kanzler oder der Außenminister - habe einen Versuch unternommen, einen in Brüssel geplanten blauen Brief zu verhindern?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Der Bundesfinanzminister hat mit Kommissar Solbes darüber korrespondiert und ihm angeboten - ich kann den Brief nicht genau zitieren und habe auch im Moment das Datum des Briefs nicht im Kopf; das wäre aber nachzuholen -, gemeinsam die Linie festzulegen, wie es weiter vorangehen soll. Im Ergebnis ist dies durch den Ecofin genau so geschehen, indem sich die Bundesrepublik für die Zukunft verpflichtet hat, geeigente Maßnahmen einzuleiten. Das ist übrigens nicht neu, sondern ist schon Gegenstand unserer Meldung zum Stabilitätspakt vom Dezember 2000 gewesen. In der Meldung zum Stabilitätspakt zum Jahre 2001 hatten wir wegen der zurückgehenden Konjunktur ein anderes Szenario dargelegt. Aber schon in der Meldung zum Stabilitätspakt vom Dezember 2000 hatten wir einen ausgeglichenen - nicht nur einen nahezu ausgeglichenen - gesamtstaatlichen Haushalt für das Jahr 2004 und einen ausgeglichenen Bundeshaushalt für das Jahr 2006 angekündigt. In der Meldung des vergangenen Jahres haben wir, wie gesagt, wegen der nicht günstigen Konjunktur ein anderes Szenario vorgelegt. Dieses Szenario wollten die europäischen Mitgliedstaaten in der Tat nicht akzeptieren, sondern sie wollten, dass wir genau wie Frankreich im Jahr 2004 einen nahezu ausgeglichenen Haushalt vorlegen, allerdings auch unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung, also der Wachstumsentwicklung.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, hat es die Bemühungen zur Verhinderung des blauen Briefes vonseiten der Bundesregierung gegeben, ja oder nein?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Es hat selbstverständlich Gespräche gegeben. Selbstverständlich telefoniert der Bundesminister der Finanzen mit seinen Kollegen. Selbstverständlich hat es auch Gespräche mit Kommissar Solbes gegeben. Diese Gespräche sind sehr häufig telefonischer Art; im Übrigen handelt es sich um persönliche Gespräche. Diese kann ich nicht beurteilen. Aber der Bundesminister der Finanzen hat bekanntlich schon öffentlich erklärt, dass er gegen ein so genanntes „early warning“ nichts einzuwenden habe, da er wisse, dass damit seine Politik gestützt werde. Das können Sie in öffentlichen Quellen nachlesen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Bartholomäus Kalb und die Fragen 18 und 19 des Kollegen Hans Jochen Henke werden schriftlich beantwortet. Ich rufe daher jetzt die Frage 20 des Kollegen Peter Hintze auf: Was bewog den Bundeskanzler, Gerhard Schröder, den Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, anzuweisen, Einfluss auf die anderen Mitgliedstaaten im Rat zu nehmen und einen blauen Brief an die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Eine Einflussnahme vonseiten des Bundesministers der Finanzen Hans Eichel auf die anderen Mitgliedstaaten im Rat mit dem Ziel, einen blauen Brief an die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern, hat es nicht gegeben. Es gab auch keine entsprechende Anweisung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie bewertet die Bundesregierung die Stellungnahme des Kommissionspräsidenten Prodi zu der Kritik des Bundeskanzlers an der Kommission in dieser Frage? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich bitte um Entschuldigung, aber die Stellungnahme von Herrn Prodi ist mir nicht bekannt. Deswegen kann ich jetzt keine Bewertung dazu abgeben. Vielleicht könnten Sie sie wiederholen; aber dann wäre es möglicherweise aus dem Stand heraus trotzdem schwierig, eine Stellungnahme dazu abzugeben. ({0}) - Ich bin dazu bereit, aber Sie müssten wenigstens die Stellungnahme zitieren. Da ich sie nicht kenne, kann ich sie schließlich nicht bewerten. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nach dem, was wir eben erlebt haben, möchte ich die Staatssekretärin lieber nicht in Bedrängnis bringen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Hintze, haben Sie noch eine Zusatzfrage?

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich warte die Beantwortung meiner zweiten Frage ab.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich die Frage 21 auf: Sieht der Bundeskanzler, Gerhard Schröder, in der Zukunft angesichts des deutschen Präzedenzfalles überhaupt noch die Möglichkeit, dass an irgendeinen Mitgliedstaat ein blauer Brief verschickt werden kann?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Das Ergebnis der letzten Sitzung des Ecofin-Rates stellt keinen „deutschen Präzedenzfall“ dar, da es lediglich in Bezug auf das in diesem konkreten Fall anzuwendende Verfahren unterschiedliche Auffassungen zwischen Kommission und Rat gab. Über die inhaltliche Bewertung des deutschen Stabilitätsprogramms waren sich Kommission und Rat einig. Wenn es der Sache nach gerechtfertigt ist, wird es zukünftig selbstverständlich so genannte blaue Briefe an die betreffenden Mitgliedstaaten geben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung der Stabilitätspakt im zukünftigen EU-Verfassungsvertrag verankert werden? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Selbstverständlich nach den Regeln des Stabilitätspakts.

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das muss auch protokolliert werden. - Schönen Dank.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Frage 22 der Kollegin Gudrun Kopp wird ebenso schriftlich beantwortet wie die Fragen 23 und 24 des Kollegen HansJoachim Otto ({0}), die Frage 25 des Kollegen Ernst Hinsken, die Frage 26 der Kollegin Dr. Elke Leonhard und die Frage 27 des Kollegen Hans-Michael Goldmann. Ich möchte nun die Fragen 28 und 29 des Kollegen Dr. Norbert Röttgen aufrufen. - Ich sehe, dass er nicht anwesend ist. Deshalb werden diese Fragen gemäß der Geschäftsordnung nicht beantwortet, es sei denn, die Frau Staatssekretärin ist bereit, Herrn Dr. Röttgen ihre vorbereiteten Antworten schriftlich zur Verfügung zu stellen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Präsident, Sie müssen entscheiden, ob ich die Fragen beantworten soll oder nicht; denn eine Beantwortung der Fragen wäre ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung. Wenn Sie mich darum bitten, dann tue ich es natürlich.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das ist klar. Ich habe ja gesagt, sie werden nicht beantwortet.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Wenn Sie mich bitten, dann tue ich es trotzdem. Die Geschäftsordnung sieht eine Beantwortung der Fragen allerdings nicht vor. Darüber müssen Sie und nicht ich entscheiden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Sie begehen keinen Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und erhalten keine Rüge, wenn Sie so freundlich wären, dem Kollegen Röttgen Ihre Antworten zukommen zu lassen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Das mache ich, Herr Präsident. - Danke schön.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung. Die Frage 32 des Kollegen Ernst Hinsken wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Dr. Gerd Müller auf: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung im Hinblick auf die Verbesserung der Einkommenssituation der Grünlandbetriebe in benachteiligten Bergregionen aus den Erkenntnissen des jetzt abgeschlossenen Modellprojektes Allgäu? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Präsident! Geschätzter Herr Kollege Müller, Ziel der Bundesinitiative „Modellprojekt Allgäu“ war es, am Beispiel der Grünlandregion Allgäu modellhaft Wege aufzuzeigen, mit denen eine leistungsfähige bäuerliche Landwirtschaft gestärkt und eine nachhaltige Entwicklung sichergestellt werden kann. Es ging darum, auf andere Regionen übertragbare Strategien zur Bewältigung der strukturellen Probleme zu entwickeln, die sich aus den spezifischen Standortfaktoren der Grünlandregionen ergeben. Es hat sich im Rahmen der Auswertung gezeigt, dass die Bildung von Kooperationen zwischen landwirtschaftlichen Betrieben insbesondere im Bereich der Mechanisierung ein erhebliches Potenzial zur Einkommensverbesserung darstellt. Um das an einem Beispiel deutlich zu machen: Es wurden 44 Kooperationen mit knapp 860 000 DM gefördert. Aus diesen Fördermitteln konnte ein Investitionsvolumen von 5,9 Millionen DM realisiert werden. Ein anderer für uns sehr wichtiger Aspekt war die Stärkung des ohnehin im Allgäu bereits praktizierten ländlichen Tourismus. Hier sind eine ganze Reihe von Ideen entwickelt worden, die den im Tourismus tätigen und auch den neu einsteigenden landwirtschaftlichen Betrieben Möglichkeiten bieten bzw. ihnen zumindest dabei helfen, ihre Einkommen dauerhaft zu sichern. Darüber hinaus wurden Erfahrungen gesammelt, die auf andere Regionen sicherlich gewinnbringend übertragbar sind. Wir haben aus dem „Modellprojekt Allgäu“ eine ganze Reihe von Erkenntnissen gewonnen, die in die Initiative der Bundesregierung „Regionen aktiv - Land gestaltet Zukunft“ eingeflossen sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in der Vergangenheit ist bereits Kritik daran geäußert worden, dass im Rahmen dieses Projektes 500 000 DM nur für Agenturen ausgegeben worden sind. Meine Frage ist - Sie haben schon auf Ergebnisse hingewiesen -: Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung nun ergreifen, um bundesweit Grünlandregionen wie beispielsweise das Allgäu gezielt im Wettbewerb zu unterstützen?

Matthias Berninger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002627

Diese Frage betrifft den Kern der neuen Agrarpolitik. Die Vorschläge, die wir vor dem Hintergrund entwickelt haben, dass die Milchquote auf europäischer Ebene immer mehr zum Gegenstand der Diskussion geworden ist - wir haben beispielsweise die Einführung einer Grünlandprämie vorgeschlagen; wir haben im Rahmen der Diskussion über die Modulation die Umverteilung der Mittel aus der ersten Säule in die zweite Säule der Agrarförderung vorgeschlagen; wir haben vorgeschlagen, mehr Steuermittel in die multifunktionale Landwirtschaft fließen zu lassen -, werden gerade den benachteiligten Standorten, also den Grünlandregionen wie beispielsweise dem Allgäu, nutzen. Darüber hinaus haben wir die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, wenn sich die Leute in den Regionen an einen Tisch setzen. Wir haben den Wettbewerb, auf den ich schon eben hingewiesen habe, im letzten Jahr in die Wege geleitet. Es gab eine erhebliche Resonanz, obwohl sich, anders als bei dem Projekt im Allgäu, einige Landesregierungen, beispielsweise die Bayerische Staatsregierung, an dem neuen Modellprojekt nicht beteiligt haben. Die Bayerische Staatsregierung ließ das Projekt vielmehr links liegen; dennoch haben sich gerade in Bayern sehr viele Regionen beworben. Wir haben mit diesem Projekt eine Diskussion in Gang gesetzt. Der Wettbewerb befindet sich jetzt in der entscheidenden Phase. In den nächsten Wochen werden diejenigen Regionen festgelegt, die gewonnen haben. Aber auch alle anderen Regionen, die sich an dem Projekt beteiligt haben, haben eine Reihe von zusätzlichen Erkenntnissen gewonnen. Wir glauben, dass die Landwirtschaft in diesen Regionen nur dann eine gute, tragfähige Zukunft hat, wenn sich nicht nur die Landwirte selbst, sondern auch die ganze Region um die Stärkung der landwirtschaftlichen Betriebe kümmert und sich die landwirtschaftlichen Betriebe für zusätzliche Betriebszweige und Einkommensquellen stärker öffnen, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, angesichts Ihrer Aussagen frage ich Sie, ob Sie bereit wären, die Bewerbung meiner Region im Rahmen dieses neuen Modellwettbewerbs des Bundeslandwirtschaftsministeriums zu unterstützen, um, auf den Erkenntnissen des jetzigen Projekts aufbauend, ganz gezielt Maßnahmen zu entwickeln, die der Stärkung der Einkommenssituation und dem Erhalt der ökologisch höchst wertvollen Landschaft in dieser Region zugute kommen. Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Abgeordneter, selbst wenn ich diese Bereitschaft hätte, müsste ich Ihnen sagen: Die Entscheidung über die Auswahl der Modellregionen wird von einer mit Fachleuten besetzten unabhängigen Jury getroffen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 31 des Kollegen Dr. Müller auf: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Internationalen Jahr der Berge zur Unterstützung der Bergbauern und der Tourismuswirtschaft in den Alpen?

Matthias Berninger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002627

Herr Abgeordneter, Berge haben für das Überleben der Menschheit eine entscheidende Funktion. Dies in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen und zu festigen ist die Aufgabe des Internationalen Jahres der Berge. Unser Ministerium hat zuständigkeitshalber Initiativen gestartet. In der vergangenen Woche hat die Ministerin in Bayern hierzu eine Kampagne in Gang gesetzt, die für die Gebirgsregionen insgesamt Bedeutung haben soll. Neben der Kampagne für das Internationale Jahr der Berge arbeiten wir insbesondere im Bereich des Tourismus mit dem Bundesministerium für Wirtschaft zusammen. Wir versuchen gemeinsam, den Tourismus in den Gebirgsregionen voranzubringen. Insbesondere zur Förderung der landwirtschaftlichen Strukturen in den Gebirgsregionen werden seit Jahren im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ erhebliche finanzielle Unterstützungen bereitgestellt, um die Gebirgsbauern in diesen Regionen zu halten und ihre Wirtschaftskraft zu stärken. Auch diesbezüglich gilt das, was ich in der Beantwortung der vorherigen Frage gesagt habe: Die Neuorientierung der Agrarpolitik wird die finanziellen Spielräume zur Förderung der Landwirtschaft in diesen Regionen erheblich ausweiten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Müller?

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine kurze Zusatzfrage. - Herr Staatssekretär, Sie sind sicher bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich - das ist Ihnen offensichtlich aus Ihren Akten bekannt - diese Region als Modellregion für das Zukunftsmodell ökologische Landwirtschaft rechtzeitig beworben hat und in der Endausscheidung ist. Ich frage Sie - ich bitte Sie darum -, ob Sie eine solche Bewerbung unterstützen. Im Internationalen Jahr der Berge könnte die Bedeutung der Landwirtschaft im Voralpen- und Alpenbereich für Landschaft, Wasserhaushalt, Natur- und Kulturhaushalt mit gezielten Maßnahmen vorangebracht werden.

Matthias Berninger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002627

Ich habe keinen Überblick darüber, wer sich im Rahmen des Internationalen Jahres der Berge beworben hat. Ich nehme hier zur Kenntnis, dass sich diese Region beworben hat. Im Haushalt 2002 wurden durch das Parlament im Rahmen dieses Modellprojekts erhebliche Mittel bereitgestellt, um in Verbindung mit sehr vielen Organisationen und Trägern vor Ort im Rahmen des Internationalen Jahres der Berge Initiativen zu starten, die auch über das Jahr hinaus eine entsprechende Wirkung entfalten können. Ich bitte aber um Verständnis dafür, dass ich angesichts des Verfahrens hier nicht vonseiten der Bundesregierung für die eine oder andere Region in irgendeiner Form eine besondere Unterstützung zusagen kann. Die Prozesse sind transparent gestaltet; Experten entscheiden darüber, wie die Mittel ausgegeben werden. In diesem Punkt unterscheiden sich die Wettbewerbe, die wir gestartet haben, von der Vergabe von Projekten, wie wir sie nach dem Regierungswechsel vorgefunden haben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Lennartz.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, wir haben zur Kenntnis genommen, welche Maßnahmen dankenswerterweise vonseiten der Bundesregierung insbesondere zur Unterstützung des Internationalen Jahres der Berge durchgeführt werden. Ist nicht das Verhalten der bayerischen Behörden bei der BSE-Bewältigung kontraproduktiv auch für die Tourismuswirtschaft? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Es ist auf jeden Fall so, dass infolge der BSE-Krise Diskussionen stattgefunden haben, die der Landwirtschaft erheblich geschadet haben. Im letzten Jahr, auf dem Höhepunkt der BSE-Hysterie, durften Kinder aus landwirtschaftlichen Betrieben beispielsweise nicht mehr in den Kindergarten, getreu dem Motto, BSE könnte ja ansteckend sein. Es wurde auch gefragt, ob man Patienten, die in einem Betrieb gearbeitet hatten, in dem BSE festgestellt worden ist, in Krankenhäusern nicht einer getrennten ärztlichen Behandlung zuführen muss. ({0}) Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, diese Debatte sehr zu versachlichen. Es ist aber zweifellos richtig, dass die BSE-Krise in dem Maße, in dem sie durch Versäumnisse etwa der Bayerischen Staatsregierung weiter auf der Tagesordnung steht, dem Tourismus schadet. Ich glaube aber, dass wir im Bereich des Tourismus im Großen und Ganzen dennoch sehr gute Ergebnisse in den letzten Jahren erzielen konnten. Ebenso wird, wie ich denke, der ländliche Tourismus eine große Zukunft haben. Für Leute, die sich nicht gleich ins Flugzeug setzen wollen, ist Urlaub auf dem Bauernhof sicherlich eine sehr gute Alternative; diese Urlaubsform stellt auch einen echten Wachstumsmarkt dar. Die finanziellen Risiken der neuerlichen BSE-Diskussion - gestern gab es ja Berichte, die deutlich gemacht haben, dass der Rindfleischmarkt erneut einbricht - werden allerdings wieder die landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern, insbesondere die kleinen bäuerlichen Betriebe, zu tragen haben, die schon unter der bisherigen BSE-Krise und dem Versagen der alten Bundesregierung gelitten haben. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Ich muss jetzt eine geschäftsleitende Bemerkung machen: Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung werden schriftlich beantwortet. Das Gleiche gilt für die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung mit Ausnahme der Fragen 45 und 46 des Kollegen Dr. Klaus Grehn und der Fragen 47 und 48 des Kollegen Günter Baumann. Das bedeutet, dass wir mit der Fragestunde wahrscheinlich früher fertig werden. Es ist beabsichtigt, die Sitzung des Bundestages bis 15.35 Uhr zu unterbrechen. Erst dann beginnt die angekündigte Aktuelle Stunde. Zur Beantwortung der noch ausstehenden Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung. Ich rufe die Frage 45 des Kollegen Dr. Klaus Grehn auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse der Neuregelung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, TzBfG, die seit dem 1. Januar 2001 vorsieht, dass die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bis zu zwei Jahren ohne besonderen Sachgrund dann nicht mehr möglich ist, wenn der Arbeitnehmer irgendwann in der Vergangenheit einmal bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Schönen Dank, Herr Präsident. Ich würde gerne die Fragen 45 und 46 gemeinsam beantworten, wenn der Abgeordnete Dr. Grehn damit einverstanden ist.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Bitte.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich auch die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Klaus Grehn auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels, dass großzügigere Befristungsmöglichkeiten für Arbeitsverhältnisse die Schaffung neuer Arbeitsplätze positiv beeinflussen würden?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Mit den Neuregelungen des Befristungsrechts im Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde ein Regelwerk zu befristeten Arbeitsverhältnissen in Kraft gesetzt, das die Flexibilitätsinteressen der Arbeitgeber und die sozialen Schutzinteressen der Arbeitnehmer ausgewogen berücksichtigt. Zugleich wurden die Vorgaben der Vereinbarung der europäischen Sozialpartner und der entsprechenden EG-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Für die Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Befristungsgrund, die so genannte erleichterte Befristung, wurde im Teilzeit- und Befristungsgesetz nicht zuletzt auf Verlangen der Arbeitgeberseite im Gegensatz zu den bisher, immer nur zeitlich begrenzt geltenden Regelungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes eine Dauerregelung geschaffen. Es ist dabei geblieben, dass befristete Arbeitsverträge bis zur Dauer von zwei Jahren keines sachlichen Befristungsgrundes bedürfen. An der Neuregelung wird unter anderem auch von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels kritisiert, dass solche Verträge nur noch bei Neueinstellungen zulässig sind. Aber genau das entspricht dem wesentlichen Anliegen der europäischen Sozialpartner und der EG-Richtlinie, befristete Arbeitsverträge dann zuzulassen, wenn sie sinnvoll sind, aber ihren Missbrauch in Form von Dauerbefristung zu verhindern. Diesen Missbrauch ließ die unter der früheren Bundesregierung eingeführte Möglichkeit zu, dass befristete Arbeitsverträge mit und ohne Sachgrund unbegrenzt aufeinander folgen konnten. Das unbefristete Arbeitsverhältnis mit Kündigungsschutz soll auch nach dem erklärten Willen der europäischen Sozialpartner die Regel, das befristete Arbeitsverhältnis die Ausnahme bleiben. Das liegt nicht zuletzt im wohlverstandenen Interesse der Arbeitgeber. Die gesetzliche Neuregelung verhindert keinesfalls die befristete Einstellung von Arbeitnehmern, wenn diese schon zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren. In diesem Fall steht nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz eine ganze Palette von Sachgründen für die befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern zur Verfügung. Gerade in den Betrieben des Einzelhandels ist befristete Saisonbeschäftigung üblich und in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als sachlicher Befristungsgrund anerkannt, auch dann, wenn der Arbeitgeber zum Beispiel für die Schlussverkäufe oder für das Weihnachtsgeschäft wiederholt dieselben Aushilfskräfte einstellt. Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist unter anderem auch die Zulässigkeit der Befristung zur Erprobung und zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Grehn, Sie haben Zusatzfragen.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär Andres, ich habe eine Nachfrage: Sie haben wahrscheinlich die Positionen des Handelsverbandes zur Kenntnis genommen; das entnahm ich Ihren Äußerungen. Wie stehen Sie zu den Untersuchungs- und Befragungsergebnissen, nach denen 50 Prozent der Einzelhandelsunternehmen angeben, eine Vorbeschäftigung habe eine beabsichtigte Einstellung verhindert?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Grehn, ich muss zunächst sagen: Ich kenne die Befragung nicht, habe mich nicht mit ihr auseinander gesetzt und will mich auch nicht auf sie beziehen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage kann ich Ihnen sagen, dass es entgegen den öffentlichen Äußerungen ganz unterschiedlicher Verbandsvertreter oder Arbeitgebervertreter oder auch der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittelund Großbetriebe des Einzelhandels nicht richtig ist, dass man jemanden, der schon einmal bei einem beschäftigt war, nicht erneut befristet beschäftigen könnte. Es ist mir ganz wichtig, das hier darzustellen, weil natürlich in diesem Bereich befristete Beschäftigung auch dann möglich ist, wenn man denselben Arbeitnehmer schon früher in einem anderen Zusammenhang beschäftigt hatte.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Die Unternehmen gehen davon aus, dass eine Ausweitung der sachlichen Gründe für diese befristete Beschäftigung die Wirksamkeit dieser Regelung erhöhen würde. Wie stehen Sie zu dieser AusVizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters sage? Man nimmt insbesondere Bezug auf Tätigkeiten, die zeitlich und inhaltlich mit der Vorbeschäftigung nicht im Zusammenhang stehen, oder auf Zeiten, die nur als Aushilfszeiten gegolten haben und auf die eine Nachbeschäftigung folgt, bei der das Gesetz dann greift.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich glaube, ich habe Ihnen in der Antwort schon gesagt, dass nach ständiger Rechtsprechung beispielsweise Saisonarbeit in bestimmten Bereichen als sachlicher Befristungsgrund anerkannt wird, sodass ich die Argumentation nicht verstehe, man müsse den Katalog der sachlichen Gründe ausweiten oder mehrere Möglichkeiten der Beschäftigung ohne sachlichen Grund zulassen. Der Gesetzgeber wollte ja gerade, dass die befristete Beschäftigung ohne sachlichen Grund nur einmal für zwei Jahre zulässig ist. Die befristete Beschäftigung mit sachlichem Grund ist zeitlich nicht beschränkt; ich habe Gründe aufgezählt. Insbesondere für den Groß- und Einzelhandel ist saisonale Beschäftigung, beispielweise wegen des Weihnachtsgeschäftes oder wegen der Schlussverkäufe, ein anerkannter sachlicher Grund, sodass jeder Arbeitgeber eine Arbeitskraft befristet einstellen kann. Er kann auch dieselbe Arbeitskraft mehrmals, mehrere Jahre hintereinander beschäftigen. In diesem Bereich gibt es überhaupt keine gesetzliche Beschränkung, sodass ich eine Ausweitung der sachlichen Gründe nicht für nötig halte.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Eine letzte Nachfrage, Herr Staatssekretär: Ich hatte auf die Untersuchung mit dem Ergebnis 50 Prozent verwiesen. Ein weiteres Untersuchungsergebnis besagt, dass das Instrument der Befristung ohne sachlichen Grund von 70 Prozent der Unternehmen, die in die Befragung einbezogen waren, als nur noch eingeschränkt nutzbar anerkannt wird. Meine Frage: Erkennen Sie die Notwendigkeit an, sich dieser Untersuchung anzunehmen, den Sachverhalt aufgrund der Untersuchungsergebnisse zu prüfen und sich gegebenenfalls erneut dazu zu positionieren?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Grehn, ich habe auf Ihre Fragen geantwortet. In diesen Fragen ist nichts von einem Untersuchungszusammenhang oder von einer Untersuchung zu lesen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass ich die Untersuchung jetzt nicht präsent habe. Ich bin gerne bereit sie mir anzuschauen. Wenn Sie danach weitere Fragen stellen wollen, stehe ich dafür selbstverständlich zur Verfügung. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 47 des Kollegen Günter Baumann auf: Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die im Juni 2001 beschlossene neue Rentenvergleichsberechnung für Verfolgte des SED-Regimes ({0}) bis heute von den Rentenversicherungsträgern nicht umgesetzt worden ist und die Anträge der Betroffenen von den Landesversicherungsanstalten bzw. der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vermutlich bis zum Sommer 2002 nicht bearbeitet werden können?

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Baumann, die Probleme der verwaltungsgemäßen Umsetzung der mit dem zweiten AAÜG-Änderungsgesetz bestimmten Verbesserung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes sind der Bundesregierung bekannt. Zutreffend ist, dass die aufgrund der Ergänzung des § 13 Berufliches Rehabilitierungsgesetz notwendig gewordenen weiteren Vergleichsrentenberechnungen bisher noch nicht voll maschinell erfolgen können. Daraus ist jedoch keinesfalls abzuleiten, dass entsprechende Anträge überhaupt nicht bearbeitet werden. Vielmehr wurde es als hinnehmbar angesehen, dass einzelne Fälle zunächst nur mit manuellen Eingriffen in den technischen Verfahrensablauf bearbeitet und beschieden werden können. Bei der Entscheidung für diese Übergangslösung zur Bearbeitung relativ geringer Fallzahlen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz hatten die Rentenversicherungsträger ihre aktuellen Aufgaben- und Terminsituationen zu beachten, die seit dem zweiten Halbjahr 2001 besonders von der verwaltungsgemäßen Umsetzung des Altersvermögens- und des Altersvermögensergänzungsgesetzes bestimmt sind. Zusätzlich waren Aufgaben im Rahmen der Währungsumstellung zum 1. Januar 2002 vordringlich zu lösen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Verbesserungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes sehr kurzfristig als Ergebnis des Vermittlungsverfahrens in das zweite AAÜG-Änderungsgesetz aufgenommen worden sind, sodass der in einem normalen Gesetzgebungsverfahren übliche Verwaltungsvorlauf bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes nicht bestand. Vor diesem Hintergrund sieht sich die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in der Lage, Renten an Verfolgte des SED-Regimes mit Bezugspunkten zu Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR voraussichtlich ab Ende des zweiten Quartals 2002 voll maschinell zu berechnen. Dieser Termin gilt auch für die Renten, bei denen noch die Übergangsvorschriften des Beitrittsgebietes zur Anwendung kommen. Für die Renten, bei denen die Vergleichsberechnungen alleine nach den Regelungen des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI - vorzunehmen sind, werden die Berechnungen voraussichtlich ab April 2002 vorgenommen werden können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie führten aus, dass die Renten gegenwärtig nur manuell und auch nur in geringer Anzahl nachberechnet werden können. Mir ist eine andere Auffassung der Rentenversicherungsträger bekannt. Diese teilen den Antragstellern mit Formblatt mit, dass eine Prüfung und Vergleichsberechnung gegenwärtig nicht durchgeführt werden kann, da keinerlei Computerprogramme vorhanden sind und manuell nichts berechnet wird. Es ist unheimlich schwierig, dies den so genannten Verfolgten des DDR-Regimes zu erklären, wenn zur gleichen Zeit systemnahe Funktionäre der DDR die höheren Renten erhalten. Was gedenkt die Bundesregierung hier zu tun? Mir ist bekannt, dass keinerlei Weisungsrecht gegenüber den Rentenversicherungsträgern besteht. Der politische Druck und der Wille des Parlaments müssten hier aber eine Reihe von Möglichkeiten eröffnen.

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Abgeordneter, ich habe zunächst einmal die Bitte, dass Sie mir dieses Formblatt bzw. diese Formmitteilung geben. Ich werde dem nachgehen. Wenn der Tatbestand stimmen sollte, dass überhaupt keine Berechnungen stattfinden, werden wir das entsprechend thematisieren. Uns ist mitgeteilt worden, dass es nur zu Problemen kommt, wenn bestimmte Vergleichsberechnungen anzustellen sind; nur so ist es mir bekannt. Ich bitte Sie, mir das zu geben. Wir werden dann Wege und Möglichkeiten finden, dort zu intervenieren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich die Frage 48 des Abgeordneten Günter Baumann auf: Wenn ja, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um bei den Rentenversicherungsträgern auf eine zügige Umsetzung dieser Regelung zum rentenrechtlichen Nachteilsausgleich hinzuwirken?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Die Rentenversicherungsträger teilen das Anliegen der Bundesregierung, die Neuregelungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes so zeitnah wie möglich umzusetzen. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass die Umsetzung der Berechnung auch vor dem Hintergrund der Belastung durch die Erledigung sonstiger Aufgaben so schnell wie möglich stattfinden kann. Ich habe Sie schon darauf hingewiesen, dass die Rentenversicherungsträger der Auffassung sind, dass im zweiten Quartal 2002 voll berechnet werden kann, sodass man dann zügig an eine Umsetzung und einen Abschluss herangehen wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Wie bereits angekündigt, sind wir damit am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung des Parlaments bis 15.35 Uhr. Dann findet die angekündigte Aktuelle Stunde statt. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP Haltung der Bundesregierung zu der von Bundesfinanzminister Hans Eichel abgegebenen Erklärung, bis 2004 einen „nahezu ausgeglichenen Gesamthaushalt“ vorlegen zu können Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für den Antragsteller der Kollege Dr. Günter Rexrodt von der FDP-Fraktion das Wort.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Letzte Nacht haben unsere Bobfahrerinnen in Salt Lake City einen kleinen Fehler gemacht und die Silbermedaille erhalten; das ist schon etwas. Wenn man aber große Fehler macht, dann landet man sehr schnell unter „ferner liefen“. Bei der Olympiade ist das so ähnlich wie in der Politik, Herr Finanzminister Eichel: Wenn man große Fehler macht, dann landet man unter „ferner liefen“. ({0}) So ist das auch mit unserer wirtschaftlichen und finanzpolitischen Situation. Nur, die Folgen sind sehr viel größer und betreffen sehr viele Menschen. Das bedeutet nicht nur weniger Freude, sondern auch eine höhere Arbeitslosigkeit und Verdrossenheit in diesem Land. Aufgrund unserer finanzpolitischen Lage sollten wir eigentlich einen blauen Brief aus Brüssel erhalten. Dieser wurde abgewendet. Dabei ist ein politischer Schaden entstanden, der größer ist als der, der entstanden wäre, wenn dieser Brief gekommen wäre. ({1}) Aber nun, Herr Finanzminister, wollen wir schon wissen, wie Sie Ihr Versprechen einhalten wollen, das Sie gegeben haben, um diesen Brief abzuwenden. Sie haben zugesagt, dass die Bundesregierung das gesamtstaatliche Defizit von 54 Milliarden Euro in nur zweieinhalb Jahren auf nahezu null senken wird. Herr Bundesfinanzminister, mit den Zusagen nach außen, die die gesamte Bundesregierung derzeit macht, ist das so eine Sache. Der Bundesverteidigungsminister und seine Zusagen hinsichtlich des Kaufs von Transportflugzeugen stehen heute nicht zur Debatte. Aber das alles nährt Misstrauen. Nun wollen wir wissen, wie Sie Ihr Versprechen einhalten wollen. Meiner Meinung nach müsste ein Wunder geschehen: Entweder müsste eine wundersame Einnahmeerhöhung eintreten oder es müsste richtig gespart werden. Nun wenden wir uns einmal den Einnahmen zu: Woher sollen angesichts der ausgesprochen richtigen Entscheidung, die Steuersätze nicht zu erhöhen, höhere Einnahmen kommen? Die Konjunkturentwicklung gibt das nicht her; in diesem Jahr, in dem mit einem Wachstum von 0,75 Prozent gerechnet wird, auf keinen Fall. Für die nächsten beiden Jahre haben Sie je 2,5 Prozent prognostiziert. Alles, was im Jahreswirtschaftsbericht steht, ist bereits Makulatur. ({2}) Aufgrund der Weltkonjunktur kann es vielleicht zu einem Wachstum von 1 Prozent kommen. Das wären dann, gesamtstaatlich gesehen, Einnahmen von rund 20 Milliarden Euro mehr, aber eben keine 54 Milliarden Euro. Binnenwirtschaftliche Zusatzimpulse, die schon aus konjunkturellen Gründen gebraucht würden, wird es nicht geben, solange es an grundlegenden Reformen fehlt. Es fehlt vor allem - das ist das Entscheidende - an einer Reform des Arbeitsmarkts. ({3}) Solange im Niedriglohnsektor, beim Kündigungsschutz, beim Tarifrecht und bei der Mitbestimmung keine Korrekturen erfolgen, werden die binnenwirtschaftliche Verdrossenheit und der Attentismus bei den Investitionen beibehalten. Von daher erhalten Sie keine Entlastung. Was die Ausgabenseite angeht, Herr Bundesfinanzminister: Der Haushalt - wir haben das hier immer gesagt wird auf „crash“ gefahren. Die Reform der Ausgaben hat nie stattgefunden, ({4}) auch in der Zeit nicht, als Sie konjunkturell Rückenwind hatten und als aufgrund von Einmaleinnahmen die Einnahmequellen reichlich sprudelten. Sie haben die Nettokreditaufnahme in den Jahren 2000 und 2001 in der Summe nur um 5,1 Milliarden Euro reduziert. Das war viel zu wenig und nun haben wir den Salat. ({5}) - Herr Wagner, das wissen Sie genau. Der Investitionsanteil am Gesamthaushalt steuert auf ein historisches Tief von 10,1 Prozent zu. ({6}) Die Bundeswehr können Sie nicht mehr als Steinbruch benutzen; da müssen Sie allemal drauflegen. ({7}) Der Kollege Urbaniak ist nicht anwesend. Ich frage gleichwohl: Wollen Sie die Kohlesubventionen kürzen? Wollen Sie bei der Landwirtschaft kürzen? ({8}) Das traue ich Ihnen nicht zu; das bringen Sie nicht. Der Haushalt kann nur saniert werden - es gibt gar keine andere Möglichkeit -, wenn man an den Haushalt des Bundesarbeitsministers herangeht, meine Damen und Herren. ({9}) Dabei geht es um die Arbeitsförderungsmaßnahmen und darum, dass 30 Prozent des Bundeshaushalts an die Rentenversicherung gezahlt werden. 30 Prozent - mit steigender Tendenz! Das geht in Richtung einer steuerfinanzierten Rente. ({10}) Wenn Sie da keine Reform schaffen, bringen Sie es nicht. ({11}) Heute Nachmittag wollen wir erfahren, wie Sie, Herr Finanzminister, die 54 Milliarden Euro, die Sie nun einsparen müssen - das haben Sie zugesagt, um den blauen Brief abzuwenden -, einsparen wollen. ({12}) Heute wollen wir wissen: Wie wollen Sie das machen? ({13}) Darauf, es zu erfahren, haben wir und hat auch die Öffentlichkeit einen Anspruch. Wir sind alle sehr gespannt, Herr Bundesfinanzminister. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Joachim Poß von der SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich werde Sie schonen, Herr Kollege. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland hat maßgeblich an der Entstehung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und an der Konzipierung des Europäischen Stabilitätspakts mitgearbeitet. ({0}) Herr Waigel war da Getriebener von Herrn Stoiber. Bekanntlich wollte Herr Stoiber - so auf einem CSU-Parteitag; Herr Michelbach wird das bestätigen können - die Euro-Einführung ursprünglich ablehnen. ({1}) Unsere europäischen Partner erwarten gerade wegen der aktiven Rolle Deutschlands von uns eine stabilitätsorientierte Haushalts- und Finanzpolitik. Die rechtlichen Verpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland mit großen Mehrheiten, sowohl hier im Deutschen Bundestag als auch im Bundesrat, eingegangen ist, sind eindeutig. Das gesamtstaatliche Defizit in Deutschland ist auf jährlich maximal 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen. Die Mitgliedstaaten müssen mittelfristig ausgeglichene Budgets erreichen. Diese Verpflichtungen hat der Bundesfinanzminister letzte Woche in Brüssel noch einmal bestätigt und konkretisiert. Warum werden sie jetzt eigentlich infrage gestellt? Aber es war ja zu erwarten, dass in einem Wahljahr die Erklärung des Bundesfinanzministers zu einer innenpolitischen Auseinandersetzung genutzt werden würde. Wenn es um so genannte blaue Briefe ginge, dann müsste ich Ihnen von der CDU/CSU und der FDP für alle Ihre Vorschläge zur Steuersenkung und zur Ausgabenerhöhung jetzt zehn solcher Briefe überreichen. ({2}) Sehr wahrscheinlich wäre es sogar angemessener, Ihnen die rote Karte wegen mangelnder wirtschafts- und finanzpolitischer Kompetenz zu überreichen. ({3}) Diese Koalition fühlt sich verpflichtet, alles zu tun, damit Deutschland ein verlässlicher europäischer Partner bleibt. Die vielen Äußerungen der letzten Tage und Wochen haben auch einer breiten Öffentlichkeit eines klar gemacht: Die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt obliegt sowohl dem Bund als auch den Ländern. Ich füge hinzu: Dieser Verpflichtung unterliegt auch die Opposition hier im Deutschen Bundestag und in den Ländern. Von nun an werden alle Ihre Vorschläge sehr genau an diesem Kriterium gemessen werden. ({4}) Deshalb begrüße ich diese Diskussion. Weil manche Äußerung aus den Ländern zuweilen anders verstanden worden ist, sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es bereits heute klare gesetzliche Normen gibt, durch die neben dem Bund auch die Länder einschließlich ihrer Gemeinden auf die Einhaltung des Stabilitätspaktes verpflichtet sind. Sowohl Bundestag als auch Bundesrat haben Ende letzten Jahres mit großer Mehrheit den Art. 7 des Solidarpaktfortführungsgesetzes verabschiedet, mit dem § 51 a in das Haushaltsgrundsätzegesetz eingefügt worden ist. ({5}) Dieser neue Paragraph schreibt fest, dass der Bund und die Länder ihrer Verantwortung zur Einhaltung der Verpflichtungen im Rahmen dieses Paktes nachkommen und eine Rückführung der Nettoneuverschuldung mit dem Ziel ausgeglichener Haushalte anstreben. Dies ist - das haben manche vergessen - geltendes Recht. Was ergibt sich daraus? Diejenigen, die im Bund und in den Ländern die öffentlichen Haushalte zu verantworten haben, müssen sich zusammensetzen und in einem konstruktiven Klima ausloten, was sie zur Erreichung der eingegangenen haushaltspolitischen Verpflichtungen zu tun haben. Es ist daher zu begrüßen, dass die Länderfinanzminister und der Bundesfinanzminister bereits im März eine Sondersitzung des Finanzplanungsrates durchführen wollen. Vor diesem Hintergrund habe ich wenig Verständnis für gegenseitige Schuldzuweisungen. Aber diese Phase scheint jetzt hoffentlich vorbei und überwunden zu sein. Mit den Vorbereitungen für den Bundeshaushalt 2003 und den Finanzplan bis 2006 muss jeder Ressortminister prüfen, wo in den Etats noch Reserven vorhanden sind. ({6}) Ebenso sind auch die einzelnen Bundesländer aufgefordert, nach Einsparmöglichkeiten in ihren Haushalten zu suchen. Wenn Herr Merz jetzt schon behauptet, ein ausgeglichener staatlicher Gesamthaushalt sei bis 2004 nicht mehr zu erreichen, ({7}) dies wäre nur mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 4 Prozentpunkte möglich, ({8}) dann betätigt er sich wieder einmal als Hellseher. Diese Koalition gedenkt nicht, solchen vergifteten Vorschlägen zu folgen. ({9}) Dies macht wieder einmal Ihre Denkart deutlich, Herr Merz; denn vor wenigen Wochen haben Sie ebenso wie Herr Stoiber noch die Ausnutzung des 3-Prozent-Spielraumes gefordert. Bei Ihnen geht derzeit alles durcheinander. Herr Rauen hat sich heute öffentlich geäußert und will die Unternehmensteuerreform rückgängig machen. Bei Ihnen läuft es nach dem Motto „Denn sie wissen nicht, was sie wollen“. Weil Sie nicht wissen, was Sie wollen, sind Sie die schlechtesten Ratgeber für eine solide Finanzpolitik. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Rauen für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anlass der Aktuellen Stunde ist mir zu ernst, um auf die Vorhaltungen von Herrn Poß näher einzugehen. ({0}) Anfang der 90er-Jahre war es ein großer und von vielen nicht für möglich gehaltener Erfolg von Kohl und Waigel, dass sich die Partnerländer im Rahmen des Stabilitätspaktes bereit gefunden haben, institutionelle Regelungen für die Begrenzung und Rückführung ihrer Staatsverschuldung zu akzeptieren. Das war für uns wichtig, damit einer starken D-Mark ein starker Euro folgen kann. Machen wir uns aber nichts vor: Auch die beste Vereinbarung ist nur so viel wert wie der Wille aller Beteiligten, sie einzuhalten und die gemeinsam festgesetzten Regeln auch dann zu akzeptieren, wenn dies für einen selbst unangenehm und schmerzlich ist. ({1}) Vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen der Regierung im Zusammenhang mit der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Frühwarnung verheerend. ({2}) Deutschland, das die anderen Mitgliedstaaten auf den Stabilitätspakt verpflichtet hat, zeigt sich nicht nur unfähig, dessen Ziele zu erfüllen, sondern auch unwillig, die für diesen Fall vorgesehenen Konsequenzen hinzunehmen. ({3}) Damit ist ein Präzedenzfall geschaffen worden. Niemand glaubt noch im Ernst, dass die im Stabilitätspakt vorgesehenen Kontroll- und Sanktionsmechanismen in der Zukunft noch einmal greifen werden, wenn einer der großen Mitgliedstaaten betroffen ist. Um eines kurzfristigen innenpolitischen Vorteils im Wahljahr willen hat die Bundesregierung in Kauf genommen, dass das Vertrauen in die Stabilität des Euro und die institutionellen Regelungen der Währungsunion auf Dauer Schaden nehmen. Eben in der Fragestunde hat Frau Hendricks erklärt, Minister Eichel habe darauf keinen Einfluss genommen. ({4}) Die ganze Welt weiß, dass er versprochen hat, die staatliche Neuverschuldung bis 2004 gegen null zurückzuführen. Die Frühwarnung sollte kommen, weil angenommen werden muss, dass wir 2002 die Defizitquote von 3 Prozent streifen werden. Meine Damen und Herren, was heißt es, in zwei Jahren die Defizitquote um 3 Prozent zu reduzieren? Das heißt, der Gesamtfinanzierungssaldo muss um 60 Milliarden Euro reduziert werden. Herr Eichel, sagen Sie mir bitte, wie Sie dies machen wollen. Sie müssen dann ja auch für die Länder und Gemeinden sprechen, die nicht zuletzt durch Ihre Steuerreform weit mehr mit Steuerrückgängen belastet sind als der Bund selbst. Schließlich haben die Länder 5,7 Prozent Rückgang, die Gemeinden 9,6 Prozent und der Bund lediglich 2,5 Prozent. ({5}) Sie müssen schon erlauben, dass man die Frage stellt: Wie soll dies denn geschehen? Herr Eichel, das Vertrauen in die Ausgabenkonsolidierung habe ich nicht mehr. Sie haben über die Einnahmen konsolidiert, wie eben schon von Herrn Rexrodt gesagt. Die Investitionen des Bundes gehen von 1998 bis 2002 nominell um 10 Milliarden DM zurück. Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal darstellen, in welchem steuerpolitischen und finanzpolitischen Umfeld dies geschieht. Herr Poß hat auf Waigel verwiesen. Ich darf ein paar Zahlen nennen: Finanzminister Waigel musste mit Gesamtsteuereinnahmen fertig werden, die im Jahr 1995 bei 814 Milliarden DM, im Jahr 1996 bei 800 Milliarden DM, im Jahr 1997 bei 797 Milliarden DM und im Jahr 1998 bei 833 Milliarden DM lagen. ({6}) Das heißt, der gesamte Steuerzuwachs betrug in diesen Jahren nominell lediglich 19 Milliarden DM. Wir hatten aber im Jahr 1999 auf allen Ebenen - Bund, Länder und Gemeinden - Steuereinnahmen von 886 Milliarden DM, im Jahr 2000 von 913 Milliarden DM, im Jahr 2001 von 877 Milliarden DM und im Jahr 2002 von 904 Milliarden DM. ({7}) Das heißt, Sie hatten in diesen vier Jahren einen Steueraufwuchs von insgesamt 244 Milliarden DM. Sie haben nur über die Einnahmen konsolidiert, nicht aber über die Ausgaben. ({8}) Herr Poß, ich bitte zu respektieren, wenn unser Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz völlig zu Recht die Frage stellt: Wie kann man einem solchen Finanzminister trauen? Will er nicht wieder nur über die Einnahmenseite versuchen, seine Zusage einzuhalten? Es ist einfach eine Wahrheit: Wenn ich diesen Finanzierungssaldo ausgleichen wollte, dann müsste ich die Mehrwertsteuer insgesamt um 4 Prozentpunkte erhöhen. Herr Minister, Sie werden hier gleich dazu sprechen. Sagen Sie uns, wie Sie den Ausgleich des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos bei Bund, Ländern und Gemeinden angesichts der verheerenden Einnahmesituation der Länder und Gemeinden seriöserweise in den Jahren 2003 und 2004 schaffen wollen! ({9}) Ich kann nur sagen: Die Zusage, die Sie gemacht haben, um den blauen Brief zu verhindern, konnte nur ein Finanzminister machen, der davon ausgeht, nach dem 22. September 2002 nicht mehr in der Verantwortung zu stehen. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Oswald Metzger vom Bündnis 90/ Die Grünen. ({0})

Oswald Metzger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002736, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aktuelle Stunden sind in einem Wahljahr immer reizvoll, weil man sich dann in Wahlkampfrauch hüllt und Fakten um die Ohren haut, die sich schlecht nachvollziehen lassen. Aber eine nackte Zahl, die für die Solidität der Bundesebene steht, muss man hier immer wiederholen: Wir haben in den letzten vier Jahren den Schuldenstand des Bundes um 39 Milliarden Euro erhöht, Sie haben ihn in den letzten vier Jahren Ihrer Regierungszeit um 141 Milliarden Euro erhöht. Das sind die schlichten Fakten. ({0}) Zweiter Punkt: Herr Kollege Rauen hat gerade vorgetragen, der Bund spare nicht auf der Ausgabenseite. Das letzte Jahr hat der Bundeshaushalt mit einem Ausgabenminus von 0,5 Prozent abgeschlossen. Bund und Länder hatten seit Jahren - auch schon zu Ihrer Regierungszeit im Finanzplanungsrat dazu verabredet, die Ausgaben in einem Korridor bis maximal 2 Prozent steigen zu lassen. Der Bund hat sich daran gehalten, eine Reihe von Bundesländern nicht, und zwar ganz egal, wie sie regiert werden; auch „schwarze“ Länder liegen bei Ihren Ausgaben über der Steigerungsrate von 2 Prozent. Was die Solidität angeht, können Sie uns also in keiner Weise packen. ({1}) In der letzten Woche haben wir in Gestalt des Bundesfinanzministers in Brüssel die Zusage gemacht, das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2004 „close to balance“ zu bringen. Das bedeutet ein gesamtstaatliches Defizit von etwa 0,5 Prozent. ({2}) - Wenn Sie Zwischenrufe machen, können Sie nicht zuhören. ({3}) 0,5 Prozent werden im Jahre 2004 ungefähr 13, 14 Milliarden Euro ausmachen, wohingegen das gesamtstaatliche Defizit im letzten Jahr fast 54 Milliarden Euro betrug. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen müssen bis 2004 im Zuge einer anspringenden Konjunktur - nicht in eine Rezession hinein ({4}) ihre Anstrengungen durch Strukturreformen beim Arbeitsmarkt und durch Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe deutlich verstärken. Das sind jetzt keine Aussagen des Haushaltssprechers der Grünen, sondern der Bundeskanzler hat sich in der letzten Woche, wie Sie sich vielleicht erinnern, zu dieser Reformagenda bekannt. Die Bundesländer haben sich im letzten Jahr, als es um das so genannte Maßstäbegesetz ging, geweigert, ({5}) in dieses Gesetz einen nationalen Stabilitätspakt hineinzuschreiben. Im ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums war eine entsprechende Formulierung enthalten; aber alle 16 Länder haben dies abgelehnt. Warum sie das getan haben, wird deutlich, wenn man den Jahresabschluss 2001 ansieht: Nur der Bund war konsequent und hat seine Ausgabenlinie und auch die Linie seiner Nettokreditaufnahme gehalten. So einfach ist die ganze Geschichte. ({6}) Bei Lichte betrachtet sitzen alle, wenn sie ehrlich sind, in einem Boot, egal, zu welcher Partei sie gehören. In den nächsten vier Jahren - natürlich auch in der nächsten Legislaturperiode - werden wir die Bürgerinnen und Bürger auf „Weniger ist mehr“ einstellen müssen. Solange wir nämlich Bundes- und Landeshaushalte über Kredite finanzieren, werden wir auch ständig über Steuererhöhungen diskutieren müssen; denn die Zinsen und Zinseszinsen zahlen nicht die Politiker, ({7}) sondern die Bürgerinnen und Bürger. Es reicht nicht aus, dass wir die Neuverschuldung reduzieren und die Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts verbessern - beispielsweise ist das Verhältnis von Investitionen und Kreditaufnahme jetzt wesentlich besser als zu Ihren Regierungszeiten; Sie müssen diesen soliden Parameter als Basis für eine korrekte Betrachtung der Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts hinnehmen -; vielmehr müssen alle Ebenen in gesamtstaatlicher Solidarität einen nationalen Stabilitätspakt schmieden. Allerdings darf dann ein bayerischer Ministerpräsident nicht in der ersten Woche, nachdem er zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde, allen Ernstes behaupten, es gebe so etwas wie eine Schwankungsreserve von 8 Milliarden Euro, man könne bis zur Maastrichter Defizitmarge von 3 Prozent ja noch Geld ausgeben, Konjunkturprogramme auflegen oder Steuern senken. ({8}) So etwas ist vor allem dann höchst unsolide, wenn man als Parteivorsitzender der Nachfolger von Herrn Waigel ist, der Gott sei Dank - das sage ich ganz bewusst; ich habe das in der Opposition unterstützt - den europäischen Nachbarn den Stabilitätspakt zugemutet und ihn durchgesetzt hat. ({9}) Das ist ein Armutszeugnis für die Opposition. Dies zeigt aber auch - das ist jetzt an die Adresse des Fraktionsvorsitzenden Merz gerichtet -, dass die Debatte in Brüssel in einem Wahljahr in Deutschland sehr wohl heilsame Wirkungen hat. Zumindest die CDU/CSU hat sich von Steuersenkungsversprechen verabschiedet; ({10}) die FDP hat dies im Gegensatz zur Bevölkerung noch nicht begriffen. Allerdings hat Kollege Rauen heute im „Handelsblatt“ angekündigt, dass er die Steuern für Großunternehmen erhöhen wolle. Diese Strategie kann man Ihnen natürlich auch nicht durchgehen lassen, Herr Rauen. Da ist unsere Linie doch konsequenter. Auch der Kanzler hat sich dazu bekannt: Wir wollen keine Steuererhöhungen. Wir wollen eine Fortsetzung der soliden Finanzpolitik. Wir glauben, dass das für 2004 anvisierte Ziel ehrgeizig, aber zu schaffen ist, wenn wir im Windschatten einer wieder anziehenden Weltkonjunktur weitere Strukturreformen vornehmen. ({11}) Vielen Dank. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Christa Luft von der PDS-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Abgeben ehrgeiziger Versprechen war die rot-grüne Bundesregierung schon immer Meisterin; ({0}) im Einhalten war sie das nicht. ({1}) Ich erinnere nur an das Versprechen, die Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen abzubauen, ich erinnere an den Aufbau Ost, der Chefsache werden sollte. Man kann weitere Beispiele finden. Mit der jüngsten Erklärung des Finanzministers, den Gesamthaushalt bis 2004 nahezu auszugleichen, wird es, so denke ich, nicht anders werden, ({2}) denn dieses Versprechen beruht nicht auf solider Prüfung und Abwägung der dafür erforderlichen Voraussetzungen. Es ist eine Panikreaktion, um die Zustellung des blauen Briefes, der in Brüssel bereits im Briefkasten lag, in letzter Minute doch noch zu verhindern. Minister Eichel hat etwas zugesagt, was er eigentlich gar nicht zusagen kann, denn die Bundesrepublik wäre aufgrund dessen letztlich zu einer Verfassungsänderung gezwungen. Ohne eine Änderung des Art. 109, der den Ländern Selbstständigkeit in der Haushaltspolitik zusichert, ist das gar nicht zu machen. Zudem braucht der Finanzminister ein Gesetz, das Sanktionen bei Fehlverhalten vorsieht. Ob beides so rechtzeitig zu realisieren ist, dass bis 2004 Wirkungen erzielt werden könnten, ist höchst zweifelhaft. Das aber ist nur die formale Seite. Die inhaltliche Seite besteht meines Erachtens darin, dass Stabilität nicht nur durch Sparen zu erreichen ist, sondern Wachstum und neue Einnahmen voraussetzt. ({3}) Der Pakt, den die Euro-Länder abgeschlossen haben, heißt nicht umsonst Stabilitäts- und Wachstumspakt. Wachstum aber ist die eigentliche Achillesferse der deutschen Stabilitätspolitik, weil die Investitionskraft auf allen Ebenen der Bundesrepublik gesunken ist. Insbesondere die viel gelobte rot-grüne Steuerreform hat die Haushalte der Länder und Gemeinden so stark belastet, dass diese kaum noch Investitionskraft haben. Sie kennen wie ich viele Bundesländer und noch viel mehr Kommunen, die nicht einmal mehr in der Lage sind, Fördermittel des Bundes und der Europäischen Union abzurufen, weil sie die Eigenbeiträge zu Finanzierung nicht aufbringen können. ({4}) Im Jahr 2001 sank das Investitionsniveau der Kommunen unter das Niveau des Jahres 1993. Das will schon etwas heißen. 2002 ist keine Änderung abzusehen. Der Absturz der Gewerbesteuer wird die Kommunen zwingen, weiter auf die Ausgabenbremse zu treten. Wenn diese Lage nicht geändert wird, dann ist ein totaler Investitionsnotstand aufgrund des angestrebten Sparens zulasten der Länder und Kommunen vorprogrammiert. Ein nationaler Stabilitätspakt macht also nur Sinn, wenn er auf einer Neuverteilung von Aufgaben zwischen Bund und Ländern beruht und wenn er den Ländern und Kommunen neue, zuverlässige Einnahmequellen sichert. Das bedeutet für mich, endlich über die erneute Erhebung der Vermögensteuer Konsens zu erzielen ({5}) und eine Mindeststeuer einzuführen, damit sich gut verdienende Konzerne nicht länger teilweise oder ganz der Steuer entziehen können. Auch die Rücknahme der Steuerfreistellung für Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften gehört auf den Prüfstand, wenn man sich ein solch ehrgeiziges Ziel vornimmt, wie es der Bundesfinanzminister in Brüssel verkündet hat. Völlig im Dunkeln bleibt, wie der Bund seinen Sparbeitrag bis 2004 erbringen will. Der Finanzminister sollte nicht allzu sehr auf eine konjunkturelle Aufhellung setzen. Eine Mehrwertsteuererhöhung wird im Regierungslager kategorisch ausgeschlossen; jedenfalls hört man das jetzt laufend. Soziale Grausamkeiten sollen den Bürgerinnen und Bürgern, so der SPD-Fraktionschef Struck, nicht zugemutet werden, denn der Gürtel sei schon jetzt eng genug geschnallt. An der haushaltsmäßig noch nicht eingeordneten Finanzierung des Militärtransporters und an der Transrapidstrecke soll festgehalten werden. Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe sollen natürlich nicht zusammengelegt werden - das sei nur ein Gerücht - und an der Bildung soll auch nicht gespart werden. Also: Dementi über Dementi. Wo aber, Herr Bundesfinanzminister, soll das Messer dann angesetzt werden? Es ist politisch höchst durchsichtig, wenn auf diese Frage vor der Bundestagswahl keine konkrete Antwort gegeben wird. ({6}) Ich bin sicher, dass Staatssekretär Overhaus längst eine Streichliste in der Schreibtischschublade hat. Eines muss klar sein: Stabilitätspolitik darf sich - ich betone: so wichtig das ist - nicht auf die Stabilität des Euro beschränken. Sie darf die soziale Stabilität der Gesellschaft nicht beschädigen. Diese Gefahr besteht aber, wenn die Erklärung des Bundesfinanzministers voraussetzungslos umgesetzt wird. Im Übrigen bestünde sie auch dann, wenn die Vorschläge der Union und der FDP, die sich vornehmlich den Haushalt für Arbeit und Soziales als ausquetschbare Zitrone ausgesucht haben, verwirklicht würden. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Bundesminister Hans Eichel.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich es richtig sehe, wird diese Debatte an diesem Tage bereits zum dritten Mal in den verschiedenen Gremien des Deutschen Bundestages geführt. ({0}) Ich muss Ihnen sagen: Ich bin außerordentlich darüber erstaunt, wie Sie wahrnehmen, was seit Jahren verabredet ist. So ist zum Beispiel das Ziel, im Jahre 2004 einen nahezu ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, Bestandteil aller deutschen Stabilitätsprogramme seit dem Jahr 2000. Diese Programme liegen Ihnen allen vor. Wir haben das zuletzt dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Umdruck vom 6. Juni 2001 mitgeteilt. ({1}) Mit anderen Worten: Es gibt überhaupt kein neues Versprechen des Bundesfinanzministers. Es gibt nur eines, nämlich die Tatsache, dass die Opposition einen Sachverhalt, den sie durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt - ich komme gleich noch darauf - selbst herbeigeführt hat, mit einer Verspätung von zwei Jahren heute zur Kenntnis nimmt. Das ist alles. Ansonsten hat sich nichts geändert. ({2}) Nebenbei: In Brüssel haben wir das Verfahren einstimmig - in der Eurogroup, im Ecofin, gemeinsam mit der Kommission und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank - abgeschlossen. ({3}) Sie finden das durch den spanischen Ratspräsidenten, Ministerpräsident Aznar, der ja bekanntlich ein Konservativer ist, im „Spiegel“-Interview dieser Woche bestätigt. Meine Damen und Herren, das ist Ihr Pech: Die Rede, die ich hier halte, könnte mein spanischer Kollege Rodrigo Rato genauso halten. Dann hätten Sie ein paar Schwierigkeiten mehr. ({4}) Deswegen: Dieses Thema ist erledigt, und zwar einvernehmlich. Damit wird eine Stärkung des europäischen Stabilitätspaktes erreicht. ({5}) Darauf lege ich den größten Wert. ({6}) Ich komme jetzt auf die zentralen Fragen meiner angeblichen Versprechen, die für Sie so neu sind: Erstens: Dreiprozentkriterium. Das ist Bestandteil des Maastricht-Vertrages, den die Regierung Kohl eingebracht hat und dem alle deutschen Bundesländer im Bundesrat sowie alle Parteien im Deutschen Bundestag zugestimmt haben. Seitdem steht das Dreiprozentkriterium Versprechen Nummer 1. Übrigens: Wie ernst Sie diesen Punkt nehmen, habe ich in der Vergangenheit erlebt. Herr Stoiber wollte wenigstens einmal die Grenzen der Belastbarkeit austesten und hat gesagt, man könne den Spielraum zwischen 2,7 Prozent und 3 Prozent ausschöpfen. Herr Brüderle hat ganz offen erklärt, wir sollten unsere Verpflichtungen aus dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt suspendieren und für ein paar Jahre nicht so ernst nehmen. Was ist das für ein Umgang mit einem in der Tat hohen Gut, der europäischen Stabilitätskultur, das Sie selber herbeigeführt haben? ({7}) Wie schändlich behandeln Sie das selbst? Es ist ja auch nicht ohne Hintersinn, dass Theo Waigel heute nicht hier im Plenum sitzt. ({8}) Ich habe die differenzierten Stellungnahmen, die er abgegeben hat, ganz genau zur Kenntnis genommen und mit den Anträgen, die Sie im Deutschen Bundestag gestellt haben, verglichen. Zweitens. Es ist wichtig, in diesem Jahr die Haushaltspläne sorgfältig auszuführen und dabei Ermessensmaßnahmen zu vermeiden, die zu einer Erhöhung der Defizite führen. Das habe ich Ihnen immer wieder gesagt, meine Damen und Herren. Erinnern Sie sich doch daran, Herr Austermann, welche Anträge Sie zu den Haushaltsberatungen für das Jahr 2002 im vergangenen Spätsommer eingebracht haben. Das waren noch schlappe 30 Milliarden - damals noch DM - obendrauf. Damit war der Vertrag von Maastricht längst gebrochen. Das ist Ihre Politik. Ich habe Ihnen immer wieder gesagt, dass dies mit dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht vereinbar ist. ({9}) Was haben Sie denn in der Steuerpolitik vorgeschlagen? Frau Merkel hat gesagt: Wir ziehen mal locker die Stufe 2005 auf 2002 vor. Sie wollten ja ursprünglich auf 2002 vorziehen. ({10}) - Das werden Sie gleich alles erfahren. - Mit anderen Worten: Sie sind die schlechtesten Wächter des europäischen Stabilitätspakts, seit Sie selbst ihn abgeschlossen haben. ({11}) Damit komme ich zu dem, was wir bisher gemacht haben. Wir wollen doch einmal festhalten, dass - anders als das, was Sie hier die ganze Zeit vorbringen - im Vergleich des Haushalts für das Jahr 1998 mit dem Haushaltsplan ({12}) die Ausgaben um 5,5 Prozent oder 12,6 Milliarden Euro gesunken sind. In den Haushalt für 1998 müssen Sie nämlich all das mit einbeziehen, was Sie damals vergessen haben, ({13}) zum Beispiel die Haushaltsnotlagenhilfen für Bremen und das Saarland und vieles andere. Die Ausgaben sind - wenn Sie sie genau betrachten - um 12,6 Milliarden Euro gesunken. Das ist eine Konsolidierung auf der Ausgabenseite. ({14}) Sie haben in der gesamten Zeit von Steuererhöhungen geredet. Ich will Ihnen fairerweise mitteilen, dass Herr Rauen mir vorhin gesagt hat, er werde morgen im „Handelsblatt“ dementieren, dass er das jemals gesagt habe. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch - bekanntlich Ihr Parteifreund - hat es aber gesagt, Herr Rauen. Das ist das Pech an der Sache. ({15}) Angesichts Ihrer Äußerungen in der letzten Zeit habe ich den Eindruck, dass Sie als einzige Antwort Steuererhöhungen vorbereiten wollen. ({16}) Wir aber - das sage ich dezidiert - wollen das nicht. ({17}) - Meine Antwort ist ganz einfach, verehrter Herr Michelbach. Sie müssen gar nicht dazwischenschreien. Sie müssen sich nur ansehen, welche Haushaltspolitik wir seit dem Konsolidierungshaushalt 2000 betrieben haben. Wir haben nämlich mit dem 30-Milliarden-DM-Sparprogramm erreicht, dass wir im Jahr 2000 bereits die Minimalbenchmark von 1,1 Prozent erzielt haben und deswegen jetzt nicht die 3 Prozent überschreiten. ({18}) Hätten wir noch den Haushalt des Jahres 1998, verehrter Herr Michelbach, dann stünden wir jetzt vor einem Defizit von mehr als 4 Prozent. ({19}) Das ist das Ergebnis unserer Politik. ({20}) Das lasse ich mir von Ihnen keinen Deut schlechtmachen. Wir verfolgen den Weg, die Nettoneuverschuldung Jahr für Jahr konsequent zu reduzieren, weiter. Wir liegen auch mit dem Haushaltsplan für das Jahr 2001 und seinem Abschluss leicht unter der Planung des Haushaltsjahres 1999 - mit einer ständigen Reduzierung der Ausgabenlinie bis 2001 und der Nettoneuverschuldung. ({21}) Das heißt für 2003 - das werden Sie beim Haushaltsplan 2003 sehen - und für 2004, dass die Nettoneuverschuldung weiter auf 15 Milliarden Euro bzw. 10 Milliarden Euro sinken wird. Das ist die Linie, die wir konsequent verfolgen - dafür müssen wir nichts Neues erfinden - und die mit dem jeweiligen Haushaltsplan festgelegt wird. ({22}) Jetzt stellt sich eine spannende Frage - an der Sie übrigens gescheitert sind -, in der Bayern immer voran war. Ich habe heute zum ersten Mal vom bayerischen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten eine etwas konstruktivere Äußerung zu diesem Thema gehört. Das war nämlich bisher ziemlich spannend. Auch was Sie gesagt haben, Frau Luft, war völlig daneben. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben den Maastricht-Vertrag beschlossen. Damit sind wir völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen. Wenn aber innerstaatlich in der Tat - daran will ich gar nicht tasten - die Haushaltsautonomie des Bundes auf der einen Seite und die der Länder auf der anderen Seite - die der Gemeinden übrigens nicht, weil sie der Aufsicht der Länder unterstehen und Bestandteil der Länder sind - gegeben ist, kann man nicht erklären: Wir haben zwar einen völkerrechtlich gültigen Vertrag abgeschlossen, aber wir, die Länder, haben damit nichts zu tun. ({23}) Das war die bayerische Position gegen Theo Waigel. Das habe ich bis in die letzten Tage hinein von Herrn Faltlhauser und Herrn Glück gehört. Heute hat Herr Stoiber zum ersten Mal erklärt, was selbstverständlich sein müsste: Wir sind bereit, uns an einem nationalen Stabilitäts- und Wachstumspakt zu beteiligen. ({24}) - Ja, die erste Runde haben wir im vergangenen Jahr erreicht. Theo Waigel - ich sage das ohne Vorwurf - hat das nicht geschafft. ({25}) Deswegen sage ich ausdrücklich: Wir gehen genau den Weg, wie er in unserem Zukunftsprogramm 2000 Punkt für Punkt beschrieben ist. Ich fordere die Länder auf - das werden wir ganz fair machen -, ihren Beitrag dazu zu leisten; denn das Problem im vergangenen Jahr, das uns die Debatte über das „early warning“ eingebracht hat, war die Verdreifachung der Länderdefizite. Diese haben sich deshalb vergrößert, nicht etwa weil ich - das kann ich gar nicht - bestimmte Lasten zuungunsten der Länder verschoben habe, sondern weil ein Teil der Länder weit über die vom Finanzplanungsrat empfohlene Ausgabenlinie hinausgegangen ist. Zum Schluss: Die von mir dargestellte Politik müssen wir nicht nur wegen des Stabilitätspaktes machen. Wir müssen sie auch machen, weil wir selber aus der Schuldenfalle, in die Sie uns geführt haben, herauskommen müssen. Das werden wir auch schaffen. ({26})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dietrich Austermann für die Fraktion von CDU/CSU.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war ({0}) eine peinliche Rede, Herr Minister Eichel. ({1}) Wenn ich bedenke, dass Sie von allen Mitgliedern der Europäischen Kommission einen blauen Brief angekündigt bekommen haben, dass im Prinzip alle damit einverstanden waren, dass Sie einen blauen Brief erhalten, und dass Sie selber sogar mit diesem blauen Brief zuerst einverstanden waren, kann ich nicht nachvollziehen, wie Sie, nachdem der Bundeskanzler auf europäischer Ebene von Verschwörungstheorien geredet hat, die Stabilitätskultur anpreisen können. Wie sind Sie denn mit den Kommissionsmitgliedern und den Vertretern der anderen Länder in dieser Frage umgegangen? Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen. ({2}) Ihre Rede war auch deshalb peinlich, weil Sie zwar ständig irgendwelche Stabilitätsprogramme ankündigen, aber in der praktischen Politik das genaue Gegenteil von dem tun, ({3}) was notwendig wäre, damit 2004 ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden kann. Ein Beispiel dafür ist das gesamtstaatliche Defizit. Es lag 1998 bei 1,7 Prozent des BIP. Es liegt zurzeit bei 2,6 bis 2,7 Prozent und wird nach den Einschätzungen aller, die etwas von Wirtschaft verstehen, in diesem Jahr die Drei-Prozent-Marke tangieren. Das heißt, Sie haben durch Ihre Politik die Verschlechterung des gesamtstaatlichen Defizits und die Verletzung der Maastricht-Kriterien vorbereitet. Das ist der entscheidende Punkt. ({4}) Angesichts dessen hilft es nichts, wenn Sie den Ländern die Schuld daran mit der Behauptung geben, sie hätten sich nicht an dem nationalen Konsolidierungspakt beteiligt. Nein, Sie haben durch Ihr Zukunftsprogramm sowie durch viele andere Maßnahmen ({5}) - ich nenne nur die UMTS-Erlöse, die Postumsatzsteuer und die Reform der Körperschaftsteuer als Beispiele den Ländern den Dreck vor die Tür gekippt. Jetzt sagen Sie den Ländern: Ihr spart nicht in ausreichendem Maße! ({6}) Ein konkretes Beispiel für Ihre Politik gab es vor einer Stunde in der Sitzung des Haushaltsausschusses: Herr Bodewig hat festgestellt, dass der Bund den Transrapid mitfinanzieren wolle. Er erwartet aber, dass auch die Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen einen Beitrag leisten und dass sie für die Maßnahmen verantwortlich sind. ({7}) Er hat zwar einen Bundeszuschuss in Höhe von 6,1 Milliarden DM in Aussicht gestellt. Er hat dafür aber keinen einzigen Pfennig in die Haushalte dieses, des nächsten und des übernächsten Jahres eingestellt. Sie machen ständig unredliche Versprechungen, um den Ländern Sand in die Augen zu streuen. ({8}) Sie wollen die Länder auch hier sich selbst überlassen. Sie machen ständig Versprechungen - ich nenne in diesem Zusammenhang nur das Thema Airbus -, die nicht gehalten werden. ({9}) Die mangelnde Glaubwürdigkeit rot-grüner Finanzpolitik kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Ausgaben aufgebläht worden sind. Sie haben neue Schulden gemacht. Sie haben Deutschland in die Rezession geführt. 1998 gab es ein Wirtschaftswachstum von rund 3 Prozent. Heute weist die deutsche Wirtschaft ein Nullwachstum auf, wenn sie sich nicht sogar in der Rezession befindet. ({10}) Wie können Sie angesichts der gegenwärtigen Rezession versprechen, dass Sie das gesamtstaatliche Defizit, das momentan bei 60 Milliarden bis 65 Milliarden Euro liegt, bis 2004 auf null bringen werden? Das ist überhaupt nicht zu schaffen. Wenn man einigermaßen glaubwürdig sein will, dann darf man so etwas nicht versprechen. Sie sind angesichts Ihrer Erklärungen, die Sie im Hinblick auf das gesamtstaatliche Defizit und die zukünftige Entwicklung abgeben, nicht mehr ernst zu nehmen. Wie soll das gesamtstaatliche Defizit in Höhe von rund 65 Milliarden Euro bis 2004 abgebaut werden, wenn man bedenkt, dass Sie eine Politik machen, die wachstumshemmend ist, die neue bürokratische Hürden aufgebaut hat und die den Arbeitsmarkt stranguliert? Ich möchte das an einem bildlichen Beispiel darstellen: Sie behaupten jedes halbe Jahr aufs Neue, dass der Aufschwung vor der Tür stehe. Zurzeit heißt es: Die Energiepreise sind so niedrig. Also muss der Aufschwung jetzt unbedingt kommen. Ich nehme an, dass Sie selbst in letzter Zeit nicht getankt haben; ({11}) sonst würden Sie nicht sagen, dass die Energiepreise gesunken sind. Mir fällt dazu folgendes Bild ein: Hans Eichel tappert ohne Laterne im Keller herum und sagt: Irgendwo geht es hier doch nach oben. ({12}) Vielleicht hilft ihm einmal jemand mit einer Laterne aus. Irgendwo gibt es sicherlich eine Treppe. Irgendwann geht es sicherlich einmal aufwärts. Aber es geht nicht aufwärts, wenn Sie diese Politik weiterführen, wenn Sie die Lasten bei den Ländern abladen, alle anderen beschimpfen und gleichzeitig noch mit der EU hadern. ({13}) Wir brauchen eine wachstumsfördernde Steuerpolitik, die Steigerung der Investitionen und den Abbau der bürokratischen Hemmnisse auf dem Arbeitsmarkt. Wir müssen wirklich sparen. Ihr eigener Haushalt enthält eine Fülle von Maßnahmen, die es mit sich bringen, dass praktisch jeden Tag eine neue Gesellschaft gegründet wird und dass - von der Öffentlichkeitsarbeit bis zur Flugbereitschaft - irgendwo Geld verschwendet wird. Ständig werden neue Maßnahmen eingeleitet, die den Steuerzahler Geld kosten, obwohl Einsparungen vorgenommen werden könnten, wenn man es wirklich ernst meinte. Diese Politik hat abgewirtschaftet. Von Sparpolitik kann keine Rede sein. ({14}) Eine Perspektive ist nicht vorhanden. Sie haben sich endgültig um die Glaubwürdigkeit in Europa gebracht. ({15})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen spricht die Kollegin Christine Scheel. ({0})

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Austermann, in den letzten Jahren der Regierungstätigkeit von Union und FDP gab es noch nicht einmal ein Lichtlein, sondern es war zappenduster, und zwar die ganze Zeit: ({0}) Während auf der einen Seite die Steuereinnahmen zurückgegangen sind, haben Sie auf der anderen Seite von Jahr zu Jahr Steuererhöhungen vorgenommen; die Sozialversicherungsbeiträge sind gestiegen und die Gesamtbelastungen sind, was Verschuldung und Nettokreditaufnahme betrifft, ebenfalls gestiegen. Das sind, was Ihre Politik bis 1998 angeht, Fakten. ({1}) Ich komme auf das heutige Thema zu sprechen. Es ist eine Tatsache, dass die Finanzplanung bis 2004 genau dem entspricht, was bereits vor Jahren zugesagt worden ist, nämlich einen auf allen Ebenen der Bundesrepublik Deutschland nahezu ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. ({2}) Ich muss sagen: Ich verstehe die Aufregung überhaupt nicht; ({3}) denn an diesem Ziel hat sich nichts verändert. Im Jahr 2000 gab es aufgrund der beschlossenen Steuerreform 2000 und der damit verbundenen Steuerentlastungen allerdings die Überlegung, das Defizit bis 2006 abzubauen. Wir werden jetzt aber das umsetzen, was unter Theo Waigel und auch unter Hans Eichel immer versprochen worden ist. Der von uns verantwortete und eingeschlagene Konsolidierungskurs des Bundes wird seinen Beitrag dazu leisten. Das ist überhaupt keine Frage. Friedrich Merz - er ist gerade entschwunden ({4}) hat behauptet, die Sparziele von Hans Eichel und der Regierung könnten nur durch eine kräftige Erhöhung der Mehrwertsteuer um vier Prozentpunkte erreicht werden. ({5}) Sie sollten dann konsequenterweise sagen, dass Sie weder an die Konsolidierung glauben noch dass Sie noch irgendeinen Sparwillen haben, dass Sie überhaupt keinen Bock mehr haben, in diesem Zusammenhang irgendetwas zu tun, was Strukturreformen betrifft, die dieses Land in verschiedenen Bereichen nach wie vor braucht. ({6}) Es ist hochinteressant, sich die zuletzt gemachten Vorschläge anzuschauen. Sie haben wieder eine Steuererhöhungsdebatte begonnen, indem Sie eine Mehrwertsteuererhöhung - anscheinend fällt Ihnen wirklich nichts anderes ein - gefordert haben. Gleichzeitig wird im „Handelsblatt“ über die Überlegungen von Herr Rauen berichtet. Diese lässt er morgen anscheinend dementieren. Darüber bin ich überrascht, denn das „Handelsblatt“ ist eine sehr solide und eine sehr gute Wirtschaftszeitung. Haben diejenigen, die den entsprechenden Artikel in dieser Zeitung geschrieben haben, irgendetwas geträumt? Das kann ich mir nicht vorstellen. Herr Rauen, irgendein Fünklein Wahrheit muss in diesem Artikel enthalten sein. Ich vermute, dass der Vorstoß, der von Ihnen in Ihrer Funktion als finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion kommt, auf großen Unmut beim Kandidaten aus Bayern gestoßen ist. Er hat nämlich gesagt, dass er sich dieser Forderung nicht unbedingt anschließen wird; vielmehr hat er seine Haltung offen gelassen. Was bedeutet die Forderung, die jetzt vonseiten der CDU/CSU zur Steuerpolitik erhoben wird, denn wirklich? Ihr erster Vorschlag, Körperschaften höher zu besteuern, führt zwar dazu, dass große Unternehmen höher besteuert werden, aber auch jede andere Körperschaft wird in Zukunft höher besteuert. Dazu gehören auch kleine und mittelständische Unternehmen, die diese Rechtsform gewählt haben; auch die gibt es in diesem Land. Über Ihren zweiten Vorschlag, Verlustvorträge in Zukunft nicht mehr anzurechnen, kann man ja reden; ({7}) aber jeder Existenzgründer und alle kleinen und mittelständischen Unternehmen, die investieren, Verluste machen und die Möglichkeit von Vorträgen brauchen, um sich entwickeln zu können, werden damit ausgebremst. ({8}) Ich frage mich da, wo hier eine vernünftige Mittelstandspolitik betrieben wird. Ich denke, dass das Chaos in Ihren Vorschlägen so weitergeht, wie wir es schon in den letzten Wochen erlebt haben, und dass man sich in der Union und in der FDP nicht einig darüber ist, was man will. Die FDP hat wiederum Forderungen auf den Tisch gelegt, die Steuerausfälle in der Größenordnung von über 250 Milliarden Euro nach sich ziehen. Wenn wir dem nachkommen würden, was die FDP will, wären alle Ebenen in diesem Staat völlig bankrott. Danke schön. ({9})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die Fraktion der FDP spricht der Kollege Dr. Hermann Otto Solms. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Wenn ein Schüler einen blauen Brief bekommt, strengt er sich an, um das Klassenziel zu erreichen. Hans Eichel und Gerhard Schröder versuchen, den blauen Brief zu vermeiden. Das Ergebnis ist: Am Schluss bleiben sie sitzen. ({0}) Das Problem ist nämlich, Herr Kollege Eichel: Ihre Worte in Gottes Ohr, aber Ihre Taten stimmen nicht mit Ihren Worten überein. Es heißt ja schon in der Bibel: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. ({1}) Sie sind als Sparminister angetreten und haben sogar von der Oppositionspartei FDP die Zusicherung bekommen, Ihnen bei der Konsolidierung des Bundeshaushaltes helfen zu wollen. Was haben Sie denn wirklich getan? Die Ausgaben des Bundes sind gestiegen. Sie haben auf Kosten der Steuerzahler gespart. Sie haben die Steuern so erhöht, dass auf diese Weise zwischenzeitlich ein Spareffekt eingetreten ist. ({2}) Das beruht alles auf Ihren Zahlen, Herr Eichel. Gespart wurde kein Pfennig; es wurde mehr ausgegeben. ({3}) Die investiven Ausgaben sind gesenkt worden; damit haben Sie die Konjunkturkrise noch verschärft. Jetzt sollen wir Ihnen aufgrund dieser Erfahrungen glauben, dass Sie innerhalb von zwei Jahren ein Defizit von 54 Milliarden Euro, weit über 100 Milliarden DM, abbauen können? ({4}) Wenn Sie Vorschläge dafür bringen würden, wäre das ja noch gut und wir würden Sie dabei unterstützen, aber Sie bringen ja keinen einzigen Vorschlag. ({5}) Das ist doch interessant; denn Sie haben nur noch anderthalb Jahre Zeit, dieses Ziel zu erreichen - aber kein einziger Vorschlag zur Konsolidierung. ({6}) - Es sind noch anderthalb Jahre, um das Ziel im Jahr 2004 zu erreichen. Weil Sie aber im nächsten halben Jahr keine Vorschläge mehr machen, werden Sie auch nicht die Chance haben, dieses Ziel zu erreichen. Das ist das Entscheidende. ({7}) Angesichts des Debakels bei der Bundesanstalt für Arbeit hätten Sie doch allen Anlass, Vorschläge zu machen. So eine gute Vorlage hat es doch seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Da hat sich in einer Bundesanstalt ein Kartell aus Gutmenschen zusammengeschlossen: Das sind die Funktionäre unter den Sozialpolitikern, das sind die Funktionäre bei den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern, die ihre Probleme auf Kosten der Steuerzahler und der Beitragszahler lösen. Sie haben sich durch Schwindel und Betrug Steuermittel in Milliardenhöhe erkämpft, erstritten bzw. ergaunert. ({8}) Und nun geht die ganze Kritik nur an die Marionette Jagoda, der ja letztlich der Erfüllungsgehilfe von Riester, Kannengießer und Engelen-Kefer ist. ({9}) Er soll zum Schluss das Bauernopfer sein. ({10}) Sie hätten allen Anlass gehabt, im Kabinett dafür Sorge zu tragen, dass gespart wird. Wenn die Bundesanstalt in der Form, wie sie heute besteht, aufgelöst würde, könnten locker 20 oder 30 Milliarden eingespart werden. Dann könnten Sie auch bei den Ländern Überzeugungsarbeit leisten, damit sie an einer gesamtstaatlichen Sparaufgabe mitwirken. Aber Sie können natürlich nicht den Ländern das Sparen zumuten, wenn Sie selbst mit schlechtem Beispiel vorangehen. ({11}) Meine Damen und Herren, ein Bundesfinanzminister, der seine Aufgaben so wenig ernst nimmt, kann wirklich nicht mehr in diesem Amt bleiben. ({12}) Auch ein Bundeskanzler, der die Bundesrepublik Deutschland in Europa öffentlich dermaßen blamiert, indem er das allgemein anerkannte Stabilitätsziel infrage stellt und damit die Autorität für die Stabilitätspolitik unterläuft, ({13}) kann in diesem Amt nicht länger bleiben. ({14}) Wir verlieren an Vertrauen und an Autorität, national wie international, in einem Maße, wie es das vorher noch nie gegeben hat. Das ist ein einmaliger Vorgang. Jeder nüchterne Betrachter von außen sieht das so. Sie müssen einmal Ihre parteiprogrammatischen Überlegungen und Äußerungen vergessen. Schauen Sie sich ganz nüchtern an, was hier in Deutschland stattfindet! Das ist eine Blamage auf der ganzen Strecke. ({15}) Es ist einem sogar als Oppositionspolitiker peinlich, welches Bild diese Bundesregierung abgibt. Mir ist das peinlich. ({16}) Wenn ich mit Ausländern rede, versuche ich sogar noch, diese Bundesregierung zu verteidigen, weil man ja nicht glauben mag, welch schwaches Bild hier geboten wird. ({17}) Ich sage Ihnen: Es hilft nicht, dass Sie die Rechnung dafür bei der Wahl bekommen. Sie haben jetzt noch einige Monate Zeit. Geben Sie sich Mühe, machen Sie ein paar konkrete Vorschläge und versuchen Sie, noch ein bisschen von Ihrer verkündeten Politik umzusetzen. Damit würden Sie dem ganzen Staat helfen. Vielen Dank. ({18})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Hans Georg Wagner für die SPD-Fraktion.

Hans Georg Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002406, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Solms, die Angriffe auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit weise ich in aller Deutlichkeit zurück. ({0}) Es ist eine Unverschämtheit, was Sie hier von sich gegeben haben. ({1}) Die Mitarbeiter leisten treu und brav ihren Dienst. Wenn Versäumnisse vorgekommen sind, werden daraus Konsequenzen gezogen. Aber gerade Sie behalten sich vor, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Lumpen, Verbrecher und Gauner zu bezeichnen, ({2}) obwohl Sie beim Geldwäschegesetz und bei den Gesetzen gegen Steuerhinterziehung nicht mitgemacht haben. Sie sind doch die Partei der Besserverdienenden, wie Sie selbst gesagt haben. ({3}) Herr Kollege Austermann hat gesagt, es habe eine Ausgabenexplosion gegeben. Ich will Ihnen einmal die Zahlen für die Ausgaben während unserer Regierungszeit vorlesen: 1999 waren es 246 Milliarden Euro, 2000 waren es 244 Milliarden Euro, 2001 waren es 245 Milliarden Euro und 2002 sind 247 Milliarden Euro geplant. Jetzt sagen Sie mir, Herr Austermann, was da explodiert! ({4}) Das sagen ausgerechnet die, die dafür verantwortlich sind, dass bei Steuermindereinnahmen des Staates - Herr Rauen hat die Zahlen freundlicherweise vorgelesen ständig die Schulden erhöht worden sind, bis auf 1,5 Billionen DM mit 80 Milliarden DM jährlicher Zinsbelastung. Diese Belastung unserer Kinder und Enkelkinder wurde, Gott sei Dank, 1998 durch den Wähler gestoppt. Wir haben die umgekehrte Entwicklung eingeleitet. Dazu waren Sie zu keinem Zeitpunkt fähig und auch nicht willens. ({5}) Noch ein Punkt zur Sitzung des Haushaltsausschusses: Herr Bodewig trägt einleuchtend und nachvollziehbar zum Transrapid vor, nur Herr Austermann begreift es nicht. ({6}) Ich habe ihm dann empfohlen, er möge doch einmal einen Blick in den Haushaltsplan werfen. ({7}) Im Haushaltsplan stehen nämlich die entsprechenden Titel. Und obwohl dort Planungskosten in Höhe von 34 Millionen Euro enthalten sind, sagen Sie, wir hätten dafür keinen Pfennig im Haushalt eingestellt. ({8}) Wenn man so an die Arbeit herangeht, ist das unseriös. Das kann nicht hingenommen werden. ({9}) Es ist schon gesagt worden, dass Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen zusammen eine Einheit bilden. ({10}) Jeder muss sich daran halten. Ich will es mir jetzt ersparen, vorzulesen, wie die Länderhaushalte, und zwar durch die Bank, explodiert sind. ({11}) - Nein. Die Länder haben Sparmaßnahmen in dem erforderlichen Umfang vermissen lassen. Herr Kollege Koppelin, Sie sind mit mir im Haushaltsausschuss. Ihnen ist, wie mir, am 27. Juni 2001 die Drucksache 2576 des Haushaltsausschusses zugegangen. Darin wird über die 93. Sitzung des Finanzplanungsrates am 6. Juni 2001 berichtet. Wenn man sich das Blatt ansieht und die Entwicklung in den öffentlichen Haushalten bis 2005 betrachtet, dann liest man bei 2004 eine Null und bei 2005 ebenfalls. Entweder haben Sie die Vorlage nicht gelesen oder Sie wollen sie bewusst nicht zur Kenntnis nehmen. Sie haben dem damals - auch hier im Bundestag und im Bundesrat - nicht widersprochen. ({12}) Wir müssen jetzt versuchen, uns sehr anzustrengen, damit Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen dieses erklärte Ziel in der Tat einhalten. Noch etwas: Ihr Kanzlerkandidat hat ja bei Frau Merkel, nein, bei Frau Christiansen gesagt, ({13}) dass man den Spielraum von 2,7 auf 3 Prozent für Investitionsprogramme nutzen solle. Das habe im Haushalt 2002 eine Auswirkung von etwa 6 Milliarden. Er möchte ja ab Herbst die Verantwortung hier übernehmen, also für den Haushalt 2003. Aufgrund der Zahlen, die nach Brüssel gemeldet worden sind, nämlich 1 Prozent, hätte er dann einen Spielraum von 30 Milliarden Euro. Das war sein Vorschlag. Wenn man die 30 Milliarden Euro auf die Gesamtverschuldung aufschlägt, erkennt man, dass die Tatbestandsmerkmale des Art. 115 Grundgesetz erfüllt werden. Würde also das, was er vorgeschlagen hat - wahrscheinlich unüberlegt oder durch Herrn Austermann beraten -, durchgeführt, wäre der Haushalt des nächsten Jahres verfassungswidrig. Sie können doch nicht zu einem verfassungswidrigen Haushalt auffordern. Die Finanzpolitik von Hans Eichel ist nicht nur von uns, der Regierungskoalition, gelobt und mitgetragen worden. Die Europäische Union hat, als die Debatte über den so genannten blauen Brief stattfand ({14}) - wie ich Sie einschätze, haben Sie doch auch eine ganze Menge blaue Briefe bekommen: „Die Versetzung ist stark gefährdet“ oder Ähnliches -, bescheinigt, dass die Haushalts- und die Finanzpolitik der Bundesregierung absolut richtig und grundsolide sind. Wir werden dafür sorgen, dass dies im nächsten Jahr fortgesetzt werden kann. ({15})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Hans Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zentralen Herausforderungen und Zukunftsfragen für unser Land sind, den wirtschaftlichen Abstieg unseres Landes, die Massenarbeitslosigkeit, die Überlastung unserer Sozialsysteme und den Verlust des soziales Zusammenhalts zu beenden und das internationale Ansehen unseres Landes sowie die Stabilität unserer Währung durch eine seriöse und wachstumsfördernde Haushalts- und Finanzpolitik zu mehren. Herr Eichel, darauf erwarten die Menschen in unserem Land Antworten. Diese Antworten bleiben Sie schuldig. ({0}) Was Sie heute hier geboten haben, ist der Verantwortung eines deutschen Bundesfinanzministers nicht würdig. ({1}) Sachaussagen? - Fehlanzeige. Planungssicherheit für Menschen, Bürger und Betriebe? - Keine. Wo bleiben Ihre Sparvorschläge, Herr Eichel? Die Antworten darauf bleiben Sie schuldig. Sie haben wieder nur Ausflüchte. Schuld sind immer die anderen, das ist Ihre Politik. ({2}) Der Bundesregierung geht damit schon nach drei Jahren die Luft aus. Mit Blick auf die Kriterien des Stabilitätspakts hätte die Bundesregierung den blauen Brief aus Brüssel verdient. Dieser Auffassung der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank schloss sich zunächst auch Bundesfinanzminister Eichel an. Herr Eichel, Sie fanden doch durch den blauen Brief zunächst Ihre Finanzpolitik bestätigt; Sie fühlten sich belobigt. Jetzt spielen Sie den Ahnungslosen. Auch Ihr Genosse, Herr Bundesbankpräsident Welteke, hielt den blauen Brief für angemessen. Der Bundeskanzler - das ist die Wahrheit - hat Ihnen aber die Kehrtwende befohlen, anstatt der Annäherung an die Verschuldungsgrenze von 3 Prozent mit konkreten Maßnahmen zu begegnen. Mit der ominösen Verschwörungstheorie des Bundeskanzlers, es seien nicht ökonomische Gründe und Deutschland habe den blauen Brief nicht verdient, hat sich der Bundeskanzler zum Totengräber des Stabilitätspakts und zum Weichmacher des Euro gemacht. ({3}) Mit diesem Amoklauf ist schwerer Schaden für Deutschland und die Stabilitätskultur in Europa entstanden. Diese Großmannssucht des Bundeskanzlers ist in Europa fehl am Platze. ({4}) Dann mussten Sie, Herr Eichel, Ihren Canossagang zum Ecofin antreten und mit einem Kuhhandel den offiziellen blauen Brief aus Brüssel verhindern. Mit dem Versprechen, sich künftig wie ein reuiger Sünder zu verhalten, ließen Sie Ihre Amtskollegen noch einmal davonkommen. Dabei konnten Sie sich auf jene verlassen, die den von Theo Waigel durchgesetzten Stabilitätspakt seinerzeit nur mit Widerwillen akzeptierten. Zur Abwendung des blauen Briefes aus Brüssel haben Sie, Herr Eichel, nun versprochen, den Haushalt innerhalb von 24 Monaten auszugleichen. Das ist eine leere, unerfüllbare Versprechung, weil Ihre rot-grüne Politik nicht stimmt, weil Ihre Haushalts- und Finanzpolitik nicht stimmt. Damit wurden die Unglaubwürdigkeit, Beliebigkeit und Unzuverlässigkeit der Bundesregierung wieder deutlich. ({5}) Herr Eichel kommt mir wie der Sitzenbleiber vor, der das vollmundige Versprechen abgibt, in zwei Jahren der Musterschüler zu sein. Doch niemand glaubt ihm mehr, weil er kein glaubwürdiges Konzept vorträgt. ({6}) Rot-Grün ist geistig und konzeptionell am Ende. ({7}) Er rettet sich nur noch in Schuldzuweisungen Richtung Bundesländer und Kommunen. Wir brauchen eine neue Standortoffensive, durch die die Bremsen auf dem Arbeitsmarkt gelöst werden - das kostet gar nichts -, die Einstellungshindernisse beseitigt werden und die Schwarzarbeit konkret bekämpft wird. Der Mittelstand muss entlastet werden, Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit müssen hergestellt werden. Deutschland braucht möglichst schnell ({8}) den Wechsel. Durch jeden Tag, den Neuwahlen eher stattfinden, gewinnt Deutschland. ({9}) Deutschland muss vom Tabellenende wieder in die Spitzengruppe Europas geführt werden. ({10})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort dem Kollegen Volker Kröning für die Fraktion der SPD.

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn diese Debatte nicht nur in einer Aktuellen Stunde, sondern auch darüber hinaus von Bedeutung sein soll, sind noch ein paar Worte zum Verhältnis zwischen Bund und Ländern erforderlich. ({0}) Bei den föderalen und parlamentarischen Entscheidungen im Jahre 2001, erst über das Maßstäbegesetz und dann über das Solidarpaktfortführungsgesetz, waren die Vorschläge der Bundesregierung zur innerstaatlichen Umsetzung des Stabilitätspaktes von Maastricht nicht durchsetzbar. Übrig geblieben ist im Maßstäbegesetz nur § 4, in dem es heißt: Bei der Abstimmung der Deckungsbedürfnisse von Bund und Ländern sowie der Gestaltung der öffentlichen Haushalte ist über die Bestimmungen des Artikels 106 Abs. 3 Satz 4 und 5 des Grundgesetzes hinaus sicherzustellen, dass durch eine gemeinsame Ausgabenlinie die Bestimmungen des MaastrichtVertrages und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zur Begrenzung des gesamtstaatlichen Defizits umgesetzt werden. Diese Vorschrift gilt seit dem 12. September 2001. Nebenbei bemerkt: Die FDP hat damals dieses Gesetz und damit auch diese Vorschrift abgelehnt. Herr Dr. Solms, was Ihr Verhältnis zu den Ländern angeht, muss man feststellen, dass man bei Ihnen weder von Solidarität mit den Ländern noch von Unterstützung des Bundes bei der Durchsetzung einer Stabilitätspolitik gegenüber den Ländern sprechen kann. ({1}) Auch bei den Entscheidungen über das Solidarpaktfortführungsgesetz 2001 waren die Vorschläge des Bundes - und zwar von Regierung und Koalition - gegenüber den Ländern nicht alle durchsetzbar. Der Entwurf für einen neuen § 51 a des Haushaltsgrundsätzegesetzes stieß auf eine geschlossene Ablehnungsfront des Bundesrates. Der Einwand war derselbe wie 1992 bei der Verabschiedung des Vertrages von Maastricht. Es heißt aus der Sicht der Länder nach wie vor, die Stabilitätskriterien könnten „keine weitgehenden Eingriffe in die eigenverantwortliche Haushaltswirtschaft der Länder rechtfertigen“. Dies gelte „auch für das gemeinsame politische Ziel ausgeglichener Haushalte“. Durchgesetzt hat sich - das muss festgehalten werden; das Eisen muss geschmiedet werden, solange es heiß ist aus gesetzlicher Sicht der Bund. § 51 a des Haushaltsgrundsätzegesetzes lautet nämlich - leider ist er erst ab 2005 wirksam -: Bund und Länder kommen ihrer Verantwortung zur Einhaltung der Bestimmungen in Artikel 104 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes nach und streben eine Rückführung der Nettoneuverschuldung mit dem Ziel ausgeglichener Haushalte an. Leider kam man in der Sitzung des Finanzplanungsrates am 26. November 2001 nicht weiter, sondern fiel hinter dieses Ziel zurück. Zwar war man sich in der Absicht - so heißt es leider schwach formuliert - zur dauerhaften Einhaltung der Maastricht-Kriterien entsprechend den Zielsetzungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes - diesen Punkt fügte man hinzu - einig, aber man hat sich nicht über den Zeitpunkt hinsichtlich eines Einstieges in die gemeinsame Stabilitätspolitik und über die Schrittfolge verständigt. Damit bleibt festzuhalten: Erstens. Es gibt bereits einen nationalen Stabilitätspakt, allerdings nur in rudimentärer Form. Ich schließe nicht aus, dass angesichts der Erfahrungen, die wir in diesem Jahr gemacht haben, neue bundesrechtliche Regelungen über die hinaus, die es zurzeit gibt, nötig sein werden und in der nächsten Legislaturperiode verabschiedet werden müssen. ({2}) Die Länder stellen rechts- und verfassungspolitische Forderungen an den Bund. Denken Sie nur an die Föderalismusreform, an die Entmischung von staatlichen Aufgaben auf den beiden Ebenen und an bessere Möglichkeiten der Finanzierung von Aufgaben in eigenverantwortlicher Wahrnehmung. Ich schließe also nicht aus, dass es weiter gehende Regelungen in der nächsten Legislaturperiode geben wird. Dazu sollten die Regelungen in anderen Bundesstaaten, die der Europäischen Union angehören, zum Vergleich herangezogen werden. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich gern an unser Nachbarland Österreich. Zweitens. Dem Finanzplanungsrat kommt in diesem Jahr eine Schlüsselrolle zu. Wir haben schon von der Sondersitzung gehört; Herr Poß hat sie erwähnt. Es geht um die Steuerung des Haushaltsvollzuges 2002 und um die gestalterische Kraft von Bund, von Ländern, von für die Sozialversicherung Verantwortlichen - das ist nicht nur, aber auch der Gesetzgeber - und von Gemeinden bei der Aufstellung der Haushalte im Jahr 2003 und in den Folgejahren. Diese Chance muss politisch genutzt werden. Schönen Dank. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Peter Hintze.

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass diese Regierung am Ende ist, dann ist er spätestens mit der peinlichen Posse um den blauen Brief aus Brüssel geliefert worden. ({0}) Mit dem Euro haben wir in Europa nicht nur eine gemeinsame Währung, sondern auch die gemeinsame Verpflichtung, die Stabilität und Stärke unseres Geldes zu sichern. Da geht es um wirtschafts- und finanzpolitische Fakten und auch um Psychologie. Der Euro wird sich neben dem Dollar als Weltwährung nur dann behaupten können, wenn alle Welt sieht, dass wir in Europa das wirtschaftliche Wachstum fördern und uns peinlich genau an die Stabilitätsregeln halten. Genau das ist hier nicht passiert; dagegen ist verstoßen worden. ({1}) Ich verstehe schon, dass der Regierung der Vorgang unangenehm ist. ({2}) Früher war es immer so: Wir alle mussten in Wahlkämpfen mühsam ermitteln, wie Deutschland im wirtschaftlichen Vergleich abschneidet. Die Menschen haben vielleicht gedacht, das sei nur Wahlkampf. Mit der Einführung des Euro ist heute für die Teilnehmer der Währungsunion, für die zwölf Staaten, klar, wie hoch im europäischen Vergleich die jeweilige Verschuldung und das Wachstum sind und wie es mit der wirtschaftlichen Stärke aussieht. Bei diesem speziellen Medaillenspiegel sieht es für Deutschland ziemlich trostlos aus: letzter Tabellenstand. ({3}) Es ist die Schuld dieser rot-grünen Regierung, dass wir das kläglichste Wachstum und den höchsten Schuldenstand zu verantworten haben. ({4}) Was wir hier heute erlebt haben, war eine Nebelkerze nach der anderen. Da wird die Statistik bemüht und dieses und jenes in den Raum geschleudert. Was ist denn der Grund unserer hohen Neuverschuldung? ({5}) Der Grund unserer hohen Neuverschuldung ist die wirtschaftliche Schwäche. Die wirtschaftliche Schwäche ist das Ergebnis der Politik dieser Regierung. ({6}) Wenn in den Zeitungen über Steuererhöhungen spekuliert wird, dann doch deswegen, weil auch der letzte Journalist den Glauben daran verloren hat, dass es dieser Regierung gelingen könnte, das wirtschaftliche Wachstum so zu beleben, dass der Bundeshaushalt auf diese Weise gerettet werden kann. ({7}) Dieser Regierung traut man nichts mehr zu, allenfalls Steuererhöhungen - und das ist fatal. ({8}) Der Bundeskanzler wollte verhindern, dass das dem deutschen Volk bekannt wird. Wir können hier heute dokumentieren: Es ist ihm nicht gelungen. ({9}) - Sie müssen sich dies jetzt einmal anhören! - Insofern war Herr Eichel vielleicht einen Hauch klüger. Wenn wir den Brief entgegengenommen und gesagt hätten: „Okay, wir strengen uns jetzt an“, wären vielleicht ein paar hämische Bemerkungen gefallen; aber ansonsten wären Sie durchgekommen. Aber der Versuch des Bundeskanzlers, in seiner Angst vor dem Wähler den blauen Brief zu unterdrücken, hat diese Sache auch für den Deutschen, der sich für Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht interessiert, offensichtlich gemacht. Insofern war es vielleicht doch eine gute Geschichte. ({10}) Europapolitisch ist dies allerdings fatal. Wir stehen vor der Osterweiterung. Wir wollen, dass junge Demokratien zu uns stoßen. Wenn die hören: „Die Regeln in Europa gelten nur für die Kleinen; aber wenn die Großen betroffen sind, werden sie mit einer kräftigen Aktion ausgehebelt“, dann ist das für den Einigungsprozess in Europa ungut. ({11}) Das ist auch für uns ungut. Denn mit einem solchen Umgang mit selbst gesetzten Regeln verletzen wir die Kultur, von der wir letztlich alle profitieren. ({12}) Wir in Europa sind eine Rechtsgemeinschaft, die davon lebt, dass sich alle vertragsgemäß verhalten. ({13}) - Ihre Schreierei und Aufregung dokumentieren das schlechte Gewissen darüber, dass uns die Regierung hier eine peinliche Aktion geboten hat und dass die europäische Öffentlichkeit - schauen Sie einmal in französische, englische und italienische Zeitungen - über das entsetzt ist, was Deutschland der Stabilitätskultur, dem Euro und dem gemeinsamen Projekt Europa angetan hat. ({14}) Das Peinlichste waren die Verschwörungstherorien bzw. Verdachtstheorien des Bundeskanzlers - er glänzt ja heute durch Abwesenheit - in Bezug auf die Kommission. Wie kann man die Hüterin der Verträge, unsere Europäische Kommission, vor der europäischen Öffentlichkeit in einer derart peinlichen Weise verdächtigen, wie das der Kanzler getan hat? Ich erwarte von ihm eine Entschuldigung vor diesem Hause für dieses Vorgehen. ({15}) Ich komme zum Schluss: ({16}) Die Bundesregierung hat dem Euro und Europa durch diese Art und Weise des Umgangs Schaden zugefügt. Es wird Zeit, dass wir eine neue Regierung bekommen. ({17})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe nunmehr das Wort für die SPD-Fraktion dem Kollegen Ludwig Eich.

Ludwig Eich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000446, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hintze, wenn ich Ihnen so zuhöre, fällt mir nur noch die Bibel ein. ({0}) In der Bibel heißt es: Lügenhafte Lippen sind dem Herrn ein Gräuel. - Ihre Aussagen - das muss ich hier sagen waren wirklich gräulich. ({1}) Für mich heißt das heutige Thema: Wie hält es die deutsche Politik mit der Stabilität? Was müssen wir tun, um diesem Ziel gerecht zu werden? Wie ernst nehmen wir das auf nationaler Ebene? ({2}) Hans Eichel hat vor dem Ecofin-Rat klargestellt, dass die Defizitgrenze von 3 Prozent und das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2004 gelten und dass man die Konsolidierung verstärken wird. Er hat sich verpflichtet, auf Bundesebene mit den Bundesländern eine Vereinbarung nach dem Stabilitätspakt zu treffen. Ich stelle fest, dass sich das, was geschehen ist, in völliger Übereinstimmung mit dem befindet, was 1997 als Stabilitätspakt in Kraft getreten ist. ({3}) Natürlich kann man fragen: Wieso ist eine solche Erklärung erforderlich, wenn es doch eine EU-Vereinbarung gibt? ({4}) Die Antwort ist ganz einfach: Weil das Defizit der Bundesländer, unter anderem das von Bayern, erheblich gewachsen ist, ({5}) was gegen diese Stabilitätskriterien verstößt. Das ist die Ursache und das ist der Grund für die notwendigen Klarstellungen. Leider ist es nun notwendig geworden, mit den Ländern zu reden mit dem Ziel, dass die Stabilitätskriterien auf Dauer eingehalten werden. Es geht heute um einen nationalen Stabilitätspakt. Dafür - das kann ich hier feststellen - hat Hans Eichel breite Unterstützung, nicht nur von den Regierungsparteien, sondern zum Beispiel auch von Ernst Welteke, der sagt: Es wird höchste Zeit, einen nationalen Stabilitätspakt zu schließen. Horst Siebert sagt: Ein nationaler Stabilitätspakt ist die wichtigste Voraussetzung für einen ausgeglichenen Gesamtstaatshaushalt. Sein Kollege Wolfgang Wiegard geht gar so weit und sagt: Wir brauchen eine Grundgesetzänderung, damit auch die Bundesländer den Erfordernissen des EU-Vertrages Rechnung tragen. Es geht also schlicht und einfach darum, auch die Länder in ihrer Haushaltspolitik auf europäisches Recht einzuschwören. Das ist der Hintergrund. Es geht also darum, dass die Länder und auch alle Gebietskörperschaften auf die Stabilität des Euro verpflichtet werden. Es ist nicht korrekt und nicht in Ordnung, wenn Hans Eichel einen blauen Brief dafür bekommen soll, dass die Länder eine drastische Erhöhung ihres Schuldenkontos zu verzeichnen haben. Deswegen ist gerade diese Diskussion hier wichtig. ({6}) Leider wird hier von der Opposition ein großes Getöse gemacht und natürlich wird der Versuch der Desinformation unternommen. ({7}) Es soll versucht werden, die Öffentlichkeit darüber im Unklaren zu lassen, wo hier Ursache und Wirkung sind. Ich finde es wichtig, nachzulesen, wie seriös die CDU/CSU und ihr Kanzlerkandidat aus Bayern mit dem Ziel der Stabilität umgehen. ({8}) Weil es wirklich so schön ist und weil Millionen Fernsehzuschauer verfolgt haben, was vor einem Monat bei Frau Merkel, ich meine: Frau Christiansen, passiert ist, möchte ich das hier wiedergeben: Frau Christiansen fragt Herrn Stoiber, was er davon hält, dass Frau Merkel die Schulden erhöhen will. Er antwortet darauf: ... den Spielraum, den wir möglicherweise noch als Verschuldung haben bis zur Grenze 3,0 - darüber hinaus dürfen wir ja nicht gehen; - irgendwie scheint er zu bedauern, dass es eine Grenze von 3,0 gibt ({9}) dann kriegen wir die gelbe oder rote Karte aus Brüssel -, das sind vielleicht 15, 16 Milliarden Mark, die wir überhaupt noch als Spielraum haben, und ich meine, dass wir jedenfalls einen Teil dieses Spielraums hernehmen müssen, um Wachstum anzustreben. Ich entnehme der Antwort Folgendes: Stoiber bedauert sehr, dass es keine beliebige Erhöhung der Staatsverschuldung geben kann. ({10}) Herr Stoiber nimmt in der Tat an, dass er mit 15 oder 16 Milliarden DM, bei einem Bruttoinlandsprodukt von etwa 4 Billionen DM, die Konjunktur ausreichend anschieben kann, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. ({11}) Mit dem Spielraum, den er hier gesehen haben will, wird er bei weitem nicht auskommen. Er will 800 000 neue Jobs im Niedriglohnbereich ohne Neuverschuldung „sponsern“. Er will 10 Milliarden Euro für die neuen Bundesländer ausgeben. Und dann natürlich noch der große Hit: 600 Euro pro Kind im Monat in den ersten drei Jahren, und zwar einkommensunabhängig! 25 Milliarden Euro pro Jahr will er dafür ausgeben. ({12}) Diese angestrebte Neuverschuldung ist wirklich bemerkenswert. Im Grunde ist sie eine Gefährdung der Stabilität des Euro. Professor Peffekoven sagt dazu: Das können wir im Augenblick nicht finanzieren. Deshalb werden wir das alles nicht machen können. ({13}) Die Kommentierung der anderen Experten geht von „bedauerlich“ von Professor Kromphardt über „nicht ernst zu nehmen“ von Professor Seitz bis „Luftnummer“ von Jürgen Borchert. Das sind die Kommentare der Experten zu Ihrer Politik. ({14})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Eich, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Ludwig Eich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000446, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. - Ihre Politik ist nicht überzeugend und - das werden Sie sehen sie ist in diesem Land auch nicht mehrheitsfähig. Vielen Dank. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. Februar, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.