Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich danke
Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Das Wort zu einer Frage gebe ich zunächst dem Kollegen Koppelin.
Herr Staatssekretär, die
Fluggesellschaften in aller Welt und insbesondere in Europa sind in einer schwierigen Situation. In den letzten
Monaten haben wir mit Sabena und Swissair zwei Pleiten
erlebt. Beim Kauf von Airbussen gerade durch diese beiden Gesellschaften hatte die Bundesregierung Ausfallbürgschaften geleistet, sodass jetzt eine Belastung in
Höhe von etwa 250 Millionen Euro auf uns zukommt,
dem natürlich der Wert der bestellten Flugzeuge entgegensteht. Beabsichtigt die Bundesregierung, weiterhin
Bürgschaften auszusprechen, wenn Airbusse von Fluggesellschaften bestellt werden, und sieht sie noch Risiken
bei Fluggesellschaften, deren Bilanzen im Augenblick
nicht so gut sind?
Herr Koppelin,
Sie stellen den Sachverhalt richtig dar. Die Standorte, an
denen der Airbus produziert wird - vor allen Dingen
Deutschland und Frankreich -, haben eine hohes Interesse
daran, dass moderne Flugzeuge verkauft werden. Deshalb
werden wir unsere Sicherungspolitik auch nicht ändern.
Wir werden allerdings sehr genau hinschauen, von welchen Linien die Flugzeuge bestellt werden und wie deren
ökonomische Situation ist. Manche waren ja - nicht bei
Sabena, aber bei Swissair - über die Entwicklung überrascht. Bei solchen Absicherungen ist es also zwingend
geboten, sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des bestellenden Unternehmens genau anzuschauen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in
Ihrem Bericht habe ich zumindest eine Andeutung über
eine Zusammenarbeit mit osteuropäischen Staaten vermisst. Wir wissen, dass es auch dort eine positive Entwicklung bei Großraumtransportflugzeugen gibt. Sehen
Sie nicht auch die Gefahr, dass angesichts der augenblicklichen Diskussion um das Transportflugzeug A400M
und des wirklich amateurhaften Verhaltens des Verteidigungsministers die Briten eine Chance erkennen, auszusteigen und mit den USA das Großraumtransportflugzeug
zu bauen, wenn es auf unserer Seite so weitergeht, sodass
wir quasi gezwungen wären, zum Beispiel mit der
Ukraine ein neues Transportflugzeug zu entwickeln?
Zunächst weise
ich mit Entschiedenheit Ihre Bemerkung zurück, die auf
den Verteidigungsminister zielte.
({0})
Der Verteidigungsminister hat übrigens auch auf der
Grundlage der Entscheidung des Parlaments alles getan,
damit wir nach 30 Jahren endlich wieder ein Transportflugzeug bekommen.
({1})
Deutschland befindet sich in einer blamablen Situation:
({2})
Wir sind im Hinblick auf Transportflugzeuge nicht handlungsfähig, da es im letzten Jahrzehnt leider versäumt
worden ist, dafür zu sorgen, dass eine hoch entwickelte
Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik über ein modernes, leistungsfähiges Transportflugzeug verfügt.
Herr Koppelin, Sie haben Recht: Wir haben verschiedene Varianten geprüft, auch die Frage einer Beteiligung
am Bau der „Antonow“. Sie wissen, dass dabei eine große
Rolle gespielt hat, wie viele Arbeitsplätze entstünden und
wie viele Kernkompetenzen, die wir an unserem Standort
haben, umgesetzt werden könnten. Ich bin aber davon
überzeugt, dass der jetzt eingeschlagene Weg richtig ist,
und hoffe sehr, dass es nach der A400M-Entscheidung
jetzt rasch zum Bau der Flugzeuge kommt. Das ist für die
Arbeitsplätze in Deutschland von großer Wichtigkeit,
aber auch im Hinblick darauf von besonderer Bedeutung,
dass wir das Transportflugzeug dringend brauchen.
Das bedeutet allerdings nicht - das sage ich ausdrücklich -, dass wir nicht die Zusammenarbeit mit Ländern
Mittel- und Osteuropas suchten. Insbesondere in der
Ukraine und in Russland, aber auch in angrenzenden mitteleuropäischen Staaten gibt es enorme Fähigkeiten gerade in dieser Branche, die wir gemeinsam nutzen wollen.
Es gibt eine Reihe von Kooperationsideen, die wir umsetzen wollen. Gleichwohl sind wir entschlossen, das Flugzeug A400M herzustellen, sodass wir endlich einen guten
Transporter zur Verfügung haben werden.
Herr Kollege Rossmanith.
Herr Staatssekretär, wenn ich boshaft wäre - aber das bin ich nicht -,
würde ich Sie jetzt fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass wir
mit der Wiedervereinigung Deutschlands zusätzliche internationale Verpflichtungen im militärischen Bereich
eingehen mussten und deshalb eine andere Kapazität erforderlich war, weshalb bereits seit Beginn der 90er-Jahre
die Diskussion um ein Nachfolgemodell für die Transall
geführt wird und dabei - Sie haben es angedeutet - mehrere Alternativen angesprochen wurden. Ich bin aber nicht
boshaft und will diese Frage nicht stellen.
Ich stelle eine ganz kurze Frage zum Luftfahrtforschungsprogramm III: Hat sich die Bundesregierung
schon Gedanken über die Höhe der finanziellen Ausstattung dieses Luftfahrtforschungsprogramms gemacht oder
besteht im Moment nur der Wille, dieses Programm unter dem Titel „Luftfahrtforschungsprogramm III“ fortzusetzen?
Herr
Rossmanith, wenn Sie gestatten, dass ich die Frage, die
Sie eigentlich gar nicht gestellt haben, dennoch beantworte, dann erlaube ich mir den Satz: Liebe Kolleginnen
und Kollegen, der Transporter A400M wird nicht nur für
militärische Belange interessant sein - das ist meine feste
Überzeugung -, sondern insbesondere auch für humanitäre Hilfen. Das darf man nicht unterschätzen. Wir
brauchen dringend Transportkapazitäten in diesem Bereich. Deshalb war es ungeachtet der veränderten politischen Situation wichtig, diesen Weg zu gehen.
({0})
- Ich sage ja, dass es nicht nur ein Militärflugzeug ist. Es
ist ein Flugzeug, das man gerade im humanitären Bereich
dringend braucht.
Zu Ihrer Frage im Hinblick auf das Luftfahrtforschungsprogramm III: Ja, wir haben uns Gedanken
gemacht. Wir haben auch präzise Vorstellungen. Ich habe
eben einige inhaltliche Schwerpunkte dieses Programms
genannt. Es geht dabei vor allem um Triebwerkstechnik,
um die Emissionsreduzierung, um Lärmreduzierung und
um die Reduzierung des Treibstoffverbrauchs. Wir setzen
also besondere Akzente für dieses Luftfahrtforschungsprogramm.
Ich sage das Folgende ausdrücklich auch in einer Regierungsbefragung: Wir haben in den letzten Jahren interfraktionell in diesem Bereich so gut zusammengearbeitet,
dass es sogar gelungen ist, eine Länderbeteiligung am
Luftfahrtforschungsprogramm zu erreichen. Ich sage
das gerade dem Kollegen Rossmanith, weil sowohl der
Bremer Bürgermeister als auch die Bayerische Staatsregierung dabei geholfen haben. So können wir sagen:
Wir haben mit dem Lufo II ein gutes Programm realisieren können. Die Industrie hat einen höheren Anteil als bei
Lufo I gezahlt. Wir haben auch eine Bund-Länder-Beteiligung erzielt. Ich hoffe sehr, dass wir das in dieser Weise
fortsetzen können.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
ist die Bundesregierung bereit, das Ziel der weiteren Lärmreduzierung in ihre Öffentlichkeitsarbeit aufzunehmen,
damit endlich der Unfug aufhört, dass sofort, wenn im
Rahmen der Konversion die weitere fliegerische Nutzung
eines aufgegebenen Fliegerhorstes im zivilen Bereich andiskutiert wird, Bürgerinitiativen wegen des Lärms ein
Riesenspektakel veranstalten?
Ich halte es für notwendig, dass wir diese Thematik
nicht immer nur hier diskutieren und diesbezügliche Aktivitäten entfalten, sondern auch in der Öffentlichkeit
kundtun, welche Fortschritte gemacht wurden und durch
dieses Programm weiter erzielt werden sollen und auch
können.
Herr
Rossmanith, in einer Demokratie muss man aushalten,
dass es Kritik gibt; mit ihr muss man sich auseinander
setzen. Das tun wir auch. Wir sind souverän genug, die
Bürger ernst zu nehmen, wenn sie diese Standpunkte vertreten. Das ist auch wichtig.
Ich glaube, dass es eine Informationslücke hinsichtlich
der erzielten technischen Fortschritte gibt. Wir hatten in
den letzten zehn Jahren bei der Lärmreduzierung einen
Quantensprung, übrigens auch, weil wir bei der Forschung zur Triebwerkstechnik darauf gedrängt haben.
Man kann das bei MTU genau beobachten. Dort wurden
geradezu Quantensprünge gemacht. Die Lärmemission
der Flugzeuge ist deutlich geringer geworden. Der Lärmteppich eines modernen Airbusses, wie man das im Fachchinesisch nennt, ist mit dem eines Flugzeuges von vor
30 Jahren völlig unvergleichbar. Es ist wirklich ein großer
Fortschritt erzielt worden.
Ich nutze die Gelegenheit Ihrer Frage, diesen Umstand
einer großen Öffentlichkeit deutlich zu machen. Ich bin
gern bereit, im Rahmen der Möglichkeiten der Bundesregierung - ich hoffe dabei auf Ihre Unterstützung - alles zu
tun, um öffentlich zu vermitteln, dass wir wirklich Fortschritte gemacht haben. Was die Triebwerkstechnik angeht, gelten wir hinsichtlich der Lärmreduzierungen inzwischen als erste Adresse in der Welt.
Herr Kollege Straubinger.
Herr Staatssekretär,
Sie haben sehr umfangreich auf die Erfolge der Vergangenheit hingewiesen. Wir sind uns alle - auch parteiübergreifend - darin einig, dass Erfolge erzielt wurden, aber
zukünftig noch Verbesserungen bei der Flugsicherheit,
dem Treibstoffverbrauch und dergleichen erreicht werden
müssen. Die erreichten Erfolge sind auch auf die Luftfahrtforschungsprogramme der Vergangenheit zurückzuführen.
Ich möchte in Erinnerung rufen, dass das erste Luftfahrtforschungsprogramm unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl für die Jahre 1995 bis 1998 mit
600 Millionen DM seitens des Bundes ausgestattet war.
Das Nachfolgeprogramm unter der Verantwortung Ihrer
Regierung für die Jahre 1999 bis 2002 ist mit 240 Millionen DM ausgestattet. Der Zeitraum für dieses Programm ist fast abgelaufen. Was passiert in den folgenden
Jahren?
Sie haben vorhin angekündigt, die Bundesregierung
überlege, ein Luftfahrtforschungsprogramm III aufzulegen. Die bloße Absicht nützt aber sehr wenig, weil die
Forschungseinrichtungen dauerhaft für die Zukunft planen müssen. Können Sie uns bereits heute darlegen, wie
das Luftfahrtforschungsprogramm III nach den Vorstellungen der Bundesregierung ausgestattet sein soll - nicht
nur in den Zielstellungen, sondern auch in finanzieller
Hinsicht - und in welchem Zeitraum es verwirklicht werden soll?
Herr
Straubinger, ich danke Ihnen für den Hinweis. Ich kann
mich sehr gut daran erinnern, dass wir kurz nach der
Übernahme der Regierungsverantwortung im Jahre 1998
die Chefgespräche für unseren Haushalt hatten und sozusagen binnen kürzester Frist das Lufo II gestartet haben. Sie haben darauf abgehoben, wir hätten 50 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen, während es vorher insgesamt 600 Millionen DM gewesen seien. Der Grund liegt
in der Unterschiedlichkeit unseres Staatsverständnisses.
Wir glauben, dass der Staat nicht alles finanzieren muss.
Das Programm ist genauso umfangreich wie vorher, nur
zahlt jetzt die Industrie ein bisschen mehr.
Wir finden, es ist in Ordnung, dass wir die Industrie
- vor allem, wenn es der Wirtschaft gut geht; Sie wissen,
die Branche hat sich gut entwickelt - einladen, einen eigenen Beitrag zu leisten. Ich bin ein bisschen stolz darauf
- es haben viele mitgeholfen, ich will es trotzdem hervorheben -, dass es uns gelungen ist, mit der Beteiligung der
Länder, die genauso viel wie der Bund getragen haben,
mit Lufo II ein erhebliches Programm, das auch gut läuft,
zustande bekommen zu haben. Wenn Sie mich persönlich
fragen, muss ich Ihnen sagen: Wir haben gute Ideen in der
Sache, haben das Programm aber noch nicht quantifiziert.
Dies sollte im Anschluss an das Lufo II im Jahre 2003 beginnen. Sie wissen, wie die Entscheidungsprozesse sind.
Deshalb ist es wichtig, dass das Programm in den Haushalt 2003 eingestellt wird.
Zusatzfrage.
Ich entnehme dem
Stenographischen Bericht über die Sitzung vom 24. Januar, dass die Kollegin Margit Wetzel mindestens 50 Millionen Euro jährlich für ein Luftfahrtforschungsprogramm III für erforderlich hält. Ist die Bundesregierung
bereit, für das Luftfahrtforschungsprogramm jährlich
50 Millionen Euro in den Haushalt einzustellen?
Herr Kollege
Straubinger, der Standpunkt und die Meinung einer sehr
kompetenten Kollegin wie Frau Wetzel werden natürlich
bei der Bundesregierung auf offene Ohren stoßen. Das ist
gar keine Frage.
({0})
- Wenn Sie schon einmal im Flugzeug gesessen hätten,
dann wüssten Sie, dass Sie es mit ruhiger Hand steuern
müssen. Dabei können Sie nicht „herumfiebern“,
({1})
sondern Sie müssen steuern. Das tun wir auch.
Frau Wetzel kommt aus einer Region, in der die Luftfahrtindustrie eine große Rolle spielt. Sie weiß deshalb
auch ein bisschen, was notwendig ist. Meine persönliche
Meinung ist - ich habe das eben bereits ausgeführt -: Wir
brauchen ein Lufo III etwa mit 50 Millionen Euro pro
Jahr. Das würde diesen Zahlen entsprechen.
Weitere
Fragen liegen nicht vor. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir haben die Regierungsbefragung früher als vorgesehen beendet. In Abstimmung mit den Fraktionen unterbreche ich die Sitzung bis 13.35 Uhr.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
- Drucksache 14/8246 Zu Beginn der Fragestunde behandeln wir gemäß
Nr. 15 der Richtlinien für die Fragestunde vier schriftliche
Fragen der Abgeordneten Ilse Aigner und vier schriftliche
Fragen der Abgeordneten Susanne Jaffke.
Ich rufe zunächst die Fragen der Abgeordneten Ilse
Aigner auf:
2/42 Welche militärischen und wirtschaftlichen Gründe
waren ausschlaggebend, die Entscheidung, das Fernmeldebataillon Dillingen zu schließen, zu ändern und dafür das Fernmeldebataillon am Standort Murnau aufzulösen, und wie stellt sich der
Sanierungsbedarf bzw. Bauzustand bei beiden Standorten dar?
2/43 Welche militärischen Gründe ({0}) gibt es für eine Verlegung der Fernmeldeschule des Heeres von Feldafing/Pöcking nach Günzburg, Dillingen, Donauwörth oder einen anderen Standort und sind bei
diesen Standorten ausreichend Grundstücksflächen in öffentlicher
Hand vorhanden?
2/44 Wie hoch sind die zusätzlichen Kosten, die durch eine
Verzögerung der geplanten und unabwendbar notwendigen Sanierungsarbeiten, unabhängig von der momentan geplanten Verlegung, an den Lehrsaalgebäuden und der Abwasserentsorgung
der Fernmeldeschule Feldafing entstanden sind bzw. noch entstehen werden?
2/45 Ist nach jetzigen Erkenntnissen ein Lehrbetrieb nach
dem 1. Januar 2003 in der Fernmeldeschule Feldafing sichergestellt und wann ist der letztmögliche Zeitpunkt, mit den Sanierungsarbeiten bzw. dem Bau von Lehrsaalersatzflächen zu beginnen?
Da die Fragen inzwischen schriftlich beantwortet sind,
kann die Fragestellerin nur fragen, warum die Antworten
nicht innerhalb der Wochenfrist gegeben wurden.
Frau Kollegin Aigner, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Schulte! Warum
ist die Antwort auf die von mir am 6. Februar gestellten
Fragen nicht fristgemäß Ende der letzten Woche, sondern
erst heute früh um 10.48 Uhr per Fax eingegangen?
({0})
Herr Kollege, angesichts der
zwischen uns geführten umfangreichen Korrespondenz
muss ich darauf hinweisen, dass kein Ministerium mehr
Anfragen hat als das BMVg.
({0})
Liebe Frau Kollegin Aigner, zunächst einmal entschuldige ich mich dafür, dass das passiert ist. Ich muss aber
darauf hinweisen, dass sich 90 Prozent unserer Mitarbeiter in Bonn und 10 Prozent in Berlin befinden. Die tüchtigen Mitarbeiter vom Parlaments- und Kabinettsreferat
waren bis auf einen Mitarbeiter, der Ihnen geschrieben
hat, bedauerlicherweise erkrankt. Das ist wahr. Im Rheinland wurde zu dieser Zeit - Sie werden sich sicher erinnern - Karneval gefeiert, was eine mehrtägige Freizeit bedeutet. Es handelt sich um den Zeitraum zwischen
Weiberfastnacht und Rosenmontag. - Es tut mir Leid. Ich
habe versucht, Ihnen die Antwort wenigstens heute Nacht
zukommen zu lassen. Ich habe die Antwort gestern Abend
unterschrieben.
Herr Präsident, ich bin gern bereit, die Antwort hier
vorzutragen.
Das brauchen Sie nicht. Frau Kollegin Aigner hat aber eine Zusatzfrage.
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, auf die von mir gestellte Frage nach den wirtschaftlichen und militärischen Gründen für die Änderung
der Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung, nämlich statt des Fernmeldebataillons am Standort
Dillingen nun das Fernmeldebataillon am Standort Murnau aufzulösen, wurde wie folgt geantwortet:
Von der ursprünglichen, mit dem Entwurf des Ressortkonzepts Stationierung vom 29. Januar 2001 bekannt gegebenen Absicht, das Fernmeldebataillon 230 in Dillingen aufzulösen, wurde Abstand
genommen.
Wieso konnte für eine derartig lapidare Antwort bzw.
Nichtantwort, die in jeder Zeitung nachzulesen war, die
Frist nicht eingehalten werden? Das hätten Sie überall abschreiben können.
({0})
Frau Kollegin, es handelte sich
- Sie erinnern sich - nicht nur um eine Frage. In meinen
Unterlagen befinden sich vier Fragen.
({0})
Ich habe versucht, Ihnen auf alle Fragen eine Antwort zu
geben. Ich habe begründet, warum die Nähe zu Dillingen
hinsichtlich der weiteren Zusammenarbeit wichtig ist. Sie
haben sich ja auch mit der Verlegung der Schule beschäftigt. Offensichtlich aus diesem Grund wurde das Fernmeldebataillon in Murnau aufgelöst und die Liegenschaft
aufgegeben.
Ich habe versucht, Ihnen korrekt und nach bestem Wissen und Gewissen zu antworten.
Frau Kollegin Aigner, möchten Sie auch zu den anderen Fragen in
der gleichen Art und Güte Zusatzfragen stellen?
Wenn ich darf, möchte ich
das tun.
Ich habe noch eine Frage zu der Frist. Frau Staatssekretärin, ich akzeptiere selbstverständlich Ihre Entschuldigung. Am Freitag hätte ich noch die Möglichkeit
gehabt, mündliche Fragen, und zwar sachliche, für die
heutige Fragestunde nachzureichen. Da die Antwort allerdings erst heute eingegangen ist, konnte ich von dieser
Möglichkeit keinen Gebrauch machen.
Jeder weiß, dass in Bayern am 3. März Kommunalwahlen stattfinden. Könnte das Vorgehen - das könnte
man böswilligerweise unterstellen - in Ihrem Ministerium damit zusammenhängen?
Ich habe Ihre Frage gestern
Abend auf den Tisch bekommen und war ganz entsetzt.
Um keinen Tadel vom Präsidenten zu bekommen, wollte
ich Ihnen wenigstens noch gestern Abend eine Antwort
geben, und zwar in der Erkenntnis, dass Sie heute Nachmittag Zusatzfragen stellen können. Ich beantworte Ihnen, wie Sie wissen, gern alle Fragen. Das ist klar. Ich
habe es überhaupt erst gestern Abend erfahren, dass sie
nicht beantwortet worden waren. Ich habe Ihnen deshalb
unsere Antwort vorweg geschickt, damit Sie noch weiter
fragen können.
Ich kann
jetzt allerdings nur die Fragen zulassen, die nach Nr. 15
der Richtlinien für die Fragestunde zulässig sind. Deshalb
muss ich die Kollegin Aigner trotz der Bereitschaft der
Frau Staatssekretärin darauf hinweisen, dass sie nur nach
dem Warum und Wieso, nicht aber nach weiteren inhaltlichen Dingen fragen darf.
Ich möchte meine Frage auf
alle vier Fragen bezogen wissen: Warum sind die Fragen
nach Zahlen - es handelt sich ja um Binsenweisheiten,
die, wie gesagt, in allen öffentlichen Dokumenten enthalten und auch an den Standorten bekannt sind - nicht schon
frühzeitiger von Ihrem Haus - nicht von Ihnen persönlich,
Frau Staatssekretärin; ich nehme Ihnen ja die Entschuldigung auch ab, da ich Sie persönlich schätze - beantwortet
worden? Es haben, wie gesagt, schon alle Zahlen vorgelegen und die Antworten sind teilweise, mit Verlaub,
falsch gewesen.
Ich kann das, was Sie jetzt sagen, nicht widerlegen, aber ich kann das, wenn es stimmt,
dadurch wieder gutmachen, dass ich Ihnen anbiete, dass
wir ein Gespräch darüber führen und Sie dabei eine sorgfältigere Auskunft bekommen.
Mit meiner Vorgehensweise hatte ich eigentlich das
Gegenteil erreichen wollen, Herr Präsident: Die Fragende
sollte, von den Antworten ausgehend, die ihr vorher mitgeteilt wurden, weitere Fragen stellen können.
Als ehemalige Parlamentarische Geschäftsführerin kennen Sie ja
wohl die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.
Ich stimme Ihnen ausdrücklich
zu. Ich war dabei aber, wie Sie wissen, immer etwas
großzügiger.
Frau Kollegin Aigner, können Sie sich mit dem vorgeschlagenen
Verfahren einverstanden erklären?
Wir werden es so versuchen
oder auf einem anderen parlamentarischen Weg.
Danke
schön.
Ich rufe jetzt die Fragen der Kollegin Susanne Jaffke
auf:
1/218 Ist es richtig, dass die Standortverwaltungen im Bereich operatives Liegenschaftswesen der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH ({0}) unterstellt
wurden und, wenn ja, treffen diese Entscheidungen auch für die
Standortverwaltungen Neubrandenburg, Torgelow und Eggesin
zu?
1/219 Inwiefern will die Bundesregierung an diesen Standorten die bisherigen Ausbildungsplätze in Anzahl und Qualität
sicherstellen und erhalten?
1/220 Wie viel ziviles Personal an den Standorten Neubrandenburg und Torgelow ist davon betroffen und in Kenntnis gesetzt
worden?
1/221 Wie viel ziviles Personal an den Standorten Neubrandenburg und Torgelow ist von Entlassung bzw. Umsetzung betroffen?
Der Sachverhalt unterscheidet sich nicht von dem bei
den Fragen der Kollegin Aigner.
So ist es. In der Tat
wurden auch die von mir schriftlich eingereichten Fragen
vom Bundesverteidigungsministerium nicht fristgerecht
beantwortet. Bei mir ist der etwas ungewöhnliche Umstand eingetreten, dass die Antwort der Parlamentarischen
Staatssekretärin aus ihrem Büro per Fax um 22.42 Uhr am
19. Februar abgesandt wurde und mein Büro erreichte. Ich
hoffe ja sehr - so könnte ich ketzerischerweise sagen dass die Arbeitnehmerrechte durch einen Arbeitseinsatz
nach 22 Uhr nicht vernachlässigt wurden.
({0})
So möchte auch ich in diesem Zusammenhang fragen:
Warum ist die fristgerechte Beantwortung der Fragen
nicht möglich gewesen?
Ich wiederhole es noch einmal:
90 Prozent unserer Mitarbeiter sind in Bonn; das war eine
Entscheidung des Bundestages, die meine Zustimmung
und die verschiedener Kollegen damals nicht gefunden
hat, die aber erfolgt ist. In der Tat gab es im Rheinland von
Weiberfastnacht bis zum Rosenmontag einschließlich
eine besondere Situation
({0})
- nein, am Dienstag müssen sie arbeiten, da war ich nämlich auch da -, sonst hätten wir natürlich Leute von Bonn
nach Berlin geholt. Bis auf einen Mitarbeiter hat nämlich
eine Grippewelle alle in Berlin erfasst. Soweit meine Antwort darauf, Frau Kollegin Jaffke.
Wenn Sie aber ernsthaft glauben, dass Mitarbeiter im
Leitungsbüro eines Ministeriums eine geregelte Arbeitszeit haben, dann irren Sie sich; denn in Sitzungswochen
trifft das ganz bestimmt nicht zu. Als Entschädigung dafür
gibt es ja auch eine Ministerialzulage. Wir sind übrigens
noch später nach Hause gegangen.
Zusatzfrage?
Dieses Schicksal ereilt
uns ja alle. Trotzdem hätte ich zu den Fristen noch eine
Nachfrage. Ich habe mich selbstverständlich in der sitzungsfreien Woche um die fristgerechte Beantwortung
meiner Fragen über das Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages bemüht. Von dort wurde mir in einem
Rückruf mitgeteilt, dass die Hardthöhe deshalb nicht in
der Lage war, mir die Fragen innerhalb der Frist zur
Beantwortung vorzulegen, weil kein unterschriftsberechtigtes Leitungsmitglied erreichbar war. Können Sie das
bestätigen?
({0})
Wenn nicht, müsste ich den Leiter des Parlamentssekretariats der Bundestagsverwaltung bemühen, diese
Aussage, die er mir gegenüber persönlich gemacht hat,
zu bestätigen. Könnten Sie dazu bitte noch eine Auskunft
geben?
({1})
Frau Kollegin Jaffke, das kann
ich ausdrücklich nicht bestätigen, es sei denn, die Fragen
wären an das Büro meiner Kollegen gegangen und dort
liegen geblieben.
Im Zeitalter der modernen Kommunikationstechniken
bin ich in der Lage - ich habe die EDV nämlich mit eingeführt -, mir solche Unterlagen, wenn sie mir gemailt
werden, jederzeit in meinem Wahlkreis in Hameln ausdrucken zu lassen und Ihnen selbstverständlich eine Antwort zu geben. Das kann nicht der Grund gewesen sein.
Denn selbst am Rosenmontag war ich für die Berliner erreichbar, allerdings nicht für die Bonner; denn die waren
nicht da. Das kann es also nicht gewesen sein. Ich bin ganz
erstaunt, dass es heißt, es sei kein unterschriftsberechtigtes Mitglied erreichbar gewesen. Das höre ich zum ersten
Mal.
Dann würde ich Sie
herzlich bitten, sich darum zu kümmern.
Da die Antwort auf die schriftlich gestellten Fragen inhaltlich nicht ausreichend ist, möchte ich nachfragen: Ist
es möglich, dass Sie gestern den Weg der nächtlichen
Beantwortung der Fragen auch deshalb genutzt haben,
um heute einer inhaltlichen Nachfrage aus dem Wege zu
gehen?
Nein.
Dann können wir drei Feststellungen treffen:
Erstens. Das Gesprächsangebot der Frau Staatssekretärin Brigitte Schulte gilt auch gegenüber der Kollegin
Susanne Jaffke.
({0})
Zweitens. Sie können natürlich für die nächste Sitzungswoche erneut Fragen einreichen.
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Drittens. Da die Karnevalszeit zu Ende ist, können wir
davon ausgehen, dass die Mitglieder der Bundesregierung
die Fragen, die in Zukunft gestellt werden, fristgerecht innerhalb einer Woche beantworten werden.
({1})
Ich danke Ihnen, Frau Schulte, und rufe nunmehr die
übrigen Fragen in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Heidi Lippmann auf:
Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass ein Kriegsdienstverweigerungsantragsteller im Gegensatz zum Wehrpflichtigen ein selbst zu bezahlendes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen muss?
Frau Kollegin Lippmann, nach § 2 Abs. 2 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes ist dem Antrag auf Kriegsdienstverweigerung ein polizeiliches Führungszeugnis
beizufügen. Die Vorlage des Führungszeugnisses soll die
Anerkennung von Antragstellern verhindern, die wegen
bestimmter krimineller Taten verurteilt worden sind. Es
handelt sich dabei um Taten, die eine Gewaltbereitschaft
erkennen lassen und daher mit der behaupteten Gewissensentscheidung nicht vereinbar erscheinen. Das Führungszeugnis dient dem Antragsteller zum Nachweis seiner
Rechtsposition. Aus diesem Grunde ist es grundsätzlich angebracht, dass der Antragsteller die mit diesem Nachweis
verbundenen Kosten trägt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass bei der Beantragung des Führungszeugnisses
auch eine Gebührenbefreiung wegen Mittellosigkeit beantragt werden kann. Mittellosigkeit wird bei Schülern,
Studenten, Auszubildenden und bei Empfängern von Sozialhilfe vermutet.
Es hat sich allerdings herausgestellt, dass der Anteil der
Ablehnungen der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer wegen einer Eintragung im Führungszeugnis
äußerst gering ist. Aus diesem Grunde wird derzeit innerhalb der Bundesregierung geprüft, ob die in § 2 Abs. 2
Kriegsdienstverweigerungsgesetz festgelegte Vorlagepflicht geändert werden sollte.
Zusatzfrage
der Kollegin Lippmann.
Vielen Dank für die Auskunft, Frau Staatssekretärin. Wenn meine Frage der Anlass dafür sein sollte, dass eine solche Prüfung vorgenommen wird, wäre ich sehr dankbar. Aber ich gehe nicht
davon aus, dass Sie das mit Ja beantworten werden.
Ist denn geplant, im Prüfungszeitraum alle Kriegsdienstverweigerungsantragsteller von der Gebührenerhebung zu befreien?
Nein, das ist nicht geplant. Wir prüfen zurzeit, ob diese
Vorschrift, das polizeiliche Führungszeugnis vorzulegen,
noch sinnvoll ist.
Darüber hinaus muss ich Sie daran erinnern, dass wir
immer nach Wegen zur Verwaltungsvereinfachung suchen. Wenn sich herausstellt, dass das polizeiliche
Führungszeugnis bei der Anerkennung so gut wie gar
keine Rolle mehr spielt, weil nichts drin steht, dann ist die
Abschaffung dieser Vorschrift aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sinnvoll. Allerdings überlegen wir
zugleich, ob wir die Vorlage eines Führungszeugnisses
durch eine Regelanfrage, wie im Wehrpflichtgesetz vorgesehen, ersetzen werden.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich
freue mich natürlich, dass diese Prüfung erfolgt, aber wie
wir ja wissen, dauert eine solche Prüfung in Ihrem Hause
sehr lange. Das vermute ich einfach einmal.
({0})
Es müsste auch noch eine Gesetzesänderung erfolgen,
weil die Verpflichtung zur Vorlage eines Führungszeugnisses im Kriegsdienstverweigerungsgesetz steht. Ist geplant, diese noch in dieser Legislaturperiode, also bis zur
letzten Sitzungswoche Anfang Juli, durchzuführen?
Zunächst einmal möchte ich auf Ihre erste Bemerkung,
dass Ihre Frage vielleicht dazu geführt hat, dass diese Prüfung stattfindet, eingehen. Ich muss Sie enttäuschen. Auf
der Arbeitsebene wird schon länger darüber geredet. Ich
kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob die Änderung des Gesetzes in dieser kurzen Zeit noch möglich sein wird.
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin, und rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht
Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.
Ich rufe Frage 2 der Frau Kollegin Lippmann auf:
Wurde die Bundesregierung von US-amerikanischer oder bosnischer Seite informiert, bevor die bosnische Regierung am 18. Januar 2002 trotz des wegen nicht vorgelegter Beweise ergangenen
gegensätzlichen Urteils des höchsten bosnischen Gerichtes sechs
von den USA des Terrorismus verdächtigte Algerier an Soldaten
des amerikanischen SFOR-Kontingentes auslieferte ({0}), und welche Rechtsgrundlage sieht die Bundesregierung für diese Vorgehensweise,
auch vor dem Hintergrund ihres Engagements für den Aufbau
einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung, deren untrennbarer Bestandteil die Gewaltenteilung ist?
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Frau Kollegin Lippmann! Die Bundesregierung erhielt vorab keine Informationen vonseiten der USA bzw.
von der Regierung von Bosnien und Herzegowina über
die geplante Überstellung der sechs Algerier, nach denen
Sie gefragt hatten.
Die Prüfung der Frage nach der einschlägigen Rechtsgrundlage ist eine innerstaatliche Angelegenheit und obliegt den zuständigen Stellen in Bosnien und Herzegowina.
Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang
jedoch auf die intensiven Bemühungen der Regierung von
Bosnien und Herzegowina, ihren Verpflichtungen aus den
Resolutionen 1368 und 1373 der Vereinten Nationen nachzukommen und den Terrorismus effektiv zu bekämpfen.
Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Können Sie mir sagen, aufgrund welcher internationalen rechtlichen Grundlage - über diese beiden von
Ihnen genannten Resolutionen hinaus - die Überstellung
oder die Auslieferung dieser sechs Algerier, die unter dem
Verdacht standen, al-Qaida-Mitglieder zu sein, an das
amerikanische SFOR-Kontingent erfolgte? Ich frage ganz
konkret nach der internationalen rechtlichen Grundlage.
Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus den beiden gerade genannten Resolutionen. Das sind nicht irgendwelche Meinungsäußerungen, sondern das sind die von den
Vereinten Nationen festgelegten Prinzipien, nach denen
der Terrorismus bekämpft werden soll und nach denen
sich alle Länder zu richten haben. Dazu haben sich diese
verpflichtet.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Es fällt zwar nicht in den
Kompetenzbereich der Bundesregierung, aber es ist doch
von einem darüber hinausgehenden Interesse innerhalb
des NATO-Bündnisses, der KFOR-Truppen und der Antiterrorallianz, ob bekannt ist, was mit diesen sechs algerischen Gefangenen geschehen ist. Sind sie in die USA verbracht worden? Welchen Status erhalten sie dort?
Es bestand ein begründeter Anfangsverdacht, dass
die sechs Personen Mitglieder des al-Qaida-Netzwerkes
sind. Nach unseren Informationen werden sie in die USA
oder in eines der von den Vereinigten Staaten betriebenen
Kriegsgefangenenlager gebracht. Unserer Auffassung
nach müssten sie dort wie Kriegsgefangene behandelt
werden. Auf jeden Fall haben sie ein Anrecht auf ein faires Verfahren.
Ich danke
Ihnen, Herr Staatsminister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Frage 3 der
Kollegin Dr. Elke Leonhard wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau und Wohnungswesen auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann wird die
Fragen beantworten.
Ich rufe zunächst die Frage 4 des Kollegen Hans
Michelbach auf:
Welche Initiativen plant die Bundesregierung zur Anbindung
der oberfränkischen Industriestandorte nach dem Rückzug der DB
Cargo?
Vielen
Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Michelbach, die
Bundesregierung steht zu den mit der Bahnreform verfolgten Zielen, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen,
die finanzielle Belastung der Steuerzahler durch die
Schiene zu begrenzen und die Wirtschaftlichkeit einer unternehmerisch geführten Deutschen Bahn AG zu erreichen.
Die Entwicklung einer modernen und leistungsfähigen
Bahn ist ein Kernelement der integrierten Verkehrspolitik.
Die Bundesregierung wird ihren Beitrag dazu mit ordnungs- und investitionspolitischen Maßnahmen weiterhin
leisten. Seine Verantwortung nach Art. 87 e Abs. 4 Grundgesetz nimmt der Bund dadurch wahr, dass er entsprechend dem Verkehrsbedarf und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel Investitionen in die
Schienenwege der Eisenbahn des Bundes finanziert. Dies
schafft, insbesondere auch durch die im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms erhöhten Leistungen des
Bundes, Möglichkeiten, Nachfragepotenziale zu aktivieren, und ist deshalb sinnvoller, als auf dem Markt nicht
konkurrenzfähige Angebote zu subventionieren.
Mit der Bahnreform ist verbunden, dass nach dem
maßgeblichen Aktienrecht ein direktes Einwirken des
Bundes auf die unternehmenspolitischen Entscheidungen
des Vorstandes der Deutschen Bahn AG nicht zulässig ist.
Nach Auskunft der DB Cargo in Nürnberg laufen für den
angesprochenen Raum derzeit noch Kooperationsverhandlungen zur Übernahme der Bedienung durch nicht
bundeseigene Eisenbahnen.
Zusatzfrage.
Mir geht es, Herr
Staatssekretär, um das Vorgehen der Deutschen Bahn AG
in diesem Bereich. Natürlich ist es richtig, was Sie hinsichtlich der Nachfragepotenziale sagen; aber es ist auch
richtig, dass man Wettbewerb zulassen muss. Die Deutsche Bahn AG betreibt durch eine Art unternehmerische
Rosinenpickerei einen unzulässigen Wettbewerbsausschluss, indem sie den interessierten privaten Anbietern
den Zutritt in eine geschlossene Region in Oberfranken
verweigert. Damit belastet sie die Wirtschaft in der Region, die keine Alternative bezüglich einer Verbesserung
der Verkehrsanbindung hat. Das heißt, Sie haben eine
Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur, aber die DB
Cargo friert die Nachfragepotenziale zulasten anderer Anbieter ein.
Der Eigentümer Bund, Herr Kollege Michelbach, hat natürlich
ein ordnungspolitisches Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb im Schienennetz. Nur durch Wettbewerb
auf der Schiene wird der Verkehrsträger insgesamt attraktiver und wird sich gegen die Konkurrenz, insbesondere
die Straße, besser behaupten können. Bei der Vollendung
der Bahnreform wird deshalb die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Wettbewerbes eine zentrale Rolle
spielen. So soll durch eine Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes die Wettbewerbsaufsicht gestärkt werden. Die Bundesregierung hat den Wunsch, dass Privatbahnen vermehrt als Anbieter auftreten und Chancen
bei der Güterverkehrsbedienung auf der Schiene wahrnehmen.
Im Zuge der Bahnreform steht schon heute anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen der Zugang zum Netz der
Deutschen Bahn AG frei. Damit haben diese die Möglichkeit, Marktchancen zu nutzen. Die Deutsche Bahn AG
hat zugesagt, mit jedem Güterverkehrskunden zu verhandeln und ihm eine Alternative zu bieten, bevor die im Rahmen von MORA C erforderlichen Maßnahmen umgesetzt
werden. Entsprechend sucht die DB AG mit dem Ziel,
möglichst viel Verkehr auf der Schiene zu halten, intensiv
nach Lösungen, die von ihr nicht mehr bedienten Güterverkehrsstellen durch bestehende oder neu zu gründende
nicht bundeseigene Eisenbahnen zu erhalten.
In dem Fall, den Sie ansprechen, sind einige Stellen
ganz geschlossen worden. Es sind nicht im Sinne der „Rosinenpickerei“ einzelne Kunden bedient worden, sondern
es geht um ein Angebot an die NE-Bahnen, sich diese regionalen Märkte zu erschließen. Wenn die NE-Bahnen
dies wollen, können sie sicher auch mit den potenziellen
Kunden verhandeln und versuchen, diese für sich zu gewinnen.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
das ist im Grundsatz richtig. Aber warum lassen Sie dann
zu, dass Güterverkehrsstellen der DB Cargo erst geschlossen werden, statt dass sie von den privaten Anbieter nahtlos übernommen werden? Das ist doch das Problem. Wie wollen Sie denn die Schiene weiter stärken,
wenn Sie circa 650 Güterverkehrsstellen in Deutschland
schließen, ohne privaten Anbietern die Chance zu geben,
sofort einzusteigen? In Oberfranken gibt es private Anbieter, die man auf einige wenige Standorte verwiesen hat,
während die lukrativen Standorte, die ganz in der Nähe
sind, für diese Anbieter nicht zugänglich gemacht werden.
So kann doch kein Wettbewerb entstehen. Deswegen
müssen Sie hier ordnungspolitisch eingreifen.
Herr
Kollege Michelbach, wenn wir ordnungspolitisch eingreifen würden, würden wir eine ordnungspolitische
Sünde begehen. Ich sage noch einmal: Mit der Bahnreform ist nach dem geltenden Aktienrecht ein direktes
Eingreifen des Bundes in die unternehmenspolitischen
Entscheidungen des Vorstandes der DB AG nicht zulässig. Die Deutsche Bahn AG wurde privatisiert, damit sie
sich als wirtschaftlich funktionierendes Unternehmen
aufstellen kann. Sie können jetzt vom Bund nicht verlangen, dass er in das Geschäftsgebaren der Deutschen Bahn
AG eingreift. Das lässt das Aktienrecht nicht zu.
Wir haben das getan, was wir machen konnten: Wir haben in Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG sichergestellt, dass jede von der DB Cargo nicht mehr bediente Güterverkehrsstelle und alle dahinter liegenden
Gleisanschlüsse so lange erhalten bleiben, bis der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und die darin organisierten NE-Bahnen, also die privaten Bahnen, die Möglichkeit der Weiterbedienung geprüft haben. Wir haben
also die Voraussetzungen für den Weiterbetrieb geschaffen und haben ein Verfahren implementiert, das es ermöglicht, beim Verband nachzufragen, welche Regionen
privat erschlossen werden können. Das können wir leisten und das haben wir gemacht.
({0})
Ich rufe die
Frage 5 des Abgeordneten Georg Girisch auf:
Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung bereit ist, ab 2003
für alle baureifen Bauabschnitte der Bundesautobahn A 6 zwischen Amberg und Waidhaus ausreichend Finanzmittel einzuplanen, damit der Lückenschluss der A 6 rechtzeitig zur bevorstehenden EU-Osterweiterung fertig gestellt werden kann?
Wollen Sie diese Frage zusammen mit der Frage 6 beantworten, Herr Staatssekretär?
Ja, Herr
Präsident, wegen des Sachzusammenhangs möchte ich
die beiden Fragen zusammen beantworten.
Dann rufe
ich auch die Frage 6 des Abgeordneten Georg Girisch auf:
Wenn ja, im Rahmen welcher Haushaltstitel und -jahre ist
diese Finanzierung vorgesehen, und wie werden sich die absehbaren Verzögerungen bei der Erhebung der „streckenbezogenen
LKW-Maut“ auf den Fertigstellungstermin der A 6 zwischen
Amberg-Ost und Waidhaus auswirken?
Herr
Kollege Girisch, nach den bekannten Aussagen der Bundesregierung zur Bundesautobahn A 6 Amberg/OstPfreimd-Waidhaus soll die Teilstrecke östlich der BAB
A 93 bis 2005 und die Gesamtstrecke zwischen
Amberg/Ost und Waidhaus bis 2008 durchgehend fertig
gestellt werden.
Einzelheiten der Finanzierung werden, ausgehend von
dem vorhandenen Baurecht, auf der Basis der Ansätze für
den Bundesfernstraßenbau in den jährlichen Bundeshaushalten zwischen dem Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen und der bayerischen Straßenbauverwaltung festgelegt. Angesicht fehlender Zugehörigkeit von Abschnitten der BAB A 6 zu dem aus der
LKW-Maut finanzierten Anti-Stau-Programm gibt es
hieraus - zumal in dem Programmbeginnjahr 2003 keine Rückwirkungen auf die Bundesautobahn A 6.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie
rechnen also damit, dass die A 6 bis 2008 fertig gestellt ist.
Kann man zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die A 6 bis
2008 komplett finanziert ist?
Da die
Bundesregierung davon ausgeht, dass die Autobahn bis
2008 fertig gestellt ist, ist sie auch der Meinung, dass sie
in diesem Zeitraum finanziert werden kann. Ich darf Sie
in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass zwei Teilstücke im Bau sind und ein Teilstück schon in Betrieb genommen wurde. Für das Teilstück Woppenhof-Kaltenbaum gibt es schon einen Planfeststellungsbescheid. Die
Finanzierung ist durch das ZIP-Programm sichergestellt.
Der Baubeginn ist voraussichtlich für Mitte dieses Jahres,
im August oder September, zu erwarten.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
kann man sagen, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel
die dafür notwendigen Mittel bereits freigegeben hat?
Sie wissen Herr Kollege Girisch, dass wir nach dem Haushaltsrecht den Haushalt Jahr für Jahr aufstellen müssen. Hinzu
kommt die mittelfristige Finanzplanung. Es ist aber die
politische Absicht der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung, die ersparten Zinsausgaben aufgrund der
Versteigerung der UMTS-Lizenzen für die Verstetigung
der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen zu nutzen.
Herr Staatssekretär, trifft
es zu, dass Mittel der Bahn AG, die nicht für das Streckennetz ausgegeben werden, für die A 6 verwendet werden
können?
Es gibt
eine klare Festlegung im Haushalt, dass die Mittel, die für
den Straßenbau eingestellt sind, für den Straßenbau verwendet werden und dass die Mittel, die für Schieneninvestitionen zur Verfügung stehen, für Schieneninvestitionen
eingesetzt werden. Daher kann ich Ihre Frage nicht positiv beantworten.
Herr Staatssekretär,
kann man zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die A 6
komplett finanziert ist und die Endfinanzierung der A 6
sichergestellt ist?
Man
kann zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass die Autobahn im Jahre
2008 fertig gestellt ist. Das bedeutet, dass wir entsprechende Entscheidungen für den Zeitraum noch fällen werden, für den es aus den Gründen, die Sie kennen, bis jetzt
noch keine festen Finanzzusagen geben kann.
Ich danke
Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Die Fragen werden von Herrn Staatsminister Professor Dr. Julian Nida-Rümelin beantwortet.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Hartmut Koschyk
auf:
Wie gewährleistet die Bundesregierung die Sicherung des kulturellen Erbes der Siebenbürger Sachsen im Zusammenhang mit
der geplanten Herauslösung des Siebenbürgischen Museums
- Quelle: Unterrichtung durch die Bundesregierung „Konzeption
zur Erforschung und Präsentation deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa“, Bundestagsdrucksache 14/4586
Nr. 4.5 - aus der untrennbaren musealen Einheit von Siebenbürgischem Museum, Siebenbürgischem Archiv, Siebenbürgischer
Bibliothek und Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim, und wie
rechtfertigt sie vor dem Hintergrund der Existenzsicherung dieses
in Deutschland einzigartigen, wertvollen Bestandes an siebenbürgischem Kulturgut das Junktim gegenüber dem Trägerverein Siebenbürgisches Museum Gundelsheim e. V., einer Wiederbesetzung der Stelle des Museumsleiters und weiterer Mitarbeiter nur
dann zuzustimmen, wenn der Träger der Verlagerung des Museums ohne Einschränkung - Quelle: Schreiben des Beauftragten
der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien vom 21. November 2001 an den Trägerverein Siebenbürgisches Museum Gundelsheim e. V. - zustimmt?
Herr Staatsminister, bitte.
Wenn ich darf, möchte ich die beiden Fragen
des Kollegen Koschyk im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe
ich auch Frage 8 des Kollegen Hartmut Koschyk auf:
Wie hoch beziffert die Bundesregierung die auf den Bundeshaushalt entfallenden Kosten, wie sie mit der Verlagerung des Siebenbürgischen Museums von Gundelsheim nach Ulm und dem
späteren Betrieb des Hauses in Ulm verbunden sind, und wie bewertet die Bundesregierung die Verlagerung des Museums unter
der Maßgabe einer effizienten Verwendung von Haushaltsmitteln
angesichts der im Jahr 1997 mit Bundesmitteln erfolgten Renovierung des Gebäudes in Gundelsheim und angesichts der dem
Bund am derzeitigen Standort entstehenden Unterhaltungskosten?
Um mir persönlich ein klares Bild zu verschaffen und um Ihre Fragen so präzise wie nur möglich
beantworten zu können, habe ich heute ein ausführliches
Gespräch geführt, an dem unter anderem der Vorsitzende
des Trägervereins sowie der Vorstand des Bundesverbandes und Mitarbeiter des Museums teilgenommen haben.
Man kann das Ergebnis folgendermaßen zusammenfassen: Dieses Museum, das erst seit 1990 - übrigens lange
vor meinem Amtsantritt - von der Bundesregierung gefördert wird, und zwar gegenwärtig pro Jahr mit circa
1 Million DM, also circa 500 000 Euro, erzielt nicht die
Besucherzahlen, die man bei dieser Unterstützung durch
Steuermittel erwarten sollte. Im letzten Jahr waren es etwas mehr als 4 100. Ich habe mir die langfristige Besucherstatistik besorgt. In dieser fand ich das interessante Ergebnis, dass dieses kleine lokale Museum vor dem Beginn
der Förderung des Bundes im Jahre 1990 deutlich höhere
Besucherzahlen, etwa doppelt so hohe, erzielte wie heute
mit einer Bundesförderung von circa 1 Million DM.
Wir können ein Museum nicht in der Größenordnung,
nämlich in Höhe von 250 DM pro Besucher, subventionieren, wie es vielleicht im Opernbereich angemessen erscheinen mag. Das habe ich den Vertretern des Bundesverbandes und des Trägervereins im Rahmen dieses
Gesprächs sehr deutlich gesagt.
Es gibt im Übrigen - lassen Sie es mich präzise ausdrücken - den Entwurf eines Prüfungsberichtes des Prüfungsamtes des Bundesrechnungshofes vom Januar 2002,
der zu genau dem gleichen Ergebnis kommt wie ich.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Die eine Möglichkeit ist,
dass das Museum in Gundelsheim bleibt. Fachleute sagen
- das lässt sich erhärten -, dass angesichts der Verkehrslage und der Aufmerksamkeit, die vor Ort unter Einbeziehung der anderen Einrichtungen, auf die Sie in Ihrer Frage
auch abheben, besteht, die Möglichkeiten ausgeschöpft
sind. Wenn das so ist, dann muss der Bund seine Förderung herunterfahren. Langfristig sehe ich keine Perspektive mehr für die Förderung durch den Bund.
Die andere Möglichkeit ist - das war die bisherige
Linie meiner Behörde -, dieses Museum nach Ulm zu verlagern, in der Hoffnung - auch das Donauschwäbische
Zentralmuseum ist dort; das Museum ließe sich in dessen
Nähe ansiedeln -, dass wir dort höhere Besucherzahlen
und die nötige Aufmerksamkeit gewinnen.
Nun gibt es das ernst zu nehmende Gegenargument
- das sprechen Sie in Ihrer Frage an -, dass man dadurch
den Zusammenhang auflöst, der zwischen dem Siebenbürgischen Museum, dem Siebenbürgischen Archiv, der
Siebenbürgischen Bibliothek und dem SiebenbürgenInstitut in Gundelsheim besteht. Ich sage ganz deutlich:
Gegen den Willen der Repräsentanten derjenigen, für die
wir bereit sind, zusätzliche Millionenbeträge einzusetzen
- damit komme ich gleich zur Beantwortung Ihrer zweiten Frage; es handelt sich geschätzt um circa 9 Millionen DM -, tun wir das nicht.
Deswegen sind wir heute so verblieben, dass in sehr
kurzer Frist der Versuch unternommen wird, eine Verlagerung all dieser Einrichtungen von Gundelsheim nach
Ulm zu prüfen. In diesem Fall müssen auch Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mitspielen, weil der
Bund Träger nur des Museums ist. Die anderen Einrichtungen liegen nicht in unserer Verantwortung. Wenn zu erwarten ist, dass auch die anderen Einrichtungen verlagert
werden, wären Herr Dr. Machat und die anderen Betroffenen bereit, vorab der Verlagerung des Museums zuzustimmen. Wenn es nicht möglich ist, den Zusammenhang
der Einrichtungen an einem neuen Ort sicherzustellen,
soll das Museum auf Wunsch derjenigen, die dort die Verantwortung tragen, insbesondere auf Wunsch des Trägervereins - das ist also nicht mein Vorschlag -, in Gundelsheim bleiben, was allerdings bedeutet, dass der Bund
nicht mehr in der alten Höhe fördern können wird.
Einen Satz noch, weil Sie die Maßnahme im Jahr 1997
angesprochen haben. Dies war übrigens nicht nur vor meiner Zeit, sondern lag sogar noch in der Verantwortung der
früheren Bundesregierung. Es handelte sich dabei nicht
um Bauinvestitionen, sondern um Investitionen in eine
verbesserte Präsentation der Ausstellung. Das sind summa
summarum keine verlorenen Mittel. Nun kann man kritisch fragen, ob man angesichts der stagnierenden, ja sogar zurückgehenden Besucherzahlen 1997 mit einer doch
relativ großen Investition nicht hätte vorsichtiger sein
müssen. Aber: Tempi passati. Insgesamt lässt sich das
auch am neuen Ort sinnvoll nutzen.
Zusatzfrage,
Herr Kollege Koschyk.
Herr Staatsminister,
zunächst einmal bin ich froh darüber, dass meine beiden
Fragen zur heutigen Fragestunde zu dem sicherlich nicht
zufällig für heute anberaumten Gespräch geführt haben
und damit alle Beteiligten an einen Tisch gebracht wurden. Kann man dann, wenn, wie Sie sagen, auch die anderen Beteiligten, nämlich das Land Baden-Württemberg
und das Land Nordrhein-Westfalen, mit der Verlagerung
aller Einrichtungen von Gundelsheim nach Ulm einverstanden sind, davon ausgehen, dass das von der Bundesregierung entsprechend finanziell begleitet würde - es
geht um mehr als nur um die Verlagerung des Museums -,
und konnten Sie heute auch die Zustimmung der Repräsentanten der Siebenbürger Sachsen dafür erreichen?
Die Position der Siebenbürger Sachsen war
ganz klar: Sie kämpfen nicht für den Standort Gundelsheim, sondern für den Zusammenhang. Das heißt: Wenn
die Rahmenbedingungen in Ulm besser sind und wenn
sich in Ulm der gleiche Zusammenhang herstellen lässt,
dann sind sie für die Verlagerung.
Ich habe allerdings auch deutlich gemacht - damit bin
ich beim ersten Teil Ihrer Zusatzfrage -, dass der Bund zusätzliche Aufgaben nicht schultern kann. Wie gesagt: Es
sind geschätzt insgesamt 9 Millionen DM, die die Verlagerung nur des Museums kosten würde. Schon das ist
schwer zu bewältigen, aber es ist zu bewältigen. Weitere
Lasten könnten wir nicht auf uns nehmen.
Weitere Zusatzfrage.
Wird denn der Bund,
das heißt Ihr Haus, im Hinblick auf eine mögliche Verlagerung aller dieser Einrichtungen nach Ulm auch Kontakte aufnehmen und entsprechende Verhandlungen mit
den beteiligten Bundesländern führen?
Wir sind so verblieben, dass die Initiative jetzt
beim Trägerverein bzw. bei den Siebenbürger Sachsen
liegt, aber wir sehr konstruktiv daran mitwirken. Wir gehen jetzt davon aus, dass wir einen gemeinsamen Termin
mit Beteiligung von Vertretern Baden-Württembergs,
Nordrhein-Westfalens, des Bundes sowie des Bundesverbands, des Trägervereins und Repräsentanten der Einrichtungen, um die es hier geht, vereinbaren.
Bitte.
Herr Staatsminister,
ich darf noch einmal auf mögliche finanzielle Aspekte
dieser Verlagerung zu sprechen kommen. Die neu errichtete Kulturstiftung des Bundes - darüber haben wir uns
einmal im Rahmen einer Regierungsbefragung unterhalten - wurde vonseiten der Bundesregierung damit begründet, dass man einer alten Idee des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt nachgekommen sei, eine
zentrale Einrichtung auch für die Repräsentanz des geistig-kulturellen Erbes des früheren deutschen Ostens zu
schaffen. Könnte von diesem Stiftungsgedanken her,
wenn die Verlagerung nach Ulm unter Zustimmung aller
Beteiligten zustande kommt, auch eine Unterstützung
hierfür geleistet werden?
Manche Kritiker, auch aus den Reihen Ihrer
Partei, haben immer wieder die zu geringe finanzielle
Ausstattung der Kulturstiftung des Bundes betont. Wir haben dafür im Haushalt 2002 25 Millionen DM
- ich sage es einmal altmodisch, weil dann die Zahlen
rund sind - eingestellt und mit einer Verpflichtungsermächtigung einen Aufwuchs auf 75 Millionen DM bis
2004 erreicht. Dennoch würden diese Stiftungsmittel - es
soll eine Kulturstiftung sein, die für den Bund kulturelle
Akzente setzt und damit ein breites Aufgabenfeld wahrnehmen soll -, die jährlich zur Verfügung stehen - es ist
kein Kapital -, sehr rasch verplant sein. Die spezifische
Rolle der Stiftung, wie wir sie ihr zugedacht haben, nämlich - ich bleibe bei einem Bild aus dem Bereich des Fußballs - als Libero zu wirken, einzelne Projekte zu fördern
und es dann wieder sein Bewenden sein zu lassen, wäre
dann nicht mehr möglich.
Das heißt, eine institutionelle Förderung der Kulturstiftung des Bundes in diesem Bereich kommt nicht infrage, was aber nicht ausschließt, dass wir einzelne und
befristete Projekte - dabei geht es um die Beziehungen
zwischen Deutschland und Rumänien; das ist angesichts
der Tatsache, dass sich Europa nach Osten öffnet und zunehmend die Konturen des alten historischen Europas annimmt, ein sehr wichtiges Feld - in diesem Bereich fördern. Dies kann auch in Kooperation mit den dortigen
Einrichtungen geschehen.
Ich darf noch einmal
darauf zurückkommen, Herr Staatsminister, was passieren wird, wenn sich die Lösung der Verlagerung nicht einvernehmlich mit allen Beteiligten realisieren lässt und
man am Standort Gundelsheim festhalten muss. Es gibt
nicht nur in diesem spezifischen Bereich der Kulturszene
im Zusammenhang mit § 96 des Bundesvertriebenengesetzes, sondern generell in Deutschland erfolgreiche
Konzeptionen, dass man Kultureinrichtungen gerade im
musealen Bereich an dezentralen Standorten durch ein
entsprechendes Marketing auch in Zusammenarbeit mit
der regionalen und lokalen Kulturszene so aufwerten
kann, dass sich entsprechende Besuchererfolge einstellen.
Das gibt es auch im Zusammenhang mit dem § 96 des
Bundesvertriebenengesetzes. Ich denke an die Einrichtungen in Königswinter-Heisterbacherrott mit entsprechenden Besucherzahlen, aber auch im allgemeinen
Kulturbereich ist so etwas möglich.
In Ihrer Antwort hat mich der Automatismus ein wenig
erschreckt: Wenn das nicht zustande kommt, dann müssen
wir unsere Förderung kontinuierlich reduzieren. Dazu
habe ich die Frage, ob die Bundesregierung dann nicht bereit wäre, erfolgreiche Konzeptionen, die zu entsprechenden Besucherzahlen und zur Erhöhung der Besucherzahlen an anderen Orten geführt haben, auf den Standort
Gundelsheim anzuwenden und ein Stück zu fördern.
Die Einschätzung der Fachleute - ich bin kein
Museumsorganisator -, auch von Frau Dr. Wild, die an
dem heutigen Gespräch teilgenommen hat, und des eigenen Referates, ist, dass sich an diesem Ort kein Potenzial
dieser Art ergeben wird. Hier sind alle Möglichkeiten ausgereizt. Frau Dr. Wild hat dargestellt, was das Museum
auch in Kooperation mit der Gemeinde schon unternommen hat. Die Besucherstatistik ist - das muss ich deutlich
sagen - deprimierend. Wenn der Bund nicht gefördert
hätte, wäre sie wahrscheinlich nicht anders ausgefallen.
Der Rückgang mag mit dem Rückgang der so genannten Erlebnisgeneration zusammenhängen. Andererseits
haben wir aus Rumänien Zuwanderung, die zum Teil aus
dem kulturellen Umfeld der Siebenbürger Sachsen kommt.
Nach Einschätzung der Fachleute sollte man sich keine
Illusionen machen. In Gundelsheim wird es nicht gelingen, die Besucherzahlen auf das Niveau zu bringen, das
notwendig ist, um eine Förderung von rund 1 Million DM
pro Jahr zu rechtfertigen.
Nun kann man kritisch fragen: Warum kommen wir
erst nach zehn Jahren zu dieser Erkenntnis? Für das letzte
Jahr übernehme ich eine Mitverantwortung. Aber ich
denke, wir sollten nicht noch weitere Versuche starten, die
zusätzliche Steuergelder in Anspruch nehmen und die Situation nicht verbessern werden. Das Museum ist nach
übereinstimmender Einschätzung aller - das sollte man
ausdrücklich sagen - in einer guten Verfassung, sowohl
bei der Präsentation als auch bei der Organisation.
Eine Zusatzfrage des Kollege Peter Hintze.
Herr Staatsminister, ich
habe - zugegebenermaßen mit leichtem Erschrecken verfolgt, dass Sie hier dem Haus dargelegt haben, dass Sie
die Förderung des kulturellen Erbes Europas, was die
Subventionierung durch die Bundesregierung angeht, an
Besucherzahlen binden, und das, obwohl Sie dem Museum ausdrücklich bescheinigen, dass es eine sehr gute
Arbeit leistet. Mich erschüttert dieser kulturpolitische Ansatz. Wie viele Besucher erwartet denn die Bundesregierung, um dieses wichtige kulturelle Erbe Europas zu erhalten?
Herr Hintze, Sie sind da erschrocken, aber Sie
sollten da nicht erschrocken sein. Ich war zuvor Kulturreferent in einer Stadt, in einer Kommune. Wenn wir dort
zum Beispiel Auslastungen von Theatern hätten, wie sie
in manchen anderen Städten gelegentlich als ganz akzeptabel angesehen werden, dann hätten wir dort ein ähnliches Desaster in der Kulturpolitik wie in manchen anderen Städten in Deutschland. Ich habe das nie zugelassen.
Wenn die Besucherzahlen in einer Einrichtung dramatisch
zurückgehen, dann kann nicht gelten, was ein kluger
Theaterkritiker einmal geschrieben hat: Leeres Theater,
gutes Theater. - Dann ist es vielmehr ein schlechtes Theater. Das Theater muss bei denjenigen ankommen, für die
wir die Steuergelder zur Verfügung stellen.
In diesem Fall bewegen wir uns in einer Größenordnung von etwa 250 DM pro Besucherin oder Besucher.
Das ist für ein Museum generell zu viel. Eine solche
ungünstige Zahl wird es in Deutschland kaum noch einmal geben. Das ist nicht nur meine Einschätzung, sondern
auch die Einschätzung des Bundesrechnungshofes. Wir
sollten nicht gegen ausdrückliche Stellungnahmen des
Bundesrechnungshofes verstoßen, ohne sehr gute Gründe
zu haben.
({0})
Dass das zu viel ist, liegt jedenfalls auf der Hand. Andererseits ist das Museum in seiner jetzigen Form und Struktur auf diese Förderung angewiesen.
Für mich war in dem Gespräch heute interessant, dass
die Vertreter des Trägervereins und des Bundesverbandes
ohne dieses Erschrecken, das ich erst einmal nachvollziehen kann, gesagt haben: Das können wir uns schon vorstellen. - Dieses Museum hat auch vor Beginn der Bezuschussung durch den Bund gut gearbeitet. Es hatte
einen anderen Charakter.
Aber das ist alles Zukunftsmusik. Wir müssen uns
natürlich einen Weg überlegen, bei dem diese Einrichtung
nicht beschädigt wird. Sie soll ja fortbestehen. Aber sie
kann nicht mit dieser Erwartung belastet werden, die wir
jetzt haben.
Ich danke
Ihnen, Herr Staatsminister.
Die Fragen der Kollegen Eckart von Klaeden und
Hans-Peter Friedrich zur Tätigkeit des Bundeskanzleramtes im Zusammenhang mit den Vermittlungsstatistiken
der Bundesanstalt für Arbeit werden durch Herrn Staatsminister Hans Martin Bury beantwortet.
Zunächst geht es um die Frage 9 des Kollegen von
Klaeden:
Welche Stelle im Bundeskanzleramt hat Anfang Januar 2002
das vom Abgeordnetenbüro des Staatsministers beim Bundeskanzler, Hans Martin Bury, weitergeleitete Schreiben eines Revisors der Bundesanstalt für Arbeit ({0}) über geschönte Vermittlungsstatistiken zur weiteren Bearbeitung erhalten, und was ist
dort angesichts der Schwere der in dem Schreiben erhobenen Vorwürfe im Einzelnen unternommen worden?
Herr Kollege von Klaeden, das Schreiben des Controllers der Bundesanstalt für Arbeit ging am 3. Januar
dieses Jahres in meinem Berliner Abgeordnetenbüro ein
und wurde von dort unmittelbar an die zuständige Fachabteilung im Bundeskanzleramt - das ist die Abteilung 3 weitergeleitet. Dort war bereits nach Veröffentlichung des
„Stern“-Artikels vom 6. Dezember 2001 über Missstände
bei der Arbeitsvermittlung der Bundesanstalt für Arbeit
beim zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Stellungnahme angefordert worden.
Das Schreiben des Controllers war allgemein gehalten
und nahm ausdrücklich auf den genannten „Stern“-Artikel Bezug. Nach einem Telefonat mit einem Sachbearbeiter in meinem Berliner Abgeordnetenbüro konkretisierte
der Controller der Bundesanstalt für Arbeit am 9. und am
17. Januar in zwei E-Mails an mein Berliner Abgeordnetenbüro die Vorwürfe. Die E-Mails wurden ebenfalls an
die Fachabteilung im Bundeskanzleramt weitergeleitet.
Angesichts der Schwere der Vorwürfe war eine sorgfältige Prüfung und Bewertung ihrer Substanz erforderlich. Eine Weiterleitung des Schreibens bzw. der E-Mails
des BA-Controllers an das BMA oder die Bundesanstalt
war dabei ausgeschlossen, weil er „inständig“ um Vertraulichkeit insbesondere gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gebeten hatte.
({0})
Am 24. Januar 2002 wandte sich der Controller dann
entgegen seiner ursprünglichen Absicht parallel auch an
das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Er
befürchtete eigenen Ausführungen zufolge, dass die
inzwischen vom Bundesrechnungshof in Stichproben ermittelten Prüfungsergebnisse über fehlerhafte Statistiken
bei der Arbeitsvermittlung innerhalb der Bundesanstalt
für Arbeit nicht aufgeklärt würden, sondern dass dort
„weiter vertuscht und verzögert“ werden solle.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist der Bericht des „Stern“ zutreffend, dass im Kanzleramt erwogen wurde, den Chef des Kanzleramtes, Herrn
Steinmeier - wie der „Stern“ schreibt, „Schröders besten
Mann“ -, zum Aufräumen nach Nürnberg zu schicken? Ist
damit nicht ein gewisses Unwerturteil gegenüber der Arbeit des Bundesarbeitsministeriums verbunden?
Der Bericht des „Stern“ ist in diesem Punkte nicht zutreffend. Insofern kann auch nicht davon die Rede sein,
dass hier ein negatives Urteil über das BMAgefällt würde.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass der Vorabbericht des Bundesrechnungshofes, der unter anderem zu den Rücktrittsforderungen gegen Herrn Jagoda geführt hat, von
Mitarbeitern des Bundesarbeitsministeriums an Journalisten weitergegeben worden sein soll? Wenn Ihnen das
nicht bekannt ist, darf ich Sie darum bitten, diesem Vorgang nachzugehen und mich darüber zu unterrichten, weil
er für die Frage des Umgangs mit solchen Vorgängen und
die Frage, wie man mit dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit umgeht, nicht ohne Relevanz ist.
Da mir nicht bekannt ist, durch wen und auf welchem
Wege der genannte Bericht an die Presse weitergegeben
wurde, vermag ich den Vorgang auch nicht zu bewerten.
({0})
- Gerne.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Friedrich.
Herr
Staatsminister, können Sie sagen, wann das Bundeskanzleramt oder das BMA die Presse zum ersten Mal über die
gesamten Vorgänge informiert hat? Zunächst wurde eine
Stellungnahme angefordert, dann wurden im Januar Gespräche geführt. Wann haben Sie die Presse zum ersten
Mal offiziell informiert?
Die Information der Presse erfolgte nach meiner
Kenntnis durch das Bundesarbeitsministerium und durch
den Regierungssprecher in der Regierungspressekonferenz. Die exakten Daten habe ich nicht hier.
Ich rufe nun
die Frage 10 des Abgeordneten Hans-Peter Friedrich auf:
Was hat das Bundeskanzleramt dem Revisor der BA auf dessen
Schreiben an den Staatsminister beim Bundeskanzler, Hans Martin
Bury, geantwortet und wie erklärt sich die Bundesregierung angesichts ihrer Antwort, dass der BA-Revisor sich gezwungen sah, sich
mit Schreiben vom 24. Januar 2002 an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester, persönlich zu wenden, da
er seine Erkenntnisse vom Bundeskanzleramt nicht ernst genommen sah ({0}) und
er sich in der augenblicklichen Situation nicht mehr anders zu helfen wusste ({1})?
Herr Kollege Friedrich, wie bereits in meiner Antwort
auf die Frage des Kollegen von Klaeden ausgeführt, dauerte die Prüfung noch an, als sich der Controller am 24. Januar 2002 entgegen seiner ursprünglichen Absicht parallel auch an das Bundesministerium für Arbeit und
Sozialordnung wandte. Wie gesagt, befürchtete er eigenen
Ausführungen zufolge, dass die inzwischen vom Bundesrechnungshof berichteten Prüfungsergebnisse über fehlerhafte Statistiken bei der Arbeitsvermittlung innerhalb
der Bundesanstalt für Arbeit nicht aufgeklärt würden, sondern dass dort „weiter vertuscht und verzögert werden“
solle.
Zusatzfrage.
Herr
Staatsminister, gab es vor dem „Stern“-Artikel im Dezember im Kanzleramt schon irgendwelche Hinweise darauf, dass es bei der Statistik oder der Arbeitsvermittlung
möglicherweise zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist?
In der Presse ist zum Beispiel von einem Bericht vom Mai
2000 die Rede. War zu diesem Zeitpunkt schon etwas bekannt? Haben Sie Bürgerbriefe bekommen? Haben Sie
schon vorher Briefe von Revisoren bekommen?
Der von Ihnen angesprochene Bericht ist mir persönlich nicht bekannt. Der „Stern“-Artikel im Dezember bezog sich im Wesentlichen auf Ineffizienzen bei der
Arbeitsvermittlung. Dies war Anlass, eine entsprechende
Stellungnahme anzufordern, um über mögliche Konsequenzen beraten zu können.
Dazu eine
Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden und dann des Kollegen Dr. Grehn.
Herr Staatsminister, meine Frage zielt darauf ab, ab wann der Bundesregierung die Missstände tatsächlich bekannt waren. Heute
wird der Bundesarbeitsminister von „dpa“ wie folgt zitiert:
Die Missstände in der Arbeitsverwaltung bestünden
seit mehr als zehn Jahren. Er selbst habe sofort reagiert.
Welche Reaktionen des Bundesarbeitsministers seit seinem Amtsantritt sind dem Bundeskanzleramt bekannt?
Richtig ist, dass der Bundesarbeitsminister unmittelbar,
nachdem der Bundesrechnungshof in seiner Überprüfung
zu dem Ergebnis kam,
({0})
dass Manipulationen der Vermittlungsstatistik vorlagen,
und nachdem diese Feststellung durch Schreiben eines
Controllers der Bundesanstalt für Arbeit erhärtet wurde,
tätig geworden ist und eine umfassende Aufklärung sowie
zu ziehende Konsequenzen vorangetrieben hat. Dass
diese Missstände schon seit längerer Zeit bestehen und offenkundig bis in die Verantwortung früherer Bundesregierungen zurückreichen, haben sowohl die Prüfung und
Bewertung des Rechnungshofes als auch die nachfolgende Aufklärung des Sachverhaltes deutlich ergeben.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Grehn.
Herr Staatsminister, ich habe
nur eine relativ kurze Frage. Liegen Ihnen in der Zwischenzeit, bis sich der Schreiber des an das Bundeskanzleramt gerichteten Briefes an das Bundesministerium für
Arbeit und Sozialordnung gewandt hat, Ergebnisse eigener Untersuchungen vor, die unabhängig von dem sind,
was der Bundesrechnungshof vorgelegt hat und was zwischenzeitlich aus den eigenen Untersuchungen des BMA
bekannt ist?
Der Bundesarbeitsminister hat auf der Basis der Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes und der Informationen des Controllers der Bundesanstalt für Arbeit
selbstverständlich weiter gehende Untersuchungen angeordnet; diese Untersuchungen laufen und bestätigen im
Kern die Vorwürfe des Controllers und die Ergebnisse der
Stichprobenüberprüfung des Bundesrechnungshofes.
Ich danke
Ihnen, Herr Staatsminister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen werden durch Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks beantwortet.
Die Fragen 11, 12 und 13 der Kollegen von Klaeden
und Austermann werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Ursula Heinen auf:
Hält der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, das in
Art. 6 Abs. 2 der Verordnung ({0}) Nr. 1466/97 des Rates vom
7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken vorgesehene Verfahren der Frühwarnung entgegen dem
Wortlaut für eine Ermessensvorschrift, und wenn ja, was sind die
Gründe für diese Auffassung?
Frau Kollegin Heinen,
Kommission und Rat verfügen bei der Feststellung einer
erheblichen Abweichung der Haushaltslage vom mittelfristigen Haushaltsziel oder vom entsprechenden Anpassungspfad im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung
Nr. 1466/97 über einen Beurteilungsspielraum. Nach der
Konzeption der genannten Verordnung, die auf die wirtschaftspolitische Grundsatzbestimmung des Art. 99 EGVertrag gestützt ist, beinhaltet diese Feststellung in erster
Linie eine Bewertung der Wirtschaftspolitik des betreffenden Mitgliedstaates. Es kommt darauf an, in welchem
Maße der Mitgliedstaat seine im Stabilitätsprogramm angekündigte und vom Rat gebilligte Politik realisiert hat
und inwieweit externe Faktoren zu der entstandenen Abweichung beigetragen haben.
Der Rat konnte im vorliegenden Fall davon ausgehen,
dass den Anforderungen des Stabilitätspaktes durch Bundesfinanzminister Eichel Rechnung getragen wird, ohne
dass es hierzu einer Empfehlung bedurfte.
Zurück zu meiner Frage:
In dem besagten Art. 6 heißt es:
Stellt der Rat ein erhebliches Abweichen der Haushaltslage von dem mittelfristigen Haushaltsziel oder
vom entsprechenden Anpassungspfad fest, so richte
er als frühzeitige Warnung vor dem Entstehen eines
übermäßigen Defizits gemäß Art. 103 Abs. 4 eine
Empfehlung an den betreffenden Mitgliedstaat, die
notwendigen Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen.
Halten Sie dies für eine Ermessensvorschrift oder für
eine tatsächlich bindende Vorschrift?
Das Bundesfinanzministerium und die Kommission waren sich völlig einig darüber,
dass im Falle Deutschlands keine rechtliche Notwendigkeit bestand, eine Frühwarnung auszusprechen. Dies hat
Kommissar Solbes in einem Schreiben an Minister Eichel
vom 29. Januar 2002 noch einmal ausdrücklich bestätigt.
Insofern beziehe ich mich auf meine Ihnen soeben gegebene Antwort: Es besteht ein Beurteilungsspielraum. Es
geht hierbei weniger um die bloßen Zahlen und darum, ob
man mit einem Defizit von 2,5 Prozent oder 2,6 Prozent
relativ nah am Kriterium von 3 Prozent angelangt ist; vielmehr soll die frühzeitige Warnung - das ist ihr Ziel, wenn
sie denn sinnvoll sein soll - gleichsam die Politik beurteilen, also die Frage beantworten, ob gute oder schlechte
Politik gemacht wird. Eine frühzeitige Warnung hat nur
dann Sinn, wenn zugleich eine Änderung der Politik angemahnt würde. Dies war niemals Gegenstand des entsprechenden Entwurfs der Europäischen Kommission.
Der Bundesregierung wurde im Gegenteil in dem von der
Kommission verfassten Entwurf bestätigt, dass gegen ihre
Politik keine Einwendungen bestehen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Peter Hintze.
Frau Staatssekretärin, Sie
führten eben aus, dass es doch eine Art von Ermessen gibt,
obwohl das im Widerspruch zum Text steht, und legten als
Beweis für Ihre Aussage dar, dass eine Politikänderung
nicht erforderlich und die Bundesregierung deswegen auf
dem richtigen Pfad sei.
Sind demnach alle Berichte, die die Bundesregierung
- auch in den Ausschüssen - abgegeben hat, nachdem zur
Erreichung des angestrebten Ziels, im Jahre 2004 entweder keine Neuverschuldung zu erreichen oder jedenfalls
nahe an eine Null-Neuverschuldung heranzukommen, zusätzliche Sparanstrengungen unternommen werden,
falsch?
Nein, Herr Kollege Hintze.
Sie müssen differenzieren. Die ins Auge gefasste frühzeitige Warnung bezog sich auf das schon abgelaufene
Jahr 2001 und auf das Jahr 2002. Sie bezog sich nicht auf
die Folgejahre, auf 2003 und folgende, sondern auf das
aktuelle Haushaltsjahr, in dem eine frühzeitige Warnung
hätte ausgesprochen werden können, aber nicht ausgesprochen werden musste.
Das heißt, zur Erreichung des Ziels, im Jahre 2004 einen nahezu ausgeglichenen gesamstaatlichen Haushalt
von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungssystemen vorzulegen, sind in der Tat auf allen Ebenen weitere politische Anstrengungen notwendig. Sie dürfen diesen Umstand aber nicht mit der frühzeitigen
Warnung, die sich auf das Jahr 2002 hätte beziehen sollen,
vermischen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Friedrich.
Frau
Staatssekretärin, Sie sagen, mit diesem Schreiben aus
Brüssel sei eine Bewertung der Politik - gute oder
schlechte Politik - verbunden. Sie sagen, im Entwurf sei
der Bundesregierung bestätigt worden, es sei eine gute
Politik gemacht worden. Warum wollte dann der Bundeskanzler dieses Lob aus Brüssel nicht entgegennehmen?
Der Bundeskanzler hat
sich nicht etwa dagegen gewehrt. Das Lob aus Brüssel ist
auch so öffentlich bekannt geworden. In der Tat ist der
Bundesregierung bestätigt worden, dass sie eine ordentliche Haushalts- und Finanzpolitik macht. Das bestätigen
auch die Daten.
Ich rufe die
Frage 15 der Kollegin Ursula Heinen auf:
Gibt es Bestrebungen seitens des Bundesministers der Finanzen, Hans Eichel, das Kriterium von höchstens 3 Prozent für das
öffentliche Haushaltsdefizit neu zu definieren und konjunkturelle
Einflüsse dabei herauszurechnen?
Frau Kollegin Heinen, eine
Änderung des Stabilitätspakts steht aus Sicht der Bundesregierung nicht zur Debatte. Die 3-Prozent-Defizitgrenze
hat natürlich weiter Bestand. Auf europäischer Ebene ist
es überdies gerade die Bundesregierung, die aufgrund der
methodischen Probleme des strukturellen Defizits stets
die Bedeutung des nominalen Defizits hervorhebt. Das
nominale Defizit muss auch in Zukunft im Mittelpunkt
der Stabilitäts- bzw. Konvergenzprogramme stehen.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
wenn dem so ist, wie Sie gerade gesagt haben, dass es
nämlich bei den Zielen bleibt, warum haben Sie dann solche Mühen auf sich genommen, zu verhindern, dass die
Kommission eine entsprechende frühzeitige Warnung
nach Art. 6 erteilt? Das bedeutet doch im Grunde, dass Sie
das 3-Prozent-Kriterium und das, was damit verbunden
ist, nicht interessiert.
Wir haben keine Bemühungen auf uns genommen, um zu verhindern, dass eine frühzeitige Warnung ausgesprochen wird.
({0})
Eine zweite
Zusatzfrage.
Wie bewerten Sie das
Verhalten des Bundeskanzlers und des Finanzministers
im Ecofin-Rat der vergangenen Woche? Das war doch ein
klares Bemühen, eben diese Warnung zu verhindern.
Nein, Frau Kollegin
Heinen, dies war eine Zusage, die sich auf das Jahr 2004,
also auf die Zukunft, bezog. Ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen, dass sich das ins Auge gefasste „early
warning“ auf das laufende Haushaltsjahr bezogen hätte.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Lennartz.
Frau Staatssekretärin, die
Bemühungen des Finanzministers sind darauf gerichtet,
die Nettoverschuldung des Staates zu reduzieren. Könnten Sie uns heute kundtun, ob die Bemühungen der vorherigen Regierung genauso intensiv waren wie die
Bemühungen von Herrn Eichel?
Herr Kollege Lennartz, im
Verein der europäischen Mitgliedstaaten wird es Deutschland - mit allen Anstrengungen als Gesamtstaat - wie auch
Frankreich erst im Jahre 2004 gelingen, einen nahezu
ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. In allen anderen
Ländern ist dies schon jetzt der Fall oder wird vor 2004
der Fall sein.
Das heißt, die Bundesregierung hat völlig zu Recht den
Stabilitäts- und Wachstumspakt in Brüssel vorangetrieben
und erreicht, dass im Zusammenhang mit der Einführung
des Euro dieser Pakt geschlossen worden ist. Allerdings
sind in der Tat im Gesamtstaat ab dem Jahr 1996 Versäumnisse zu beobachten. Ich möchte dabei nicht auf einzelne Ebenen des Gesamtstaates abheben. Aber wenn der
Gesamtstaat - also Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungssysteme - schon im Jahre 1996 echte Anstrengungen in dieser Hinsicht unternommen hätte, dann
hätten wir die Hälfte der Wegstrecke schon längst hinter
uns gelassen. So aber haben wir einen großen Teil der
Wegstrecke noch vor uns.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Peter Hintze.
Frau Staatssekretärin, habe
ich Sie eben richtig verstanden, dass Sie vor diesem Hause
erklärt haben, niemand in der Bundesregierung - weder
der Finanzminister noch der Kanzler oder der Außenminister - habe einen Versuch unternommen, einen in Brüssel geplanten blauen Brief zu verhindern?
Der Bundesfinanzminister
hat mit Kommissar Solbes darüber korrespondiert und
ihm angeboten - ich kann den Brief nicht genau zitieren
und habe auch im Moment das Datum des Briefs nicht im
Kopf; das wäre aber nachzuholen -, gemeinsam die Linie
festzulegen, wie es weiter vorangehen soll. Im Ergebnis
ist dies durch den Ecofin genau so geschehen, indem sich
die Bundesrepublik für die Zukunft verpflichtet hat, geeigente Maßnahmen einzuleiten. Das ist übrigens nicht
neu, sondern ist schon Gegenstand unserer Meldung zum
Stabilitätspakt vom Dezember 2000 gewesen. In der Meldung zum Stabilitätspakt zum Jahre 2001 hatten wir wegen der zurückgehenden Konjunktur ein anderes Szenario
dargelegt. Aber schon in der Meldung zum Stabilitätspakt
vom Dezember 2000 hatten wir einen ausgeglichenen
- nicht nur einen nahezu ausgeglichenen - gesamtstaatlichen Haushalt für das Jahr 2004 und einen ausgeglichenen Bundeshaushalt für das Jahr 2006 angekündigt.
In der Meldung des vergangenen Jahres haben wir, wie
gesagt, wegen der nicht günstigen Konjunktur ein anderes
Szenario vorgelegt. Dieses Szenario wollten die europäischen Mitgliedstaaten in der Tat nicht akzeptieren, sondern sie wollten, dass wir genau wie Frankreich im
Jahr 2004 einen nahezu ausgeglichenen Haushalt vorlegen, allerdings auch unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung, also der Wachstumsentwicklung.
Eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Frau Staatssekretärin, hat es die Bemühungen zur Verhinderung des blauen
Briefes vonseiten der Bundesregierung gegeben, ja oder
nein?
Es hat selbstverständlich
Gespräche gegeben. Selbstverständlich telefoniert der
Bundesminister der Finanzen mit seinen Kollegen.
Selbstverständlich hat es auch Gespräche mit Kommissar
Solbes gegeben. Diese Gespräche sind sehr häufig telefonischer Art; im Übrigen handelt es sich um persönliche
Gespräche. Diese kann ich nicht beurteilen.
Aber der Bundesminister der Finanzen hat bekanntlich
schon öffentlich erklärt, dass er gegen ein so genanntes
„early warning“ nichts einzuwenden habe, da er wisse,
dass damit seine Politik gestützt werde. Das können Sie in
öffentlichen Quellen nachlesen.
Die Fragen
16 und 17 des Kollegen Bartholomäus Kalb und die Fragen 18 und 19 des Kollegen Hans Jochen Henke werden
schriftlich beantwortet.
Ich rufe daher jetzt die Frage 20 des Kollegen Peter
Hintze auf:
Was bewog den Bundeskanzler, Gerhard Schröder, den Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, anzuweisen, Einfluss auf
die anderen Mitgliedstaaten im Rat zu nehmen und einen blauen
Brief an die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern?
Eine Einflussnahme
vonseiten des Bundesministers der Finanzen Hans Eichel
auf die anderen Mitgliedstaaten im Rat mit dem Ziel,
einen blauen Brief an die Bundesrepublik Deutschland zu
verhindern, hat es nicht gegeben. Es gab auch keine
entsprechende Anweisung des Bundeskanzlers Gerhard
Schröder.
Eine Zusatzfrage.
Wie bewertet die Bundesregierung die Stellungnahme des Kommissionspräsidenten Prodi zu der Kritik des Bundeskanzlers an der Kommission in dieser Frage?
({0})
Ich bitte um Entschuldigung, aber die Stellungnahme von Herrn Prodi ist mir
nicht bekannt. Deswegen kann ich jetzt keine Bewertung
dazu abgeben. Vielleicht könnten Sie sie wiederholen;
aber dann wäre es möglicherweise aus dem Stand heraus
trotzdem schwierig, eine Stellungnahme dazu abzugeben.
({0})
- Ich bin dazu bereit, aber Sie müssten wenigstens die
Stellungnahme zitieren. Da ich sie nicht kenne, kann ich
sie schließlich nicht bewerten.
({1})
Nach dem, was wir eben
erlebt haben, möchte ich die Staatssekretärin lieber nicht
in Bedrängnis bringen.
({0})
Herr Kollege Hintze, haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Ich warte die Beantwortung meiner zweiten Frage ab.
Dann rufe
ich die Frage 21 auf:
Sieht der Bundeskanzler, Gerhard Schröder, in der Zukunft angesichts des deutschen Präzedenzfalles überhaupt noch die Möglichkeit, dass an irgendeinen Mitgliedstaat ein blauer Brief verschickt werden kann?
Das Ergebnis der letzten
Sitzung des Ecofin-Rates stellt keinen „deutschen Präzedenzfall“ dar, da es lediglich in Bezug auf das in diesem
konkreten Fall anzuwendende Verfahren unterschiedliche
Auffassungen zwischen Kommission und Rat gab.
Über die inhaltliche Bewertung des deutschen Stabilitätsprogramms waren sich Kommission und Rat einig.
Wenn es der Sache nach gerechtfertigt ist, wird es zukünftig selbstverständlich so genannte blaue Briefe an die
betreffenden Mitgliedstaaten geben.
Eine Zusatzfrage.
Wie soll nach Auffassung
der Bundesregierung der Stabilitätspakt im zukünftigen
EU-Verfassungsvertrag verankert werden?
({0})
Selbstverständlich nach
den Regeln des Stabilitätspakts.
Das muss auch protokolliert werden. - Schönen Dank.
Die Frage 22 der Kollegin Gudrun Kopp wird ebenso schriftlich
beantwortet wie die Fragen 23 und 24 des Kollegen HansJoachim Otto ({0}), die Frage 25 des Kollegen Ernst
Hinsken, die Frage 26 der Kollegin Dr. Elke Leonhard
und die Frage 27 des Kollegen Hans-Michael Goldmann.
Ich möchte nun die Fragen 28 und 29 des Kollegen
Dr. Norbert Röttgen aufrufen. - Ich sehe, dass er nicht
anwesend ist. Deshalb werden diese Fragen gemäß der
Geschäftsordnung nicht beantwortet, es sei denn, die Frau
Staatssekretärin ist bereit, Herrn Dr. Röttgen ihre vorbereiteten Antworten schriftlich zur Verfügung zu stellen.
Herr Präsident, Sie müssen
entscheiden, ob ich die Fragen beantworten soll oder
nicht; denn eine Beantwortung der Fragen wäre ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung. Wenn Sie mich darum
bitten, dann tue ich es natürlich.
Das ist klar.
Ich habe ja gesagt, sie werden nicht beantwortet.
Wenn Sie mich bitten, dann
tue ich es trotzdem. Die Geschäftsordnung sieht eine Beantwortung der Fragen allerdings nicht vor. Darüber müssen Sie und nicht ich entscheiden.
Sie begehen
keinen Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und erhalten keine Rüge, wenn Sie so
freundlich wären, dem Kollegen Röttgen Ihre Antworten
zukommen zu lassen.
Das mache ich, Herr Präsident. - Danke schön.
Ich danke
Ihnen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.
Die Frage 32 des Kollegen Ernst Hinsken wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Dr. Gerd Müller auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung im
Hinblick auf die Verbesserung der Einkommenssituation der
Grünlandbetriebe in benachteiligten Bergregionen aus den Erkenntnissen des jetzt abgeschlossenen Modellprojektes Allgäu?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Präsident! Geschätzter Herr Kollege
Müller, Ziel der Bundesinitiative „Modellprojekt Allgäu“
war es, am Beispiel der Grünlandregion Allgäu modellhaft
Wege aufzuzeigen, mit denen eine leistungsfähige bäuerliche Landwirtschaft gestärkt und eine nachhaltige Entwicklung sichergestellt werden kann. Es ging darum, auf
andere Regionen übertragbare Strategien zur Bewältigung der strukturellen Probleme zu entwickeln, die sich
aus den spezifischen Standortfaktoren der Grünlandregionen ergeben. Es hat sich im Rahmen der Auswertung
gezeigt, dass die Bildung von Kooperationen zwischen
landwirtschaftlichen Betrieben insbesondere im Bereich
der Mechanisierung ein erhebliches Potenzial zur Einkommensverbesserung darstellt. Um das an einem Beispiel deutlich zu machen: Es wurden 44 Kooperationen
mit knapp 860 000 DM gefördert. Aus diesen Fördermitteln konnte ein Investitionsvolumen von 5,9 Millionen DM realisiert werden.
Ein anderer für uns sehr wichtiger Aspekt war die Stärkung des ohnehin im Allgäu bereits praktizierten ländlichen Tourismus. Hier sind eine ganze Reihe von Ideen
entwickelt worden, die den im Tourismus tätigen und
auch den neu einsteigenden landwirtschaftlichen Betrieben Möglichkeiten bieten bzw. ihnen zumindest dabei
helfen, ihre Einkommen dauerhaft zu sichern. Darüber hinaus wurden Erfahrungen gesammelt, die auf andere Regionen sicherlich gewinnbringend übertragbar sind.
Wir haben aus dem „Modellprojekt Allgäu“ eine ganze
Reihe von Erkenntnissen gewonnen, die in die Initiative
der Bundesregierung „Regionen aktiv - Land gestaltet
Zukunft“ eingeflossen sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in
der Vergangenheit ist bereits Kritik daran geäußert worden, dass im Rahmen dieses Projektes 500 000 DM nur
für Agenturen ausgegeben worden sind. Meine Frage ist
- Sie haben schon auf Ergebnisse hingewiesen -: Welche
Maßnahmen wird die Bundesregierung nun ergreifen, um
bundesweit Grünlandregionen wie beispielsweise das
Allgäu gezielt im Wettbewerb zu unterstützen?
Diese Frage betrifft den Kern der neuen
Agrarpolitik. Die Vorschläge, die wir vor dem Hintergrund entwickelt haben, dass die Milchquote auf europäischer Ebene immer mehr zum Gegenstand der Diskussion geworden ist - wir haben beispielsweise die
Einführung einer Grünlandprämie vorgeschlagen; wir haben im Rahmen der Diskussion über die Modulation die
Umverteilung der Mittel aus der ersten Säule in die zweite
Säule der Agrarförderung vorgeschlagen; wir haben vorgeschlagen, mehr Steuermittel in die multifunktionale
Landwirtschaft fließen zu lassen -, werden gerade den benachteiligten Standorten, also den Grünlandregionen wie
beispielsweise dem Allgäu, nutzen.
Darüber hinaus haben wir die Erfahrung gemacht, dass
es sinnvoll ist, wenn sich die Leute in den Regionen an
einen Tisch setzen. Wir haben den Wettbewerb, auf den
ich schon eben hingewiesen habe, im letzten Jahr in die
Wege geleitet. Es gab eine erhebliche Resonanz, obwohl
sich, anders als bei dem Projekt im Allgäu, einige Landesregierungen, beispielsweise die Bayerische Staatsregierung, an dem neuen Modellprojekt nicht beteiligt
haben. Die Bayerische Staatsregierung ließ das Projekt
vielmehr links liegen; dennoch haben sich gerade in
Bayern sehr viele Regionen beworben.
Wir haben mit diesem Projekt eine Diskussion in Gang
gesetzt. Der Wettbewerb befindet sich jetzt in der entscheidenden Phase. In den nächsten Wochen werden diejenigen Regionen festgelegt, die gewonnen haben. Aber
auch alle anderen Regionen, die sich an dem Projekt
beteiligt haben, haben eine Reihe von zusätzlichen Erkenntnissen gewonnen.
Wir glauben, dass die Landwirtschaft in diesen Regionen nur dann eine gute, tragfähige Zukunft hat, wenn sich
nicht nur die Landwirte selbst, sondern auch die ganze Region um die Stärkung der landwirtschaftlichen Betriebe
kümmert und sich die landwirtschaftlichen Betriebe für
zusätzliche Betriebszweige und Einkommensquellen stärker öffnen, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, angesichts Ihrer Aussagen frage ich Sie, ob Sie bereit wären,
die Bewerbung meiner Region im Rahmen dieses neuen
Modellwettbewerbs des Bundeslandwirtschaftsministeriums zu unterstützen, um, auf den Erkenntnissen des jetzigen Projekts aufbauend, ganz gezielt Maßnahmen zu
entwickeln, die der Stärkung der Einkommenssituation
und dem Erhalt der ökologisch höchst wertvollen Landschaft in dieser Region zugute kommen.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Abgeordneter, selbst wenn ich diese
Bereitschaft hätte, müsste ich Ihnen sagen: Die Entscheidung über die Auswahl der Modellregionen wird von einer mit Fachleuten besetzten unabhängigen Jury getroffen.
Ich rufe die
Frage 31 des Kollegen Dr. Müller auf:
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Internationalen Jahr der Berge zur Unterstützung der Bergbauern und der
Tourismuswirtschaft in den Alpen?
Herr Abgeordneter, Berge haben für das Überleben der Menschheit eine entscheidende Funktion. Dies in
das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen und zu festigen ist die Aufgabe des Internationalen Jahres der Berge.
Unser Ministerium hat zuständigkeitshalber Initiativen gestartet. In der vergangenen Woche hat die Ministerin in
Bayern hierzu eine Kampagne in Gang gesetzt, die für die
Gebirgsregionen insgesamt Bedeutung haben soll.
Neben der Kampagne für das Internationale Jahr der
Berge arbeiten wir insbesondere im Bereich des Tourismus mit dem Bundesministerium für Wirtschaft zusammen. Wir versuchen gemeinsam, den Tourismus in den
Gebirgsregionen voranzubringen. Insbesondere zur Förderung der landwirtschaftlichen Strukturen in den Gebirgsregionen werden seit Jahren im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und
des Küstenschutzes“ erhebliche finanzielle Unterstützungen bereitgestellt, um die Gebirgsbauern in diesen Regionen zu halten und ihre Wirtschaftskraft zu stärken.
Auch diesbezüglich gilt das, was ich in der Beantwortung der vorherigen Frage gesagt habe: Die Neuorientierung der Agrarpolitik wird die finanziellen Spielräume
zur Förderung der Landwirtschaft in diesen Regionen erheblich ausweiten.
Haben Sie
eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Müller?
Ich habe eine kurze Zusatzfrage. - Herr Staatssekretär, Sie sind sicher bereit, zur
Kenntnis zu nehmen, dass sich - das ist Ihnen offensichtlich aus Ihren Akten bekannt - diese Region als Modellregion für das Zukunftsmodell ökologische Landwirtschaft rechtzeitig beworben hat und in der
Endausscheidung ist. Ich frage Sie - ich bitte Sie darum -,
ob Sie eine solche Bewerbung unterstützen. Im Internationalen Jahr der Berge könnte die Bedeutung der Landwirtschaft im Voralpen- und Alpenbereich für Landschaft,
Wasserhaushalt, Natur- und Kulturhaushalt mit gezielten
Maßnahmen vorangebracht werden.
Ich habe keinen Überblick darüber, wer
sich im Rahmen des Internationalen Jahres der Berge beworben hat. Ich nehme hier zur Kenntnis, dass sich diese
Region beworben hat. Im Haushalt 2002 wurden durch
das Parlament im Rahmen dieses Modellprojekts erhebliche Mittel bereitgestellt, um in Verbindung mit sehr vielen Organisationen und Trägern vor Ort im Rahmen des
Internationalen Jahres der Berge Initiativen zu starten, die
auch über das Jahr hinaus eine entsprechende Wirkung
entfalten können.
Ich bitte aber um Verständnis dafür, dass ich angesichts
des Verfahrens hier nicht vonseiten der Bundesregierung
für die eine oder andere Region in irgendeiner Form eine
besondere Unterstützung zusagen kann. Die Prozesse sind
transparent gestaltet; Experten entscheiden darüber, wie
die Mittel ausgegeben werden. In diesem Punkt unterscheiden sich die Wettbewerbe, die wir gestartet haben,
von der Vergabe von Projekten, wie wir sie nach dem
Regierungswechsel vorgefunden haben.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Lennartz.
Danke schön, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, wir haben zur Kenntnis
genommen, welche Maßnahmen dankenswerterweise
vonseiten der Bundesregierung insbesondere zur Unterstützung des Internationalen Jahres der Berge durchgeführt werden. Ist nicht das Verhalten der bayerischen
Behörden bei der BSE-Bewältigung kontraproduktiv
auch für die Tourismuswirtschaft?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Es ist auf jeden Fall so, dass infolge der
BSE-Krise Diskussionen stattgefunden haben, die der
Landwirtschaft erheblich geschadet haben. Im letzten
Jahr, auf dem Höhepunkt der BSE-Hysterie, durften Kinder aus landwirtschaftlichen Betrieben beispielsweise
nicht mehr in den Kindergarten, getreu dem Motto, BSE
könnte ja ansteckend sein. Es wurde auch gefragt, ob man
Patienten, die in einem Betrieb gearbeitet hatten, in dem
BSE festgestellt worden ist, in Krankenhäusern nicht einer getrennten ärztlichen Behandlung zuführen muss.
({0})
Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, diese Debatte sehr
zu versachlichen.
Es ist aber zweifellos richtig, dass die BSE-Krise in
dem Maße, in dem sie durch Versäumnisse etwa der
Bayerischen Staatsregierung weiter auf der Tagesordnung
steht, dem Tourismus schadet. Ich glaube aber, dass wir
im Bereich des Tourismus im Großen und Ganzen dennoch sehr gute Ergebnisse in den letzten Jahren erzielen
konnten. Ebenso wird, wie ich denke, der ländliche Tourismus eine große Zukunft haben. Für Leute, die sich nicht
gleich ins Flugzeug setzen wollen, ist Urlaub auf dem
Bauernhof sicherlich eine sehr gute Alternative; diese Urlaubsform stellt auch einen echten Wachstumsmarkt dar.
Die finanziellen Risiken der neuerlichen BSE-Diskussion - gestern gab es ja Berichte, die deutlich gemacht haben, dass der Rindfleischmarkt erneut einbricht - werden
allerdings wieder die landwirtschaftlichen Betriebe in
Bayern, insbesondere die kleinen bäuerlichen Betriebe, zu
tragen haben, die schon unter der bisherigen BSE-Krise
und dem Versagen der alten Bundesregierung gelitten haben.
({1})
Ich danke
Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich muss jetzt eine geschäftsleitende Bemerkung machen: Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung werden schriftlich beantwortet. Das Gleiche gilt für die Fragen aus dem
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und
Sozialordnung mit Ausnahme der Fragen 45 und 46 des
Kollegen Dr. Klaus Grehn und der Fragen 47 und 48 des
Kollegen Günter Baumann. Das bedeutet, dass wir mit der
Fragestunde wahrscheinlich früher fertig werden. Es ist
beabsichtigt, die Sitzung des Bundestages bis 15.35 Uhr
zu unterbrechen. Erst dann beginnt die angekündigte
Aktuelle Stunde.
Zur Beantwortung der noch ausstehenden Fragen aus
dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit
und Sozialordnung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 45 des Kollegen Dr. Klaus Grehn
auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse der Neuregelung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, TzBfG, die seit
dem 1. Januar 2001 vorsieht, dass die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bis zu zwei Jahren ohne besonderen Sachgrund dann
nicht mehr möglich ist, wenn der Arbeitnehmer irgendwann in
der Vergangenheit einmal bei demselben Arbeitgeber beschäftigt
war?
Schönen Dank, Herr
Präsident. Ich würde gerne die Fragen 45 und 46 gemeinsam beantworten, wenn der Abgeordnete Dr. Grehn damit
einverstanden ist.
Bitte.
Dann rufe
ich auch die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Klaus Grehn
auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels,
dass großzügigere Befristungsmöglichkeiten für Arbeitsverhältnisse die Schaffung neuer Arbeitsplätze positiv beeinflussen würden?
Mit den Neuregelungen
des Befristungsrechts im Teilzeit- und Befristungsgesetz
wurde ein Regelwerk zu befristeten Arbeitsverhältnissen
in Kraft gesetzt, das die Flexibilitätsinteressen der Arbeitgeber und die sozialen Schutzinteressen der Arbeitnehmer
ausgewogen berücksichtigt. Zugleich wurden die Vorgaben der Vereinbarung der europäischen Sozialpartner und
der entsprechenden EG-Richtlinie in nationales Recht
umgesetzt.
Für die Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Befristungsgrund, die so genannte erleichterte Befristung, wurde im Teilzeit- und Befristungsgesetz nicht
zuletzt auf Verlangen der Arbeitgeberseite im Gegensatz
zu den bisher, immer nur zeitlich begrenzt geltenden Regelungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes eine
Dauerregelung geschaffen. Es ist dabei geblieben, dass
befristete Arbeitsverträge bis zur Dauer von zwei Jahren
keines sachlichen Befristungsgrundes bedürfen. An der
Neuregelung wird unter anderem auch von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des
Einzelhandels kritisiert, dass solche Verträge nur noch bei
Neueinstellungen zulässig sind. Aber genau das entspricht
dem wesentlichen Anliegen der europäischen Sozialpartner und der EG-Richtlinie, befristete Arbeitsverträge dann zuzulassen, wenn sie sinnvoll sind, aber ihren
Missbrauch in Form von Dauerbefristung zu verhindern.
Diesen Missbrauch ließ die unter der früheren Bundesregierung eingeführte Möglichkeit zu, dass befristete Arbeitsverträge mit und ohne Sachgrund unbegrenzt aufeinander folgen konnten. Das unbefristete Arbeitsverhältnis
mit Kündigungsschutz soll auch nach dem erklärten Willen der europäischen Sozialpartner die Regel, das befristete Arbeitsverhältnis die Ausnahme bleiben. Das liegt
nicht zuletzt im wohlverstandenen Interesse der Arbeitgeber.
Die gesetzliche Neuregelung verhindert keinesfalls die
befristete Einstellung von Arbeitnehmern, wenn diese
schon zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren. In diesem Fall steht nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und
Befristungsgesetz eine ganze Palette von Sachgründen für
die befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern zur Verfügung. Gerade in den Betrieben des Einzelhandels ist befristete Saisonbeschäftigung üblich und in ständiger
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als sachlicher
Befristungsgrund anerkannt, auch dann, wenn der Arbeitgeber zum Beispiel für die Schlussverkäufe oder für das
Weihnachtsgeschäft wiederholt dieselben Aushilfskräfte
einstellt. Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist unter anderem auch die Zulässigkeit der Befristung zur Erprobung
und zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers.
Herr Kollege Grehn, Sie haben Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär Andres,
ich habe eine Nachfrage: Sie haben wahrscheinlich die
Positionen des Handelsverbandes zur Kenntnis genommen; das entnahm ich Ihren Äußerungen. Wie stehen Sie
zu den Untersuchungs- und Befragungsergebnissen, nach
denen 50 Prozent der Einzelhandelsunternehmen angeben, eine Vorbeschäftigung habe eine beabsichtigte Einstellung verhindert?
Herr Abgeordneter
Grehn, ich muss zunächst sagen: Ich kenne die Befragung
nicht, habe mich nicht mit ihr auseinander gesetzt und will
mich auch nicht auf sie beziehen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage kann ich Ihnen sagen,
dass es entgegen den öffentlichen Äußerungen ganz unterschiedlicher Verbandsvertreter oder Arbeitgebervertreter oder auch der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittelund Großbetriebe des Einzelhandels nicht richtig ist, dass
man jemanden, der schon einmal bei einem beschäftigt
war, nicht erneut befristet beschäftigen könnte. Es ist mir
ganz wichtig, das hier darzustellen, weil natürlich in diesem Bereich befristete Beschäftigung auch dann möglich
ist, wenn man denselben Arbeitnehmer schon früher in einem anderen Zusammenhang beschäftigt hatte.
Die Unternehmen gehen davon aus, dass eine Ausweitung der sachlichen Gründe für
diese befristete Beschäftigung die Wirksamkeit dieser
Regelung erhöhen würde. Wie stehen Sie zu dieser AusVizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
sage? Man nimmt insbesondere Bezug auf Tätigkeiten,
die zeitlich und inhaltlich mit der Vorbeschäftigung nicht
im Zusammenhang stehen, oder auf Zeiten, die nur als
Aushilfszeiten gegolten haben und auf die eine Nachbeschäftigung folgt, bei der das Gesetz dann greift.
Ich glaube, ich habe Ihnen in der Antwort schon gesagt, dass nach ständiger
Rechtsprechung beispielsweise Saisonarbeit in bestimmten Bereichen als sachlicher Befristungsgrund anerkannt
wird, sodass ich die Argumentation nicht verstehe, man
müsse den Katalog der sachlichen Gründe ausweiten oder
mehrere Möglichkeiten der Beschäftigung ohne sachlichen Grund zulassen.
Der Gesetzgeber wollte ja gerade, dass die befristete
Beschäftigung ohne sachlichen Grund nur einmal für
zwei Jahre zulässig ist. Die befristete Beschäftigung mit
sachlichem Grund ist zeitlich nicht beschränkt; ich habe
Gründe aufgezählt. Insbesondere für den Groß- und Einzelhandel ist saisonale Beschäftigung, beispielweise wegen des Weihnachtsgeschäftes oder wegen der Schlussverkäufe, ein anerkannter sachlicher Grund, sodass jeder
Arbeitgeber eine Arbeitskraft befristet einstellen kann. Er
kann auch dieselbe Arbeitskraft mehrmals, mehrere Jahre
hintereinander beschäftigen. In diesem Bereich gibt es
überhaupt keine gesetzliche Beschränkung, sodass ich
eine Ausweitung der sachlichen Gründe nicht für nötig
halte.
Eine letzte Nachfrage, Herr
Staatssekretär: Ich hatte auf die Untersuchung mit dem
Ergebnis 50 Prozent verwiesen. Ein weiteres Untersuchungsergebnis besagt, dass das Instrument der Befristung ohne sachlichen Grund von 70 Prozent der Unternehmen, die in die Befragung einbezogen waren, als nur
noch eingeschränkt nutzbar anerkannt wird.
Meine Frage: Erkennen Sie die Notwendigkeit an, sich
dieser Untersuchung anzunehmen, den Sachverhalt aufgrund der Untersuchungsergebnisse zu prüfen und sich
gegebenenfalls erneut dazu zu positionieren?
Herr Abgeordneter
Grehn, ich habe auf Ihre Fragen geantwortet. In diesen
Fragen ist nichts von einem Untersuchungszusammenhang oder von einer Untersuchung zu lesen. Ich habe
schon darauf hingewiesen, dass ich die Untersuchung
jetzt nicht präsent habe. Ich bin gerne bereit sie mir anzuschauen. Wenn Sie danach weitere Fragen stellen wollen,
stehe ich dafür selbstverständlich zur Verfügung.
({0})
Ich rufe die
Frage 47 des Kollegen Günter Baumann auf:
Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die im
Juni 2001 beschlossene neue Rentenvergleichsberechnung für
Verfolgte des SED-Regimes ({0}) bis heute von den Rentenversicherungsträgern nicht umgesetzt worden ist und die
Anträge der Betroffenen von den Landesversicherungsanstalten
bzw. der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vermutlich
bis zum Sommer 2002 nicht bearbeitet werden können?
Lieber Kollege Baumann, die
Probleme der verwaltungsgemäßen Umsetzung der mit
dem zweiten AAÜG-Änderungsgesetz bestimmten Verbesserung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes sind
der Bundesregierung bekannt.
Zutreffend ist, dass die aufgrund der Ergänzung des
§ 13 Berufliches Rehabilitierungsgesetz notwendig gewordenen weiteren Vergleichsrentenberechnungen bisher
noch nicht voll maschinell erfolgen können. Daraus ist jedoch keinesfalls abzuleiten, dass entsprechende Anträge
überhaupt nicht bearbeitet werden. Vielmehr wurde es als
hinnehmbar angesehen, dass einzelne Fälle zunächst nur
mit manuellen Eingriffen in den technischen Verfahrensablauf bearbeitet und beschieden werden können.
Bei der Entscheidung für diese Übergangslösung zur
Bearbeitung relativ geringer Fallzahlen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz hatten die Rentenversicherungsträger ihre aktuellen Aufgaben- und Terminsituationen zu beachten, die seit dem zweiten Halbjahr 2001
besonders von der verwaltungsgemäßen Umsetzung des
Altersvermögens- und des Altersvermögensergänzungsgesetzes bestimmt sind. Zusätzlich waren Aufgaben im
Rahmen der Währungsumstellung zum 1. Januar 2002
vordringlich zu lösen.
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass
die Verbesserungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes sehr kurzfristig als Ergebnis des Vermittlungsverfahrens in das zweite AAÜG-Änderungsgesetz aufgenommen worden sind, sodass der in einem normalen
Gesetzgebungsverfahren übliche Verwaltungsvorlauf bei
In-Kraft-Treten dieses Gesetzes nicht bestand.
Vor diesem Hintergrund sieht sich die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in der Lage, Renten an
Verfolgte des SED-Regimes mit Bezugspunkten zu
Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR voraussichtlich ab Ende des zweiten Quartals 2002 voll maschinell zu
berechnen.
Dieser Termin gilt auch für die Renten, bei denen noch
die Übergangsvorschriften des Beitrittsgebietes zur Anwendung kommen. Für die Renten, bei denen die Vergleichsberechnungen alleine nach den Regelungen des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI - vorzunehmen sind, werden die Berechnungen voraussichtlich ab
April 2002 vorgenommen werden können.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie führten aus, dass die Renten gegenwärtig nur manuell
und auch nur in geringer Anzahl nachberechnet werden
können. Mir ist eine andere Auffassung der Rentenversicherungsträger bekannt. Diese teilen den Antragstellern
mit Formblatt mit, dass eine Prüfung und Vergleichsberechnung gegenwärtig nicht durchgeführt werden kann,
da keinerlei Computerprogramme vorhanden sind und
manuell nichts berechnet wird.
Es ist unheimlich schwierig, dies den so genannten
Verfolgten des DDR-Regimes zu erklären, wenn zur gleichen Zeit systemnahe Funktionäre der DDR die höheren
Renten erhalten. Was gedenkt die Bundesregierung hier
zu tun? Mir ist bekannt, dass keinerlei Weisungsrecht gegenüber den Rentenversicherungsträgern besteht. Der politische Druck und der Wille des Parlaments müssten hier
aber eine Reihe von Möglichkeiten eröffnen.
Herr Abgeordneter, ich habe
zunächst einmal die Bitte, dass Sie mir dieses Formblatt
bzw. diese Formmitteilung geben. Ich werde dem nachgehen.
Wenn der Tatbestand stimmen sollte, dass überhaupt
keine Berechnungen stattfinden, werden wir das entsprechend thematisieren. Uns ist mitgeteilt worden, dass es
nur zu Problemen kommt, wenn bestimmte Vergleichsberechnungen anzustellen sind; nur so ist es mir bekannt.
Ich bitte Sie, mir das zu geben. Wir werden dann Wege
und Möglichkeiten finden, dort zu intervenieren.
Dann rufe
ich die Frage 48 des Abgeordneten Günter Baumann auf:
Wenn ja, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung,
um bei den Rentenversicherungsträgern auf eine zügige Umsetzung dieser Regelung zum rentenrechtlichen Nachteilsausgleich
hinzuwirken?
Die Rentenversicherungsträger teilen das Anliegen der Bundesregierung, die
Neuregelungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes
so zeitnah wie möglich umzusetzen. Die Bundesregierung
geht daher davon aus, dass die Umsetzung der Berechnung auch vor dem Hintergrund der Belastung durch die
Erledigung sonstiger Aufgaben so schnell wie möglich
stattfinden kann. Ich habe Sie schon darauf hingewiesen,
dass die Rentenversicherungsträger der Auffassung sind,
dass im zweiten Quartal 2002 voll berechnet werden
kann, sodass man dann zügig an eine Umsetzung und einen Abschluss herangehen wird.
Ich danke
Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Wie bereits
angekündigt, sind wir damit am Ende der Fragestunde.
Ich unterbreche die Sitzung des Parlaments bis
15.35 Uhr. Dann findet die angekündigte Aktuelle Stunde
statt.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP
Haltung der Bundesregierung zu der von Bundesfinanzminister Hans Eichel abgegebenen
Erklärung, bis 2004 einen „nahezu ausgeglichenen Gesamthaushalt“ vorlegen zu können
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für
den Antragsteller der Kollege Dr. Günter Rexrodt von der
FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Letzte Nacht haben unsere Bobfahrerinnen in Salt Lake City einen kleinen Fehler gemacht
und die Silbermedaille erhalten; das ist schon etwas.
Wenn man aber große Fehler macht, dann landet man sehr
schnell unter „ferner liefen“. Bei der Olympiade ist das so
ähnlich wie in der Politik, Herr Finanzminister Eichel:
Wenn man große Fehler macht, dann landet man unter
„ferner liefen“.
({0})
So ist das auch mit unserer wirtschaftlichen und finanzpolitischen Situation. Nur, die Folgen sind sehr viel
größer und betreffen sehr viele Menschen. Das bedeutet
nicht nur weniger Freude, sondern auch eine höhere Arbeitslosigkeit und Verdrossenheit in diesem Land.
Aufgrund unserer finanzpolitischen Lage sollten wir
eigentlich einen blauen Brief aus Brüssel erhalten. Dieser
wurde abgewendet. Dabei ist ein politischer Schaden entstanden, der größer ist als der, der entstanden wäre, wenn
dieser Brief gekommen wäre.
({1})
Aber nun, Herr Finanzminister, wollen wir schon wissen,
wie Sie Ihr Versprechen einhalten wollen, das Sie gegeben haben, um diesen Brief abzuwenden. Sie haben zugesagt, dass die Bundesregierung das gesamtstaatliche Defizit von 54 Milliarden Euro in nur zweieinhalb Jahren auf
nahezu null senken wird.
Herr Bundesfinanzminister, mit den Zusagen nach
außen, die die gesamte Bundesregierung derzeit macht, ist
das so eine Sache. Der Bundesverteidigungsminister und
seine Zusagen hinsichtlich des Kaufs von Transportflugzeugen stehen heute nicht zur Debatte. Aber das alles
nährt Misstrauen. Nun wollen wir wissen, wie Sie Ihr Versprechen einhalten wollen. Meiner Meinung nach müsste
ein Wunder geschehen: Entweder müsste eine wundersame Einnahmeerhöhung eintreten oder es müsste richtig
gespart werden.
Nun wenden wir uns einmal den Einnahmen zu: Woher
sollen angesichts der ausgesprochen richtigen Entscheidung, die Steuersätze nicht zu erhöhen, höhere Einnahmen
kommen? Die Konjunkturentwicklung gibt das nicht her;
in diesem Jahr, in dem mit einem Wachstum von 0,75 Prozent gerechnet wird, auf keinen Fall. Für die nächsten beiden Jahre haben Sie je 2,5 Prozent prognostiziert.
Alles, was im Jahreswirtschaftsbericht steht, ist bereits
Makulatur.
({2})
Aufgrund der Weltkonjunktur kann es vielleicht zu einem
Wachstum von 1 Prozent kommen. Das wären dann, gesamtstaatlich gesehen, Einnahmen von rund 20 Milliarden Euro mehr, aber eben keine 54 Milliarden Euro.
Binnenwirtschaftliche Zusatzimpulse, die schon aus
konjunkturellen Gründen gebraucht würden, wird es nicht
geben, solange es an grundlegenden Reformen fehlt. Es
fehlt vor allem - das ist das Entscheidende - an einer Reform des Arbeitsmarkts.
({3})
Solange im Niedriglohnsektor, beim Kündigungsschutz,
beim Tarifrecht und bei der Mitbestimmung keine Korrekturen erfolgen, werden die binnenwirtschaftliche Verdrossenheit und der Attentismus bei den Investitionen beibehalten. Von daher erhalten Sie keine Entlastung.
Was die Ausgabenseite angeht, Herr Bundesfinanzminister: Der Haushalt - wir haben das hier immer gesagt wird auf „crash“ gefahren. Die Reform der Ausgaben hat
nie stattgefunden,
({4})
auch in der Zeit nicht, als Sie konjunkturell Rückenwind
hatten und als aufgrund von Einmaleinnahmen die Einnahmequellen reichlich sprudelten.
Sie haben die Nettokreditaufnahme in den Jahren 2000
und 2001 in der Summe nur um 5,1 Milliarden Euro reduziert. Das war viel zu wenig und nun haben wir den Salat.
({5})
- Herr Wagner, das wissen Sie genau. Der Investitionsanteil am Gesamthaushalt steuert auf ein historisches Tief
von 10,1 Prozent zu.
({6})
Die Bundeswehr können Sie nicht mehr als Steinbruch
benutzen; da müssen Sie allemal drauflegen.
({7})
Der Kollege Urbaniak ist nicht anwesend. Ich frage
gleichwohl: Wollen Sie die Kohlesubventionen kürzen?
Wollen Sie bei der Landwirtschaft kürzen?
({8})
Das traue ich Ihnen nicht zu; das bringen Sie nicht.
Der Haushalt kann nur saniert werden - es gibt gar
keine andere Möglichkeit -, wenn man an den Haushalt
des Bundesarbeitsministers herangeht, meine Damen und
Herren.
({9})
Dabei geht es um die Arbeitsförderungsmaßnahmen und
darum, dass 30 Prozent des Bundeshaushalts an die Rentenversicherung gezahlt werden. 30 Prozent - mit steigender Tendenz! Das geht in Richtung einer steuerfinanzierten Rente.
({10})
Wenn Sie da keine Reform schaffen, bringen Sie es nicht.
({11})
Heute Nachmittag wollen wir erfahren, wie Sie, Herr
Finanzminister, die 54 Milliarden Euro, die Sie nun einsparen müssen - das haben Sie zugesagt, um den blauen
Brief abzuwenden -, einsparen wollen.
({12})
Heute wollen wir wissen: Wie wollen Sie das machen?
({13})
Darauf, es zu erfahren, haben wir und hat auch die Öffentlichkeit einen Anspruch. Wir sind alle sehr gespannt,
Herr Bundesfinanzminister.
({14})
Als
nächster Redner hat der Kollege Joachim Poß von der
SPD-Fraktion das Wort.
({0})
Ich werde Sie schonen, Herr
Kollege.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland hat maßgeblich an der Entstehung der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion und an der Konzipierung des Europäischen Stabilitätspakts mitgearbeitet.
({0})
Herr Waigel war da Getriebener von Herrn Stoiber. Bekanntlich wollte Herr Stoiber - so auf einem CSU-Parteitag; Herr Michelbach wird das bestätigen können - die
Euro-Einführung ursprünglich ablehnen.
({1})
Unsere europäischen Partner erwarten gerade wegen
der aktiven Rolle Deutschlands von uns eine stabilitätsorientierte Haushalts- und Finanzpolitik. Die rechtlichen
Verpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland mit
großen Mehrheiten, sowohl hier im Deutschen Bundestag
als auch im Bundesrat, eingegangen ist, sind eindeutig.
Das gesamtstaatliche Defizit in Deutschland ist auf jährlich maximal 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen. Die Mitgliedstaaten müssen mittelfristig ausgeglichene Budgets erreichen. Diese Verpflichtungen hat
der Bundesfinanzminister letzte Woche in Brüssel noch
einmal bestätigt und konkretisiert. Warum werden sie jetzt
eigentlich infrage gestellt? Aber es war ja zu erwarten,
dass in einem Wahljahr die Erklärung des Bundesfinanzministers zu einer innenpolitischen Auseinandersetzung
genutzt werden würde.
Wenn es um so genannte blaue Briefe ginge, dann
müsste ich Ihnen von der CDU/CSU und der FDP für alle
Ihre Vorschläge zur Steuersenkung und zur Ausgabenerhöhung jetzt zehn solcher Briefe überreichen.
({2})
Sehr wahrscheinlich wäre es sogar angemessener, Ihnen
die rote Karte wegen mangelnder wirtschafts- und finanzpolitischer Kompetenz zu überreichen.
({3})
Diese Koalition fühlt sich verpflichtet, alles zu tun, damit Deutschland ein verlässlicher europäischer Partner
bleibt. Die vielen Äußerungen der letzten Tage und Wochen haben auch einer breiten Öffentlichkeit eines klar gemacht: Die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt obliegt sowohl
dem Bund als auch den Ländern. Ich füge hinzu: Dieser
Verpflichtung unterliegt auch die Opposition hier im
Deutschen Bundestag und in den Ländern. Von nun an
werden alle Ihre Vorschläge sehr genau an diesem Kriterium gemessen werden.
({4})
Deshalb begrüße ich diese Diskussion.
Weil manche Äußerung aus den Ländern zuweilen anders verstanden worden ist, sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es bereits heute klare gesetzliche Normen
gibt, durch die neben dem Bund auch die Länder einschließlich ihrer Gemeinden auf die Einhaltung des Stabilitätspaktes verpflichtet sind. Sowohl Bundestag als
auch Bundesrat haben Ende letzten Jahres mit großer
Mehrheit den Art. 7 des Solidarpaktfortführungsgesetzes
verabschiedet, mit dem § 51 a in das Haushaltsgrundsätzegesetz eingefügt worden ist.
({5})
Dieser neue Paragraph schreibt fest, dass der Bund und
die Länder ihrer Verantwortung zur Einhaltung der Verpflichtungen im Rahmen dieses Paktes nachkommen und
eine Rückführung der Nettoneuverschuldung mit dem
Ziel ausgeglichener Haushalte anstreben. Dies ist - das
haben manche vergessen - geltendes Recht.
Was ergibt sich daraus? Diejenigen, die im Bund und
in den Ländern die öffentlichen Haushalte zu verantworten haben, müssen sich zusammensetzen und in einem
konstruktiven Klima ausloten, was sie zur Erreichung der
eingegangenen haushaltspolitischen Verpflichtungen zu
tun haben. Es ist daher zu begrüßen, dass die Länderfinanzminister und der Bundesfinanzminister bereits im
März eine Sondersitzung des Finanzplanungsrates durchführen wollen. Vor diesem Hintergrund habe ich wenig
Verständnis für gegenseitige Schuldzuweisungen. Aber
diese Phase scheint jetzt hoffentlich vorbei und überwunden zu sein.
Mit den Vorbereitungen für den Bundeshaushalt 2003
und den Finanzplan bis 2006 muss jeder Ressortminister
prüfen, wo in den Etats noch Reserven vorhanden sind.
({6})
Ebenso sind auch die einzelnen Bundesländer aufgefordert, nach Einsparmöglichkeiten in ihren Haushalten zu
suchen.
Wenn Herr Merz jetzt schon behauptet, ein ausgeglichener staatlicher Gesamthaushalt sei bis 2004 nicht
mehr zu erreichen,
({7})
dies wäre nur mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um
4 Prozentpunkte möglich,
({8})
dann betätigt er sich wieder einmal als Hellseher. Diese
Koalition gedenkt nicht, solchen vergifteten Vorschlägen
zu folgen.
({9})
Dies macht wieder einmal Ihre Denkart deutlich, Herr
Merz; denn vor wenigen Wochen haben Sie ebenso wie
Herr Stoiber noch die Ausnutzung des 3-Prozent-Spielraumes gefordert. Bei Ihnen geht derzeit alles durcheinander. Herr Rauen hat sich heute öffentlich geäußert und
will die Unternehmensteuerreform rückgängig machen.
Bei Ihnen läuft es nach dem Motto „Denn sie wissen
nicht, was sie wollen“. Weil Sie nicht wissen, was Sie
wollen, sind Sie die schlechtesten Ratgeber für eine solide
Finanzpolitik.
({10})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Peter Rauen für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Der Anlass der Aktuellen
Stunde ist mir zu ernst, um auf die Vorhaltungen von Herrn
Poß näher einzugehen.
({0})
Anfang der 90er-Jahre war es ein großer und von vielen nicht für möglich gehaltener Erfolg von Kohl und
Waigel, dass sich die Partnerländer im Rahmen des Stabilitätspaktes bereit gefunden haben, institutionelle Regelungen für die Begrenzung und Rückführung ihrer Staatsverschuldung zu akzeptieren. Das war für uns wichtig,
damit einer starken D-Mark ein starker Euro folgen kann.
Machen wir uns aber nichts vor: Auch die beste Vereinbarung ist nur so viel wert wie der Wille aller Beteiligten,
sie einzuhalten und die gemeinsam festgesetzten Regeln
auch dann zu akzeptieren, wenn dies für einen selbst
unangenehm und schmerzlich ist.
({1})
Vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen der Regierung im Zusammenhang mit der von der EU-Kommission
vorgeschlagenen Frühwarnung verheerend.
({2})
Deutschland, das die anderen Mitgliedstaaten auf den Stabilitätspakt verpflichtet hat, zeigt sich nicht nur unfähig,
dessen Ziele zu erfüllen, sondern auch unwillig, die für
diesen Fall vorgesehenen Konsequenzen hinzunehmen.
({3})
Damit ist ein Präzedenzfall geschaffen worden. Niemand glaubt noch im Ernst, dass die im Stabilitätspakt
vorgesehenen Kontroll- und Sanktionsmechanismen in
der Zukunft noch einmal greifen werden, wenn einer der
großen Mitgliedstaaten betroffen ist. Um eines kurzfristigen innenpolitischen Vorteils im Wahljahr willen hat die
Bundesregierung in Kauf genommen, dass das Vertrauen
in die Stabilität des Euro und die institutionellen Regelungen der Währungsunion auf Dauer Schaden nehmen.
Eben in der Fragestunde hat Frau Hendricks erklärt,
Minister Eichel habe darauf keinen Einfluss genommen.
({4})
Die ganze Welt weiß, dass er versprochen hat, die staatliche Neuverschuldung bis 2004 gegen null zurückzuführen. Die Frühwarnung sollte kommen, weil angenommen werden muss, dass wir 2002 die Defizitquote
von 3 Prozent streifen werden.
Meine Damen und Herren, was heißt es, in zwei Jahren die Defizitquote um 3 Prozent zu reduzieren? Das
heißt, der Gesamtfinanzierungssaldo muss um 60 Milliarden Euro reduziert werden. Herr Eichel, sagen Sie mir
bitte, wie Sie dies machen wollen. Sie müssen dann ja
auch für die Länder und Gemeinden sprechen, die nicht
zuletzt durch Ihre Steuerreform weit mehr mit Steuerrückgängen belastet sind als der Bund selbst. Schließlich haben die Länder 5,7 Prozent Rückgang, die Gemeinden 9,6 Prozent und der Bund lediglich 2,5 Prozent.
({5})
Sie müssen schon erlauben, dass man die Frage stellt: Wie
soll dies denn geschehen?
Herr Eichel, das Vertrauen in die Ausgabenkonsolidierung habe ich nicht mehr. Sie haben über die Einnahmen
konsolidiert, wie eben schon von Herrn Rexrodt gesagt.
Die Investitionen des Bundes gehen von 1998 bis 2002
nominell um 10 Milliarden DM zurück.
Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal darstellen, in welchem steuerpolitischen und finanzpolitischen
Umfeld dies geschieht. Herr Poß hat auf Waigel verwiesen. Ich darf ein paar Zahlen nennen: Finanzminister
Waigel musste mit Gesamtsteuereinnahmen fertig werden, die im Jahr 1995 bei 814 Milliarden DM, im Jahr
1996 bei 800 Milliarden DM, im Jahr 1997 bei 797 Milliarden DM und im Jahr 1998 bei 833 Milliarden DM
lagen.
({6})
Das heißt, der gesamte Steuerzuwachs betrug in diesen
Jahren nominell lediglich 19 Milliarden DM.
Wir hatten aber im Jahr 1999 auf allen Ebenen - Bund,
Länder und Gemeinden - Steuereinnahmen von 886 Milliarden DM, im Jahr 2000 von 913 Milliarden DM, im
Jahr 2001 von 877 Milliarden DM und im Jahr 2002 von
904 Milliarden DM.
({7})
Das heißt, Sie hatten in diesen vier Jahren einen Steueraufwuchs von insgesamt 244 Milliarden DM. Sie haben
nur über die Einnahmen konsolidiert, nicht aber über die
Ausgaben.
({8})
Herr Poß, ich bitte zu respektieren, wenn unser Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz völlig zu Recht die
Frage stellt: Wie kann man einem solchen Finanzminister
trauen? Will er nicht wieder nur über die Einnahmenseite
versuchen, seine Zusage einzuhalten? Es ist einfach eine
Wahrheit: Wenn ich diesen Finanzierungssaldo ausgleichen wollte, dann müsste ich die Mehrwertsteuer insgesamt um 4 Prozentpunkte erhöhen.
Herr Minister, Sie werden hier gleich dazu sprechen.
Sagen Sie uns, wie Sie den Ausgleich des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos bei Bund, Ländern und Gemeinden angesichts der verheerenden Einnahmesituation
der Länder und Gemeinden seriöserweise in den Jahren
2003 und 2004 schaffen wollen!
({9})
Ich kann nur sagen: Die Zusage, die Sie gemacht haben,
um den blauen Brief zu verhindern, konnte nur ein Finanzminister machen, der davon ausgeht, nach dem
22. September 2002 nicht mehr in der Verantwortung zu
stehen.
({10})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Oswald Metzger vom Bündnis 90/
Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aktuelle Stunden sind in einem Wahljahr immer reizvoll, weil man sich
dann in Wahlkampfrauch hüllt und Fakten um die Ohren
haut, die sich schlecht nachvollziehen lassen. Aber eine
nackte Zahl, die für die Solidität der Bundesebene steht,
muss man hier immer wiederholen: Wir haben in den letzten vier Jahren den Schuldenstand des Bundes um 39 Milliarden Euro erhöht, Sie haben ihn in den letzten vier Jahren Ihrer Regierungszeit um 141 Milliarden Euro erhöht.
Das sind die schlichten Fakten.
({0})
Zweiter Punkt: Herr Kollege Rauen hat gerade vorgetragen, der Bund spare nicht auf der Ausgabenseite. Das
letzte Jahr hat der Bundeshaushalt mit einem Ausgabenminus von 0,5 Prozent abgeschlossen. Bund und Länder
hatten seit Jahren - auch schon zu Ihrer Regierungszeit im Finanzplanungsrat dazu verabredet, die Ausgaben in
einem Korridor bis maximal 2 Prozent steigen zu lassen.
Der Bund hat sich daran gehalten, eine Reihe von Bundesländern nicht, und zwar ganz egal, wie sie regiert werden; auch „schwarze“ Länder liegen bei Ihren Ausgaben
über der Steigerungsrate von 2 Prozent. Was die Solidität
angeht, können Sie uns also in keiner Weise packen.
({1})
In der letzten Woche haben wir in Gestalt des Bundesfinanzministers in Brüssel die Zusage gemacht, das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2004 „close to balance“ zu
bringen. Das bedeutet ein gesamtstaatliches Defizit von
etwa 0,5 Prozent.
({2})
- Wenn Sie Zwischenrufe machen, können Sie nicht
zuhören.
({3})
0,5 Prozent werden im Jahre 2004 ungefähr 13, 14 Milliarden Euro ausmachen, wohingegen das gesamtstaatliche
Defizit im letzten Jahr fast 54 Milliarden Euro betrug.
Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen
müssen bis 2004 im Zuge einer anspringenden Konjunktur - nicht in eine Rezession hinein ({4})
ihre Anstrengungen durch Strukturreformen beim Arbeitsmarkt und durch Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe deutlich verstärken. Das sind jetzt
keine Aussagen des Haushaltssprechers der Grünen, sondern der Bundeskanzler hat sich in der letzten Woche, wie
Sie sich vielleicht erinnern, zu dieser Reformagenda bekannt.
Die Bundesländer haben sich im letzten Jahr, als es um
das so genannte Maßstäbegesetz ging, geweigert,
({5})
in dieses Gesetz einen nationalen Stabilitätspakt hineinzuschreiben. Im ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums war eine entsprechende Formulierung enthalten; aber alle 16 Länder haben dies abgelehnt.
Warum sie das getan haben, wird deutlich, wenn man den
Jahresabschluss 2001 ansieht: Nur der Bund war konsequent und hat seine Ausgabenlinie und auch die Linie seiner Nettokreditaufnahme gehalten. So einfach ist die
ganze Geschichte.
({6})
Bei Lichte betrachtet sitzen alle, wenn sie ehrlich sind,
in einem Boot, egal, zu welcher Partei sie gehören. In den
nächsten vier Jahren - natürlich auch in der nächsten Legislaturperiode - werden wir die Bürgerinnen und Bürger
auf „Weniger ist mehr“ einstellen müssen. Solange wir
nämlich Bundes- und Landeshaushalte über Kredite finanzieren, werden wir auch ständig über Steuererhöhungen diskutieren müssen; denn die Zinsen und Zinseszinsen zahlen nicht die Politiker,
({7})
sondern die Bürgerinnen und Bürger.
Es reicht nicht aus, dass wir die Neuverschuldung reduzieren und die Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts
verbessern - beispielsweise ist das Verhältnis von Investitionen und Kreditaufnahme jetzt wesentlich besser als
zu Ihren Regierungszeiten; Sie müssen diesen soliden Parameter als Basis für eine korrekte Betrachtung der Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts hinnehmen -; vielmehr müssen alle Ebenen in gesamtstaatlicher Solidarität
einen nationalen Stabilitätspakt schmieden. Allerdings
darf dann ein bayerischer Ministerpräsident nicht in der
ersten Woche, nachdem er zum Kanzlerkandidaten gekürt
wurde, allen Ernstes behaupten, es gebe so etwas wie eine
Schwankungsreserve von 8 Milliarden Euro, man könne
bis zur Maastrichter Defizitmarge von 3 Prozent ja noch
Geld ausgeben, Konjunkturprogramme auflegen oder
Steuern senken.
({8})
So etwas ist vor allem dann höchst unsolide, wenn man als
Parteivorsitzender der Nachfolger von Herrn Waigel ist,
der Gott sei Dank - das sage ich ganz bewusst; ich habe
das in der Opposition unterstützt - den europäischen
Nachbarn den Stabilitätspakt zugemutet und ihn durchgesetzt hat.
({9})
Das ist ein Armutszeugnis für die Opposition.
Dies zeigt aber auch - das ist jetzt an die Adresse des
Fraktionsvorsitzenden Merz gerichtet -, dass die Debatte
in Brüssel in einem Wahljahr in Deutschland sehr wohl
heilsame Wirkungen hat. Zumindest die CDU/CSU hat
sich von Steuersenkungsversprechen verabschiedet;
({10})
die FDP hat dies im Gegensatz zur Bevölkerung noch
nicht begriffen. Allerdings hat Kollege Rauen heute im
„Handelsblatt“ angekündigt, dass er die Steuern für
Großunternehmen erhöhen wolle. Diese Strategie kann
man Ihnen natürlich auch nicht durchgehen lassen, Herr
Rauen. Da ist unsere Linie doch konsequenter. Auch der
Kanzler hat sich dazu bekannt: Wir wollen keine Steuererhöhungen. Wir wollen eine Fortsetzung der soliden Finanzpolitik. Wir glauben, dass das für 2004 anvisierte Ziel
ehrgeizig, aber zu schaffen ist, wenn wir im Windschatten
einer wieder anziehenden Weltkonjunktur weitere Strukturreformen vornehmen.
({11})
Vielen Dank.
({12})
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Dr. Christa Luft von der PDS-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Abgeben ehrgeiziger Versprechen war die rot-grüne Bundesregierung schon immer
Meisterin;
({0})
im Einhalten war sie das nicht.
({1})
Ich erinnere nur an das Versprechen, die Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen abzubauen, ich erinnere an den
Aufbau Ost, der Chefsache werden sollte. Man kann weitere Beispiele finden. Mit der jüngsten Erklärung des Finanzministers, den Gesamthaushalt bis 2004 nahezu auszugleichen, wird es, so denke ich, nicht anders werden,
({2})
denn dieses Versprechen beruht nicht auf solider Prüfung
und Abwägung der dafür erforderlichen Voraussetzungen.
Es ist eine Panikreaktion, um die Zustellung des blauen
Briefes, der in Brüssel bereits im Briefkasten lag, in letzter Minute doch noch zu verhindern.
Minister Eichel hat etwas zugesagt, was er eigentlich
gar nicht zusagen kann, denn die Bundesrepublik wäre
aufgrund dessen letztlich zu einer Verfassungsänderung
gezwungen. Ohne eine Änderung des Art. 109, der den
Ländern Selbstständigkeit in der Haushaltspolitik zusichert, ist das gar nicht zu machen. Zudem braucht der Finanzminister ein Gesetz, das Sanktionen bei Fehlverhalten vorsieht. Ob beides so rechtzeitig zu realisieren ist,
dass bis 2004 Wirkungen erzielt werden könnten, ist
höchst zweifelhaft.
Das aber ist nur die formale Seite. Die inhaltliche Seite
besteht meines Erachtens darin, dass Stabilität nicht nur
durch Sparen zu erreichen ist, sondern Wachstum und
neue Einnahmen voraussetzt.
({3})
Der Pakt, den die Euro-Länder abgeschlossen haben,
heißt nicht umsonst Stabilitäts- und Wachstumspakt.
Wachstum aber ist die eigentliche Achillesferse der deutschen Stabilitätspolitik, weil die Investitionskraft auf allen Ebenen der Bundesrepublik gesunken ist. Insbesondere die viel gelobte rot-grüne Steuerreform hat die
Haushalte der Länder und Gemeinden so stark belastet,
dass diese kaum noch Investitionskraft haben. Sie kennen
wie ich viele Bundesländer und noch viel mehr Kommunen, die nicht einmal mehr in der Lage sind, Fördermittel
des Bundes und der Europäischen Union abzurufen, weil
sie die Eigenbeiträge zu Finanzierung nicht aufbringen
können.
({4})
Im Jahr 2001 sank das Investitionsniveau der Kommunen unter das Niveau des Jahres 1993. Das will schon etwas heißen. 2002 ist keine Änderung abzusehen. Der Absturz der Gewerbesteuer wird die Kommunen zwingen,
weiter auf die Ausgabenbremse zu treten. Wenn diese
Lage nicht geändert wird, dann ist ein totaler Investitionsnotstand aufgrund des angestrebten Sparens zulasten
der Länder und Kommunen vorprogrammiert.
Ein nationaler Stabilitätspakt macht also nur Sinn,
wenn er auf einer Neuverteilung von Aufgaben zwischen
Bund und Ländern beruht und wenn er den Ländern und
Kommunen neue, zuverlässige Einnahmequellen sichert.
Das bedeutet für mich, endlich über die erneute Erhebung
der Vermögensteuer Konsens zu erzielen
({5})
und eine Mindeststeuer einzuführen, damit sich gut verdienende Konzerne nicht länger teilweise oder ganz der
Steuer entziehen können. Auch die Rücknahme der Steuerfreistellung für Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften gehört auf den Prüfstand, wenn man sich ein
solch ehrgeiziges Ziel vornimmt, wie es der Bundesfinanzminister in Brüssel verkündet hat.
Völlig im Dunkeln bleibt, wie der Bund seinen Sparbeitrag bis 2004 erbringen will. Der Finanzminister sollte
nicht allzu sehr auf eine konjunkturelle Aufhellung setzen. Eine Mehrwertsteuererhöhung wird im Regierungslager kategorisch ausgeschlossen; jedenfalls hört man das
jetzt laufend. Soziale Grausamkeiten sollen den Bürgerinnen und Bürgern, so der SPD-Fraktionschef Struck,
nicht zugemutet werden, denn der Gürtel sei schon jetzt
eng genug geschnallt. An der haushaltsmäßig noch nicht
eingeordneten Finanzierung des Militärtransporters und
an der Transrapidstrecke soll festgehalten werden. Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe sollen natürlich nicht zusammengelegt werden - das sei nur ein Gerücht - und an der
Bildung soll auch nicht gespart werden. Also: Dementi
über Dementi.
Wo aber, Herr Bundesfinanzminister, soll das Messer
dann angesetzt werden? Es ist politisch höchst durchsichtig, wenn auf diese Frage vor der Bundestagswahl keine
konkrete Antwort gegeben wird.
({6})
Ich bin sicher, dass Staatssekretär Overhaus längst eine
Streichliste in der Schreibtischschublade hat.
Eines muss klar sein: Stabilitätspolitik darf sich - ich
betone: so wichtig das ist - nicht auf die Stabilität des
Euro beschränken. Sie darf die soziale Stabilität der Gesellschaft nicht beschädigen. Diese Gefahr besteht aber,
wenn die Erklärung des Bundesfinanzministers voraussetzungslos umgesetzt wird. Im Übrigen bestünde sie
auch dann, wenn die Vorschläge der Union und der FDP,
die sich vornehmlich den Haushalt für Arbeit und Soziales als ausquetschbare Zitrone ausgesucht haben, verwirklicht würden.
({7})
Für die
Bundesregierung spricht jetzt der Bundesminister Hans
Eichel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich
es richtig sehe, wird diese Debatte an diesem Tage bereits
zum dritten Mal in den verschiedenen Gremien des Deutschen Bundestages geführt.
({0})
Ich muss Ihnen sagen: Ich bin außerordentlich darüber erstaunt, wie Sie wahrnehmen, was seit Jahren verabredet
ist. So ist zum Beispiel das Ziel, im Jahre 2004 einen nahezu ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, Bestandteil
aller deutschen Stabilitätsprogramme seit dem Jahr 2000.
Diese Programme liegen Ihnen allen vor. Wir haben das
zuletzt dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Umdruck vom 6. Juni 2001 mitgeteilt.
({1})
Mit anderen Worten: Es gibt überhaupt kein neues Versprechen des Bundesfinanzministers. Es gibt nur eines,
nämlich die Tatsache, dass die Opposition einen Sachverhalt, den sie durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt
- ich komme gleich noch darauf - selbst herbeigeführt
hat, mit einer Verspätung von zwei Jahren heute zur
Kenntnis nimmt. Das ist alles. Ansonsten hat sich nichts
geändert.
({2})
Nebenbei: In Brüssel haben wir das Verfahren einstimmig - in der Eurogroup, im Ecofin, gemeinsam mit der
Kommission und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank - abgeschlossen.
({3})
Sie finden das durch den spanischen Ratspräsidenten,
Ministerpräsident Aznar, der ja bekanntlich ein Konservativer ist, im „Spiegel“-Interview dieser Woche bestätigt. Meine Damen und Herren, das ist Ihr Pech: Die
Rede, die ich hier halte, könnte mein spanischer Kollege
Rodrigo Rato genauso halten. Dann hätten Sie ein paar
Schwierigkeiten mehr.
({4})
Deswegen: Dieses Thema ist erledigt, und zwar einvernehmlich. Damit wird eine Stärkung des europäischen
Stabilitätspaktes erreicht.
({5})
Darauf lege ich den größten Wert.
({6})
Ich komme jetzt auf die zentralen Fragen meiner angeblichen Versprechen, die für Sie so neu sind:
Erstens: Dreiprozentkriterium. Das ist Bestandteil des
Maastricht-Vertrages, den die Regierung Kohl eingebracht hat und dem alle deutschen Bundesländer im Bundesrat sowie alle Parteien im Deutschen Bundestag zugestimmt haben. Seitdem steht das Dreiprozentkriterium Versprechen Nummer 1.
Übrigens: Wie ernst Sie diesen Punkt nehmen, habe ich
in der Vergangenheit erlebt. Herr Stoiber wollte wenigstens einmal die Grenzen der Belastbarkeit austesten und
hat gesagt, man könne den Spielraum zwischen 2,7 Prozent und 3 Prozent ausschöpfen. Herr Brüderle hat ganz
offen erklärt, wir sollten unsere Verpflichtungen aus dem
europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt suspendieren und für ein paar Jahre nicht so ernst nehmen. Was ist
das für ein Umgang mit einem in der Tat hohen Gut, der
europäischen Stabilitätskultur, das Sie selber herbeigeführt haben?
({7})
Wie schändlich behandeln Sie das selbst? Es ist ja auch
nicht ohne Hintersinn, dass Theo Waigel heute nicht hier
im Plenum sitzt.
({8})
Ich habe die differenzierten Stellungnahmen, die er abgegeben hat, ganz genau zur Kenntnis genommen und mit
den Anträgen, die Sie im Deutschen Bundestag gestellt
haben, verglichen.
Zweitens. Es ist wichtig, in diesem Jahr die Haushaltspläne sorgfältig auszuführen und dabei Ermessensmaßnahmen zu vermeiden, die zu einer Erhöhung der Defizite
führen. Das habe ich Ihnen immer wieder gesagt, meine
Damen und Herren. Erinnern Sie sich doch daran, Herr
Austermann, welche Anträge Sie zu den Haushaltsberatungen für das Jahr 2002 im vergangenen Spätsommer
eingebracht haben. Das waren noch schlappe 30 Milliarden - damals noch DM - obendrauf. Damit war der Vertrag von Maastricht längst gebrochen. Das ist Ihre Politik.
Ich habe Ihnen immer wieder gesagt, dass dies mit dem
europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht vereinbar ist.
({9})
Was haben Sie denn in der Steuerpolitik vorgeschlagen? Frau Merkel hat gesagt: Wir ziehen mal locker die
Stufe 2005 auf 2002 vor. Sie wollten ja ursprünglich auf
2002 vorziehen.
({10})
- Das werden Sie gleich alles erfahren. - Mit anderen
Worten: Sie sind die schlechtesten Wächter des europäischen Stabilitätspakts, seit Sie selbst ihn abgeschlossen
haben.
({11})
Damit komme ich zu dem, was wir bisher gemacht haben. Wir wollen doch einmal festhalten, dass - anders als
das, was Sie hier die ganze Zeit vorbringen - im Vergleich
des Haushalts für das Jahr 1998 mit dem Haushaltsplan
({12})
die Ausgaben um 5,5 Prozent oder 12,6 Milliarden Euro
gesunken sind. In den Haushalt für 1998 müssen Sie
nämlich all das mit einbeziehen, was Sie damals vergessen haben,
({13})
zum Beispiel die Haushaltsnotlagenhilfen für Bremen
und das Saarland und vieles andere. Die Ausgaben sind
- wenn Sie sie genau betrachten - um 12,6 Milliarden
Euro gesunken. Das ist eine Konsolidierung auf der Ausgabenseite.
({14})
Sie haben in der gesamten Zeit von Steuererhöhungen
geredet. Ich will Ihnen fairerweise mitteilen, dass Herr
Rauen mir vorhin gesagt hat, er werde morgen im „Handelsblatt“ dementieren, dass er das jemals gesagt habe.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch - bekanntlich Ihr Parteifreund - hat es aber gesagt, Herr Rauen. Das
ist das Pech an der Sache.
({15})
Angesichts Ihrer Äußerungen in der letzten Zeit habe ich
den Eindruck, dass Sie als einzige Antwort Steuererhöhungen vorbereiten wollen.
({16})
Wir aber - das sage ich dezidiert - wollen das nicht.
({17})
- Meine Antwort ist ganz einfach, verehrter Herr
Michelbach. Sie müssen gar nicht dazwischenschreien.
Sie müssen sich nur ansehen, welche Haushaltspolitik wir
seit dem Konsolidierungshaushalt 2000 betrieben haben.
Wir haben nämlich mit dem 30-Milliarden-DM-Sparprogramm erreicht, dass wir im Jahr 2000 bereits die Minimalbenchmark von 1,1 Prozent erzielt haben und deswegen jetzt nicht die 3 Prozent überschreiten.
({18})
Hätten wir noch den Haushalt des Jahres 1998, verehrter Herr Michelbach, dann stünden wir jetzt vor einem Defizit von mehr als 4 Prozent.
({19})
Das ist das Ergebnis unserer Politik.
({20})
Das lasse ich mir von Ihnen keinen Deut schlechtmachen.
Wir verfolgen den Weg, die Nettoneuverschuldung
Jahr für Jahr konsequent zu reduzieren, weiter. Wir liegen
auch mit dem Haushaltsplan für das Jahr 2001 und seinem
Abschluss leicht unter der Planung des Haushaltsjahres
1999 - mit einer ständigen Reduzierung der Ausgabenlinie bis 2001 und der Nettoneuverschuldung.
({21})
Das heißt für 2003 - das werden Sie beim Haushaltsplan
2003 sehen - und für 2004, dass die Nettoneuverschuldung weiter auf 15 Milliarden Euro bzw. 10 Milliarden
Euro sinken wird. Das ist die Linie, die wir konsequent
verfolgen - dafür müssen wir nichts Neues erfinden - und
die mit dem jeweiligen Haushaltsplan festgelegt wird.
({22})
Jetzt stellt sich eine spannende Frage - an der Sie übrigens gescheitert sind -, in der Bayern immer voran war.
Ich habe heute zum ersten Mal vom bayerischen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten eine etwas konstruktivere Äußerung zu diesem Thema gehört. Das war
nämlich bisher ziemlich spannend. Auch was Sie gesagt
haben, Frau Luft, war völlig daneben. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben den Maastricht-Vertrag
beschlossen. Damit sind wir völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen. Wenn aber innerstaatlich in der Tat
- daran will ich gar nicht tasten - die Haushaltsautonomie
des Bundes auf der einen Seite und die der Länder auf der
anderen Seite - die der Gemeinden übrigens nicht, weil
sie der Aufsicht der Länder unterstehen und Bestandteil
der Länder sind - gegeben ist, kann man nicht erklären:
Wir haben zwar einen völkerrechtlich gültigen Vertrag abgeschlossen, aber wir, die Länder, haben damit nichts zu
tun.
({23})
Das war die bayerische Position gegen Theo Waigel. Das
habe ich bis in die letzten Tage hinein von Herrn
Faltlhauser und Herrn Glück gehört. Heute hat Herr
Stoiber zum ersten Mal erklärt, was selbstverständlich
sein müsste: Wir sind bereit, uns an einem nationalen Stabilitäts- und Wachstumspakt zu beteiligen.
({24})
- Ja, die erste Runde haben wir im vergangenen Jahr erreicht. Theo Waigel - ich sage das ohne Vorwurf - hat das
nicht geschafft.
({25})
Deswegen sage ich ausdrücklich: Wir gehen genau den
Weg, wie er in unserem Zukunftsprogramm 2000 Punkt
für Punkt beschrieben ist. Ich fordere die Länder auf - das
werden wir ganz fair machen -, ihren Beitrag dazu zu leisten; denn das Problem im vergangenen Jahr, das uns die
Debatte über das „early warning“ eingebracht hat, war die
Verdreifachung der Länderdefizite. Diese haben sich deshalb vergrößert, nicht etwa weil ich - das kann ich gar
nicht - bestimmte Lasten zuungunsten der Länder verschoben habe, sondern weil ein Teil der Länder weit über
die vom Finanzplanungsrat empfohlene Ausgabenlinie
hinausgegangen ist.
Zum Schluss: Die von mir dargestellte Politik müssen
wir nicht nur wegen des Stabilitätspaktes machen. Wir
müssen sie auch machen, weil wir selber aus der Schuldenfalle, in die Sie uns geführt haben, herauskommen
müssen. Das werden wir auch schaffen.
({26})
Ich erteile
das Wort dem Kollegen Dietrich Austermann für die Fraktion von CDU/CSU.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Das war
({0})
eine peinliche Rede, Herr Minister Eichel.
({1})
Wenn ich bedenke, dass Sie von allen Mitgliedern der
Europäischen Kommission einen blauen Brief angekündigt bekommen haben, dass im Prinzip alle damit einverstanden waren, dass Sie einen blauen Brief erhalten, und
dass Sie selber sogar mit diesem blauen Brief zuerst einverstanden waren, kann ich nicht nachvollziehen, wie Sie,
nachdem der Bundeskanzler auf europäischer Ebene von
Verschwörungstheorien geredet hat, die Stabilitätskultur
anpreisen können. Wie sind Sie denn mit den Kommissionsmitgliedern und den Vertretern der anderen Länder
in dieser Frage umgegangen? Das passt doch hinten und
vorne nicht zusammen.
({2})
Ihre Rede war auch deshalb peinlich, weil Sie zwar
ständig irgendwelche Stabilitätsprogramme ankündigen,
aber in der praktischen Politik das genaue Gegenteil von
dem tun,
({3})
was notwendig wäre, damit 2004 ein ausgeglichener
Haushalt vorgelegt werden kann. Ein Beispiel dafür ist
das gesamtstaatliche Defizit. Es lag 1998 bei 1,7 Prozent
des BIP. Es liegt zurzeit bei 2,6 bis 2,7 Prozent und wird
nach den Einschätzungen aller, die etwas von Wirtschaft
verstehen, in diesem Jahr die Drei-Prozent-Marke tangieren. Das heißt, Sie haben durch Ihre Politik die Verschlechterung des gesamtstaatlichen Defizits und die Verletzung der Maastricht-Kriterien vorbereitet. Das ist der
entscheidende Punkt.
({4})
Angesichts dessen hilft es nichts, wenn Sie den Ländern die Schuld daran mit der Behauptung geben, sie hätten sich nicht an dem nationalen Konsolidierungspakt beteiligt. Nein, Sie haben durch Ihr Zukunftsprogramm
sowie durch viele andere Maßnahmen
({5})
- ich nenne nur die UMTS-Erlöse, die Postumsatzsteuer
und die Reform der Körperschaftsteuer als Beispiele den Ländern den Dreck vor die Tür gekippt. Jetzt sagen
Sie den Ländern: Ihr spart nicht in ausreichendem Maße!
({6})
Ein konkretes Beispiel für Ihre Politik gab es vor einer
Stunde in der Sitzung des Haushaltsausschusses: Herr
Bodewig hat festgestellt, dass der Bund den Transrapid
mitfinanzieren wolle. Er erwartet aber, dass auch die Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen einen Beitrag leisten und dass sie für die Maßnahmen verantwortlich sind.
({7})
Er hat zwar einen Bundeszuschuss in Höhe von 6,1 Milliarden DM in Aussicht gestellt. Er hat dafür aber keinen
einzigen Pfennig in die Haushalte dieses, des nächsten
und des übernächsten Jahres eingestellt. Sie machen ständig unredliche Versprechungen, um den Ländern Sand in
die Augen zu streuen.
({8})
Sie wollen die Länder auch hier sich selbst überlassen. Sie
machen ständig Versprechungen - ich nenne in diesem
Zusammenhang nur das Thema Airbus -, die nicht gehalten werden.
({9})
Die mangelnde Glaubwürdigkeit rot-grüner Finanzpolitik kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Ausgaben aufgebläht worden sind. Sie haben neue Schulden gemacht. Sie haben Deutschland in die Rezession geführt.
1998 gab es ein Wirtschaftswachstum von rund 3 Prozent.
Heute weist die deutsche Wirtschaft ein Nullwachstum
auf, wenn sie sich nicht sogar in der Rezession befindet.
({10})
Wie können Sie angesichts der gegenwärtigen Rezession
versprechen, dass Sie das gesamtstaatliche Defizit, das
momentan bei 60 Milliarden bis 65 Milliarden Euro liegt,
bis 2004 auf null bringen werden? Das ist überhaupt nicht
zu schaffen. Wenn man einigermaßen glaubwürdig sein
will, dann darf man so etwas nicht versprechen.
Sie sind angesichts Ihrer Erklärungen, die Sie im Hinblick auf das gesamtstaatliche Defizit und die zukünftige
Entwicklung abgeben, nicht mehr ernst zu nehmen. Wie
soll das gesamtstaatliche Defizit in Höhe von rund 65 Milliarden Euro bis 2004 abgebaut werden, wenn man bedenkt, dass Sie eine Politik machen, die wachstumshemmend ist, die neue bürokratische Hürden aufgebaut hat
und die den Arbeitsmarkt stranguliert? Ich möchte das an
einem bildlichen Beispiel darstellen: Sie behaupten jedes
halbe Jahr aufs Neue, dass der Aufschwung vor der Tür
stehe. Zurzeit heißt es: Die Energiepreise sind so niedrig.
Also muss der Aufschwung jetzt unbedingt kommen. Ich nehme an, dass Sie selbst in letzter Zeit nicht getankt
haben;
({11})
sonst würden Sie nicht sagen, dass die Energiepreise gesunken sind.
Mir fällt dazu folgendes Bild ein: Hans Eichel tappert
ohne Laterne im Keller herum und sagt: Irgendwo geht es
hier doch nach oben.
({12})
Vielleicht hilft ihm einmal jemand mit einer Laterne aus.
Irgendwo gibt es sicherlich eine Treppe. Irgendwann geht
es sicherlich einmal aufwärts. Aber es geht nicht aufwärts,
wenn Sie diese Politik weiterführen, wenn Sie die Lasten
bei den Ländern abladen, alle anderen beschimpfen und
gleichzeitig noch mit der EU hadern.
({13})
Wir brauchen eine wachstumsfördernde Steuerpolitik,
die Steigerung der Investitionen und den Abbau der bürokratischen Hemmnisse auf dem Arbeitsmarkt. Wir müssen wirklich sparen. Ihr eigener Haushalt enthält eine
Fülle von Maßnahmen, die es mit sich bringen, dass praktisch jeden Tag eine neue Gesellschaft gegründet wird und
dass - von der Öffentlichkeitsarbeit bis zur Flugbereitschaft - irgendwo Geld verschwendet wird. Ständig werden neue Maßnahmen eingeleitet, die den Steuerzahler
Geld kosten, obwohl Einsparungen vorgenommen werden könnten, wenn man es wirklich ernst meinte.
Diese Politik hat abgewirtschaftet. Von Sparpolitik
kann keine Rede sein.
({14})
Eine Perspektive ist nicht vorhanden. Sie haben sich endgültig um die Glaubwürdigkeit in Europa gebracht.
({15})
Für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen spricht die Kollegin Christine Scheel.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr
Austermann, in den letzten Jahren der Regierungstätigkeit
von Union und FDP gab es noch nicht einmal ein Lichtlein, sondern es war zappenduster, und zwar die ganze
Zeit:
({0})
Während auf der einen Seite die Steuereinnahmen zurückgegangen sind, haben Sie auf der anderen Seite von Jahr
zu Jahr Steuererhöhungen vorgenommen; die Sozialversicherungsbeiträge sind gestiegen und die Gesamtbelastungen sind, was Verschuldung und Nettokreditaufnahme
betrifft, ebenfalls gestiegen. Das sind, was Ihre Politik bis
1998 angeht, Fakten.
({1})
Ich komme auf das heutige Thema zu sprechen. Es ist
eine Tatsache, dass die Finanzplanung bis 2004 genau
dem entspricht, was bereits vor Jahren zugesagt worden
ist, nämlich einen auf allen Ebenen der Bundesrepublik
Deutschland nahezu ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
({2})
Ich muss sagen: Ich verstehe die Aufregung überhaupt
nicht;
({3})
denn an diesem Ziel hat sich nichts verändert. Im
Jahr 2000 gab es aufgrund der beschlossenen Steuerreform 2000 und der damit verbundenen Steuerentlastungen
allerdings die Überlegung, das Defizit bis 2006 abzubauen. Wir werden jetzt aber das umsetzen, was unter
Theo Waigel und auch unter Hans Eichel immer versprochen worden ist. Der von uns verantwortete und eingeschlagene Konsolidierungskurs des Bundes wird seinen
Beitrag dazu leisten. Das ist überhaupt keine Frage.
Friedrich Merz - er ist gerade entschwunden ({4})
hat behauptet, die Sparziele von Hans Eichel und der Regierung könnten nur durch eine kräftige Erhöhung der
Mehrwertsteuer um vier Prozentpunkte erreicht werden.
({5})
Sie sollten dann konsequenterweise sagen, dass Sie weder
an die Konsolidierung glauben noch dass Sie noch irgendeinen Sparwillen haben, dass Sie überhaupt keinen
Bock mehr haben, in diesem Zusammenhang irgendetwas
zu tun, was Strukturreformen betrifft, die dieses Land in
verschiedenen Bereichen nach wie vor braucht.
({6})
Es ist hochinteressant, sich die zuletzt gemachten Vorschläge anzuschauen. Sie haben wieder eine Steuererhöhungsdebatte begonnen, indem Sie eine Mehrwertsteuererhöhung - anscheinend fällt Ihnen wirklich nichts
anderes ein - gefordert haben. Gleichzeitig wird im
„Handelsblatt“ über die Überlegungen von Herr Rauen
berichtet. Diese lässt er morgen anscheinend dementieren.
Darüber bin ich überrascht, denn das „Handelsblatt“ ist
eine sehr solide und eine sehr gute Wirtschaftszeitung.
Haben diejenigen, die den entsprechenden Artikel in dieser Zeitung geschrieben haben, irgendetwas geträumt?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Herr Rauen, irgendein
Fünklein Wahrheit muss in diesem Artikel enthalten sein.
Ich vermute, dass der Vorstoß, der von Ihnen in Ihrer
Funktion als finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher
der CDU/CSU-Fraktion kommt, auf großen Unmut beim
Kandidaten aus Bayern gestoßen ist. Er hat nämlich gesagt, dass er sich dieser Forderung nicht unbedingt anschließen wird; vielmehr hat er seine Haltung offen gelassen.
Was bedeutet die Forderung, die jetzt vonseiten der
CDU/CSU zur Steuerpolitik erhoben wird, denn wirklich? Ihr erster Vorschlag, Körperschaften höher zu besteuern, führt zwar dazu, dass große Unternehmen höher
besteuert werden, aber auch jede andere Körperschaft
wird in Zukunft höher besteuert. Dazu gehören auch
kleine und mittelständische Unternehmen, die diese
Rechtsform gewählt haben; auch die gibt es in diesem
Land.
Über Ihren zweiten Vorschlag, Verlustvorträge in Zukunft nicht mehr anzurechnen, kann man ja reden;
({7})
aber jeder Existenzgründer und alle kleinen und mittelständischen Unternehmen, die investieren, Verluste machen und die Möglichkeit von Vorträgen brauchen, um
sich entwickeln zu können, werden damit ausgebremst.
({8})
Ich frage mich da, wo hier eine vernünftige Mittelstandspolitik betrieben wird.
Ich denke, dass das Chaos in Ihren Vorschlägen so weitergeht, wie wir es schon in den letzten Wochen erlebt haben, und dass man sich in der Union und in der FDP nicht
einig darüber ist, was man will. Die FDP hat wiederum
Forderungen auf den Tisch gelegt, die Steuerausfälle in
der Größenordnung von über 250 Milliarden Euro nach
sich ziehen. Wenn wir dem nachkommen würden, was die
FDP will, wären alle Ebenen in diesem Staat völlig bankrott.
Danke schön.
({9})
Für die
Fraktion der FDP spricht der Kollege Dr. Hermann Otto
Solms.
({0})
Meine Damen und
Herren! Wenn ein Schüler einen blauen Brief bekommt,
strengt er sich an, um das Klassenziel zu erreichen. Hans
Eichel und Gerhard Schröder versuchen, den blauen Brief
zu vermeiden. Das Ergebnis ist: Am Schluss bleiben sie
sitzen.
({0})
Das Problem ist nämlich, Herr Kollege Eichel: Ihre Worte
in Gottes Ohr, aber Ihre Taten stimmen nicht mit Ihren
Worten überein. Es heißt ja schon in der Bibel: An ihren
Taten sollt ihr sie erkennen.
({1})
Sie sind als Sparminister angetreten und haben sogar von
der Oppositionspartei FDP die Zusicherung bekommen,
Ihnen bei der Konsolidierung des Bundeshaushaltes helfen zu wollen.
Was haben Sie denn wirklich getan? Die Ausgaben des
Bundes sind gestiegen. Sie haben auf Kosten der Steuerzahler gespart. Sie haben die Steuern so erhöht, dass auf
diese Weise zwischenzeitlich ein Spareffekt eingetreten
ist.
({2})
Das beruht alles auf Ihren Zahlen, Herr Eichel. Gespart
wurde kein Pfennig; es wurde mehr ausgegeben.
({3})
Die investiven Ausgaben sind gesenkt worden; damit haben Sie die Konjunkturkrise noch verschärft.
Jetzt sollen wir Ihnen aufgrund dieser Erfahrungen
glauben, dass Sie innerhalb von zwei Jahren ein Defizit
von 54 Milliarden Euro, weit über 100 Milliarden DM,
abbauen können?
({4})
Wenn Sie Vorschläge dafür bringen würden, wäre das ja
noch gut und wir würden Sie dabei unterstützen, aber Sie
bringen ja keinen einzigen Vorschlag.
({5})
Das ist doch interessant; denn Sie haben nur noch anderthalb Jahre Zeit, dieses Ziel zu erreichen - aber kein einziger Vorschlag zur Konsolidierung.
({6})
- Es sind noch anderthalb Jahre, um das Ziel im Jahr 2004
zu erreichen. Weil Sie aber im nächsten halben Jahr keine
Vorschläge mehr machen, werden Sie auch nicht die
Chance haben, dieses Ziel zu erreichen. Das ist das Entscheidende.
({7})
Angesichts des Debakels bei der Bundesanstalt für Arbeit hätten Sie doch allen Anlass, Vorschläge zu machen.
So eine gute Vorlage hat es doch seit Jahrzehnten nicht
mehr gegeben. Da hat sich in einer Bundesanstalt ein Kartell aus Gutmenschen zusammengeschlossen: Das sind
die Funktionäre unter den Sozialpolitikern, das sind die
Funktionäre bei den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern, die ihre Probleme auf Kosten der Steuerzahler
und der Beitragszahler lösen. Sie haben sich durch
Schwindel und Betrug Steuermittel in Milliardenhöhe erkämpft, erstritten bzw. ergaunert.
({8})
Und nun geht die ganze Kritik nur an die Marionette
Jagoda, der ja letztlich der Erfüllungsgehilfe von Riester,
Kannengießer und Engelen-Kefer ist.
({9})
Er soll zum Schluss das Bauernopfer sein.
({10})
Sie hätten allen Anlass gehabt, im Kabinett dafür Sorge
zu tragen, dass gespart wird. Wenn die Bundesanstalt in
der Form, wie sie heute besteht, aufgelöst würde, könnten
locker 20 oder 30 Milliarden eingespart werden. Dann
könnten Sie auch bei den Ländern Überzeugungsarbeit
leisten, damit sie an einer gesamtstaatlichen Sparaufgabe
mitwirken. Aber Sie können natürlich nicht den Ländern
das Sparen zumuten, wenn Sie selbst mit schlechtem Beispiel vorangehen.
({11})
Meine Damen und Herren, ein Bundesfinanzminister,
der seine Aufgaben so wenig ernst nimmt, kann wirklich
nicht mehr in diesem Amt bleiben.
({12})
Auch ein Bundeskanzler, der die Bundesrepublik
Deutschland in Europa öffentlich dermaßen blamiert, indem er das allgemein anerkannte Stabilitätsziel infrage
stellt und damit die Autorität für die Stabilitätspolitik unterläuft,
({13})
kann in diesem Amt nicht länger bleiben.
({14})
Wir verlieren an Vertrauen und an Autorität, national
wie international, in einem Maße, wie es das vorher noch
nie gegeben hat. Das ist ein einmaliger Vorgang. Jeder
nüchterne Betrachter von außen sieht das so. Sie müssen
einmal Ihre parteiprogrammatischen Überlegungen und
Äußerungen vergessen. Schauen Sie sich ganz nüchtern
an, was hier in Deutschland stattfindet! Das ist eine Blamage auf der ganzen Strecke.
({15})
Es ist einem sogar als Oppositionspolitiker peinlich, welches Bild diese Bundesregierung abgibt. Mir ist das peinlich.
({16})
Wenn ich mit Ausländern rede, versuche ich sogar noch,
diese Bundesregierung zu verteidigen, weil man ja nicht
glauben mag, welch schwaches Bild hier geboten wird.
({17})
Ich sage Ihnen: Es hilft nicht, dass Sie die Rechnung
dafür bei der Wahl bekommen. Sie haben jetzt noch einige
Monate Zeit. Geben Sie sich Mühe, machen Sie ein paar
konkrete Vorschläge und versuchen Sie, noch ein bisschen
von Ihrer verkündeten Politik umzusetzen. Damit würden
Sie dem ganzen Staat helfen.
Vielen Dank.
({18})
Das Wort
hat der Kollege Hans Georg Wagner für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Solms,
die Angriffe auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Bundesanstalt für Arbeit weise ich in aller Deutlichkeit
zurück.
({0})
Es ist eine Unverschämtheit, was Sie hier von sich gegeben haben.
({1})
Die Mitarbeiter leisten treu und brav ihren Dienst. Wenn
Versäumnisse vorgekommen sind, werden daraus Konsequenzen gezogen. Aber gerade Sie behalten sich vor, alle
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Lumpen, Verbrecher
und Gauner zu bezeichnen,
({2})
obwohl Sie beim Geldwäschegesetz und bei den Gesetzen
gegen Steuerhinterziehung nicht mitgemacht haben. Sie
sind doch die Partei der Besserverdienenden, wie Sie
selbst gesagt haben.
({3})
Herr Kollege Austermann hat gesagt, es habe eine
Ausgabenexplosion gegeben. Ich will Ihnen einmal die
Zahlen für die Ausgaben während unserer Regierungszeit
vorlesen: 1999 waren es 246 Milliarden Euro, 2000 waren es 244 Milliarden Euro, 2001 waren es 245 Milliarden Euro und 2002 sind 247 Milliarden Euro geplant.
Jetzt sagen Sie mir, Herr Austermann, was da explodiert!
({4})
Das sagen ausgerechnet die, die dafür verantwortlich
sind, dass bei Steuermindereinnahmen des Staates - Herr
Rauen hat die Zahlen freundlicherweise vorgelesen ständig die Schulden erhöht worden sind, bis auf 1,5 Billionen DM mit 80 Milliarden DM jährlicher Zinsbelastung. Diese Belastung unserer Kinder und Enkelkinder wurde, Gott sei Dank, 1998 durch den Wähler
gestoppt. Wir haben die umgekehrte Entwicklung eingeleitet. Dazu waren Sie zu keinem Zeitpunkt fähig und
auch nicht willens.
({5})
Noch ein Punkt zur Sitzung des Haushaltsausschusses:
Herr Bodewig trägt einleuchtend und nachvollziehbar
zum Transrapid vor, nur Herr Austermann begreift es
nicht.
({6})
Ich habe ihm dann empfohlen, er möge doch einmal einen
Blick in den Haushaltsplan werfen.
({7})
Im Haushaltsplan stehen nämlich die entsprechenden
Titel. Und obwohl dort Planungskosten in Höhe von
34 Millionen Euro enthalten sind, sagen Sie, wir hätten
dafür keinen Pfennig im Haushalt eingestellt.
({8})
Wenn man so an die Arbeit herangeht, ist das unseriös.
Das kann nicht hingenommen werden.
({9})
Es ist schon gesagt worden, dass Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen zusammen eine Einheit bilden.
({10})
Jeder muss sich daran halten. Ich will es mir jetzt ersparen, vorzulesen, wie die Länderhaushalte, und zwar durch
die Bank, explodiert sind.
({11})
- Nein. Die Länder haben Sparmaßnahmen in dem erforderlichen Umfang vermissen lassen.
Herr Kollege Koppelin, Sie sind mit mir im Haushaltsausschuss. Ihnen ist, wie mir, am 27. Juni 2001 die Drucksache 2576 des Haushaltsausschusses zugegangen. Darin
wird über die 93. Sitzung des Finanzplanungsrates am
6. Juni 2001 berichtet. Wenn man sich das Blatt ansieht
und die Entwicklung in den öffentlichen Haushalten bis
2005 betrachtet, dann liest man bei 2004 eine Null und bei
2005 ebenfalls. Entweder haben Sie die Vorlage nicht gelesen oder Sie wollen sie bewusst nicht zur Kenntnis nehmen. Sie haben dem damals - auch hier im Bundestag und
im Bundesrat - nicht widersprochen.
({12})
Wir müssen jetzt versuchen, uns sehr anzustrengen, damit
Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen dieses erklärte Ziel in der Tat einhalten.
Noch etwas: Ihr Kanzlerkandidat hat ja bei Frau
Merkel, nein, bei Frau Christiansen gesagt,
({13})
dass man den Spielraum von 2,7 auf 3 Prozent für Investitionsprogramme nutzen solle. Das habe im Haushalt 2002 eine Auswirkung von etwa 6 Milliarden. Er
möchte ja ab Herbst die Verantwortung hier übernehmen,
also für den Haushalt 2003. Aufgrund der Zahlen, die
nach Brüssel gemeldet worden sind, nämlich 1 Prozent,
hätte er dann einen Spielraum von 30 Milliarden Euro. Das war sein Vorschlag.
Wenn man die 30 Milliarden Euro auf die Gesamtverschuldung aufschlägt, erkennt man, dass die Tatbestandsmerkmale des Art. 115 Grundgesetz erfüllt werden.
Würde also das, was er vorgeschlagen hat - wahrscheinlich unüberlegt oder durch Herrn Austermann beraten -,
durchgeführt, wäre der Haushalt des nächsten Jahres verfassungswidrig. Sie können doch nicht zu einem verfassungswidrigen Haushalt auffordern.
Die Finanzpolitik von Hans Eichel ist nicht nur von
uns, der Regierungskoalition, gelobt und mitgetragen
worden. Die Europäische Union hat, als die Debatte über
den so genannten blauen Brief stattfand
({14})
- wie ich Sie einschätze, haben Sie doch auch eine ganze
Menge blaue Briefe bekommen: „Die Versetzung ist stark
gefährdet“ oder Ähnliches -, bescheinigt, dass die Haushalts- und die Finanzpolitik der Bundesregierung absolut
richtig und grundsolide sind. Wir werden dafür sorgen,
dass dies im nächsten Jahr fortgesetzt werden kann.
({15})
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Hans
Michelbach.
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Die zentralen Herausforderungen und Zukunftsfragen für unser Land sind, den
wirtschaftlichen Abstieg unseres Landes, die Massenarbeitslosigkeit, die Überlastung unserer Sozialsysteme und
den Verlust des soziales Zusammenhalts zu beenden und
das internationale Ansehen unseres Landes sowie die Stabilität unserer Währung durch eine seriöse und wachstumsfördernde Haushalts- und Finanzpolitik zu mehren.
Herr Eichel, darauf erwarten die Menschen in unserem
Land Antworten. Diese Antworten bleiben Sie schuldig.
({0})
Was Sie heute hier geboten haben, ist der Verantwortung
eines deutschen Bundesfinanzministers nicht würdig.
({1})
Sachaussagen? - Fehlanzeige. Planungssicherheit für
Menschen, Bürger und Betriebe? - Keine. Wo bleiben
Ihre Sparvorschläge, Herr Eichel? Die Antworten darauf
bleiben Sie schuldig. Sie haben wieder nur Ausflüchte.
Schuld sind immer die anderen, das ist Ihre Politik.
({2})
Der Bundesregierung geht damit schon nach drei Jahren
die Luft aus.
Mit Blick auf die Kriterien des Stabilitätspakts hätte
die Bundesregierung den blauen Brief aus Brüssel verdient. Dieser Auffassung der Europäischen Kommission,
der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank schloss sich zunächst auch Bundesfinanzminister Eichel an. Herr Eichel, Sie fanden doch durch den
blauen Brief zunächst Ihre Finanzpolitik bestätigt; Sie
fühlten sich belobigt. Jetzt spielen Sie den Ahnungslosen.
Auch Ihr Genosse, Herr Bundesbankpräsident Welteke,
hielt den blauen Brief für angemessen. Der Bundeskanzler - das ist die Wahrheit - hat Ihnen aber die Kehrtwende
befohlen, anstatt der Annäherung an die Verschuldungsgrenze von 3 Prozent mit konkreten Maßnahmen zu begegnen.
Mit der ominösen Verschwörungstheorie des Bundeskanzlers, es seien nicht ökonomische Gründe und
Deutschland habe den blauen Brief nicht verdient, hat sich
der Bundeskanzler zum Totengräber des Stabilitätspakts
und zum Weichmacher des Euro gemacht.
({3})
Mit diesem Amoklauf ist schwerer Schaden für Deutschland und die Stabilitätskultur in Europa entstanden. Diese
Großmannssucht des Bundeskanzlers ist in Europa fehl
am Platze.
({4})
Dann mussten Sie, Herr Eichel, Ihren Canossagang
zum Ecofin antreten und mit einem Kuhhandel den
offiziellen blauen Brief aus Brüssel verhindern. Mit dem
Versprechen, sich künftig wie ein reuiger Sünder zu verhalten, ließen Sie Ihre Amtskollegen noch einmal davonkommen. Dabei konnten Sie sich auf jene verlassen, die
den von Theo Waigel durchgesetzten Stabilitätspakt
seinerzeit nur mit Widerwillen akzeptierten.
Zur Abwendung des blauen Briefes aus Brüssel haben
Sie, Herr Eichel, nun versprochen, den Haushalt innerhalb
von 24 Monaten auszugleichen. Das ist eine leere, unerfüllbare Versprechung, weil Ihre rot-grüne Politik nicht
stimmt, weil Ihre Haushalts- und Finanzpolitik nicht
stimmt. Damit wurden die Unglaubwürdigkeit, Beliebigkeit und Unzuverlässigkeit der Bundesregierung wieder
deutlich.
({5})
Herr Eichel kommt mir wie der Sitzenbleiber vor, der
das vollmundige Versprechen abgibt, in zwei Jahren der
Musterschüler zu sein. Doch niemand glaubt ihm mehr,
weil er kein glaubwürdiges Konzept vorträgt.
({6})
Rot-Grün ist geistig und konzeptionell am Ende.
({7})
Er rettet sich nur noch in Schuldzuweisungen Richtung
Bundesländer und Kommunen.
Wir brauchen eine neue Standortoffensive, durch die
die Bremsen auf dem Arbeitsmarkt gelöst werden - das
kostet gar nichts -, die Einstellungshindernisse beseitigt
werden und die Schwarzarbeit konkret bekämpft wird.
Der Mittelstand muss entlastet werden, Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit müssen hergestellt werden.
Deutschland braucht möglichst schnell
({8})
den Wechsel. Durch jeden Tag, den Neuwahlen eher stattfinden, gewinnt Deutschland.
({9})
Deutschland muss vom Tabellenende wieder in die Spitzengruppe Europas geführt werden.
({10})
Ich erteile
das Wort dem Kollegen Volker Kröning für die Fraktion
der SPD.
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Wenn diese Debatte nicht
nur in einer Aktuellen Stunde, sondern auch darüber hinaus von Bedeutung sein soll, sind noch ein paar Worte
zum Verhältnis zwischen Bund und Ländern erforderlich.
({0})
Bei den föderalen und parlamentarischen Entscheidungen im Jahre 2001, erst über das Maßstäbegesetz und dann
über das Solidarpaktfortführungsgesetz, waren die Vorschläge der Bundesregierung zur innerstaatlichen Umsetzung des Stabilitätspaktes von Maastricht nicht durchsetzbar. Übrig geblieben ist im Maßstäbegesetz nur § 4, in
dem es heißt:
Bei der Abstimmung der Deckungsbedürfnisse von
Bund und Ländern sowie der Gestaltung der öffentlichen Haushalte ist über die Bestimmungen des
Artikels 106 Abs. 3 Satz 4 und 5 des Grundgesetzes
hinaus sicherzustellen, dass durch eine gemeinsame
Ausgabenlinie die Bestimmungen des MaastrichtVertrages und des europäischen Stabilitäts- und
Wachstumspaktes zur Begrenzung des gesamtstaatlichen Defizits umgesetzt werden.
Diese Vorschrift gilt seit dem 12. September 2001.
Nebenbei bemerkt: Die FDP hat damals dieses Gesetz
und damit auch diese Vorschrift abgelehnt. Herr Dr. Solms,
was Ihr Verhältnis zu den Ländern angeht, muss man feststellen, dass man bei Ihnen weder von Solidarität mit den
Ländern noch von Unterstützung des Bundes bei der
Durchsetzung einer Stabilitätspolitik gegenüber den Ländern sprechen kann.
({1})
Auch bei den Entscheidungen über das Solidarpaktfortführungsgesetz 2001 waren die Vorschläge des Bundes - und zwar von Regierung und Koalition - gegenüber
den Ländern nicht alle durchsetzbar. Der Entwurf für einen neuen § 51 a des Haushaltsgrundsätzegesetzes stieß
auf eine geschlossene Ablehnungsfront des Bundesrates.
Der Einwand war derselbe wie 1992 bei der Verabschiedung des Vertrages von Maastricht. Es heißt aus der Sicht
der Länder nach wie vor, die Stabilitätskriterien könnten
„keine weitgehenden Eingriffe in die eigenverantwortliche Haushaltswirtschaft der Länder rechtfertigen“. Dies
gelte „auch für das gemeinsame politische Ziel ausgeglichener Haushalte“.
Durchgesetzt hat sich - das muss festgehalten werden;
das Eisen muss geschmiedet werden, solange es heiß ist aus gesetzlicher Sicht der Bund. § 51 a des Haushaltsgrundsätzegesetzes lautet nämlich - leider ist er erst ab
2005 wirksam -:
Bund und Länder kommen ihrer Verantwortung zur
Einhaltung der Bestimmungen in Artikel 104 des
Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes nach und streben eine Rückführung der
Nettoneuverschuldung mit dem Ziel ausgeglichener
Haushalte an.
Leider kam man in der Sitzung des Finanzplanungsrates am 26. November 2001 nicht weiter, sondern fiel hinter dieses Ziel zurück. Zwar war man sich in der Absicht
- so heißt es leider schwach formuliert - zur dauerhaften
Einhaltung der Maastricht-Kriterien entsprechend den
Zielsetzungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes
- diesen Punkt fügte man hinzu - einig, aber man hat sich
nicht über den Zeitpunkt hinsichtlich eines Einstieges in
die gemeinsame Stabilitätspolitik und über die Schrittfolge verständigt.
Damit bleibt festzuhalten:
Erstens. Es gibt bereits einen nationalen Stabilitätspakt, allerdings nur in rudimentärer Form. Ich schließe
nicht aus, dass angesichts der Erfahrungen, die wir in diesem Jahr gemacht haben, neue bundesrechtliche Regelungen über die hinaus, die es zurzeit gibt, nötig sein werden
und in der nächsten Legislaturperiode verabschiedet werden müssen.
({2})
Die Länder stellen rechts- und verfassungspolitische Forderungen an den Bund. Denken Sie nur an die Föderalismusreform, an die Entmischung von staatlichen Aufgaben
auf den beiden Ebenen und an bessere Möglichkeiten der
Finanzierung von Aufgaben in eigenverantwortlicher
Wahrnehmung.
Ich schließe also nicht aus, dass es weiter gehende Regelungen in der nächsten Legislaturperiode geben wird.
Dazu sollten die Regelungen in anderen Bundesstaaten,
die der Europäischen Union angehören, zum Vergleich
herangezogen werden. Bei dieser Gelegenheit erinnere
ich gern an unser Nachbarland Österreich.
Zweitens. Dem Finanzplanungsrat kommt in diesem
Jahr eine Schlüsselrolle zu. Wir haben schon von der Sondersitzung gehört; Herr Poß hat sie erwähnt. Es geht um
die Steuerung des Haushaltsvollzuges 2002 und um die
gestalterische Kraft von Bund, von Ländern, von für die
Sozialversicherung Verantwortlichen - das ist nicht nur,
aber auch der Gesetzgeber - und von Gemeinden bei der
Aufstellung der Haushalte im Jahr 2003 und in den Folgejahren. Diese Chance muss politisch genutzt werden.
Schönen Dank.
({3})
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Peter Hintze.
Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass diese Regierung am Ende ist, dann ist er
spätestens mit der peinlichen Posse um den blauen Brief
aus Brüssel geliefert worden.
({0})
Mit dem Euro haben wir in Europa nicht nur eine gemeinsame Währung, sondern auch die gemeinsame Verpflichtung, die Stabilität und Stärke unseres Geldes zu sichern. Da geht es um wirtschafts- und finanzpolitische
Fakten und auch um Psychologie. Der Euro wird sich neben dem Dollar als Weltwährung nur dann behaupten können, wenn alle Welt sieht, dass wir in Europa das wirtschaftliche Wachstum fördern und uns peinlich genau an
die Stabilitätsregeln halten. Genau das ist hier nicht passiert; dagegen ist verstoßen worden.
({1})
Ich verstehe schon, dass der Regierung der Vorgang
unangenehm ist.
({2})
Früher war es immer so: Wir alle mussten in Wahlkämpfen mühsam ermitteln, wie Deutschland im wirtschaftlichen Vergleich abschneidet. Die Menschen haben vielleicht gedacht, das sei nur Wahlkampf. Mit der
Einführung des Euro ist heute für die Teilnehmer der
Währungsunion, für die zwölf Staaten, klar, wie hoch im
europäischen Vergleich die jeweilige Verschuldung und
das Wachstum sind und wie es mit der wirtschaftlichen
Stärke aussieht. Bei diesem speziellen Medaillenspiegel
sieht es für Deutschland ziemlich trostlos aus: letzter Tabellenstand.
({3})
Es ist die Schuld dieser rot-grünen Regierung, dass wir
das kläglichste Wachstum und den höchsten Schuldenstand zu verantworten haben.
({4})
Was wir hier heute erlebt haben, war eine Nebelkerze
nach der anderen. Da wird die Statistik bemüht und dieses
und jenes in den Raum geschleudert. Was ist denn der
Grund unserer hohen Neuverschuldung?
({5})
Der Grund unserer hohen Neuverschuldung ist die wirtschaftliche Schwäche. Die wirtschaftliche Schwäche ist
das Ergebnis der Politik dieser Regierung.
({6})
Wenn in den Zeitungen über Steuererhöhungen spekuliert wird, dann doch deswegen, weil auch der letzte Journalist den Glauben daran verloren hat, dass es dieser Regierung gelingen könnte, das wirtschaftliche Wachstum
so zu beleben, dass der Bundeshaushalt auf diese Weise
gerettet werden kann.
({7})
Dieser Regierung traut man nichts mehr zu, allenfalls
Steuererhöhungen - und das ist fatal.
({8})
Der Bundeskanzler wollte verhindern, dass das dem
deutschen Volk bekannt wird. Wir können hier heute dokumentieren: Es ist ihm nicht gelungen.
({9})
- Sie müssen sich dies jetzt einmal anhören! - Insofern
war Herr Eichel vielleicht einen Hauch klüger. Wenn wir
den Brief entgegengenommen und gesagt hätten: „Okay,
wir strengen uns jetzt an“, wären vielleicht ein paar hämische Bemerkungen gefallen; aber ansonsten wären Sie
durchgekommen. Aber der Versuch des Bundeskanzlers,
in seiner Angst vor dem Wähler den blauen Brief zu unterdrücken, hat diese Sache auch für den Deutschen, der
sich für Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht interessiert,
offensichtlich gemacht. Insofern war es vielleicht doch
eine gute Geschichte.
({10})
Europapolitisch ist dies allerdings fatal. Wir stehen vor
der Osterweiterung. Wir wollen, dass junge Demokratien
zu uns stoßen. Wenn die hören: „Die Regeln in Europa
gelten nur für die Kleinen; aber wenn die Großen betroffen sind, werden sie mit einer kräftigen Aktion ausgehebelt“, dann ist das für den Einigungsprozess in Europa
ungut.
({11})
Das ist auch für uns ungut. Denn mit einem solchen Umgang mit selbst gesetzten Regeln verletzen wir die Kultur,
von der wir letztlich alle profitieren.
({12})
Wir in Europa sind eine Rechtsgemeinschaft, die davon
lebt, dass sich alle vertragsgemäß verhalten.
({13})
- Ihre Schreierei und Aufregung dokumentieren das
schlechte Gewissen darüber, dass uns die Regierung hier
eine peinliche Aktion geboten hat und dass die europäische Öffentlichkeit - schauen Sie einmal in französische,
englische und italienische Zeitungen - über das entsetzt
ist, was Deutschland der Stabilitätskultur, dem Euro und
dem gemeinsamen Projekt Europa angetan hat.
({14})
Das Peinlichste waren die Verschwörungstherorien
bzw. Verdachtstheorien des Bundeskanzlers - er glänzt ja
heute durch Abwesenheit - in Bezug auf die Kommission.
Wie kann man die Hüterin der Verträge, unsere Europäische Kommission, vor der europäischen Öffentlichkeit in
einer derart peinlichen Weise verdächtigen, wie das der
Kanzler getan hat? Ich erwarte von ihm eine Entschuldigung vor diesem Hause für dieses Vorgehen.
({15})
Ich komme zum Schluss:
({16})
Die Bundesregierung hat dem Euro und Europa durch
diese Art und Weise des Umgangs Schaden zugefügt. Es
wird Zeit, dass wir eine neue Regierung bekommen.
({17})
Ich gebe
nunmehr das Wort für die SPD-Fraktion dem Kollegen
Ludwig Eich.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Herr Kollege Hintze, wenn ich Ihnen so
zuhöre, fällt mir nur noch die Bibel ein.
({0})
In der Bibel heißt es: Lügenhafte Lippen sind dem Herrn
ein Gräuel. - Ihre Aussagen - das muss ich hier sagen waren wirklich gräulich.
({1})
Für mich heißt das heutige Thema: Wie hält es die deutsche Politik mit der Stabilität? Was müssen wir tun, um
diesem Ziel gerecht zu werden? Wie ernst nehmen wir das
auf nationaler Ebene?
({2})
Hans Eichel hat vor dem Ecofin-Rat klargestellt, dass
die Defizitgrenze von 3 Prozent und das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2004 gelten und dass man die
Konsolidierung verstärken wird. Er hat sich verpflichtet,
auf Bundesebene mit den Bundesländern eine Vereinbarung nach dem Stabilitätspakt zu treffen. Ich stelle fest,
dass sich das, was geschehen ist, in völliger Übereinstimmung mit dem befindet, was 1997 als Stabilitätspakt in
Kraft getreten ist.
({3})
Natürlich kann man fragen: Wieso ist eine solche Erklärung erforderlich, wenn es doch eine EU-Vereinbarung
gibt?
({4})
Die Antwort ist ganz einfach: Weil das Defizit der Bundesländer, unter anderem das von Bayern, erheblich gewachsen ist,
({5})
was gegen diese Stabilitätskriterien verstößt. Das ist die
Ursache und das ist der Grund für die notwendigen Klarstellungen.
Leider ist es nun notwendig geworden, mit den Ländern zu reden mit dem Ziel, dass die Stabilitätskriterien
auf Dauer eingehalten werden. Es geht heute um einen nationalen Stabilitätspakt. Dafür - das kann ich hier feststellen - hat Hans Eichel breite Unterstützung, nicht nur
von den Regierungsparteien, sondern zum Beispiel auch
von Ernst Welteke, der sagt: Es wird höchste Zeit, einen
nationalen Stabilitätspakt zu schließen. Horst Siebert
sagt: Ein nationaler Stabilitätspakt ist die wichtigste Voraussetzung für einen ausgeglichenen Gesamtstaatshaushalt. Sein Kollege Wolfgang Wiegard geht gar so weit und
sagt: Wir brauchen eine Grundgesetzänderung, damit
auch die Bundesländer den Erfordernissen des EU-Vertrages Rechnung tragen.
Es geht also schlicht und einfach darum, auch die Länder in ihrer Haushaltspolitik auf europäisches Recht einzuschwören. Das ist der Hintergrund. Es geht also darum,
dass die Länder und auch alle Gebietskörperschaften auf
die Stabilität des Euro verpflichtet werden.
Es ist nicht korrekt und nicht in Ordnung, wenn Hans
Eichel einen blauen Brief dafür bekommen soll, dass die
Länder eine drastische Erhöhung ihres Schuldenkontos zu
verzeichnen haben. Deswegen ist gerade diese Diskussion
hier wichtig.
({6})
Leider wird hier von der Opposition ein großes Getöse
gemacht und natürlich wird der Versuch der Desinformation unternommen.
({7})
Es soll versucht werden, die Öffentlichkeit darüber im
Unklaren zu lassen, wo hier Ursache und Wirkung sind.
Ich finde es wichtig, nachzulesen, wie seriös die
CDU/CSU und ihr Kanzlerkandidat aus Bayern mit dem
Ziel der Stabilität umgehen.
({8})
Weil es wirklich so schön ist und weil Millionen Fernsehzuschauer verfolgt haben, was vor einem Monat bei Frau
Merkel, ich meine: Frau Christiansen, passiert ist, möchte
ich das hier wiedergeben: Frau Christiansen fragt Herrn
Stoiber, was er davon hält, dass Frau Merkel die Schulden
erhöhen will. Er antwortet darauf:
... den Spielraum, den wir möglicherweise noch als
Verschuldung haben bis zur Grenze 3,0 - darüber hinaus dürfen wir ja nicht gehen;
- irgendwie scheint er zu bedauern, dass es eine Grenze
von 3,0 gibt ({9})
dann kriegen wir die gelbe oder rote Karte aus Brüssel -, das sind vielleicht 15, 16 Milliarden Mark, die
wir überhaupt noch als Spielraum haben, und ich
meine, dass wir jedenfalls einen Teil dieses Spielraums hernehmen müssen, um Wachstum anzustreben.
Ich entnehme der Antwort Folgendes: Stoiber bedauert
sehr, dass es keine beliebige Erhöhung der Staatsverschuldung geben kann.
({10})
Herr Stoiber nimmt in der Tat an, dass er mit 15 oder
16 Milliarden DM, bei einem Bruttoinlandsprodukt von
etwa 4 Billionen DM, die Konjunktur ausreichend anschieben kann, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.
({11})
Mit dem Spielraum, den er hier gesehen haben will,
wird er bei weitem nicht auskommen. Er will
800 000 neue Jobs im Niedriglohnbereich ohne Neuverschuldung „sponsern“. Er will 10 Milliarden Euro für die
neuen Bundesländer ausgeben. Und dann natürlich noch
der große Hit: 600 Euro pro Kind im Monat in den ersten
drei Jahren, und zwar einkommensunabhängig! 25 Milliarden Euro pro Jahr will er dafür ausgeben.
({12})
Diese angestrebte Neuverschuldung ist wirklich bemerkenswert. Im Grunde ist sie eine Gefährdung der Stabilität des Euro. Professor Peffekoven sagt dazu: Das können wir im Augenblick nicht finanzieren. Deshalb werden
wir das alles nicht machen können.
({13})
Die Kommentierung der anderen Experten geht von „bedauerlich“ von Professor Kromphardt über „nicht ernst zu
nehmen“ von Professor Seitz bis „Luftnummer“ von
Jürgen Borchert. Das sind die Kommentare der Experten
zu Ihrer Politik.
({14})
Herr Kollege Eich, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. - Ihre
Politik ist nicht überzeugend und - das werden Sie sehen sie ist in diesem Land auch nicht mehrheitsfähig.
Vielen Dank.
({0})
Die Aktuelle
Stunde ist damit beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. Februar, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.