Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/30/2002

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob die neuen faszinierenden Entwicklungen in Gentechnik und Biomedizin zum Fluch oder zum Segen für die Menschheit werden, hängt entscheidend davon ab, ob und wie wir den politischen Willen aufbringen, die Entwicklungen so zu gestalten, dass sie zum Segen werden. Wir stehen heute vor einer Grundsatzentscheidung. Wir stehen an einer Weggabelung ohne Rückkehrmöglichkeit. Maßgebliche Forscher ließen auch in den letzten Tagen keinen Zweifel daran, dass sie keineswegs nur einen eng begrenzten Ausnahmetatbestand für den Import embryonaler Stammzellen wollen. Sie wollen mehr. Unter Berufung auf die Forschungsfreiheit soll allgemein an menschlichen Embryonen geforscht werden. Ich frage mich: Wie weit wird menschliches Leben verfügbar, wenn Embryonen unter dem Vorwand der Bekämpfung von Krankheit getötet werden dürfen? Es geht um die sehr grundsätzliche Entscheidung, ob menschliche Embryonen als Forschungsmaterial verwandt werden dürfen. Wir müssen vorher die Frage beantworten: Wer ist Mensch? Welchen Schutz genießt er? Wenn der Mensch mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle beginnt, dann kommt ihm von diesem Zeitpunkt an eine unverfügbare Würde zu - unverfügbar für den Staat, die Gesellschaft und die Mitmenschen. Diesen Auffassungen liegen Annahmen zugrunde, die etwas mit Grundhaltungen und Überzeugungen zu tun haben, Überzeugungen, die sich auch in der Rangordnung unserer Verfassung niederschlagen und die aus den großen Traditionen der Aufklärung und nicht zuletzt aus dem christlichen Menschenbild gespeist werden. Eine weltanschaulich neutrale Betrachtungsweise gibt es nicht. Die Wertepräferenz ist meines Erachtens eindeutig. Es gibt eine ethische Verpflichtung zum Heilen, insbesondere zur Vermeidung von schier unerträglichem Leid, und zur Bekämpfung von bislang als unheilbar geltenden Krankheiten. Es gibt auch das hohe Gut der Forschungsfreiheit. Es gibt aber nicht zuletzt den Respekt vor der Würde eines jeden Menschen. Hier muss eine Abwägung erfolgen. Es ist nicht alles gleichwertig. Die Hierarchie der Werte muss stimmen. Die Würde des Menschen nimmt in der Rangordnung der abzuwägenden Güter die erste Stelle ein. Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Das ist nicht die Sondermoral einer versprengten Truppe mit ideologischen Scheuklappen. Nein, darauf haben wir uns bei der Verabschiedung des Grundgesetzes geeinigt. ({0}) Präsident Wolfgang Thierse Die Menschenwürde bedeutet, dass der Mensch nie allein Objekt werden und nie allein als Mittel zum Zweck dienen darf, sondern immer Subjekt bleiben muss. Ich lehne mit meinen Mitstreitern vor allem aus zwei Gründen den Import embryonaler Stammzellen ab: Erstens. Es wäre die nachträgliche Billigung der vorangehenden Tötung der Embryonen außerhalb Deutschlands. Zweitens. Das Problem des möglichen Versiegens vorhandener Stammzelllinien bleibt unausgesprochen. Ich bin sicher: Der Import wird dann bald nicht mehr genügen. Die Ansprüche werden größer. Der einzige Grund - das ist für mich der Kern -, warum die Forschung unabdingbar erscheint, ist eine bestimmte forschungspolitische Binnenperspektive, die von anderen Forschern mit überzeugenden Argumenten bestritten wird. Ich möchte nicht die Hand dafür reichen, dass wegen dieser Forschungsperspektive grundlegende Prinzipien unseres Personen- und Rechtsverständnisses, so wie sie in der Verfassung niedergelegt sind, aufgegeben oder umgedeutet werden. ({1}) Die Forschung befindet sich im Fluss. Ich erinnere nur an die Möglichkeit, Embyronen Stammzellen zu entnehmen, ohne den Embryo zu töten, wie es erst kürzlich veröffentlicht wurde. Ich erinnere an die Forschungsalternative der adulten Stammzellen, von der vor einem halben Jahr kaum die Rede war. Ich möchte nicht - das will ich noch einmal deutlich sagen -, dass wir unser Menschenverständnis ohne Not umdeuten und bestimmten Forschungszwecken anpassen. Wir können nur Schritt für Schritt entscheiden. Wir müssen immer wieder neu abwägen. Allerdings dürfen wir keine Schritte in die falsche Richtung tun. Ich anerkenne ausdrücklich die großen Leistungen der Forscher. Wenn aber einer der aktuellen Antragsteller ganz offen davon spricht, wie ich es gestern Morgen im Deutschlandfunk gehört habe, es gehe jetzt zunächst darum, die Tür einen Spalt zu öffnen, um letztlich diese Technologie im Lande zu etablieren, dann weiß jeder von uns, um was es in Wirklichkeit geht. Deswegen bitte ich Sie aus tiefer Überzeugung um Unterstützung für den Antrag, den ich mit initiiert habe und der von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich unterstützt wird. Wir sind gegen das Töten von Embryonen und deshalb gegen den Import von Stammzellen. Dies ist die Stunde des Parlaments und wir sollten diese Stunde nutzen. Vielen Dank. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegin Margot von Renesse das Wort.

Margot Renesse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001820, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Es braucht sich niemand um das Wohl von Kranken und um die Erkenntnisse der Wissenschaft Sorgen zu machen, wenn es in diesem Hause zu einem hundertprozentigen Nein zur Forschung an embryonalen Stammzellen käme; denn - so ist unsere Rechtslage - es kommt jeder in Deutschland zu jeder Therapie, die ihm nützt, sei sie in Wisconsin oder auf den Philippinen entwickelt. Unser SGB V gibt ihm das Recht darauf. Kein Sozialrichter in Deutschland würde einem Aidskranken, der eine in Amerika oder in England oder neuerdings in Frankreich verfügbare Therapie einklagt, sagen: Um der Menschheit willen stirbst du kläglich. - Das kommt nicht infrage, und zwar um unserer Werteordnung willen. Genauso verhindert nicht einmal das Embryonenschutzgesetz, dass ein mit einem DAAD-Stipendium ausgestatteter deutscher Wissenschaftler, der irgendwohin geht und sich an dem beteiligt, was in Deutschland verboten ist, bei seiner Rückkehr nach Deutschland kein Problem mit dem Staatsanwalt hätte. So werden wir - ob wir es wollen oder nicht - auch mit einem Nein in diesem Hause nicht verhindern, weil es aufgrund unserer Werteordnung nicht zu verhindern ist, dass wir von den Erkenntnissen, Erzeugnissen und Ergebnissen profitieren. Nicht einmal katholische oder evangelische Krankenhäuser werden sich weigern können, derartige Therapien anzuwenden, wenn es sie denn tatsächlich gäbe, was bisher nicht der Fall ist, damit das klar ist. Das wird auch von uns nicht verkannt. Es geht zunächst einmal um Grundlagenforschung. Dazu muss man aber sagen: Es gibt nicht automatisch Therapien aus Grundlagenforschung. Aber ohne sie gibt es auch keine. Insofern ist Grundlagenforschung das, was ihr Name sagt, nämlich die Grundlage für alles. Das galt für Robert Koch genauso wie für Anatomen des ausgehenden Mittelalters. In einer schwierigen Situation, in der wir zwischen Feuern leben, in der Werte einander gegenüberstehen, ist es gefährlich, gerade Wege zu suchen. In einem Labyrinth wird man vor die Mauer laufen, wenn man gerade Wege sucht, oder man wird sie einreißen müssen. Oft ist der gewundene Weg gerade der, der zum Ausweg führt. Das haben wir schon an vielen Stellen erlebt. Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass in einer grundsätzlichen Auseinandersetzung selten jemand das Wort ergreift, der nicht auch etwas Richtiges zu sagen hat, selbst wenn es der andere noch nicht erkennt. Deswegen bin ich sehr glücklich darüber, dass wir es mit unserem Antrag hinbekommen haben, keinen Kompromiss zu machen, bei dem von der einen oder anderen Seite Kröten geschluckt werden mussten; vielmehr hat niemand etwas zu sagen gehabt, was er nicht ausgedrückt haben könnte. Niemand hat etwas sagen müssen, was für ihn eigentlich unerträglich war. Der Antrag ist nicht das Ergebnis eines Kompromisses, sondern einer Verständigung. Nach meiner Auffassung bietet das die höchste Gewähr für eine Antwort, mit der man leben kann. Wir haben das auch schon bei der Diskussion um den § 218 Strafgesetzbuch erlebt. Vor welchen Fragen stehen wir? Welche Probleme sind uns zur Lösung aufgegeben? - Wir alle wollen, dass menschliches Leben nicht verdinglicht bzw. zur Sache gemacht wird, und wir wollen keine Vampir-Medizin - wie ich es mitunter genannt habe - einführen, bei der sich der eine, der es zu brauchen glaubt, der Lebenskraft eines anderen bedient. Dies ist gefährlich; es führt zur Verdinglichung und zur Verrohung. Das wollen wir alle nicht. Wir wollen keine verbrauchende Embryonenforschung, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern, wenn irgend möglich, auch in der Welt. - Die europäische Perspektive ist in unserem Antrag deutlich zum Ausdruck gekommen. - Das können wir aber angesichts der Situation, in der wir uns befinden, nur dann, wenn wir uns an dieser Arbeit bzw. an diesem Erarbeiten beteiligen, das wir ohnehin nutzen werden. Nach unserem Antrag wird kein Embryo geschädigt, nicht einmal in Zukunft. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern geben wir durch die Stichtagsregelung keinen Anreiz, Embryonen zu vernichten, um Stammzelllinien zu gewinnen, selbst wenn Wissenschaftler zum Ausdruck bringen, dass sie es gerne anders hätten. Hierüber entscheidet der Gesetzgeber und kein Wissenschaftler. ({0}) Das ist eine Frage an uns und die lassen wir uns nicht aus der Hand nehmen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich Wissenschaftler in großer Zahl nicht an plausible, in der Gesellschaft für richtig gehaltene Gesetze halten. Es ist aber auch nicht auszuschließen - das wird unterstellt -, dass sie in ihren Kellerlabors Dinge machen, die der Gesetzgeber nicht prüfen kann, ebenso wenig wie der Paragraph, der den Mord verbietet, diesen nicht zu 100 Prozent verhindert. Aber halten kann ein Gesetz in der Regel nur, wenn es freiwillig befolgt wird. Denn wir morden nicht deshalb nicht, weil wir Angst vor dem Staatsanwalt haben, sondern weil wir es nicht für richtig halten, es zu tun. So muss es auch bei diesem Gesetz sein. Die Wissenschaftler in ihrer großen Zahl haben erklärt, dass sie mit einer solchen Regelung leben können, auch wenn sie sich mehr gewünscht hätten. Wer wirft ihnen das vor? Wir haben in unserem Antrag diejenigen eingebunden, die mehr haben wollten, aber die entscheidende Klippe erkannt haben, dass nämlich Deutschland nur ein Standort für Wissenschaft und Wirtschaft sein kann, soweit es kulturell integrierbar ist. Dass diejenigen mitgemacht haben, die gern Nein gesagt hätten, aber erkannt haben, dass dies verfassungsrechtlich nicht möglich ist, ist für mich eine große Freude. Ich meine, dass ein „Nein-Gesetz“ an der Klippe der Verfassung scheitern würde. Der „TÜV“ in Karlsruhe könnte anderer Meinung sein. Wir reden nämlich nicht über das Recht des Bundestages, etwas zuzulassen. Wir leben mit einer Verfassung der Freiheit und auf Freiheit begründet sich Würde. Also müssen wir darüber reden, ob wir verbieten wollen und können. Wenn wir dies aber tun, befürchte ich, dass wir angesichts der Tatsache, dass wir alle auch davon profitieren werden - es wird das Gesetz in unserer Gesellschaft geben, und zwar nicht, weil andere dasselbe tun und wir es nachmachen müssen, sondern weil es sich aufgrund unserer Rechtslage ergeben wird -, im Zynismus enden werden. Kein Embryo wird durch unsere Regelung geschädigt, sondern wir nutzen das Vorhandene. Die entscheidende Frage ist der Vorwurf, ob wir das damit billigen. Billigen wir den Verbrauch von Embryonen dadurch, dass bei uns die In-vitro-Fertilisation, die künstliche Befruchtung, und neuerdings auch das ICSI-Verfahren, für dessen Entwicklung auch Embryonen ihr Leben haben lassen müssen, eine Krankenkassenleistung ist? Oder billigen wir die KZ-Menschenversuche, weil auch bis heute - im Übrigen klägliche - Erkenntnisse aus der damaligen Zeit verwendet werden? Natürlich werden wir nicht Organe von Menschen importieren, die exekutiert worden sind - ein Beispiel, das Wolfgang Wodarg gerne verwendet -, aber die Stammzelllinie ist nicht nur kein Embryo, sondern sie ist auch kein embryonales Gewebe. Man könnte die Urzelle, aus der sie stammt, ohne weiteres dem Embryo zurückgeben. Sie wird nicht benötigt. Sie ist ein Erzeugnis dieser Technik. Dass wir diese Erzeugnisse nutzen werden, habe ich bereits dargelegt. Meine Damen und Herren, ich kann zwar verstehen, dass Angst vor den Verrohungspotenzialen der Moderne bestehen. Die Natürlichkeit der Natur scheint eine Gewährleistung der Humanität des Menschen zu sein. In der Tat: Humanität ist durch die immer weiteren Eingriffe in die Natur, die wir aufgrund von Wissen und Können vornehmen, gefährdet. Aber auch die Natur ist kein Wegweiser; denn der Mensch definiert auch die Natur und er setzt ihr Grenzen. Wer „Natur“ sagt, landet wieder beim Menschen. Die Antwort ist vielmehr, dass wir die Moderne verarbeiten und dass wir ihr geistig gewachsen sind. Ich bitte darum, dass wir in diesem Sinne entscheiden. Vielen Dank. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Ulrike Flach das Wort.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte um den Import von embryonalen Stammzellen und die Forschung an Zelllinien ist in Deutschland sehr lange und mit sehr großer Vehemenz geführt worden. Ich kann Ihnen das so sagen, weil ich mehr als eineinhalb Jahre lang an unzähligen Debatten sozusagen deutschlandweit beteiligt war. Ich bin froh darüber - das sage ich auch für meine Kollegen und Kolleginnen, die diesen Antrag mit unterzeichnet haben -, dass es nicht nur innerhalb der Wissenschaft, bei den Kirchen, den Ärzten und Behindertenverbänden eine breite Diskussion gegeben hat, sondern dass sich auch viele Menschen - vielleicht seit sehr langer Zeit zum ersten Mal wieder - mit der Frage der Ethik in der Forschung befasst haben. Meine Damen und Herren, die Enquete-Kommission und der Nationale Ethikrat haben Empfehlungen abgegeben, aber die Entscheidung - da stimme ich Ihnen, Frau von Renesse, voll zu - liegt hier; sie gehört in die Hände des Parlaments. Wir schlagen mit unserem gemeinsamen Antrag vor, den Import von embryonalen Stammzellen zuzulassen - damit unterscheiden wir uns von Ihnen - und die Forschung an ihnen zu ermöglichen. Das Ziel dieser Grundlagenforschung ist ein besseres Verständnis davon, wie die Programmierung von Zellen funktioniert. Wie kommt es, dass aus einer unspezifischen Zelle eine Leber-, Blut-, Knochenmarks- oder Herzmuskelzelle wird? Wie können wir diesen Prozess gezielt steuern? Wir hoffen darauf, dass diese Forschung dazu beiträgt, dass zumindest einigen von Tausenden von Menschen in Deutschland, aber auch weltweit, die zurzeit auf ein Spenderorgan warten, geholfen werden kann. Wir wollen so vorgehen - das steht in unserem gemeinsamen Antrag -, wie es die Deutsche Forschungsgemeinschaft in ihrem Votum vom Mai des letzten Jahres vorgeschlagen hat: Erstens. Forschung an adulten Stammzellen und solchen aus Nabelschnurblut soll gefördert werden. Da die Qualität dieser Stammzellen nach Einschätzung der Fachleute jedoch nicht ausreicht - das muss man ganz klar sagen - und wir zum Verständnis der Zellprogrammierung den Vergleich zwischen adulten und embryonalen Stammzellen benötigen, stimmen wir zweitens für den Import von embryonalen Stammzellen. Hierbei - das ist für die Diskussion ganz klar zu machen - handelt es sich um Stammzellen, die bei der künstlichen Befruchtung nicht genutzt werden. Es sind Embryonen, die von Spendern selbstlos und ohne finanziellen Gewinn zur Verfügung gestellt werden - ohne Bezahlung und ohne Bestellung. Zusätzlich muss eine Ethikkommission zugestimmt haben. Drittens. Wenn sich nach einem angemessenen Zeitraum intensiver Forschung an importierten Embryonen zeigt, dass diese nicht geeignet sind, Erfolg versprechende Ergebnisse für Therapien gegen Alzheimer, Parkinson und MS zu erbringen, dann - darauf haben wir uns in unserem gemeinsamen Antrag geeinigt - wollen wir eine Weiterentwicklung des Embryonenschutzgesetzes, um auch in Deutschland Stammzelllinien etablieren zu können. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch auf Ihre Anträge eingehen, Frau von Renesse und Frau Böhmer. Sie haben von einem gewundenen Weg gesprochen. Ich sage: Ihr Antrag lässt Hintertüren offen. Sie sagen, dass der Import embryonaler Stammzellen für öffentliche wie für private Forschung verboten sein soll, wollen aber Ausnahmen machen. Sie stellen in Ihrem Antrag völlig richtig fest, dass menschliche embryonale Stammzellen keine Embryonen sind, weil sie sich nicht zu einem vollständigen Menschen entwickeln können. Daraus ergibt sich, dass kein unmittelbarer Grundrechtsschutz besteht. Wenn Sie dies feststellen, Frau von Renesse, dann ist die Forschung mit embryonalen Stammzellen nicht nur zulässig, dann ist sie moralisch geboten. ({0}) Sie geben auch keine Antwort auf die Frage, was wir tun sollen, wenn sich zum Beispiel zeigt, dass die Qualität der importierten Stammzellen nicht ausreicht; auch diese Frage wird natürlich unter Wissenschaftlern diskutiert. Sie mogeln sich mit juristischer Finesse um eine klare Entscheidung herum. Die Menschen erwarten aber vom Parlament eine eindeutige Werteentscheidung, meine Damen und Herren: Entweder ist die Forschung an embryonalen Stammzellen moralisch nicht verantwortbar; dann dürfen wir sie weder im Ausland noch im Inland zulassen und müssten Sanktionen gegen Staaten erwägen, die dies tun. Oder sie ist moralisch vertretbar; dann muss sie angesichts der darauf wartenden Patienten umfassend und schnellstmöglich gefördert werden. Wir sagen in dieser Verantwortung: Ja, wir halten es für verantwortbar. Wenn unser Antrag eine Mehrheit findet, werden wir uns im europäischen Vergleich in einem ausgewogenen Mittelfeld befinden. Wir kennen die weiter gehenden Regelungen in Großbritannien, in Frankreich plant die Regierung für den Herbst ein Gesetz zur Zulassung der Forschung an so genannten überzähligen Embryonen und in Schweden sollen in naher Zukunft die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erlaubnis des therapeutischen Klonens geschaffen werden. Niemand in diesem Hause hat einen winzigen Zweifel daran, dass England, Frankreich und Schweden kulturell und moralisch hoch stehende Länder sind, obwohl sie in der Forschung viel weiter gehen wollen als wir. Unser Antrag, meine Damen und Herren, geht längst nicht so weit; er ist abgewogen und maßvoll. Lassen Sie mich noch zwei Sätze zum Antrag von Wodarg, Knoche, Seifert und anderer sagen. Diejenigen, Herr Dr. Wodarg, die alles verbieten wollen, müssen auch bereit sein, den Patienten zu sagen, dass wir nicht jede Chance nutzen, Gewebe zu schaffen, obwohl in Deutschland Tausende Menschen auf eine solche Chance warten. Wer den Import ablehnt, verzichtet bewusst auf durchaus vorhandene Chancen, Therapien für schwere, lebensbedrohende Krankheiten zu entwickeln. Wer den Import ablehnt, muss konsequenterweise auch die irgendwann aus der Stammzellenforschung gewonnenen Medikamente unseren Patienten vorenthalten. ({1}) - Das sehe ich völlig anders als Sie, Frau von Renesse. Ich halte diese Position auch aus ethischen Gründen nicht für richtig, denn auch Mitleid, Barmherzigkeit und Hilfe für die Kranken sind Grundwerte unserer Gesellschaft. ({2}) Meine Damen und Herren, nicht nur die Präsidenten und Vorsitzenden der großen Wissenschaftsorganisationen von Markl bis Winnacker, nicht nur sechs Nobelpreisträger wie Christiane Nüsslein-Vollhard, sondern auch Vertreter von Patientenorganisationen wie der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft sagen: Wir brauchen die Grundlagenforschung und wir brauchen dafür den Import von Stammzelllinien. Unsere heutige Entscheidung wird im In- und Ausland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Wir wissen, dass ein Importverbot bei uns die Stammzellenforschung im Ausland nicht beeinflussen wird. Ein Importverbot kann aber zu einem Export von deutschen Wissenschaftlern ins Ausland sowie dazu führen, dass - dies ist noch viel wichtiger - unsere Kontrollmöglichkeiten für eine verantwortungsbewusste Forschung eingeschränkt werden und unsere Patienten Hilfe im Ausland suchen. Meine Damen und Herren, die Möglichkeit für betroffene Patienten, sich öffentlich zu artikulieren, ist - auch das haben wir in den letzten Monaten gelernt - leider nicht so stark wie die einiger Verbandsvertreter. Hier geht es gerade um die Schwachen in unserer Gesellschaft. Für diese Patienten wollen wir mit unserem Antrag eine verantwortungsbewusste Forschung mit strengen Auflagen ermöglichen. Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten wir Sie um Ihre Unterstützung. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegin Monika Knoche das Wort.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Richtig ist, dass wir heute vor einer grundsätzlichen Entscheidung stehen. Wenn wir ehrlich sind, stellen wir fest, dass es nur eine Entscheidung zwischen Ja und Nein geben kann. Wir haben die Aufgabe, eine menschenrechtlich relevante Frage in einem werteprogressiven Sinn zu beantworten. Wir müssen mit einem aufgeklärten, emanzipatorischen Menschenrechtsverständnis das weiterentwickeln, was in unserer Verfassung geschrieben steht und was sie an Erfahrungen auch der Inhumanität speichert. Es geht heute um den Embryo, um die Frage, ob er zur Menschheit gehört, ob er zur Gattungsart Mensch gehört. Wenn das bejaht wird, dann ist er nicht verfügbar. Wir haben in Deutschland ein Grundgesetz, das die Würde des Menschen in all seinen Zuständen als unantastbar wahrt. Wir haben in Deutschland ein Embryonenschutzgesetz, mit dem wir praktische Lösungswege im Hinblick auf die krankheitswertige Unfruchtbarkeit der Frau regeln und sicherstellen, dass keine überzähligen Embryonen entstehen. Im gesamten angelsächsischen Raum bestehen solche rechtlichen Vorgaben als Begrenzung der Fortpflanzungsmedizin und der Forschung nicht. Das kann aber nicht heißen, dass das, was im Ausland gestattet ist, in Deutschland erlaubt werden muss oder - wie in diesem Fall - dass wir in Deutschland einen Nießnutz aus der Embryonenvernutzung anderer ziehen, aber selber sagen: Wir wollen den Status des Embryos nicht verändern. - Insofern bin ich froh, Frau Flach, dass Sie mit Ihrem Antrag eine sehr klare, sehr konsequente Position beziehen - nicht, dass ich ihr zustimme, ganz im Gegenteil. Aber man darf sich nicht vormachen, dass wir mit einer Legaldefinition hinsichtlich des Imports embryonaler Stammzellen nicht erstmalig in Deutschland eine Statusdefinition des Embryos in vitro vornähmen. Wir tun das implizit. Wer mag dann noch mit Fug und Recht auf die Verfassung und die Menschenwürde verweisen, nachdem wir mit einem Gesetz festgestellt haben, dass wir die Forschungsfreiheit, die Freiheit, an der Embryonenvernutzung teilzuhaben, höher werten als die Unverfügbarkeit des Embryos selbst? Der Embryo, um den es geht, ist durch künstliche Befruchtung in die Welt gekommen. Er ist herzeigbar, er ist handhabbar und schon werden Begehrlichkeiten an ihm wach, die darauf abzielen, ihn nicht in den Uterus der Frau zu transplantieren, sondern aus ihm ein Produkt herzustellen. Jeder Embryo, ob er sich im Körper der Frau oder in der Petrischale befindet, hat die gleiche, aus sich selbst kommende Kraft, sich als Mensch zu entwickeln, zur Person zu werden. Wer hier die Auffassung vertritt, der Embryo sei, wenn er die Gebärmutter nicht erreiche, auch kein Mensch, der entfernt sich weit vom Menschenrechtsverständnis unserer Verfassung und sagt, es sei von den Handlungen anderer abhängig, ob er ein eigenes Recht hat, ob er ein eigenständiger Rechtsträger ist. ({0}) Das ist dann in der Tat eine biologistische Menschenrechtsdogmatik, die sich mit unserem Konzept der Menschenwürde nicht verträgt und nicht vertragen kann. ({1}) Was würde es angesichts der weiteren Entwicklungen in der Forschung bedeuten, wenn wir in die Auffassung einstimmten, dass da, wo kein Uterus ist, auch kein Mensch ist? Es hinge davon ab, wie viele seiner natürlichen Funktionen künstlich ersetzt werden könnten. Machen wir uns bitte nichts vor: Wenn dieser Weg durch Import embryonaler Stammzellen beschritten wird und wir hier in Deutschland eine Legaldefinition vornehmen, werden wir keine verfassungsrelevanten Gründe mehr dafür anführen können, nicht in die Embryonenproduktion einzusteigen. Das ist eine Konsequenz. ({2}) Ich bitte an dieser Stelle um die geforderte Aufrichtigkeit. Wir haben kein Dilemma. Wir haben keinen Konflikt. Wir brauchen keinen Mittelweg. Der Ausweg - wenn wir bei diesen festen Werten bleiben wollen - ist, den Status quo zu bestätigen. ({3}) Sagen wir doch in dem internationalen Konzert: Wir als Souverän verzichten auf den Aufbau eines Forschungszweiges, der zwangsläufig auf der Indienstsetzung und der Instrumentalisierung des ungeborenen In-vitro-Embryos basiert. Sagen wir das! Viele unserer europäischen Nachbarn wären froh, wenn sie ein solches Grundgesetz hätten, das an erster Stelle sagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Danke. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort der Kollegin Maria Böhmer.

Dr. Maria Böhmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002630, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Entscheidung über den Import von menschlichen embryonalen Stammzellen macht sich in diesem Parlament wahrlich niemand leicht. Wir wissen sehr wohl um die ethischen Fragen, die sich damit verbinden, und auch um die Bedeutung für unsere Werteordnung, für das Bild vom Menschen. Dieses wollen wir achten und alles daransetzen, dass es auch in Zukunft trägt. Dafür gilt es, jede Regelung zu überprüfen, feste Mauern zu bauen und feste Grenzen zu setzen. ({0}) Wir haben die Diskussion mit großer Intensität geführt. Manche haben uns den Vorwurf gemacht, wir hätten verzögert oder verschleppt. Ich sage ganz klar: Das war nicht der Fall. - Vielmehr gehen wir aus dieser Diskussion in unserem Wissen und in unserem Wertebewusstsein gestärkt hervor. Das gilt nicht nur für dieses Hohe Haus, sondern für die ganze deutsche Gesellschaft: Die Diskussion fand nicht mehr nur in kleinen Zirkeln und Akademieveranstaltungen statt, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit, in den Medien und im privaten Bereich. Wir haben uns den grundlegenden Fragen gestellt: Wer sind wir? Was wollen wir? Wo gehen wir hin? Die Entscheidung über den Import menschlicher embryonaler Stammzellen - das wissen wir alle - darf nicht isoliert gesehen werden. Wir müssen fragen: Woher kommen diese Stammzellen? Wie sind sie gewonnen worden? Genauso gilt es, abzuschätzen, wohin der Weg führt. Die Frage liegt auf dem Tisch: Folgt aus der Forschung an embryonalen Stammzellen letztendlich das therapeutische Klonen, also die Produktion von Menschenklonen? Folgt daraus möglicherweise eine Eizellspende in großem Umfang? Werden sich unsere Gesellschaft und das Bild vom Menschen dann verändern? Wir sind gehalten, darauf eine Antwort zu geben. Ich glaube, dass wir an dieser Stelle sehr genau hinhören müssen. Zum einen gibt es in Deutschland aufseiten der Forscher sehr viele, die sagen: Therapeutisches Klonen kommt nicht infrage. - Wir dürfen aber auch die anders lautenden Stimmen nicht überhören. Wir dürfen diejenigen nicht überhören, die sagen, dass es demnächst den Forschungsembryo gebe. In den USA hat jetzt ein Ausschuss der unabhängigen Nationalen Akademie der Wissenschaften der Regierung empfohlen, therapeutisches Klonen auch mit staatlichen Geldern zu fördern. Von daher müssen wir sehr wohl sehen: Forschungsembryonen und therapeutisches Klonen sind ebenso irreführende wie verführerische Zauberwörter. Was verbirgt sich dahinter? Nichts anderes, als einen menschlichen Embryo zu Forschungszwecken oder für Therapien zu verbrauchen. Der Mensch ist aber kein Experimentierfeld und der Mensch ist kein Ersatzteillager. Hier müssen wir die Grenze deutlich ziehen, damit in Zukunft niemand in die Versuchung gerät, diese Grenze zu überschreiten. ({1}) Wir stehen heute nicht nur vor der Frage des Imports; sondern im Kern geht es um die Frage: Dürfen menschliche Embryonen für die Forschung getötet werden? Im geltenden Recht finden wir eine klare Antwort. Sie heißt: Nein. Wer die verbrauchende Embryonenforschung will, muss das Recht ändern und muss sich auch über die Folgen nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern für den Menschen als solchen im Klaren sein. Die Abschätzung der Folgewirkungen ist nicht nur ethisch, sondern auch verfassungsrechtlich geboten. Wir wissen von vielen Verfassungsrechtlern, dass man nicht nur den Status des Embryos, den Schutz des Lebens und die Würde des Menschen in den Blick nehmen muss. Vielmehr geht es darüber hinaus um die Verfassungsordnung als Ganzes und um die Würde des Menschen als das zentrale Grundprinzip der Verfassung, die es zu wahren gilt. Zur Debatte stehen heute zwar drei Anträge. Aber in Wahrheit handelt es sich nur um zwei Grundpositionen, die sich wie folgt auf den Nenner bringen lassen: Die eine Grundposition erteilt jeglicher verbrauchender Embryonenforschung eine klare Absage. Die andere Grundposition öffnet sich der verbrauchenden Embryonenforschung. Beiden Grundpositionen liegen sehr wohl unterschiedliche Prämissen zugrunde. Bei der einen Prämisse geht man davon aus, dass das menschliche Leben unbedingt von Anbeginn zu schützen ist. Die Vertreter dieser Prämisse sagen: Das ist uns durch die Verfassung aufgegeben, die die Anerkennung der Menschenwürde und deren vollen Schutz beinhaltet. Die andere Prämisse geht von einem abgestuften Lebensschutz aus. Beide Ausgangspositionen sind sehr unterschiedlich. Daher werden aus ihnen auch sehr unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Aber ich stelle fest, dass es eine überwiegende Mehrheit im Parlament - das machen zwei Anträge deutlich - gibt, die der verbrauchenden Embryonenforschung eine klare Absage erteilt und sie verbieten will. ({2}) Der Antrag, den ich gemeinsam mit den Kolleginnen Margot von Renesse und Andrea Fischer, dem Kollegen Horst Seehofer, der heute aus Krankheitsgründen leider nicht an der Debatte teilnehmen kann, und vielen anderen eingebracht habe, ist dem Gedanken verpflichtet, dass Lebensanfang und voller Lebensschutz zusammenzudenken sind. Wir machen in unserem Antrag deutlich - und zwar in jeder Beziehung -: Es darf in Deutschland nicht dazu kommen, dass Embryonen für die Forschung verbraucht und damit getötet werden. Wir wollen keinen Anreiz zur Herstellung neuer embryonaler Stammzelllinien im Ausland schaffen. Wir wollen damit vermeiden, dass weitere Embryonen getötet werden. Das ist die Grundlinie unseres Antrags. Damit halten wir am Embryonenschutzgesetz fest und bekräftigen seine Zielrichtung. Wir wollen, dass dieses Gesetz auch zukünftig gültig ist und dass von ihm um keinen Zentimeter abgewichen wird; denn das ist die Grundlage für unser Leben und für unser Bild vom Menschen. Wir wollen die Tür damit zuhalten. Jetzt fragen etliche wie Frau Flach: Gibt es nicht doch eine Hintertür? Mogelt man sich mit diesem Antrag nicht an der Entscheidung vorbei? Ist das Denken, das sich in unserem Antag offenbart, nicht inkonsequent? - Ich glaube, man muss sich den entscheidenden Punkt genau anschauen. Der entscheidende Punkt ist, dass wir mit unserem Antrag, der ein grundsätzliches Nein zum Import von menschlichen embryonalen Stammzellen enthält, deutlich machen, dass weder jetzt noch in Zukunft Embryonen für die Gewinnung neuer embryonaler Stammzelllinien getötet werden dürfen. Das ist von entscheidender Bedeutung. Das ist die Kernaussage unseres Antrags. Wir müssen uns aber auch überlegen, wie sich sicherstellen lässt, dass dieses Verbot eingehalten wird, wie man einen Damm bauen kann, damit es keine Wanderdüne gibt, damit sich das „Nein, aber“ nicht zu einem „Ja, aber“ entwickelt. Das ist für uns eine ganz zentrale Frage. Wir wollen nur dort eine Ausnahme erlauben - das ist ein schmaler Korridor -, wo es um bereits existierende Stammzelllinien geht. Wir wollen also nur dort eine Ausnahme erlauben, wo menschliches Leben beendet worden ist bzw. wo Embryonen getötet worden sind, wo wir diese Tötung nicht mehr rückgängig machen können. Das heißt nicht, dass wir diese Tötung billigen. Wir werden auch für die Zukunft alles daransetzen, dass dies nicht mehr geschieht. Aber wir müssen sehen: Stammzelllinien sind keine Embryonen. Von daher kommt ihnen nicht der volle Schutz des Grundgesetzes zu. Deswegen besteht, wenn es um die Forschungsfreiheit geht, auch ein verfassungsrechtliches Problem. Wir müssen eine Regelung schaffen, die Bestand hat. Deshalb haben wir uns für dieses deutliche, grundsätzliche Nein und für eine Ausnahmeregelung ausgesprochen. Diese aber bedeutet, dass nur in sehr restriktiver Art und Weise bereits existierende Stammzelllinien nach Deutschland importiert werden können. Das ist daran gebunden, dass wir alternativen Forschungsvorhaben den Vorrang geben, dass wir einen Stichtag nennen, der sicherstellt, dass es weder jetzt noch in der Zukunft zu einer Entwicklung kommen wird, die wir nicht gutheißen können, dass wir das Einverständnis der Eltern haben, kommerzielle Interessen ausschließen und dass die Hochrangigkeit der entsprechenden Forschungsvorhaben nachgewiesen werden muss. Dafür brauchen wir gesetzliche Grundlagen; denn ohne gesetzliche Regelungen ist dies nicht durchführbar. Auch benötigen wir eine Kontrollbehörde und eine Genehmigungspflicht. All denjenigen, die in ihrem Leben von schwerster Krankheit bedrängt sind, Hoffnung brauchen und Heilung erfahren möchten, möchte ich sagen: Wir sehen einen anderen Weg vor uns. Das ist nicht der Weg der embryonalen Stammzellenforschung, sondern der Weg der adulten Stammzellenforschung. Dieser ist ethisch unproblematisch und für die Betroffenen auch medizinisch hilfreicher. Denn hierbei handelt es sich nicht nur um vage Hoffnungen. Vielmehr gibt es hier schon klinische Anwendungen. In diesem Bereich findet aufgrund der Möglichkeiten, die sich eröffnen, eine faszinierende Entwicklung statt. Deshalb sprechen wir uns in unserem Antrag klar dafür aus, dass die adulte Stammzellenforschung stärker gefördert werden muss als bisher. Deutschland muss zu einem Kompetenzzentrum für die adulte Stammzellenforschung werden, damit Menschen bald Heilung erfahren können und sie Therapien erhalten, die wirksam sind. Lassen Sie mich abschließend sagen: Ich hoffe, dass sich heute der Deutsche Bundestag mit einer klaren und überwältigenden Mehrheit für ein Nein zur verbrauchenden Embryonenforschung ausspricht. Ich hoffe, dass wir mit einer solchen Entscheidung ein Nein zur Verzweckung und zum Missbrauch des menschlichen Lebens aussprechen, dass wir uns gegen die Herstellung von neuen Stammzelllinien und damit auch gegen die Tötung von Embryonen wenden. Ich hoffe, dass wir uns zugleich für die massive Förderung von adulten Stammzellforschungsbereichen aussprechen. Lassen Sie uns alles daransetzen, dass der Schutz menschlichen Lebens, die Würde des Menschen und damit unsere gemeinsame Werteordnung geachtet werden. Ich bin mir sicher, dass es nicht einfach sein wird, immer wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Aber ich bin mir sicher, dass es uns mit diesem Gruppenantrag gelingt, ein Fundament zu bauen, mit dem wir unsere Werteordnung und menschliches Leben in Zukunft schützen, sodass wir darauf vertrauen können: Das Bild des Menschen, das unserer Verfassung zugrunde liegt, ist gewahrt und wird Bestand haben. Ich danke Ihnen. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Katherina Reiche das Wort.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nunmehr diskutieren wir in Deutschland seit über einem Jahr, ob auch hierzulande mit embryonalen Stammzellen geforscht werden darf, um Erkenntnisse zu gewinnen, die Kranken und Leidenden helfen können. Nun ist es an uns, die Argumente heute in eine Entscheidung zu gießen. Klar ist, dass wir mit zunehmender Internationalität biomedizinischer Forschung und ihren Ergebnissen konfrontiert sind. Keine Politik - schon gar nicht die eines einzelnen Staates - kann die biotechnologische Forschung aufhalten. Politik muss den Rahmen setzen und die Gesellschaft auf die ethischen, sozialen und soziologischen Konsequenzen vorbereiten. Sie muss vor allem dafür Sorge tragen, dass den Menschen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht vorenthalten bleiben. Der Wille zu heilen entspricht dem humanitären Auftrag, Alten, Schwachen und Kranken zu helfen. Der christliche Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, erwartet vom Menschen, die ihm gegebene Vernunft und das aus ihr resultierende Wissen zur Erkenntnis und Nutzung der Natur einzusetzen. Verliert einer unserer 200 Zelltypen seine Funktion, führt dies zu gesundheitlichen Ausfallerscheinungen, oft sogar zum Tod. Bei vielen schweren Erkrankungen fehlen bislang wirksame Therapien. Stammzellforschung verfolgt zwei Ziele: die Entwicklung von Zell- und Gewebetransplantaten und die Entwicklung von Medikamenten. Ethisch unproblematisch wäre der Einsatz von adulten, das heißt aus Organen von Erwachsenen gewonnener, Stammzellen und von Stammzellen, die aus dem Nabelschnurblut Neugeborener gewonnen werden. Der Erforschung dieser beiden Stammzelltypen ist Vorrang zu geben und diese ist auch finanziell zu unterstützen. Allerdings sind die adulten Stammzellen auch mit erheblichen Nachteilen behaftet. Sie sind bereits stark differenziert und nur bedingt vermehrbar. Außerdem nimmt die Anzahl der adulten Stammzellen leider mit zunehmendem Alter der Patienten ab. Wir wissen bis heute nicht, warum aus einer bestimmten Zelle eine Nervenzelle wird. Den Weg der Zelldifferenzierung und -programmierung will die Wissenschaft erforschen. Der amerikanische Forscher Gearhart entdeckte erstmals 1998 embryonale Stammzellen. Diese Stammzellen können sich nahezu unbegrenzt vermehren, teilen und in sehr viele verschiedene Zelltypen entwickeln. Embryonale Stammzellen sind der Schlüssel zum Verständnis aller anderen Stammzelltypen. Die Forschung versichert glaubhaft, dass die Funktionsweise adulter Stammzellen nur mithilfe der Grundlagenforschung an embryonalen Stammzellen festgestellt werden kann. Mit anderen Worten: Man muss die Programmierung einer Zelle kennen, um sie am Ende reprogrammieren zu können. Ziel ist es ja, Krankheiten mit eigenen Stammzellen des Patienten zu heilen. Ein Forscher versucht die Dinge zu begreifen, indem er die Wirklichkeit erfasst. Schon Augustinus sagte: „Ich forsche, um eine Sache zu wissen, nicht, um sie zu denken.“ Die Medizin ist nicht von vornherein der Weiterentwicklung des Lebens verpflichtet; sie steht auch im Dienste der Heilung von Menschen. Sie berührt neben der Forschungsfreiheit auch den Schutz der Gesundheit anderer Menschen. Die zu importierenden embryonalen Stammzelllinien sind pluripotente Stammzellen und können sich nicht mehr zu einem Menschen entwickeln. Die pluripotente Stammzelle ist somit rechtlich und medizinisch kein Embryo. Gegen die Herstellung von embryonalen Stammzelllinien gibt es ethische und rechtliche Bedenken. Es geht um elementare Schutzgüter wie den Würde- und den Lebensschutz. Die Frage, wann das Leben beginnt, ist medizinisch, rechtlich, philosophisch und theologisch umstritten. Viele Menschen halten den Zeitpunkt der Verschmelzung von Samen- und Eizelle für den überzeugendsten. Gleichwohl gibt es gewichtige Gründe, die Einnistung des Embryos in die Gebärmutter als entscheidend anzusehen. Die Mutter gibt dem Embryo die Kontinuität einer Entwicklung als Mensch, die Identität der in der Eizelle angelegten und mit der Nidation bestätigten Person. ({0}) Kann Politik den Beginn des Lebens festlegen? Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Paul Kirchhof, führt dazu aus: Das Zusammenwirken von Menschenwürdegarantie und Lebensschutz fordert einen je nach dem vorgefundenen Leben bemessenen, realitätsgerecht gestuften Schutz, der schon dem geborenen Menschen in anderer Weise zukommt als dem Embryo im Mutterleib, den Embryo vor der Nidation anders erfasst als nach der Nidation. Unsere Gesellschaft akzeptiert bereits, dass das Lebensrecht des Embryos nicht absolut ist. Dies gilt zum Beispiel sowohl für die Regelung des Schwangerschaftsabbruches als auch für die Anwendung von Nidationshemmern. Auch bei der In-vitro-Fertilisation werden Rechtsgüter abgewogen. Man nimmt bei der In-vitro-Fertilisation in Kauf, dass sich nur ein kleiner Teil der implantierten Embryonen einnistet, ein Teil verworfen wird bzw. nie die Gebärmutter erreicht. Dies wird um des fortpflanzungsmedizinischen Ziels willen billigend in Kauf genommen. Die In-vitro-Fertilisation brachte in den 15 Jahren seit ihrer Zulassung in Deutschland etwa 70 Embryonen hervor, die aus verschiedenen Gründen nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft benötigt wurden. Sie sind um ihrer selbst willen erzeugt worden, werden jedoch nie die unverzichtbare Lebensbedingung Mutter vorfinden. In anderen Ländern ist die Forschung an embryonalen Stammzellen bereits im Gange. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden künftig in der Medizin zur Anwendung kommen. Es wird sich dann die Frage stellen, ob wir es in Deutschland rechtfertigen können, Patienten diese Behandlungsmöglichkeiten zu verwehren, nur weil sie mithilfe von in Deutschland nicht zugelassenen Verfahren zustande gekommen sind. Können wir es dann trotz ethischer Bedenken gegen die Nutzung embryonaler Stammzellen verhindern, dass Patienten in die Länder gehen, wo diese Therapien angeboten werden? Dann würden zwar in Deutschland keine embryonalen Stammzellen verbraucht, aber Stammzellen durch Deutsche im Ausland. Daraus ergeben sich für mich eine Reihe von Wertungswidersprüchen. Nach Abwägung aller Argumente komme ich zu der Überzeugung, dass wir die Forschung an embryonalen Stammzellen und die Nutzung der Forschungsergebnisse in Deutschland befürworten sollten. Die rechtliche Möglichkeit zum Import embryonaler Stammzellen besteht bereits heute; sie sollte genutzt werden. Zurzeit ist nicht absehbar, ob die bereits im Ausland hergestellten Stammzelllinien, die der deutschen Forschung zur Verfügung gestellt werden sollen, den wissenschaftlichen Anforderungen in jeder Hinsicht gerecht werden. Um eine erfolgreiche Grundlagenforschung auch hierzulande zu gewährleisten, darf daher auf die Möglichkeit, embryonale Stammzellen auch in Deutschland herzustellen, nicht von vornherein verzichtet werden. Die Herstellung von Stammzellen kann aber nur an solchen Embryonen geschehen, die bei künstlicher Befruchtung erzeugt werden und dort nicht zur Anwendung kommen. Für diese überzähligen Embryonen, die wir auch in Deutschland haben, gibt es derzeit keine überzeugende Lösung. Die Gewinnung von eigenen Stammzelllinien ist erst recht dann geboten, wenn nach Ausschöpfung aller anderen Forschungswege schwerwiegende Argumente für die Forschung an embryonalen Stammzellen sprechen. Ich möchte mit einem Zitat von Hubert Markl enden, der sich fragt, was uns Kant zu seinem kategorischen Imperativ heute sagen würde: Vermutlich hätte er uns also gesagt, wenn wir wissen wollen, was wir wissen können und wissen müssen, sollten wir das tun, was uns auch künftig hoffen lässt. Recht hätte er damit gehabt. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Wodarg.

Dr. Wolfgang Wodarg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Menschenwürde kommt dem Menschen als solchem zu. Wenn man sie als etwas versteht, was ihm von anderen zu- oder abgesprochen werden kann, dann hat man sie eigentlich schon aufgegeben. Sie ist nicht damit vereinbar, nach willkürlichen Kriterien - wie den aktuellen Fähigkeiten, dem Entwicklungsstand oder dem Umfeld, in dem ein Mensch existiert, zum Beispiel im Labor - abgestuft zu werden. Alle Menschen in allen Entwicklungsphasen haben Anteil an der Menschenwürde. ({0}) - Wir müssen über die Frage des § 218 sprechen und das werden wir auch tun. Aber das überlasse ich den Frauen in unserer Gruppe. Sie werden Ihnen eine sehr genaue Antwort geben. Ich maße mir nicht an, dieses Thema jetzt in meiner Redezeit zu bearbeiten. Wir dürfen nicht zulassen, dass irgendjemand festlegen will, welche Kriterien erfüllt sein müssen, welche Eigenschaften vorliegen müssen, welche Fähigkeiten da sein müssen, bevor einem Menschen Menschenwürde zugesprochen wird. Menschenwürde ist auch nichts, was man unter dem Mikroskop finden könnte. Deshalb gibt es für Wissenschaftler auch keine besondere Zuständigkeit bei der Definition dessen, was Menschenwürde ausmacht. Der Mensch soll für den Menschen unverfügbar sein. Deshalb darf man auch niemandem das Recht einräumen, zu definieren, in welcher Phase seiner Existenz oder aufgrund welcher Kriterien ein Mensch als Mensch gelten darf. Auch das Ausland kann hier nicht maßgebend für unsere Gesetzgebung sein. In anderen Ländern wird von Forschern und Ärzten sehr viel nicht Hinnehmbares mit Menschen angestellt. Es ist richtig, dass wir - das gilt für die Vergangenheit und für die Zukunft - die Augen vor den Erkenntnissen, die dort gewonnen werden, nicht zumachen dürfen. Aber es gibt hier sehr wohl eine abgestufte Wertung und eine abgestufte Verantwortung, um die wir streiten müssen. Im Ausland werden riskante Versuche an Menschen unternommen, die selbst oft gar nichts davon wissen und die erst recht nicht zustimmen konnten. Es werden Sterbenden, ja sogar Hingerichteten und Getöteten ohne deren Zustimmung Organe entnommen und für die Transplantation oder die Forschung angeboten und es geschehen viele Dinge mehr, die hier in Deutschland unter strenge Strafe gestellt sind. Von den Befürwortern des Importes ist zu hören, dass man den Import verfassungsrechtlich nicht verhindern könne, weil mit embryonalen Stammzellen kein Rechtsgut von Verfassungsrang betroffen sei. Das haben wir auch gerade wieder gehört. Ein Kompromiss sei deshalb möglich. Unserer Meinung nach ist das abwegig. Ein bekannter Verfassungsrechtler hat gerade letzten Montag in der „FAZ“ darauf hingewiesen. Er schreibt: Im Übrigen kennt die deutsche Rechtsordnung durchaus Regelungen, die über das innerstaatliche Verbot hinaus auch den „Rechtswidrigkeitsimport“ untersagen, wenn es um fundamentale Positionen wie Würde und Leben geht. Er zitiert § 12 Abs. 1 Satz 4 des Transplantationsgesetzes, in dem es heißt, dass im Ausland gewonnene Organe nur dann nach Deutschland vermittelt werden dürfen, wenn die Organentnahme „mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten,“ nicht offensichtlich unvereinbar ist. Der Deutsche Bundestag hat damit entschieden, dass die Ethik des Heilens an dieser Stelle ihre Grenze findet. Er sagt dann weiter: Das Herz eines hingerichteten Strafgefangenen oder eines so genannten „non heart beating donors“ - wie es in den Vereinigten Staaten heißt ist danach ebenso tabu wie die für 10 000 Dollar erworbene Niere eines Slumbewohners aus Kalkutta, selbst wenn dieser Verzicht den sicheren Tod eines ganz konkreten, schwer leidenden Patienten in Deutschland zur Folge hat. Was sollte den Gesetzgeber also hindern, Ähnliches für den Import von embryonalen Stammzellen für Deutschland zu normieren? ({1}) Das Verfassungsrecht steht dem ebenso wenig entgegen wie das europäische Gemeinschaftsrecht. Ich denke, die Tötung von Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen kann durchaus als die früheste Form der Tötung eines Menschen zur Gewinnung von Organen empfunden werden, sollen doch aus dem Embryo ein Mensch und aus den Stammzellen seine Organe wachsen. In einer Frage wie dieser brauchen wir deshalb nicht nur eine juristisch saubere Lösung, sondern die Lösung, die unserem Menschenbild und unserem moralisch-ethischen Empfinden gerecht wird. Wenn wir es verbieten, in Deutschland Embryonen zur Erzeugung von Stammzellen zu vernichten, es aber gleichzeitig erlauben, solche embryonalen Stammzellen aus dem Ausland zu importieren, widerspricht das ohne Zweifel dem moralischen Empfinden vieler Menschen in unserem Lande. ({2}) Wenn wir keine verbrauchende Embryonenforschung wollen, dann sollte es ethisch unerheblich sein, ob sie hier oder im Ausland geschieht. Hinzu kommt ein weiteres Problem. Wenn wir erst einmal einen Katalog definiert haben, welche Bedingungen an die Gewinnung von embryonalen Stammzellen zu stellen sind: Welches Argument hätten wir dann eigentlich noch gegen die Embryonenvernichtung im eigenen Land, wenn diese denselben Bedingungen genügen würde? Noch einige Worte zur Signalwirkung der deutschen Entscheidung. Auch in den europäischen Ländern, in denen die Tötung von Embryonen zu Forschungs- oder Therapiezwecken erlaubt ist - oder wie in Frankreich gerade erlaubt werden soll -, fühlen sich viele Menschen von einer solchen Politik nicht repräsentiert. Die deutsche Haltung zum Embryonenschutz ist für viele dort ein Referenzpunkt, auf den sie sich beziehen konnten. Wenn wir diese Haltung nun aufweichen würden, hätte das eine sehr negative Signalwirkung. Wir haben auch hier eine europäische Verantwortung. Würden wir heute einem begrenzten Import zustimmen, dann würden uns sogar die Befürworter der verbrauchenden Embryonenforschung in ganz Europa als heuchlerisch bezeichnen können - nach dem Motto: Die Deutschen wollen sich zu Hause die Hände nicht schmutzig machen, wollen aber gleichzeitig von im Ausland getöteten Embryonen profitieren. Solche Äußerungen gibt es bereits aus dem Umfeld der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament. Eine klare, der bisherigen deutschen Haltung entsprechende Entscheidung gegen den Import wäre ein wichtiges und positives Signal für das ganze Europa. ({3}) Wir alle waren einmal ein Embryo. Das Leben jedes Einzelnen von uns hat so angefangen. Wir müssen uns auch immer wieder fragen, was es für unser eigenes Selbstverständnis als Gattung und für unser Menschenbild bedeutet, wenn wir das früheste Stadium unseres Lebens als instrumentalisierbares, verfügbares Material behandeln würden. Produkte, für deren Entwicklung Embryonen getötet werden mussten, werden immer mit diesem Makel behaftet sein. Ich wünsche mir, dass medizinischer Fortschritt made in Germany das Label der ethischen Unbedenklichkeit mit Recht erhalten kann. Menschliche Embryonen und auch ihre Teile sind keine Ware, die man kaufen und verkaufen, importieren und exportieren darf. Die Mehrheit dieses Hauses ist hoffentlich mit mir der Meinung, dass sie auch niemals Ware werden dürfen. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegin Andrea Fischer das Wort.

Andrea Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002652, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, für den ich hier heute argumentieren möchte, hat eine klare Zielsetzung: Wir wollen die strengen Regeln des Embryonenschutzgesetzes erhalten, wir wollen keine verbrauchende Embryonenforschung zulassen und wir wollen nicht, dass von Deutschland Anreize ausgehen, Embryonen - wo auch immer - für die Forschung zu töten. Zugleich aber schlagen wir eine streng geregelte Ausnahme für heute bereits vorhandene Stammzelllinien vor, für die bereits Embryonen getötet wurden. Entgegen manchem Urteil von Kollegen hier im Hause halte ich diesen Vorschlag für eine konsistente Position. Er ist ein ernsthaftes Angebot auf einer festen moralischen Grundlage, im bislang so unversöhnlich geführten Streit um die Zulässigkeit des Imports der Stammzelllinien vermittelnd wirken zu können. Unser Antrag geht von der unteilbaren Menschenwürde des Embryos aus: Ab der Verschmelzung von Ei und Samenzelle entwickelt sich der Embryo als Mensch. Mit Verweis auf seine vorpersonale Form kann ihm nicht der Schutz der Gemeinschaft entzogen werden. Denn - wie es in unserem Antrag heißt -: Embryonen sind die künftigen Kinder künftiger Eltern. Mich hat in der Debatte des vergangenen Jahres keines der biologistischen und der philosophischen Argumente überzeugt, die einen abgestuften Schutzstatus des Embryos begründen sollten. Zu offenkundig trat dahinter die Absicht hervor, durch eine Bagatellisierung der Tötung des Embryos eine Rechtfertigung für dessen Verzwecklichung zu finden. ({0}) Im Übrigen möchte ich all denen, die die in unserem Antrag deutlich werdende Sicht der Schutzwürdigkeit des Embryos nicht teilen, zu bedenken geben, dass es auch in ihrem wohlverstandenen Eigeninteresse liegen mag, dass wir uns nicht auf den Weg einer - wie es Habermas nennt - Selbstinstrumentalisierung der Gattung begeben. Wenn wir uns darauf einlassen, dass wir menschliches Leben zu einem außerhalb seiner selbst liegenden Zweck verwenden, werden wir künftig nur schwerlich Maßstäbe finden, auf diesem Gebiet Grenzen zu setzen. Daher ist unser Antrag an diesem Punkt unmissverständlich und niemand sollte dies für nur begleitende Lyrik halten, die angesichts des materiellen Ergebnisses des Antrages vernachlässigenswert sei. Wir wollen keine Embryonen auch für noch so hochrangige Zwecke verbrauchen und wir billigen ihre Tötung auch im Nachhinein nicht. Das heißt dann auch, dass der potenzielle Erfolg oder Misserfolg der Forschung, um die es hier geht, kein schlagendes Argument ist. Das gilt in beide Richtungen: Zum einen verkennt man das Wesen der Wissenschaft, wenn man von ihr im Vorhinein Belege für ihren späteren Erfolg verlangt, um die Forschung erst dann zuzulassen. ({1}) Umgekehrt ist das Heilungspotenzial für sich genommen ein notwendiges, aber kein hinreichendes Argument. Stünden die Heilungschancen über allen anderen Rechtsgütern, dann gäbe es keinerlei Grund für irgendeine Schranke. Ich meine aber, dass es ein zu Recht geltender Konsens in unserer Gesellschaft ist, dass uns auch noch so verlockende Heilungsmöglichkeiten nicht das Recht geben, sie zulasten Dritter durchzusetzen. ({2}) Diese Selbstbeschränkung, die uns allen im Angesicht von vielfachem Leid durch Krankheiten schwer fällt, wird dadurch erträglicher - und übrigens auch zwingender -, dass wir Aussicht auf gute Ergebnisse der Forschung an ethisch unbedenklichen Stammzellen von Erwachsenen oder an Stammzellen aus dem Nabelschnurblut haben. Deshalb sprechen wir uns in unserem Antrag deutlich für den Vorrang dieser Forschung aus. Für die Grundlagenforschung wollen wir eine Ausnahme zulassen, nämlich die Forschung an bereits bestehenden embryonalen Stammzelllinien, wenn Bedingungen hinsichtlich ihrer Herkunft erfüllt sind sowie der Nachweis der Alternativlosigkeit der Forschung erbracht ist. Diese Stammzelllinien, die nach unserem Vorschlag importiert werden können, sind keine Embryonen mehr. Sie können sich nicht mehr als Mensch entwickeln und der Tod dieser Embryonen ist nicht mehr abänderlich. Deshalb steht diese Ausnahme in Einklang mit unserem Bekenntnis zum Embryonenschutz. Ich habe mich schon vor langer Zeit davon überzeugen lassen, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sein wird, deren Import nach Deutschland verbieten zu lassen. Auch das Lebensschutzgebot des Grundgesetzes gibt uns keine Handhabe, die Forschung an Stammzelllinien zu verbieten, für die Embryonen in der Vergangenheit bereits getötet worden sind. Und das noch an den Kollegen Wodarg: Hier geht es nicht um den Unterschied zwischen In- und Ausland, sondern um den Unterschied zwischen Vergangenheit, Heute und Zukunft. ({3}) Allerdings ist es uns möglich, rigide Begrenzungen für die Verwendung dieser Stammzelllinien durchzusetzen. Deshalb appelliere ich an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam diese Regeln bestimmen, anstatt uns in Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang zu begeben, die uns bei einem einfachen Nein zum Import gewisslich drohen. Aber selbst dann, wenn das rechtliche Argument schlagend sein sollte, entbindet es mich nicht von der Frage nach der moralischen Legitimität dieses Vorgehens. Ich will keine verbrauchende Embryonenforschung und ich will, dass sich der Bundestag heute dazu bekennt, auch künftig nicht damit zu beginnen. Dieses Ziel wird nicht verletzt, wenn an Stammzelllinien gearbeitet wird, zu deren Herstellung Embryonen verwendet werden können, deren Tötung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Im Gegenteil: Dieses Ziel kann vielleicht eher dadurch erreicht werden, dass wir die vergleichende Grundlagenforschung in engen Grenzen ermöglichen, sodass künftig keine Arbeit mehr mit embryonalen Stammzelllinien erforderlich ist. Im Lichte einer solchen Erwartung macht diese Ausnahmeregelung Sinn. Wir nehmen damit diejenigen Forscher beim Wort, die uns die Absicht zur begrenzten Grundlagenforschung versichern. Im Verlauf der Debatte um die embryonale Stammzellenforschung hat es im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik - um es vorsichtig zu formulieren - manche Irritation gegeben. Die Forschung erwartet von uns, der Gesellschaft, zu Recht Vertrauen und auch die Anerkennung ihrer guten Absichten. Umgekehrt aber erwarten wir von der Forschung, dass sie die Regeln unserer Gesellschaft auch dann akzeptiert, wenn sie ihr Grenzen setzen. Sie muss sich auch der historischen Erfahrung stellen, dass die gute Absicht allein noch nicht ethische Abwege der Forschung verhindert hat. Unser Antrag will eine Brücke zwischen den verschiedenen Interessen bauen und sucht nach einem praktikablen Weg auf einem soliden ethischen Fundament. Dieses Angebot vertraut darauf, dass es nicht gewollt missverstanden wird. Es handelt sich hier eben nicht um einen ersten Schritt zum Abschied von hinderlichen ethischen Rücksichtnahmen. In diesem Sinne ist unser Antrag auch ein Vertrauensvorschuss und wir setzen darauf, dass unser Vertrauen nicht enttäuscht wird. Die Debatte hat bislang die unterschiedlichen Positionen strikt gegeneinander gesetzt. Vorhin hat dies jemand in der Forderung zusammengefasst: Man kann nur Ja oder Nein sagen. Deswegen schien es oft so, als sei eine Verständigung nicht möglich, ja, als gelte sie den Beteiligten als Verrat an der eigenen moralischen Position. Aber in einer pluralistischen Gesellschaft haben Konsense gerade Andrea Fischer ({4}) in moralischen Fragen ihren eigenen Wert. Einen Dissens in der Renten- oder Finanzpolitik muss ich als Demokratin immer hinnehmen. Aber bei der Verständigung über die moralischen Regeln unseres Zusammenlebens kann eine schlichte Mehrheitsentscheidung die Gefühle der Unterlegenen in schwerer Weise verletzen. Doch wir alle sollten uns auch nach der heutigen Entscheidung noch hier zu Hause fühlen können. Deshalb werbe ich heute um eine große Zustimmung zu unserem Antrag. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Peter Hintze das Wort.

Peter Hintze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir hier in diesem Hause die Frage stellen, ob die Wissenschaft in Deutschland in der Lage und bereit ist, mit diesen Fragen mit einem hohen Maß an ethischer Verantwortung umzugehen, so möchte ich doch in dieser Debatte feststellen, dass die Wissenschaft in Deutschland in den letzten Monaten bereits dadurch ein hohes Maß an Verantwortung bewiesen hat, dass sie aus freier Entscheidung die eigenen für wichtig gehaltenen Forschungsvorhaben zurückgestellt hat, obwohl die rechtliche Möglichkeit dazu unbestritten besteht, und gesagt hat: Wir als Wissenschaftler in Deutschland verpflichten uns, die Meinungsbildung im Deutschen Bundestag abzuwarten, und versetzen uns selbst auch ohne Rechtsgrund in die Lage, den ethischen Konsens abzuwarten, bevor wir das, was wir als richtig erkennen, tun. Ich finde deswegen, dass die Forschung in Deutschland unseren Rückhalt und unser Wort verdient hat. ({0}) Diese Debatte geht um die Frage, wie wir der Menschenwürde gerecht werden. Wir sind uns darüber einig, dass die Menschenwürde die größte ethische, rechtliche und kulturelle Errungenschaft unserer Zivilisation ist. Wir sind uns auch darin einig, dass das menschliche Leben einen so hohen Stellenwert genießt, dass jeder ungerechtfertigte Eingriff in dieses Gut verboten ist. Darauf haben uns nicht zuletzt die Kirchen hingewiesen. Uns beschäftigt die Frage, ob der Mensch alles darf, was er kann. Ich denke, wir können sie gemeinsam beantworten: Nein, er darf nur das, was er ethisch verantworten kann. ({1}) Die Menschenwürde aber wird nicht nur durch aktives Tun verletzt; sie kann auch durch Unterlassen verletzt werden. Ich kann einen Menschen nicht nur durch eine Fehlhandlung, sondern auch dadurch verletzen, dass ich Leiden oder den abwendbaren Tod sehenden Auges hinnehme, obwohl ich Mittel zu seiner Bewahrung davor habe. ({2}) Unser Ja zum Leben schließt ein Ja zur Heilung unseres Gegenübers ein. Ich freue mich, dass Bischof Huber unsere Debatte auf der Tribüne verfolgt. Wir diskutieren das auch in unseren Kirchen. Für mich ist dieses Ja zum Leben zugleich Verpflichtung, auch Ja zur Heilung des Gegenübers zu sagen. Dies ist eine zentrale Botschaft der Bibel. ({3}) Hier erhält die Stammzellforschung ihre ethische und für die Christen auch religiöse Begründung. Ich halte es für medizinisch und ethisch geboten, dass wir uns an dieser menschenfreundlichen Basisinnovation des 21. Jahrhunderts beteiligen. Wir müssen das natürlich abwägend tun. Es gibt keine schwierigen ethischen Fragen, die man abwägungslos beiseite schieben kann. Wie aber lautet die Abwägung? Auf der einen Seite steht der ernst zu nehmende und wichtige Schutz einer befruchteten Eizelle in einer Petrischale außerhalb des menschlichen Körpers. Die Ehrfurcht vor dem Leben gebietet es uns, mit dieser biologischen Wurzel für individuelle Menschwerdung ganz behutsam umzugehen. Auf der anderen Seite stehen mögliche Heilungschancen für ganze Generationen. Auch wenn die Debatte, was ich sehr gut finde, in einer ruhigen Atmosphäre stattfindet, so muss man doch die Unterschiede herausarbeiten. Deshalb will ich eines ernsthaft sagen: Die befruchteten Eizellen, um die es hier geht, wurden im Rahmen der Reproduktionsmedizin gewonnen. Die Eltern haben sich aus Gründen, die lange vor der Forschung liegen, entschieden, diese befruchtete Eizelle nicht einzupflanzen. Wer gibt uns eigentlich das ethische Recht, diesen Eltern den selbstlosen und großherzigen Schritt zu verweigern, diese befruchtete Eizelle zu spenden, weil sie sagen, dass es ihrem Leben Trost und Hoffnung gibt, wenn sie wissen, dass damit vielleicht vielen anderen Leben geholfen werden kann? ({4}) Dass das nicht ohne einen ethischen Konflikt gehen kann, kennen wir aus der Debatte um das Transplantationsgesetz. Wir haben hier im Haus bewegende Reden - auch von betroffenen Kollegen - gehört. Diese haben sich, nachdem ein Familienangehöriger gestorben war, gefragt, ob sie dies oder jenes tun können, dürfen oder müssen. Der eine mag das so, der andere so entscheiden. Wenn aber die Vorstellung in den Raum gestellt wird, die Alternative liege in der Entscheidung zwischen der Entfaltung zu einer individuellen Person - lassen wir alle biologischen Voraussetzungen einmal beiseite - und der Hilfe in der Forschung, so muss man sagen: Dies war schon gegen die Entfaltung der Person entschieden, noch bevor die Frage nach einer möglichen Forschung überhaupt gestellt wurde. ({5}) Für mich ist daher die Abwägung zwischen dem Recht künftiger Generationen auf Leben und Gesundheit und unserer Verweigerung an diese Eltern, zu einer solchen Spende Ja zu sagen, sehr wichtig. Ich bin kein Verfassungsjurist; das weiß hier jeder. Aber jeder, der sich damit beschäftigt hat, weiß, dass das Andrea Fischer ({6}) Bundesverfassungsgericht die Frage des rechtlichen Schutzes der befruchteten Eizelle in seinen Entscheidungen aus guten Gründen immer außen vor gelassen hat. Wir kommen hier in Wertungswidersprüche hinein, die gar nicht zu beschreiben sind. Natürlich weiß ich, dass eine Kirche in unserem Lande insgesamt gegen empfängnisverhütende Mittel und auch gegen nidationshemmende Mittel wie die Spirale ist. Dazu, was jährlich zu Hundertausenden von Abgängen von befruchteten Eizellen führt, haben wir kaum einen Ton gehört. Darüber haben wir nicht ein Dreivierteljahr diskutiert; dazu regt sich keine Empörung. Jetzt aber, wo es um zwei oder drei Stammzelllinien geht, was wirklich Hilfe für Generationen von Menschen bedeuten kann, kommt die große Empörung. Das empfinde ich als einen quälenden Widerspruch. ({7}) Ein letzter Gedanke. Was haben wir vom Menschen gelernt? Neun Hochschullehrer, Professoren der Theologie, haben es vorige Woche unseren beiden Kirchen gesagt: Der Mensch ist doch mehr als sein Genom. Der Mensch ist mehr als seine biologische Wurzel. Wir können das ausführen: Der Mensch ist von Gott dazu berufen, Geschichte zu haben. Das hat ein behinderter Mensch, das hat ein kranker Mensch und das hat ein Mensch, dem viele Möglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen. Dadurch zählt er zur Gemeinschaft der Menschen. Aber sollen wir deshalb keinen Unterschied mehr machen zwischen einem Menschen, der eine Geschichte hat, und einer befruchteten Eizelle, die in einem Tiefkühlbehälter der Reproduktionsmedizin lagert? Wenn das alles gleichgesetzt wird, wenn hier an diesem Pult dauernd vom Töten geredet wird, was müssen dann Menschen denken, deren Angehörige zum Beispiel von Regimen qualvoll getötet wurden? ({8}) Eine solche kategoriale Gleichsetzung wird unserem Thema meiner Ansicht nach nicht gerecht. ({9}) Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Deswegen will ich unsere Forscher und auch Frau Flach, Frau Reiche, Herrn Schäuble und all die anderen, die unseren Antrag unterstützt haben, eindeutig vor dem Vorwurf in Schutz nehmen, es gehe uns nicht um die Menschenwürde. Uns geht es um die Menschenwürde, um den Respekt vor der Würde des Menschen, der auch darin seinen Ausdruck findet, dass wir unsere Kraft, unsere Fähigkeit und unseren Willen einsetzen, damit Menschen geholfen wird, denen es nicht so gut geht und die nicht gesund sind, damit auch sie ein menschenwürdiges Leben führen können. Ich danke Ihnen. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Monika Griefahn das Wort.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik muss Grenzen setzen und Forderungen stellen. Forschung dagegen impliziert, neugierig zu sein und gleichzeitig die Hoffnung auf Hilfe für Kranke. Es ist wichtig, dass wir die Neugier in uns Menschen immer wieder weitertreiben und dass wir die Neugier befriedigen. Aber wie wir Kindern, die neugierig sind, Grenzen setzen und auch ihnen nicht alles erlauben, so ist es bei der Forschung ab und zu wichtig, die Schwerpunkte in eine Linie zu bringen. Woher kommen denn die embryonalen Zellen, über die wir uns hier unterhalten? Es sind Embryos, die aus der künstlichen Befruchtung entstanden sind und übrig geblieben sind. Und warum brauchen wir künstliche Befruchtung? Weil immer mehr Menschen unfruchtbar werden. Sie alle, die Sie hier als Mann sitzen, sind durchschnittlich nur noch halbe Männer. ({0}) Weil die durchschnittliche Anzahl an Samenzellen enorm zurückgegangen ist - er lag ehedem bei 110 Millionen, heute liegt er bei 55 Millionen -, haben heute weitaus mehr Männer als früher Schwierigkeiten, selber Kinder zu zeugen. Nur 6 Prozent der In-vitro-Fertilisationen sind erfolgreich. Das heißt, wir reden über die übrig gebliebenen Stränge. Wenn wir darüber diskutieren, wie Schwerpunkte von Forschung zu setzen sind, dann kann ich nur sagen: Ich will nicht vorwiegend die Reparaturtechnik, sondern die Prävention fördern. Die Vielzahl von Chemikalien nämlich ist es, die dafür sorgt, dass die Fruchtbarkeit zerstört wird, dass Menschen krank werden, dass zum Beispiel die Brustkrebsrate bei Frauen enorm gestiegen ist. Zu nennen sind zum Beispiel die Organozinn-Verbindungen bei Schiffsanstrichen, aber auch das, was Sie alle in Ihren Büros haben, nämlich die Drucker, insbesondere die Laserdrucker, und die Kopierer. Aus diesen Geräten strömen diese Verbindungen aus, die dann direkt ins Gewebe gelangen und krank machen. Da brauchen wir dringend Forschung, um unschädliche Chemikalien zu entwickeln; denn sie ist viel zu gering. Da brauchen wir Aktivitäten und Schwerpunktsetzungen, auch auf europäischer Ebene. Ich hoffe, dass dadurch viel eher die Möglichkeit besteht, den Menschen präventiv zu helfen, als wenn wir viel Luxus investieren. Es kostet Pfennige, die Strassenkinder in Lateinamerika vor Krankheiten, vor Blindheit zu bewahren. Auch das bekommen wir nicht hin. Aber wir leisten uns eine Luxusdebatte über etwaige Möglichkeiten von Reparaturtechnik. Deshalb: Neugier ja, aber Grenzen stecken! Ich plädiere dafür, die Grenze so zu stecken, dass wir Importe verbieten und das Geld schwerpunktmäßig für die Prävention, das heißt für die Entwicklung von Stoffen verwenden, die nicht krank machen. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegin Angela Merkel das Wort.

Dr. Angela Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001478, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einer langen und aus meiner Sicht außerordentlich verantwortungsvoll geführten breiten gesellschaftlichen Debatte, die sich gerade die Mitglieder meiner Partei nicht leicht gemacht haben, stehen wir heute in diesem Parlament vor einer wichtigen, grundsätzlichen Entscheidung Ich sage an einem der Zwischenpunkte dieser Debatte als Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union: Jedem, den ich in meiner Partei kenne, geht es um die Würde des Menschen. Jedem geht es um eine verantwortbare Entscheidung, und zwar eine ethisch-verantwortbare Entscheidung an einer neuen Wegmarke. Immer wieder haben wir Menschen angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse vor solchen Wegmarken gestanden. Immer wieder war es nötig, Grenzen zu ziehen, Erlaubnisse zu geben und Erkenntnisse neu zu bewerten. Immer wieder hat dies gegenseitigen Respekt von uns verlangt. Deshalb wird die Antwort, die die Mehrheit dieses Hauses heute findet, auch eine Antwort auf unser Bild vom Menschen sein. Sie wird aber auch eine Antwort sein, die unser Verständnis von Forschung und von den Grenzen der Forschung widerspiegelt. Dass wir diese Debatte heute führen, beruht darauf, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft Anträge zu dem Import von Stammzellen zu bescheiden hat - Anträge, die sich mit einer Situation außerhalb unseres Landes befassen, die die Existenz solcher Stammzellen bereits impliziert. Wir haben in dieser Debatte - das ist heute schon gesagt worden - eine wichtige Erfahrung gemacht: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat sich nicht einfach darauf berufen, dass ein rechtlich nicht geregelter Bereich durch Handeln ausgefüllt werden kann, sondern sie war bereit, die Debatte in diesem Parlament abzuwarten, um hierüber auch zu einem allgemeinen gesellschaftlichen Konsens zu kommen. Ich halte das für eine sehr wichtige Demokratieerfahrung. ({0}) Das, was wir hier heute zu bescheiden haben, ist im Embryonenschutzgesetz nicht geregelt. Es ist darin deshalb nicht geregelt, weil wir zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Embryonenschutzgesetzes von diesen neuen Möglichkeiten noch gar keine Vorstellungen hatten. Dies zeigt, mit welcher Dynamik menschliche Erkenntnis voranschreitet, und zeigt auch, dass es mit Sicherheit nicht die letzte Debatte gewesen ist. Aber ich glaube, jeder von uns weiß, dass das, was wir heute zu entscheiden haben, auf einer Rechtslücke beruht, die den Geist des Embryonenschutzgesetzes nicht etwa außer Kraft setzt, sondern ihn bei der Entscheidung, die wir zu treffen haben, wieder von uns einfordert. Deshalb gibt es für mich auch keinerlei Abstriche bei der Aussage zu machen, dass menschliches Leben mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle beginnt. Dies bleibt für mich der Fixpunkt der gesamten Debatte. Deshalb darf es auf gar keinen Fall eine Erzeugung von Embryonen zum Zwecke der Forschung oder eine verbrauchende Embryonenforschung geben. Die Sorge, die viele hier umtreibt - egal, zu welcher Antwort sie am Schluss kommen -, besteht doch darin, dass aus den Möglichkeiten der Forschung mit embryonalen Stammzellen implizit ein Druck erwächst, solche embryonalen Stammzellen aus reinen Nützlichkeitserwägungen heraus zu erzeugen. Dennoch warne ich davor, diejenigen, die sich für eine Forschung an embryonalen Stammzellen unter bestimmten Grenzsetzungen aussprechen, sozusagen als die Erfüllungsgehilfen einer wissenschaftlichen Innensicht zu betrachten, und andere, die diese wissenschaftliche Innensicht nicht teilen, wiederum als diejenigen, die den ethischen Prinzipien verpflichtet sind. ({1}) Gute Wissenschaft kann von Ethik nicht getrennt werden. Beides bildet eine Einheit; das muss auch so sein. Das ist meine Anforderung an die Wissenschaft. Natürlich gehen die Meinung und das Wissen der Forscher in unsere Erkenntnisbildung und Entscheidungsfindung mit ein. Wir wissen, dass es nicht nur im Bereich der embryonalen Stammzellen, sondern zum Beispiel auch der adulten Stammzellen ungeahnte Forschungsmöglichkeiten gibt. Meiner Ansicht nach muss die Forschung an adulten Stammzellen absoluten Vorrang vor allen anderen Forschungen haben. ({2}) Deshalb geht es bei dem Beschluss, den wir heute fassen werden, nicht nur um die Frage, ob der Import von embryonalen Stammzellen zu bejahen oder zu verneinen ist, sondern auch um die Frage der neuen, grundsätzlichen Ausrichtung unserer zukünftigen Forschungspolitik, die - was die Forschung an adulten Stammzellen betrifft - aus meiner Sicht längst nicht die notwendigen Schwerpunkte setzt, wie sie in Zukunft zu setzen sind. Das muss eine Folge unserer heutigen Debatte sein. ({3}) Meine Damen und Herren, es geht also um die Chancen und Möglichkeiten von Forschung, aber vor allen Dingen darum, alles zu tun, um außerhalb Deutschlands - innerhalb natürlich sowieso - den Druck zu nehmen, dass Embryonen aus Nützlichkeitserwägungen erzeugt, verbraucht und gebraucht werden und daraus völlig neue Maßstäbe entstehen würden. Deshalb plädiere ich für den Antrag, der Folgendes vorsieht: keine verbrauchende Embryonenforschung und ein grundsätzliches Verbot des Imports, der nur unter strengen Voraussetzungen zugelassen werden soll. Wie schön wäre es, wie bereits einige heute festgestellt haben, wenn man eine so komplizierte Frage mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten könnte. ({4}) Ich stelle für mich persönlich fest: Ich kann es leider nicht. Wir leben schließlich in einer realen Welt, in der bereits embryonale Stammzellen existieren, und wir wissen, dass man mit ihnen forschen kann und dass die Tötung der Embryonen unter bestimmten Bedingungen, die wir in unserem Antrag sehr deutlich klassifiziert haben, in einem völlig anderen Zusammenhang bereits stattgefunden hat. Deshalb meinen wir, dass ein Stichtag festgelegt werden muss, bis zu dem die embryonalen Stammzellen erzeugt wurden und von dem ab wir - weil uns neue Erkenntnisse vorliegen - alles tun, um den Druck zu nehmen, weiter embryonale Stammzelllinien herzustellen. Wir nehmen aber die Welt so zur Kenntnis, dass wir meinen: Wenn es diese Stammzellen gibt und wir diese Grenzen ziehen, dann sollten wir - weil wir in Deutschland die Therapien einsetzen werden - uns nicht davor verschließen, unter diesen strengen Grenzziehungen auch den Import dieser Stammzellen zu akzeptieren. Meine Damen und Herren, meine Entscheidung kommt dadurch zustande, dass wir meiner Meinung nach in einer Gesamtwelt leben und nicht für uns allein in einem Land. Das entbindet uns natürlich nicht der Aufgabe, unsere eigenständigen Entscheidungen zu fällen. Das haben wir in Deutschland mit dem Embryonenschutzgesetz und mit unserem Verständnis des Menschen auch eindeutig getan. Ich meine aber auch, dass wir, wenn wir unsere Wertmaßstäbe in dieser Welt erhalten wollen, mehr tun müssen, um in Zukunft auf die internationalen Maßstäbe Einfluss zu nehmen. Um dies zu können, müssen wir sicherstellen, dass kein falscher Druck zur Erzeugung von Embryonen entsteht. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass internationale rechtliche Regelungen getroffen werden, die dies für alle bindend festlegen. Deshalb ist Politik in diesem Sinne meines Erachtens nicht auf nationales Handeln beschränkt. Ich sage ganz deutlich: Mich beschwert es, dass Deutschland noch immer nicht die Bioethik-Konvention unterzeichnet hat. ({5}) Wir drücken uns vor Entscheidungen und werden dadurch immer wieder mit Situationen konfrontiert werden, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse schneller greifen, als wir Grenzen gesetzt haben. Das darf und sollte uns in Zukunft nicht so häufig passieren. Deshalb stimme ich für den Antrag so, wie ich es begründet habe. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Jochen Borchert das Wort.

Jochen Borchert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte heute wie schon die Debatte der vergangenen Monate zeigt, um welch grundsätzliche Fragen es hierbei geht und wie schwierig die Frage zu beantworten ist, was der Mensch darf und wo ethische Grenzen sind. Es geht um die Frage: Wann beginnt menschliches Leben? Gibt es eine Zäsur in der Entwicklung des individuellen menschlichen Lebens, die so eindeutig ist, dass man sagen kann: „Davor gibt es keinen Lebensschutz, danach gibt es einen uneingeschränkten Lebensschutz.“? Nach meinem christlichen Verständnis vom Menschen beginnt menschliches Leben mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle. Von da an gilt der uneingeschränkte Lebensschutz. Von da an gilt die Unantastbarkeit der Würde des Menschen. Wenn man den Beginn des Lebens an andere Kriterien wie Entwicklung oder Nidation bindet, dann kommen wir dahin, dass sich die Frage stellt: Ist die Würde des Menschen nur dann unantastbar, wenn der Mensch zur Selbstachtung fähig ist? Wenn wir diese Grenze aufgeben, dann, so glaube ich, werden alle anderen Grenzen willkürlich sein. Der uneingeschränkte Lebensschutz, die Schutzwürdigkeit auch des Embryos verbieten es, den Embryo für die Gewinnung von Stammzellen zu töten, und verbieten eine verbrauchende Embryonenforschung. Bis hierher stimme ich und stimmen die anderen Unterzeichner des Antrags gegen einen Import von Stammzelllinien auch mit dem Konsensantrag überein. Wenn ich eine verbrauchende Embryonenforschung in Deutschland ablehne, dann ist es für mich auch nicht vertretbar, Stammzellen zu importieren, die aus der Vernichtung von Embryonen gewonnen worden sind. Jede noch so eng definierte Importerlaubnis wird die Tür zu weiteren Ausnahmen öffnen. Hier ist schon die Frage angeklungen: Was spricht dagegen, nach einiger Zeit, wenn die existierenden Stammzellen für die wissenschaftliche Forschung nicht ausreichen, zu sagen: „Es gibt neue Stammzelllinien, für die Embryonen bereits vernichtet worden sind“, und die Tür für den Import weiterer Stammzelllinien zu öffnen? Wenn wir den ersten Schritt tun, dann - da bin ich ganz sicher - werden weitere Schritte folgen und wir werden die Tür nicht wieder schließen können. Dies wäre eine Entwicklung, die ich ethisch nicht verantworten könnte. ({0}) Von den Befürwortern einer weiter gehenden Embryonenforschung auch hier in Deutschland werden immer zwei Argumente ins Feld geführt. Es wird gesagt, ein Verbot der Forschung an embryonalen Stammzellen gefährde den Forschungsstandort Deutschland, und es wird auf die mit der Forschung verbundene Hoffnung auf zukünftige Heilungsmöglichkeiten verwiesen. Ein Verbot des ImDr. Angela Merkel ports embryonaler Stammzellen bedeutet jedoch nicht den Verzicht auf Stammzellforschung. ({1}) Vielmehr haben wir die Wahl zwischen einer Forschung an embryonalen Stammzellen mit großen ethischen Problemen, mit ethischen Fragen, die diesen Weg für mich nicht gangbar machen, und einer ethisch unbedenklichen Forschung an adulten Stammzellen. Hierbei geht es doch um die Grenzen einer ethisch verantwortbaren Forschung. Deshalb sagen wir Ja zu einer Forschung an adulten Stammzellen und fordern wir eine sehr viel intensivere und stärkere Forschung auf diesem Gebiet. Mit der Stammzellforschung verbinden sich Hoffnungen auf die Entwicklung von Heilverfahren für bisher nicht zu heilende Krankheiten. Diese Hoffnungen lassen sich nach Ansicht einiger nur oder schneller mit embryonalen Stammzellen realisieren. Aber rechtfertigt die Hoffnung auf mögliche Heilung die Tötung menschlichen Lebens? Können wir hier abwägen zwischen dem Lebensrecht des Embryos und einer Hoffnung auf Heilung, von der wir nicht wissen, ob sie zu realisieren ist und ob sie nur auf diesem Wege zu realisieren ist? Ist es vertretbar, zu sagen, je intensiver die Heilungshoffnung sei, desto stärker dürften wir die Unantastbarkeit der Würde des Menschen in einem frühen Stadium infrage stellen? Nach meinem Dafürhalten lässt sich die verbrauchende Embryonenforschung nicht mit der mehr oder weniger fundierten Hoffnung auf Heilung rechtfertigen. ({2}) Eine Ethik, die eine verbrauchende Embryonenforschung in Deutschland ablehnt, muss auch einen wie immer begrenzten Import von Stammzellen ablehnen. Wie bereits mehrfach angeklungen ist, geht es hier um ein Ja oder Nein zu einer verbrauchenden Embryonenforschung. Eine Erlaubnis zum begrenzten Import von Stammzellen öffnete hier eine Tür, die wir auf Dauer nicht wieder schließen könnten. Deswegen stehen wir heute vor der entscheidenden Frage, ob wir zu einem Import embryonaler Stammzellen Nein sagen, wie es der Geist des Embryonenschutzgesetzes vorsieht, oder ob wir die Tür zu einer verbrauchenden Embryonenforschung auch in Deutschland öffnen, was uns auf einen Weg führte, den wir Schritt für Schritt immer weiter gehen müssten. Ich plädiere dafür, im Hinblick auf eine embryonale Stammzellenforschung in Deutschland beim Nein zu bleiben. Danke. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Gerhard Schröder das Wort.

Gerhard Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002078, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein gutes Zeichen für den Zustand der politischen Kultur in Deutschland, dass die Debatte, die wir heute hier führen, in der Öffentlichkeit so breit, so intensiv und gelegentlich auch durchaus leidenschaftlich geführt worden ist. Wir sollten auch in Zukunft darauf achten, zu vermeiden, dass diejenigen, die prinzipiell gegen jede Form der Forschung an embryonalen Stammzellen und infolgedessen auch gegen ihre Einfuhr sind, den „Knüppel“ der unterlassenen Hilfeleistung zu spüren bekommen und die anderen, die diese Forschung generell oder unter restriktiven Bedingungen bejahen, als Antwort darauf mit dem Etikett der ethischen Verantwortungslosigkeit oder gar des verfassungswidrigen Handelns belegt werden. Wir haben dies in der Vergangenheit vermieden und sollten es auch in Zukunft vermeiden. ({0}) Für diejenigen, die sich nicht jeden Tag mit diesen Fragen beschäftigen können oder wollen, möchte ich das, worüber heute zu entscheiden ist, präzise bestimmen: Vor dem Hintergrund einer breiten öffentlichen Diskussion haben wir über die Frage zu entscheiden, ob wir den Import von embryonalen Stammzellen, den das heute geltende Embryonenschutzgesetz erlaubt, verbieten wollen oder ob wir auch in deutschen Labors und Universitäten Forschung an ebendiesen embryonalen Stammzellen ermöglichen wollen, wie es in den Vereinigten Staaten, in Israel und Australien, aber auch - das ist besonders wichtig - in mehr und mehr europäischen Ländern selbstverständlich geschieht, da man sich von dieser Forschung erhoffen darf - mehr ist es zunächst nicht -, dass sie neue Medikamente und Heilverfahren für bislang unheilbare Krankheiten hervorbringt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach meiner Auffassung wären ein totales Importverbot für embryonale Stammzellen und als Konsequenz dessen ein totales Forschungsverbot nicht nur unangemessen, sondern auch verfassungsrechtlich problematisch. ({1}) Stammzellen, aus denen sich kein vollständiger Organismus mehr entwickeln kann, genießen - das ist meine persönliche Meinung - keinen Grundrechtsschutz. Sehr wohl aber genießt die Freiheit von Wissenschaft und Forschung Grundrechtsschutz. Wir alle täten gut daran, dieses Grundrecht zu verteidigen. Vor diesem Hintergrund bitte ich darum - das haben hier auch schon andere ausgeführt -, dass wir uns gemeinsam dagegen verwahren, dass Medizinern und Biologen dunkle Motive wie etwa Profitgier oder Geltungssucht unterstellt werden, nur weil sie sich der Erforschung embryonaler Stammzellen widmen oder sich für diese Forschung aussprechen. In dieser Debatte muss klar werden: Diese Wissenschaftler haben ihre Forschungstätigkeit in den Dienst ihrer Mitmenschen gestellt. Sie haben sich damit einer großartigen Aufgabe verschrieben. Sie wollen anderen helfen, sie wollen Schmerzen lindern und Krankheiten heilen. Ich finde, dafür haben sie Anerkennung verdient. ({2}) Frau Merkel, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, wenn Sie darauf hinweisen, dass auch die DFG Anerkennung verdient - in diese Anerkennung schließe ich auch Herrn Professor Brüstle ein, über den so viel geschrieben und geredet worden ist -, denn Wissenschaftler haben in den vergangenen Monaten darauf verzichtet, von einem Recht, das ihnen ausdrücklich zusteht und das wir nicht eingeschränkt hatten, Gebrauch zu machen, um ihre Forschungen schon jetzt zu ermöglichen. Ich werte das als einen Beweis für den sehr verantwortungsvollen Umgang deutscher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ebendiesem Problem. ({3}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werde heute für den Gruppenantrag von Frau Böhmer, Frau von Renesse und anderen stimmen, trotz einiger Bedenken, die auch ich habe, trotz einiger meiner Auffassung nach ernst zu nehmender Argumente, die ich von denen, die für ein weniger eingeschränktes Ja eintreten, gehört habe. In der jetzigen Situation und vor dem Hintergrund der breiten öffentlichen Debatte schafft dieser Antrag keine gegenüber dem geltenden Embryonenschutzgesetz prinzipiell neue Rechtslage, aber er kann ein Stück Rechtssicherheit und ein Stück Klarheit vermitteln helfen. Die Anforderungen an den Import embryonaler Stammzellen sind in diesem Antrag präzise und sehr umfassend geregelt. Ich glaube, dass damit die Forschungsmöglichkeiten, die man neben der Forschung an adulten Stammzellen braucht, vielleicht nicht in optimaler Weise für die Forscher, aber in vertretbarer Weise für die Gesellschaft geregelt werden. Zudem beschreiten wir, falls wir diesen Antrag beschließen, keinen Sonderweg für Deutschland. Wir gehen längst nicht über die Praxis in anderen Staaten hinaus, aber - das ist für mich entscheidend wir koppeln uns eben auch nicht von den internationalen Forschungsstandards ab. Für diejenigen, die prinzipiell dagegen sind, könnte vielleicht folgendes Argument ein wenig Überzeugungskraft entwickeln: Nur auf der Basis dieses vermittelnden Antrags haben wir eine Chance, uns über unsere nationalen Regelungen hinaus auch in der internationalen Forschungspolitik Mitsprachemöglichkeiten zu sichern - auf andere Weise würde es außerordentlich schwer werden, das zu tun -, um auf diese Weise ein Problem, das nicht allein im nationalen Maßstab zu regeln ist, im internationalen Maßstab vielleicht in stärkerem Maße gemäß unseren Vorstellungen von verantwortungsbewusster Forschung zu regeln, als das - das muss man einräumen - in anderen Ländern der Fall ist. Natürlich rühren die Fragen, die wir hier zu beantworten haben, an Grundfragen des menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Das wurde hier bereits gesagt. All diejenigen, die es sich schwer gemacht haben - das gilt für jeden von uns, denke ich - und die sagen, die einfache Antwort Ja oder Nein ist keine angemessene, keine mir mögliche Antwort, haben Recht. Befürworter und Gegner der Stammzellenforschung - auch das ist wichtig - unterscheiden sich nicht nach den üblichen Kriterien, nach rechts oder links, die in der politischen Debatte gelten, übrigens auch nicht nach Konfessionszugehörigkeit. Das sind Fragen, die der Einzelne für sich und in seiner Verantwortung für die Erfüllung des Auftrags, den er vom Volk bekommen hat, beantworten muss. Mir ist wichtig, dass Folgendes ausgedrückt wird: Es ist klar, dass die Entscheidung pro Forschung an embryonalen Stammzellen keine Entscheidung gegen Forschung an adulten Stammzellen ist, sein kann und sein darf. ({4}) Im Gegenteil: Das, was wir da in der Vergangenheit geleistet haben - ich erinnere auch an das, was wir an Unterstützung mobilisiert haben -, ist wichtig und richtig und muss weitergeführt werden. Ich denke, darüber gibt es Übereinstimmung. Ich nenne ein letztes Argument, das nicht neu ist und das hier schon angeführt worden ist, das ich aber unterstreichen will - mich jedenfalls hat es immer beschäftigt -: Wie geht man, wenn man zu einem prinzipiellen Nein kommt, ehrlich mit der Tatsache um - Frau von Renesse hat sie eingangs ihrer Rede beeindruckend dargestellt -, dass Therapien oder Medikamente, die durch Forschung an embryonalen Stammzellen in anderen Ländern verantwortungsbewusst - es geht jetzt nicht um diejenigen, die das anders machen - entwickelt worden sind, hier natürlich, selbstverständlich benutzt werden? Ich rede jetzt nicht nur über den rechtlichen Regelungskatalog, der das gebietet, sondern auch über die Verantwortung, die jeder Arzt, aber auch jeder, der Hilfe leistet, verspüren wird. Wie geht man dann damit um? Auf diese Frage, glaube ich, wissen diejenigen, die prinzipiell Nein sagen, keine - jedenfalls für mich befriedigende - Antwort. Ich habe in der Diskussion auch keine gehört. Ich ziehe folgendes Fazit: Der vorliegende Gruppenantrag, den ich erwähnt habe, bewältigt, glaube ich, in sehr adäquater Weise auf der einen Seite den Abwägungsprozess, von dem hier zu Recht die Rede gewesen ist; auf der anderen Seite setzt er nationale Grenzen, er eröffnet uns Möglichkeiten des Einflusses auf die internationale Forschungspolitik und er macht zudem das möglich, was forschungspolitisch und auch vor dem Hintergrund des Heilenwollens in unserem Land geboten ist. Das ist der Grund, warum ich Sie bitte, diesem Antrag zuzustimmen. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne hat soeben die Präsidentin des schwedischen Parlaments, Dahl, mit ihrer Delegation Platz genommen. Wir begrüßen Sie sehr herzlich. ({0}) Wir hoffen, dass Sie einen aufschlussreichen Einblick in unsere parlamentarische Arbeit bekommen. Sie nehGerhard Schröder men heute ja an einer besonders wichtigen Debatte des Bundestages teil. Für Ihren Aufenthalt hier bei uns, in unserem Lande und für Ihr weiteres Wirken begleiten Sie unsere besten Wünsche. ({1}) Ich erteile das Wort dem Kollegen Edzard SchmidtJortzig.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schröder, ich komme mit ganz ähnlichen Argumenten wie Sie zur Befürwortung des Gruppenantrags Flach/Reiche/Hintze/Gerhardt. Ich möchte mit meiner Argumentation bei dem einsetzen, was schon Frau von Renesse am Anfang gesagt hat. Ich möchte nämlich darauf hinweisen - das scheint mir auch und gerade bei einer so emotionalen und sensiblen Frage wie der, die wir heute behandeln, wichtig zu sein -, dass es nicht darum geht, zu fragen, was wir denn zulassen, sondern darum, was wir verbieten sollen oder dürfen. In unserem Verständnis von Gemeinwesen, von Rechtsordnung und von politischer Verfassung ist nämlich, jedenfalls staatlich - alles andere ist eine Frage der ganz persönlichen Moral und Ethik -, alles zu tun erlaubt, solange es nicht verboten ist. Umgekehrt gilt nicht plötzlich, dass nur zugelassen sei, was hoheitlich ausdrücklich gestattet werde. Wir leben eben nicht in einem totalitären Regime oder in einer Diktatur, sondern in einer freiheitlichen Staatsordnung. Ich möchte, dass das auch hier deutlich wird. Wir müssen also fragen: Was legitimiert, wenn wir es aussprechen wollen, ein Verbot? Gerade für ein Verbot und im Übrigen auch für entsprechende Einschränkungen gibt es - das bestreitet niemand - manche Argumente: Da ist zum einen der Schutz des embryonalen Lebens. Für mich - das will ich für meinen Teil ganz deutlich machen - ist es nicht streitig, dass das menschliche Leben mit der Verschmelzung der beiden Keimzellen und damit sowohl sein verfassungsrechtlicher als auch sein moralisch gebotener Schutz beginnen. Man kann wissenschaftlich sicherlich darüber streiten, ob man den Zeitpunkt noch früher ansetzen müsste. Nur, im Zusammenhang mit dem menschlichen Leben müssen unterschiedliche Dinge gegeneinander abgewogen werden. Wir Christen wissen sehr gut - das sage ich besonders an Ihre Adresse, lieber Kollege Borchert, da Sie ganz bewusst aus christlicher Sicht argumentiert haben -, dass es mehr als die bloße physische Existenz gibt. Wir müssen in der Praxis ohnehin auf vielfältige Weise zwischen Leben und Leben abwägen. Ein anderes Argument für die Rechtfertigung des Verbots der verbrauchenden Embryonenforschung ist der Schutz der Menschenwürde. Dazu möchte ich sagen: Ich bezweifle sehr stark, dass die Blastozyste, also der Frühzellverband, bereits ein würdefähiger Mensch ist. All diejenigen, die schockiert sind, wenn man so etwas sagt, rufe ich auf, sich um ein tieferes Verständnis der Dinge zu bemühen. Es geht ja nicht darum, irgendwelche Behauptungen tapfer zu wiederholen. Es geht vielmehr darum, herauszubekommen, zu erfühlen oder für sich zu entscheiden, was denn Würde im Kern wirklich bedeutet, und die Frage zu beantworten, warum sie unter Gottes Himmel nur dem Menschen und keinem anderen Geschöpf, erst recht keiner anderen Sache, keinem einzelnen Organ und im Übrigen auch keiner totipotenten Zelle, zuerkannt wird. Ich sage auch dies in Richtung derjenigen, die besonders aus christlicher Sicht argumentieren. Emsige Dogmaverkündigung ersetzt jedenfalls nicht Überzeugungskraft. ({0}) Es geht also darum, abzuwägen, inwieweit die Schutzund Förderungsbelange des einen Guts bzw. Handlungsziels zugunsten der des anderen zurückgedrängt werden können. Das gilt auch für die empfindliche Stelle, über die wir jetzt diskutieren, nämlich wenn es um den Import embryonaler Stammzellen und die Forschung an ihnen geht. Das müssten doch auch diejenigen - darauf ist schon hingewiesen worden - spüren, die vehement für ein absolutes Verbot streiten. Mir ist jedenfalls nie klar geworden, wie man seinerzeit für eine - wie auch immer konditionierte - Regelung des Schwangerschaftsabbruchs sein konnte und jetzt vehement für ein striktes Verbot der Stammzellenforschung eintreten kann. ({1}) Bei dem von mir skizzierten Abwägungsprozess - um ihn kommen wir nicht herum; ich glaube, dass Roman Herzog völlig Recht hat, wenn er vor absoluten Verboten warnt, weil diese das Ende jeder Argumentation seien mag man je nach subjektiver Gewichtung der Vektoren und je nach weltanschaulicher bzw. religiöser Grundausrichtung zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das ist klar. Deshalb habe ich die größte Achtung vor der Entscheidung derjenigen Kollegen, die eine andere Position vertreten. Ich jedenfalls kann an der Verwendung frühester, noch gänzlich individuumsferner Zellsubstanzen für hochwertige, ernsthafte Ziele nichts per se Verwerfliches erkennen. ({2}) Es geht ja nicht um Ausforschung um der Ausforschung willen, nicht um die Entschlüsselung irgendwelcher Geheimnisse um der Neugier willen, sondern um das Vorankommen der Forschung auf medizinisch-therapeutischem Feld. Von der Ethik des Heilens ist bereits gesprochen worden. Auch darüber müssen wir uns ernsthaft Gedanken machen. Es sollen überhaupt nur - die Terminologie wirkt hier zugegebenermaßen etwas gewalttätig so genannte überzählige oder verwaiste Embryonen für Forschungszwecke herangezogen werden, die sonst, wie es einmal von einem hoch gestellten Juristen formuliert worden ist, in das ewige Eis verbannt sind, also keine Perspektive auf wirkliche Individualität und Menschenwürde haben. Sie, Herr Hintze, haben ja auch schon darauf hingewiesen. Präsident Wolfgang Thierse Deshalb entscheide ich mich - ich bin dankbar, das hier einmal deutlich und klar dartun zu können - für ein konditioniertes Freihalten entsprechender Forschung, für einen möglichen Fortschritt. Dieser Fortschritt ist nur möglich. Niemand verspricht ihn fest. Aber eine solche Perspektive ist auf dem medizinisch-therapeutischen Feld vorhanden. Wichtige Elemente dieser Freihaltung der Forschung, die in dem entsprechenden Antrag der Kollegin Flach und anderen enthalten sind, sind die strikte Begründungsnotwendigkeit, die Meldeauflage, die Institutionenlizenz etc. Ich glaube, dass nur der Weg einer verantwortlichen, freien Forschung unserem zivilisatorischen Vorankommensanspruch, unserem Verbesserungsanspruch und unserem Anspruch, nicht stehen bleiben zu wollen, gerecht werden kann. Wenn man davon nicht überzeugt ist, sollte man bei dieser Gewissensfrage nicht so votieren. Herzlichen Dank. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Ernst Ulrich von Weizsäcker das Wort.

Dr. Ernst Ulrich Weizsäcker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003257, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Frau Dahl! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe alle drei Anträge als ethisch gut begründet und motiviert an. Es ist niemandem, der sich einem der Anträge angeschlossen hat, vorzuwerfen, sich die Frage ethisch leicht gemacht oder sich gar aus niederen Motiven entschieden zu haben. ({0}) Ich gestatte mir, insbesondere für den Antrag, der den Namen von Margot von Renesse trägt, diese positive Einschätzung zum Ausdruck zu bringen. Anfangs war ich durchaus in der Versuchung, mich dieser Initiative anzuschließen. Doch was hat mich dazu gebracht, mich schließlich gegen eine Importerlaubnis auszusprechen? Mich hat einiges an der medizinischen Argumentation bei Befürwortern des Imports, nicht zuletzt in der Wissenschaftlergemeinde, gestört. ({1}) Da spricht man, oft mit Fotos von bedauernswerten Kranken unterlegt, von Heilungschancen bekannter Krankheiten. Oft wird der Mund ziemlich voll genommen. Dabei sind die nahe liegenden Heilungschancen heute ausschließlich bei ausgereiften adulten Stammzellen zu suchen, ({2}) zumal man bei der Übertragung von embryonalen Stammzellen ein echtes Tumorrisiko eingeht, weswegen dies heute auch kein Arzt tun würde. Der Vorzug der embryonalen Stammzellen ist, zumindest heute, ein rein wissenschaftlicher. Mit ihnen können bestimmte Fragen der Zelldifferenzierung und deren Steuerung besser untersucht werden. In Zukunft können hieraus auch Heilungschancen erwachsen. Aber diese Grundlagenforschung lässt sich mit embryonalen Stammzellen von Primaten, zum Beispiel Weißbüscheläffchen, ({3}) größtenteils genauso gut durchführen. ({4}) - Hier gibt es in der Tat kein Importproblem. ({5}) Sollte sich nach Jahren der Grundlagenforschung im In- und Ausland ein starker Hinweis auf eine verbesserte Chance auf Heilung bestimmter Krankheiten ergeben, dann wäre ich bereit, meine derzeitige Haltung zu revidieren und im Sinne des Antrags von Renesse eine sehr vorsichtige Öffnung der Forschung an vorhandenen, ansonsten todgeweihten embryonalen Stammzellen zuzulassen. Wenn die Heilungschancen konkretisiert sind, würde ich dieser Argumentation zustimmen. Tut man dies aber beim heutigen Stand der Erkenntnisse, also bereits auf vagen Verdacht hin, dann ist nach meiner Befürchtung eine ethische Rutschpartie programmiert. ({6}) Einen vagen Verdacht späterer medizinischer Nützlichkeit kann ein ehrgeiziges Forscherteam eigentlich immer konstruieren. Ich höre den Einwand, dass die Wissenschaft in Deutschland verkümmere, wenn man im Ausland etwas darf, was hierzulande verboten ist. Gut - das Argument „Wissenschaftsstandort Deutschland“ ist für mich das seriöseste von denen, die für den Stammzellenimport sprechen. Nicht etwa, weil die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen eine so zentrale Stellung einnähme, sondern weil die Debatte der letzten Monate sie zu einem Symbolfall der Forschungsfreiheit hochstilisiert hat. Mein Einwand bleibt aber, dass es Tausende faszinierender wissenschaftlicher Fragestellungen mit medizinischer Relevanz auch im Bereich der erlaubten Stammzellforschung gibt. In dieser Lage ausgerechnet diejenigen Fragen zum Symbolfall der Freiheit zu machen, bei denen viele Menschen starke ethische Bedenken haben, ist nicht gut. ({7}) Ich traue aus eigener wissenschaftlicher Kenntnis der deutschen Lebenswissenschaft zu, auf höchstem internaDr. Edzard Schmidt-Jortzig tionalen Niveau ohne Verletzung ethischer Bedenken zur Mehrung des Wissens um die Heilung von Kranken beizutragen. Das ist ein Weg, der nicht zu Spaltungen führt. ({8}) Es ist der Weg, der eine breite Akzeptanz der Wissenschaft in unserem Volk sichert. ({9})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort der Kollegin Petra Bläss.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutigen Entscheidung ist eine einzigartige und breite gesellschaftliche bioethische Debatte vorausgegangen, die mit der heutigen Beschlussfassung nicht abgeschlossen wird - im Gegenteil. Die von uns jetzt zu beantwortende Teilfrage, ob der Import embryonaler Stammzellen zugelassen werden soll, verlangt eine Gewissensentscheidung von jeder und jedem von uns, die uns in ethischer Hinsicht eine ungeheure Verantwortung aufbürdet. Die Zuschriftenflut, die uns Abgeordnete in den letzten Tagen erreicht hat, zeugt von der Relevanz, die dieses Thema für die Menschen in diesem Lande hat. Als Politikerinnen und Politiker sind wir verpflichtet, Hoffnungen und Sorgen ernst zu nehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es heute mit einer Entscheidung zu tun, bei der keine Seite ruhigen Gewissens sagen kann, was in der Konsequenz daraus folgt. Die bisherige Debatte war von hoher Qualität und politischer Kultur gekennzeichnet; davon zeugen sowohl die fraktionsübergreifenden Bündnisse als auch die gegenseitige Akzeptanz unterschiedlicher Sichtweisen. Eins aber ist in der Debatte immer deutlicher geworden: Bei der Entscheidung über eine Zulassung ist nur ein klares Ja oder ein klares Nein möglich, ein „Nein, aber“ oder ein „Ja, aber“ sind grundsätzlich auch ein Ja. Hier gibt es keinen Kompromiss. ({0}) Ich spreche mich klar gegen die Zulassung des Imports embryonaler Stammzellen aus. Die Frau spielt in der ganzen Debatte eine untergeordnete Rolle; dabei geht es doch um sie: um ihre Gesundheit und darum, dass nur sie das Ausgangsmaterial für die embryonale Stammzellenforschung, nämlich die Eizelle, liefern kann - im Übrigen unter Inkaufnahme hoher gesundheitlicher Risiken aufgrund der notwendigen hormonellen Stimulation. Davon ist leider nirgendwo die Rede gewesen. Keine und keiner kann heute sagen, ob ihre oder seine Entscheidung in einem Jahr noch richtig ist. Die, die heute Ja sagen, können sich irren; die, die heute Nein sagen, können sich ebenso irren. Doch ein Ja bringt die große Gefahr mit sich, dass die Entscheidung, wenn sie sich als Irrtum herausstellt, nicht rückgängig zu machen ist, dass eine Tür geöffnet wird, die möglicherweise nicht wieder zu schließen ist. ({1}) Bei einem Nein könnten wir, wenn sich unsere heutige Entscheidung als Irrtum herausstellt, immerhin noch später die Tür aufmachen. Worum geht es bei der notwendigen Entscheidung? Doch nicht darum, heute Kranken Heilungschancen zu versprechen. Bei allem Verständnis für die Argumente, die für eine Zulassung des Imports embryonaler Stammzellen sprechen, kann ich ihm nicht zustimmen, weil damit auch und vor allem ein Paradigmenwechsel in der Fortpflanzungsmedizin eingeleitet werden würde. Wer für die Importzulassung stimmt, stimmt für die Vernutzung der Eizelle und damit der Frau. Die Frau wird so zur Lieferantin eines Rohstoffs, der für Forschungszwecke genutzt wird, zur Spenderin eines potenziell auf dem Markt gehandelten Gutes. Ja, es besteht die Gefahr, dass hier ein Markt entsteht, der kommerziellen Interessen folgt. Die Befürworterinnen und Befürworter der Importzulassung kommen zum Teil ganz offen mit dem Argument des Wirtschaftsund Wissenschaftsstandorts. Ja, es gibt hier handfeste wirtschaftliche Interessen, aber die dürfen meines Erachtens an dieser Stelle nicht ausschlaggebend sein, genauso wenig wie das Gut der Forschungsfreiheit nicht losgelöst vom ethischen Gebot der Verantwortung für die Folgen betrachtet werden darf. Unsere Debatte zeigt: Jede und jeder von uns ist gezwungen, durchaus schlüssige Argumente pro und kontra abzuwägen und letztlich eine Entscheidung zu treffen. Für mich wiegen die Risiken und möglichen Gefahren, die mit einer Zulassung des Imports embryonaler Stammzellen verbunden sind, schwerer. Daher spreche ich mich klar gegen eine Importzulassung aus. Danke. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort dem Kollegen Werner Lensing.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen! Meine Herren Kollegen! Unter dem Eindruck der heutigen Debatte gestatten Sie mir drei Grundaussagen. Aussage eins. Die theologisch in der Zuwendung Gottes zu den Menschen begründete Würde findet in der heutigen Bundestagsdebatte ihren prägenden Ausdruck sowohl in der Freiheit des Abgeordneten, zu einem eigenen Standpunkt zu finden, als auch in seiner ethischen Verpflichtung, bereitwillig Verantwortung zu übernehmen. Aussage zwei. Wie uns bereits aus den Heilungsgeschichten der Evangelisten bekannt ist, gehört die Zuwendung zum Kranken zu den Grund- und Kernbeständen christlicher Ethik. Von hier aus gewinnt die therapeutisch begründete Grundlagenforschung eine zusätzliche moralische und religiöse Rechtfertigung. Aussage drei. Gleichwohl lehne ich eine Klassifizierung der Kolleginnen und Kollegen, etwa nach der Art: hier die angeblich fortschrittsfreundlichen Heilenden und dort die vermeintlich fortschrittsfeindlichen Lebensschützer, eindeutig ab. ({0}) Vor diesem Hintergrund komme ich zu einem Mittelweg zwischen den beiden Polen, die uns heute im Wesentlichen beschäftigt haben. Aus meiner persönlichen Überzeugung heraus, nach der der Mensch von Anfang an Mensch ist, will ich versuchen, diesen Mittelweg zu begründen. Unser Antrag, der den Import, wie Sie wissen, grundsätzlich verbietet und nur nach strengen Kriterien Ausnahmen zulässt, unterstreicht die bestehende Rechtslage, nach der in Deutschland keine Embryonen zu Forschungszwecken getötet werden dürfen. Der Antrag der Befürworter eines vollständigen Importverbots berücksichtigt, zumindest aus meiner Sicht, zwar uneingeschränkt die Rechte des Embryos, aber er unterscheidet nicht präzise genug zwischen Embryonen und Stammzellen und grenzt dadurch grundgesetzlich geschützte Positionen wie die der Forschungsfreiheit aus. Deswegen möchte ich, auch anbindend an die Ausführungen meiner Kolleginnen Maria Böhmer und Frau Renesse, weil es für mich und erst recht für all diejenigen ganz wichtig ist, die eventuell noch überlegen, welchem Antrag sie denn zustimmen sollen, mit Deutlichkeit feststellen: Pluripotente Stammzellen sind keine Embryonen. Aus solchen Stammzellen können auch keine Embryonen erwachsen. Wer embryonale Stammzellen importiert, begeht damit keine Tötung von Embryonen und verstößt insofern auch nicht gegen den Geist unseres Embryonenschutzgesetzes. Vielmehr bedeutet der Tod des Embryos eine Zäsur, mit der das - zugegebenermaßen - ethisch wie grundgesetzlich begründete Lebensrecht des Embryos zwangsläufig endet. Dies muss bei der ethischen wie auch bei der rechtlichen Beurteilung beachtet und darf nicht miteinander vermengt werden. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, wenn ein vermeintlich zwingend erforderliches rechtliches Verbot des Imports von humanen embryonalen Stammzellen mit einer ethischen Argumentation begründet wird, die ihre Grundlage ausschließlich in dem Hinweis auf die Tötung von Embryonen findet. Gegen unseren Antrag - das möchte ich hier sehr offen sagen - hörte ich wiederholt das schlichte Argument: Der Hehler ist ebenso schlimm wie der Stehler. Dieser Hinweis ist völlig unzutreffend. Ich will das begründen. Ein Hehler schafft durch die von ihm gebotene Absatzmöglichkeit gerade den Anreiz für den Dieb, eine Sache zu stehlen. Mit unserem Antrag hingegen werden, insbesondere durch die Stichtagsregelung, sämtliche Anreize zur Tötung von Embryonen für den Import nach Deutschland genommen. Zudem - auch das ist mir besonders wichtig verbietet die christliche Ethik ausdrücklich nicht, aus Sachverhalten, die durch Unrecht entstanden sind, neue Erkenntnisse zu gewinnen, solange hierdurch nicht der Eindruck einer nachträglichen Legitimierung der Unrechtstat entsteht. Lassen Sie mich nach all den grundsätzlichen Bemerkungen und Erwägungen drei Punkte ganz pragmatisch ansprechen. Da ist zunächst einmal der Hinweis auf den befürchteten Dammbruch. Angesichts der geltenden Gesetzeslage, in der ein Import humaner embryonaler Stammzellen grundsätzlich und ohne Beschränkung möglich ist, wird erst durch ein grundsätzliches Verbot, auch wenn es einen Erlaubnisvorbehalt enthält, ein Damm errichtet, der auch zukünftig mit dem Hinweis auf den notwendigen Embryonenschutz gehalten werden kann. Eine weiterer Punkt ist die Stichtagsregelung. Die von uns vorgesehene Regelung stellt sicher, dass dem Embryonenschutzgesetz gebührend Rechnung getragen wird und der Verbrauch von Embryonen weiterhin verboten bleibt. Durch die Stichtagsregelung wird zugleich jeder Anreiz genommen, humane embryonale Stammzellen im Ausland durch Tötung von Embryonen zu gewinnen, damit sie nach Deutschland exportiert werden können. Schließlich ist das Argument von der Doppelmoral ein wichtiger Punkt. Dieses Argument wurde heute schon wiederholt angeführt. Weil ich es persönlich für so wichtig erachte, gestatten Sie mir diesen deutlichen Hinweis. Doppelmoral wäre es, wenn man durch ein Verbot der Stammzellenforschung ausschließt, dass die deutsche Forschung einen Beitrag zur Entwicklung des Wissens auf diesem Gebiet leistet, sich aber vorbehält, die therapeutischen Optionen selbst zu nutzen. Dass nämlich solche Optionen auch deutschen Patienten zugute kommen müssten, dürfte ein jeder zugestehen, auch derjenige, der der Stammzellenforschung grundsätzlich skeptisch gegenübersteht. Im Übrigen dürfte sich die Annahme, dass sich eine Übernahme möglicher Forschungsergebnisse ausschließen lässt, als völlig illusorisch erweisen. Meine Damen und Herren, keine der heute im Zusammenhang mit der Forschung an embryonalen Stammzellen vertretenen Positionen kommt ohne persönliche Güterabwägung und ohne persönliche Entscheidung aus. Jede Entscheidung muss Risiken in Kauf nehmen, Risiken, die letztlich nicht mehr - egal, auf welchem Standpunkt ich auch stehen mag - voll kontrollierbar sind. Ich persönlich glaube, dass unser vorgelegtes Konzept auf dem hohen Stellenwert, der dem Schutz unserer Embryonen gebührt, beruht und dass wir mit diesem Konzept eine verbrauchende Embryonenforschung ablehnen, aber zugleich die Hoffnung und die Chancen auf Heilung befördern. Vielen Dank. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile der Kollegin Pia Maier das Wort.

Pia Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003449, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn mir vor einigen Jahren die Position begegnete, das Leben beginne mit der Verschmelzung von Samen und Ei, wurde das immer mit dem Gebot „Du darfst nicht töten“ und mit der absoluten Schutzwürdigkeit des Lebens verknüpft und als Argument gegen Abtreibung herangezogen. In der damaligen Auseinandersetzung mit dieser Position kam ich zu der Grundüberzeugung, dass nicht nur die Verschmelzung von Ei und Samen den Lebensbeginn und die Schutzwürdigkeit begründen, sondern dass der zweite Schritt ein ebenso elementarer ist: die Einnistung in die Gebärmutter und die Entscheidung der Frau für eine Schwangerschaft. Der Mensch ist nicht nur ein biologisches, sondern auch ein soziales Wesen. ({0}) Das gilt nicht nur im Körper, sondern auch außerhalb. Der Embryo im Reagenzglas sollte ebenso geschützt sein wie der im weiblichen Körper, aber eben nur genauso und nicht weitergehend. Dieser Grundüberzeugung folge ich auch heute, indem ich für den Antrag der Kolleginnen und Kollegen Flach, Hintze und Reiche votieren werde, den ich und auch andere PDS-Abgeordnete gern mit unterstützt hätten. Dieser Grundüberzeugung folge ich, indem ich von einem Konzept der abgestuften Schutzwürdigkeit des menschlichen Lebens ausgehe. In den ersten 14 Tagen, also vor dem Zeitpunkt der Einnistung, ist das befruchtete Ei kein x-beliebiger Forschungsgegenstand; aber es muss nicht um jeden Preis am Leben gehalten werden. Es handelt sich um potenzielles Leben. Die Forschung mit embryonalen Stammzellen bedeutet, den Embryo, aus dem sie gewonnen werden, zu nutzen. Aber dennoch und in vollem Bewusstsein dessen sage ich: Die Forschung an ihm und mit ihm kann unter bestimmten Bedingungen zugelassen werden. ({1}) Zentrale Bedingungen sind dabei der Kinderwunsch und das hochrangige Forschungsinteresse. Die Forschung muss dem Interesse Kranker, dem Interesse an Heilung dienen, und zwar nicht nur derjenigen, die sich das leisten können. Forschung, die potenzielles menschliches Leben verbraucht, benötigt gute Gründe. Jedes einzelne Forschungsvorhaben muss entsprechend geprüft werden. Forschung kann zugelassen werden, wenn die Eltern zugestimmt haben, wenn Transparenz und Öffentlichkeit gewahrt sind und wenn der Embryo - wie eben erwähnt - ursprünglich wegen eines Kinderwunsches entstand. Mit diesen Bedingungen sind meiner Meinung nach die Befürchtungen ausgehebelt, die hier unter dem Stichwort „Selbstbestimmungsrecht der Frau“ vorgebracht werden. Wenn der Kinderwunsch und die Zustimmung Voraussetzung sind, werden Frauen nicht zu Eispenderinnen gemacht, werden ihre Körper nicht zu Ersatzteillagern, werden sie nicht gegen ihren Willen oder aus Geldnot in eine Hormonbehandlung getrieben. Denn das will auch ich nicht. Das zu verhindern ist unsere Aufgabe. ({2}) Zum Selbstbestimmungsrecht der Frau gehört nach meinem Verständnis auch, dass sie sich selbst entscheidet: für oder gegen Kinder, für oder gegen eine Hormonbehandlung, für oder gegen die Verwendung ihrer Eizellen zur Forschung. ({3}) Zum Selbstbestimmungsrecht der Frau gehört, sich selbst zu entscheiden, und nicht, den Frauen fürsorglich eine Entscheidung durch ein vorsorgliches Verbot abzunehmen. ({4}) Lassen Sie mich zum Schluss Dürrenmatts „Die Physiker“ zu Hilfe nehmen: Dürrenmatt gelangt in seinem Stück zu dem Schluss, dass eine Erkenntnis, die einmal in der Welt ist, nicht ungeschehen gemacht werden kann. Man muss lernen, mit dieser Erkenntnis zu leben. Die Forschung an embryonalen Stammzellen ist in der Welt. Es ist besser, diese Forschung hier geregelt zuzulassen, hier mit Gesetzen die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse in geeignete Bahnen zu leiten. Sonst treiben wir die, die mit embryonalen menschlichen Stammzellen forschen wollen, in andere Länder, in Länder, die sich aus Geldnot und aus anderen Gründen eine Regulierung bzw. eine Begrenzung nicht leisten können und die andere ethische Maßstäbe setzen als wir. Das wäre der falsche Umgang mit dieser Forschung. Danke schön. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es spricht die Kollegin Christa Nickels.

Christa Nickels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001601, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als katholische Rheinländerin muss ich mich wirklich wundern, mit welch überzogener Heilserwartung seit Jahr und Tag auf die Forschung an embryonalen Stammzellen geblickt wird. Zu den Versprechungen, die im Hinblick auf eine Forschung gemacht werden, die sich noch absolut im Stadium der Grundlagenforschung befindet, und der damit verbundenen Wundersehnsüchtigkeit und Erwartungen kann ich nur sagen, dass im Vergleich dazu Pilger, die an einer Marienprozession teilnehmen und über die ja viele lachen, wirklich staubtrockene Realisten sind. ({0}) Vergessen wir nicht - das sagen Herr Brüstle und alle anderen -: Die embryonale Stammzellenforschung ist im Stadium der absoluten Grundlagenforschung. Alle Forscher sagen: Wir brauchen mindestens noch zehn Jahre, bis wir Aussagen darüber treffen können, ({1}) ob es überhaupt ein therapeutisches Potenzial geben wird. Es macht mich traurig, dass man das Leiden von Menschen mit schweren Krankheiten funktionalisiert und durch einen möglichen Eintritt in die Forschung an embryonalen Stammzellen bei ihnen unglaubliche Erwartungen weckt, die nicht gedeckt sind. ({2}) Wir leiten unglaubliche Mengen an Kapital in die Lebenswissenschaften. Die Bundesregierung hat im Januar 2001 ein Fünfjahresprogramm zur Förderung der Bio-Technologie mit einem Gesamtetat von 1,5 Milliarden DM aufgelegt. Das ist eine riesige Summe, die für diese Forschung eingesetzt wird. Dazu kommen 350 Millionen DM für die Genomforschung. Dem gegenüber stehen die großen Volkskrankheiten, die gut erforscht sind und die durch Prävention, gesunde Lebensweise und eine gesunde Arbeitsumwelt drastisch zurückgefahren werden könnten. Gegen die oben erwähnten Summen nehmen sich - um nur einige zu erwähnen - die 1,5 Millionen DM für das Aktionsprogramm für Umwelt und Gesundheit und die 4,8 Millionen DM für den Kinderund Jugendgesundheitssurvey klein aus. Mit diesem Geld könnte man bei vielen Volkskrankheiten sehr schnell Heilung und Linderung schaffen. So viel zu dem Argument, dass wir nicht für die Heilung von Menschen seien. ({3}) Es gibt eine ethisch unbedenkliche Alternative. Es ist nicht so, dass die Forschung an embryonalen Stammzellen alternativlos ist. Bei der Forschung an adulten Stammzellen gibt es viele der Nebenwirkungen nicht, die es bei embryonalen Stammzellen gibt, wie etwa die Tumorbildung. Auch gibt es keine Abstoßungsreaktionen. Wenn man Nabelschnurblut von jedem Neugeborenen entnehmen würde, könnte man für jeden Menschen eine entsprechende Heilungsoption schaffen. Hier muss massiv investiert werden. Hier ist Deutschland Spitze. Hierauf muss man alle Kraft lenken. Wir haben - wie gesagt - zehn Jahre Zeit. ({4}) Zu den Kolleginnen Renesse, Böhmer und Fischer ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das Menschenbild des Grundgesetzes ausdrücklich bestätigen; das ist sehr wichtig. Zu dem Argument, dass wir uns jetzt in einer Situation befinden, in der wir eine Brücke bauen und mit bestimmten Zellen forschen wollen, sage ich: Eine Brücke ist kein Ort, an dem man verweilen kann. Man muss entweder zurück- oder weitergehen. Wer, der diesen Weg geht, wird denn in dem Augenblick, in dem eine therapeutische Möglichkeit erkennbar wird, zurückgehen? Das ist meiner Meinung nach eine Illusion und für mich ein Grund dafür, zu sagen: Wir müssen alle Kraft auf die Forschung mit adulten Stammzellen setzen. ({5}) Auch denjenigen, die sagen, was in der Welt ist, muss man nutzen, man kann es nicht einfach ungenutzt liegen lassen, sage ich: Wir als Koalitionsfraktionen haben gerade den Ausstieg aus der Atomenergie eingeleitet, ({6}) weil sie mit unübersehbaren Risiken für Millionen von Menschen behaftet ist. Ich sehe nicht ein, in eine Risikotechnologie, deren Auswirkungen auf das menschliche Leben erst über Generationen hinweg sichtbar werden, einzusteigen. Es gibt diese Forschung in Deutschland nicht. Es besteht keine Notwendigkeit dafür. ({7}) Ich stimme Frau von Renesse ausdrücklich darin zu, dass sich Würde auf Freiheit begründet. Sie begründet sich aber nicht auf schrankenloser Freiheit, Frau von Renesse. Würde begründet sich auch darauf, dass wir der Freiheit Grenzen setzen können, die ethisch begründet sind. Für mich ist es sehr wichtig, dass wir an einem Menschenbild festhalten, das den Menschen in all seinen Daseinsformen, sei es mikroskopisch klein, sei es hilflos, unnütz, krank oder alt, die Würde nicht abspricht. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, der gewährleistet und sicherstellt, dass wir keine Nachfolgezwänge schaffen. Denn wenn die Forschung an embryonalen Stammzellen einmal genutzt wird, wird es sehr schwer, hier wieder eine Grenze zu ziehen. Danke schön. ({8})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe der Kollegin Regina Schmidt-Zadel das Wort.

Regina Schmidt-Zadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Möglichkeiten stellen uns - das hat die Diskussion heute gezeigt - vor grundsätzliche Fragen und auch Herausforderungen: Wie gehen wir mit der Gattung Mensch um? Was bedeutet Fortschritt heute? Wo beginnt und wo endet die Ethik des Heilens? In den vergangenen Monaten - viele Vorrednerinnen und Vorredner haben darauf hingewiesen - wurde verstärkt die Hoffnung geweckt, dass unter Verwendung embryonaler Stammzellen schwerste Krankheiten geheilt werden könnten. Der entsprechende Beweis steht bis heute aus. Im Gegensatz dazu besteht die Möglichkeit, dass die Verwendung embryonaler Stammzellen im Hinblick auf alternative therapeutische Möglichkeiten nur ein Hilfsmittel auf Zeit wäre. Es gibt fundierte wissenschaftliche Anhaltspunkte dafür, dass eine zielführende Grundlagenforschung mit adulten Stammzellen im Hinblick auf die Therapie bisher nicht behandelbarer Krankheiten ein Erfolg versprechender Weg ist; Ernst Ulrich von Weizsäcker hat darauf hingewiesen. Viele Menschen versprechen sich von Fortschritten in der Bio- und Gentechnik in erster Linie eine Heilung von schweren und schwersten Krankheiten wie Morbus Parkinson, Alzheimer, MS, Herzinfarkt oder Diabetes mellitus. Für Hoffnung auf Heilung ist es grundsätzlich zu früh, da konkrete Studien am Menschen frühestens in etwa drei bis fünf Jahren, wahrscheinlich aber erst sehr viel später vorliegen werden. Ich denke - auch das will ich ausdrücklich sagen -, dass es der falsche Weg ist, denjenigen, die einen anderen Antrag unterschrieben haben bzw. befürworten, zu unterstellen, dass sie gegen Therapie oder Heilung von Krankheiten sind. Das sollten wir uns heute nicht erlauben und das sollte auch nicht Sinn dieser Diskussion sein. ({0}) Ich will meinen ganz persönlichen Standpunkt darstellen: Der Import von Stammzellen, die aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden, ist aus meiner Sicht ethisch nicht zu vertreten. Eine Produktion dieser Stammzelllinien ist mit der Manipulation an menschlichen Stammzellen verbunden. Der Import embryonaler Stammzellen wäre ein Verstoß gegen den Konsens über den uneingeschränkten Schutz menschlicher Embryonen, der 1990 vom Bundestag beschlossen wurde. Das Grundgesetz stellt den Schutz der Menschenwürde und des Lebens über alle Gesetze. Nur die direkte Bedrohung, nicht aber an fernen Zielen ausgerichtete Grundlagenforschung kann das Recht auf Leben einschränken. ({1}) Meine Damen und Herren, die Forschungsfreiheit hat ihre Grenzen. Deswegen unterstütze ich den Antrag, der von Wolfgang Wodarg und anderen eingebracht wurde. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Hubert Hüppe.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute fällt sicherlich eine der wichtigsten Entscheidungen im Deutschen Bundestag. Ich habe vieles gehört - ich wohne dieser Debatte von Anfang an bei - und es ist deutlich geworden, dass fast alle - egal, welchen Antrag sie unterstützen - davon ausgehen, dass es sich beim Embryo um menschliches Leben handelt. Die Konsequenz daraus ist, dass wir heute darüber entscheiden - das ist der eigentliche Punkt -, ob man in Deutschland für Grundlagenforschung menschliches Leben töten oder mit Material arbeiten darf, für das menschliches Leben getötet wurde. Das ist die eigentliche Entscheidung. Herr Schmidt-Jortzig, den ich aufgrund vieler anderer Debatten ansonsten sehr schätze, hat gerade gesagt, es gebe kein grundsätzliches Verbot, das weiterhelfen würde. Ich glaube, es gibt ein solches grundsätzliches Verbot. Dieses grundsätzliche Verbot steht ganz oben in der Verfassung. Wir können dieses Verbot auch nicht mit einer Dreiviertelmehrheit des Bundestages aufheben. Es besagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Es steht dort nicht: Die Würde des Menschen ist unantastbar - Klammer auf -, es sei denn, im Ausland wird sie auch angetastet - Klammer zu. Es steht dort auch nicht, dass die Würde der Person oder des individuellen Menschen unantastbar ist. Das Schutzkonzept beinhaltet, dass jeder Mensch unantastbar ist, weil er Mensch ist. Das ist die einzige Voraussetzung. Alles andere wird gefährlich. ({0}) Auch heute - ich habe genau zugehört - wurden, immer wieder, zwar keine Heilungsversprechen gegeben, aber ganz nebenbei doch Perspektiven zu Parkinson, Diabetes, Alzheimer und Multipler Sklerose aufgezeigt. Noch vor einer Woche - ich bitte darum, das einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen - hat die „Ärztezeitung“ aufgrund neuer Forschungsergebnisse deutlich gemacht: Es gibt überhaupt keinen Ansatz, bei Multipler Sklerose auf Stammzellforschung, auch nicht - leider - auf die Forschung mit erwachsenen Stammzellen zurückzugreifen. Das muss man einmal sagen. Ich finde das deswegen so schlimm, weil viele kranke Menschen, die zum Beispiel vor den Fernsehern die Debatte verfolgen, natürlich nach jedem Halm greifen, der ihnen hingehalten wird. Diese Hoffnungen sind einfach nicht zu erfüllen. Deswegen darf ich Sie bitten, sich da sehr zurückzuhalten. ({1}) Es ist interessant, dass viel davon gesprochen wird, behinderten und kranken Menschen helfen zu wollen. Wenn Sie die Stellungnahmen der großen Behindertenverbände und auch der Zusammenschlüsse gelesen haben, werden Sie feststellen, dass es fast keinen Behindertenverband gibt, der die Forschung an embryonalen Stammzellen will. Weder die Bundesvereinigung „Lebenshilfe“ noch ein anderer Verband wollen das. Warum ist das so? Das ist deswegen so, weil sie Angst davor haben, dass bei dem Vorgehen, der Zweck heiligt die Mittel, möglicherweise auch andere Personengruppen in die Forschung einbezogen werden, die angeblich keine Menschenwürde mehr hätten, weil sie geistig behindert oder altersdement sind. Ich will noch eines sagen, das zwar nicht von den Rednern, aber oft in der Öffentlichkeit genannt wird. Viele Behinderten- und Patientengruppen wären dankbar, wenn sie so viel Aufmerksamkeit für ihre heutigen Probleme in Heimen, in Pflegeheimen wie diejenigen bekämen, die jetzt von Forschungsperspektiven für die nächsten 10, 20 oder 50 Jahre reden. ({2}) Wenn wir heute dem Import zustimmen, wird es sich nicht dabei bewenden lassen, sondern es wird weitergehen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dies dargestellt. Sie hat gesagt, sie will jetzt erst einmal den Import. Sie hat aber auch klar gemacht, dass sie danach sofort eigene Stammzelllinien in Deutschland produzieren will. Wer heute die Tür öffnet, wird sie nie wieder schließen können. Deswegen darf ich Sie bitten, den Antrag des Kollegen Kues und anderer zu unterstützen. Vielen Dank. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Ernst Dieter Rossmann.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im deutschen Parlament haben wir mit dem Grundgesetz, dem Embryonenschutzgesetz und der Gesetzgebung zum § 218 StGB einen Konsens in der Gesellschaft herbeigeführt, der Werte gesetzt hat. Ich möchte fragen: Ist es nicht tatsächlich eine Nachfrage wert, ob es nicht zu diesem Konsens gehörte, dass wir die Bestimmung eines menschlichen Embryos - egal, in welchem Zustand seiner Entwicklung - immer in dem Zweck gesehen haben, zu einem eigenen Leben werden zu können? So hat es die Schöpfung vorgesehen und so haben wir es respektiert. Oder ein Embryo muss absterben, so wie es die Schöpfung vorgesehen hat. Wir als Menschen haben nicht das Recht, in diese natürliche Zweckbestimmung der individuellen Menschwerdung mit anderen Zwecken - und seien sie noch so hochrangig - einzugreifen. ({0}) Ausgenommen - das ist in der Geschichte dieser Republik zu einem Konsens gewachsen - ist das Recht der Frau. Dieses Recht der Frau leitet sich aus ihrer ganz persönlichen, individuellen und existenziellen Verhaftung und Verknüpfung mit entstehendem Leben ab. Aber, Frau Maier und andere, die es angesprochen haben: Das Recht der Frau leitet sich nicht so weit ab, dass sie andere Zwecke als die Zwecke, die sich mit entstehendem Leben und ihrer Existenz verbinden, einbringen kann. ({1}) Das ist für meine Begriffe die Sorge um den Dammbruch, der dazu führen kann, dass sich an dieser Stelle in den Köpfen von Menschen in dieser Gesellschaft etwas verändert. Auch in der Entwicklung der Biomedizin haben wir den Menschen viel an neuer Entwicklung abverlangt. Aber das hat sich immer darauf bezogen, sich an menschlichem Leben, an der Ermöglichung von menschlichem Leben, von Schwangerschaft und Elternschaft bei Menschen zu orientieren. Jetzt kommt ein anderer Zweck hinzu, und zwar der Zweck von Dritten und von Heilung. Es können auch noch andere Zwecke hinzukommen. Wir müssen uns überlegen, ob wir das zulassen wollen. Ich bin dafür, dass wir es im Bild belassen: Ein in kleinem Umfang gebrochenes Tabu ist ein gebrochenes Tabu. Ein Fenster, das ein Stück weit geöffnet ist, ist ein offenes Fenster. Wir sollten an der Kraft von modernen Tabus festhalten. Das mag nicht von allen so gesehen werden. Wir sind aufgerufen, uns hinsichtlich möglicher eigener Widersprüche oder der Widersprüche, die andere aufzeigen, zu prüfen. Ich will das an einem Punkt tun. Einige Kolleginnen und Kollegen haben das Dilemma des unmoralisch gewordenen Nutzens angesprochen. Ich möchte die Rückfrage stellen: War es in der Geschichte der Medizin, der Technik, der Kunst und der Kultur nicht schon immer selbstverständlich, dass Gutes genutzt wird, selbst wenn es aus früher oder noch immer Verbotenem entstanden ist, solange es nicht selbst durch Verbotenes gewonnen wird? ({2}) Das ist der Punkt: Es darf nicht selbst durch Verbotenes wieder neu gewonnen werden. Deshalb wäre meine Antwort: Sollte sich durch in Deutschland nicht gewollte Forschung in anderen Ländern eine Perspektive in Bezug auf Heilung ergeben, dann bin ich so lange für deren Nutzung, solange für deren therapeutischen Einsatz keine weitere Nutzung von embryonalen Stammzellen erforderlich ist. Das will doch auch niemand. ({3}) Wir können das umso eher einfordern, als wir eine Alternative haben. Es wäre unmoralisch, wenn wir den Weg der Forschung an adulten Stammzellen nicht so massiv mitgehen würden. Da wir ihn mitgehen, bieten wir anderen eine Chance und können von anderen die Chance wahrnehmen. Aber es muss feststehen: Es darf keine therapeutische Nutzung von embryonalen Stammzellen geben. Deshalb nehme ich das nicht als Widerspruch wahr. Ich will noch kurz darauf hinweisen, dass wir in eine Besonderheit hineingeraten, die einmalig auf der ganzen Welt ist: Wir haben ein starkes Embryonenschutzgesetz und eine Ausnahme, die es nirgendwo gibt. In Amerika werden embryonale Stammzellen im eigenen Land erzeugt. Die Stärke einer Position zeigt sich an der Klarheit einer Norm. Sie zeigt sich auch darin, dass man verzichtet. Ich fasse es wie folgt zusammen: Wir brauchen keinen starken Standort, sondern wir brauchen einen starken Standpunkt, ({4}) damit aus dem, was wir als Anker des Embryonenschutzgesetzes haben, kein Treibanker wird, der uns absichtlich unabsichtlich über den Rubikon führt. Danke schön. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort dem Kollegen Martin Mayer.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werbe um Zustimmung für den Antrag der Abgeordneten Böhmer, Renesse, Fischer und Seehofer, weil dieser Antrag einerseits auf christlichen Wertorientierungen aufbaut und auf die Empfindungen der Bürger in unserem Land Rücksicht nimmt, andererseits aber die Möglichkeiten der Forschung an embryonalen Stammzellen des Menschen in Deutschland nicht völlig verbaut. Der Antrag ist in wesentlichen Aussagen deckungsgleich mit dem Papier, das Alois Glück und Horst Seehofer im vergangenen Jahr dem Parteivorstand der CSU vorgelegt haben. Das christliche Menschenbild verpflichtet uns in besonderer Weise zum Einsatz für die Würde des Menschen und den Schutz des Lebens. Aus christlicher Sicht ist es aber auch eine große Verpflichtung, die durch die medizinische Forschung eröffneten Perspektiven von Hilfe und Heilung auch dann zu nutzen, wenn es sich bisher nur um eine Option bzw. eine Hoffnung handelt. In diesem Zusammenhang möchte ich einige Sätze zu den meist religiös geprägten Mitbürgern sagen, die uns viele, zum Teil anrührende Briefe geschrieben haben. Einer empfahl mir, die Frage zu stellen: Was würde Jesus dazu sagen? Meine Antwort war: Ich habe mir die Frage gestellt. Würde Jesus sagen, verlasst euch einfach auf die Bischöfe, oder würde er sagen: Denkt nach und verlasst euch auf euer Gefühl und euer Gewissen? Oder würde er vielleicht die provokante Gegenfrage stellen, wie wir in Deutschland mit den Kindern im Mutterleib umgehen, von denen im vergangenen Jahr 135 000 zwischen dem zweiten und dritten Schwangerschaftsmonat sterben mussten? Jeder gläubige Christ muss seine Antwort auf diese Frage suchen. Heute ist viel von Tabubrüchen die Rede gewesen. Die Heilige Schrift nennt jedenfalls Beispiele für Tabubrüche wie die Heilung von Kranken am Sabbat. Auch in der Forschung an embryonalen Stammzellen des Menschen ist letztlich die Heilung von Kranken das Ziel. Durch das Embryonenschutzgesetz wird der Import von im Ausland erzeugten humanen embryonalen Stammzellen nicht ausdrücklich verboten. Das wurde heute schon mehrmals festgestellt. Da deren Gewinnung nach dem derzeitigem Stand von Wissenschaft und Technik zur Tötung von Embryonen führt, ist der Import von humanen embryonalen Stammzellen rechtlich und ethisch problematisch. Dies gilt ungeachtet der mit der Forschung an diesen Stammzellen verbundenen Hoffnungen auf Heilung für schwerkranke Menschen. Der Antrag nennt deshalb strenge Bedingungen für den Import, die ich nicht mehr im Einzelnen ausführen muss. Wir befinden uns in dem Dilemma, dass der Antrag die Forschung an Stammzellen vorsieht, die auf einem in Deutschland verbotenen Weg gewonnen wurden. Das Dilemma besteht aber auch bei denen, die die Stammzellenforschung in Deutschland verbieten wollen. Denn die Erkenntnisse, die aus der Forschung im Ausland gewonnen werden, werden natürlich auch in Deutschland zur Anwendung kommen. Ich möchte noch eines hinzufügen. Wir führen heute eine sehr ernsthafte und wichtige Debatte. Der Erfolg oder Misserfolg der Forschung an Stammzellen im Ausland wird aber die öffentliche Meinung und Debatte in Deutschland stärker beeinflussen, als wir es in dieser Debatte können. Nach Ansicht der Repräsentanten der deutschen Forscher stellt die Forschung an embryonalen Stammzellen den Schlüssel zur Erkenntnis und zur Nutzung aller Stammzellen dar. Dies wurde in den letzten Tagen noch einmal bestätigt. Ich will mir nicht anmaßen, dass ich diese schwierigen Fragen besser beurteilen kann als die Wissenschaftler. ({0}) Allein mit der Forschung an adulten Stammzellen lässt sich nach heutiger Erkenntnis deren Funktionsweise nicht feststellen. Hierzu bedarf es der Grundlagenforschung an embryonalen Stammzellen. Es besteht die Hoffnung, dass dadurch neue Erkenntnisse gewonnen werden. Per definitionem ist Grundlagenforschung immer etwas Ungewisses. Man kann letztlich nie mit Gewissheit sagen, welche Ergebnisse dabei herauskommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Mikrokosmos einer befruchteten menschlichen Eizelle und seine Entwicklung sind ein Wunderwerk der Schöpfung, dem wir mit ehrfürchtigem Staunen gegenüberstehen. Dieses Wunderwerk zu entdecken und zu verstehen, um Krankheiten besser begegnen zu können, ist eine faszinierende Aufgabe, von der wir die deutsche Forschung bei Beachtung strenger ethischer Grenzen nicht ausschließen sollten. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu dem Antrag der Abgeordneten Böhmer und Seehofer. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Jetzt spricht die Kollegin Maria Eichhorn.

Maria Eichhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000449, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf der Mensch alles, was machbar ist? Das habe ich in der Debatte im vergangenen Jahr gefragt. Seither habe ich viel gelesen, viele Vorträge gehört und Gespräche im In- und Ausland geführt. Viele Fragen sind dabei entstanden. Wir stecken in einem Dilemma. Die überzähligen Embryonen sind da. Durch Forschung mit ihnen könnten Menschen möglicherweise von schweren Krankheiten geheilt werden. Darf ich vor diesem Hintergrund zur Forschung an embryonalen Stammzellen Nein sagen? Aber Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen heißt: Der Embryo muss getötet werden. Wann - das ist die Grundfrage - beginnt menschliches Leben? Es gibt viele Argumente dafür, dass menschliches Leben mit der Befruchtung entsteht. Für mich ist wichtig, dass der Embryo bereits die volle genetische Ausstattung hat und sich von diesem Zeitpunkt an zu einem eigenständigen Menschen entwickelt. Auch wenn die Naturwissenschaft zu anderen Ergebnissen käme, ist letztlich entscheidend, ob ich diesem Embryo von Anfang an die volle Würde des Menschen zuerkenne. Für mich spannt sich der Bogen aber weiter. Würden wir dem Menschen nicht von Anfang an, in jedem Stadium, die volle Würde zuerkennen, so kämen wir schnell in Gefahr, auch am Ende des Lebens, bei Krankheit oder Gebrechlichkeit, diese Zuerkennung der menschlichen Würde infrage zu stellen. Dennoch muss ich feststellen: Es gibt überzählige Embryonen. Allein im Memorial Hospital in der Nähe von New York, in dem In-vitro-Fertilisation durchgeführt wird, gibt es einige Tausend eingefrorene Embryonen. Als ich im Kühlraum vor den Behältern mit diesen Embryonen stand, wurde mir bewusst, dass hier einige Tausend mögliche Kinder lagern. Sie sind durch IvF entstanden. Bei einer solchen Behandlung bleiben im Durchschnitt drei Embryonen übrig. Wäre es somit nicht ethisch vertretbar, diese Embryonen zur Entwicklung von Heilungsverfahren zu verwenden? Aber, meine Damen und Herren, es ist menschliches Leben. Wenn sich später herausstellt, dass die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen nicht den gewünschten Erfolg erzielt, dann wäre menschliches Leben nur zum Zwecke der Forschung getötet worden. Ich nehme die Hoffnungen von Kranken sehr ernst. Diese Hoffnungen beziehen sich aber nicht nur auf embryonale, sondern auch - wir haben es heute schon aus berufenem Munde gehört - auf adulte Stammzellenforschung. Unabhängig davon, wie heute die Entscheidung ausfällt: Wir müssen die Forschung an den ethisch unbedenklichen adulten Stammzellen verstärkt fördern. Das Argument, wir wären in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig, wird entkräftet, wenn wir uns auf die Forschung an adulten Stammzellen konzentrieren und dort Höchstleistungen erzielen. Der Umgang mit menschlichem Leben ist für mich letztlich der entscheidende Punkt, warum ich für den restriktiven Antrag stimme. Ich habe im Ausland mit Ärzten gesprochen, die IvF durchführen. Die sagten ganz klar, gegen Geld werde alles gemacht; die zukünftigen Eltern hätten große Ansprüche, die erfüllt werden müssten. Dies zeigt mir, dass die Grenze, über die wir alle hier nicht schreiten wollen, dort schon lange überschritten ist. Ich habe Sorge, dass dies auch bei uns geschieht. Nach einem langen Abwägungsprozess hat bei meiner Gewissensentscheidung der Schutz der Würde des Menschen von Anfang an höchste Priorität. Deswegen stimme ich für den Antrag Kues. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort der Kollegin Hanna Wolf.

Hanna Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002553, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben aus großem Verantwortungsgefühl heraus das Embryonenschutzgesetz debattiert und verabschiedet. Wir wollen seinen Geist auch nicht ändern. Embryonale Stammzellen waren zu der Zeit der Verabschiedung des Gesetzes unbekannt. Aus embryonalen Stammzellen kann sich zwar kein Leben mehr entwickeln, aber sie sind aus Embryonen gewonnen worden. Diese Gewinnung ist bei uns immer noch ungesetzlich - aus gutem Grund, wie ich meine. Wenn wir solche nach unserem Gesetz unrechtmäßig gewonnenen embryonalen Stammzellen importieren, dann geben wir gleich, so finde ich, einen Freifahrschein für die Erzeugung solcher Zellen in Deutschland. Forderungen hiernach gibt es bereits. Weil § 218 immer wieder in die Debatte geworfen wurde, gehe ich auf den entscheidenden Unterschied zum heutigen Thema ein. Das Schlüsselwort heißt Konfliktfall. Bei den mit großem Ernst geführten Debatten um § 218, an denen viele von Ihnen teilgenommen haben, war der beste Schutz des Embryos, der sich im Mutterleib befindet, der zentrale Punkt. Konsens ist, dass der Fötus nicht ohne die Mutter zu schützen ist. Die Frau kann sich jedoch in einem so schweren Konflikt befinden, dass sie keine andere Möglichkeit als die Abtreibung sieht. Nur für diesen schweren Konfliktfall und nur nach der Entscheidung der Frau ist eine Abtreibung straffrei; sie bleibt aber weiterhin ungesetzlich. Bei der Produktion embryonaler Stammzellen dagegen wurde ohne Not gehandelt. Forscher haben über die Verwendung von Embryonen außerhalb des Mutterleibes entschieden. Das war kein Konfliktfall. ({0}) Das Tor zur Gewinnung von Stammzellen wurde durch die In-vitro-Befruchtung geöffnet. Leider können wir sie nicht mehr zurückschrauben. Sie ist aber das Einfallstor dafür, dass der Mensch zum formbaren Produkt wird. Der nächste Schritt heißt wahrscheinlich irgendwann PID. Wir befinden uns also auf einer schiefen Bahn. Erlauben Sie mir, dass ich hier Jürgen Habermas zitiere: Ich misstraue den Abwieglern unter den Experten, die nur den nächsten Schritt ins Auge fassen wollen. ... Je kürzer der zeitliche Horizont, den wir in Betracht ziehen, umso größer wird später die Macht der dann bereits geschaffenen Fakten sein. ({1}) Die embryonalen Stammzellen außerhalb Deutschlands stellen die Fakten dar, vor denen wir heute stehen. Vor welchen Fakten stehen wir morgen? Wie verändern sie unser Verhältnis zum Menschsein? Wie verändern sie die Position von Frauen? Heute schon bezweifeln wir, ob die existierenden embryonalen Stammzellen virenfrei sind. Der „Sauerteig“ kann durch die Art seiner Vermehrung verseucht sein. Neue Stammzellenreihen werden bereits verlangt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb sollten wir heute ein Verbot des Imports embryonaler Stammzellen beschließen. Die vielen Briefe aus der Bevölkerung, die ich ebenso wie Sie alle bekommen habe, sprechen sich ganz überwiegend gegen den Import aus. Sie sind Ausdruck einer regen öffentlichen Diskussion. An dieser Stelle danke ich für die vielen ernsten Gedanken, die mir übermittelt wurden. Sie befassen sich immer wieder auch damit, dass die Illusion der Perfektion den richtigen Umgang mit Behinderung, Krankheit und Sterben verhindert. Mit einem Verbot des Imports geben wir den deutschen medizinischen Forschern unter Umständen einen Kreativschub - weg von dem einen angeblichen Königsweg hin zu einer Vielfalt in der Forschung und einer Vielfalt therapeutischer Möglichkeiten. Vielen Dank. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Gerhardt.

Dr. Wolfgang Gerhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002659, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werbe für den Antrag von Herrn Hintze, Frau Reiche, Frau Flach und Herrn Schmidt-Jortzig, den Wolfgang Schäuble und ich aus mehreren ganz einfachen Gründen mit unterzeichnet haben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat uns in einem Memorandum wissen lassen, dass Hoffnungen, wesentliche Erkrankungen lindern zu können, nicht als unbegründet anzusehen sind. Sie hat keine falschen Heilsversprechungen gemacht. Niemand aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat den Eindruck erweckt, mit der Stammzellenforschung seien schon morgen die Leiden der Menschheit in Vergessenheit zu bringen. ({0}) Die Forschungsgemeinschaft hat in ihrem Memorandum vorsichtig gesagt: Die Erwartungen auf diesem Gebiet erhalten durch Forschungsergebnisse der letzten Jahre eine wissenschaftlich begründete und Erfolg versprechende Basis. Von Gegnern dieser Haltung mag der Vorhalt gemacht werden, dass man das noch nicht alles wisse. Das stimmt, aber das ist kein Vorhalt. Hier geht es um die legitime Aufforderung, in verantwortungsvoller Weise danach zu fragen, was wir im Rahmen der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland in Erfahrung bringen können. Das ist die Kernfrage. ({1}) Wer jetzt schon zu wissen meint, dass sich keine weitere Erkenntnis gewinnen lässt, der muss uns auch die moralische Konsequenz seines Handelns und seiner Haltung darlegen, wenn dereinst Erkenntnisse vorliegen werden, die Menschen helfen können, und er vielleicht mit einem erkrankten Mitglied seiner Familie zum Arzt kommt und gern entgegennimmt, dass in Deutschland ein Medikament verordnet wird, das aus einem Land kommt, das unserem Kulturkreis angehört, dessen Verfassung der unseren entspricht, aber dessen Gesellschaft ihrer Forschungslandschaft dieses Verfolgen großer, hochrangiger Ziele ermöglicht hat. ({2}) Deshalb ist es nicht mehr als vernünftig, dass wir auch diese Frage so entscheiden können. ({3}) Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist eine große Scientific Community, die von verfassungsgebundenem Handeln geprägt ist, die weiß, welche Verantwortung sie in der Wissenschaftslandschaft hat. Ich glaube, dass zu dieser Entscheidung nicht nur eine eigene Haltung gehört, die mit religiösen Überzeugungen verbunden ist, sondern vielmehr, dass ein Stück menschliches Maß und ein Stück Vertrauen in die Entscheidung eingebunden werden muss. Mit Vertrauen meine ich auch das Zutrauen in deutsche Forscherpersönlichkeiten, von denen wir überzeugt sind, dass sie bislang menschliches Maß, Regeln, fairen Erkenntnisgewinn, öffentliche Darlegung und eigene Rückkoppelung vertreten haben. Sonst wäre dieses Land mit seiner Forschungskapazität auch nicht aus dieser Katastrophe seiner Geschichte herausgekommen. Das muss hier auch ganz klar gesagt werden. ({4}) Wir glauben deshalb, dass man die Entscheidung, Stammzellenforschung in Deutschland zuzulassen, verantworten kann. Um es auf den Punkt zu bringen: Mir will nicht einleuchten, dass Zellverbände, die ihrem Schicksal in Tiefkühlfächern in Deutschland nicht entrinnen können, ({5}) selbst dann, wenn die Spender zustimmen, nicht benutzt werden können, um ein Stück Erkenntnis gewinnen und damit Menschen helfen zu können. ({6}) Hanna Wolf ({7}) Das ist nach meiner tiefen Überzeugung weder aus einem christlichen Menschenbild noch aus einer Interpretation der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland herzuleiten. Jemand mag diese Auffassung haben. Sie ist aber überhöht, weil aus ihr keine Verhaltensweisen der Mitmenschlichkeit, der Barmherzigkeit und der Hilfe entspringen können. ({8}) Ihr Kern liegt außerhalb menschlichen Lebens, der Lebenswirklichkeit und unserer Fähigkeit, uns der Wege zu versichern, die Menschen helfen können. Für die Antragsteller sage ich: Wir befinden uns in guter internationaler Gesellschaft. Die DFG und die MaxPlanck-Gesellschaft stehen in internationaler Kooperation mit Wissenschaftsorganisationen in anderen Ländern, die genau die gleichen Wertvorstellungen und die gleichen zivilisatorischen Gepflogenheiten haben wie wir. Das ist eine internationale Scientific Community, die uns allen im Grunde genommen signalisiert, dass sie ihre Verantwortung kennt. Gesellschaften in anderen Ländern, die auch ethisch-moralische Abwägungen vorgenommen haben, die die Diskussion ebenso wie wir geführt haben, haben bereits Entscheidungen getroffen, die etwa dem Antrag entsprechen, den wir hier vorlegen. Das sind verfassungsgebundene Gesellschaften; deren Menschen haben moralische Positionen und christliche Lebensüberzeugungen. Sie haben sich so entschieden! Ich werbe für diesen Antrag, weil ich der Meinung bin, dass er Maß und Ziel hat. Er ist regelgebunden; er weiß auch nicht schon alles. Wir wissen im Gegensatz zu manchen der Kolleginnen und Kollegen, die vorhin vorgetragen haben, eben nicht, dass wir mit adulten Stammzellen wesentlich weiter kämen. Wir wissen nicht, ob das so ist; wir möchten es durch Forschung feststellen lassen. ({9}) Wenn die Kollegen Recht haben, dann beenden wir die embryonale Stammzellenforschung und arbeiten mit adulten Stammzellen weiter. Um das aber entscheiden zu können, möchten wir es wissen und nicht - wie es hier vorgetragen wurde - glauben. Wir möchten es in einem Forschungsgang verantwortbar wissen. Wir bleiben deshalb bei unserem Antrag. Den Kolleginnen und Kollegen, die den Antrag von Frau von Renesse unterschrieben haben, muss ich sagen: Wenn etwas verantwortbar ist, dann ist es nicht bis zu einem Stichtag verantwortbar und gut und hinterher nicht verantwortbar und böse. ({10}) Wenn wir in Deutschland Stammzellenforschung zulassen können, dann muss man sich entscheiden, sie zuzulassen. Der Hinweis auf einen Stichtag ist dann moralisch-ethisch nicht entscheidend. Wenn die embryonale Stammzellenforschung zu dem Zweck, menschliches Leid zu lindern, legitim ist, dann ist sie nicht mit einem Kalenderblatt zu beenden; dann richtet sich der weitere Fortgang vielmehr nach dem Erkenntnisgewinn. Deshalb ist unser Antrag klarer und, wie ich finde, überzeugender. Er ist im Übrigen moralisch, ethisch und forschungspolitisch wirklich vertretbar. Er ist das Ergebnis eines gründlichen Abwägungsprozesses. Wir beachten die Würde des Menschen ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen, die gegen diesen Weg sind. Wir nehmen für uns in Anspruch, eine andere Abwägung vorgenommen zu haben - nicht mehr und nicht weniger. Wir glauben, dass wir sie gemeinsam mit einer Forschungsgemeinschaft, deren Seriosität, deren Forschungsverhalten und deren Transparenz wir seit Jahrzehnten kennen, auch verantworten können. Zum Schluss bitte ich deshalb wirklich jede Kollegin und jeden Kollegen, sich das zu überlegen. Es ist verantwortbar, in Deutschland Stammzellenforschung zuzulassen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({11})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es spricht der Kollege Ilja Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch mich erreichten in den letzten Tagen, Wochen, ja Monaten Dutzende oder Hunderte von Briefen, E-Mails usw. von Menschen, die sich Hoffnungen machen, dass die „Stammzellenforschung“ ihnen oder ihren Kindern hilft. Die meisten von Ihnen wissen, dass ich in der deutschen und internationalen Behindertenbewegung ziemlich tief verwurzelt bin. Wenn ich „Behindertenbewegung“ sage, schließt das die chronisch Kranken immer mit ein. Ich habe das größte Verständnis für all diese Hoffnungen; aber der wichtigste Punkt ist - Herr Gerhardt, auch Sie haben diesen Zwiespalt befördert -: Es geht nicht um die „Stammzellforschung“ im Allgemeinen; es geht um die Forschung mit embryonalen Stammzellen. Das ist ein gewaltiger Unterschied, der in der Öffentlichkeit aber kaum richtig wahrgenommen wird. Ich habe größtes Verständnis, wenn betroffene Menschen äußern: „Stimmt doch jetzt dem Import der Stammzellen zu, damit meinen Kindern geholfen werden kann, die an einer erblichen Krankheit leiden und möglicherweise früher sterben, als ich - der Vater, die Mutter - mir das für meine Kinder wünsche!“ Warum sprechen sich aber alle deutschen Behindertenorganisationen, einschließlich der Organisationen der chronisch Kranken - das hat der Deutsche Behindertenrat, der nur einstimmige Beschlüsse fassen kann, erst heute wieder getan -, klar gegen den Import embryonaler Stammzellen aus? - Weil sich in diesen Gremien - Frau Flach, ich komme gleich noch auf den angeblichen Widerspruch zwischen Funktionären und Betroffenen zu sprechen, den Sie immer wieder aufzeigen - der Sachverstand im Hinblick auf die Betroffenheit und das Nachdenken über die Zukunft bündeln. Das ist die Funktion solcher Organisationen. Es wurde hier mehrfach gesagt, dass wir nicht nur an den morgigen Tag denken dürfen, sondern die Folgen der Folgen, die wir heute einleiten, bedenken müssen. Wir müssen sehen, was hinter der Tür ist, die wir heute öffnen oder nicht öffnen. Die Behindertenorganisationen sagen uns deutlich: Lasst es sein! Ihr könnt uns auch anders helfen, zum Beispiel, indem ihr uns vernünftige Lebensbedingungen schafft, aber auch, indem ihr die Forschung, die sich auf andere, gute Möglichkeiten konzentriert, fördert. Damit tut ihr etwas, das uns allen - sowohl den Menschen, die krank sind, als auch denen, die krank werden können, als auch denen, die es nicht werden, weil dadurch nämlich ihre Menschlichkeit gefördert wird - wirklich nützt. - Das halte ich für einen Aspekt, den wir in diesem Hause hoch bewerten sollten. ({0}) Nun, Frau Flach, zur Frage nach den Betroffenen und den Funktionären: Die Vertreter der Behindertenorganisationen sind Leute wie du und ich und engagieren sich in ihrer Freizeit für die Belange der Behinderten. Sie sind also keine hoch bezahlten Funktionäre. Erlauben Sie mir, noch auf einen anderen Aspekt einzugehen. Das Niveau der heutigen Debatte - dieser Meinung bin ich unabhängig von ihrem Ausgang; ich gebe zu, ich hoffe, dass sie zugunsten des Verbots des Imports von embryonalen Stammzellen ausgeht - wird es uns ermöglichen, weiter miteinander zu reden und zu arbeiten. Das ist sehr wichtig. ({1}) Bei der weiteren Zusammenarbeit sollten wir ganz schnell die Frage beantworten: Wie können wir verhindern, dass Menschen aufgrund ihrer genetischen Dispositionen diskriminiert werden? Ob wir das einfachgesetzlich regeln können oder ob wir einen entsprechenden Passus ins Grundgesetz aufnehmen müssen, kann ich zwar noch nicht abschätzen. Aber ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns nach dieser Debatte darüber nachdenken, wie wir es verhindern können, dass jemand, nur weil er oder sie eine chronische Krankheit hat und demzufolge andere Lebensbedingungen braucht, im privaten oder im beruflichen Leben oder zum Beispiel durch Versicherungen und all das, was sich auf diesem Gebiet andeutet, benachteiligt wird. Die Enquete-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin, die über diesen Punkt intensiv diskutiert hat, wird dazu einen Vorschlag unterbreiten; aber ich denke, wir und auch die Öffentlichkeit sollten uns überlegen, ob wir nicht schon eher damit anfangen können, Regelungen gegen Diskriminierung wegen genetischer Anlagen auf den Weg zu bringen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche uns eine gute Abstimmung und wünsche, dass wir hinterher beherzt an die weiteren Aufgaben herangehen. Danke schön. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es spricht die Kollegin Ilse Falk.

Ilse Falk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000513, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte macht noch einmal deutlich, dass es im Kern um ganz wenige, aber entscheidende Fragen geht: Was ist Leben? Was ist Leben wert? Wer ist wert zu leben? Wer bestimmt den Wert? Den Fragen folgen zwingend scheinbar einfache Antworten: Der Embryo ist von Anfang an menschliches Leben mit der diesem innewohnenden Würde. Jede andere Grenzziehung wäre willkürlich und von selbst definierten Kriterien abhängig. Wir können doch nicht wollen, dass der Mensch Definitionsmacht über seinesgleichen erhält. ({0}) Jeder Mensch ist in seiner Einzigartigkeit so viel wert wie ein anderer. Deshalb kann es kein abgestuftes Lebensrecht geben, das den einen dazu berechtigte, das Leben eines anderen - vermeintlich minder wertvollen einzufordern. Deshalb kann es nicht erlaubt und schon gar nicht geboten sein, einen Menschen im frühesten Stadium seiner Entwicklung so zu verwerten, dass zunächst nutzbringende Erkenntnisse, dann aber auch dringend benötigte Zellkulturen und Organe aus ihm gewonnen werden, anderen somit geholfen werden kann, er selbst aber getötet wird. Gäbe es eine unterschiedliche Bewertung des Menschen in seinen verschiedenen Lebensphasen, wer dürfte sich anmaßen, einen solchen Wert zu bestimmen? Welcher Maßstab sollte hierfür gelten? Wird nicht vielmehr deutlich, wie sehr uns inzwischen die verbindliche Basis für das, was man tun darf und was nicht, abhanden kommt? Dürfen wir tatsächlich um der Menschlichkeit willen die Grenzen des Lebens neu definieren und unserer Selbstbestimmung unterwerfen? Oder gibt es nicht vielmehr Grenzen, die wir auf keinen Fall überschreiten dürfen? Natürlich erproben wir immer wieder unsere Grenzen und versuchen, sie zu verschieben. Das entspricht unserem Selbstverständnis und auch unserem Freiheitsverständnis. Dabei werden wir aber schnell merken, dass alle Grenzen, die wir erkennen, immer nur vorläufig sind. Sie lassen sich verschieben, aber nicht aufheben. Indem der Mensch in dieses komplizierte Gefüge eingreift, löst er immer auch unbeabsichtigte Folgen aus. Er schafft neue Zufälligkeiten, für die er sich als auslösender Faktor verantwortlich macht, ohne die Verantwortung wirklich tragen zu können oder auch zu wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sagt mir denn, dass wir nicht eines Tages vor die Frage gestellt werden, Ergebnisse der heute begehrten Forschung an Menschen zu erproben, deren Leben zwar sichtbarer ist als das eines Embryos, aber auch für weniger wert, für überzählig oder überflüssig erklärt wird? ({1}) Ich denke an Menschen im Koma, Verwirrte und Behinderte - an diejenigen, die ohne unsere Fürsorge und Verantwortung der Willkür ausgeliefert wären. Zwar haben wir, gerade auch nach christlichem Verständnis, die Freiheit, unser Leben in die eigene Hand zu nehmen und uns nicht an ein anonymes Schicksal auszuliefern. Aber es gibt auch Grenzen dieser Freiheit. Sie zu überschreiten hieße, die Grundlagen der Freiheit zu zerstören. Sie werden immer dann überschritten, wenn Menschen ihr Interesse dem Gemeinwohl überordnen und sich zu Herren über Leben und Tod machen, wenn sie Hand an ihresgleichen legen und die Vernichtung von Leben rechtfertigen. Wenn wir die Debatte auf diese Kernfragen zurückführen, werden sich auch manche scheinbar unlösbaren Probleme auflösen. Wir müssen nicht mehr entscheiden, ob Embryonen der einen oder anderen Herkunft nicht doch verwendet werden dürfen. Wir dürfen überzählige, eingefrorene, wie auch immer gewonnene Embryonen einfach sterben lassen, ohne ihre Verwendung bestimmen zu müssen. ({2}) Dann können wir uns mit aller Kraft der Forschung mit adulten Stammzellen zuwenden, die möglicherweise ein größeres Heilungspotenzial in sich bergen, als wir es uns heute vorstellen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies so ist, ist mindestens so groß wie die erhofften Erkenntnisse aus der Forschung an embryonalen Stammzellen. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat die Kollegin Carola Reimann.

Dr. Carola Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003434, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wohl kaum ein Forschungsbereich ist in der Vergangenheit so intensiv diskutiert worden wie jener der Stammzellenforschung. Wer sich dabei in den vergangenen Wochen für die Stammzellenforschung ausgesprochen hat, ist schnell in den Verdacht geraten, Handlanger einer profitorientierten Forschungsindustrie zu sein. Dabei wurde zuweilen auch ein Bild von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vermittelt, das den Eindruck erweckte, als ob in den Laboren unseres Landes nur noch verantwortungslose und ungeduldige Karrieristen ihr Unwesen treiben würden. Dies waren Bilder, aus denen tiefes inneres Misstrauen sprach. Ich möchte hier für unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Lanze brechen. ({0}) Denn gerade diejenigen Forscher, die in diesem Bereich arbeiten, legen zurzeit ganz besondere Geduld an den Tag. Seit einem Dreivierteljahr warten sie nämlich auf unsere Entscheidung. ({1}) Dabei haben sie eine hohe Bereitschaft gezeigt, sich der kritischen Öffentlichkeit immer wieder in Diskussionen zu stellen und ihre Forschungsvorhaben einem breiten Publikum zu erläutern und auch zu vermitteln. ({2}) Dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle ausdrücklich danken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt für mich gute Gründe, einen Import von Stammzellen unter restriktiven Bedingungen zu befürworten. Häufig ist zu hören, dass die Medizin vor neuen Anforderungen steht. Nicht immer kann die traditionelle Therapie die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Wenn man aber will, dass die Forschung neue Wege geht, dann darf Politik die Tore nicht zumauern; das gilt auch für die Stammzellforschung. ({3}) Ich habe Respekt vor den moralischen Überzeugungen, die stark genug sind, die sonst üblichen parteitaktischen Überlegungen in den Hintergrund zu drängen - und das in Vorwahlkampfzeiten! Ich denke, dass auch die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass sich keiner hier im Hause die Entscheidung leicht macht. Bevor wir aber zu einem abschließenden Urteil kommen, sollten wir uns einige Dinge klar machen. Bei der hier diskutierten Stammzellforschung handelt es sich um Grundlagenforschung mit dem Ziel, die Entwicklung von Geweben und Zellen sowie die Differenzierungsvorgänge und ihre Beeinflussbarkeit zu verstehen. Unabhängig davon, ob man adulte, also von erwachsenen Personen gewonnene, oder embryonale Stammzellen für die Untersuchung verwendet, und abgesehen von allen Hoffnungen und Erwartungen, die daran geknüpft sind, ist zu sagen, dass die Forschung hier noch am Anfang steht. Aussagen über künftige Therapiemöglichkeiten bleiben daher zwangsläufig spekulativ. Forschung ist nicht vorhersehbar, das gilt für Erfolge wie für Misserfolge. Deshalb lässt sich auch nicht seriös vorhersagen, ob Versuche mit adulten Stammzellen höhere Erfolgsaussichten als Versuche mit embryonalen Stammzellen haben. Ich halte es für richtig, dass die Bundesregierung die Forschung an adulten Stammzellen schwerpunktmäßig fördert. ({4}) Wir sollten aber das eine tun und das andere nicht lassen. ({5}) Wir sollten uns die Option erhalten, Forschungsergebnisse zu erzielen, aus denen sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte eventuell Therapien entwickeln lassen. Wir sollten unseren Einfluss als nationales Parlament erhalten. Wir sollten den Gestaltungsspielraum, den wir haben, nutzen, um Maßstäbe auch für die internationale Diskussion zu setzen. Das heißt für mich: Der Import muss an Bedingungen geknüpft werden, die die ethischen Bedenken ernst nehmen und ihnen Rechnung tragen. Die Befürchtung, dass beständig neue Embryonen verwendet werden müssen, um die Stammzellforschung dauerhaft abzusichern, ist unbegründet. Einmal etablierte Stammzelllinien gelten als unbegrenzt vermehrbar. Deshalb genügt es der Forschung, wenn der Import bereits etablierter, aber vermehrbarer Stammzelllinien ermöglicht und zugleich auf diese Linien begrenzt wird. Wir wollen mit den Bedingungen, wie wir sie in unserem Antrag formuliert haben, Maßstäbe für die Forschung setzen und die Möglichkeit eröffnen, die Chancen verantwortlich zu nutzen. Ein striktes Nein ist genauso falsch wie ein bedingungsloses Ja. Liebe Kolleginnen und Kollegen, reißt weder die Tore blindlings auf, noch mauert diese Tore blindlings zu, sondern sichert diese Tore! ({6}) Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag für einen Stammzellimport unter restriktiven Auflagen zuzustimmen. Danke schön. ({7})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es spricht der Kollege Heinz Schemken.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die EnqueteKommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ hat in ihrem Zwischenbericht festgestellt, dass den menschlichen Embryonen uneingeschränkte Schutzwürdigkeit zukommen muss. Diese Erkenntnis leitet mich zu dem Antrag Wodarg/Kues. Ethisch können nicht unterschiedliche Kriterien für den Schutz von Embryonen von außerhalb Deutschlands und von solchen aus Deutschland aufgestellt werden. Auch wenn rechtlich die Bewertung von Gewinnung und Import getrennt werden kann, so höhlt ein solches Vorgehen ethisch den Embryonenschutz aus. Dies widerspricht in jedem Fall dem Geist des Embryonenschutzgesetzes. Menschliches Leben darf grundsätzlich nicht zum Objekt fremdnütziger Zwecke gemacht werden. Dies muss auch für menschliches Leben im Stadium seiner frühen embryonalen Entwicklung gelten. ({0}) Da menschliches Leben auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle beginnt, ist der Import von Stammzellenlinien, die aus der Tötung menschlicher Embryonen gewonnen wurden, ethisch konsequenterweise nicht vertretbar. Da die Forschung mit adulten Stammzellen bzw. gewebespezifischen Stammzellen als Alternative zur Grundlagenforschung ausreicht, sollte die Wissenschaft auf diesem Feld nachdrücklich gefördert werden. In diesem Rahmen kann auch das Gebot des Heilens bei schweren Krankheiten und Leiden in ethisch vertretbarem Rahmen progressiv befolgt werden. Auf der anderen Seite steht am Ende möglicherweise das Klonen des Menschen. Das müssen wir sicherlich beachten. Herr Gerhardt, Sie haben ja diesen Forschungsweg, das Prinzip des Öffnens, hier beschrieben. Diese Frage von höchster ethischer Relevanz wird durch die Auseinandersetzung über den Import der Stammzellen mehr oder weniger überdeckt. Wenn der Gesetzgeber dem Drängen interessierter Wissenschaftler nachgibt, wird auch er es zukünftig schwer haben, entsprechende Weiterungen abzuwehren. Das liegt in der Natur der Sache. Es zeichnet sich doch bereits heute ab, dass es nicht bei den 64 Stammzellenlinien bleiben wird. Es wird ja schon heute angekündigt, dass weitergeforscht werden wird, ganz gleich, wie der Gesetzgeber entscheidet. Im Übrigen wäre es unvertretbar, dass diejenigen, die in ethischen und rechtlichen Grauzonen geforscht haben, nun auch noch einen Vorteil hätten. Auch dies sollten wir beachten. Da mir die Wissenschaft keine Antwort gibt, kann ich nur aus meiner eigenen Sicht, aus der Sicht eines Menschen, der versucht, die Dinge christlich zu sehen, die Würde des Menschen anführen. Sie ist ihm von Gott gegeben. Wir sollten der Wissenschaft Grenzen setzen, die keinen Kompromiss zulassen; sonst würden wir in das Schöpfungswerk eingreifen. Deshalb gibt es für mich nur eine Entscheidung: Das ist der absolute Stopp des Imports und der Forschung mit embryonalen Stammzellen. Mir hilft dabei nur mein Werteverständnis. Ich kann hier keine andere Antwort geben. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Christoph Matschie.

Christoph Matschie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001434, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier heute eine Debatte über die Forschung an Stammzellen, weil uns alle gemeinsam die Sorge umtreibt, dass Schutz und Würde des Menschen angetastet werden könnten, weil wir gemeinsam um eine Antwort auf die Frage ringen, wo in diesen schwierigen Fragen die Grenzen zu ziehen sind. Hier ist an verschiedenen Stellen davon die Rede gewesen, dass wir möglicherweise eine Schwelle überschreiten, dass wir eine Tür aufmachen, die wir nicht wieder zubekommen, dass wir einen Damm brechen. Ich bin dafür, dass wir, bevor wir uns weiter überlegen, ob dem so ist, einmal einen Moment den Kopf heben und schauen, was die anderen um uns herum in dieser Frage tun - nicht, weil ich glaube, dass sie uns Orientierung sein sollten, sondern weil ich glaube, dass wir nicht auf einer Insel leben und dass wir den anderen um uns herum, die zu anderen Entscheidungen kommen, beispielsweise in Großbritannien oder in Frankreich, nicht unterstellen können, dass sie bei ihren Überlegungen weniger moralisch verantwortlich, weniger ethisch entschieden haben. ({0}) Es gibt unterschiedliche Konzepte für den Schutz der Würde des Menschen, für den Schutz des Lebens. Das sollten wir zunächst respektieren. Wir haben uns in Deutschland mit dem Embryonenschutzgesetz für ein sehr hohes Niveau entschieden. Der Antrag von Frau Renesse und Frau Böhmer, den ich unterstütze, bleibt bei diesem hohen Niveau. Ich sage aber ebenso ganz deutlich: Ich glaube, dass auf der Grundlage unseres Grundgesetzes auch hier in Deutschland andere Positionen möglich sind, wie es sie in anderen Ländern gibt. Ich glaube nicht, dass es von vornherein verwerflich ist und dass der Rubikon überschritten wird, wenn auch darüber nachgedacht wird, wie man überzählige Embryonen, bei denen jetzt nur die Alternative besteht, sie auf Eis zu lagern oder zu vernichten, unter ganz bestimmten Voraussetzungen - ich nenne in diesem Zusammenhang die Zustimmung der Spender, die Öffentlichkeit der Forschung und die Tatsache, dass es sich um eine hoch qualifizierte Forschung handelt - nutzen kann. Dass das nach unserem Grundgesetz von vornherein nicht zulässig sein soll, leuchtet mir nicht ein. ({1}) Die quälenden Widersprüche an dieser Stelle sind schon deutlich geworden. Aber sie gibt es bei allen hier vorgetragenen Positionen. Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass wir Entscheidungen treffen, die ein für alle Mal gültig sind. Ich sage als Theologe ganz klar: Auch ethische Positionen verändern sich im Laufe der Geschichte. Dafür gibt es die vielfältigsten Beispiele. Wir haben heute vor dem Hintergrund unserer gesellschaftlichen Auseinandersetzung eine verantwortliche ethische Entscheidung zu treffen. ({2}) Die entscheidende Frage ist: Wie können wir heute zu dieser verantwortlichen Entscheidung kommen? Ich halte die hier vorgetragenen Positionen allesamt für mit dem Grundgesetz vereinbar. Ich habe schon deutlich gemacht, dass ich auch die Position in dem Antrag von Frau Flach und anderen nicht von vornherein für eine Überschreitung des ethischen Rubikon halte. Trotzdem votiere ich für den Antrag von Frau von Renesse und Frau Böhmer. Ich will Ihnen sagen, warum. Ich glaube nämlich, dass ethische Entscheidungen ganz wesentlich das Produkt einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung, einer Debatte sind. Deshalb möchte ich bei dieser Entscheidung, die wir heute zu fällen haben, nicht die Empfehlung der Enquete-Kommission des Bundestages außer Acht lassen, die beinhaltet, dass wir das Embryonenschutzgesetz nicht verändern und diesen Schutzstatus aufrechterhalten sollten. Diese Empfehlung sollten wir bei unserer heutigen Entscheidung berücksichtigen. Natürlich empfinden viele - nicht nur hier im Hause, sondern überall in der Gesellschaft - den Widerspruch in den Debatten, dass wir einerseits den hohen Schutz in Deutschland aufrechterhalten wollen und dass wir andererseits bereit sind, Stammzelllinien zu importieren, bei deren Herstellung dieser hohe Schutz nicht eingehalten wurde. Das ist ein Widerspruch, den man aushalten muss. Es ist aber auch ein Widerspruch, wenn man die Stammzellenforschung nicht zulassen und den Import von Stammzellen verbieten, aber von den Erkenntnissen der Forschung profitieren will. Ich frage Sie: Ist das in diesem komplizierten Prozess nicht eine Verschiebung des ethischen Widerspruchs ein Stück weiter nach hinten? Ich habe keine Position gefunden, die von Widersprüchen frei ist. Das kann angesichts einer solch schwierigen Frage auch nicht der Fall sein. Deshalb bin ich dafür, dass wir auf der Grundlage der Ergebnisse der Diskussion der letzten Monate, die zur Empfehlung der EnqueteKommission geführt hat, die Möglichkeit eröffnen, unter ganz engen Voraussetzungen die Forschung hier in Deutschland weiter zu betreiben. Ich bitte Sie: Stimmen Sie dem Antrag von Frau von Renesse und von Frau Böhmer zu! ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Georg Brunnhuber.

Georg Brunnhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000284, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“ hat ihre Ausgabe vom 25. Januar mit der Überschrift „Biopolitik - Die große Versuchung“ aufgemacht. Es besteht die große Versuchung, dass der Mensch sein eigener Schöpfer wird. Es geht heute um das Wesentliche, nämlich um das menschliche Leben überhaupt, um ethische und moralische Grundsätze sowie um die Unantastbarkeit der menschlichen Würde und den Schutz des menschlichen Lebens von Anfang an. Ich möchte uns deshalb an folgende Grundsätze erinnern: Erstens. Nach christlicher Überzeugung beginnt menschliches Leben mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle. Jede andere Prämisse, die etwa den Lebensbeginn zu einem späteren Zeitpunkt ansetzt oder ihn dem Embryo nur in abgestufter Weise zugesteht, steht unter ethischen Gesichtspunkten auf schwankendem Boden. Sie widerspricht unserem Bild vom Menschen und der Würde des Menschen, auf der das Grundgesetz aufbaut. Zweitens. Eine angestrebte Therapie zur Heilung von bisher noch unheilbaren schweren Erkrankungen - so wünschenswert sie wäre - kann nicht unabhängig von den Methoden gesehen werden, die dafür angewandt werden. Positive Ziele wie Forschung und Heilung rechtfertigen nicht jeden Weg. Auch der Weg selbst muss ethisch vertretbar sein. Der Respekt vor dem Leben des anderen ist eine Grenze, die nie überschritten werden darf, weder aus wirtschaftlichen Gründen noch aus Gründen des Wettbewerbs. Auf der Heilung von Krankheiten kann kein Segen liegen, wenn sie auf Kosten des Lebens anderer erkauft wird. ({0}) Drittens. Die Unterstützung und Förderung alternativer Methoden auf dem Weg zu neuen Möglichkeiten für Therapie und Heilung, wie zum Beispiel die verstärkte Forschung an adulten Stammzellen, wie sie gerade die Landesregierung von Baden-Württemberg besonders fördert, können auch zum Anreiz für einen Dialog werden, der über die Grenzen Deutschlands hinaus zu führen ist. Die Möglichkeit der Gewinnung von adulten Stammzellen und die Forschung daran sind ethisch unbedenklich. Sie schädigt niemanden und vernichtet kein menschliches Leben. Es wäre deshalb wünschenswert, der Deutsche Bundestag würde sich Gedanken darüber machen, wie bei Gewährung von mehr Mitteln der Forschungsstandort Deutschland in der Forschung an adulten Stammzellen weltweit eine herausragende Rolle bekommen würde. ({1}) Im Grunde genommen ist dies die allseits verantwortbare forschungspolitische Alternative. Dies wäre ethisch und moralisch vertretbar. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es spricht der Kollege Friedrich Merz.

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst eine Vorbemerkung machen: Ich hoffe, dass uns diejenigen, die unsere Debatte heute Nachmittag verfolgen und sie heute Abend und morgen früh kommentieren und beschreiben werden, den Respekt vor dem Verlauf dieser Debatte genauso wenig versagen wie den Respekt vor dem individuellen Abstimmungsverhalten. ({0}) Ich sage das deshalb, weil ich mit einiger Sorge betrachtet habe, wie insbesondere aus den Kirchen - ich muss leider sagen: auch aus meiner Kirche - Erwartungen formuliert worden sind, die man vielleicht aus dem kirchlichen Lehramt heraus artikulieren kann, die aber in der Abwägung, die Abgeordnete eines frei gewählten Parlaments vorzunehmen haben, nicht ohne weiteres im Verhältnis 1:1 nachvollzogen werden können. ({1}) Ich sage dies nicht, weil, sondern ich sage dies, obwohl ich derselben Auffassung bin, wie sie von den beiden Kirchen zum Ausdruck gebracht wird. Ich möchte aus meiner Sicht drei Anmerkungen zur Sache machen: Erste Anmerkung. Auch heute ist - genauso wie in den letzten Wochen - sehr häufig die Forschungsfreiheit in Anspruch genommen worden. Es gibt sie in der Tat. Sie ist ein Grundrecht und steht nicht unter einem Gesetzesvorbehalt. Die Forschung ist frei; aber sie ist nicht ungebunden. Auch die Forschung in Deutschland unterliegt dem tragenden Prinzip unserer Grundrechtsordnung: der unbedingten Schutzwürdigkeit der menschlichen Würde, so wie sie in Art. 1 des Grundgesetzes zum Ausdruck kommt. ({2}) Deswegen kann es Forschungsverbote geben, ohne dass damit das Grundrecht der Freiheit der Forschung verletzt wird. ({3}) Meine zweite Anmerkung betrifft den Redebeitrag meines geschätzten Kollegen Peter Hintze. Dieses tragende Prinzip unserer Grundrechtsordnung bindet staatliche Gewalt und bindet auch die Eltern und Erzeuger befruchteter Eizellen. Es ist nicht ein Akt altruistischer Hilfe, wenn Eltern ihre so genannten „überflüssigen“ befruchteten Eizellen zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen. Auch die Eltern sind in ihrer Dispositionsfreiheit eingeschränkt, jedenfalls dann, wenn dieses alles tragende Prinzip unserer Grundrechtsordnung verletzt würde. Ich sage dies bewusst im Konjunktiv; aber ich meine, dass es gilt, dies noch einmal klarzustellen. Und schließlich drittens: Der Kollege Gerhardt hat auf das Memorandum der Deutschen Forschungsgemeinschaft hingewiesen, das wir alle kennen. In der Tat werden mit der Forschung an embryonalen Stammzellen viele Hoffnungen verbunden. Es heißt in diesem Memorandum: Die Hoffnungen sind nicht unbegründet. Sie sind nicht weniger, aber auch nicht mehr als nicht unbegründet. Wenn uns aber nach heutigem Kenntnisstand Alternativen zur Forschung an embryonalen Stammzellen zur Verfügung stehen, von denen noch niemand mit Gewissheit sagen kann, ob sie nicht zu den gleichen Ergebnissen führen können, ({4}) dann müssen wir uns sehr wohl überlegen, ob wir heute - denn wir können nur vom heutigen Erkenntnisstand ausgehen - die Entscheidung treffen, die Forschung an embryonalen Stammzellen in Deutschland ab morgen zuzulassen. Ich komme zu einem anderen Ergebnis und sage: Nach heutigem Wissens- und Erkenntnisstand spricht alles dafür, dass sich Deutschland bei seinem Anspruch, bei der Erforschung dieser großartigen Chancen, die die Biomedizin bietet, führend in der Welt zu sein, auf die Forschung an adulten Stammzellen und alternativen Methoden konzentrieren sollte. ({5}) Wir werden gewiss nicht eine Spitzenposition verlieren, wenn wir gerade in diesem Bereich größte Anstrengungen unternehmen und - vielleicht sogar als erste - den Nachweis erbringen, dass die Forschung an adulten Stammzellen eine weitere Erforschung embryonaler Stammzellen überflüssig macht. Das könnte die Spitzenposition von Forschung und Entwicklung in Deutschland mit besonderem Nachdruck unterstreichen. Deswegen sage ich nur für mich: Aus heutiger Sicht kann ich der Entscheidung, embryonale Stammzellenforschung in Deutschland zuzulassen, nicht zustimmen. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nun spricht der Kollege Hans-Josef Fell.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Töten von Embryonen zu Forschungszwecken lehne ich ab. Für den Import bereits existierender embryonaler Stammzellen werde ich stimmen, da für deren Erzeugung keine weiteren Embryonen getötet werden müssen. - Herr Merz, da unterscheiden sich unsere Auffassungen überhaupt nicht. Auch wir wollen uns bei der Forschungsförderung auf adulte Stammzellen konzentrieren. Für mich stehen die Menschenwürde und das Menschenleben im Vordergrund. Dies umfasst auch das Lebensrecht und die Würde der Embryonen. Dieses Recht wiegt für mich schwerer als die Forschungsfreiheit. Die Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken darf es daher nicht geben. Wäre es, wie es viele hier fordern, dann nicht eine logische Konsequenz, den Import von Stammzellen embryonaler Herkunft vollständig zu verbieten? Ich denke, nein. Embryonale Stammzellen haben nicht mehr die Möglichkeit, sich zu einem ganzen Menschen zu entwickeln. Folglich wird hier nicht grundsätzlich über das Lebensrecht von Embryonen entschieden. Diese Antwort allein wäre aber zu kurz gegriffen. Wer den Import von embryonalen Stammzellen erlaubt, fördert auch die Nachfrage nach neuen Stammzellen, es sei denn, der Import beschränkt sich auf bereits vorhandene Stammzelllinien. Manche befürchten dennoch einen Dammbruch, wenn der Import nicht vollständig verboten wird. Ich sehe auch dies anders, und zwar aus zwei gewichtigen Gründen: Zum einen halte ich den streng reglementierten Import für verfassungsrechtlich gefestigter. Es ist zumindest umstritten, ob ein vollständiges Importverbot verfassungsrechtlich möglich ist. Noch bedeutsamer erscheint mir aber zum anderen die Frage, inwiefern ein Dammbruch politisch - auch international verhindert werden kann. Wer über Importregelungen entscheidet, darf die internationale Ebene nicht außer Acht lassen. Deutschland ist keine isolierte Forschungsinsel. Dieser Aspekt kam in der bisherigen Debatte viel zu kurz. Lediglich Kollege Wodarg hat darauf hingewiesen. Ich komme aber zu einem anderen Ergebnis als er. Wer heute nämlich über die eigenen Grenzen hinaus sieht, wird Folgendes sehen: Zum einen haben sich die USA bereits auf eine Stichtagsregelung für die Förderung der Forschung mit embryonalen Stammzellen festgelegt. Zum anderen haben sich das Europäische Parlament, Forschungskommissar Busquin und große Teile des europäischen Forschungsministerrates - mit Ausnahme Deutschlands und nur weniger anderer Staaten - für die Forschung an embryonalen Stammzellen ausgesprochen. Eine Entscheidung steht noch aus. Nimmt Deutschland eine Maximalposition gegen die Forschung mit embryonalen Stammzellen ein, wird Deutschland, so fürchte ich, in der Abstimmung unterliegen. Zu groß ist der Druck auf der europäischen Ebene, an embryonalen Stammzellen zu forschen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden die USA spätestens unter einem demokratischen Präsidenten dem Druck von Wissenschaft und Wirtschaft nachgeben und dem Dammbruch Europas folgen. Fordert Deutschland hingegen eine sehr streng reglementierte Forschung, deren Regelung derjenigen der USA gleicht, haben wir gute Chancen, diese Position in Europa durchzusetzen. Wenn Europa und die USA auf einer Linie liegen, gibt es die Möglichkeit, diese strikte Regelung zu einem internationalen Standard zu machen, der sich kaum mehr lockern ließe. Damit wäre der Menschenwürde mehr gedient als mit einer isolierten Position Deutschlands, die international nicht mehrheitsfähig ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Embryonenschutz hat für mich absolute Priorität. Daneben sollten aber auch zukünftige Therapiemöglichkeiten in der ethischen Debatte betrachtet werden. Es ist heute noch vollkommen unklar, ob die Forschung mit embryonalen Stammzellen eines Tages zu bedeutenden Therapien führen könnte; doch zumindest die Chancen hierzu gibt es. Ich halte es unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Embryonen mehr getötet werden - dies ist bei einer Beschränkung auf vorhandene Stammzelllinien der Fall -, für ethisch vertretbar, der Menschheit diese Chancen zu eröffnen. Deshalb werde ich dem streng begrenzten Import bestehender embryonaler Stammzellen zustimmen in der Annahme, dass hierdurch eine internationale Regelung und eine höhere Verfassungskonformität möglich werden, die der Tötung weiterer Embryonen zu Forschungszwecken entgegenstehen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Jetzt spricht der Kollege René Röspel.

René Röspel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003210, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir als Naturwissenschaftler und Politiker, der auf Zeit mit Verantwortung in ein Parlament entsandt worden ist und auch heute noch der Faszination erliegt, die von Wissenschaft und Forschung ausgeht, auch zu später Stunde ein leidenFriedrich Merz schaftliches Plädoyer für die Forschung an Stammzellen zu halten. Stammzellen besitzen ohne Zweifel ein großes Potenzial, vor allem für die Wissenschaft, aber auch für die Medizin. Ich sage das, ohne außer Acht lassen zu wollen, dass die Erfolge der zunehmenden Lebenserwartung und Gesundheit der Menschen in den letzten Jahrzehnten nicht nur auf das Konto moderner Medizin gehen, sondern vor allem auf die Bekämpfung des Hungers, eine bessere Hygiene, bessere Sozialstandards und vor allen Dingen eine bessere Bildung zurückzuführen sind. Über Stammzellen lernen wir jeden Monat Neues. Mit ähnlicher Schnelligkeit erfahren wir, zu welchen unterschiedlichen Zellarten sich Stammzellen entwickeln können. Allein beim Menschen konnten bisher aus Stammzellen Nerven-, Leber-, Blut-, Knochen-, Knorpel- und Muskelzellen hergestellt werden. Mittlerweile können aus 20 unterschiedlichen Gewebearten Stammzellen gewonnen werden, zum Beispiel aus Knochenmark, aus Fettgewebe und - dieser viel versprechende Ansatz ist in den letzten Tagen bekannt geworden - aus der Haut. Sie werden sich jetzt vielleicht wundern, dass ich nicht ein einziges Mal das Wort Embryo benutzt habe. Das liegt daran, dass ich bisher nur über die Möglichkeiten der Forschung an adulten Stammzellen gesprochen habe, nämlich solcher Zellen, die sich aus dem Gewebe erwachsener Menschen gewinnen lassen. Wenngleich man für embryonale Stammzellen sicherlich eine ähnlich imponierende Liste erarbeiten könnte, unterscheiden sich die adulten, die erwachsenen Stammzellen von den embryonalen Stammzellen in zwei wesentlichen Punkten: in der Gewinnung und in der Verwendung zu therapeutischen Zwecken. Erstens: die Gewinnung. Adulte Stammzellen lassen sich ethisch unproblematisch aus dem Gewebe bereits geborener Menschen isolieren. Um embryonale Stammzellen zu erhalten, muss ein Embryo zerstört werden. Auch wenn bereits existierende Zelllinien importiert werden, setzt das immer voraus, dass ein Embryo zerstört worden ist, dass im Ausland das gemacht worden ist, was in Deutschland verboten ist. Der zweite Unterschied ist die Verwendung zu therapeutischen Zwecken. Entgegen dem Eindruck, der in der Öffentlichkeit erweckt wurde, gibt es bei embryonalen Stammzellen bisher keine therapeutische Anwendung. Das beruht bisher nur auf Spekulationen. Bei adulten Stammzellen hingegen gibt es schon seit langem therapeutische Anwendungen. Seit 1959, also seit über 40 Jahren, wissen die meisten Menschen in diesem Land, dass mit Knochenmark Leukämie bekämpft werden kann, und zwar sehr erfolgreich. Seit 1995 laufen Therapieversuche bei Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes und Multipler Sklerose. Wenn Sie erlauben, möchte ich bei dieser Gelegenheit etwas klarstellen: Selbst wenn es gelänge, adulte oder embryonale Stammzellen herzustellen, die in das Hirn an Multipler Sklerose Erkrankten gepflanzt werden könnten, würde damit nicht die Ursache dieser Krankheit bekämpft; denn es ist eine Autoimmunerkrankung. Diese Stammzellen würden vom eigenen Immunsystem des Körpers genauso wie alle anderen und auch die ursprünglichen Zellen bekämpft und zerstört. Das heißt, die Lösung des Problems, die Bekämpfung der Krankheit, ist auch hier nicht mit Stammzellen zu erreichen. Das Gleiche gilt für Diabetes. Im Klartext: Wer heute auf den Import embryonaler Stammzellen verzichtet, verzichtet nicht auf Therapie. Das will ich deutlich machen. ({0}) Die zentralen Fragen sind also: Sind die Möglichkeiten adulter Stammzellen wirklich ausgereizt? Befinden wir uns heute an einem Zeitpunkt, an dem wir unausweichlich importierte embryonale Stammzellen zum Erkenntnisgewinn oder zu therapeutischen Zwecken haben müssen? Ich sage: Nein. Ich erkenne das Bemühen derer an, die hoffen, dass ein beschränkter Import - Hans-Josef Fell hat das gerade gesagt - die Zerstörung weiterer Embryonen zur Gewinnung von Stammzelllinien verhindern kann. Ausdrücklich begrüße und unterstütze ich den Absatz im Antrag derer, die den Import beschränken möchten - ich erlaube mir ein Zitat -: Die Wahrung der Werteordnung des Grundgesetzes ist uns von der Verfassung aufgegeben. Sie würde gefährdet, wenn durch die Zulassung des Importes eine Ausweitung der Nachfrage nach neuen Stammzelllinien hervorgerufen würde mit der Folge der Tötung weiterer Embryonen. Der beschränkte Import wird in diesem Antrag an bestimmte Kriterien wie Alternativlosigkeit der Forschung und Hochrangigkeit der Forschung geknüpft. Es wird auch ein Stichtag eingeführt. Aus meiner Sicht sind diese Kriterien nicht wirksam. Alternativlosigkeit und Hochrangigkeit lassen sich von jedem guten Forscher immer begründen und für jedes Forschungsprojekt formulieren. Der Stichtag wird bedeuten: Forscher in Deutschland sollen nur noch Stammzelllinien importieren können, die bis zum heutigen Tage gewonnen worden sind. In den USA gibt es eine ähnliche Regelung; ich glaube, an dieser Stelle zeigt sich ein zentraler Knackpunkt der Regelung. Bis heute wissen wir - die Stimmen aus den Labors werden immer lauter -, dass die zur Verfügung stehenden Zelllinien wahrscheinlich nicht ausreichen werden oder sogar ungeeignet sind. Am 9. August des letzten Jahres hat Präsident Bush in den USA verfügt, dass die an diesem Stichtag vorhandenen 72 Zelllinien beforscht und mit öffentlichen Mitteln versehen werden dürfen. Inzwischen gibt die US-Regierung bekannt, dass es wahrscheinlich nicht 72, sondern nur 24 Zelllinien sind. Es wird immer deutlicher, dass die bereits bestehenden Zelllinien, weil sie auf Mäusezellen gewachsen sind, wahrscheinlich nicht genutzt werden können. Das heißt, die Forderung nach neuen, frischen Zelllinien wird nicht nur in der übrigen Welt, sondern auch in Deutschland schnell erhoben werden. Ich frage Sie: Sollen deutsche Forscher ab morgen an den schlechten, älteren Zelllinien forschen, weil es bei uns den Stichtag gibt, während die amerikanischen bald frische erhalten? Wie wollen Sie das den deutschen Forschern erklären? Wie lange können Sie das durchhalten? Lässt man den Import einmal zu, so wird er sich meiner Auffassung nach nicht lange beschränken lassen. Der Druck, mit frischen Zelllinien zu arbeiten, wird zunehmen. Ihr und unser Ziel, die Werteordnung zu wahren, wie Sie das in dem Importbeschränkungsantrag formuliert haben, würde verloren gehen. Die Forderung, die Doppelmoral zu beenden und auch in Deutschland Embryonen zu Forschungszwecken zu verwenden, käme zwangsläufig. Ein heutiges „Nein, aber“ - so ehrenwert es sein mag und so sehr ich es respektiere - ist nichts anderes als ein „Ja, aber später“. ({1}) Ein „Nein, aber“ halte ich auch nicht für konsequent. Ich glaube, die Forderung, Embryonen auch hierzulande verwenden zu können, bereits heute zu erheben, wäre konsequenter. Deshalb wäre es meiner Ansicht insgesamt konsequenter, wenn man entweder deutlich Ja oder Nein sagt. Es ist noch nicht der Zeitpunkt gekommen, einen Import zuzulassen. Die Forschung an adulten Stammzellen ist noch lange nicht ausgereizt. Die Forschung an Nabelschnurstammzellen befindet sich noch am Anfang. Alternative Untersuchungen an Affenzellen, wie sie beispielsweise am Uniklinikum in Essen durchgeführt werden sollten, haben noch nicht begonnen. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich die Initiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung herausheben, die solche Projekte unterstützt. ({2}) Es ist häufig gefragt worden: Werden wir eigentlich den Einfluss verlieren, wenn wir uns nicht beteiligen? Auch das glaube ich nicht. Ich habe ein anderes Modell: In dem Moment, in dem wir zeigen, dass wir ohne embryonale Stammzellen und mit Fokussierung auf die adulten Stammzellen den Weg des Erfolgs gehen können, werden wir auch ein gutes und positives Beispiel für die anderen Länder sein, ohne den ethisch umstrittenen Weg beschritten zu haben. ({3}) Wir müssen Weltmeister in der Forschung an adulten Stammzellen werden, hat der Präsident der Bundesärztekammer, Hoppe, gesagt. Als ich vor drei Jahren in den Bundestag gewählt wurde, habe ich mir vorgenommen, Entscheidungen so zu treffen, dass sie rückholbar sind. Das bin ich künftigen Generationen schuldig und das bin ich auch mir schuldig. Die Zustimmung zu einem Import wird einen Prozess in Gang setzen, der nicht mehr rückholbar ist. Dieser Preis ist mir - noch - zu hoch. Deswegen werde ich gegen den Import stimmen. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es spricht der Kollege Jörg Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als Forschungspolitiker hätte ich mir durchaus viele Punkte vorstellen können, in denen ich mit den Kolleginnen Reiche, Flach oder anderen zu einer gemeinsamen Auffassung gekommen wäre. Ich bin auch in dem Dialog mit vielen in diesem Hause und auch über Parteigrenzen hinweg immer wieder auf andere zugegangen und habe mich bemüht, zu einem Kompromiss - auch für mich selbst - zu kommen. Diesen Kompromiss finde ich im Antrag der Abgeordneten von Renesse, Böhmer und Catenhusen, der eine gute Grundlage für die heutige Entscheidung bildet. Denn Kompromisse sind in dieser Frage nicht nur möglich, Herr Kollege Wodarg, sondern auch nötig. Das möchte ich deutlich hervorheben. ({0}) Kein Problem wird mit einem kompromisslosen Nein gelöst, selbst wenn es hierfür heute eine Mehrheit gäbe. Kein Problem wird dadurch gelöst - nicht national und erst recht nicht international. Aus diesem Grunde stimme ich Ihnen, Kollegin Flach, auch in dem, was Sie eingangs bemerkt haben, nicht zu, nämlich dass sich die Antragstellerin von Renesse und andere um den Problemkreis herumgemogelt hätten. - Nein, der Antrag enthält eine klare Aussage: Wir verbieten den Import, aber wir formulieren den Erlaubnisvorbehalt mit strengen Auflagen. Das kennen wir auch aus anderen rechtlichen Regelungen, die wir - übrigens auch in diesem Hause getroffen haben. Ich erinnere an den § 218, Herr Kollege Hüppe. Für mich stehen zwei Fragen im Vordergrund: Bildet die Biomedizin einen besonderen Bereich der Wissenschaft, der auch besonderer Regelungen bedarf? - Ja. Auch das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Die Forschung bestärkt uns sogar darin. Ich zitiere aus einem Schreiben der sechs Nobelpreisträger an uns: Die Verfassung räumt Forschung und Lehre ein Privileg ein. Für uns Wissenschaftler bedeutet dies, mit dem Privileg selbstverständlich auch sorgsam umzugehen. Das ist eine Pflicht, die wir ernst nehmen. Frau Kollegin Nickels, ich kann darin nichts von Schrankenlosigkeit der Wissenschaft erkennen. Davon kann nicht die Rede sein. ({1}) Ich habe auch keinen Grund, an diesen Aussagen zu zweifeln. Wir sind übrigens immer sehr stolz auf unsere Nobelpreisträger und meinen, dass deren Leistungen stärker gewürdigt werden müssten. All diejenigen, die dies immer wieder sagen, sollten wenigstens in diesen Fragen auch einmal auf sie hören. Ich bemühe mich darum. Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich stellt sich die Frage nach Alternativen. Die gibt es auch. Aber diese Alternativen schließen die Grundlagenforschung nicht aus und dürfen sie auch nicht ausschließen. Wir sollten keinen Gegensatz zwischen adulten und embryonalen Stammzellen aufbauen. Wir wissen nicht, welche Wege erfolgreich sind, aber selbstverständlich setzen wir in genau dem Bereich, der hier eingefordert wird, Schwerpunkte. Das ist auch in unserem Antrag enthalten. Wir geben allein für diesen Bereich 100 Millionen Euro aus. Kein anderes Land in Europa tut mehr dafür. Wir wollen diesen Weg noch ausbauen. Das schließt aber den anderen Weg nicht aus. Wir dürfen auch andere Optionen nicht ausschließen - weder die adulten Stammzellen noch die Nabelschnur und den Tierversuch -, auch darin sind wir uns sicherlich einig. Es ist zwar davon heute nicht die Rede gewesen: Es muss auch da ethische Begrenzungen geben. Wir dürfen aber, wie gesagt, die embryonalen Stammzellen nicht ausschließen. Im Übrigen können wir nach Art. 5 des Grundgesetzes auch nicht vorschreiben, welche Wege beschritten werden können, und wir dürfen auch nicht politisch festlegen, welche Wege die erfolgreichen sind. Ich habe den Eindruck, dass es bei einigen nicht so recht angekommen ist, was in Art. 5 des Grundgesetzes geregelt ist. ({2}) Wir haben zwei widersprüchliche Argumente gehört. Die einen wollen wegen der überzogenen Heilserwartungen nicht zustimmen. Andere wiederum sind der Meinung, dass die Heilserwartungen nicht erfüllt werden können. Das ist tatsächlich ein Widerspruch. Nein, wir wissen nicht, was dabei herauskommt. Aber genau das soll schließlich erforscht werden. ({3}) Unser Ziel ist es, herauszubekommen, welcher Weg erfolgreich sein wird. Ich hoffe, dass es ein Weg sein wird, der ethisch vertretbar ist und dem entspricht, was die deutschen Wissenschaftsorganisationen in ihrem Schreiben an uns ausgeführt haben. In Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Güter - Lebensschutz und Schutz der Freiheit der Forschung - und nicht zuletzt, um den Erwartungen der kranken und hilfsbedürftigen Menschen Rechnung zu tragen, erhoffen wir uns für die Wissenschaft eine verantwortungsvolle Entscheidung des Deutschen Bundestags. Unser Antrag greift dies auf, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich bitte Sie sehr herzlich um Ihre Zustimmung. Wir wollen keinen Weg verbauen, sondern jeden vertretbaren Weg öffnen. Aber wir wollen jeden Weg verantwortungsbewusst gestalten. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es spricht die Kollegin Antje Vollmer.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Vorfeld dieser Debatte ist sehr viel vor Fundamentalismus und moralischem Rigorismus gewarnt worden. Ich bin sehr froh darüber, dass es diese fundamentalistischen Stimmen, die Hitzigkeit apokalyptischer Gefahrenbeschwörungen in dieser Debatte nicht gegeben hat. Das gibt dieser Debatte eine gewisse Ruhe, aber es gibt ihr auch eine große Qualität, gewährleistet letztlich die Freiheit der Entscheidung. Das spricht für dieses Parlament. ({0}) Ich möchte deswegen über zwei andere Begriffe sprechen, nämlich über Aufklärung und über Freiheit. Es ist das Recht dieses Parlaments, von denen, die besonders betroffen sind und die besonders große Anforderungen an uns gestellt haben, nämlich von den Wissenschaftlern, zu verlangen, sich ebenfalls einer Debatte der Aufklärung zu stellen. Ich habe manchmal den Eindruck, als ob es im Kern des wissenschaftlichen Wollens so etwas gibt wie einen unaufgeklärten Rest, eine Zone, über die man nicht diskutiert und über die man sich keine Klarheit verschafft. Ich sage das auch deshalb, weil ich selber lange Zeit auf einer Station der Spitzenmedizin gearbeitet habe. Der Punkt, der mir unaufgeklärt erscheint, ist der des Mehr bei der Forschung an embryonalen Stammzellen gegenüber der Forschung an adulten Stammzellen. In Bezug auf die Forschung an adulten Stammzellen gibt es bis heute keine feststellbare Grenze. Wenn es keine feststellbare Grenze gibt, besteht meines Erachtens kein Grund, darüber hinauszugehen und zu sagen, dass man unbedingt embryonale Stammzellen braucht, jedenfalls nicht, ohne Auskunft über das qualitative Mehr der embryonalen Stammzellen zu geben. ({1}) Mir kommt es manchmal so vor, als ob das - ich will diesen Eindruck mit einfachen Worten wiedergeben - ein magisches Mehr ist, als ob es darum geht, an die Grundsubstanz der Schöpfung heranzukommen, der man dieses Mehr zutraut. Da, finde ich, kann man Wissenschaftlern zumuten, den mühseligeren Weg zu gehen, an den adulten Stammzellen das zu erforschen, was sie noch nicht ausgeforscht haben. ({2}) Eine Aufklärungsdebatte müssen wir, finde ich, angesichts der Möglichkeiten der Moderne auch über unsere eigenen Wünsche nach Heilung, aber auch über die Grenzen von Heilungsmöglichkeiten führen. Viele Debatten in der modernen Medizin haben damit zu tun. Aufklären müssen wir uns auch über das, was dem Staat erlaubt ist. Wir haben in der Debatte über die Organtransplantation zum ersten Mal einen kleinen Raum des Noch-Lebens vom Schutz des Staates freigestellt. Wir sind jetzt dabei, einen solchen freien Raum am anderen Ende des Lebens, am Anfang, zuzulassen. Wie weit dürfen wir noch gehen? Das ist die Frage, die uns allen gestellt wird und zu der wir selbst einen Präzedenzfall geschaffen haben. Ich will aber auch über die Freiheit reden. Wir brauchen und wir haben heute die Freiheit der Wahl. Alle die haben nicht Recht, die heute vor allem von den Gesetzen des nationalen Wissenschaftsraums Deutschland gesprochen haben. In der globalisierten Welt gibt es diese nationale Sphäre des wissenschaftlichen Forschens nicht mehr. Aber rund um uns herum, in den USA, in Großbritannien, an vielen Orten, existiert diese Forschung an den embryonalen Stammzellen. Welches Signal bedeutete es, wenn von einem Land wie unserem, das ebenfalls Spitzenforschung betreibt, gesagt würde: „Wir wollen heute vor allem an adulten Stammzellen forschen.“? Es ist - ich glaube, vom Herrn Bundeskanzler - gesagt worden, es werde einen Export von Wissenschaftlern geben. Ich meine dagegen: Eine solche Entscheidung dieses Hauses stellte eine riesengroße Einladung an die Wissenschaftler dar, die an den adulten Stammzellen forschen wollen. Ich bitte Sie alle, diesen Wissenschaftlern, aber auch uns selbst diesen Raum der Freiheit zu geben. Wir können wählen. Im Wissen der Menschheit ist verankert, dass es stets genügend Möglichkeiten gab, den jeweils anderen Weg zu gehen. Es gibt aber auch die Erfahrung, dass ein Weg gelegentlich in eine Sackgasse führt. Wir können heute noch Nein sagen. Bitte unterstützen Sie das und ermöglichen Sie so eine Alternative. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich bitte nunmehr auch noch für die drei letzten Redner um Ihre Aufmerksamkeit. Jeder Redner spricht für einen der drei Anträge. Ich gebe zunächst dem Kollegen Wolfgang Schäuble das Wort.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Viele haben in dieser Debatte vor allem einen Gegensatz zwischen der Menschenwürde und der Forschungsfreiheit herausgearbeitet. Ich beurteile das anders. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist doch wohl Ausdruck der Einzigartigkeit des Menschen gegenüber jeder anderen Form von Leben. Diese Einzigartigkeit des Menschen gegenüber jeder anderen Form von Leben ist, soweit ich es verstanden habe, naturwissenschaftlich nicht eindeutig zu begründen, sondern eine religiös begründete oder ethische Normsetzung. Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms kann die Einzigartigkeit menschlichen Lebens nicht begründen. Nur wenige Gene unterscheiden uns von anderen Lebewesen. Auch die Evolutionsbiologie kann den Punkt, an dem sich diese Einzigartigkeit des Menschen festmacht, nicht genau definieren. Es ist also eine religiös begründete oder ethische Normsetzung. Eines aber scheint klar zu sein: Neugier, Lernbereitschaft, der Drang nach immer mehr und immer neuer Erkenntnis ist beim Menschen einzigartig. Wenn also Forschung und Drang nach mehr Wissen das Besondere und Unverwechselbare des Menschen mit begründen, dann muss Forschungsfreiheit für mich eher Bestandteil der Unantastbarkeit der Menschenwürde sein, als dass sie zu ihr im Widerspruch stünde. ({0}) Im Übrigen hat in der Geschichte die Auffassung, was die Unantastbarkeit der Menschenwürde konkret bedeutet, immer sehr viel mit dem jeweiligen Stand von Forschung und Erkenntnis zu tun gehabt. Dies gilt auch für diese Debatte. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, hat aus heutiger Sicht Nein gesagt. Wie aber wollen wir die morgige Sicht finden, wenn wir heute nicht forschen dürfen? ({1}) Meine Kolleginnen und Kollegen, in der Geschichte sind anatomische Forschungen an Leichen lange als Verstoß gegen die Menschenwürde gewertet worden. Heute sehen wir das zweifelsfrei anders. Auch die Entschlüsselung des menschlichen Genoms oder die Organtransplantation werden kaum noch als Verstoß gegen die Würde des Menschen gewertet. Das heißt, der jeweilige Forschungsstand beeinflusst offenbar das Verständnis dessen, was Menschenwürde im Einzelnen bedeutet. In dieser Debatte geht es für mich eigentlich auch nicht um den Beginn des menschlichen Lebens. Das ist - wie das Sterben - doch wohl eher ein Prozess, als dass man es an einem Punkt, an einer Sekunde festmachen könnte. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde entfaltet übrigens Schutzwirkung auch über Anfang und Ende des individuellen menschlichen Lebens hinaus. Beim Umgang mit Verstorbenen und menschlichen Leichen wissen wir das. Umgekehrt treten auch diejenigen, die den Beginn menschlichen Lebens mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle definieren, nicht dafür ein, dass man zuvor, also mit den noch nicht verschmolzenen Zellen, unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde beliebig verfahren könnte. Also geht die Menschenwürde über Anfang und Ende des individuellen Lebens hinaus. ({2}) Ich kann mir menschliches Leben in seiner Einzigartigkeit nicht ohne die Mutter denken; ich will es auch gar nicht. Weil der Mensch viel mehr ist als die Summe seiner Gene, ist das Einzigartige des Menschen eben mehr als nur die genetische Definition des Individuums. ({3}) Dies sage ich in dem Wissen, dass bei katholischen und evangelischen Theologen, aber auch in den großen monotheistischen Weltreligionen die Meinungen darüber geteilt sind. Unsere bürgerliche Rechtsordnung hat übrigens bislang keinen Zweifel daran gelassen, dass die Frau, die ein Kind zur Welt bringt, auch die Mutter dieses Kindes ist. Das sollte man nicht gering schätzen, denn unser BürDr. Antje Vollmer gerliches Gesetzbuch ist auch zu Gesetz geronnene kulturelle Erfahrung. Der Hinweis auf andere Religionen, in denen das anders gesehen wird, bringt mich zu dem dritten Argument, das ich Ihnen bei Ihrer Entscheidung zu bedenken gebe. Aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde folgt, dass jeder Mensch Träger unveräußerlicher Menschenrechte ist, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder auch religiöser Überzeugung. Freiheit, Toleranz und Pluralismus folgen also zwingend aus diesem Verständnis. Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann uns eben nicht unberührt lassen, was andere Gesellschaften, Kulturen und Rechtsordnungen in Bezug auf diese Frage denken. Wenn andere Staaten in Europa oder auf anderen Kontinenten hinsichtlich der Forschung an Stammzellen zu anderen Ergebnissen kommen, sollten wir zurückhaltend sein, dies als Verstoß gegen die Unantastbarkeit der Menschenwürde zu bewerten. Frau Kollegin Knoche, Sie haben gesagt, andere Völker in Europa wären froh, wenn ihre Verfassungen den Schutz der Menschenwürde enthielten. In der Grundrechte-Charta der Europäischen Union ist der Satz von der Unantastbarkeit der Menschenwürde mit dem ersten Satz des Art. 1 Abs. 1 unseres Grundgesetzes identisch. Wir sollten also darauf achten, dass wir nicht andere aus dem Kreis derer hinaus argumentieren, die für den Schutz der Unantastbarkeit der Menschenwürde stehen. ({4}) Natürlich wird niemand durch den Hinweis auf Entscheidungen anderer von der Notwendigkeit entbunden, selbst eine Entscheidung zu fällen. Aber vielleicht legt das doch nahe, nicht nur einen Standpunkt kategorisch für den allein richtigen zu halten. Im Übrigen gibt es kaum einen Zweifel - das ist schon zu Beginn von Kollegin von Renesse gesagt worden -, dass wir Erkenntnisse, die andere aufgrund anderer Entscheidungen gewinnen sollten, in der Zukunft gegebenenfalls auch für uns nutzen werden. Auch das sollte uns im Hinblick darauf, was wir mit welcher Entschiedenheit rechtlich regeln wollen, eher zurückhaltend machen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich zitiere ErnstWolfgang Böckenförde: Aufgabe des Rechts ist es nicht, eine „Tugend- oder Wahrheitsordnung“ zu sein, sondern Aufgabe des Rechts ist es, auf der Grundlage der Unantastbarkeit der Menschenwürde und der unveräußerlichen und unverletzlichen Rechte jedes einzelnen Menschen eine „Ordnung des Friedens und der Freiheit“ zu ermöglichen. Wenn das die Aufgabe der Rechtsordnung ist, dann erfordert das, Raum für unterschiedliche kulturelle und religiöse Überzeugungen zu lassen. Anderenfalls wird das Recht seines Frieden stiftenden Charakters eher entkleidet. Aus all diesen Gründen plädiere ich dafür, die Freiheit der Forschung im Zweifel möglichst nicht durch gesetzliche Einzelregelungen zu beschränken. Auch ich bin dafür, dass man - wer immer das zu entscheiden hat - der Forschung an adulten Stammzellen den Vorrang einräumt. Das ist überhaupt nicht strittig. Aber sollen wir darüber als Gesetzgeber entscheiden? Ich meine: nein. Ich sage: Im Zweifel sollten wir die Freiheit der Forschung nicht durch gesetzliche Einzelregelungen reglementieren, sondern eher auf die gewissensstärkende Kraft eines ethischen Diskurses setzen. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es spricht der Kollege Wolf-Michael Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen hat ein Essener Biologe von seiner Forschung an adulten Stammzellen gesprochen; denn es gelang ihm, aus Knochenmarkstammzellen Leberzellen herzustellen. Dieser Wissenschaftler hat bei der Präsentation seiner Ergebnisse die Mitteilung über seine Erfolge in der adulten Stammzellforschung mit der klaren Aussage verbunden, dass auch nach seiner Auffassung angesichts des geringen Fortschritts der Stammzellforschung insgesamt und angesichts der zentralen Bedeutung, die ein besseres Verständnis der Differenzierung des Zellgewebes von Menschen hat - wie differenziert sich eine Stammzelle in bis zu 250 unterschiedliche Zelltypen -, auch die Einbeziehung der embryonalen Stammzellen in ein strategisches Konzept für die Stammzellforschung unverzichtbar sei. Ich verstehe die Argumente derjenigen, die eine eher wertorientierte Entscheidung mit wissenschaftlichen Argumenten untermauern wollen. Ich rate allerdings dringend davon ab, dass wir Parlamentarier - gar durch ein Gesetz - der Wissenschaft vorschreiben, was Erfolg versprechende und was weniger Erfolg versprechende Wege der Wissenschaft auf diesem schwierigen Gebiet sind. ({0}) Die Debatte ist heute auch - so werden das viele sehen, die in späteren Jahren über unsere Debatte nachdenken ein Maßstab für die Kultur des Umgangs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft in Deutschland, einer Gesellschaft, die immer mehr zu einer Wissenschaftsgesellschaft wird und in der die Frage grundsätzlich geklärt werden muss, wie wir mit einer Entwicklung, mit einer Perspektive umgehen, deren Kennzeichen es ist, dass wir als vernunftbegabte Wesen immer mehr wissen wollen und immer mehr wissen werden. Uns ist das Schicksal mitgegeben, vernunftbegabt zu sein. Der Glaube, uns durch Nicht-mehr-wissen-Wollen sozusagen ethische Grenzen zu setzen, ist der falsche Ansatz. ({1}) Wir sind als Menschen dazu verurteilt, Maßstäbe für einen verantwortlichen Umgang mit dem, was die Wissenschaft an erwarteten und an unerwarteten Ergebnissen hervorruft, zu entwickeln, oder wir versagen als Menschen. ({2}) Genossinnen und Genossen! - Entschuldigung. ({3}) - Meine Damen und Herren, Sie auf der rechten Seite haben es in Ihren Fraktionen leichter, da Sie die Anrede „Liebe Freundinnen und Freunde“ benutzen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wissenschaft war immer mit Tabubrüchen verbunden. Ich stimme dem Kollegen Schäuble zu: Die Öffnung von Leichen im späten Mittelalter - Christen sind zu diesem Zweck in muslimische Gebiete ausgewichen - war ein unerhörter Tabubruch. Die Vorstellung der christlichen Kirchen über den Beginn des menschlichen Lebens hat sich Mitte des 19. Jahrhunderts dadurch dramatisch geändert, dass man sich erstmals über die Bedeutung der Eizelle klar wurde. Bis dahin gingen die christlichen Kirchen von einem Konzept der schrittweisen Beseelung des Menschen im Laufe seiner Entwicklung aus. Unsere Vorstellungen vom menschlichen Leben sind untrennbar mit den neuen Fragen und mit den neuen Ergebnissen der Wissenschaft verbunden. Die Stammzellforschung ist ein strategisch wichtiges Feld. Allerdings stehen wir vor dem Dilemma, dass zur Erzeugung embryonaler Stammzellen Embryonen, also menschliches Leben, verbraucht worden sind. Dieses Parlament wird das, was geschehen ist, durch seine heutige Entscheidung nicht rückgängig machen können. In dem Kompromissantrag von Frau von Renesse, Frau Böhmer und anderen Abgeordneten, den ich nachhaltig unterstütze, wird versucht, durch Regulierung der Forschung pragmatische Ziele zu setzen: Erstens. Es soll kein zusätzlicher Bedarf an neuen Stammzelllinien von deutschen Forschern erzeugt werden. Zweitens. Es soll in jedem Einzelfall geprüft werden, ob es andere Wege als den der Forschung an embryonalen Stammzellen gibt, um das Forschungsziel zu erreichen. Das ist ein pragmatischer Weg, um die Hochrangigkeit der Forschung sicherzustellen. Drittens. Wir wollen - das ist wichtig - mit unserm Antrag auch sicherstellen, dass in Deutschland nicht dieselbe schizophrene Situation wie in den USA entsteht, wo es eine unterschiedliche Ethik für öffentlich finanzierte Forschung und für von privaten Unternehmen finanzierte Forschung gibt. Eine solche Schizophrenie der Ethik darf nicht zum Modell deutscher Politik werden. Ich sehe in der heutigen Entscheidung aber auch ein grundsätzliches Problem. In dem Nein-Antrag wird versucht, eine ethisch ehrenwerte Position zu beschreiben. Es werden aber auch Taten gefordert: Die Bundesregierung wird in Kenntnis des grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Problems aufgefordert, die Freiheit der Forschung, die grundgesetzlich garantiert ist, durch das Verbot der Forschung an embryonalen Stammzellen einzuschränken, obwohl diese keine Embryonen sind und obwohl aus ihnen kein Mensch entstehen kann. Sie unterliegen also nicht unmittelbar dem Schutz des Grundgesetzes. Wollen Sie dieses Problem nur der Bundesregierung zuschieben? Nein, wir müssen das heute in unserer Verantwortung bewerten. ({4}) Deshalb werden diejenigen, die wie ich den Antrag von Frau von Renesse, Frau Böhmer und anderen Abgeordneten unterstützen, selbst die Initiative ergreifen und nach einer entsprechenden Entscheidung des Deutschen Bundestages möglichst noch in der nächsten Sitzungswoche einen Gesetzentwurf in erster Lesung einbringen, der der Wissenschaft drei Dinge klar machen soll: Der ethische Abwägungsprozess soll nach Kriterien erfolgen, die für die Wissenschaft klar und berechenbar sind. Es soll nach Verfahren erfolgen, die für die Wissenschaft kalkulierbar bleiben. Wir dürfen uns nicht in die Gefahr bringen lassen, heute mutige Entscheidungen zu treffen und anschließend der Wissenschaft mitteilen zu müssen: Vielleicht wissen wir erst in der nächsten Legislaturperiode, ob und wie sich das Nein durchsetzen lässt oder wie der kontrollierte Umgang mit embryonalen Stammzellen auch praktisch möglich ist. Ich denke, mit der Zustimmung zu dem Antrag, den ich unterstütze, kann das Parlament seine Verantwortung für die Gestaltung der Rahmenbedingungen der Verwendung von embryonalen Stammzellen in Deutschland wahrnehmen. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Als letzter Redner spricht der Genosse Norbert Lammert. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Unser ausgesprochen gutes persönliches Verhältnis wird durch diese Gemeinheit nicht ernstlich getrübt werden. ({0}) Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Je mehr ich in den vergangenen Monaten über das Thema, über das wir heute diskutieren, gehört und gelesen habe und je mehr ich glaubte, davon verstanden zu haben, desto unsicherer bin ich in meiner Beurteilung vieler Aspekte der Genomforschung und der Biomedizin geworden. Drei Einschätzungen sind mir allerdings ganz persönlich bei meinem jedenfalls sehr ernsthaften Bemühen um sorgfältige Behandlung dieses Themas zur Gewissheit geworden: Erstens. Es gibt keine Entscheidung, die ethisch vollkommen aufgeht, die über alle Zweifel erhaben ist, weil sie allen ethischen Ansprüchen genügt. Zweitens. Es gibt keine Möglichkeit, das grundsätzliche Verbot der Forschung an menschlichen Embryonen gleichzeitig mit der Erlaubnis der Forschung unter bestimmten Bedingungen zu verbinden. ({1}) Wenn Forschung an Embryonen und ihre Tötung unter festgelegten Voraussetzungen überhaupt erlaubt ist, dann wird aus genau denselben Gründen auch die Herstellung von Embryonen zu Heilungs- und Forschungszwecken erlaubt werden. ({2}) Der gesamte Gang der Menschheitsgeschichte ist eine unübersehbare Demonstration der Eigendynamik solcher Entwicklungen. Deshalb kann die Genehmigung des Imports von embryonalen Stammzellen - trotz aller guten Motive, die einer solchen Entscheidung zugrunde liegen mögen und die ich keinen Augenblick in Abrede stelle ganz gewiss nicht die Brandmauer zum Schutz menschlichen Lebens und der Würde des Menschen sein, als die sie in dieser Diskussion immer wieder ausgegeben wird. ({3}) Drittens. Soweit uns die Fortschritte der Biogenetik Heilungschancen für bislang nicht therapierbare, schwere Krankheiten eröffnen, bieten sie zugleich höchst zweifelhafte Aussichten auf eine genetische Programmierung noch nicht geborener Menschen. In Frankreich gibt es nach Auskunft des Vorsitzenden des Nationalen Ethikrates gegenwärtig vier Fälle, in denen Kinder genetisch so „optimiert“ werden sollen, dass man aus ihren Körpern später Zellen gewinnen kann, mit denen ihre kranken Geschwister geheilt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon ihre Geburt verfolgt einen anderen Zweck als sie selbst. ({4}) Genau dies, die Nutzung von Embryonen, ist die Verdinglichung werdenden menschlichen Lebens. Dies ist für mich der Anfang vom Ende einer glasklaren Unterscheidung zwischen Person und Sache. ({5}) Genau deswegen geht es bei den heute zu treffenden Entscheidungen eben nicht nur um den Umgang unserer Gesellschaft mit Wissenschaft und Technik, sondern auch um den Umgang unserer Gesellschaft mit ihren grundlegenden Wertüberzeugungen. Aldous Huxleys „Schöne Neue Welt“ mit dem nach mathematisch-naturwissenschaftlichen Gesetzen perfekt funktionierenden Menschen wäre bestenfalls eine neue, ganz gewiss aber keine schöne Welt. Der Mensch hat sich, so wie er geschaffen ist und sich entwickelt hat, nie mit den Defiziten seiner Existenz abfinden wollen - am wenigsten mit der Schicksalhaftigkeit von Anfang und Ende seines Lebens. Er hat immer wieder vorgefundene Grenzen bekämpft, bis sie überwunden, mindestens aber verschoben waren. So ist das Maß des Möglichen immer mehr zum Maßstab des Erlaubten geworden. Und wenn am Ende alles möglich ist, soll dann auch alles erlaubt sein? Die Politik - dieses Parlament hat nicht zu klären, was wissenschaftlich, technisch oder medizinisch möglich ist, sondern es hat zu entscheiden, was in unserer Gesellschaft erlaubt sein soll und was nicht zugelassen werden darf. ({6}) Dies ist unsere ureigene Aufgabe. Vor gut zehn Jahren - darauf ist in dieser Debatte mehrfach hingewiesen worden - hat der Bundestag das Embryonenschutzgesetz beschlossen. Damals wollte er das Entstehen menschlichen Lebens auch außerhalb des Mutterleibes möglich machen. Zugleich wollte er jede Manipulation menschlichen Erbguts unterbinden. Wie ernst haben wir das Verbot der Forschung an menschlichen Embryonen und embryonalen Stammzellen eigentlich gemeint, wenn es fallen soll, sobald Wissenschaft und Medizin die Möglichkeiten dafür eröffnen? ({7}) Wie unantastbar sind der Schutz des Lebens und die Würde des Menschen von seinem Entstehen an, wenn sie - über den unlösbaren Konflikt „Leben gegen Leben“ hinaus - der Abwägung mit anderen Interessen zum Opfer fallen können? Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Anfängen zu wehren, ist es längst zu spät. Aber es ist nie zu spät, Entwicklungen, deren Folgen unabsehbar sind, anzuhalten oder mindestens aufzuhalten - wenn wir nur den Mut haben, Nein zu sagen, solange dies - hoffentlich - noch möglich ist. ({8})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schließe die Aussprache. Es liegen eine Reihe von Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor. Sie werden zu Protokoll genommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zur Abstimmung über die drei Gruppenanträge. Sie benötigen den blauen Stimmzettel. Ich bitte Sie, den Namen und die Fraktion einzutragen. Stimmzettel, die mehr als ein Kreuz aufweisen, kein Kreuz aufweisen oder keinen lesbaren Namen enthalten, sind ungültig. Sie benötigen neben dem blauen Stimmzettel auch noch die weiße Stimmkarte aus Ihrem Stimmkartenfach in der Lobby. Bekannt ist, dass im ersten Abstimmungsgang der Antrag angenommen ist, der die einfache Mehrheit erhält, das heißt, mehr Ja-Stimmen als alle anderen Anträge zuDr. Norbert Lammert sammen zuzüglich der Nein-Stimmen; sonst wird ein zweiter Wahlgang erforderlich. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, benutzen Sie bitte auch die Urnen an den Ausgängen. Dort ist nicht ein solcher Andrang wie hier vorne; dann geht es schneller. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Geduld. Ich kann das Ergebnis noch nicht bekannt geben, weil mir das Abstimmungsprotokoll noch nicht vorliegt. - Die Stimmzettel für die nächste Abstimmung werden schon verteilt, Sie müssen aber noch einen Augenblick warten, bis wir das Protokoll offiziell verlesen haben. Ich darf schon jetzt darum bitten, bei der zweiten Abstimmung darauf zu achten, den Namen auf den Stimmzettel zu schreiben. Bei der ersten Abstimmung waren 18 Stimmzettel - ich glaube, das kann ich schon jetzt sagen - ungültig, weil kein Name verzeichnet war. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass ich, bevor ich den zweiten Abstimmungsgang aufrufe, noch einmal deutlich machen werde, wann ein fehlerhaft angekreuzter Stimmzettel zur Ungültigkeit führt. Ich darf die Gelegenheit nutzen, die Parlamentarischen Geschäftsführer zu fragen, ob entgegen der ursprünglichen Absicht auf eine Abstimmungspause verzichtet werden kann. ({0}) - Sobald das Protokoll verlesen wurde, lasse ich also mit der zweiten Abstimmung beginnen. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die unter- brochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift- führern ermittelte Ergebnis der ersten Abstimmung be- kannt. Abgegebene Stimmen 617. Ungültige Stimmen - darauf habe ich hingewiesen - 18, gültige Stimmen 599. Mit Nein haben gestimmt 2, Enthaltungen 2. Es entfielen auf die Drucksache 14/8101 - Dr. Wodarg und andere - 263 Stimmen, auf die Drucksache 14/8102 - Dr. Böhmer und andere - 226 Stimmen, auf die Drucksache 14/8103 - Frau Flach und andere - 106 Stimmen.1) Ein Antrag ist angenommen, wenn er mehr Stimmen als die beiden anderen Anträge zusammen zuzüglich der Neinstimmen erhalten hat. Keiner der Anträge hat bei der ersten Abstimmung diese erforderliche Mehrheit erreicht. Der Antrag auf Drucksache 14/8103, auf den die geringste Zahl der Stimmen entfiel, scheidet für das weitere Abstimmungsverfahren aus. Die beiden bestplatzierten Anträge 14/8101 und 14/8102 kommen in den zweiten Abstimmungsgang. Für diese Abstimmung benötigen Sie jetzt den gelben Stimmzettel und wieder den weißen Stimmausweis. Ich bitte herzlich darum, dass alle ihren Namen eventuell mit Ortszusatz und ihre Fraktion eintragen, und zwar leserlich. Wir haben wieder nur die Möglichkeit, ein Kreuz auf dem Stimmzettel zu machen. Sie können für einen der beiden verbliebenen Anträge, für Nein oder für Enthaltung stimmen. Auch hier gilt: Stimmzettel, die mehr als ein Kreuz, gar kein Kreuz oder keinen lesbaren Namen aufweisen, sind ungültig. Ein Antrag ist in diesem Abstimmungsgang dann angenommen, wenn er mehr Stimmen als der andere Antrag zuzüglich der Neinstimmen enthält. Ich weise ferner darauf hin, dass es nicht auszuschließen ist, dass sich ein dritter Wahlgang anschließt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich sehe, dass alle Urnen besetzt sind. Ich eröffne die Abstimmung. Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme abgegeben? - Das ist der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich erneut die Sitzung. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kol- leginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wie- der eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der zweiten Abstim- mung über die Anträge zur Stammzellforschung bekannt. Abgegebene Stimmen 618. Ungültig eine Stimme. Gül- tige Stimmen 617. Mit Nein haben gestimmt 10, Enthal- tungen zwei. Auf die Drucksache 14/8101, den Antrag des Abge- ordneten Wodarg und anderer, entfielen 265 Stimmen, auf die Drucksache 14/8102, den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Böhmer und anderer, entfielen 340 Stimmen.2) ({0}) Ein Antrag ist angenommen, wenn er zuzüglich der Nein- stimmen mehr Stimmen erhält als der andere Antrag. Das heißt, der Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Margot von Renesse, Andrea Fischer, Horst Seehofer und anderer auf Drucksache 14/8102 mit dem Titel „Keine Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters 1) Endgültiges Ergebnis und Namensliste siehe Seite 21239 ({1}) 2) Endgültiges Ergebnis und Namensliste siehe Seite 21250 ({2}) verbrauchende Embryonenforschung - Import humaner embryonaler Stammzellen grundsätzlich verbieten und nur unter engen Voraussetzungen zulassen“ hat im zweiten Abstimmungsgang die erforderliche Mehrheit erhalten und ist damit angenommen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 31. Januar, 9.00 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.