Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/23/2002

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie wissen, dass ich mich in meiner Sympathie für die Gründung einer Bundeskulturstiftung weder durch seriöse noch durch gelegentlich skurrile Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über das angemessene Verständnis des Kulturföderalismus irritieren lasse und deswegen immer schon der Meinung war, dass es weder einen wirklich überzeugenden Grund gibt, dass der Bund eine solche Kulturstiftung auf gar keinen Fall machen dürfe, noch es überzeugend wäre, eine solche Kulturstiftung um jeden Preis zu errichten. Deswegen möchte ich mich ausdrücklich auf die von Ihnen noch einmal dargestellten Vereinbarungen mit den Ländern beziehen. Ich empfinde es schon als einen wunderschönen Ausdruck der Skurrilitäten dieser Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern über die Kompetenzverteilung im deutschen Kulturföderalismus, dass die Kulturstiftung der Länder ihren Sitz in Berlin nehmen wird, die Bundeskulturstiftung dagegen in Halle. Ich hätte von Ihnen gerne gewusst, ob der Bund bei der angestrebten Zusammenführung dieser beiden Stiftungen darauf bestehen wird, den Ländern im Interesse eines lebendigen Kulturföderalismus entgegenzukommen und bei einer Fusion der beiden Stiftungen den Sitz der Kulturstiftung der Länder in Berlin beizubehalten, oder ob hier eine umgekehrte Präferenz verfolgt wird, was nach den Erfahrungen der letzten Monate neue, unnötige Auseinandersetzungen erwarten lässt.

Not found (Gast)

Darf ich den Skurilitäten noch eine hinzufügen? Es war kritisiert worden, dass die Aktivitäten des Bundes zu sehr Berlin-zentriert seien. In dem Papier der Chefs der Staatskanzleien wird aber nun gerade als Empfehlung zugrunde gelegt, der Bund solle sich insbesondere auf die beiden Städte Bonn und Berlin konzentrieren. Beides geht nicht: kritisieren, dass zu viel in Berlin stattfindet, und zugleich fordern, dass man sich darauf zu beschränken habe. Was den Stiftungssitz angeht, haben mir die Kollegen Kultusminister aus den Ländern gesagt, die Entscheidung für Berlin als Stiftungssitz sei vor der deutsch-deutschen Wiedervereinigung getroffen worden. Sie wäre danach wohl nicht mehr zugunsten Berlins ausgefallen. Das zeigt, dass die Frage des Sitzes einer gemeinsamen Stiftung sicherlich noch sehr streitig diskutiert werden wird. Wir haben beim letzten Treffen des Stiftungsrates der KSL vereinbart, im Hinblick auf eine solche angestrebte gemeinsame Stiftung - ohne jetzt schon eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob es zu einer gemeinsamen Stiftung kommt - für die Zusammenarbeit zumindest ein gemeinsames Dach zu etablieren. Das ist in der Liegenschaft, die die Kulturstiftung der Länder jetzt für ihre Zwecke nutzt, aber auch darüber hinaus vielleicht auch im Bereich der Verwaltung - das müssen wir noch sehen möglich, sodass Halle Stiftungssitz wird - dort wird auch die Verwaltung der Kulturstiftung des Bundes sein - wir aber als Außenstelle die Kulturstiftung der Länder in Berlin haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich noch eine Zusatzfrage stellen?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bei den Verhandlungen mit den Ländern hat insbesondere in der Schlussphase das Interesse der Länder an einer Entflechtung der Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Kulturförderung eine große Rolle gespielt. Wenn ich das Ergebnisprotokoll der Besprechung der Ministerpräsidenten vom genannten Datum richtig verstehe, dann ist dies auch ausdrücklich vereinbart worden. Im Augenblick lasse ich außen vor, ob sich für einen Ehrgeiz in Bezug auf die Entflechtung von gemeinsam wahrgenommenen Aufgaben vorrangig der Kulturbereich anbietet oder ob im Interesse der Förderung von Kunst und Kultur nicht andere Felder sinnvoller wären, wozu ich persönlich stark neige. Ich hätte von Ihnen gerne gewusst, ob hinsichtlich der damals von den Regierungschefs bekundeten Absicht, die betreffenden Grundsatzbeschlüsse - nämlich ihre eigenen Positionen, zu denen die Entflechtungsabsicht gehört - in Verhandlungen mit dem Bund bis zum 8. März dieses Jahres - das ist gewissermaßen übermorgen - zu unterschriftsreifen Vereinbarungen zu konkretisieren, auch anschließend mit der Bundesregierung eine Vereinbarung getroffen worden ist und, wenn ja, ob aus Ihrer Sicht eine ernsthafte Aussicht besteht, auch nur in der Nähe dieses Termins zu einer seriösen Entflechtungskonzeption zu kommen.

Not found (Gast)

Ich bevorzuge - übrigens wohl ganz in Ihrem Sinne - den Begriff „Systematisierung“ gegenüber dem der Entflechtung. „Systematisierung“ kann Entflechtung heißen - im Einzelfall halte ich das auch für sinnvoll; es gibt Verflechtungen, die man im Sinne einer klareren Verantwortungsteilung auflösen sollte -, aber nach meiner Auffassung gibt es auch Aufgaben, die nur Länder und Bund - entweder Sitzland und Bund oder Ländergesamtheit und Bund, zum Beispiel die Stiftung Preußischer Kulturbesitz - angemessen wahrnehmen können. In der gemeinsamen Besprechung mit dem Bundeskanzler - nur an dem Teil habe ich natürlich teilgenommen - ist von Bundesseite sehr deutlich die Skepsis formuliert worden, dass man sicherlich nicht bis zum März bei einer doch starken Divergenz im Grundsätzlichen - es gibt immerhin zwei Papiere bzw. zwei juristische Stellungnahmen dazu, die sehr weit auseinander liegen - zu einem Ergebnis kommen wird. Sonst hätte es in der Tat nahe gelegen, das noch abzuwarten. In der Sitzung hat auch niemand ernsthaft der Ansicht widersprochen, dass es unrealistisch sei, bis zum 8. März eine Einigung erzielen zu wollen. Ich sehe das nach wie vor sehr skepVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms tisch und meine, wir müssen das sehr viel gründlicher angehen. Sonst finden wir keine tragfähige Basis. Das wird aber noch dauern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als Nächster hat der Kollege Eckhardt Barthel das Fragerecht.

Eckhardt Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003032, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ich möchte damit beginnen, Ihnen zunächst einmal dazu zu gratulieren, dass Sie den Zug, der seit 30 Jahren auf dem Bahnhof stand, nun auf die Schiene gebracht haben. Das war sicherlich keine leichte Arbeit. ({0}) Ich freue mich, dass Sie diesen Erfolg gehabt haben. Das war auch wichtig. Nun wird dies in den Medien nicht von allen so euphorisch, wie ich das tue, begrüßt und als Erfolg gewertet, sondern es geht in den Medien teilweise um die Frage: Ist das Glas halb voll oder halb leer? - Da wir wohl beide der Meinung sind, dass dieses Glas nicht nur halb voll ist - ich würde sagen, dass es zwei Drittel voll ist -, hätte ich gerne eine Bewertung Ihrerseits zu dieser Auseinandersetzung. Ich möchte mich der Frage meines Vorredners in Bezug auf die Entflechtungs- oder Systematisierungsdebatte anschließen. Ich betrachte sie eigentlich als eine Belastung für die weitere Entwicklung und das schnelle Vorankommen der Bundeskulturstiftung. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen der aufgesetzten Entflechtungsdebatte und der Entwicklung der Bundeskulturstiftung?

Not found (Gast)

Nach meiner Überzeugung gibt es eine - ich möchte es bewusst so nennen - nationale Verantwortung für die Kulturentwicklung in Deutschland, die die Länder und Kommunen allein auf sich gestellt nicht wahrnehmen können. Das gilt selbstverständlich vor allem für die internationale Dimension bzw. den internationalen Kontext. Der Begriff „Ländergesamtheit“ steht nicht in der Verfassung. Von daher meine ich, dass diejenigen Stellungnahmen von Verfassungsjuristen, die die Meinung vertreten, es liege in der Natur der Sache, dass der Bund in nationaler Verantwortung eine kulturpolitische Kompetenz hat, zutreffend sind. Dieser Punkt ist bis jetzt noch nicht geklärt, mit der Folge, dass sich die jetzt etablierte Kulturstiftung des Bundes in diesem Bereich zurückhalten muss, übrigens entgegen dem, was die Länder vorschlagen. Die Ministerpräsidenten und die Kollegen Kultusminister treten nämlich des Öfteren an mich heran und machen mich darauf aufmerksam, dass dieses Projekt oder jene Institution gefördert werden sollte, weil es bzw. sie von nationaler Bedeutung sei. Hier muss man den Klärungsprozess auf der Länderseite abwarten, der offensichtlich noch nicht erfolgt ist. Insofern ist das Glas noch nicht ganz voll. Allerdings sehe ich das deswegen nicht als eine große Behinderung der Kulturstiftung des Bundes in ihrer Anfangsphase an, weil wir insbesondere aufgrund der Entwicklung seit dem 11. September vor der großen zusätzlichen Herausforderung stehen, den Schwerpunkt im internationalen Kulturaustausch zu setzen. Hier besteht kein Dissens über die Kompetenz des Bundes. Es gibt andere Bereiche - das wird Sie verwundern; aber ich nehme das sehr ernst -, die schon 1973 angesprochen wurden. Es entsteht in den nächsten Jahren eine neue Situation durch die Einbeziehung unserer östlichen Nachbarländer - zuerst als Beitrittskandidaten und dann als Mitgliedstaaten - in die Europäische Union. Wir müssen einen Prozess in Gang setzen, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland sehr erfolgreich in Richtung Westen erfolgt ist, insbesondere in Richtung Frankreich, wenn ich an den deutsch-französischen Kulturaustausch denke. Der Prozess in Richtung Polen ist noch lange nicht so weit. Das betrifft auch das Bewusstsein bei uns im Land. Wir haben also mit der Kulturstiftung des Bundes genug zu tun, wenn wir diese Felder vorrangig angehen wollen. Damit sind wir in der Phase, in der eine Klärung noch nicht stattgefunden hat, auf der sicheren Seite.

Eckhardt Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003032, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich eine zweite Frage anschließen?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Mir liegen noch sehr viele Wortmeldungen von anderen Abgeordneten vor. Diese möchte ich zuerst abarbeiten. Sie können sich danach gern noch einmal zu Wort melden. Nächster Fragesteller ist der Kollege Hartmut Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in der Kabinettsvorlage nehmen Sie auch zur Geschichte der Stiftungsidee Stellung und beziehen sich dabei ausdrücklich auf die Regierungserklärung des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt vom 18. Januar 1973, aus der Sie die Begründung der Notwendigkeit einer Kulturstiftung des Bundes zitieren, nämlich dass es bei einer solchen Stiftung auch darum gehen müsse, dem Erbe ostdeutscher Kultur eine Heimat zu geben. Da Sie für die Begründung der Stiftungsidee das eben erwähnte Zitat aus der Regierungserklärung Willy Brandts verwenden, frage ich Sie, ob Sie sich vorstellen können, dass sich eine solche Stiftung - dafür gibt es nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes einen klaren gesetzlichen Auftrag - auch mit dem Erbe der Gebiete der deutschen Heimatvertriebenen beschäftigt. Dieser Teil der Kulturpolitik fällt ja ausdrücklich in die Zuständigkeit des Bundes.

Not found (Gast)

Sie können die Wahl des Stiftungsortes Halle auch als ein Signal dafür sehen - so ist es auch gemeint -, dass in dem deutsch-deutschen Einigungsprozess, der seit über zehn Jahren andauert, auch eine kulturelle Herausforderung bzw. Dimension enthalten ist. Ich möchte jetzt nicht mit Ihnen über den Begriff „Ostdeutschland“ diskutieren. Aber natürlich bezieht sich diese Dimension auch auf den Bereich, der in § 96 des Bundesvertriebenengesetzes, der auch einen kulturellen Auftrag an den Bund beinhaltet, geregelt ist. Ich bin der Auffassung, dass man die kulturelle Herausforderung, die darin besteht, dass die Gebiete, aus denen die Vertriebenen ursprünglich kommen, zum Teil in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union angesiedelt sein werden, mit einer entsprechenden kulturellen Schwerpunktsetzung annehmen kann, ohne dass die Thematik der Nachkommen der Generation im Mittelpunkt stehen muss, die unmittelbar von den Vertreibungen in der Endphase des Zweiten Weltkriegs und nach dem Zweiten Weltkrieg betroffen war. Darin steckt eine Aufgabe der Stiftung. Die Antwort ist: Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich möchte das Fragerecht gern weitergeben und Sie, Herr Koschyk, nachher noch einmal aufrufen. Die nächste Frage stellt der Kollege Hans-Joachim Otto.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, ich möchte auf die Kompetenz- und Föderalismusfrage zurückkommen. Sie haben vorhin eine schöne Formulierung benutzt. Mit Bezug auf Ihre Gespräche mit den Ministerpräsidenten sagten Sie: „bei allen Übereinstimmungen im Detail“. Mir geht es jetzt eher um die Übereinstimmung im Grundsatz. In Protokollen wird vieles diplomatisch verbrämt. Können Sie bestreiten, dass Ihr Vorgehen, nämlich den 8. März nicht abzuwarten und diese Stiftung des Bundes jetzt zu errichten, auf der Länderseite zu einer Verärgerung geführt hat - bei allem Bemühen um Entflechtung usw. - und dass man an Sie die Bitte herangetragen hat, dieses jetzt nicht im Alleingang zu tun, sondern zunächst einmal die Systematisierung - so haben Sie es genannt abzuwarten? Meine zweite Frage knüpft daran an: Können Sie bestätigen, dass der Rückzug der Länder aus der Finanzierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der ja weitreichende Folgen hat, einen Zusammenhang mit Ihrem Vorgehen aufweist?

Not found (Gast)

Herr Otto, da irren Sie sich, und zwar in beiden Punkten. Die Kultusminister der Länder haben den Wunsch geäußert, dass diese Stiftung ihre Arbeit nur in Fusion mit der Kulturstiftung der Länder aufnimmt. Entgegen dem, was ich etwa im Mai vorgeschlagen habe, haben sie keine getrennten Verantwortlichkeiten unter einem gemeinsamen Dach, sondern eine vollständige Integration gewollt. Mit dem Juli-Konzept, das Sie kennen, bin ich auch dem entgegengekommen und habe eine Konzeption für eine vollständig integrierte Stiftung vorgelegt. Wir waren also kurz vor einer Einigung mit der Zusage von Länderseite, dass das bis Juli - so hieß es ursprünglich - bzw. dann bis Oktober abschließend geklärt ist. Ich bin nach 30 Jahren Vorgeschichte selbstverständlich nicht mehr bereit, diese Thematik auf einen ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft zu verschieben mit der Folge, dass das Vorhaben erneut zerredet wird. Man muss auch im Kulturbereich zeigen, dass stringentes, ergebnisorientiertes Handeln möglich ist. Die KMK weiß, wovon ich rede. Die Ministerpräsidenten der Länder haben die Angelegenheit dann zu ihrer Sache gemacht und gesagt: Wir wollen auch im Kulturbereich - der Kollege Lammert hat das zuvor angesprochen - diskutieren, was wir generell anstreben, nämlich eine möglichst vollständige Entflechtung der Zuständigkeiten des Bundes und der Länder. Damit war die Ebene der Kultusminister bei den weiteren Gesprächen ausgeklammert. Wenn diese Position die Basis ist, dann kann man sich selbstverständlich nicht mehr gegen eine Aufgabentrennung auch unter einem gemeinsamen Dach einer angestrebten Stiftung stellen. Das ist auch der Inhalt der Besprechung der Ministerpräsidenten gewesen, in der es geheißen hat: Die Frage, ob ein gemeinsames Dach errichtet wird, muss man dann klären, aber jedenfalls soll es eine klare Verantwortungsteilung geben. Der Appell, doch noch bis März zu warten, ist bei der entscheidenden Sitzung am 20. Dezember von den Ministerpräsidenten nicht mehr erfolgt. Die Ministerpräsidenten haben vielmehr gesagt: Wir sehen ein, dass der Bund das jetzt beginnt. Wir wollen ohnehin getrennte Verantwortlichkeiten auch unter einem gemeinsamen Dach. Die Zusicherung vonseiten des Bundes, dass wir nur im unstrittigen Bereich mit den Förderungen beginnen, war für diese Einigung zwischen Bund und Ländern allerdings wesentlich. Wenn man dieser Philosophie folgt, dass auch für eine zukünftige gemeinsame Stiftung eine getrennte Verantwortlichkeit fortbestehen muss - das wird natürlich Thema der Gespräche sein -, dann heißt das, dass wir jetzt die eine Säule errichten - die andere Säule gibt es schon in Form der Kulturstiftung der Länder -; wir bereiten damit das gemeinsame Dach vor. Lassen Sie mich zum Schluss noch eine persönliche Einschätzung geben. Es gab Ministerpräsidenten, die eine Zeit lang der Meinung waren, wir sollten die Entscheidung noch bis zum März aufschieben. Es ist völlig unrealistisch, dass wir bis März zu einer Einigung kommen. Was passiert wäre, liegt auf der Hand: Man hätte sich im März wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten erneut vertagt - vielleicht auf Juli. Glauben Sie ernsthaft, dass wir dann in dieser Legislaturperiode noch zu einem Ergebnis gekommen wären? Ich halte das für eine ganz unrealistische Vorstellung. Es besteht die Erwartung der Künstlerinnen und Künstler, dass wir etwas tun. Es wäre unverantwortlich gewesen, diese Erwartung jetzt nicht zu erfüllen. Wir mussten jetzt unseren Beitrag leisten; er soll dann - das ist das fortbestehende Ziel - mit dem zusammenwachsen, was die Länder mit der Kulturstiftung der Länder etabliert haben. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Otto, der Herr Staatsminister kann Ihre Fragen beantworten, wie er es für richtig hält. ({0})

Not found (Gast)

Es ist richtig: Diese Frage war schon gestellt. Entschuldigen Sie, das ich sie nicht gleich mitbeantwortet habe. Auf der Basis der Philosophie der vollständigen Verantwortungsteilung liegt es natürlich nahe, auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit einzubeziehen. Mein Eindruck ist - da dürfen Sie allerdings nicht mich fragen, sondern müssen sich an Vertreter der Länder wenden -, dass der Meinungsbildungsprozess zu dieser spezifischen Frage noch nicht abgeschlossen ist. Alles andere würde einen Widerspruch darstellen: Im gemeinsamen Teil dessen, was am 20. Dezember des letzten Jahres besprochen worden ist, heißt es, dass man die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in die Entflechtung mit einzubeziehen habe. Wenn das aber heute schon entschieden wäre, bräuchte man es gar nicht mehr mit einzubeziehen. Meine Erwartung ist daher, dass es dazu bei den Ländern noch eine Klärung gibt. Ich fände es wünschenswert, wenn Bund und Länder das große nationale kulturelle Erbe Preußens auch in Zukunft gemeinsam tragen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage hat die Kollegin Monika Griefahn.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, zunächst auch von mir herzlichen Glückwunsch dazu, dass es nun endlich geklappt hat. ({0}) Ich glaube, wir können uns darüber freuen, dass im Haushalt bereits für dieses Jahr Mittel veranschlagt sind, die wir auch gerne ausgeben wollen. Ich denke, die Bürgerinnen und Bürger, die Künstlerinnen und Künstler werden nun - da die Mittel eingestellt, die Gründung vorgesehen und der Beschluss gefasst ist - fragen - und das ist auch meine Frage -, wie die Projekte aussehen sollen und wie sich der Verfahrensablauf für dieses Jahr darstellt. Sie sprachen davon, dass internationale Projekte in diesem Jahr Vorrang haben sollen; Sie sprachen auch davon, dass Länderminister bereits konkrete Projektvorschläge gemacht haben. Wie soll also das weitere Prozedere aussehen?

Not found (Gast)

Wir sollten vonseiten der Politik nicht der konkreten Arbeit der Stiftung vorgreifen. Die Politik wird im Stiftungsrat ja auch vertreten sein; dort können wir unsere Vorstellungen einbringen. Aus meiner Sicht steht schon heute fest, dass wir eine sorgfältige Trennung zwischen Programmentscheidungen - also Entscheidungen darüber, welche Schwerpunkte gesetzt werden und welche Mittel für die jeweiligen Schwerpunkte zur Verfügung stehen; das ist Aufgabe des Stiftungsrates - und Projektentscheidungen - also Entscheidungen über Einzelprojekte, die im Rahmen eines solchen Programmes realisiert werden; das sollte Sache von Fachgremien und des Vorstandes der Stiftung sein - aufrechterhalten sollten. Aus dem Letzteren sollte sich die Kulturpolitik - jedenfalls ist das meine Empfehlung - heraushalten. Damit hätten wir ein Modell für eine staatsferne Förderung der Kunst. Wir sollten nicht zulassen, dass sich das mit der Zeit verschiebt. Ich will allerdings nicht ausschließen, dass einzelne größere Projekte von besonderem Gewicht außerhalb von Programmen auch im Stiftungsrat beschlossen und beraten werden. Zum Ablauf: Die Stiftung muss genehmigt werden, und zwar vom Lande Sachsen-Anhalt, weil der Stiftungssitz in Halle ist. Die durchschnittliche Zeit für Stiftungsgenehmigungen in Deutschland beträgt 179 Tage. ({0}) - Das wollen wir alle ändern. Darum hoffe ich, dass wir diesen Zeitraum nicht abwarten müssen, sondern dass das sehr viel schneller geht. Ich habe mit dem Ministerpräsidenten dazu auch schon gesprochen; er ist da zuversichtlich. ({1}) Der Stiftungsrat wird dann über die Programme, die vom Vorstand der Stiftung vorbereitet werden - das ist das normale Prozedere -, beraten. Dort wird der Schwerpunkt - da bin ich mir sicher - auf den internationalen Bereich, den internationalen Kontext der Kunst- und Kulturentwicklung in Deutschland gelegt. Von daher ist es jetzt zu früh, den Antragstellern zu sagen, nach welchen Regularien sie sich richten sollen und wo die Schwerpunkte liegen werden. Das entscheidet die Stiftung, nachdem sie sich etabliert hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage stellt der Kollege Heinrich Fink.

Prof. Dr. Heinrich Fink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003116, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, es wird Sie nicht wundern, dass ich mich sehr darüber freue, dass der Stiftungsort Halle ist. Noch mehr freut es mich natürlich, dass der Name, vielleicht auch der Patron für die Stiftung sein könnte: August Hermann Francke. Vielleicht sollte man darüber noch einmal nachdenken; denn er ist einer derer, die Kultur, Wissenschaft und Forschung auf einen gemeinsamen Nenner gebracht haben. Meine Frage schließt sich an die von Frau Griefahn an. In der Konzeption vom Juli 2001 war für die damals vorgesehene Sektion II der Stiftung ausdrücklich betont worden, dass die Entscheidungen über die zu fördernden Projekte frei „von staatlicher oder verbandlicher Einflussnahme über Stiftungsgremien“ sein sollten - das haben Sie noch einmal betont und das begrüße ich auch sehr - und stattdessen durch „unabhängige Jurys“ erfolgen sollten. Ist mein Eindruck richtig, dass die Bundesregierung davon abgerückt ist? Die Fachbeiräte, die dafür am ehesten infrage kämen, haben nur die Befugnis, Empfehlungen zu geben. Im Übrigen kann ich der Satzung überhaupt nicht eindeutig entnehmen, wer darüber entscheidet, welche der angebotenen Projekte gefördert werden. Ich kann nicht eindeutig erkennen, wo die Entscheidung fällt, welche einzelnen Projekte entsprechend den Richtlinien und Schwerpunkten gefördert werden. Ich denke aber, das müsste erkennbar gemacht werden.

Not found (Gast)

Die Antwort lautet ganz klar: Im Gegenteil, genau diese Stiftungsphilosophie ist auch die Basis für das Konzept der Stiftung. Das heißt, nach wie vor sollen Jurys - sie werden in der Stiftungssatzung als Fachbeiräte bezeichnet - die Entscheidungen über Projektförderungen treffen. Ich werde das gleich noch einmal qualifizieren. Es ist Praxis - ich kenne sie aus meiner kommunalen Erfahrung -, dass man die Letztentscheidung nicht bei den jeweiligen Jurys lässt. Insofern sind es in formalem Sinne Empfehlungen. In der Kommission in München, die über Kunst am Bau entschied, gab es eine sehr gut funktionierende Regelung, die Folgendes besagt: Wenn der Empfehlung der jeweiligen Jury gefolgt wird, bedarf es keiner weiteren Befassung des Stadtrates oder, wie hier, des Stiftungsrates mehr. Auf diese Weise wäre eine staatsferne Kunstförderung garantiert, ohne dass die Jury im juristischen Sinne die Letztverantwortung trägt. Diese trägt natürlich die Stiftung; denn die Mitglieder der Jurys sind keine Angestellten, sondern Persönlichkeiten, die das Ganze ehrenamtlich behandeln. Es gibt also keinerlei Abrücken von dieser Stiftungsphilosophie. Dabei wird es bleiben. Was die Schwerpunkte im damaligen Konzept angeht, möchte ich auf das verweisen, was ich in der Antwort auf die Frage von Herrn Dr. Lammert gesagt habe: Wir müssen die Schwerpunkte natürlich an die Zusicherungen den Ländern gegenüber anpassen. Bis zur Klärung der Systematisierungsfrage bewegen wir uns in der konkreten Förderung im unstrittigen Bereich der Bundeskompetenz. Das gilt auch für das, was von Länderseite für Bundeskompetenz gehalten wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Aus Zeitgründen lasse ich nur noch eine Frage zu. Der Kollege Burgbacher hat das Recht zur Frage.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, Sie haben zweimal von Projekten von nationaler Bedeutung gesprochen, die gefördert werden sollen. Man denkt zuallererst an größere Renommierprojekte aus der professionellen Kulturszene. Nun gibt es auch im nicht professionellen Bereich eine Kulturszene, die in Deutschland eine sehr große Rolle spielt. Wird es Ihrer Einschätzung nach auch möglich sein, Projekte aus diesem Bereich zu fördern? Wurde daran von Ihrer Seite gedacht?

Not found (Gast)

Die Antwort ist eindeutig ja, weil wir nicht nur Kunstförderung - das hätten wir sonst hineingeschrieben -, sondern auch Kulturförderung mit dieser Stiftung praktizieren wollen. Mich hat das Thema der kulturellen Integration in Deutschland - es spielt auch in dem ursprünglichen Konzept eine Rolle - sehr beschäftigt. Dieses Thema sollte ein Schwerpunkt der gemeinsamen Stiftung sein. Wir müssen uns in diesem Bereich zunächst zurückhalten, weil er von Länderseite nicht als Kompetenzbereich des Bundes angesehen wird. Wenn wir auf diesem Gebiet vorankommen wollen, dann kann sich das nicht nur auf die Ebene der professionellen Kunstförderung beziehen. Das Gleiche gilt für internationale Austauschprogramme, für Kooperationsprogramme, etwa zwischen unseren östlichen Nachbarländern und Deutschland; denn auch dort ist die Dimension der Laienkultur grundsätzlich einzubeziehen. Der Schwerpunkt wird aber sicherlich auf professioneller Kunst liegen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es außerhalb des Themenbereichs, der eben angesprochen worden ist, eine Frage an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 14/8016, 14/8023 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage 1 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman zu den Sudetendeutschen im Hinblick auf die Rechtfertigung der Vertreibung - vergleiche „Profil“ vom 21. Januar 2002; „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Die Welt“ jeweils vom 22. Januar 2002 - vor dem Hintergrund von Inhalt und Geist der Deutsch-Tschechischen Erklärung, und wie wird die Bundesregierung auf diese Aussagen reagieren?

Not found (Gast)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Äußerungen von Ministerpräsident Zeman sind im Kontext einer tschechisch-österreichischen Auseinandersetzung gefallen, in deren eigentlichem Mittelpunkt der von der österreichischen FPÖ in einem Referendum instrumentalisierte tschechisch-österreichische Zankapfel Temelin steht. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, sich an dieser emotional stark aufgeheizten tschechisch-österreichischen Debatte zu beteiligen. Die Deutsch-Tschechische Erklärung vom 21. Januar 1997 bleibt für die Bundesregierung Grundlage der bilateralen Beziehungen mit unserem Nachbarland. Sie hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die DeutschTschechische Erklärung auch für die tschechische Regierung die feste Basis der deutsch-tschechischen Beziehungen darstellt. Dazu gehört - das will ich sehr deutlich unterstreichen - auch die Ablehnung kollektiver Schuldzuweisungen. Dies ist dem Bundesminister des Auswärtigen auch von seinem tschechischen Kollegen Kavan gestern in einem Telefongespräch ausdrücklich bestätigt worden. In der Erklärung, auf die ich mich beziehe, bekennt sich die deutsche Seite ausdrücklich zu ihrer Verantwortung für die historische Entwicklung, die schließlich auch zur ZerDr. Heinrich Fink schlagung und Besetzung der tschechoslowakischen Republik führte. Die tschechische Seite ihrerseits bedauerte, wie der tschechische Ministerpräsident in seinem „Profil“-Interview feststellte, Leid und Unrecht, die unschuldigen Menschen durch die Vertreibung zugefügt wurden. Dass die Bundesregierung zur Völkerrechtswidrigkeit der Vertreibung eine andere Rechtsauffassung als die tschechische Regierung hat, ist bekannt. Beide Seiten sind sich aber seit 1997 einig, ihre Beziehungen nicht mit diesen aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen zu belasten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, halten Sie es wirklich für dem Vorgang angemessen, dass sich die Bundesregierung nach derartig herablassenden, beleidigenden, ehrverletzenden und übrigens auch der geschichtlichen Wahrheit nicht entsprechenden Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten - auch gegenüber Millionen deutscher Mitbürgerinnen und Mitbürger - dahinter verschanzt, dass es sich um eine tschechisch-österreichische Kontroverse handele, in die die Bundesregierung nicht eingreifen wolle? Halten Sie das Vorgehen auch im Hinblick auf das Presseecho und die Kommentarlage zu diesen Äußerungen von Herrn Zeman für angemessen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Koschyk, bei dem Vorgang, nach dem Sie mich fragen, gehen im Prinzip unterschiedliche, das Verhältnis Tschechiens zu Europa betreffende Vorgänge ineinander über. Es macht hauptsächlich Sinn, jeglichen Schaden in dieser Angelegenheit zu vermeiden. Eine erste Bemerkung. Wir halten es für eine ungünstige Entwicklung, dass in Österreich ein Volksbegehren durchgeführt wurde, bei dem die ja nicht zu bezweifelnden Gefährdungen, die von Kernkraftwerken ausgehen können, in einen Zusammenhang mit Möglichkeiten der Verhinderung des Beitritts Tschechiens zur Europäischen Union gebracht wurden. Die Bundesregierung möchte alle Umstände vermeiden, unter denen irgendwo in Europa Entwicklungen oder politische Diskussionen stattfinden könnten, die diesen Beitritt verhindern könnten. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite stehen die Bemerkungen von Ministerpräsident Zeman gegenüber den Sudetendeutschen, die eindeutig in der Sprache der Kollektivschuld geäußert wurden. Ich möchte hier ganz ausdrücklich klarstellen - denn wir müssen uns hinter nichts verschanzen -, dass wir keine Kollektivschuld sehen. Ich füge eines hinzu: Gerade mein näherer Umgang mit Sprechern der Sudetendeutschen, den ich als Vorsitzender des deutsch-tschechischen Koordinierungskreises habe, veranlasst mich, Folgendes zu sagen: Betrachtet man das Verhältnis Deutschlands zu Tschechien, insbesondere auch zu den Sudetendeutschen, und das in letzter Zeit festzustellende Verhalten der Repräsentanten der Sudetendeutschen, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Äußerung von Herrn Zeman nicht konstruktiv und auf jeden Fall nicht weise war. Die Bundesregierung und auch ich persönlich stehen voll dahinter, dass die Sudetendeutschen in Deutschland das nicht verdient haben. Wir werden mit ihnen zusammen dafür sorgen, dass es im Rahmen der europäischen Einigung zu einer Aussöhnung und zu einer weiteren Aufarbeitung nicht gelöster Probleme kommen wird. Ich möchte noch einmal sagen: Es gibt keinen Grund, sich zu verschanzen. Das war nicht die Absicht. Wir haben nur die Absicht, kein zusätzliches Feuer zu schüren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage? - Kollege Koschyk, bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, halten Sie es nicht für geboten, da es ja einen sehr intensiven Kontakt zwischen dem Bundeskanzler und seinem tschechischem Amtskollegen gibt - ich denke nur an die gemeinsame Sommerreise, die beide im letzten Jahr in das deutsch-tschechische Grenzgebiet unternommen haben -, dass der Bundeskanzler seinem tschechischem Amtskollegen, in welcher Form auch immer, deutlich macht, was er von derartigen Äußerungen hält?

Not found (Gast)

Im Rahmen der Linie, die ich eben skizziert habe, war der erste notwendige und in diesem Sinn auch erfolgreiche Schritt, dass Bundesaußenminister Fischer, wie ich es eben gesagt habe, mit seinem tschechischen Kollegen telefoniert hat, der dabei ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er für die tschechische Regierung kein Abweichen von der 1997 gemeinsam abgegebenen Erklärung sieht. Ich glaube, am 20. Februar wird Bundesaußenminister Fischer in Prag sein und mit Herrn Kavan zusammentreffen. Der Bundeskanzler persönlich - das möchte ich gerne folgendermaßen formulieren - geht davon aus, dass dieses Zusammentreffen der Außenminister die Beziehungen wieder so weiterentwickelt, dass seine nächste Begegnung mit Herrn Zeman möglich bleibt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Fragen? - Kollege Lamers, bitte.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in Ihrer ersten Antwort haben Sie gesagt, die Bundesregierung gehe davon aus, dass die tschechische Regierung die Deutsch-Tschechische Erklärung nach wie vor als die Grundlage der Beziehungen ansehe. In Ihrer Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Koschyk haben Sie gesagt, die Äußerungen von Herrn Zeman seien nicht weise und nicht konstruktiv. Darf ich daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass die Bundesregierung die Äußerung des tschechischen Ministerpräsidenten als nicht mit dem Geist und dem Buchstaben der Deutsch-Tschechischen Erklärung übereinstimmend ansieht?

Not found (Gast)

Das, was ich eben gesagt habe, war wiederholend. ({0}) - Ich bin mir nicht sicher, ob es weise wäre, wenn ich so antworten würde. ({1}) Die Bundesregierung sieht, dass diese Äußerungen und die darüber stattfindende Debatte nicht dazu beitragen, dass sich auf der Grundlage dieser Erklärung, zu der beide Seiten stehen - davon gehen wir aus -, die weitere Probleme aufarbeitenden deutsch-tschechischen Beziehungen gut entwickeln werden. So sieht es die Bundesregierung. Sie möchte alles tun, dass von den bilateralen Beziehungen und von möglichen Erklärungen von Vertretern der tschechischen Regierung im Normalfall wieder ein solcher Geist ausgeht, der die Zielsetzung dieser gemeinsamen Erklärung widerspiegelt. So würde ich das lieber formulieren, weil ich mir davon mehr verspreche, als darüber nachzudenken, ob etwas verletzt wird. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nein, Sie haben nur eine Frage. Eine weitere Frage, Frau Kollegin Reinhardt.

Erika Reinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Wirkung der Äußerung bei der tschechischen Bevölkerung? Unterstützt die Regierung die Kräfte in der Tschechoslowakei, die sich um eine Aufarbeitung der Geschichte bemühen? ({0})

Not found (Gast)

Frau Kollegin, zu Ihrer ersten Frage: Redliche Erkenntnisse darüber, wie das in der Öffentlichkeit gewirkt hat, kann es noch gar nicht geben. Ich möchte es anders formulieren: Es hat bereits eine Diskussion unter politischen Repräsentanten Tschechiens und anderer Länder eingesetzt. Die Bundesregierung verspricht sich davon - ich selber habe nach meinen Erfahrungen den Eindruck, dass diese nicht besonders zweckmäßigen Äußerungen dazu führen könnten -, dass es auch in Tschechien zu einer weiterführenden Nachdenklichkeit kommt. ({0}) - Es gibt, soweit wir die Presse auswerten konnten, keine Hinweise auf eine explizite Unterstützung. Es gibt - ich wiederhole das - nachdenkliche Äußerungen anderer politischer Repräsentanten. Wir schätzen, dass vielleicht sogar eine gute Diskussion darüber, was man besser sagt, einsetzen könnte. Mehr kann man einen Tag danach sinnvollerweise nicht sagen. Im Nebel stochern sollte keine Regierung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage, Frau Kollegin Steinbach.

Erika Steinbach-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002808, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten waren ja ganz offenkundig kein Schnellschuss. Vielmehr fielen sie in einem schriftlichen, gegengezeichneten Interview, zu dem es bis heute kein einziges Wort des Bedauerns seitens des tschechischen Ministerpräsidenten gibt. Wenn der Regierungschef unseres Nachbarlandes, zu dem wir alle freundschaftliche Beziehungen wollen, eine solche Tonart anschlägt, meinen Sie dann nicht, dass die Würde der Opfer, die dadurch in ihrer Befindlichkeit und in ihrer schlimmen Geschichte massiv verletzt wurden, es erfordert, dass der deutsche Bundeskanzler, der eine Fürsorgepflicht für die Deutschen hier in Deutschland und ihre elementaren Anliegen hat, dazu eine Äußerung abgibt und Kontakte zu seinen Kollegen in der Tschechischen Republik aufnimmt?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, wenn Sie das Interview in Gänze lesen, finden Sie darin auch Bemerkungen, in denen der tschechische Ministerpräsident Unrecht an Sudetendeutschen nicht leugnet, sondern sogar darauf hinweist, dass er schon lange auf diesen Tatbestand hingewiesen hat. Auch das steht in diesem sonst nicht weisen Interview. Auch dies wertend, glaube ich, dass es den deutsch-tschechischen Beziehungen und vor allem der europäischen Integration Tschechiens besser tut, wenn zunächst die Außenminister dieses Problem aufzuarbeiten suchen. In der Folge können konstruktive deutsch-tschechische Begegnungen mit allen Bereichen der tschechischen Regierung fortgesetzt werden, auch auf der Ebene der Regierungschefs.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage, Kollege Irmer.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, handelt es sich nach Einschätzung der Bundesregierung bei den Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Zeman um einen verunglückten Einzelfall, um eine Einzelmeinung, oder können Sie erkennen, dass es eine Grundstimmung in dieser Richtung in der Tschechischen Republik gibt?

Not found (Gast)

Meine Formulierung, dass diese Äußerungen des tschechischen Premiers nicht weise waren, wähle ich vor allem auch deshalb, weil es für uns keinerlei Anlass gibt, aus irgendwelchen Ereignissen zu schließen, dass dies dem tatsächlichen Verhalten der tschechischen Regierung im Dialog mit Deutschland entspricht. Das Gegenteil ist der Fall. Es besteht die Bereitschaft, über bisher nicht bewältigte, zwischen Deutschland und Tschechien strittige Fragen zu sprechen. Gerade auch aus diesem Grunde sehen wir dies nicht als repräsentativ für die Haltung der tschechischen Politik in den letzten zwei Jahren. Ich bleibe bei dieser Formulierung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihnen bewusst, dass diese verantwortungslosen Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten auch in Deutschland eine verheerende Wirkung haben, insbesondere was die Zustimmung der Bevölkerung zu dem weiteren Einigungsprozess in Europa unter Beteiligung der Tschechischen Republik angeht?

Not found (Gast)

Die Formulierung „verheerende Wirkung“ war Ihre. Das mag Ihr Eindruck sein; ich teile diesen Eindruck nicht, weil ich den Stand der Diskussion über die Probleme zwischen Deutschen und Tschechen als besser einschätze, sodass ich diese „verheerende Wirkung“ nicht erwarte, vor allem wenn auf beiden Seiten insbesondere die sich besonders betroffen Fühlenden daraus eine Konsequenz ziehen, die notwendig ist, nämlich den weiteren Dialog mit Vorsicht, Zurückhaltung und Weisheit zu führen. Vielleicht war das Ganze sogar eine Chance, auf beiden Seiten noch mehr Nachdenklichkeit zu erreichen; denn nur mit Nachdenklichkeit können Wunden geheilt werden, die anscheinend noch offen sind, wie ich mich selber mehrfach überzeugen konnte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Es gibt eine weitere Frage, und zwar der Kollegin Rönsch.

Hannelore Rönsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001870, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in den Gesprächen im März 1999 hat der Herr Bundeskanzler auch angekündigt, dass der Beitritt zur EU ohne Bedingungen von unserer Seite aus erfolgen sollte. Könnte nicht eine Bedingung sein, dass man eine Entschuldigung erwartet? Herr Präsident, darf ich eine zweite Frage stellen?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nein.

Not found (Gast)

Der Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union wird sich überhaupt nur vollziehen können, wenn der Versöhnungsprozess zwischen Tschechen und Deutsch sprechenden Menschen - ich beziehe an dieser Stelle Österreich mit ein - vorangeht. Da ich sicher bin, dass die Begegnungen der Außenminister, über die ich gesprochen habe, und hoffentlich bald auch wieder der Regierungschefs stattfinden können, gehe ich davon aus, dass wir in einigen Wochen feststellen können, dass auch die tschechische Regierung alles tut, um den Beitritt Tschechiens und die Versöhnung der Tschechen mit den Deutsch sprechenden Nachbarn möglich zu machen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen dann zur dringlichen Frage 2 des Kollegen Hartmut Koschyk: Wie bewertet die Bundesregierung den unter Frage 1 thematisierten Sachverhalt vor dem Hintergrund der gegenseitigen Bemühungen im Rahmen des deutsch-tschechischen Gesprächforums, und welche kurzfristigen diplomatischen Maßnahmen wird die Bundesregierung unternehmen, um Schaden von den im Rahmen des Gesprächforums erzielten Ansätzen zur Verständigung abzuwenden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die deutsch-tschechischen Beziehungen sind heute eng und gut. Das habe ich darzulegen versucht. Die erreichte Dichte und Qualität der deutschtschechischen Beziehungen basieren im Wesentlichen auf dem 1997 auf der Grundlage der Deutsch-Tschechischen Erklärung in einem Aide-Mémoire von beiden Regierungen gegründeten Gesprächsforum. Auch die Arbeit dieses bilateralen Gremiums hat den deutsch-tschechischen Beziehungen ein belastbares Fundament gegeben, das beiden Seiten seit seiner Gründung einen institutionalisierten Rahmen für gegenseitiges Kennenlernen, offene Gespräche und die Lösung verbleibender bilateraler Probleme bietet. Die Bundesregierung geht davon aus, dass im Rahmen des Gesprächsforums unter Einbeziehung der aus der Vergangenheit herrührenden Fragen auch künftig ein offener und zukunftsgerichteter Dialog geführt wird. Lassen Sie mich hinzufügen, dass vor allem das Wirken meines tschechischen Co-Kollegen, Professor Pick, dazu beiträgt. Die Alltagspraxis ist so, dass ich bereits gestern um 11 Uhr mit Kollegen Pick über den Vorgang telefoniert habe. Es ist angesichts der Debatte, die wir heute führen müssen, gut, dass die nächste Veranstaltung des Gesprächsforums am 8. März hier in Berlin stattfinden wird. Es gibt gar keinen Zweifel, dass Herr Pick und ich, solange wir damit beschäftigt sind, alles tun, damit auch über Vergangenheitsfragen gesprochen werden kann. Wir haben dazu im Gesprächsforum der Sudetendeutschen Landsmannschaft soeben die entsprechenden Anregungen von Herrn Kollegen Posselt aufgegriffen. In der Art und Weise, wie wir dort tätig sind, sehe ich zwischen Herrn Posselt und mir keine Unterschiede; jedenfalls sind für mich keine erkennbar.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben jetzt zu Recht das verdienstvolle Wirken Ihres tschechischen Kollegen im Vorsitz des Forums, des früheren stellvertretenden Außenministers Pick, angesprochen. Befürchten Sie nicht, dass die ja nicht aus dem hohlen Bauch, sondern in einem sehr langen Interview gemachten Äußerungen - wenn man die Interviewpraxis kennt, muss man schon davon ausgehen, dass der tschechische Premier wusste, welche Äußerungen er tat und dass er sie voll verantwortet weitergegeben hat - vielleicht ein gewisses innertschechisches Störmanöver sind, um die zurzeit sehr hoffnungsvollen Gespräche, auch von Herrn Pick, im Hinblick auf ein auch aus Sicht der Bundesregierung wichtiges humanitäres Anliegen in den deutsch-tschechischen Beziehungen zu stören und vielleicht dessen Lösung zu verhindern?

Not found (Gast)

Herr Kollege, meine Kenntnis über den Umgang der tschechischen Regierung mit der Frage möglicher Schritte zugunsten eindeutig nicht schuldiger Sudetendeutscher ist so, dass mir keinerlei Anhaltspunkt bekannt wäre, dass Ihre Vermutung, die ich verstehe, zutrifft.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage von Frau Kollegin Rönsch.

Hannelore Rönsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001870, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, mit eine Ursache für das Ganze war ja nun das Volksbegehren in Österreich. Wie ist denn die Haltung der Bundesregierung? Stimmt man dem Anschalten oder Weiterbetreiben des Kernkraftwerks in Temelin vor dem Hintergrund des Ausstiegswunsches in Deutschland uneingeschränkt zu und gibt es auch hier keine Bedingung, es vielleicht abzuschalten?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, die Frage, wie sicher dieses Kernkraftwerk ist, hat bei den bisherigen Beitrittsverhandlungen eine erhebliche Rolle gespielt und viel Zeit gekostet. Bei der Behandlung des entsprechenden Kapitels über Energie ist in den entsprechenden Gruppen in Brüssel die Frage der Sicherheit intensivst geprüft worden. Die Erkenntnisse der Fachleute sind, dass dieses Kernkraftwerk verglichen mit Kernkraftwerken, die es in schon bisher der EU angehörenden Ländern gibt, nicht zurücksteht. Dennoch gab es noch besondere Bemühungen auf höchster Ebene der österreichischen und der tschechischen Regierung im so genannten Melker Prozess, eine Verständigung über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen und vor allem über ein besonderes Monitoring zu finden. Die Ergebnisse dieses Prozesses hat Herr Kommissar Verheugen mit beiden Regierungen Ende November in Brüssel abschließend verhandelt und das Einverständnis über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen und über ein besonderes Monitoring ist nun Bestandteil des von allen Staaten akzeptierten und vorläufig abgeschlossenen Kapitels über die Energieversorgung geworden. Ich füge dem eines hinzu: Wer Sorgen hinsichtlich der Zuverlässigkeit dieses tschechischen Kernkraftwerks hat, muss alles tun, damit Tschechien in die Europäische Union kommt. Nur dort gibt es eine Grundlage dafür, dass die Sicherheitskontrollen und das Monitoring so sind, wie es den Standards der Europäischen Union entspricht. Würde Tschechien außerhalb der Europäischen Union bleiben, gäbe es wesentlich weniger Möglichkeiten. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage von Frau Kollegin Reinhardt.

Erika Reinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie sagten, die Versöhnung zwischen den Menschen sei wichtig. Aber hat nicht gerade da eine Bundesregierung eine Verantwortung? Wie können Sie dann zu dem stehen, indem Sie sagen, die Äußerung von Herrn Zeman habe keine verheerende Wirkung, aber es sei keine weise Erklärung oder Aussage gewesen? Halten Sie diese Aussage vonseiten der Bundesregierung für richtig oder glauben Sie nicht, dass dies eher zu einer Spaltung der Menschen als zur Versöhnung beiträgt?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich habe den Begriff „verheerend“ bewusst nicht übernommen, denn wenn man es sich genau überlegt, beinhaltet er ja die Prognose, dass dort tatsächlich in Zukunft sehr Schlimmes, wenn auch nur in den Köpfen von Menschen, passiert. Das möchten wir nicht. In Bezug auf den Umgang mit diesen nicht weisen Äußerungen weise ich darauf hin: Gerade weil sich in Deutschland und Tschechien sehr viele Betroffene entsprechend verhalten, glauben wir, dass es keine verheerenden Auswirkungen geben wird. Diese Äußerungen werden den weiteren Versöhnungsprozess und die Aufarbeitung solcher Probleme im Ergebnis nicht behindern. Das ist die Zielsetzung, von der alle meine Aussagen geprägt sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung irgendwelche Anhaltspunkte, dass der Ministerpräsident seine verantwortungslosen Äußerungen zurücknimmt oder sie bedauert?

Not found (Gast)

Herr Kollege, auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole, sage ich: Verschiedene Telefonate, Treffen der Außenminister, das Sich-Vergewissern auf der Ebene der Außenminister, dass es keine Veränderung in unserer Haltung gibt - also all das, was ich Ihnen geschildert habe -, tragen dazu bei, dass diese nicht sehr weisen Äußerungen nicht zu einem Schaden führen und dass wir auf den Weg zurückkehren, den wir alle gehen wollen. Daran wollen wir alle arbeiten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Damit sind die dringlichen Fragen beantwortet. Herr Kollege Ramsauer, Sie möchten, soweit ich weiß, einen Antrag stellen.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Nach Rücksprache mit meinen Kolleginnen und Kollegen muss ich für meine Fraktion feststellen, dass aus unserer Sicht die dringlichen Fragen durch die Bundesregierung unzureichend beantwortet worden sind. ({0}) Ich beantrage daher im Namen meiner Fraktion die Durchführung einer Aktuellen Stunde zu diesem Fragenkomplex im unmittelbaren Anschluss an die Fragestunde. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die CDU/CSU hat den Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde zu diesem Thema gestellt. Dies entspricht der Nummer 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse. Die Aussprache muss unmittelbar nach Schluss der Fragestunde aufgerufen werden. Damit entfällt die Aktuelle Stunde, die von der FDP-Fraktion beantragt wurde. Wir setzen jetzt die Fragestunde fort. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Ernst Hinsken sollen schriftlich beantwortet werden. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär WolfMichael Catenhusen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Norbert Hauser ({0}) auf: Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung in den letzten Monaten unternommen, um die Gründung der IT-Akademie in Bonn zu forcieren, und trifft eine Meldung aus dem Bonner „General-Anzeiger“ vom 1./2. Dezember 2001 zu, nach der die Bundesregierung die finanzielle Unterstützung für diese Akademie mit ihrer Forderung nach einer Übernahme der Trägerschaft für das Internationale Kongresszentrum Bonn ({1}) durch die Bundesstadt Bonn verknüpfen will? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Lieber Herr Kollege Hauser, auf ihre Frage 3 möchte ich Ihnen folgendermaßen antworten: Wie Sie wissen, hat sich die Arbeitsgruppe des Koordinierungsausschusses im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen am 20. September 2001 auf das Konzept für Bonn-IT verständigt. Offen geblieben war seinerzeit die Frage, ob für BonnIT eine selbstständige Stiftung errichtet oder ob stattdessen für einen überschaubaren Zeitraum für die laufenden Kosten Ausgleichsmittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Dazu werden zurzeit zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Bundesregierung - hier ist insbesondere das Bundesfinanzministerium beteiligt - Gespräche geführt. Wir gehen davon aus, dass sie bald zu einem Abschluss gebracht werden können. Die Arbeitsgruppe des Koordinierungsausschusses hat sich am 20. September auch auf weitere Ausgleichsmaßnahmen verständigt. Diese stellen in ihrer Gesamtheit einen gewissen konzeptionellen Abschluss der Maßnahmen der Ausgleichsvereinbarung dar. Im Rahmen dieses Kontextes ist deshalb auch das Projekt Internationales Kongresszentrum Bonn, IKBB, in die weiteren Überlegungen und Gespräche einbezogen worden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können wir auch im Falle weiterer Verzögerungen im Zusammenhang mit der IT-Akademie - das wäre ja nicht das erste Mal, woran auch immer es gelegen haben mag; da gab es ja viele Gründe - davon ausgehen, dass der Fortschritt bei den anderen Projekten nicht behindert wird, dass also nicht abgewartet wird, bis die ITAkademie - sei es in Form einer Stiftung, sei es in einer anderen Rechtsform - errichtet werden kann, und dass man nicht alles andere auf die lange Bank schiebt und insofern die anderen Ausgleichsprojekte blockiert werden?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Wir sind zuversichtlich, dass dies nicht eintritt. Natürlich hat die Realisierung und genaue Formulierung des Konzepts der IT-Akademie in Bonn und seiner jetzt noch in der Diskussion befindlichen Rahmenbedingungen eine gute Zeit gebraucht. Das ist bei innovativen neuen Konzepten nicht ungewöhnlich, wenn Sie daran denken, dass eine Vielzahl von Akteuren, sowohl vonseiten der Wissenschaft wie auch vonseiten der Politik, in dieses Konzept eingebunden werden mussten. Angesichts des Fortschritts in den Gesprächen sind wir zuversichtlich, dass wir die noch offenen Fragen, auch was die Finanzierung angeht, bis zum Sommer beantwortet haben. Ich gehe auf keinen Fall davon aus, dass sich daraus negative Auswirkungen auf andere in dem Konzept vereinbarte Maßnahmen für Bonn ergeben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist das ChipDesign-Center, das einmal Teil dieser Akademie - in welcher Form auch immer - sein sollte, noch Bestandteil dieser Überlegungen oder gehört das Chip-Design-Center nicht mehr dazu?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Es haben sich seit meiner Präsentation des Konzepts für die ITAkademie im Bundestagsausschuss für Forschung und Technologie keine konzeptionellen Änderungen ergeben. Das gilt auch für das Thema, das Sie gerade angesprochen haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe Frage 4 des Kollegen Hauser auf: Wenn ja, welche Gründe kann die Bundesregierung dafür nennen, eine Verbindung dieser beiden unterschiedlichen Projekte herzuleiten, und warum sind die Verhandlungen zur IT-Akademie in Bonn immer noch nicht zum Abschluss gebracht worden, obwohl dies die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU ({0}) für das erste Quartal 2001 angekündigt hatte?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Auf Ihre Frage 4 möchte ich Ihnen, Herr Kollege, antworten, dass Sie als Bonner Abgeordneter natürlich besser wissen als ich, dass beide Maßnahmen letztendlich auf das Berlin-Bonn-Gesetz zurückzuführen sind. Ich habe über den Stand der Gespräche im Ausschuss für Bildung und Forschung in seiner Sitzung am 17. November entsprechend Bericht erstattet. Wie ich vorhin schon erwähnt habe, rechne ich mit einem alsbaldigen Abschluss der Gespräche zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Bundesstadt Bonn, sodass ich auch keine Verzögerung für andere Projekte sehe. Wir gehen auch davon aus, dass die Gespräche insbesondere zwischen dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Bundesfinanzminister über die von mir genannten offenen Fragen in einem fortgeschrittenen Stadium sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Kollege Hauser.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Muss ich Ihrer Antwort trotzdem entnehmen, dass in der Zeit, in der die Verhandlungen und Gespräche über die IT-Akademie fortgeführt werden, die anderen Projekte so lange geparkt bleiben, bis hierfür grünes Licht gegeben werden kann? Falls das so sein sollte: Wo ist der innere sachliche Zusammenhang, die anderen unstrittigen Projekte nicht weiterlaufen zu lassen, um sich auf einen streitigen oder noch nicht geklärten Teil zu konzentrieren?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Dies in abstrakter Weise und hypothetisch hier in der Fragestunde auszubreiten ({0}) ist etwas kompliziert, weil zurzeit noch die Verhandlungen laufen. Ich sehe die von Ihnen beschriebene Gefahr aufgrund des fortgeschrittenen Stadiums der Gespräche nicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Beantwortung der Frage 5 des Abgeordneten Ulrich Irmer wird gemäß Ziffer 11 der Richtlinien für die Fragestunde auf die nächste Fragestunde verschoben. Ich höre, Sie seien darüber informiert.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in den letzten Tagen mehrfach angerufen und gebeten worden, ich möge auf die Beantwortung der Frage verzichten, weil man nicht die Kapazität hätte, die Antwort vorzubereiten. Mir ist das völlig unverständlich und ich betrachte es als eine Verkürzung des parlamentarischen Fragerechts, dass ich jetzt so abgespeist werde. Ich sehe das überhaupt nicht ein. Die Zahlen, die ich hier erbeten habe, sind zum Teil in den Zeitungen veröffentlicht worden. Ich sehe überhaupt keinen Grund, weshalb eine große Behörde wie das BMZ sich darauf beruft, sie habe keine Kapazität, die Beantwortung von solchen Fragen vorzubereiten. Ich muss hier energisch protestieren und nehme das nicht ohne weiteres hin. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es vielleicht aus politischen Gründen missliebig ist, die Frage zu beantworten. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Frage bleibt im Raum. Sie wird in der nächsten Fragestunde wieder aufgerufen. Die Bundesregierung ist verpflichtet, die Frage nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich gebe trotzdem meine Empörung und meinen Protest zu Protokoll.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich bitte um Verständnis, Herr Kollege Irmer. Das ist die Geschäftsordnungslage.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich akzeptiere das. Ich gebe trotzdem meine Missbilligung und meine Kritik an der Bundesregierung zu Protokoll.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich bitte in der nächsten Fragestunde wieder um Präsenz. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Frage in der nächsten Woche zu beantworten. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht der Staatssekretär UweKarsten Heye zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 6 der Kollegin Ina Lenke: Welche Gesamtkosten verursacht die Informationskampagne „Familie - Deutschland“ bislang und in den weiteren geplanten Stufen und auf welchen Zeitraum ist die Kampagne ausgelegt?

Not found (Staatssekretär:in)

Sehr verehrte Abgeordnete, ich beantworte Ihre Frage nach den Kosten der Informationskampagne „Familie - Deutschland“ wie folgt: Bisher sind beim Bundespresseamt Gesamtkosten in Höhe von rund 3,1 Millionen Euro angefallen. Im Rahmen der Endabrechnung kann sich das noch nach unten verändern, etwa durch Rabattierungen und Ähnliches. Die Kampagne hat am 22. November 2001 mit einer Pressekonferenz begonnen. Sie endet im April 2002. Für die Fortsetzung sind etwa 3,3 Millionen Euro veranschlagt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage?

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Welche Art von Nachfragen, von Kritik und Beschwerden wegen der Art der Kampagne, der hohen Kosten und der unverständlichen Botschaft haben Sie oder das Bundespresseamt bekommen?

Not found (Staatssekretär:in)

Es gibt durchaus unterschiedliche Reaktionen. Das ergibt sich aus der Kontur dieser Kampagne. Insgesamt wird sie aber mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen. So gibt es Abflüsse bei den Informationsbroschüren in einer Größenordnung von mehr als 100 000. Die gleichen Informationen haben wir natürlich auch ins Internet eingestellt. Die dort enthaltenen Informationen sind rund 4 000 mal heruntergeladen worden. Wir können also zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Echo sehr zufrieden sein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Was sollen die Fotos der Plakatkampagne bewirken? Ich habe Briefe von Bürgern bekommen, in denen sie darauf hinweisen, dass die Kampagne sie mehr abstößt als anspricht, und in denen ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis in Abrede gestellt wird.

Not found (Staatssekretär:in)

Verehrte Abgeordnete, ich bin mir nicht ganz sicher, zu welchem Bereich Sie diese Frage stellen. Eigentlich gehört Ihre Zusatzfrage zu Ihrer zweiten Frage, die ich Ihnen nun gern aufgrund Ihrer Zusatzfrage beantworten würde, wenn ich das darf. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann rufe ich nun die Frage 7 der Kollegin Ina Lenke auf: Welche Bewusstseins- und Verhaltensänderungen bei den Bürgerinnen und Bürgern verfolgt die Bundesregierung mit der Kampagne?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Kampagne verfolgt drei Ziele: Erstens soll sie insbesondere Familien dabei helfen, sich über ihre Rechte zu informieren und die Möglichkeiten zu nutzen, die ihnen durch die Politik der Bundesregierung neu und zusätzlich gegeben worden sind. Zweitens soll sie zugleich ein Bewusstsein dafür schaffen, was Familien für die Gesellschaft leisten. Indem sie über die Ziele und Ergebnisse der Politik der Bundesregierung informiert, erfüllt sie drittens die ureigenste Aufgabe des Bundespresseamtes, nämlich die Arbeit der Bundesregierung ressortübergreifend darzustellen. Sie verdeutlicht Zusammenhänge, indem sie über das Gesamtspektrum familienpolitischer Leistungen in den verschiedenen Politikfeldern informiert. Mit der Verwirklichung dieser Ziele erfüllt die Bundesregierung konkret Aufgaben, die der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit gemäß dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1977 obliegen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Durch die Zusammenfassung der beiden Fragen haben wir die Frage des Herrn Dörflinger zunächst übergangen. Sind Sie damit einverstanden, Ihre Frage im Anschluss an die Zusatzfragen von Frau Lenke zu stellen? ({0}) - Bitte, Frau Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe tatsächlich noch Zusatzfragen. In Ihrer Kampagne sprechen Sie über 100 Vorteile, die den Familien durch Ihre Regierung zugekommen sind. Sprechen Sie in Ihrer Kampagne, auf der Internetseite und in Ihren Broschüren auch über Nachteile, zum Beispiel darüber, dass der Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende gestrichen wird und dass die Kindergelderhöhung um 30 DM nur für das erste und zweite Kind gilt?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich denke, dass dieser Bundesregierung in der Summe der Urteile des Bundesverfassungsgerichts aufgegeben war, einen Teil der Arbeit zu tun, die die Vorgängerregierung nicht hat leisten können. Wir haben das vorbildlich getan. Insgesamt werden in dieser Legislaturperiode - bislang jedenfalls - Mittel in einer Größenordnung von mehr als 10 Milliarden Euro zusätzlich für familienpolitische Leistungen eingesetzt. Damit werden hierfür insgesamt jetzt rund 50 Milliarden Euro pro Jahr aufgewendet. Ich denke, das ist eine Leistung, die man würdigen kann und die auch gewürdigt wird. Zu Ihrer speziellen Frage bezogen auf die Alleinerziehenden: Hier haben wir dem einschlägigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu folgen. Sie wissen, dass zurzeit im Finanzministerium geprüft wird, ob es noch eine rechtliche Marge dafür gibt, um bei den Aufwendungen für die Alleinerziehenden eine zusätzliche Verbesserung zu erreichen. Diese Frage wird geprüft und soll noch in dieser Woche, spätestens in der kommenden, beantwortet werden. Staatssekretär Uwe-Karsten Heye,

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Frau Lenke? - Bitte schön.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht der Regierung bzw. dem Bundestag nicht auferlegt hat, den Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende zu streichen, sondern nur die Gleichstellung der Alleinerziehenden mit der Familie vorgeschrieben hat? Ist Ihnen der Unterschied geläufig und bekannt?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Unterschied ist mir schon bekannt. Insoweit kommen wir schnell auf einen gemeinsamen Nenner. Dennoch geht es ja darum, zusätzliche Leistungen für Alleinerziehende, die - in der Regel jedenfalls - in einer besonders schwierigen Situation leben, zu realisieren oder zu ermöglichen. Insoweit hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Einfluss auf die Entscheidungen der Bundesregierung gehabt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Dörflinger.

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass die infrage stehende Kampagne der Bundesregierung von der Agentur Odeon Zwo konzipiert worden ist, und können Sie dem Hohen Hause vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ausweislich einer Drucksache des Niedersächsischen Landtages vom 26. Januar 2001 im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 430 Aufträge an die erwähnte Agentur gegangen sind, bitte mitteilen, wie viele Aufträge - vielleicht auch, in welcher Höhe - das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung seit 1998 an diese Agentur vergeben hat? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann Ihnen das im Moment leider nicht sagen, weil ich diese Zahlen nicht verfügbar habe. Ich werde das aber gerne nachtragen. Sie sprechen von der Lead-Agentur des Bundespresseamtes. Die Auftragsvergabe ist in einem Verfahren erfolgt, das jeder Nachprüfung standhält. Von daher bin ich gerne bereit, Ihnen all diese Fragen zu beantworten und es nachzutragen. Wir müssten dann darauf zurückkommen. Ich hoffe, dass ich Ihre Frage befriedigend beantworten kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage von Frau Kollegin Erika Reinhardt.

Erika Reinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie kommt es, dass eine Kampagne, die über 3 Millionen Euro kostet, weder in der Vorbereitung noch in der Durchführung mit dem Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend abgestimmt wurde? Glauben Sie nicht, dass das sinnvoller gewesen wäre?

Not found (Staatssekretär:in)

Es handelt sich um eine Kampagne, die Leistungen von insgesamt etwa neun Ressorts - einschließlich des von Ihnen genannten Ministeriums - mit einbezieht. Wir sind natürlich mit diesem Hause im Gespräch. Über ästhetische Fragen kann man immer streiten, verehrte gnädige Frau. Ich denke, dass diese Kampagne das erreicht hat, was man im werblichen Umfeld, in dem auch die Bundesregierung ihre Informationstätigkeit zu leisten hat, erreichen will, nämlich Aufmerksamkeit zu erzielen. Sicherlich gab es nicht nur positive Reaktionen, aber auch und vor allem. Insoweit denke ich, dass das Ziel erreicht ist: Man spricht darüber. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nein, Sie haben nur eine Frage. Entschuldigung! Eine weitere Frage, Frau Kollegin Dr. Höll.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, können Sie gerade vor dem Hintergrund der Kampagne, in der Sie ja die Verbesserungen für das erste und zweite Kind von verheirateten Paaren positiv herausstellen, erklären, warum Sie es so darstellen, als ob das für alle Kinder gilt? Dass Verbesserungen ab dem 1. Januar dieses Jahres eingetreten sind, gilt nicht für sozialhilfeberechtigte Kinder. Warum haben Sie gerade vor diesem Hintergrund reale Verschlechterungen der finanziellen Lage von Kindern von Alleinerziehenden bewusst politisch in Kauf genommen? Ich finde es sehr widersprüchlich - ich kann es mir von der politischen Zielstellung her nicht ganz erklären -, einerseits ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden und andererseits diesen Tatbestand entweder nicht zu berücksichtigen oder in der Öffentlichkeit fälschlicherweise das Bild vermitteln zu wollen, dass die Situation für alle Kinder besser geworden sei.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich weiß nicht, woraus Sie diese Schlussfolgerung ziehen. Aus den Informationsleistungen, die jedem Mann und jeder Frau zur Verfügung stehen, ist das nicht zu entnehmen. Im Gegenteil: Es wird deutlich gemacht, dass diese Regelungen für das erste und das zweite Kind gelten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Heiderich.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich Sie noch fragen, wie Sie die Aussage von verschiedenen Werbeagenturen beurteilen, dass trotz ordnungsgemäßer Ausschreibung der jeweilige Auftrag immer der Firma Odeon erteilt werde, sodass die anderen Werbeagenturen zunehmend gar kein Interesse mehr hätten, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen?

Not found (Staatssekretär:in)

Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, Herr Abgeordneter. Die einzelnen Ressorts beschäftigen unterschiedliche Agenturen, sodass dieser Hinweis für mich nicht nachvollziehbar ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Herr Staatsminister Dr. Christoph Zöpel zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Ulrich Irmer: In welcher Weise hat die Bundesregierung die Zerstörung von mit deutscher und europäischer Unterstützung durchgeführten Infrastrukturprojekten gegenüber der israelischen Regierung zur Sprache gebracht und wie hat die israelische Regierung hierauf reagiert?

Not found (Gast)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Irmer, es ist selbstverständlich, dass die Bundesregierung, seit es die von Ihnen angesprochenen Ereignisse gibt, in bilateralen Gesprächen mit der israelischen Regierung nachdrücklich über die Beeinträchtigung der Projektarbeit sowie die Beschädigung und Zerstörung von Infrastrukturmaßnahmen zu sprechen bemüht ist. Die Bundesregierung dringt kontinuierlich darauf, die Projekte internationaler Geber unbedingt zu schützen. Die letzte Erörterung auf der Ebene der Außenminister dazu fand am 17. Januar dieses Jahres telefonisch statt, als der aktuelle Fall der Zerstörung des Flughafens Gaza erfolgt war. Auch anlässlich der bilateralen Regierungskonsultationen im November 2001 in den palästinensischen Gebieten wurde über diese Problematik mit Israel gesprochen. Am 7. Dezember 2001 wurde ein detailliertes Schreiben an das israelische Außenministerium übergeben, in dem die deutschen Schäden benannt und freier Zugang zu den Projekten sowie Schadensersatz für Beschädigungen erbeten wurden. Bei einem Gespräch von Vertretern der deutschen Botschaft Tel Aviv, des Vertretungsbüros Ramallah, der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und der Kreditanstalt für Wiederaufbau am 8. Januar dieses Jahres sagte die israelische Seite zum wiederholten Male zu, den Schadensfällen im Einzelnen nachgehen zu wollen und über Hergang und Gründe zu informieren. Die Informationen sind - das gehört zu den bedauerlichen Dingen bisher nicht eingegangen. Darüber hinaus wurde versichert, dass es generelle Anweisungen an das israelische Militär gebe, die Projekte der Entwicklungszusammenarbeit internationaler Geber nicht zu beeinträchtigen. Neben diesen bilateralen Bemühungen gibt es die Bemühungen der Europäischen Union, an denen wir entsprechend den Regeln der Europäischen Union teilnehmen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage des Kollegen Irmer.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Hat die Bundesregierung die israelische Regierung auf den Widerspruch hingewiesen, der darin liegt, dass just die israelische Regierung die Europäische Union bzw. die Bundesrepublik Deutschland und andere Geber händeringend aufgefordert hat, Entwicklungsprojekte in den Autonomiegebieten zu fördern? Wie verträgt sich das damit, dass diese Zerstörungen jetzt stattgefunden haben, wobei ich hinter die Zusicherung der israelischen Regierung ein Fragezeichen setze, man habe um Schonung dieser Projekte gebeten? Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Befehle zur Zerstörung eines Flughafens einfach aus Versehen erfolgen.

Not found (Gast)

Herr Kollege, es ist unstreitig, dass ein Großteil dieser von Deutschland wie von anderen Geberländern geförderten Projekte auf Wunsch Israels begonnen und durchgeführt wurde. Insbesondere der derzeitige Außenminister hat dabei eine besondere Rolle gespielt, wie jeder, der seine Reden verfolgt, weiß. In den Gesprächen, die der Bundesaußenminister mit Außenminister Peres geführt hat, ist dies zur Sprache gekommen. Wir haben noch heute im Kabinett über diesen sehr speziellen Zusammenhang gesprochen. Sie fragen mich jetzt Dinge, die weder Sie noch ich wissen können. ({0}) Herr Kollege Irmer, wenn ich das beantworte, werden Sie mir anschließend Recht geben. Unstreitig unterstehen das Verteidigungsministerium und die Armee in Israel der Regierung. Damit kommen solche Dinge sicherlich nicht zufällig in dem Sinne zustande, dass ein Einzelner einen Fehler begangen hat. Was die von Ihnen angesprochene Problematik angeht - das können wir alle nur so analysieren -, gehört es in einen Zusammenhang der derzeitigen Logik Israels, mit dem, was es als Terrorismus analysiert, so umzugehen. In solchen Situationen, wenn sie zu intensiven Militäreinsätzen führen, stehen oft selbst sinnvolle Objekte - auch wenn sie international finanziert sind - nicht mehr im Wege. Das ist eine analytische Bemerkung. Dies hindert uns nicht daran, immer wieder das vorzubringen, was ich Ihnen dargestellt habe. Wir werden auch nicht davon ablassen, weil das Ergebnis für die Zukunft der betroffenen Region unter keinem Gesichtspunkt als günstig angesehen werden kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Irmer zu einer weiteren Zusatzfrage, bitte.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Hat die Bundesregierung die Absicht, an der Zusage der israelischen Regierung festzuhalten, dass man nach Möglichkeit versuchen wird, solche Entwicklungsprojekte bei der Antwort auf die Terroranschläge zu schonen? Ist die israelische Regierung gefragt worden, inwieweit sie vielleicht bereit ist, die jetzt angerichteten Schäden selbst zu beheben?

Not found (Gast)

Ich hatte in meiner ersten Antwort erwähnt, dass es eine entsprechende Zusage gibt, auf derartige Vorhaltungen der Bundesregierung einzugehen. Die Tatsache des Auflistens dieser Projekte - dasselbe macht die Europäische Union - ermöglicht es uns zumindest, nicht auszuschließen, dass mit der israelischen Regierung auch darüber geredet werden muss, in welcher Weise dieser Schaden ausgeglichen werden kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Lippmann, Sie wollen eine weitere Frage dazu stellen, bitte.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie Forderungen aus anderen europäischen Staaten, in dem Fall, dass sich Israel nach Ihren Ausführungen nicht daran halten sollte, international oder von der EU geförderte Projekte bei ihren Anschlägen zu verschonen, weitere Projektmittel einzufrieren?

Not found (Gast)

Die Frage, die Sie gestellt haben, muss sich jede Regierung stellen. Sie ist sicherlich projektabhängig zu beantworten. Es kann einerseits keinen Sinn machen, Projekte - ob EU-finanziert oder von einzelnen Mitgliedstaaten finanziert - nicht weiter zu fördern, die menschliche Begegnungen unter all diesen tragischen Umständen des Zusammenlebens fördern und erleichtern. Es macht andererseits aber offenkundig auch keinen Sinn, derzeit Baumaßnahmen zu finanzieren, ohne zu wissen, was dort passiert. Das ist eine Entscheidung, die sich mit der Sicherheitslage von Tag zu Tag ändert und, wie gesagt, vom Charakter der Projekte abhängen muss.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Damit kommen wir - Sie können gleich stehen bleiben, Frau Kollegin Lippmann - zu Ihrer Frage, der Frage 9: Wie weit ist der Abzug der afghanischen Truppen aus Kabul entsprechend der Petersberger Vereinbarung fortgeschritten und wann soll der Abzug und vollständige Austausch durch die UN-Sicherheitstruppe ISAF - International Security Assistance Force gemäß der Vereinbarung erfolgen, auf die sich auch der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 22. Dezember 2001 bezieht? Herr Staatsminister, bitte.

Not found (Gast)

Herr Präsident! Frau Kollegin, afghanische bewaffnete Kräfte sind teilweise aus Kabul abgezogen worden. Der Prozess dauert an. Die afghanische Interimsregierung unterstützt uneingeschränkt die diesbezüglichen Vereinbarungen des Petersberger Abkommens. Eine exakte Bestimmung der Anzahl von afghanischem Militär in Kabul und Umgebung ist derzeit nicht möglich, weil im Zuge des Aufbaus der Strukturen der zukünftigen afghanischen Sicherheitsorgane eine genaue Abgrenzung zwischen Militär und Polizeikräften zurzeit noch im Gange ist. Die volle Einsatzbereitschaft der UNSicherheitstruppe ist seitens der britischen Einsatzführung auf Mitte Februar 2002 terminiert.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Lippmann.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Kann die Bundesregierung einen Artikel aus der „New York Times“ bestätigen, wonach der US-Commander der Truppen in Afghanistan vorgestern, also am 21. Januar, gesagt haben soll, dass die alliierten Truppen, die sich im Rahmen des NATO-Einsatzes dort befinden - einschließlich von Spezialkräften aus der Türkei, Großbritannien und Deutschland -, die Suche nach Osama bin Laden, Mullah Omar und weiteren al-Qaida-Kämpfern auf weniger als zwölf Regionen reduziert haben?

Not found (Gast)

Mir persönlich ist dieser Artikel nicht bekannt. Sie können ja nicht voraussetzen, dass die Bundesregierung alle Artikel der internationalen Presse jederzeit kennt. Wir haben nur die Kenntnis, dass die Bemühungen, Talibanund al-Qaida-Kämpfer an der Ausführung terroristischer Aktionen, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat, zu hindern, fortgesetzt werden und dass auch ihre Anführer noch gesucht werden. Wenn Sie dem von Ihnen erwähnten Artikel in der „New York Times“ entnommen haben, dass sich die Vereinigten Staaten bei ihren Militäraktionen auf das Notwendige beschränkt haben, dann muss ich Ihnen sagen, dass das auf vollständige Zustimmung der Bundesregierung trifft, die in sehr starkem Maße für die Verhältnismäßigkeit der militärischen Mittel eintritt. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Lippmann?

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe eine weitere Zusatzfrage zu dem Themenkomplex der Beteiligung deutscher Spezialkräfte an der In-Gewahrsam-Nahme afghanischer al-Qaida-Kämpfer und anderer Afghanen. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass an der Inhaftierung und der Verbringung der Gefangenen auf den US-amerikanischen Stützpunkt vor Kuba deutsche Spezialeinheiten beteiligt sind?

Not found (Gast)

Das kann ich nach meinem Wissensstand nicht bestätigen. Das soll keine kritische Bemerkung sein. Aber das Spektrum dessen, was Sie mich in einer sehr kritischen Angelegenheit fragen, wird jetzt sehr weit. Herr Präsident, ich erlaube mir diesen Hinweis, weil mir sehr daran gelegen ist, in dieser Angelegenheit nichts zu sagen, was nicht stimmt. Ich kann aber auf Ihre Frage, sofern sie die politische Einordnung der Angelegenheit betrifft, wie folgt antworten: Die Bundesregierung ist in jeder Hinsicht bemüht, sich mit den Vereinigten Staaten darüber zu verständigen, dass gefangen genommene Afghanen, die zur al-QaidaOrganisation oder zum Taliban-Regime gehören, nach den Prinzipien des Völkerrechts behandelt werden. Solange abschließend noch nicht geklärt ist, welchen völkerrechtlichen Status die Gefangenen haben, sollten sie als Kriegsgefangene behandelt werden. Das bedeutet natürlich, dass auch soweit Deutsche in solchen Fällen betroffen sind, nach den Prinzipien des Völkerrechts zu verfahren ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Kollege Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, ich möchte auf die Frage meiner Kollegin, Frau Lippmann, zurückkommen, die auf die Veröffentlichung in der „New York Times“ zielte. Selbstverständlich gehe auch ich davon aus, dass die Bundesregierung nicht alle Zeitungen liest. Selbstverständlich bin auch ich daran interessiert, dass bewaffnete Konflikte so gut wie möglich begrenzt werden. Aber Sie haben die Brisanz der Frage nicht erkannt oder Sie haben das, wonach meine Kollegin gefragt hat, sogar indirekt bestätigt. Es wäre mir neu, dass deutsche Krisenreaktionskräfte an militärischen Bodenoperationen in Afghanistan beteiligt sind. Das war laut „New York Times“ die Aussage des US-amerikanischen Oberbefehlshabers in Afghanistan. Ich würde es sehr interessant finden, wenn Sie mir die Beteiligung deutscher Kräfte an Bodenoperationen in Afghanistan bestätigen würden.

Not found (Gast)

Herr Kollege, jetzt muss ich mich bei Ihnen richtig bedanken. Wiewohl die Bundesregierung im Zweifelsfall jeden Zeitungsartikel lesen kann, gehört es zur Normalität des Zusammenlebens von Menschen in einem politischen System, dass nicht jeder Befragte, der der Bundesregierung angehört, wissen kann, was alles gelesen wurde. Meiner Antwort, die auf meiner Auffassung über einen mir bis dahin nicht bekannten Zusammenhang beruhte, können Sie in keiner Weise entnehmen, dass ich gesagt habe, deutsche Bodentruppen seien in Afghanistan militärisch tätig. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, das klarzustellen. Das war sehr kollegial.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Die Frage 10 des Kollegen Hildebrecht Braun wird schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 11 der Abgeordneten Angelika Volquartz auf: Plant die Bundesregierung die vollständige Sanierung der Laborabteilung II - Veterinärmedizin - des Zentralen Institutes des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Kronshagen und, wenn ja, wann wird voraussichtlich mit der Sanierung begonnen werden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sehr geehrte Frau Kollegin, die Laborabteilung Veterinärmedizin des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ist in Kiel erst aufgebaut worden; vorher gab es eine solche Einrichtung nicht. Durch die Auflösung des Bundeswehrkrankenhauses Kiel-Kronshagen zum 31. März 1997 ergab sich die Möglichkeit, diese Laborabteilung provisorisch in einem anderen Gebäude unterzubringen. Erste bauliche Maßnahmen zur Herrichtung dieses Gebäudes wurden bereits durchgeführt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Frau Kollegin Volquartz hat eine Zusatzfrage. Bitte schön.

Angelika Volquartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Welchen Betrag wendet die Bundesregierung jährlich zur Unterhaltung der Liegenschaft „Sanitätsdienststellen Bundeswehr Kronshagen“ auf und gibt es eine ausreichende Bewerberzahl für im Sanitätsdienst der Bundeswehr ausgeschriebene Stellen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin, Sie müssen das im Zusammenhang sehen mit der Tatsache, dass wir die Sicherung der Laborabteilung Veterinärmedizin in Kiel beibehalten. Das liegt daran, dass dort Liegenschaften vorhanden sind. Was wir an Geld auszugeben planen, hätte ich Ihnen in Zusammenhang mit Ihrer zweiten Frage noch gesagt. Tatsache ist, dass Liegenschaften frei und damit anderweitig nutzbar geworden sind. Was zum Erhalt der Liegenschaften jeweils notwendig ist, entscheidet sich danach, welche Nutzung erfolgt. Herr Präsident, es bietet sich vielleicht an, dass ich an dieser Stelle gleich die zweite Frage der Kollegin Volquartz beantworte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Volquartz, sind Sie damit einverstanden?

Angelika Volquartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Einverstanden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann rufe ich jetzt auch die Frage 12 der Abgeordneten Angelika Volquartz auf: In welchem baulichen Zustand befindet sich die Liegenschaft „Sanitätsdienststellen Bundeswehr Kronshagen“ nach Kenntnis der Bundesregierung?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Entscheidend ist erstens, dass die wesentliche Bausubstanz dieser Liegenschaft in einem befriedigenden Zustand ist; sonst hätte man sie auch gar nicht behalten. Abgesehen davon gab es natürlich den Wunsch der Kieler, diese Einrichtung dort zu behalten. Zweitens. Zur Herrichtung für die neue Zweckbestimmung im Rahmen der Umstrukturierung wurde für mehrere große und kleine Baumaßnahmen ein Volumen von 20 Millionen Euro errechnet. Ein Teil dieser Maßnahmen ist bereits durchgeführt worden. Andere Maßnahmen, zum Beispiel Bauunterhaltungsmaßnahmen an Dächern und Fassaden, erfolgen im Rahmen des Notwendigen. Es gibt also eine feste Summe von 20 Millionen Euro. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Liegenschaft nicht nur von dieser Sanitätsdienststelle, sondern auch noch von anderen Einrichtungen genutzt wird. Es ist also ein Bedarf von 20 Millionen Euro für kleine und große Baumaßnahmen errechnet worden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Kollegin Volquartz, bitte schön.

Angelika Volquartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Kosten für eine sachgerechte Unterhaltung der Liegenschaft, also über diese Maßnahmen hinaus, die Sie genannt haben, nach Aussagen der zuständigen Standortverwaltung bei jährlich 1,5 Millionen bis 2 Millionen DM - ich bitte um Verzeihung, dass ich noch die D-Mark-Beträge nenne; ich müsste das jetzt schnell umrechnen - liegen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das können wir ja schnell umrechnen. - Ihnen ist aber klar, liebe Frau Kollegin Volquartz, dass die 20 Millionen Euro, also die rund 40 Millionen DM, nicht nur für dieses Labor - die Herrichtung ist natürlich sehr aufwendig -, sondern auch - so haben mir das meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgeschrieben - für die notwendige Sanierung von Dächern und für Maßnahmen an den Fassaden zur Verfügung stehen. Die Gesamtsumme kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin da auch etwas zurückhaltend. Sie wissen, dass wir das Liegenschaftsmanagement etwas verändern wollen. Ob die Zahlen dann noch zutreffen, betrachte ich aus heutiger Sicht mit Vorsicht. Ich bin aber gern bereit, Ihnen das, was wir zurzeit wissen, nachzureichen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Dann kommen wir zur Frage 13 der Kollegin Gerda Hasselfeldt: Gibt es Pläne der Bundesregierung, ein Bundeswehrgeschwader aus Penzing oder einem anderen Fliegerhorst - möglicherweise im Zusammenhang mit der Anschaffung der neuen Transportflugzeuge - nach Fürstenfeldbruck zu verlegen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin Hasselfeldt, die Frage, ob ein Bundeswehrgeschwader aus Penzing oder aus einem anderen Fliegerhorst nach Fürstenfeldbruck verlegt werden soll, beantworte ich mit einem klaren Nein. Nebenbei gesagt: Das ist eine Frage, die in bestimmten Abständen immer wieder gestellt wird. ({0}) Also ein klares Nein. Es ist nicht geplant, ein Bundeswehrgeschwader nach Fürstenfeldbruck zu verlegen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, vor dem Hintergrund Ihrer Antwort frage ich: Sind die Befürchtungen betreffend mögliche nächtliche Frachtflüge gerechtfertigt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich bin ganz überrascht. Ich habe in Erinnerung, dass der Kampf in der Vergangenheit immer gegen die zivile Nutzung dieses Platzes betrieben wurde. In einer Zeit erhöhten Flugaufkommens bei der Bundeswehr, die sich ja heute immerhin an internationalen Einsätzen beteiligt, kann es ohne weiteres dazu kommen, dass Flughäfen der Bundeswehr - dort kann man ja starten und landen; Sie wissen das sehr gut - auch einmal für andere Aufgaben genutzt werden müssen. Ich habe aber keine Erkenntnis darüber, dass es zu einer stärkeren Belastung von Fürstenfeldbruck etwa als Ausweichflughafen zu Penzing kommen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Damit kommen wir zur Frage 14 des Abgeordneten Werner Siemann: Ist die deutsche Finanzierung zur Beschaffung des militärischen Transportflugzeugs A 400 M gesichert und, wenn ja, wie?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Siemann, die Finanzierung des neuen Transportflugzeuges A 400 M ist nach Meinung der Bundesregierung gesichert. Sie beabsichtigt, das Vorhaben „Zukünftiges Transportflugzeug“ aus dem Einzelplan 14 zu finanzieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Siemann.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, bisher ist der Vertrag vom Verteidigungsminister als unter einem Parlamentsvorbehalt stehend unterzeichnet worden. Gehen Sie davon aus, dass dieser Parlamentsvorbehalt für die Finanzierung des Objekts für den Fall, dass ein Entschließungsantrag der Koalition noch in dieser Woche beschlossen wird, wegfällt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich bin immer wieder überrascht, dass die Regeln des Parlamentarismus - Kollege Siemann, das betrifft nicht Sie - nicht jedem bekannt sind. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages muss bei jeder Beschaffungsmaßnahme, die eine Summe von 25 Millionen Euro - früher 50 Millionen DM - übersteigt, gefragt werden. Übrigens werden Sie im Verteidigungsausschuss auch gefragt; aber die eigentlichen Geldsäcke sitzen ja woanders. ({0}) - Ich nehme das Wort sofort zurück; aber ich darf es eigentlich sagen, weil ich lange Zeit zu denen gehört habe. Nochmals: Mit jeder Beschaffungsmaßnahme von über 25 Millionen Euro muss das Parlament befasst werden. Zurzeit gibt es aber gar keinen Parlamentsvorbehalt. Ich habe das auch mehrfach gelesen und mich gewundert. Es gilt nichts anderes, als dass in dem Moment, in dem die Vorlage mit einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro auf den Tisch kommt, der Verteidigungsausschuss und der Haushaltsausschuss zustimmen müssen. Das haben wir in der Tat noch nicht geleistet. Bislang hat der Bundeskanzler international erklärt, dass wir die 73 Flugzeuge haben wollen; bislang hat der Verteidigungsminister seine Amtskollegen auf unser Haushaltsrecht - seine Amtskollegen haben leider kein so strenges Haushaltsrecht - hingewiesen und gesagt, dass er sich selbstverständlich die Zustimmung des Haushaltsund Verteidigungsausschusses und damit des Parlamentes holen wird. Morgen werden wir - das ist mein Kenntnisstand - klar und deutlich als Koalitionsparteien sagen, dass wir auch gewillt sind, diese 73 Flugzeuge zu finanzieren. Ich habe die große Hoffnung, dass Sie sich dem anschließen, da ja auch Sie für die Beschaffung sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Kollege Siemann.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Opposition - hier in Form der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - hat also Recht, dass am 31. Januar dieses Jahres, also an dem Datum, an dem unsere Partner eine rechtsgültige Entscheidung haben wollen, noch keine rechtsverbindliche, die Bundesrepublik Deutschland verpflichtende Unterschrift von einem Vertreter dieser Bundesregierung - in diesem Fall vom Verteidigungsminister - unter diesen Vertrag gesetzt ist?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sie haben nicht Recht. Wenn eine Regierung, die eine Mehrheit im deutschen Parlament hat, 73 Flugzeuge haben will, wenn die sie tragenden Parteien ihr dabei zustimmen und wenn sie dann auch noch von Teilen der Opposition, nämlich von der CDU/CSU-Fraktion, die ja bereits im Voraus die Verpflichtungsermächtigung erhöhen wollte, unterstützt wird, dann kann sie morgen klar und deutlich erklären, dass das auch weiterhin gilt. Das Flugzeug selbst, Kollege Siemann, wird allerdings leider erst im Jahr 2007 zur Verfügung stehen. Natürlich könnte man auf dem Markt andere Dinge kaufen. Aber wir beschließen doch gerade alle gemeinsam, dass die Industrie in Europa das Flugzeug entwickeln soll. Nach all dem ist es eine schlichte Tatsache, dass wir gemeinsam ein Flugzeug haben wollen, dass wir in den Haushalts- und Verteidigungsausschuss kommen und dass das Parlament morgen Abend erklären wird, dass es dem Erwerb der 73 Flugzeuge zustimmt. Die Herren und Damen in Frankreich, in England und in anderen Ländern sollten sich - das kann ich Ihnen sagen, weil ich lange die NATOSprecherin der SPD-Fraktion war - einmal ihr eigenes und unser Haushaltsrecht ansehen. Im Jahr 2003 wird die Regierung - ich gehe davon aus, dass wir sie wieder stellen ({0}) - dann werden Sie es tun - die Verpflichtungsermächtigung auf die Summe, die im Vertrag festgelegt wird, ausstellen. Zahlungen in großem Maßstab werden ja erst in den nächsten Jahren fällig. Deswegen gehe ich davon aus, dass das rechtmäßig ist. Ich bin auch davon überzeugt, dass Sie dem zustimmen werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zwischenfrage hat der Kollege Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wäre es nicht besser - ein Entschließungsantrag ist ja rechtlich nicht bindend -, einen Nachtragshaushalt aufzulegen, um zu einer sauberen parlamentarischen Lösung zu kommen und unseren Partnern Rechtssicherheit zu geben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wenn eine Regierung, die von der Bevölkerung gewählt wurde und die Mehrheit im Parlament hat, dem Parlament morgen ausdrücklich erklärt, dass sie das möchte, dann ist das ein Weg. Mir persönlich - das habe ich deutlich gesagt - wäre es natürlich lieber gewesen, wir wären im Herbst des letzten Jahres bereits mit den Vertragsverhandlungen so weit gewesen, dass wir eine Verpflichtungsermächtigung für das Jahr 2002 hätten einsetzen können, die der Summe entsprochen hätte. Zu diesem Zeitpunkt haben wir mit den Vertretern der Industrie, aber auch mit unseren Kollegen aus den anderen Ländern über die Größenordnung des Auftrags und über die Kosten eines solchen Flugzeugs verhandelt. Auch das war in Ihrem Interesse. Bezüglich des Nachtragshaushalts bin ich aufgrund der Tatsache, dass das Parlament die Beschaffung ausdrücklich bestätigen wird, ziemlich zuversichtlich, dass wir später - bei der Aufstellung des Haushalts 2003 - entsprechend der Verpflichtungsermächtigung Korrekturen vornehmen werden. ({0}) - Das weiß ich nicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage der Kollegin Lippmann.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade bestätigt, dass die rot-grüne Koalition, die die Mehrheit in diesem Parlament hat, durch die morgige Abstimmung eine zusätzliche Verpflichtung über 3,4 Milliarden Euro mit einer sehr langfristigen Bindung eingeht, ({0}) ohne einen Nachtragshaushalt zu erlassen, der über den 22. September dieses Jahres hinausreichen würde. Habe ich das richtig verstanden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Die Absicht haben Sie richtig verstanden. Es kann gut sein - das kann ich nicht beurteilen -, dass es zu einem späteren Zeitpunkt notwendig werden kann, einen Nachtragshaushalt aufzustellen. Aus heutiger Sicht betrachte ich das als eher unwahrscheinlich. Das wissen wir aber nicht. Das hängt von der konjunkturellen Entwicklung und von möglichen internationalen Krisen - es kann sein, dass noch ein paar Schwierigkeiten auf uns zukommen werden - ab. Wir gehen heute davon aus, dass das rechtlich abgesichert ist. Es sind übrigens zwei Parteien, die diesen Beschluss fassen werden, die SPD und die Grünen. ({0}) - Das wollen wir doch erst einmal abwarten. Wichtig ist, dass wir das Flugzeug bekommen, Herr Kollege. ({1}) Es ist mir immer noch ein Stück zu teuer. Wir haben 5 Milliarden Euro eingesetzt und es kommen jetzt noch einmal 3,6 Milliarden Euro hinzu. Das ist eine stattliche Summe. Ich hoffe, dass es dabei bleiben wird und die Kosten sich nicht wundersam vermehren werden, wie es schon bei etlichen Projekten passiert ist. Den Kollegen von der Union kann ich nur sagen: Eigentlich wollten wir das Flugzeug schon in den 90er-Jahren haben, weil es dringend gebraucht wird. ({2}) - Ich war immer dafür. Da haben Sie die Falsche erwischt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Breuer.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es nicht so, dass das Haushaltsrecht vorschreibt, dass im Hinblick auf die Einschätzung künftiger Vorbelastungen von Haushalten durch von der Regierung geschlossene Verträge die Verpflichtungsermächtigungen die Funktion haben, diese zu berücksichtigen, und die bisher ausgebrachte Verpflichtungsermächtigung des Deutschen Bundestages nicht ausreicht, um das Gesamtprojekt zu finanzieren, somit also die notwendige haushaltsrechtliche Vorsorge nicht getroffen worden ist? Meine Frage ist: Wie wird das weitere Verfahren sein? Wie stellt sich die Bundesregierung, wenn das, was ich gesagt habe, stimmt, vor, im Bereich des Bundeshaushaltsrechts und der Bundeshaushaltsordnung weiter zu verfahren?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege, zunächst einmal: Der Haushalt enthält für die nächsten Jahre Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 5,1 Milliarden Euro. Nach unserer Vorstellung werden diese 5,1 Milliarden Euro in ihrer Summe erst nach 2007 gebraucht werden. Ich hoffe mit Ihnen, dass der Betrag von 8,3 Milliarden Euro, den man mittlerweile, wenn wir die 73 Flugzeuge kaufen, errechnet hat, dann wirklich der Endsumme entspricht. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung, die Sie bestätigen werden, bin ich hinreichend skeptisch, dass dieser Betrag am Ende ausreichen wird. Wir haben uns wirklich bemüht - das sage ich hier noch einmal für die Zuhörer -, mit unseren Partnern zusammen einen Preis auszuhandeln, der unter diesen Entwicklungen liegt. Leider haben wir unterschiedliche Vorstellungen, wie dieses Flugzeug hergestellt wird. Deutschland ist allerdings das einzige Land, das eine angemessene Zahl von Flugzeugen bestellen will. Die 5,1 Milliarden Euro werden also für die Jahre 2002 und folgende allemal reichen. Aber für die Gesamtsumme der Ausgaben für 73 Flugzeuge werden sie am Ende ganz bestimmt nicht reichen; denn die Flugzeuge werden, wie auch ich glaube, nicht billiger werden. Im Haushalt 2003 werden wir entsprechende Korrekturen vornehmen. Wenn wir die Beratungen darüber jetzt abschließen und das Parlament erklärt mehrheitlich, es wolle das, dann halte ich die Angelegenheit eigentlich für ziemlich abgesichert. Als Haushälterin hätte ich mir, wie Sie, natürlich gewünscht - ich sage das noch einmal -, wir hätten Ende Oktober/Anfang November gewusst, was das Flugzeug wirklich kostet, um im Haushalt eine entsprechende Summe zu veranschlagen. ({0}) - Ich bin nicht blauäugig gewesen. Ich habe nur die Summe für zu hoch gehalten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als Nächster hat der Kollege Klaus Rose das Fragerecht.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben vorhin dem Kollegen Siemann nicht Recht gegeben. Können Sie wenigstens mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass der Kollege Metzger von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das bisherige Verfahren als sehr zweifelhaft angeprangert hat? Damit hat er zur Kenntnis gegeben, dass die Zustimmung der beiden Koalitionsfraktionen - Sie haben eine große Zustimmung erwartet - nicht hundertprozentig ist. Damit ist das, was Sie gerade eben noch beschrieben haben, als eine Hilfskonstruktion anzusehen. Geben Sie mir Recht, wenn ich behaupte, dass alles, unabhängig vom Inhalt, von der haushaltsrechtlichen Seite her etwas sehr seltsam abgelaufen ist?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Lieber Herr Kollege Dr. Rose, wir beide sind seit langem Haushälter. Sie werden deswegen die Entstehungsgeschichte der 50-Millionen-Vorlagen in Erinnerung haben. Diese Vorlagen hatten den Grund, Rüstungskosten in den Griff zu bekommen. Einer der Gründe, warum ich hier stehe, ist auch die Hoffnung, dass es uns einmal gelingt, das Explodieren der Preise zu verhindern. Die Aussage des Kollegen Metzger verwundert mich deshalb, weil er den Wunsch hatte, überhaupt nur 40 Flugzeuge zu bestellen. Das wissen Sie sehr genau. Der Rechnungshof hat nämlich eine etwas merkwürdige Darstellung über den Gebrauch der Flugzeuge vorgelegt. Wir sind inzwischen seit langem davon überzeugt - die internationalen Einsätze zeigen es ja -, dass wir mehr Flugzeuge benötigen, um die entsprechenden Anforderungen zu bedienen. Das ist auch dem Kollegen Metzger klar. Als die CDU/CSU-Fraktion im Haushaltsausschuss die Anhebung der Verpflichtungsermächtigungen auf 8 Milliarden Euro - so viel wollte sie damals haben - beantragt hat, haben wir gesagt: Wir kennen die endgültigen Kosten noch nicht; wenn wir diese Summe schon von vornherein einsetzen, dann ist völlig klar, dass die Industrie sie angesichts des jetzigen Preisniveaus auf keinen Fall - das haben wir bis jetzt noch nie erlebt - unterbieten wird. Das war der einzige Grund, warum ich als diejenige, die das Parlament in solchen Fragen meistens begleitet, gesagt habe: Lasst uns mit den Verpflichtungsermächtigungen warten, bis der richtige Zeitpunkt erreicht ist. Vor diesem Hintergrund ist es in der Tat eine Hilfslösung - ich halte sie aber für gerechtfertigt -, dass das Parlament nun klar sagt: Wir wollen 73 Flugzeuge - soviel ich weiß, wollen das auch Sie -; wir wollen die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern; wir wissen, das wird entsprechende Kosten mit sich bringen. Wir müssen uns noch darauf verständigen, unter welchen Modalitäten wir dieses Flugzeug kaufen wollen: Wollen wir gleich mit in die Entwicklung hineingehen oder wollen wir durch „commercial approach“ nicht doch den Großteil später, ab 2007, zahlen? Diese Verständigung zu erzielen, das ist unsere Schwierigkeit. Ich will ausdrücklich nicht bestreiten, dass die ganze Angelegenheit ein Sonderfall ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage der Kollegin Höll.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben in einer Antwort erklärt, dass Sie hoffen, dass die Summe erst ab 2007 fällig wird. Mich würde interessieren, wann Sie wissen, ab wann die Summen fällig werden, und inwieweit Sie dieses Vorhaben für vereinbar mit Zielen Ihrer Regierung halten, die Nettokreditaufnahme abzusenken und bis zum Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen? Denn dieses Ziel ist nach den bisherigen Berechnungen ja nur ohne die Finanzierung dieses Flugzeugs erreichbar.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Dr. Höll, hier kommen mehrere Dinge zusammen. Erstens habe ich nicht gesagt, dass ich hoffen will, dass sie ab 2007 bezahlt werden können. Aber eine der Möglichkeiten kann sein, dass wir erst so spät bezahlen. Der zweite Aspekt ist der Hinweis darauf, dass wir selbstverständlich die Absicht haben, vor 2007 in der Lage zu sein, die Ausgaben des Bundeshaushalts ohne Nettokreditaufnahme zu bestreiten. Der dritte Punkt ist die Frage, welche Höhe dann der Verteidigungshaushalt hat. Hier gehöre ich, das wissen Sie ja, nicht zu denjenigen, die spekulieren und sagen, dass er immer weiter erhöht werden muss. Dies alles wird sehr davon abhängen, in welcher internationalen Lage wir uns befinden, wie viele Soldaten mit welcher Ausrüstung wir brauchen. Ich wage als kritische Haushälterin nur vorsichtig zu sagen: Wir können leider nicht davon ausgehen, dass der Verteidigungshaushalt in den nächsten Jahren sinken wird. Er wird eher eine andere Entwicklung nehmen. Mein Ziel ist allerdings, dass wir im Verteidigungshaushalt noch besonnener mit dem Geld des Steuerzahlers umgehen. Ich glaube in der Tat, dass noch weitere Einsparpotenziale bestehen, sodass die entsprechenden Mittel für neue Projekte zur Verfügung gestellt werden können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Hildebrecht Braun.

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, unsere europäischen Partner erwarten im Hinblick auf den gemeinsamen Bau der A400M bis zum Monatsende eine bindende Erklärung der Bundesrepublik Deutschland. Geht die Bundesregierung davon aus, dass sich der Bundestag bezüglich seines Haushaltsgebarens durch eine schlichte Entschließung über die Zeit hinaus, für die die jetzige Regierung im Amt ist, binden kann und binden wird? In anderen Worten: Gehen Sie davon aus, dass eine zukünftige Mehrheit, die ja wohl für den Haushalt 2003 verantwortlich sein wird, durch den Beschluss, den Sie morgen am späten Abend vom Bundestag erhalten wollen, gebunden sein wird?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ja, davon gehe ich aus. Denn sonst kann man als Bundesregierung nicht das Parlament bitten, die Entscheidung der Bundesregierung, 73 Transportflugzeuge zu beschaffen, zu bestätigen. Herr Kollege Braun, ich sage Ihnen noch einmal - mein Vorteil ist ja, dass ich jahrelang international tätig gewesen bin -: Wenn die anderen nur annähernd eine solche Haushaltskontrolle hätten, wie sie der Deutsche Bundestag besitzt, dann würde bei diesen Projekten manches leichter sein. Das muss ich Ihnen wirklich mit aller Klarheit sagen, da ich mich sehr gewundert habe. Es handelt sich ja nicht um alle Partner, sondern es waren der belgische und der französische Verteidigungsminister, die den Wunsch äußerten, dass bis zum 31. Januar dieses Jahres auch eine Erklärung des Bundestages vorliegen sollte. ({0}) - Das hat nichts mit Misstrauen zu tun. Entscheidend daran ist, dass wir diese Aussage machen. Aber den Vertrag werden wir erst dann unterzeichnen und dem Parlament endgültig vorlegen, wenn wir wissen, dass die Kosten - die Entwicklungskosten und möglicherweise die Vorfinanzierung - auch wirklich genau durchgerechnet worden sind. Deswegen sage ich zu dem Entschließungsantrag, den die SPD und das Bündnis 90/Die Grünen einbringen wollen: Wir gehen davon aus, dass diese Frage bis zum 31. März 2002 erledigt ist. Ich mache mir in diesem Zusammenhang keine Sorgen; denn ich kenne die entsprechenden Herrschaften gut genug. Mich plagt vielmehr die Sorge, wie sich die Kosten entwickeln werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Joachim Hörster.

Joachim Hörster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000932, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat eine Bewertung des Beschaffungsverfahrens vorgenommen. Er kommt dabei zu folgendem Ergebnis: Ein Vertragsabschluss über die Beschaffung der 73 A400M konnte deshalb ohne Verstoß gegen das Haushaltsrecht nur unter Parlamentsvorbehalt erfolgen. Der inzwischen abgeschlossene Vertrag bleibt wegen des vereinbarten Parlamentsvorbehalts bis zur Erteilung der Zustimmung durch den Haushaltsgesetzgeber schwebend unwirksam und trägt somit der Wirkung der qualifizierten Sperre der ausgebrachten VE Rechnung. Stimmen Sie mir zu, dass das im Ergebnis bedeutet, dass eine wirksame Vereinbarung mit den anderen Vertragspartnern nicht zustande gekommen ist? ({0})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Es liegt daran, dass Sie wirklich nicht wissen, wie militärische Verträge abgeschlossen werden. Es ist sehr häufig vorgekommen - übrigens auch bei Ihrer Regierung -, dass MoUs gezeichnet werden, die noch nicht die Wirkung eines Vertrages haben und die das Parlament nachher absegnet. Vor Ihnen steht diejenige, die solche 50-Millionen-DM-Verträge veranlasst hat. Da ging es zum Beispiel um den Tornado, weil der sehr teuer wurde; beim Eurofighter haben wir inzwischen ganz andere Zahlen erreicht als ursprünglich geplant. Es geht wirklich um die schlichte Tatsache, dass der Verteidigungsminister und auch der Bundeskanzler gesagt haben: Ja, wir haben die Absicht, 73 Flugzeuge zu beschaffen und damit auch „lead nation“ in diesem Projekt zu werden. Ihr, Haushaltsausschuss und Parlament, müsst sagen, ob ihr die 73 Flugzeuge wirklich wollt. Denn dann müsst ihr natürlich die Haushaltsmittel dafür zur Verfügung stellen. Darauf, dass wir überhaupt Flugzeuge haben wollen, weisen der Titel und die Verpflichtungsermächtigungen hin. Im Haushalt steht ja kein Geld; es stehen dort nur Verpflichtungsermächtigungen. Das korrigieren wir nun. Es kann sein, dass wir im März zu dem Ergebnis kommen, dass es doch besser ist, begleitend zu finanzieren. Dann kann es sogar sein, dass wir noch im Jahr 2002 eine erste Rate einstellen. Das ist alles noch nicht geklärt. Ich kann nur wiederholen: Ich hätte mir gewünscht, wir wären früher fertig gewesen. Dann hätten wir die Verpflichtungsermächtigung richtig einstellen können. Das waren wir aber nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Zusatzfrage kommt von der Kollegin Irmgard Karwatzki.

Irmgard Karwatzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001068, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Schulte, sind Sie mit mir der Meinung, dass es das Beste wäre, wenn Sie einen Nachtragshaushalt einbringen würden? Dann hätten wir eine vernünftige rechtliche Grundlage.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das Beste wäre gewesen, das gleich im Haushalt 2002 zu veranschlagen. Da sind wir uns einig, nicht wahr? Niemand bringt gern schon im Januar oder Februar einen Nachtragshaushalt ein. Auch Sie hätten das nicht gern getan, wenn Sie in dieser Lage gewesen wären, Frau Kollegin. Das geben Sie zu. ({0}) - Hier ist eine klare Aussage: Das Parlament wird morgen erklären, dass es die 73 Flugzeuge haben will. Nebenbei gesagt, bin ich davon überzeugt, dass dies die Mehrheit beschließen wird, die das dann später auch durchführen wird. Darüber hinaus aber ist es sowohl bei Ihnen wie bei der FDP unstrittig, dass wir das Flugzeug brauchen und dass es nach Möglichkeit dieses Modell sein soll. ({1}) - Ich würde sie nie verneinen. Das muss ich Ihnen ausdrücklich sagen. Das ist selbstverständlich eine Alternative. Warum soll man das nicht zugeben?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat sich noch die Kollegin Blank zu einer Frage gemeldet.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, was hält Sie eigentlich außer der Tatsache, dass es Januar ist, von einem Nachtragshaushalt ab?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das habe ich schon ziemlich ausführlich erklärt. Ich halte es für vernünftig, erst einmal den endgültigen Vertrag im Haushaltsausschuss und im Verteidigungsausschuss abzuwarten, damit klar wird, was das kostet und wie die Zahlungsmodalitäten sind. Das liegt nicht bis Ende Januar vor.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es eine weitere Wortmeldung des Kollegen Jochen Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn es der richtigste Weg gewesen wäre, das in den Haushalt einzustellen, müssen Sie doch einen politischen Grund gehabt haben, das nicht zu tun. War der Grund etwa, dass Sie in diesem Falle Ihr Sparimage gefährdet gesehen hätten?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein. Ich sage es noch einmal: Wir hatten zu diesem Zeitpunkt keine Vereinbarung mit unseren Partnern. ({0}) - Wir haben den Haushalt im November beschlossen. Er ist, glaube ich, Mitte November in den Gremien abgeschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keinen Vertrag, sodass wir uns über die Höhe der Kosten hätten verständigen können. Es ging zudem nicht nur um die Höhe der Kosten, sondern auch um die Aufteilung. Sie erinnern sich, dass Italien noch lange geschwankt hat, ob es mitmachen sollte oder nicht. Das hatte Einfluss auf die Verteilung der Pakete und damit darauf, wer welchen Bereich übernimmt und damit Arbeitsplätze in seinem eigenen Land absichert.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich die Frage 15 des Kollegen Werner Siemann auf: Wie hat sich die Zahl der Anträge von Unteroffizieren auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten von 1998 bis 2001 entwickelt und wie hat sich im gleichen Zeitraum die Zahl der widerruflichen Verpflichtungserklärungen von Offiziersanwärtern entwickelt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Siemann, in den Jahren 1998 und 1999 konnte bei einer Bewerberzahl von etwas mehr als jeweils 8 000 die hinsichtlich der Umwandlung des bestehenden Dienstverhältnisses in das eines Berufsunteroffiziers vorgesehene Quote mit einer Übernahme von 1 222 Antragstellern in 1998 und von 1 552 Antragstellern in 1999 erfüllt werden. In den vergangenen beiden Jahren konnten aufgrund geänderter Ausschreibungsverfahren weniger Bewerber eine Übernahme beantragen. Bei einem Schnitt von 5500 Anträgen konnten jedoch die festgelegten Übernahmequoten mit 1027 im Jahr 2000 und 1529 im Jahr 2001 mit qualifizierten Bewerbern erfüllt werden. Im Zeitraum von 1998 bis 2002 nahmen jährlich durchschnittlich rund 940 der eingestellten Bewerber die Möglichkeit wahr, sich mit widerruflicher Verpflichtungserklärung einstellen zu lassen. Etwa 530 hatten sich sofort gebunden. Mit Widerruf der Verpflichtungserklärung haben in den letzten Offiziersanwärterjahrgängen von ihrem Recht auf Rücktritt Gebrauch gemacht: 230 Soldaten in 1998, 305 Soldaten in 1999, 320 Soldaten in 2000 und 365 Soldaten in 2001.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Siemann zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Zahl der Widerrufserklärungen hat sich erhöht und ist bei über 300 stehen geblieben. Was wird die Bundesregierung in der Zukunft tun, um diese Zahl zu reduzieren?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das kommt darauf an. Wichtig für die Offiziere ist, dass es genügend Bewerber gibt. Aufgrund der heutigen Lebensplanung von jungen Menschen werden Sie nicht verhindern können, dass es sich ein Teil der Leute dann doch noch anders überlegt. Vor allen Dingen dürfen Sie nicht vergessen, dass wir eine erhöhte Zahl von Soldaten in Auslandsaufenthalten haben. Wir haben im Moment alle drei Teilstreitkräfte in ständigen Einsätzen, vom Sanitätsdienst ganz zu schweigen. Das spielt natürlich eine Rolle. Sollte sich herausstellen, dass wir das Bewerberaufkommen nicht erreichen, das wir benötigen, um genügend Nachwuchs zu erhalten - wir brauchen mindestens die Zahl der Berufssoldaten -, dann werden wir uns entweder etwas hinsichtlich der Verlängerung des Dienstes der Zeitsoldaten einfallen lassen - vielleicht auf 20 Jahre; das wird ja oft überlegt - oder die Attraktivität erhöhen. Das wird sowieso nötig sein, wie Sie feststellen, wenn Sie die schwächer werdenden Jahrgänge und die Konkurrenz betrachten. Das wird bereits in zwei, drei Jahren ein Problem werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Siemann hat noch eine zweite Nachfrage.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Regierung beabsichtigt, die Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten in den nächsten Jahren auf 200 000 Soldaten zu erhöhen. Wenn Sie jetzt sagen, es müsse ein Attraktivitätsprogramm geschaffen werden: Gibt es da schon irgendwelche konkreten Vorstellungen, gerade vor dem Hintergrund, dass wir vermehrt Auslandseinsätze haben und auch andere Beeinträchtigungen dazu führen können, dass sich noch weniger melden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich glaube, Sie haben gemeinsam mit uns dafür gestimmt, Anstrengungen zu unternehmen, damit alle Kompaniechefs nach A 12 bezahlt werden. Das war bis dahin nicht der Fall. Die jungen Männer haben sich mit Altersgenossen im öffentlichen Dienst verglichen, die als Gymnasiallehrer, Realschullehrer und sogar bereits als Hauptschullehrer andere Größenordnungen erreicht haben. Das ist ein Punkt. Der zweite Punkt ist: Die Offiziere in der Gesamtheit sind nicht unser Problem. Allerdings gibt es sehr wohl Schwierigkeiten bei Sanitätsoffizieren. Zunehmende Probleme gibt es bedauerlicherweise auch bei den Marineangehörigen. Früher gab es dort überhaupt keine Probleme. Heute spielen die langen Stehzeiten außerhalb Deutschlands eine Rolle. Wir müssen auch abwarten, wie sich die Situation der Offiziere in den fliegerischen Diensten weiterentwickelt. Sorgen mache ich mir persönlich am meisten in Bezug auf die Unteroffiziere und Feldwebel. Da werden wir in der Tat über die bisher erreichte Attraktivität hinaus gemeinsam noch einiges tun müssen, was die Eingruppierung im Vergleich zu anderen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes betrifft. Ich nenne das Stichwort Polizei. Über dieses Problem entscheiden wir aber nicht allein; da reden der Innenminister und die Länder mit. ({0}) - Ja, natürlich, das müssen wir. Ich sehe das sehr wohl als Notwendigkeit; denn wir stellen gerade bei den Einsätzen fest, dass wir qualifizierte Leute benötigen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Günther Friedrich Nolting auf: Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die seit Anfang des Jahres 2001 mehrfach durch den Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, angekündigte schnellere, streitfreie und großzügige Bearbeitung von Anträgen auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung zu gewährleisten, die von aktivem oder ehemaligem Personal von Radareinrichtungen der Bundeswehr gestellt wurden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Nolting, das Bundesministerium der Verteidigung hat, nachdem sich die Zahl der Anträge auf Wehrdienstbeschädigung von Personal der Bundeswehr bei Radareinrichtungen erhöht hatte, eine Arbeitsgruppe „Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar“ und eine Arbeitsgruppe „Beschädigtenversorgung Strahleneinwirkung“ eingerichtet. Die personellen Kapazitäten zur Beschleunigung der versorgungsmedizinischen Begutachtung in diesen Verfahren wurden erheblich verstärkt. Die Maßnahmen haben dazu geführt, dass eine große Zahl von Anträgen abschließend bearbeitet werden konnte.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Nolting zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, der Bundesminister der Verteidigung hat großzügige Regelungen angekündigt. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass wir in den schwebenden Verfahren zu einer Umkehr der Beweislast kommen sollten, um die Position der Betroffenen zu erleichtern?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Für den Kollegen Braun hatte ich eine ganze Reihe von Antworten auf diese Fragen schon vorbereitet, weil er nach der ursprünglichen Reihenfolge vor Ihnen war. Ich kann das gerne noch einmal erklären, weil dies auch draußen immer wieder zu Nachfragen führt: Nach den bestehenden Gesetzen sind wir gebunden, den Einzelfall zu prüfen. Das ist klar und richtig in einem Rechtsstaat. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung werden die Antragsteller befragt, die Personalunterlagen hinsichtlich der Verwendung gesichtet und private bzw. dienstliche Krankenunterlagen eingeholt. Dies erfolgt in für Radarangelegenheiten speziell eingerichteten Arbeitsgruppen, die ich Ihnen genannt habe. Die für die Prüfung der Arbeitsplatzverhältnisse zuständige Arbeitsgruppe muss feststellen, ob durch das Gerät tatsächlich eine entsprechende extreme Belastung auf den jeweils Erkrankten zukam. Von den Messergebnissen und den dokumentierten Werten werden nicht nur die Durchschnittswerte, sondern auch plausible Extremwerte als permanente Exposition angenommen. Diese Maximalwerte zeigen, wenn man bei der Berechnung die gesetzlich vorgeschriebene individuelle Körperdosis zugrunde legt, dass es nicht möglich ist nachzuweisen, dass eine Mehrzahl der Leute aufgrund ihrer Arbeit an den Geräten medizinisch erkrankt ist. Wir haben in jedem Einzelfall, zu dem uns die entsprechenden Unterlagen vorliegen, mit der Prüfung begonnen. Die Einführung der Umkehr der Beweislast würde nur durch ein Sondergesetz möglich. Dies wäre mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar. Ein Verzicht auf den generellen und individuellen Kausalkettennachweis würde Forderungen anderer Personengruppen, nicht nur im Bereich der Bundeswehr, sondern auch in der übrigen Arbeitswelt, nach sich ziehen. Deswegen geht es nur auf dem von uns verfolgten Wege. Das macht es auch so kompliziert, Herr Kollege Nolting. Immer, wenn ich auf diese Problematik angesprochen worden bin, habe ich ganz deutlich gesagt: Gebt mir bitte diesen Fall, wenn ihr das Gefühl habt, er wird nicht schnell genug bearbeitet. Ich habe bisher nicht von einem solchen Fall Kenntnis erlangt; das ist eigentlich schon ganz interessant. Allerdings hat sich, nachdem wir diese Arbeitsgruppe gebildet hatten, die Zahl der Antragsteller verfünffacht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der Kollege Nolting hat noch eine zweite Nachfrage.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass durch die Ankündigung des Ministers, es solle großzügige Regelungen geben, bei den Betroffenen der Eindruck erweckt wurde, dass die Fälle schnell und vor allen Dingen auch unbürokratisch bearbeitet werden? Wir haben jetzt die Situation, dass die Maßnahmen der Regelung sich sehr lang hinziehen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass das Thema ja nicht neu ist. Zu Beginn des Jahres 2001 hat eine Universität - ich glaube, es war die Universität Witten-Herdecke - behauptet, dass solche Strahlenschäden Krebserkrankungen hervorrufen können. Im weiteren Verlauf hat das dazu geführt, dass man behauptete, die Zahl der Wehrdienstbeschädigungen sei gestiegen. Es hat in der Vergangenheit immer schon Fälle gegeben, in denen geprüft worden ist, und die Prüfungen haben auch früher schon nur in einem ganz geringen Anteil zum Nachweis einer Berufserkrankung und einer Wehrdienstbeschädigung geführt. Weil dieser Vorgang in der Öffentlichkeit eine so große Rolle gespielt hat, hat der Herr Minister diese Arbeitsgruppe unter Leitung von Herrn Dr. Sommer eingerichtet. Der Minister hat gesagt: Wenn die Ursache nachgewiesen ist, werden wir uns großzügig verhalten. Seit dieser Zeit hat sich der Zahl derjenigen, die sich gemeldet haben - wir haben noch das spezielle Problem mit der NVA-, verfünffacht. Wir müssen jeden Fall korrekt prüfen. Wir haben zwar das entsprechende Personal verstärkt. Aber wir können die rechtlichen Grundlagen nicht außer Kraft setzen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es eine Nachfrage der Kollegin Heidi Lippmann.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, Sie sagten gerade selbst, dass der Vorgang nicht neu sei. Das ARD-Magazin „Monitor“ hat schon im Jahre 1991 über die gesundheitlichen Probleme der radargeschädigten Soldaten ausführlich berichtet. Sie haben schon ausgeführt, dass zwei Arbeitsgruppen - die eine unter der Leitung von Herrn Dr. Sommer - eingerichtet wurden. Ist denn mit Datum Ende 2001 bekannt, wie viele Soldaten oder wie viele ehemalige Soldaten, die einen solchen Antrag aufgrund ihrer Diensttätigkeit an den besagten Radargeräten eingereicht haben, seit Einrichtung der beiden Arbeitsgruppen verstorben sind?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein. Wir können das natürlich untersuchen, Frau Kollegin. Ich kann Ihnen sagen - das gehört zu der Antwort auf die zweite Frage von Herrn Nolting -, wie viele Fälle wir bislang behandelt haben und wie viele Fälle entschieden worden sind. Das kann ich tun. Ich kann Ihnen aber jetzt nicht sagen, wie viele Soldaten inzwischen verstorben sind. Das müsste man im Rahmen der Antragsprüfung untersuchen. Man muss sehr sorgfältig untersuchen, Frau Lippmann, ob es sich überhaupt um Fälle handelt, die ursächlich etwas mit der Bundeswehr zu tun haben. Wir müssen sehr aufpassen, dass eine spektakuläre Erscheinung nicht gleich zu der Behauptung führt, dass es so ist. Ich bin davon überzeugt, dass die Mitarbeiter, die sich in unserem Ministerium oder auch in den Wehrbereichen mit dieser Frage befassen, sorgfältig vorgehen. Die Bundeswehr ist ja auch eine verwaltende Armee, sodass von den Soldaten entsprechende Unterlagen existieren. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Tatsache, dass die betroffenen Soldaten größtenteils erst nach ihrer beruflichen Tätigkeit erkrankt sind.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Fragesteller ist der Kollege Paul Breuer.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke, Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin, Minister Scharping hat nicht nur eine großzügige, sondern auch eine großherzige Lösung zugesagt. Die Betroffenen, die im Übrigen morgen mit einer Mahnwache beginnen, haben bislang nicht erkennen können - mir wird es auch nicht deutlich aufgrund dessen, was Sie hier sagen -, wo die Großherzigkeit im Verfahren liegt. Vielleicht können Sie dem Hohen Hause einmal sagen, in welcher Art und Weise sich die Großherzigkeit im Verfahren niederschlägt.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Die Großherzigkeit im Verfahren muss immer im Rahmen der rechtsstaatlichen Bestimmungen erfolgen. Das muss man in aller Deutlichkeit allen Kolleginnen und Kollegen sagen. Wir prüfen die einzelnen Systeme, von denen behauptet wird, dass es die schadhaften Systeme seien, zum Beispiel die Systeme Hawk oder Nike. Zum Teil aber sind diese in der Truppe gar nicht mehr im Einsatz. Wir beide gehören schon eine Weile dem Bundestag an. Wir wissen auch, dass sehr schnell behauptet wird, man habe die Ursache mit den entsprechenden Folgen entdeckt. Das hat dazu geführt, dass dieser Vorgang in so spektakulärer Weise dargestellt wurde. Dadurch wurde der Minister veranlasst, sofort zu sagen: Bitte prüft jeden Fall sorgfältig und schnell, damit die Erkrankten nicht das Gefühl haben, dass die Untersuchung erst dann abgeschlossen sein wird, wenn sie verstorben sind. Tatsache ist - das muss auch der Bundeswehrverband zugeben -, dass die geprüften Anträge zum großen Teil abgewiesen werden mussten, weil eine Ursache nicht nachweisbar war. Dieses Vorgehen kann ich nicht außer Kraft setzen, Herr Kollege.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt eine Frage des Kollegen Hildebrecht Braun.

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie sagten, eine Umkehr der Beweislast komme deswegen nicht infrage, weil dies unzulässig und gar rechtswidrig sei. So habe ich Sie jedenfalls verstanden. Ich habe bereits vor zehn Monaten im Ausschuss die Prüfung dieser Frage gefordert, weil im Arzthaftungsrecht und im Versicherungsrecht, also in zwei nahe gelegenen Rechtsgebieten, eine gewisse Umkehr der Beweislast durch die obersten Gerichte längst stattgefunden hat. Das ist nämlich dann der Fall, wenn der Geschädigte einen Sachverhalt plausibel vortragen kann, der einen Kausalzusammenhang zwischen seiner früheren Tätigkeit und der späteren Schädigung nahe legt. Ist es nicht unter dem Blickwinkel der besonderen Fürsorgepflicht des militärischen Arbeitgebers, die natürlich viel weiter geht als die des Arztes gegenüber seinen Patienten oder gar die der Versicherung gegenüber einem Versicherungsnehmer, besonders nahe liegend, dass der Staat, wenn er jemanden in einer gefährlichen Situation beschäftigt und ihn damit einer besonderen Gefährdung aussetzt, auch bei der Frage der Beweislastumkehr mehr Entgegenkommen zeigt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Braun, ich würde Ihnen zustimmen, wenn das zuträfe. Unsere Untersuchungen, auch die der Vergangenheit, zeigen aber, dass man immer gewisse Verhaltensmaßnahmen gekannt hat. Man wusste immer, dass man sich entsprechend verhalten musste. Deswegen ist es so schwierig, ohne den Gleichheitsgrundsatz zu verletzen. Es ist nicht so, dass wir sagen würden, wir hätten kein Verständnis für diese Menschen. Sie wissen aber, dass es in der Bundeswehr eine ganze Menge von Arbeitsplätzen gibt. Der eine nimmt seine Arbeit, Gott sei Dank, ohne eine gesundheitliche Schädigung wahr, ein anderer kann aber möglicherweise sagen: Diese Gesundheitsschädigung kommt von dieser oder jenen Verwendung. Ich brauche das nicht zu vertiefen; wir haben bis zu 495 000 Soldaten gleichzeitig gehabt. Das macht die Schwierigkeit aus. Wir würden also, wenn wir die Beweislastumkehr bei uns zuließen, eine Fülle von Problemen bekommen. Dann würde auch die gesamte Industrie, die gesamte Wirtschaft, die gleichen Probleme haben. Das ist eigentlich der Grund, warum man die Beweislast nicht umkehrt, so viel Verständnis man in den Einzelfällen auch hat - auch ich habe das. Deswegen habe ich immer gesagt: Bitte gebt uns die Einzelfälle. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass Sammelklagen im Moment Mode geworden sind. Bei den Einzelfällen, die wir überprüft haben, hat sich ergeben, dass wir nur in fünf Fällen eine angemessene Entschädigung geben konnten. Bei allen anderen hat sich gezeigt - ich bin keine Medizinerin, ich habe mich aber erkundigt -, wie schwierig es ist, die Überschreitung von Grenzwerten festzustellen. Darauf wage ich, Herr Braun, vorsichtig hinzuweisen, wenn man die Beweislastumkehr bei einem so komplizierten Gebilde wie der Bundeswehr zur rechtlichen Grundlage zulassen will. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Leider ist ein Dialog in der Fragestunde nicht möglich. Wir bleiben aber beim Thema. Ich rufe jetzt Frage 17 des Kollegen Nolting auf: Wie viele dieser Anträge sind mit welchem Ausgang bis heute abschließend bearbeitet worden und wie viele können voraussichtlich noch bis zum Ende der Legislaturperiode positiv beschieden werden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Nolting, von den circa 330 zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Berichts des Arbeitsstabes Dr. Sommer im Juni 2001 vorliegenden Anträgen auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung waren bis Mitte Januar 2002 290 Fälle entschieden. Die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung erfolgte in fünf Fällen. Bis zum 15. Januar 2002 haben 1 505 ehemalige und aktive Bundeswehrsoldaten, 117 zivile Mitarbeiter und 879 Angehörige der ehemaligen NVA einen Antrag gestellt. Die Dienststellen des Bundesministeriums der Verteidigung bemühen sich, dass möglichst im ersten Halbjahr 2002 in allen laufenden Wehrdienstbeschädigungsverfahren, in denen sie zuständig sind, Entscheidungen getroffen sind. Aufgrund der ersten Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar“ zu sechs Radargerätetypen wird deutlich, dass von einer systematischen Verstrahlung von Radarpersonal durch sämtliche Radargerätetypen keine Rede sein kann. Eine Prognose über die Zahl der Fälle, in denen eine Wehrdienstbeschädigung festgestellt werden kann, ist, denke ich, im März dieses Jahres, nach Vorliegen sämtlicher Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar“, möglich.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die erste Nachfrage, bitte.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, hat das jetzige Radarpersonal die Möglichkeit, an kostenlosen Untersuchungen teilzunehmen, um etwaige Strahlenschäden festzustellen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sie wissen, dass es bei der Untersuchung des Personals unterschiedliche Rhythmen gibt. In solchen Bereichen ist die Sensibilität in den letzten Jahren noch erhöht worden. Ich habe heute Morgen bei der Vorbereitung die gleiche Frage wie Sie jetzt gestellt. Dabei hat sich dann ergeben, dass es bei der Bundeswehr Ärzte gibt, die häufigere Untersuchungen für notwendig halten, genauso wie solche, die es nicht für notwendig halten, dass dem Wunsch von Patienten nach einer jährlichen Untersuchung in allen Bereichen nachgekommen wird. Ich glaube jedoch, dass in diesem speziellen Bereich die Sensibilität groß genug ist und dies auch schon in der Vergangenheit überprüft wurde. Ein Grund für die Schwierigkeiten ist auch, dass Anhaltspunkte für eine Wehrerkrankung zu dem Zeitpunkt, in dem die Leute im aktiven Dienst sind, noch relativ gering sind. Ich brauche Ihnen auch nicht zu sagen, welche Ursachen das alles haben kann. Ich wusste auch nicht, dass das Krankheitsspektrum, das jetzt von denjenigen angemeldet worden ist, die glauben, durch ihren Wehrdienst beschädigt worden zu sein, so groß ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das sieht nach einer zweiten Nachfrage aus. Bitte, Herr Kollege Nolting. Hildebrecht Braun ({0})

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekre- tärin, werden eigentlich auch Erkrankungen aufgrund von Hochfrequenzstrahlungen berücksichtigt - und falls nicht, warum nicht?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das ist ebenfalls eine wichtige Frage. Auch darüber haben wir in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit verstärkt diskutiert. Dies betrifft wieder ei- nen Personenkreis, der sorgfältig kontrolliert wird; das ist im zivilen Bereich ähnlich. Hier gibt es aber keine erhöh- ten Auffälligkeiten. Wir haben - das muss man der Bun- deswehr bescheinigen - einer möglichen Gesundheits- gefährdung schon immer eine größere Aufmerksamkeit entgegengebracht als andere. Das Problem besteht darin, dass sich nicht alle an die Vorschriften halten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt kommen wir zur Frage 18 der Kollegin Heidi Lippmann: Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahren durch ABC- Waffen im Einsatzraum der Bundeswehr im Rahmen der Teil- nahme an der Antiterrorkoalition ein und welche Anhaltspunkte gibt es dafür?1)

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin Lippmann, verlässliche Erkenntnisse über ABC-Waffen im Einsatzgebiet der Antiterrorkoalition werden erst nach Abschluss der Durchsuchung der Höhlensysteme und anderer Verstecke von Taliban und al-Qaida in Afghanistan erwartet. Bis dahin tragen die in der Truppe getroffenen Schutzmaßnahmen dem Risiko eines möglichen Einsatzes von chemischen oder biologischen Kampfstoffen angemessen Rechnung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Lippmann, bitte, Ihre erste Nachfrage.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, es gibt hinreichende Erkenntnisse aus unterschiedlichen Geheimdiensten, die ich hier nicht im Einzelnen benennen möchte, welche Staaten wahrscheinlich über B- und C-Waffen, auch über A-Waffenforschung und -entwicklung verfügen. In diesen Tagen rücken Soldaten nach Kuwait aus, um dort - ich weiß, das ist Inhalt der nächsten Frage, ich muss aber vorgreifen - an einer Katastrophenschutzübung mit B- und C-Waffen unter Einsatz von deutschen ABC-Spürpanzern „Fuchs“ teilzunehmen. Über diese Katastrophenschutzübung hinaus ist die Herstellung einer 96-Stunden-Bereitschaft geplant. Wie können Sie diese begründen, wenn bisher keinerlei Erkenntnisse vorliegen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich habe ganz bewusst von gesicherten Erkenntnissen gesprochen. Auch in der Vergangenheit - ich darf Sie daran erinnern - haben wir in verschiedenen Teilen der Welt die Erfahrungen machen müssen, dass diese Länder entweder an ABC-Waffen herumexperimentiert oder versucht haben, sich solche zu beschaffen. Unser Wissen bezieht sich zunächst einmal auf Afghanistan. Neben dem Raum, in dem nach dem Kabinettsbeschluss und dem Beschluss des Deutschen Bundestages der Einsatz vorgesehen ist, kommen aber auch andere Gebiete - damit komme ich auf die Frage von Herrn Gehrcke - für einen Einsatz infrage. Diesbezüglich haben wir als eine Komponente die Bekämpfung von ABC-Waffen aufgenommen, weil die Bundesrepublik Deutschland dieses Thema schon in den vergangenen Jahren aufmerksamer betrachtet hat. Mögliche Einsatzgebiete sind über Afghanistan hinaus die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien, Nordostafrika sowie die angrenzenden Seegebiete - auch wenn man in letzteren sicher nicht den „Fuchs“ einsetzen wird. Gesicherte Erkenntnisse wird man aber erst haben, wenn man die Nachweise erbringt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich die Frage 19 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Treffen Presseberichte über eine bevorstehende Entsendung von Bundeswehrsoldaten aus ABC-Einheiten nach Kuwait zu ({0}), und wenn ja, was ist das Ziel eines solchen Einsatzes?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Gehrcke, die Presseberichte in der „Süddeutschen Zeitung“ treffen insoweit zu, als es sich hier um ABC-Abwehrkräfte handelt, deren Entsendung der Deutsche Bundestag am 16. November 2001 zur Unterstützung der Operation „Enduring Freedom“ zugestimmt hat. Der Zweck dieses Einsatzes ist die Bereitstellung von Kräften zum Spüren und Dekontaminieren von ABCKampfstoffen in Regionen, in denen zurzeit ein Risiko für den Einsatz derartiger Kampfstoffe gesehen wird. Die Unterstützung durch deutsche ABC-Abwehrsoldaten kann daher sowohl den Streitkräften betroffener Koalitionspartner, also Enduring-Freedom-Partner, als auch den Nationen in der Region zugute kommen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage des Kollege Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Mit Rückblick auf die Fragen zur Beschaffungsdebatte darf ich mir vielleicht die Anrede „teure Frau Staatssekretärin“ erlauben. Sinn meiner Frage war ja, das Ganze in einen politi- schen Kontext zu stellen: Können Sie nachvollziehen, wenn ich sage, dass es darüber, dass die USA mögliche Militärschläge auf den Irak noch nicht verbindlich ausge- schlossen haben, eine, wie ich finde, nicht sehr vernünf- tige Debatte mit verschiedenen Äußerungen gibt? Die Bundesregierung hat zwar wieder einmal deutlich ge- macht, dass sie das für wenig sinnvoll hält, sie kann es 1) siehe hierzu auch Frage 9 aber nicht ausschließen, weil sie so genau auch nicht weiß, was die Amerikaner machen. Stimmen Sie mir zu, dass die Stationierung solcher Militärgeräte in Kuwait - an der Grenze zum Irak - zumindest in der arabischen Welt so verstanden würde, dass Deutschland in dieser Frage nicht deeskalierend, sondern eskalierend tätig ist und dass insofern ein falsches politisches Signal davon ausgeht? Wäre die Bundesregierung nicht gut beraten, diese Stationierung nicht zu vollziehen bzw. sie auszusetzen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Deutschland wird seine Streitkräfte ganz bestimmt keinem Land aufdrängen. Davon können Sie ganz sicher ausgehen. ({0}) Wir besitzen gewisse Kompetenzen und es geht ja nicht nur um Kuwait. Ohne die Zustimmung von Kuwait kämen wir überhaupt nicht auf die Idee, dort hinzugehen. Wenn es Ihnen auch etwas unwahrscheinlich zu sein scheint, so ist es doch richtig, dass auch die Vereinigten Staaten - sie sind dort unten und sie sind die „lead nation“ bei Enduring Freedom - in keinem Bereich ausschließen können, dass es zum Einsatz von ABC-Waffen durch Terroristen kommen kann. Dass man sich auf diesen möglichen Fall vorbereitet und sagt, man wolle gemeinsam wissen, wie damit umzugehen sei, halte ich für legitim. Sonst würde die Bundesrepublik das auch nicht mitmachen. Zu den stattgefundenen Spekulationen - nun sitzt der Außenminister inzwischen vor mir - gibt es eine geschlossene Meinung der Bundesregierung dahin gehend, dass wir das Terrain, auf dem weitere Konflikte entstehen, möglichst eingrenzen sollten. Lieber Herr Kollege Gehrcke, ich kann Ihnen deshalb ausdrücklich nicht zustimmen; denn das, was wir jetzt tun, ist Vorsorge und nicht die Absicht, dort auch wirklich militärische Einsätze durchzuführen. Insoweit habe ich damit keine Probleme; denn ohne eine Zustimmung dieser Länder und ohne die Bitte der Vereinigten Staaten, die nicht alles selbst machen können, gäbe es das nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bevor ich jetzt noch die zweite Zusatzfrage des Kollegen Gehrcke zulasse, möchte ich darauf verweisen, dass die restlichen Fragen der Fragestunde - ab Frage 20 - schriftlich beantwortet werden, weil wir gleich unmittelbar im Anschluss an die Fragestunde in die Aktuelle Stunde eintreten. Zugelassen sind aber auch noch die Zusatzfragen des Kollegen Nolting und der Kollegin Lippmann. Herr Kollege Gehrcke, bitte.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin, jetzt muss ich erst einmal zurückfragen, weil ich das Verzeichnis der Fragesteller nicht vorliegen habe. Fällt damit meine zweite Frage weg? Dann würde ich lieber keine Zusatzfrage stellen, sondern meine zweite Frage beantwortet haben, weil damit die Probe aufs Exempel gemacht wird, wie weit der Respekt vor den anderen Ländern geht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Okay. Dann machen wir es ganz fix. Ich rufe jetzt den Kollegen Nolting zu seiner Zusatzfrage und danach die Kollegin Lippmann auf. Ich bitte beide und auch die Staatssekretärin um Kürze, sodass dann noch kurz auf die Frage 20 geantwortet werden kann.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, von wem und wann wurden die ABC-Abwehrkräfte angefordert? Wenn sie nicht angefordert wurden: Hat die Bundesregierung diese ABC-Abwehrkräfte angeboten? Daraus ergibt sich dann natürlich die Frage: wem?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Darf ich Sie noch einmal daran erinnern, Herr Kollege Nolting, dass dieses Parlament am 16. November 2001 mit großer Mehrheit erklärt hat, dass wir im Rahmen der Operation Enduring Freedom bestimmte Komponenten an Sicherheit anbieten können. Sie kennen das. ({0}) Ich habe das vor mir liegen. Darunter sind circa 800 ABC-Abwehrkräfte. Wir beide wissen, dass es auch die Soldaten aus Höxter trifft. Ich wohne noch ein bisschen näher an dieser Stadt; auch Sie sind nicht allzu weit entfernt. Heute haben wir gehört, dass sie nicht in Wilhelmshaven - wie die Medien berichten -, sondern natürlich in Cuxhaven verladen werden, wenn sie dazukommen. Die Amerikaner, die die Hauptlast dieses Einsatzes tragen, sind in dem Bereich auch durch den UN-Beschluss - damit kann ich das gleich beantworten - die „lead nation“. Sie sagen: Wir können nicht ausschließen, dass es zum Einsatz solcher Waffen kommt. Wir möchten in Abstimmung mit Kuwait dafür sorgen, dass wir damit auch umgehen können. Seit dem 18. Dezember 2001 befassen sich das Auswärtige Amt und Kuwait mit der Frage der möglichen Teilnahme von deutschen ABC-Kräften an diesem Training. Auch die USA beteiligen sich an diesem Manöver. Die Absicht ist, dass wir nach diesem Manöver die Mehrzahl der Truppen wieder zurückholen. Wir haben schon bei der Bereitstellung der Verbände darauf hingewiesen, dass diese Kräfte infrage kommen. Wir gehen in kein Land hinein, in dem man uns nicht haben will.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine kurze Zusatzfrage der Kollegin Lippmann, bitte.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, Sie sagten gerade, dass seit dem 18. Dezember 2001 verhandelt wird. Aber erst seit dem 18. Januar dieses Jahres ist, wenn ich richtig informiert bin, die Zustimmung Kuwaits erteilt worden, währenddessen im Vorfeld deutsche Soldaten in Zivil mit etwas eigentümlichen Visa in Kuwait gewesen sein sollen, um dort vorab zu verhandeln. Sie haben die Frage des Kollegen Nolting nicht konkret beantwortet, wann wer wen angefordert hat. Aber wie lässt sich denn jetzt diese amerikanische Vereinbarung mit Kuwait mit dem Beschluss, über den hier im Parlament entschieden wurde, in Einklang bringen, dass speziell für den Einsatz deutscher Truppen eine Zustimmung des jeweiligen Landes vorhanden sein muss, die natürlich über die Amerikaner als Verhandlungspartner hinausgeht?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das ist immer so. Wir haben ein Statut, wonach wir nie in ein Land gehen, indem wir einfach nur sagen: Wir wollen dahin. Dass man darüber verhandelt, ist doch völlig klar. Der Formalismus ist in Deutschland so ausgeprägt, dass es manche gar nicht glauben können, wenn wir sie fragen, ob die Soldaten in Uniform erscheinen können, weil es für sie selbstverständlich ist, dass Soldaten Uniform tragen. Die Hälfte oder - ich würde sogar sagen - das meiste von dem, was in den Zeitungen stand, Frau Kollegin Lippmann, muss man nicht glauben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt als Letztes die Frage 20 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Kann die Bundesregierung bestätigen, dass es zum Zeitpunkt der ersten Aussagen des Bundesministers der Verteidigung, Rudolf Scharping, über einen Einsatz von ABC-Kräften in Kuwait weder eine offizielle Bitte an die Regierung von Kuwait gab noch eine Einladung von dieser vorlag?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich hatte gedacht, diese Frage beantwortet zu haben. Aber vielleicht möchte Herr Gehrcke eine Zusatzfrage stellen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Gehrcke hat jetzt sofort die Möglichkeit zu einer Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich will nur einmal die Fakten korrekt festhalten: Am 18. Januar dieses Jahres ist die Einladung des kuwaitischen Staates an die Bundesrepublik ergangen, die Truppen dort zu stationieren. Die offizielle schriftliche Anfrage der Bundesregierung stammt vom 10. Januar. Aber bereits Ende November 2001 sind die Planungen, wie Sie selber bestätigt haben, angelaufen. Im Dezember 2001 hat es auch vom Verteidigungsminister verschiedene Veröffentlichungen über eine mögliche Stationierung gegeben. In Ausschüssen gab es Informationen. Können Sie sich nicht vorstellen, dass ein Staat wie Kuwait einen eigenartigen Eindruck erhalten muss, wenn in Deutschland über Wochen eine Stationierung vorbereitet und geplant wird, es öffentliche Äußerungen gibt und am 10. Januar als letzter Akt die offizielle Anfrage kommt? Dass Kuwait dies nicht ablehnen wird, das wissen Sie, das weiß ich und das weiß der Außenminister noch besser. Können Sie sich aber vorstellen, dass diese Art und Weise, mit Staaten umzugehen, Befremden auslösen kann?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Es rührt mich ein bisschen an - nehmen Sie mir das nicht übel -, wenn Sie sagen, dass Kuwait möglicherweise von uns ein bisschen genötigt wurde. Dieser Staat ist augenblicklich in einer ganz anderen Situation. Dort sind amerikanische Streitkräfte stationiert. Er ist immerhin schon einmal Opfer einer Auseinandersetzung gewesen. Ich habe nicht das Gefühl, dass das, was in den Medien steht und was spekulativ dargestellt wurde, auch nur annähernd mit der Wahrheit zu tun hatte. Wir haben uns angewöhnt, dass es in einer schwierigen und kritischen Zeit klug ist, nichts oder zumindest nur begrenzt etwas in der Öffentlichkeit zu sagen. Ich meine, dass in einem demokratischen Staat in einer Krise in der Öffentlichkeit nicht alles gesagt werden kann. Man darf aber auf keinen Fall die Leute belügen. Die Soldaten haben sich in der Tat seit Dezember - nachdem dieser Beschluss gefasst worden war - mit dieser Frage auseinander gesetzt. Wenn 800 Soldaten mit ihren Gerätschaften infrage kommen, müssen sie diese auch in Ordnung bringen. Darüber - im legalen und im illegalen Bereich - ist die Öffentlichkeit informiert worden. Ich habe damit keine Probleme und halte das alles für in Ordnung. Ich wünsche auch nicht, dass dieser Konflikt noch ausgeweitet wird. ({0}) - Nein, nicht alle.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das war noch eine sehr kurze Frage mit einer kurzen Antwort. Die Fragestunde ist damit beendet. Wir kommen nun zur Aktuellen Stunde, die die CDU/CSU-Fraktion zu der Antwort der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen 1 und 2 verlangt hat: Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Zeman zu den Sudetendeutschen Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist der Kollege Hartmut Koschyk. ({0})

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sind empört über Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Zeman in einem österreichischen Magazin. Ich darf für meine Fraktion feststellen, dass aus unserer Sicht diese Aussagen des tschechischen Ministerpräsidenten gegenüber den sudetendeutschen Opfern der Vertreibung herablassend, beleidigend und ehrverletzend sind und auch in keiner Weise der historischen Wahrheit entsprechen. ({0}) Ohne Frage stehen diese Aussagen in einem eklatanten Gegensatz zu Geist und Buchstaben der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997, ({1}) insbesondere zu den darin vereinbarten Bemühungen um eine dauerhafte und zukunftsgerichtete deutsch-tschechische Versöhnung. Sie stehen zudem aber auch in einem krassen Widerspruch zum Geist des europäischen Einigungsprozesses und auch zu den Bemühungen der Tschechischen Republik, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Lassen Sie mich Ulrich Glauber aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 21. Januar zitieren, der, wie ich meine, sehr treffend zu diesen Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Stellung genommen hat: Zeman zeigt sich zur Versöhnung unfähig, weil er die kollektive Vertreibung der Sudetendeutschen aus seinem Land nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch rechtfertigt. Er leugnet mit der Brandmarkung der früheren Mitbürger als Landesverräter ... den Widerstand auch sudetendeutscher Genossen gegen die Nazis. Sicherlich schadet der tschechische Ministerpräsident mit seinen ausfallenden Äußerungen letztlich seinem Land selbst und er tut auch sich persönlich keinen Gefallen. ({2}) Auch die Bevölkerung der Tschechischen Republik wird erkennen, dass eine derartig aggressive und überholte Polemik nicht nur dem Geist des europäischen Einigungsprozesses und einem zukunftsgewandten nachbarschaftlichen Miteinander von Tschechen und Deutschen widerspricht, sondern dass dies auch der politischen Kultur der Tschechischen Republik und auch eines tschechischen Ministerpräsidenten unwürdig ist. ({3}) Deshalb haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. Deshalb ist es auch wichtig - wir sind Ihnen dankbar dafür, Herr Außenminister, dass Sie in dieser Aktuellen Stunde auch sprechen -, dass die Bundesregierung keinen Zweifel daran lässt, dass Sie diese unqualifizierten, polemischen und ehrverletzenden Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten mit aller Deutlichkeit zurückweist. Sie sind inakzeptabel und die Mitbürgerinnen und Mitbürger sudetendeutscher Herkunft haben auch einen Anspruch darauf, dass die Bundesregierung sie vor derartigen ungerechtfertigten Angriffen eines ausländischen Regierungschefs in Schutz nimmt. ({4}) Lassen Sie mich auch sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, warum diese Aussagen auch in politischer Hinsicht höchst schädlich sind. Denn sie fallen schließlich in eine Zeit hoffnungsvoller Gespräche, zum Beispiel auf der Ebene des deutsch-tschechischen Gesprächsforums. Dabei handelt es sich um konstruktive Gespräche, in denen gerade auch die Repräsentanten der Sudetendeutschen eine wichtige, nach vorne weisende Rolle spielen. Die Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Zeman - das möchte ich zum Schluss noch sagen -, der sich - wenn man seine bisherige Amtsführung betrachtet, muss man das leider feststellen - nicht als ein sehr kluger und außenpolitisch einfühlsamer Regierungschef erwiesen hat, sind verhängnisvoll. Das trifft auch auf das Interview zu, mit dem er die Stimmung in Österreich angeheizt hat. ({5}) - Herr Bundesaußenminister, der Österreicher, den Herr Stoiber vielleicht meint, ist ein Politiker, der keine Regierungsverantwortung hat. Zeman ist dagegen ein in Verantwortung stehender Regierungschef. In einer solchen Position muss man sich schon ein Stück zurückhalten. Man muss ja nach den Beweggründen fragen. Ich glaube, dass auch ein tschechischer Ministerpräsident ein solches Interview nicht leichtfertig gibt, dass er ein solches Interview erst dann zur Veröffentlichung freigibt, wenn es mit ihm abgestimmt worden ist. Dazu müssten Sie, Herr Bundesaußenminister, heute Stellung nehmen -: Besteht nicht die Gefahr, dass der tschechische Ministerpräsident ein Stück weit zündelt sowie hoffnungsvolle Gesprächsansätze im deutsch-tschechischen Gesprächsforum und die mutige Position, die Herr Pick in dieser Frage durch öffentliche Einlassungen eingenommen hat, ein Stück weit hintertreibt, damit es nicht zu einer humanitären Geste gegenüber den Sudetendeutschen kommt? Darum bemüht man sich zurzeit auf deutsch-tschechischer Ebene für diejenigen, die besonders unter der Vertreibung gelitten haben. Das ist eine Frage, die man sich in diesem Zusammenhang auch stellen muss. Herzlichen Dank. ({6})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Gert Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Koschyk, ich bedauere es sehr, dass die Union und Sie unbedingt im Rahmen einer Aktuellen Stunde über dieses Thema debattieren wollen. ({0}) Das ist zwar Ihr gutes Recht. Aber das fordert die Frage heraus, wie Herr Posselt - den kennen wir alle -, der eine kritische Position gegenüber der Deutsch-Tschechischen Erklärung, die gerade erst fünf Jahre alt geworden ist - Sie haben die positive Wirkung dieser Erklärung eben gewürdigt -, einnimmt, in der gestrigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ erklären kann, dass sich der neue Kanzlerkandidat Ihrer Partei kritisch gegenüber dem deutsch-tschechischen Bemühen verhalten werde. Das verstehe ich nicht. Das passt nicht zusammen. Herr Stoiber konterkariert - das hat er wirklich gut gemacht den schwierigen Prozess der Aussöhnung mit der Tschechischen Republik, den die damalige CDU/CSU-FDPRegierung auf den Weg gebracht hat. Er beruft sich dabei auf eine Vorstandssitzung der CDU/CSU vom Montag, lieber Kollege Lamers, auf der das Ganze besprochen worden sei. Auch Herr Posselt beruft sich darauf. ({1}) - Nein, lieber Kollege Lamers, das Wichtigste ist: Wir dürfen uns - niemand aus diesem Hause darf das - die Erfolge, die wir erreicht haben - vor zehn Jahren wurde der Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag geschlossen; vor fünf Jahren wurde die Deutsch-Tschechische Erklärung verabschiedet -, und die konstruktive Arbeit, zu der Sie selber, Herr Koschyk, innerhalb des deutschtschechischen Gesprächsforums beigetragen haben, nicht kaputtreden lassen. Niemand - wer immer es auch sei darf das. ({2}) Nationalisten aller Länder vereinigt euch - das ist die größte Gefahr, die es in dem zusammenwachsenden Europa gibt. Wir lassen uns die Erfolge von niemandem kaputtreden. ({3}) Wenn Herr Haider dahinter steckt, dann müssten doch auch bei Ihnen die Alarmglocken schrillen. Sie dürften sich nicht an seiner in Österreich inszenierten Kampagne beteiligen, auch nicht indirekt, lieber Kollege Lamers; denn das passt, finde ich, nicht zu den Verdiensten, die sich der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, der die deutsch-tschechischen Beziehungen auf eine gute Grundlage gestellt hat, erworben hat. ({4}) - Der Kollege Zeman hat in der Tat etwas gesagt, was ich - ich sage das in aller Klarheit - nicht teile. ({5}) - Ich muss den Text noch einmal genau nachlesen. ({6}) Wenn ich das richtig interpretiere, steht darin etwas, das an eine Kollektivschuld erinnert. ({7}) Wenn man die Deutsch-Tschechische Erklärung zur Grundlage unserer Beziehungen macht, dann kann es eine Kollektivschuldzuweisung, an wen auch immer, nicht geben. Das ist der wesentliche Punkt, den wir gemeinsam verabredet haben. So interessant das auch immer sein mag - am Aschermittwoch oder bei den Veranstaltungen zu Pfingsten, die in diesem Jahr noch in Rede stehen -: Ich bitte Sie herzlich darum, lassen wir uns alle gemeinsam in diesem Haus nicht von irgendwem verrückt machen, ({8}) der irgendwelche Stichworte nutzt, um Populismus oder Nationalismus zu schüren. Dafür sind die Beziehungen zwischen Prag und Berlin, zwischen unseren Ländern viel zu kostbar. Sie dürfen von niemandem zerredet werden. ({9})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Ulrich Irmer für die FDP-Fraktion.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Interesse der guten Weiterentwicklung der tschechisch-deutschen Beziehungen und im Interesse der europäischen Integration habe ich an uns alle, an Beteiligte und Unbeteiligte, eine Bitte: tiefer hängen! Bitte, bitte tiefer hängen! ({0}) Hintergrund der heutigen Aktuellen Stunde und der Äußerungen, mit denen wir uns leider befassen müssen, ist das Volksbegehren, das Herr Haider in Österreich vorgeblich gegen das Atomkraftwerk Temelin angezettelt hat. Wenn wir hinter die Motive schauen, wird natürlich ganz klar, dass Haider den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union nicht möchte. Das steht eigentlich dahinter. ({1}) Die Reaktionen von Herrn Zeman erkläre ich mir zunächst einmal mit dem alten Spruch: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Dass Herr Haider - gelinde gesagt - ein grober Klotz ist, wissen wir alle. Dass Herr Zeman ein grober Keil ist, haben wir leider auch schon des Öfteren schmerzhaft zur Kenntnis nehmen müssen. Bei dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union geht es darum, dass wir auch die Gespenster der Vergangenheit bannen und dass wir uns in einem von uns allen gewollten, den Menschenrechten verpflichteten Europa gemeinsam wiederfinden. Da passt es natürlich nicht ins Bild, wenn irgendjemand - es war leider nicht irgendjemand - sagt, die Sudetendeutschen seien Kriegsverbrecher gewesen, sie seien die fünfte Kolonne von Hitler gewesen. Was in der Vergangenheit dort Gert Weisskirchen ({2}) geschehen ist, sagt die Deutsch-Tschechische Erklärung in sehr schönen Worten. Darin wird das Verbrechen der Nazis gegenüber dem tschechischen Volk gegeißelt; es wird aber auch ganz klar und unmissverständlich festgestellt, dass das, was den Sudetendeutschen geschehen ist, Unrecht war. Wir würden das heute im modernen Sprachgebrauch als ethnische Säuberung und nichts weniger bezeichnen. ({3}) Das darf nicht kleingeredet werden. Dessen muss man sich bewusst sein. Es wäre völlig falsch, daraus jetzt politische Forderungen abzuleiten und etwa zu sagen: Weil diese Gespenster der Vergangenheit offensichtlich nach wie vor wirksam sind, gibt es Hinderungsgründe für den Beitritt der Tschechischen Republik zur EU. Das alles dürfen wir uns, die wir den Beitritt dringend wollen, nicht gefallen lassen; es widerspräche auch unseren Interessen. Deshalb ist alles, was in die Richtung geht, die Vergangenheit als Hinderungsgrund für eine konstruktive Zukunft aufzubauen, extrem kontraproduktiv. ({4}) Da darf man bitte auch nicht mit den Benes-Dekreten kommen. Viele tschechische Politiker haben einleuchtend erklärt, die Benes-Dekrete entfalteten heute keine Wirksamkeit mehr, sie seien in sich selbst Unrecht. Aber eine förmliche Aufhebung würde zu Problemen führen, genauso wie eine förmliche Aufhebung des Münchner Abkommens ex tunc für uns einen Rattenschwanz von rechtlichen Fragen nach sich zöge. Ich ziehe diese Parallele hier ganz bewusst. Wer die förmliche Aufhebung der Benes-Dekrete verlangt, müsste auch bereit sein, das Münchner Abkommen ex tunc, das heißt von Anfang an, für null und nichtig zu erklären. ({5}) Mit guten Gründen haben sich alle Bundesregierungen dagegen zur Wehr gesetzt, weil nämlich die Folgen, auch die rechtlichen Folgen für einzelne Personen, unabsehbar wären. Lassen wir uns doch bitte nicht auf dieses Glatteis führen! Prüfen wir die Beitrittskriterien, die in der EU für die Mitgliedschaft weiterer Länder in der Europäischen Union aufgestellt worden sind! Es wird schwierig genug, diese Beitrittsvoraussetzungen von allen Seiten zu erfüllen. Auch die Europäische Union hat ja noch Hausaufgaben zu machen: Wir müssen die institutionellen Reformen verwirklichen, damit der Beitritt zusätzlicher Länder ohne große Schwierigkeiten verkraftet werden kann. Ein anderes: Gerade die tschechisch-deutsche Geschichte mit der - auch kulturellen - Komponente des jüdischen Elements in der Stadt Prag, das die Nazis mit ihrem Terror zerschlagen haben, kann uns ein Beispiel dafür geben, wie wir uns in Zukunft das kulturelle Miteinander und das Miteinander unterschiedlicher Völker in unserer Europäischen Union vorstellen sollten. Das und nicht Äußerungen von Leuten, die was für Interessen auch immer verfolgen, sollte unser Leitbild sein. Ich traue Herrn Haider nicht über den Weg. Leider muss ich feststellen, dass auch der tschechische Ministerpräsident - und insofern ist es natürlich richtig, dass es einen Unterschied macht, ob es sich um einen Privatpolitiker oder um einen Mann mit offizieller Funktion handelt - etwas gesagt hat, was ich zutiefst missbillige. Er hat sich schwer vergriffen; er sollte sich dafür entschuldigen. Aber bitte lassen wir auch solche unerträglichen Äußerungen nicht dem im Wege stehen, was wir alle wollen, nämlich die Vollendung unserer Europäischen Union und den möglichst baldigen Beitritt Tschechiens zu unserer Europäischen Union. ({6})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Dr. Antje Vollmer.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Irmer, ich glaube, mit „tiefer hängen“ haben Sie uns allen einen guten und klugen Rat gegeben. Vielleicht werden wir ja am Ende der Debatte das Rätsel lösen können, warum wir uns heute Nachmittag die Zeit damit vertreiben müssen, die Äußerungen eines tschechischen Ministerpräsidenten in einer österreichischen Zeitung zu kommentieren. ({0}) Wolf Biermann hat einmal einen sehr klugen Satz dazu gesagt, den sich, so meine ich, die CDU/CSU merken sollte und der lautet: „Ihr macht mich gerade populär damit.“ Genau das machen Sie mit Herrn Zeman und seinem Interview. Herr Zeman hat ein Interview gegeben. Ich weiß nicht, welcher Geist ihn dabei getrieben hat. Es war sicherlich nicht der Geist der staatsmännischen Klugheit und der Diplomatie. Daran will ich keinen Zweifel lassen. ({1}) Er hat ja selber einen Hinweis gegeben, indem er gesagt hat, er sei der „meistprovozierende Politiker Europas“. Das ist auch eine Form von Eitelkeit, der Politiker manchmal anheim fallen können. Die Frage ist jedoch, was wir im Moment damit zu schaffen haben. Ich glaube, dass die Tschechische Republik wortgewaltige Politiker hat, die Herrn Zeman sehr wohl in die Schranken weisen können, wenn er sich verbal vergriffen hat. Insbesondere Vaclav Havel pflegt dies regelmäßig zu tun - mindestens drei bis viermal im Jahr. Die Debatte über die Frage, wie man die Interessen des Landes vertritt, findet also in der Tschechischen Republik und im tschechischen Parlament statt. Dort gehört sie meines Erachtens nach hin und dort wird sie wohl auch geführt werden. ({2}) Es gibt aber noch etwas anderes. Das ist eine Debatte, an der wir ein ganz großes Interesse haben. Ich meine nicht nur den politischen Streit, sondern die Klärung der Vergangenheit und der damit zusammenhängenden schwierigen Fragen. Das gilt im Hinblick auf die Tschechische Republik und auf Polen. Gerade ist der polnische Botschafter bei mir gewesen und hat mir, Frau Steinbach, einen wunderbaren, dicken Band über die Debatte über das Thema Vertreibung in Polen gegeben. Diese Debatte findet in beiden Ländern statt und sie entwickelt sich erfreulich. Die Menschen eignen sich damit eine schwierige Geschichte an. Was diesen Prozess aber immer wieder stört, sind Debatten der Art, wie wir sie heute führen: vom hohen Ross herab, Rechtfertigung fordernd und zensierend. ({3}) Ich glaube, wir sollten das im Interesse der zukünftigen Debatten und der Entwicklung dieser Frage sein lassen. ({4}) - Ich will Ihnen, Herr Lamers, erklären, wie ich mir Ihre Intention zur heutigen Debatte vorstelle: Es gibt die Deutsch-Tschechische Erklärung, Sie entstand - übrigens unter starker Beteiligung der Opposition - in einem sehr schwierigen zweijährigen Prozess und wurde von Helmut Kohl und auch von Ministerpräsident Stoiber durchgeführt und unterzeichnet. Das war ein sehr schwieriger Prozess, und ich erinnere mich daran, wie wir hier damals darüber diskutiert haben und ich gesagt habe: Respekt, dass diese Erklärung auch von Bayern unterschrieben worden ist. Ich werde den Eindruck nicht los, dass diese Art von Debatten immer wieder Irritationen aufkommen lassen sollen, ({5}) als wollte man die damalige Unterschrift wieder infrage stellen. ({6}) - Sie sagen, dass bei uns großes Entsetzen in den Reihen der Sudetendeutschen entstanden ist, weil Herr Zeman eine Äußerung gemacht hat. Sie wissen aber genauso, dass immer und immer wieder in der Tschechischen Republik großes Entsetzen und große Ängste entstanden sind, wenn es Äußerungen auf den sudetendeutschen Tagen gegeben hat, die nicht Geist und Inhalt der DeutschTschechischen Erklärung ausgedrückt haben. So ist es immer wieder gewesen. ({7}) Die Angst, die dahintersteckt, hat für die Sudetendeutschen letztendlich keine Folgen, während die Tschechen immer wieder die Angst haben müssen, dass es ein Veto gegen ihren Beitritt in die EU geben könnte. ({8}) Es wird von Herrn Haider und auch aus dem Kreis der Vertriebenen mit einem Veto gedroht. ({9}) Es wird gesagt: Wenn das und das nicht passiert, dann müssen wir uns das noch einmal überlegen. Ich finde, eine solche Drohung darf von diesem Parlament nicht ausgehen. ({10}) Wir sollten Ihnen auch nicht den Gefallen tun, dass Sie mittels solcher Debatten - es handelt sich natürlich um Debatten in einem Wahlkampf, die geführt werden, um den Kern Ihrer Stammwählerschaft zu befrieden - an außenpolitischen Verhältnissen zündeln dürfen. Das werden wir nicht mitmachen, das werden wir in aller Ruhe zurückweisen. Deswegen ist die Frage, warum wir das heute hier diskutieren müssen, sehr schnell beantwortet: weil Wahlkampf ist. ({11})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bevor ich dem nächsten Redner, dem Kollegen Gehrcke, das Wort erteile, möchte ich den vom Kollegen Christian Schmidt gebrauchten Begriff, den ich absichtlich nicht noch einmal nenne, mit Entschiedenheit zurückweisen. Er entspricht nicht dem Stil des Hauses. ({0}) Bitte, Herr Kollege Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zwar nicht gehört, was der Kollege Schmidt gesagt hat, aber jetzt bin ich neugierig geworden, was dem Stil entspricht oder nicht. ({0}) Verraten Sie mir das nachher in der Pause. Zur Sache selbst: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kollegen von der CDU - zumindest die klügeren unter ihnen -, die hoffentlich noch einmal über die Aktuelle Stunde nachdenken, relativ rasch begreifen, dass sie sich mit dieser Aktuellen Stunde einen Bärendienst erwiesen haben. Ich glaube, das wissen Sie jetzt schon und haben es schon vorher gewusst. Trotzdem haben Sie die Aktuelle Stunde durchgezogen. ({1}) Ich will Ihnen erklären, warum ich den Eindruck habe, dass das so ist: Sie erwecken, ob Sie es wollen oder nicht - ich unterstelle es Ihnen gar nicht -, den Eindruck, dass Sie die antitschechische Kampagne von Haider in Österreich von Deutschland aus flankieren. Diesen Eindruck sollten Sie nicht erwecken. ({2}) Ich glaube, dass Sie hier einen Fehler gemacht haben. ({3}) Für das Protokoll möchte ich festhalten, dass es Haider natürlich nicht um den Ausstieg aus der Kernenergie geht, obwohl es immer eine rechte ökologische Politik, eine Blut-und-Boden-Politik, gegeben hat, sondern dass Haider versucht, seinen Einfluss in Österreich über eine Bekämpfung der EU-Mitgliedschaft Tschechiens wieder auszuweiten. Deswegen finde ich es sehr bedenklich, wenn zur Begründung der Auseinandersetzung ein Satz des Kollegen Glos zu lesen war - ich zitiere -: „Mit einem solchen Geist kann man nicht in die EU eintreten.“ Er spielt und zündelt mit diesem Satz. Das sollten Sie nicht machen, das ist eigentlich auch unter Ihrem Niveau. ({4}) Ich komme nun zur zweiten Frage, über die man dann entscheiden kann. Sicherlich ist das Interview von Zeman in vielen Fragen nicht besonders durchdacht und nicht besonders solide formuliert, um es milde auszudrücken. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Die eigentliche politische Frage ist aber: Spielt man das jetzt hoch, um sozusagen eine Schnitte zu machen, oder spielt man es herunter, weil man politische Vernunft walten lässt? ({5}) Wer dann so dezidiert „draufhaut“ und die Forderung stellt, dass sich Herr Zeman entschuldigt - was er sicherlich nicht tun wird -, der verwischt damit einfach Grenzen und er verschleiert das, was man als Ursache benennen muss - Zeman hat das gemacht -: den deutschen Faschismus und alle seine Folgen. Darum kommen Sie nicht herum. Ich fand es besonders sympathisch, wie der tschechische Botschafter in Deutschland heute in der „taz“ die ganze Angelegenheit kommentiert hat - ich möchte Ihnen diesen einen Satz vortragen -: „Liebe Leute, vergesst eure Geschichte nicht.“ Dem kann ich mich völlig anschließen - ich sage das nach allen Seiten -: Liebe Leute, vergesst eure Geschichte nicht! Das können wir auch hier dokumentieren. Was ich in dem Interview von Herrn Zeman bedenkenswert finde, ist die Warnung vor rechtspopulistischen Entwicklungen in Europa. Auch diese Warnung kann man mit Blick auf Österreich, mit Blick auf Italien und mit Blick auf Dänemark nicht einfach wegwischen. Eines der Probleme - zumindest mein Problem - ist es, dass es bisher keine überzeugenden Gegenkonzepte gegeben hat. ({6}) Eines will ich Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von der CDU - das ist Ihr Problem und nicht mein Problem -, sagen: Da Ihr Kollege Stoiber, Ihr Kandidat, ja besonders in die Mitte drängt, sollten Sie aufpassen, dass Sie mit Aktionen wie mit der Beantragung dieser Aktuellen Stunde die Mitte nicht wieder konterkarieren und sich auf eine Ebene stellen, auf die Sie eigentlich nicht wollten. ({7}) Das ist Ihr Problem. Ich bin deshalb der Auffassung, dass Sie sich hier selbst einen Bärendienst geleistet haben. ({8}) - Das ist wahr: Wo die Mitte ist, bestimme ich nicht. Es ist aber ganz interessant, darüber einmal nachzudenken. Schlussendlich: Was kann man uns allen in dieser Situation raten? Erst einmal eine Portion Gelassenheit; die Sache herunterspielen; bei dem bleiben, was vertraglich vereinbart ist; den Aussöhnungsprozess fortsetzen und vor allem keinen Zweifel daran lassen, dass wir für die Osterweiterung der Europäischen Union einschließlich Tschechiens zu den allgemeinen Bedingungen und nicht zu Sonderbedingungen sind. ({9}) Deswegen sollten Sie das Wort von Ihrem Landesgruppenvorsitzenden, Herrn Glos, dass man vor diesem Hintergrund noch einmal nachdenken muss, ob Tschechien überhaupt reif sei - das meint er damit -, schnell aus der Welt schaffen. Das richte ich als Appell an Sie. Sie schaden damit sich, Sie schaden unserem Land und Sie schaden den gegenseitigen Beziehungen. Heute wäre Gelassenheit angesagt. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Ernstberger für die SPD-Fraktion.

Petra Ernstberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002648, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Debatte erhält diese Diskussion - so negativ man dazu stehen kann - eine Aufwertung, die sie in diesem Parlament und damit in der Öffentlichkeit nicht unbedingt hätte erfahren müssen. ({0}) Man kann zu den Äußerungen von Premierminister Zeman stehen, wie man will: Sie sind, wie Herr Staatsminister Zöpel gesagt hat, nicht gerade weise gewesen. Sie sind auf einer Ebene angesiedelt, die wir eigentlich überwunden zu haben glaubten; ({1}) denn wenn man sich die Deutsch-Tschechische Erklärung anschaut, dann erkennt man: Prag hat dort eindeutig erklärt, dass es den kollektiven Charakter von Schuldzuweisungen verurteilt. Wir sollten an das anknüpfen, was wir bereits die ganzen Jahre getan haben: Seit zehn Jahren können wir auf eine ordentliche, zukunftsorientierte Arbeit - auch der Vertriebenenverbände - zurückblicken. Wir alle sind in unserer Arbeit von einem gemeinsamen Ziel, nämlich der Westverlängerung Europas, geeint worden. Wir haben ein gemeinsames Projekt: ein Friedensprojekt, ein Versöhnungsprojekt und ein Zukunftsprojekt. Wir bewegen uns dabei in einer historischen und einer moralischen Dimension. Denn die Osterweiterung bzw. Westverlängerung ist nichts anderes als die Antwort Europas auf eine historische Entwicklung, nämlich auf den Ersten und den Zweiten Weltkrieg sowie auf den Faschismus und den Stalinismus, der über Europa hereingebrochen war. Die Frage, ob eine Osterweiterung stattfindet, stellt sich eigentlich gar nicht. Vielmehr müssen wir jetzt gemeinsam, auch in den bilateralen Beziehungen zu Tschechien, die Chancen nutzen, um dieses Ereignis aktiv zu gestalten. Das tun wir auch. ({2}) Wir tun dies in sehr vielen Gremien. Wir tun dies durch den Zukunftsfonds, in dem 84 Millionen Euro installiert sind, die zum Beispiel für Verbesserungen der Jugendzusammenarbeit eingesetzt werden können. Es bestehen Institutionen - in Regensburg zum Beispiel „Tandem“ -, die sich speziell mit dem Austausch von jungen Menschen befassen. ({3}) Es gibt den Koordinierungsrat, in dem ja auch einige von uns, zum Beispiel Herr Schmidt, Mitglied sind. In diesem Koordinierungsrat wird konstruktive Arbeit geleistet, und zwar auch mit Herrn Posselt und auch mit Herrn Schöpker. Das muss man eindeutig so sagen. ({4}) Diese positiven Ansätze werden von Herrn Professor Pick untermauert und begleitet. ({5}) Er versucht, seine Arbeit in Tschechien mit seinen Intentionen zu leisten, was wirklich sehr hoch anzurechnen ist. ({6}) All dies müssen wir doch als eine positive Entwicklung feststellen. ({7}) Es sind kleine Schritte, die wir tun. ({8}) Manchmal sind sie auch ein bisschen mühsam. ({9}) Aber im Grunde genommen sind die Schritte, die wir machen, erfolgreich. ({10}) In Bezug auf die Äußerungen des Premierministers, glaube ich, dass ihn die österreichische Situation, die Frage der Aufstellung der zweisprachigen Ortsschilder und Ähnliches, provoziert hat. Das aber zeigt uns, dass wir in einem Prozess, den wir als relativ normal bezeichnen, einsehen müssen, dass dieser Prozess nicht selbstverständlich ist, sondern dass wir immer noch hart an ihm arbeiten müssen. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir einen Rückschritt machen. Unsere Aufgabe ist es vielmehr voranzuschreiten. Wir müssen das Verdrängte wieder bewusst machen. Wir müssen versuchen, dazu beizutragen, dass unsere Nachbarn, auch in der Öffentlichkeit, wieder wahrgenommen werden. Die deutsche Öffentlichkeit befasst sich eigentlich viel zu wenig mit Tschechien und seinen Problemen. Auch glaube ich, dass es ganz dringend notwendig ist, nicht nur eine deutsch-tschechische Erklärung abzugeben, sondern dass etwas Derartiges auch zwischen Tschechien und Österreich geschehen sollte. Vielen Dank. ({11})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Erika Steinbach für die CDU/CSU-Fraktion.

Erika Steinbach-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002808, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte es schon begrüßt, wenn der deutsche Außenminister während der Diskussion über eine so wichtige europäische Frage nicht streckenweise seine Akten bearbeitet oder süffisant gelangweilt auf der Regierungsbank gesessen hätte. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich am Sonntag Abend das Interview mit dem tschechischen Ministerpräsidenten in meinen Händen hielt, habe ich es drei Mal durchgelesen. ({1}) Ich konnte und wollte nicht glauben, dass ein europäischer Regierungschef, der Ministerpräsident eines Landes, das Mitglied der Europäischen Union werden möchte, exakt am fünften Jahrestag der deutsch-tschechischen Erklärung gegenüber der sudetendeutschen Volksgruppe solche rassistischen Töne anschlägt. Das habe ich für unvorstellbar gehalten. ({2}) Die Äußerungen Zemans sind ganz einfach skandalös. Sein Name wurde ja von fast keinem der Debattenredner von der linken Seite dieses Hauses in den Mund genommen. Er wurde umgangen, als ob ein Niemand, ein Nobody, diese Äußerung getan hätte. ({3}) Es war der Regierungchef dieses Landes und keine geringe Größe. Es ist eine Verachtung der Tschechischen Republik, wenn man so tut, als wäre der Regierungschef dieses Landes ein Niemand. ({4}) Es war die wichtigste Persönlichkeit dieses Landes, nicht irgendjemand. Herr Kollege Weisskirchen, auch Sie wissen das. Wenn Sie mit sich zu Rate gehen, werden Sie es erkennen. ({5}) Diese Äußerungen haben eines plastisch deutlich gemacht: Bis zum heutigen Tage entschuldigt Zeman die Rassenpolitik Edvard Benes‘ gegenüber den tschechoslowakischen Staatsbürgern deutscher Volkszugehörigkeit; denn das waren die Sudetendeutschen 1945. Er findet kein Wort des Mitleids, des Beileids, kein Wort der Reue für diese Verbrechen, die damals geschehen sind. Wer heute, im Jahre 2002, die Vertreibung der Sudetendeutschen - wie Zeman es schriftlich getan hat; er hat es auch nicht stockbetrunken und nebenbei getan, ({6}) sondern schriftlich abgesegnet - als milde Strafe bezeichnet und die gesamte deutsche Volksgruppe der damaligen Tschechoslowakei schuldig spricht, der hat von Menschenrechten, der hat vom Wertefundament Europas rein gar nichts begriffen. Da gibt es große Defizite. ({7}) Es ist gelobt worden, wie konstruktiv die Gespräche auf anderer Ebene sind. Das weiß ich; die Sudetendeutschen tun massiv das Ihre dazu. ({8}) Sie sind eben sogar namentlich erwähnt worden. Wer das registriert, der muss aber auch sehen, dass die Aussagen eines Ministerpräsidenten die besten Versöhnungspapiere zu Makulatur werden lassen, wenn der Regierungschef am Ende nicht geistig hinter dieser Versöhnungspolitik steht. Er konterkariert sie. ({9}) Die historische Verantwortung für die tschechischen Verbrechen an den deutschen Mitbürgern ab 1945 wird nicht nur tabuisiert. Vielmehr wird sie durch diesen Regierungschef heutzutage entschuldigt und gerechtfertigt. Für ein Europa des Friedens, das wir doch brauchen und das wir wollen, ist eine menschenrechtsbewusste Aufarbeitung dieser Verbrechen aber unerlässlich. Denn Menschenrechte sind nicht teilbar. Sie gelten für alle Menschen gleichermaßen. Sie gelten natürlich auch für die Sudetendeutschen. ({10}) Es ist ein Skandal, dass bis zum heutigen Tage in der Tschechischen Republik Mörder von Sudetendeutschen mit Billigung des tschechischen Gesetzgebers frei und ungestraft herumlaufen dürfen. Dass das nach wie vor so ist, daran gibt es keinen Zweifel, Frau Vollmer. Es ist ein europäischer Skandal, dass die Entrechtungs- und Vertreibungsdekrete Edvard Benes‘, die 3 Millionen Menschen ihrer Heimat, ihrer Würde oder ihres Lebens beraubt haben, heute immer noch Grundlage von Gerichtsurteilen sind. ({11}) Das ist mit dem Wertekanon der Europäischen Gemeinschaft nicht zu vereinbaren. ({12}) Es spricht doch Bände, dass die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen die Tschechische Republik verurteilt hat, Entschädigung für Enteignung zu leisten. Diese Verurteilung ist wenige Wochen alt. Sie ist taufrisch. Glücklicherweise - darüber bin ich sehr froh - gibt es in der Tschechischen Republik Intellektuelle, junge Menschen und auch viele Politiker, die das ganz genauso sehen. Sie wissen, dass wir dann ein gutes Miteinander in Europa haben, wenn wir am Ende konstruktiv miteinander leben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Erika Steinbach-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002808, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, danke. - Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, ich darf Sie daran erinnern, dass Wenzel Jaksch Sudetendeutscher war. Er musste nach Großbritannien emigrieren. Das hat ihn nicht davor bewahrt, am Ende aus seiner Heimat vertrieben zu sein, ein Verfemter zu sein und sich als Revanchist beschimpfen lassen zu müssen. Das haben die Sudetendeutschen nicht verdient. Sie hätten mit Sicherheit Worte der Zuwendung verdient. Es ist Aufgabe des deutschen Bundeskanzlers, für seine Sudetendeutschen, die beschimpft werden, beim tschechischen Ministerpräsidenten ein Wort einzulegen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Steinbach, ich bitte Sie! Es ist eine Aktuelle Stunde.

Erika Steinbach-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002808, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bei allem Respekt vor dem Amt des Außenministers: Herr Außenminister Fischer, wenn ein Ministerpräsident sich äußert, ist ein Außenminister nicht satisfaktionsfähig. Es ist Aufgabe des Bundeskanzlers, darauf zu antworten. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Redner ist der Kollege Markus Meckel für die SPD-Fraktion.

Markus Meckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001451, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir eben hier erlebt haben, war schon hochproblematisch. Zu behaupten, dass der Außenminister nicht fähig sei, für die Bundesregierung zu sprechen, ist schon ein ziemlich starkes Stück, ({0}) das ich grundsätzlich zurückweisen kann, zumal Ihnen gesagt werden muss, liebe Kollegin: Was Sie eben hier gemacht haben, ist für das deutsch-tschechische Verhältnis wahrhaftig in keiner Weise hilfreich. ({1}) Es ist in keiner Weise hilfreich, ({2}) weil es genau das nicht tut, was, wie Ulrich Irmer vorhin deutlich gemacht hat, notwendig wäre: das Gesagte tief zu hängen. Auch ich halte für falsch, was Ministerpräsident Zeman gesagt hat. Ich halte es für falsch, in dieser Weise kollektiv und allgemein von den Sudetendeutschen zu sprechen. Dies entspricht auch nicht den historischen Tatsachen, auf die man klar hinweisen muss; ({3}) denn man darf nicht vergessen, dass sich, wie Volkmar Gabert in einer Presseerklärung deutlich gemacht hat, 80 Prozent der sudetendeutschen Jugend 1937/38 beim Mobilisierungsbefehl gemeldet haben und bereit waren, gegen Hitler-Deutschland zu kämpfen. Das ist ein anderes Bild. Dass es unter Henlein auch Sudetendeutsche gab, die den Einmarsch begrüßt haben, ist überhaupt keine Frage. Aber lasst uns doch diese Vergangenheit mit Historikern differenziert besprechen ({4}) und sie nicht zu einem Schlaginstrument der politischen Auseinandersetzung machen. Dies wäre verfehlt. ({5}) Es ist wichtig, dass wir die Beziehungen im Geiste der deutsch-tschechischen Aussöhnungserklärung miteinander gestalten. Das ist in diesem Interview so nicht geschehen. Ich bedaure das. Ich bin aber sicher - das zeigt übrigens gerade die Debatte, die wir in diesen Tagen in der Tschechischen Republik selbst haben -, dass genau das passiert, was wir uns wünschen, nämlich dass in einem Land, das über 40 Jahre nicht die Möglichkeit hatte, sich offen und frei mit dieser Geschichte auseinander zu setzen, in dem viele noch nicht einmal die nötigen Informationen hatten, in dem die Betroffenen nicht darüber reden konnten, diese Debatte beginnt. Das ist ein großer Fortschritt. Auch diese durchaus nicht glückliche Äußerung von Herrn Zeman befördert diesen Diskussionsprozess. Ich freue mich, dass der Prozess vorankommt. Ich halte es für wichtig, dass wir ihn nicht dadurch behindern, dass wir, Frau Steinbach, mit einem groben Klotz reagieren und dazu beitragen, die tschechische Gesellschaft zusammenzuschweißen, weil sie sich insgesamt bedroht fühlt, und darüber hinaus, wie Sie es in der Vergangenheit leider gemacht haben, solche Eigentumsfragen als Bedingungen für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union im Erweiterungsprozess stellen. Hier muss klar sein, was der Bundeskanzler von Anfang an deutlich gesagt hat: Wir werden die Mitgliedschaft und den Erweiterungsprozess der Europäischen Union nicht mit bilateralen Fragen belasten. Dazu gehört ganz eindeutig diese Frage. Wir müssen dem Bundeskanzler dankbar dafür sein, dass er das so klar ausgesprochen hat. ({6}) - Es freut mich, Kollege Lamers, dass Sie das gesagt haben. Ich weiß, dass das in Bezug auf Sie stimmt, aber ich weiß auch, dass das nicht für alle gilt. ({7}) Frau Steinbach wird Ihnen sagen können, wer ihre gegenteilige Position geteilt hat. Wir sollten wirklich versuchen, den Dialog über die Geschichte weiter voranzutreiben, und damit deutlich machen, dass die Geschichte uns nicht belasten darf. Das ist das Wichtigste dieser Erklärung. Natürlich wäre es hilfreich - auch diesen Gedanken kann man durchaus aufgreifen -, wenn, wie es der tschechische Ministerpräsident selber gesagt hat, diese Benes-Dekrete heute keine wirksamen Rechtsakte mehr begründen dürften. Genauso hilfreich wäre aber, wenn das tschechische Parlament dies einmal deutlich aussprechen würde. ({8}) Aber ich sage Ihnen gleichzeitig: Solche Fragen sollten wir auf der angemessenen freundschaftlichen Ebene in den Gremien, die wir dafür haben, besprechen, statt sie in Attacken unterzubringen, die sich dann so anhören müssen, als würden wieder alte Instrumente benutzt. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen es in Deutschland nicht und wir wollen die entsprechenden Geister auch in Österreich nicht bestärken. Das muss man ganz klar sagen und das ist am Anfang hier ausgesprochen worden. Das, was Herr Haider mit dem Volksbegehren, auf das Zeman reagiert hat, vorhat, ist der Versuch, den Erweiterungsprozess und die Mitgliedschaft Tschechiens in der Europäischen Union zu behindern. Dem müssen wir uns nun wahrhaftig mit aller Kraft und sehr deutlich entgegenstellen. ({9}) Ich kann uns alle nur aufrufen, Herrn Irmer folgend diese Fragen eben nicht hoch zu hängen, sie nicht zu einem Staatsakt zwischen den Staaten zu machen, sondern den gesellschaftlichen Dialog zwischen unseren beiden Gesellschaften voranzutreiben, sodass wir den Aussöhnungsprozess, der zuallererst in der Gesellschaft stattfinden muss, weiter verfolgen können. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber im Parlament dürfen wir noch darüber reden! Wir müssen diejenigen, die diesen Prozess in der Tschechischen Republik begonnen haben - die waren die Ersten, denn Vaclav Havel hat begonnen, diese Frage auf der entsprechenden Ebene zu beantworten -, die Politiker und die Menschen aller Ebenen, entsprechend unterstützen. Ich danke Ihnen. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Erika Reinhardt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0}) - Bei der CDU/CSU gab es einen Rednerinnen- und Rednertausch. ({1})

Erika Reinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war am Ende des Zweiten Weltkrieges dreizehn Jahre alt. Ich werde die Bilder der Menschen, die vertrieben worden sind, nicht vergessen. Wie Sie wissen, wohnte ich an der Grenze zur Tschechoslowakei in Österreich. Ich bin gebürtige Österreicherin. Es waren vor allem Frauen und Kinder, die innerhalb von zwei Stunden ihre Häuser und Wohnungen verlassen mussten. Sie wussten nicht, wohin. Die Vertreibung der Menschen aus ihrer Heimat, die Vertreibung der Sudetendeutschen, die bis zu diesem Zeitpunkt mit ihren tschechischen Nachbarn sehr gut zusammengelebt hatten - es gab keine Differenzen, Einzelfälle ausgenommen -, ist Unrecht und eine Menschenrechtsverletzung. Trotz des Schmerzes über den Verlust der Heimat und trotz des Unrechts und der Verbitterung ging von diesen Menschen ein Signal der Hoffnung, ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung aus. In der Charta der Heimatvertriebenen aus dem Jahre 1950 verzichteten die deutschen Vertriebenen ausdrücklich auf Rache und Vergeltung. Herr Außenminister, man hat das Gefühl, Sie langweilen sich etwas bei dieser Debatte. Ich glaube, wir alle sollten sie etwas ernster nehmen. ({0}) Die Heimatvertriebenen verpflichteten sich zur Schaffung eines vereinten Europas. Sie haben einen der größten Beiträge zum Frieden in Europa geleistet, indem sie die bestehenden Grenzen trotz der bitteren Erfahrungen achteten und mittrugen. Mit dieser Haltung haben die deutschen Heimatvertriebenen dazu beigetragen, dass im Zusammenwachsen von Europa das Wissen um die geschichtliche Wahrheit zu einer verbindenden Klammer und nicht zu einer feindlichen Mauer wurde. Meine Damen und Herren, wenn sich heute der tschechische Ministerpräsident Milos Zeman hinstellt und die Sudetendeutschen als Landesverräter beschimpft, dann übt er nicht nur Verrat am europäischen Geist der Versöhnung und der Einigung, sondern stellt Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, an den Rand von Verbrechern. Das ist unerhört und zutiefst verletzend. ({1}) Herr Minister, ich habe in der heutigen Fragestunde die Antwort Ihres Staatsministers, die Äußerung von Herrn Zeman sei nicht weise, wirklich nicht nachvollziehen können. Ich finde, sie war unerhört und er müsste eigentlich von Ihrer Seite eine Rüge erteilt bekommen. ({2}) Es ist ja nicht das erste Mal, dass sich der tschechische Ministerpräsident gegen die Sudetendeutschen in tiefster Missachtung geäußert hat. Wir haben das schon einmal erlebt. Herr Zeman treibt damit einen Keil in das europäische Versöhnungswerk. Solange solche ehrverletzenden Äußerungen im Raume stehen, kann es keine Aufnahme der Tschechischen Republik in die EU geben. ({3}) - Ja, liebe Kollegin, ich bin schon dieser Meinung; denn beide Seiten müssen aufeinander zugehen. Es kann nicht sein, dass ein Ministerpräsident die Sudetendeutschen, die nichts verbrochen haben und die man aus seinem Lande vertrieben hat, ununterbrochen beleidigt. Ich glaube, es ist notwendig, dass einmal ein versöhnendes Wort aus dieser Richtung kommt und auch einmal eine Entschuldigung zu hören ist. ({4}) Deshalb fordere ich die Regierung auf - ja, Herr Außenminister, ich fordere Sie auf -, dem Ministerpräsidenten nahe zu legen, dass er sich entschuldigt und dass er seine Aussage zurücknimmt; denn sie ist mehr als ehrMarkus Meckel verletzend. Es ist die moralische Pflicht einer deutschen Regierung, dies zu tun. Wer gewalttätig aus seiner Heimat vertrieben wurde, ist kein Landesverräter, sondern Opfer. Vertreibung ist Unrecht - immer und überall. Vertreibung ist ein Verbrechen und eine Menschenrechtsverletzung. Anfang Juli 2000 entschuldigte sich der Primas von Böhmen im Beisein von 20 Bischöfen, des päpstlichen Nuntius und zahlreicher Würdenträger für die Vertreibung. Die tschechische Jugendorganisation „Jugend für interkulturelle Verständigung“ hat den Stadtrat der mährischen Stadt Brünn aufgefordert, die ehemaligen deutschen Bewohner der Stadt um Verzeihung zu bitten. Das sind Zeichen der Versöhnung. Daran sollte sich der Ministerpräsident Milos Zeman messen lassen und daran sollte er sich ein Beispiel nehmen. ({5})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin, auch Sie muss ich an Ihre Redezeit erinnern.

Erika Reinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wer ein einiges Europa will, muss den Schutz ethnischer, nationaler und sprachlicher Minderheiten garantieren. Die Vertriebenen sind und bleiben ein wichtiger Partner bei der europäischen Einigung und der Verständigung mit unseren östlichen Nachbarn. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt spricht der Bundesaußenminister Joseph Fischer.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, Sie täuschen sich völlig, wenn Sie meinen, dass ich mich gelangweilt hätte. Im Gegenteil: Als Sie persönliche Dinge angesprochen haben, habe ich an das Schicksal meiner eigenen Familie gedacht. Es ist für die Debatte durchaus relevant. Meine Eltern waren in den Dreißigern, meine Schwestern waren vier bzw. neun Jahre alt - ich war noch nicht auf der Welt -, als es 1946 nach 200 Jahren plötzlich hieß, die Heimat in Ungarn zu verlassen und in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen. Meine Mutter hat mir viel über diese Zeit erzählt. Sie hat mir über das Unrecht der Vertreibung und über viele andere schlimme Dinge erzählt. Sie hat mir von den Pfeilkreuzlern, den ungarischen Nazis, erzählt, bei denen viele Volksdeutsche - aber bei weitem nicht alle - mitgemacht haben. Sie hat mir von dem Todesmarsch der letzten Überlebenden des Budapester Gettos, die von der SS durch ein Dorf am Stadtrand von Budapest Richtung Westen getrieben wurden, erzählt. Sie hat mir also von einer Tragödie erzählt, einer Tragödie, die sehr viele unschuldige Menschen das Leben gekostet hat. Sie hat mir auch erzählt, dass die Verbrechen im Rahmen der Vertreibung hauptsächlich Unschuldige getroffen haben, weil diejenigen, die sich schuldig gemacht haben, mit der Wehrmacht meistens über alle Berge waren. Viele von ihnen sind hinterher nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Manche von ihnen sind nach 1945 in den Vertriebenenverbänden wieder aufgetaucht, was nicht heißen soll, dass in den Vertriebenenverbänden hauptsächlich ehemalige Nazis waren. Ich selbst war als Kind oft auf Tagen der Heimatvertriebenen, der Donauschwaben. Ich kann heute sagen, dass das Verhältnis von Ungarn zu seinen ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern, zu den Donauschwaben, sehr gut ist -, gründend auf der Versöhnung und wissend um die Vergangenheit und um die Verantwortung. Es ist nicht die Vergangenheit, mit der wir es heute zu tun haben - auch wenn sie für die Gestaltung der Zukunft wichtig ist -, sondern es ist das gemeinsame Europa. Wenn diese Debatte einen Sinn macht, dann den, dass sie vergegenwärtigt, was die wirkliche Ursache für die europäische Integration ist, nämlich nicht, dass wir das Zeitalter der Nationen überwinden - die werden fortexistieren -, sondern dass wir das Zeitalter des Nationalismus überwinden. Diese Debatte zeigt, dass nationalistische Kräfte durchaus auch heute wieder dabei sind, das europäische Einigungswerk zumindest infrage zu stellen. Ich glaube, um es wirklich zu gefährden, sind sie zu schwach. ({0}) Lassen Sie mich ausführlich aus einer Drucksache des Deutschen Bundestages aus der 13. Wahlperiode zitieren, nämlich aus der Deutsch-Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung. Das war noch unter

Not found (Kanzler:in)

Die deutsche Seite bekennt sich zur Verantwortung Deutschlands für seine Rolle in einer historischen Entwicklung, die zum Münchner Abkommen von 1938, der Flucht und Vertreibung von Menschen aus dem tschechoslowakischen Grenzgebiet sowie zur Zerschlagung und Besetzung der Tschechoslowakischen Republik geführt hat. Sie bedauert das Leid und das Unrecht, das dem tschechischen Volk durch die nationalsozialistischen Verbrechen von Deutschen angetan worden ist. Die deutsche Seite würdigt die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und diejenigen, die dieser Gewaltherrschaft Widerstand geleistet haben. Die deutsche Seite ist sich auch bewusst, dass die nationalsozialistische Gewaltpolitik gegenüber dem tschechischen Volk dazu beigetragen hat, den Boden für Flucht, Vertreibung und zwangsweise Aussiedlung nach Kriegsende zu bereiten. ... Die tschechische Seite bedauert, dass durch die nach dem Kriegsende erfolgte Vertreibung sowie zwangsweise Aussiedlung der Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei, die Enteignung und Ausbürgerung unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde, und dies auch angesichts des kollektiven Charakters der Schuldzuweisung. Sie bedauert insbesondere die Exzesse, die im WiderErika Reinhardt spruch zu elementaren humanitären Grundsätzen und auch den damals geltenden rechtlichen Normen gestanden haben, und bedauert darüber hinaus, dass es aufgrund des Gesetzes Nr. 115 vom 8. Mai 1946 ermöglicht wurde, diese Exzesse als nicht widerrechtlich anzusehen, und dass infolge dessen diese Taten nicht bestraft wurden. ... Beide Seiten stimmen darin überein, dass das begangene Unrecht der Vergangenheit angehört, und werden daher ihre Beziehungen auf die Zukunft ausrichten. Gerade deshalb, weil sie sich der tragischen Kapitel ihrer Geschichte bewusst bleiben, sind sie entschlossen, in der Gestaltung ihrer Beziehungen weiterhin der Verständigung und dem gegenseitigen Einvernehmen Vorrang einzuräumen, wobei jede Seite ihrer Rechtsordnung verpflichtet bleibt und respektiert, dass die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat. Beide Seiten erklären deshalb, dass sie ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten werden. Ende des Zitats. ({0}) Ich möchte an alle appellieren - wenn ich sage, an alle, dann meine ich auch unsere tschechischen Partner -, dies zur Grundlage für die gemeinsame Zukunft in einem sich erweiternden, zusammenwachsenden Europa zu machen. Auf dieser Grundlage kann die Bundesregierung nicht den Vorwurf oder die These der Kollektivschuld akzeptieren. Wo es keine Kollektivschuld gibt, kann es auch keine Kollektivstrafen geben. Vertreibung und Enteignung wurden von uns immer als Unrecht begriffen. Dennoch, wir wissen um das Umfeld dieser Debatte. Ich freue mich, dass mein Kollege Jan Kavan, mit dem ich gestern gesprochen habe, heute ein - wie ich finde - sehr hilfreiches Interview in einer tschechischen Zeitung gegeben hat, in dem er sich ebenfalls auf die Deutsch-Tschechische Erklärung als die gemeinsame Grundlage der Zukunftsgestaltung bezieht. Insofern möchte ich an alle Seiten, auch an unsere tschechischen Partner, appellieren, dass wir uns auf die Zukunft konzentrieren. Die Erweiterung ist die Zukunft. Es gibt einen Punkt, den ich nicht akzeptieren kann: Wir dürfen jetzt keine zusätzlichen Erweiterungshemmnisse aufbauen. ({1}) Das kann und darf es nicht geben. Das sollten wir hier völlig klar machen. ({2}) - Es nützt auch gar nichts, wenn Sie hier permanent den Namen des tschechischen Ministerpräsidenten wiederholen. Ich denke, die Reaktion der tschechischen Öffentlichkeit hat völlig klar gemacht, dass auch dort bestimmte Äußerungen durchaus kritisch gesehen werden. Auch dort gibt es eine europäische Orientierung. Deswegen ist für uns völlig klar: Wir wollen die sehr guten Beziehungen zwischen der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland, gründend auf der Deutsch-Tschechischen Erklärung, auf höchstem Niveau fortentwickeln. Wir arbeiten an der Osterweiterung der Europäischen Union, weil sie in Europa nicht mehr zulassen wird, dass aus dem Nationalismus Unheil und schlimme Tragödien entstehen. Das ist der Grundansatz der europäischen Integration, die nach dem Ende des Kalten Krieges jetzt auch unsere östlichen Nachbarn umfassen wird. Wir wollen keine neuen Beitrittshemmnisse. Ich habe auch bei meinem Besuch in Österreich gesagt, ({3}) dass es keine neuen Beitrittshemmnisse geben darf und dass auch keine sozusagen ökologisch verbrämten Kampagnen gemacht werden dürfen, ({4}) die in Wirklichkeit nichts anderes bezwecken, als nationalistische Stimmungen gegen Nachbarn zu mobilisieren, um hier Beitrittshemmnisse aufzubauen. Davor kann ich nur alle warnen. In diesem Geiste und auf der klaren Grundlage der Deutsch-Tschechischen Erklärung und auf der Position, die ich gerade genannt habe, nämlich dass wir eine Kollektivschuld nicht akzeptieren können, dass sie historisch nicht begründet ist, dass es auch Sudetendeutsche gab, die Widerstand gegen Hitler geleistet, die loyal zur damaligen Tschechoslowakischen Republik gestanden haben - hier wurden genügend Beispiele angeführt -, sind auch Kollektivstrafen nicht akzeptabel und können schon gar nicht schwerste Menschenrechtsverletzungen hinterher als Recht bezeichnet werden. Das ist die gemeinsame Grundlage der Deutsch-Tschechischen Erklärung. Dies gilt hierfür genauso wie für unsere fortwährende Verantwortung für die Verbrechen Nazideutschlands. Wenn wir uns dieser gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft bewusst sind, werden wir die anstehenden Fragen partnerschaftlich lösen. Ich denke, das wird auch die tschechische Seite so sehen. Mein Besuch anlässlich des fünften Jahrestages der Verabschiedung der DeutschTschechischen Erklärung im Februar wird hoffentlich die letzten Irritationen ausräumen. Wir haben ein Interesse an guter Nachbarschaft und einer möglichst schnellen Osterweiterung. Unsere tschechischen Freunde sind uns willkommen. ({5})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Redner ist der Kollege Christian Schmidt für die CDU/CSU-Fraktion.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In Niederbayern, wo der von mir vorhin in meinem Zwischenruf, Frau Präsidentin, gebrauchte süddeutsche Ausdruck einen Bedeutungswandel vom konkret Dinglichen zum abstrakt Geistigen durchgemacht hat und besagt: „Das ist unzutreffend“ denken die Grünen allerdings hinsichtlich Temelin etwas deutlicher als Sie, Herr Spitzenkandidat und Außenminister. Es entbehrt nicht einer gewissen Delikatesse, dass der grüne deutsche Außenminister den Österreichern auszureden versucht, sich gegen Temelin zu äußern. ({0}) Ich will durchaus würdigen, dass sich in Melk eine Lösung angebahnt hat. Aber wenn ich den zum Teil erbitterten Widerstand gegen Temelin - gerade im ostbayerischen Grenzgebiet auch von Ihrer eigenen Partei - sehe, ({1}) würde ich dieses Thema nicht ohne weiteres nur einem Menschen zuschreiben, der zugegebenermaßen damit auch andere Ziele durchzusetzen versucht. Das Thema muss ernsthaft diskutiert werden. Allerdings halte ich es für falsch, dass man an diesem oder an einem anderen Thema die Beitrittsfragen der Europäischen Union in Bezug auf ein einzelnes Land neu durchdekliniert. Es handelt sich um allgemeine Beitrittsregeln. Diesem Missverständnis unterliegt offensichtlich auch der jedenfalls nach diesen Äußerungen persönlich nicht beitrittsfähige Herr Zeman. Gott sei Dank nehmen wir nur Länder auf und keine Ministerpräsidenten mit problematischen Äußerungen. Wie beim europäischen Stabilitätspakt ist es nicht damit getan, zu meinen, man rutsche in die Europäische Union hinein und alle Fragen seien gelöst, ganz im Gegenteil: Dies wird ein politischer Stabilitätspakt auch in die Zukunft hinein sein. Das macht es für mich gut begründbar zu sagen: Ich nehme hier keine Position nach dem Motto „Wenn nicht, dann nicht“ ein. Dies möchte ich doch noch einmal an die Adresse der Kollegin Vollmer sagen, die hier vollmundig argumentiert hat. Die Beschlusslage der CDU in diesen Fragen kenne ich relativ gut, die der CSU sehr gut, weil ich an ihr nicht unbeteiligt bin. Ich kann Ihnen ganz klar sagen, dass man in sehr abgewogener und differenzierter Form die Fragen bespricht und sagt: ({2}) Wir werden, wenn Tschechien Mitglied der Europäischen Union ist - dieses Recht werden wir uns und wird sich die Europäische Union nehmen -, die Fragen anhand der europäischen Rechtsstandards überprüfen. Ich habe einen Kronzeugen, den ich gern zitieren möchte. Diejenigen, die beim Gesprächsforum im Rahmen der deutsch-tschechischen Arbeit dabei sind, werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass, als wir in Brünn vor, ich glaube, zwei oder drei Jahren ({3}) zusammensaßen - Günter Verheugen war damals gerade EU-Kommissar geworden und noch Kovorsitzender des Gesprächsforums -, die tschechischen Partner in Anwesenheit des Präsidenten des tschechischen Verfassungsgerichtes darauf hingewiesen haben, dass die Rechtsstandards, auch was die fortwirkenden Rechtsfolgen der Benes-Dekrete betrifft - es gibt ja solche nicht nur in Grundstücks- und Statusfragen -, nach dem Maßstab der europäischen „Hausordnung“ zu prüfen sind. Das ist der Punkt, über den nicht ein deutscher, sondern in der Tat vor allem ein innertschechischer Dialog geführt werden muss. Es kann doch niemanden in Tschechien unberührt lassen, wenn der UN-Menschenrechtsausschuss feststellt, dass die tschechische Gesetzgebung zu Rückgabe und Entschädigung konfiszierten Eigentums dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte widerspricht, also völkerrechtswidrig ist. Überträgt man diesen Punkt auf die europäische „Hausordnung“, bedeutet das, dass man sich seiner selbst bewusst werden muss. Dass wir dazu nur einen beschränkten Beitrag leisten können, weiß auch ich. Die Diskussion, bei der erfreulicherweise gerade in den letzten beiden Tagen - es gibt nichts Schlechtes, worin nicht auch ein klein wenig Gutes ist - Töne angeschlagen wurden - in Tschechien selbst, ob in „Mlada Fronta dnes“, von Herrn Dolezal oder auch vom Außenminister -, die durchaus im Sinne der Erklärung sind, Herr Minister, die auch unsere und meine Zustimmung haben - sie sind nicht ganz unbeeinflusst von unseren Gedanken gewesen -, bietet eine Basis für die Zukunft. Wenn es irgendjemand gewesen wäre, hätte man es damit abtun können. Wenn es aber der Ministerpräsident dieses Landes ist, dann muss er sich schon gefallen lassen, dass man ihm - ohne dass man sich vorhalten lassen muss, man würde Ungeziemendes tun - bei diesen Fragen sagt: Mein Lieber, sehr verehrte Exzellenz, so bist du für Europa nicht reif! Es ist erfreulich, dass es in deinem Land andere Gedanken gibt, die dein Land für Europa reif machen. So trägst du nicht dazu bei. ({4})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Redner ist der Kollege Christoph Zöpel für die SPD-Fraktion.

Dr. Christoph Zöpel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002604, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns hier einig: Kollektivschuld gibt es nicht. Das sage ich gegen jeden, der so etwas behauptet, und für jeden, dem so etwas zugemutet wird. Dieser Einsicht entspricht aber ein Zweites: Nachfolgende Generationen können sich nie aus der Geschichte des Staatsvolkes, zu dem sie gehören, freikaufen. Beides gilt. Die Verallgemeinerung dieser beiden Erkenntnisse ist: Niemals gibt es nur Täter und niemals gibt es nur Opfer. ({0}) Es gibt eine weitere Erkenntnis; mit ihr sollten wir mit selbstkritischer Nachsicht umgehen: Es ist einfacher, sich selbst an seine Opferrolle zu erinnern als an seine Täterrolle. Das gilt auch für nachfolgende Generationen. Es gibt keinen Zweifel, dass sich viele Tschechen - auch Repräsentanten des politischen Systems Tschechiens - auch nach 1989 schwer tun, die Täterrolle zu sehen. Aber auch Deutschland hat lange gebraucht, bis es die Entscheidung traf, Zwangsarbeiter zu entschädigen. Auf beiden Seiten gibt es das also. Ich habe seit zwei Jahren Gelegenheit, mich intensiver mit dem Verhältnis der Tschechen und der Deutschen zu beschäftigen. Das Verhältnis der Polen und der Deutschen kannte ich aus meiner Biografie besser. Ich konnte viel zuhören und habe viel gelernt. Beispielhaft für Menschen, von denen ich gelernt habe, nenne ich Otto Pick und Volkmar Gabert. Aus dem, was ich von ihnen und anderen gelernt habe, ziehe ich folgende Konsequenzen: Wenn Tschechen und Deutsche aus dem immer noch vorhandenen Dilemma mit dem Verhältnis von Opfer- und Täterrolle nicht zurechtkommen können - gemeinsam und einzeln -, dann macht es Sinn, dass sie nach den Gründen fragen, wann Staaten und Völker Opfer und wann sie Täter werden. Wenn wir darüber nachdenken, kommen wir vielleicht zu anderen Ansätzen. Ich habe in manchen Diskussionen einen Gedanken für tragfähig gehalten, den ich hier wiederholen möchte. Wenn wir beide sagen, dass es nicht Tschechen und Deutsche waren, die sich teilweise gegenseitig Leid - das es nie hätte geben sollen - angetan haben, sondern dass es die Situation war, in der sie durch Faschismus, Kommunismus und irregeleiteten Nationalismus dazu kamen, und dass es dies aufzuarbeiten gilt, anstatt abwegig in dem Verhältnis zweier Völker herumzurühren, dann wäre das ein Fortschritt. Daraus kann man dann die positive Folgerung ziehen: Die Demokratie und vor allem auch die Zusammenarbeit von Demokratien bieten die historische Form, in der das vermieden wird. Wir versuchen, den Weg in die Europäische Union in Zukunft zusammen mit den Tschechen zu gehen. Im Vorfeld - das ist für mich eine Konsequenz aus der Debatte, die zu Beginn dieser Woche mit den Äußerungen des tschechischen Premierministers begonnen hat - sollten wir unsere gemeinsamen Bemühungen beschleunigen und intensivieren und sollten danach streben, nachdem Deutschland - den Kontext sehe ich schon - in einem weiteren Schritt, seine Täterrolle aufzuarbeiten, entschieden hat, Zwangsarbeitern Genugtuung zukommen zu lassen - in der ganzen Relativität, die da ist - Deutschen, denen von Tschechen Unrecht angetan wurde, über das Wort hinaus - das Wort ist wichtig - Genugtuung zukommen zu lassen. Das ist das eine. Das sollten wir intensivieren und beschleunigen. Das ist für mich die Konsequenz aus dem, was Zeman gesagt hat. ({1}) Das Zweite ist dann aber: Tschechen und Deutsche diskutieren bereits im Rahmen europäischer Innenpolitik miteinander. Auch Tschechen und Österreicher und Österreicher und Deutsche tun dies. Meine letzten Worte ergeben sich aus dem Sinn europäischer Innenpolitik. Regierungen müssen in der derzeitigen Verfassungskonstitution Europas noch zwischen der Rolle der Diplomatie und der Teilnahme am innenpolitischen und innereuropäischen Dialog teilweise hin- und herjonglieren, was nicht so einfach ist. Aber hier in der Parlamentsdebatte diskutiere ich als Teilnehmer an dem Diskurs europäischer Innenpolitik. In diesem Zusammenhang sage ich: Das Volksbegehren in Österreich verstößt - aus welchen Motiven auch immer es angestoßen wurde - gegen das Ziel, die europäische Integration so schnell wie möglich zu schaffen. ({2}) Es wäre gut, wenn es alle Österreicher schaffen würden, das zu lassen. Die Worte von Zeman verstoßen gegen dieses Ziel. Das sage ich hier sehr deutlich. ({3}) Ich hoffe, dass er dies in der innereuropäischen Diskussion selber sieht und es schafft, daraus einen positiven Beitrag wachsen zu lassen. Ich habe die Bitte an alle: Es macht keinen Sinn, auf einen Fehler - aus welchen Motiven auch immer er gemacht wurde - in der eigenen Rede wieder einen weiteren Fehler folgen zu lassen. Die Debatte, die besagt, dass diese Worte des tschechischen Premierministers signalisieren könnten, Tschechien sei nicht bereit und fähig, in die Europäische Union zu kommen, hilft uns nicht weiter. Das Gegenteil ist der Fall. Solche Situationen, Fehler, Patzer und Unweisheiten müssen eigentlich eher die Anstrengungen beflügeln, nach der Aussöhnung im deutsch-französischen Verhältnis in den 50er-Jahren jetzt die Vollendung herbeizuführen. Verbundene Demokratien werden es vermeiden, dass sich Völker, irregeleitet von totalitären Ideologien, wieder Leid antun. Wenn wir Europäer sind, dann darf uns davon nichts, kein Haider - aus anderen Motiven - und kein Zeman, daran hindern. Herzlichen Dank. ({4})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege Karl Lamers für die CDU/CSU-Fraktion.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar, dass als letzter Redner für die SPD-Fraktion der Kollege Zöpel gesprochen hat. Ihr Beitrag, Herr Kollege Weisskirchen, war wirklich problematisch. Ich halte es für völlig unangebracht, denjenigen, die auf diese unmöglichen Äußerungen von Zeman reagieren, die Verantwortung für den eingetretenen Schaden zuzuschieben. ({0}) Sie, Herr Zöpel, haben heute in der Fragestunde - ich bedanke mich dafür - die Reaktion der Sudetendeutschen auf diese Äußerungen maßvoll genannt und sie begrüßt. Das stimmt überhaupt nicht mit dem überein, was die Kollegin Vollmer gesagt hat. Sie ist nicht mehr hier, sonst würde ich ihr einiges sagen. Ich habe den Eindruck, dass, nachdem sie seinerzeit versucht hat, eine Vermittlerrolle zwischen den Vertriebenen und den Tschechen einzunehmen, und sie nicht sofort auf Händen getragen wurde, sie dies in eine persönliche Verärgerung versetzt hat - um es ganz zurückhaltend zu formulieren -, die schädlich ist, weil sie nämlich das beeinträchtigt, worauf es jetzt ankommt. Es kommt doch jetzt darauf an, dass die wirklich inakzeptablen Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten nicht dazu geführt haben, dass in Tschechien eine Solidarisierung mit ihm erfolgt, sondern ganz im Gegenteil dazu, dass eine kritische Debatte über ihn geführt wird. Seine Äußerungen waren für mich ein fataler Rückfall in eine Denkweise, von der ich den Eindruck hatte, dass sie allmählich in Tschechien überwunden wird. Dazu haben die Sudetendeutschen viel beigetragen. Denn entgegen der Äußerung von Herrn Zeman bei seinem ersten Besuch in Bonn - seinem Treffen mit Bundeskanzler Schröder - werden die Benes-Dekrete dort noch angewandt. Die Sudetendeutschen haben das moniert, aber keine große Sache daraus gemacht und schon gar nicht gesagt: Das muss weg, bevor die Tschechische Republik in die Europäische Union eintritt. - Deswegen sind auch die Ermahnungen, keine neuen Hindernisse für die Mitgliedschaft Tschechiens in der Europäischen Union aufzubauen, an die verkehrte Adresse gerichtet, Herr Minister. ({1}) Das tut niemand. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass wir und der damalige CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident seinerzeit gesagt haben, dass das keine Bedingungen für eine Mitgliedschaft Tschechiens in der Europäischen Union sind. Wir möchten das gerne weghaben, aber es sind keine Bedingungen. In Wirklichkeit schafft Herr Zeman neue Schwierigkeiten. Es kann doch kein Zweifel bestehen: Wenn er diese Äußerungen vor dem Volksbegehren in Österreich gemacht hätte, dann hätte es mindestens doppelt so viele Stimmen für das Volksbegehren gegeben. Wer also schafft die Bedingungen? Wer erschwert den Beitritt Tschechiens? Herr Minister, Sie haben lange aus der Deutsch-Tschechischen Erklärung zitiert. Ich interpretiere das so, dass Sie die Äußerungen von Herrn Zeman - gerade was das Thema Kollektivschuld angeht - als im Widerspruch zu der Deutsch-Tschechischen Erklärung stehend ansehen. Ich hoffe, dass Sie das dann deutlicher sagen. Ich verstehe, dass Sie sich als Mitglied der Regierung einer gewissen Zurückhaltung befleißigen müssen. Aber bitte sagen Sie Ihren Kollegen, dass Herr Zeman die Sache irgendwie in Ordnung bringen muss. ({2}) So kann das nicht stehen bleiben, ({3}) und zwar ganz entscheidend deswegen, weil es nicht nur im Widerspruch zu der Deutsch-Tschechischen Erklärung steht, sondern auch zum europäischen Geist. ({4}) Was Herr Zeman betreibt, ist im Grunde schlimmster Populismus - und zwar nationalistischer, also Rechtspopulismus. Das ist wirklich völlig unvereinbar; denn die Grundvoraussetzung für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist die Abkehr vom Nationalismus. Insofern stimme ich dem Kollegen Schmidt ausdrücklich zu. Tschechien - das glaube ich unverändert - ist reif für die Mitgliedschaft, aber Herr Zeman nicht. Aber leider ist Herr Zeman Ministerpräsident dieses Landes. Er leistet seinem Land einen Bärendienst. Die Diskussion in Tschechien, die zwar noch nicht so weit ist wie die in Polen, die aber in den letzten zwei Jahren beachtliche Fortschritte gemacht hat, muss dazu führen - darauf sollten wir hinwirken -, dass solche Äußerungen wie die von Herrn Zeman in Tschechien selbst nicht mehr akzeptiert werden. Herr Minister, dazu kann die Bundesregierung Entscheidendes beitragen. Sie muss klar machen, dass so etwas auch von der deutschen Regierung nicht toleriert wird. ({5}) Dann werden Sie die Diskussion in Tschechien in die richtige Richtung bewegen. Vielen Dank. ({6})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 24. Januar 2002, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.