Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/22/2001

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Bundeskanzler.

Gerhard Schröder (Kanzler:in)

Politiker ID: 11002078

Es gehört für viele zu den bitteren Wahrheiten in dieser Zeit, dass der Frieden in Afghanistan nur durch Krieg näher gerückt ist. Es gehört zu den Lehren der jüngeren deutschen Geschichte, die wir alle miteinander erlebt haben, dass pseudoreligiös legitimierte und motivierte Gewalt durch demokratisch legitimierte Gegengewalt außer Kraft gesetzt und überwunden werden musste. Exakt das ist der Inhalt der Resolution 1368 der Vereinten Nationen. Ich finde, es ist auch richtig, in dieser Situation festzustellen, dass die Vereinten Nationen in den letzten Monaten eine wirklich beeindruckende Rolle gespielt haben. ({0}) Sie sind gestärkt worden. Das ist sicher Ergebnis des Willens der Völkergemeinschaft. Das ist aber auch und vor allem Ergebnis einer behutsamen, klugen, aber gleichwohl entschiedenen Politik des VN-Generalsekretärs Kofi Annan. ({1}) Im Deutschen Bundestag ist über die Frage, ob es verantwortbar sei, sich an den Kriegshandlungen zu beteiligen - in welcher Form auch immer -, wie nicht anders zu erwarten, sehr heftig gestritten worden. Es sind viele Argumente ausgetauscht worden. Zum Beispiel wurde gesagt, dass Krieg immer auch Unschuldige trifft. Das ist wahr. Aber das Problem, dem wir uns heute stellen müssen, ist: Die Abwesenheit von demokratisch legitimierter Gewalt hat viel, viel mehr Unschuldige getroffen, hat sie rechtlos gemacht, zumal Frauen und Mädchen. Dass diese Situation überwunden werden konnte, hat mit der von uns verantworteten Entscheidung zu tun. In erster Linie hat es natürlich mit den Entscheidungen, die in den Vereinigten Staaten getroffen worden sind, dann aber auch mit der von uns gewährten Solidarität - nicht nur, aber auch in militärischen Fragen - zu tun. Krieg trifft Unschuldige. Das ist keine Frage. Aber das Beispiel Afghanistan zeigt: Nur mithilfe militärischer Gewalt konnte verhindert werden, dass auch in Zukunft Unschuldige unendlich leiden müssen. Es hat weitere Argumente gegeben. Man hat gesagt, man dürfe zur Konfliktlösung nicht in erster Linie auf das Mittel der Gewalt setzen, auch wenn man es gebrauchen müsse. Wir haben das nicht getan. Während der kriegerischen Handlungen hat die Diplomatie, hat die Politik keineswegs geschwiegen. Das Beispiel der Petersberg-Konferenz zeigt vielmehr: Wir waren aktiv und sind es geblieben. Beides zusammen - die Bereitschaft, Gegengewalt einzusetzen, und die Absicht, dabei immer auch politische Lösungen im Auge zu haben und sie konsequent zu verfolgen - hat den Erfolg gebracht; jeder Aspekt einzeln für sich hätte ihn nicht gebracht. Auch das ist eine Lehre der Diskussion der letzten Monate. ({2}) Die internationale Friedenstruppe ist also die Konsequenz politisch entschiedenen Handelns. Sie ist die Konsequenz einer Solidarität, die ich - dabei bleibe ich uneingeschränkt genannt habe, weil sie sich eben auch auf den Gebrauch militärischer Mittel bezog. Sie ist die Konsequenz dessen, was in den letzten Monaten an Möglichkeiten entwickelt und durchgesetzt worden ist. Weil das so ist, ist die Entscheidung, um die ich heute das ganze Haus bitten will, eine, die man in voller Verantwortung treffen kann. Ich denke, dass alle Punkte, die wir hinsichtlich des Mandats miteinander diskutiert haben, so weit erfüllt sind, dass sich ein Ja von jedem Einzelnen rechtfertigen lässt. Was waren die Erwartungen? Unter uns war immer klar - ich habe das in den Gesprächen mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden immer deutlich gemacht -, dass wir ein robustes Mandat brauchen; also nicht eines nach Kapitel VI, sondern nach Kapitel VII der UN-Charta, weil nur auf dieser Basis ein angemessenes Maß an Eigensicherheit und Aufgabenerfüllung möglich ist. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat dieser Position, die auch immer die Position unserer Partner war, zugestimmt. Es hat die Erwartung gegeben, dass das Mandat begrenzt sein müsse, was den Einsatzort angeht. Nicht zuletzt hat es diese Erwartung deshalb gegeben, weil wir vielfach erlebt haben, über welche Einsatzorte spekuliert worden ist. ({3}) Das Mandat, dem zuzustimmen ich Sie heute bitte, bezieht sich auf Kabul und Umgebung. „Umgebung“ meint in erster Linie den einzig brauchbaren Flughafen. Auch insoweit sind, denke ich, die Erwartungen vieler hier im Hohen Hause erfüllt worden. Es ist gefordert worden, das Mandat müsse zeitlich begrenzt werden. Auch das geschieht. Man kann darüber streiten, ob die sechs Monate eine zureichende Begrenzung sind. Aber das ist nun einmal Gegenstand des Sicherheitsratsbeschlusses gewesen. Ich denke, wir sollBundeskanzler Gerhard Schröder ten jetzt keine abstrakten Diskussionen über die Frage führen, ob sechs Monate ausreichen oder nicht, sondern deutlich machen: Es handelt sich um ein von den Aufgaben her, vom Einsatzort her und von der Zeit her begrenztes Mandat. Es ist vielfach diskutiert worden - auch in Afghanistan selbst, in der provisorischen Regierung -, wie groß diese internationale Truppe sein müsse. Da war von 1 000 Mann und von weit mehr die Rede. Mein Eindruck ist, dass jene maximal 5 000, die jetzt ins Auge gefasst sind, in der Lage sein werden, ihre Aufgabe so zu erfüllen, dass ihre eigene Sicherheit wie auch die Sicherheit bei der Aufgabenerfüllung gewährleistet werden kann. In diesem Zusammenhang war in den Debatten hier immer die Frage außerordentlich wichtig: Kann man die Aufgaben und die Führung der Friedenstruppe von den gebotenen weitergehenden Kriegshandlungen in Afghanistan trennen? Es gibt zwei Kommandostränge: einen, der nach wie vor die vorwiegend amerikanischen Einsätze organisiert und befehligt - also Centcom -, und einen anderen, davon unabhängigen, der sich auf die Friedenstruppe und ihre Aufgaben bezieht. Es gibt eine klare Trennung zwischen beiden, was in diesem Haus quer durch alle Parteien immer wieder gefordert worden ist. Das ist also erreicht worden. Dass es insbesondere für Gefahrensituationen, die nicht aus eigener Kraft beherrschbar sind, eine enge Zusammenarbeit geben muss, liegt auf der Hand. Auch das ist gewährleistet. Die Trennung ist also gewährleistet, aber Vorsorge für Gefahrensituationen ist gleichwohl getroffen worden. Auch insoweit - denke ich - ist die Entscheidung des Sicherheitsrates angemessen. Was ist der deutsche Anteil? Im Antrag, der Ihnen vorliegt und dem zuzustimmen ich Sie bitte, ist von maximal 1 200 Einsatzkräften die Rede, wobei wir davon ausgehen, dass wir nicht unbedingt alle brauchen werden. Wir werden eher unter dieser Zahl bleiben, als dass wir sie erreichen. Meine Damen und Herren, wir haben immer miteinander und über die Parteigrenzen hinweg diskutiert und gefordert, das, was wir dort tun müssen und tun wollen, zu europäisieren. Mir ist besonders wichtig, dass wir das in dem Rahmen, in dem es objektiv möglich ist, erreicht haben; jedenfalls haben wir uns dem angenähert. Teil des deutschen Kontingents werden Einsatzkräfte aus den Niederlanden und aus Dänemark sein. Ganz weg sind die Erinnerungen an das vorige Jahrhundert mit seinen Kriegen ja noch nicht. Insofern glaube ich, dass es vor dem Hintergrund unserer gemeinsamen Geschichte in Europa ein wirklicher Erfolg ist - den man auch deutlich machen sollte -, dass deutsche, niederländische und dänische Truppen gemeinsam in einem fernen Land für Frieden sorgen. Das ist etwas, was wir nicht unterschätzen sollten. ({4}) Meine Bitte ist also, dass Sie, meine Damen und Herren, dem Antrag zustimmen. Ich verbinde das mit meinem ungeteilten Respekt, meiner Anerkennung und meinen guten Wünschen für diejenigen, die auf der Basis unserer demokratischen Entscheidung sehr bald in Afghanistan Dienst tun müssen. Es ist kein einfacher Dienst - wir wissen das wohl -, aber es ist ein verantwortbarer Dienst, der im Interesse der Menschen in unserem Land ist und den wir deswegen beschließen sollten, weil wir ihn beschließen müssen. Ich will das mit dem Dank an die Soldaten verbinden, die im Zusammenhang mit den Beschlüssen zu „Enduring Freedom“ oder auch auf dem Balkan ihren schweren Dienst tun. Sie tun das für uns alle. Deswegen gehört unser Respekt all denjenigen, die diesen schweren Dienst tun. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz.

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir uns vor drei Monaten einig waren, dass gegen den internationalen Terror entschlossenes Handeln gefordert ist, haben wir nicht zu hoffen gewagt, dass es zum Ende des Jahres gelingen könnte, das Zentrum des Terrors in Afghanistan weitgehend zu zerstören und das Talibanregime zu beseitigen. ({0}) Wir können heute feststellen, dass vor allem unsere amerikanischen Freunde etwas fertig gebracht haben, was viele ihnen nicht zugetraut haben. Sie haben mit Bedacht und Umsicht, aber auch mit Entschlossenheit und mit massiver militärischer Kraft eine Operation vorbereitet und durchgeführt, die binnen sehr kurzer Zeit erfolgreich war. Dafür sind wir den Amerikanern Dank schuldig; denn sie haben mit diesem Einsatz auch im Interesse unseres Landes und unserer Sicherheit gehandelt. ({1}) Die Strategie der USA war richtig und sie ist unverändert richtig. Die al-Qaida ist weitgehend - jedenfalls in Afghanistan - zerschlagen. Die weltweite Antiterrorallianz hat bis heute gehalten. Die internationalen Hilfsorganisationen haben endlich gesicherten Zugang zu Afghanistan. Die Lage der Flüchtlinge hat sich verbessert, auch wenn immer noch Tausende von Hunger und Tod bedroht sind. Der Kampf gegen den Terror ist damit aber noch längst nicht beendet. Er ist in Afghanistan nicht beendet und er ist an vielen anderen Orten der Welt nicht beendet. Er wird Jahre dauern und er wird auch uns Deutschen noch mehr abfordern als den Transport von Wolldecken von Ramstein in die Türkei; denn viel mehr ist es bisher nicht gewesen, was Deutschland geleistet hat. Ich kritisiere das nicht, Herr Bundeskanzler, auch wenn es aus der Rückschau einigermaßen grotesk anmutet, dass darüber fast das rot-grüne Bündnis zerbrochen wäre. ({2}) Nun wird heute - vermutlich jedenfalls - eine Fraktion in diesem Parlament erneut einem Einsatz nicht zustimmen: Das ist die PDS-Fraktion. ({3}) Dies wäre der besonderen Erwähnung nicht wert, wenn nicht zum gleichen Zeitpunkt, zu dem wir heute einen Bundeswehreinsatz entscheiden ({4}) - ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt -, Ihre Partei, Herr Bundeskanzler, eine Koalition mit dieser PDS in Berlin eingehen würde - genau zum selben Zeitpunkt. ({5}) Sie, Herr Bundeskanzler, haben von Paris aus - bezeichnenderweise in einer französischen Zeitung - erklärt, dass es nicht Ihr Wunsch sei, dass diese Koalition eingegangen wird. Das mag man glauben oder nicht. Aber die Tatsache, dass das zum selben Zeitpunkt geschieht, schadet dem Ansehen unseres Landes und Ihrer Glaubwürdigkeit, Herr Bundeskanzler. ({6}) Heute geht es darum, dem über Jahrzehnte geschundenen Land Afghanistan und seinen Menschen eine Perspektive des Friedens und der Stabilität aus eigener Kraft zu eröffnen. ({7}) Die Übergangsregierung in Kabul, die heute ihre Arbeit aufnehmen soll, braucht Hilfe. Sie braucht sie gegen die vielen Tausend Gegner im eigenen Land, etwa gegen die große Zahl der Talibankämpfer, die noch nicht gefasst und entwaffnet sind, sowie gegen Straßenbanden und Fanatiker. Die Friedenstruppe ist also in Afghanistan nur begrenzt willkommen. Das müssen wir wissen. Das müssen aber vor allem unsere Soldaten wissen. Der Aufbau einer zivilen Regierung und einer zivilen Verwaltung wird lange dauern und wird viel Kraft kosten. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich dieser Verantwortung gestellt und mit dem UN-Mandat eine völkerrechtlich einwandfreie Grundlage für eine internationale Sicherheitsunterstützungstruppe geschaffen. Wir werden dem Antrag, den die Bundesregierung heute gestellt hat und der vorsieht, dass wir uns mit bis zu 1 200 Bundeswehrsoldaten an dieser Truppe beteiligen, heute Nachmittag zustimmen. Ich will Ihnen, Herr Bundeskanzler, allerdings nicht verhehlen, dass uns die Zustimmung außergewöhnlich schwer fällt. ({8}) - Bitte, Sie wollen sie doch haben. Wenn man sich Ihre Reihen anschaut, dann stellt man fest, dass nicht nur die Pairingpartner, sondern auch eine ganze Reihe anderer offensichtlich fehlen. ({9}) Sie hätten ohne unsere Zustimmung die Mehrheit im Deutschen Bundestag nicht. Deswegen bitte ich Sie darum, dass Sie sich mit Ihren Zwischenrufen etwas zurückhalten. ({10}) Ich möchte Ihnen auch die Gründe sagen, warum es uns schwer fällt, dem Antrag der Bundesregierung zuzustimmen. Schon die Vorbereitung der Entscheidung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen hat ein fatales Licht vor allem auf die Europäer geworfen. Offensichtlich sind sich die drei großen europäischen Nationen, nämlich Frankreich, Großbritannien und Deutschland, über die Ausformulierung des Mandats bis zum Schluss nicht einig gewesen. Von einer gemeinsamen Politik der Europäer in der UNO, von einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik war in diesem Zusammenhang nichts, aber auch gar nichts zu spüren. ({11}) Welchen Sinn, Herr Bundeskanzler, machen eigentlich alle Beschlüsse über eine europäische Eingreiftruppe, wenn man noch nicht einmal politisch Einigkeit darüber erzielen kann, wie ein solches Sicherheitsmandat aussehen soll, wer es wie lange führen soll, wer wie viele Truppenanteile stellen soll und wie lange der Einsatz überhaupt dauern soll? ({12}) Die Europäische Union hat erneut praktisch keine Rolle bei dieser für Afghanistan, aber auch für uns in Europa so wichtigen Aufgabe gespielt. Ich weiß, es ist heute nicht der Tag, um über Europa zu sprechen. Aber ich möchte doch wenigstens unserer Sorge darüber Ausdruck verleihen, dass die Europäische Union von Anfang an, seit dem 11. September, bis heute auch nicht annähernd die Gemeinsamkeit aufgebracht hat, die ihrer Größe, ihrer Leistungsfähigkeit und vor allem ihrem eigenen politischen Anspruch entspricht. ({13}) Es stellen sich eine Reihe von anderen und zum Teil bis jetzt nicht oder nur unzureichend beantworteten Fragen: Wie wird die Frage der „lead nation“ beantwortet, wenn die Briten nach drei Monaten gehen? Ist es sicher, dass dann etwa die Türkei das Kommando übernehmen wird? Wird der Grundsatz „Zusammen rein und zusammen raus“ von allen beteiligten Nationen eingehalten? Ist gewährleistet, dass ausreichende Rettungs- und Transportkapazitäten zur Verfügung stehen, wenn sich die Lage zuspitzt? Wie sind die Kommandostrukturen? Wie ist - dies ist besonders wichtig - die Kooperation mit den amerikanischen Kampftruppen geregelt? Es heißt ja, es handele sich um „distinct operations“, aber „Enduring Freedom“, also das amerikanische Kommando, besitze im Konfliktfall „authority“. Was heißt das konkret? Meine Damen und Herren von der Koalition, mit diesem Einsatzbeschluss, den die Regierung uns heute vorgelegt hat, ist wohl die Grenze zur Überforderung der Bundeswehr und ihrer Soldaten endgültig erreicht, wenn nicht schon überschritten. ({14}) Dieser Einsatz macht auf erschreckende Weise deutlich, was in den letzten Jahren versäumt wurde, um die Bundeswehr auf die Aufgaben, die ihr gestellt wurden - ({15}) - Ich habe mit diesen Zwischenrufen gerechnet. Der Bundeskanzler hat der „Süddeutschen Zeitung“ ein Interview gegeben - es ist heute abgedruckt - und sich zu diesem Sachverhalt wie folgt geäußert: Der Satz von der chronischen Unterfinanzierung der Bundeswehr bezieht sich auf einen längeren Zeitraum als nur auf diese Regierung und er ist nach unseren Maßnahmen nicht mehr gerechtfertigt. ({16}) Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: Was ist das eigentlich für eine Logik? ({17}) Sie gestehen zu, dass es eine Unterfinanzierung der Bundeswehr gibt. Dann entziehen Sie ihr 18,6 Milliarden DM und sagen, jetzt sei die Unterfinanzierung nicht mehr vorhanden. Was ist das eigentlich für eine Logik, mit der Sie uns hier hinters Licht führen wollen? ({18}) Meine Damen und Herren, da halten Sie sich mit solchen Zwischenrufen zurück! Heute wird erneut deutlich, dass Sie der Bundeswehr noch nicht einmal das zur Verfügung stellen wollen, was Sie selbst mit der Bundeswehrreform beschlossen haben. In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen auch Folgendes: Es mag ja sein, dass Sie Gründe haben, Ihren Verteidigungsminister im Amt zu belassen. ({19}) Aber wenn Sie dem Land solche Peinlichkeiten wie die in den letzten Tagen weiter zumuten, dann wird das die Autorität nicht nur Ihrer Regierung, sondern auch die des ganzen Landes im Bündnis gefährden. ({20}) Herr Bundeskanzler, ersparen Sie uns und anderen die Fortsetzung dieser Peinlichkeiten! Nehmen Sie ihn über den Jahreswechsel in aller Stille aus dem Amt! Lassen Sie ihn lange in die Karibik fahren! Sorgen Sie dafür, dass ein Verteidigungsminister ins Amt kommt, der Autorität und Ansehen auch bei den Soldaten der Bundeswehr genießt! ({21}) Damit aus dem, was ich kritisch zur Ausstattung der Bundeswehr sage, kein Missverständnis entsteht: Dies ist keine Kritik an den Soldaten. ({22}) - Entschuldigung! Auch das mag Ihnen nicht gefallen, aber unsere Soldaten haben in den letzten Jahren, insbesondere im zu Ende gehenden Jahr 2001, weit überdurchschnittliche Leistungen vollbracht, insbesondere in den Auslandseinsätzen, in die wir sie geschickt haben. ({23}) - Das mit der besseren Opposition können Sie im nächsten Jahr selbst probieren, Herr Kollege. Dann sind Sie dran, Opposition zu machen. ({24}) Unsere Soldaten haben wirklich höchste Anerkennung verdient. Sie und ihre Familien verdienen es aber auch, dass der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht ihnen gegenüber gerecht wird. ({25}) Die Verantwortung dafür nimmt Ihnen, Herr Bundeskanzler, das Parlament mit seiner Zustimmung heute, wenn sie denn erteilt wird, nicht ab. Sie als Bundeskanzler tragen auch dann noch die Verantwortung dafür, dass alles, aber auch wirklich alles getan wird, um unsere Soldaten im Einsatz bestmöglich zu schützen. ({26}) Der Einsatz in Afghanistan ist mit erheblichen Risiken verbunden. Nach Bosnien, dem Kosovo und Mazedonien ist es jetzt endgültig an der Zeit, dass Sie, Herr Bundeskanzler, Ihre Politik korrigieren, Ihre Bundeswehrplanung gründlich überarbeiten und neu ausrichten. Der Bundeswehr fehlen schon heute rund 7 000 Unteroffiziere und Feldwebel. Die Zusage, dass Soldaten bei Auslandseinsätzen maximal sechs Monate in der Auslandsverwendung und anschließend zwei Jahre ohne eine solche Auslandsverwendung sind, kann bei einer immer größer werdenden Zahl von Soldaten aller Dienstgrade nicht mehr eingehalten werden. Herr Bundeskanzler, Sie können spätestens nach dem heutigen Beschluss den Fragen nicht mehr ausweichen, die wir Ihnen seit Ihrem Amtsantritt seit drei Jahren stellen - ich will sie zusammenfassen -: Welche regionalen und globalen strategischen Aufgaben sind Europa und vor allem der Europäischen Union gestellt? Welchen Beitrag will und kann Deutschland im Rahmen einer europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik dazu leisten? Was sind die realistischen Kosten eines solchen deutschen Beitrags und wie bringen wir sie auf? Schließlich: Welche Perspektiven und welche Sicherheit haben unsere Soldaten in Zukunft in ihrem Beruf? Auf diese Fragen, Herr Bundeskanzler, müssen Sie Antwort geben. Dem können Sie nicht ausweichen. ({27}) Ich sage deshalb noch einmal: Mit dem heutigen Beschluss ist endgültig die Zeit für eine Wende in der Politik für die Bundeswehr gekommen. Wenn Sie sich dieser Herausforderung mit einer Kurskorrektur in Ihrer bisherigen Politik nicht stellen, wenn Sie die Bundeswehr weiterhin in immer mehr internationale Einsätze schicken und ihr dafür immer weniger Geld zur Verfügung stellen, dann werden Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regierung der gewachsenen internationalen Verantwortung unseres Landes ebenso wenig gerecht wie der Pflicht, den Soldaten der Bundeswehr ein fürsorgender und verantwortlicher Dienstherr zu sein. ({28}) Wir stimmen dem Einsatz der Bundeswehr heute Nachmittag trotz all unserer Bedenken - sie sind in den letzten Tagen nicht kleiner geworden - zu. Wir stimmen zu, weil wir dem afghanischen Volk, den Menschen und vor allem den vielen Hunderttausend Kindern in diesem Land, helfen und ihnen eine Perspektive geben wollen. Wir stimmen aber auch zu, weil Sicherheit in Afghanistan auch ein Beitrag zum Schutz unseres Landes vor terroristischen Anschlägen fanatischer Extremisten ist. Wir wünschen unseren Soldaten eine gute und vor allem eine gesunde Heimkehr. Unsere Soldaten und ihre Familien sollen wissen, dass wir, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, diese Entscheidung heute, zwei Tage vor dem Weihnachtsfest, hier, in Berlin, nach sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung treffen. Wir treffen sie, weil wir damit gemeinsam auch einen Beitrag zur Sicherheit in Deutschland leisten. Herzlichen Dank. ({29})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort dem Bundesaußenminister Joseph Fischer. Er spricht gleichzeitig für die Fraktion des Bündnisses 90/ Die Grünen.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Stunden wurde in Kabul die Übergangsregierung vereidigt. ({0}) - Ich hätte große Lust, auch auf das einzugehen, was der Kollege Merz und was Sie gesagt haben. Angesichts einer solchen Entscheidung fand eine Fraktionssitzung statt, bei der der zuständige Minister - bei seiner eigenen Fraktion - entsprechend präsent war. Wenn Sie daraus so etwas machen, dann scheinen Ihre Argumente wirklich sehr dürftig zu sein. ({1}) Angesichts der historischen Situation für Afghanistan möchte ich heute bewusst keine innenpolitische Rede halten. Wir treffen heute auch keine innenpolitische Entscheidung. ({2}) Das werden wir im nächsten Jahr zu tun haben. Es ist eine historische Situation. Nach 23 Jahren Invasion, Krieg und Bürgerkrieg hat Afghanistan seit heute eine neue Chance. Es gab bewegende Bilder. Das, was geschehen ist, war erst der Beginn. Vor dem Land, vor den Menschen in Afghanistan, aber auch vor der internationalen Gemeinschaft liegt noch eine schwierige und gefährliche Wegstrecke. Nach 23 Jahren, die von Invasion, Krieg und Bürgerkrieg sowie einem humanitären Desaster geprägt waren, das die Weltöffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen hat und das sich seit Jahrzehnten jeden Winter wiederholt hat, besteht jetzt die große Chance, diesen Krieg bzw. Bürgerkrieg dauerhaft zu beenden. Ich finde, dieses verdient nun wirklich alle Unterstützung. ({3}) Was mich ganz besonders freut, ist, dass dieses Datum auch mit dem Namen der Stadt Bonn verbunden ist, nämlich mit der Vereinbarung, die auf dem Petersberg getroffen wurde. Für uns ist es nicht nur deswegen von großer Bedeutung, weil die Petersberg-Konferenz hier war, sondern auch, weil es die Rolle der Vereinten Nationen im beginnenden 21. Jahrhundert klar macht. ({4}) Die Vereinten Nationen werden dieses Land nicht anstelle der Afghanen regieren und befrieden können, aber sie sind die entscheidende Garantie-Institution für diesen Prozess. Ich stimme den Vorrednern, dem Bundeskanzler, aber auch Ihnen, Herr Merz, und all denen zu, die zu Recht darauf hinweisen, dass wir ohne die militärische Zerschlagung der terroristischen Strukturen von al-Qaida, ohne Beseitigung des Talibanregimes heute nicht diese Situation hätten, sondern die humanitäre Katastrophe auch in den kommenden Jahren und die schweren Menschenrechtsverletzungen und vor allen Dingen die Unterdrückung der Rechte der Frauen und Mädchen im wahrsten Sinne des Wortes weiter angedauert hätten. Das muss man der Ehrlichkeit halber ebenfalls hinzufügen. Dieser Kampf gegen den internationalen Terrorismus - auch darauf wurde bereits hingewiesen - ist noch nicht beendet. Dennoch geht es bei dem heutigen Mandat um eine Friedensmission. Es geht nicht darum - ich habe das bereits gesagt -, anstelle der Afghanen zu handeln. Anders als im Kosovo wird es darauf ankommen, von Anfang an die Übergangsregierung instand zu setzen, Sicherheit zu gewährleisten. Insofern handelt es sich hier um eine robuste Mission, um eine Mission, die eindeutig unterstützen soll und Frieden bzw. die Herstellung des inneren Friedens zum Gegenstand hat, also um eine Friedensmission. In diesem Zusammenhang haben Sie, Herr Merz, kritische Anmerkungen, die ich verstehe, zur Rolle Europas gemacht. Das ist die Pflicht der Opposition. Sie kann da auch freier sprechen. ({5}) - Das bestreite ich ja auch gar nicht. - Es ist nur nicht richtig, dieses bei der Bundesregierung abzuladen. ({6}) Das wissen Sie und auch Ihre Kollegen. ({7}) Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wir diskutieren ja jetzt nach Laeken im Zusammenhang mit der Zukunft Europas über einen Verfassungsprozess. Selbstverständlich hat der 11. September sehr klar gemacht, dass die Europäische Union bisher nicht darauf vorbereitet ist, Entscheidungen über Krieg und Frieden zu treffen. Selbstverständlich hätten wir uns einen stärkeren europäischen Ansatz gewünscht. Die Bundesregierung, insbesondere Bundeskanzler Schröder, hat von Anfang an - ich habe das hier schon mehrmals erläutert - darauf gedrungen, dass Europa hier stärker sichtbar wird. Nicht umsonst ist es ein deutscher Diplomat, der die Europäische Union in Afghanistan als Sonderbeauftragter unter Javier Solana repräsentieren wird. Auch das macht unsere europäische Überzeugung klar. Wir waren nämlich der Meinung, dass die Europäische Union sichtbar handeln muss. ({8}) Hier gibt es auch einen engen Zusammenhang zur Verfassungsdebatte. Es macht aber auch klar, wie wichtig es ist, dass sich die Bundesrepublik Deutschland engagiert. Das ist nicht nur eine Frage der humanitären Hilfe, das ist nicht nur eine Frage unserer Verpflichtung gegenüber den Vereinten Nationen. Es ist nicht nur eine Frage der Beziehungen zu Afghanistan, sondern es ist auch eine ganz zentrale europapolitische Frage, dass sich Deutschland in diesen Fragen gemeinsam mit seinen Partnern engagiert. Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Niederländer und die Dänen gemeinsam mit unseren Soldaten, wenn der Bundestag dem zustimmt, an dieser Friedensmission der Vereinten Nationen in Afghanistan teilnehmen werden. Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat das Mandat bereits dargestellt. Es ist ein Mandat nach Kap. VII der UN-Charta. Der Auftrag ist als Stabilisierung der Übergangsregierung klar definiert. Allein seine Größenordnung lässt anderes nicht zu. Anderes ist auch nicht intendiert. Der entscheidende Punkt ist das Vertrauen zwischen den Bürgerkriegsparteien, die jetzt gemeinsam - nach einem langen Bürgerkrieg und großem Misstrauen - in diese Regierung eintreten und diese Regierung zu einem Handlungsinstrument der Befriedung und des inneren Wiederaufbaus Afghanistans machen sollen und machen müssen. In Kabul und Umgebung muss man eine entsprechende Sicherheitsunterstützungskomponente präsent haben. Das ist der Auftrag. Es handelt sich hierbei um die Umsetzung des Petersberg-Abkommens. Entsprechend steht es auch in der Resolution des Sicherheitsrates geschrieben. Die räumliche Begrenzung ist damit definiert. Die zeitliche Begrenzung setzt eine Obergrenze von sechs Monaten. Die Fragen, die Sie hier gerade gestellt haben und die wir auch im Ausschuss diskutiert haben, kann ich Ihnen insoweit beantworten, als wir durchaus bereit gewesen wären, eine längere Perspektive ins Auge zu fassen, aber anerkennen müssen, dass der Sicherheitsrat so beschlossen hat, wie er beschlossen hat. Das heißt, zwischen dem Wünschbaren und dem, was durchsetzbar war, gibt es, wie oft in der Politik, in der Tat entsprechende Differenzen. ({9}) Die Frage „Was folgt auf die britische Lead-Funktion?“, die Sie gerade gestellt haben, ist eine Frage, die weiter diskutiert werden muss. Es gibt noch keine diesbezügliche Entscheidung. Die Frage des „Gemeinsam rein und gemeinsam raus“ wird sehr sorgfältig im Lichte dessen, wo wir nach den sechs Monaten stehen, abzuwägen sein. Dieser Aspekt wird die entsprechende Diskussion vermutlich schon vor Ablauf dieser sechs Monate sehr stark bestimmen. ({10}) - Ich kann Ihnen nur Folgendes versichern: Wir haben einen Mandatsentwurf vorgelegt. Die Bundesregierung hat einen Kabinettsbeschluss herbeigeführt, in dem wir von einer Dauer von sechs Monaten - bis spätestens zum 20. Juni 2002 - ausgehen. Das ist unsere Position. Aber hier bestehen noch - um diesen Punkt möchte ich nicht herumreden - schwierige Fragen, die weiterhin zu diskutieren sind. Ich kann Ihnen nur sagen: Im Zusammenhang mit Mazedonien führten wir eine ähnliche Diskussion. ({11}) Wenn ich mir heute anschaue, wo wir in Mazedonien stehen, dann können wir doch alle gemeinsam sagen: So richtig und wichtig es ist, dass diese Fragen immer wieder gestellt werden müssen - damit ich hier nicht missverstanden werde: Darüber will ich mich überhaupt nicht beschweren -, ({12}) genauso richtig und wichtig ist es, heute festzustellen, dass wir mit den zwei Mandaten in Mazedonien nun wirklich einen Erfolg erreicht haben, und zwar mit einer präventiven Politik unter Einschluss einer entsprechenden Friedenskomponente. ({13}) Meine Damen und Herren, dasselbe gilt für die klare Trennung der Missionen. Es handelt sich eindeutig um zwei getrennte Missionen. Der Brief des britischen Außenministers macht sehr klar, dass es im Zusammenhang mit der Luftraumkontrolle, mit der logistischen Unterstützung und mit einer hoffentlich nicht eintretenden, aber durchaus denkbaren Situation des Entsatzes zu einer entsprechenden Koordination kommen muss und dass es hier auch eine Letztentscheidung geben muss. Im Lichte dessen, was er, als Bestandteil der Sicherheitsratsresolution, an die Vereinten Nationen geschrieben hat, ist dies, wie ich finde, eine sehr gute Lösung, die wir als Bundesregierung auch voll unterstützt haben. Meine Damen und Herren, ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass für Afghanistan heute ein besonderer Tag ist. Ich sage nicht, dass diese Chance zum Frieden nach 23 Jahren von selbst Realität wird. Ich sage nicht, dass in Afghanistan nicht große Risiken, auch in der Umsetzung dieses Mandats, vor uns liegen. Aber ich sehe es als die einzige Chance an, diesem gequälten, durch Krieg und Bürgerkrieg zerstörten Land auf dem Weg zum inneren Frieden und zur Stabilisierung der gesamten Region, einer sehr gefährlichen Region, zu helfen. Deswegen möchte auch ich Sie um Zustimmung zu diesem Mandat bitten. Unsere Soldaten werden, wenn der Bundestag zustimmt, gemeinsam mit unseren Partnern in Europa und in der Welt eine Friedensmission beginnen. Dies werden sie im Auftrag der Vereinten Nationen und der Humanität tun. Zu Beginn wird es ein sehr riskanter und schwieriger Einsatz werden. Ich bitte Sie also auch für die Soldaten, die vermutlich in diesen Einsatz gehen werden, um Ihr Vertrauen und um eine breite Zustimmung. Vielen Dank. ({14})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Dr. Wolfgang Gerhardt.

Dr. Wolfgang Gerhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002659, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, das ist ein großer Tag für Afghanistan. Er gibt den Menschen dort, insbesondere den Frauen, die Menschenwürde zurück. Ich kann meine Rede aber nicht beginnen, ohne mir eine Bemerkung zu all dem ethisch aufgeblasenen Sprachgewirr zu erlauben, das uns in den letzten Wochen begleitet hat. Was haben eigentlich die zu dieser Entwicklung beigetragen, die einen Stopp der Kampfhandlungen gefordert haben? ({0}) Wo ist eigentlich die Ethik derer, die das alles nicht wollten und die heute gerne dabei sind, nachdem andere diese schwierige Arbeit übernommen haben? Das muss heute Morgen im Deutschen Bundestag vorgetragen werden. ({1}) Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, eine etwas stärkere Präsenz der Regierungskoalition dürfte heute Vormittag gewünscht sein. Auch das muss festgestellt werden. ({2}) Wir schicken Soldaten in einen Einsatz. Sie sollten auch sehen, dass wir Abgeordnete diesen Einsatz ernst nehmen. Die deutsche Bundeswehr leistet eine hervorragende Arbeit. Diese leistet sie nicht erst seit heute. Die deutsche Bundeswehr hat in Zeiten des Kalten Krieges den Frieden gesichert. Sie hat in der Zeit der Wiederherstellung der deutschen Einheit eine gewaltige Integrationsleistung vollbracht. ({3}) Sie hat sich in Südosteuropa tastend und schrittweise in internationalen Einsätzen mit hohem Ansehen vorgearbeitet. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer nicht ausschließlich mit einer Sichtblende in die deutsche Vergangenheit des letzten Jahrhunderts zurückblickt, der muss wissen - das ist ein Lob -, dass deutsche Soldaten weltweit hohen Respekt genießen, gewünscht werden und anerkannt sind. Ihnen gebührt unser ausdrücklicher Dank. ({4}) Die Bundeswehr ist eine großartige Armee. Sie leidet aber erkennbar unter einer miserablen politischen Führung. ({5}) Das ist nicht ein Argument, das eine Opposition pflichtgemäß vortragen würde. Ich gehe jede Wette ein: Vom Bundeskanzler bis zum letzten Regierungsmitglied auf der Regierungsbank wissen alle - sie spüren es und bekommen es täglich aus den eigenen Reihen gesagt -: Wer die Bundeswehr auf hohem Niveau halten will, der muss sie haushaltsmäßig gut ausstatten und muss die politische Führung auswechseln. Das ist das Gebot der Stunde. ({6}) Der Bundesaußenminister hat wie auch der Bundeskanzler zu Recht gewürdigt, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mandatiert hat. Das entspricht einer tiefen Überzeugung der Bundestagsfraktion der FDP. Wir sollten uns darum bemühen, dass es auch in Zukunft so bleibt, dass die Vereinten Nationen der Ort des Gewaltmonopols sind und bleiben. ({7}) Aber das bedarf gewaltiger Anstrengungen. Das sagen wir im Übrigen auch unseren amerikanischen Freunden: Wir hätten uns gewünscht, dass die Amerikaner schon früher ihre Beiträge an die UN gezahlt hätten. ({8}) Wir haben nicht erst dann die UN als Institution erkannt, als der Friedensnobelpreis dem Generalsekretär verliehen worden ist. Amerika ist die einzig verbliebene Supermacht; das ist richtig. Aber eine Supermacht braucht Verbündete. Kraft allein reicht nicht aus. Das muss auch unter Freunden gesagt werden. Die NATO, die der Bundesaußenminister gewürdigt hat, hat sich aus der alten bipolaren Welt heraus in eine neue sicherheitspolitische Wertegemeinschaft entwickelt. Ich sage aber, an alle NATO-Mitglieder gerichtet: Dann muss man die NATO auch wollen und muss NATO-geführte Operationen machen. Die NATO ist kein Selbstbedienungsladen für Eventualfälle. Sie ist ein Bündnis, das gemeinsam führen muss und das gemeinsam gebraucht wird. ({9}) Wenn es für die deutsche Bundesregierung seit dem Südosteuropakonflikt eine Erkenntnis gibt, dann die, dass wir dringend eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität und -politik brauchen. Wir brauchen die „European Rapid Reaction Force“, die schon beschlossen worden ist. Vor der nächsten Wahl zum Europaparlament sollte die Bundesregierung alle Anstrengungen unternehmen, diese Kräfte aufzubauen und haushaltsmäßig abzusichern. Das muss glaubwürdig geschehen. ({10}) Der Bundeswehr fehlen die notwendige Logistik und Transportmittel. Der Einsatz akrobatischer Finanzierungsinstrumente sollte unterlassen werden. Wenn Transportkapazität benötigt wird, sollten die dafür notwendigen Mittel im Haushalt ausgewiesen werden, sollte also eine klare Finanzierung erfolgen. ({11}) Wir signalisieren zum Mandat der UNO Zustimmung. Wir bezweifeln, ob die vorgesehene Dauer von sechs Monaten ausreicht. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat jedoch - klug genug - beschlossen, das Mandat, wenn es notwendig sein sollte, verlängern zu können. Wir haben auch Bedenken, ob ein Einsatz allein im Raum Kabul ausreicht. ({12}) Wir müssen der neuen Regierung in Afghanistan die Chance geben, eine eigene Autorität zu entwickeln und die Verantwortung in ihrem Land zu übernehmen. ({13}) Die Bundesrepublik Deutschland sollte die Rolle der „lead nation“ nicht anstreben. Wir sollten uns allerdings davor hüten, uns kleiner zu machen, als wir sind. Von Deutschland wird international ein bestimmter Beitrag erwartet; diesen kann es auch leisten. Deshalb wird meine Fraktion Wert darauf legen, frühzeitig von der Bundesregierung informiert zu werden, wie es nach der „lead nation“ Großbritannien weitergehen soll. ({14}) Wir müssen uns heute in dieser Hinsicht nicht festlegen und Ja oder Nein dazu sagen. Wenn sich Aufgaben stellen, dann stellen sie sich. ({15}) Die Bundeswehr kann solche Aufgaben bewältigen. Nur, wir sollten uns dabei nicht vordrängen. Die Bundestagsfraktion der FDP stimmt dem Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan zu. Sie übernehmen dort eine verantwortungsbewusste Aufgabe. Sie haben andernorts bewiesen, dass sie solche Aufgaben übernehmen können. Wir wünschen ihnen bei der Bewältigung dieser Aufgabe Erfolg. Wir wünschen ihnen und ihren Familien, dass sie gesund zurückkommen. ({16}) Wir sind davon überzeugt, dass sie die Aufgaben in Afghanistan meistern werden. Herzlichen Dank. ({17})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile dem Vorsitzenden der PDS-Fraktion, Roland Claus, das Wort.

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich die heute anstehende Entscheidung in der Tat nicht leicht gemacht. ({0}) Dies ist uns auch anzumerken. Denn die PDS-Fraktion ist eben keine Fraktion mit ewigen Wahrheiten oder mit allgemein gültigen Antworten auf Fragen, die noch gar nicht gestellt worden sind. Deshalb war unser Verhalten Anlass zu manchen Spekulationen. Kollege Merz hat heute eine hinzugefügt: Er hat die Koalitionsverhandlungen in Berlin zu der heutigen Entscheidung in Beziehung gesetzt. Herr Kollege Merz, dazu möchte ich Ihnen sagen: Einer der heftigen Befürworter der Koalitionsverhandlungen in Berlin war Kollege Glos aus Ihrer Fraktion. ({1}) Ihnen kann man es nun wirklich nicht recht machen. Denn wir haben uns daran gehalten. ({2}) Wir haben uns in diesem Hause sehr dafür eingesetzt, dass die Souveränität der UNO gestärkt wird. Es hat uns Respekt abverlangt, dass der UNO-Generalsekretär vor Angriffen auf den Irak gewarnt hat. Ähnliche Äußerungen des deutschen Bundeskanzlers unterstützen wir. Wir haben Hoffnungen darauf gesetzt, dass es zu einem friedenssichernden, souveränen Mandat kommen könnte. Wir haben bereits im November dieses Jahres hier im Bundestag einen Antrag eingebracht, in dem wir unsere Vorstellungen von einem UN-Mandat dargelegt haben. Kernforderungen sind: Stopp der Kriegshandlungen, wirkliche humanitäre Hilfe und Einsatz nach Kap. VI der UN-Charta, gemäß dem Selbstverteidigung und die Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen sehr wohl möglich sind. ({3}) Wenn wir dem heutigen Antrag unsere Zustimmung versagen, so hat dies Gründe. Der erste Grund lautet: Dieser UNO-Einsatz folgt der Kriegslogik; beide Missionen sind vermischt. ({4}) Wir haben etwas dagegen, dass die Öffentlichkeit schleichend daran gewöhnt wird, dass zuerst bombardiert wird und dass dann die UNO die Scherben einzusammeln hat. ({5}) Sie können sich für die bisher erzielten Ergebnisse hier natürlich gemeinsam feiern. Wir dürfen aber nicht durchgehen lassen, dass zivile Opfer derart ausgeblendet werden. ({6}) Sie haben sich auf eine formelle Trennung der Aktionen eingelassen. Diese formelle Trennung ist in dem Antrag allerdings überhaupt nicht festgeschrieben, sondern findet sich lediglich in einem Brief des britischen Außenministers an den UN-Generalsekretär. Etwas später in diesem Brief steht, dass die UN-Truppe die Aktion „Enduring Freedom“ nicht gefährden darf, und nicht etwa anders herum, wie es logisch wäre. Insofern handelt es sich um die Nachfolgemission einer Fehlentscheidung. Wir bleiben bei unserer Aussage: Krieg ist die falsche Antwort auf den Terror. ({7}) - Dazu komme ich noch, Herr Kollege. Ein Zweites. Es handelt sich um ein sehr unklares und diffuses Mandat. Die Differenzen zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien einerseits sowie Deutschland und Frankreich andererseits sind nicht wirklich ausgeräumt. Sie haben doch gar keine Klarheit über die Dauer und den Umfang des Einsatzes oder über die Leitnation. Insofern werfen wir Ihnen vor, dass Sie hier etwas tun, was auch an anderen Stellen getan worden ist: Sie bestimmen eine Einstiegsoption, ohne eine Ausstiegsoption zu haben. Das kennzeichnet den ganzen Antrag. Ein Drittes. Sie haben sich hier in verschiedenen Reden wie auch im Vorfeld der heutigen Entscheidung sehr dafür eingesetzt, dass den Not leidenden Menschen Hilfe und Unterstützung zuteil wird und dass Flüchtlingen geholfen wird. Das ist völlig in Ordnung. Nur stimmen Ziel und Mittel, mit denen Sie vorgehen wollen, überhaupt nicht überein. Mit dem Antrag, den Sie hier heute vorlegen, installieren Sie - das werden Sie zugeben müssen nichts anderes als eine Leibgarde für die neue Übergangsregierung. Gewiss muss diese geschützt werden. Aber das kann doch nicht der ganze Bestandteil dieses Planes sein. ({8}) Deshalb ist einer solchen Kriegsnachsorge mit UNMandat bei Fortsetzung von Bombardements aus unserer Sicht nicht zuzustimmen. Genauso wie wir sagen: „Uneingeschränkte Solidarität gegenüber den USA ist der falsche Begriff“, so darf es auch keine uneingeschränkte Unterstützung für UN-Einsätze geben, auch wenn Sie das im Moment in Abrede stellen. ({9}) Die PDS wird sich weiter an den schwierigen Debatten über internationale Konfliktlösung beteiligen. Diesen Antrag aber lehnen wir ab. ({10})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/7930 und 14/7785 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Das Haus ist, wie ich sehe, einverstanden. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Für die Ausschussberatung unterbreche ich nunmehr die Sitzung bis voraussichtlich 14.30 Uhr. Der Wiederbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt. Die Sitzung ist unterbrochen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Tag, liebe Kol- leginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 ({1}), 1383 ({2}) und 1378 ({3}) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen - Drucksachen 14/7930, 14/7936 Berichterstattung: Abgeordnete Hans-Ulrich Klose Gert Weisskirchen ({4}) Karl Lamers Ulrich Irmer b) Bericht des Haushalsausschusses ({5}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 14/7937 Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Hampel Uta Titze-Stecher Dietrich Austermann Antje Hermenau Dr. Werner Hoyer Dr. Barbara Höll Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Ich weise darauf hin, dass wir nach der Aussprache über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung namentlich abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Peter Struck, SPD-Fraktion, das Wort.

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir treffen heute die fünfte Entscheidung dieses Jahres zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. ({0}) Wir haben beschlossen, deutsche Soldaten zur Überwachung der Waffenabgabe in Mazedonien zu entsenden. Diese Aufgabe ist, wie wir alle wissen, ohne Schaden für unsere Soldaten erfüllt worden. Der Friedensprozess in Mazedonien wurde dadurch eingeleitet. Die sich daran anschließende Aufgabe, OSZE- und EU-Beobachter in Mazedonien auch militärisch zu schützen, ist unter Führung der deutschen Bundeswehr bisher erfolgreich abgelaufen. Deshalb wurde dieses Mandat vor zwei Wochen vom Bundestag verlängert. Nach dem 11. September haben wir der internationalen Koalition gegen den Terrorismus unseren Beitritt erklärt und dabei auch militärischen Beistand einbezogen. Für die Maßnahmen gegen das Talibanregime in Afghanistan und die Terroristen sind bis zu 3 900 Soldaten der Bundeswehr bereitgestellt worden. Da der letztgenannte Beschluss mit der Vertrauensfrage verbunden war, ist er von den Koalitionsfraktionen allein getragen worden. Festzuhalten bleibt aber, dass abgesehen von der PDS alle Fraktionen dieses Hauses die Auslandseinsätze der Bundeswehr in Mazedonien und jetzt auch in Afghanistan mittragen. Ich begrüße dies ausdrücklich als ein wichtiges Zeichen für unsere Soldaten, die diese schwierigen Missionen wahrnehmen. ({1}) Ein Wort zur PDS: Eine Partei, die die Nachfolge der SED angetreten hat und dann in dieser Nachfolge auch zu denen stehen muss, die friedliche Bürger der damaligen DDR verfolgt haben, weil sie Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ getragen haben, hat überhaupt nicht das Recht, in diesem Bundestag als Friedenspartei aufzutreten. ({2}) Einige Worte zur angeblichen Unterfinanzierung der Bundeswehr. In den Jahren 1991 bis 1998 hat die alte Bundesregierung den Verteidigungshaushalt um 11,2 Milliarden DM gekürzt. ({3}) Im Investitionsbereich wurden 1988 noch 13,2 Milliarden DM ausgegeben, 1991 nur noch 10,8 Milliarden DM und 1997 schließlich nur noch 7 Milliarden DM. ({4}) Die schwierige finanzielle Lage der Bundeswehr ist nicht von uns zu verantworten, sondern von CDU/CSU und FDP. ({5}) Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in seiner Resolution vom 20. Dezember seine Genugtuung über die Entwicklungen in Afghanistan ausgedrückt, „die es allen Afghanen erlauben werden, frei von Unterdrückung und Terror unveräußerliche Rechte und Freiheit zu genießen.“ Dem schließen wir uns an. ({6}) Das Talibanregime ist von den Amerikanern militärisch besiegt worden. Die Ausbildungslager der Terroristen wurden vernichtet. Das Abkommen von Bonn ist der Präsident Wolfgang Thierse Beginn einer neuen staatlichen Ordnung für Afghanistan. Hilfsmaßnahmen für die geschundene Bevölkerung und für Flüchtlinge wurden eingeleitet. Allein für die humanitäre Hilfe hat die Europäische Union 352 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit trägt sie entscheidend dazu bei - unser Land hat daran einen wesentlichen Anteil -, dass die Menschen in Afghanistan über den Winter kommen werden. Das Bonner Abkommen wird ab heute umgesetzt. Die Übergangsregierung unter Ministerpräsident Hamid Karsai bedarf des Schutzes einer internationalen Sicherheitsbeistandstruppe in Kabul und Umgebung. Diese ist - wie der Sicherheitsrat vor drei Tagen festgestellt hat - dringend erforderlich, um den begonnen Stabilisierungsprozess zu festigen. Afghanische Repräsentanten haben nach der erfolgreichen Petersberg-Konferenz eine wichtige Rolle unseres Landes beim Wiederaufbau erbeten; sicher auch wegen der guten historischen Beziehungen unserer Länder und wegen des guten Rufes, den die Deutschen in Afghanistan genießen. Das Engagement der Bundesregierung für einen politischen Neuanfang in diesem Land wird nun durch die Teilnahme deutscher Soldaten an der von den Vereinten Nationen geforderten und mandatierten Friedenstruppe ergänzt. Ich halte dies für außenpolitisch richtig und auch für erforderlich. Dies gilt auch deshalb, weil die Bedingungen des Mandats eine erfolgreiche Umsetzung der Aufgaben und einen ausreichenden Schutz der Soldaten möglich machen. Erstens. Der Einsatz erfolgt über Kap.VII der UNCharta, das heißt, die Soldaten haben das Recht, nach eigenem Ermessen militärisch gegen Friedensstörer vorzugehen. Ein so genanntes Blauhelmmandat nach Kap.VI würde den tatsächlichen Gegebenheiten in diesem Land nicht gerecht werden. ({7}) Das robuste Mandat nach Kap.VII ist zwingend, weil es in diesem Land noch marodierende Banden gibt, Clanführer, die sich den lukrativen Heroinhandel nicht streitig machen lassen wollen und dadurch die Sicherheit der Übergangsregierung und der staatlichen Instanzen bedrohen. Zweitens. Es gibt eine klare Trennung zwischen der UN-Friedenstruppe und der amerikanischen Operation „Enduring Freedom“. Das war aus politischen Gründen notwendig. Die Aufgabenstellung ist völlig unterschiedlich und die politischen Botschaften sind verschieden: Die amerikanischen Truppen bekämpfen die verbliebenen Terroristen, die UNO-Einheiten sichern den Friedensprozess. Während es sich also in dem einen Fall um ein aktives militärisches Vorgehen handelt, sollen im anderen Fall gerade militärische Konflikte verhindert oder unterdrückt werden. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich befürworte das fortgesetzte amerikanische Vorgehen gegen die restlichen Taliban- und Terrorstrukturen unbedingt. Wir wären blind, wenn wir nicht sehen würden, dass ihre restlose Zerschlagung und Vertreibung eine wesentliche Voraussetzung für die Stabilität Afghanistans darstellt. Forderungen nach einem sofortigen Ende der amerikanischen Operation liefen nur darauf hinaus, einer Reorganisation der Taliban- und al-Qaida-Einheiten das Wort zu reden. Damit würde nicht nur der Übergangsprozess gefährdet, sondern auch die Sicherheit der UNSicherheitstruppen. Darüber hinaus kann eines nicht übersehen werden: Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe, wie sie offiziell heißt, wird auf die Kooperation mit den amerikanischen Streitkräften angewiesen sein. Sollte es Notfälle massiver militärischer Auseinandersetzungen geben, wäre die UNO-Friedenstruppe auf die zuverlässige Absicherung durch die USA angewiesen. Daher ist die gefundene Lösung einer gemeinsamen Koordinierungsstelle mit Vertretern der beiden Oberkommandos und der afghanischen Übergangsregierung notwendig und richtig. Meine Damen und Herren, mehr als in fast allen Jahren zuvor hatten wir im jetzt ablaufenden Jahr Fragen der äußeren Sicherheit zu entscheiden, bedingt durch die Situation im ehemaligen Jugoslawien und durch die furchtbaren Ereignisse vom 11. September. Der Kampf gegen den Terrorismus ist noch nicht zu Ende. Wir wollen, dass er erfolgreich wird. Wir wollen, dass die Menschen überall in der Welt friedlich zusammenleben. Das gilt ausdrücklich auch für Israel und Palästina. ({8}) Es gibt keine Alternative zu friedlichem Zusammenleben und zur Rückkehr an den Verhandlungstisch, so schwer das manchem auch fallen mag. Herr Präsident, meine Damen und Herren, für meine Fraktion kann ich der Bundesregierung die Zustimmung zu ihrem Antrag zusichern. ({9}) Uns sind die großen Gefahren bewusst, die unsere Soldaten zu gewärtigen haben. Es wird sicherlich einer der schwierigsten Friedenseinsätze werden, an denen sich deutsche Soldaten bisher beteiligt haben. Umso wichtiger ist die größtmögliche Zustimmung des Bundestages, damit die Soldaten sich bei ihrer schweren und gefahrvollen Aufgabe auf die vorbehaltlose Unterstützung ihres Parlamentes stützen können. ({10}) Dies ist ein wesentliches Moment für ihre Motivation und Einsatzbereitschaft. Den eingesetzten Soldaten, besonders jenen, die vielleicht noch vor Weihnachten ausrücken müssen, wünschen wir alles Gute, Gesundheit und Unversehrtheit, dass jeder von ihnen unbeschadet zu seiner Familie und seinen Angehörigen zurückkehren möge. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Volker Rühe, CDU/CSU-Fraktion.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die Sicherungstruppe in Afghanistan leisten soll und was sie nicht leisten soll, kann am besten aus dem Namen hergeleitet werden. Das ist eben keine Truppe, die für die Sicherheit in Afghanistan zuständig ist, sondern eine „International Security Assistance Force“. Sie hat nur eine assistierende Rolle. Die Hauptverantwortung bleibt bei den Afghanen. Deswegen gibt es keinen flächendeckenden Einsatz. Was wir fördern wollen, ist ein innerstaatlicher, sich selbst tragender Prozess der Stabilisierung. ({0}) Darin - das muss man sagen - unterscheidet sich diese Mission grundlegend etwa von unserem Engagement im Kosovo. Dort haben die Vereinten Nationen ein Protektorat errichtet, die Regierungsverantwortung übernommen. Deswegen müssen wir, wenn wir die Soldaten nach Kabul schicken, immer wissen: Gegen den Willen der Afghanen lassen sich Frieden und Sicherheit nicht erzwingen. Bei ihnen bleibt die Hauptverantwortung. Wir können ihnen nur Starthilfe für diesen neuen politischen Prozess geben. Das ist eine realistische Beschreibung. ({1}) Deswegen sind aus meiner Sicht die sechs Monate in Ordnung. Denn es gibt in Afghanistan natürlich gemischte Gefühle: auf der einen Seite sehr viel Stolz, das Heft selbst wieder in die Hand zu nehmen; auf der anderen Seite das Bewusstsein, internationale Hilfe zu brauchen. Wenn das in sechs Monaten gemacht werden kann, dann sollte das aus unserer Sicht in Ordnung sein. Aber das werden wir feststellen. Wir begrüßen, dass der Einsatz auf Grundlage von Kap. VII erfolgt. Damit haben unsere Soldaten nicht nur die Möglichkeit der Selbstverteidigung, die sie übrigens auch nach Kap. VI haben. Dazu wird - auch in vielen Nachrichtensendungen - viel Unsinn erzählt. Jeder Blauhelm kann sich natürlich selbst verteidigen. Kap. VII bedeutet vielmehr das Recht auf militärischen Durchgriff vor Ort. Deswegen müssen die Soldaten auch entsprechend ausgerüstet sein und dieses Kap. VII im Hintergrund haben. ({2}) Ebenso - hier gibt es weiterhin Einigkeit - findet die Verzahnung der Kommandostrukturen unsere Zustimmung. Allerdings - das haben Sie, Herr Bundeskanzler, und der Herr Außenminister hier ausgelassen - heißt es, dass im Konfliktfall zwischen dem Kampfeinsatz und dem Friedenseinsatz die „authority“, also die Autorität, bei dem amerikanischen Hauptquartier liegt. Das heißt, wenn die Amerikaner im Raum Kabul Taliban oder al-Qaida bekämpfen, hat das amerikanische Hauptquartier den Vorrang. ({3}) Ich glaube, das ist auch eine gute und richtige Lösung. Es gibt einen eigenständigen Ansatz für die Friedenstruppe; im Konfliktfall entscheidet aber das amerikanische Hauptquartier. ({4}) Jetzt zu den offenen Punkten, die auch als solche angesprochen werden müssen, zuerst zur Gesamtstärke. Wir waren uns in den Gesprächen in den letzten Wochen immer einig: Für die Sicherheit unserer Soldaten ist die Gesamtstärke ganz entscheidend. Der Verteidigungsminister hat von Divisionsstärke gesprochen. Aus dem Kanzleramt war von mindestens 5 000 Soldaten die Rede. Im Antrag der Bundesregierung gibt es keine Zahl. Im Beschluss des Weltsicherheitsrats gibt es keine Zahl. Deshalb war die Auskunft des Außenministers im Auswärtigen Ausschuss wichtig - wir haben Wert darauf gelegt -, dass von der Interimsregierung signalisiert worden sei, dass man an eine Größenordnung von 5 000 Soldaten denkt; Herr Bundeskanzler, Sie haben das hier bestätigt. Das ist die Grundlage unserer Entscheidung. Das ist auch wichtig für die Sicherheit unserer Soldaten in Afghanistan. Jetzt zum Thema der Übernahme der Führungsverantwortung. Ich glaube, da schulden Sie uns - Friedrich Merz hat das heute Morgen zu Recht angesprochen - schon noch Auskunft. Es wäre besser gewesen - auch für die Sicherheit unserer Soldaten und für die Effizienz der Mission -, wenn NATO-Strukturen oder EU-Strukturen eingeführt worden wären. Hier müsste die Regierung schon einmal sagen, an wem das letztlich gescheitert ist. Im Übrigen, Herr Außenminister, hinkt der Vergleich mit Mazedonien insofern, als das natürlich eine Lead-Funktion Deutschlands im Rahmen von NATO-Strukturen und von daher nicht vergleichbar mit der Situation in Afghanistan ist. Was nun die Europäische Union angeht, so muss man der Regierung sagen, dass sie in den vergangenen drei Jahren finanziell nicht genug getan hat, um die militärischen Strukturen der ESVP zu entwickeln, sodass die Europäische Union in dieser Situation handlungsfähig gewesen wäre. Das wäre sicherlich wünschenswert gewesen. ({5}) Was die Petersberger Beschlüsse anbelangt, muss man sagen, dass das - so ähnlich, wie sich die Engländer militärisch an einem Schönheitswettbewerb beteiligt haben politisch sehr national aufgezogen worden ist. Durch europäische Präsenz, etwa durch Solana am Beginn und am Ende der Veranstaltung, hätte Deutschland deutlicher machen können: Dies ist eine europäische Veranstaltung. ({6}) Ich glaube, dann hätten wir manche Streitigkeiten über die militärische Führung vermeiden können. Das ist meine Kritik. ({7}) Was eine deutsche Führung angeht - die Führungsfrage wird möglicherweise in den nächsten Monaten auf uns zurückkommen -, geht es nicht darum, dass sich irgendjemand drängelt. Die Frage ist: Können wir uns entziehen und ist es eigentlich abwegig, dass so viele - die Vereinten Nationen, die Amerikaner und die Afghanen bei der Frage der Führungsverantwortung gerade an Deutschland gedacht haben? Wir haben uns in der ersten Phase nicht an den Kampfhandlungen beteiligt. Wir haben traditionell gute Beziehungen zu Afghanistan. Wir haben keine koloniale Vergangenheit. Wir haben mit der Ausrichtung der Afghanistankonferenz auf dem Petersberg hohe Erwartungen an unsere künftige Rolle bei der internationalen Absicherung geweckt. Es gab eben den ausdrücklichen Wunsch der Afghanen, der Vereinten Nationen und auch der Amerikaner, dass Deutschland diese Führung übernimmt. Nun gibt es zwei Argumente. Das militärische Argument lautet: Wir können das nicht. ({8}) - Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. - Dazu muss man sagen: Ein Teil liegt in der Vernachlässigung der Finanzstrukturen der Bundeswehr. Objektiv ist es richtig, dass das mit den Führungsstrukturen, die sich gerade entwickeln, eine sehr schwierige Aufgabe für Deutschland wäre. Der Außenminister hat aber ganz anders argumentiert. Er hat im Auswärtigen Ausschuss gesagt, wir hätten keine Interessen in der Region und würden deswegen keine Führungsfunktionen am Hindukusch übernehmen. Dazu muss ich Ihnen sagen - das müssen wir der Öffentlichkeit immer wieder erklären -: Warum schicken wir denn eigentlich Soldaten an den Hindukusch? Wir schicken doch Soldaten nach Afghanistan, um ganz entscheidend den internationalen Terrorismus zu bekämpfen, damit er auch in Deutschland keine Chance hat, Anschläge durchzuführen. Daher müssen staatliche und politische Strukturen dort aufgebaut werden. Daher finde ich es falsch, wenn man wie der Außenminister grundsätzlich eine deutsche Führungsrolle bestreitet. ({9}) Im Übrigen hat mir nicht gefallen, dass die Engländer aus dem Koalitionslager kritisiert worden sind, obwohl man selbst nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Jetzt ruht die Hoffnung auf der Türkei. Ich halte sehr viel von den militärischen Fähigkeiten der Türkei. (Zuruf des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Darauf gibt es schon die ersten Reaktionen. Aber bedenken Sie: Die Türkei ist die Hoffnung der Regierung, lieber Kollege Schlauch; denn Sie wollen ja nicht, dass Deutschland die Führungsrolle übernimmt. Aber wir brauchen jemanden, der als „leading nation“ auftritt und die Führung übernimmt. Eines sage ich Ihnen auch: Wenn die Türkei dieser Hoffnung gerecht wird, dann müssen Sie in der Tat umdenken und dafür sorgen, dass den türkischen Verbündeten die Dinge geliefert werden, die Sie ihnen in der Vergangenheit verweigert haben. ({10}) Das wäre wirklich eine absurde Situation: Deutsche Soldaten sind am Hindukusch einem türkischen Oberkommando unterstellt - wir sind auch froh darüber, weil sich sonst niemand findet - und wir verweigern der Türkei die entsprechende Ausrüstung. Hier müssen Sie gewaltig umdenken. Deswegen noch einmal: Die Führungsfrage kann auf uns zurückommen. Es geht nicht um Drängeln. Aber wir sollten darüber in aller Ruhe sprechen. ({11}) Herr Bundeskanzler, Sie waren so freundlich, mir in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ zu sagen, ich hätte kein Recht, die Unterfinanzierung der Bundeswehr zu kritisieren, weil ich hier selbst eine bewegte Vergangenheit gehabt hätte. ({12}) - Schon gut. Ich habe das deshalb so formuliert, damit Sie die Chance haben, zwischendurch Beifall zu spenden. Der Bundeskanzler hat behauptet, ich selbst hätte die Unterfinanzierung der Bundeswehr herbeigeführt. Der Kollege Struck hat das eben aufgegriffen. Lassen Sie uns einmal über die Tatsachen sprechen. 1990 gab es 456 000 Bundeswehrsoldaten plus ungefähr 60 000 Soldaten, die von der NVA übernommen worden waren. Der Verteidigungshaushalt hatte damals ein Volumen von 55 Milliarden DM. Bis 1994 - ich habe nachgerechnet - ist die Truppenstärke um über 25 Prozent auf 370 000 Soldaten zurückgeführt worden. Trotz dieser Tatsache hat sich Herr Struck darüber beklagt, dass wir in unserer Regierungszeit den Verteidigungsetat um 11 Prozent zurückgefahren haben. Das war doch wohl eine vernünftige Sache. 1992 hatte mein erster Wehretat - das war noch von meinem Vorgänger, Gerhard Stoltenberg, durchgesetzt worden ein Volumen von 53 Milliarden DM. Im Jahr darauf lag das Volumen des Verteidigungsetats noch immer bei 49,5 Milliarden DM, obwohl wir die Zahl der Soldaten um Zehntausende abgebaut haben. Es wäre nicht fair, das mit der heutigen Situation zu vergleichen; denn die Truppenstärke ist heute geringer. Was kann man vergleichen? Man kann für einen Vergleich nur die vier Jahre heranziehen, für die Sie verantwortlich sind. ({13}) - Den Haushalt 2002 darf ich sicherlich einbeziehen; denn den haben Sie ja schon beschlossen. Sie, Herr Bundeskanzler, sollten keinen Zweifel haben, dass Sie auch noch das vierte Jahr schaffen. ({14}) Wir haben damals unter Theo Waigel noch den Haushalt 1999 und eine mittelfristige Finanzplanung bis 2002 beschlossen. Wenn man Ihre und unsere Planungen für diese vier Jahre miteinander vergleicht, muss man feststellen, dass Sie 18,6 Milliarden DM weniger einsetzen. ({15}) Trotzdem behaupten Sie, Sie würden die chronische Unterfinanzierung der Bundeswehr beseitigen. Damit müssen Sie sich, Herr Bundeskanzler, auseinander setzen. ({16}) Wir hatten beabsichtigt - wie gesagt, ich vergleiche die von Ihnen vorgelegten Zahlen nicht mit denen aus dem Jahr 1992 -, 2002 49 Milliarden DM in den Verteidigungshaushalt einzustellen, ohne Mittel für Auslandseinsätze. ({17}) Wenn man die Mittel für die Auslandseinsätze und für die letzten Entscheidungen herausrechnet, dann stellt man fest, dass Ihr Verteidigungshaushalt ein Volumen von nur 45 Milliarden DM hat. ({18}) Deswegen sage ich Ihnen: Hier sind Eingriffe in die Bundeswehr erfolgt, die angesichts der Belastungen der Bundeswehr, die Sie ihr zumuten, unverantwortlich sind. ({19}) Herr Bundeskanzler, es hat vor Ihnen keinen Bundeskanzler gegeben, der die Soldaten der Bundeswehr in so viele internationale Einsätze geschickt und ihnen gleichzeitig so wenig Geld zur Verfügung gestellt hat. ({20}) Das ist in Wirklichkeit zu Ihrem Markenzeichen geworden. Deswegen finde ich - uns allen liegt daran, dass die Bundeswehr die notwendige Unterstützung bekommt - es angemessen, wenn wir - fernab unserer Kontroverse über den Haushalt insgesamt, wir wissen, dass das im Hause selbst sachlich errechnet worden ist - fordern, dass 500 Millionen Euro zusätzlich zu den Mitteln des Einzelplans 14 und des Einzelplans 60 zur Verfügung gestellt werden, damit der Afghanistan-Einsatz unserer Soldaten vernünftig abgesichert ist. Neben der politischen und menschlichen Unterstützung, die hier deutlich geworden ist, schulden wir das den Soldaten. Lassen Sie mich als Letztes Folgendes sagen: Wir haben seit dem 11. September immer wieder über uneingeschränkte Solidarität gesprochen. Wir haben bisher - das ist kein Vorwurf - relativ wenig konkret getan. Das kann sich ändern; einiges ist auf dem Weg. Wenn wir unseren Worten gerecht werden wollen, dann kann man von uns zu Recht erwarten, glaube ich, dass wir uns in dieser Weise mit bis zu 1 200 Soldaten an der Friedensmission in Afghanistan beteiligen. Sorgen Sie dafür, Herr Bundeskanzler, dass die Soldaten die notwendige Ausrüstung bekommen; das bleibt Ihre Verantwortung. Trotz der offenen Fragen haben Sie unsere Unterstützung für diesen Einsatz, weil wir glauben, dass es im Interesse unseres Landes liegt, diese Rolle wahrzunehmen. Vielen Dank. ({21})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Rezzo Schlauch, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Rezzo Schlauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002777, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder möchte ich die innenpolitische Debatte um die Bundeswehr führen noch möchte ich mich, Herr Kollege Rühe, an Spekulationen über Entscheidungen beteiligen, die nicht heute, sondern möglicherweise in zwei Monaten anstehen. Heute diskutieren und entscheiden wir über das Mandat des UNSicherheitsrats zur Entsendung einer multinationalen UNSchutztruppe, genannt „International Security Assistance Force“, das dieser in den letzten Tagen einstimmig beschlossen hat. ({0}) - Meine Damen und Herren Kollegen von der FDP, dass Ihr ehemaliger Außenminister ein bisschen Schwierigkeiten mit dem Englischen hatte, wissen wir. Dass Sie da den Chor anstimmen müssen, ist insofern okay. Die vorrangige Aufgabe dieser Friedensmission wird es sein, ein sicheres und stabiles Umfeld für die Arbeit der afghanischen Übergangsregierung zu gewährleisten, die in diesen Stunden ihre Amtsgeschäfte aufnimmt. Dazu werden wir mit unserer Entscheidung heute unseren Teil beitragen. Wenn wir an dieser Stelle einen Moment innehalten und an den Beginn der amerikanischen Militäraktion gegen das Talibanregime und das al-Qaida-Netzwerk, an die über Video verbreiteten zynischen Drohungen des Terroristenchefs Osama Bin Laden und an die menschenverachtenden Zustände in Afghanistan unter der Talibanherrschaft zurückdenken, dann wird deutlich, dass sich in der Zwischenzeit mehr zum Besseren gewendet hat, als die meisten von uns - nicht nur die Kritiker des amerikanischen Vorgehens - je für möglich gehalten haben. Erstmals besteht heute die realistische Chance für Afghanistan, den schrecklichen Kreislauf von Krieg und Zerstörung, von Mord und Vertreibung zu durchbrechen, unter dem die afghanische Bevölkerung seit über 20 Jahren unvorstellbares Leid ertragen musste. Erstmals seit mehr als 20 Jahren kann die afghanische Bevölkerung heute auf eine Zukunft in Frieden und Freiheit, auf ein selbstbestimmtes Leben in Zivilität und Sicherheit hoffen. ({1}) Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war ohne Zweifel die Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn. Die Konferenz ist ein erstes Beispiel dafür, wie es den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Ethnien Afghanistans in Zukunft gelingen kann, ihre Interessen in friedlichen Gesprächen und Verhandlungen miteinander zum Ausgleich zu bringen, anstatt Konflikte mit militärischer Gewalt auszutragen. Heute wird die auf der Konferenz beschlossene Übergangsregierung ihre Arbeit aufnehmen, die nach der Vereinbarung von Bonn in einen verfassunggebenden Prozess und in freie Wahlen münden soll. Die ersten Reaktionen aus Afghanistan zeigen, dass diese Interimsregierung das Vertrauen breiter Bevölkerungsschichten genießt und somit die große Chance besitzt, den ihr gestellten Aufgaben gerecht zu werden. Es kann kein Zweifel bestehen - das ist auch hier schon mehrfach ausgedrückt worden -, dass der Schlüssel zu einer friedlichen Zukunft Afghanistans im Lande selbst liegt. Es wird auf den Mut und auf die Bereitschaft der gesellschaftlichen Gruppen in Afghanistan ankommen, den Weg eines fairen und geregelten Interessenausgleichs zu beschreiten, anstatt auf das Recht des Stärkeren zu setzen. Die ersten Nachrichten, nachzulesen in den Agenturen, zeugen von einer großen Hoffnung, dass die enormen Differenzen zwischen den Stämmen mit dem heutigen Tag überwunden werden können. ({2}) Eine gesellschaftliche und politische Ordnung, die der afghanischen Bevölkerung als von außen aufgezwungen erscheint, wird nie die Akzeptanz und das Vertrauen der Menschen gewinnen. Das ist eine Lehre der Geschichte, und zwar nicht nur in Afghanistan. Es kann aber ebenso kein Zweifel daran bestehen, dass die afghanische Bevölkerung auf dem in Bonn skizzierten Weg die Unterstützung und die Solidarität der internationalen Staatengemeinschaft benötigt. Es wäre ein unverzeihlicher Fehler der internationalen Gemeinschaft, heute erneut den Blick von Afghanistan abzuwenden, nur weil die Schreckensherrschaft der Taliban zum Glück beendet werden konnte. Die Beispiele Bosnien, Kosovo und Mazedonien haben gezeigt, wie wichtig internationales Engagement gerade nach der Beendigung gewaltsamer Auseinandersetzungen für den Aufbau nachhaltig stabiler politischer Institutionen ist. ({3}) Dieser Verantwortung müssen die internationale Staatengemeinschaft und auch die Bundesrepublik gerecht werden. Das vom Sicherheitsrat beschlossene Mandat ist dafür die Grundlage. Es sind vor allem drei positive Aspekte dieses Mandats, die meines Erachtens besonderer Erwähnung bedürfen: Erstens. Die Stationierung der UN-Schutztruppe wird von der afghanischen Übergangsregierung unterstützt. Damit ist die Voraussetzung dafür gegeben, dass die UNMission in enger Kooperation mit den maßgeblichen Kräften in Afghanistan auf das gemeinsame Ziel einer friedlichen und stabilen Ordnung hinarbeiten kann. Damit ist auch die Bedingung dafür erfüllt, dass die internationale Präsenz in Afghanistan die Akzeptanz der dortigen Bevölkerung findet. Zweitens. Das Mandat erlaubt es den Soldaten, zur Selbstverteidigung Gebrauch von ihren Waffen zu machen. Damit entspricht der Beschluss des Sicherheitsrats der Auffassung der Bundesregierung und unserer Auffassung, dass nur ein solches robustes Mandat die größtmögliche Sicherheit der Soldaten gewährleisten und die Erfolgsaussichten der Friedensmission maximieren kann. Drittens. Schließlich wahrt das Mandat - wir halten das für besonders wichtig - die organisatorische Trennung zwischen der UN-Mission und der Operation „Enduring Freedom“. ({4}) Eine Vermengung der unterschiedlichen Ziele und der Mittel der höchst unterschiedlichen Maßnahmen - auf der einen Seite ein Beitrag zur Stabilisierung und zur Sicherheit der afghanischen Übergangsregierung, auf der anderen Seite das militärische Vorgehen gegen das al-QaidaNetzwerk und die Taliban - hätte letztendlich beiden Zielen geschadet. Die Akzeptanz und die Legitimation der UN-Friedensmission hätte gelitten und die Autorität der UNO als neutraler Agent der Weltgemeinschaft hätte langfristig Schaden genommen. Es ist deshalb außerordentlich zu begrüßen, dass es nicht zuletzt dank des Engagements der Bundesregierung gelang, die Trennung zwischen „Enduring Freedom“ und der UN-Mission im Beschluss des Sicherheitsrats zu verankern. ({5}) Ich bin der festen Überzeugung, dass die Entsendung einer UN-Schutztruppe nach Afghanistan auf der Grundlage des vom Sicherheitsrat erteilten Mandats einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung Afghanistans leisten wird. Eine Beteiligung der Bundesrepublik an dieser Mission ist ein Gebot unserer Verantwortung in der internationalen Staatengemeinschaft unter dem Dach der UNO. Dabei muss aber jedem bewusst sein, dass die Entsendung einer UN-Schutztruppe Risiken und Gefahren für die Soldaten birgt - so richtig und wichtig eine solche Entsendung auch ist. Der Illusion eines risikofreien Einsatzes von Soldaten sollte sich grundsätzlich niemand hingeben. Umso mehr danken wir den Soldaten für ihre Bereitschaft, den Einsatz in Afghanistan wahrzunehmen. Wir danken auch den Soldaten, die derzeit ihren Dienst auf dem Balkan leisten, in Respekt und Achtung vor diesem Dienst, der in unserem Interesse, aber auch im Interesse der dortigen Bevölkerung nach jahrelangen gewaltsamen Auseinandersetzungen liegt. Danke schön. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ulrich Irmer, FDP-Fraktion. ({0})

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Struck, das kann ich Ihnen beantworten: Herr Westerwelle hat sich bemüht, hierher zu kommen. Er ist wegen der widrigen Witterungsverhältnisse nicht hierher gekommen. ({0}) Meine Damen und Herren, es war ja höchst herzerfrischend, dass wir gerade noch einmal die Rede eines Fraktionsmitglieds der Grünen hören konnten, nachdem bisher in außenpolitischen Fragen von der Ministerpartei „Die Grünen“ nur noch Herr Fischer zu vernehmen war. ({1}) Es ist natürlich besonders schön, dass das sogar der Fraktionsvorsitzende der Grünen - „Mister Hose“ - getan hat, wie ich mir zu sagen erlaube, nachdem er ja hier das angeblich schwäbisch gefärbte Englisch unseres früheren Außenministers kritisiert hat. Meine Damen und Herren, es geht um Afghanistan. ({2}) Mit Absicht und mit Recht ist das Mandat des UN-Sicherheitsrats eng begrenzt. Es ist darauf begrenzt, die Umgebung von Kabul und die Stadt selbst zu schützen und dort der Interimsregierung, die heute ihr schweres Amt antritt, dabei Beistand zu leisten, dass sie nicht durch Wirrnisse und Kämpfer aus den eigenen Reihen an ihrer Tätigkeit gehindert wird. Das Mandat ist weiterhin auf sechs Monate begrenzt und auf höchstens 5 000 Soldaten, wie wir heute gehört haben. Jedermann weiß natürlich, dass auf diese Weise und unter diesen Bedingungen der Friede in Afghanistan durch militärische Kräfte von außen nicht hergestellt werden kann. Diese Grundidee ist richtig - ich wiederhole es noch einmal -, denn den Frieden, die Ordnung und die Sicherheit sowie eine Zukunft in Afghanistan für Afghanistan herzustellen kann allein Aufgabe des afghanischen Volkes selbst sein. ({3}) Die internationale Gemeinschaft wäre überfordert, wenn sie sich vermessen wollte, dieses auch nur in Angriff zu nehmen. Gleichwohl müssen wir uns darüber im Klaren sein: Die Gefahren für das Land und seine Zukunft lauern nicht nur in der Hauptstadt. Wir kennen die Geschichte des Landes, wir kennen seine Zerrissenheit in unterschiedliche ethnische Gruppen, wir kennen die Zustände vor Ort, wo kriegserfahrene Kämpfer, Warlords und andere sich gegenseitig befehden und bekriegen. Es ist ja nur zu wünschen, dass der Petersberg-Beschluss die Auswirkung haben wird, dass diese Kämpfe jetzt ein Ende finden werden. Niemand kann das aber garantieren. Meine Damen und Herren, sollte die Mission, an der wir uns ab heute beteiligen wollen, keinen Erfolg haben, wird sich natürlich die Frage stellen: Sagt dann die internationale Gemeinschaft, wir sind mit diesem begrenzten Auftrag gescheitert, oder entscheidet sie sich dann dafür, doch mehr zu tun und weitere Versuche der Stabilisierung von Afghanistan zu fördern? Gott sei Dank müssen wir diese Frage heute nicht beantworten, weil wir alle hoffen, dass wir einen Erfolg der Mission erleben werden. Wir müssen aber auch die Gefahren sehen und sie auch deshalb ernst nehmen, weil es ja unsere Soldaten sind, die wir mit unserem heutigen Votum in die Auseinandersetzungen und in die Gefahr schicken werden. Meine Damen und Herren, auch kann ich mir schwer vorstellen, dass der Auftrag - wenn es denn hart auf hart käme - wirklich darauf begrenzt sein könnte, die Interimsregierung als eine Art Schweizergarde zu schützen. Was wäre denn, wenn die humanitären Einsätze, die in Afghanistan vollzogen werden, von den Taliban, von marodierenden Banden oder von sonst wem gefährdet würden? Kann sich einer von uns vorstellen, dass unsere Soldaten dort vor Ort wären und nicht eingreifen würden, um diese humanitären Hilfsaktionen zu schützen? Es ist ja durch dieses Mandat durchaus möglich, dass dies geschieht. Aber ich hoffe, dass dies dann auch im Ernstfalle angewandt werden würde. Im Übrigen - Wolfgang Gerhardt hat es heute früh für die FDP-Fraktion angekündigt - werden wir dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. Allerdings haben wir speziell in einem Punkt ganz erhebliche Bedenken: Wir halten das, was im Antrag zur Finanzierung gesagt worden ist, für in hohem Maße unseriös. ({4}) Hier findet sich der lapidare Satz - das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen -: „Die einsatzbedingten Ausgaben werden im Haushaltsjahr 2002 ... gegebenenfalls durch Umschichtungen finanziert.“ Alle Nachfragen gestern und heute im Auswärtigen Ausschuss haben uns nicht weitergebracht. Ich erinnere daran, dass der Finanzminister uns vor noch gar nicht langer Zeit erklärt hat, dass der Haushalt jetzt bis an die Grenzen des Möglichen befrachtet sei. Wo sollen denn diese Umschichtungen herkommen? Das muss uns doch gesagt werden. Oder ist daran gedacht, dass die Mittel, die jetzt im Haushalt des Entwicklungsministeriums und im Haushalt des Auswärtigen Amtes für humanitäre Zwecke und für strukturelle Aufbauarbeit in Afghanistan vorgesehen sind, dann reduziert werden sollen? Das könnte ja wohl nicht im Sinne der Sache sein. Denn eines wollen wir doch festhalten: Ohne die - auch finanziellen - Aufwendungen der internationalen Gemeinschaft für den Wiederaufbau von Afghanistan in der Zukunft würden alle Soldaten, die wir dort hinschicken, nichts nützen und das Land würde nicht wieder von sich aus auf die Füße kommen. Meine Damen und Herren, heute früh ist vom Bundeskanzler mit Freude darauf hingewiesen worden - ich teile seine Genugtuung darüber -, dass dem deutschen Kontingent auch niederländische und dänische Soldaten angehören werden. Dies ist ein vernünftiger Einstieg. Aber, Herr Bundeskanzler und Herr Außenminister, das ersetzt doch bei weitem nicht das Fehlen des europäischen und des NATO-Ansatzes in diesen Fragen. ({5}) Wir erleben hier, dass wiederum allein national gehandelt wird. Da beschwören wir, da machen wir Pläne und da bekräftigen wir in Laeken und auf sonstigen Konferenzen, dass wir nichts Dringenderes benötigen als eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Aber was geschieht jetzt, wo es konkret wird und wo dies vielleicht möglich gewesen wäre? Wiederum kommt es nur zu nationalen Alleingängen. Ich kritisiere gar nicht, dass die Bundesregierung das vielleicht in den wenigen Tagen, die jetzt zur Verfügung standen, nicht geschafft hat. Aber, meine Damen und Herren, die Briten haben ausdrücklich erklärt, dass sie ihr Führungsmandat nur für die ersten Monate ausüben werden. Es ist heute schon viel davon die Rede gewesen, dass dann eine neue Entscheidung getroffen werden muss. Machen das dann die Türken, machen das die Deutschen oder wer macht das? Ich fordere die Bundesregierung auf, sich in den nächsten drei Monaten mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass es möglich wird, das Führungsmandat dann auf die Europäische Union oder auf die NATO zu übertragen, damit wir nicht wieder darauf angewiesen sind zu bitten und zu betteln, dass eine Nation dies alleine übernimmt. ({6}) Meine Damen und Herren, damit bin ich bei einem ohnehin etwas traurigen Kapitel, nämlich bei dem Zustand der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft. In wenigen Tagen werden wir den Euro als unsere neue Währung einführen. Das ist ein Riesenerfolg und ein Riesendurchbruch, von dem vor zehn Jahren noch niemand zu träumen gewagt hätte. Wenn es aber um Sicherheits- und Verteidigungsfragen und um die Außenpolitik geht, dann hinken wir hinterher wie zu Zeiten des Postkutschenföderalismus vergangener Zeiten. Es ist vorhin darauf hingewiesen worden, dass wir in der Außenpolitik hauptsächlich mit Militäreinsätzen tätig werden. - Herr Fischer, Sie nicken zustimmend. Das finde ich nett. Sie haben noch vor wenigen Jahren der alten Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen vorgeworfen, sie betrieben die Militarisierung der deutschen Außenpolitik. ({7}) Wann immer wir in den letzten Monaten außenpolitische Debatten geführt haben, ging es meistens um die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland. Es gab allein in den letzten vier Monaten vier solcher Entscheidungen. Ich werfe Ihnen jetzt nicht meinerseits vor, Sie betrieben die Militarisierung deutscher Außenpolitik. Was ich aber vermisse, ist ein außenpolitisches Gesamtkonzept, das Sie uns vielleicht einmal hätten vorlegen können. ({8}) Dieses Konzept fehlt an allen Ecken und Enden. Ich habe den Eindruck, dass Sie - nicht ungeschickt - immer spontan auf Notwendigkeiten reagieren, die sich ad hoc ergeben. Ich will noch einmal auf diese vier Entsendeentscheidungen zurückkommen, die wir in den letzten vier Monaten zu treffen hatten. Da gibt es ja nun nicht, wie manche in Ihren Reihen meinen, die guten Entscheidungen und die bösen Entscheidungen. Ich sage Ihnen dazu: Die guten Entscheidungen - auch die heute anstehende wird von Ihnen so betrachtet - wären manchmal nicht möglich ohne die vorangegangenen bösen Entscheidungen. ({9}) Hier gibt es übrigens eine deutliche Parallele zwischen Mazedonien und Afghanistan. Wir hätten den Beschluss, dass Deutschland als Führungsnation im Rahmen der NATO-Mission Soldaten nach Mazedonien schickt, um dort den zivilen Wiederaufbau zu schützen, nicht treffen können, wenn nicht vorher hier das Mandat erteilt worden wäre, die Bundeswehr auch zum Waffeneinsammeln nach Mazedonien zu schicken. Dazu hatten Sie keine eigene Mehrheit. Sie haben die Arbeit uns, der Opposition, überlassen. ({10}) Ich freue mich ohnehin, den Vereinten Nationen, der NATO und allen unseren Bündnispartnern sagen zu können: Auf die deutsche Opposition ist natürlich Verlass. Wenn ich hier von deutscher Opposition spreche, nehme ich die PDS aus. Es ist schon außerordentlich verwunderlich, Herr Struck, dass Sie sich zwar vorher mit der PDS auseinander gesetzt haben - so weit bin ich damit einverstanden -, ohne aber zu erwähnen, dass sich Ihre Partei zur gleichen Zeit ausgerechnet in Berlin mit ihr ins Bett legt, obwohl die Vorgängerpartei, die SED, durch Berlin die Mauer gezogen hat. Darauf müssen Sie uns noch eine Antwort geben. ({11}) Lassen Sie mich schließen mit einem guten Wunsch an unsere Soldaten und deren Familien. Wir hoffen alle, dass die Soldaten wohlbehalten heimkehren. Ein allerletzter Wunsch: Der Beschluss, den wir heute fassen werden, soll dazu beitragen, dass wir einen kleinen Schritt dem näher kommen, was die Botschaft dieser leider vielfach sinnentleerten Weihnachtstage sein sollte: Friede auf Erden. Ich danke Ihnen. ({12})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun erteile ich dem Kollegen Wolfgang Gehrcke, PDS-Fraktion, das Wort.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht gerade das Gefühl, dass ich mit irgendjemandem im Bett liege. Ich muss aber zugeben, dass es eine verführerische Alternative zu dem wäre, was hier abläuft. ({0}) Man kann ja einmal darüber nachdenken. Wir sollten uns ernsthaft damit auseinander setzen - das ist der Gegenstand der Diskussion in meiner Fraktion -, wie rasch Hilfe für das afghanische Volk erfolgen kann, für ein Volk, das von Kriegen und Grausamkeiten geschunden ist, für ein Volk, das militärische Interventionen - sei es von Großbritannien als Kolonialmacht, sei es von der Sowjetunion oder sei es von den Amerikanern - über sich ergehen lassen musste, für ein Volk, auf das Bomben und Raketen abgeworfen worden sind und das von örtlichen Kriegsherren, von Fanatikern und von Mörderbanden ausgeplündert worden ist. Das ist unsere Zielsetzung. Wir glauben, dass es nicht so geht, wie es von der Mehrheit hier vorgeschlagen wird. ({1}) Ich hoffe - das will ich hinzufügen -, dass wir mit unserer Auffassung Unrecht behalten. Ich befürchte aber, dass sie richtig sein wird. Gern würde ich im Interesse des afghanischen Volkes bezüglich meiner Prognosen Unrecht behalten. ({2}) Wir haben einen anderen Weg vorgeschlagen - die Beendigung des Krieges in Afghanistan ist dabei für uns die Voraussetzung -: eine UNO-Mission nach Kap. VI der Satzung der Vereinten Nationen. Das hat nichts mit einem robusten oder weniger robusten Einsatz zu tun; auch eine Mission gemäß Kap. VI kann robust sein. Wir haben vorgeschlagen, rasch humanitäre Hilfe zu leisten und die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. ({3}) Das ist dringend notwendig. Wir haben eine Unterstützung bei der Minenräumung und beim Aufbau einer zivilen Verwaltung vorgeschlagen. ({4}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu dem machen, was Kollege Struck hier gesagt hat; Kollege Irmer hat in diesem Zusammenhang noch draufgesattelt. Ich setze mich gern mit Geschichtsfragen, die mich und meine Fraktion betreffen, auseinander; aber nur dann, wenn sie nicht platt gestellt werden. Heute will ich jedoch von der Plattheit absehen. Natürlich ist es berechtigt, uns immer wieder zu fragen, was wir zu bestimmten Positionen gesagt und was wir in diesem Fall getan haben. Ich gehöre zu denjenigen, die die sowjetische Intervention in Afghanistan gerechtfertigt haben. Dies habe ich aber mit den gleichen schlechten Argumenten gemacht, wie ihr das heute tut. ({5}) Auch ich habe damals von dem Unsinn des Kampfes gegen den Terror und gegen Banditengruppen und von der Beförderung des kulturellen Fortschritts gefaselt. ({6}) Diese Argumente waren damals schlecht und sie sind heute nicht besser geworden. ({7}) Ich sehe nicht ein, warum man sich heute davon absetzen muss, Schwerter zu Pflugscharen umformen zu wollen. Ich kann euch ja einmal vorlesen, was in eurem Programm steht. Wir alle wollten das einmal. Daran sollten wir festhalten. Ihr macht es nicht! ({8}) Nun spreche ich einmal die Kolleginnen und Kollegen an, die wie ich als Linke aus dem Westen stammen - man kennt sich ja untereinander -: Seid einmal weniger laut und legt zugrunde, was wir und ihr - ich schaue dabei die Grünen und einen Teil der Sozialdemokraten an - damals geschrieben haben! Das wäre nicht weniger unmenschlich und inhuman geworden als das, was im Osten Praxis war. Nehmt euch einmal ein Stück zurück! Auch gedachte Untaten bleiben Untaten! Auch dazu sollte man stehen. ({9}) Für mich ist die entscheidende Frage, ob das VNMandat den Bruch mit der Logik des Krieges darstellt oder ob es im Gegenteil auf der Logik des Krieges beruht. Es war interessant, zu hören, was der Herr Bundeskanzler in seiner Erklärung dazu gesagt hat. Er hat das VN-Mandat aus dem Krieg heraus entwickelt und beides miteinander verbunden. Ich halte die Logik, dass man durch das Führen eines Krieges zu einem solchen Ergebnis kommt, für fatal. Ich möchte, dass künftige UN-Missionen von Kriegen abgesetzt werden, dass sie das Gegenteil von Krieg darstellen und dass es um zivile Lösungen geht. ({10}) Hier liegen unsere Probleme mit dem Mandat selber. Für die Öffentlichkeit sei gesagt - die Kolleginnen und Kollegen hier sollten es wissen -: Dies ist keine UNOMission, sondern eine Mandatierung der UNO für eine Staatengruppe. Das ist einfach ein Unterschied. Großbritannien ist aus meiner Sicht ob seiner kolonialen Geschichte und seiner Verwicklung in den Krieg als Leitnation ungeeignet. Großbritannien tritt zweifach in Erscheinung: als Kriegspartei und als Teil der UNO-Mission. In der Türkeifrage - da muss ich dem Kollegen Rühe Recht geben; wo er Recht hat, hat er Recht - wird die Regierung beantworten müssen, wie sie künftig ihre Position zur Türkei gestalten wird, wenn die Türkei ihre „lead nation“ in Afghanistan sein wird. Auch Folgendes werden Sie beantworten müssen: Wenn Sie die Bundeswehr so einsetzen, wie Sie sie einsetzen, dann ist sie wirklich unterfinanziert. Ich will sie nicht so einsetzen; aber um die Beantwortung dieser Frage kommen Sie nicht herum. In mindestens einem halben Jahr werden Sie in der Türkeifrage und auch in anderen diesbezüglichen Fragen Farbe bekennen müssen. Weiterhin ist festzuhalten, dass der Kampfeinsatz der USA in Afghanistan und die dortige UNO-mandatierte Truppe - das Herumgerede hilft ja nicht weiter - doch miteinander verbunden sind. Wenn man die Texte genau durchliest, so stellt man fest, dass im Konfliktfall letztendlich die USA die Entscheidung treffen. Täuschen Sie die Öffentlichkeit doch nicht, wenn Sie das befürworten! Stellen Sie sich zu solchen Positionen und sagen Sie deutlich, wie es sein wird! ({11}) Ich habe allergrößte Bedenken gegen ein Mandat nach Kap. VII. Ich will mich mit einer weiteren Frage auseinander setzen. Die humanitäre Hilfe ist nicht Gegenstand des Mandates. Das muss hier deutlich gesagt werden. Das Mandat dient zur Unterstützung, zur Assistenz und zur Sicherung der neuen Verwaltung. Da kann es vielleicht einen Sinn machen. Aber Sie werden Fragen beantworten müssen. Was passiert, wenn die Scharia die Rechtsordnung bleibt und in Kabul und in ganz Afghanistan Hinrichtungen stattfinden? Dann hätten Sie kein Mandat, um unmittelbar einzugreifen. Was passiert, wenn die Differenzen zwischen Großbritannien, Frankreich, den USA und auch Deutschland - das sind ja keine Kleinigkeiten - größer werden? Lassen Sie mich noch eine Frage hinzufügen, die Sie heute fairerweise hätten beantworten müssen. ({12}) Man kann Afghanistan nur im Gesamtzusammenhang sehen. Sie hätten heute sagen müssen, wie es mit weiteren militärischen Einsätzen aussieht; diese Frage ist oftmals aufgeworfen worden und steht damit in Zusammenhang. Da Sie das nicht tun, gibt es nur zwei Antworten. Entweder Sie wissen nichts - das spräche nicht gerade für Partnerschaft; aber das kann ja so sein -, oder Sie sagen nichts, weil Sie den Eindruck, dass die Wahrheit scheibchenweise verabreicht wird, vermeiden wollen: Die uneingeschränkte Solidarität führte zum Beschluss der NATO über den Bündnisfall. Die NATO wurde danach gar nicht mehr gefragt, aber das ist nicht mein Problem. Dann kam der Beschluss des Bundestages, für die Aktion der USA 2 900 Soldaten zur Verfügung zu stellen. Wo sind die eigentlich stationiert? Wo sind sie geblieben? Darüber redet keiner. Sind sie schon in Afghanistan? Sind sie in Somalia oder in Kuwait? Wo sind sie denn? Ich möchte endlich Antworten darauf haben, wo diese Soldaten sind. ({13}) Jetzt sollen 1 200 Soldaten für den UNO-Einsatz zur Verfügung gestellt werden. Zum gleichen Zeitpunkt sagt der Verteidigungsminister zu Somalia, es gehe nicht mehr um die Frage des Ob, sondern nur um die Frage des Wann und mit welchen Mitteln. Das ist die Verknüpfung zwischen Kriegsaktion und Friedensmission. Die genau wollen wir nicht. Sie aber nehmen sie vor bzw. laufen Gefahr, sie vorzunehmen. Deswegen haben wir uns zu einem Nein entschieden, was wir unter uns kritisch genug und auch in der Öffentlichkeit diskutiert haben. ({14})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Bundesminister Rudolf Scharping. ({0})

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein erstes Wort richtet sich an die Angehörigen der Bundeswehrsoldaten und an jene 7 500 Soldaten, die auf dem Balkan für Frieden und Stabilität sorgen, die Weihnachten und den Jahreswechsel getrennt von ihren Familien verbringen werden und die diesen Dienst leisten, weil er den Interessen unseres Landes entspricht und weil wir in Europa mithilfe der Bundeswehr im Rahmen einer klugen Gesamtpolitik einen unverzichtbaren Beitrag für Frieden und stabile Entwicklung gewährleisten. ({0}) Dieses Wort richtet sich aber nicht nur an jene 7 500 Soldaten, die zurzeit auf dem Balkan stationiert sind, sondern auch an die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sowie an die Mitglieder des Deutschen Bundestages. Wir sollten bei allen diesen Entscheidungen nicht übersehen, dass in der gegenwärtigen Situation von den etwa 210 000 Berufs- und Zeitsoldaten und jenen, die freiwillig länger Wehrdienst leisten, über 60 000 für internationale Einsätze fest eingeplant oder direkt für sie engagiert sind. Das bedeutet, dass wir fast 30 Prozent jener, die dafür zur Verfügung stehen, für solche Einsätze politisch und vor allen Dingen persönlich - auch mit Blick auf deren Familien - unmittelbar beanspruchen. Das sagt zugleich, dass wir bei unseren politischen Entscheidungen einen sehr strengen und klaren Maßstab anlegen müssen, wenn wir solche Entscheidungen treffen, und zwar nicht nur einen außen- und sicherheitspolitischen, sondern auch einen, der mit den Fähigkeiten der Bundeswehr und der in der Bundeswehr engagierten Menschen zu tun hat. Es wird wohl so sein, dass wir im Zusammenhang mit Afghanistan gewährleisten können, dass diejenigen, die in einer 48-Stunden-Bereitschaft stehen, die Weihnachtstage noch bei ihren Familien verbringen werden. Das gilt dann wahrscheinlich in dieser umfassenden und sicheren Form für den Jahreswechsel nicht mehr. Der Einsatz, über den wir heute entscheiden - das ist hier gesagt worden -, ist mittlerweile der vierte innerhalb von nur vier Monaten. Es ist ein Einsatz auf der Grundlage von Kap. VII der Charta der Vereinten Nationen. Das wollten wir so. Das ist auch notwendig. Es ist ein Einsatz, der nur deshalb möglich wird - darin stimme ich dem Kollegen Rühe und anderen ausdrücklich zu -, weil es zuvor einen ebenso entschlossenen wie zielorientierten militärischen Einsatz gegeben hat. Alles, worüber wir jetzt gemeinsam im Sinne von Fortschritt, Herausforderung und Chancen in Afghanistan reden, ist nur möglich geworden, weil es den entschlossenen Kampf gegen Terroristen und Taliban gegeben hat. Dieser Kampf - das muss man ebenso deutlich hinzufügen - wird noch längere Zeit andauern: in Afghanistan, auf verschiedenen politischen Ebenen, unter Nutzung verschiedenster Fähigkeiten, an verschiedenen Orten. Vor diesem Hintergrund und weil in Afghanistan Auftrag und Fähigkeiten getrennt sind, aber auf dem TerriWolfgang Gehrcke torium desselben Staates selbst bei großer räumlicher Entfernung in Kabul und Umgebung Sicherheit gewährleistet werden soll, während andernorts gegen Terroristen und Taliban vorgegangen wird, bedarf es nicht nur einer klaren Trennung, wie wir sie wollten und wie sie gewährleistet ist, sondern auch einer engen Koordination. Weil ich vermute, dass viele Außenstehende das nicht so gut nachvollziehen können, will ich an einem einzigen Beispiel erläutern, warum das politisch in Ordnung, sachlich sinnvoll und operativ unverzichtbar ist. ({1}) Beim Zugang zu Kabul sind wir in Afghanistan unverzichtbar darauf angewiesen, dass es eine gemeinsame Luftraumüberwachung und eine Koordination beim Lufttransport gibt. Übrigens für den Fall, dass sich angesichts des Risikospektrums, über das wir in den Ausschüssen sorgfältig geredet haben, alles wesentlich ungünstiger entwickelt: Wenn für diese Sicherheitsunterstützung militärische Unterstützung notwendig werden sollte, dann sind das alles Hinweise darauf, dass ohne enge Koordination mit den Vereinigten Staaten und ohne zuverlässige Unterstützung durch die Vereinigten Staaten gar nicht das zu bewältigen wäre, was wir uns jetzt in der gemeinsamen Truppe vorgenommen haben. ({2}) Ich will einige Worte im Zusammenhang mit Bemerkungen sagen, wie sie hier mit Blick auf die Vereinten Nationen, die Nichtregierungsorganisationen und andere gefallen sind. Es ist richtig, dass wir von einer Unterstützungsleistung sprechen. Es ist genauso richtig, dass diese Unterstützungsleistung auf den Raum Kabul und Umgebung begrenzt ist und begrenzt bleiben muss. Das bedeutet zugleich die schmerzliche Einsicht, dass wir nicht die Fähigkeit haben - Deutschland, Europa und die internationale Staatengemeinschaft insgesamt haben nicht die Fähigkeit -, in Afghanistan für Sicherheit zu sorgen. ({3}) Wir bräuchten über 300 000 Soldaten, um nur die größeren Städte und die Verbindung zwischen diesen Städten wirksam zu sichern. Im Übrigen wäre diese Anforderung, die auch auf die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen einen gewissen Einfluss hat, ein Widerspruch zum Petersberg-Abkommen und zu der Sicherheitsratsresolution, die auf dem Petersberg-Abkommen aufbaut. Ganz anders als auf dem Balkan appelliert sie bewusst an die Fähigkeit der Stämme, der Volksgruppen, der Clans und der politischen Führer in Afghanistan, den Weg dieses Landes in die eigenen Hände zu nehmen, und zwar von Anfang an, anstatt die Autorität dieser Regierung auf auswärtige Präsenz zu bauen. ({4}) In diesem Zusammenhang ist genauso nüchtern darauf hinzuweisen, dass die Bereitschaft Großbritanniens, die Führung zu übernehmen, von der Bundesregierung nicht nur begrüßt wird. Das tun wir, aber es kommt noch etwas anderes hinzu: Wir müssen im Lichte der Erfahrungen, die wir in den letzten Wochen gesammelt haben und möglicherweise in den nächsten Wochen und Monaten noch sammeln werden, sehr genau darauf schauen, ob es für die Fortführung der Operationen - ich rede jetzt nicht von diesem Mandat - und für mögliche künftige Entscheidungen nicht doch mehr Sinn macht, wieder stärker auf integrierte Stäbe und Fähigkeiten, auf integrierte bewährte Verfahren der multinationalen Zusammenarbeit zurückzugreifen, als das in diesem Fall, aus welchen Gründen auch immer, möglich war. ({5}) Ich sage das auch deshalb, weil - unbeschadet der Debatten, die wir hier führen - mit all diesen Entscheidungen auch gewisse Weichenstellungen hinsichtlich der Frage vorgenommen werden, wie wir das Verständnis von gemeinsamer Sicherheit und ihrer multinationalen Gewährleistung in Zukunft in operative Fähigkeiten umsetzen wollen. Der größte Vorteil der NATO ist, dass sie diese Fähigkeiten hat, dass diese eingeübt sind und dass es ein enormes Maß an politischem Vertrauen in die Fähigkeiten der NATO gibt. Das ist etwas, was wir in Europa und im Rahmen der ESVP noch entwickeln müssen. In diesen Zusammenhang gehört die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland die Lead-Funktion hätte übernehmen können oder für die Zukunft übernehmen soll. Ich rate davon ab, so zu tun, als habe man schon die Fähigkeiten, die man in Zukunft erst erwerben will. Wir haben das Einsatzführungskommando der Bundeswehr rund acht Monate früher in Funktion gebracht, als das ursprünglich beabsichtigt war. Das hat mit Enduring Freedom - also dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus - zu tun. Die Bundesrepublik Deutschland verfügt aber noch nicht über die Führungsstrukturen, die Führungsmittel und die Unterstützungsmittel, die man braucht, um einen solchen multinationalen Einsatz über eine so große Entfernung und über möglicherweise längere Dauer zu führen. Das ist eine ganz nüchterne realistische Einsicht. Das darf uns aber nicht davon abhalten, die notwendigen Fähigkeiten rasch zu erwerben. Dazu dienen auch die 1,5 Milliarden DM aus dem Antiterrorpaket der Bundesregierung. Diese Mittel stehen der Bundeswehr dauerhaft zur Verfügung. Das ist wichtig für die Bundeswehr und für die Verbesserung der äußeren Sicherheit unseres Landes sowie seiner Partner. Es ist ganz klar, dass wir diese 1,5 Milliarden DM für Maßnahmen im Zusammenhang mit „Enduring Freedom“ verwenden. Für die Maßnahmen, die wir hoffentlich jetzt mit großer Mehrheit beschließen werden, haben wir 300 Millionen DM eingeplant. Alles andere muss auf andere Weise aufgebracht werden. Ich sage das auch mit Blick auf einen Umstand, den ich nicht zu übersehen bitte: Wir haben nicht den Ergeiz, diese Obergrenze auszuschöpfen. Das ergibt sich aus unserer engen Zusammenarbeit mit den Niederlanden und anderen europäischen Ländern, mit denen wir über diese Frage zurzeit noch im Gespräch sind. Damit wollen wir deutlich machen, dass eine multinationale Zusammenarbeit von Deutschland als Prinzip akzeptiert und im Alltag angewandt wird. Wir haben auch hinsichtlich der Dauer des Einsatzes nicht den Ehrgeiz, die Obergrenze auszuschöpfen. Ich sage das, um auf die Angehörigen der Bundeswehr zurückzukommen, sozusagen als Leitplanke. Die Verpflichtungen, die wir mit unserem internationalen Engagement zur Sicherung von Frieden und Stabilität eingegangen sind - auf dem Balkan oder in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus -, dürfen durch neue Engagements nicht in Gefahr gebracht werden. Unsere übernommenen Verpflichtungen müssen eingehalten werden. Das ist auch eine Frage der Zuverlässigkeit und der politischen Glaubwürdigkeit. Mit Blick auf die Motivation in der Bundeswehr müssen die Verlässlichkeit der politischen Entscheidungen sowie die Qualität der Nachwuchswerbung und Nachwuchsgewinnung sichergestellt werden. Die Erfolge, die mit der Erneuerung der Bundeswehr erreicht worden sind, dürfen nicht in Gefahr gebracht werden. ({6}) Herr Kollege Rühe, auch wenn es sich vielleicht etwas unweihnachtlich anhört, schließe ich noch eine Bemerkung an: Wenn die Zuverlässigkeit der mittelfristigen Finanzplanung unserer Vorgängerregierung der Maßstab für solche Rechnungen, wie Sie sie aufgemacht haben, sein soll, dann würde ich sagen, wir sollten uns für die Zukunft eher Grimms Märchenbuch als Maßstab für die Zuverlässigkeit nehmen, denn nicht eine einzige Ihrer mittelfristigen Finanzplanungen haben Sie eingehalten, und das war zum Schaden der Bundeswehr. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Paul Breuer, CDU/CSU-Fraktion.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist der fünfte Einsatzbeschluss, den der Deutsche Bundestag in diesem Jahr 2001 zu fassen gedenkt. Am Anfang dieses Jahres 2001 hätte sicher die große Mehrheit dieses Hauses diesen Verlauf des Jahres nicht für wahrscheinlich gehalten. Das zu erkennen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, sich zu überlegen, wie die Sicherheitspolitik und der Umgang mit den Streitkräften aussehen müssen. In der Sicherheitspolitik und beim Umgang mit den Streitkräften gilt es immer ein ganzes Stück Vorsorge zu betreiben. Meine Damen und Herren Kollegen, wenn wir Einsatzbeschlüsse fassen, dann darf das nicht zur Routine werden. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass das geschieht. Wir müssen uns immer wieder der Vorsorge und der Sicherheit widmen und Risiken so weit wie möglich vermeiden. ({0}) Soldaten der Bundeswehr, die in Einsätzen sind, sagen oftmals: Ein Problem für uns ist nicht nur, dass wir ein halbes Jahr in den Einsatz gehen. - Das ist schwer genug; manche Familie hat riesige Probleme; manche Ehe scheitert angesichts der Belastungen. - Nein, eine Belastung ist auch, dass unsere Nachbarn und die anderen in dieser Friedensgesellschaft absolut kein Verständnis für die Belastungen aufbringen, die auf unsere Familien und uns persönlich einströmen. Ein Jugendoffizier der Bundeswehr hat in seinem Jahresbericht für 2000 geschrieben, dass die Jugendlichen besser darüber informiert seien, was im „Big Brother“Container geschieht, als darüber, dass Soldaten der Bundeswehr in Containern in Bosnien oder im Kosovo untergebracht sind. ({1}) Wenn wir heute einen Einsatzbeschluss für Afghanistan fassen, dann muss uns bewusst sein, dass das Weihnachtsfest nicht nur für die Familien der Soldaten, die auf dem Balkan eingesetzt sind, sondern auch für die Familien derjenigen, die innerhalb der kommenden vier oder sechs Wochen nach Afghanistan gehen, kein normales Weihnachtsfest ist. Sie tun das für uns. Der Deutsche Bundestag muss zum Ausdruck bringen, dass er ihnen alles Vertrauen und alle Unterstützung mit auf den Weg gibt. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gefahren und Risiken gibt es in Afghanistan genügend. Uns allen ist klar, dass dies ein nicht nur geographisch-topographisch zerklüftetes Land ist. Es ist ein Land mit vielen politischethnischen Klippen und Gefahren. Das, was sich in den letzten Jahrzehnten dort abgespielt hat, kann - da darf es keine Illusionen geben - nicht innerhalb von wenigen Jahren und schon gar nicht innerhalb von sechs Monaten eines Bundeswehreinsatzes bekämpft werden. Dem entsprechen die Risiken für unsere Soldaten. Uns muss bewusst sein: Wir schicken deutsche Soldaten in ein Umfeld, in dem es Risiken für Leib und Leben gibt. Hinzu kommt: Wir schicken deutsche Soldaten in ein Umfeld, aus dem wir sie, wenn ein Notfall eintritt, wenn sie in Bedrängnis kommen, nicht mit deutschen Mitteln, mit Mitteln der Bundeswehr, retten können. Wir sind auf die Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika angewiesen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir auf die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Streitkräfte vertrauen können. Es ist aber schon notwendig, dass wir hier feststellen, dass diese Risiken vorhanden sind und dass dieses Vertrauen notwendig ist. Dieses Vertrauen steht letztlich in Verbindung mit dem, was wir Solidarität gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika genannt haben. Die Gefahren für unsere Truppen in Afghanistan haben aber auch etwas damit zu tun, dass wir über eine Frage gar nicht diskutieren können: Das ist die Frage, ob nicht die Ausstattung der deutschen Streitkräfte womöglich etwas schwerer sein könnte. Könnte es mehr Panzerschutz geben? Wir können hier nur sehr begrenzt darüber diskutieren, weil wir zum Beispiel die Lufttransportmittel, die dafür notwendig sind, deutsche Panzer nach Afghanistan zu transportieren, nicht besitzen. Nun hängt es sicherlich mit der Geschichte der Bundeswehr und mit den Sicherheitsrisiken aus der Vergangenheit im Ost-West-Konflikt zusammen, dass wir die Transportflugzeuge heute nicht besitzen. Aber dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss man darauf hinweisen, dass wir uns dringend darum bemühen müssen, ({3}) dass die Bundeswehr morgen die Ausstattung dafür besitzt und neue Flugzeuge bekommt. Wenn Sie, Herr Kollege Erler, sagen: „Machen wir doch“, dann will ich Ihnen eines sagen: Es sollte Ihnen sehr zu denken geben, dass der Verteidigungsminister zwar 73 dieser Flugzeuge bestellt hat, im Hinblick auf die Verpflichtungsermächtigung, die dieses Parlament ihm eingeräumt hat, aber nur die Hälfte finanzieren kann. ({4}) Das ist skandalös, Herr Kollege Erler. ({5}) Sie haben in der Haushaltsabstimmung zum Haushalt 2002 vor wenigen Wochen einem Antrag der CDU/CSU die Zustimmung verweigert, der exakt zum Inhalt hatte, dem Verteidigungsminister die Möglichkeit zu geben, tatsächlich voll finanziert die 73 Flugzeuge zu bestellen. Das heißt, das, was wir hier im Hinblick auf die Finanzierung der Bundeswehr sagen, ist nicht irgendeine oppositionelle Attitüde; es ist das, was notwendig ist, um der gewachsenen Verantwortung Deutschlands in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik tatsächlich mit unserer Bundeswehr gerecht werden zu können. ({6}) Wir haben in dem Entschließungsantrag, auf den ich Sie hinweisen möchte, aber auch eine andere Risikofrage angeschnitten, die nicht unbeachtet bleiben darf. In der Sitzung des Verteidigungsausschusses gestern wurde deutlich, dass ein Teil des Materials, ja auch ein Teil des Personals, das in Afghanistan eingesetzt wird, vom Balkan abgezogen werden muss. Das heißt, es besteht die Gefahr, dass sich die Ausstattung der deutschen Streitkräfte auf dem Balkan verschlechtert. Das wiederum heißt, dass Zusagen, die unseren Soldaten im Hinblick auf ihre Einsatzbelastung gegeben worden sind, nicht eingehalten werden können. Ein Blick auf die Kräfte und auf die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr zeigt sehr deutlich, dass diese - nicht die persönliche Leistungsfähigkeit der Soldaten, sondern die Leistungsfähigkeit des Truppenkörpers - ihre deutlichen Grenzen hat. Deswegen fordere ich ganz deutlich: Wir müssen uns in der zukünftigen Diskussion über die Ausstattung unserer Streitkräfte nicht an einer Situation orientieren, die vielleicht gerade jetzt gegeben ist. Vielmehr müssen wir auch die Eventualitäten mit einbeziehen. Niemand von uns hätte den Afghanistan-Einsatz am Anfang dieses Jahres für wahrscheinlich gehalten. Heute gibt es im Deutschen Bundestag eine breite Mehrheit dafür, die Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Daher müssen wir auch unabhängig von Wahrscheinlichkeitsgraden dafür sorgen, dass die Bundeswehr eine Ausstattung und eine Ausbildung besitzt, die sie für alle Eventualitäten infrage kommen lässt, die wir sicherheitspolitisch für notwendig halten. ({7}) Meine Damen und Herren Kollegen, ich möchte am Ende noch eine Frage anschneiden, die nicht ohne Risiko ist - sie hat heute schon eine Rolle gespielt -: Das ist die Frage des Oberkommandos der Streitkräfte in Afghanistan, des Oberkommandos dieser Sicherheitstruppe. Wir wissen, dass die britischen Partner in drei Monaten aus der internationalen Sicherheitstruppe ausscheiden werden und dass sie dann ihre Führungsfunktion nicht mehr wahrnehmen werden. ({8}) Ich frage mich, wie eigentlich die Unstimmigkeiten insbesondere zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich zustande gekommen sind. Ich vermute Folgendes: Es war nicht gut - das ist schon von einigen Kollegen angesprochen worden -, dass der Konferenz auf dem Petersberg eine nationale Grundlage gegeben wurde, obwohl es sich um eine UNO-Konferenz gehandelt hat. Es wäre besser gewesen, eine europäische Flankierung anzustreben. Dafür spricht insbesondere ein Grund: Eine solche Flankierung hätte unseren europäischen Partnern signalisiert, dass die Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik kein Papiertiger, sondern etwas ist, was wir wirklich anstreben wollen. Ich bin davon überzeugt, dass so manche Unstimmigkeiten mit Großbritannien hätten vermieden werden können. Das Signal, das die Briten stattdessen bekommen haben - versetzen wir uns einmal in ihre Lage -, ist: Die Deutschen lassen uns kämpfen und Risiken übernehmen. Sie selbst wollen die Friedensmacher sein, die nur feine Konferenzen ausrichten und keine Risiken übernehmen. - Ein solches Bild darf Deutschland innerhalb Europas nicht abgeben. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Breuer, Sie müssen zum Ende kommen.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Ende, Herr Präsident. - Ich hoffe, dass das, was wir mit dem heutigen Einsatzbeschluss beginnen, zum Erfolg führen wird und dass wir dem geschundenen Land Afghanistan die Möglichkeiten geben, eine bessere Zukunft zu gestalten, sodass der Terrorismus in diesem Land - das ist unser vornehmliches Interesse - keine Grundlage mehr finden kann. Ich hoffe, dass unsere Soldaten, die wir nach Afghanistan schicken, heil und gesund wieder nach Hause kommen werden. Danke sehr. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort der Kollegin Rita Grießhaber, Bündnis 90/Die Grünen.

Rita Grießhaber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002664, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl die Erwartungen an das Petersberger Abkommen bei vielen wahrlich nicht besonders hoch waren, kann man nur feststellen: Es wurde nicht nur deutlich mehr erreicht, als die meisten erwartet hatten; vielmehr ist die AfghanistanKonferenz zu einem außerordentlichen Erfolg geworden. Der deutsche Beitrag zum Gelingen war alles andere als gering. Aber, Kollege Rühe, es war in allererster Linie eine Veranstaltung der Vereinten Nationen, nicht Deutschlands. ({0}) Das Petersberger Abkommen war zwar ein riesiger Meilenstein, aber es garantiert noch keinen Frieden. Die Sicherheitskomponente, über die wir gleich abstimmen werden, ist ein wichtiger und notwendiger Teil des ganzen Prozesses. Jedoch sollten wir darüber hinaus nicht die politischen Aufgaben vergessen, die im Hintergrund des Ganzen stehen. Afghanistan braucht in der Phase der Stabilisierung nicht nur ein sicheres Umfeld in der Hauptstadt für die Regierung. Kollege Irmer, mit Verlaub, der Vergleich mit der Schweizergarde ist nicht der schlechteste. Wenn man sich die historische Rolle anschaut, die diese Garde für den Vatikan gespielt hat, kann man nur sagen: Es wäre nicht schlecht, wenn die internationale Sicherheitstruppe in Afghanistan die gleiche Rolle spielen könnte. Nur, ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Truppe so lange und letztlich nur noch als schön gekleidete Staffage dort bleiben wird, wie es die Schweizergarde beim Vatikan tut. ({1}) Afghanistan braucht auch und gerade die Hilfe der Vereinten Nationen bei der Schaffung neuer staatlicher Strukturen. Der Verfassungsprozess muss auf den Weg gebracht werden. Die Gerichtsbarkeit ist neu zu ordnen. Sicherheits- und Polizeikräfte sind aufzubauen und zu schulen. Die humanitäre Hilfe muss nach besten Kräften im Lande wirksam werden. Das ist die Aufgabe der neuen Regierung. Sie erhält dabei große Unterstützung von zahlreichen internationalen Hilfsorganisationen. Mir macht Hoffnung, dass mit der Frauenministerin Sima Simar eine sehr engagierte Frau in die Übergangsregierung berufen wurde, die nicht nur in Quetta das Malai-Krankenhaus aufgebaut hat, sondern die mit der von ihr gegründeten Frauenorganisation Shuada auch aus dem wichtigen aktiven zivilgesellschaftlichen Spektrum kommt, das gerade jetzt in Afghanistan dringend gebraucht wird. ({2}) Ich erinnere mich an das Entsetzen, als die Taliban die Bäckereien schlossen, mit deren Hilfe viele afghanische Frauen die schlimmste Not lindern konnten. Ich freue mich jetzt, dass am Donnerstag in Kabul genau diese Bäckereien von den Frauen wieder eröffnet wurden. ({3}) Auch andere Gesten sollten wir zur Kenntnis nehmen. Nicht nur Rabbani, sondern auch Dostum war heute bei der Einführung der neuen Regierung. Er hat Karsai die Hand geschüttelt. Das darf man nicht überbewerten, aber es ist ein Signal, das man aufnehmen muss. ({4}) Wenn wir genau hinschauen, dann erkennen wir: In Afghanistan gibt es jetzt die Personen, die aus der leidvollen Vergangenheit Lehren ziehen. Eines ist klar: So viel Hoffnung wie heute gab es in diesem Land schon Jahrzehnte nicht mehr. Diese Chance nicht zu nutzen wäre niemandem mehr zu vermitteln. ({5}) Zum Einsatz selbst: Ich möchte noch ein Wort zu der Debatte über die „lead nation“ sagen, Kollege Rühe. Das muss man sehr sorgfältig diskutieren und darf es nicht isoliert in Bezug auf Afghanistan sehen. Die Verantwortung, die wir in Mazedonien übernommen haben, hat sich mitnichten erledigt. Dort steht noch einiges aus. Ich erinnere nur an die Wahlen im April. Auch die Amnestiefrage ist noch längst nicht geregelt. Wenn man darüber redet, was wir noch alles übernehmen wollen und können, dann muss man sich auch ernsthaft überlegen, ob die bisher übernommenen Aufgaben schon abgeschlossen sind. Von einer Lead-Funktion zur nächsten hüpfen, das kann es wahrlich nicht sein. ({6}) Das Mandat des Sicherheitsrats - das wurde schon gesagt - enthält zwei wichtige Elemente. Es betont die Eigenverantwortung Afghanistans ganz ausdrücklich und es besteht darauf, dass die internationale Gemeinschaft nur unterstützend tätig wird. Gleichzeitig ist es ein Mandat nach Kap. VII. Damit ist die Mission in der Lage, ihren Auftrag robust durchzusetzen. Herr Gehrcke, ich glaube nicht, dass Sie die Charta der Vereinten Nationen wirklich so schlecht kennen, dass Sie nicht wissen, was der Unterschied zwischen einem Mandat nach Kap. VI und einem Mandat nach Kap. VII ist. ({7}) Die Robustheit, die man braucht, um tatsächlich etwas durchzusetzen, hat man nur bei Maßnahmen nach Kap. VII. Es ist sicherlich kein Zufall, dass vieles, was jetzt auf den Weg gebracht wurde, durch die Vermittlung von Herrn Brahimi zustande kam. Er hat einen doppelten Erfahrungshintergrund. Er kennt sowohl die Fehlschläge in Afghanistan als auch die Fehlschläge der Missionen der Vereinten Nationen. Er war der Vorsitzende der so genannten Brahimi-Kommission und hat bei Kofi Annan seine Empfehlungen abgegeben, die ganz klar feststellen: Wir brauchen in einer Situation wie in Afghanistan robustere Mandate. Er hat jahrelang vergeblich versucht, in Afghanistan eine politische Lösung zu erreichen. Ohne die Mission „Enduring Freedom“ wären wir heute nicht an dem Punkt, an dem wir glücklicherweise stehen. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer wünscht sich nicht eine bessere Welt und idealere Bedingungen für den Einsatz? Nur: Es ist doch gerade die Aufgabe der Vereinten Nationen, in dieser Welt, so wie sie ist, dann tätig zu werden, wenn der Frieden gefährdet ist, außer Kraft gesetzt wurde oder bedroht ist. Noch nie - das ist hier schon mehrfach richtigerweise gesagt worden - barg ein Einsatz so viele Risiken wie dieser Afghanistan-Einsatz. Er ist nicht wirklich kalkulierbar. Es ist selbstverständlich, dass die Soldaten auf die Gegebenheiten im Lande sorgfältig vorbereitet werden müssen und dass sie so gut wie möglich ausgerüstet sein müssen. Letztlich bleibt für uns doch nur eines: Auf der Petersberger Konferenz wurde mit aller Skepsis, mit aller Umsicht und mit dem vollen Engagement das Beste zum Gelingen beigetragen. Das sollten wir jetzt auch mit der Mission in Afghanistan tun. Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat der Kollege Christian Schmidt, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Karl Feldmeyer schreibt heute in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu dem Thema, das wir diskutieren: Es ist eine der schwierigsten Entscheidungen, die das Parlament je treffen mußte - nicht nur wegen der Risiken der militärischen Mission, sondern wegen der fast völligen Unklarheit darüber, welche Konsequenzen sich aus dem Votum ergeben. Das Mandat, das der UN-Sicherheitsrat nach langem Ringen beschlossen hat, wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet. ({0}) Hiermit hat Karl Feldmeyer sicherlich Recht. Es fällt uns deswegen in keiner Weise leicht, diesem Mandat zuzustimmen. Wenn wir es tun, dann geschieht es aufgrund außenpolitischer Grundsatzüberlegungen und nicht, weil dieses Mandat in sich besonders überzeugend wäre. Fragen bestehen, die den Einsatz selbst betreffen. Die Planung eines solchen Einsatzes ist sicherlich sehr schwierig. Die Frage, welche Rolle man bei solch einem Mandat spielt - das Thema „Führungsnation - Ja oder Nein?“ wurde angesprochen -, kann nicht so beantwortet werden, dass man - ich erinnere daran, dass die Amerikaner, denen uneingeschränkte Solidarität zugesagt worden ist, die Bitte geäußert haben, sich in diesem Bereich besonders zu engagieren - in einem Wust von Missverständnissen, Diskussionen und Zurücknahmen vorheriger Aussagen verschwindet. Tatsache ist doch, dass die deutschen Soldaten zahlenmäßig einen durchaus beachtlichen Anteil stellen, obwohl Deutschland an der Konzeption und an der Umsetzung des Mandats keinen maßgeblichen Anteil hat. Woher kommt das? - Das kommt daher, dass man in der Außenpolitik und in der Sicherheitspolitik offensichtlich über kein - ich wiederhole das Wort, das der Kollege Irmer genannt hat - Gesamtkonzept verfügt. Gesamtkonzept heißt nicht, dass es eine Checkliste gibt, mithilfe derer man auf Jahre hinaus voraussagen kann, welche Dinge notwendig sind und welche nicht. Leitkonzept, Leitlinien, Gesamtkonzept, das heißt, dass man wissen muss, welche Interessen man hat, wo man sie einbringt, wie man sie umsetzt und wo man unabdingbar gefordert ist. Unbestritten sind wir hinsichtlich dieses Mandats außenpolitisch gefordert. Es handelt sich um eine Frage der Solidarität - ich habe das angesprochen -, wenn auch nicht in der Form, in der sie ursprünglich angefordert worden war. Es handelt sich aber auch um eine Frage des eigenen Interesses. Darüber werden wir schon noch einmal diskutieren müssen. Wenn die Zeit dazu heute nicht ausreicht, dann müssen wir das in Zukunft bei vielfältiger Gelegenheit tun. Es kann nicht sein, dass man sich nicht traut, den Begriff des nationalen und des europäischen Interesses in den Mund zu nehmen, um sich die Mehrheit in der eigenen Koalition zu erbetteln. ({1}) Es kann nicht sein, dass unter dem Diktat von Herrn Ströbele und den Grünen eine Zensur, eine Feststellung des politisch Korrekten vorgenommen wird, sodass es zu so einer bizarren Situation kommt, dass ein Bundeskanzler die Abstimmung über Dinge, die eigentlich selbstverständlich sind, mit der Vertrauensfrage verbinden muss. Dadurch ist im Ausland der Eindruck entstanden, Deutschland sei in einer Frage tief zerstritten, über die in Wahrheit - mit Ausnahme einiger weniger - ein großer und breiter Konsens besteht. ({2}) Das führt dazu, dass man Ausflüchte in Vorstellungen über die Lösung von Weltkonflikten sucht und diese Vorstellungen derart abheben, dass das, was man sagt, mit einem Gesamtkonzept im guten Sinne nichts mehr zu tun hat. So eine überhöhte Position habe ich neulich bei einem Dialog, den ein Kollege aus der SPD-Fraktion bei anderer Gelegenheit geführt hat, gespürt. Er sagte ziemlich wörtlich: Und die haben uns doch versprochen, es gäbe eine neue Weltsozialpolitik, und jetzt sind wir in Afghanistan. Ja, wer eine neue Weltsozialpolitik im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung erwartet, der wird mit Sicherheit enttäuscht werden. Wenn aber solche Kategorien eingeführt werden müssen, um Überzeugungen zu ändern und Zustimmung zu gewinnen, dann stimmt etwas nicht mit dem eigenen Bewusstsein bezüglich der Interessen, die man als Volksvertreter in diesem Hause für unser Volk auch artikulieren und vertreten muss. ({3}) Bei der Gelegenheit komme ich auf eine Frage zu sprechen, die heute und auch gestern bereits in den Ausschüssen eine Rolle gespielt hat, nämlich wie sich die Bundeswehr auf diesen Einsatz vorbereiten kann. Auch Kollegin Grießhaber hat es gerade noch einmal angesprochen. Ich stimme Ihnen zu, dass die Bundeswehr natürlich gut vorbereitet sein muss. Die Soldaten müssen die bestmögliche Ausrüstung - deswegen unsere Finanzierungsforderungen - und das bestmögliche Training erhalten. Das sind wir ihnen schuldig. Gleichzeitig heißt das allerdings auch, dass diejenigen, die Verantwortung tragen und für Entscheidungen geradestehen müssen, die Gelegenheit erhalten müssen, dies auch umsetzen zu können. Manchmal entsteht der Eindruck, der Deutsche Bundestag wäre eine Art Generalstab oder Führungskommando, wo über Einzelheiten solcher Einsätze diskutiert wird. So hört man, dass man nicht einmal ein Vorauskommando schicken dürfe, bevor der Bundestag entschieden hat. Ich glaube nicht, dass das Bundesverfassungsgericht mit der Parlamentsbeteiligung sozusagen eine Tätigkeitsblockade bis zu einer Entscheidung erzeugen wollte. Wir müssen über die Frage des Verfahrens und über die Frage des Inhalts der Parlamentsbeteiligung, womit im Wesentlichen ein Kontroll-, Ratifizierungs- und Rückholrecht, aber kein Gestaltungsrecht gemeint ist, sehr intensiv nachdenken. ({4}) Ich glaube, dass der entsendegesetzlose Zustand, den wir gegenwärtig haben, auf Dauer so nicht haltbar ist. ({5}) Ich will noch einen weiteren Punkt, der über diesen Einsatz und das militärische Engagement hinausgeht, ansprechen - Kollege Breuer hat das bereits im Hinblick auf die Beziehungen zu Großbritannien getan -: Das ist die große Zahl von Irritationen, die wir zwischenzeitlich haben. Der Kanzler, der seine Politik mit Überschriften gestaltet, unter denen dann aber nichts mehr folgt, erweckt den Eindruck, als wäre Deutschland aufgrund seiner Politik in der Welt besonders angesehen. Ein tieferer Blick zeigt, dass das nicht so ist. ({6}) Das, was der amerikanische Außenminister Rumsfeld in den letzten Wochen über deutsche Politiker, Angehörige der Bundesregierung, ({7}) - ja, Sie korrigieren mich, er hat über unseren Verteidigungsminister gesprochen und ist selber Verteidigungsminister - gesagt hat, macht es nicht einfacher. Es geht um die Tatsache, dass ein amerikanisches Regierungsmitglied faktisch ein deutsches Regierungsmitglied verhöhnt und der deutsche Bundeskanzler gar keine Möglichkeit hat, darauf zu reagieren. Diese Dinge können eine schwere Belastung darstellen. ({8}) Der britische Außenminister Jack Straw schreibt in einem Interview im „Independent“, das nicht widerrufen worden ist, dass die Italiener, die Spanier, die Kanadier und die Jordanier gemeinsam mit den Briten an der anfänglichen Platzierung in Afghanistan teilnehmen würden. Er gesteht zu, dass es mit Deutschland und auch mit Frankreich Schwierigkeiten gebe, insbesondere aufgrund der Weigerung Deutschlands, sich unter ein Kommando der Amerikaner zu begeben. Dabei schwingt viel mehr mit, als uns hier glauben gemacht werden soll. Bisher hatten wir berechtigterweise Kritik an der Bundesregierung geübt, dass sie das deutsch-französische Verhältnis verlottern lässt. Ich stelle fest, dass das deutsch-britische Verhältnis offensichtlich genauso verlottert zu sein scheint wie das deutsch-französische. ({9}) Wie könnte es denn ansonsten sein, dass die deutsche Einflussnahmemöglichkeit auf die Frage der Gestaltung des Mandats anscheinend nicht einmal so weit geht, über die Frage der regionalen Begrenzung und über die Frage des Umfangs wirklich mitreden zu können? Wie kann es denn ansonsten sein, dass Deutschland in der Frage, die auf dem Petersberg verhandelt worden ist, offensichtlich die europäische Komponente übersehen hat? ({10}) - Natürlich, das ist jetzt ein rein nationales Kommando. Das ist eine gewisse Retourkutsche für das, was auf dem Petersberg umgekehrt gewesen ist. So gestaltet man europäische Politik nicht. ({11}) - Herr Außenminister, das ist überhaupt nicht peinlich. Das ist peinlich für Sie, weil Sie einen Punkt lernen müssen. Dieser Punkt heißt: Nur wer in Europa den gemeinsamen Weg nicht nur sucht, sondern auch findet, gestaltet und finanziert, ({12}) wird auf gleicher Augenhöhe mit den USA reden und verhandeln können. ({13}) Wenn Sie es genau wissen wollen, sage ich Ihnen: Wer so tut, als ob die europäische Einsatztruppe, die die Europäer finanzieren wollen - Stichwort Headline Goals -, einsatzfähig wäre, faktisch aber festzustellen ist, dass außer einem Papiertiger nichts zustandegebracht worden ist, der nimmt Schaden für die europäische Entwicklung und die Unfähigkeit, Interessen zu vertreten, in Kauf. Die Lage ist sehr viel ernster, als wir dies in den allgemeinen Debatten der letzten Monate gehört haben. Ich appelliere an die Bundesregierung, hier ihre Politik zu ändern. Gemeinsam wünschen wir, dass die Soldaten, die, wie ich höre, nach Weihnachten - das ist gut so - den Christian Schmidt ({14}) Weg in ihren Einsatz finden müssen, wohlbehalten zurückkommen. Wir denken alle an sie. Wir denken auch an diejenigen, die für Nichtregierungsorganisationen tätig sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch folgende Bemerkung machen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nein, Kollege Schmidt. Diese Gelegenheit ist vorüber. Sie müssen zum Ende kommen.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich wollte an sich nur noch an die Shelter-NowLeute erinnern. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul das Wort.

Heidemarie Wieczorek-Zeul (Minister:in)

Politiker ID: 11002503

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor zehn Tagen in Afghanistan war, habe ich gespürt, welche Energie und welcher Mut zu einem Neuanfang bei den Menschen in diesem Land vorhanden ist, welcher Mut von ihnen ausgeht. ({0}) Mein Besuch in Afghanistan in der schwierigen Übergangsphase ({1}) vor der Bildung der Übergangsregierung sollte ein Zeichen der Solidarität und Unterstützung für die Menschen sein, ({2}) die so lange gelitten haben, die so lange auf uns gehofft haben und die so sehr auf uns hoffen. ({3}) Dieses Zeichen haben sie dankbar aufgenommen. Heute ist es in dieser Diskussion immer wieder so gewesen, dass unsere Gedanken und Wünsche zu denjenigen gehen, die die afghanische Übergangsregierung gebildet haben und die ihre sicher nicht leichten Ämter angetreten haben. Alle meine Gesprächspartner in Afghanistan, unter anderem Ministerpräsident Karsai und Innenminister Quanuni, haben im Gespräch mit mir deutlich gemacht, dass sie eine Zusammenarbeit, die langfristig auf die Friedenssicherung im Lande orientiert ist, verwirklichen wollen und dass sie einen wirklichen Neuanfang anstreben. „Der Frieden in Afghanistan ist in Deutschland geboren worden. Jetzt müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass das neugeborene Kind groß und stark wird.“ So hat es der neue Innenminister Quanuni mir gegenüber ausgedrückt. Dies lässt die große Hoffnung spüren, die auf uns gesetzt wird. Wir alle haben es in der Hand, dass die Menschen in Afghanistan lernen können: Frieden lohnt sich. Bisher haben sie in den letzten Jahrzehnten unter den Warlords nur gelernt, dass Gewalt sich lohnt. Sie haben jetzt die Chance, zu spüren, dass sich Frieden für sie und ihr Land lohnt. ({4}) Wenn wir eine gerechtere Weltordnung wollen, in der Menschenrechte Beachtung finden, die internationale Wertebasis Geltung hat und alle Menschen eine reelle Chance bekommen, ihr Leben und ihre Zukunft zu gestalten, dann ist das jetzt auch unsere Stunde. Die internationale Gemeinschaft muss in Afghanistan beweisen, dass es ihr ernst ist und dass sie ihrer Verantwortung gerecht wird. Wir dürfen nicht nur hinsehen - das ist natürlich notwendig zum Beispiel bei einer Bedrohung durch terroristische Netzwerke -, wenn uns selbst akute Gefahr droht. Wir dürfen nicht wegsehen, wenn Menschenrechte verletzt werden. Es muss ein Ende haben, dass solche Praktiken in der Welt passieren und die internationale Gemeinschaft sich davon abwendet. ({5}) Damit wir von der Koalition gegen den Terrorismus zu einer Koalition für Entwicklung finden - ({6}) - Herr Präsident, ich möchte an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen sagen: Dies ist eine Debatte, die auch viele Tausend Menschen in Afghanistan interessiert. Wir sollten sie daher in einer Weise und in einem Austausch führen, die deutlich machen, dass wir hier wechselseitig einander zuhören. ({7}) Ich wiederhole, was ich vorhin gesagt habe: Wenn wir eine gerechtere Weltordnung wollen, in der Menschenrechte Beachtung finden, die internationale Wertebasis Geltung hat und alle Menschen eine reelle Chance bekommen, ihr Leben und ihre Zukunft zu gestalten, dann ist das jetzt unsere Stunde. Wir dürfen nicht wegsehen. Damit wir von der Koalition gegen den Terrorismus zu einer Koalition für Entwicklung finden, ist das Mandat für die internationale Sicherheitstruppe klar von der Beteiligung an der Operation „Enduring Freedom“ getrennt. Es ist gut, dass das so verwirklicht worden ist. Die internationale Sicherheitstruppe sichert den politischen Friedensprozess in Afghanistan ab und damit auch den wirtschaftlichen Wiederaufbau und den wirtschaftlichen Friedensprozess, damit Rückschläge vermieden werden. Ich sage an die Adresse derjenigen, die diesen Antrag ablehnen wollen: Ohne eine solche Friedenstruppe wird auch die Chance des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und Christian Schmidt ({8}) die Chance für den Frieden verspielt. Deshalb fordere ich alle auf, diesem Antrag zuzustimmen. ({9}) Der Leiter des Weltentwicklungsprogramms der Vereinten Nationen Mark Malloch Brown hat nach seinem Afghanistanbesuch gesagt, das Land habe lange im Schatten der Weltöffentlichkeit gelegen. Jetzt habe Afghanistan die Chance, vielleicht 15 Minuten in der Sonne der internationalen Gemeinschaft zu stehen. Wir haben es mit in der Hand, dafür zu sorgen, dass kein neuer Schatten auf Afghanistan fällt und dass Afghanistan mehr als diese 15 Minuten Sonne der Weltgeschichte erhält. ({10}) Wir fangen jetzt erst an, die Grundsteine für den Frieden zu legen. Sie müssen sorgfältig und eng beieinander gelegt werden. Die Bundesregierung wird im nächsten Jahr 160 Millionen DM für den Wiederaufbau bereitstellen. Wir wollen von Anfang an tragfähige Strukturen im Bereich des Rechts aufbauen, mit der Verwaltung und der Sicherheit erarbeiten. So ist gestern bei der Brüsseler Konferenz der entsprechenden Geber sichergestellt worden, dass ein Interimsfonds gebildet wird, der die Arbeitsfähigkeit der neuen Regierung sichern soll; denn es ist wichtig, dass sie unabhängig ist und dass ihre Arbeit auch abgesichert wird. Es wird auch ein weiterer Fonds aufbereitet, aus dem die internationalen Geber die wichtigen Aufgaben finanzieren, zum Beispiel den Wiederaufbau der Schulen, sodass die Kinder - vor allen Dingen auch die Mädchen wieder die Chance haben, in die Schule gehen zu können. ({11}) Wir sind bereit, mit dazu beizutragen, dass in Afghanistan zivile Strukturen zur Kontrolle und Steuerung von Sicherheitskräften aufgebaut und entwickelt werden. Frauen sind das Rückgrat der Gesellschaft. Das Talibanregime hat versucht, dieses Rückgrat zu brechen. Das ist ihnen nicht gelungen. Viele Frauen kehren an ihre alten Arbeitsstätten in Kliniken und Schulen zurück und wollen ihr Leben in ihre eigene Hand nehmen. Sie haben die Beseitigung des Talibanregimes als wirkliche Befreiung erlebt. All diejenigen, die in dieser Frage immer Zweifel hatten, sollten zur Kenntnis nehmen - das möchte ich deutlich hervorheben -: Ohne die Aktionen gegen den Terrorismus wäre diese Befreiung nicht möglich gewesen. ({12}) Die Beteiligung der Frauen an der Petersberg-Konferenz ist dabei nur ein erster Schritt. Die Machtverhältnisse sind noch längst nicht verändert. Zwar werden die Schleier zum Teil abgelegt. Aber das bedeutet nur, dass darunter das erlittene Unrecht, die erlittenen Verletzungen sichtbar werden. Der Heilungsprozess wird noch lange dauern. Wir werden deshalb nicht nachlassen, auf die Beteiligung der Frauen und auf ihre Gleichberechtigung zu dringen. ({13}) Ich denke in dieser Stunde an die neue Gesundheitsministerin, an Frau Seddiqi, die ich zum Gespräch getroffen habe. Die Taliban hatten sie über Jahre aus ihrer ärztlichen Leitungsfunktion in einem Krankenhaus in Kabul verdrängt. Sie und alle Frauen in Afghanistan können sich auf unsere Unterstützung verlassen. ({14}) Ich denke in dieser Stunde an die Waisenkinder, die ich in der Aschiana-Schule in Kabul getroffen habe. Die Mädchen, die in ganz großer Zahl zum ersten Mal die Chance hatten, in die Schule zu kommen, wollen lernen. Wir tragen mit dazu bei, dass sie warme Kleidung, Tische und Bänke erhalten, dass sie, so wie es der Leiter der Schule ausgedrückt hat, als Kinder lernen, mit dem Bleistift und den Schulbüchern umzugehen - und nicht mit dem Gewehr. ({15}) Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. So können wir zu einem zivilen Aufbau beitragen und dazu, von der Verhetzung in den Koranschulen, die es in den Jahren zuvor gab, wegzukommen. Ich denke in dieser Stunde an die Menschen, die Antipersonenminen entschärfen, Antipersonenminen, die zusammen mit noch nicht explodierten Sprengsätzen das Land verseuchen. Wir wollen mit dazu beitragen, dass diese Minen und Sprengkörper beseitigt werden, damit die Landwirtschaft endlich wieder in Gang kommt, die Menschen ihre eigene Existenz sichern können und Kinder nicht mehr durch explodierende Minen zerfetzt werden. ({16}) Ich danke den internationalen Hilfsorganisationen, die in Afghanistan dafür sorgen - ich habe die Vertreter all dieser Organisationen getroffen -, dass die humanitäre Hilfe alle Regionen erreicht. Ich danke ganz besonders den Nichtregierungsorganisationen, zum Beispiel der Welthungerhilfe, die über Jahrzehnte in Afghanistan gearbeitet und den Menschen in Zeiten geholfen haben, in denen sich sonst niemand um sie gekümmert hat. Ihre Arbeit werden wir weiter unterstützen. Sie haben eine ganz wichtige Leistung für die dortigen Menschen erbracht. ({17}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute Morgen ist in unseren Zeitungen die Nachricht zu finden, dass weltweit 10 Millionen Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr an Hunger, an Unterernährung, an Krankheiten und Gewalt sterben. Dies ist auch der Tag zu sagen: Lassen Sie uns alle mit dazu beitragen, dass aus der Koalition zur Bekämpfung des Terrorismus auch eine Koalition zur Bekämpfung der weltweiten Armut wird, damit alle Kinder dieser Welt eine gute Zukunft haben! Ich danke Ihnen sehr. ({18})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als letztem Redner erteile ich dem Kollegen Hans-Christian Ströbele das Wort.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner vor Weihnachten stelle ich fest: Wir entscheiden hier heute nicht über die Beteiligung an einem Krieg, sondern wir entscheiden hier heute darüber, ob sich die Bundesrepublik Deutschland und somit die Bundeswehr an einem Einsatz beteiligt, der dem Frieden dienen soll und der helfen soll, die Chancen für einen dauerhaften Frieden zu sichern. ({0}) Ich gehöre zu denjenigen, die den Krieg in Afghanistan abgelehnt haben und ihn auch heute noch ablehnen. Durch die Ereignisse in Afghanistan auch in der gestrigen Nacht - dort sind durch Bombardierungen wahrscheinlich über 50 Menschen zu Tode gekommen - habe ich mich darin bestätigt gesehen. Das war kein „bring to justice“, das war eher ein Zerstören und Liquidieren. Ich kritisiere auch, dass die Engländer als eine der ehemaligen Kolonialmächte, als eine Macht, die in Afghanistan bereits zweimal Krieg geführt hat, die „leading nation“ sind. Ich erkenne auf der anderen Seite aber an, dass sich die Bundesregierung bemüht hat, zwischen dem Kriegskommando und dem Kommando für diese Friedensmission ganz streng zu trennen. Ich stelle fest, dass die Bundesregierung in diesen Bemühungen zwar erfolgreich gewesen ist, aber dass sie - das will ich nicht übersehen - nicht vollständig Erfolg gehabt hat; denn nach wie vor kann es, wenn es bei der Friedenssicherung zu schwierigen Situationen kommt, eine Zuständigkeit des US-Kommandos geben. All diese Überlegungen und die Überzeugung, dass wir, Teile dieses Hauses, nicht wollen, dass zur Sicherung wirtschaftlich wichtiger Ressourcen jemals Krieg geführt wird, auch nicht in Afghanistan, bringen viele von uns zu dem Ergebnis zu sagen: Wir können dem Einsatz nicht zustimmen. ({1}) Ich aber habe für mich, nachdem ich mir bis heute Morgen auch noch nicht ganz im Klaren darüber war, die Entscheidung gefällt: Die UNO hat dieses Abkommen maßgeblich ausgehandelt. Die UNO gibt und überwacht dieses Mandat. Und weil ich will, dass die UNO stark wird, dass sie in Zukunft in der Welt solche Konflikte regelt, dass sie die Einzige sein soll, die das Gewaltmonopol auf der Welt für sich in Anspruch nehmen kann, stimme ich diesem Einsatz hier heute zu. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aus- sprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa- che 14/7936 zu dem Antrag der Bundesregierung zur Be- teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutio- nen 1386, 1383 und 1378 des Sicherheitsrats der Verein- ten Nationen. Der Ausschuss empfiehlt, dem Antrag auf Drucksache 14/7930 zuzustimmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Zur Abstim- mung liegen schriftliche Erklärungen von insgesamt 17 Kolleginnen und Kollegen vor.1) Bei der Stimmabgabe bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, sorgfältig darauf zu achten, dass die Stimmkarten, die Sie verwenden, Ihren Namen tragen. Gleich anschließend an die namentliche Abstimmung findet eine Abstimmung über den Entschließungsantrag der CDU/CSU statt. Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ist alles zur Abstimmung bereit? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/7938. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und PDS abgelehnt. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. Ich wünsche all denjenigen, die jetzt fluchtartig das Haus verlassen, von Herzen ein frohes Weihnachtsfest. ({0}) ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift- führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung zur Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan bekannt: Abgegebene Stimmen 581. Mit Ja haben gestimmt 538, mit Nein haben gestimmt 35, Ent- haltungen 8. 1) Anlagen 2 bis 4 Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 581; davon ja: 538 nein: 35 enthalten: 8 Ja SPD Brigitte Adler Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({0}) Klaus Barthel ({1}) Wolfgang Behrendt Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({2}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Willi Brase Rainer Brinkmann ({3}) Bernhard Brinkmann ({4}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({5}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({6}) Gabriele Fograscher Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({7}) Harald Friese Anke Fuchs ({8}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({9}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({10}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Klaus Hasenfratz Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Reinhold Hiller ({11}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({12}) Walter Hoffmann ({13}) Iris Hoffmann ({14}) Frank Hofmann ({15}) Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Volker Jung ({16}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({17}) Detlev von Larcher Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({18}) Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dieter Maaß ({19}) Winfried Mante Dirk Manzewski Lothar Mark Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Jutta Müller ({20}) Christian Müller ({21}) Franz Müntefering Volker Neumann ({22}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Dr. Carola Reimann Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Christel RiemannHanewinckel Reinhold Robbe Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({23}) Birgit Roth ({24}) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer ({25}) Ulla Schmidt ({26}) Silvia Schmidt ({27}) Dagmar Schmidt ({28}) Wilhelm Schmidt ({29}) Dr. Frank Schmidt ({30}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({31}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({32}) Brigitte Schulte ({33}) Reinhard Schultz ({34}) Volkmar Schultz ({35}) Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({36}) Hans Georg Wagner Hedi Wegener Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({37}) Matthias Weisheit Gert Weisskirchen ({38}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Jürgen Wieczorek ({39}) Helmut Wieczorek ({40}) Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({41}) Brigitte Wimmer ({42}) Engelbert Wistuba Präsident Wolfgang Thierse Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff ({43}) Heidemarie Wright Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Jochen Borchert Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({44}) Hartmut Büttner ({45}) Dankward Buwitt Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({46}) Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({47}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Ingrid Fischbach Axel E. Fischer ({48}) Klaus Francke Dr. Gerhard Friedrich ({49}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({50}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Manfred Grund Horst Günther ({51}) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({52}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({53}) Hansgeorg Hauser ({54}) Helmut Heiderich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Hubert Hüppe Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Dr.-Ing. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({55}) Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({56}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({57}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erich Maaß ({58}) Erwin Marschewski ({59}) Dr. Martin Mayer ({60}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({61}) Elmar Müller ({62}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({63}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Christa Reichard ({64}) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({65}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Norbert Schindler Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({66}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({67}) Andreas Schmidt ({68}) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Gerhard Schulz Diethard Schütze ({69}) Clemens Schwalbe Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Thomas Strobl ({70}) Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß ({71}) Gerald Weiß ({72}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({73}) Hans-Otto Wilhelm ({74}) Klaus-Peter Willsch Bernd Wilz Werner Wittlich Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({75}) Volker Beck ({76}) Matthias Berninger Grietje Bettin Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({77}) Joseph Fischer ({78}) Katrin Göring-Eckardt Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske Oswald Metzger Kerstin Müller ({79}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Christine Scheel Albert Schmidt ({80}) Werner Schulz ({81}) Christian Sterzing Jürgen Trittin Dr. Antje Vollmer Präsident Wolfgang Thierse Die Beschlussempfehlung ist angenommen. ({82}) Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. All denen, die dageblieben sind, wünsche ich von Herzen frohe Weihnachten und einen heiteren und freundlichen Jahreswechsel. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 23. Januar 2002, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.