Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht das
erste Mal in der Nachkriegsgeschichte, dass die Völker
Europas aufgrund schwieriger Entwicklungen in der Welt
vor der Frage stehen: Brauchen wir zur Lösung der Probleme weniger oder brauchen wir mehr Europa? 1954
zum Beispiel hatte Jean Monnet, einer der europäischen
Gründerväter, angesichts des beginnenden Kalten Krieges
die Gründung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft angeregt. Er war davon überzeugt - übrigens darin kräftig unterstützt von den Vereinigten Staaten von
Amerika -, dass die neuen Herausforderungen nur mit einem Mehr an Europa bewältigt werden könnten. Wir wissen heute: Damals waren die Zeiten noch nicht danach.
Der Plan einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft
scheiterte an nationalstaatlichen Befindlichkeiten. Heute,
nach mehr als 40 Jahren gelungener europäischer Integration, sind wir erheblich weiter.
Die Antwort auf die jüngsten Herausforderungen durch
den internationalen Terrorismus, aber auch durch die
Entwicklung der Weltkonjunktur war nicht ein isoliertes
nationalstaatliches Handeln. Es ist vielmehr vor dem Rat
in Laeken Konsens in der Europäischen Union, dass die
Antwort auf die Herausforderungen ein Mehr an internationaler, vor allem aber an europäischer Zusammenarbeit
sein muss.
({0})
Nach den grausamen Anschlägen vom 11. September
hat sich unter dem Dach der Vereinten Nationen eine
handlungsfähige Allianz gegen den internationalen Terrorismus gebildet. Dies war nicht zuletzt ein Erfolg europäischer Bemühungen. Die Europäische Union und ihre
Mitgliedstaaten haben durch kluge Koordination ihrer
wirtschaftlichen, diplomatischen und militärischen Aktivitäten Wertvolles zum Aufbau und zur Stabilisierung der
Antiterrorallianz geleistet.
Durch den entschlossenen militärischen Einsatz der
Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten konnte das
menschenverachtende Taliban-Regime gestürzt werden.
Die Infrastruktur, über die das Terrornetz von Osama Bin
Laden in Afghanistan verfügte, ist weitgehend zerschlagen. Aber da konnte und wollte die Staatengemeinschaft
nicht stehen bleiben. Die Vereinten Nationen waren
es, die die Vertreter der wichtigsten Bevölkerungsgruppen Afghanistans zu einer Konferenz auf den Bonner
Petersberg eingeladen haben. Diese Konferenz ist mit einem wegweisenden Ergebnis zu Ende gegangen. Damit
hat das afghanische Volk nach zwei Jahrzehnten Krieg
und Bürgerkrieg wieder eine begründete Perspektive auf
ein Leben in Würde und Freiheit, auf ein Ende des
Hungers und auf wirtschaftlichen Wiederaufbau.
({1})
Diese Perspektive muss jetzt zügig und konsequent verwirklicht werden. Europa und natürlich auch Deutschland
werden diesen Prozess nach Kräften unterstützen.
Schon das Votum der Vereinten Nationen und der
afghanischen Repräsentanten für den Konferenzort
Petersberg war nicht nur ein Zeichen der Anerkennung
des deutschen und europäischen Engagements - so verstehen wir es -, sondern auch Verpflichtung und Auftrag.
Deshalb ist die Bundesregierung bereit, dass sich
Deutschland im europäischen Rahmen auf der Grundlage
eines klaren Mandats durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen an einer multinationalen Friedenstruppe
beteiligen wird. Dabei gehört unmittelbar zu unserem
politischen Selbstverständnis, dass wir über das zukünftige Engagement in Afghanistan im Rahmen der Europäischen Union Einigkeit erzielen. Ich bin sicher, dass der
Gipfel von Laeken dies leisten wird.
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Die Vereinten Nationen - ich denke, das gehört festgestellt - haben im Kampf gegen den Terrorismus in beeindruckender Weise Verantwortung bewiesen und Führung
übernommen. Der Friedensnobelpreis, den Kofi Annan
am vergangenen Montag für sich und für die Weltorganisation entgegengenommen hat, ist ein großartiger Ausdruck der Wertschätzung und der Unterstützung durch die
internationale Gemeinschaft. Ich denke, alle Mitglieder
dieses Hohen Hauses werden sich dem mit Dank und Anerkennung anschließen.
({2})
Die Stärkung der Vereinten Nationen ist ein elementares
Interesse der gemeinsamen europäischen Außenpolitik,
und zwar nicht nur im Kampf gegen den internationalen
Terrorismus, der noch längst nicht zu Ende ist, sondern
auch für die Lösung anderer Konflikte.
Wir werden in Laeken unsere große Besorgnis über die
Eskalation der Gewalt im Nahen Osten deutlich machen.
Die europäischen Außenminister haben die gemeinsame
europäische Position beschlossen: Das Recht Israels, in
Frieden und in Sicherheit zu leben, muss ebenso Grundlage jeder Konfliktlösung sein wie das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und auf Bildung
eines eigenen Staates.
({3})
Klar ist für uns Deutsche: Das Existenzrecht Israels ist
nicht verhandelbar. Es ist und bleibt unveräußerliche
Grundlage deutscher Politik.
({4})
Eine weitere Eskalation der Gewalt im Nahen Osten
führt weder zu mehr Sicherheit noch zu größeren Aussichten, zu einer gerechten Lösung dieses Konfliktes zu
kommen. Eine Duldung oder auch nur die halbherzige
Verfolgung terroristischer Attentäter gefährdet den gesamten Friedensprozess.
({5})
Präsident Arafat und die palästinensische Autonomiebehörde müssen deshalb jetzt nicht nur der Eskalation der
Gewalt Einhalt gebieten. Sie müssen vielmehr die Terrorstrukturen, die es dort gibt, vollständig auflösen. Der Gewalt
der Kontrahenten werden wir mit noch intensiveren
Bemühungen begegnen, um zu einem Ende der Gewalt und
der Rückkehr zu einem Prozess des gerechten Verhandlungsfriedens beizutragen. Wir, die Deutschen, tun dies im
Rahmen der Europäischen Union. Wir tun dies gemeinsam
mit den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch gemeinsam mit anderen internationalen Partnern. So gehört
etwa Russland in diese Bemühungen unbedingt einbezogen.
In den letzten Wochen ist gelegentlich die Befürchtung
geäußert worden, dass wir gerade in der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik zusehends in eine Konfrontation zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten
hineingerieten.
({6})
Sogar die Sorge vor einer Renationalisierung der Außenpolitik ist zum Ausdruck gebracht worden. Ich möchte
ganz klar machen: Die Bundesregierung teilt solche Befürchtungen nicht und sie sieht auch keinen Grund für solche Befürchtungen. Gewiss gibt es in der Europäischen
Union Unterschiede. So hätten manche die europäische
Afghanistanpolitik lieber stärker eingegrenzt und etwa
das Militärische als Ultima Ratio ganz ausgegrenzt. Das
hat aber nichts mit großen oder kleinen Mitgliedstaaten zu
tun, sondern eher mit Gleichzeitigkeit im Ungleichzeitigen. Manchen Mitgliedstaaten fällt es aufgrund ihrer nationalen Traditionen schwerer, Außenpolitik als europäische Außenpolitik auch über Europa hinaus zu denken.
Das ist nicht zu kritisieren. Im Gegenteil: Ich halte die Besonnenheit und die Ernsthaftigkeit, mit denen in europäischen Gesellschaften über die Antwort der Staatengemeinschaft auf den internationalen Terrorismus diskutiert
worden ist, für ein erfreuliches Zeichen, ein Zeichen
zivilisatorischen Fortschritts.
({7})
Tatsache ist, dass wir in der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik auch über Defizite reden müssen, die es
unbezweifelbar gibt. Aber auch hier heißt die Antwort:
nicht weniger, sondern mehr Europa. Seit der Zeitenwende von 1989, deutlich spürbar seit unserem Engagement im Kosovo-Konflikt und wirklich mit Händen zu
greifen seit dem 11. September, werden uns Deutschen die
veränderten Bedingungen in der Außen- und Sicherheitspolitik und auch unsere gewachsene internationale Verantwortung zunehmend bewusst. Diese gewachsene internationale Verantwortung können und wollen wir nicht
aus dem europäischen Kontext herauslösen.
Vor allem vor dem Hintergrund der Kriege in Bosnien
und im Kosovo hatten wir unter deutscher Präsidentschaft
in Köln einen Fahrplan für die Ausgestaltung einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik verabschiedet. Dabei galt die Devise - sie
gilt noch -, dass die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik eben keine Alternative zur NATO darstellt,
sondern eine Stärkung und Ergänzung der NATO bedeutet. Auch insofern erfüllen wir in gewisser Weise das bereits zitierte Vermächtnis Jean Monnets. Wir werden in
Laeken in der Lage sein - das sollte man ruhig als Erfolg
für Europa hervorheben -, die Einsatzfähigkeit dessen,
was Europa darstellt, zu konstatieren. Damit haben wir
erste, wenn auch noch keineswegs vollständige europäische Fähigkeiten zur Krisenreaktion.
Mehr Europa - das heißt nicht allein mehr Quantität,
sondern auch mehr Qualität, will sagen: mehr Antriebskraft. Deutschland und Frankreich haben in Nantes am
22. November durch ihre Erklärung zu den europapolitischen Prioritäten gezeigt, dass sich unsere beiden Länder
auch weiterhin der Verantwortung stellen, Motor der europäischen Integration, aber eben auch Motor der europäischen Modernisierung zu sein.
({8})
Wir wissen, dass Sicherheit in der heutigen Welt nicht
mehr teilbar ist. Auf keinen Fall wird es in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gelingen, ohne gemeinsames
Vorgehen mit den europäischen Partnern innere Sicherheit
für seine Bürgerinnen und Bürger herzustellen. Frankreich
und Deutschland haben in diesem Sinne Prioritäten gesetzt:
die Schaffung einer gemeinsamen Grenzpolizei, die Stärkung von Europol, die Verbesserung der justiziellen
Zusammenarbeit, die Einbeziehung der Terrorismusbekämpfung in die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die europäische Verfassung als Basis einer demokratischen, effizienten und transparenten Union.
Am 21. September haben wir in Brüssel einen umfangreichen Aktionsplan gegen den Terrorismus verabschiedet. Wir werden in Laeken eine eindeutig positive
Umsetzungsbilanz liefern können. Die Harmonisierung
der Terrorismusstraftatbestände sowie die Richtlinie zum
Kampf gegen die Geldwäsche sind nur zwei wichtige Beispiele, die ich nennen will, um zu beschreiben, was erfolgreich auf den Weg gebracht worden ist.
Der für die Terrorbekämpfung so wichtige europäische
Haftbefehl konnte bisher leider noch nicht beschlossen
werden.
({9})
Wir werden ihn in Laeken beschließen. Es sieht so aus, als
ob inzwischen auch die italienische Regierung die Notwendigkeit eines solchen europäischen Haftbefehls eingesehen hat.
Motor der Integration und der Modernisierung zu sein
heißt auch, die Stärken des gemeinsamen Europa im internationalen Wettbewerb zur Geltung zu bringen. Wir haben den weltweit größten Binnenmarkt, dessen Wachstums- und Beschäftigungspotenziale mit der Einführung
der gemeinsamen Währung im Jahre 1999 weiter gestiegen sind. Bereits im Vorfeld zur Währungsunion hat
der Euro ganz unbezweifelbar zur Schaffung verbesserter
gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen beigetragen. Zinsen, öffentliche Defizite und staatliche Verschuldung sind gesunken. Das, meine Damen und Herren, sind
für jedermann nachvollziehbare Vorteile der Integration.
Wir wollen Europa als einen Wirtschaftsraum der Innovation, des Wachstums und der technologischen Revolution entwickeln,
({10})
so wie wir es im vergangenen Jahr in Portugal beschlossen haben. Damit muss es Europa genauso ernst sein wie
mit den übrigen Fragen.
({11})
Wir werden diese Vorgaben erfüllen. So stolz wir in Europa darauf sind, kulturell und philosophisch der alte
Kontinent zu sein, so ehrgeizig setzen wir auf unsere
Kreativität, auf unsere Leistungsfähigkeit und auf unsere
Leistungskraft, um gemeinsam das, was man die neueste
Welt nennen könnte, zu gestalten.
({12})
Wir haben deshalb nicht nur, aber eben auch aus ökonomischen Gründen daran zu arbeiten, wie sich Europa in
der Welt behauptet. Die innere Verfasstheit Europas muss
auch das Modell zum Ausdruck bringen, das Europa im
Wettbewerb mit anderen Regionen zur Geltung bringen
kann. Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass wir
immer wieder deutlich machen, dass Europa nicht nur ein
Markt, sondern auch ein Kultur- und ein Sozialmodell ist:
({13})
ein Modell der Teilhabe und damit der Chancengerechtigkeit und des geteilten Wohlstands.
Meine Damen und Herren, wir haben in Tampere beschlossen, Europa zu einem Raum der Sicherheit, der
Freiheit und des Rechts zu machen. Auch hier muss gelten: Sicherheit, Recht und Freiheit bekommen wir nicht
durch weniger, sondern nur durch mehr Europa.
({14})
Natürlich muss mehr Europa mehr Transparenz, nicht
etwa mehr Bürokratie bedeuten. Aber ich warne ausdrücklich davor, die Idee eines sich weiter einigenden Europas auf einzelne Fehlentscheidungen in Brüssel, die es
immer wieder gibt, zu reduzieren.
Mit den Berliner Beschlüssen zur Finanzierung der Europäischen Union bis 2006 und mit dem Vertrag von Nizza hat die Europäische Union den Weg für die Erweiterung frei gemacht. Auch hier gilt mehr Europa nicht allein
in quantitativer Hinsicht. Die Erweiterung der Europäischen Union ist nicht nur historisch und kulturell ohne
Alternative, sie ist vielmehr im unmittelbaren Interesse
der Gemeinschaft der 15 und damit auch im unmittelbaren Interesse Deutschlands.
Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Europa,
das für mehr Bürger besser verständlich ist. Die Menschen
müssen wissen, wo, wie und warum die Europäische
Union ihr tägliches Leben beeinflusst. Vor allem müssen
sie bei jedem Schritt überzeugt sein - das bedeutet: überzeugt werden -, dass die europäische Lösung die für sie
bessere Lösung ist. Sie wollen - das entspricht klaren demokratischen Grundsätzen - nachvollziehen können, wer
für welche Entscheidungen die Verantwortung trägt.
Dabei geht es vor allem um mehr Effizienz sowie darum, die Europäische Union auch nach vollzogener Erweiterung politisch führbar zu halten. Es geht um eine
klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der europäischen Ebene und den Mitgliedstaaten. Was von den
Mitgliedstaaten besser, sachgerechter und bürgernäher
geleistet werden kann, muss in ihrer Zuständigkeit geleistet werden. Wir müssen also das Verhältnis der Institutionen neu austarieren.
Hier wünsche ich mir eine Kommission, die eine starke
Exekutive darstellt, und ein Europäisches Parlament, das
in seinen Rechten - auch in Haushaltsfragen - deutlich
gestärkt wird.
({15})
Die nationalen Parlamente müssen einen herausgehobenen Platz im Gefüge der europäischen Institutionen bekommen, etwa bei der Kontrolle der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Der Rat schließlich
sollte, wo er legislativ tätig ist, zu einer zweiten Kammer
werden. Wir wollen eine Übernahme der Europäischen
Grundrechte-Charta in die europäischen Verträge, was die
Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den europäischen Institutionen spürbar stärkte.
({16})
In der Summe machen diese Fragen den Kern einer
europäischen Verfassung aus, ob man dies nun so oder
vor dem Hintergrund bestimmter nationaler Verfassungstraditionen lieber anders nennt. Auch hier erinnere ich
gern noch einmal an Jean Monnet, der bereits in den 50erJahren einen ersten Entwurf einer europäischen Verfassung vorgelegt hat. Wir beharren nicht darauf, dass das
Ergebnis den Namen Verfassung trägt, aber wir sind entschlossen, einen Vertrag mit auf den Weg zu bringen, der
alle Elemente einer solchen Verfassung enthält.
Damit und mit anderem wird sich der Konvent befassen, den wir in Laeken installieren werden. Dieser Konvent hat die Aufgabe, die notwendigen Reformen auszuarbeiten. Dabei werden die Vertreter der Parlamente in
neuartiger Weise in den Reformprozess eingebunden.
Wichtig und richtig ist, dass die Beitrittsländer im Konvent vertreten sind, denn dort wird auch über ihre Zukunft
diskutiert.
Meine Damen und Herren, die belgische Präsidentschaft hat sich für den Rat in Laeken ehrgeizige, aber, wie
wir glauben, für Europa notwendige Ziele gesetzt. Bei der
Umsetzung dieser Ziele kann sich die belgische Präsidentschaft auf die Unterstützung der Bundesregierung
voll verlassen.
Die Fortentwicklung der europäischen Integration ist
ein historisches Projekt. An dessen Ende - dessen bin ich
sicher - werden mehr Demokratie, mehr Teilhabe und
noch mehr europäische Verständigung stehen.
({17})
Wir sollten es sehr dankbar als einen großen Fortschritt in
unserer Geschichte begreifen, dass sich Europa einmal
ohne Fanfaren und Trompeten, also vor allem ohne
Schlachtenlärm, einigt.
({18})
Aber wir hoffen, dass wir in Laeken auch zum Ausdruck
bringen können, dass Europa die Menschen begeistert und
dass sie sich aus diesem Grunde für ein einiges Europa
einsetzen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({19})
Ich eröffne
die Aussprache. Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Dr. Wolfgang Schäuble das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeskanzler hat seine mit dem bei ihm üblichen Engagement
für europäische Fragen vorgetragene Regierungserklärung
({0})
zum Europäischen Rat in Laeken mit der Frage eingeleitet: Brauchen wir zur Lösung der Probleme weniger oder
brauchen wir mehr Europa?
Wir stimmen darin überein, Herr Bundeskanzler:
Wir brauchen mehr Europa. Wir stimmen aber nicht darin
überein, dass wir nach den Erfahrungen des 11. September nun mehr Europa erlebt haben. Wir haben das Gegenteil erlebt. Das beschreibt die Notwendigkeit, ein stärkeres, handlungsfähigeres Europa zu schaffen, aber es
beschreibt eben auch, wie weit wir davon entfernt sind. Es
ist falsch, wenn man in Regierungserklärungen den Eindruck erweckt, als hätten wir diese Probleme nicht, oder
darüber hinwegredet.
({1})
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen war innerhalb weniger Stunden zu unvergleichlich mehr Klarheit
und Entschiedenheit seiner Beschlussfassung in der Lage
als die Staats- und Regierungschefs der Europäischen
Union in Tagen und Wochen. Das ist zwar für die Vereinten Nationen erfreulich, aber für die Europäische Union
alles andere als ein Ruhmesblatt.
Es zeigt sich, dass das, was mit der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf den Weg gebracht
wurde, eben viel zu langsam vonstatten geht. Vor allem
zeigt sich, dass hehre Erklärungen bei Europäischen Räten nicht ausreichen, sondern dass das, was dort vereinbart wird, in der nationalen Politik und vor allen Dingen
in der nationalen Haushaltspolitik umgesetzt werden
muss. Genau dies aber hat bisher nicht stattgefunden.
({2})
Herr Bundeskanzler, ich habe Sie in einem internen
Gespräch am Freitag darauf hingewiesen, dass die Europäische Union bei der Afghanistan-Konferenz auf dem
Petersberg gar nicht anwesend war, obwohl es genügend
Beauftragte für alle möglichen Formen von Außen- und
Sicherheitspolitik gibt. Niemand kann wohl im Ernst behaupten: Europäische Gemeinsamkeit hat sich dadurch
gezeigt, dass Deutschland Gastgeber war. - Gemessen an
dem, was wir brauchen, ist das möglicherweise etwas zu
wenig.
Es ist wichtig - auch darin stimmen wir überein -, dass
die Vereinten Nationen eine größere Rolle spielen. Diese
Übereinstimmung gehört zu den erfreulicheren Erfahrungen seit dem 11. September. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gesagt, es liege im europäischen
Interesse, dass sich die weitere Entwicklung in Afghanistan möglichst im Rahmen der Vereinten Nationen vollzieht. Auch das unterstützen wir.
({3})
Wir unterstützen ebenfalls Ihre Position im Hinblick
auf den Nahen Osten, auf die Konfliktparteien und auf das
Lebensrecht von Israel. Aber ich füge hinzu: Wir sind der
Meinung, dass die Verantwortlichen Israels gut beraten
wären, stärker auf die Vereinten Nationen zu hören und
ihren Resolutionen zu folgen. Wir werden keine Lösung
der Probleme im Nahen Osten erzielen, wenn auf die
Stimme der Vereinten Nationen - das gilt auch im Hinblick auf die Siedlungspolitik - nicht stärker Rücksicht
genommen wird. Zu einem freundschaftlichen Verhältnis
gehört es auch zu mahnen. Frieden gibt es nur, wenn beide
Seiten - sowohl die Palästinenser als auch die Israelis ihren Beitrag leisten. So wie bisher kann es nicht weitergehen.
({4})
Der Vertreter des Auswärtigen Amtes hat heute Morgen
im Auswärtigen Ausschuss gesagt, der wichtigste Punkt
beim Europäischen Rat in Laeken sei die Zukunft Europas. Herr Bundeskanzler, dazu haben Sie in Ihrer Regierungserklärung herzlich wenig gesagt. Man kann das
nicht mit Leerformeln überdecken. Es hilft auch nichts zu
behaupten: Europa ist ein Modell, und zwar nicht nur ein
Wirtschaftsmodell, sondern auch ein Sozial- und Kulturmodell. - Das alles ist richtig und notwendig. Aber
durch die Entscheidungen, die der Europäische Rat in Laeken auf den Weg bringt, muss die Debatte über eine
europäische Verfassung, die in Nizza eingeleitet worden
ist, einen kräftigen, der historischen Weichenstellung entsprechenden Schritt vorankommen. Dazu müssen die Beteiligten ihre Vorstellungen auf den Tisch legen, damit es
zu einer öffentlichen Debatte kommt. Wir werden die
Menschen in Europa für den europäischen Prozess nicht
gewinnen, wenn es uns nicht gelingt, Alternativen zu entwickeln und zu erklären, warum wir uns für Lösungsvorstellungen, für Ordnungskonzepte und für Modelle einsetzen, die Nation und Europa in einer richtigen Weise
verbinden.
({5})
Im Entwurf einer Erklärung von Laeken der belgischen
Präsidentschaft steht als Überschrift: „Europa am Scheideweg“. Das beschreibt die historische Dimension, um die
es in den nächsten Tagen und auch dann in dem Konvent,
der in Laeken eingesetzt werden soll, wirklich geht, sehr
viel realistischer als Ihre Regierungserklärung. Es geht
um eine historische Entscheidung. Im Entwurf der belgischen Präsidentschaft ist sehr präzise beschrieben - von
Ihrer Regierung hört man das nie in vergleichbarer Klarheit -, dass wir auf der einen Seite mehr Europa brauchen,
dass wir in der Außen- und Sicherheitspolitik deutlich
zurückliegen und dass wir auf der anderen Seite - ich zitiere aus diesem Dokument - „... eine Kluft zwischen den
Bürgern und den europäischen Organen haben. Es ist
nicht so, dass der Bürger nicht mehr hinter den großen
Zielen der Union steht. Doch er sieht keinen Zusammenhang mehr zwischen diesen Zielen und dem täglichen Erscheinungsbild der Union.“
Dabei geht es nicht nur um die eine oder andere Fehlentscheidung; vielmehr mangelt es an einer grundlegenden Ordnung in den europäischen Strukturen und in den
europäischen Entscheidungsprozessen. In dieser Hinsicht
Abhilfe zu schaffen, das - nicht mehr und nicht weniger muss jetzt geleistet werden.
({6})
Europa muss demokratischer, transparenter und effizienter werden.
Ich zitiere noch einmal aus dem bemerkenswerten Entwurf der belgischen Präsidentschaft - einer Regierung unterstellt man eher als einer Opposition, verantwortlich zu
handeln -:
Der Bürger verlangt einen deutlichen, transparenten,
wirksamen, demokratisch gesteuerten gemeinsamen
Ansatz, einen Ansatz, der Europa zu einem Leuchtfeuer wachsen lässt, das für die Zukunft der Welt
richtungweisend sein kann. Es steht außer Frage,
dass Europa sich dazu gründlich reformieren, regenerieren, sozusagen neu erfinden muss.
Ich hätte, Herr Bundeskanzler, in Ihrer Regierungserklärung gerne Worte von ähnlicher Klarheit und Entschiedenheit gehört.
({7})
Ich will einen Punkt hinzufügen. Wir sind in den Debatten über die Frage, wie man die Balance zwischen den
Mitgliedstaaten, den Nationalstaaten in Europa, und einer
handlungsfähigen, effizienten demokratisch legitimierten Europäischen Union gestalten kann, weiter als es in
Ihrer Regierungserklärung zum Ausdruck kommt. Wir haben darüber intensivere Debatten geführt. CDU und CSU
haben in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe - wenn ich es
richtig sehe, Herr Staatsminister Bocklet, haben wir das
gemeinsam in guter Zusammenarbeit gemacht - einen
Entwurf erarbeitet, in dem dargestellt wird, wie man das
sehr konkret voneinander abgrenzen und miteinander verbinden kann.
Wir haben auch in der Familie der Europäischen Volksparteien - das sind alles Parteien der bürgerlichen Mitte,
die übrigens im Europäischen Parlament mit großem Abstand die stärkste Fraktion sind - einen gemeinsamen Entwurf vorgelegt, der zeigt, wie man Europa im Sinne des
Dokuments der belgischen Präsidentschaft im Rahmen
dieser Verfassungsdebatte ein Stück weit neu erfinden
kann.
Die entscheidende Frage ist letzten Endes - ich will
nicht auf die Einzelheiten eingehen, um mich nicht in Details zu verlieren -, ob europäische Entscheidungen auch
in Zukunft im Wesentlichen durch nationale Regierungen
getroffen werden oder ob wir zu dem Schritt bereit sind,
dass europäische Entscheidungen von europäischen
Institutionen getroffen werden. Das setzt aber voraus,
dass diese europäischen Institutionen eine eigene unmittelbare demokratische Legitimation haben. Die Vermischung, bei der letzten Endes alles von allen irgendwie
mit gestaltet wird, führt zu diesem Mischmasch, bei dem
die Bürger nicht mehr erkennen, wer in Europa eigentlich
welche Entscheidung verantwortet. Wenn nicht mehr erkannt wird, wer etwas verantwortet, ist für jede Bürokratie die Versuchung groß zu sagen: Unangenehme Dinge
lassen wir lieber in Brüssel entscheiden, dann tragen wir
keine Verantwortung dafür und setzen sie vielleicht auch
leichter durch, weil dort der Widerstand geringer ist. - Am
Ende verlieren wir so die Unterstützung und die Einsicht
der Bürger auf diesem notwendigen europäischen Weg.
Deswegen müssen wir diese Entscheidung treffen.
Der Außenminister hat gelegentlich vorgetragen, er sei
der Auffassung, dass auch in Zukunft die parlamentarische Legitimation durch eine Kombination von Europäischem Parlament und nationalen Parlamenten gewährleistet sein und die Exekutive durch eine Kombination von
Europäischer Kommission und nationalen Regierungen
erfolgen muss. Unser Konzept ist das Gegenteil. Unser
Konzept besagt, dass also wir es trennen müssen, dass gesetzgeberische Entscheidungen auf nationaler Ebene von
den nationalen Parlamenten getroffen werden müssen und
gesetzgeberische Entscheidungen auf europäischer Ebene
vom Europäischen Parlament und einer zweiten Kammer,
von der wir glauben, dass hier eine Vertretung der nationalen Regierungen richtiger ist als eine Vertretung der nationalen Parlamente. Aber über das Detail kann man streiten.
Auch die Exekutivfunktionen muss man deutlicher
trennen. Natürlich wird es etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik für eine längere Zeit noch Bereiche geben, in denen die verschiedenen Regierungen gemeinsam
handeln. Dafür sind die Mechanismen der intergouvernementalen Zusammenarbeit, die wir in der Außen- und
Sicherheitspolitik in weiten Feldern haben, ohnedies geeignet. Dennoch finde ich, dass wir seit dem 11. September intensiver darüber debattieren sollten, ob es nicht richtig wäre, das, was Sie auf dem Gipfel in Helsinki als ein
europäisches Element von Sicherheits- und Verteidigungspolitik bezeichnet haben, in mittelfristiger Perspektive im Rahmen der NATO in europäische Zuständigkeit
zu überführen. Wir sollten darüber debattieren, ob das
nicht sehr viel besser wäre, als wenn wir bei jeder Entscheidung, die wir in Zukunft treffen, die Zustimmung
von heute 15 und demnächst 25 Mitgliedstaaten und damit im Zweifel - jedenfalls wenn wir unsere Verfassungslage auf andere Mitgliedstaaten übertragen - auch die von
25 nationalen Parlamenten einholen müssen. Wer integriertes Handeln will, muss auch bereit sein, die Zuständigkeit und die Legitimation von entsprechenden Entscheidungen auf die europäische, auf die integrierte
Ebene zu übertragen.
({8})
Aber dies setzt dann notwendig voraus, dass wir in der
Abgrenzung der Zuständigkeiten klarere Regelungen treffen. Deswegen ist die Frage der Kompetenzverteilung in
Europa kein spezifisches Thema deutscher Perfektionisten. Es ist auch nicht eine beliebige Frage. Diese Frage ist
zentral, weil im demokratischen Rechtsstaat die Klärung
der Zuständigkeiten die Grundvoraussetzung für jede demokratisch legitimierte Entscheidung ist. Es geht darum,
wer was entscheidet. Ehe wir dies nicht regeln, werden
wir bei den institutionellen Reformen nicht zu einer wirklichen Veränderung kommen.
({9})
Ich bin jedes Mal ziemlich erschüttert, wenn von manchen, die in Europa sehr engagiert sind - bis hin zu Mitgliedern der Kommission -, gesagt wird: Wir möchten
nicht, dass die Kommission von der Mehrheit des Europäischen Parlaments abhängig ist. Sie soll nicht vom Europäischen Parlament gewählt werden; denn wenn das der
Fall wäre, wäre sie nicht mehr unabhängig. - Die Vorstellung, dass wir in der Demokratie einer Institution, die
nicht demokratisch gewählt wurde, Exekutivbefugnisse
übertragen, ist ahistorisch. Vielleicht war das im 18. Jahrhundert ganz effizient. Heutzutage muss man sich aber
dem Risiko der Demokratie aussetzen; man muss gewählt
werden. Gelegentlich verliert man Wahlen, beim nächsten
Mal gewinnt man sie wieder. Das ist die Kernfrage.
({10})
Im Übrigen werden Sie keine starke Kommission zustande bringen, wenn Sie nicht bereit sind, sie von der
Mehrheit im Parlament abhängig zu machen,
({11})
es sei denn - das hat der Außenminister vorgeschlagen -,
der Kommissionspräsident würde durch eine europäische
Volksabstimmung direkt gewählt werden. Dies könnte
man tun.
({12})
Das halte ich allerdings für wenig realistisch. Eine nicht
demokratisch gewählte Kommission kann nicht das eigentliche Exekutivorgan in Europa sein. Die eigentliche
Macht würde dann bei den nationalen Regierungen liegen. Das ist nicht unsere Vorstellung von Europa; sie entspricht nicht der historischen Aufgabenstellung.
Ich habe gesagt, dass der Außenminister eine andere
Vorstellung hat, über die man vertieft diskutieren muss.
Von der SPD kenne ich gar keine Vorstellungen. Ich habe
mir die Beschlüsse Ihres Parteitages ziemlich genau
durchgelesen. Alles, was gut und schön ist in Europa,
steht im europapolitischen Programm. Eine Antwort auf
konkrete Fragen wurde aber nicht gegeben. Nach dieser
Regierungserklärung weiß ich so wenig wie vorher, welche Konzeption die Regierung hat.
({13})
- Ich habe gut zugehört, ich konnte sogar den schriftlichen
Text, an den sich der Bundeskanzler sehr genau gehalten
hat - dass mir der Text zur Verfügung gestellt wurde, war
sehr liebenswürdig -, mitlesen. Ich gebe Ihnen diesen
gerne; Sie können es überprüfen.
({14})
Sie sagen mir dann, welche konkreten Vorstellungen diese
Regierung hat.
Herr Schmidt, weil Sie diesen Zwischenruf gemacht
haben, will ich Ihnen eine zweite Bemerkung nicht ersparen: Die Schwäche der Regierung liegt nicht nur an einem
mangelnden Konzept, sondern sie liegt natürlich auch
darin, dass sie in Europa keine politische Kraft hat.
({15})
Was Sie zum Motor der deutsch-französischen Zusammenarbeit in Europa gesagt haben, ist in der Sache zwar
richtig, aber die Wirklichkeit, die wir erleben, ist das genaue Gegenteil. Vor, während und nach Nizza hat es jeder
in Europa genauso empfunden und kritisiert. Das ist die
Realität.
({16})
Der andere Punkt ist: Sie werden doch nicht im Ernst
glauben, dass die Bundesrepublik Deutschland die ihr zukommende Rolle in dieser schwierigen europäischen Debatte spielen kann, wenn Deutschland gleichzeitig das eigentliche wirtschaftliche Risiko in Europa ist. In der
wirtschaftlichen Entwicklung Europas sind wir Schlusslicht. Wir sind nahe dran, von der Kommission einen
blauen Brief wegen der Nichteinhaltung der Daten des
Stabilitätspaktes zu erhalten. Wenn man eine so verfehlte
Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik betreibt, ist man
natürlich nicht in der Lage, seiner Verantwortung für den
Fortschritt der europäischen Einigung gerecht zu werden.
({17})
Ich will an dieser Stelle einen Punkt noch hinzufügen
- morgen werden wir, wenn ich es richtig sehe, über die
wirtschaftliche Lage in Deutschland debattieren -: Es
geht um die Verfassungsfragen, also auch um die Frage:
Was regeln wir europäisch und was regeln wir in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten? Ich glaube, es wäre richtig - das Elend der wirtschaftlichen Entwicklung in
Deutschland unter der rot-grünen Regierung belegt es von
Neuem -, unsere Wirtschaftsordnung möglichst dezentral
zu organisieren. Eine Politik, die alles dem Einfluss einer
zentralen Bürokratie unterordnet und beispielsweise eine
Steuerreform macht, die die großen Kapitalgesellschaften
einseitig begünstigt,
({18})
den Mittelstand benachteiligt und die Finanzkraft der
Kommunen systematisch aushöhlt, eine Politik also, die
auf zentrale Bürokratie anstatt auf die Kräfte einer dynamischen, vielfältigen und auf Selbstständigkeit beruhenden Wettbewerbsordnung setzt, muss schlechte wirtschaftliche Ergebnisse erzielen.
({19})
Wir schlagen deshalb vor, dass wir Europa so organisieren, dass wir einen einheitlichen Markt mit einem funktionierenden Wettbewerb, mit einer starken gemeinsamen
Währung und mit einer gemeinsamen Außenvertretung
haben. Wir schlagen ferner vor, dass wir eine starke Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik machen und
dass wir dort, wo es wegen grenzüberschreitender Probleme notwendig ist - vom Umweltschutz bis zur inneren
Sicherheit -, europäisch handeln. Wir müssen aber auch
all das, was der gewachsenen Tradition einzelner europäischer Nationen entspricht - kulturell und zivilisatorisch -,
in der Regelungszuständigkeit der Mitgliedstaaten belassen.
Es darf bei dem Konvent und bei dem jetzt notwendigen Verfassungsgebungsprozess nicht sein, dass der
Acquis Communitaire sakrosankt gesetzt wird und überhaupt nicht verändert werden darf. Wenn wir zugleich
mehr und weniger Europa brauchen, dann muss auch das
jetzige Regelungsgeflecht und Regelungsdickicht überprüft werden und dann muss manches auf die Mitgliedstaaten übertragen werden. Zugleich muss anderes in Europa stärker institutionell verankert werden. Auf andere
Weise geht es nicht. Deswegen darf man den heutigen Zustand nicht festschreiben. Damit diese Debatte gelingt,
brauchen wir ein starkes Mandat für diesen europäischen
Konvent, der in Laeken hoffentlich eingesetzt wird.
Die Kollegen aus dem Auswärtigen Ausschuss und aus
dem Europa-Ausschuss sind mit den Kollegen aus den
entsprechenden Ausschüssen der Französischen Nationalversammlung am Montag dieser Woche zusammengetroffen. Sie haben in einer bemerkenswerten Entschließung - die deutsch-französische Zusammenarbeit
funktioniert Gott sei Dank noch einigermaßen auf der parlamentarischen Ebene - klar zum Ausdruck gebracht, dass
wir nicht möchten, dass das Mandat des Europäischen Rates für den Konvent so beschränkt wird, dass er vorher
schon ein Stück weit entmachtet wird.
Es muss die Bereitschaft bestehen, dass wir in dem
Prozess, für den der Konvent auf dem Gipfel in Laeken
eingesetzt werden soll, das Mandat von Nizza großzügig
und nicht etwa restriktiv interpretieren. Es darf nicht sein,
dass die Staats- und Regierungschefs dem Konvent schon
jetzt vorschreiben, Optionen vorzulegen, damit sich die
Staats- und Regierungschefs hinterher heraussuchen können, was ihnen gefällt. Das muss Sache des Konvents
sein.
({20})
Wenn der Konvent, an dem alle 15 Regierungen
genauso wie die nationalen Parlamente und wie das
Europäische Parlament beteiligt sind, zu gemeinsamen
Lösungen kommt und gemeinsame Konzeptionen und
Vorschläge entwickelt, dann muss er nicht künstlich
Alternativen für die Staats- und Regierungschefs auf den
Tisch legen. Ich wünsche mir vielmehr, dass der Konvent
die Kraft findet, ein europäisches Modell zu entwickeln,
in dem Europa und die Nationen in einer vernünftigen
Weise verbunden werden
({21})
und das die Menschen in Europa überzeugt.
Ich bin ganz sicher, dass die Menschen nicht gegen Europa sind. Aber die Menschen wollen das Wesentliche in
Europa nicht mehr in dem Alltagsgewirr mit seinen
schwerfälligen Entscheidungsprozessen und seiner
bürokratischen Regulierungsdichte sehen. Je besser es gelingt, klar zu unterscheiden, was Europa und Brüssel und
was die Nationalstaaten entscheiden, je mehr die Entscheidungen effizient, transparent und demokratisch legitimiert sind, umso mehr werden wir die Zustimmung der
Menschen in Europa für diesen europäischen Prozess gewinnen.
Je besser wir es schaffen, am Beginn des neuen Jahrhunderts ein starkes und handlungsfähiges Europa zustande zu bringen, umso mehr werden wir den Interessen
der Menschen in Europa, der heutigen Generation und den
Generationen unserer Kinder und Enkel, gerecht und
umso mehr leisten wir einen Beitrag für die Welt, für die
ein einiges Europa der Weg zu einer besseren Zukunft sein
könnte.
({22})
Ich erteile
das Wort dem Kollegen Michael Roth für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schäuble, Sie
mussten schon sehr tief in der Märchenkiste kramen
({0})
und über die Steuerreform sprechen, um endlich einen
Punkt zu finden, bei dem Ihre Fraktion auch klatscht.
Das Pult ist vielleicht ein bisschen zu hoch. - Okay.
({1})
Wir werden jetzt über einige inhaltliche Punkte streiten
können. Ich bin gespannt, wie Sie und wie die nachfolgenden Redner der CDU/CSU-Fraktion darauf reagieren
werden. Denn Herr Schäuble hat ja in einem Punkt Recht.
Hier stimmen wir alle mit der belgischen Präsidentschaft
überein; die Freundinnen und Freunde Europas, von denen es hier im Haus ja relativ viele gibt, sind sicherlich
alle einer Meinung: Wir stehen am Scheideweg. Europa
braucht neue Strukturen und auch neue Inhalte, um den
Menschen eine zukunftsfähigere Politik präsentieren zu
können. Klar ist: Europa wird auch ohne Reformen irgendwie weitermachen können - aber eben nur irgendwie
und nicht besser. Das aber wünschen wir uns und das erwarten auch die Bürgerinnen und Bürger zu Recht von
uns.
({2})
Ich glaube, dass die Probleme in Europa identifiziert
sind. Aber jetzt müssen wir auch handeln. Ich bin sehr optimistisch, dass der Gipfel in Laeken einen großen und
mutigen Schritt in Richtung tiefgreifender, langfristiger
Reformen darstellen wird. Denn wir brauchen in Europa
eine Verfassung. Laeken wird dafür den Startschuss geben. Der Konvent ist für uns Parlamentarierinnen und
Parlamentarier die große Chance, Europa für die Erweiterung fit zu machen und den Bürgerinnen und Bürgern die
europäische Integration wieder näher zu bringen.
Sie haben eben von Nizza gesprochen. Aber sind wir
doch ehrlich: Wir haben auch schon in Amsterdam das
Problem vorgefunden, dass die Regierungen und die Diplomaten es alleine nicht geschafft haben, die zukunftsweisenden Reformen in Gänze zu beschließen.
Sonst hätten wir ja in Nizza nicht über die Leftovers von
Amsterdam diskutiert. Ich denke, dass es hier schon seit
einigen Jahren ein Problem gibt. Jetzt haben wir die
Chance, diese Probleme zusammen mit den parlamentarischen Gremien zu lösen.
Der Verfassungskonvent wird ein neues Zeitalter des
Integrationsprozesses einleiten: den Schritt vom „Europa der Nachkriegszeit“ hin zum „Europa der Zukunft“
ab dem Jahre 2004, wenn auch neue Beitrittsländer in die
Europäische Union kommen und wir die Chance haben,
die Teilung Europas endlich zu überwinden. Dann werden
neue Mitglieder zur EU gehören. Wenn wir den Verfassungsprozess richtig nutzen, wird sich diese EU auch
durch eine Verfassung auszeichnen, die sie handlungsfähiger und vor allem demokratischer macht.
An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich
bei der Bundesregierung bedanken,
({3})
die mit Kanzler Schröder und Außenminister Fischer an
der Spitze im Gegensatz zu Ihnen nicht nur Klarheit gefordert hat, sondern auch immer wieder an der Seite des
Bundestages gestanden hat, wenn es um den Konvent
ging. Hier gab es ein großes Einvernehmen zwischen der
Bundesregierung einerseits und dem Bundestag andererseits. Dafür bedanke ich mich herzlich.
({4})
Auch Ihr kleinkariertes Herumkritteln kann überhaupt
nichts daran ändern,
({5})
dass die Bundesregierung sehr engagiert mit dem Bundestag für den Konvent gestritten hat.
({6})
Das werden auch Ihre Kolleginnen und Kollegen, die im
Europaausschuss sitzen und die mit uns für diese Sache
gestritten haben, bestätigen.
Wir sollten aber nicht nur über die Chancen reden.
({7})
Ich glaube, dass mit dem Konvent auch Risiken verbunden sind. Denn wir brauchen die konstruktive Mitarbeit
nicht nur derjenigen, die zukünftig im Konvent sitzen,
sondern wir brauchen die Mitarbeit des gesamten Hauses!
Wir brauchen die konstruktive Zusammenarbeit und Mitarbeit aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier, weil
es nicht nur im engeren Sinne um die Europapolitik, sondern auch um viele andere Aspekte - von der Außen- und
Sicherheitspolitik über die Verteidigungspolitik bis zur
Umweltpolitik - geht. Bei all diesen Aspekten benötigen
wir die Kolleginnen und Kollegen aller Politikbereiche.
Wir müssen offen auch darüber sprechen, dass mit dieser Revolution, mit der zum allerersten Mal Parlamentarier an diesem schwierigen verfassungsgebenden Prozess
beteiligt werden, nicht automatisch alles besser und einfacher wird. Die Agenda ist groß und schwierig; aber alle
Kritiker des Konventes, auch in unseren Partnerländern,
müssen wissen, dass ohne eine erfolgreiche Arbeit des
Konventes weder die Regierungskonferenz noch die gewünschten Reformvorhaben mit Erfolg durchgeführt werden können. Deswegen müssen wir alle in der Europäischen Union uns einen erfolgreichen Konvent wünschen.
({8})
Es sind eben einige Punkte angesprochen worden, bei
denen wir voranschreiten müssen. Ich glaube, dass es da
Einvernehmen zwischen uns allen gibt. Ich will aber auf
einen Aspekt eingehen, bei dem offensichtlich kein Einvernehmen herrscht: die Entscheidung und das Zögern
und Zaudern des italienischen Ministerpräsidenten. Es
kann wohl nicht angehen, dass wichtige Entscheidungen
zur Bekämpfung des Terrorismus und zu mehr Sicherheit
und Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger in der EU
von Einzelnen verhindert werden, weil diese aus offensichtlich rein persönlichen Interessen einen europäischen
Fortschritt ablehnen. Ich finde es schon bedenklich, wie
sich der italienische Ministerpräsident Berlusconi da verhalten hat.
({9})
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion die
Bundesregierung dafür kritisiert haben, dass die Gratulationen nicht ganz so lebhaft ausgefallen sind. Ich glaube,
dass die Zurückhaltung richtig war.
({10})
Sie scheinen ja sehr gute Beziehungen zu Herrn
Berlusconi zu haben. Dann pilgern Sie bitte nach Rom,
machen Sie Ihren Einfluss zu Ihrem engen Freund geltend
und verhindern Sie zukünftig, dass wichtige europäische
Schritte an den persönlichen Animositäten eines Einzelnen scheitern.
({11})
Ich bin jedenfalls sehr auf Ihre „Romerzählung“ gespannt.
Der Konvent ist vor allem ein parlamentarisches Gremium. Das muss auch sein Präsidium widerspiegeln. Ein
exekutivlastiges Präsidium ist für uns indiskutabel; denn
eine exekutiv geprägte Steuerung des Konventes würde
diesen ad absurdum führen.
Dem Konvent muss ein großer Europäer als Präsident
vorsitzen. Wir wünschen uns, dass die sicherlich sehr positive Entscheidung des Gipfels von Laeken vom Konvent
nachvollzogen und bestätigt wird.
({12})
Der Konvent muss außerdem eng an die Parlamente
angebunden werden. Er muss die Zivilgesellschaft ernsthaft in den Prozess einbeziehen.
({13})
Er muss sich Zeit nehmen für Anhörungen, für öffentliche
Debatten. Der Konvent muss mindestens einen Zwischenbericht zur öffentlichen Diskussion vorlegen, damit
wir nicht nur hier, sondern auch in der Öffentlichkeit mit
allen Interessierten reden können.
Ziel des Konventes ist es nicht, ein europäisches Handbuch aller denkbaren Reformoptionen vorzulegen. Vielmehr wollen wir einen möglichst verbindlichen Vorschlag, der dann auch Messlatte für den Erfolg der
nächsten Regierungskonferenz im Jahr 2004 sein wird.
Der Konvent hätte seine Arbeit sicher verfehlt, wenn wir
nur ein Sammelsurium als Ergebnis seiner Arbeit vorfänden. Aber ich bin sehr positiv und sehr optimistisch gestimmt, wenn wir unsere Arbeit als Parlamentarier dort
ernst nehmen.
Herr Kollege Schäuble hat die Zusammenarbeit der
Parlamente, der Assemblée nationale und des Deutschen
Bundestages, angesprochen. Das war ein guter Erfolg;
aber er knüpft unmittelbar an die Erfolge von Nantes an,
wo wichtige Zeichen für den verfassungsgebenden Prozess in der Europäischen Union gesetzt worden sind.
({14})
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht - ich möchte diesen
Punkt noch ansprechen -, wenn Sie unter anderem an die
Hochschulen zum Beispiel in Gera, Frankfurt, Hamburg
oder Berlin gehen. Überall organisieren sich Zehntausende junger Menschen, so genannter Globalisierungsgegner, zu Anti-Europa-Fahrten nach Laeken und nach
Brüssel. Die Erinnerungen an die Ausschreitungen bei
Michael Roth ({15})
vergangenen internationalen Gipfeln lassen diese Menschen heute für manche als Krawallmacher erscheinen.
Dabei übersehen wir aber leicht, dass es die Menschen
sind, mit denen wir ein zukunftsträchtiges Europa gestalten und bauen müssen. Es ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, die Menschen davon zu überzeugen, dass Europa eine großartige Aufgabe und unsere demokratische
Antwort auf Globalisierungsangst ist. Das müssen wir
aber deutlicher werden lassen.
({16})
Wir müssen den Menschen erklären, dass die europäische Integration auf europäischen Werten und nicht allein
auf den Gesetzen des Binnenmarktes und des Weltmarktes beruht.
Wir müssen doch erklären können, dass wir auf der
Basis eines originär europäischen Gesellschaftsmodells,
so, wie es uns die Franzosen immer wieder mit auf den
Weg geben, in die Institution EU Leben bringen wollen
und werden.
({17})
Es muss doch möglich sein, zu vermitteln, dass dieses Gesellschaftsmodell auf Humanität, sozialer Gerechtigkeit
und der Teilhabe aller beruht. Das ist unsere Antwort.
({18})
Denn gerade die Idee eines europäischen Gesellschaftsmodells ist es, die einer entfesselten Globalisierung maßgeblich entgegentritt.
Das sind doch keine Politikverdrossenen, das sind
keine Nationalisten, die uns abwegige Forderungen
entgegenbringen. Die Ziele und Wünsche dieser Demonstranten sind doch: mehr Entwicklungshilfe, gemeinsamer Umweltschutz, demokratische Teilhabe an Entscheidungen supranationaler Organisationen. Das ist
doch ein Europa, wie wir es uns wünschen. Zumindest die
SPD ist immer für ein solches Europa eingestanden.
({19})
Es ist richtig: Wir brauchen mehr Demokratie in der
Europäischen Union. Wir brauchen verstärkt Mehrheitsentscheidungen und eine echte Gewaltenteilung. Ich empfehle Ihnen dringend, den Antrag zu lesen, der von Bundeskanzler Gerhard Schröder eingebracht wurde, den
Antrag, der in Nürnberg auf unserem Parteitag beschlossen wurde.
({20})
Darin werden Sie viele wichtige, wegweisende Impulse
für den verfassungsgebenden Prozess in der Europäischen
Union finden.
({21})
Wir müssen aber neben diesen Vorschlägen die Menschen dafür gewinnen, Europa mehr Vertrauen entgegenzubringen. Wir beschreiten nach Laeken, spätestens im
März 2002, einen neuen Weg. Vor allem wir Parlamentarier beschreiten diesen Weg, einen Weg, der in Laeken
beginnt und hoffentlich mit einem besseren Europa endet.
Tun wir gemeinsam alles in unseren Möglichkeiten Stehende, dass uns möglichst viele Menschen auf diesem
Weg begleiten; denn Europa ist nur mit den Menschen
und nicht gegen die Menschen zu gestalten.
Vielen Dank.
({22})
Für die FDPFraktion spricht der Kollege Dr. Helmut Haussmann.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist die Frage,
Herr Bundeskanzler, inwieweit die Europäer in der Lage
waren, sich nach dem 11. September durch mehr europäische Politik zu bewähren. Sie haben in Ihrer ersten Regierungserklärung instinktsicher davon gesprochen - ich
unterstütze das -, dass wir nationalstaatlich in uneingeschränkter Solidarität zu den Vereinigten Staaten von
Amerika stehen. Dazu stehen wir. Das bedeutet nicht bedingungslose Solidarität, sondern Solidarität dort, wo wir
Deutsche - ich hoffe, auch wir Europäer - sie verantworten können.
Aber dadurch war natürlich auch klar, dass die erste
Antwort doch nationalstaatlich und weniger europäisch
war - weniger europäisch vielleicht deshalb, weil wir
selbst noch nicht dazu bereit sind, aber auch, weil viele
europäische Instrumente der Außen- und Sicherheitspolitik nach wie vor nicht zur Verfügung stehen.
Deshalb sagen wir als Opposition heute: Wir unterstützen die Bundesregierung in ihren weiteren Bemühungen,
unter dem Dach der Vereinten Nationen eine handlungsfähige Allianz gegen den Terror zusammenzuhalten.
Wir akzeptieren und freuen uns auch, dass es der
Bundesregierung gelang, bei der Petersberger Konferenz einen sichtbaren Erfolg zu erzielen. Das ist wichtig.
Petersberg markiert eine Symbolik deutscher Außenpolitik. Es ist die Symbolik, dass Deutschland nach der Westbindung und nach der Ostpolitik jetzt in der Globalisierung angekommen ist, nicht nur wirtschaftlich, sondern
auch außen- und sicherheitspolitisch.
({0})
Wir wissen aber auch, dass dies bedeutet, mehr globale
außen- und sicherheitspolitische Verantwortung zu übernehmen. Darin werden wir Sie immer unterstützen.
Heute geht es um zwei Dinge:
Erstens geht es um mehr Möglichkeiten der Sicherheitspolitik, um eine Beschleunigung der europäischen
Eingreiftruppe, aber auch darum, den Zustand der Bundeswehr schnell und deutlich zu verbessern; denn in der
Tat sind wir bei der jetzigen Verfassung der Bundeswehr
Michael Roth ({1})
international nicht in der Lage, einen größeren Beitrag zur
europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zu leisten.
Zweitens. Herr Bundeskanzler, der Eindruck einer Renationalisierung bzw. Marginalisierung der europäischen
Außen- und Sicherheitspolitik ist keine Erfindung der Opposition. Darin liegt vielmehr - auch für die Bürger - eine
große Gefahr für die Rolle Europas. Herr Schäuble hat es
zu Recht gesagt: Wer erscheint abends im Fernsehen?
Zum Beispiel Herr Blair und Herr Schröder. Das ist schön
für deren Umfragewerte. Aber Herr Prodi und Herr Solana
spielen überhaupt keine Rolle. Es ist schlecht für das europäische Bewusstsein unserer Bürger, dass Europa keine
Rolle spielt.
({2})
Eine weitere Form der Solidarität mit den USA besteht
in einer Stärkung der wirtschaftlichen Kompetenz, in einem Beitrag zu mehr Wachstum in der Weltwirtschaft. Inzwischen sind wir nicht nur beim Wachstum Schlusslicht.
Die schwache deutsche Reformfähigkeit gefährdet natürlich auch den Außenwert der europäischen Währung.
Derzeit - es sind noch 20 Tage bis zur Einführung der europäischen Währung - besteht eine große Gefahr darin,
dass die hohe Symbolkraft der europäischen Währung im
Hinblick auf ein stärkeres europäisches Bewusstsein und
eine größere Rolle im Rahmen der Globalisierung verloren geht, wenn der Euro auf Dauer einen nachhaltig
schwachen Außenwert hat und der Bürger mit der faktischen Einführung der europäischen Währung eine hohe
strukturelle Arbeitslosigkeit verbindet.
Die Reaktion darauf kann nur darin bestehen: mehr
strukturelle Reformen im wichtigsten europäischen Land,
in Deutschland. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir
der Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika
und der Förderung des Wachstums in der Weltwirtschaft
nicht gerecht.
({3})
Herr Bundeskanzler, Sie haben von einem europäischen Gesellschaftsmodell gesprochen; Herr Waigel
und ich haben das soeben auf einer Veranstaltung der Europäischen Bewegung gehört. Wenn dieses Modell keine
antiamerikanische Haltung, sondern einen eigenen kulturellen, wirtschafts- und ordnungspolitischen Weg verkörpert, halte ich ein solches Anliegen für richtig. Wir Liberale, aber auch die Sozialdemokraten - wir nähern uns
dem gleichen Ziel von verschiedenen Richtungen her. Das
Ziel muss sein, ein wettbewerbsfähiges, aber gleichzeitig
auch sozial stabiles Europa zu schaffen. Aufgrund der
Tradition der Sozialdemokraten gehen diese eher von der
Verteilung der Lasten, von der Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Stabilität aus. Wir Liberale nähern uns
dem gleichen Ziel von der anderen Seite her: von der
Mobilität, von der stärkeren Aktivierung von Kreativität
und Innovationen.
({4})
Letztendlich muss dieses europäische Gesellschaftsmodell zur Stärkung des europäischen Bewusstseins beitragen. Es darf keine antiamerikanische Haltung verkörpern. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch
in Asien, nicht zuletzt in China, neue dynamische Regionen entstehen. Das heißt, allein der Vergleich innerhalb
Europas ist zu wenig. Wir brauchen ein weltweites
Benchmarking, einen Vergleich mit anderen Gesellschaften und anderen Wirtschaftsformen. Angesichts der
Tatsache, dass eine Weltfirma wie Siemens Forschung
und Entwicklung, also Arbeitsplätze, in Deutschland
zukünftig eher abbaut und sie in China verstärkt, wird
deutlich, dass die Globalisierung einen weltweiten Wettbewerb im Bereich der Investitionsbedingungen mit sich
bringt. In diesem Bereich haben wir in Deutschland einen
großen Nachholbedarf.
({5})
Der Bundeskanzler hat sehr viel über Afghanistan und
über die Terrorbekämpfung gesprochen, aber relativ wenig über das Hauptthema in Laeken. Wir möchten, dass
in Laeken - der Bundesaußenminister wird gleich darüber
sprechen; er hat sich dazu verpflichtet - neben der Beantwortung der wichtigen Frage des Verfassungsprozesses
auch ein Durchbruch in der Behandlung der Mehrheitsentscheidung angestrebt wird. Es bleibt richtig, dass die
Europäische Union nur erweiterungsfähig ist, wenn sie
den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen schafft.
({6})
Eine Europäische Union mit bald 25 Ländern, von denen jedes ein Vetorecht hat, wird auf Dauer sich selbst
blockieren. Deshalb muss es ein Ziel deutscher europäischer Außenpolitik bleiben, andere Länder dafür zu
gewinnen, dass wir uns in Laeken unter der belgischen
Präsidentschaft dazu verpflichten, parallel zu der Erweiterung der Europäischen Union im Jahre 2004 ein Verfahren zu finden, wie wir bei wesentlichen Fragen dem
Prinzip der Mehrheitsentscheidung Geltung verschaffen
können.
({7})
Herr Roth, was die Konventidee angeht, so müssen
Sie sich hier nicht exponieren. Das geht nicht auf Sie
zurück, auch nicht auf uns. In dieser Frage gibt es in
Europa große Übereinstimmung, auch in den Programmen unserer Parteien.
({8})
Nur, Sie als Mitglied einer die Bundesregierung tragenden
Partei haben die Möglichkeit, das auch durchzusetzen.
Wir haben in diesem Zusammenhang drei Erwartungen an
Sie - an diesen werden wir Sie auch messen -:
Erstens. Wir wollen keine starren Vorgaben und wollen
- das ist ganz entscheidend - kein Übergewicht von Regierungsvertretern im Präsidium.
({9})
Zweitens. Wir halten die Grundidee der Besetzung der
Präsidentschaft mit einem französischen Europapolitiker
aus vielerlei Gründen - psychologisch, auch europapolitisch - für richtig. Wir haben zwar unsere Vorstellungen,
aber hoffen, dass es diesem Präsidenten, ähnlich wie
Roman Herzog, gelingt, die verschiedenen Grundideen zu
einem guten Ergebnis zu führen.
Drittens. Die Beitrittskandidaten dürfen beim Konvent
nicht nur formal berücksichtigt werden. Vielmehr muss
ihnen - da sie ja später diese Verfassung mit ratifizieren
müssen - eine wesentliche Rolle im Konvent eingeräumt
werden.
({10})
Und schließlich - das war ein Ziel aller Parteien in Europa -: Am Ende des Verfassungsprozesses sollte eine
Volksabstimmung der Bürger in Europa stehen. Mit einer
solchen Volksabstimmung über eine europäische Verfassung bestände die sehr große Chance, dass sich die Bürgerinnen und Bürger stärker mit Europa identifizieren.
Hier schließt sich der Kreis: Wenn wir dies erreichen
könnten, wäre dies ein großer Fortschritt für die europäische Idee.
Vielen Dank.
({11})
Ich erteile
das Wort dem Bundesaußenminister Joseph Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehr als zehn
Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges und vor allen
Dingen jetzt, nach dem 11. September dieses Jahres,
nach den furchtbaren Verbrechen in New York und in
Washington, werden langsam die Umrisse der internationalen Ordnung des 21. Jahrhunderts und die Gewichteverteilung sichtbar. Ich erwähne das deswegen zu Beginn
meiner Rede, weil klar sein muss, dass in dieser Ordnung
die großen europäischen Nationalstaaten nicht eigenständige oder auch nur lose koordinierte Rollen werden spielen können. In dieser Welt des 21. Jahrhunderts wird unser aller Schicksal von der Vollendung der politischen
Integration Europas abhängen. Ob einem dieses gefällt
oder nicht ist gar nicht mehr die Frage.
Wenn man sich die Realitäten anschaut, wird man dies
auch so feststellen müssen; diese Erkenntnis hat nicht
zuletzt zur Wirtschafts- und Währungsunion und damit
jetzt, am 1. Januar, zur Einführung des Euro, der ersten europäischen Gemeinschaftswährung, geführt. Mehr und
mehr gilt dies aber auch für die Außen- und Sicherheitspolitik und damit für die Bestimmung der internationalen
Politik im 21. Jahrhundert insgesamt: Das Gewicht, das
die großen europäischen Nationalstaaten mit sich bringen,
ist schlicht und einfach nicht mehr ausreichend.
Diese wirtschaftliche Erkenntnis muss in politische Erkenntnis umgesetzt, übertragen werden. Das genau ist
eine der Aufgaben, vor denen wir stehen. Wir sehen, dass
mit der Herausbildung der Außen- und Sicherheitspolitik
der Europäischen Union - insofern teile ich den Pessimismus, den Sie, Herr Kollege Schäuble, hier dargestellt
haben, nicht - uns Europäern zum Beispiel im Nahen
Osten eine Rolle zukommt, die über das Bezahlen und
über humanitäre Hilfe hinausgeht. Dies verdanken wir
unter anderem der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und Javier Solana.
Gerade die Bundesregierung war nach dem 11. September immer bemüht, die europäische Rolle in den Vordergrund zu stellen. Es tut mir Leid, aber Ihre Aussage ist
nicht richtig: Herr Solana war durch einen Beamten auf
dem Petersberg vertreten. Wir hatten die Europäer bzw.
Javier Solana auf den Petersberg eingeladen. Er hat einen
seiner Mitarbeiter dorthin entsandt, übrigens auf derselben Ebene wie die praktische Arbeit im Zusammenhang
mit Mazedonien koordiniert wurde. Insofern ist Ihre Aussage nicht richtig.
Auch ist es abwegig, der Bundesregierung vorzuwerfen,
dass der Sonderrat nicht vor der Reise des europäischen Repräsentanten nach Washington stattgefunden hat. Das war
eine deutsche Initiative von Bundeskanzler Gerhard
Schröder. Sie mögen sich darüber in der sattsam bekannten
Wahlkampfpolemik auslassen. Ich habe ein gewisses Verständnis, dass der Bedarf dafür im Moment groß ist.
({0})
- Ich habe viel Erfahrung im Wahlkampf, Herr Glos. Darauf können Sie sich gerne verlassen. Deswegen bekomme ich das ja auch mit.
Sie loben und preisen gegenwärtig den Verfassungsprozess. Der erste Schritt des Verfassungsprozesses begann unter der deutschen Präsidentschaft in Köln. Dort
wurde die Grundrechte-Charta auf den Weg gebracht.
({1})
Der zweite Schritt war das viel geschmähte Treffen in
Nizza. Es war eben nicht eine Erklärung der EVP, die ich
sehr schätze, sondern es war wieder eine Initiative dieser
Bundesregierung von Bundeskanzler Schröder. Es war alles andere als einfach, durchzusetzen, dass wir, wissend
um die Notwendigkeit der Erweiterung der Europäischen
Union nach dem Ende des Kalten Krieges und um die Verpflichtung, die wir haben, diesen Prozess, den man ruhig
als verfassungsgebenden Prozess bezeichnen kann, für
die Zukunft Europas für 2004 auf den Weg gebracht haben. Ohne dies würden wir heute eine völlig andere Situation haben.
Wenn Sie hier den ersten Entwurf der belgischen Präsidentschaft zitieren, dann kann ich Ihnen nur sagen: Er
findet weitestgehend die Zustimmung Deutschlands. Das
hat der Besuch von Herrn Verhofstadt beim Bundeskanzler ergeben. Das Problem ist nur, dass die meisten anderen diese weitestgehende Zustimmung bisher noch nicht
signalisiert haben. Das wird das Problem dieses Verfassungsprozesses.
Ich habe mit dem, was Sie vorgestellt haben - wenn
dieses föderale Modell Wirklichkeit würde, wäre ich ein
glücklicher Europäer, Herr Kollege Schäuble -, überhaupt kein Problem. Mein Problem ist eher, dass ich nicht
an die Übertragung unserer bundesstaatlichen Vorstellung
glaube, einer Vorstellung, die ich teile, damit Sie mich
nicht missverstehen. Ich bekomme es doch in der Diskussion mit den Europäern mit. Wir müssen uns hier nicht
miteinander streiten, ich versuche vielmehr, Ihnen eine
Botschaft zu übermitteln.
Der Bundeskanzler und ich werden es jetzt am Freitag
und Samstag erleben, ob Herr Aznar und andere konservative, der EVP verpflichtete Europäer diese Position
tatsächlich zur Grundlage machen. Ich würde mich - das
gebe ich hier ausdrücklich zu Protokoll - darüber sehr
freuen, Kollege Schäuble. Der Bundeskanzler und ich
nehmen diese Erklärung extra mit, um sie zum geeigneten
Zeitpunkt als Referenzgrundlage zur Hand zu haben. Ich
wage aber im Lichte der Erfahrung die realistische Prophezeiung, dass sich wichtige Vertreter der Europäischen
Volkspartei, die ganz oben ihre Pflichten erfüllen, im
entscheidenden Augenblick nicht auf dieses Dokument
beziehen. Ich sage: leider.
Herr Bundesaußenminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schäuble?
Gerne, immer.
Herr Bundesaußenminister, wären Sie erstens bereit, auch das Dokument der Europäischen Volkspartei auf dem Gipfel von
Laeken zu verbreiten, damit Sie nicht die Sorge haben,
dies sei nur ein deutsches Papier? Würden Sie zweitens
nicht vielleicht zustimmen können, dass Sie einen Fehler
machen, wenn Sie Überlegungen, die wir in unseren Arbeiten formuliert haben und die Sie eben gelobt haben, in
Beziehung zum Modell unseres Grundgesetzes setzen?
Ich stelle Ihnen die Frage deswegen, weil ich den deutschen Bundeskanzler gegen die Unterstellungen des französischen Premierministers Jospin in Schutz genommen
habe, irgendjemand in Deutschland habe die Vorstellung,
man wolle die Bundesrepublik Deutschland oder Frankreich zu etwas Ähnlichem wie die deutschen Bundesländer machen. Das ist absurd. Europa ist etwas ganz Neues.
Die Abgrenzung von Zuständigkeiten muss völlig anders
als im Grundgesetz sein.
({0})
Zum Ersten: Gerne nehme ich das von Ihnen angesprochene Dokument mit. Ich verspreche Ihnen, dass wir im
entscheidenden Augenblick darauf Bezug nehmen werden. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei wird,
wenn ich es richtig sehe, mit im Saale sein. Ich könnte mir
vorstellen, dass wir als Vertreter der Bundesrepublik
Deutschland auf diesen Punkt Bezug nehmen werden. Ich
glaube aber nur, es wird im entscheidenden Augenblick
wenig helfen. Wir werden Sie aber über unsere Bemühungen unterrichten.
Zum Zweiten freut es mich, dass die Opposition Initiativen ergreift. Sie erleben eine Bundesregierung, die Initiativen der Opposition lobt; darin unterscheiden wír uns
von der Vorgängerregierung.
({0})
- Das war Ironie. Entschuldigen Sie, ich habe einen Fehler gemacht. Man sollte in einer Debatte nicht auf Ironie
zurückgreifen.
Zum Dritten: In diesem Punkt, Herr Kollege Schäuble,
bin ich anderer Meinung als Sie. Mir geht es nicht um die
Ordnung des Grundgesetzes. Ich weiß, dass es auch Ihnen
nicht darum geht. Wir haben auf diesem Feld noch echten
Diskussionsbedarf. Ich meine, dass die Vorstellungen beider großen Volksparteien letztendlich auf eine bundesstaatliche Ordnung zielen, zumindest so rezipiert werden.
Ich könnte mit einer solchen Lösung hervorragend leben;
von der Sache her - ich wiederhole mich - habe ich dagegen keinen Einspruch. Die große Frage ist nur, ob eine
solche Lösung in Europa mehrheitsfähig ist.
Ich will wenigstens die Probleme formulieren: Wir
wollen eine Verfassung erreichen. Wir werden eine Union
von 25 und mehr Mitgliedern haben; dies ist unabweisbar.
Die Tatsache, dass die Erweiterung bis heute noch nicht
stattgefunden hat, beruht ein Stück weit auf der Realitätsverweigerung der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union nach 1989/90. Die Probleme, über die wir jetzt diskutieren, dürfen wir nicht bei den Beitretenden abladen.
Ich halte die Erweiterung für unverzichtbar. Vorstellungen, wir könnten angesichts der dramatischen Veränderungen seit 1989/90 ein Kleineuropa aufrechterhalten,
würden die europäische Einigungsidee zum Scheitern
bringen und damit unsere eigenen Interessen berühren.
Wir werden eine Union der 25 haben. Sich eine solche
Union der 25 vor dem Hintergrund des heutigen institutionellen und finanziellen Gefüges vorzustellen ist sehr
schwer. Hinzu käme das Problem, dass sich die Frage der
demokratischen Legitimation verstärkt stellen würde. Das
sind die wesentlichen Faktoren.
({1})
Der Konvent soll gelingen; das bedeutet, dass am
Ende ein Entwurf mit verschiedenen Alternativen steht,
der in seinen Grundzügen als Entwurf taugt, die europäische Öffentlichkeit und den Europäischen Rat überzeugt
und damit Chancen auf eine Ratifikation durch das Parlament hat. Voraussetzung dafür wäre, dass sozusagen die
Eindeutigkeit des Ziels - das zu erreichen wird im Konvent schwer werden -, nämlich die politische Integration
der Union, angestrebt wird sowie die Klarheit der Prinzipien gewährleistet ist. In diesem Punkt sehe ich noch Diskussionsbedarf, auch in meiner eigenen Fraktion und Partei. Insofern ist diese Debatte nicht parteipolitisch zu
führen.
Im Grunde genommen haben wir es mit vier Prinzipien zu tun, nämlich zum einen mit dem Integrationsprinzip - wir wollen dieses Europa und die europäische
Integration - und zum zweiten weiterhin mit dem nationalen Prinzip; wir haben es also mit einer Parallelität der
beiden Substanzprinzipien zu tun. Hinzu kommen instrumentelle respektive Verfahrensprinzipien, die sehr hochrangig sind - Funktionalität, es muss funktionieren -, und
gleichzeitig das Demokratieprinzip. Wir brauchen außerdem eine Kompromissfähigkeit hinsichtlich der verschiedenen Interessen.
Dies alles für eine Union der 25 zusammenzuschnüren, wird eine große Leistung sein. Dabei werden
Sie die föderale Orientierung der Bundesrepublik
Deutschland vor Augen haben, von deren Richtigkeit
ich nachdrücklich überzeugt bin; eine andere Struktur
der Bundesrepublik kann ich mir nicht vorstellen. Auf
der anderen Seite haben wir es mit mächtigen Zentralstaaten zu tun, die aufgrund ihrer Größe oder gewachsenen Traditionen kein Föderalprinzip haben.
Sie werden in den Verfassungsentwurf daher eine gewisse Parallelität hineindenken müssen; andernfalls bekommen Sie die Dinge nicht zusammen. Das ist die Botschaft, die ich Ihnen als Bote zu vermitteln habe. Ich
könnte mit dem, was Sie oder was andere vorgeschlagen
haben, wunderbar leben. Wenn wir aber Erfolg haben
wollen - ich will den Erfolg und wir brauchen den Erfolg -, dann müssen wir von vornherein die Differenzen
in der Tradition hinzudenken. Ich meine, nur dann kann
dabei ein sehr gutes und vernünftiges Ergebnis herauskommen. Aber machen Sie sich, liebe Kolleginnen und
Kollegen, keine Illusion: Der bevorstehende Konvent
wird schwieriger sein als der Grundrechte-Konvent. Es
werden dort wesentlich mehr Interessens- und Traditionswidersprüche zutage treten.
Dennoch halte ich die Alternative, die Kollege Lamers
wiederholt formuliert hat, für richtig. Wenn der Konvent
nicht die notwendige politische Autorität hat und mit seinem Entwurf nicht überzeugen kann, dann frage ich
mich, wie eine Regierungskonferenz angesichts der
Größe der Aufgabe, über die sich alle Redner hier einig
waren, dies dann leisten sollte. Wenn der Konvent scheitern sollte, dann wird es, glaube ich, nicht gelingen, auf
einer Regierungskonferenz Fortschritte zu erzielen. Es
wird sich dann die Frage stellen, wie ab 2006 - das ist auf
dem europäischen Kalendarium absehbar - eine neue finanzielle Vorausschau für eine Union der 25 gestaltet
werden kann. Die Bereitschaft der Bevölkerung, den im
europäischen Staatenverbund erzielten Kompromissen
zuzustimmen, wird tendenziell nicht zunehmen, sondern
eher abnehmen. Dann wird vor allen Dingen hinter der
institutionellen Handlungsfähigkeit einer Union der 25
ein Fragezeichen stehen. Die Frage, ob der Verfassungsprozess nach der Erweiterung der Europäischen Union,
die im Zeitraum zwischen 2003 und 2004 beginnt, und
schließlich die finanzielle Vorausschau, also die Finanzentscheidungen einer Union der 25, mit den notwendigen
Kompromissen bei den Strukturfonds, den Kohäsionsfonds und in der Agrarpolitik, in deren Rahmen es schwer
genug werden wird, Kompromisse sowohl in den Sachentscheidungen als auch in der Frage der Finanzierung
durchzusetzen, gelingen werden, wird sehr stark vom Erfolg des Konvents und der sich anschließenden Regierungskonferenz abhängen.
Den Menschen möchte ich von hier aus klar sagen: Europa wird auch in Zukunft in verstärktem Maße eine
außen- und sicherheitspolitische Dimension brauchen.
Natürlich haben all diejenigen Recht - das ist ja nicht von
der Hand zu weisen -, die sagen: Der 11. September hat
klar gemacht, dass die Europäische Union in der Frage
von Krieg und Frieden noch nicht oder nicht ausreichend
handlungsfähig ist. Ich sage: Ja, das stimmt. Aber daraus
den Schluss zu ziehen, Europa habe versagt, ist meines
Erachtens falsch, weil die Europäische Union von ihrer
Konstruktion her noch nicht in der Lage ist, in der Frage
von Krieg und Frieden entsprechend zu entscheiden. Das
muss man ehrlicherweise hinzufügen.
Es gibt meines Erachtens drei Gründe, die die Europäer zwingen werden, sich zu einigen.
Erstens. Wenn Europa nicht zusammenfindet, dann
wird Europa - das werden alle in Europa lebenden Menschen an der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und der
sozialen Sicherungssysteme merken; von der großen Politik ganz zu schweigen - in der Welt des 21. Jahrhunderts
in erheblichem Maße Chancen verlieren. Damit das nicht
geschieht, müssen wir die Handlungsfähigkeit in der
Außen- und Sicherheitspolitik entsprechend stärken. In
diesem Zusammenhang rate ich Ihnen, die Erklärung von
Nantes einmal genau durchzulesen. Diese Erklärung ist
ein Beleg dafür, dass Deutschland und Frankreich wirkliche Konsequenzen aus den ersten Erfahrungen gezogen
haben. Die Wirtschafts- und Währungsunion wird einen
erheblichen Integrationsdruck ausüben. Ich erspare mir
die innenpolitische, wirtschaftspolitische und finanzpolitische Polemik.
Zweitens. Die Erweiterung wird einen gewaltigen
Druck in Richtung institutionelle Veränderungen, also einen verfassungsgebenden Druck, und damit in Richtung
mehr Integration ausüben.
Der dritte Punkt betrifft die veränderte weltpolitische
Situation. Diesen Punkt würde ich mittlerweile an die
erste Stelle setzen, wenn ich mir die Erfahrungen, die seit
dem 11. September gemacht worden sind, anschaue.
({2})
- Eine große Chance! Ich stimme Ihnen zu. - Denn Europa wächst nur durch Krisen und durch Druck und nicht
durch Papiere und auch nicht durch Überzeugungen. Es
wächst aufgrund gemeinsamer Interessen bzw. aufgrund
der infolge der Interessenabwägung offensichtlich werdenden Erkenntnis, dass die Alternativen zu einem gemeinsamen Europa für die Mitgliedstaaten schlicht und
einfach schlechter sind. Das ist die Grundlage, auf der wir
in Laeken verhandeln werden. Wir wollen dort ein starkes
Mandat haben. Aber dieses Mandat muss gleichzeitig so
viel Spielraum bieten, dass der Konvent handeln kann.
Wenn der Konvent die entsprechenden Entscheidungen trifft, dann werden alle vier Akteure, sozusagen das
institutionelle Viereck, die nationalen Parlamente, das
Europäische Parlament, die nationalen Regierungen und
die Europäische Kommission, einbezogen sein. Das werden die vier Akteure des Verfassungsprozesses sein. Ich
prophezeie, dass sich diese vier Akteure, wenn es gut geht,
als handelnde Akteure in der Verfassung - oder wie immer das genannt werden wird - wiederfinden werden.
Über die Details möchte ich jetzt nicht streiten. Der Bundeskanzler hat ganz wichtige Initiativen dazu ergriffen.
Dass der von uns seit Köln eingeschlagene Weg in
Richtung einer europäischen Verfassung und Verfasstheit
gegangen wird, ist das, was wir in Laeken erreichen wollen und, wie ich hoffe, mit der Hilfe all unserer Partner
auch erreichen werden.
Ich bedanke mich.
({3})
Für die
PDS-Fraktion spricht der Kollege Uwe Hiksch.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Außenminister hat sich bei einer
Formulierung entweder versprochen oder aber gerade
deutlich machen wollen, dass es zu der Konzeption dessen, was Europa werden soll, zwei völlig unterschiedliche
Vorstellungen gibt. Der Außenminister hat nämlich kurz
vor Schluss seiner Rede davon gesprochen, dass die Konstruktion Europas noch nicht auf Krieg und Frieden eingestellt sei. Ein Europa, das so konstruiert wird, dass es
auf Krieg und Frieden eingestellt ist, unterstützt die PDSFraktion bestimmt nicht.
({0})
Unsere gemeinsame Aufgabe darf nicht darin bestehen,
Europa zu militarisieren und darüber zu reden, wie effektive Strukturen geschaffen werden können, die die Möglichkeit eröffnen, Krieg zu führen. Die Perspektive Europas, der Part Europas für die Welt muss gerade darin
bestehen, sich als Zivilmacht in der Welt zu entwickeln
und sich vorzunehmen, mit einem neu entwickelten Sozialmodell, das hier in Europa geschaffen werden muss,
und mit einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordination mit dem Süden und dem Osten, mit Asien genauso
wie mit Afrika zu erreichen, dass eine neue Form der
Außenpolitik betrieben wird,
({1})
nämlich eine Außenpolitik, die sich zum Ziel setzt, internationaler Partner zu sein und Aufgaben einer internationalen Zivilgesellschaft zu übernehmen. Deshalb sehe
ich die Aufgabe der Integration in Europa auch darin - dafür wird die PDS-Fraktion arbeiten -, gerade die
verschiedenen Institutionen der UN zu stärken, den
OSZE-Prozess weiterzuentwickeln und mittelfristig und
schrittweise die NATO zu überwinden.
({2})
Es ist, glaube ich, problematisch, sehr geehrter Herr
Kanzler, wenn man den großen Europäer Jean Monnet zitiert und nur einen einzigen Aspekt, den er auch benannt
hat, nämlich die Frage der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, als zentrale Aussage mit ihm verbindet.
Das, sehr geehrter Herr Schröder, hat Jean Monnet nicht
verdient. Er war derjenige, der Europa gerade zivil-integrationistisch beschrieben hat.
Sie haben in der letzten Woche beispielsweise davon
gesprochen, dass es darum gehen müsse, das Militärische
zu enttabuisieren. Zwischenzeitlich liegt das leider in der
Tradition der rot-grünen Bundesregierung und Ihrer Partei. Wer von der Enttabuisierung des Militärischen
spricht, sehr geehrter Herr Schröder, der widerspricht den
Grundsätzen, derentwegen vor 140 Jahren die Sozialdemokratische Partei gegründet wurde.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen ein Europa, das sich integriert. Wir unterstützen die Schaffung
des Konvents, weil wir glauben, dass genau mit diesem
Konvent eine Grundlage für die Parlamentarisierung
Europas gelegt werden kann, sodass nicht mehr die Regierungen, sondern die demokratisch gewählten Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Europa bestimmen.
Dieser Konvent muss gemeinsam mit den folgenden Präsidentschaften die Aufgabe haben, das Europa der Verträge zu einem Verfassungseuropa weiterzuentwickeln.
Die Vertiefung der Europäischen Union in Laeken und
in den folgenden Debatten sollte vielleicht auch mit dem
folgenden Aspekt verbunden werden - in dieser Richtung
sollten wir, denke ich, gemeinsam diskutieren -: Der
nächste Integrationsschritt in Europa könnte erreicht werden, wenn wir als deutsche Parlamentarier fordern, dass
in Europa eine zweite Staatsbürgerschaft, nämlich neben
der nationalen auch eine europäische Staatsbürgerschaft, geschaffen wird.
({4})
Mit dieser europäischen Staatsbürgerschaft, die wir den
Bürgerinnen und Bürgern zusätzlich zu ihrer nationalen
Staatsbürgerschaft verleihen, können wir die Forderung
realisieren, die Grundrechte-Charta als integralen Bestandteil der Verträge zu verankern und damit den einzelnen Menschen individuelle Klagemöglichkeiten auf der
Grundlage einer europäischen Verfassung oder zumindest
eines europäischen Verfassungsvertrags zu geben.
Die Menschen in Europa werden für die europäische
Idee nur gewonnen werden können, wenn es nicht bei der
Diskussion über Institutionen bleibt, sondern wieder Inhalte in den Mittelpunkt der europäischen Politik gerückt
werden.
({5})
Insoweit ist es bezeichnend, dass Gerhard Schröder in seiner Rede nur einen einzigen Halbsatz darauf verwandte,
sozialpolitische Fragen zu streifen. Auf allen Veranstaltungen, egal, ob ich in Hamburg, Frankfurt ({6}) oder,
wie in dieser Woche, in Neuhaus-Schierschnitz gewesen
bin, erlebe ich, dass die Menschen verlangen, dass Europa
sozialpolitisch und ökologisch vorangebracht wird. Sie
wollen, dass nach der Schaffung einer einheitlichen europäischen Währung Europa als Garant für die Abschaffung der Arbeitslosigkeit auf die Tagesordnung kommt.
({7})
Deshalb werden nach unserer Überzeugung in Laeken
die Weichen dahin gehend gestellt müssen, dass das Beschäftigungskapitel im Europäischen Vertrag noch einmal
aufgerufen wird, damit neben der wichtigen Koordinierung der nationalen Beschäftigungspolitiken auch auf die
Agenda der Europäischen Union gesetzt wird, dass Europa selbst gegen die Massenarbeitslosigkeit und für mehr
Beschäftigung aktiv wird. Bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit wird man beispielsweise darüber
nachdenken müssen, einen Mechanismus zu schaffen, der
nationalstaatliches Sozialdumping verhindert. Daher
schlagen wir in unserem Antrag unter anderem vor, in Europa darüber nachzudenken, ein Korridormodell zu schaffen, das bestehende Sozialleistungsquoten festschreibt, die
europaweit mindestens eingehalten werden müssen, sodass im Rahmen nationalstaatlicher Entscheidungen Sozialstandards nicht unterlaufen und damit einzelne Nationen
oder Standorte gegeneinander ausgespielt werden können.
({8})
Eine weitere wichtige Frage, die auf die europäische
Tagesordnung gehört, ist die Einführung eines Mindestniveaus der sozialen Grundsicherung, sodass jeder
Mensch in Europa aus Armut herausgeholt wird und einen
Rechtsanspruch auf ein Mindesteinkommen bekommt.
Das wäre eine wichtige, Europa fördernde Maßnahme.
Kolleginnen und Kollegen, in den nächsten Monaten
wird es auch um die Daseinsvorsorge in Europa gehen.
Wir, die PDS, sind der Überzeugung, dass die Daseinsvorsorge - der so genannte dritte Sektor: der ÖPNV, Wasser und Abwasser - mehr als bisher in den Verträgen Beachtung finden muss. Ein Recht auf Arbeit, auf Wohnen
und auf Gesundheit muss auch beinhalten, dass die Daseinsvorsorge aus dem Wettbewerbsrecht ausgeschlossen
wird. Es muss möglich sein, das spezielle deutsche System zu schützen, für das etwa die Arbeiterwohlfahrt, die
Caritas, die Diakonie oder die Volkssolidarität stehen. Daher wird die PDS gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden dafür streiten, dies in den Verträgen zu sichern.
Kolleginnen und Kollegen, der europäische Diskussionsprozess in den nächsten Jahren wird darüber entscheiden, ob wir die Menschen in Europa mitnehmen können. Wir können sie aber nur dann mitnehmen, wenn wir
ihre Probleme ernst nehmen und Arbeitslosigkeit und Armut wieder in den Mittelpunkt der Politik rücken. Auch in
Europa ist darüber zu diskutieren, welche Maßnahmen
gegen Arbeitslosigkeit und Armut ergriffen werden
können. Eine solche Verfassung, die übrigens durch ein
Referendum verabschiedet werden sollte - nur eine Verfassung, über die die Menschen abstimmen konnten, ist
eine starke Verfassung -, kann Europa voranbringen.
Wenn wir in diesem Sinne gemeinsam arbeiten, wird Europa auch in den Herzen der Menschen ankommen.
Danke schön.
({9})
Ich erteile
dem Kollegen Dr. Jürgen Meyer für die SPD-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Europäische
Rat in Laeken Ende dieser Woche die Einberufung des
zweiten Konvents beschließt, dann ist das zwar auch ein
Verdienst der Bundesregierung, aber auch etwas, was die
Parlamentarier gemeinsam erkämpft haben.
({0})
Das gilt für die Beschlüsse dieses Bundestages, die nach
unserer Verfassungslage Grundlage für die Verhandlungen der Bundesregierung geworden sind. Es gilt für die
von uns herbeigeführten Beschlüsse der Europaausschüsse der Parlamente der 15 Mitgliedstaaten, der COSAC; es
gilt auch für die gemeinsame Entschließung, die wir vorgestern mit etwa 70 Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der Assemblée nationale in Paris einstimmig
verabschiedet haben - darauf werde ich noch eingehen -,
und es gilt nicht zuletzt für die von diesem Parlament mit
geprägte Qualität der Arbeit des ersten Konvents.
Herr Kollege Schäuble, wenn Sie die Idee des Konvents so sehr betonen, dann fände ich es nur fair, zu sagen,
dass sie von dieser Bundesregierung kreiert worden ist.
Dafür sollte man die Bundesregierung auch loben.
({1})
Der Konvent ist eine Erfindung der deutschen Präsidentschaft auf dem Kölner Gipfel im Juni 1999.
({2})
Wir alle wissen, dass es danach und nach Nizza wieder
das in der Europapolitik übliche Auf und Ab und die altbekannte Verzagtheit auch bei manchen von uns gegeben
hat. Das waren die Monate der Bedenkenträger auch aus
den Bürokratien. Manche meinten, ein Verfahren wie im
ersten Konvent werde es kein zweites Mal geben. Es
werde nicht wieder passieren, dass ein Gremium, überwiegend bestehend aus Abgeordneten, den Regierungschefs ein Papier vorlegt, das sie nur noch ohne Änderung
akzeptieren können. Manche von uns meinten sogar, man
solle den Begriff „Konvent“ vermeiden und stattdessen
von einem konventsähnlichen Gremium sprechen, einem
Gremium, das gewisse Erfahrungen des Konvents nutzen
könne, vielleicht sogar von dem früher so genannten
„body“.
Ich bin der Auffassung, wir sollten auch bei der zweiten Versammlung, die es hoffentlich geben wird, vom
Konvent sprechen. Das ist ein Name, den das erste Gremium, überwiegend besetzt durch Parlamentarier, sich
selbst gegeben hat. Diesen Namen Konvent sollten wir
nicht verstecken.
Ich bin auch der Meinung, dass die Versuche, den neuen
Konvent von außen zu steuern, erledigt sind. Das war der
Versuch der Einrichtung einer so genannten Steering Commission. Das ist mit selbstbewussten Abgeordneten nicht
zu machen.
Ich wünsche mir, dass auch der zweite Konvent aus
Delegierten besteht, die Zivilcourage haben, die nicht von
den Sprechzetteln zum Beispiel der Ministerialbürokratie
oder einer so genannten Taskforce leben. Mit Verlaub, die
Bundesregierung hat ihren Beauftragten und dieses Parlament hat einen eigenen Delegierten. Das sollte man auch
auseinander halten. Das heißt, im neuen Konvent und
auch in der Arbeit dieses Konvents gilt für uns Parlamentarier der Satz: „Tua res agitur.“ Es geht um die künftige
Rolle der nationalen Parlamente und des Europäischen
Parlaments.
Wir sind ja wohl einig: Ein Zurück zum alten Verfahren, auch wenn einige Regierungen das noch wünschen
mögen, wird es nicht geben. Es wird keine Europapolitik
hinter verschlossenen Türen mehr geben, keine Europapolitik mit Geheimpapieren, die am Ende doch nicht geheim bleiben, und keine Europapolitik, die in der bekannten Nacht der langen Messer endet, in der die Kondition
und manchmal auch die Penetranz eines Regierungschefs,
der auf Einstimmigkeit pocht, den Ausschlag gibt. Wir
wollen ein offenes, transparentes Verfahren. Wir wollen
diesen zweiten Konvent ohne Einschränkung.
({3})
Nun lassen Sie mich noch sagen, warum ich optimistisch bin.
({4})
Als meine Fraktion vor sechseinhalb Jahren eine Charta
mit einem Grundrechtskatalog, bestehend aus Menschenund Bürgerrechten, vorschlug, wodurch deutlich werden
sollte, dass Europa eben nicht nur eine Währungsunion,
nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch
eine Wertegemeinschaft ist, da gab es auf der damaligen
Regierungsbank in Bonn Stirnrunzeln.
({5})
- Ich spreche von den Personen auf der damaligen
Regierungsbank, die sehr kritisch dreinblickten, als ich
damals, im Juni 1995, einen Verfassungskonvent
vorgeschlagen habe, der maßgeblich durch nationale Abgeordnete und Europaabgeordnete gegründet werden
sollte.
({6})
Was haben wir seitdem erlebt? 1999 kam es unter deutscher Präsidentschaft in Köln zum Durchbruch. Das sollte
uns gemeinsam optimistisch stimmen, wenn wir in die
Zukunft schauen.
Wir sollten uns nicht scheuen, den Begriff „Verfassung“ zu verwenden. Herr Kollege Schäuble, ein Verfassungsvertrag versperrt eine Möglichkeit des Inkraftsetzens der schon fertig gestellten Grundrechtecharta, die ich
wichtig finde. Dabei geht es um den obersten Gesetzgeber in Europa, nämlich um die Menschen in Europa. Ein
Verfassungsvertrag versperrt das Inkraftsetzen der Grundrechte-Charta durch ein EU-weites Referendum. Das Inkraftsetzen der Grundrechte-Charta sollten wir nicht
durch die Wahl eines Begriffs wie Verfassungsvertrag
ausschließen. Ich setze mich weiterhin für ein Referendum über diese Charta ein.
({7})
Ich will Sie nun auf die bemerkenswerten Beschlüsse
von vorgestern in Paris hinweisen.
({8})
Herr Kollege Schäuble, die deutsch-französische Zusammenarbeit muss ein europäischer Motor bleiben; deshalb
sollte man die von beiden Regierungen gefasste Entschließung von Nantes durchaus erwähnen. Aber man
sollte auch das, was etwa 70 Parlamentarier vorgestern
einstimmig verabschiedet haben, würdigen. Ich zitiere
aus diesem Beschluss:
Wir begrüßen die am 7. und 8. Dezember 2000 in
Nizza getroffene Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, eine breite und offene Debatte über
die Zukunft der Europäischen Union anzuregen. Eine
erfolgreiche Erweiterung setzt eine ehrgeizige Reform der Verträge voraus, die der erweiterten Union
eine legitimere und für die Bürger transparentere
Architektur verleiht und sie mit neuen Instrumenten
zur Verfolgung der großen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ziele ausstattet. In einer multipolaren Welt muss sich Europa die Mittel an die
Hand geben, sein wirtschaftliches und soziales Modell auf der Grundlage der humanistischen Werte und
des Fortschritts zu festigen. Es muss auch den Weg
einer stärkeren politischen Integration unter tatsächlicher Achtung der nationalen Identitäten weiter verfolgen und eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Dienste des Friedens betreiben.
Diese Erklärung, die es wert ist, besonders beachtet zu
werden, ist eine wichtige Grundlage für die Verhandlungen der Regierungen in Laeken.
Vom Außenminister, der den Europaausschuss nachher
weiter informieren wird, haben wir eben gehört, dass es
Probleme geben wird.
({9})
Ich bin der Meinung, dass wir in der Bundesregierung
einen guten Partner für die Verhandlungen in Laeken
haben, der hoffentlich wird durchsetzen können, was wir
uns, Herr Kollege Haussmann, etwa im Hinblick auf das
Präsidium vorstellen. Im Präsidium dürfen die Regierungsvertreter keine Mehrheit haben. Wenn es schon eine
Troikavertretung gibt, dann möge ihr - diesen Vorschlag
habe ich von spanischer Seite gehört - nur ein Mitglied
des jeweiligen EU-Präsidiums angehören. Dann hätten
wir - das alte Modell zugrunde gelegt - vier Regierungsvertreter und zwei Parlamentarier. Das führt logischerweise dazu, dass die Mehrheit des Konvents, nämlich die nationalen Abgeordneten und die Europaabgeordneten, je zwei Vizepräsidenten erhalten. Dadurch
könnte auch der Minderheitenschutz im Präsidium
beachtet werden. Dafür sollten wir und unsere Unterhändler uns gemeinsam einsetzen. Dieses Präsidium darf
kein Oberkonvent werden,
({10})
das die Arbeit des Konvents entwertet.
Ich würde gerne noch zu vielen Einzelheiten des Papiers, das Herr Kollege Schäuble und Herr Bocklet
({11})
Dr. Jürgen Meyer ({12})
präsentiert haben, Stellung nehmen. Die Zeit reicht leider
nicht aus. In Laeken geht es aber auch darum, den Konvent, also mehr Parlament in Europa, durchzusetzen. Wir
stehen nicht vor einer Revolution; aber wir stehen vor
einer wichtigen europapolitischen Weichenstellung, die
das Leben der Menschen und auch die Arbeit in diesem
Parlament prägen wird.
Der Europagedanke kann nur durch die Parlamente lebendig gehalten und wieder in die Köpfe und die Herzen
der Menschen getragen werden. Das sollten die Regierungschefs bedenken, die noch zögern, das Konventsmodell, wie wir es wollen, zu akzeptieren. Denen sollten wir
gemeinsam mit den Parlamentariern aus den 14 anderen
Mitgliedstaaten und aus allen Kandidatenländern zurufen:
Wir, die Parlamentarier, sind die erste Gewalt in unseren
Ländern!
Schönen Dank.
({13})
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Dr. Theodor
Waigel.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Vor 2 000 Jahren hat Kaiser
Augustus nicht nur den Befehl zur Volkszählung ausgegeben, sondern er hat damals die erste europäische Währung geschaffen, den Aureus. Wenn heute, 2 000 Jahre
später, der letzte Akt stattfindet, um eine gemeinsame europäische Währung zu etablieren, ist dies ganz sicher ein
großes historisches Ereignis.
({0})
Dr. Franz Thoma, der frühere Leiter der Wirtschaftsabteilung der „Süddeutschen Zeitung“, hat mir 1992 vor
der Unterzeichnung des Vertrages von Maastricht ins
Stammbuch geschrieben, er hoffe doch wohl, dass mir bei
der Unterzeichnung eines solchen Vertrages die Hand zittern werde, weil er dem Projekt skeptisch gegenüber
stand. Es ist wahr, die Hand hat mir gezittert, aber weil der
Füllfederhalter so groß war. Ich habe ihn mitgenommen,
Hans-Dietrich Genscher übrigens auch.
({1})
- Sie können beruhigt sein, es ist erlaubt worden.
({2})
Meine Damen und Herren, obwohl es keine einfachen
zehn Jahre waren, würde ich mich in allen Punkten noch
einmal genauso entscheiden wie bei der Vertragsunterzeichnung, bei der Ratifikation und beim Eintritt in die
dritte Stufe.
({3})
Ich will weniger darüber reden, wie viel Umtauschkosten
und Transaktionskosten eingespart werden und was alles
besser wird. Ich will anstelle einer Antwort die Frage
stellen: Was wäre eigentlich in den letzten Monaten und
in den letzten Jahren gewesen, wenn es den Euro nicht
gegeben hätte?
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es spricht wenig dafür,
dass die D-Mark ohne Währungsunion gegenüber dem
Dollar heute höher notieren würde.
({5})
Wenn man am Schluss des Wachstumszuges und am
Schluss des Konsolidierungszuges wäre, stünde man
wahrscheinlich nicht unter Aufwertungsdruck. Zum
Zweiten spricht nichts, aber auch gar nichts dafür, dass
Europas Wirtschaft ohne den Euro heute besser dastünde.
Aber es spricht vieles - ich meine, alles - dafür, dass
wir in den letzten 24 Monaten ohne den Euro innerhalb
Europas starke Währungsturbulenzen erlebt hätten mit
katastrophalen Ergebnissen auch für die deutsche Volkswirtschaft.
({6})
Ich bin überzeugt, das EWS gäbe es nicht mehr und es
hätte eine Achterbahnfahrt der Devisenkurse gegeben mit
verhängnisvollen Konsequenzen für unseren Export, für
die Fremdenverkehrswirtschaft, für die Landwirtschaft
und für viele andere.
Die damaligen Währungen haben schon in der Zeit
vom 1. Mai 1998 bis zum Jahr 1999, als der Euro noch
nicht bestand, aber die Währungen aneinander geknüpft
wurden, ihre Feuerprobe bestanden. Es gab im Gegensatz
zu den Befürchtungen vieler Notenbanker keinen Druck
unter den europäischen Währungen. Der Konvergenzprozess, nämlich eine Währung nicht zu dekretieren, sondern die Währungen mit den Kriterien des Stabilitätspakts
zehn Jahre aufeinander zu zu bewegen, hat sich als richtig erwiesen.
Meine Damen und Herren, nach den Terroranschlägen
am 11. September war nicht zuletzt der Euro mit ein Anker der Stabilität im Weltwährungssystem. Wann wäre
früher so etwas möglich gewesen wie am Montag, dem
17. September dieses Jahres, als der Präsident der Federal
Reserve, Alan Greenspan, und der Präsident der EZB,
Wim Duisenberg, sich kurzschlossen und vor Öffnung der
Finanzmärkte und der Börsen miteinander eine Zinssenkung verabredeten, für genügend Liquidität sorgten
und damit eine Katastrophe auf den Finanzmärkten verhinderten? Auch das ist ein Erfolg des Euro.
({7})
Es ist ja interessant, dass manche Skeptiker nicht nur
im Inland, sondern auch im Ausland ihre Meinung etwas
revidiert haben.
({8})
Ich habe einmal vor ein paar Jahren Alan Greenspan
gefragt: Wie hast du vor zehn Jahren über den Euro
gedacht, wie hast du vor fünf Jahren über den Euro
gedacht und wie denkst du jetzt über den Euro? Da lachte
Dr. Jürgen Meyer ({9})
er und sagte: Vor zehn Jahren „zero or below zero“, vor
fünf Jahren hielt ich es ebenfalls für aussichtslos und jetzt
bin ich froh, dass es neben dem Dollar diese zweite Weltreservewährung zur Stabilisierung des Weltwährungssystems gibt.
Auch ein deutsch-amerikanischer Wirtschaftsprofessor, Rudi Dornbusch, hat erst vor wenigen Tagen in der
„FAZ“ geschrieben:
Die Einführung des Euro ist eine herausragende
Erfolgsgeschichte - dies müssen selbst die größten
Skeptiker inzwischen anerkennen.
({10})
Im kommenden Jahrzehnt werden wir sehen, wie
sich die positive Wirkung der neuen Währung als
Motor der Integration und struktureller Reformen
voll entfaltet.
Eine nicht uninteressante Meinung aus der amerikanischen Volkswirtschaft.
({11})
Dem Literaten Martin Walser nehme ich seine Wehmutsgedanken beim Abschied von der D-Mark ab. Der
Helaba-erfahrene Weltökonom Hankel aber hat eine Wehmutskonjunktur für seine Talkshows ausgenützt, ohne in
der Substanz etwas dazu beizutragen.
({12})
Heute erleben wir bei Diskussionen hierüber viel Begeisterung bei der Jugend, Nachdenklichkeit bei den Älteren und Sorgen und Ablehnung bei den Alten. Ich kann
das verstehen, die D-Mark gehört zur deutschen Identität in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.
Dahinter stecken Leistung, Stabilität, Anerkennung und
Stolz. Die D-Mark gab es 1948, bevor Theodor Heuss
zum ersten Bundespräsidenten gewählt wurde.
({13})
- Beim Namen von Theodor Heuss sollten Sie sich, lieber
Kollege Haussmann, wirklich auf Ihren Platz begeben.
({14})
Ihre Unaufmerksamkeit während meiner Rede hält mich
davon ab, Ihren Beitrag bei dieser Geschichte darzustellen. Außerdem halten Sie den Außenminister davon
ab, der Debatte voll zu folgen. Sie sollten auch keine Silberlinge vom Außenminister Joseph Fischer entgegennehmen.
({15})
Das ist in der Bibel schon einmal schlecht ausgegangen.
({16})
Es gab also die D-Mark vor der Wahl des ersten Bundeskanzlers, bevor wir 1952 die erste Goldmedaille mit
zwei schweren Männern aus Grainau, Ostler und Nieberl,
erlebten und bevor wir 1954 mit einer sehr respektablen
Mannschaft Fußballweltmeister wurden.
({17})
Übrigens wurden die ersten D-Mark-Noten nicht in
Deutschland gedruckt, sondern sie kamen in 4 000 Kisten
aus den Vereinigten Staaten von Amerika, während all
das, was jetzt ausgegeben wird, in Deutschland geprägt
bzw. gedruckt wurde.
({18})
Meine Damen und Herren, ich gebe ehrlich zu, dass,
als ich 1989 das erste Mal den Delors-Bericht las, auch
dunkle Gedanken über mich kamen und ich mir überlegte:
Nein, lieber später, vielleicht im nächsten Jahrhundert;
das werden die anderen doch nicht schaffen und das werden die Deutschen nie akzeptieren. Ich stelle fest, es war
ein schwerer Weg dahin - „extra et intra muros“ -, ohne
dass ich da ins Detail gehen möchte.
({19})
- Das weiß ich. Das kommt später, Herr Fischer. Ich hoffe,
Sie kaufen es dann auch.
Der Euro hat Europa jedenfalls verändert. Vor zehn und
mehr Jahren gab es Inflationsraten von 5 bis 10 Prozent.
Gegenwärtig gibt es wieder eine Inflationsrate von 2 Prozent, nachdem sie im ersten Jahr nach Einführung des
Euro bei 1 Prozent lag. Konsolidierung der Staatsfinanzen: Vor zehn bis zwölf Jahren gab es 4, 6 oder 8 Prozent
Neuverschuldung. Heute liegt sie überall unter 3 Prozent;
allerdings liegen die Deutschen relativ nahe an diesem
Wert. Die Zinsen betrugen in manchen Ländern 15 oder
20 Prozent. Heute gibt es in Europa ein Zinsrekordtief,
wie es in Europa noch nie da war.
Privatisierung und Deregulierung waren früher
Fremdwörter. Heute gehören sie zu den Strukturelementen überall in Europa. Der Handel entwickelt sich dynamisch und die Kapitalverflechtungen sind positiv. Die Finanzmärkte wachsen zusammen und die Börsen arbeiten
zusammen. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist gestiegen. Es gibt eine Transparenz der Preise und auch der
Anlagemöglichkeiten.
({20})
Man muss sich einmal fragen: Wo stünde Europa heute
mit 15 oder 20 verschiedenen Währungen in einer globalisierten Welt? Der Euro ist die Antwort Europas, die gerade noch rechtzeitig gekommen ist, auf eine globalisierte
Welt.
({21})
Wir haben damals versprochen, dass der Euro so stabil
wie die D-Mark werden wird. Das ist auch der Fall. Entscheidend dafür sind die innere Stabilität und die Kaufkraft, die gewährleistet sind.
Ich will aber auch zum Außenwert ein paar Bemerkungen machen, weil das die Diskussion belebt. Der Start
war glänzend. Wir könnten jetzt zwar sagen: Helmut Kohl
und ich haben bei einem Kurs von 1,18 zum Dollar übergeben und für all das, was sich danach entwickelt hat, sind
Sie verantwortlich.
({22})
Eigentlich hätten Sie es verdient, dass man mit Ihnen so
umgeht. Aber so einfach will ich es mir trotzdem nicht
machen. Der Verlust von etwa 20 Prozent - und zum Teil
darüber - gegenüber dem Dollar wirft dennoch Fragen
auf, obwohl der gewogene Gesamtverlust - gegenüber
allen Währungen in der Welt - weniger als 10 Prozent
beträgt.
Man muss den Deutschen eines sagen: 1984/85 hat sich
niemand darüber aufgeregt, dass man 3,45 DM für einen
Dollar bezahlt hat.
({23})
Ich kann mich nicht erinnern, dass mir Lobpreisungen gesungen wurden, als man 1995 nur noch 1,36 DM für einen Dollar aufwenden musste.
Trotzdem gilt: Der Außenwert ist Reflex der Volkswirtschaft, der wirtschaftlichen Erwartungen und auch
der politischen Erwartungen. Für den gesunkenen Außenwert gibt es eine Reihe von Gründen: die großartige
Performance der Volkswirtschaft in den Vereinigten
Staaten mit ihrem hohen Wachstum, das Job-Wunder,
hohe Zinsen und hohe Gewinne. Aber es liegt auf der
anderen Seite ein Glaubwürdigkeitsdefizit vor - dem
müssen sich die deutsche Regierung und die deutsche
Volkswirtschaft stellen -, das auf den ausbleibenden
Strukturreformen
({24})
und auf den Zweifeln am Stabilitätspakt beruht, die nicht
jetzt, aber am Anfang Ihrer Regierungszeit geäußert wurden. Es ist schon ein schlimmer Fehler des Bundeskanzlers - er ist nicht anwesend, weil er einen ausländischen
Gast hat; das respektiere ich natürlich -, zu sagen, er sei
wegen des Exports eher an einer schwächeren als an einer
stärkeren Währung interessiert.
({25})
Der Bundeskanzler, der Präsident, der Außenminister und
der Finanzminister haben unaufhörlich ihr Interesse an einer starken Währung auszudrücken,
({26})
weil alles andere eine Katastrophe auf den Finanzmärkten
auslöst.
Frau Staatssekretärin, ich wäre Ihnen dankbar, wenn
Sie Ihrem Minister, der ebenfalls nicht anwesend sein
kann, ein paar Dinge übermitteln würden.
Zum Staatsdefizit. Wir hatten 1998 ein Staatsdefizit
von 1,8 Prozent, umgerechnet nach der neuen Statistik:
von 2,1 Prozent. Wir erwarten heuer ein Staatsdefizit von
2,5 Prozent - möglicherweise mehr - und im Jahre 2002
kann es sein, dass es darüber und nicht darunter liegt. Frau
Staatssekretärin, wo bleibt die Konsolidierungsleistung
des Staates als Ganzes, wenn Sie heute mit einem Staatsdefizit von 2,5 bis 2,7 Prozent rechnen müssen, damit
nahe an die Kriterien von Maastricht herankommen,
während wir 1998 unter sehr viel schwierigeren Bedingungen bei 2,0 bis 2,1 Prozent lagen?
({27})
Der Stabilitätspakt verlangt von uns entschiedene Leistungen. Klar war auch, dass man bei 2,0 Prozent nicht
stehen bleiben kann. Wenn man auf Ausgleich und auf
Überschuss hinarbeiten will, müssen noch weitere gewaltige Konsolidierungsleistungen erbracht werden. Das
Prinzip der Nachhaltigkeit würde zum ersten Mal in einen
völkerrechtlichen Vertrag einbezogen.
Weil ich hier nicht so oft das Wort ergreife, will ich ein
paar Bemerkungen zu den Rempeleien meines Nachnachfolgers, Herrn Eichel, machen, was die Konsolidierung
anbelangt.
({28})
Herr Eichel hat immer die gleiche Marotte. Dass man eine
Zeit lang von der Erblast spricht, ist okay - geschenkt.
({29})
Das haben wir auch gemacht. Aber langsam wird es ein
bisschen peinlich.
({30})
- Herr Fischer, das habe ich gerade gesagt.
({31})
- Herr Fischer, jetzt seien Sie aber ruhig. Sie sollen hier
überhaupt keine Zurufe machen, sondern ruhig zuhören.
({32})
- Nein, Oberlehrer bin ich nicht. Das war Herr Vogel, aber
selbst dem haben Sie es nicht zugerufen.
({33})
Also, nun komme ich zum Thema Nettokreditaufnahme. Wir haben das konjunkturabhängige Defizit von
1990 bis 1998 von 4,5 auf 0,5 Prozent reduziert. Das ist
keine Berechnung des damaligen Finanzministeriums,
sondern eine der Bundesbank von vor eineinhalb Jahren.
Wir haben im Haushalt drei Jahre hintereinander weniger
ausgegeben als zuvor. Der Ausgabenanteil des Bundes am
BIP lag mit 12 Prozent wesentlich unter dem des Jahres 1982 mit über 15 Prozent. Von 1990 bis 1997 haben
wir einen Ausgaben- und Subventionsabbau in der Größenordnung von 125 Milliarden DM durchgeführt. Anders
wären die Dinge nicht zu finanzieren gewesen.
Nun wedelt Herr Eichel immer mit Statistiken herum.
Ich habe zwar nicht so schöne Kurven wie er
({34})
- das können Sie auslegen, wie Sie wollen -, aber ein paar
Zahlen habe ich parat. Das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von 1989 bis 1998 betrug in Deutschland
2,4 Prozent, in der EU 2,1 Prozent und in der OECD
2,4 Prozent. Auch von 1983 bis 1988 und von 1970 bis
1982 lag es bei 2,4 Prozent.
Die Preisstabilität war in Deutschland von 1989 bis
1998 mit 2,5 Prozent etwas höher als von 1983 bis 1988.
Damals betrug sie 1,5 Prozent. Das war auch eine großartige Leistung von Gerhard Stoltenberg. Von 1970 bis 1982
betrug sie 5,1 Prozent.
Jetzt komme ich zur Beschäftigung. Von 1989 bis
1998 gab es in Deutschland und in der EU einen Zuwachs
von 0,2 Prozent. Wir liegen also genau im Schnitt. Von
1983 bis 1988 waren es 0,4 Prozent, in den Jahren 1970
bis 1982 waren es 0,1 Prozent.
Nun zu den Investitionen. In den Jahren 1989 bis 1998
betrugen sie in Deutschland 2,2 Prozent und in der EU
2,1 Prozent. Von 1983 bis 1988 waren es 3,8 Prozent, von
1970 bis 1982 0,5 Prozent.
({35})
- Das ist keine Kosmetik. Das sind offizielle Zahlen. Wir liegen damit sehr gut im Schnitt.
Nur, meine Damen und Herren, im Gegensatz zu den
anderen Ländern haben wir jedes Jahr zwischen 6,2 und
6,7 Prozent des BIP für die deutsche Einheit ausgegeben.
({36})
Von 1990 bis 1998 haben wir dafür 1 500 Milliarden DM
aufgewendet, davon 80 Prozent der Bund. Sie können die
Schulden ruhig beziffern. Aber ein Gebot des Anstands
wäre es, hier oder da zu sagen, warum die Schulden entstanden sind und für welche Investitionen in Deutschland
wir sie benutzt haben.
({37})
Übrigens sind dies nicht meine Zahlen, sondern die des
RWI, das sie in einer Studie selbst erarbeitet hat. Auch
hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn sich Hessen damals
etwas stärker an den Kosten der Wiedervereinigung beteiligt hätte. Wir wären gern bereit gewesen, bis 1998 noch
stärker zu konsolidieren. Aber wir haben im Bundesrat
nicht eine Blockade vorgefunden.
({38})
Wir hätten eine Steuerreform mit besserer Berücksichtigung des Mittelstandes schon zum 1. Januar 1998 haben
können.
({39})
Im Gegensatz zu allen anderen Ländern, die Strukturreformen durchführten, die den Arbeitsmarkt dereguliert
haben, wurden in Deutschland die notwendigen, schwer
durchgesetzten Reformen der Regierung Helmut Kohl
sogar noch zurückgenommen. Dann haben Sie noch
„draufgesetzt“. Das hat kein anderes Land gemacht. Das
ist der Grund für die Wachstumsschwäche und für die
hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland. Das haben Sie mindestens zur Hälfte zu vertreten. Die andere Hälfte - das
gebe ich gerne zu - sind die Kosten der Einheit, die Sie
auch heute noch tragen müssen. Aber um die eine Hälfte
der Verantwortung kommen Sie nicht herum.
({40})
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass der
Euro Potenzial hat. Er ist nicht nur eine wichtige Emissionswährung, sondern er wird nach dem Dollar zur Weltreservewährung. Die Akzeptanz auf den Kapitalmärkten, die Transparenz der Produkte und der integrierte
Finanzmarkt sind gegeben.
Zwei Szenarien sind für die Zukunft vorstellbar: Entweder die Vereinigten Staaten von Amerika knüpfen ganz
schnell wieder an ihre unglaubliche Wachstumsstärke Anfang der 90er-Jahre an und kommen bald aus der Rezession heraus, während bei uns nichts passiert - dann wird
der Dollar sehr stark sein und der Euro eher schwächer -,
oder wir ergreifen unsere Chance, führen Strukturreformen durch, verbessern die Steuerreform und machen mit
der Konsolidierung weiter, dann ist der Euro in der Lage,
sein Potenzial auszunutzen.
({41})
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Es ist schön,
dass der Internationale Karlspreis zu Aachen an den
Euro vergeben wird, an Werteinheit und Wertmaßstab.
Aber ohne Menschen wäre diese Erfolgsstory nicht möglich gewesen.
({42})
Ich erinnere mich an folgende Menschen, die man bei
einer solchen Preisverleihung auch hätte nennen können: Carlo Ciampi, Pierre Bérégovoy, Jean Arthuis,
Dominique Strauss-Kahn, Wim Kok und Gerrit Zalm,
Phillipe Maystadt, Jean-Claude Juncker, Nigel Wicks von
Großbritannien, der das Ganze ausgezeichnet mit vorbereitet hat, Baron Lamfalussy und - ohne ihn wäre das alles nicht passiert - Helmut Kohl.
({43})
Ich vergesse dabei auch nicht die großartige Arbeit
der Bundesbankpräsidenten Karl-Otto Pöhl, Professor
Schlesinger und Professor Tietmeyer und das, was ausgezeichnete Staatssekretäre wie Horst Köhler, Gerd Haller,
Jürgen Stark und Ministerialdirektor Klaus Regling geleistet haben.
({44})
Lassen Sie mich mit einem Zitat schließen, das mich
immer wieder bewegt hat. 1946 hat der Gründer der
CSU, Dr. Josef Müller, der wenige Monate zuvor noch im
Konzentrationslager in Flossenbürg an der Seite von
Canaris und Bonhoeffer - sie sind dem Inferno leider
nicht entkommen, aber er hat es geschafft - gewesen war,
aus der Erfahrung dieses Lebens gesagt: Länder mit einer
gemeinsamen Währung führen nie Krieg gegeneinander.
Wir brauchen eine gemeinsame Währung, damit nie mehr
Krieg in Europa entsteht.
({45})
- Bestreiten Sie das?
({46})
Aber Sie denken an
Ihre Redezeit, Herr Kollege.
Ich bin gleich fertig, Frau Präsidentin.
Ich habe daran gedacht, als ich vor ein paar Wochen
in Niederbronn den Kriegsgräberfriedhof besucht habe,
auf dem 15 000 Deutsche, darunter mein Bruder, liegen.
Wäre es früher möglich gewesen, so zu handeln, wie es
Dr. Josef Müller und andere vorgeschlagen haben, was
wäre Deutschland und einer ganzen Generation erspart
geblieben!
Darum ist der Euro ein Beitrag zu mehr Wettbewerb,
Transparenz, Produktivität für die Finanzmärkte, eine
Antwort auf die Globalisierung, aber auch ein Beitrag
zum Frieden in Europa. Etwas Besseres an Investitionen
können wir für unsere Kinder und für die nächsten Generationen nicht tätigen.
Vielen Dank.
({0})
Zu einem Satz erteile
ich das Wort dem Herrn Außenminister, wage aber zugleich die Bemerkung, dass es in der Tat so ist, dass sich
die Mitglieder auf der Regierungsbank eigentlich nicht
durch irgendwelche Zwischenrufe in die Debatte einschalten sollten. Aber jetzt haben Sie das Wort.
Ich möchte, da der Kollege Waigel zu Recht all diejenigen
erwähnt hat, die wesentlich zur Einführung des Euros
beigetragen haben, und ihnen gedankt hat, auch ihm ganz
persönlich für seine Leistung danken.
({0})
Nun erteile ich dem
Kollegen Christian Sterzing für Bündnis 90/Die Grünen
das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr
Kollege Waigel hat sicherlich Recht, wenn er auch vor
Laeken darauf hinweist, dass uns mit der Einführung des
Euro Anfang Januar ein entscheidendes Datum des europäischen Integrationsprozesses bevorsteht und dass dies
eine der historischen Entwicklungslinien ist, vor der dieser Gipfel in Laeken stattfindet.
Aber es gibt noch einige andere historische Linien, die
wichtig sind, um Laeken richtig einzuschätzen. Neben der
Euro-Einführung ist es auch die Erweiterung. Wir werden in Laeken einen weiteren deutlichen Schritt in Richtung „big bang“, also eines Beitritts von bis zu zehn Staaten, erleben. Dies ist ein weiteres Ereignis, das Europa
mittel- und langfristig ganz wesentlich verändern wird.
Eine dritte Linie, die für Laeken wichtig ist, ist der
11. September mit seinen politischen Folgen; denn wir
alle ahnen zumindest, in welcher umfänglichen Form dieses Datum nicht nur die Kräftekonstellationen in Europa,
sondern auf dem ganzen Erdball verändern wird. Die Folgen sind im Einzelnen noch nicht absehbar. Vieles ist noch
im Fluss. Aber die Diskussion über die Rolle Europas in
der Welt ist nach dem 11. September nötiger denn je. Wir
werden sicherlich, sowohl was die Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik als auch die gemeinsame Innenund Justizpolitik anbelangt, neue Entwicklungslinien
konsequenter und energischer zu verfolgen haben, als das
bisher der Fall gewesen ist.
Das Vierte ist schließlich ein Stichwort, das auch schon
Erwähnung gefunden hat: Globalisierung. Die Kommission wird in Laeken einen Zwischenbericht über die Folgen der Globalisierung für Europa vorlegen. Hier wird
auch deutlich, dass sich Europa in dieser neuen, globalen
Gemengelage neu definieren, seine Rolle neu finden
muss.
Vor diesem Hintergrund findet Laeken statt. Insofern
besteht meines Erachtens durchaus die Chance, dass dieser Gipfel auch zu einem historischen Gipfel wird. Aus
unserer Sicht geht es natürlich sehr stark darum, die Zukunftserklärung von Nizza in konkrete Schritte umzusetzen. Dies ist insbesondere mit dem Stichwort „Konvent“
verbunden. Dabei müssen wir immer deutlich machen,
dass wir mit dem Konvent mehr verbinden als nur die
Gründung eines neuen Gremiums innerhalb Europas, dass
wir mit der Arbeit des Konvents auch mehr verbinden als
eine rein institutionelle Debatte. Bei diesem Konvent wird
es vor den skizzierten Entwicklungslinien in Europa und
in der Welt um die politische Rolle und um die politische
Struktur Europas in der Zukunft gehen.
Aus vielen Mängeln und Defiziten bisheriger Regierungskonferenzen ziehen wir nun mit der Gründung des
Konvents eine Konsequenz. Wir können von dieser Stelle
her nur alle Regierungs- und Staatschefs in Laeken ermutigen, entschlossen und konsequent diesen neuen Weg zu
gehen; denn der Konvent mit seiner überwiegend parlamentarischen Bedeutung stellt eine neue Qualität in der
Fortentwicklung des Integrationsprozesses dar.
({0})
Die wesentlichen Stichworte - sie wurden in den verschiedenen Variationen hier schon von den Kolleginnen
und Kollegen angesprochen - sind zum einen Parlamentarisierung, also Demokratisierung des Integrationsprozesses insbesondere durch einen Parlamentarisierungsprozess, aber auch Politisierung und Entnationalisierung
der Debatte.
Es geht in Laeken selbst noch nicht um die zukünftige
Gestalt der Europäischen Union, es geht noch nicht um
das institutionelle Design der Gremien und Institutionen
in der Europäischen Union. Es geht aber um ein Gremium, das für die Zukunftsdebatte ein ganz entscheidendes Instrument sein muss und in dem sich diese Zukunftsdebatte herauskristallisieren soll. Insofern geht es
natürlich auch um ein Gremium, in dem sich - so hoffen
wir - ein Stück der Zukunft Europas realisieren wird. Das
heißt, das, was wir in den nächsten Jahren mit den Zielen
im Rahmen der Diskussion über den Integrationsprozess
und über die zukünftige Gestalt Europas verbinden, muss
in diesem Konvent wiedererkennbar sein. Nur dann wird
er glaubwürdig, nur dann gewinnt er die für die anstehende Zukunftsdebatte notwendige Legitimität.
({1})
Der Konvent kann zu einem großen Erfolg führen,
wenn in Laeken die entsprechenden Voraussetzungen
dafür geschaffen werden. Eine Voraussetzung ist ein umfangreiches und starkes Mandat, ohne dass man den Konvent damit überfrachtet. Eine zweite ist, Vertrauen in das
Selbstorganisationsrecht dieses Gremiums zu haben,
damit dort auf Dauer eine Dynamik gewährleistet wird,
die angesichts der globalen Entwicklungen unbedingt
notwendig ist, um in dieser Zukunftsdebatte zu konkreten
Ergebnissen und zu weiterführenden Schritten zu kommen. Das bedeutet schließlich, dass in Laeken davon abgesehen werden muss, diesen Konvent in irgendeiner
Weise zu gängeln, ihn in seinen Verfahren und in seinen
Debatten in irgendeiner Weise zu beschränken.
Das wären Voraussetzungen, die in den nächsten Monaten und Jahren dazu führen würden, dass die Debatten
über die Zukunft Europas nicht nur auf europäischer
Ebene, sondern auch auf nationaler Ebene an Intensität
und an Breite zunehmen. Wir, die Parteien in der Bundesrepublik, haben unsere Hausaufgaben bereits gemacht.
Das Papier von der CDU/CSU, das in dieser Debatte sicherlich eine Rolle spielt, sowie der Leitantrag auf dem
Nürnberger Parteitag der SPD wurden schon erwähnt. In
aller Bescheidenheit möchte ich darauf hinweisen, dass
auch die Grünen in Europa ein gemeinsames, transnationales Papier entwickelt haben,
({2})
in dem die Zukunftsvorstellungen über dieses Europa
im Einzelnen und fern von nationalen Verengungen und
Sichtweisen dargelegt werden. Das sind erste wichtige
Schritte. Eine gute Zukunftsdebatte bleibt aber an die erwähnten Voraussetzungen geknüpft.
Zwei Bemerkungen zum Schluss, die uns als deutsches
Parlament in besonderer Weise betreffen. Erste Bemerkung: Die Zukunftsdebatte dürfen wir nicht allein dem
Konvent überlassen. Sie darf aber auch nicht allein den
europäischen Parlamentariern oder den nationalen Parlamenten überlassen bleiben. Vielmehr müssen wir alles
daransetzen - dafür müssen wir noch Ideen und Initiativen entwickeln -, breite Teile der Zivilgesellschaft, Organisationen, Verbände und Institutionen, an dieser Debatte
zu beteiligen. Insofern ist die Europäisierung der nationalen Debatten eine Aufgabe, die sich uns stellt.
Zweite Bemerkung: Nach der Zukunftserklärung in
Nizza wird im Konvent die Debatte über die Rolle der nationalen Parlamente in der europäischen Architektur einen der Schwerpunkte bilden. Gerade wir hier im Parlament werden in der nächsten Zeit sehr intensiv über die
Rolle der europäischen Politik in unserer nationalen Architektur diskutieren müssen. Denn nur wenn uns dies gelingt, wird diese Debatte auch in der europäischen Öffentlichkeit in Zukunft eine Rolle spielen.
Vielen Dank.
({3})
Ich erteile nun der
Kollegin Monika Heubaum für die SPD-Fraktion das
Wort.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die gewaltfreie Konfliktregelung ist eine der Grundlagen der europäischen Integrationspolitik. Die Europäische Union verfügt wie kaum
ein anderer internationaler Akteur über ein breites Spektrum an Erfahrungen und Instrumenten zur Konfliktprävention. Der Europäische Rat von Göteborg hat ein
Europäisches Programm zur Verhütung gewaltsamer
Konflikte verabschiedet, das die Politik der EU noch
wirksamer an dem Ziel ausrichtet, gewaltfreie Konfliktregelungen zu fördern.
Beim Aufbau ziviler Fähigkeiten sind Fortschritte erzielt worden. Die Europäische Union wird so beispielsweise ihr für das Jahr 2003 gesetztes Ziel erreichen, bis zu
5 000 Polizisten für internationale Einsätze bereitstellen
zu können. Die Schaffung der permanenten Strukturen der
europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist
ebenfalls auf gutem Wege. Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee sowie der EU-Militärausschuss
haben ihre Arbeit aufgenommen. Der EU-Militärstab sowie die Einheit zur Planung und Durchführung von Polizeieinsätzen sind eingerichtet worden.
Die Arbeiten am militärischen Leitziel sind auf allen
Gebieten vorangebracht worden. Damit ist das Ziel erreichbar, bis zum Jahr 2003 bis zu 60 000 Soldaten für
Einsätze zur Konfliktprävention und Krisenbewältigung
entsenden zu können. Der Europäische Rat in Laeken
wird den Zeitpunkt der Einsatzfähigkeit beschließen. Wir
erwarten natürlich, dass die parlamentarische Kontrolle
der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
durch die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten
und durch das Europäische Parlament gewährleistet wird.
({0})
Dass die Außen- und Sicherheitspolitik Gewicht hat
und Erfolge bringt, wird an zahlreichen Beispielen deutlich. Die Balkanregion ist ein Schwerpunkt außen- und
sicherheitspolitischer Aktivitäten der Europäischen
Union und ihrer Mitgliedstaaten. Die Eröffnung der europäischen Perspektive für die Länder der Region hat FortChristian Sterzing
schritte in allen gesellschaftlichen Bereichen bewirkt.
Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen der EU
konnten bereits mit Kroatien und Mazedonien abgeschlossen werden. Die EU hat aufgrund ihrer Vermittlungstätigkeit wesentlichen Anteil daran, dass das Abkommen
von Ohrid zustande gekommen ist, das die Basis der internationalen Friedensmissionen in Mazedonien bildet.
({1})
Der Stabilitätspakt für Südosteuropa hat sich bewährt.
Wir unterstützen ausdrücklich die Stabilisierungs- und Assoziierungsziele der Europäischen Union auf dem Balkan
und befürworten die Fortsetzung des Stabilitätspaktes.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir ist an dieser Stelle die Feststellung wichtig, dass die Weiterentwicklung und Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gegen
niemanden gerichtet ist und auch niemanden ausschließen
soll. Es geht uns nicht um die Schaffung einer Sicherheitsstruktur neben der NATO, sondern um die Stärkung
des europäischen Pfeilers innerhalb der NATO. Sicherheitspolitik in Europa wird auch in Zukunft nur gemeinsam mit unseren Verbündeten auf der anderen Seite des
Atlantiks möglich sein. Unser Verhältnis zu den USA und
Kanada wird durch den Ausbau einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gestärkt.
Ein starkes Europa ist ein guter, verlässlicher Partner in
der transatlantischen Zusammenarbeit.
({2})
Unsere Anstrengungen und die Politik für ein gemeinsames Sicherheits- und Verteidigungsbündnis richten sich
nicht gegen andere Staaten. Um dies zu unterstreichen,
werden wir gemeinsame Strategien mit Russland und der
Ukraine umsetzen und die strategische Partnerschaft mit
Russland vertiefen. Die Einbindung Russlands in die Antiterrorallianz ist auch ein Ergebnis erfolgreicher europäischer Politik. Die Terroranschläge in New York haben
uns deutlich gezeigt, dass die westliche Welt vor einer
neuen politischen Herausforderung steht. Der europäische Aktionsplan zur Bekämpfung des Terrorismus wird
konsequent umgesetzt. Die Europäische Union hat eine
umfassende diplomatische Initiative entfaltet, um eine
möglichst globale Koalition gegen den Terrorismus voranzubringen.
Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt ausdrücklich
die Ziele der Europäischen Union für die Zukunft Afghanistans. Afghanistan hat jetzt eine neue Regierung, die
dem Terrorismus die Basis entziehen kann und die dem
Land humanitäre und wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven eröffnet. Die Bundesregierung hat mit der Aufstockung ihrer Hilfsprogramme für Afghanistan die Bereitstellung zusätzlicher Mittel seitens der EU
angestoßen. Deutschland und die EU setzen sich im humanitären Bereich verstärkt für die Bevölkerung der an
Afghanistan grenzenden Länder sowie für die afghanischen Flüchtlinge ein.
All dies bedeutet, dass die Weiterentwicklung der europäischen Integration und die Antworten der Europäischen Union auf die aktuellen internationalen Herausforderungen eine Stärkung der gemeinsamen europäischen
Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik dringend
notwendig machen.
({3})
Auch in dieser Hinsicht birgt somit der Europäische
Rat von Laeken große Herausforderungen, aber auch sehr
große Chancen. Ich bin mir sicher, dass bei den Verhandlungspartnern der Bundesregierung diese Problematik in
sehr guten Händen ist.
Danke.
({4})
Nun hat das Wort der
Kollege Jörg-Otto Spiller für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Waigel,
es war erfrischend, Sie wieder einmal im Plenum zu
hören.
({0})
Ich bestätige Ihnen sehr gerne: Sie sind doch immer noch
der Alte.
({1})
Das gilt allerdings leider auch für Ihren Umgang mit
Zahlen, der immer etwas eigentümlich war.
({2})
Sie haben beispielsweise vorhin gesagt, unter Ihrer Verantwortung seien die Ausgaben des Bundes zeitweilig
rückläufig gewesen.
({3})
Dafür gab es einen einzigen Grund. Das Kindergeld ist
von einer Sozialleistung, die als Ausgabe verbucht wurde,
zu einer Steuermindereinnahme umgestellt worden, zu einer Rückerstattung von Steuern, die als Mindereinnahme
bei den Einnahmen verbucht wurde. In der Sache hatte
sich gar nichts geändert.
({4})
Dann haben Sie auch so hübsch darauf hingewiesen, es
habe doch unter Ihrer Verantwortung am Schluss ein niedrigeres Defizit gegeben.
({5})
Das war allerdings leider wirklich nur das gesamtstaatliche Defizit,
({6})
während das von Ihnen zu verantwortende Defizit des
Bundes deutlich höher war. Ich sage Ihnen Folgendes:
1998 betrug das Haushaltsdefizit des Bundes - Sie hatten
den Haushalt eingebracht - 56,6 Milliarden DM. In diesem Jahr hatten wir ein Defizit von 43,8 Milliarden DM.
Das ist deutlich weniger.
({7})
- Sie allerdings waren für den Bund zuständig.
In einem Punkt, Herr Kollege Waigel, haben wir immer
mit Ihnen voll übereingestimmt: Das war die Grundhaltung zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.
Das möchte ich Ihnen noch einmal bestätigen. Auch wir
erkennen an, dass Sie hier Ihre Verdienste haben.
Die Einführung des Eurobargeldes steht unmittelbar bevor: der letzte Schritt der Europäischen Wirtschafts- und
Währungsunion. Die Zustimmung zum Euro in Deutschland ist zweifellos gestiegen. Aber ich weiß: Vielen Deutschen fällt der Abschied von der D-Mark schwer. Es gibt
Währungen mit einer erheblich längeren Geschichte als
die Mark. Die Mark kommt, wenn man großzügig rechnet,
allenfalls auf 130 Jahre. Wenn man etwas genauer hinschaut, muss man anerkennen: Es hat nach der Reichsgründung mehrere Jahre gedauert, bis dann tatsächlich die
Mark zu 100 Pfennigen die alten Währungen der Einzelstaaten ersetzt hatte, zum Beispiel in Preußen den Taler zu
30 Groschen oder in Bayern den Gulden zu 60 Kreuzern.
({8})
Aber für die meisten Deutschen ist die Mark nicht nur
einfach die vertraute Währung. Die D-Mark hatte lange
Zeit geradezu eine identitätsstiftende Kraft. In den Westzonen war die Währungsreform von 1948 die eigentliche
Wegmarke für den Neuanfang und Wiederaufbau nach der
deutschen Katastrophe von 1933 bis 1945. Die D-Mark
war eher da als die Bundesrepublik.
40 Jahre später, als in Ostdeutschland der Ruf nach
Freiheit und gleichen Lebenschancen die SED-Diktatur
hinwegfegte, mündete das Aufbegehren in die Formel:
„Kommt die D-Mark nicht zu uns, dann kommen wir zur
D-Mark.“
({9})
Bei der Wiedervereinigung ging mit der Währungsunion
vom Juli 1990 wiederum die Einführung der D-Mark der
Staatswerdung voraus.
Woher kommt dieser große Ansehen, dieses große Vertrauen, das sich die D-Mark in Deutschland und außerhalb
Deutschlands in den letzten 50 Jahren erwerben konnte?
Ich glaube, es gibt einen wesentlichen Grund dafür: der
breite Konsens darüber, der in Deutschland über Jahrzehnte vorhanden war, dass eine starke Wirtschaft eine
stabile Währung als eine ihrer wesentlichen Grundlagen
braucht und dass man eine starke, dynamische Wirtschaft
nicht auf eine schwache Währung stützen kann. Diese
Stabilitätskultur, die nicht nur dem Geist von ein paar
Technokraten in Frankfurt oder in Bonn entsprang, sondern die von breiten Schichten der Bevölkerung getragen
worden ist - auch im Konflikt immer wieder durchgehalten und bestätigt wurde -, war eine der wesentlichen
Grundlagen für die erfolgreiche Währungsgeschichte der
letzten 50 Jahre in Deutschland.
Es gab darüber hinaus kluge institutionelle Vorkehrungen, nämlich die Konstruktion der Bundesbank, unabhängig von Parlament und Regierung und versehen mit dem
ausdrücklichen Verbot, den Staat durch Kredite zu finanzieren. Genau diese Konstruktion ist geradezu modellhaft
bei der Konstruktion der Europäischen Zentralbank im
Rahmen der Konstruktion der Europäischen Wirtschaftsund Währungsunion übernommen worden.
Unsere Partner in der Union haben - was durchaus
nicht selbstverständlich war - diese Grundlagen übernommen. Die Europäische Zentralbank ist sozusagen
spiegelbildlich zur Deutschen Bundesbank konstruiert,
({10})
unabhängig von Regierung und Parlament - auch dem
Europäischen Parlament - und mit dem ausdrücklichen
Verbot versehen, an Mitgliedstaaten oder der Europäischen Union Kredite zu geben, sowie ausdrücklich darauf verpflichtet, das Ziel der inneren Geldwertstabilität
als erste Richtschnur der Geldpolitik zu betrachten und zu
würdigen.
So komme ich zu dem erfreulichen Schluss: Wenn
am Ende dieses Jahres die D-Mark aufhört, eine eigene
Währung zu sein, dann ist die Geschichte der Währung
eigentlich nicht zu Ende. Das Erbe der D-Mark, der
Geist und die Konstruktion von Stabilität gehen in die
neue Währungsunion und die neue Währung Euro über.
Darauf können wir alle bauen.
({11})
Lassen Sie mich gleichwohl eine kritische Bemerkung
machen: Sowohl die Europäische Zentralbank als auch
die Kreditinstitute in Europa müssen akzeptieren: Ein
Markt und eine Währung bedeuten auch, dass man binnenmarktähnliche Verhältnisse braucht. Es kann nicht
sein, dass sich der Zahlungsverkehr von einem Land in ein
anderes, das auch der Währungsunion angehört, wieder
über Briefe, in die man Bargeld steckt, vollzieht. Wir
brauchen einen Zahlungsverkehr, der billig und schnell ist
und innerhalb der Europäischen Währungsunion genauso
funktioniert wie innerhalb eines Landes.
({12})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen auf
den Drucksachen 14/7788, 14/7789, 14/7790 und
14/7791 zur federführenden Beratung an den Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union und zur
Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss, den InnenJörg-Otto Spiller
ausschuss, den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss,
den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung sowie den Verteidigungsausschuss zu überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 14/7781 soll mit Ausnahme des Innenausschusses an
dieselben Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Nun rufe ich den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft zur Finanzierung von Bundesverkehrswegen.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
der Bundesregierung hat der Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen, Herr Bodewig. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute den Beschluss über ein Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesetz gefasst. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen
wir die Gründung einer verkehrsträgerübergreifenden Finanzierungsgesellschaft für die Finanzierung von Bundesverkehrswegen auf den parlamentarischen Weg bringen. Ich bin mit dem Bundesminister der Finanzen in der
Bewertung einig, dass die bisherige alleinige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur über den allgemeinen
Haushalt an ihre Grenzen stößt. Hier muss umgesteuert
und der Einstieg in eine zusätzliche Nutzerfinanzierung
gefunden werden.
Die Einführung der LKW-Maut ab 2003 bietet eine
gute Gelegenheit, die Einführung einer Nutzerfinanzierung der Verkehrswege mit einer neuen Finanzierungsstruktur zu verbinden. Kernelement dabei ist die
Gründung einer Finanzierungsgesellschaft des Bundes in
der Rechtsform einer GmbH zur Finanzierung von Bundesverkehrswegen bei Schienen, Straßen und Wasserstraßen. Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, das Gebührenaufkommen aus der LKW-Maut weitgehend der
Finanzierungsgesellschaft für Zwecke der Verkehrsinfrastruktur zukommen zu lassen. Dadurch entsteht neben
dem Haushalt eine zweite Säule der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung.
Darüber hinaus erreichen wir ein weiteres politisch
wichtiges Ziel: Für den Gebührenzahler übernimmt die
Finanzierungsgesellschaft die Garantie, dass das von ihm
gezahlte Nutzerentgelt der Verkehrsinfrastruktur wieder
zugute kommt. Damit stärken wir die Akzeptanz der
LKW-Maut bei der transportierenden wie bei der verladenden Wirtschaft. Außerdem greifen wir mit dem Gesetzentwurf auch einen Vorschlag der Unabhängigen
Regierungskommission „Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, der so genannten Pällmann-Kommission, auf, die
im letzten Jahr innovative Strukturen für die Finanzierung
der Verkehrsinfrastruktur empfohlen hat.
Die Gesellschaft soll zunächst vorrangig die Maßnahmen des Anti-Stau-Programms für die Verkehrsträger
Straße, Schiene und Wasserstraße finanzieren. Dies wird
im Zeitraum von 2003 bis 2007 zu Investitionen mit einem Gesamtvolumen von rund 7,4 Milliarden DM führen.
Eine spätere Erweiterung des Tätigkeitsbereiches der Gesellschaft über das Anti-Stau-Programm hinaus auf die
Finanzierung zukünftiger Infrastrukturvorhaben des Bundes ist ebenfalls vorgesehen. Der Gesetzentwurf enthält
einen entsprechenden Spielraum und ermöglicht die
Durchführung weiterer verkehrsträgerübergreifender
Programme aus einem Guss.
Neben diesen Finanzierungsaufgaben können der Gesellschaft auch Aufgaben im Zusammenhang mit der Entwicklung und der Betreuung von Betreibermodellen übertragen werden. Damit entsprechen wir übrigens einem seit
längerem geäußerten Anliegen der Bauwirtschaft, die ihre
Leistungsfähigkeit bei der privatwirtschaftlichen Finanzierung und Erstellung sowie beim Betrieb von Verkehrsinfrastrukturprojekten stärker als bisher unter Beweis
stellen will.
Ganz besonders wichtig sind mir folgende Aspekte des
Gesetzentwurfs: Die Gesellschaft wird von Anfang an
schlank organisiert und sich auf wenige Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter beschränken. Wir schaffen also keine
neue Bürokratie, sondern eine effiziente Struktur, die nach
privatwirtschaftlichen Prinzipien arbeiten wird.
Die Einnahmen und Ausgaben der Gesellschaft sind
transparent und unterliegen der Kontrolle der Bundesregierung und des Parlaments. Die Prinzipien von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit bleiben uneingeschränkt gewahrt.
Die Gesellschaft wird Ende nächsten Jahres arbeitsfähig sein, das heißt rechtzeitig, bevor die Einnahmen aus
der Erhebung der LKW-Maut zu erwarten sind. Die hierzu
erforderlichen Schritte sind eingeleitet.
Lassen Sie mich zusammenfassend noch einmal die
Ziele verdeutlichen, die wir mit dem Gesetz erreichen
wollen: Wir schaffen neben dem Haushalt, der zur Finanzierung aber auch zukünftig unentbehrlich bleibt, eine
zweite Säule der Finanzierung von Infrastruktur. Wir realisieren innovative Finanzierungsformen. Wir stärken die
Infrastrukturinvestitionen. Wir erhöhen die Akzeptanz für
die LKW-Maut.
Meine Damen und
Herren, ich bitte Sie, zunächst Fragen zu diesem Themenbereich zu stellen. Dazu liegt mir zunächst eine Wortmeldung der Kollegin Ostrowski vor. Bitte sehr.
Herr Minister Bodewig,
Sie haben gesagt, dass die Gebühren, die Sie einnehmen
werden, weitgehend zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur verwendet werden sollen. Abgesehen davon, dass
ich hoffe, dass die neu zu gründende Gesellschaft besser
arbeiten wird als die Bundesbaugesellschaft, habe ich folgende konkrete Fragen: Mit wie vielen Einnahmen jährlich rechnen Sie? Zu welchen Anteilen wollen Sie diese
Einnahmen zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur
im Bereich der Straße, im Bereich der Schiene usw.
verwenden? Ihnen dürfte ja bekannt sein, dass es da zwei
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Extreme gibt. Die einen sagen, alles müsse in die Straße
investiert werden, und die anderen sagen - richtigerweise,
denke ich -, es müsse mehr in die Schiene und in die Wasserstraßen investiert werden.
Ich beantworte die Fragen gern, obwohl sie nicht direkt im Zusammenhang mit der
Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft stehen,
sondern mehr den Gesetzentwurf zur LKW-Maut betreffen, den wir morgen in zweiter und dritter Beratung behandeln werden.
Die Gesellschaft hat das Ziel, das Anti-Stau-Programm
umzusetzen. Im Anti-Stau-Programm ist der folgende
Schlüssel festgelegt: die Hälfte für den Straßenbau, zwei
Sechstel für den Schienenbereich und ein Sechstel für
Wasserstraßeninfrastruktur. Das entspricht unserem
Grundverständnis von einem integrierten Verkehrskonzept. Aufgrund der darin festgelegten Aufteilung werden
sich bestimmte Wirkungen einstellen.
Das Aufkommen bestimmt sich durch die Höhe der
Maut. Grundlage hierfür ist ein Gutachten, das zwei unabhängige Untersuchungsinstitute erarbeitet haben.
Maßgeblich sind die Wegekosten in Höhe von 6,6 Milliarden DM. Davon müssen die pauschale Ablösung der
Euro-Vignette und die Kosten des Betriebs und der Kontrolle abgezogen werden. Die verbleibende Mehreinnahme wird dann über die Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft den einzelnen Verkehrsprojekten
zugeführt.
Nun hat das Wort zu
einer Frage der Kollege Weis, SPD-Fraktion.
Herr Minister
Bodewig, für den Autobahn- und Bundesstraßenbau gibt
es die Auftragsverwaltung der Bundesländer. Besteht in
dieser Frage ein Konflikt mit der geplanten Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft? Wie ist die Haltung der Bundesländer zu der geplanten Gesellschaft?
Die Haltung der Bundesländer ist ausgesprochen positiv. Die Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft soll nicht die Auftragsverwaltung der
Länder ersetzen. Es gibt in Deutschland ja ohnehin zwei
unterschiedliche Systeme. In den alten Bundesländern
gibt es die Auftragsverwaltung über die Landesbehörden
für Straßenbau oder ähnliche Formen. In den neuen Bundesländern sind es überwiegend VDE-Projekte, die über
die DEGES, eine eigene Projektträgergesellschaft, abgewickelt werden. Die Auftragsverwaltung der Länder wird
also nicht infrage gestellt; im Gegenteil. Die Gesellschaft
wird eine ganz schlanke Konstruktion haben und wird bei
der Realisierung in jedem Fall die Auftragsverwaltung der
Länder in Anspruch nehmen müssen, sodass deren Tätigkeit gefordert ist, wie das auch in der Vergangenheit der
Fall war.
Nun hat die Kollegin
Blank eine Frage.
Herr Minister, wird es
aufgrund des Gesetzentwurfs, der ja eindeutig eine Quersubventionierung vorsieht, Probleme mit den einzelnen
Verkehrsträgern geben? Warum betrachten Sie in diesem
Gesetzentwurf den LKW-Verkehr eigentlich als Ihren
Hauptfeind, obwohl doch 80 Prozent der Güter über die
Straße befördert werden?
Frau Kollegin Blank, ich denke nicht in
Kategorien wie Feindschaft, sondern in verkehrspolitischen Konzepten. Wir haben nun einmal hoch belastete
Autobahnen; Sie alle machen täglich die Erfahrung, dass
auf der linken Spur ein LKW hinter dem anderen fährt.
Wir alle haben ein Interesse daran, dass vor dem Hintergrund des Verkehrszuwachses, der prognostiziert und von
mir zu Beginn des Jahres im Verkehrsbericht 2000 beschrieben worden ist - im Vergleich zum Basisjahr 1997
ist allein im Güterverkehr ein Anstieg um 64 Prozent zu
erwarten -, alle Maßnahmen ergriffen werden, um jeden
Verkehrsträger optimal aufzustellen. Dazu gehören auch
die Vermeidung, Verlagerung und Steuerung des Verkehrs. Ein Teil der Verlagerungswirkung wird hiermit erzielt.
Nun fragt der Kollege
Schmidt. Bitte sehr.
Herr Minister Bodewig, würden Sie noch
einmal ausführen, worin der Vorteil einer Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft gegenüber einer
ebenso denkbaren Haushaltsfinanzierung liegt, bei der die
LKW-Maut ganz normal in den Bundeshaushalt flösse
und von dort aus möglicherweise in die Verkehrsinfrastruktur reinvestiert würde?
Wir haben heute schon Haushaltsansätze für die einzelnen Verkehrsträger, die übrigens von
dieser Bundesregierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen mit dem „Zukunftsinvestitionsprogramm
Schiene und Straße“ deutlich verstärkt wurden. Wir wissen aber, dass dies nicht ausreichen wird, um die zurzeit
bei den einzelnen Verkehrsträgern vorhandenen Engpässe
zu beseitigen. Insofern handelt es sich hier um On-TopMittel. Um dies deutlich zu machen und um Akzeptanz
beim Transportgewerbe zu werben, wollen wir dies in einer eigenen Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft dokumentieren. Damit wird sichergestellt, dass es
sich um zusätzliche Maßnahmen für bestimmte, definierte
Projekte im Rahmen des Anti-Stau-Programms handelt.
Es fragt die Kollegin
Karin Rehbock-Zureich.
Herr Minister, immer wieder wird der Vorwurf erhoben, hier könne ein
Schattenhaushalt entstehen. Ihre Einschätzung?
Nein, ein Schattenhaushalt ist definitiv
ausgeschlossen. Es war ja Ziel dieser Bundesregierung,
die Schattenhaushalte der vergangenen Regierung aufzulösen, was uns erfreulicherweise auch gelungen ist.
({0})
Deswegen wird die Verkehrsinfrastruktur-FinanzierungsGesellschaft aus Mauteinnahmen und anderen Gebühren - das gilt etwa für die Wasserstraßen - gespeist. Es
ist keine Kreditfinanzierung vorgesehen. Insofern stellt
dieses Instrument das genaue Gegenteil eines Schattenhaushalts dar.
Nun kommt die Kollegin Blank noch einmal zu Wort.
Herr Minister, Sie haben
meine Frage nach der Quersubventionierung nicht beantwortet. Vielleicht können Sie das gleich noch tun.
Meine weitere Frage: Die Pällmann-Kommission hat
eine größere Finanzierungsgesellschaft mit Managementaufgaben usw. vorgeschlagen, während Ihre Finanzierungsgesellschaft ein bisschen zu kurz springt und sich eigentlich auf eine reine Inkassofunktion beschränkt.
Halten Sie es nicht auch für günstiger, wenn diese Finanzierungsgesellschaft analog dem Vorschlag der PällmannKommission mehr Vollmachten hätte?
Ihre Einschätzung ist nicht ganz richtig.
In der Begründung des Gesetzes sind zwei Funktionen
dargestellt: zum einen die Finanzierung von Projekten wie
das Anti-Stau-Programm, zum anderen die Realisierung
von Betreibermodellen und die entsprechende Finanzierungsfunktion. Das sind schon sehr weitgehende Aufgaben; das ist weit mehr als das, was Sie beschrieben haben.
Hierüber werden wir aber bei der Beratung des Gesetzes
noch gemeinsam sehr intensiv diskutieren.
Sie sprachen von Quersubventionierung. Ich spreche
von Querfinanzierung. Es geht darum, dass wir die verkehrspolitischen Herausforderungen insgesamt bewältigen müssen. Das prognostizierte Verkehrswachstum lässt
sich nicht allein auf einen Verkehrsträger projizieren. Vielmehr werden Verlagerungen von einem Verkehrsträger auf
den anderen erforderlich sein. Dies ist Teil eines integrierten Verkehrskonzepts, wie wir es im Deutschen Bundestag
anhand des Verkehrsberichts 2000 diskutiert haben. Insoweit ist es richtig, von Querfinanzierung, nicht aber von
Quersubventionierung zu sprechen; denn es geht um die
Bewältigung eines enormen Zuwachses an Güterverkehr.
Uns allen ist klar, was es bedeutet, wenn innerhalb eines kurzen Zeitraumes von 15 Jahren der heutige Verkehr
um zwei Drittel zunimmt. Das heißt, wir brauchen alle
Verkehrsträger. Deswegen ist dies Teil eines integrierten
Verkehrskonzeptes.
Die Pällmann-Kommission hat vorgeschlagen, Finanzierungsgesellschaften für jeden Verkehrsträger zu bilden.
Das halten wir für zu aufwendig. Wir wollen eben keine
Mammutbürokratie, sondern effiziente Steuerungseinheiten, die dokumentieren sollen, dass diese Mittel in die
Verkehrsinfrastruktur zurückfließen, darüber hinaus aber
auch die eben genannte Funktion, Betreibermodelle zu finanzieren, umsetzen.
Nun fragt noch einmal der Kollege Schmidt.
Herr Minister, ich möchte das Stichwort der
Kollegin Renate Blank, die von der Quersubventionierung sprach, noch einmal aufgreifen. Die Europäische
Kommission hat in ihrem am 12. September 2001 - also
vor wenigen Wochen - veröffentlichten neuen Weißbuch
zur Verkehrspolitik ausdrücklich festgehalten, dass die
Wiederverwendung von Wegekosteneinnahmen für mehrere oder alle Verkehrsträger gerade keine Quersubventionierung, sondern einen aus europäischer Sicht nicht nur
zulässigen, sondern sogar wünschenswerten Ansatz darstellt. Sehen Sie von daher bei der möglichen Umsetzung
bzw. Überführung des Weißbuches in künftige Richtlinien
ein Risiko, dass der deutsche Weg hinsichtlich der Kompatibilität mit der europäischen Verkehrspolitik zu Problemen führt, oder entspricht das eher dem, was die Kommission selbst vorschlägt?
Die LKW-Maut wie auch die Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft sind eine Vorwegnahme der europäischen Idee, die im Weißbuch zur Verkehrspolitik wiedergegeben ist. Das heißt, wir bewegen uns
eigentlich schon in einer Richtung, über die in Europa zurzeit diskutiert wird. Die Kommission, aber auch erste Gespräche etwa im informellen Rat haben eine sehr große Akzeptanz auf europäischer Ebene deutlich erkennen lassen.
Wir stehen am Beginn eines europäischen Weges und
können hier in Deutschland schon einmal testen, ob dieser Weg funktioniert. Ich glaube, dass die Konstruktion,
gerade weil sie sich auf ganz wesentliche Funktionen beschränkt, erfolgreich sein wird.
Jetzt hat der Kollege
Dirk Niebel eine Frage.
Herr Minister, die rot-grüne
Bundesregierung hat mit der GEBB und Frau FugmannHeesing in gewisser Weise bereits Erfahrungen hinsichtlich
solcher Gesellschaften gesammelt. Wie hoch veranschlagen Sie die Mittel, die der zukünftige Geschäftsführer dieser Gesellschaft aus den Mauteinnahmen verbrauchen
wird, und aus welcher Landesregierung wird er kommen?
({0})
Die Gesellschaft erhält jetzt ihre gesetzliche Grundlage. Bewerbungsgespräche werden noch
nicht geführt, Herr Niebel.
({0})
Nun hat Kollege
Reinhard Weis eine Frage.
Herr Minister,
die Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft soll
nicht hoheitliche Aufgaben bei der Vorbereitung und Umsetzung von privatrechtlich finanzierten Verkehrsprojekten übernehmen. Können Sie das bitte näher erläutern?
Es gibt unterschiedliche Vorstellungen,
etwa nach dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz,
aber auch Möglichkeiten, die wir mit dem Betreibermodell im Rahmen des Investitionsbeschleunigungsprogramms „Bauen jetzt“ beschrieben haben. Danach ist der
sechsspurige Ausbau hoch belasteter Autobahnen vorgesehen, die im vordringlichen Bedarf sind, deren Ausbau
also notwendig ist, die aber sonst erst am Ende des Jahrzehnts im Rahmen der Finanzplanung realisiert werden
könnten. Dies muss vorbereitet werden. Dieses Betreibermodell sieht nicht nur vor, dass die Finanzierung durch
den LKW-Anteil aus der Maut gespeist wird, sondern
auch, dass gleichzeitig der Betrieb und der Erhaltungsaufwand im Rahmen eines konzeptionierten zeitlichen
Rahmens beschrieben werden. Die hierfür notwendigen
Ermittlungsarbeiten können teilweise von dieser Gesellschaft, die wir bilden wollen, mit geleistet werden. Das
wäre eine dieser nicht hoheitlichen Aufgaben, die die Gesellschaft erfüllen kann.
Nun hat die Kollegin
Christine Ostrowski eine Frage.
Herr Minister, Sie sagten vorhin meiner Kollegin Blank, dass es bei den Einnahmen aus der Maut und bei der Verkehrinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft, die diese Maut einnimmt und
klug wieder ausgeben soll, auch um die Verlagerung von
Güterverkehr auf andere Verkehrsträger als die Straße und
letzten Endes auch um die Vermeidung von Güterverkehr
geht. Daraus ergibt sich meine Frage: Wie hoch prognostizieren Sie den Anteil des Verkehrs, der mithilfe der Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft von der
Straße auf die Schiene oder auf Wasserstraßen verlagert
oder vielleicht auch gänzlich vermieden werden kann?
Außerdem möchte ich gerne wissen, woher Sie die Sicherheit nehmen, dass es wirklich so kommen wird.
Über Sicherheit kann man immer trefflich streiten; deswegen haben wir Wissenschaftler. Ich
versuche, alle Ergebnisse durch wissenschaftliche Gutachten ermitteln zu lassen. Was das Schaffen von Sicherheit angeht, wären wir beide wahrscheinlich überfordert.
Diese Gutachten werden nach neuesten Methoden erstellt.
Ich will noch einmal darauf hinweisen: Die Festlegung
der Wegekosten ist kein „Wünsch dir was!“-Betrag, sondern eine Ermittlung dessen, was an realen Wegekosten
durch den Schwerlastverkehr ab 12 Tonnen entsteht. Das
ist die Grundlage für die Festlegung der Maut, die dann
nach der Anzahl der Achsen und dem Emissionsverhalten
der Fahrzeuge ausdifferenziert wird.
Unterschiedliche Güter haben unterschiedliche Verlagerungseffekte. Die Gutachter sind aber insgesamt zu
dem Ergebnis gekommen, dass sich die Verlagerung bei
einer Durchschnittsgebühr von 15 Cent etwa um 6 bis
7 Prozent zugunsten der Schiene auswirken wird.
Jetzt stellt die Kollegin Karin Rehbock-Zureich eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wie
bewerten betroffene Kreise und Fachverbände die Verabschiedung dieses Gesetzes? Wirkt sich dieses Gesetz auch
auf das Preisniveau aus?
Nein. Die Finanzierungsgesellschaft hat
eine ganz geringe Zahl an Beschäftigten; es geht um etwa
15 bis 20 Stellen. Deren Kosten sind im Rahmen eines Gesamtbetrages von rund 6,6 Milliarden Wegekosten minimal. Wir haben im Haushalt rund 550 000 DM oder
280 000 Euro eingestellt. Der entsprechende Haushaltsposten ist mit einem Sperrvermerk versehen. Durch Entsperrung wird die Arbeit dieser Gesellschaft gewährleistet.
Der von mir genannte Betrag ist wahrlich überschaubar.
Das könnte sogar ein Beispiel für die private Wirtschaft
sein. Die Befürchtung, dass hiermit eine Mammutbürokratie errichtet wird, die Millionen verschlingt, ist nicht
gerechtfertigt. Es geht um eine schlanke, effiziente Projektorganisation.
Nun fragt die Kollegin Ina Lenke nach.
Herr Minister, Ihre Antwort war
sehr gut. Ich kann meine Frage daran anschließen: Wie
hoch werden die jährlichen Verwaltungskosten dieser Gesellschaft - Sie haben eben von „schlank“ und „effizient“
gesprochen - sein?
Ein Anhaltspunkt sind diejenigen Beträge, die auf unserem Vorschlag hin durch den Haushaltsausschuss eingestellt worden sind: 280 000 Euro. Das
steht für die Anfangsphase zur Verfügung. Wir werden die
Entwicklung abwarten. Ich selbst gehe von einem Personalvolumen zwischen 15 und 20 Mitarbeitern aus. Davon
ausgehend kann man entsprechende Hochrechnungen anstellen. Gemessen am Gesamtvolumen der Wegekosten
von 6,6 Milliarden werden diese Kosten bei unter 1 Prozent liegen. Da können Sie sicher sein.
Nun fragt der Kollege
Reinhard Weis nach.
Als Grundlage für
die Realisierung von Verkehrsprojekten, für die der Bund
verantwortlich ist, gibt es heute den Bundesverkehrswegeplan. Das Parlament besitzt dank des Haushaltsrechts
die Hoheit über die Auswahl derjenigen Projekte, die realisiert werden. Diese Hoheit ist eine Grundvoraussetzung
dafür, dass der Auftrag des Grundgesetzes, in ganz
Deutschland für eine vergleichbare Erschließung der Infrastruktur zu sorgen, umgesetzt werden kann. Wie sollen
Projekte ausgewählt werden, die mithilfe der Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft privat finanziert
werden? Wird der Bundesverkehrswegeplan auch da die
Grundlage sein oder kann es sich um Projekte handeln, die
nicht zum Bundesverkehrswegeplan gehören?
Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass wir den Prozess der Erstellung des
neuen Bundesverkehrswegeplans bis 2003 zügig fortsetzen.
({0})
Wir wissen, dass es Verzögerungen in denjenigen Bereichen gegeben hat, die nicht den Straßenbau betreffen.
Wie schon beschrieben, werden wir unsere Arbeit zügig
fortsetzen. Ich gehe daher davon aus, dass im Jahr 2003
ein neuer Bundesverkehrswegeplan vorhanden ist, der
sich vom alten dadurch unterscheidet, dass er realistischer
ist. Der Bundesverkehrswegeplan von 1992 war mit rund
100 Milliarden unterfinanziert. Beim Anti-Stau-Programm geht es um die Erfüllung bestimmter Kriterien. Ich
erinnere an die Belastung durch 65 000 Kfz im Laufe von
24 Stunden. Das macht deutlich, dass es um hoch belastete Strecken geht.
Es geht darum, dass zusätzlich zur Haushaltsfinanzierung ergänzende Nutzerfinanzierungen eingeführt und
hier wirklich notwendige On-Top-Mittel für strukturelle
Engpässe organisiert werden. Das muss man mit den jeweiligen Programmerstellungen nach den Kriterien des
Anti-Stau-Programms, das ein Anhaltspunkt ist, sehr genau definieren. Sie wissen, dass in diesem Programm vordringlicher und weiterer Bedarf enthalten ist.
Nun kommt die Kollegin Christine Ostrowski.
Herr Minister, nicht direkt zu dieser Gesellschaft mit dem langen Namen, aber
damit in engem Zusammenhang stehend und von großem
öffentlichen Interesse: Die Firmen, die jetzt eine Maut
zahlen müssen, haben dadurch finanzielle Belastungen.
Nun hatten Sie einen Ausgleich ins Spiel gebracht und
sich öffentlich zum Beispiel zu einer Senkung der KfzSteuer als Gegengewicht geäußert. In der Zwischenzeit ist
das wieder etwas zurückgenommen worden. Ich hätte
gerne gewusst: Wird denn nun ein Ausgleich kommen?
Auf welche Art und Weise wird ein Ausgleich kommen?
Was wird mit der Senkung der Kfz-Steuer? Sagen Sie bitte
etwas dazu.
Sie wissen, dass die europäische
Fiskalharmonisierung nicht Gegenstand dieses Gesetzentwurfs ist. Deswegen möchte ich darauf hinweisen,
dass darüber eben in einem europäischen Kontext diskutiert werden muss. Ich selber habe immer deutlich gemacht, dass etwa die von mir ins Spiel gebrachte Möglichkeit der Kfz-Steuerreduzierung auf das europäische
Mindestniveau der Kfz-Steuer deswegen interessant ist,
weil die Kraftfahrzeugsteuer in einem ganz hohen Maße
das Emissionsverhalten bewertet. Die LKW-Maut enthält
ebenfalls solche Kriterien, nämlich durch bestimmte
Schadstoffklassen, die entweder mit einem Bonus oder
mit einem Malus versehen werden. Auch hier müssen Sie
davon ausgehen, dass je nach Emissionsverhalten der
Fahrzeuge jeweils 25 Prozent Minus oder Plus aufgesattelt oder abgesenkt werden können. Damit wird sehr deutlich, dass genau diese Funktion der Kfz-Steuer in einem
europäischen Kontext entbehrlich ist.
Alle Fragen der Entlastung des Gewerbes müssen EUkompatibel sein. Zu Gesprächen darüber bin ich auch gegenüber dem Gewerbe gerne bereit. Die Entlastung des
Gewerbes ist aber nicht Gegenstand des jetzigen Gesetzentwurfs.
Nun fragt der Kollege
Albert Schmidt.
Herr Minister, ich will noch einmal an die
Frage des Kollegen Reinhard Weis anknüpfen, der die
Aufmerksamkeit auf die Auswahl möglicher Verkehrsprojekte gerichtet hat, die aus den Einnahmen, die bei der Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft - ein Wort,
das ähnlich lang ist wie Präimplantationsdiagnostik - auflaufen, realisiert werden sollen. Können wir als Parlamentarier davon ausgehen, dass das Parlament die
Planungshoheit für das, was prioritär in Deutschland
überhaupt an Verkehrsprojekten realisiert wird - sei es aus
der normalen Haushaltslinie, sei es aus der LKWMaut über die Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft -, behält und dass die Rangreihung, wie sie sich
etwa im jeweils gültigen Bundesverkehrswegeplan niederschlägt, die mögliche Auswahl von Projekten eigentlich vorfestlegt?
Für jedes ausgewählte Projekt ist eine
gesetzliche Grundlage erforderlich. Das heißt, wir können
keine Autobahn bauen, für die nicht Baurecht vorliegt
oder für die das Planfeststellungsverfahren noch nicht
vorhanden ist. Deswegen habe ich zu Beginn in Beantwortung der Frage des Kollegen Weis darauf hingewiesen, dass der Bundesverkehrswegeplan genau dieser Anhaltspunkt ist.
Wenn wir davon ausgehen, dass das Anti-Stau-Programm sofort mit Beginn des Jahres 2003 in Angriff genommen werden kann, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder werden Maßnahmen zeitlich vorgezogen, oder aber
man wählt für den zu erwartenden Fall, dass über das
Anti-Stau-Programm Finanzmittel für Infrastrukturausbau vorhanden sind, zusätzliche Projekte aus.
Daran kann man erkennen: Es gibt eine gesetzliche
Grundlage. Ich sage gerne vor dem Parlament, dass es in
zweifacher Weise beteiligt ist. Zum einen gibt es Haushaltsklarheit und -wahrheit und das Parlament hat die notwendige Transparenz. Auf der anderen Seite ist für die
Auswahl der zu realisierenden Projekte im Parlament eine
gesetzliche Voraussetzung zu erarbeiten. Insofern denke
ich, dass die Interessen des Parlaments mit dieser Konstruktion im optimalen Sinne gewahrt sind.
Nun kommt die letzte
Frage von der Kollegin Renate Blank.
Herr Minister, seien Sie
doch bitte so nett und informieren Sie auch das Parlament,
nachdem Sie die Öffentlichkeit informiert haben, mit welchen Einnahmen Sie für diese VerkehrsinfrastrukturFinanzierungs-Gesellschaft rechnen.
Frau Blank, dies habe ich eben schon
getan, indem ich auf das Gutachten hingewiesen habe.
Das Gutachten ermittelt reale Wegekosten durch den
Schwerlastverkehr von 6,6 Milliarden DM. Ich glaube,
damit wurde Ihrem Anliegen entsprochen.
Ich will noch auf etwas anderes hinweisen: Es geht mir
im Kern darum, auch gegenüber dem Parlament deutlich
zu machen, dass es keine politische Festlegung der Maut
geben darf, weil dann sofort die Frage der Rechtsbeständigkeit einer solchen Entscheidung thematisiert würde. Es
geht um die realen Wegekosten. Hierbei bewegen wir uns
im Rahmen der Richtlinie von 1999 und nicht auf der Basis des Weißbuches der EU, wodurch zusätzlich externe
Kosten berücksichtigt werden könnten. Damit so etwas
möglich wird, muss erst das Weißbuch diskutiert werden,
danach müssen in europäischen Richtlinien entsprechende Schlussfolgerungen daraus gezogen und im
Anschluss daran diese Richtlinien national umgesetzt
werden. Für diese Entwicklung benötigt man viel Zeit, sodass sich hierfür frühestens in der zweiten Hälfte dieses
Jahrzehnts eine Perspektive ergibt.
Insofern haben wir die realen Wegekosten ermitteln
lassen. Davon hängen die realen Belastungen ab. Daran,
dass ein LKW von 40 Tonnen die 60 000-fache Druckbelastung eines PKW hat, können Sie erkennen, wie dieser
die Straßen in Deutschland abnutzt, nämlich 60 000 mal
so viel wie ein PKW. Ich glaube, das ist eine beeindruckende Zahl.
Damit sind wir am
Ende der mitgeteilten Tagesordnung der Bundesregierung. Wir danken dem Herrn Verkehrsminister für die Beantwortung der Fragen.
({0})
Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung? - Das
scheint nicht der Fall zu sein. Ich schließe die Befragung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/7750 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich wie vereinbart die
Fragen 28 und 29 des Abgeordneten Peter Weiß ({1}) aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatsminister
Hans Martin Bury zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 28 auf:
Wurden in den Beratungen des Bundeskabinetts oder des Bundessicherheitsrates durch ein Mitglied der Bundesregierung Vorbehalte gegen die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte
im Rahmen der Operation Enduring Freedom geäußert?
Herr Staatsminister, bitte sehr.
Frau Präsidentin, ich würde die Fragen des Kollegen
Weiß gerne im Zusammenhang beantworten.
Herr Kollege, sind Sie
einverstanden?
Ja.
Also nehmen wir die
Fragen 28 und 29 zusammen. Ich rufe auch die Frage 29
auf:
Wurde in den Beratungen des Bundeskabinetts oder des Bundessicherheitsrates durch ein Mitglied der Bundesregierung eine
Unterbrechung des Einsatzes amerikanischer Luftstreitkräfte in
Afghanistan ({0}) im Rahmen der Operation Enduring
Freedom gefordert bzw. empfohlen?
Bitte sehr.
Vielen Dank. - Herr Kollege Weiß, wie Sie wissen,
sind die Sitzungen der Bundesregierung vertraulich und
die Sitzungen des Bundessicherheitsrates geheim. Das
gilt insbesondere für in den Sitzungen geführte Diskussionen.
Zusatzfrage, Herr
Kollege? - Bitte.
Herr
Staatsminister, ich habe diese Antwort erwartet. Da aber
die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, nach
ihrem Besuch Ende Oktober in Pakistan erklärt hat, dass
sie es für bedenkenswert und sogar wünschenswert halten
würde, wenn das Bombardement in Afghanistan durch
eine Feuerpause während des Fastenmonats Ramadan unterbrochen wird, und da der Staatsminister im Auswärtigen Amt Ludger Volmer sich in gleicher Weise geäußert
hat, möchte ich Sie fragen: Haben diese beiden Mitglieder
der Bundesregierung das, was sie öffentlich erklärt haben
und was in der Zeitung nachzulesen war, in irgendeiner
oder in gleich lautender Weise auch bei den Beratungen
des Bundeskabinetts und der Bundesregierung vorgetragen?
Herr Kollege Weiß, wie ich Ihnen eben bereits in der
ersten Antwort auf Ihre Fragen gesagt habe, sind die
Beratungen des Bundeskabinetts vertraulich. In der
Geschäftsordnung der Bundesregierung ist aus gutem
Grund geregelt, dass sich diese Vertraulichkeit auch auf
die Ausführungen einzelner Bundesminister bezieht. Insoweit habe ich meiner ersten Antwort nichts hinzuzufügen.
Sie wollen noch einmal nachbohren. Bitte sehr, Herr Kollege.
({0})
Herr
Staatsminister, da einerseits die Beschlussfassung der
Bundesregierung bekannt ist - diese war im Parlament
auch Gegenstand einer Abstimmung - und andererseits
die Äußerungen von Mitgliedern der Bundesregierung,
die dem entgegenstehen, bekannt sind, nämlich die Forderung nach einer Feuerpause während des Fastenmonats
Ramadan, möchte ich Sie fragen: Wie gedenken denn der
Bundeskanzler und die Bundesregierung damit umzugehen, dass einzelne Mitglieder der Bundesregierung in
der Öffentlichkeit eine andere Auffassung vertreten, als
sie offensichtlich der Beschlussfassung der Bundesregierung entspricht?
Herr Kollege Weiß, die notwendigen Beschlüsse sind
einvernehmlich getroffen worden und werden von der
Bundesregierung geschlossen vertreten.
Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr
Staatsminister, darf ich dann festhalten, dass sowohl die
Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, Frau Heidemarie Wieczorek-Zeul, als
auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt Ludger
Volmer in der Öffentlichkeit Äußerungen vorgetragen
haben, die sie in dieser Weise in die Beratungen des Bundeskabinetts offenkundig nicht eingebracht haben?
Herr Kollege Weiß, ich kann Sie nicht daran hindern,
über die Beratungen des Bundeskabinetts zu spekulieren.
Mit Blick auf die bereits zweimal von mir angesprochene
Vertraulichkeit der Beratungen kann ich aber Ihre Spekulation über den Inhalt weder bestätigen noch dementieren.
Nun kommt die letzte
Zusatzfrage, die Ihnen noch zusteht. Bitte sehr, Herr Kollege.
Nachdem
die entsprechenden Äußerungen, die ich nicht mehr zu
zitieren brauche, bekannt sind - insbesondere die Äußerungen der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie WieczorekZeul -, möchte ich fragen: Hat denn der Bundeskanzler in
irgendeiner Weise dieses Kabinettsmitglied für seine
Äußerungen abgemahnt oder ist er in irgendeiner Weise
darauf eingegangen, indem er widersprochen hat?
({0})
Herr Kollege Weiß, es bestand weder Anlass, Kabinettsmitglieder abzumahnen, noch ist das der Stil des
Bundeskanzlers.
({0})
Nun will Herr von
Klaeden nachfragen. Bitte sehr.
Herr Staatsminister, wie findet denn der Herr Bundeskanzler diese
Äußerungen, die der Kollege Weiß zitiert hat?
Herr Kollege von Klaeden, es ist bekannt, dass der
Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht hat, dass sich Forderungen nach einer Einstellung der Luftoperationen als
falsch erwiesen haben, da das konsequente Vorgehen der
internationalen Allianz gegen den Terror die Voraussetzungen für humanitäre Hilfe und für den Wiederaufbau in
Afghanistan entscheidend mit geschaffen hat.
Ich rufe jetzt die übrigen Fragen in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Ina Lenke auf:
Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um junge
Männer zu informieren, dass es mit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur
Neuausrichtung der Bundeswehr ab 1. Januar 2001 die Möglichkeit
geben wird, den Zivildienst in gleicher Weise wie den Wehrdienst in
zwei Etappen von 7 ({0}) + 3 Monaten abzuleisten?
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, bitte.
Peter Weiß ({1})
Frau Präsidentin, die beiden Fragen hängen inhaltlich sehr
eng zusammen. Ich möchte sie gerne im Zusammenhang
beantworten.
Frau Lenke, ich
denke, Sie sind mit einer zusammenfassenden Antwort
einverstanden.
Ja, wenn ich dann vier Zusatzfragen
habe.
Die Spielregeln bleiben, wie sie sind.
Ich rufe also auch die Frage 2 der Kollegin Ina Lenke
auf:
In welcher Weise wirkt die Bundesregierung auf die Informationspolitik der Bundeswehr und des Bundesamtes für den Zivildienst bezüglich der neugeschaffenen 7 ({0}) + 3-Regelung für die
Ableistung von Wehr- und Zivildienst ein, um sicherzustellen,
dass alle jungen Männer, die ihre Zukunft planen und über den
Ablauf ihres Wehr- und Zivildienstes entscheiden müssen, umfassend über die Möglichkeit der etappenweisen Ableistung der
Dienstpflicht informiert sind?
Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.
Der im Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der Bundeswehr ab Anfang 2002 neu vorgesehene abschnittsweise
Grundwehrdienst oder Zivildienst wird nicht in zwei, sondern in drei Abschnitten abgeleistet. Seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
sind folgende Hinweise vorgesehen:
In die Informationsschrift „Wichtige Hinweise für anerkannte Kriegsdienstverweigerer“ wird ebenso wie in die
Internetseiten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesamtes für den Zivildienst eine entsprechende Passage eingestellt werden.
Weiterhin wird eine Sonderinformation für die Beschäftigungsstellen und für die Verwaltungsstellen auf die Möglichkeiten des abschnittsweisen Zivildienstes hinweisen.
Die Wehrersatzbehörden informieren mangels eigener
Kenntnis und Zuständigkeit nicht über den Zivildienst
und dessen Ausgestaltung.
Die Bundeswehr hat seit geraumer Zeit über die
Möglichkeit des abschnittsweisen Grundwehrdienstes
informiert. Seit dem 1. März 2001 erhalten alle Wehrpflichtigen mit der Ladung zur Musterung oder zur
Überprüfungsuntersuchung eine schriftliche Information
über die voraussichtlich ab Januar 2002 bestehende Möglichkeit der abschnittsweisen Ableistung des Grundwehrdienstes. Diese Information wird auch an alle anderen ungedienten Wehrpflichtigen aus Anlass eines sonstigen
Schreibens des Kreiswehrersatzamtes mit übersandt.
Die Information enthält den Hinweis, dass der abschnittsweise Grundwehrdienst in drei Abschnitten abgeleistet wird, von denen der erste Abschnitt sechs Monate,
die Abschnitte zwei und drei jeweils anderthalb Monate
dauern, und dass für die Ableistung insgesamt ein Zeitraum von grundsätzlich 30 Monaten zur Verfügung steht.
In einer Erklärung, die zum Inhalt dieser Information
gehört, haben die Wehrpflichtigen unter anderem die
Möglichkeit, durch Ankreuzen ihr Interesse am abschnittsweisen Wehrdienst oder am Wehrdienst an einem
Stück zu bekunden. Diese Erklärung wird zu den Personalakten genommen und ist Grundlage der späteren Einplanung und Einberufung zum Grundwehrdienst.
Die Bundesregierung stellt insgesamt mit den aufgeführten Informationen sicher, dass jeder Wehrpflichtige
die erforderlichen Hinweise in Bezug auf den abschnittsweisen Wehrdienst oder Zivildienst rechtzeitig erhält.
Es ist nicht vorgesehen, Wehrpflichtige oder Zivildienstpflichtige gegen ihren Willen zum abschnittsweisen
Dienst einzuberufen. Im Übrigen ist ein abschnittsweiser
Zivildienst nur dann möglich, wenn die Beschäftigungsstellen entsprechende Möglichkeiten eröffnen. Mit den
Verbänden der freien Wohlfahrtspflege sind Gespräche
über den abschnittsweisen Zivildienst geführt worden.
Frage eins.
Nach Ihren Ausführungen, dass die
Beschäftigungsstellen letztendlich entscheiden, ob ein abschnittsweiser Zivildienst möglich ist, habe ich folgende
Frage: Es könnte ja in der Realität so sein, dass die
Beschäftigungsstellen das verhindern. Haben Sie Informationen darüber?
Meine zweite Frage möchte ich gleich anschließen:
Wie viele der Wehrdienstpflichtigen und Zivildienstpflichtigen haben bei den Vorabfragen schon angekreuzt,
dass sie einen abschnittsweisen Zivildienst oder Wehrdienst haben wollen?
Da die Beschäftigungsstellen im Moment noch erkunden,
inwieweit und wo in ihren eigenen Bereichen es möglich
ist, abschnittsweisen Zivildienst zu leisten, haben wir
dementsprechend noch keine Informationen. Wir haben
auch noch keine Informationen, ob Zivildienstleistende
schon jetzt erklärt haben, abschnittsweisen Zivildienst
leisten zu wollen. Das fängt ja auch erst später an.
Frage drei.
Sie haben aber gesagt, dass die
Wehrpflichtigen ankreuzen müssen. Sie müssen ja schon
die ersten Ergebnisse haben. Die können Sie mir aber
nicht vorlegen. - Dies ist jetzt keine Frage, sondern eine
Nachfrage. Ich bitte Sie, dass Sie mir diese Information
schriftlich zukommen lassen.
Ja, da ich nicht für die Bundeswehr zuständig bin, werde
ich sie Ihnen schriftlich zustellen.
Ich habe aus Ihrer Antwort entnommen, dass Sie den jungen Leuten zwar individuell diese
Hinweise geben, dass Sie sie aber erst in Zukunft ins
Internet stellen und damit an die Öffentlichkeit gehen
werden. Warum haben Sie das nicht schon früher getan?
Denn es ist ja so, dass man sich schon mit 15 oder 16 Jahren überlegt, wann man sein Studium beginnt. Sie haben
immer gesagt, Sie würden diese Inhalte ins Internet stellen und sie den Zeitungen zukommen lassen. Wieso
kommt es zu dieser Information der Öffentlichkeit erst
jetzt bzw. erst im nächsten Jahr?
Ja, das ist richtig. Es tritt ja erst nächstes Jahr im Januar in
Kraft. Ich weiß allerdings nicht, was ich mit Ihrer Aussage
bezüglich der 15 bzw. 16 Jahre anfangen soll. Denn wehrpflichtig ist man erst sehr viel später, nämlich mit 18 bzw.
19 Jahren. Insofern kann sich der 15- oder 16-Jährige
gerne Gedanken machen. Aber zeitlich drängt es noch
nicht.
Ich muss Ihnen sagen, dass der Zivildienst sicherlich in
einer anderen Rolle ist und andere Möglichkeiten hat als
der Grundwehrdienst. Wir werden schon darauf achten
müssen, dass Beschäftigungsstellen auch sinnvollerweise
abschnittsweisen Zivildienst anbieten können, sodass wir
bei der Vielzahl von Beschäftigungsstellen, anders als
beim Grundwehrdienst, sicherlich auch noch über Richtlinien mit den Verwaltungsstellen oder Beschäftigungsstellen klären müssen, was eigentlich gegeben sein muss,
damit auch sinnvollerweise ein abschnittsweiser Zivildienst geleistet werden kann.
Sie haben noch eine
Frage? - Bitte sehr.
Können Sie mir den Grenzwert angeben, inwieweit Zivildienstleistende eine Art Rechtsanspruch haben, ihren Dienst abschnittsweise abzuleisten?
Ich glaube, einen Rechtsanspruch auf diesen abschnittsweisen Dienst kann es gar nicht geben, weil der Zivildienst, anders als der Wehrdienst, nicht von einem bestimmten Bedarf ausgehen kann. Wir werden hier schon
die Erfahrung machen müssen, ob es überhaupt Zivildienstleistende gibt, die abschnittsweise dienen möchten.
Sie wissen doch, dass beim Zivildienst die Zivildienstleistenden vorweg mit ihren - wenn es möglich ist wohnortnahen Beschäftigungsstellen kommunizieren. In
dieser Kommunikation wird individuell geklärt werden
müssen, ob für die Beschäftigungsstelle, die sich der jeweilige Zivildienstleistende ausgesucht hat, eine abschnittsweise Ableistung des Dienstes möglich ist.
Vielen Dank. Damit
sind die Fragen beantwortet. Ich danke der Frau Staatssekretärin. - Sie möchten noch eine Zusatzfrage stellen?
Das hatte ich nicht gesehen. Entschuldigung. - Bitte sehr.
Habe ich möglicherweise zwei
Zusatzfragen, weil es zwei Fragen waren?
Nein.
Frau Staatssekretärin, jetzt einmal nicht aus der Sicht der Zivildienstleistenden, sondern
aus der Sicht der Zivildienststellen gefragt: Haben Sie
schon irgendwelche Informationen, Anmerkungen oder
Ähnliches, wie die vorgesehenen Maßnahmen von denen
aufgenommen werden? Denn ich weiß, dass sich schon
jetzt sehr viele Zivildienststellen darüber beklagen, dass
der Zivildienst insgesamt kürzer als ein Jahr ist, und dass
es große Probleme gibt, zum Beispiel im Bereich der individuellen Schwerbehindertenbetreuung, aber auch bei
Mobilitätshilfeleistungen usw., diese Lücke zu füllen.
Wie sind da die Rückläufe, die Sie von den Zivildienststellen haben?
Die beiden Bereiche, die Sie gerade angesprochen haben,
kommen für einen abschnittsweisen Dienst sicherlich
nicht infrage. Wir haben mit den Wohlfahrtsverbänden
erste Informationsgespräche geführt. Aufgrund der Unterjährigkeit des Zivildienstes von zehn Monaten könnte
ich mir durchaus vorstellen, dass sich ein Altenheim überlegt, eine Aufteilung von sieben Monaten und dann drei
Monaten oder zwei mal anderthalb Monaten anzubieten,
um den unterjährigen durch den abschnittsweisen Dienst
zu ergänzen. Aber dies muss ich den Beschäftigungsstellen überlassen. Es macht keinen Sinn, das für alle - ganz
unterschiedlich gearteten - Zivildienststellen von hier aus
zu klären.
Frage beantwortet? Danke schön.
Das war der Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Gesundheit werden die Fragen 3 und 4 schriftlich beantwortet. Zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung werden die Fragen 5 und 6
schriftlich beantwortet. Zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts werden die Fragen 7 und 8 schriftlich
beantwortet. Zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern werden die Fragen 9 und 10 schriftlich
beantwortet.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Margareta Wolf zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Cornelia Pieper auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung, insbesondere nach der
Ankündigung des Staatsministers beim Bundeskanzler, Rolf
Schwanitz, am 15. November 2001 im Deutschen Bundestag:
„Dort, wo wir helfen können, werden wir diese Prüfung” - der
Faktenlage und der Argumentationslinien vor Ort - „unterstützen.“ - Plenarprotokoll 14/201, S. 19711 C -, die im Schreiben
vom 20. August 2001 durch die IG Metall Halle und den Betriebsrat des Bombardier-Werks Ammendorf dargelegte Situation
hinsichtlich der Unterauslastung und den politischen Handlungsbedarf, um Lücken in der Auftragsdecke des Werks zu schließen?
Frau Kollegin
Pieper, ich würde gerne Ihre beiden Fragen zusammen beantworten.
Dann rufe ich auch
die Frage 12 der Kollegin Cornelia Pieper auf:
Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung seither entwickelt, um beispielsweise durch Gespräche mit der Deutschen
Bahn AG, DB AG, die der Staatsminister beim Bundeskanzler,
Rolf Schwanitz, am 15. November 2001 im Deutschen Bundestag
ankündigte - Plenarprotokoll 14/201, S. 19711 C -, Fahrzeugaufträge zugunsten des Standorts Ammendorf zu gewinnen?
Wir möchten Ihnen zunächst nochmals versichern, dass die Bundesregierung größtes Verständnis für die Sorgen der Beschäftigten
in Ammendorf und ihre Forderung des Erhalts des traditionsreichen Standortes hat. Von daher sind wir der Oberbürgermeisterin der Stadt Halle ausgesprochen dankbar,
dass sie uns einen entsprechenden Brief zugeleitet hat.
Bereits im Vorfeld der Fusion von Bombardier und
Adtranz hat sich die Bundesregierung - und auch der
Bundeskanzler persönlich, wie Sie wissen - in einer
Vielzahl von Gesprächen mit dem Vorstand des Bombardier-Konzerns nachhaltig für den Erhalt der deutschen
Standorte, insbesondere Ammendorf, eingesetzt. Entsprechende Gespräche gab es auch im Bundeswirtschaftsministerium.
Die Bundesregierung unterstützt deshalb nachdrücklich
die Initiative des Ministerpräsidenten Reinhard Höppner,
der mit dem Präsidenten von Bombardier die Einsetzung
einer Arbeitsgruppe von Experten vereinbart hat. Ziel der
Arbeitsgruppe ist es, sich mit der Sicherung von Produktion und Arbeitsplätzen am Standort Ammendorf zu beschäftigen und die von Bombardier vorgenommenen Untersuchungen und Analysen zur Produktionsstrategie vor
diesem Hintergrund zu beleuchten und zu diskutieren.
Die Arbeitsgruppe hat unseres Wissens gestern getagt.
Bundes- und Landesregierung werden sich mit den Ergebnissen befassen und die Bemühungen unterstützen,
mit marktwirtschaftlichen Instrumenten zur Auslastung
der Standorte beizutragen.
Das im Zusammenhang mit der Privatisierung stehende Vertragsmanagement der THA/BvS für den Standort Ammendorf ist dabei nach Kenntnis der Bundesregierung jedoch beendet. Auflagen sind deshalb nicht mehr
offen.
Die Bundesregierung hofft, Frau Pieper, dass es auf
dieser gemeinsamen Grundlage gelingt, auch den Standort Ammendorf zu erhalten.
Es sollte in den Gesprächen mit Bombardier allerdings
auch wahrgenommen werden, dass Bombardier insgesamt an seinen deutschen Standorten das Niveau der Beschäftigung beibehalten und die Zulieferer für den Schienenfahrzeugbau aus der Region weiterhin ungeschmälert
einbinden wird. Damit hat das Unternehmen auf die bereits im Vorfeld der Fusion erfolgte Aufforderung durch
die Bundesregierung reagiert, die Stärke des Standorts
Deutschland in der Kernbranche „Bahnindustrie“ nicht zu
beschädigen.
Wir sind vor diesem Hintergrund optimistisch und lassen in unserem intensiven Engagement für Ammendorf
nicht nach. Aber wir sind uns - wie Sie sich sicherlich
auch - einig darin, dass die Möglichkeiten der Politik
nicht zuletzt auch angesichts der bestehenden europäischen Rahmenbedingungen begrenzt sind. Ich kann Ihnen jedoch versichern: Wir befinden uns in einem ständigen Kontakt mit Bombardier und sind, wie gesagt,
optimistisch.
Nun haben Sie Zusatzfragen. Nummer eins, bitte sehr.
Frau Wolf, ist Ihnen bekannt,
dass der Vertreter von Bombardier gestern in der Arbeitsgruppe und auch im Gespräch mit der Landesregierung
erklärt haben soll, dass der Standort des modernsten Waggonbauers in Europa, Halle-Ammendorf, weiterhin auf
der Kippe steht?
Frau Kollegin,
das ist mir leider nicht bekannt. Wir sprechen erst Anfang
der nächsten Woche mit den Vertretern der Landesregierung. Wenn er das gesagt hat, dann wird das natürlich in
unsere weiteren Überlegungen einfließen.
Frage zwei.
Welche konkreten Gespräche
hat der Staatsminister für den Aufbau Ost unter anderem
auch mit der Deutschen Bahn AG geführt, um die Auftragslage insbesondere bei den Waggonbauern in den
neuen Bundesländern zu verbessern? Gibt es Gespräche,
die der Staatsminister dazu geführt hat? Gibt es Gespräche, die der Bundeskanzler in dieser Richtung geführt
hat?
Mir ist klar, dass Aufträge an Bombardier vergeben
werden. Aber wenn der Aufbau Ost Chefsache ist, dann
müsste die Bundesregierung großen Wert darauf legen,
dass bei Auftragsvergabe durch die Deutsche Bahn AG,
bei der der Bund immer noch zu 100 Prozent Anteilseigner ist, die Aufträge dann auch tatsächlich in strukturschwache Regionen in den neuen Bundesländern gehen.
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Frau Staatssekretärin.
Frau Kollegin
Pieper, ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, welche Gespräche Herr Schwanitz geführt hat. Ich kann Ihnen aber
versichern, dass der Bundesverkehrsminister und der
Bundeswirtschaftsminister intensive Gespräche mit der
Deutschen Bahn AG und mit Bombardier führen, gerade
auch im Hinblick auf die Marktmöglichkeiten, die es
durch die EU-Osterweiterung für das Unternehmen an
dem Standort gibt.
Frage drei.
Sieht die Bundesregierung
Möglichkeiten, sich beim Schienenfahrzeugbau - ich
denke insbesondere an die ICT-Neigetechnik oder auch
den neuen ICE-Waggon - darum zu bemühen, dass die
Waggonbauer in den neuen Ländern, insbesondere der
Waggonbau Ammendorf, auf diese Aufträge hoffen können?
Das ist Gegenstand unserer Beratungen mit der DB AG, wenngleich ich
Ihnen sagen muss: Die Federführung hierfür hat der Verkehrsminister, mit dem wir uns aber über die Ergebnisse
der Gespräche im Austausch befinden. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich hier nicht jedes Detail der Gespräche, die wir mit Bombardier führen, darlegen kann.
Wir befinden uns im Prozess und wir teilen ein gemeinsames Interesse, nämlich das, dass der Standort Ammendorf
erhalten bleiben soll.
Noch eine Frage? Bitte sehr.
Eine letzte Frage: Was glaubt
die Bundesregierung, wann die vielen Gespräche, die sie
anscheinend geführt hat, zu einem erfolgreichen Ende
kommen?
Wir haben die
Gespräche nicht nur anscheinend geführt, sondern führen
sie nach wie vor, Frau Kollegin. - Anfang des nächsten
Jahres hoffen wir auf eine Entscheidung.
Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch
darauf aufmerksam machen, dass der SPD-Parteitag - das
mag Ihnen jetzt nicht besonders relevant erscheinen,
bringt aber meines Erachtens zum Ausdruck, dass die Leistungskraft Ostdeutschlands der Bundesregierung wirklich
am Herzen liegt- den Initiativantrag „Waggonbaustandorte erhalten, industrielle Leistungskraft Ostdeutschlands
stärken“ verabschiedet hat, um der Bundesregierung bei
den Verhandlungen mit Bombardier den Rücken zu stärken bei der Position, dass sie ihr Unternehmenskonzept
doch noch einmal überdenken sollten. Ich finde so etwas
im Zweifelsfall immer hilfreich.
Nun hat Herr Kollege
Brüderle eine Frage.
Frau Staatssekretärin, ich
fand Ihren Hinweis zur Haltung der Bundesregierung zu
den Beschlüssen des SPD-Parteitages bemerkenswert.
Mein Verständnis von einer Regierung, von Parteien und
dem Parlament ist ein anderes. - Dies wollte ich nur vorab
sagen.
Zur Sache selbst: In der Tat enthält das europäische
Recht - Sie haben darauf hingewiesen - nur wenige Ansatzpunkte, nach denen das Bundeswirtschaftsministerium in diesem Fall Hilfe leisten kann. Ist in Ihre Prüfung
zum Beispiel die Möglichkeit von längerfristigen Wartungsrahmenverträgen, die meines Erachtens der Bund als
Haupteigentümer der Deutschen Bahn AG im Rahmen
des europäischen Ausschreibungsrechts auf den Weg
bringen kann, einbezogen worden? - Frau Präsidentin, ich
kann, glaube ich, zwei Nachfragen stellen, da zwei Fragen
zusammen beantwortet worden sind. - Haben Sie Modellentwicklungen miteinbezogen? Denn das ist ein Bereich, in dem das Wirtschaftsministerium EU-konform etwas tun kann.
Herr Kollege
Brüderle, zu Ihrer Bemerkung bezüglich des SPD-Parteitages: Es ist in diesem Hause nicht unüblich, sich auf Beschlüsse von Parteitagen zu beziehen. Das tun ja auch Sie
gerne. Parteitage haben bisweilen auch die Aufgabe, zum
Ausdruck zu bringen, ob sie ihre Fraktion im Deutschen
Bundestag in der einen oder anderen Sache unterstützen
oder ob sie sie nicht unterstützen. In dieser Sache wurden
wir unterstützt; dafür sind wir dankbar.
Was Ihre Frage bezüglich der Deutschen Bahn AG und
der Rolle der Zulieferer angeht: Sie wissen vielleicht, dass
es eine Aussage des Bombardier-Werkes gibt, wonach es
an den jetzigen Zulieferern für das Werk Ammendorf festhalten will. Dies ist für die Region relevant, befriedigt
aber - wenn ich die Fragestellung von Frau Pieper richtig
verstanden habe - die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
von Bombardier am Standort Ammendorf nicht.
Was den EU-Aspekt angeht, so möchte ich, um es ordentlich beantworten zu können, darum bitten, dies
schriftlich tun zu können. Denn ich war bei diesen Verhandlungen nicht anwesend.
({0})
Das hat nun eine
Frage des Kollegen Singhammer provoziert. - Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, es ist sehr interessant, dass in die Antworten der
Bundesregierung die Beschlüsse der Parteitagsgremien
einfließen. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir die
Nachfrage, ob das nun regelmäßig so sein wird und ob
eine gewisse Auswahl stattfindet, ob also nur Parteitagsbeschlüsse der SPD oder auch die der Grünen erwähnt
werden. Wie handhaben Sie das?
({0})
Herr Kollege
Singhammer, vielleicht kann ich demnächst auch einmal
CSU-Parteitagsbeschlüsse zitieren.
({0})
Herr Kollege, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass ich umfassend darüber berichtet habe, was die
Bundesregierung tut, um den Standort Ammendorf zu erhalten. Ich habe auf die Arbeitsgruppe, in der die
Landesregierung Sachsen-Anhalt und Bombardier zusammenarbeiten, hingewiesen. Ich habe dargelegt, dass
wir die Ergebnisse der ersten Tagung zusammen mit der
Landesregierung auszuwerten haben und dass wir uns in
ständigen Gesprächen befinden. Sie sollten dieses Thema
etwas ernster nehmen und sich, mit Verlaub, nicht auf Petitessen, auf Parteitagsbeschlüsse, die hier angeblich in
meine Antworten einfließen, beziehen.
Nun kommt die Kollegin Heyne mit einer Frage. Bitte sehr.
Frau
Kollegin, sind Sie mit mir einig - ich bin mir da eigentlich sicher; aber ich frage lieber noch einmal nach -, dass
es der Glaubwürdigkeit der Politik durchaus gut tun
könnte, wenn Parteitagsbeschlüsse auch etwas mit der
realen Politik einer Fraktion bzw. einer Regierung zu tun
haben,
({0})
dass man Parteien in unserem Land einen besonderen
verfassungsmäßigen Stand eingeräumt hat, um die Meinungsbildung in der Bevölkerung in Bezug auf die Politik
zu bündeln, und dass von daher die besondere Bedeutung
eines Themas, das viele Menschen bewegt, zum Ausdruck
kommt, wenn ein Parteitag dazu einen Beschluss fasst?
({1})
Frau Kollegin
Heyne, ich stimme mit Ihnen absolut überein, zumal wir
in der Vergangenheit oft erlebt haben, dass die Arbeit der
Fraktionen der vormaligen Regierung mitnichten etwas
damit zu tun hatte, was auf Parteitagen beschlossen
wurde. Wir haben hier eine gewisse Verzahnung hergestellt, für die ich ausgesprochen dankbar bin.
({0})
- Sie waren nicht auf dem Parteitag in Rostock. Aber Sie
sollten wissen, dass dort fast 90 Prozent der Delegierten
für die Politik der Bundesregierung gestimmt haben. Das
hätten Sie, Herr Kollege, in der Vergangenheit vielleicht
auch einmal schaffen sollen.
Jetzt muss ich doch
eine geschäftsleitende Bemerkung machen: Wir sind nicht
hier, um Parteitage zu interpretieren, sondern wir sind
hier, um Fragen an die Bundesregierung zu stellen.
({0})
Aber natürlich lasse ich weitere Fragen zu. Jetzt die
Kollegin Ostrowski.
Aber es ist wirklich so,
Frau Präsidentin: Auf Parteitagen wird viel beschlossen,
wenn der Tag lang ist. Deshalb stelle ich Ihnen, Frau
Staatssekretärin, die einzig relevante Frage: Können Sie
mir sagen, ob der von Ihnen angeführte Beschluss des
SPD-Parteitags in das konkrete Regierungshandeln der
Bundesregierung eingeflossen ist, und, wenn ja, auf welche Art und Weise?
Frau Kollegin,
ich habe versucht, vorhin darzustellen, dass sich die Bundesregierung durch die Beschlüsse des SPD-Parteitages
in ihren Verhandlungen mit Bombardier unterstützt fühlt
- ich denke, das beantwortet Ihre Frage -; denn der
Parteitagsbeschluss der SPD ist identisch mit dem,
was die Bundesregierung will. Aber Sie wissen selber:
Bombardier ist keine staatliche Firma, sodass Verhandlungen mit der Unternehmensleitung von Bombardier erforderlich sind. Wir sind, wie gesagt, auf einem guten
Wege; ich bin optimistisch.
Nun kommt Herr
Dr. Grehn mit einer Frage.
Frau Staatssekretärin, ich
habe keine Frage zum Parteitag, sondern beziehe mich auf
Ihre Äußerungen hier. Sie haben mindestens zweimal
geäußert, dass Sie sich in dem Gespräch auch um die übrigen Standorte von Bombardier in Deutschland bemühen.
Haben Sie konkrete Erkenntnisse, dass Bombardier an anderen Standorten, etwa Vetschau, Ähnliches vorhat wie in
Ammendorf, und wie fließen diese Erkenntnisse gegebenenfalls ein?
Herr Kollege,
Sie werden vielleicht verfolgt haben, dass Bombardier
seinerseits erklärt hat, dass es keine betriebsbedingten
Kündigungen geben wird und dass man dann, wenn sich
Bombardier von Beschäftigten trennen muss, alternative
Beschäftigungsangebote unterbreiten wird. Das hat uns
Bombardier für alle Standorte zugesichert. Auf dieser
Grundlage verhandeln wir auch.
Damit haben wir diesen Geschäftsbereich abgearbeitet. Wir danken der Frau
Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur
Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Stephan Hilsberg zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
Welche Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur und den
Verkehr in Ostbayern sieht die Bundesregierung durch die Streichung der Fernbahnverbindungen Euro-City 167/166 „Albert Einstein“ und Interregio 265/264 „Franz Kafka“ zwischen
München-Regensburg-Schwandorf-Furth im Wald-Pilsen-Prag
durch die DB AG im Zusammenhang damit, dass danach die
tschechische Regierung ihren Schienennetzausbauschwerpunkt
auf die Strecke Prag-Linz-Wien festgelegt hat, und beabsichtigt
die Bundesregierung vor dem Hintergrund des höheren Verkehrsaufkommens durch die Osterweiterung der Europäischen Union in
Abstimmung mit der tschechischen Regierung, bahnpolitische
Maßnahmen in Bezug auf diesen Streckenbereich zu treffen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Deutsche Bahn AG hat die
vier Fernverkehrsverbindungen pro Tag auf der Strecke
München-Regensburg-Schwandorf-Furth im Wald-Pilsen-Prag eingestellt, weil das Verkehrsangebot nicht
mehr der Nachfrage entsprochen hat. Insofern werden
keine Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur und den
Verkehr in Ostbayern erwartet.
Ein Zusammenhang zwischen der Einstellung des
Fernverkehrs durch die Deutsche Bahn AG und der Entscheidung der tschechischen Regierung zum Ausbau des
tschechischen Teils der Strecke Prag-Linz vor dem der
Strecke Prag-Nürnberg besteht nicht. Diese Festlegung
wurde im Übrigen bereits 1999 bekannt. Mit der tschechischen Regierung wurde 1995 vereinbart, den Infrastrukturausbau von einem akzeptablen Angebot der Bahnen über den Einsatz von Fahrzeugen mit Neigetechnik
abhängig zu machen. Ein solches Angebot liegt nicht vor.
Zusatzfrage? - Bitte
sehr.
Frau Präsidentin! Sehr
geehrter Herr Staatssekretär, nach meinen Informationen
ist durch diese Entscheidung der Personenverkehr zwischen München und Prag auf der genannten Strecke rapide zurückgegangen. Beim Grenzübergang Furth im
Wald ist die Zahl der Reisenden von 18 000 im November auf 9 000 zurückgegangen - mit fallender Tendenz.
Dies kann doch nicht im Sinne der Verkehrspolitik dieser
Bundesregierung sein, die immer mehr Menschen und
Güter auf die Schiene bringen will. Wenn man eine solche
Verbindung einstellt, wird man sicher nicht erreichen,
dass mehr Menschen die Bahn benutzen.
Sie wissen, dass die Europäische Union diese Strecke,
und zwar die gesamte Strecke zwischen SchwandorfPilsen-Prag, als europäische Transversale in das Transeuropäische Netz aufgenommen hat. Die tschechische
Regierung und auch die tschechische Bahn haben nach
wie vor Interesse, diese Linie zu erhalten. Von deutscher
Seite aber, von der DB und damit natürlich auch von der
Bundesregierung, wird diese Strecke nicht aufrechterhalten. Weil diese Züge die Grenzregion wirtschaftlich erhalten, wird der Region dadurch ein ganz erheblicher
Schaden zugefügt.
Wir starten so viele Initiativen, um im Rahmen der
Osterweiterung die Verkehrsprobleme zu lösen. Meine
ganz konkrete Frage: Wie kann dann eine solche Entscheidung, die für die Osterweiterung kontraproduktiv ist,
getroffen werden?
Sehr geehrter Herr Hofbauer, ich kann es nur wiederholen: Die
Möglichkeit, diese Strecke wirtschaftlich und ökologisch
sinnvoll zu betreiben, hat angesichts der Fahrgastzahlen
auf dieser Strecke nicht mehr bestanden. Im Übrigen habe
ich Ihnen die Verhandlungsposition gegenüber der Tschechischen Republik erläutert. Wir stehen nach wie vor in
Erwartung eines Angebotes für den Ausbau der Strecke,
damit er mit Neigetechnik bedient werden kann. Das ist
durchaus eine Perspektive, die auch Ihrer Region zugute
kommen kann.
Darf ich noch eine
zweite Frage stellen?
Das ist zwar ein bisschen an der Grenze, weil Sie sehr lange gefragt haben,
aber Sie haben das Recht, noch eine zweite Frage zu stellen. Bitte sehr.
Herzlichen Dank, Frau
Präsidentin.
Ich möchte noch einmal nachbohren, Herr Staatssekretär. Die Neigetechnik ist nicht für diese Strecke, sondern
für die über Marktredwitz vorgesehen. Und Tatsache ist,
dass diese direkte und kürzeste Verbindung zwischen
München und Prag eingestellt wurde. Der Verkehrsausschuss war vor kurzem in Prag. Von der tschechischen Regierung ist bei dieser Gelegenheit noch einmal nachdrücklich festgestellt worden, dass die Tschechen diese
Verbindung wollen.
Sie reden immer davon, dass die Menschen die Bahn
benutzen und die Gütertransporte auf die Bahn verlagert
werden sollen. Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen: Auf
tschechischer Seite wird der Transport von 60 000 Tonnen
Zement von der Schiene auf die Straße verlagert. Es kann
doch nicht Ihre Politik sein, eine Region wirtschaftlich abzuhängen. Deswegen frage ich Sie: Wenn Europa diese
Strecke aufrüsten will und die tschechische Seite ebenfalls, warum werden dann auf deutscher Seite keine entsprechenden Initiativen ergriffen bzw. warum wird hier
ein Schritt zurück gemacht?
({0})
Herr
Hofbauer, ich kann nur noch einmal sagen: Wir machen
keineswegs einen Schritt zurück. Auch muss ich Ihre Aussagen zurückweisen, wir würden damit die wirtschaftliche Entwicklung behindern. Es ist wichtig, festzustellen,
dass die Möglichkeit, diese Strecke wirtschaftlich zu betreiben, unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht besteht.
Im Übrigen sind wir jederzeit bereit, mit der tschechischen Seite Verhandlungen darüber aufzunehmen,
dass ein entsprechendes Schienennetz weiter ertüchtigt
wird. Ich kann unser Angebot an dieser Stelle weiter bekräftigen. Die entsprechenden Angebote, die wir in Bezug
auf die Neigetechnik abgegeben haben, sind bisher aber
noch nicht aufgegriffen worden.
Nun hat Herr Dr. Rose
eine Frage. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
darf ich Ihre Zustimmung voraussetzen, wenn ich sage,
dass ich mich erschrocken habe, als Sie von dem Bedarf
gesprochen haben? Sie haben gesagt: Sie haben dort keinen Bedarf. Dann brauchen sie auch nichts.
Ich habe mich an die unheilvollen 70er-Jahre erinnert
gefühlt, als man den Menschen in den Flächen den Autobahnbau vorenthalten hat - das ist in etwa das Gleiche mit der Bemerkung: Was wollt ihr denn überhaupt? Bei
euch gibt es ja kein Bedarf. - Ist das die künftige Politik
der Bundesregierung?
Sehr geehrter Herr Rose, das geht ein bisschen über die Frage, die
Sie gestellt haben, hinaus, aber ich kann ganz kurz die für
uns wichtigen Leitlinien ansprechen.
Wir setzen vor allen Dingen auf den Ausbau der Infrastruktur. Wir haben für die Schieneninvestitionen einen so
hohen finanziellen Etat zur Verfügung gestellt, wie er in
den letzten Jahren nicht bestanden hat. Auf diese Art und
Weise setzen wir die Bahn in den Stand, ein leistungsfähiges Schienennetz zu erhalten, auf dem dann entsprechende Verkehre wirtschaftlich betrieben werden können.
Damit erfüllen wir den grundgesetzlichen Auftrag zur Gewährleistung des Verkehrsangebots. Das ist gegenwärtig
die richtige Priorität.
Im Übrigen haben wir erfolgreich große Anstrengungen unternommen, um mehr Verkehr auf die Schiene zu
bringen. Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der
Taskforce ist die Unabhängigkeit des Schienennetzes besser als bisher gewährleistet. Es ist davon auszugehen, dass
im Zuge eines größeren Wettbewerbs mehr Anbieter auftreten werden. Das sind wichtige Rahmenbedingungen.
Als Folge der Bahnreform von 1994, der Sie seinerzeit
zugestimmt haben, ist eine klare Trennung zwischen den
privatrechtlichen, nach wirtschaftlichen Erwägungen vorgenommenen Entscheidungen seitens der Bahn und den
hoheitlichen Aufgaben vorgenommen worden: Die Deutsche Bahn ist zuständig und alleinig verantwortlich für
das wirtschaftliche Betreiben des Netzes. Wir sind für die
entsprechenden Rahmenbedingungen zuständig. - Die
einzelnen Entscheidungen können und wollen wir nicht
beeinflussen; das ist Folge der Bahnreform. Würden wir
dies tun, wäre das ein Schritt zurück.
Nun hat die Kollegin
Ostrowski eine Frage.
Herr Staatssekretär, die
Frage nach dem Bedarf ist schon wichtig. Sie haben in Ihrer ersten Antwort deutlich gesagt, die Strecken würden
gestrichen, weil kein Bedarf dafür vorhanden sei. Deshalb
frage ich Sie jetzt: Wonach bemisst sich der Bedarf auf
den beiden angesprochenen Strecken - bemisst er sich
nach der Anzahl der Fahrgäste pro Tag oder pro Kilometer - und inwieweit sind die Richtgrößen auf diesen beiden Strecken unterschritten worden?
Frau
Ostrowski, die Frage der Wirtschaftlichkeit ist das entscheidende Kriterium. Die angesprochene Strecke ist
wirtschaftlich nicht zu betreiben gewesen. Nach welchen
Kriterien sich das bemisst, kann ich nicht beantworten.
Sie müssten sich damit direkt an die Deutsche Bahn wenden. Ich bin gerne bereit, Ihnen die konkreten Zahlen zukommen zu lassen.
Ich rufe die Frage 14
des Abgeordneten Hofbauer auf:
Welche strukturpolitische Bedeutung misst die Bundesregierung dem Verkehrsträger Schiene im Rahmen der Osterweiterung
der Europäischen Union bei und welche Maßnahmen beabsichtigt
die Bundesregierung, um den Verkehrsträger Schiene im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den osteuropäischen Beitrittsstaaten, insbesondere zwischen Bayern und Tschechien, zu stärken?
Herr Staatssekretär, bitte.
Sehr geehrter Herr Hofbauer, dem Verkehrsträger Schiene kommt
im Rahmen der Osterweiterung der Europäischen Union
große Bedeutung zu. Die Bundesregierung hat schon
frühzeitig für die Grenzregionen ein Programm zur
Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur gefordert. Die
Europäische Kommission hat daraufhin ein Programm für
die Grenzregionen vorgeschlagen, aus dem 150 Millionen Euro in die transeuropäischen Netze fließen und mit
dessen Hilfe besondere Verkehrsengpässe beseitigt werden sollen. In Deutschland sollen die Schienenverbindungen Berlin-Frankfurt/Oder und Knappenrode-Horka
an der Grenze von Deutschland zu Polen gefördert werden.
Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Kollege?
Herr Staatssekretär,
ich habe zwei Fragen.
Erstens. Sind Sie bereit - Sie haben es ja bereits angekündigt -, uns die genaue Wirtschaftlichkeitsberechnung für die eingestellten Zugverbindungen zur Verfügung zu stellen? Wir möchten dies gern anhand konkreter
Unterlagen nachprüfen; denn Tatsache ist, dass der Zug
von vielen benutzt wurde, und dass nun jeden Monat Tausende von Menschen kein entsprechendes Angebot mehr
vorfinden. Sie werden mir doch Recht geben, dass dadurch die Region wirtschaftlich geschädigt wird.
Zur zweiten Frage, Herr Staatssekretär. Sie haben das
Programm für die Grenzregionen angesprochen. Was
wollen wir mit 150 Millionen Euro, die auf 23 Regionen
- von Finnland bis Griechenland - verteilt werden sollen,
anfangen? Wir alle miteinander können uns doch ausrechnen, wie viel Geld am Ende übrig bleiben wird. Hinzu
kommt, dass das Geld vorwiegend für den Straßenbau, der
notwendig ist, verwendet werden soll. Meine Frage also:
Welcher Anteil der 150 Millionen Euro wird für die
Schiene ausgegeben und inwieweit sind die von mir angesprochenen Linien dabei berücksichtigt?
Herr
Hofbauer, niemand wird Geld ausschlagen, das er von der
Europäischen Union bekommt. Eine andere Frage ist, ob
man die Mittel für ausreichend befindet.
Nun zu der Frage nach den für uns wichtigen Verkehrsverbindungen und den Schwerpunkten beim Ausbau
der Verkehrsinfrastruktur. Ich kann Ihnen versichern: Die
Vorkehrungen, die wir für die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten hin treffen, sind keineswegs
nur mit dem Geld, das wir von der Europäischen Union
dafür bekommen, zu finanzieren. Wir leisten auch erhebliche Eigenanstrengungen, um die notwendigen Vorbereitungen voranzubringen.
Die Angaben zur Wirtschaftlichkeit werde ich Ihnen
zwecks Überprüfung zukommen lassen. Allerdings kann
ich Ihnen nur das zukommen lassen, was uns die Deutsche
Bahn AG zur Verfügung stellt.
Nun rufe ich die
Frage 15 des Kollegen Dr. Klaus Rose auf:
Sieht die Bundesregierung ihr verkehrspolitisches Ziel einer
„Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene“
konterkariert durch die Praxis der DB AG, vermehrt Bahnhöfe in
der Fläche aus dem Güterumschlagskonzept, zum Beispiel bei
Gas- und Kohletransporten, herauszunehmen?
Herr Staatssekretär.
Die
Bundesregierung steht zu den mit der Bahnreform verfolgten Zielen, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen,
die finanzielle Belastung der Steuerzahler durch die
Schiene auf ein erträgliches Maß zu begrenzen und die
Wirtschaftlichkeit einer unternehmerisch geführten
DB AG zu erreichen. Die Entwicklung einer modernen,
leistungsfähigen Bahn ist ein Kernelement der integrierten Verkehrspolitik. Die Bundesregierung wird weiterhin
mit ordnungs- und investitionspolitischen Maßnahmen
ihren Beitrag dazu leisten.
Die Deutsche Bahn AG hat dargelegt, dass bei der Inanspruchnahme der Zugangsstellen im Güterverkehr erhebliche Ungleichgewichte bestehen. Die DB Cargo AG
hat deshalb für den Einzelwagenverkehr das Sanierungsprogramm Mora C, marktorientiertes Angebot Cargo, für
den Güterverkehr vorgelegt. Sie will sich nach eigener
Aussage damit natürlich nicht aus der Fläche zurückziehen.
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
nachdem Ihre Antwort auf meine erste Frage vor allem
vor dem Hintergrund der Liste, die mir von Mora C vorliegt, für mich nicht ganz verständlich ist, möchte ich nach
den Kriterien fragen, nach denen über die Schließung von
Güterbahnhöfen oder Umschlagstellen entschieden wird.
Entsprechend der mir vorliegenden Liste sind 113 Waggons des Güterbahnhofs, der in meiner Heimatregion
Pleinting liegt, aber nur ein Waggon in Friedrichshafen
betroffen. Auf einen Außenstehenden oder einen Laien
wirkt das so, als ob etwas völlig falsch gelaufen sei. Können Sie möglicherweise etwas zur Aufklärung beitragen?
Herr
Rose, es ist aufgrund der Aufgabenverteilung nach
der Bahnreform - ich sage es noch einmal - nicht unsere
Aufgabe, auf einzelne Entscheidungen der DB AG Einfluss zu nehmen. Im Hinblick auf den grundsätzlichen
Rahmen ist nach Angaben der DB Cargo AG folgender
Sachverhalt festzustellen: Rund 6 650 kleine Einzelkunden tragen nur etwa 5 Prozent zum Umsatz im Güterverkehr bei, während rund 500 mittelgroße Kunden etwa
10 Prozent und 320 Großkunden circa 85 Prozent zum
Umsatz beitragen. Die DB Cargo AG bezeichnet sich
selbst nach Aussagen ihres Vorstandsvorsitzenden, Herrn
Malmström, als Sanierungsfall. Sie verhält sich wie ein
Betrieb, der zu sanieren ist: Die Finanzierung der extrem
unterfinanzierten Stellen wird auf eine bessere Grundlage
gestellt.
Wenn Sie Auskünfte über Einzelfallentscheidungen
haben möchten, möchte ich Sie bitten, Ihre Fragen in einem direkten Gespräch mit der DB AG zu klären. Ich
werde Ihnen bei der Klärung der entsprechenden Punkte
gerne behilflich sein.
Zweite Zusatzfrage,
Herr Dr. Rose.
Habe ich Ihre Antwort,
Herr Staatssekretär, richtig verstanden, wenn ich feststelle, dass Sie eigentlich keine Möglichkeiten haben, auf
die Geschäftspolitik der Deutschen Bahn AG bzw. ihrer
Untergliederungen Einfluss zu nehmen? Um eine Brücke
zu Ihrer Vorgängerin zu schlagen: Macht es angesichts Ihrer fehlenden Einflussmöglichkeiten überhaupt noch
Sinn, wenn Sie auf Parteitagen von der Verlagerung des
Verkehrs auf die Schiene oder auf das Wasser groß tönen?
Die Voraussetzung dafür, dass ein solches Unternehmen wie die
DB Cargo AG expandieren und sich weiterentwickeln
kann, ist, dass sie zuerst ihre eigenen Finanzen auf eine
tragfähige Grundlage stellt. Wenn sie wettbewerbsfähig
sein will, muss die Struktur des Unternehmens gesund
sein. Insofern haben wir an dem Bestreben, die DB AG
nach unternehmerischen Gesichtspunkten zu führen, gar
nichts auszusetzen. Das ist verständlicherweise und richtigerweise Ziel der Bahnreform gewesen. An dieser Stelle
muss die Deutsche Bahn AG von uns unterstützt werden.
An der Lösung des Problems, ob Güterverkehrsstellen
geschlossen werden sollen oder nicht, können auch andere Verkehrsbetriebe beteiligt werden. Die DB AG garantiert, dass alle nicht bundeseigenen Eisenbahnen, die
im VDV, dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen,
organisiert sind, die Möglichkeit erhalten werden, ein entsprechendes Angebot vorzulegen. Erst wenn kein Angebot vorgelegt wird, werden Güterverkehrsstellen endgültig geschlossen.
Nun hat der Kollege
Dr. Grehn eine Frage.
Herr Staatssekretär, in welchem Verhältnis sehen Sie Ihre Aussage, dass die Bundesregierung ein Konzept zur Verlagerung des Verkehrs
von der Straße auf die Schiene hat - wenn es das gibt,
dann begrüßen wir das sehr -, zu der Aussage des Bundesministers in der heutigen Befragung der Bundesregierung, dass von den Mauteinnahmen die Hälfte für den
Straßenausbau, zwei Sechstel für den Schienenausbau
und ein Sechstel für die Wasserwege eingesetzt werden
sollen?
Zum einen dienen die bevorstehenden Einnahmen aus der Erhebung der LKW-Maut zu dem Teil, den Sie gerade genannt
haben, dem Ausbau des Verkehrsträgers Schiene. Zum anderen trägt die Erhebung der LKW-Maut nicht nur zu
größerer Kostengerechtigkeit in Bezug auf den Verkehrsträger Straße bei, sondern verändert auch den gesamten wettbewerblichen Ordnungsrahmen, in dem sich
das Verkehrssystem insgesamt befindet, zugunsten der
DB AG. Insofern wird dies selbstverständlich auch zu
Verlagerungseffekten zugunsten der Schiene führen.
Nun hat der Kollege
Straubinger eine Frage.
Herr Staatssekretär,
Sie haben vorhin das Mora-C-Programm der DB Cargo
angesprochen. Kann es sein, dass die Kriterien dieses Programms zu falschen Weichenstellungen führen, indem
nämlich nur die Bahnhöfe besonders gut bewertet werden,
bei denen das höchste Gebührenaufkommen erzielt wird,
und zu wenig an die Zielbahnhöfe gedacht wird? Wenn
man nur die Bahnhöfe im Auge hat, bei denen die meiste
Fracht verladen und ein entsprechendes Gebührenaufkommen erwirtschaftet wird, und die Zielbahnhöfe sozusagen hintanstellt, ist damit doch eine Ausdünnung in der
Fläche vorprogrammiert.
({0})
Das
Mora-C-Programm, also das Programm „Marktorientiertes Angebot Cargo“, lässt sich von zwei Fragen leiten:
Was sind die eigenen Stärken? Was sind die eigenen
Schwächen? Die nächste Frage ist dann, wie die Stärken
gestärkt werden können und wie man mit den Schwächen
umgeht. Wo Güterverkehrsstellen effektiver betrieben
werden können, werden die dazu notwendigen Schritte
eingeleitet. Insofern ist die grundsätzliche Anlage dieses
Konzepts zu begrüßen und zu unterstützen.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Ostrowski.
Herr Staatssekretär, Sie
haben vorhin gesagt, dass sich die Bundesregierung nicht
in Einzelentscheidungen einmischt. Das kann ich nachvollziehen. Wenn viele Einzelentscheidungen, in die Sie
sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht einmischen, in
großem Umfang zur Schließung von Bahnhöfen und Güterumschlagplätzen in der Fläche führen, dann wird das
aber zu einem politischen und gesellschaftlichen Problem
ersten Ranges. Stimmen Sie meiner Einschätzung zu?
Frau
Ostrowski, die Schiene und damit die DB AG ist wie alle
Verkehrsträger eine hochpolitische Angelegenheit. Wir
haben uns für die Eisenbahn viel vorgenommen und bleiben auch bei unseren verkehrspolitischen Zielen. Es ist
wichtig, dass die DB AG in den nächsten 15 Jahren ihre
unternehmerischen Ziele erreicht. Das wird von uns unterstützt. Wir haben mehrere Maßnahmen unternommen,
damit sie dies erreichen kann. Es wird allerdings nicht
ohne gelegentlich auch schmerzhafte Entscheidungen gehen. Dazu gehört beispielsweise, dass sich die DB Cargo
AG selbst in den Stand versetzt, dass sie wieder wirtschaftlich arbeiten kann. Alle Lösungen, die das nicht
berücksichtigen, werden nicht machbar sein.
Ich rufe die
Frage 16 des Kollegen Dr. Klaus Rose auf:
Legt die Bundesregierung den Art. 87 des Grundgesetzes in
Zukunft so aus, dass die DB AG nur mehr nach wirtschaftlichen
Kriterien Geschäftspolitik betreibt und nicht nach den Grundsätzen der ausgewogenen Versorgung des gesamten Landes?
Der
Art. 87 e Grundgesetz ist die Grundlage für die Strukturreform der Eisenbahnen des Bundes. Ihre wichtigsten
Ziele sind, die Eisenbahn leistungs- und damit wettbewerbsfähiger zu machen, mehr Verkehr auf die Schiene zu
bringen und den Bundeshaushalt dauerhaft zu entlasten.
Deshalb ist in Art. 87 e Abs. 3 Grundgesetz auch gezielt
festgelegt, dass die Eisenbahnen des Bundes „als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form“ geführt
werden. Diese Zielsetzung war bei der Bahnreform breiter Konsens.
Die Ausgestaltung des Angebots im Schienenpersonenfernverkehr und im Schienengüterverkehr der DB AG
gehört zu ihrem eigenverantwortlichen Bereich und erfolgt ausschließlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Hierauf kann das Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen keinen Einfluss nehmen. Die
DB AG strafft ihr Angebot dort, wo dauerhaft schwach
nachgefragte Züge einen kostendeckenden Verkehr nicht
ermöglichen.
Soweit den Eisenbahnen Leistungen abverlangt werden, die diese aus unternehmerischen Gesichtspunkten
nicht erbringen können - dazu gehören Verpflichtungen
des öffentlichen Dienstes und gemeinwirtschaftliche
Leistungen -, sind die Mindererlöse oder Mehraufwendungen nach VO-EWG Nr. 1191/69 und nach § 15 des
Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom Veranlasser auszugleichen.
Der Gewährleistungsauftrag des Bundes nach Art. 87 e
Abs. 4 des Grundgesetzes erstreckt sich auf ein dem Wohl
der Allgemeinheit dienendes Verkehrsbedürfnis, also auf
den Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie auf deren Verkehrsangebote auf
diesem Netz. Ausgenommen ist der Schienenpersonennahverkehr - SPNV -, für den als gemeinwirtschaftliche
Verkehrsleistung die Bestimmungen des Regionalisierungsgesetzes gelten.
Der Bund nimmt seine Gemeinwohlverpflichtung nach
Art. 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes grundsätzlich wahr,
indem er entsprechend dem Verkehrsbedarf und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes
finanziert.
Zusatzfrage.
Da ich einsehe, dass
sich das Bundesministerium offiziell nicht in die Geschäftspolitik der Deutschen Bahn AG einschalten kann
und will, frage ich so: Arbeitet die Bundesregierung politisch darauf hin, dass eine möglichst breite Versorgung
des Landes gewährleistet ist? Dass nur wenige Magistralen bedient werden, kann nicht Sinn der Verkehrspolitik in
Deutschland sein.
Wir unterstützen den weiteren Ausbau und den Erhalt des Schienennetzes in der Fläche an den verschiedensten Stellen.
Dafür sind allein in diesem Jahr zusätzlich 2 Milliarden DM zur Verfügung gestellt worden. Einschließlich
derselben Beträge in den beiden darauffolgenden Jahren
werden für dieses Programm 6 Milliarden DM zusätzlich
zur Verfügung gestellt. Zugleich unterstützen wir den
Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes. Wir tun also
beides: Wir bauen die Schwachstellen ab und sorgen für
den Ausbau eines modernen Schienennetzes. Dies
schließt selbstverständlich den Erhalt der Eisenbahn in
der Fläche ein.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, erlauben Sie mir, dass ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Region Ostbayern lenke und Sie bitte, das, was Sie in allgemeinen, netten Sätzen gesagt haben, auch dieser Region
zugute kommen zu lassen?
Das war
nicht unbedingt eine Frage. Gleichwohl gebe ich Ihnen
eine weitere Information: Nach dem Regionalisierungsgesetz stellen wir den Ländern Mittel für Bestellerentgelte
zur Verfügung. Das hat dazu geführt, dass im Regionalverkehr der Eisenbahn erhebliche Zuwächse zu gewärtigen sind. Nicht alle Mittel, die wir den Ländern zur
Verfügung stellen, werden tatsächlich für den Schienenpersonennahverkehr ausgegeben.
({0})
Hinzu kommt, dass im Bundesschienenwegeausbaugesetz festgelegt ist, dass 20 Prozent der Mittel ausschließlich dem Nahverkehr zugute kommen. Die Quote liegt
nicht nur bei den gesetzlich festgelegten 20 Prozent, sondern beläuft sich auf fast ein Drittel. Daran erkennen Sie,
dass der Bund erhebliche Anstrengungen unternimmt, damit der Eisenbahnverkehr auch in der Fläche weiterhin
bestehen kann.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Straubinger.
Herr Staatssekretär,
Sie haben vorhin auf die Leistungen der Bundesregierung
beim Streckenausbau und bei der Bereitstellung der dazu
erforderlichen Mittel hingewiesen. Aber bei dem, was
mein Kollege Dr. Rose gerade angesprochen hat, geht es
ja weniger um die Stärkung des Schienennetzes, sondern
offensichtlich eher um die Behebung von Organisationsproblemen und um das Angebot der DB AG. Ein schwaches Schienennetz ist ja nicht der Grund dafür, dass sich
die Bahn immer weiter aus der Fläche zurückzieht. Der
Grund ist vielmehr darin zu sehen, dass sie den Marktteilnehmern kein tragfähiges Angebot unterbreiten kann.
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Müssen hier nicht besondere Anstrengungen unternommen werden?
Hinsichtlich der Marktteilnehmer haben Sie völlig Recht. Es
ist notwendig, eine Politik zu betreiben, die mehr Wettbewerb auf der Schiene ermöglicht, damit unterschiedliche
Angebote an die Nutzer herangetragen werden können.
Eine solche Politik haben wir mit der Taskforce realisiert,
die entsprechende Vorschläge vorgelegt hat, die wir umzusetzen im Begriff sind.
Wenn ich
mich hier umschaue, habe ich das Gefühl, dass die SPDFraktion und nicht die CDU/CSU-Fraktion heute ein
Weihnachtsessen hat.
({0})
- Gut, Sie haben keine Fragen.
({1})
Dann werden wir jetzt den Dialog zwischen Regierung
und Opposition fortsetzen. Dazu rufe ich die Frage 17 des
Kollegen Straubinger auf:
Wie lässt sich das Programm „Projekt Marktorientiertes Angebot Cargo“ - Mora C - der DB AG, welches zu einer Verlagerung
von Gefahrguttransporten - zum Beispiel Flüssiggas - von der
Schiene auf die Straße führen dürfte, mit dem entgegengesetzten
Ziel der Bundesregierung, der Verlagerung auf die Schiene, vereinbaren und was gedenkt die Bundesregierung insoweit im Hinblick auf das oben genannte Programm zu unternehmen?
Die DB
Cargo AG hat, um den Einzelwagenverkehr dauerhaft auf
eine wirtschaftliche Grundlage zu stellen, das Projekt
„Marktorientiertes Angebot Cargo - Mora C - “ erarbeitet; davon war schon mehrfach die Rede. Im Rahmen des
Projekts wird die Bedienung unwirtschaftlicher Güterverkehrsstellen durch die DB Cargo AG eingestellt oder
durch die Änderung von Produktionsabläufen hinsichtlich
der Wirtschaftlichkeit nachhaltig verbessert. Güterverkehrsstellen, die nicht mehr durch die DB Cargo AG bedient werden können, sollen zukünftig nach Möglichkeit
durch andere Eisenbahnverkehrsunternehmen oder im
Verbund mit Kombiverkehrsterminals bedient werden;
ich schilderte das bereits. Die DB Cargo AG prüft dies zusammen mit den Betroffenen.
Die Bundesregierung erwartet insofern keine nachhaltige Verlagerung von Gefahrgutbeförderungen von der
Schiene auf die Straße, sondern geht davon aus, dass die
beabsichtigte Sanierung der Einzelwagenverkehre trotz
einiger Verlagerungen von Gefahrgutverkehren auf die
Straße mittelfristig auch für die Gefahrgutbeförderungen
auf der Schiene positive Effekte haben wird.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
nach Informationen des Deutschen Verbandes Flüssiggas
werden 60 bis 70 Umladestationen bzw. Zielbahnhöfe für
den Flüssiggastransport, die von dem Programm Mora C
betroffen sind, geschlossen bzw. nur noch punktuell angefahren. Dies bedeutet, dass mehrere Zehntausend Tonnen Flüssiggas zukünftig über die Straße befördert werden müssen. Ist dies mit der Gefahrgutverordnung Straße
überhaupt in Einklang zu bringen, deren Zielsetzung darin
besteht, vor allen Dingen die Gefahrgüter weiterhin auf
der Schiene zu transportieren?
Nach
der Gefahrgutverordnung dürfen nur jene Güter, deren
Transport das Eisenbahnbundesamt ausdrücklich genehmigt hat, nicht auf der Schiene befördert werden. Dies gilt
auch weiterhin.
Im Übrigen darf ich Ihnen sagen: Das Konzept Mora C
zielt weder direkt noch indirekt auf Gefahrguttransporte,
sondern behandelt sie im Vergleich zu allen anderen Güterverkehrstransporten als völlig gleichwertig.
({0})
Insofern gilt das Gleiche, was zu den „normalen“ Güterverkehrstransporten zu sagen ist, auch für Gefahrguttransporte. Auch hier gibt es die Möglichkeit, nach alternativen Betreibern Ausschau zu halten und in
Verhandlungen mit der DB AG ein entsprechendes alternatives Verkehrsangebot zu erstellen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie führten gerade aus, dass in dem Programm Mora C
keine Unterschiede gemacht, sondern alle Güter gleich
bewertet werden. Müssten nicht gerade die Gefahrgüter
eine besondere Behandlung erfahren, weil Marktteilnehmer aufgrund ihrer Vorleistungen in der Vergangenheit
besonders benachteiligt werden könnten?
Sie waren nach der Gefahrgutverordnung Straße gehalten, zuerst eine Ausnahmegenehmigung einzuholen,
die sie selten bekommen haben. Sie haben Investitionen
an den entsprechenden Bahnhöfen getätigt. Mittlerweile
werden diese Bahnhöfe von der DB Cargo nicht mehr angefahren. Damit werden die Marktteilnehmer in der
Fläche verdrängt. Ist nicht unter diesem Gesichtspunkt
eine unterschiedliche Bewertung gerade bei dem Mora-CProgramm einzufordern?
Herr
Straubinger, ich sage es noch einmal: Das Mora-C-Konzept zielt in erster Linie darauf, die DB Cargo AG zu sanieren und sie in den Stand zu versetzen, dass zukünftig
deutlich mehr Güterverkehr als bisher auf der Schiene erfolgen kann. Ich gehe davon aus, dass davon selbstverständlich auch die Gefahrguttransporte profitieren können.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Ostrowski.
Herr Staatssekretär, Sie
sagten soeben, dass in Mora C Aussagen zu Güterbahnhöfen getroffen werden, die aus wirtschaftlichen Gründen
geschlossen werden sollen oder müssen, ebenso zu Güterbahnhöfen, die erhalten bleiben können. Ich frage Sie
deshalb: Wie viele der vorhandenen Güterbahnhöfe sollen
denn gemäß diesem Konzept aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden?
Ich bin
gern bereit, Ihnen die Antwort auf diese Frage schriftlich
zuzusenden. Es tut mir Leid, dass ich darauf nicht vorbereitet bin. Sie hätten diese Frage vorher anmelden können;
dann hätte ich Ihnen die Zahlen hier präsentieren können.
Ich rufe die
Frage 18 der Kollegin Blank auf:
Aus welchen Haushaltsmitteln wird die Ankündigung des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Kurt Bodewig,
„Die Deutsche Bahn kann in den nächsten zehn Jahren für 8,7 Milliarden DM neue Züge kaufen und einsetzen“, die er in Nürnberg am
21. November 2001 vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
ICE-Instandhaltungswerkes getroffen hat, finanziert?
Frau
Blank, die Investitionen in Fahrzeuge der Bahn werden
nicht mit Haushaltsmitteln des Bundes, sondern grundsätzlich durch Eigenmittel des DB-AG-Konzerns finanziert. Daneben erhält die DB AG insbesondere im Nahverkehr Zuschüsse für die Fahrzeugbeschaffung von
Gebietskörperschaften und/oder Dritten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, das
war mir eigentlich bekannt. Wie kommt aber dann Ihr
Minister - ich bedauere, dass er nicht mehr anwesend ist dazu, vor den Beschäftigten des Ausbesserungswerkes in
Nürnberg diese 8,7 Milliarden DM als Leistung des Bundes darzustellen? Das wurde auf Nachfrage von Journalisten als Leistung des Bundes deklariert. Mir ist bekannt,
dass Sie mir darauf jetzt wahrscheinlich keine Antwort
geben können.
Frau
Blank, Sie selbst haben in Ihrer Frage den Minister mit der
Aussage zitiert:
Die Deutsche Bahn kann in den nächsten zehn Jahren
für 8,7 Milliarden DM neue Züge kaufen und einsetzen.
Es ist nicht die Rede davon, dass diese Mittel vom Bund
kommen.
({0})
Möchten Sie
noch eine Zusatzfrage stellen?
Nein.
Ich rufe die
Frage 19 der Kollegin Blank auf:
Trifft es zu, dass die DB AG in diesem Jahr rund 1,5 Milliarden DM der Investitionsmittel des Bundes nicht verbauen kann,
und - wenn ja - welcher Verwendung werden diese Mittel zugeführt?
Im laufenden Jahr wird die DB AG einen Teil der zur Verfügung
stehenden Bundesmittel nicht verausgaben können. Die
endgültige Höhe dieses Betrages lässt sich gegenwärtig
noch nicht präzise abschätzen. Hierbei ist die Bahn vom
tatsächlichen Bauablauf bei ihren Vorhaben und von der
entsprechenden Rechnungsstellung der beauftragten
Unternehmen abhängig.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie das unpräzise abschätzen,
({0})
zumal im Verkehrsausschuss bereits eine Zahl zwischen
1,2 Milliarden DM und 1,6 Milliarden DM genannt
wurde. Ist Ihnen bekannt, dass diese Summe wieder in den
Bundeshaushalt zurückfließt?
Es ist
schon seit einer Weile bekannt, dass die DB AG in diesem
Jahr den vollen, von uns zur Verfügung gestellten Betrag
für die Schieneninvestitionen leider nicht ausgeben kann.
Wir haben dafür Sorge getragen, dass sie trotzdem den
vollen Betrag mittelfristig zur Verfügung gestellt be-
kommt; denn die 6 Milliarden DM, die zur Ertüchtigung
des Bestandsnetzes vorgesehen sind, sind a) bereits ver-
traglich gebunden und b) eine notwendige Aufgabe, damit
die Bahn ihren Versorgungsauftrag erfüllen kann. Wir haben dies sichergestellt.
Was den Mittelabfluss betrifft, können wir für den Dezember keine genauen Aussagen treffen, weil dieser Monat noch nicht zu Ende ist. Am Ende des Haushaltsjahres
wird Klarheit bestehen. Beispielsweise sind im November
Mittel in Höhe von etwas über 2 Milliarden DM abgerufen worden. Dies ist ein sehr hoher Betrag, der vermuten
lässt, dass wir im Dezember einen ähnlich hohen Betrag
zu erwarten haben.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, jetzt
treffe ich eine Feststellung: Sie eiern sichtlich herum. Ich
habe nicht danach gefragt, was im November und im Dezember abgerufen wurde, sondern danach, welche Mittel
in diesem Jahr nicht verbaut werden konnten. Da die Zahlen in Ihrem Hause vorliegen, habe ich erwartet, dass Sie
uns eine konkrete Zahl nennen. Herr Staatssekretär, das ist
kein ordentlicher Umgang mit dem Parlament. Wir haben
das Recht, nach Zahlen zu fragen.
Herr Staatssekretär, ich komme auf die 2 Milliarden DM, die Sie vorhin einem Kollegen dargelegt haben,
zu sprechen. Mit anderen Worten: Die Deutsche Bahn AG
kann in diesem Jahr das Geld, das ihr aus Bundeshaushaltsmitteln zur Verfügung gestellt wird, wiederum nicht
verbauen. Ich habe eine konkrete Antwort erwartet. Ich
gehe davon aus, dass die nicht verbauten Mittel wieder an
den allgemeinen Haushalt zurückfließen. Trifft das zu?
Ich sage
es noch einmal: Genaue Aussagen darüber, wie viel Mittel die Bahn in diesem Jahr nicht verausgaben kann, gibt
es nicht, liegen nicht vor und sind in unserem Hause nicht
bekannt. Dies ist erst nach Ablauf des Haushaltsjahres genau festzustellen. Sie können dann gern neue Fragen stellen. Wir geben Ihnen dann gern die entsprechenden Informationen dazu.
({0})
Selbstverständlich stehen die Mittel, die in diesem Jahr
nicht verausgabt wurden, nicht für andere Investitionen in
diesem Jahr zur Verfügung. Wir haben dafür Sorge getra-
gen, dass sie der DB AG weiterhin zur Verfügung gestellt
werden, weil a) die Aufgaben, für die Ausgaben in Höhe
von 6 Milliarden DM vorgesehen sind, bereits vertraglich
gebunden sind und b) die Aufgaben sinnvoll, notwendig
und vernünftig sind.
({1})
Frau Kollegin Ostrowski hat das Wort zu einer Zusatzfrage.
Das eigentlich Spannende, Herr Staatssekretär, ist ja die Frage: Warum kann
die Deutsche Bahn die Mittel nicht verbauen?
({0})
Dazu haben Sie überhaupt nichts gesagt. Ich möchte gerne
wissen: Wo liegen die Gründe? Es ist ja keineswegs so,
dass die Bahn AG etwa keinen Bedarf an Investitionen
hätte. Sie hat sogar einen hohen Investitionsrückstau.
Frau
Ostrowski, der Inhalt Ihrer Frage war nicht Gegenstand
der Frage von Frau Blank.
({0})
Die Fragen 20
und 21 des Kollegen Thomas Strobl werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 22 des Kollegen Johannes
Singhammer:
Wird die Bundesregierung zusätzliche Finanzmittel in einer
Höhe von rund 50 Millionen DM bis zum Jahr 2006 für einen
sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 9 zwischen dem
Kreuz München/Nord und dem Münchener Ring sowie für die zu
ertüchtigende bereits bestehende Anschlussstelle Fröttmaning im
Aufgabenbereich der unmittelbaren Baulast des Bundes zur Verfügung stellen, um den termingerechten oben genannten Aus- und
Umbau der Bundesautobahn A 9 bis zur Eröffnung des Stadionneubaus in München-Fröttmaning sicherzustellen?
Herr
Singhammer, die Bundesregierung ist bereit, den vordringlichen, rund 50 Millionen DM teuren sechsstreifigen
Ausbau der Bundesautobahn A 9 im rund 3 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Kreuz München/Nord und
dem Münchener Ring einschließlich der bestehenden Anschlussstelle Fröttmaning im Zeitraum bis zur für 2006
vorgesehenen Eröffnung des geplanten Stadionneubaus in
München-Fröttmaning innerhalb des auf Bayern entfallenden Anteils an den Bundesfernstraßenmitteln in den
Bundeshaushalten der kommenden Jahre zu finanzieren,
sofern die baurechtlichen Voraussetzungen dafür zeitgerecht geschaffen werden. Einzelheiten dazu werden zu gegebener Zeit zwischen der Bundesregierung und der
Bayerischen Staatsregierung abzustimmen sein.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Menschen, die an diesem Autobahnabschnitt
leben, sind in Sorge - Sie haben Ihre Antwort ja unter zwei
Bedingungen formuliert, zum einen Vorlage der Bauunterlagen und Baufortschritt und zum anderen Finanzierung im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel, die
Bayern zugemessen werden -, dass bis zur Fußballweltmeisterschaft eben nicht die entsprechenden Baumaßnahmen ausgeführt und Lärmschutzanlagen erstellt werden,
sondern dass der zusätzliche Verkehr in dem Bereich auf
den so genannten Standspuren und ohne Lärmschutz rollt.
Deshalb meine Frage: Können Sie, Herr Staatssekretär,
für die Bundesregierung ausschließen, dass aufgrund des
nicht erfolgten Ausbaus zum Zeitpunkt der Fußballweltmeisterschaft die Standspuren benutzt werden und dass
letztendlich eine untragbare Situation, sowohl vom Verkehrsaufkommen als auch von den Lärmemissionen her,
eintritt?
Ich sage
Ihnen noch einmal: Wir haben zugesichert, dass bis 2006
ein sechsstreifiger Ausbau vorgenommen wird. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass wir die Planungsunterlagen dafür bekommen, die gegenwärtig erstellt werden. Dafür ist die Auftragsverwaltung des Freistaats
Bayern zuständig, nicht wir.
Was den zweiten Teil der Frage betrifft: Der bayerische
Anteil an Bundesfernstraßenmitteln gibt den sechsstreifigen Ausbau durchaus her.
Eine weitere
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben mir in Ihrer schriftlichen Antwort vom
26. November mitgeteilt, dass die entsprechenden Unterlagen, die Sie gerade in Ihrer Antwort angesprochen haben, noch nicht vorlägen. Meine Nachfrage beim bayerischen Innenministerium hat ergeben, dass sie nachweislich am 30. Oktober dieses Jahres abgeschickt worden
sind. Nun interessiert mich: Sind die Unterlagen mittlerweile bei Ihnen angekommen? Haben Sie Kenntnis davon?
Ich weiß
nicht, welche Unterlagen die Bayerische Staatsregierung
in ihrer Auskunft Ihnen gegenüber gemeint hat. Die Unterlagen, die in meinem Brief an Sie beschrieben wurden,
liegen in der Tat noch nicht vor.
Ich rufe die
Frage 23 des Kollegen Helmut Heiderich auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen ihres „Betreibermodells für den sechsstreifigen BAB-Ausbau“ auch andere als die
von ihr als mögliche Pilotabschnitte vorgeschlagenen Projekte in
das Ausbauprogramm der privaten Vorfinanzierung aufzunehmen
und auf welchem Weg kann diese zusätzliche Aufnahme erfolgen?
Herr
Heiderich, bei dem Betreibermodell für den sechsstreifigen Autobahnausbau, dem so genannten Sechsermodell,
handelt es sich nicht um eine private Vorfinanzierung,
sondern um eine Projektfinanzierung. Das heißt, der private Betreiber übernimmt im Laufe einer Konzessionszeit
nach Abschluss der Bauphase die Aufgaben für Betrieb
und Erhaltung sowie die daraus entstehenden Risiken. Die
hierdurch entstehenden Kosten sowie der private Anteil
der anfänglichen Baukosten werden durch die streckenspezifische Weiterleitung der Einnahmen aus der Autobahngebühr für schwere LKW - das sind solche mit mehr
als 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht - refinanziert.
Bei der privaten Vorfinanzierung übernimmt der Private nur die Bauleistung für das Straßenbauprojekt und
dessen Finanzierung auf eigene Rechnung. Der Bund verpflichtet sich, den privat finanzierten Streckenabschnitt
gegen ratenweise Zahlung der Refinanzierungssumme zu
erwerben. Die gesamten Refinanzierungskosten, das heißt
Bau- und Finanzierungskosten, die sich über 15 Jahresraten verteilen, trägt der Bundesfernstraßenhaushalt.
Derzeit werden Abstimmungsgespräche mit den Ländern über die mit der Projektliste vorgeschlagenen Maßnahmen nach dem 6er-Modell geführt. Dabei ist es im
Grundsatz möglich, Maßnahmen einvernehmlich auszutauschen. Die Anstrengungen des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hinsichtlich der
Erarbeitung von Musterregelungen, unter anderem Konzessionsvertrag und Realisierungsstudien, konzentrieren
sich im Interesse einer möglichst frühzeitigen Vergabe auf
die in der Projektliste enthaltenen Maßnahmen.
Zusatzfrage?
Ja. - Herr Staatssekretär, darf ich zunächst fragen, unter welchen Bedingungen es möglich ist, dass in dieses Programm auch
Strecken, die bisher „als grundhafte Erneuerung mit Ausbau von Steigungsstreifen“ klassifiziert sind, aufgenommen werden?
In dieses Programm werden grundsätzlich Autobahnabschnitte
aufgenommen, die von vier Streifen auf sechs Streifen erweitert werden. Wenn dieses gleichzeitig damit einhergeht, dass diese Strecken grundhaft erneuert werden müssen, ist das ja letztlich eine Qualitätsverbesserung, die wir
sowieso durchführen müssen.
Eine weitere
Zusatzfrage.
Darf ich noch weiter
fragen, ob bei der Auswahl der Strecken, die Sie hier vorgeschlagen haben, die bisherige Klassifizierung des Bundesverkehrswegeplanes keine entscheidende Rolle spielt,
da meines Wissens auch Strecken aufgeführt sind, die bisher im „Weiteren Bedarf“ ausgewiesen waren?
Sie haben Recht, es sind auch Streckenabschnitte dabei, die bisher im „Weiteren Bedarf“ mit ausgewiesen wurden.
Gleichwohl sind dies Abschnitte, deren sechsstreifige Erweiterung als notwendig angesehen wurde.
Ich rufe die
Frage 24 des Kollegen Heiderich auf:
Wie wird die Bundesregierung die konkrete Höhe der Anschubfinanzierung bzw. des öffentlichen Finanzierungsanteils bei
den Betreibermodellen berechnen und wird sie die Reihenfolge
der Zuteilung bzw. die Priorität der Maßnahme nach der Höhe des
privaten Finanzierungsanteils oder nach anderen Kriterien festlegen?
Für
die ersten Projekte nach dem 6er-Modell sind so genannte Realisierungsstudien vorgesehen, mit denen auch
die Höhe der erforderlichen Anschubfinanzierung abgeschätzt werden soll. Die tatsächliche Höhe der Anschubfinanzierung ergibt sich erst im Rahmen der Ausschreibung bzw. Vergabe der jeweiligen Maßnahme.
Die Anschubfinanzierung für ein 6er-Modell ist aus
den Investitionsmitteln des Bundes für die Bundesfernstraßen aufzubringen, die dem jeweiligen Land im Rahmen seines Anteils an den Hauptbautiteln zur Verfügung
stehen. Die Priorität der Maßnahmen ist deshalb abhängig
von der einvernehmlich zwischen Bund und dem jeweiligen Land abzustimmenden Verwendung dieser Investitionsmittel.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
ist die Bundesregierung auch bereit, im Vorfeld einer solchen Planung den privaten Unternehmen, die ja nachher
den Ausbau vornehmen sollen, die entsprechenden Daten
über Verkehrsumfang, Bestandspläne, Streckengestaltung
und gegenwärtigen Streckenzustand zur Verfügung zu
stellen, damit diese privaten Unternehmen einen entsprechenden Planungsentwurf und eine Kostenplanung bei Ihnen einreichen können?
Herr
Heiderich, selbstverständlich ist die Bundesregierung
dazu bereit. Dies ist geradezu notwendig; sonst ist es ja für
einen Privaten überhaupt nicht möglich, ein Angebot abzugeben.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Blank.
Herr Staatssekretär, nach
Ihren Ausführungen drängt sich mir die Frage auf, ob Ihr
Betreibermodell nicht ganz genau dem privaten Konzessionsmodell entspricht, das Sie noch vor acht Wochen
abgelehnt haben.
Ich weiß
nicht, welches Modell Sie im Auge haben, das wir vor
acht Wochen abgelehnt haben sollen.
({0})
Herr Kollege Heiderich, Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie hatten in der Antwort auf meine erste Frage vorhin erwähnt, dass Strecken ausgetauscht werden könnten. Nun
meine Frage: Ist es auch möglich, dass zu den von Ihnen
vorgeschlagenen Strecken weitere Strecken hinzukommen? Sind Sie gegebenenfalls auch bereit, die gesamte
Planungsphase in die Hand eines privaten Betreibers zu
legen?
Dies alles sind Fragen, die wir gegenwärtig mit den Ländern
erörtern. Wir sind da relativ offen; denn dieses private
Betreibermodell erfordert die Zustimmung des Landes.
Wir können das nur im Einvernehmen zwischen Land und
Bund realisieren.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Wiese.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für denkbar, dass es dadurch Einspareffekte geben könnte, dass beispielsweise ein Autobahnausbau wie der Albaufstieg im gleichen Zeitrahmen wie
der Ausbau der ICE-Strecke von Stuttgart Richtung München stattfindet? Dadurch würden sich ja nicht nur aufgrund der parallelen Trassenführung, sondern auch aufgrund der gleichzeitigen Bewältigung erheblicher Höhenunterschiede gewaltige Einspareffekte erzielen lassen.
Wir halten Einspareffekte aufgrund des privaten Betreibermodells selbstverständlich für möglich. Wir zielen aber nicht
darauf ab. Die erwähnte ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke steht nicht im Zusammenhang mit dem nach dem
privaten Betreibermodell zu betreibenden Albaufstieg. Es
handelt sich vielmehr um eine Strecke, die unmittelbar am
Bauabschnitt, der dahinter folgt, liegt.
Die
Frage 25 des Kollegen Austermann wird schriftlich beantwortet.
Wir sind somit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich
danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Staatssekretär UweKarsten Heye zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Dr. Christian Ruck
auf:
Welche tatsächlichen Gründe waren dafür maßgeblich, dass
der Bundeskanzler, Gerhard Schröder, laut „Abendzeitung“,
München vom 12. September 2000, den damaligen Bundestagskollegen und späteren stellvertretenden Leiter der Inlandsabteilung des Bundespresseamtes, Hans Wallow, „feuern ließ“?
Herr Abgeordneter, darf ich mir erlauben, Ihre beiden Fragen im Zusammenhang zu beantworten, weil sie inhaltlich zusammenhängen?
Ich rufe also
auch noch die Frage 27 des Kollegen Dr. Christian Ruck
auf:
Hat das Bundeskanzleramt auf das Verfassen des Artikels in
der „Abendzeitung“ vom 12. September 2000 Einfluss genommen
und, wenn ja, waren im Bundeskanzleramt die tatsächlichen
Gründe für die Versetzung des betroffenen Beamten von Berlin an
die Außenstelle Bonn bekannt?
Die Darstellung in dem von Ihnen zitierten Zeitungsartikel ist
unzutreffend. Mit dieser Personalangelegenheit waren
weder der Bundeskanzler noch das Bundeskanzleramt
befasst.
Falsch ist auch die Behauptung, dass der betroffene
Mitarbeiter gefeuert worden sei. Richtig ist vielmehr, dass
er auf eigenen Wunsch in den Ruhestand getreten ist.
Deswegen kann ich auf Ihre zweite Frage nur mit einem
klaren Nein antworten.
Herr Kollege Ruck, Sie haben jetzt vier Zusatzfragen.
Erste Nachfrage.
Der Bundeskanzler hat also in keiner Weise in den Konflikt zwischen dem Bundespresseamt und dem ehemaligen Fraktionskollegen eingegriffen. Habe ich Sie richtig
verstanden?
So ist es.
Weitere Nachfrage:
Wie erklären Sie sich Ihre Aussage, Herr Staatssekretär,
dass zwischen der Umsetzung des betroffenen Beamten
und seiner Tätigkeit als Autor kein Zusammenhang bestünde, obwohl die Anwälte des Bundespresseamtes vor
dem Verwaltungsgericht Berlin erklärten, man müsse den
Beamten versetzen, da dem Theaterstück in der Presse besondere Aufmerksamkeit gewidmet war?
Ich kann in
diesem Zusammenhang nur sagen: Es ist hier im Interesse
der Betroffenen Vertraulichkeit geboten, weil es sich um
eine Personalangelegenheit handelt. Deswegen muss ich
mich in dieser Frage zurückhalten und bitte dafür um Verständnis.
Meine letzte Nachfrage: Trifft es zu, dass aus dem Verantwortungsbereich
des Beamten besonders zahlreiche Werbeaufträge an eine
Werbeagentur in Hannover gingen, die seit Jahren einen
besonders guten Kontakt zum Bundeskanzler hat, und
dass der betroffene Beamte dies behördenintern moniert
hat?
Ich kann
mich an keinen solchen Vorgang erinnern. Deswegen
kann ich die Frage im Moment nicht beantworten.
Zusatzfrage
des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Vorgang nachgehen und uns von
Ihren Erkenntnissen berichten?
Das kann
ich gerne tun.
Danke sehr.
Ich danke
Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen werden
von der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Barbara
Hendricks beantwortet.
Ich rufe die Frage 30 der Kollegin Elke Wülfing auf:
Ist es richtig, dass in den Freistellungsbescheinigungen zum
Steuerabzug bei Bauleistungen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz, die die Finanzämter ausstellen, darauf hingewiesen wird, dass der Leistungsempfänger die Freistellungsbescheinigung überprüfen kann, um eine Haftung für den
Steuerabzug zu vermeiden?
Frau Kollegin Wülfing, ja,
es trifft zu, dass die von den Finanzämtern der Bundesländer ausgestellten Freistellungsbescheinigungen den
Hinweis enthalten, dass der Leistungsempfänger die Freistellungsbescheinigung überprüfen kann, um eine Haftung für den Steuerabzug zu vermeiden.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe
ich die Frage 31 der Kollegin Elke Wülfing auf:
Wenn ja, hat dann dieser Hinweis zur Folge, dass der Leistungsempfänger, der nicht nachweisen kann, dass er die Korrektheit der Freistellungsbescheinigung beim Bundesamt für Finanzen überprüft hat, für den Steuerabzug haftet?
Durch das bloße Unterlassen einer Überprüfung der Freistellungsbescheinigung
bzw. durch den mangelnden Nachweis einer Überprüfung
wird keine Haftung begründet. Nach der für die Haftung
maßgeblichen Vorschrift des § 48 a Abs. 3 Einkommensteuergesetz haftet der Leistungsempfänger für den Abzugsbetrag nicht, wenn ihm im Zeitpunkt der Gegenleistung eine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat,
deren Rechtmäßigkeit er vertrauen konnte. Im Regelfall
wird der Leistungsempfänger nicht haften, wenn die ihm
vorgelegte Freistellungsbescheinigung formal den gesetzlichen Anforderungen an eine solche Bescheinigung entspricht.
Um zu verhindern, dass der Leistende in Zweifelsfällen
einen Steuerabzug vornimmt, um eine vermeintliche Haftung zu vermeiden, kann er sich durch eine Internetanfrage beim Bundesamt für Finanzen oder durch Nachfrage beim zuständigen Finanzamt die Richtigkeit der
Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung bestätigen
lassen. Die Möglichkeit der Internetanfrage dient vorrangig der Effektivität des Freistellungsverfahrens.
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut darf der Leistungsempfänger nach § 48 a Abs. 3 Einkommensteuergesetz allerdings insbesondere dann nicht auf eine Freistellungsbescheinigung vertrauen, wenn sie durch unlautere
Mittel oder falsche Angaben erwirkt wurde und ihm dies
bekannt war oder grob fahrlässig nicht bekannt war.
Eine Zusatzfrage?
Ja.
Bitte.
Frau Staatssekretärin, ist
es dann nicht richtig, dass die neu geregelte Zentralstelle,
die wir ja gemäß dem Steueränderungsgesetz 2001 neu
eingerichtet haben, eine Haftungsverschärfung dahin gehend bedeutet, dass der Leistungsempfänger, wenn er
nicht per Internet anfragt, automatisch für den Steuerabzug haftet, wenn diese Freistellungsbescheinigung, welche ich hier habe und auf die meine Fragen ja gründen,
nicht korrekt ist?
Nein, Frau Kollegin, es ist
nicht richtig, dass er dann automatisch haftet. Es ist nur
eine Erleichterung. Um sich zu vergewissern, ob die
Freistellungsbescheinigung wirklich richtig ist, kann der
Leistungsempfänger diese Anfrage per Internet machen,
was ja eine sehr einfache Tätigkeit ist, die also keinen
Aufwand beinhaltet. Er kann auch beim zuständigen Finanzamt des Leistungserbringers, also der auftragnehmenden Firma, nachfragen. Einfacher ist es aber, dies per
Internet zu tun.
Aber ich sagte Ihnen ja, dass der ausdrückliche Wortlaut des entsprechenden Paragraphen im Einkommensteuergesetz bedeutet, dass Haftung nur dann entsteht,
wenn diese Freistellungsbescheinigung tatsächlich falsch
war und derjenige, der diese entgegengenommen hat, dies
gewusst hat oder grob fahrlässig nicht gewusst hat. Aber
grobe Fahrlässigkeit entsteht nicht dadurch, dass er nicht
selber nachfragt.
Noch einmal nachgefragt:
Er muss also nicht nachweisen, dass er die Zentralstelle
oder das Finanzamt nicht angerufen hat, um zu beweisen,
dass die Freistellungsbescheinigung, die ihm vorgelegen
hat, korrekt ist?
Nein, dies muss er nicht
nachweisen.
Gut. Vielen Dank.
Die
Fragen 32 und 33 des Kollegen Ernst Hinsken und die
Frage 34 des Kollegen Hans Michelbach werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 35 des Kollegen Dr. Hans-Peter
Friedrich zu den finanziellen Problemen der SchmidtBank in Hof auf:
Zu welchem Zeitpunkt hat das Bundesaufsichtsamt für das
Kreditwesen die Bundesregierung über die finanziellen Probleme
der Schmidt-Bank in Hof unterrichtet?
Herr Kollege Friedrich, das
Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen ist zentrale
Kontroll- und Überwachungsinstanz im Bereich der Bankenaufsicht und aufgrund seiner organisatorischen Selbstständigkeit in diesem ihm zugewiesenen Fachbereich
zum eigenverantwortlichen Handeln nach Maßgabe des
Gesetzes über das Kreditwesen, KWG, berechtigt.
Im Rahmen der Fachaufsicht des Bundesministeriums
der Finanzen über das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen bestehen grundsätzlich keine besonderen Unterrichtungspflichten gegenüber den zuständigen Stellen des
Bundesministeriums der Finanzen. Über Schieflagen von
Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten in sensibel
und bedeutend eingestuften Fällen informiert das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen das Bundesministerium
der Finanzen.
Im Falle der Schmidt-Bank hat das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen das Bundesministerium der Finanzen schriftlich Bericht über die Lage des Instituts und
die geschaffene Auffanglösung erstattet. Dieser Bericht
ging dem Bundesministerium der Finanzen rechtzeitig zu.
Zusatzfragen?
Ja.
Bitte.
Frau
Staatssekretärin, ich habe diese Frage deswegen gestellt,
weil der Kollege Ludwig Stiegler von der SPD ausweislich der „Frankenpost“ vom 21. November dieses Jahres
gesagt hat, Minister Eichel habe sich, als er von dem Ultimatum des Bundesaufsichtsamtes erfahren habe, sofort
um diese Sache gekümmert. Aber es war - so heißt es hier
wörtlich - „am Samstag Nachmittag zu spät. Da war
nichts mehr aufzuhalten“. Deswegen habe ich die Frage
gestellt, wann genau die Bundesregierung von dieser Angelegenheit erfahren hat. Außerdem möchte ich fragen: Ist
es schon einmal vorgekommen, dass eine Bank geschlossen wurde, ohne dass die Bundesregierung davon vorher
in Kenntnis gesetzt wurde?
Ja, Herr Kollege, das ist
schon einmal vorgekommen. Denn dies gehört in der Tat
zu den aufsichtsrechtlichen Aufgaben des Bundesamtes
für das Kreditwesen. Die Bundesregierung, insbesondere
der Bundesfinanzminister als Person, wird im Vorhinein
über so etwas nicht unterrichtet, sondern das fällt in die
Zuständigkeit des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen. In sensiblen Bereichen - ich habe Ihnen das eben
gesagt; so ist es auch festgelegt - wird das Bundesministerium der Finanzen unterrichtet, das heißt aber das zuständige Referat, darüber hinausgehend vielleicht die zuständige Abteilung. Dann müsste im Ministerium
entschieden werden, ob der Fall auch dem Minister vorgelegt wird. Aber nach meinem Kenntnisstand ist das
nicht der Fall gewesen, sondern das Bundesministerium
der Finanzen ist zunächst telefonisch und mündlich durch
das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen unterrichtet
worden und hat dann auf Bitte des Bundesministeriums
der Finanzen Anfang Dezember, also Anfang dieses Monats, schriftlich Bericht erstattet.
Wenn
die Information im Ministerium nicht an den Minister
weitergegeben wurde - so habe ich das verstanden -, dann
meine nächste Frage. Im Bundesaufsichtsamt wird ja nun
nicht geprüft, welche regionalwirtschaftlichen oder strukturpolitischen Konsequenzen die Schließung einer Bank
hat. Halten Sie es nicht für notwendig, dass man in diesem
Prozess auch das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium stärker einschaltet, um solche wichtigen
strukturpolitischen Fragen zu klären?
Herr Kollege Friedrich, die
Aufgabe des Bundesaufsichtsamtes ist eine, wenn Sie so
wollen, Verbraucherschutzaufgabe. Es hat zunächst die
Einlagen der Menschen zu sichern, die ihr Geld bei einer
Bank angelegt haben. Zur Schließung einer Bank kommt
es dann, wenn das Eigenkapital der Bank nicht ausreicht,
um die Einlagen, die von den Sparern dort in gutem Glauben hinterlegt worden sind, zu sichern. Das ist die eigentliche Aufgabe des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen; das entspricht seiner gesetzlich vorgeschriebenen
Aufgabenstellung. Strukturpolitische Gründe darf das
Bundesaufsichtsamt in diesem Zusammenhang letztlich
nicht berücksichtigen, weil es tatsächlich um die Einlagensicherung geht.
Wenn das Bundesaufsichtsamt im umgekehrten Fall
seiner Pflicht nicht nachkommen würde und eine Bank
über den Zeitpunkt, der verantwortlich wäre, hinaus
wirtschaften würde, dann wären alle Sparer der Region
sozusagen „entreichert“. Das muss verhindert werden.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.
Frau Staatssekretärin, in der öffentlichen Diskussion über das Vorgehen des
Bundesaufsichtsamtes ist vor allem die Kürze der Zeit kritisiert worden, in der der Schmidt-Bank Gelegenheit gegeben worden ist, eine Schließung zu verhindern. Entspricht der vorgegebene Zeitraum dem in solchen Fällen
üblichen Verfahren?
Ich weiß nicht genau, Herr
Kollege, wie lang der Zeitraum war. Aber ich will dazu
allgemein einmal Folgendes sagen. Ein langer Zeitraum
kann in diesem Zusammenhang niemals sinnvoll sein;
denn wenn sich herumsprechen würde, dass es Schwierigkeiten gibt, würden natürlich alle Sparer und Konteninhaber umgehend ihr Geld abziehen und die Bank würde
sofort zugrunde gehen. Dann würde eine Auffanglösung
nicht mehr gelingen. Deswegen ist es notwendig, dass der
Vorgang vertraulich und rasch erfolgt.
Eine weitere
Zusatzfrage, diesmal vom Kollegen Protzner.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, dass das Bundesfinanzministerium
in als sensibel und bedeutend eingestuften Fällen vom
Bundesaufsichtsamt vorab informiert wird. Was hat diese
Vorabinformation für einen Sinn, wenn das Bundesfinanzministerium nicht Handlungskonsequenzen daraus
ableitet, beispielsweise in Zusammenarbeit mit dem Bundeswirtschaftsministerium? Meine Frage bezieht sich also
nicht auf das Handeln des Bundesaufsichtsamtes für das
Kreditwesen, sondern darauf, warum das Bundesfinanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium
untätig geblieben sind, obwohl sie vorab informiert worden sind.
Herr Kollege Protzner, die
Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums ist ohnehin nicht gegeben. Insofern geht Ihr Vorschlag ins
Leere. Aber der Vorgang ist so gehandhabt worden, dass
das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen zusammen
mit den vier bayerischen privaten Großbanken letztlich
die Lösung für die Auffanggesellschaft gefunden hat.
Das Bundesaufsichtsamt ist also ausgesprochen erfolgreich gewesen, weil die Bank letztlich nicht geschlossen
werden musste, sondern eine Auffanggesellschaft gegründet wurde, die in alle Rechte und Pflichten eintreten
konnte. Auf diese Weise haben aus diesem Grund weder
Sparer ihr Eigentum verloren noch etwa konnten Kredite
nicht mehr prolongiert werden. Das war eine ausgesprochen erfolgreiche Tätigkeit des Bundesaufsichtsamtes für
das Kreditwesen.
Wir kommen zur Frage 36 des Kollegen Friedrich:
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen oder
gedenkt sie zu unternehmen, um die Schmidt-Bank in ihrer Funktion als Mittelstandsbank für die Zukunft zu erhalten, wie dies
offenbar durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau bei der Deutschen Industriebank geschieht, vergleiche „Nordbayerischer Kurier“ vom 26. November 2001?
Die Bundesregierung sieht
keine Möglichkeit für einen Beitrag des Bundes zur Erhaltung der Schmidt-Bank. Die Auffanggesellschaft, die
nach einem Treffen mit den bayerischen Großbanken und
dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen entstanden
ist - ich sagte es Ihnen eben schon -, zeigt, dass das deutsche Bankensystem in der Lage ist, eigene Lösungen zu
finden.
Die Einlagen der Schmidt-Bank sind im Übrigen im
Rahmen dieser Auffanglösung über den Einlagensicherungsfonds der privaten Banken gesichert.
Zusatzfragen?
Frau
Staatssekretärin, wenn ich es richtig weiß, hat am 9. November der Verwaltungsrat der KfW - der Minister ist, so
glaube ich, Mitglied oder sogar Vorsitzender dieses Verwaltungsrates - den Beschluss gefasst, einzusteigen und
sich an der IKB, Deutsche Industriekreditbank in Düsseldorf, zu beteiligen. Begründet wurde das damit, dass man
gesagt hat, es gehe darum, die Mittelstandsorientierung
der IKB für die Zukunft zu sichern.
Sieht denn die Bundesregierung einen Unterschied
zwischen einem Einsteigen der KfW bei der IKB und dem
Einsteigen bei der Schmidt-Bank - mit Ausnahme der
Tatsache, dass die IKB in Nordrhein-Westfalen liegt und
die Schmidt-Bank in Bayern?
Der Unterschied ist der, so
hart sich das anhört: Die IKB ist kein Sanierungsfall. Es
ist also schon aus diesem Grund keine wettbewerbsschädliche Sanierungsaktion, sondern es ist die Beteiligung eines im Bundesbesitz befindlichen Bankinstituts an
einem anderen Bankinstitut, ohne dass damit irgendeine
Wettbewerbsverzerrung entsteht.
Frau
Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass die Industrie- und
Handelskammer von Oberfranken schätzt, dass durch ein
individuelles Verschwinden der Schmidt-Bank als Mittelstandsbank in der dortigen Region 18 000 Arbeitsplätze
gefährdet sind? Es ist noch nicht das dazugerechnet, was
in Sachsen, in Thüringen und in der Oberpfalz möglicherweise gefährdet ist. Das sind ja nun wichtige und eindrucksvolle Zahlen.
Ist Ihnen als Bundesregierung bewusst, dass es sich
dabei um ein Grenzgebiet handelt, das auch unmittelbar
von der EU-Osterweiterung betroffen ist, und dass der
Mittelstand dort vor besondere Herausforderungen gestellt ist?
Herr Kollege Friedrich, wir
müssen natürlich - ich sagte Ihnen das schon - unter Beihilfegesichtspunkten prüfen, was man tun kann, um eine
solche Bank zu erhalten. Ich sage Ihnen noch einmal: Es
ist ja auf privater Basis etwas geschehen. Die vier großen
bayerischen Privatbanken haben die Schmidt-Bank aufgefangen. Die Kredite sind nicht notleidend geworden.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau ist übrigens - ich
rede nicht von einer möglichen Beteiligung der Kreditanstalt für Wiederaufbau an der Schmidt-Bank - zur Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft in Oberfranken
mit einem Kreditvolumen von circa 600 Millionen DM
engagiert, also direkt zugunsten des Mittelstandes allein
in Oberfranken. Daran wird sich auch nichts ändern.
Ich könnte Ihnen jetzt natürlich eine Art volkswirtschaftliches Seminar über die Frage halten,
Lieber
nicht, Frau Staatssekretärin.
({0})
- wie sich das im Wettbewerb darstellt. Ich wünsche es niemandem, dass er in
Konkurs geht, natürlich auch nicht einer Bank. So bedauerlich das ist: Es wird sich im Wettbewerb eine andere
Regelung finden. Die Mittelständler werden ihre Kredite
auch anderswo bekommen. Es gibt auch in Oberfranken
ein leistungsfähiges Sparkassenwesen und leistungsfähige Volksbanken und Filialen der Großbanken.
Ich glaube, dass es nicht die Aufgabe der Bundesregierung ist, einen bestimmten Wettbewerber am Markt zu erhalten. Das kann nicht die Aufgabe der Bundesregierung
sein!
Eine Zusatzfrage des Kollegen Protzner.
Frau Staatssekretärin, Sie haben das andere Verhalten der Kreditanstalt für
Wiederaufbau bei der IKB in Ihrer Antwort damit begründet, dass die IKB kein Sanierungsfall ist, und gesagt:
Deswegen hat sich die KfW beteiligt. Darf ich daraus
schließen, dass sich die KfW an der Schmidt-Bank beteiligt, wenn sie saniert worden ist?
Herr Kollege, die IKB ist
eine Bank, die, wie ihr Name schon sagt, Industriekredite
anbietet und die in diesem Bereich eine gewisse Tradition
hat. Ihr Hauptsitz liegt in Düsseldorf. Sie ist aber bundesweit tätig, hat also nicht nur regionale Bedeutung.
Die KfW ist daran interessiert, die Mittelstandsorientierung dieser Industriekreditbank auch in Zukunft zu erhalten. Dieses Interesse der KfW möchte ich nicht näher
beurteilen, weil das eine Entscheidung der KfW ist. Sie ist
ja die Förderbank des Bundes und unterstützt insbesondere den Mittelstand in der Bundesrepublik Deutschland.
Ich sagte Ihnen ja soeben: Die KfW ist allein in Oberfranken mit Krediten an den Mittelstand in Höhe von
600 Millionen DM engagiert. Es geht ja darum, dass der
Mittelstand auch in Zukunft mit Krediten versorgt wird.
Ich wiederhole es: Die Schmidt-Bank ist durch private
Banken aufgefangen worden. Der Einlagensicherungsfonds der deutschen Privatbanken tritt vollständig ein. Es
gehen also keine Einlagen von Sparern bei der SchmidtBank verloren.
Wenn die Schmidt-Bank in der Region von Oberfranken eine wirklich so große Bedeutung hat, wie Sie sagen,
dann sollte die Bayerische Staatsregierung unter dem Gesichtspunkt der Regionalförderung einmal prüfen, der
Schmidt-Bank beizutreten, beispielsweise durch einen
Anteilserwerb. Gerade unter dem Gesichtspunkt der regionalen und der Mittelstandsorientierung wäre dies zunächst Aufgabe der Bayerischen Staatsregierung. Ich vermute nur, dass die Bayerische Staatsregierung ebenso,
wie das bei der Bundesregierung der Fall wäre, Probleme
mit der wettbewerbsrechtlichen Genehmigung aus Brüssel bekommen würde. Deswegen hat nach meinem Kenntnisstand die Bayerische Staatsregierung bisher keinerlei
Anstalten gemacht, Anteile der Schmidt-Bank zu erwerben.
Eine weitere
Zusatzfrage vom Kollegen Koschyk.
Frau Staatssekretärin, bevor ich meine Frage stelle, muss ich Folgendes feststellen: Ich bin sehr erstaunt, dass die Bundesregierung
anscheinend nicht weiß, mit welchem Prozentsatz die
Bayerische Staatsregierung, die Sparkassenorganisation
in Bayern und die Bayerische Landesbank an der für die
Schmidt-Bank gefundenen Auffanglösung beteiligt sind.
Ich möchte die Frage des Kollegen Protzner aufgreifen: Wenn es in diesem Fall durch das bereits vorhandene
Engagement der Bayerischen Staatsregierung und der vier
genannten Großbanken gelingt, die Schmidt-Bank einigermaßen zu sanieren, ist dann die Bundesregierung analog zur Beteiligung der KfW an der IKB nicht doch bereit,
zu prüfen, ob sie angesichts der Tatsache, dass es hier
nicht um ein rein bayerisches Problem geht, sondern um
die Erhaltung eines Bankinstituts, das der Wirtschaft in
Thüringen und Sachsen - damit hat es also auch für die
neuen Länder Bedeutung - als mittelstandsorientiertes
Kreditinstitut dient, durch eine dauerhafte Sicherung dieser mittelstandsorientierten Bank in dieser Region zu deren Erhalt beitragen kann?
Selbstverständlich wäre
die Bundesregierung bereit, dies zu prüfen. Darüber
müsste natürlich die KfW entscheiden, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, ob tatsächlich eine Sanierung gegeben ist. Denn ich sagte Ihnen ja schon: Sanierungsmittel können wir auch über den Weg der KfW nicht geben;
das ist EU-rechtlich nicht erlaubt. Sollte eine Sanierung
gelingen, wird man diesem Gedanken näher treten können. Allerdings kann ich einerseits selbstverständlich
nicht mehr als eine Prüfung zusagen. Andererseits ist es
nicht gesagt, ob unsere Unterstützung überhaupt noch
nötig ist, wenn eine Sanierung gelungen ist.
Die
Frage 37 des Kollegen Austermann wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 38 der Kollegin Christine
Ostrowski:
Wie vereinbart sich der Verkauf der Geschäftsanteile des Bundes von 72,6 von Hundert am Stammkapital der Frankfurter Siedlungsgesellschaft mbH an die Viterra AG - vergleiche auch
Drucksache 14/3346 des Hessischen Landtages - unter Nichtberücksichtigung des Kaufangebotes der 350 Mitglieder und
294 Haushalte umfassenden Arbeitsgemeinschaft Mietervereine
Bizonale Siedlung Frankfurt am Main-Griesheim e. V. mit der
Aussage in der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998,
bei der Privatisierung bundeseigener Wohnungsbestände gehe die
Koalition sozialverträgliche Wege wie Genossenschaftsgründungen, Mieterprivatisierungen oder Erhalt einzelner Gesellschaften
bei größerer Wirtschaftlichkeit?
Frau Kollegin Ostrowski,
das Angebot der Arbeitsgemeinschaft Mietervereine Bizonale Siedlung lag auch nach einer Nachbesserung deutlich unter dem Wert der betroffenen Wohneinheiten. Der
Arbeitsgemeinschaft wurde daher mitgeteilt, dass ihrem
Kaufangebot nicht näher getreten werden konnte. Ein
großer Teil der Wohneinheiten der Siedlung ist für eine
Mieterprivatisierung vorgesehen, sodass in diesem Rahmen Wünsche von Mietern hinsichtlich eines Erwerbs
berücksichtigt werden können.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
meine Frage lautete, inwieweit der Verkauf an Viterra, zu
dem Sie sich entschlossen haben, mit der Koalitionsvereinbarung vereinbar ist. Deshalb muss ich jetzt noch einmal nachfragen. In der Koalitionsvereinbarung haben Sie
sich auf folgende Formulierung geeinigt: Bei der Privatisierung bundeseigener Wohnungen geht die Koalition sozialverträgliche Wege, wie, jetzt kommt es - es folgt eine
Aufzählung -, Genossenschaftsgründungen, Mieterprivatisierungen oder Erhalt einzelner Gesellschaften bei
größerer Wirtschaftlichkeit. Ich bemerke: Der Verkauf an
Dritte ist dort nicht vermerkt. Davon abgesehen glaube
ich auch nicht, dass die Reihenfolge bei der Erarbeitung
der Koalitionsvereinbarung zufällig gewählt wurde.
Stimmen Sie mir darin zu, dass Sie bei Ihrer Entscheidung nach anderen Kriterien vorgegangen sind, als Sie in
Ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt haben, indem Sie
sich für das finanziell bessere Kaufangebot von Viterra,
das rund 70 000 DM pro Wohneinheit ausmachte, anstatt
für das Kaufangebot der sich gründen wollenden Mietergenossenschaft, das rund 55 000 DM pro Wohneinheit
ausmachte, entschieden haben?
Frau Kollegin Ostrowski,
ich habe Ihnen in meiner Antwort schon gesagt, dass
ein großer Teil der Wohneinheiten der Siedlung für
Mieterprivatisierungen vorgesehen ist, sodass diese in einem zweiten Schritt auch erfolgen werden. Allerdings
darf ich auch darauf aufmerksam machen, dass die
Bundesregierung nach der Bundeshaushaltsordnung dazu
verpflichtet ist, marktgerechte Preise zu erzielen und nicht
unter Wert zu verkaufen.
Ich habe eine zweite
Nachfrage und komme noch einmal auf die Mieterprivatisierungen zurück, weil mich interessiert, ob alle 666 Wohnungen einbezogen worden sind.
Nein, nur ein Teil. Ich kann
Ihnen nicht sagen, wie groß dieser ist.
Okay, das würde mich
aber noch interessieren. - Ich muss aber noch einmal
nachhaken: Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus
verstehe ich Sie; damit habe ich auch keine Probleme.
Fakt ist aber, dass Sie sich genau das in Ihrer Koalitionsvereinbarung nicht vorgenommen haben. Dort steht
nichts von wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Dort steht,
dass Sie, wenn Sie privatisieren, in einer bestimmten Reihenfolge vorgehen usw. - nichts anderes.
Frau Ostrowski, selbstverständlich beachten wir das. Man kann aber natürlich durch
eine Koalitionsvereinbarung geltendes Recht nicht außer
Kraft setzen. Selbstverständlich wird jeder, der eine Koalitionsvereinbarung schließt, dies auf der Grundlage des
geltenden Rechts tun. Die Bundeshaushaltsordnung hat
vorher gegolten und sie gilt auch nachher.
Ich rufe die
Frage 39 der Kollegin Ostrowski auf:
Wie vereinbart sich damit gleichzeitig, dass die bundeseigene
Treuhandliegenschaftsgesellschaft nahezu zugleich in Lauchhammer/Brandenburg rund 300 Wohnungen zu einem Preis verkauft,
der weit unter dem Verkehrswert liegt, obwohl ein Angebot der
Stadt über mehr als den dreifachen Betrag des Preises und ein Angebot eines anderen Bewerbers über mehr als den zweieinhalbfachen Betrag des Preises vorgelegen hat?
Der vereinbarte Kaufpreis
für die 310 verkauften Wohneinheiten resultiert aus der
jetzigen Marktsituation. Bei den Verkaufsverhandlungen,
die mit insgesamt 15 Investoren geführt wurden, war für
die Wohnungen angesichts der hohen Bewirtschaftungsverluste und einer Leerstandsquote von über 80 Prozent
ein höherer Kaufpreis nicht durchsetzbar.
Das angesprochene Kaufangebot der Stadt Lauchhammer stammt aus dem Jahre 1996. Ein aktuelles Kaufangebot der Stadt Lauchhammer hat der Treuhandliegenschaftsgesellschaft nicht vorgelegen. Die Stadt hat auch
keinerlei Kaufabsichten signalisiert. Sie hat mit Schreiben
vom 24. Januar 2000 mitgeteilt, dass sie gegen einen Verkauf der Wohnungsbestände an Dritte keine Einwände
habe. An der öffentlichen Ausschreibung der Wohnungsbestände durch die Treuhandliegenschaftsgesellschaft,
die am 24. bzw. 25. Juni 2000 erfolgte, hat sich die Stadt
nicht beteiligt.
Auch das genannte Angebot eines anderen Bewerbers
kam für die Treuhandliegenschaftsgesellschaft nicht infrage, da dieses einen gebäudeweisen Ankauf beinhaltete,
bei dem erst nach Sanierung und erfolgreicher Vermietung der nächste Gebäudeankauf erfolgen sollte. Dieses
Angebot entsprach damit nicht der Zielsetzung der Treuhandliegenschaftsgesellschaft.
Zusatzfrage.
Ich habe Zweifel daran,
dass Sie, wenn Sie bundeseigene Wohnungen für rund
45 DM pro Quadratmeter verkaufen - das ist nach übereinstimmenden Aussagen des Bürgermeisters und des
Landrates deutlich unter dem in Lauchhammer ortsüblichen Wert -, die Haushaltsordnung einhalten.
Abgesehen davon wollte ich Sie fragen, ob Ihnen bewusst ist, dass die TLG, indem sie Wohnungen total unter
Wert an einen Dritten verkauft, obwohl sie in das Stadtentwicklungskonzept der Stadt Lauchhammer eingebunden ist - Lauchhammer hat einen exorbitant hohen Wohnungsleerstand, die kommunale Gesellschaft befindet
sich bereits im Insolvenzverfahren, es herrscht eine hohe
Arbeitslosigkeit etc. -, dem Erwerber dieser Liegenschaften einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Das ist nämlich unbestritten. Aufgrund dieses wirtschaftlichen Vorteils, wenn er ihn sich nicht direkt als Gewinn einsteckt,
ist der Erwerber natürlich in der Lage, die Wohnungen zu
einer Dumpingmiete auf den Markt zu werfen. Dies wird
die TLG Genossenschaft, die vormals zu einem zehnfach
höheren Preis als dem späteren Verkaufspreis ausgegründet wurde und die sowieso schon zwischen Leben und
Sterben hängt, mit Sicherheit in den Ruin treiben.
Mein Problem ist: Sind Sie sich bewusst, dass Sie die
Zielstellungen Ihres Stadtumbauprogramms, die der zuständige Minister vorantreibt, vollkommen konterkarieren und die Möglichkeit, den desolaten Wohnungsmarkt
in Lauchhammer in Ordnung zu bringen, nicht genutzt haben?
Künftig,
Frau Kollegin, bitte keine Kurzinterventionen, sondern
eine Frage! - Frau Staatssekretärin.
Sehen Sie: Dieser ganze
Wohnungskomplex ist mit einem negativen Bewirtschaftungsergebnis von 360 000 DM pro Jahr verbunden.
Dafür ist insbesondere ein äußerst ungünstiger Wärmelieferungsvertrag verantwortlich. Dieser Wärmelieferungsvertrag musste vom Käufer der Gesamtliegenschaft
zwangsweise übernommen worden und ist noch ziemlich
lange, bis 2014, gültig. Er wäre übrigens auch dann weiter gültig, wenn man die Wohnungen abreißen würde.
Dies stellt damit eine erhebliche Kostenbelastung von
monatlich etwa 100 DM pro Wohneinheit dar. Das muss
man dann bei den von Ihnen angenommenen Erträgen gegenrechnen.
Für die dadurch entstandene schwierige Vermarktungssituation ist nicht zuletzt die Stadt Lauchhammer verantwortlich, da sie seinerzeit als Gesellschafterin des Unternehmens für den Wärmelieferungsvertrag verantwortlich
war. Ich will dies der Stadt Lauchhammer nicht schuldhaft
vorwerfen. Es hat Entscheidungen gegeben, die in den
Folgejahren tatsächlich zu großen Verwerfungen geführt
haben. Es sind auch nicht alle Entscheidungen, weder die
damaligen Entscheidungen der Stadt noch heutige Entscheidungen der Bundesregierung bzw. der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft, wie man besser sagen muss, dazu
geeignet, ein Grundsatzproblem zu lösen, was sich zum
Beispiel dadurch kennzeichnet, dass in den Wohnungen
80 Prozent Leerstand herrscht. Das löst man nicht dadurch, dass man sie an jemand anderen verkauft.
Ungeachtet der konkreten Dinge wie des Wärmelieferungsvertrages haben Sie
am Beispiel Ihrer ehemaligen Bundeswohnungen die Situation fast aller ostdeutschen Wohnungsunternehmen in
den Ballungsräumen und Städten sehr treffend beschrieben. - Dies vorausgeschickt, habe ich eine zweite Nachfrage.
Ich habe hier eine Antwort des Ministers für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg
auf eine mündliche Anfrage eines Abgeordneten vor mir
liegen. Ich wollte Sie fragen, ob Sie den Aussagen, die ich
jetzt zitieren werden, zustimmen. Wenn Sie den Aussagen
nicht zustimmen, möchte ich wissen, aus welchen Gründen Sie daran zweifeln bzw. was Sie anzweifeln.
Der Minister antwortet einem Landtagsabgeordneten:
Über die Wohnungsverkäufe der TLG in Lauchhammer erhielt die Landesregierung lediglich durch Mitteilungen aus der Presse Kenntnis. ... Seit Dezember 1999 wurden unter Leitung des BBU ({0}) Moderationsgespräche zur Entwicklung des
Wohnungsbestandes in Lauchhammer jeweils unter
Beteiligung der TLG durchgeführt. Der TLG war
also bekannt, dass ein Erfolg versprechender Stadtumbauprozess nur unter Einbeziehung ihrer
310 WE ... in eine gemeinsame Planung des Stadtumbaukonzeptes möglich sein wird. Der nunmehr
erfolgte Verkauf der Wohnungen an einen zusätzlichen Konkurrenten zu einem Kaufpreis von 1/10
dessen ..., was den Genossenschaften 1995/96 abverlangt wurde, gefährdet den bisher gemeinsam beschrittenen Weg und die Existenz der in Lauchhammer ansässigen Wohnungsunternehmen.
Frau Kollegin, ich kann das
fachlich nicht beurteilen, was der Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr dort geäußert hat. Ich
kenne diesen Brief nicht. Ich kenne natürlich auch den
Vorgang im Einzelnen nicht.
Ich darf aber darauf hinweisen: Sie haben mir gerade
als Preis die Zahl von 45 DM pro Quadratmeter genannt,
was in der Tat sehr wenig ist. Wenn dies ein Zehntel dessen ist, was im Jahre 1995 bezahlt worden ist, dann waren
das damals 450 DM. Das war auch zu damaliger Zeit
niedrig. In der Zwischenzeit sind die Preise weiter gefallen. Deswegen ist der Markt mit dem von vor sechs Jahren leider nicht mehr vergleichbar.
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Die Fragen werden
von der Parlamentarischen Staatssekretärin Ulrike
Mascher beantwortet.
Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Dr. Klaus Grehn
auf:
Auf welchen Erkenntnissen beruhen angesichts der anders lautenden ersten Evaluierungsergebnisse der CAST-Studie ({0}) die Schlussfolgerungen des Bundesministers für
Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester, dass „die Ausweitung
des Mainzer Modells auf ganz Rheinland-Pfalz folgerichtig und
sinnvoll“ sei, da angeblich unterschiedliche regionale Rahmenbedingungen einen erheblichen Einfluss auf die Inanspruchnahme
und den Erfolg dieses Modells haben?
Herr Kollege Grehn,
der erste Zwischenbericht zum arbeitsmarktpolitischen
Sonderprogramm „Chancen und Anreize zur Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten“ - abgekürzt
CAST - der Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis,
dass nach einem Jahr Laufzeit die Inanspruchnahme des
Sonderprogramms mit bislang 592 Förderfällen hinter den
Erwartungen zurückgeblieben sei. Diese Feststellung gelte
in besonderem Maße für das Modell der Saar-Gemeinschaftsinitiative, auf das lediglich 13 Prozent aller bis dahin
bewilligten CAST-Förderfälle entfielen.
Nicht zuletzt deshalb wurden im Einvernehmen mit
den Sozialpartnern zum 1. Mai 2001 die Förderkonditionen des Sonderprogramms CAST großzügiger ausgestaltet. Der erste Zwischenbericht bezieht sich auf Daten mit
dem Stand von Ende August. Die Änderungen der Förderkonditionen konnten sich daher noch nicht in den Ergebnissen niederschlagen, da derartige Veränderungen
erst mit zeitlicher Verzögerung wirken.
Das Sonderprogramm CAST ist weitergelaufen. Dem
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung lagen
bei der von Ihnen zitierten Einschätzung bereits Ergebnisse zum Stand Ende Oktober vor. Bis dahin wurden insgesamt 782 Personen gefördert. Davon entfielen auf das
Mainzer Modell 654 Förderungen, sodass sich die Zahl
der dortigen Förderfälle binnen zwei Monaten um 140 erhöht hat.
Mit dieser Entwicklung ist das Mainzer Modell auch
im Vergleich mit anderen so genannten Kombilohnmodellen, die in mehreren Bundesländern erprobt werden,
bisher am erfolgreichsten umgesetzt worden. Diese Einschätzung teilt in seinem jüngsten Gutachten auch der
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dass unterschiedliche regionale Rahmenbedingungen einen erheblichen Einfluss auf
Inanspruchnahme und Erfolg arbeitsmarktpolitischer Instrumente, wie das Mainzer Modell, haben können, ist
schon dem Zwischenbericht zu entnehmen.
Aus diesem Grund wird darin auch die unterschiedliche Arbeitsmarktlage in den Förderregionen näher untersucht. Bisher betraf das in Rheinland-Pfalz Koblenz,
Mayen, Montabaur und Neuwied. Hierbei zeigt sich, dass
verdichtete Arbeitsamtsbezirke mit starker Dienstleistungsorientierung und eher günstiger Arbeitsmarktlage,
wie zum Beispiel der Arbeitsamtsbezirk Mainz, bislang
fehlten. Die zum Jahresbeginn geplante Ausweitung des
Mainzer Modells auf das gesamte Bundesland RheinlandPfalz ist daher folgerichtig und sinnvoll und ermöglicht
breitere Erkenntnisse über die Wirkungsweise des Mainzer Modells.
Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, wie
bewerten Sie angesichts der Ausweitung des Modells auf
das gesamte Land Rheinland-Pfalz die Tatsache, dass von
414 Betrieben, wie sie in dem Zwischenbericht genannt
sind, lediglich 46 mehr als eine geförderte Arbeitskraft beschäftigten?
Ich denke, das hat
damit zu tun, dass ein solch neues Fördermodell - auch
wenn es so erfolgreich wie das Mainzer Modell ist - eine
gewisse Zeit braucht, bis es anläuft, bis es bekannt wird
und man Vertrauen in ein solches Modell hat.
Eine weitere
Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, haben
bei Ihren Überlegungen über die Ausdehnung des Mainzer Modells - ich beziehe mich darauf, weil es ja erfolgreich war, wie Sie dargestellt haben - auch die Ergebnisse
der Studie eine Rolle gespielt, wonach sich die Verteilung
auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche auf 0,0 Prozent bis
32,9 Prozent beläuft?
Ich habe Ihnen gesagt, dass wir vor allen Dingen eine Ausweitung in einen
verdichteten Arbeitsamtsbezirk mit einer starken Dienstleistungsorientierung ermöglichen wollen, weil gerade
eine starke Dienstleistungsorientierung - nach allem, was
in verschiedenen Gutachten immer wieder dargestellt
wird - ein wichtiger Punkt für die Erweiterung von Beschäftigungsmöglichkeiten ist.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Brüderle.
Das ist ja in der Tat ein leider nur sehr bescheidener Erfolg, auch wenn die Zahlen
im Vergleich zu anderen Ansätzen etwas besser sind. Will
die Bundesregierung nicht stattdessen andere Modellversuche auf den Weg bringen, durch die die Grenze, bis zu
der eine pauschalierte Besteuerung erfolgt, in der Höhe
wesentlich nach oben angepasst wird - 1 200 oder
1 500 DM -, um Bewegung in den Arbeitsmarkt zu bringen? Es ist sehr gut für jeden Einzelnen, der auf dem Arbeitsmarkt unterkommt, aber die Zahlen, die Sie genannt
haben, belegen doch, dass das angesichts der Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt wirklich nur ein sehr kleiner Tropfen auf einen heißen Stein ist. Ich glaube, dass
man es allein mit der Ausweitung dieses Ansatzes nicht
schaffen wird, die arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen zu bewältigen. Sind Sie nicht auch der Meinung,
dass man bei der Reform der 630-Mark-Verhältnisse Fehler gemacht hat, dass man nun über seinen eigenen Schatten springen und - das war bislang ein Tabu - anders ansetzen sollte?
Herr Kollege
Brüderle, wenn Sie durch die Blume fragen, ob wir eine
Änderung der Regelungen zum 630-DM-Gesetz beabsichtigen, dann antworte ich Ihnen, dass wir eine solche
Änderung im Moment nicht beabsichtigen.
Ich rufe die
Frage 41 des Kollegen Dr. Klaus Grehn auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die vorliegende sehr kritische CAST-Studie zu den Erfolgen des Mainzer Modells und wie
sieht die Zwischenbilanz in den brandenburgischen Arbeitsamtsbezirken Eberswalde und Neuruppin aus?
Anders, als die
Fragestellung von Herrn Grehn vermuten lässt, bewertet
der erste Zwischenbericht zum arbeitsmarktpolitischen
Sonderprogramm die Erfolge des Mainzer Modells nicht
„sehr kritisch“. Die Autoren kommen vielmehr zu der von
mir bereits erwähnten Schlussfolgerung, dass nach einem
Jahr Laufzeit die Inanspruchnahme des Sonderprogramms hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die
Bundesregierung teilt im Grundsatz diese Einschätzung.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Bewertung
der Fallzahlen auch vom gewählten Maßstab abhängt.
Vergleicht man die Fallzahlen mit anderen, derzeit in der
Bundesrepublik laufenden Modellversuchen wie etwa
dem Einstiegsgeld in Baden-Württemberg, dann stellt
man fest, dass sich das Mainzer Modell in RheinlandPfalz durchaus sehen lassen kann. Auch muss bedacht
werden, dass innovative Ansätze erst im Bewusstsein der
Handelnden in den Unternehmen und in den Verwaltungen verankert werden müssen. Dies braucht Zeit.
Als Zwischenbilanz für die beiden brandenburgischen
Arbeitsamtsbezirke Eberswalde und Neuruppin lässt sich
festhalten, dass das Mainzer Modell in Brandenburg mit
bislang 101 Förderfällen schwächer läuft als in Rheinland-Pfalz mit derzeit 553 Förderfällen. Warum dies so
ist, kann nicht abschließend beantwortet werden. Tatsache
ist, dass in den vier rheinland-pfälzischen Arbeitsamtsbezirken die Arbeitslosenquote im Oktober 2001 zwischen 5,5 Prozent und 6,9 Prozent und damit um ein Vielfaches unter der Arbeitslosenquote in Neuruppin mit
17,4 Prozent und in Eberswalde mit 19,0 Prozent lag.
Im Endeffekt ist der Arbeitsmarkt in Rheinland-Pfalz
sicherlich aufnahmefähiger als der in Brandenburg. Hier
zeigt sich erneut, dass unterschiedliche regionale Rahmenbedingungen einen erheblichen Einfluss auf Inanspruchnahme und Erfolg arbeitsmarktpolitischer Instrumente
wie das des Mainzer Modells haben können.
Ich lasse
noch eine Zusatzfrage zu.
Frau Staatssekretärin, warum
haben Sie mit Wirkung vom 1. Mai 2001 die Förderdauer
von 18 auf 36 Monate verdoppelt, obwohl die individuelle
Förderdauer im Modellversuch laut Zwischenbericht im
Durchschnitt nur 13 Monate betragen hat? Erwarten Sie,
dass sich dadurch positive Effekte erzielen lassen, vielleicht in Sachsen, wo sich die Zahl der im Rahmen des
Mainzer Modells Geförderten - das betrifft den Bereich
Chemnitz - um 300 Prozent auf ganze vier erhöht hat?
Die Verbesserung
der Konditionen, die Verlängerung der Laufzeit, war das
Ergebnis von Beratungen zwischen den Vertretern der
Tarifpartner im Bereich der Selbstverwaltung, die darauf
hingewiesen haben, dass sich eine Verlängerung der Förderdauer günstig auf die Inanspruchnahme auswirken
könnte.
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin. Die übrigen Fragen werden
schriftlich beantwortet.
Ich danke insbesondere auch dem Parlamentarischen
Staatssekretär Walter Kolbow, der die Stellung gehalten
hat, obwohl es aussichtslos zu sein schien, dass noch Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung aufgerufen werden.
Wir sind am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 13. Dezember 2001,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.