Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich kann die Frage leider auch nicht beantworten. Ich habe gerade darum gebeten, nach ihm zu fragen, weil auch mir das aufgefallen ist.
({0})
- Wir haben Glück, der Finanzminister hat gerade den
Saal betreten.
Herr Kollege Carstens, jetzt können Sie in aller Ruhe
fortfahren.
Herr Kollege von Hammerstein, es ist in der Tat so, dass der Finanzminister bei diesem Thema anwesend sein muss.
Aber da es sein letzter Haushalt ist, wäre es eigentlich
doch nicht so wichtig.
({0})
Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft sehr bedrohlich. Es weiß noch keiner abzuschätzen, wie sich
die Dinge im Jahre 2002 darstellen. Der Sachverständigenrat geht noch davon aus, dass es ein geringes
Wachstum geben wird, fügt aber sofort hinzu: Alles andere, was wir unterstellt haben, muss sich aber auch so
ereignen; ansonsten geraten wir tatsächlich in eine
rezessive Phase. Wie gesagt, keiner weiß, ob wir uns
nicht wirklich schon in einem Schrumpfungsprozess
befinden.
Am deutlichsten wird die Gefährlichkeit einer solchen
Entwicklung, wenn man die Entwicklung der Arbeitslosigkeit betrachtet. Man muss sich einmal vorstellen, dass
wir in den letzten zwölf Monaten vor dem Regierungswechsel, von Oktober 1997 bis Oktober 1998, die Zahl
der Arbeitslosen um 399 000 reduziert haben.
({1})
1999 und in den folgenden Jahren sind darüber hinaus
über 200 000 ältere Menschen mehr aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden als jüngere nachgekommen sind.
Bei einer moderaten wirtschaftlichen Entwicklung hätte
es möglich sein müssen, die Arbeitslosigkeit im Durchschnitt des Jahres 2002 in Richtung 3 Millionen zu bringen.
({2})
Was wir jetzt erleben, ist das genaue Gegenteil.
({3})
Der Bundeskanzler hat noch im Frühjahr 2001 versucht,
einen Notnagel einzuschlagen, indem er sagte: Es werden
wohl 3,5 Millionen arbeitslose Menschen werden. - Aber
jetzt sagt die Regierung selbst: Wir gehen von fast
3,9 Millionen Arbeitslosen aus. Der Sachverständigenrat
sagt: Es werden knapp 4 Millionen Arbeitslose. Wahrscheinlich ist, dass wir im nächsten Jahr über 4 Millionen
Arbeitslose im Jahresdurchschnitt haben werden.
({4})
Da der Bundeskanzler sich und seine politische Entwicklung mit der Zahl der Arbeitslosen verbunden hat, ist er im
Grunde nur noch ein Kanzler auf Abruf.
({5})
Diese Entwicklung, dieser rapide Verfall der Wirtschaft ist nur mit der Maßgabe vorstellbar, dass ein Großteil der Bevölkerung einfach das Vertrauen in die Regierung und in die weitere Entwicklung verloren hat.
({6})
Das ist auch gut nachvollziehbar. Denn wenn Sie einmal
nachlesen, was der Kanzler, die Minister und der Generalsekretär der SPD in den letzten Jahren und Monaten gesagt haben, dann stellen Sie fest: Ob Sie sich das angehört
haben, ist völlig egal; denn es ist sowieso nicht so eingetroffen, wie sie es gesagt haben.
({7})
Wenn man eine solche Politik macht, ist völlig klar, dass
das Vertrauen als wichtige Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr da sein kann.
Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, dann stellen
Sie fest, dass die Ausrüstungsinvestitionen ausbleiben,
dass die Bauinvestitionen ausbleiben, dass das Mehrwertsteueraufkommen rapide abnimmt. Das hat es in
diesem Umfang im Vergleich zu den Schätzungen überhaupt noch nicht gegeben. Das sind Entwicklungen, die
darauf hindeuten, dass die Bevölkerung der Zukunft nicht
mehr traut. Man kauft nicht mehr; man investiert nicht
mehr. Wenn der Finanzminister sagt: „Liebe Deutsche,
sorgt für den Aufschwung! Kauft! Legt euer Geld an!“,
dann klingt das bei vielen Arbeitnehmern und Rentnern
angesichts der Tatsache, dass er der breiten Masse ständig
durch Steuererhöhungen das Geld aus der Tasche gezogen
hat, wie Hohn.
({8})
Wenn man so will, ist eine Regierung aus Rot-Grün
schon an sich ein Risiko für die Konjunktur.
({9})
Die Grünen sind ein latentes Risiko. Die Grünen wissen,
was sie alles nicht wollen; aber sie wissen kaum, was sie
wollen. So kann man keine Wirtschaftspolitik machen.
({10})
Kernenergie, PKWs und Straßenbau sind Feindbilder für
die Grünen. Entsprechend sieht die Politik aus. Was wir in
den letzten drei, vier Jahren erlebt haben, war ein ReperCarl-Detlev Freiherr von Hammerstein
toire von Strafexpeditionen gegen Autofahrer: jedes Jahr
sechs Pfennig drauf.
({11})
So kann man keine Wirtschaftspolitik machen. So kann es
nicht dauerhaft gut gehen. Da geht selbst die stabilste
Konjunktur in die Knie. Da steigt die Arbeitslosigkeit an.
({12})
Wie Sie den Mittelstand bei der Steuerreform behandelt haben, wie Sie ihn mit bürokratischen Auflagen belastet haben und wie Sie überhaupt mit ihm umgehen, gerade mit den Familienbetrieben, wie Sie mit der
Landwirtschaft umgehen, was Frau Künast sich seit der
BSE-Krise erlaubt, die im Grunde gar keine war, sondern
künstlich erzeugt wurde - ({13})
- Wenn Sie das so mit Widerspruch belegen, dann haben
wir heute noch genauso eine BSE-Krise wie vor einem
Jahr. Da hat sich überhaupt nichts geändert, meine Damen
und Herren.
({14})
Von daher ist bei den Landwirten wie beim Mittelstand
einfach kein Vertrauen da. Man hat bei Frau Künast den
Eindruck, als ob sie die deutsche Landwirtschaft am
liebsten des Landes verweisen möchte. Woher sollen denn
dann noch Investitionen kommen? Das ist doch völlig unvorstellbar.
({15})
Es gibt noch etwas, was zur Gesamtbetrachtung der
Frage gehört, warum das Vertrauen in die Regierung bzw.
in eine gesunde Politik nicht vorhanden ist. Es gibt sowohl in Westdeutschland als auch in Ostdeutschland nach
wie vor einen großen Vorbehalt - ich meine, zu Recht gegen die PDS.
({16})
Eine Bürgerrechtlerin hat einmal gesagt: Das ist die SED,
die sich mit einem neuen Namen maskiert hat. - Das ist
eine gute Beschreibung.
({17})
Wenn sich die Regierungspartei SPD mit der PDS in
Mecklenburg-Vorpommern in ein Boot begibt
({18})
sowie sich von ihr in Sachsen-Anhalt tolerieren lässt und
wenn sie sich in Berlin auf unseriöse Weise an die Regierung bringen lässt, dann denkt sich das deutsche Volk etwas dabei.
({19})
Da hat es Absprachen gegeben. Man weiß, dass Absprachen, die es vorher gegeben hat, auch eingehalten werden
müssen. Solchen Absprachen traut man nicht; darauf
setzt man nicht. Daher kann eine Regierung Schröder
nicht erwarten, dass die Wirtschaft noch Vertrauen in ihre
Politik hat.
({20})
Wir haben darüber hinaus zu bedenken - das möchte
ich ebenso deutlich ansprechen -, dass diejenigen, die in
der Politik das Vertrauen verspielt haben, kaum imstande
sein werden, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Wenn
die Wirtschaft kein Vertrauen mehr zur Politik hat, wenn
man ihrem Wort nicht mehr glaubt, wenn man der Regierung nichts mehr, erst recht nichts Gutes, zutraut, dann
gibt es kaum noch Aussicht darauf, dass es mit dieser
Regierung in der Wirtschaft wieder aufwärts gehen kann.
Deswegen muss die Lösung heißen: Weg mit dieser Regierung! Her mit einem neuen Programm und einer neuen
Regierung!
({21})
Das muss natürlich durch das Einhalten gewisser
Grundsätze angereichert werden. Ich bin davon überzeugt, dass sich unser Land in Zukunft wirklich nur dann
gedeihlich entwickeln kann, wenn wir der Familie wieder
den Stellenwert einräumen, den sie haben muss.
({22})
Sie muss der Kern unserer gesellschaftlichen Entwicklung sein.
({23})
Die Familien müssen wieder bereit sein, mehr Kinder zu
haben, Kinder zu erziehen und sie für das Leben fit zu machen, um sie dann entsprechend ins Leben entlassen zu
können. Das bedarf unserer Unterstützung.
({24})
Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir uns weiterhin
an gewisse Grundsätze halten. Es kann einfach nicht sein,
dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Ehe und
der Familie gleichgestellt werden. Das ist völlig undenkbar. Das kann in Zukunft nicht gut gehen.
({25})
Wir müssen uns auch gewisse Normen auferlegen. Wir
müssen uns wieder daran gewöhnen, gewisse Grundsätze
im zwischenmenschlichen Zusammenleben, Grundsätze,
die uns von Gott gegeben sind, einzuhalten.
Zum Schluss meiner Ausführungen sage ich Ihnen: Wir
werden erleben, dass wir in dem Maße, in dem wir in unserem Leben bereit sind, uns an diese Grundsätze zu halten und sie zu praktizieren, eine gesegnete und gute
Manfred Carstens ({26})
Zukunft haben werden. Das wünsche ich Ihnen allen und
unserem ganzen Volk.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
({27})
Ich erteile dem Kollegen Joachim Poß, SPD-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Herr Kollege Carstens, Sie sind jemand, den
ich persönlich wirklich achte. Sie haben in den letzten
Jahrzehnten versucht, insgesamt gesehen einen guten Beitrag zur Finanzpolitik zu erbringen.
({0})
Weil Sie von Grundsätzen geredet haben, werden Sie mir
die folgende Feststellung aber erlauben, Herr Kollege
Carstens: Die Grundsätze einer geordneten Finanzpolitik
wurden unter Ihrer Mitwirkung über Jahre missachtet.
Dieses Urteil kann man Ihnen leider nicht ersparen.
({1})
Im Übrigen will ich sagen, dass Sie stellenweise mit Ihrer
Rede Ihren Humor durchaus unter Beweis gestellt haben.
({2})
Am Ende der Haushaltsdebatte bleibt als wichtigste
Feststellung: Die Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die
Grünen bleibt auf Kurs,
({3})
und das in wirtschaftlich schwieriger Zeit. Wir sind strukturell in die richtige Richtung vorangekommen.
({4})
Das wurde in dieser Woche vom Bundesfinanzminister
und vom Bundeskanzler eindeutig unter Beweis gestellt.
({5})
Das zeigt auch der Haushalt, der heute verabschiedet
wird. Mit der Nettokreditaufnahme von 21,1 Milliarden Euro bleiben wir trotz der konjunkturbedingten
Mehrbelastungen, die in den Regierungsentwurf einzuarbeiten waren, im vorher geplanten Rahmen. Das war ein
hartes Stück Arbeit, für das wir sicherlich alle den Haushältern zu Dank verpflichtet sind.
({6})
Im überschaubaren Maße mussten wir Privatisierungserlöse einstellen. Nach vernünftiger Abwägung halten wir
das für vertretbar; denn die Einhaltung der vorgesehenen
GrenzefürdieNettokreditaufnahmeisteinwichtigesSignal
dafür, dass die Regierungsfraktionen, die Bundesregierung
und der Bundesfinanzminister in einer Situation Kurs halten, die immer noch durch Unsicherheiten bei den Menschen und in den wirtschaftlichen Prognosen geprägt ist.
({7})
Wer in den letzten Tagen und Wochen davon geredet
hat und dafür geworben hat, den Konsolidierungspfad
auch nur vorübergehend zu verlassen,
({8})
der bedenkt eines nicht: Wie sollen die Menschen, die Investoren und Konsumenten wieder die nötige Zuversicht
und Sicherheit bekommen, wenn selbst die verantwortliche Politik keine verlässlichen Fixpunkte gibt?
({9})
Wir bieten diese Verlässlichkeit.
Wie nicht anders zu erwarten, hat die Opposition in der
abgelaufenen Woche immer wieder versucht, unsere
Spar- und Konsolidierungserfolge der letzten Jahre klein
zu reden.
({10})
Aber ohne unser mittelfristig angelegtes Konsolidierungspaket, das wir 1999 als Teil des Zukunftsprogramms 2000 verabredet haben,
({11})
hätte das Niveau der Neuverschuldung des Bundes, Herr
Kollege Carstens, das in der Endzeit der Regierung
Kohl/Waigel jährlich Spitzenwerte in Höhe von 60 Milliarden bis 70 Milliarden DM erreicht hatte, auch noch nach
1998 fortgeschrieben werden müssen. Davon sind wir
jetzt weit entfernt. Die Menschen wissen das.
({12})
Für 2002 sind rund 42 Milliarden DM für die Neuverschuldung vorgesehen. Das sind jährlich mindestens
20 Milliarden DM weniger als zur Endzeit Ihrer Regierung. Im Gegensatz zu uns mussten Sie jedes Jahr bangen,
ob es Ihnen überhaupt gelingt, einen verfassungsmäßigen Haushalt aufzustellen. Dieses Problem haben wir
- selbst in der derzeit schwierigen konjunkturellen Situation - nicht mehr.
({13})
Manfred Carstens ({14})
Es ist reine Ablenkung, wenn Sie mit Ihrer Vergangenheit uns heute mangelnde Konsolidierungsbemühungen
vorwerfen. Wer sich den gemeinsamen Grundtenor der
Oppositionsreden vor Augen hält, der erkennt deutlich das
rein taktische Bemühen, die Bundesrepublik Deutschland
zum Sorgenkind Europas herunterzureden. Das soll wohl
Ihr Hauptmotiv bei der Wahlkampfauseinandersetzung
werden. Das ist aber ein Versuch, der die Realität maßlos
verzerrt darstellt.
({15})
Dieses Vorgehen ist zudem auch unverantwortlich;
denn so lässt sich die nötige Zuversicht bei Investoren und
Konsumenten nicht erreichen.
({16})
Wer wünschte nicht, dass unsere Wachstumsraten im internationalen Vergleich besser wären? Aber bei seriöser
Betrachtung sind die Gründe offenkundig: 40 Jahre SEDHerrschaft mit all ihren ökonomischen und sozialen
Verwerfungen in Ostdeutschland können nicht in wenigen
Jahren völlig aufgearbeitet werden.
({17})
Wir als Sozialdemokraten haben schon 1990 und in der
Folgezeit gesagt, dass das eine Generationenaufgabe ist.
Hier liegt Ihre grundlegende Fehleinschätzung.
({18})
Sie haben beim Aufbau Ost die Weichen falsch gestellt.
Auch darunter leiden wir noch heute. Damit haben wir
noch zu tun. Zwei Komponenten machen uns Schwierigkeiten: zum einen natürlich die SED-Vergangenheit und
zum anderen Ihre falsche Weichenstellung beim Aufbau
Ost im Jahre 1990.
({19})
Es ist ein Teil der Argumentation Ihres beginnenden
Wahlkampfes, dass Sie immer wieder behaupten,
Deutschland sei das ökonomische Schlusslicht Europas
und die SPD und die Grünen seien daran schuld.
({20})
Dabei unterschlagen Sie, wie es während Ihrer Regierungszeit war, - das werden wir Ihnen noch öfter sagen -:
1996, 1997 und 1998 lag Deutschland - bezogen auf das
Wachstum - am Ende der Reihenfolge in Europa.
({21})
1993, 1994 und 1995 stand sogar das ökonomisch vermeintlich stärkere Westdeutschland - bezogen auf das
Wachstum - am Ende der Reihenfolge in Europa.
({22})
Auch wenn wir uns natürlich eine weitaus bessere wirtschaftliche Entwicklung wünschen, entspricht es nun
wirklich nicht der Wahrnehmung und Überzeugung der
allermeisten Bürgerinnen und Bürger, dass Deutschland
das Sorgenhaus Europas ist.
In Ihren Haushaltsreden versuchen Sie, der Regierung
die wirtschaftliche Schwäche in die Schuhe zu schieben.
({23})
Deshalb will ich hier noch einmal das neueste Gutachten
des Sachverständigenrates zitieren, das gerade einmal
zwei Wochen alt ist. Der Sachverständigenrat führt aus:
Eigene Berechnungen zeigen, dass allein die
Verlangsamung der wirtschaftlichen Expansion in
den Vereinigten Staaten ... in diesem Jahr zu einem
Rückgang der deutschen Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts von knapp einem Prozentpunkt
führt.
Ich füge hinzu - auch der Bundeskanzler hat das in seiner
Rede angedeutet -: Dabei wurden die Sekundäreffekte
aufgrund des Rückgangs der Gewinne von US-Töchtern
deutscher Konzerne noch nicht berücksichtigt.
({24})
Ähnliches steht im Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute:
Auslöser des konjunkturellen Abschwungs, der Mitte
des vergangenes Jahres eingesetzt hatte, war der
Ölpreisschock; im Laufe dieses Jahres kamen zudem
die bremsenden Wirkungen der im Vorjahr merklich
gestrafften Geldpolitik zum Tragen.
({25})
Es geht noch weiter:
Zunächst konzentrierte sich der Abschwung auf die
Binnennachfrage.
({26})
Seit Beginn dieses Jahres wurde der Export von der
sich deutlich verschlechternden Weltkonjunktur erfasst.
Einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, das
ökonomisch in außergewöhnlichem Umfang mit seinen
Nachbarn und anderen Industriestaaten der Welt verflochten ist, kann es nicht gut gehen, wenn es, was zurzeit
der Fall ist, all seinen Partnern schlecht geht.
({27})
Sowohl die USA als auch Japan und die Staaten der EU
- im Blick auf England und Frankreich brauchen Sie
heute Morgen nur die Zeitung zu lesen - befinden sich
zurzeit in konjunkturell schwierigem Fahrwasser.
({28})
Dass es allen großen Wirtschaftsräumen zur gleichen Zeit
wirtschaftlich nicht gut geht, ist übrigens eine Konstellation, die historisch fast einmalig ist.
({29})
Hinzu kommt, dass Sie, meine Damen und Herren von
der Opposition, durchgehend ausblenden, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Verbesserung
unserer Lage derzeit in vielerlei Hinsicht so schlecht gar
nicht sind:
({30})
Erstens. Die Preissteigerungsrate geht spürbar zurück;
insbesondere sind die Öl- und Benzinpreise im Jahresverlauf erheblich gesunken.
({31})
Das Inflationsgespenst ist verjagt; wieder stabilisierte
Preise lassen die Händler hoffnungsvoller auf das Weihnachts- und das Frühjahrsgeschäft blicken.
({32})
- Entschuldigen Sie mal. Sie haben wegen der Inflationsrate noch im April und Mai Aktuelle Stunden beantragt.
Haben Sie das schon wieder vergessen? Das Inflationsgespenst ist verjagt. Sehen Sie sich die Entwicklung an!
Zweitens. Der Eurokurs - bezogen auf den Dollar - bewegt sich nach wie vor - und wohl auch auf absehbare
Zeit - auf einem Niveau, das den deutschen Export unterstützt.
({33})
Drittens. Die Europäische Zentralbank hat in diesem
Jahr die Leitzinsen deutlich auf zurzeit 3,25 Prozent reduziert. Dadurch werden auf absehbare Zeit attraktive Finanzierungsmöglichkeiten für Investoren und Konsumenten sichergestellt.
Viertens. Ich gehe fest davon aus, dass auch in den jetzt
anstehenden Tarifrunden die Tarifpartner einen Weg finden werden, der die wirtschaftliche Entwicklung in
Deutschland weiter befördert. Die Tarifparteien haben
sich nämlich bisher immer verantwortungsbewusst verhalten. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dies
auch weiterhin der Fall sein wird.
Fünftens. Alle Vorhersagen für die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr gehen davon aus, dass es
spätestens in der zweiten Jahreshälfte zu einer Wiederbelebung der Auftriebskräfte kommen wird.
({34})
Unabhängig von der Entwicklung in Amerika wird
nach meiner Überzeugung in Europa und in Deutschland
die Umstellung, die Gewöhnung an und das sich verstärkende Vertrauen in den Euro in den nächsten Monaten zu
einer Verbesserung der wirtschaftlichen Stimmungslage
führen. Auch dies ist konjunkturpolitisch bedeutsam.
({35})
Die Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge ist
unbefriedigend. Wir werden unser Ziel, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag im Laufe der Legislaturperiode
auf unter 40 Prozent zu senken, aller Voraussicht nach
nicht erreichen.
({36})
Aber in konjunkturellen Schwächeperioden ist es nun einmal so - das wissen Sie auch -, dass das Geld nicht nur
bei den Steuereinnahmen, sondern auch bei den Beitragseinnahmen fehlt.
({37})
Wir alle haben gesehen und gespürt, wie schwierig die
in diesem Jahr endgültig realisierte große Rentenstrukturreform gewesen ist. Ich kann nur jedem raten, Reformbemühungen in den anderen Sozialversicherungszweigen
ähnlich behutsam und sorgsam anzugehen. Die Reform
der Sozialversicherungssysteme ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe ersten Ranges. So wichtig das für sich
genommen ist, so kann aber die Senkung der Sozialabgaben dabei nicht das alleinige Ziel der nötigen Reformen
im Sozialbereich sein. Es geht auch um die Qualität
unseres Sozialstaates. Möglicherweise unterscheidet uns
genau das. Auch darüber können wir im nächsten Jahr
streiten.
({38})
Wenn Sie davon reden, dass die Sozialversicherungsabgaben weiter gesenkt werden sollen, müssen Sie den
Bürgerinnen und Bürgern auch sagen, was dies bedeutet:
Die von Ihnen geforderte Senkung des Beitrags zur
Arbeitslosenversicherung wäre nur dann möglich, wenn
das Arbeitslosengeld und die anderen Lohnersatzleistungen gekürzt würden oder wenn der Etat für die aktive Arbeitsmarktpolitik, die wir nach wie vor dringend - vor allem in Ostdeutschland - brauchen, radikal beschnitten
würde oder wenn erhebliche Lasten aus dem Haushalt der
Bundesanstalt für Arbeit in den Bundeshaushalt hinübergeschoben würden, welches zu einer stark nach oben steigenden Verschuldung des Bundes führen würde.
Ich bin auf Ihre Wahlprogramme gespannt, insbesondere darauf, ob Sie den Bürgerinnen und Bürgern hierüber
reinen Wein einschenken werden oder ob Sie auch weiterhin Ihre vermeintlichen Politikalternativen hinter
wohlfeilen Sprüchen verbergen werden. Die Wahrheit ist
konkret; der können Sie nicht ausweichen.
({39})
Zunächst einmal kann ich hier - auch in dem Papier
„Neue Soziale Marktwirtschaft“ von Frau Merkel - nur
die Politik der Umverteilung von unten nach oben erkennen, die Sie 16 Jahre lang praktiziert haben.
({40})
Ähnlich verhält es sich beim Rentenversicherungsbeitrag. Auch hier müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern
sagen, was es bedeutet, wenn der Rentenversicherungsbeitrag stärker als bisher zurückgehen soll. Sagen Sie den
Rentnerinnen und Rentnern, dass Sie das Rentenniveau
noch weiter senken wollen? Oder wollen Sie auch hier eine
stärkere Finanzierung aus dem Bundeshaushalt, der bereits
jetzt - mit steigender Tendenz - zu fast einem Drittel aus
Zahlungen an die Rentenversicherungsträger besteht?
({41})
Hier zeigt sich auch die ganze Widersprüchlichkeit Ihrer Forderungen: Die von Ihnen immer wieder ohne Einsicht geforderte Aussetzung der nächsten Ökosteuerstufe würde mit Sicherheit eine Konsequenz haben: Sie
würde nämlich den Rentenversicherungsbeitrag, den Sie
ja eigentlich weiter senken wollen, bereits im nächsten
Jahr in die Höhe treiben. Wie passt das zusammen? Zeigt
das Regierungs- oder Politikfähigkeit?
({42})
Wo ist also Ihr Konzept? Wo ist Ihre Alternative? Oder
anders formuliert: Wie hoch ist der Realitätsgehalt, wie
hoch ist eigentlich der Grad an Verantwortbarkeit Ihrer
auch in der abgelaufenen Woche wieder ohne Unterlass
vorgebrachten vermeintlichen Verbesserungsvorschläge?
Sie bieten ein virtuelles Programm, das mit der finanzpolitischen Realität in diesem Land überhaupt nichts zu tun hat.
({43})
Stichwort Steuerpolitik: Wider besseres Wissen versuchen Sie ständig, den Eindruck zu erwecken, in der Steuerpolitik bestünde konjunkturpolitischer Handlungsbedarf.
({44})
Nicht bestreitbar ist doch, dass es bereits jetzt durch die
von uns durchgesetzten massiven Steuerentlastungen erhebliche konjunkturfördernde Impulse gibt und noch
geben wird.
({45})
Beschlossene Steuergesetze wirken natürlich nicht nur im
Jahr ihrer Einführung, sondern auch in den Folgejahren.
Zum nächsten Jahr, also genau dann, wenn wir das konjunkturell brauchen, werden zusätzlich sogar etwa 19 Milliarden DM an Steuerentlastungen wirksam, davon
5 Milliarden DM zusätzlich für Familien mit Kindern. Wir
praktizieren nämlich Familienpolitik, Herr Kollege
Carstens, im Gegensatz zu dem, was Sie nur verbal dargestellt haben.
({46})
Das wird seine konjunkturellen Wirkungen nicht verfehlen.
({47})
Außerdem haben wir im Baubereich eine halbe Milliarde Euro an zusätzlichen Verpflichtungsermächtigungen
mit Fälligkeit 2003 in den Haushaltsberatungen ausgebracht, sodass die entsprechenden Aufträge bereits nach
2002 vorgezogen werden können. Also wird die Wirtschaft auch im Baubereich anziehen.
Sie fordern immer noch, die für 2003 und 2005 vorgesehenen Entlastungsstufen unserer Steuerreform vorzuziehen. Es ist hier in der Debatte bereits gesagt worden:
Erst haben Sie unsere Steuerreform beständig verteufelt,
jetzt wollen Sie sie sogar vorziehen. Das ist doch grotesk.
({48})
Der Sachverständigenrat hat ausgeführt, dass alles in
allem überzeugende ökonomische Gründe gegen Konjunkturprogramme in einem normalen Konjunkturzyklus sprechen.
({49})
Es gehe darum, stabile und verlässliche makroökonomische Rahmendaten als Voraussetzung für ein stärkeres Potenzialwachstum zu schaffen. Das machen wir. Bei uns ist
Politik wieder planbar geworden.
({50})
Sie haben immer dann, wenn es zur Sache ging, zum Beispiel bei der Verbreiterung der Steuerbasis, dagegen gestimmt. Sie waren immer die Meister der Schlupflöcher
und haben damit einen finanzierungsfähigen Staat immer
mehr infrage gestellt.
({51})
Wer von Ihnen will angesichts der derzeitigen großen
Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung ausschließen, dass zusätzliche steuerliche Entlastungen
von den Bürgerinnen und Bürgern gar nicht konjunkturfördernd verausgabt, sondern auf die hohe Kante gelegt würden? Schauen Sie sich die Zahlen in den USA
an. Die Sparquote ist dort von 1 Prozent auf 4,7 Prozent angestiegen. Auch dort stellt sich die Frage, ob das
von Bush auf den Weg gebrachte Steuersenkungsprogramm überhaupt etwas bewirkt. Damit bleibt festzuhalten: Es gibt eine große ökonomische Skepsis
gegenüber weiteren Steuerentlastungen in der jetzigen
Situation, ohne dass wir über die Finanzierbarkeit solcher Steuerentlastungen bisher überhaupt geredet hätten.
Wir haben in der Diskussionsrunde am Sonntag Herrn
Stoiber gehört. Er sprach davon, dass die öffentlichen
Haushalte, insbesondere die der Länder, so ausgezehrt
seien, dass sie ein Vorziehen der Steuerreform finanziell
nicht verkraften könnten. Recht hat Herr Stoiber! Schaffen Sie in Ihren Köpfen und in Ihren Reihen gedankliche
Klarheit. Dann können Sie sich wieder in den politischen
Wettbewerb begeben; denn bis heute haben Sie das wahrlich nicht geschafft.
({52})
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der letzten
Steuerschätzung mit Mindereinnahmen von 20 Milliarden DM allein im Jahr 2002 ist der Spielraum noch kleiner geworden. Es ist abwegig, davon auszugehen, dass die
Politik einfach einen Hebel umlegen kann und dann
brummt die Wirtschaft. Arbeitnehmer und Gewerkschaften, aber auch und vor allem die Unternehmer müssen sich ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung bewusst sein.
Helfen Sie lieber mit, dass die Ihnen nahe stehenden
Präsidenten und sonstigen Funktionäre der Wirtschaftsverbände ihre Mitglieder überzeugen, die von uns geschaffenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu nutzen, um in Deutschland endlich neue Arbeitsplätze zu
schaffen und nicht kurzfristig und fantasielos Arbeitsplätze zu Tausenden abzubauen. Das wäre eine Aufgabe
von Ihnen. Dann wären wir ein gutes Stück weiter.
({53})
Kurzfristige Gewinnmaximierung ist keine Alternative
zur langfristigen Investitionsplanung im Interesse der
Belegschaften und der Volkswirtschaft. Nicht alles kann
mit dem Schlagwort der Globalisierung gerechtfertigt
werden.
({54})
Politische Opposition hat ihre Rolle und Funktion. Sie
darf allerdings nicht in die Rolle verfallen, aus reiner Wahltaktik die Stimmung schlecht zu reden. In dieser Haushaltsdebatte haben Sie jedenfalls nicht gezeigt, dass Sie
eine Gruppierung sind, die im nächsten Jahr in Deutschland
Regierungsverantwortung übernehmen könnte. Ihnen fehlt
trotz vieler Worte in dieser Woche ein stringentes inhaltliches Konzept, das vor der Realität Bestand hat.
({55})
Bemühen Sie sich auch auf dem CDU-Parteitag um Konzepte, lieber Kollege, um endlich in einen ernsthaften
und verantwortlichen Wettbewerb mit uns eintreten zu
können.
Danke.
({56})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Dr. Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wir haben mehrere Tage ausführlich debattiert. Die Lage und die Daten der deutschen
Volkswirtschaft haben sich dadurch nicht geändert: Die
Arbeitslosigkeit ist weiterhin hoch; die Zahl der neuen
Arbeitsplätze ist ganz niedrig; die Teuerungsrate ist weiterhin hoch; die Sozialversicherungsbeiträge sinken nicht,
sondern steigen eher - wie die Ökosteuer, die eigentlich
eingeführt wurde, um sie sinken zu lassen -; die steuerliche Belastung der Durchschnittseinkommen ist hoch.
Selbst wenn Sie fünf Statistiken heranziehen: Wahrscheinlich liegen nur noch Belgien und Dänemark vor
Deutschland. Die Belastung der Unternehmensgewinne
ist weiterhin hoch. Hier liegt nur noch Frankreich vor
Deutschland. Wenn Sie so weitermachen, dann schaffen
Sie es, dass Deutschland auch noch diese Länder überholt
und bei den negativen Indikatoren an der Spitze der Bundesliga liegt.
Der Haushalt pfeift aus dem letzten Loch. Er sei auf
Kante genäht, sagt der Bundesfinanzminister. Er hat den
niedrigsten Investitionsanteil, den je ein Haushalt in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gehabt hat.
({0})
Einen Boom gibt es nur noch in der Schattenwirtschaft.
Das ist die Bilanz.
({1})
Im Hinblick darauf trägt die Regierung immer wieder
- das hat auch der Kollege Poß getan - zwei Argumente
vor: Daran seien - das ist wie im wirklichen Leben - die
Eltern schuld;
({2})
denn die hätten dem Nachwuchs kein ausreichendes Erbe
hinterlassen. So lautet der Vorwurf an die ehemalige Regierung. Der Bundeskanzler bemüht sich in einer langen
Rede, zu erklären, daran seien die weltwirtschaftlichen
Umstände schuld. Man müsse ein Stück auf die anderen
Länder, vor allen Dingen auf die USA, hoffen.
Dazu sagt der Sachverständigenrat, der sowohl die Erben als auch die Erblasser immer kritisch beobachtet hat,
in seiner feinsinnigen Sprache, die aber ganz klar ist, Folgendes: Die größte europäische Volkswirtschaft - gemeint ist die in Deutschland - müsste die der anderen Länder eigentlich ziehen und dürfte gewissermaßen nicht von
außen geschoben werden. Sie - gemeint ist noch immer
die Volkswirtschaft in Deutschland - dürfte in einer Phase
der allgemeinen Konjunkturschwäche nicht stärker an
Schwung verlieren als die Volkswirtschaften in den übrigen Mitgliedsländern. Weiter sagt der Sachverständigenrat: Das ist ein Befund, der Zweifel an der Effizienz der
für die wirtschaftlichen Entscheidungen maßgeblichen
Anreizsysteme hierzulande nahe legt. Das nenne ich auf
den Punkt gebracht. Darum geht es!
({3})
Die Frage lautet nämlich - ich leite sie sinngemäß aus
dem Gutachten des Sachverständigenrates ab -: Was
macht die Bundesregierung, die Mehrheit in diesem Hause
eigentlich, um Menschen zu motivieren, Leistungen zu
erbringen und sich neuen Aktivitäten zuzuwenden? Was
tut sie, um die Anreizsysteme, die falsch ausgerichtet sind,
umzustellen?
({4})
Der Sachverständigenrat und nicht die böse Opposition
antwortet Ihnen, den Erben, darauf Folgendes: Es war ein
Fehler, dass die jetzige Bundesregierung glaubte, das wenige an Deregulierung des Arbeitsmarktes, das die
Vorgängerregierung zustande gebracht hatte, auch noch
rückgängig machen zu müssen. Damit ist alles gesagt.
({5})
Sie können also nicht mehr sagen: Wir sind die Erben, wir
sind an nichts schuld; die Eltern hätten uns - weil es uns
friert - Handschuhe schenken müssen. Sie müssen sich
schon fragen lassen, was Sie tun.
Der Bundeskanzler hat zwar lange geredet. Aber er hat
genau die Fehler am vehementesten verteidigt, die ihm
der Sachverständigenrat ankreidet. Der Bundeskanzler erklärt, dass er die Abschaffung der 630-Mark-Arbeitsverträge für richtig halte. Aber damit haben Sie, nur die
Arbeitslosenstatistik geschönt und die Schwarzarbeit
ausgeweitet.
({6})
Sie haben den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit weiter
begründet. Sie haben damit die Einstellung von Frauen
behindert und dafür gesorgt, dass betriebliche Angelegenheiten eher vor die Gerichte gebracht werden.
({7})
Sie haben das Betriebsverfassungsgesetz geändert. Sie
haben die Mitbestimmung der Gewerkschaften ausgeweitet sowie die Selbstbestimmung der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in den Betrieben zurückgedrängt. Sie
haben ein Gesetz gegen Scheinselbstständigkeit erlassen.
Das alles haben Sie trotz der Kritik des Sachverständigenrates durchgesetzt. Damit haben Sie genau die Motivationsanreize zurückgedrängt, die der Sachverständigenrat für die größte Volkswirtschaft in Europa anmahnt.
({8})
Sie haben jetzt die Absicht - das sagt der Sachverständigenrat auch -, ein weiteres Gesetz hinzuzufügen. Der
Bundeskanzler hat der IG BAU zugesagt, ein Vergabegesetz vorzulegen. Der Sachverständigenrat hält das für eine
Fortsetzung der Fehlentwicklung:
({9})
Das verteuert die Arbeit, das erhöht die Baupreise, das zögert strukturelle Anpassungen hinaus und das diskriminiert die Anbieter aus Ostdeutschland. Der Rat sagt:
Damit sagt die Bundesregierung den vielen Arbeitslosen, dass sie keine neue, ausreichende hoffnungsvolle Perspektive für den Eintritt in den regulären
Arbeitsmarkt haben und dass Deutschland als potenzieller Investitionsstandort nicht ausreichend in
der Lage ist, überholte Strukturen aufzubrechen und
seine Regelwerke neu auszurichten.
Sie können auf die Weltwirtschaft, auf die Vereinigten
Staaten und auf das Erbe verweisen; aber Sie können sich
in dieser Woche nicht vier Tage lang darum herumdrücken, die Frage zu beantworten, was Sie denn tun
wollen.
({10})
Das ist die Kernfrage an die Bundesregierung.
({11})
Sie stehen jetzt vor einem Waterloo Ihrer Arbeitsmarktspolitik. Die Daten, die wir nun abfragen und die offensichtlich auch im nächsten Jahr nicht besser werden,
führen wir als Opposition natürlich ein, weil jedermann
dies im parlamentarischen Schlagabtausch erwartet. Eigentlich kommen wir aber auch einem Wunsch des Bundeskanzlers nach. Er hat uns ja aufgefordert, ihn genau daran zu messen. Er hatte wohl gedacht, er werde mit einem
Guthaben ins neue Jahr gehen. Er hat sich gründlich verkalkuliert. Das werfen Sie aber bitte nicht der Opposition
vor. Sie müssen sich an dem messen lassen, woran er
sich - das ist vom Herrn Bundeskanzler in allen deutschen Zeitungen gewünscht worden - messen lassen
wollte. Wenn die Arbeitslosenzahl diese Entwicklung
nimmt, die wirtschaftlichen Daten so sind, wie sie sind,
dann wäre die Opposition geradezu mit dem Klammerbeutel gepudert,
({12})
wenn sie seinem Wunsch nicht nachkäme. Wir werden ihn
daran messen.
({13})
In der Haushaltsdebatte hat sich der Bundeskanzler in
bemerkenswerter Weise geäußert: Die Steuerpraxis sei
nicht so, wie die Opposition es darstelle, wenn sie darauf
hinweise, dass der Mittelstand in Deutschland ungerecht
behandelt werde. Mit etwas Kreativität und guter Beratung
({14})
könne man in der Steuergestaltung die Ungerechtigkeit
im Hinblick auf die kleineren und mittleren Betriebe
schon beseitigen. Allenfalls wolle er mit sich darüber reden lassen, dass bei großen mittelständischen Unternehmen im Vergleich zu Körperschaften und Kapitalgesellschaften ein Problem bestehe.
Dazu hat er lange Ausführungen gemacht.
({15})
Er ist aber an dem Kern des Problems gründlich vorbeigegangen.
({16})
- Herr Poß, es geht dabei nicht um die Steuergestaltung in
der Praxis, auch nicht um die Unternehmen, ob kleine
oder große, und nicht um die Besänftigung der kleinen mit
den Freibeträgen bei der Gewerbesteuer. Im Kern geht es
um die Unternehmenskultur in Deutschland. Das hat er
gar nicht begriffen.
({17})
Diese Unternehmenskultur, so schrieb Paul Kirchhof
gestern in der „FAZ“, ist der strukturelle Vorteil der Bundesrepublik Deutschland. Dies ist besonders in einer Zeit
von Bedeutung, in der flüchtige Aktienmärkte uns im Hinblick auf die soziale Sicherheit der Menschen dazu herausfordern müssten,
({18})
die Personengesellschaften in der Bundesrepublik
Deutschland zu stabilisieren und nicht diejenigen zu bestrafen, die sich in Form einer Personengesellschaft zu
Großunternehmen entwickeln und damit zu stabilen
Wettbewerbern der Körperschaften und Kapitalgesellschaften werden.
({19})
Der Bundeskanzler - er ist nicht da; Sie werden es ihm
übermitteln - verrät in diesem Punkt die Neue Mitte, die
er bei der letzten Bundestagswahl gebeten hat, ihm die
Stimme zu geben.
({20})
Damit trifft Rot-Grün gesellschaftspolitisch den Wachstumsmotor der Bundesrepublik Deutschland.
({21})
Rot-Grün bestraft Risikobereitschaft bei denen, die persönlich bereit sind, etwas in Deutschland zu riskieren.
Die Bundesregierung hat in diesen zwei Kernpunkten
der übermäßigen Regulierung des Arbeitsmarktes und der
Vernachlässigung der Personengesellschaften die größten
Fehler gemacht, die sie machen konnte. Deshalb soll sie
sich nicht in Ausreden über das Erbe flüchten. Rot-Grün
hat in dieser Legislaturperiode die größte Verramschung
des Erbes von Ludwig Erhard vorgenommen.
({22})
Auf dem Gebiet der Außenpolitik durften wir erleben,
dass die Bundesregierung eine Vertrauensfrage brauchte,
um einen der Kernbestandteile der erfolgreichen Nachkriegsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland, die
schlichte Bündnisfähigkeit, zu stabilisieren.
({23})
Die Grünen haben das jetzt auf einem Parteitag abgesegnet. Ich sage hier voraus: Sie werden noch eine gewaltige
Interpretationsbandbreite für ihren Parteitagsbeschluss
brauchen, sofern ich die Buschtrommeln, die in den letzten Tagen zu hören waren, richtig verstehe. Das ist noch
nicht an seinem Ende angekommen.
({24})
In der Wirtschaftspolitik hoffen Sie nun auf Amerika,
das Sie mit den Vokabeln „McJob“ und „Hire and Fire“
genüsslich heruntergeredet haben.
({25})
Jetzt ist das die große Hoffnung von Rot-Grün.
({26})
Dazu sagt der Sachverständigenrat Folgendes, was ich
Ihnen abschließend zitieren will:
Es ist nicht angebracht,
- das sagt der Sachverständigenrat, nicht die böse Opposition bei einer schwachen eigenen wirtschaftlichen Entwicklung sich mit dem Hinweis auf andere damit abzufinden und zu warten, bis die weltwirtschaftliche
Konjunktur, namentlich die Wirtschaftsentwicklung
in den Vereinigten Staaten, wieder in Schwung
kommt. Das hieße nämlich, vor den eigenen Problemen zu kapitulieren und darauf zu setzen, dass andere Länder eher in der Lage sind, ihre Aufgaben zu
erledigen, und dass die deutsche Volkswirtschaft nur
gleichsam als stiller Teilhaber der anderswo erzielten
wirtschaftspolitischen Erfolge gesehen wird.
Der Sachverständigenrat fügt einen weiteren Satz hinzu:
Wir kommen um die Notwendigkeit nicht herum, die
eigenen wirtschaftlichen Antriebskräfte zu mobilisieren. Deutschland ist nicht ein Land, das damit
überfordert sein sollte.
Deutschland ist damit auch nicht überfordert, aber RotGrün anscheinend komplett.
({27})
Meine Damen und Herren, Sie haben es in vier Jahren
geschafft, Antriebskräfte in Deutschland zu verbrauchen
und zu beschädigen.
({28})
- Für das letzte Jahr dieser Wahlperiode sehe ich keinen
Aufschwung in Ihrer Geisteshaltung oder in den wirtschaftlichen Daten voraus. Dieses Jahr kann ich vorwegnehmen. Das wird ein verlorenes Jahr sein.
Sie haben die Antriebskräfte in Deutschland gründlich
demotiviert. Sie haben jede Bereitschaft zur eigenen Anstrengung, zum eigenen Risiko in Mitleidenschaft gezogen. Sie haben Flexibilität zugeschüttet. Sie haben
Deutschland eingekerkert, aber sich selbst auch mit in die
Zelle gesperrt. Jetzt haben Sie nur noch die zwei Möglichkeiten, die Sie immer nennen: ruhige Hand und runder Tisch.
({29})
Das ist für die Freie Demokratische Partei zu wenig.
Deshalb bitten wir den Wähler,
({30})
dieser Politik im nächsten Herbst ein Ende zu bereiten demokratisch, aber überzeugend.
({31})
Ich erteile der Kollegin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich
mich gleich diesen großen intellektuellen Herausforderungen von Oppositionsseite stellen werde, möchte ich als
Erstes den Mitarbeitern des Sekretariats des Haushaltsausschusses danken.
({0})
Sie haben dieselben Nachtschichten geschoben wie wir, bis
früh um vier die Anträge der Opposition kopiert, was sie
auch nicht besser machte, aber immerhin dazu führte, dass
sie vollzählig vorlagen, und sie in die Fächer einsortiert.Wir
konnten um neun ordentlich beraten. In der diesjährigen
Haushaltsberatung verdankt der Haushaltsausschuss den
Mitarbeitern sehr viel. Das muss auch gesagt werden.
({1})
Jetzt will ich mich dieser intellektuellen Herausforderung widmen. Herr Gerhardt, wenn Sie hier behaupten,
wir beklagten uns darüber, Sie hätten kein ordentliches
Erbe hinterlassen, so muss angemerkt werden, dass Sie
mindestens 30 Jahre mitregiert haben und insofern auch
für das, was Sie hinterlassen haben, zuständig sind.
({2})
Mir hätte es schon genügt, wenn Sie uns keine so
großen Schulden hinterlassen hätten. Von Ihrer Erbschaft
will ich gar nichts haben.
({3})
Mir nützte es schon, wenn ich als junger Mensch meine
Zukunft selbst gestalten könnte. Das geht aber gar nicht,
weil ich auf Jahre dazu verdammt bin, mit meinen Steuergeldern Ihre Schulden abzutragen.
({4})
Wir wollen Zukunft gestalten.
({5})
- Ihr Wehgeschrei zeigt, dass ich den richtigen Punkt erwischt habe. - Wir haben einen Haushalt vorgelegt, der
schwer zu fahren ist, weil er knapp ist. Trotzdem gestalten wir die Zukunft, und zwar schon seit drei bis vier Jahren erfolgreich gemeinsam in dieser Koalition. Sie ist in
ihrer Finanzpolitik erfolgreich.
({6})
Wir haben die ökologische Modernisierung vorangetrieben. Es gibt eine Energiewende. Energieforschung,
Markteinführung erneuerbarer Energien, Biomasse, die
Mittel für all das wurden aufgestockt.
({7})
Das liegt stringent auf einer Linie. Das ist eine klare Strategie.
Wir haben eine Agrarwende begonnen. Inzwischen
gibt es gesündere Lebensmittel.
({8})
Artgerechte Tierhaltung wird sich durchsetzen. Die Mittel für Verbraucherschutz sind gestiegen. Auch das ist
wichtig für die Leute im Land.
Es wird eine Verkehrswende geben. Aus dem ZIPProgramm, dem Zukunftsinvestitionsprogramm, das wir
vor zwei Jahren aufgelegt haben, ist von 2,6 Milliarden
Euro eine ganze Milliarde, also ein wirklich großer Betrag, in Investitionen in die Schiene gegangen. Das ist Zukunft! Das ist ökologische Modernisierung der Gesellschaft!
({9})
Wir haben den Begriff der Nachhaltigkeit aus der
Ökologie auf die anderen gesellschaftlichen und politischen Bereiche übertragen. Es gibt inzwischen auch Debatten über eine nachhaltige Finanzpolitik.
({10})
Die ist durch den Wechsel von Finanzminister Lafontaine
zu Finanzminister Eichel plastisch geworden. Die Koalition hat darin in harter Arbeit ihre gemeinsamen Projekte
definiert. Das war weder für die Sozialdemokraten noch
für die Bündnisgrünen leicht.
({11})
Wir sagen: Wir wollen die Gesellschaft modernisieren.
Denken Sie zum Beispiel an die Fragen der Zuwanderung
und der Integration! Es wird mehr Geld für eine bessere
Integration und für verstärkte Sprachförderung geben.
Denken Sie daran, dass Familienförderung betrieben
wird! Wir haben einmal 300 DM Kindergeld versprochen.
Das kommt nächstes Jahr. Das ist eine Punktlandung!
({12})
Sehen Sie sich den Haushalt für Bildung und Forschung an! Der ist um mehr als 15 Prozent gestiegen. Das
BAföG ist dabei schon herausgerechnet.
Wenn Sie sich das einmal angucken, dann stellen Sie fest:
Das ist eine klare, stringente, kohärente Politik, auf wenige wichtige Investitionen in die Zukunft konzentriert,
und an allen anderen Stellen wird intelligent gespart.
({13})
Ich frage mich immer, wie Sie das alles gemacht hätten.
({14})
- Genau der Versuchung sind Sie erlegen. Sie von der
CDU/CSU haben Änderungsanträge mit einem Volumen
von mehr als 35 Milliarden Euro eingebracht. Das haben
Sie als ordentliche Haushaltspolitik zu suggerieren versucht. Dabei hätten Sie auf die Ökosteuer verzichtet. Da
hätten Ihnen schon einmal 15 bis 16 Milliarden gefehlt,
mindestens, wenn nicht noch mehr! Sie haben gesagt, Sie
wollten die Steuerreform vorziehen. Zusätzlich zu all
Ihren Änderungsanträgen wäre das ein Volumen gewesen,
das überhaupt nicht darstellbar gewesen wäre! Wahrscheinlich - da folge ich einmal Ihrer alten Programmatik - hätten Sie dann die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent
angehoben
({15})
oder hätten allen Deutschen die Grundrente verordnet;
denn anders hätten Sie das nicht finanzieren können.
({16})
Da Sie nicht die Traute gehabt hätten - so denke ich jedenfalls -, die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent anzuheben
oder die Grundrente in Deutschland einzuführen, muss
ich davon ausgehen, dass Ihre sämtlichen Erhöhungsanträge Popanz sind und überhaupt nichts taugen.
({17})
Ich kann ein paar Beispiele bringen. Es gibt zum Beispiel einen Antrag, 600 Millionen Euro mehr in den
Straßenbau zu investieren. Ich erinnere mich noch an
Wissmanns Spatenstiche. Wissen Sie noch, wie er damals
im Wahlkampf durch die Gegend gezogen ist und die Spatenstiche gemacht hat?
({18})
Danach war das Geld alle. Alles sollte natürlich privat finanziert werden und nichts hat geklappt. So ist das damals
gelaufen!
({19})
So machen Sie das wieder. Sie haben nichts dazugelernt. Sie machen wieder dieselben Fehler, die Sie schon
vor vier Jahren gemacht haben. Sie kommen mit einem
Antrag, den Verteidigungshaushalt um 1,4 Milliarden
Euro zu erhöhen, mit einem Antrag, den Zuschuss an die
Bundesanstalt für Arbeit um 2 Milliarden Euro zu erhöhen.
({20})
Ich kann mich noch an Blüms Wahlkampf-ABM erinnern.
Wissen Sie noch, wie das im letzten Wahljahr, als Sie abgewählt worden sind, gewesen ist? Da hat Herr Blüm
noch erzählt: Jetzt kommen noch einmal ganz viele ABM
auf den Markt. - Die haben dann für vier Monate gehalten - gerade bis einen Monat nach der Wahl! Solchen Versuchungen sind Sie wieder erlegen. Wir sind es nicht. Wir
sind solchen Versuchungen nicht erlegen.
({21})
Dieser Haushalt wird im Wahljahr Prüfstein für unsere
Vorschläge zur Modernisierung dieser Gesellschaft sein
müssen. Wir haben dazugelernt, übrigens sehr schmerzhaft. Daher kommt genau die Häme, die Sie in der ganzen
Woche verbreiten. Natürlich freut Sie das. Sie sind ja wegen derselben Probleme, mit denen auch wir konfrontiert
sind - das ist ganz klar; wir leben im selben Land -, abgewählt worden.
({22})
Aber Sie haben nichts dazugelernt. Wir lernen dazu. Unsere Lernprozesse regen Sie auf.
({23})
Das ärgert Sie am meisten. Daher kommt Ihre Häme. Wir
sind in der Lage, uns in die Regierungsrolle hineinzufinden,
({24})
während Sie eine schlechtere Opposition machen, als wir
sie früher gemacht haben. Damit lassen Sie sich hier
blicken!
({25})
Sie haben die Änderungsanträge der Bündnisgrünen
zum Haushalt aus Oppositionszeiten bestimmt noch in Erinnerung. Sie werden sich erinnern, dass die alle gedeckt
waren. Da gab es keine illusorischen Angelegenheiten wie
Ihre komischen Vorstellungen: Steuerreform vorziehen,
auf die Ökosteuer verzichten, Einfrieren der Grundrente,
Erhöhung der Mehrwertsteuer und alles irgendwann noch
einmal.
({26})
Was Sie hier vorgelegt haben, ist Quatsch. Ich weiß nicht,
({27})
aber wenn ich an Gerhard Stoltenberg denke, über den in
dieser Woche mehrmals gesprochen worden ist - mit ResAntje Hermenau
pekt natürlich, das ist klar -, glaube ich, Herr Stoltenberg
hätte Ihnen diesen Mist nicht durchgehen lassen.
({28})
Herr Stoltenberg hätte Sie bei diesem Wirrwarr, den Sie
hier als Haushaltsberatung vorzulegen gewagt haben, ins
Gebet genommen. Sie haben Ihre Kompetenz auf dem
Gebiet völlig verloren.
({29})
Der Wechsel von Stoltenberg zu Waigel erfolgte ein
halbes Jahr vor der Wende; deswegen kann man sich mit
den Kosten der deutschen Einheit nicht herausreden.
({30})
Damals haben Sie in Ihrer Finanzpolitik umgesteuert und
den Pfad der stoltenbergschen Tugend verlassen. So ist es
doch gewesen, und zwar ein halbes Jahr vor der Wiedervereinigung. Kommen Sie mir nicht mit den Kosten der
deutschen Einheit. Ich kann es nicht mehr hören.
({31})
In Wirklichkeit hat es etwas damit zu tun, dass Sie vor der
Bundestagswahl 1990 Muffensausen hatten und deshalb
Ihre Finanzpolitik ganz massiv geändert haben. So ist das
gelaufen!
({32})
Schwarz-Gelb hat von 1994 bis 1998 23,4 Prozent mehr
neue Schulden gemacht. Rot-Grün hat in den letzten vier
Jahren nicht einmal halb so viel Schulden gemacht, selbst
wenn man UMTS herausrechnet. Wenn wir auch zugeben,
dass wir die UMTS-Gelder zur Schuldentilgung genutzt
haben, haben wir eigentlich sogar nur 5 Prozent mehr
neue Schulden gemacht im Vergleich zu den 23,4 Prozent,
die Sie in Ihrer letzten Legislaturperiode abgeliefert
haben.
({33})
Wir haben die Trendumkehr eingeleitet. Wir haben Ihr
Erbe, Herr Gerhardt, gar nicht angetreten, wir haben es
ausgeschlagen. Wir machen etwas anderes. Wir werden
diese Neuverschuldung herunterfahren. Es tut weh, es ist
nicht leicht, es gibt Probleme, es ist diskussionswürdig,
aber es ist ehrlich und es ist zukunftsweisend.
({34})
Das ist es, was Sie wurmt. Herr Carstens hat Sie heute hier
vertreten, meine Damen und Herren von der Union. Der
hat hier doch im Prinzip einen Rückblick in die Geschichte abgeliefert.
({35})
Sie glauben, damit könnten Sie jüngere Menschen in diesem Land dafür interessieren, was Sie finanzpolitisch
eventuell noch anzubieten hätten.
Wie ich schon sagte: Häme steht Ihnen gut zu Gesicht.
({36})
Das ist offensichtlich das Einzige, was Sie im Moment
drauf haben. Mehr kommt nicht. Ich erinnere mich an das
letzte tolle schwarz-gelbe Konjunktur-Ankurbelungsprogramm, die Sonder-AfA, mit dem die Baubranche im
Osten künstlich hoch geschraubt wurde.
({37})
Es gab geborgte Arbeitsplätze in der Baubranche, diese
geborgten Arbeitsplätze wurden aus Steuerverzicht finanziert und der Boom ist trotzdem nicht von Dauer gewesen.
Wir hingegen haben mühsam Gelder in Marktanreizprogramme für erneuerbare Energien gesteckt.
({38})
Dort entstehen neue zukunftsfeste Arbeitsplätze, ganz im
Gegensatz zu Ihrer durch Steuerersparnis erkauften Konjunktur.
({39})
Weil Sie der Meinung sind, wir hätten die Staatsausgaben davongaloppieren lassen: Man kann sie ja
durchaus einmal mit der waigelschen mittelfristigen
Finanzplanung vergleichen. Das müssen wir nicht
scheuen. Die läge nämlich maximal 1 bis 2 Milliarden Euro unter dem, was wir anzubieten haben. Aber die
waigelsche Planung wäre ohne Ökosteuer - da hätten
Sie schon ein Problem -, sie wäre ohne Zukunftsinvestitionen, sie wäre mit 20 Prozent Mehrwertsteuer und
sie wäre mit einer Grundrente und einem Rentenversicherungsbeitrag von wahrscheinlich immer noch ungefähr 20 Prozent.
Ich weiß doch noch,
({40})
wie Norbert Blüm damals in den Haushaltsausschuss gekommen ist und mit einer Träne im Knopfloch meinte,
jetzt müssten wir uns langsam auf 21 Prozent Rentenversicherungsbeitrag zubewegen. Erinnern Sie sich doch einmal an Ihren eigenen Minister. Er saß dort und sagte mit
einer Träne im Knopfloch: Tut mir Leid, Leute, 21 Prozent, irgendwie lässt es sich nicht vermeiden. Das war
doch keine Zukunftsentwicklung.
({41})
Wir stabilisieren den Rentenversicherungsbeitrag, und
wir stabilisieren ihn nicht dadurch, dass es nur eine Grundrente für alle gibt. Das ist doch der entscheidende Punkt,
der uns gelungen ist.
({42})
Sie werden wahrscheinlich nicht müde werden, immer
wieder zu behaupten, Sie könnten die Steuerreform vorziehen. Dazu haben Sie auch geistreiche Vorschläge. Ich
kann Ihnen nur sagen: Wenn Ihre eigene große Führungspersönlichkeit Stoiber schon den Rückzug angetreten hat, weil ihm das Ganze nicht mehr ganz geheuer ist
und er merkt, dass das Eis bricht, auf das Sie sich da schlitternd wagen, kann ich mir eigentlich jede weitere Bemerkung zu dem Schnulli-Vorschlag ersparen.
Kommen wir dann zu einem Vergleich, der ganz einfach zu begreifen ist: Alle Deutschen waren im letzten
Jahr sehr bewegt von der Entwicklung der Fußball-Nationalmannschaft. Das kann ich gut verstehen. Da ist genau
dasselbe passiert wie bei Ihnen. Dort gab es die gleiche
Nichtlernfähigkeit, die Sie hier auch dokumentiert haben,
in den letzten Jahren und in dieser Haushaltsberatung wieder. Da hat man sich in der Fußballnationalmannschaft auf
seinen Lorbeeren und dem vergangenen Ruhm ausgeruht.
Dann hat man in einem Dritte-Klasse-Spiel mörderisch
verloren. Anschließend hat man die nationale Krise ausgerufen. So ist das gelaufen.
So ähnlich ist Ihre Haushaltspolitik. Nachhaltigkeit beginnt nämlich mit Vorausdenken. Man fängt beizeiten an,
an die Zukunft zu denken. Man investiert in junge Spieler
und man bemüht sich, Angebote zu machen, die auch
wirklich tragen. Aber Sie haben nichts dazugelernt. Sie
haben Herrn Stoltenberg verachtet. Sie haben zum Beispiel Männer wie Kohl oder Waigel, die für den Maastricht-Vertrag verhandelt haben, der Ihnen in Ihrer Finanzpolitik einmal so wichtig war, an die Wand laufen
lassen.
({43})
Ihnen scheint es doch wohl egal zu sein, ob die Nettokreditaufnahme, die Neuverschuldung steigt.
({44})
Dabei müsste es Ihnen doch eigentlich richtig weh tun.
Kohl und Waigel haben für Sie in Verhandlungen eine
stringente Finanzpolitik in Europa durchgesetzt, aber Sie
tun hier so, als wäre es völlig egal, ob die Neuverschuldung steigt oder nicht. Sie sprechen von einer nationalen
Krise. Wir haben keine nationale Krise, sondern Sie haben eine Wahlkampfkrise; das ist Ihr Problem.
({45})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Uwe-Jens Rössel, PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir ein Bedürfnis,
zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats des Haushaltsausschusses für ihre stets hilfsbereite, engagierte und umsichtige Arbeit den Dank meiner
Fraktion auszusprechen.
({0})
Dank sagen möchte ich auch ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen des Bundesrechnungshofs. Ihre Arbeit genießt bei uns hohe Wertschätzung. Sie ist für unser
parlamentarisches Wirken unverzichtbar.
({1})
Wenn jetzt Bilanz der viertägigen Haushaltsberatungen
gezogen wird, wäre vieles zu sagen. Der politische
Schlagabtausch in der Haushaltsdebatte - dafür gibt es bereits heute viele Beispiele - zwischen der rot-grünen Koalition und der Vorgängerkoalition verläuft aber in weiten
Teilen auf einem erschreckend niedrigen Niveau.
({2})
Von Kultur im Meinungsstreit kann hier wohl nicht gesprochen werden.
({3})
Das erste Paradebeispiel lieferte Kollege Carstens.
Seine Rede strotzte nur so vor Peinlichkeiten und ideologischen Ausfällen.
({4})
Kollege Carstens, wüsste ich nicht, dass Sie Mitglied des
Haushaltsausschusses des Bundestags sind, so müsste ich
sagen, Sie waren ein bestellter Gastredner.
({5})
Sie, Kollegin Antje Hermenau, kommen offensichtlich
- zu diesem Schluss komme ich nicht nur aufgrund Ihrer
Wortwahl, sondern auch aufgrund der Ergebnisse, die Sie
hier vorgetragen haben - vom Kongress der Weißwäscher.
({6})
Die Bürgerinnen und Bürger im Land, Kollege
Carstens, Kollegin Hermenau, wollen von der Politik und
damit von uns Bundestagsabgeordneten doch vor allem
wissen, mit welchen Konzepten die anhaltend hohe
Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann. Sie wollen vor
allem wissen, wann endlich mehr soziale Gerechtigkeit
in dieses Land einzieht und die Renten auch für die künftigen Generationen wirklich sicher sind.
({7})
Sie wollen wissen, wie Bildung und Forschung nachhaltiger gefördert und die Gesundheitsfürsorge bezahlbar geAntje Hermenau
halten werden kann. Besonders darauf muss der vorgelegte Haushalt Antwort geben.
({8})
Angesichts der entsetzlichen Terroranschläge vom
11. September und deren Folgen, Kollege Mark, plagt immer mehr Menschen die Sorge um die Erhaltung des
Friedens. Die PDS-Fraktion bekräftigt von hier aus ihre
Forderung, den Krieg in Afghanistan sofort einzustellen
und seine Ausdehnung auf andere Regionen zu verhindern.
({9})
- Bitte nicht die alten Kamellen, Kollege Wagner!
Zum Etat 2002. Trotz manch unterstützenswerter
Einzelvorhaben und Projekte, die in den Bundesetat eingestellt sind - ich nenne die Anhebung der langfristigen
Finanzierungsverpflichtungen des Bundes für die Städtebauförderung West; ich nenne die Bundeskulturförderung -, wird der Haushalt insgesamt den Herausforderungen der Zukunft nur unzureichend gerecht.
({10})
Die soziale Schieflage in der Gesellschaft wird mit dem
Etat 2002 unter Rot-Grün nicht abgebaut; sie nimmt sogar
zu.
({11})
Finanzminister Eichel ist wegen der dramatisch
zurückgegangenen Steuereinnahmen und der unabwendbaren Einstellung von Mehrausgaben für die Arbeitsmarktpolitik schon heilfroh, dass er die Eckdaten seiner
Regierungsvorlage vom Juni dieses Jahres halbwegs über
die Haushaltsberatungen bringen konnte. Auf Kante
genäht sei der Haushalt und enthalte keinen Spielraum - das ist der Originalton des Finanzministers.
Dazu ist noch zu sagen, dass die Punktlandung bei der
Neuverschuldung in Höhe von 21,1 Milliarden Euro nur
dadurch möglich geworden ist, dass in diesen Haushalt
- sprichwörtlich fünf vor zwölf - massive Privatisierungserlöse eingestellt wurden. Wäre das nicht passiert,
läge die Neuverschuldung im nächsten Jahr bereits über
dem Ansatz von 2001. Finanzminister Eichel wäre es dadurch aber in der Öffentlichkeit sehr schwer gefallen, seinen Kurs der Haushaltskonsolidierung weiterhin glaubhaft zu machen.
Während der Bund dank umfangreicher Privatisierungserlöse Möglichkeiten hat, die Aufnahme neuer
Schulden zu begrenzen, verfügen Länder und Kommunen
über derartige Chancen in aller Regel nicht mehr. Die
Länder und Kommunen werden in diesem Jahr neue
Schulden in einem Umfang von 88 Milliarden DM aufnehmen. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch
65,3 Milliarden DM. Die Haushaltskonsolidierung des
Bundes ist offensichtlich nicht mit Blick auf die Länder
und Kommunen vollzogen worden.
({12})
Länder und Kommunen leiden teilweise spürbar unter der
Haushaltskonsolidierungspolitik der Bundesregierung.
({13})
Das aber ist keine wahre Konsolidierung der öffentlichen
Haushalte. Minister Eichel, Sie wissen genau, dass Sie
damit aber immer mehr an die von der Europäischen
Union vorgegebene Obergrenze für die Nettoverschuldung herankommen.
Die Kommunen könnten vor allem von einer Reform
der Kommunalfinanzierung profitieren. Die Koalition
hatte das 1998 versprochen. Das Gegenteil aber ist eingetreten. Der Grundsatz „Der Bund bestellt und die
Kommunen zahlen“ wird auch unter Finanzminister
Eichel praktiziert. Wir hatten erwartet, dass das
„Theo-Waigel-Credo“ endlich zu Grabe getragen ist.
({14})
Leere Kassen der Kommunen jedoch bedeuten weniger Zuschüsse für Behindertenverbände und soziale Vereine. Ferner bedeuten sie Schließung von Jugend- und
Freizeiteinrichtungen und weniger Geld für den Breitensport. All das sind Fragen, die die Menschen bewegen.
Auch das muss der Finanzminister im Blick haben. Er
darf die Konsolidierung nicht auf die Bundesebene begrenzen.
({15})
In diesem Zusammenhang bekräftigt die PDS-Fraktion
ihre Forderung, dass vor allem den finanziell arg gebeutelten Kommunen in Ostdeutschland und in verschiedenen Regionen in Westdeutschland schnelle Hilfe zuteil
werden muss.
({16})
Die Verankerung einer Investitionspauschale des Bundes, wie wir sie vom Grundsatz her schon in zwei Jahren
hatten, ist dringend geboten, um mehr Beschäftigung zu
erreichen und die Selbstverwaltung der Kommunen zu ermöglichen.
({17})
Im Hinblick auf Beschäftigungsförderung und Beschäftigungssicherung erwarten wir von der Bundesregierung eine wirkliche Umkehr. Mittel für innovative Maßnahmen müssen in den Haushalt eingestellt werden. Dazu
gehört auch der Einstieg in den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Meine Fraktion hat dazu schon vor
längerer Zeit konkrete Vorschläge auf den Tisch des Hohen Hauses gelegt.
({18})
2 000 zusätzliche Arbeitsvermittler, die die Bundesregierung einstellen will, nützen wenig, wenn es keine entsprechenden Arbeitsplatzangebote der Unternehmen gibt.
Zudem ist völlig unklar - meine Kollegin Luft hat es gestern dargelegt -, wie diese zusätzlichen Vermittler bezahlt
werden sollen. Offenbar geht deren Finanzierung wieder
zulasten arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Das aber
wäre kontraproduktiv.
({19})
Auch dazu muss der Finanzminister etwas sagen.
Mit der Vergabe von Mitteln ist die Bundesregierung
ausgesprochen knauserig, wenn es darum geht, diejenigen
Soldaten und Zivilbeschäftigten der Bundeswehr und der
Nationalen Volksarmee zu entschädigen, die aufgrund ihrer Tätigkeit als Radartechniker gesundheitlich schwer
geschädigt sind. Mit den Stimmen der Regierungskoalition und der CDU/CSU - Letzteres sage ich ganz ausdrücklich - wurde am Mittwoch ein entsprechender Antrag der PDS-Fraktion in namentlicher Abstimmung
abgelehnt. Wir forderten darin die rasche Auszahlung erforderlicher Fürsorgeleistungen sowie Schadensersatz
und Schmerzensgeldzahlungen.
({20})
Allein der Verzicht auf einen einzigen Eurofighter hätte
ausgereicht, um die Entschädigungsleistungen schon im
Haushalt 2002 zu finanzieren.
Kollege Rössel, Sie
müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum
Schluss, Herr Präsident.
In den viertägigen Haushaltsberatungen lagen insgesamt 31 Änderungs- und Entschließungsanträge meiner
Fraktion für die Abstimmung vor. Sie umfassen sowohl
Verbesserungen auf der Einnahmeseite als auch Einsparungen. Zum Vergleich: Die FDP stellte 24 entsprechende Anträge, die CDU/CSU 18.
Die PDS-Fraktion - das ist mein letzter Satz - wird den
Entwurf des Bundeshaushaltes ablehnen.
({0})
Er gibt überwiegend unzureichende Antworten, Kollege
Wagner, auf die Zukunftsfragen, die den Menschen in der
Bundesrepublik Deutschland unter den Nägeln brennen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Ich erteile dem Bundesminister Hans Eichel das Wort.
Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Dies ist
({1})
die letzte Haushaltsdebatte in dieser Wahlperiode.
({2})
Wir sind nun am Ende der Haushaltsberatungen angelangt, sodass wir Bilanz ziehen können.
Da Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
die Regierung kritisieren,
({3})
was Ihr gutes Recht ist, werden Sie es sich gefallen lassen
müssen, dass wir auch Bilanz ziehen und zwischen Ihrer
Regierungstätigkeit - das ist ja noch nicht so lange her und dem, was wir in vier Jahren erreicht haben, vergleichen. Dabei sind auch Ihre Vorschläge zu berücksichtigen, was man in diesem Land anders machen sollte.
Ich möchte heute zunächst Bilanz ziehen und zwischen
dem letzten Haushalt der vorigen Wahlperiode, nach dem
Sie die Regierungsverantwortung abgeben mussten, weil
die Bevölkerung Sie nicht wieder gewählt hat,
({4})
und dem letzten Haushalt dieser Wahlperiode, den wir
heute verabschieden, vergleichen. Wie sieht das Ergebnis
aus?
Erstens. Sie haben in der letzten Wahlperiode drei
Jahre lang verfassungswidrige Haushalte vollzogen und
deren Verfassungswidrigkeit durch riesige Privatisierungserlöse überdeckt.
({5})
Wir haben in der Zeit zwischen dem Haushalt 1998 und
dem Haushalt 2002 einen Konsolidierungsfortschritt in
Höhe von 30 Milliarden DM erreicht. Das ist das Markenzeichen dieser Wahlperiode.
({6})
Zweitens. In diesem Haushalt betragen die Steuermindereinnahmen durch die Steuerreform über 25 Milliarden Euro.
({7})
Ich ziehe Bilanz: Am Anfang dieser Wahlperiode lag
das Kindergeld - das haben wir von Ihnen übernommen bei 220 DM; nach den Beschlüssen, die bereits gefasst
sind, wird es jetzt 300 DM betragen.
({8})
Für eine vierköpfige Familie bedeutet das netto 1 920 DM
mehr im Jahr an Kindergeld. Für eine Verkäuferin als
Ernährerin der Familie kommt dies einem 13. Monatsgehalt gleich. Damit haben wir die verfassungswidrig hohe
Besteuerung der Familien, die Sie zu verantworten hatten,
beendet.
({9})
Wir haben von Ihnen ein steuerfreies Existenzminimum in Höhe von 13 200 DM übernommen. Bereits jetzt
beträgt es 14 100 DM. Im Zuge der Steuerreform werden
wir es noch bis auf 15 000 DM anheben. Damit ist die
Besteuerung der Niedrigverdiener bei uns im Vergleich
zu den anderen Ländern der Europäischen Union am
günstigsten.
({10})
Wir haben von Ihnen einen Eingangssteuersatz in Höhe
von 25,9 Prozent übernommen. Sie haben Sie es in den
16 Jahren Ihrer Regierungstätigkeit nicht geschafft, hier
etwas Nennenswertes zu bewegen. Jetzt liegt er bereits bei
19,9 Prozent.
Das alles heißt: Wir haben eine massive Entlastung der
Bezieher niedriger Einkommen vorgenommen.
Ich komme nun zum Mittelstand. Ihre Lügen
({11})
werden spätestens bei den Steuererklärungen, die jetzt anstehen, sichtbar, weil dann jedem Betriebsinhaber klar
wird: Wir haben die Gewerbesteuer, über die die Einzelhändler und die Handwerksmeister seit 50 Jahren geklagt
haben, als Kostenfaktor beseitigt. Sie haben das, während
Sie die Bundesrepublik Deutschland regierten, nie geschafft.
({12})
Wenn Sie vom Mittelstand reden und ihn mit den Kapitalgesellschaften vergleichen, haben Sie ganz offenkundig nur noch die ganz großen Einzelunternehmer im
Blick,
({13})
die als Verheiratete mehr als 480 000 DM verdienen, denn
nur diese ganz kleine Gruppe muss eventuell mehr Steuern bezahlen als die Körperschaften.
({14})
Das gilt auch nur für den einbehaltenen Gewinn, denn
beim ausgeschütteten Gewinn sind Körperschaften immer
schlechter gestellt als die Personengesellschaften.
({15})
Ihre ganze Propaganda bricht zusammen, wenn man die
Steuererklärungen zugrunde legt.
({16})
Wir haben die Ausgaben für die Forschung wieder
hochgefahren, die Sie in den gesamten 90er-Jahren zurückgefahren haben. Eine Schande ist die Tatsache, dass
am Ende Ihrer Regierungszeit 300 000 Studentinnen und
Studenten weniger BAföG bekommen konnten. Hier haben Sie Investitionen in die Zukunft unterlassen. Wer
nicht in die Köpfe der jungen Menschen investiert, versündigt sich an der Zukunft unseres Landes.
({17})
Dagegen haben wir unsere Konsolidierungspolitik gestellt: Wir haben eine BAföG-Reform durchgeführt, die
Schritt für Schritt dazu führt - es kann nicht in ein oder
zwei Jahren alles ausgebügelt werden, was Sie in 16 Jahren versäumt haben -, dass die jungen Leute wieder unabhängig vom Geldbeutel der Eltern studieren können.
Das sind wir den jungen Leuten und der Zukunft unseres
Landes schuldig.
({18})
Die Bildung ist nämlich der wichtigste Produktionsfaktor,
den wir haben. Darin, was in den Köpfen unserer jungen
Leute ist, liegt unsere Zukunft.
({19})
Sie haben Investitionen in die Zukunft unterlassen.
Jetzt spreche ich über die Beschäftigung: Ja, wir
wären gerne weiter vorangekommen. Wer wäre das
nicht? Die Bilanz ist aber, dass es jetzt 1 Million Beschäftigte mehr als am Ende Ihrer Regierungszeit gibt.
({20})
Damit haben wir das aufgeholt, was Sie in den 90er-Jahren versäumt hatten, und noch mehr erreicht. Wenn wir
auch nicht das erreicht haben, was wir wollten, so werden
wir dennoch, wenn die Konjunkturkrise im kommenden
Februar ihren Höhepunkt erreicht hat,
({21})
500 000 bis 600 000 Arbeitslose weniger haben, als Sie
uns 1998 hinterlassen haben.
({22})
Es wird, wie Professor Zimmermann gestern Abend zu
Recht gesagt hat, das erste Mal nach dem Krieg sein, dass
es in Deutschland nach einer Konjunkturkrise keine höhere
Arbeitslosigkeit gibt, sondern eine deutlich niedrigere.
({23})
Das zeigt, dass wir mit unserer Politik auf dem richtigen
Wege sind.
({24})
Wir haben außerdem - wir werden das ja gleich noch
diskutieren - langfristig die Grundlagen für den weiteren
Aufbau Ost gelegt, damit in Deutschland in einer Generation zusammenwachsen kann, was in der Tat zusammengehört.
({25})
- Sie sind ja schon wieder so unruhig. Das muss Ihnen ja
irgendwie Probleme machen; das ist jedenfalls mein Eindruck.
({26})
Mit anderen Worten: Ihre Bilanz nach vier Jahren war
jämmerlich und Sie sind zu Recht abgewählt worden; unsere Bilanz ist gegenüber dem, was Sie uns hinterlassen
haben, ein riesiger Fortschritt. Dieser Vergleich muss einfach einmal angestellt werden.
({27})
Es ist gar keine Frage, dass wir heute in einer schwierigen ökonomischen Situation sind.
({28})
- Dank unserer Politik? Das müsste dann ja für die ganze
Welt gelten: Wir sind also auch an den Rezessionen in Japan und den Vereinigten Staaten schuld. Das übernehmen
wir dann gleich noch alles mit, das macht dann ja auch gar
keinen Unterschied mehr.
({29})
Nein, die wichtigste Frage in dieser Situation ist doch, wie
Ihre Vorschläge aussehen und was wir machen wollen.
Die Ausführungen, die Frau Merkel in dieser Woche dazu
gemacht hat, waren übrigens jämmerlich.
({30})
Ihr Vorschlagsreigen begann im August mit der Forderung nach einem großen Zehn-Punkte-Sofortprogramm. Da wurde zum Beispiel gefordert, die gesamte
Steuerreform von 2003 und 2005 auf 2002 vorzuziehen.
Das hätte mal so eben läppische 60 Milliarden DM gekostet, die man oben draufpacken müsste. An Maastricht denkt in diesem Zusammenhang ja keiner. Allein
der Rückzieher in diesem Punkte war ja bemerkenswert:
({31})
Etwas später sollte nicht mehr die Steuerreform 2005,
sondern nur noch die Steuerreform 2003 vorgezogen werden. Dann hat der Herr Stoiber vor versammelter Öffentlichkeit am Sonntagabend zum großen Entsetzen der Frau
Merkel auch das noch vom Felde gezogen.
({32})
Als dann Frau Merkel am Mittwoch hier gegen den Bundeskanzler antreten sollte, ist das Wort vom Vorziehen der
Steuerreform überhaupt nicht mehr vorgekommen.
({33})
Das Kernstück Ihrer Alternativen - weg, einfach weg!
({34})
Dafür wird es allerdings auf dem Bundesparteitag in
Dresden wieder ausgepackt. Da wird dann mal eben eine
Steuerreform beschlossen, die zur glatten Halbierung der
Einkommen- und Körperschaftsteuer führt.
({35})
Wer soll denn so etwas überhaupt noch ernst nehmen?
({36})
Arbeit, um dieses Land voranzubringen, verlangt mehr.
Sie verlangt vor allem Solidität und Seriosität. Wer solche
Vorschläge nicht macht, kann nicht ernst genommen
werden.
({37})
Damit bin ich beim Haushalt 2002.
({38})
- Ich habe die Bilanz eben schon einmal gebracht.
({39})
Es gefällt Ihnen nicht, wenn ich über Ihre Zeit rede. Das
kann ich verstehen.
({40})
Wenn ich ein solches Erbe hinterlassen hätte, würde ich
auch nicht gerne haben, wenn andere darüber reden. Das
ist wahr.
({41})
Übrigens, Herr Brüderle ist auch wieder nicht da. Das
ist eine spannende Veranstaltung: Die Finanzämter nehmen nicht Gelder ein, um Staatsaufgaben zu finanzieren;
die Finanzämter verteilen Schecks. - Meine Damen und
Herren, so etwas können Sie wirklich nur als Weihnachtsmann irgendjemandem erzählen, aber nicht in einer seriösen Finanzdebatte.
({42})
Der Haushalt 2002 ist in der Tat viel schwieriger als
2001. 2001 haben wir es trotz 2 Prozent weniger Wirtschaftswachstum, als bei der Aufstellung des Haushalts
unterstellt - ({43})
- Wir werden noch den Abschluss sehen. Dann haben Sie
wieder Pech gehabt.
Herr Austermann, bis Februar sagten Sie, ich müsse
Nachtragshaushalte aufstellen, weil ich das Geld versteckt hätte; ich müsse es endlich einmal offen legen.
Nach dem Februar war es umgekehrt: Ich müsse einen
Nachtragshaushalt machen, weil ich riesige Löcher habe;
ich müsse hierher kommen und mir neue Kreditermächtigungen holen. - Mit all dem haben Sie Pech gehabt,
Herr Austermann. Das eine hat nicht gestimmt und das
andere hat nicht gestimmt.
({44})
Wir werden trotz 2 Prozent weniger Wachstum den Haushalt 2001 ziemlich dort abschließen, wo wir ihn vorgeschlagen haben. Das ist eine gewaltige Leistung.
({45})
Wahr ist:
({46})
Bei dieser Wirtschaftsentwicklung, die keiner vorausgesehen hat, ist der Haushalt 2002 mit dem Einhalten der
weiteren Absenkung der Nettoneuverschuldung in der
Tat auf Kante genäht. Es hat überhaupt keinen Zweck
- der Finanzminister tut das am allerwenigsten -, um
diesen Sachverhalt auch nur einen Moment herumzureden. Deswegen habe ich - das „Handelsblatt“ hat völlig
Recht - auch Alternativszenarien durchrechnen lassen:
Was bedeutet es, wenn, wie Sie behaupten, das Wirtschaftswachstum noch etwas niedriger ausfällt?
({47})
Übrigens kommen in den letzten Tagen wieder ganz andere, positivere Nachrichten herein. Die neuesten Nachrichten waren die der OECD und des Instituts der deutschen Wirtschaft. Die kommen zu anderen Ergebnissen.
Die gehen nämlich wieder hoch: von 0,7 auf 1 Prozent.
Das werden wir am Jahresende sehen. Wir haben alle
Hände voll zu tun, diesen Kurs der Konsolidierung zu halten. Aber mit Ihren Vorschlägen, meine Damen und Herren, ist überhaupt kein Staat zu machen, sondern das genaue Gegenteil.
({48})
Wir halten den Kurs.
({49})
Wir haben trotzdem - das ist nun das Entscheidende - in
diesem Haushalt eine Fülle von Maßnahmen, die helfen,
das Wachstum zu stimulieren, und zwar nicht, weil wir
glaubten, wir könnten die Konjunktur steuern, sondern
weil wir den Haushalt systematisch auf Zukunftsfähigkeit
hin umbauen.
({50})
Erstens. 19 Milliarden DM an Steuerentlastungen aus
der ersten Stufe der Steuerreform plus Kindergeld plus
weitere Entlastungen im Zusammenhang mit dem Nichteinsetzen der neuen AfA-Tabellen: Das sind fast 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mehr macht kein anderes
Land in der Europäischen Union, um an dieser Stelle für
Wachstum zu sorgen.
Zweitens. Die Zusatzinvestitionen aufgrund der
Zinsersparnisse, die wir durch den Schuldenabbau wegen
der UMTS-Versteigerungserlöse haben, greifen jetzt richtig.
({51})
Übrigens hat Herr Mehdorn mich angerufen und gesagt,
es tue ihm sehr Leid, was Herr Austermann da gesagt
habe; es gebe überhaupt kein Problem zwischen der Bahn
und der Bundesregierung, das Geld werde auch komplett
ausgegeben. - Das will ich noch einmal sagen, damit Sie
nicht mit Ihrer Brunnenvergiftung davonkommen.
({52})
Wir haben im Haushalt das neue Programm „Stadtumbau Ost“. Wir haben - das ist langfristig sichere Politik in diesem Jahr - wir werden darüber anschließend diskutieren und auch entscheiden - mit dem Solidarpakt II die
Grundlagen für einen langfristigen Aufbau im Osten gelegt. Etwas Wichtigeres kann es in dieser Periode überhaupt nicht geben. Die gesamte Konsolidierungspolitik
hatte den Sinn, die Leistungsfähigkeit unseres Staates
auch in Zukunft zu gewährleisten.
({53})
Das ist natürlich nicht das Ende der Reform. Wir haben
einen Konsolidierungskurs eingeleitet und Jahr für Jahr
konsequent durchgehalten. Sie sollten sich daran gewöhnen, dass das eine Dauerveranstaltung ist und dass dieser
Kurs nicht nur für zwei Jahre gedacht war.
({54})
Wir haben eine Steuerreform, die sich über zwei Wahlperioden erstreckt, verabschiedet. Die wird auch eisern
durchgehalten.
({55})
Wir haben eine Rentenreform durchgesetzt, die sich die
anderen großen Staaten auf dem europäischen Kontinent,
wie die Europäische Kommission sagt, zum Vorbild nehmen sollten. Denn sie haben die Bewältigung dieser Aufgabe noch vor sich.
Weitere Aufgaben liegen vor uns. Das Job-Aqtiv-Gesetz beinhaltet eine große Vermittlungsinitiative.
({56})
Offiziell sind immerhin mehr als 400 000 Arbeitsplätze
frei. Da kann man einen Teil tun.
({57})
Herr Riester hat darauf hingewiesen, dass die Wirtschaft
sagt, es gebe 1,5 Millionen freie Arbeitsplätze. Dazu kann
ich nur sagen: Die Wirtschaft soll sie melden. Wir tun alles dafür, dass die freien Arbeitsplätze und die Menschen,
die keinen Job haben, zusammenkommen. Das ist der
Sinn des Job-Aqtiv-Gesetzes.
({58})
Die Gesundheitsreform wird der nächste Schritt sein.
Bei allem Ärger, den es an dieser Stelle gibt: Wir sind die
erste Regierung, in deren Wahlperiode die Lohnnebenkosten sinken.
({59})
Als wir die Regierung übernommen haben, lagen die
Lohnnebenkosten bei 42,1 Prozent und der Rentenversicherungsbeitrag bei 20,3 Prozent. Herr Merz, Sie kennen
sich in der Wirklichkeit dieses Landes überhaupt nicht
mehr aus!
({60})
Wir werden die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe
zusammenführen. Wir sind die Gemeindefinanzreform
angegangen und haben zu einer Verstetigung der Finanzen
beigetragen.
({61})
Schauen Sie sich doch einmal die Finanzentwicklung an:
Die Gewerbesteuer ist von 1995 bis 2000 auf mehr als
40 Prozent gestiegen. Dann ist sie auf einem - allerdings
hohen - Niveau eingebrochen, während alle anderen Gebietskörperschaften in diesem Zeitraum bei den Einnahmen einen Zuwachs von 12 Prozent zu verzeichnen hatten. Sie sollten einmal die Fakten zur Kenntnis nehmen.
Das sage ich vor allem den Damen und Herren von der
verehrten PDS.
({62})
Diese Arbeit werden wir fortsetzen. Daran werden Sie
von der Opposition uns nicht hindern. Natürlich haben
wir Schwierigkeiten. Aber Sie malen alles schwarz in
schwarz. Die „Zeit“ hat Recht: Kassandra muss nicht
Recht haben. - Sie werden übrigens noch erleben: Nicht
Kassandra wird gewählt, sondern nur der, der eine Zukunftsperspektive bietet. Das sollten Sie sich einmal merken!
({63})
Wir reden um nichts herum. Es ist ein fundamentaler
Fehler, die positiven Signale, die es gibt, zu verschweigen. Das werden Ihnen die Menschen nicht abnehmen.
Denn die Wirtschaftspolitik ist zur Hälfte Psychologie.
({64})
Zu dieser Psychologie gehört, dass man das Positive,
das es gibt, nicht unterschlägt:
Erstens. Der Ölpreis - das ist der große Unterschied im
Vergleich zur Situation vor einem Jahr - ist ein eigenes
Konjunkturprogramm, eine gewaltige Entlastung der Privathaushalte und der Wirtschaft in Deutschland.
({65})
Zweitens. Die Inflationsrate ist so niedrig wie schon
lange nicht mehr. Der Verbraucherpreisindex liegt bereits
bei 1,4 Prozent. Die Europäische Zentralbank hat, weil
wir konsequent Kurs halten, die Zinsen gesenkt. Deswegen sind die Finanzierungskosten historisch niedrig. Der
Haushalt 2002 gibt eine Menge Anstöße für das nächste
Jahr.
({66})
Die Menschen - dabei ist es nicht die Frage, ob ich das
gesagt habe oder nicht - nehmen diese Entwicklung wahr.
Im Oktober dieses Jahres gab es in der Automobilindustrie ein Absatzplus von 9,6 Prozent, einen richtigen Zulassungsboom. Freuen Sie sich doch wenigstens darüber!
({67})
Das heißt, die Menschen haben ein Stück mehr Vertrauen
in die Zukunft.
Zum Schluss sage ich Ihnen: Wenn das alles, was Sie
hier erzählt haben, wahr wäre, wie kommt es dann eigentlich zu folgenden Umfrageergebnissen?
({68})
Diese Woche wurde den Menschen die einfache Frage gestellt: Wem traut ihr zu, dass er mit den Problemen dieses
Landes am besten fertig wird? - Antwort: Für die SPD haben sich 33 Prozent entschieden.
({69})
- Vorsicht, nicht lachen! Gleich können Sie lachen. - Für
die CDU/CSU haben sich 13 Prozent entschieden.
({70})
Daran erkennen Sie: Sie leben in einer Scheinwelt, was
sowohl die Wirklichkeit in diesem Land als auch was die
Wahrnehmung Ihrer Kompetenzen angeht. Nur ganze
13 Prozent der Menschen dieses Landes trauen Ihnen zu,
mit den Problemen dieses Landes in der Zukunft erfolgreich fertig zu werden. Das holen Sie auch bis zum September des nächsten Jahres nicht mehr auf. Seien Sie da
gewiss.
({71}))
Das Wort zu einer
Kurzintervention hat der Kollege Friedrich Merz.
({0})
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz - [der
Bundeskanzler verlässt auch gerade den Saal] - zwei
Punkte ansprechen.
Erstens. Ich finde, es ist eine Zumutung für dieses Parlament, dass die zweite und dritte Lesung des Bundeshaushaltes für das kommende Jahr in dieser Besetzung der
Regierungsbank stattfindet. Noch nicht einmal der Bundesarbeitsminister und der Bundeswirtschaftsminister
scheinen es für nötig zu halten, an dieser Debatte teilzunehmen.
({0})
Ich empfinde es als eine Zumutung für den Deutschen
Bundestag, wie die Regierungsbank bei der zweiten und
dritten Lesung für den Bundeshaushalt des nächsten Jahres besetzt ist.
Zweitens. Herr Bundesfinanzminister, nur damit
keine Legenden darüber entstehen, was wir zur Steuerpolitik in den letzten Wochen gesagt haben und was die
übereinstimmende Auffassung der Parteivorsitzenden
der CDU, der Kollegin Angela Merkel, des Parteivorsitzenden der CSU, des Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, und auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
zum Thema „Vorziehen einer Stufe der Steuerreform“
ist:
({1})
Es ist und bleibt unsere Auffassung, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der SPD, dass es in der gegenwärtigen
Lage der öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder
und der Gemeinden außerordentlich schwierig ist, mit einer vorgezogenen Steuerreform einen größeren Schritt bei
der Entlastung der Bürger und der Unternehmen in diesem
Land zu tun.
({2})
Das ist eine schwierige Lage.
({3})
Aber wir sind übereinstimmend mit vier der fünf Forschungsinstitute der Auffassung: Es wäre richtig, wenigstens die Stufe des Jahres 2003 auf das Jahr 2002 so vorzuziehen,
({4})
dass der Mittelstand in diesem Lande entlastet wird, und
so vorzuziehen, dass die Wirtschaft ein Signal bekommt,
dass wir es ernst meinen mit ihrer Entlastung und dass wir
es ernst meinen mit Wachstum und Beschäftigung.
Herr Eichel, damit Sie hier nicht weiter an Legenden
stricken: Das ist die Auffassung der Union, der Vorsitzenden beider Parteien und auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Herzlichen Dank.
({5})
Herr Minister Eichel,
Sie haben Gelegenheit zur Erwiderung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur auf einen
Punkt hinweisen: Herr Kollege Merz, es hat doch so viele
Gelegenheiten gegeben, diese Vorstellungen - sie sind
offenbar, wie Sie sagen, Ihre gemeinsamen Vorstellungen ({0})
in allen möglichen Gremien nicht nur zu debattieren, sondern dazu auch Anträge zu stellen.
Der Finanzplanungsrat, in dem auch alle Landesregierungen vertreten sind, ist vor kurzem zusammengekommen. Von den acht Finanzministern, die die CDU und die
CSU stellen, waren fünf anwesend. Nicht einer hat auch
nur einen einzigen Mucks zu diesem Thema gesagt. Wir
haben ein Papier verabschiedet, das vorher von allen Landesregierungen gebilligt wurde und in dem klipp und klar
die konsequente Fortsetzung des Konsolidierungskurses
festgestellt worden ist.
So viel zur Ernsthaftigkeit Ihrer steuerpolitischen Vorstellungen.
({1})
Als letzter Redner in
der Haushaltsdebatte erteile ich dem Kollegen Dietrich
Austermann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginn
der Debatte den Mitgliedern des Haushaltsausschusses
und den Mitarbeitern des Sekretariats herzlich danken für
die Arbeit, die sie geleistet haben.
({0})
Ich möchte in diesen Dank zugleich auch unseren Kollegen Adolf Roth mit einschließen, der krank ist, aber sonst
an dieser Stelle geredet hätte.
Ich habe zunächst gedacht, es sei schwierig, in dieser
Phase der Debatte zu reden, nachdem der Finanzminister
groß eingestiegen ist. Aber nachdem ich gehört habe, was
Sie gesagt haben, Herr Eichel, denke ich, dass es doch
ziemlich einfach ist.
Es gibt kein neuesArgument, das Sie vorgetragen haben.
Sie haben im Wesentlichen die Vergangenheit beschrieben.
Das war die Bilanz von Opa Hans zu dem,
was sich vor ein paar Jahren zugetragen hat. Zu der
gegenwärtigen konkreten Notwendigkeit und zu dem, was
jetzt erforderlich ist, um das Steuer herumzureißen, haben
Sie nichts gesagt. Dazu ist nichts gekommen - Fehlanzeige!
({1})
Die Debatte in dieser Woche hat gezeigt, dass man Ihnen eine erhebliche Realitätsferne bescheinigen muss. Es
gibt überhaupt keinen Bezug mehr zu dem, was die Menschen in diesem Land denken, was in der Wirtschaft gedacht wird und welche Sorgen die Menschen tatsächlich
umtreiben.
({2})
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen, weil
Sie bei einem Punkt noch etwas zu Herrn Mehdorn gesagt
haben: Heute Nachmittag fahre ich mit der Bahn nach
Hause.
({3})
Die Strecke von Berlin nach Hamburg wird repariert; sie
soll renoviert werden. Zu Zeiten der DDR war der Zustand katastrophal. Jeder erinnert sich noch an den „Fliegenden Hamburger“ aus den 30er-Jahren. Seit langem ist
die Bundesbahn bestrebt, diese Strecke in einen ordentlichen Zustand zu bringen.
Der Bahnvorstand schreibt jetzt dazu:
Die Bahn hat mit Hochdruck die Planungsarbeiten
für den Ausbau der Strecke Hamburg-Berlin auf
Tempo 230 vorangetrieben. Auftragsvergabe und
Anzahlung hätten im Juli 2001 erfolgen können. Sie
sind derzeit ausgesetzt, weil der Bund eine zusätzliche Planung für Tempo 200
- natürlich langsamer; das ist aber auch klar, da Sie regieren zum Kostenvergleich beider Varianten fordert und es
derzeit ablehnt, auch nur eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Auftragsvergabe selbst von
denjenigen Streckenabschnitten zu erteilen, bei denen zwischen beiden Varianten keine Kostendifferenzen bestehen. Die DB AG ist daher gehindert, augenblicklich auch nur in die Auftragsvergabe und
Vorfinanzierung einzutreten.
Das macht doch wohl deutlich: Herr Finanzminister,
Sie persönlich sind an vielen Hunderttausend Arbeitslosen in Deutschland schuld.
({4})
Sie sind verantwortlich dafür, dass das Finanzministerium
die Auszahlung von Investitionsmitteln verweigert. Diese
Investitionen sind seit langer Zeit geplant und können
jetzt nicht durchgeführt werden. Und warum ist das so?
Weil Sie durch eingesparte Investitionen das Ziel der ohnehin hohen Nettoneuverschuldung von 43,5 Milliarden
DM noch einigermaßen erreichen wollen. Das ist der einzige Grund.
({5})
Sie haben davon gesprochen - ich arbeite es der Reihe
nach ab -, dass Sie mit der Konsolidierung jetzt anfangen
werden. Ist das Konsolidierung, wenn man in vier Jahren
183 Milliarden DM neue Schulden macht? Über das Kriterium der Gesamtverschuldung des Staates haben Sie
mit Ihren Kollegen im Finanzplanungsrat doch wohl auch
gesprochen; diese haben Ihnen offensichtlich gesagt, dass
Sie in diesem Jahr höhere Schulden machen müssen und
im nächsten Jahr noch höhere. Ist das Konsolidierung,
wenn sich die gesamtstaatliche Verschuldung von 1998
bis heute von 1,7 auf 2,7 Prozent verändert hat? Nein, Sie
haben lediglich Lasten aus dem Bundeshaushalt in die
Sozialkassen sowie in die Länder und Gemeinden verschoben.
Sie haben dann die Mär von einer anderen Familienpolitik, die Sie jetzt machen wollten, erzählt. Dazu muss
ich zunächst feststellen: Als wir angefangen haben, gab es
keine Kinderfreibeträge mehr, weil die Sozialdemokraten
sie nicht wollten. Das Kindergeld war sehr niedrig. Vielleicht denken Sie noch einmal darüber nach, wie die Situation tatsächlich ausgesehen hat. Wir haben die Leistungen für die Familien dann kräftig erhöht und
ausgeweitet.
({6})
Sie sprechen jetzt immer von der Verkäuferin, die
durch die Steuerreform ein 13. Monatsgehalt zusätzlich
erhalte. Wenn ich am Bahnhof Itzehoe ankomme und in
die dortige Buchhandlung gehe, spricht mich die Verkäuferin an und sagt, dass es ihr finanziell heute schlechter
geht. Sie sagt, sie habe Sorge, ob sie in diesem Jahr überhaupt Weihnachtsgeld erhalte. Trotzdem stellen Sie sich
hier realitätsfern hin und sagen, dass die Leute mehr in der
Tasche haben. Das ist doch eindeutig falsch. Den Leuten
geht es heute schlechter als vor drei Jahren.
({7})
Ich komme zum Thema Lohnnebenkosten, das ja
für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung durchaus
wichtig ist. Rechnen wir einmal alle Sozialabgaben zusammen - das ist relativ leicht überschaubar -: Der Pflegeversicherungsbeitrag beläuft sich auf 1,7 Prozentpunkte; das galt 1998 wie heute. Der Beitrag zur
Arbeitslosenversicherung liegt derzeit bei 6,5 Prozentpunkten. Vor etwa einem Jahr haben Sie davon geredet,
dass man diesen absenken könne; daraus ist nichts geworden. Der Krankenversicherungsbeitrag betrug 1998
durchschnittlich 13,5 Prozentpunkte, jetzt liegt er bei
14 Prozentpunkten. Der Beitrag zur Rentenversicherung
lag bei uns bei 20,2 Prozentpunkten, jetzt liegt er bei 19,1
Prozentpunkten. Wenn man den Griff in die Rentenkassen
berücksichtigt, wird er im neuen Jahr bei 19,4 Prozentpunkten liegen. Beachten Sie bitte dabei, dass Sie den
Rentenbeitrag nur deshalb auf diesem Niveau halten können, weil - das macht zumindest einen Prozentpunkt aus die Ökosteuer erhoben wird. Notwendig war darüber hinaus die Einführung der privaten Vorsorge am 1. Januar
- das macht einen weiteren Prozentpunkt aus -, damit
man überhaupt das Rentenniveau halten kann, das wir
1998 hatten. Realiter beträgt der Rentenversicherungsbeitrag also mehr als 22 Prozent. Diese Beträge addiert bedeuten, dass die Lohnnebenkosten in Deutschland in den
letzten drei Jahren deutlich gestiegen sind. Dies ist mit ein
Grund für die wirtschaftliche Misere in Deutschland.
({8})
Fehler haben Sie im Wesentlichen bei drei Punkten gemacht: Erstens haben Sie die Steuern - das ging im Zickzackkurs - und die Energiekosten drastisch erhöht. Das,
was an Steuerentlastung da war, wird scheibchenweise
durch die Energiekostensteigerung aufgefressen, zum
Beispiel über die Ökosteuer.
({9})
Der erste Punkt, der bei Ihnen negativ zu Buche schlägt,
ist also die zu hohe Steuerbelastung.
Zweitens haben Sie die Investitionen gesenkt. Ich
habe dazu schon etwas gesagt. Sie stehen bei den Investitionen seit Jahren auf der Bremse. Sie haben im Haushalt
2002 die niedrigste Investitionsquote, die es je in der
Nachkriegszeit gegeben hat.
Drittens haben Sie den Arbeitsmarkt zwangsreguliert.
Sie haben eine Fülle von neuen Regelungen getroffen, die
den Arbeitsmarkt zusätzlich unter Druck setzen und die
Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, erschweren.
Auf die Frage, was man in dieser Situation anders bzw.
besser machen könnte, sagen wir ganz klar: Die Steuern
müssen runter. Das hat auch Friedrich Merz eben ganz
deutlich gesagt. Dazu nenne ich ein Beispiel, bei dem
auch die Frage der Konsolidierung eine Rolle spielt: Von
1998 bis 2002 werden jährlich 50 Milliarden an Steuern
mehr kassiert. Spiegelt das eine Entlastung für Bürger und
Betriebe? Bei richtiger Konsolidierung könnte aus diesen
Steuermehreinnahmen jede Reform finanziert werden.
({10})
Sie haben es nicht gemacht, weil Sie umverteilen wollten.
Wenn ich jetzt unterstelle, wir hätten das Wachstum aus
dem Jahre 1998, als sich alle relevanten Daten positiv entwickelt haben, hätten Sie gar 70 Milliarden DM gehabt,
um eine kräftige Steuerentlastung zu finanzieren. Erzählen Sie also nicht, dass das nicht möglich ist. Es wäre
möglich gewesen, wenn Sie es richtig gemacht hätten.
Nun wird gegenwärtig versucht, das eine oder andere
zu verniedlichen. Wir haben gesagt: Wir befinden uns in
einer Rezession und diese Rezession ist hausgemacht. Sie
hat - dies wird deutlich am Einbruch bei der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage - nichts mit Krisen außerhalb
Deutschlands zu tun, sondern vor allem mit der Krise dieser Bundesregierung.
Der Sachverständige Rürup hat vorgestern in einem Interview ausgeführt:
Deutschland befindet sich zwar in einer Rezession.
Aber diese Abschwächung ist noch nicht so stark,
dass sie eine Verletzung der 3-Prozent-Quote erlauben würde.
Aber bei Fortsetzung Ihrer Politik der „eingeschlafenen
Hand“ werden Sie auch dies schaffen.
Herr Eichel, Sie haben gesagt, die von uns abgegebenen Prognosen hätten nicht gestimmt. Haben wir im August gesagt, dass Sie für das kommende Jahr ein Haushaltsloch in Höhe von 20 Milliarden DM haben oder
nicht? Hat es dieses Haushaltsloch gegeben oder nicht?
Das hat es gegeben; Sie haben sich verschätzt.
({11})
Wir haben im März hier den Antrag auf einen Nachtragshaushalt gestellt, weil erkennbar war, dass sich die
Arbeitsmarktdaten nach unten entwickeln, weil erkennbar
war, dass in dem Zusammenhang auch die Steuereinnahmen sinken. Sie haben nicht darauf reagiert. Natürlich
hätte man zu Beginn dieses Jahres eine Steuerreform
schneller, besser und großzügiger machen können.
({12})
Sie haben die Basis dafür weggeschlagen und werfen uns
jetzt vor, dass wir nicht am Gesamtmodell hängen bleiben. Der Fehler liegt doch bei der von Ihnen vorher so
schlecht geleisteten Arbeit.
({13})
Versuchen Sie nicht, das Ganze zu verniedlichen. Ich
habe mir sagen lassen, dass Sie am letzten Dienstag beim
Bausparkassentag gesagt haben, um die Leute zu beschwichtigen, das sei keine Rezession, das sei nur eine
„Anpassungsrezession“.
({14})
Es gibt eine Reihe von Vokabeln, die Sie in der letzten Zeit
verwendet haben, die alle umschreiben sollen, dass die Situation schlecht ist, man es aber nicht zugeben möchte.
Was heißt denn „Anpassungsrezession“? Wer muss
sich denn an wen anpassen? Heißt das, dass sich die Menschen, die Arbeit haben, an die Situation anpassen müssen, dass sie künftig keine Arbeit mehr haben? Heißt das,
dass sich die Firmen, die noch Aufträge haben, anpassen
müssen, dass sie künftig keine Aufträge mehr haben? Erzählen Sie doch keine Fantasiezahlen über irgendwelche
Auftragseingänge, sondern schauen Sie sich die Geschäftsbilanzen der Unternehmen an!
Wir haben gestern in der Arbeitsgruppe Haushalt - der
ich für die gute Arbeit in den letzten Wochen und auch in
dieser Woche danken möchte - mit einem Vertreter einer
Sparkasse aus Süddeutschland zusammengesessen. Er hat
es auf den Punkt gebracht, als er meinte: Wenn der Finanzminister zum Konsum auffordert, dann müssen alle
Alarmglocken klingeln. Wenn das der Wirtschaftsminister macht, ist das in Ordnung. Aber beim Finanzminister
lässt das offensichtlich darauf schließen, dass er selbst
nicht daran glaubt, dass die Situation in Ordnung ist, sondern dass wir in einer ganz schwierigen Lage sind.
({15})
Es gibt ein neues Gerücht, das da lautet, der Finanzminister habe mit dem Golfspielen angefangen: Er tastet sich
von Loch zu Loch.
({16})
Fragt einer nach dem Handicap, dann heißt es: 2002. Weil
es so ein hohes Handicap nicht gibt, heißt das, dass Sie die
Platzreife nicht haben. Im September 2002 wird sich die
Situation klären.
({17})
Von solchen Sprüchen gibt es mittlerweile viele: Was
ist paradox? Paradox ist, wenn sich der Sohn des Kanzlers
namens Aufschwung in die Tochter Rezession verwandelt
und die Mutter deutsche Volkswirtschaft Vaterschaftsklage einlegt.
({18})
Wenn Sie sich die Situation anschauen, dann werden
Sie feststellen, dass sich unter dieser Regierung die wirtschaftlichen Daten drastisch verschlechtert haben. Sie
müssen zu haushälterischen Tricks en masse greifen. Sie
gehen beim Wachstum von unrealistischen Annahmen
aus. Die Frage ist doch: Können aus der heutigen Situation bei der Beschlussfassung über diesen Bundeshaushalt für die Zukunft, für die Menschen im Land, die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwicklung Perspektiven
gewonnen werden? Wir sagen Nein. Wir sagen deshalb
Nein, weil die für diesen Haushalt unterstellten Annahmen - Sie nennen das „auf Kante genäht“ - hinsichtlich der Einnahmen aus Sozialabgaben, der Zahl der beschäftigten Menschen und der Auftragslage der Betriebe
- dies alles ist eng miteinander verknüpft - schon heute
nicht mehr stimmen und weil zudem Ihre Annahmen hinsichtlich der Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit
unrealistisch sind.
Ich will etwas zu dem Gerücht sagen, wir hätten 1998
so genannte Wahlkampf-ABM gemacht.
({19})
Ich bemühe mich, das Ganze so darzustellen, dass ich mit
wenigen Zahlen auskomme: 1998 hatten wir im Sollansatz rund 37 Milliarden DM im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit für den zweiten Arbeitsmarkt. Als das
Jahr vorbei war, wurde festgestellt, dass davon 35 Milliarden DM ausgegeben wurden, also 2 Milliarden DM weniger. Sie haben im Haushalt des kommenden Jahres für
Arbeitsmarktpolitik 44 Milliarden DM eingestellt, also
7 Milliarden DM mehr, als wir 1998 im Sollansatz hatten.
Nehmen Sie Ihre Behauptung zurück, wir hätten den
zweiten Arbeitsmarkt aufgebläht. Sie tun das, um überhaupt eine einigermaßen erträgliche Bilanz vorweisen zu
können. Diesen Sachverhalt können Sie sich überall bestätigen lassen.
({20})
Dies führt schließlich zu der Frage: Wie kann es eigentlich passieren, dass eine Regierung völlig unvorbereitet vor diesen Dingen steht? Sie verlässt sich immerhin
auf eine große Zahl von Sachverständigen. Ich kann das
nur so deuten, dass es offensichtlich eine erhebliche Realitätsferne gibt. Wenn man mit den Menschen redet, wenn
man in die Betriebe geht und sich die Bilanzen der Unternehmen anschaut, dann hat man seit mindestens einem
Jahr den Gang der Entwicklung absehen können. Dazu
brauche ich keine statistischen Zusammenfassungen, von
welchen Forschungsinstituten auch immer. Deren Prognosen kommen sowieso immer hinterher. Man muss die
Situation vor Ort betrachten. Dann kommt man zu der
richtigen Prognose, die zu den richtigen Schritten führt,
die wir vorgeschlagen haben.
Ich sage es noch einmal, damit deutlich wird, wo unsere Alternative liegt: Wir wollen die Rücknahme der Beschäftigungshemmnisse, die seit 1998 durchgesetzt worden sind.
({21})
Wir wollen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
Sozialhilfe. Wir wollen die Einführung des Kombilohns
für Geringverdiener. Wir wollen, dass ein wesentlicher
Teil der Steuerreform vorgezogen wird. Wir wollen vor allen Dingen, dass das Steuerrecht vereinfacht wird. Wir
wollen, dass auf die nächste Stufe der Ökosteuer verzichtet wird, die insbesondere den Familien das, was sie an Familiengeld angeblich mehr in der Tasche haben, sofort
wieder wegnimmt.
({22})
Wir wollen ein modernes Betriebsverfassunggesetz. Wir
wollen eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens. Wir wollen vor allen Dingen die Eigenverantwortung stärken.
Im nächsten Schritt wird es notwendig sein, die Infrastrukturlücken durch Mobilisierung von privatem Kapital
zu schließen. Die in diesem Land noch vorhandenen
schöpferischen und finanziellen Kräfte müssen für private Investitionen genutzt werden. Sie dürfen nicht demotiviert werden. Wir wollen spätestens nach der nächsten Wahl entsprechende Schritte unternehmen.
({23})
Die Maßnahmen, die die Regierung eingeleitet hat, taugen dafür nicht.
Ich sage es noch einmal: Der jetzt vorgelegte Haushalt
kommt nur mit Tricks zustande. Er zeigt keine Perspektiven auf und gibt vor allen Dingen den Menschen, die arbeitslos sind, keine Hoffnung.
Schauen wir uns einmal die Ergebnisse der Umfragen an,
die am Ende dieses Jahres durchgeführt worden sind. Die
Umfrage, aus der Sie zitiert haben - ich nehme an, sie war
von Forsa -, war voll daneben. Eine andere, gestern veröffentlichte Umfrage hat Folgendes ergeben: Auf die Frage
„Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Jahr 2002?“
haben etwa 62 Prozent der Menschen geantwortet, dass sie
dem neuen Jahr skeptisch entgegensehen. Sie machen ihnen
keinen Mut für die Zukunft. Etwa 28 Prozent der Menschen
rechnet damit, dass ihre persönliche Situation im nächsten
Jahr schwieriger sein wird. Solche negativen Umfrageergebnisse hat es lange nicht mehr gegeben.Verlassen Sie sich
also nicht auf Umfragen, die Sie selbst bestellt haben und
die die Realität schöner malen, als sie tatsächlich ist.
({24})
Während wir hier beraten, trifft sich im Kanzleramt
eine Runde - ich vermute, dass der Bundeskanzler dabei
ist - und versucht, die Mittel für die Finanzierung des
Großflugzeugs, das der Kanzler in der letzten Woche dem
französischen Präsidenten versprochen hat, zusammenzukratzen. Man hat offensichtlich ein Problem, den eingegangenen internationalen Verpflichtungen nachzukommen; denn im laufenden Haushalt ist zu wenig Geld.
Deswegen müssen in den nächsten 6 Milliarden zusätzlich eingestellt werden. Auch das beschreibt im Grunde
genommen die wirtschaftliche Situation und die finanzielle Lage des Verteidigungsetats.
Lassen Sie mich zum Ende kommen. Wir haben unsere
Alternativen zu dem vorgelegten Haushalt aufgezeigt und
deutlich gemacht, dass es einen besseren Weg für
Deutschland gibt.
({25})
Wenn Sie sich ein bisschen in Europa umschauen, dann
werden Sie feststellen: Als es vor ein paar Monaten
Wahlen in Norwegen gab, sind die Sozialdemokraten abgewählt worden. Als es vor ein paar Tagen Wahlen in
Dänemark gab, sind die Sozialdemokraten abgewählt
worden. Am 22. September nächsten Jahres gibt es in
Deutschland Wahlen. Dann ereilt die deutschen Sozialdemokraten wegen ihrer falschen Politik genau das
gleiche Schicksal.
({26})
Ich schließe die Aus-
sprache.
Wir kommen zur Schlussabstimmung über das Haus-
haltsgesetz 2002. Die Koalitionsfraktionen verlangen
namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men. - Sind die Schriftführerinnen und Schriftführer an
ihren Plätzen? Ist alles zur Abstimmung bereit? - Dann
eröffne ich die Abstimmung.1)
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.
Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen zur
Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst
über den Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/7590. Die Fraktion der
CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe-
nen Plätze einzunehmen. - Sind die Schriftführerinnen
und Schriftführer an ihren Plätzen? Ist alles zur Abstim-
mung bereit? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung.2)
({0})
Ist noch ein Mitglied
des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben
hat? - Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
bekannt gegeben.
Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/7571. Wer stimmt
für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7592. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7594. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7663. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Antrag ist gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7625. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Der Antrag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU, FDP und PDS
abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7626. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7650. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP abgelehnt.
({0})
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7651. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer ent-
1) Ergebnis Seite Seite 20392.1) Ergebnis Seite Seite 20390.
hält sich? - Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP
abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7684. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Gegen die Stimmen der FDP ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/7576. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine. Der Entschließungsantrag ist gegen die
Stimmen der PDS abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/7698. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine. Der Entschließungsantrag ist gegen die
Stimmen der PDS abgelehnt.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Schlussabstimmung über das Haushaltsgesetz 2002 unterbreche ich die Sitzung.
({1})
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung über das Haushaltsgesetz 2002 bekannt: Abgegebene Stimmen 590. Mit Ja haben gestimmt 313, mit
Nein haben gestimmt 276, Enthaltungen 1.
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 590;
davon
ja: 313
nein: 276
enthalten: 1
Ja
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({0})
Klaus Barthel ({1})
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({2})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Rainer Brinkmann ({3})
Bernhard Brinkmann
({4})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner ({5})
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({6})
Gabriele Fograscher
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({7})
Harald Friese
Anke Fuchs ({8})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({9})
Angelika Graf ({10})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
({11})
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({12})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({13})
Walter Hoffmann
({14})
Iris Hoffmann ({15})
Frank Hofmann ({16})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({17})
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Klaus Kirschner
Siegrun Klemmer
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({18})
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({19})
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({20})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({21})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({22})
Jutta Müller ({23})
Christian Müller ({24})
Franz Müntefering
Volker Neumann ({25})
Gerhard Neumann ({26})
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Johannes Pflug
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel RiemannHanewinckel
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
Vizepräsidentin Anke Fuchs
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({27})
Birgit Roth ({28})
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({29})
Ulla Schmidt ({30})
Silvia Schmidt ({31})
Dagmar Schmidt ({32})
Wilhelm Schmidt ({33})
Dr. Frank Schmidt
({34})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({35})
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
({36})
Brigitte Schulte ({37})
Volkmar Schultz ({38})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl ({39})
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt ({40})
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({41})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({42})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek ({43})
Helmut Wieczorek
({44})
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({45})
Brigitte Wimmer ({46})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({47})
Waltraud Wolff
({48})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Volker Beck ({49})
Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer ({50})
Joseph Fischer ({51})
Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller ({52})
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Albert Schmidt ({53})
Werner Schulz ({54})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Dr. Ludger Volmer
Helmut Wilhelm ({55})
Margareta Wolf ({56})
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({57})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
({58})
Dankward Buwitt
Manfred Carstens ({59})
Peter H. Carstensen
({60})
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({61})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Dirk Fischer ({62})
Axel E. Fischer
({63})
Klaus Francke
Dr. Gerhard Friedrich
({64})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({65})
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther ({66})
Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({67})
Hansgeorg Hauser
({68})
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({69})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({70})
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({71})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({72})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({73})
Erwin Marschewski
({74})
Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.
({75})
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU zu Einzelplan 14 auf Drucksache 14/7590
bekannt: Abgegebene Stimmen 592. Mit Ja haben gestimmt 247, mit Nein haben gestimmt 345, Enthaltungen
keine.
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Dr. Martin Mayer
({76})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({77})
Elmar Müller ({78})
Bernd Neumann ({79})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Norbert Otto ({80})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard ({81})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Dr. Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({82})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({83})
Andreas Schmidt ({84})
Michael von Schmude
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Wolfgang Schulhoff
Gerhard Schulz
Clemens Schwalbe
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Wolfgang Steiger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({85})
Gerald Weiß ({86})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({87})
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer ({88})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
FDP
Ina Albowitz
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({89})
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Jürgen Türk
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Manfred Müller ({90})
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Enthalten
Fraktionslose
Abgeordnete
Christa Lörcher
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 591;
davon
ja: 247
nein: 344
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({91})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
({92})
Dankward Buwitt
Manfred Carstens ({93})
Peter H. Carstensen
({94})
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({95})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Dirk Fischer ({96})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Axel E. Fischer
({97})
Klaus Francke
Dr. Gerhard Friedrich
({98})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({99})
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther ({100})
Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({101})
Hansgeorg Hauser
({102})
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({103})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({104})
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({105})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({106})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({107})
Erwin Marschewski
({108})
Dr. Martin Mayer
({109})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({110})
Elmar Müller ({111})
Bernd Neumann ({112})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Norbert Otto ({113})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard ({114})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Dr. Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({115})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({116})
Andreas Schmidt ({117})
Michael von Schmude
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Gerhard Schulz
Clemens Schwalbe
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Wolfgang Steiger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({118})
Gerald Weiß ({119})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({120})
Hans-Otto Wilhelm ({121})
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer ({122})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
FDP
Ina Albowitz
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({123})
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Jürgen Türk
Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({124})
Klaus Barthel ({125})
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({126})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Rainer Brinkmann ({127})
Bernhard Brinkmann
({128})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner ({129})
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({130})
Gabriele Fograscher
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({131})
Harald Friese
Anke Fuchs ({132})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({133})
Angelika Graf ({134})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
({135})
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({136})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({137})
Walter Hoffmann
({138})
Iris Hoffmann ({139})
Frank Hofmann ({140})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Volker Jung ({141})
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Klaus Kirschner
Siegrun Klemmer
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({142})
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({143})
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({144})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({145})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({146})
Jutta Müller ({147})
Christian Müller ({148})
Franz Müntefering
Volker Neumann ({149})
Gerhard Neumann ({150})
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Johannes Pflug
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel RiemannHanewinckel
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({151})
Birgit Roth ({152})
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({153})
Ulla Schmidt ({154})
Silvia Schmidt ({155})
Dagmar Schmidt ({156})
Wilhelm Schmidt ({157})
Dr. Frank Schmidt
({158})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({159})
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
({160})
Brigitte Schulte ({161})
Volkmar Schultz ({162})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl ({163})
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt ({164})
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({165})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({166})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek ({167})
Helmut Wieczorek
({168})
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({169})
Brigitte Wimmer ({170})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({171})
Waltraud Wolff
({172})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Volker Beck ({173})
Angelika Beer
Grietje Bettin
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer ({174})
Joseph Fischer ({175})
Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller ({176})
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({177})
Werner Schulz ({178})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({179})
Margareta Wolf ({180})
Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt.
Ich danke den Schriftführerinnen und Schriftführern
für die schnelle Auszählung.
({181})
Ich rufe Tagsordnungspunkt III auf:
- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnung
des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur
Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“ ({182})
- Drucksache 14/7063 ({183})
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und
zur Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“
({184})
- Drucksache 14/7256 ({185})
a) Beschlussempfehlung und Bericht des
Sonderausschusses Maßstäbe-/Finanzaus-
gleichsgesetz
- Drucksache 14/7646 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Schild
Oswald Metzger
Dr. Barabara Höll
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({186}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 14/7647 Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen liegt ein
Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache - die Diskutanten sind da und erteile der Kollegin Sabine Kaspereit für die SPDFraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mit der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfs zur Fortführung des Solidarpakts, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Abwicklung des Fonds „Deutsche
Einheit“ wird nach der Steuer- und Rentenreform ein weiteres großes Projekt der Reformagenda dieser Bundesregierung zu einem guten Abschluss gebracht.
({0})
Ich hätte vor einem Jahr noch nicht geglaubt, dass wir
an diesem 30. November des Jahres 2001 das Solidarpaktfortführungsgesetz abschließend durch den Bundestag bringen würden. Hier ist in unglaublich kurzer Zeit unglaublich viel passiert und gesetzgeberisch umgesetzt
worden, im Übrigen weit mehr, als uns die Karlsruher
Richter im November 1999 abverlangt hatten.
Es ist klar: Der Konsens zwischen den Ministerpräsidenten der Länder und dem Bundeskanzler vom Juni dieses Jahres hat hierfür die entscheidenden Weichen gestellt. Dafür ist allen Beteiligten, aus welcher Region der
Bundesrepublik sie auch kommen, welcher Regierung sie
auch immer angehören, zu danken. Die Interessenlagen
hätten doch unterschiedlicher nicht sein können! Ob Bund
oder Länder, ob Zahler oder Empfänger, ob Ost oder West,
ob Nord oder Süd, ob SPD- oder CDU-regiert - man fand
sich in einem guten Kompromiss wieder.
({1})
Es war richtig, dass die Bundesregierung zunächst verhalten agierte und dann bei den entscheidenden Weichenstellungen Tempo machte. Es war ebenso richtig, die Länder zu bewegen, vorweg in einem möglichst engen
Beratungs- und Konsensfindungsprozess so viele Kompromisslinien wie möglich zu entwickeln und darüber zu
sprechen. Ich finde es schade, dass die FDP sich dieser
Verfahrensweise verweigert hat. Wo es um so viel Geld
geht, ist es realitätsfern, zu glauben, man könne die Rechnung ohne den Wirt machen. Es ist nur legitim, dass die
Länder hier ein gewichtiges Wort mitreden müssen; es
geht gerade um sie.
Vizepräsidentin Anke Fuchs
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Manfred Müller ({2})
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Fraktionslose
Abgeordnete
Christa Lörcher
Ich kann das hier gewählte Verfahren der Kompromissfindung als Parlamentarierin, die nicht vom Lehrstuhl eines Rechtsprofessors oder vom Senatssessel eines Verfassungsrichters Politik für die Menschen in diesem Lande
erfolgreich umzusetzen versucht, nicht grundsätzlich kritisieren.
({3})
Deshalb sage ich: Die Verabschiedung dieses Gesetzes
zur Fortführung des Solidarpakts, zur Neuordnung des
bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Abwicklung
des Fonds „Deutsche Einheit“ in einem einzigen Paket ist
ein gutes Ergebnis des deutschen Föderalismus.
({4})
Es zeigt seine Fähigkeit, auch mit schwerwiegenden
Problemen unter schwierigen Umständen angemessen
fertig zu werden.
Meine Damen und Herren, es ist weitgehend unumstritten: Das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens kann
sich sehen lassen. Ich sage das ganz bewusst auch als ostdeutsche Abgeordnete.
({5})
Deshalb beziehe ich mich in meiner Rede vor allem auf
die Fortführung des Solidarpakts.
Wir machen mit diesem Gesetz mehrere Dinge deutlich:
Erstens. Der wirtschaftliche Aufbau in den neuen
Bundesländern ist und bleibt für uns eine überragende
Aufgabe deutscher Politik.
({6})
Wir haben immer gesagt: Der wirtschaftliche Aufbau ist
ein gewaltiger Prozess, dem sich die Deutschen in Ost und
West als eine Generationenaufgabe stellen müssen. Wer
anderes behauptet, erweckt Illusionen, die nur in Enttäuschungen enden können. Wir haben zu keinem Zeitpunkt unhaltbare Versprechungen gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Wir handeln
auf dem Boden der Realität und sagen das auch.
({7})
Zweitens. Für uns bleibt das Ziel, nämlich die Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse, der Lebensund Arbeitsverhältnisse der Menschen, im Mittelpunkt
unserer Arbeit. Dabei - auch das will ich an dieser Stelle
deutlich machen - geht es nicht darum, den Aufbau Ost
als einen schlichten Nachbau West zu begreifen. Es geht
darum, den Menschen in Ostdeutschland, denen in 40 Jahren DDR ein Leben in Freiheit und Wohlstand verwehrt
worden war, die gleichen Lebenschancen wie den Bürgerinnen und Bürgern in Westdeutschland einzuräumen.
Drittens. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Solidarität der Länder und des Bundes in Form finanzieller Unterstützung eine - ich sage: eine - Maßnahme. Die Menschen in den neuen Ländern können sich dabei auf die
Regierung verlassen. Insgesamt 306 Milliarden DM hat
der Bund den neuen Ländern bis zum Jahre 2019 zugesagt, um die teilungsbedingten Sonderlasten in den neuen
Ländern tragen zu helfen.
({8})
Die Finanzmittel aus dem Solidarpakt II in Höhe von
206 Milliarden DM oder gut 105 Milliarden Euro können
damit eingesetzt werden, um zum einen dem nach wie vor
erheblichen infrastrukturellen Nachholbedarf wirksam zu
begegnen und zum anderen die Finanzschwäche der ostdeutschen Kommunen auszugleichen. Hinzu kommen
rund 100 Milliarden aus dem so genannten Korb 2, das
heißt diverser weiterer Förderprogramme.
Viertens. Ein in meinen Augen außerordentlich wichtiger Aspekt ist neben der Summe von 206 Milliarden DM
die Planungssicherheit, die die Länder und Gemeinden
in Ostdeutschland für ihre Investitionen jetzt haben, und
das für einen fast 20-jährigen Zeitraum. Das ist mehr wert
als das jahrelange Feilschen um die eine oder andere zusätzliche Mark aus dem Bundeshaushalt.
({9})
Wir wissen jetzt, was der Bund zur Beseitigung teilungsbedingter Sonderlasten in den neuen Ländern Jahr
für Jahr aufbringt.
({10})
Die Länderregierungen und auch die Städte und Gemeinden können jetzt auf Heller und Pfennig mit zweistelligen
Milliardensummen rechnen. Das bringt langfristige Planungssicherheit für öffentliche Investitionen. Der Aufbau
Ost hat damit eine klare Perspektive bis zum Jahr 2020.
({11})
Ich finde es im Übrigen sachgerecht und angemessen,
dass die Hilfen degressiv ausgestaltet sind. Entsprechend
dem Finanzbedarf werden sie von 10,5 Milliarden Euro
im Jahr 2005 auf 2,8 Milliarden Euro im Jahr 2018 sinken.
Der Deutsche Bundestag wird mit diesem Gesetz der
stärkeren Regionalisierung in den neuen Ländern und damit der stärkeren Verantwortung politischer Entscheidungen vor Ort Rechnung tragen, und das bereits ab Beginn
des nächsten Jahres. Wir warten nicht bis zum Auslaufen
des Solidarpaktes I, sondern machen das schon jetzt und
kommen damit den neuen Ländern deutlich entgegen.
({12})
Bislang sind im Rahmen des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost Mittel in Höhe von jährlich rund
3,4 Milliarden Euro - das sind 6,6 Milliarden DM zweckgebunden für gesetzlich definierte Investitionen
ausgegeben worden. Damit die ostdeutschen Länder und
Berlin schon ab dem Jahr 2002 in stärkerem Maße eigenverantwortlich handeln können, werden diese Mittel des
Investitionsförderungsgesetzes bereits ab 2002 in ungeSabine Kaspereit
bundene Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen
umgewandelt werden.
({13})
Damit erreichen wir zum einen mehr Transparenz bei der
Förderung und zum anderen mehr Klarheit und Kontrolle
beim Einsatz der Finanzmittel aus dem Solidarpakt. Die
Steuerbürger haben darauf ein Recht.
Die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden dem Finanzplanungsrat im Rahmen von Fortschrittsberichten Aufbau Ost jährlich erstens über ihre
jeweiligen Fortschritte bei der Schließung der Infrastrukturlücke, zweitens über die Verwendung der erhaltenen
Mittel aus Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen und drittens über die finanzwirtschaftliche Entwicklung der Länder und Kommunen einschließlich der Begrenzung der Nettoneuverschuldung berichten.
({14})
Der Fortschrittsbericht Aufbau Ost wird erstmals im
Jahr 2003 vorgelegt werden. Ich möchte an dieser Stelle
erneut anregen, dass der Deutsche Bundestag diese Fortschrittsberichte und deren Bewertung durch die Bundesregierung zur Kenntnis erhält und debattiert.
({15})
Die rot-grüne Regierungskoalition hat mit diesem Gesetz und insbesondere mit der Festlegung auf das
Jahr 2019 deutlich gemacht: Wir haben erst die eine
Hälfte des Aufbauweges in Ostdeutschland hinter uns gelassen. Uns steht noch eine zweite, mindestens ebenso
lange Wegstrecke bevor.
({16})
Wir müssen das den Bürgerinnen und Bürgern in beiden
Teilen Deutschlands immer wieder klar sagen, auch wenn
das unpopulär sein mag. Es war ein großer, vielleicht sogar der entscheidende Fehler der Kohl-Regierung, die Erwartungen der Menschen an das Tempo, die Breite und
die Tiefe des erforderlichen Aufbauprozesses unrealistisch hoch geschraubt zu haben. Das werfe ich der alten
Regierung vor.
({17})
Diese enttäuschten Erwartungen sind es, die bei manchen Menschen in Ostdeutschland das Gefühl der Zweitklassigkeit aufkommen ließen. Dieses Gefühl zu nähren
und daraus politisch Kapital schlagen zu wollen, es opportunistisch in Wählerstimmen ummünzen zu wollen,
das werfe ich der PDS vor.
({18})
Es ist ein Verdienst unserer Bundesregierung unter
Gerhard Schröder, gegenüber den Menschen in den neuen
Ländern eine Politik zu vertreten, die auf realistischen
Perspektiven für den weiteren Aufbau und die Angleichung der Lebensverhältnisse beruht. Einen solchen Weg
zu beschreiten ist nicht immer populär; aber es ist der einzig mögliche Weg, der glaubwürdig ist und der verloren
gegangenes Vertrauen wieder wecken kann.
({19})
Es ist guter Brauch - ich komme ihm gerne nach -,
Dank an all diejenigen auszusprechen, die an dieser in der
Sache doch schwierigen und vom Verfahren her eher ungewöhnlichen Arbeit vor und hinter den Kulissen beteiligt
waren: Dank an die beiden Vorsitzenden des Sonderausschusses, an Joachim Stünker und Volker Kröning.
({20})
Ein ausdrücklicher Dank geht an das Sekretariat des Sonderausschusses, an die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen
und ihre Mitarbeiter. Ich danke auch für die hilfreiche Zusammenarbeit mit der Ministerialbürokratie in Bund und
Ländern. Ein weiterer Dank richtet sich an die Sachverständigen in Anhörungen und Gesprächen. Last, but not
least: Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen der
Fraktionen.
({21})
Allen zusammen gilt ein Kompliment für die überwiegend sachliche und konstruktive Zusammenarbeit. Eines
sage ich ganz ausdrücklich: Danke für die Solidarität!
({22})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Leo Dautzenberg für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute zu beschließenden so genannten Solidarpaktfortführungsgesetz wird eine Anschlussregelung
zum so genannten Solidarpakt zugunsten der neuen Länder getroffen und der bundesstaatliche Finanzausgleich
wird neu geregelt. Des Weiteren wird der Fonds „Deutsche Einheit“ abgewickelt.
Im Einzelnen zu nennen sind hier die Regelungen über
die Umwandlungen der Mittel des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost in ungebundene Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen bereits ab 2002 sowie Regelungen zur Wahrung der Haushaltsdisziplin im
Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion im Haushaltsgrundsätzegesetz.
Die Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“ wird
näher ausgestaltet und das Finanzausgleichsgesetz wird
neu gefasst. Beim Finanzausgleich geht es um eine Neuverteilung des Steueraufkommens zwischen dem Bund
und den Ländern sowie unter den Ländern. Ferner gilt es,
Unterschiede in der Finanzkraft der einzelnen Länder angemessen auszugleichen. Insgesamt werden dazu jährlich
rund 60 Milliarden DM umgeschichtet.
Warum ist die vorliegende Regelung erforderlich? Das
Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom
11. November 1999 entschieden, dass der Bund-Länder-Ausgleich einer neuen Regelung bedarf. Außerdem
musste eine Anschlussregelung zugunsten der neuen Länder getroffen werden. Das Bundesverfassungsgericht gab
dem Gesetzgeber dabei ein zweistufiges Verfahren vor.
Der Gesetzgeber war aufgefordert, bis Ende 2002 ein Gesetz zu erlassen, in dem die unbestimmten Rechtsbegriffe
der Verfassung konkretisiert und ergänzt werden. Darauf
aufbauend sollte dann in einem zweiten Gesetz der
angemessene Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder geregelt werden.
Die erste Stufe der höchstrichterlichen Vorgabe ist mit
dem so genannten Maßstäbegesetz, das am 5. Juli 2001
im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, umgesetzt
worden. Auf der Basis dieses Maßstäbegesetzes sind nun
die konkreten Regelungen festgelegt worden. Das
Bundesverfassungsgericht hat uns hier keine leichte Aufgabe gestellt. So verwundert es nicht, dass seit dem Urteil
zwei Jahre verstrichen sind, bis schließlich zwischen dem
Bund und allen 16 Bundesländern ein Konsens in greifbare Nähe rückte.
Der nun erzielte Kompromiss entspricht in vielen
Punkten nicht den Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Er trägt wohl auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes nur weitläufig Rechnung. Dennoch stimmen wir
ihm zu, wenn auch mit Bedenken. Denn wir haben erreicht, dass ein Anreizsystem geschaffen wurde, sodass
sowohl Geber- als auch Empfängerländer für erfolgreiches Wirtschaften belohnt wurden. Ferner wird für die
neuen Bundesländer eine langfristige Planungs- und Gestaltungssicherheit - zunächst bis zum Jahre 2019 - erreicht; sie ermöglicht auch eine größere Unabhängigkeit
der Kommunen. Schließlich wird es dem Bundesfinanzminister nicht mehr möglich sein, die Uneinigkeit der
Länder für sachfremde Zwecke auszunutzen.
({1})
Dabei bestand von Anfang an das Problem, dass der Entscheidungsspielraum für die Mitglieder des Sonderausschusses, die den Kompromiss erarbeitet haben, stark eingeschränkt war.
Der Finanzausgleich wird jedoch durch die getroffene
Regelung nicht einfacher und auch nicht transparenter.
({2})
Eine geschickter agierende Bundesregierung hätte zweifellos mehr Innovation in das System bringen können.
Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang der
schlechte Stil, mit dem die Beratungen insbesondere vonseiten des Bundesfinanzministers immer wieder unnötig
verzögert worden sind.
({3})
Wir hätten zugunsten der neuen Länder schon viel früher
ein Ergebnis erzielen können. Erforderliche Unterlagen
konnten oder wollten vom Finanzminister zum Teil nicht
vorgelegt werden.
So hat in Art. 5 die Regelung Eingang gefunden, dass
bezüglich der zusätzlichen Belastungen aus der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs der Umsatzsteueranteil an die Entwicklungen der Leistungen nach den
§§ 62 bis 78 des Einkommensteuergesetzes in der jeweils
geltenden Fassung angepasst wird, sodass diese zu
74 Prozent vom Bund und zu 26 Prozent von den Ländern
getragen werden. Nach Auffassung der Länder hat bei Erhöhung dieser familienpolitischen Leistungen eine Überprüfung mit dem Ziel der Anpassung zu erfolgen.
Bundesminister Eichel hat den Versuch unternommen,
diese Regelung dahin gehend abzuschwächen, dass statt
einer „Anpassung“ nur eine „Überprüfung“ der Vorgabe
erfolgen soll. Diese Tricksereien des Bundesfinanzministers führten zu unnötigen Verzögerungen, da in der ersten
Vorlage das, was im Rahmen des Maßstäbegesetzes gemeinsam vereinbart wurde, nicht eingehalten worden ist
und die Zusammenkunft mit den Finanzministern der
Länder - diese fand auf Wunsch des Bundesfinanzministers statt - daher abgebrochen wurde. Dieser - so muss
man jetzt feststellen - untaugliche Versuch ging zulasten
der Länder.
Es ist festzuhalten, dass der gesamte Kompromiss im
Wesentlichen auf einer Liquiditätsverbesserung für den
Bund beruht - jedoch zulasten unserer Kinder. Der Bund
übernimmt von 2005 bis 2019 Zins- und Tilgungslasten;
er lässt sich diesen Aufwand teilweise durch Vorwegnahme der Gelder aus dem Umsatzsteuertopf entgelten
und vermindert damit die Tilgungsleistungen weiter.
Auch den Ländern - das muss man betonen - kommt
diese Tilgungsstreckung natürlich gelegen. Dem Bundesfinanzminister gelingt es damit - zumindest mittelfristig -, seine Haushaltsdefizite zu verdecken und vorerst
Tilgungsausgaben in Höhe von deutlich über 4 Milliarden DM zu vermeiden.
Diese Liquiditätsschöpfung wird der Bundesregierung
nur vordergründig helfen, ihre Haushaltsprobleme zu bewältigen. Sie versucht, damit ihre schlechte Arbeitsmarktund Wirtschaftspolitik zu kaschieren. Das ist ein sehr
durchsichtiges Unterfangen, meine Damen und Herren.
({4})
Des Weiteren versucht die Bundesregierung, die leere
Haushaltskasse mit immer neuen Steuererhöhungen zu
füllen,
({5})
aber eine Korrektur über die Einnahmeseite kann nicht
gut gehen. Im Gegenteil: Für die konjunkturelle Lage ist
sie Gift. Jüngstes Beispiel ist die Erhöhung der Versicherung- und Tabaksteuer, angeblich um Kostendeckung
für Maßnahmen zur inneren Sicherheit zu erhalten.
({6})
- Herr Kollege Poß, Sie erkennen nicht, dass alles mit allem zusammenhängt; das beste Ausgleichssystem nützt
dann nichts, wenn die Bemessungsgrundlagen für die Verteilung auf alle staatliche Ebenen immer ungerechter werden. Insbesondere der Bund muss das einsehen.
({7})
Das hat nämlich etwas mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung zu tun, und nichts mit Solidarpakt oder Finanzausgleich.
({8})
Zu Beginn des nächsten Jahres, Kollege Poß, werden Mineralölsteuer und Stromsteuer erhöht. Steuererhöhungen
führen zu Kaufkraftentzug, zu Einschränkung des Konsums
und letztlich zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum.
Die Bundesrepublik Deutschland weist im europäischen
Vergleich mittlerweile die schlechtesten Wachstumsraten
auf. Unser Land trägt damit in Europa die rote Laterne. Diese
konjunkturelle Situation ist ausschließlich hausgemacht;
diese Bundesregierung hat das bisher nicht verstanden, sie
führt die notwendigen Reformmaßnahmen, die von der Vorgängerregierung eingeleitet worden sind, nicht fort.
(Jörg Tauss [SPD]: Ach du lieber Himmel! Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sie sind zurückgenommen worden!
Statt Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt haben Sie
neue Formen der Regulierung beschlossen. Ich erinnere
nur an die Fremdbestimmung bei der Mitbestimmung, an
das 630-Mark-Gesetz, an das Gesetz gegen die Scheinselbstständigkeit. All diese Maßnahmen haben mehr
staatliche Regulierung herbeigeführt und nicht eine Deregulierung, wie sie eigentlich für die Flexibilisierung erforderlich gewesen wäre.
({9})
Ich darf an die Einnahmen aus den Verkäufen der
UMTS-Lizenzen erinnern, die im Grunde genommen einseitig dem Bund zugeflossen sind. Die Länder haben jedoch aufgrund der Betriebsausgaben der Unternehmen
für die UMTS-Lizenzen weniger Steuereinnahmen und
damit eine schlechtere Einnahmesituation, obwohl sie die
Steuern dringend benötigen.
Nun überlegt Finanzminister Eichel immer wieder gemeinsam mit dem französischen Finanzminister, wie die
Stabilitätskriterien von Maastricht durch so genannte
Ausgabenziele aufgeweicht werden können. Angesichts
dessen habe ich kein Verständnis dafür, dass Sie über das
Haushaltsgrundsätzegesetz die Länder und die Kommunen stärker auf die Stabilitätskriterien verpflichten wollen, während Sie sich selber einen Freiraum schaffen wollen. Das bringt nämlich eine Destabilisierung des Euro
und damit auch unserer Stabilitätspolitik mit sich.
Meine Damen und Herren, in dieser kritischen Wirtschaftslage sind andere Maßnahmen erforderlich. Gebot
der Stunde ist ein Verzicht auf weitere Steuererhöhungen,
ist eine schnellere Entlastung der Betriebe sowie der
Bürgerinnen und Bürger.
({10})
Es ist als ein Erfolg der CDU/CSU-Fraktion zu sehen,
dass aufgrund unserer Initiative zumindest bis zum Jahre
2010 eine Überprüfung der Gewerbesteuerumlage, die
sich positiv auf die Kommunen auswirken wird, stattfinden wird.
Wir von der CDU/CSU-Fraktion legen Wert darauf,
dass die gemeinsame Entschließung trotz aller Bedenken
unsere Zustimmung findet, weil wir erreicht haben, dass
hiermit ein Anreizsystem geschaffen wird, das sowohl
Geber- als auch Empfängerländer für erfolgreiches Wirtschaften belohnt. Es gibt einerseits den neuen Ländern
Gestaltungssicherheit bis 2019. Auf der anderen Seite ist
es dem Finanzminister, wie schon betont, nicht mehr
möglich, die Länder mit sachfremden Aspekten gegeneinander auszuspielen. Wir werden zustimmen, weil die
Länder in diesen Kompromiss eingebunden sind, obwohl
- das muss man betonen - der Spielraum für uns Parlamentarier sehr eng war.
Vielen Dank.
({11})
Ich erteile das Wort
der Kollegin Antje Hermenau für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich dachte
eigentlich, dass diese Debatte die ruhigere der beiden heutigen Finanzdebatten sein würde. Als ich mich vorbereitete, dachte ich mir: Die erste wird lebendig und spritzig. Jetzt hat Herr Dautzenberg doch auch in diese Debatte
noch Pfeffer gebracht. Das haben wir gerade gemerkt.
Jede einzelne Fraktion, die hier zustimmt, tut das in
dem Bewusstsein, dass das Ganze ein Kompromiss ist.
Keine einzige Fraktion in diesem Haus ist wirklich hundertprozentig zufrieden mit dem, was wir haben. Es ist typischer Kompromiss. Alle stimmen zu und alle meckern
rum; das ist ganz normal.
({0})
Ich erinnere mich, dass wir in öffentlicher Debatte und
nicht nur heimlich beim Bier unter Kollegen gesagt haben: Dieses Verfahren - Hinterzimmergespräche - ist für
uns alle eine Beleidigung oder eine Bedrückung. Wir arbeiten im Ausschuss gründlich und vertiefend und dann
wird das Problem doch im Hinterzimmer geklärt, wenn
die Ministerpräsidenten mit dem Finanzminister zusammensitzen.
({1})
Das ist für die Mitglieder des Ausschusses, die gearbeitet
haben, insgesamt keine angenehme Situation. Das haben
alle zugegeben und das wissen wir alle. Das zeigt allerdings auch, wie in den letzten Jahrzehnten der Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland gewachsen ist
und welche Machtstellung die Ministerpräsidenten haben.
Drehen wir die Sache einmal um! Positiv ist zum Beispiel, dass es gelungen ist, einen Ministerpräsidenten zu
stoppen, und zwar Herrn Stoiber, der permanent versucht
hat, aus dem Aufbau Ost auszusteigen.
({2})
Die Kompromisslage ist klar. Wir haben ein paar Sachen „reingestimmt“ bekommen, die den Ministerpräsidenten wichtig waren. Wir haben selber ein paar Sachen
„reingestimmt“, die uns wichtig waren und den Ministerpräsidenten, zumindest Herrn Stoiber, nicht so sehr. Das
ist ein ganz normaler Kompromiss.
Ich glaube, die Selbstbindung der Länder und Kommunen an das Stabilitätsziel, das in der EU greifen soll,
ist eine der wichtigsten Errungenschaften, auch wenn das
hier nach gar nichts klingt. Das bedeutet nämlich, dass
auch die Länder - ob Süd, ob Nord, ob Ost, ob West - und
die Kommunen angehalten sind, dazu beizutragen, dass
alle öffentlichen Ebenen es schaffen, dass die Bundesrepublik Deutschland das Stabilitätsziel in Europa erreicht.
({3})
Denken Sie nicht, dass wir jetzt schon mit aller Arbeit
fertig sind, nur weil wir dieses Gesetz abschließen können! In der nächsten Legislaturperiode wird die Kommunalfinanzverfassung auf der Tagesordnung stehen. Es
wird eine schwierige Debatte über die Gemeindefinanzreform geben. Ich weiß, der Kollege Rössel macht sich
schon bereit. Wir werden also heftigst streiten. Warum ist
das so wichtig? - Weil der größte Teil der Politik, die die
Menschen erleben und anfassen können, bei ihnen zu
Hause stattfindet, nämlich in den Kommunen. Deswegen
wird es in diesem Parlament eine erbitterte Schlacht über
die Gemeindefinanzreform geben. Das ist auch richtig so;
denn das ist gelebte Politik.
({4})
Bei aller Herummeckerei: Gelungen ist zum Beispiel,
dass der Länderfinanzausgleich endlich ein bisschen entschlackt worden ist.
({5})
Es sind ein paar Sachen herausgeflogen oder gemindert
worden.
({6})
- Na, na! Man kann es konkret machen - das ist kein Problem -: Entschlackt wurde zum Beispiel bei den Hafenlasten, zum Beispiel bei den Belastungen aus der politischen Führung.
({7})
- Aus dem FAG ist das aber raus; das wissen Sie.
Diese Sachen sind geschafft worden. Das halte ich für
einen wichtigen Beitrag.
Eines ist natürlich auffällig: In der dritten Lesung beraten nur noch ein paar Fachpolitiker darüber. Ich weiß
noch, wie die Ministerpräsidenten wie die Döckchen artig
auf der Bundesratsbank saßen, als es darum ging, was dieser Bundestag beim Länderfinanzausgleich und beim
Maßstäbegesetz will. Denen ging die Muffe. Die hatten
Angst, wir könnten vielleicht wirklich etwas Gerechtes
erreichen.
({8})
Die hatten richtig Angst vor uns. Wenigstens das sei uns
als Befriedigung gegönnt.
Jetzt, wo alles beschlossen ist, ist natürlich kein einziger von den Ministerpräsidenten mehr da.
({9})
Wir reden über zukünftige Aufgaben, zum Beispiel über
die Gemeindefinanzreform, und wer glänzt durch Abwesenheit? - Der Schwamm der mittleren Ebene. Typisch,
aber auch damit müssen wir leben.
({10})
Ich halte es für eine besondere Errungenschaft des
Diskussionsprozesses, dass es gelungen ist, die Anrechnung der kommunalen Finanzkraft auf 64 Prozent anzuheben. Das ist bei weitem nicht genug. Wir haben das
deutlich und lautstark kritisiert. Die Kommunen hatten
eben nicht das Glück, im Hinterzimmer mit den entsprechenden Entscheidenden zu sitzen, wie die Ministerpräsidenten es taten. Das merkt man diesem Gesetz an. Aber
immerhin wurde die Anrechnung angehoben. Das war ein
Schritt in die richtige Richtung.
Es ist geschafft worden - das hat Herr Dautzenberg von
der CDU sogar gerade zugegeben -, gewisse Anreize zu
verankern. Auch das halte ich für richtig. Wer sich bei der
Steuereintreibung mehr bemüht, soll gefälligst ein bisschen mehr für sich selbst behalten können. Das halte ich
für eine vernünftige Vorgehensweise. Wir haben nämlich
sehr oft das Problem, dass die Länder gar nicht so sehr daran interessiert sind, ein paar Steuermark mehr mit viel
Mühe einzusammeln, weil sie glauben, sie bekämen genug Bundesmittel und dann müssten sie sich nicht kümmern. Aber die Länder und Kommunen müssen sich genauso um die Steuereintreibung kümmern wie alle
anderen auch.
({11})
Wenn man das mit Anreizen schaffen kann, soll mir das
recht sein.
Noch einmal zum Aufbau Ost. In der Finanzdebatte
heute früh zum Haushalt 2002 ist unheimlich gestritten
worden. Man hat uns dauernd vorgeworfen, wir hätten unsere Investitionsquote dramatisch gesenkt. Aber jetzt
schauen wir uns doch einmal diesen Gesetzentwurf an:
Die Investitionen, die der Bund früher im Rahmen des Investitionsförderungsgesetzes vorgenommen hat, dürfen
die fünf neuen Bundesländer jetzt selber vornehmen. Die
Investitionen finden in gleicher Höhe statt; das ist überhaupt nicht das Problem. Sie gehen optisch nur nicht mehr
zulasten des Bundes. Aber uns deswegen herunterzumachen und zu sagen, wir hätten keine vernünftige Investitionsquote, ist albern. Es handelt sich dabei um eine optische Verlagerung auf die Länderebene. Investitionen
finden statt, und zwar in gewohnter Höhe. Das ist ein
wichtiger Punkt.
({12})
Ich gehöre zu denen, die manchmal etwas kess und
selbstbewusst sagen: Warum sollen wir fünf neuen Länder eigentlich ständig darum betteln, solidarisch behandelt zu werden? Aber auf der anderen Seite muss ich
demutsvoll anerkennen: Wir sind in diesem Solidarpaktfortführungsgesetz solidarisch bedacht worden. Das ist
korrekt und richtig.
({13})
- Das ist völlig richtig. Natürlich muss einer etwas geben,
damit der andere etwas bekommt. Das ist ganz normal.
({14})
Ich glaube, dass es uns damit gelungen ist, einen wirklichen Beitrag dazu zu leisten, den Aufbau Ost oder, besser gesagt, die Verwirklichung der nationalen Einheit, die,
wie ich glaube, im letzten Jahrzehnt von fast allen Beteiligten ein bisschen unterschätzt worden ist - wir alle lernen hinzu -, auf solide Füße zu stellen. Innerhalb von
zwei Jahren ist sicherlich kein Feuerwerk zu erwarten; das
haben inzwischen alle gelernt. Deswegen gibt es eine
Vereinbarung für 20 Jahre - das ist eindeutig - mit klaren
Zielvorgaben. In der Vereinbarung sind Jahr für Jahr Senkungen vorgesehen; es wird immer weniger Geld geben.
Aber man klotzt am Anfang noch einmal richtig ran. Ich
halte das für das richtige Verfahren; das kann man nur so
machen.
Damit stellen wir den Aufbau Ost auf eine solide Basis, wenn sie auch nicht sehr erotisch und sexy erscheint.
Im Wahlkampf wird es natürlich nicht toll klingen, sagen
zu müssen: Der Solidarpakt existiert noch 20 Jahre. - Ich
weiß das. Die Erotik dieses Sachverhaltes ist gering. Das
wissen alle, die im Wahlkampf damit umgehen müssen.
Aber die Basis für den Aufbau Ost ist damit solide, belastbar und verlässlich. Das ist das Entscheidende.
Danke schön.
({15})
Für die FDP-Fraktion
spricht jetzt die Kollegin Professor Gisela Frick.
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Frau Kaspereit, Sie haben zu Beginn Ihrer
Rede gesagt, das Solidarpaktfortführungsgesetz sei ein
weiteres Projekt in der Agenda der großen Reformen der
rot-grünen Bundesregierung.
({0})
Entschuldigen Sie bitte, dass ich das nicht mittragen kann.
({1})
Das ist kein großes Projekt. Es ist auch nicht, wie im Ausschuss immer wieder betont worden ist, die Erfüllung der
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Es ist sehr viel
weniger. Wir als FDP haben uns auch nicht verweigert.
Wir waren zur konstruktiven Mitarbeit bereit, aber natürlich nur auf der Basis dessen, was das Bundesverfassungsgericht uns als Richtschnur vorgegeben hat.
({2})
Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Im Maßstäbegesetz besteht natürlich ein Grundfehler; da gebe
ich Ihnen Recht. Das ist aber schon verabschiedet worden.
Insofern könnte ich viele der Argumente wiederholen, die
ich damals in der Lesung des Maßstäbegesetzes genannt
habe. Dieses Maßstäbegesetz ist die Grundlage für das Finanzausgleichsgesetz, das Sie jetzt novellieren möchten.
In einem Punkt würde ich Ihnen zustimmen: Es steht in
einer Reihe von großen Gesetzen Ihrer Bundesregierung,
nämlich in der Reihe euphemistischer Benennungen von
Gesetzen. Jetzt ist es das Solidarpaktfortführungsgesetz.
Die meisten stolpern über den Namen. Es handelt sich dabei natürlich um den neuen Finanzausgleich, in dem auch
der Solidarpakt enthalten ist. Insofern ist ganz klar, dass
wir diesen Gesetzentwurf, mit dem auf der Basis des
Maßstäbegesetzes die detaillierten Verteilungs- und Ausführungsfolgen geregelt werden sollen, auch nicht mittragen können. Das ist ja ganz selbstverständlich.
({3})
- Aus unserer Sicht ist es selbstverständlich.
Wenn Sie gestern den Artikel von Paul Kirchhof in der
„FAZ“ gelesen hätten, wüssten Sie - darauf wurde ganz
deutlich hingewiesen -, dass er mit diesen Regelungen
nicht einverstanden ist. Sie haben da ein kleines bisschen
arrogant gesagt - Frau Kaspereit, jedenfalls in meinen
Ohren klang das so -, Sie würden keine Regelungen vom
Lehrstuhl eines Universitätsprofessors oder vom Sessel
eines Bundesverfassungsrichters aus treffen. Das ist ja
schön und gut. Aber das Bundesverfassungsgericht ist
der Hüter unserer Verfassung; das möchte ich Ihnen sehr
deutlich sagen.
({4})
Es handelt sich nicht um eine abgehobene Rechtsprechung aus der theoretisch-abstrakten Sicht eines Bundesverfassungsrichters von einem komfortablen - auch das
klingt immer mit - Sessel. Es ist vielmehr die authentische Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, unsere
Verfassung für alle Staatsorgane und natürlich für alle
Staatsbürger verbindlich auszulegen. Ich halte es also
nicht für richtig, wenn wir uns darüber erheben und so tun,
als würde es sich bei den Entscheidungen um Elfenbeinturmspielereien handeln, an die wir uns nicht weiter halten müssten.
({5})
Frau Hermenau, ich gebe ihnen vollkommen Recht,
wenn Sie sagen, dass wir durch das Verfahren als Parlamentarier beleidigt wurden. Das Verfahren - das habe ich
damals bei der Lesung zum Maßstäbegesetz auch schon
ausgeführt - war natürlich ein Schlag ins Gesicht des Parlamentarismus.
({6})
Ich habe es damals so ausgedrückt: Wenn das als Sternstunde des Föderalismus gefeiert wird, dann muss ich sagen, dass es eine rabenschwarze Stunde für den Parlamentarismus ist.
({7})
Ich bleibe bei meinem Standpunkt.
Die Angelegenheit wäre nicht so schlimm, wenn es nur
um das Verfahren ginge. Aber auch der Inhalt ist in meinen Augen rabenschwarz. Wir haben das heute Morgen
schon mehrfach gehört; ich kann mir nicht verkneifen, das
ebenfalls auszusprechen.
Sehr viel ist auf dem Rücken der Steuerzahler und insbesondere der künftigen Generationen geschehen.
({8})
Es war daher relativ leicht, eine 16:0-Lösung zu erreichen, mit der man sich brüsten kann und von der man sagen kann: Es gibt nur Gewinner und keine Verlierer. Diese
Rechnung kann aber nicht aufgehen; denn das wäre die
Quadratur des Kreises. Die Verlierer haben wir eindeutig
da, wo es ganz besonders wehtut, nämlich bei der künftigen Generation. Das ist also überhaupt keine Sternstunde
des Föderalismus - ganz im Gegenteil. Ich muss sagen,
dass es so wie immer gelaufen ist und dass es genau so gelaufen ist, wie es das Bundesverfassungsgericht durch
seine Rechtsprechung für die Zukunft verhindern wollte.
Über das Verfahren müssen wir uns in den Folgejahren
nicht mehr im Einzelnen verständigen; denn es ist Bestandteil des Maßstäbegesetzes und damit Grundlage aller
zukünftigen Finanzausgleichsüberlegungen. Nach meiner
Meinung ist das noch schlimmer als das, was wir alles
schon erlebt haben. Es ist also eine nochmalige Verschlechterung und keine Verbesserung. Wenn wir uns als
FDP der Zustimmung zu diesem Gesetz verweigern
- Gott sei Dank ernten wir Lob von der „FAZ“ und von
ähnlichen Organen, dass wir in diesem Punkt so konsequent sind -, dann ist das nicht auf bösen Willen
zurückzuführen, sondern auf ein anderes Verfassungsverständnis als das der Mehrheit im Hause.
({9})
- Frau Kaspereit, es ist gut, dass Sie diesen Zwischenruf
machen. Ich habe im Ausschuss darauf hingewiesen, dass
die Ablehnung des Verfahrens und zum Teil auch der Inhalte nicht bedeutet, dass ich die Regelungen im Einzelfall alle ablehne.
({10})
Ich habe schon damals bei der Lesung zum Maßstäbegesetz
gesagt, dass wir nicht die Solidarität mit den neuen Ländern
in irgendeiner Form aufkündigen wollen. Was aber schlecht
ist - das will ich hier wiederholen, weil Sie es als Positivum
angeführt haben -, ist das so genannte Verfallsdatum.
({11})
Solche Dinge kann man in einem Maßstäbegesetz, das objektive, grundlegende Kriterien enthalten sollte, nicht aufnehmen. Es sind keine Lebensmittel, kein Quark und kein
Jogurt, obwohl der Vergleich mit dem Quark manchmal
gar nicht so falsch ist.
Es sind so viele Fehler gemacht worden, dass wir insgesamt sagen müssen: so nicht! Wir bleiben bei dieser
Haltung. Sie werden verstehen, dass die FDP-Fraktion
dieses Solidarpaktfortführungsgesetz ablehnt. Weil die
Grundlagen schon nicht stimmen, können auch die nachfolgenden Regelungen nicht stimmen.
Ich habe gestern gehört, dass Chateaubriand einmal gesagt haben soll - offensichtlich hat er sich nicht nur um
die Gourmetküche, sondern auch um andere Fragen
gekümmert -, der Föderalismus sei die Staatsform für
Barbaren. Nun ist Chateaubriand als Franzose ein Vertreter des Zentralstaates und Aphorismen sind immer etwas
zugespitzt formuliert. Aber ich muss sagen, dass ich nach
diesem Verfahren in diesem Sonderausschuss dazu neige,
dieser Aussage - zumindest in Teilen - zuzustimmen.
Wenn man sieht, was es da für einen Kuhhandel gegeben
hat, muss man sagen, dass es wirklich traurig ist.
Auch ich möchte den Dank an alle Beteiligten aussprechen. Mein Dank geht besonders an das Sekretariat.
Ich kann das im Einzelnen nicht mehr ausführen, weil ich
nicht so viel Redezeit habe wie Sie, Frau Kaspereit. Die
Arbeit im Ausschuss war fair und ich danke deshalb allen
für die Zusammenarbeit, auch wenn wir als FDP vom Ergebnis alles andere als begeistert sind.
Danke schön.
({12})
Nun hat die Kollegin
Dr. Barbara Höll für die PDS-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach zweijähriger Debatte kommen wir heute zum Abschluss. Ich schließe mich der Meinung an, dass wir im Ausschuss sehr wohl ernsthaft und
intensiv diskutiert haben. Auch ich bin enttäuscht, dass
sich die Bundesratsmitglieder heute durch ihre völlige
Abwesenheit auszeichnen.
({0})
Wir haben uns intensiv in diesen Prozess eingebracht.
Das vorliegende Ergebnis findet in vielen Punkten unsere
ausdrückliche Unterstützung, vor allem weil es gelungen
ist, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
11. November 1999 in dem entscheidenden Punkt umzusetzen: Wir bleiben bei dem Prinzip des solidarischen Finanzausgleichs und wir gehen nicht in Richtung - wie es
Herr Dautzenberg heute auch noch einmal gesagt hat - eines Wettbewerbsföderalismus. Dem wurde eine klare Abfuhr erteilt.
({1})
Für uns ist die Situation in den neuen Bundesländern
natürlich besonders wichtig. Wir freuen uns, dass es gelungen ist, Planungssicherheit herzustellen: Den neuen
Bundesländern und Berlin werden für einen langen Zeitraum - bis 2019 - insgesamt 206 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Wir meinen, dass das auch notwendig ist.
Frau Hermenau, manchmal sollte man sich als Person
nicht so wichtig nehmen. Es ist egal, ob Sie das hier forsch
fordern oder sich demutsvoll freuen.
({2})
Es gibt ein Grundgesetz. In diesem Grundgesetz steht
immer noch, dass wir annähernd gleiche Lebensverhältnisse innerhalb des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland erreichen müssen. Genau das versuchen
wir sowohl mit dem Maßstäbegesetz als auch mit dem Solidarpaktfortführungsgesetz.
({3})
Frau Kaspereit, Sie werfen uns Populismus vor. Ich
meine, wir als PDS haben uns ganz bewusst in die Diskussion eingebracht. Dass es gelungen ist, den Flächenfaktor tatsächlich zu verankern - dies ist wichtig für
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg -, ist auch
unserem Engagement im Ausschuss zu verdanken gewesen. Das möchte ich uns zugute halten.
({4})
- Ich habe richtig zugehört. - Es geht doch einfach darum,
dass die Realitäten zur Kenntnis genommen werden müssen.
Wir freuen uns, dass über das Verankerte hinaus auch
- wir denken es zumindest - die Vereinbarung der Ministerpräsidenten vom Juni dieses Jahres eingelöst wird,
nach der für überproportionale Leistungen zusätzlich
100 Milliarden DM zur Verfügung gestellt werden sollen,
die die neuen Bundesländer einsetzen können.
Allerdings muss man sehen, dass wir natürlich trotzdem ein wirtschaftliches Problem haben: Wir müssen
feststellen, dass die Schere zwischen den neuen und den
alten Bundesländern wieder weiter auseinander geht.
Nicht nur die PDS, sondern auch die Ministerpräsidenten
der neuen Bundesländer - egal ob der SPD oder der CDU;
jeglicher Couleur also - fordern, dass wir ab dem nächsten Jahr auf alle Fälle etwas tun müssen.
({5})
Das ist auch einer der Gründe, warum wir dem Haushalt
für das nächste Jahr heute nicht zustimmen konnten.
In dieser Richtung muss auf alle Fälle etwas getan
werden.
Das DIW hat in der Diskussion auch schon darauf hingewiesen, dass das Abschmelzen des Mittelflusses - also
die degressive Ausgestaltung - ab 2008 eine Gefahr für
den Aufholprozess der neuen Bundesländer darstellt. Wir
als PDS werden weiterhin konsequent darauf achten, wie
sich die Prozesse entwickeln. Wir werden die nötigen Forderungen erheben, damit sie erfüllt werden. Wir erheben
sie nicht aus Populismus, sondern weil es uns darum geht,
die Vereinigung tatsächlich voranzutreiben.
({6})
Ein wesentlicher Kritikpunkt, der auch dazu führt, dass
wir bezüglich des vorliegenden Gesetzentwurfs nicht in
Jubel ausbrechen können, ist die unzureichende Beachtung der kommunalen Belange im Gesetzentwurf. Wir
haben einen Änderungsantrag eingebracht. In dem Änderungsantrag fordern wir, dass die einfache Übertragung
EU-rechtlicher Vorgaben zur Haushaltsdisziplin vom
Bund und von den Ländern auf die Kommunen aus dem
Gesetz herausgenommen wird. Wir meinen, dass die
kommunalen Spitzenverbände mit ihrer diesbezüglichen
Forderung Recht haben, da die Regelung im Gesetzentwurf den Besonderheiten des kommunalen Haushaltsrechts sowie der spezifischen Struktur der kommunalen
Ausgaben nicht gerecht wird.
Der so genannte Finanzierungssaldo, der auf der Ebene
des Bundes und der Länder aussagekräftig ist, hat auf
kommunaler Ebene nicht die gleiche Aussagekraft zur
Beurteilung der Haushaltssituation. Deshalb sind wir
dafür, diesen wieder zu streichen. In diesem Sinne werben
wir für Unterstützung.
({7})
Wir möchten noch positiv anmerken, dass die Kritik
der kommunalen Spitzenverbände an anderer Stelle aufgegriffen wurde. Auch wir als Fraktion sind für die Annahme des Entschließungsantrags, der im Ausschuss fast
einvernehmlich beschlossen worden ist, dass im Jahre
2010 eine grundsätzliche Überprüfung der Finanzbeteiligung der westdeutschen Kommunen an den Solidarpaktlasten erfolgen soll. Als Ergebnis dieser Überprüfung
muss dann eine entsprechende Reaktion, also eine gegebenenfalls erforderliche Anpassung des Landesvervielfältigers bei der Gewerbesteuerumlage, erfolgen. - Ich halte
es nicht für sinnvoll, wenn Sie, Herr Dautzenberg, sagen:
Hierüber herrschte im Ausschuss Einigkeit. - Dies ist
wichtig, da sich inzwischen die Situation einiger westdeutschen Kommunen nicht mehr sehr von der schlechten
Situation vieler ostdeutschen Kommunen unterscheidet.
Hier muss etwas getan werden.
({8})
Insgesamt unterstützen wir das vorliegende Gesetz,
vor allem weil es gelungen ist, das Solidarprinzip
aufrechtzuerhalten. Nicht gelungen ist leider die Verstärkung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der
Finanzbeziehungen auch für die Bürgerinnen und Bürger.
Vielleicht gelingt dies dann in den weiteren Diskussionen.
Ich danke Ihnen.
({9})
Ich erteile dem Bundesfinanzminister Hans Eichel das Wort.
Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen ({0}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Zum Ende dieser Debatte will ich nur noch
wenige Bemerkungen zu diesem Thema machen. Ich
möchte mich zunächst ausdrücklich für die intensiven Beratungen bedanken. Für den Deutschen Bundestag und
auch für den Sonderausschuss war dies kein einfaches
Verfahren.
({1})
Das ist nicht zu bestreiten.
Die Frage war nur - insofern ist das Ganze am Schluss
dann doch nicht kritikwürdig -, welches Ergebnis am
Schluss der Veranstaltung herauskommen soll. Wollen
wir Mehrheitsentscheidungen, und zwar nicht nur im
Deutschen Bundestag - das werden wir haben -, sondern
auch im Bundesrat? Oder wollen wir eine Situation schaffen, in der alle 16 Länder sagen können: „Jawohl, mit diesem Ergebnis sind wir einverstanden“?
({2})
Wer das anpeilt, kommt - das haben wir gemeinsam
besprochen - in der Tat zu einem anderen Verfahren.
Das ist unvermeidlich. Das ist dann nicht das übliche Gesetzgebungsverfahren: Mehrheitsentscheidung, Vermittlungsausschuss und dann möglicherweise wieder Mehrheitsentscheidung. Dann muss man sich erstens um die
Übereinstimmung aller 16 Länder und zweitens um die
Übereinstimmung zwischen der Gesamtheit der Länder
und dem Bund bemühen. Das war das Problem.
({3})
Das ist das Hauptproblem dieses Gesetzes; sowohl
dem Verfahren als auch dem Inhalt nach. Ich habe Zweifel - mehr will ich dazu gar nicht sagen -, ob sich das
Bundesverfassungsgericht - das ich gut verstehen
kann - bei seiner Rechtsprechung über die Zweistufigkeit
diesem Sachverhalt gestellt hat.
Diesem Verfahren geht eine Einigung unter den Ländern darüber voraus, dass die Länderneugliederung in
diesem Zusammenhang kein Gegenstand der Beratung
sein soll. Wir wissen alle, dass über Länderneugliederungen am Schluss nur die Bevölkerung des jeweiligen Landes entscheiden kann. Wir haben das schmerzhaft - auch
ich war für den Zusammenschluss von Berlin und Brandenburg - im Falle Berlin und Brandenburg erlebt. Wenn
man dies aber als Grundlage des Föderalismus ansieht
- ich tue das und auch unsere Verfassung tut das -, dann
muss ein Finanzausgleich geschaffen werden, der allen
16 Ländern Lebensmöglichkeiten gibt. Es macht dann
keinen Sinn, einen Finanzausgleich - auch nicht mit
Mehrheit - zu beschließen, durch den am Ende einzelne
Länder zu Haushaltsnotlageländern werden. Dann muss
man darauf achten, dass alle die Chance haben, nicht in
diese Situation hineinzugeraten, sondern - natürlich auch
aufgrund eigener Anstrengungen - auf der Grundlage des
Finanzausgleichs ihre Aufgaben zu erfüllen.
So gesehen glaube ich, dass weder das Verfahren, das
wirklich schwierig war, noch das Ergebnis kritikwürdig
sind. Man kann natürlich über einzelne Fragen streiten,
aber man muss die Grundannahme akzeptieren oder ablehnen.
Deswegen sage ich Ihnen, Frau Professor Frick: Es gibt
ein Problem.
({4})
Auf der Ebene der Länder haben sich alle Parteien, so sie
mitregieren, zu diesem Verfahren bekannt. Das gilt auch
für die FDP in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz.
({5})
Dieses Problem müssen Sie nicht anderen zuschieben,
sondern zuallererst in Ihrer eigenen Partei lösen. Zwischen den Bundes- und Landespolitikern gibt es in diesem
Punkt Differenzen. Das ist nicht das Problem dieses Hauses.
Dies vorausgeschickt sage ich: Der Föderalismus hat
sich als einigungsfähig und - das möchte ich noch ausführen - auch als reformfähig erwiesen. Dies setzt aber
immer die Grundannahme voraus. Ich habe über diesen
Punkt lange nachgedacht. Ich gebe Ihnen zu: Am Anfang
war ich nicht unbedingt dafür. Aber das, was Sie, Frau
Professor Frick, als Verfallsdatum genannt haben, kann
man auch ganz anders interpretieren. Ich weiß, dass dies
Herrn Kröning große Sorgen gemacht hat.
Man kann es so interpretieren - ich rate dazu, sich darüber im Klaren zu sein -: Wir brauchen für die Herstellung der inneren Einheit Deutschlands eine Generation. Mit dem Solidarpakt I und II beschreiben wir genau
diesen Zeitraum von 30 Jahren einer Generation.
({6})
Dann erst werden wir die innere Einheit Deutschlands
- das ist die Aufgabenstellung des Solidarpakts II - hergestellt haben. Dann haben wir gemeinsam - von uns wird
wohl 2017/2018 kaum noch jemand dabei sein, wenn man
über die Folgeregelung nach 2019 nachdenkt - die
Chance, nach Herstellung der deutschen Einheit über alle
Grundsätze des Föderalismus neu zu diskutieren und
diese gegebenenfalls zu ändern, nicht nur die konkreten
Einzelregelungen, sondern auch die Prinzipien.
Vorausgesetzt, wir sind mit der Grundannahme der
Herstellung der inneren Einheit Deutschlands erfolgreich,
könnte dies dazu führen, dass die großen Differenzen zwischen den Ländern geringer werden und man unter der
Voraussetzung zu neuen Regelungen für den Föderalismus kommt, was ich hoffe. Ich glaube unverändert: Wir
sollten insgesamt mehr zu einer Gemeinschaft der starken
Länder werden, die ihrerseits mehr Rechte im Föderalismus ausüben. Darauf sollten wir zurückkommen.
Wir werden in der nächsten Wahlperiode, auch auf
Wunsch der Länder, bei der Entflechtung von Mischfinanzierungstatbeständen einen ersten Versuch machen.
Wir sollten zu einer Regelung kommen, in der die Länder
und der Bund jeweils selber mehr eigenverantwortlich
entscheiden können. Das ist die bessere Lösung.
Damit komme ich auf die vorhin geäußerte Kritik am
Verfahren zurück, die in extremer Weise zeigt - jedenfalls
an diesem Fall, bei dem es unvermeidlich ist -, wie eng
der Willensbildungsprozess zwischen Bund und Ländern
verknotet ist. Das muss so sein. Aber ich wünsche mir eine
Vielzahl von Fällen, in denen das nicht so ist, in denen der
Deutsche Bundestag und die Länderparlamente alleine
entscheiden können.
({7})
Das ist eine befriedigendere Situation. Es wird in einer Situation, in der hoffentlich die Differenzen zwischen den
Ländern in ihrer Leistungsfähigkeit nicht mehr so groß
sind wie heute, möglicherweise leichter sein, zu diesen
Prinzipien zu finden, als man das in der gegenwärtigen Situation kann.
({8})
Dies ist eine Politik der Nachhaltigkeit, also eine Politik, die eben nicht von der Hand in den Mund lebt. Diese
getroffenen Vereinbarungen müssen natürlich von allen,
auch den Ländern, eingehalten werden. Wir haben die
Verabredung: Bis 2019 gelten nicht nur der Solidarpakt II
und damit die Grundlagen für den Aufbau Ost, sondern es
gelten auch die Finanzbeziehungen zwischen den Ländern. Ich bin gespannt, ob diese Regelung wirklich alle
einhalten. Daran wird sich die Reife von Politiken erweisen.
Ich sage ausdrücklich: Als hessischer Ministerpräsident wollte ich nicht das Gericht in Karlsruhe anrufen,
aber nachdem sich Bayern und Baden-Württemberg zu
diesem Schritt entschlossen hatten, konnte sich das
Hauptzahlerland Hessen nicht vom Votum anderer Zahlerländer abhängig machen, sondern musste seine eigene
Position vertreten.
Der Solidarpakt II war kaum in Kraft getreten, da hat
Bayern, das vom Nehmerland zum Geberland geworden
war, erklärt, dass ihm die finanziellen Belastungen, die
ihm im Rahmen des Finanzausgleichs aufgebürdet würden, zu hoch seien. Ich hoffe, dass diesmal der Gedanke
der Solidarität nachhaltiger sein wird, als es beim Solidarpakt I der Fall gewesen ist.
({9})
Der nächste Punkt betrifft die Nachhaltigkeit. Frau
Professor Frick, Ihre Behauptung, es sei ein rabenschwarzer Tag gewesen, weil es zulasten der Steuerzahler
und der zukünftigen Generationen gehe, ist falsch.
({10})
Sie hängen das immer wieder am Thema Fonds
„Deutsche Einheit“ auf. Das ist grundfalsch; denn bisher
hat in Wahrheit keine Tilgung stattgefunden. Von Tilgungen kann man doch nur dann sprechen, wenn sie aus ersparten Mitteln und nicht aus aufgenommenen Krediten
finanziert werden.
({11})
Jede Tilgung von Schulden aus dem Fonds „Deutsche
Einheit“ heute ist nichts anderes als eine teure Umbuchung; denn die Schulden im Fonds „Deutsche Einheit“
sind zurückgeführt worden, indem für deren Tilgung neue
Schulden in den Ländern und im Bund gemacht worden
sind. Wie kann man denn Schulden aus Krediten zurückzahlen? Deswegen haben Sie, Frau Professor Frick, fundamental Unrecht. Die Tilgung beginnt erst in dem Augenblick, in dem die Haushalte Überschüsse aufweisen.
Deswegen wird überhaupt nichts zulasten der künftigen
Generationen verschoben. Vielmehr haben wir mit der
bisherigen Praxis der Scheintilgung Schluss gemacht. Das
ist der ganze finanzpolitische Vorgang, mit dem wir es zu
tun haben.
({12})
Zu den Einzelregelungen ist ja schon vieles gesagt
worden. Das möchte ich nicht wiederholen. Ich möchte
nur noch etwas zum Thema Maastricht sagen. Das ist auch
ein sehr schwieriges Kapitel. Ich weiß, dass sich schon
mein Vorvorgänger im Amt, Herr Kollege Waigel, intensiv darum bemüht hat, die Bestimmungen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts in innerstaatliches Recht umzusetzen. Das ist auch erforderlich.
Insofern bin ich froh, dass wir wenigstens den Einstieg
geschafft haben.
({13})
Angesichts der angepeilten Regelung 16:0 plus 1 - man
darf nicht vergessen, dass die Situationen in den Haushalten der Länder sehr unterschiedlich sind; das macht es
außerordentlich schwierig - bin ich froh, dass sich alle zur
Politik der Reduzierung der Neuverschuldung mit dem
Ziel, ausgeglichene Haushalte zu erreichen, bekennen.
Ich hoffe, dass sich der Einstieg, den wir im Gesetz gefunden haben, in der Folge konkretisieren wird. Bisher
gab es hier keine Regelung.
Vor diesem Hintergrund brauchen wir, finde ich, die
abstrakte Debatte über die Frage „Was ist, wenn wir das
Ziel verfehlen; wer bezahlt dann?“ nicht weiterzuführen;
denn daran sind bislang alle Einigungsversuche gescheitert. Jeder ist jetzt für seinen Haushalt verantwortlich: wir
für den Bundeshaushalt und die Länder für ihre Haushalte. Es kann also - das möchte ich deutlich sagen - gar
nichts verschoben werden; denn alle finanzwirksamen
Gesetze können nie ohne die Zustimmung des Bundesrates verabschiedet werden. Das ist die beste Ausformung
des Konnexitätsprinzips, die man sich überhaupt vorstellen kann. Abstrakt ist vieles möglich. Die Zustimmung
der ebenfalls von den Gesetzen, die wir auf den Weg
bringen, Betroffenen ist die entscheidende Grundlage. Ich
bin froh, dass wir das erreicht haben.
Ich möchte auch noch eine Bemerkung zur PDS machen, die sich zu ihren kommunalen Finanzen geäußert
hat. Der Bund hat die Position vertreten, dass die kommunalen Finanzen zu 100 Prozent einzubeziehen sind.
({14})
Diese Position hätten auch Sie einnehmen sollen; denn
schließlich sollen auch die schwächeren Kommunen voll
einbezogen werden.
({15})
Sie wissen aber, dass dies aufgrund der Regelung 16:0
nicht durchgesetzt werden konnte. Deswegen mussten wir
inhaltliche Einschränkungen hinnehmen, die wir von uns
aus nicht gemacht hätten, obwohl wir weiterhin von der
Richtigkeit unserer Position überzeugt waren.
({16})
Einfach war es auch nicht beim Thema vertikale Umsatzsteuerverteilung. Ich habe mich über Ihre Bemerkung
zu diesem Thema, Herr Dautzenberg, gewundert; denn
bei aller Beachtung sämtlicher öffentlicher Haushalte ist
es doch unsere Aufgabe, den Bundeshaushalt davor zu beschützen, dass er in besonderem Maße belastet wird. Wahr
ist, dass der Bundeshaushalt der am höchsten belastete
Haushalt in Deutschland ist. Er ist strukturell sogar
schlechter als die Etats der Länder, die sich in einer Haushaltsnotlage befinden. Deswegen sage ich ausdrücklich,
dass wir - mir gefällt das nicht; aber das ist nun einmal
eine Folge des Prinzips 16:0 plus 1 - bei der vertikalen
Umsatzsteuerverteilung in Wahrheit nicht mehr erreicht
haben, als dass die wechselseitigen Rechtspositionen gewahrt sind. Einzelgesetzliche Regelungen wie die zur Erhöhung des Kindergeldes sind jeweils neu auszuhandeln.
Das ist das Ergebnis, das die Grundlage zukünftiger Verhandlungen ist.
Zum Schluss, meine Damen und Herren, bekräftige
ich, dass wir es, wenn man das alles zusammen nimmt und
die Ausgangsprämisse teilt, mit einem guten Ergebnis zu
tun haben. Deshalb bitte ich Sie auch herzlich um Zustimmung zu diesem Gesetz.
({17})
Das Wort hat nun der
Kollege Heinz Seiffert für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Nach 24 Sitzungen im Sonderausschuss und mindestens genau so vielen Sitzungen in den
Arbeitsgruppen können wir heute nach dem so genannten
Maßstäbegesetz die Neuordnung des bundesstaatlichen
Finanzausgleichs und die Fortführung des Solidarpakts
beschließen. Das Verfahren bei dieser Gesetzgebung ist
zuletzt von vielen Seiten völlig zu Recht kritisiert worden.
Das Parlament, also die Abgeordneten des Deutschen
Bundestages, waren quasi gezwungen, einem zwischen
den Ländern ausgehandelten Kompromiss, der dann auch
noch bei Nacht und Nebel im Bundeskanzleramt abgesegnet wurde, nach Punkt und Komma umzusetzen.
({0})
Das war keine Sternstunde des Parlamentarismus, das war
eine Zumutung für die Abgeordneten.
({1})
In diesem Zusammenhang sehe ich auch den Rücktritt des
früheren Ausschussvorsitzenden Kröning als logischen
und konsequenten Schritt an.
Es kommt ja nun nicht selten vor, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ihr im harten parlamentarischen Ringen beschlossenes Gesetz fast nicht mehr wiedererkennen, wenn es aus dem Vermittlungsausschuss
herauskommt. Ungewöhnlich - und hoffentlich einmalig - ist allerdings, dass wir bereits im Gesetzgebungsverfahren erfahren, was wir abzunicken haben.
Nach der Einigung der Ministerpräsidenten ist ziemlich euphorisch von einer Sternstunde des Föderalismus
gesprochen worden. Ich teile diese Beurteilung absolut
nicht. Das war kein Glanzlicht, sondern das ist ein hart errungener Kompromiss mit ganz erheblichen Schönheitsfehlern.
({2})
Wenn ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
richtig verstanden habe, könnte es sein, dass die Verfassungsrichter an dem, was wir heute beschließen und im
Maßstäbegesetz schon abgesegnet haben, nicht die reine
Freude haben werden. Aus heutiger Sicht braucht uns dies
zumindest für die kommenden 19 Jahre nicht besonders
zu beunruhigen. Bund und Länder waren sich ja einig. Wo
kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Spannend wird die
Sache erst dann wieder, wenn es sich im Laufe der Jahre
eines der Länder oder gar der Bund anders überlegt. Ich
bin einmal gespannt, ob 19 Jahre auch wirklich 19 Jahre
sind.
({3})
Ganz sicher hat das Bundesverfassungsgericht nicht
gewollt, dass man den komplizierten Finanzausgleich mit
all seinen Sonderregelungen fortschreibt, ohne deren Berechtigung sauber nachzuweisen. Der Finanzausgleich
wird durch dieses Gesetz nicht einfacher und transparenter, ganz im Gegenteil. Herr Minister Eichel, es ist keine
besondere Kunst, eine Reform zu machen, bei der alle Beteiligten nur profitieren, was hier der Fall ist. Dass dieser
Konsens nur durch die Einbeziehung des Fonds „Deutsche Einheit“ in den Finanzausgleich möglich wurde, ist
allerdings mehr als ein Schönheitsfehler. Diese scheinbar
elegante Lösung hat einen entscheidenden Nachteil: Die
Tilgungsstreckung - um nichts anderes dreht es sich hier geht voll zulasten der kommenden Generationen,
({4})
der künftigen Steuerzahler und auch zulasten späterer Regierungen.
({5})
Ihnen, Herr Minister Eichel, verschafft diese Tilgungsstreckung Liquidität im Wahljahr.
Gestern hat der Verfassungsrechtler Professor Kirchhof,
der an dem Urteil maßgeblich mitgewirkt hat, in der
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geschrieben, „dass
die Entschuldung der einigungsbedingten Sonderlasten
verlangsamt und damit noch mehr auf die zukünftige Generation verlagert worden ist.“ Entweder haben Sie oder
hat Professor Kirchhof es nicht richtig verstanden. Ich
sage Ihnen ganz offen: Ich glaube in diesem Fall Herrn
Professor Kirchhof mehr.
({6})
Wesentlich ehrenwerter - auch das sage ich ganz offen - wird diese Aktion auch nicht dadurch, dass alle Landesfinanzminister mitgemacht haben. Für sie habe ich im
Übrigen noch mehr Verständnis, weil auch die Länderhaushalte unter den wegbrechenden Steuereinnahmen
und der Wirtschaftsschwäche leiden, die in erster Linie
diese Bundesregierung verursacht und zu verantworten
hat.
Es war unserer Fraktion wichtig, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auch den kommunalen Spitzenverbänden in einer Anhörung Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Auch bei diesem Gespräch ist
deutlich geworden, dass die Regierung die Kommunen in
eine äußerst dramatische Finanzsituation gebracht hat.
({7})
Es wurde berichtet, dass das Präsidium des Deutschen
Städtetages „in seiner Verzweiflung“
({8})
einen Brief an den Herrn Bundestagspräsidenten
({9})
und an die Fraktionen geschrieben habe.
Auch wenn wir in diesem Ausschuss und in diesem Gesetzgebungsverfahren die Interessen der Kommunen
nicht wahrnehmen können - nach dem Grundgesetz sind
eben eindeutig die Länder zuständig -, so sollten wir wenigstens die Sorgen und Nöte der Kommunen ernst nehmen.
({10})
Wir haben getan, was wir in diesem Ausschuss gemeinsam tun konnten. Der Entschließungsantrag, wonach die
erhöhte Gewerbesteuerumlage bereits im Jahr 2010, also
fünf Jahre nach dem In-Kraft-Treten des neuen Finanzausgleichs,
({11})
hinsichtlich ihrer Angemessenheit überprüft werden soll,
ist mehr als berechtigt. Dem stimmen wir auch gemeinsam zu.
Ganz unabhängig hiervon sollte die Bundesregierung
als Sofortmaßnahme zugunsten der Kommunen die Gewerbesteuerumlage wieder absenken.
({12})
Sie muss sofort auf das Niveau gebracht werden, das sie
vor der Unternehmensteuerreform hatte: Die Annahme
- höhere Steuereinnahmen -, die der damaligen Erhöhung
zugrunde gelegt wurden, sind nicht eingetreten. Deshalb
muss dies umgehend zugunsten der Kommunen korrigiert
werden.
Meine Damen und Herren, wenn wir dem vorliegenden
Gesetz trotz dieser kritischen Bemerkungen zustimmen,
dann deshalb, weil sich die Länder auf eine Verbesserung
der Anreize im Finanzausgleich einigen konnten und weil
eine Regelung zur Fortführung des Solidarpaktes gefunden wurde. Gerade für die neuen Länder ist es wichtig,
dass sie langfristig Planungssicherheit und Gestaltungsmöglichkeiten haben. Dies ist eindeutig positiv zu werten.
Ich sehe darin auch ein Stück verwirklichter Solidarität
der Geberländer und auch des Bundes.
Eines will ich aber klar sagen: Was in der Öffentlichkeit als großer Sieg für die neuen Bundesländer verkauft
worden ist - es wurden Stimmen laut, sie bekämen jetzt
mehr, als sie gewollt hätten -, ist deutlich weniger als das,
was berechtigt war und auch durch Gutachten eindeutig
belegt worden ist.
({13})
Immerhin sollen die neuen Länder aber nun über dieses
Geld frei und ohne besondere Zweckbindung verfügen.
Das begrüßen wir ausdrücklich, weil es ein Stück mehr
Gestaltungsmöglichkeit und Autonomie für die Länder
schafft.
({14})
Allerdings übernehmen die Länder damit auch mehr Verantwortung. Sie werden sich im jährlichen Fortschrittsbericht bald an ihren Erfolgen messen lassen müssen. Ich
habe keinen Zweifel daran, dass gut regierte Länder diesen Vergleich nicht zu scheuen brauchen.
({15})
Ich sehe nur noch eine größere Aufgabe für den Sonderausschuss. Das ist die Beratung über ein Gesetz zur
Verteilung der Umsatzsteuer. Nicht nur im Entschließungsantrag vom 5. Juli 2001 wurde bekundet, dass
für die Anwendung des Deckungsquotenverfahrens ein
rechtssicheres Verfahren vereinbart werden soll. Auch in
dem bereits angesprochenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird zwingend eine gesetzliche Regelung
gefordert. Der Kuhhandel um die Umsatzsteuer, der bisher jedes Jahr aufs Neue zwischen Bund und Ländern veranstaltet wird, hat also rechtlich keinen Bestand und im
Übrigen auch keine Zukunft.
Herr Minister Eichel, wir erwarten also aus Ihrem
Hause alsbald einen fairen Vorschlag, der sowohl den Interessen des Bundes - das liegt uns natürlich auch am Herzen, wenn wir nächstes Jahr Ihr Haus wieder übertragen
bekommen ({16})
als auch den Interessen der Länder gerecht wird. Falls sich
jedoch abzeichnet, dass es nicht gelingen wird, diesen Gesetzentwurf noch im Frühjahr 2002 zu beraten und zu verabschieden, dann sollten wir die Arbeit dieses Sonderausschusses, der getan hat, was er konnte - das will ich hier
auch bestätigen -, beenden.
Wir erwarten, dass sofort und nicht erst am SanktNimmerleins-Tag eine Kommission zur Neuordnung und
Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung eingesetzt wird. Zu dieser Föderalismusreform gehört auch
eine umfassende Gemeindefinanzreform.
({17})
Der Bund sollte die Länder, die jetzt eine Entflechtung der
Gemeinschaftsaufgaben und der Mischfinanzierungen
angemahnt haben, beim Wort nehmen.
({18})
Es muss auch sichergestellt sein, dass das Geld, das den
Kommunen zum Wirtschaften und Überleben zusteht,
dann nicht auf anderen Ebenen hängen bleibt, sondern
wirklich durchgereicht wird.
({19})
Wichtig sind hierbei vor allem die eindeutige Zuordnung
von Verantwortlichkeiten sowie mehr Transparenz bei
den politischen Strukturen und Verfahren. Nur so wird der
- unter dem Strich - erfolgreiche Föderalismus in
Deutschland für die Zukunft gerüstet sein.
Dem so genannten Solidarpaktfortführungsgesetz
stimmen wir nach reiflicher Abwägung - bei Zurückstellung der beschriebenen Bedenken - zu.
Vielen Dank.
({20})
Ich schließe die Aussprache und kündige an, dass der Kollege Jochen-Konrad
Fromme nach den Abstimmungen eine Erklärung zur Abstimmung abgeben wird.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den von
den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Solidarpaktfortführungsgesetzes, Drucksache 14/7063. Der Sonderausschuss Maßstäbegesetz/Finanzausgleichsgesetz empfiehlt
unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/7646, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung
anzunehmen.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der PDS vor, über
den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 14/7648? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen
die Stimmen der PDS abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Kollege Fromme
und die FDP-Fraktion stimmen dagegen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit
angenommen. Ich gratuliere allen, die dazu beigetragen
haben.
({0})
Wir kommen nun zu dem von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurf eines Solidarpaktfortführungsgesetzes, Drucksache 14/7256. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/7646, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Ich überlege gerade, was eigentlich passierte, wenn wir
ihn nicht für erledigt erklärten. Aber das ist nicht meine
Aufgabe. - Wer stimmt für diesen Teil der Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Teil der
Beschlussempfehlung ist angenommen.
Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/7646 empfiehlt der Ausschuss die Annahme einer
Entschließung. Wer stimmt für diesen Teil der Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die
Stimmen der FDP ist dieser Teil der Beschlussempfehlung
angenommen.
Nun folgt die Erklärung des Kollegen Jochen-Konrad
Fromme nach § 31 der Geschäftsordnung. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich
kann dem Gesetz nicht zustimmen, weil es einen schweren Abwägungsmangel hat.
Es ist ein Bundesgesetz, das heißt, der Deutsche Bundestag muss zu diesem Gesetz und seinen Grundlagen
eine Abwägung vornehmen. Dazu müssen ihm die entsprechenden Fakten vorgelegt werden.
({0})
Das war in der Frage der Gewerbesteuerumlage nicht der
Fall. Wir haben die Bundesregierung rechtzeitig aufgefordert - da war sich der Ausschuss einig; schade, dass der
Kollege Metzger jetzt nicht hier ist -, uns die Entwicklung der Gewerbesteuer mit Zahlen und Fakten aufzuzeigen.
Die Festlegung beruht auf Prognosen. Von Zeit zu Zeit
muss man einmal nachschauen, ob diese Prognosen zutreffen. In diesem Fall ist äußerst umstritten, ob sie zuHeinz Seiffert
treffen. Ich erinnere an die Anhörung der kommunalen
Spitzenverbände.
Die Bundesregierung hat zunächst einmal verbal mit
Ausflüchten geantwortet. Sie hat dann zugesagt, die Zahlen und Fakten zu liefern.
({1})
Als das entscheidende Datum war, hat sie nur gesagt, die
Länder seien zuständig, sie wolle die Fakten nicht vorlegen.
({2})
Eine Abwägung, die sozusagen auf Nichtfakten beruht,
kann nicht in Ordnung sein.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder hat die Bundesregierung die Fakten nicht gekannt - dann war es fahrlässig, dem Bundestag ein Gesetz vorzulegen, weil absehbar war, dass die Abwägung nicht stattfinden kann oder sie hat die Fakten gekannt; dann hat sie etwas zu verbergen und hat sie deshalb nicht vorgelegt. Beides ist
gleich schlimm und das versieht dieses Gesetz mit einem
unheilbaren und unerträglichen Mangel.
Ich muss auch sagen, dass die Arbeit der Abgeordneten, insbesondere der Oppositionsabgeordneten, in einem
unerträglichen Maße erschwert worden ist, denn der Wissenschaftliche Dienst konnte nicht helfen, weil das
Bundesfinanzministerium auch hier die Zusammenarbeit
verweigert hat.
Einem Gesetz, das auf solche Art und Weise zustande
gekommen ist, kann ich nicht zustimmen.
Es gibt noch zwei weitere Punkte: Sie haben - daran
waren insbesondere die damaligen Ministerpräsidenten
Schröder, Eichel, Lafontaine. beteiligt - bei der Familienlastenausgleichsregelung 1996 festgelegt, in welchem
Verhältnis Bund und Länder belastet werden sollen.
Diese Festlegung haben Sie hier nicht eingehalten. Sie ist
eingefordert worden und wird leider nicht fortgeschrieben. Das ist für mich der zweite Grund.
Der dritte Grund ist, dass der wesentliche Punkt, die
Umsatzsteuerverteilung durch Deckungsquotenberechnung, die zu den Grundfragen des Finanzausgleichs
gehört, nicht berücksichtigt wird. Herr Minister Eichel,
wenn das nun die große Reform ist, darf man eine solche
wichtige Grundfrage nicht offen lassen.
Das sind die drei Gründe dafür, dass ich nicht zustimmen konnte.
({3})
Nun rufe ich Zusatzpunkt 3 auf:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Versorgungsänderungsgesetzes 2001
- Drucksachen 14/7223, 14/7257 ({0})
- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Versorgungsänderungsgesetzes 2001
- Drucksache 14/7064 ({1})
- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes
({2})
- Drucksache 14/6717 ({3})
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({4})
- Drucksache 14/7681 Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Peter Kemper
Helmut Wilhelm ({5})
Petra Pau
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({6})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 14/7693 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Werner Hoyer
Gunter Weißgerber
Carl-Detlev von Hammerstein
Oswald Metzger
Dr. Christa Luft
Der Innenausschuss hat in seine Beschlussempfehlung
den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes einbezogen,
über den wir jetzt ebenfalls abschließend beraten werden. Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen.
Zum Entwurf des Versorgungsänderungsgesetzes liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU sowie ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag
der Fraktion der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Auch damit
sind Sie einverstanden. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Hans-Peter Kemper, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Heute verabschieden wir das
Versorgungsänderungsgesetz 2001 und damit die wirkungsgleiche Übertragung der Rentenreform auf die
Beamtenversorgung. Außerdem beschließen wir die Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes.
Bevor ich aber zu den Einzelheiten komme, will ich die
Gelegenheit nutzen und mich ganz herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Innenausschuss, insbesondere bei den Berichterstattern, bedanken. Es war nicht
immer ganz einfach. Es hat Irritationen, Zeitdruck und
Ärger gegeben; dennoch haben wir gut zusammengearbeitet und waren in vielen Punkten einer Meinung, auch
wenn Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, heute in der Schlussabstimmung zu einem
falschen Ergebnis kommen.
({0})
Aber so ist das halt in der Politik zwischen Opposition und
Regierung.
Ich möchte auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums danken, die sich in der letzten
Zeit über Arbeitsmangel wirklich nicht zu beklagen hatten. Ich weiß, dass sie die eine oder andere Nachtschicht
eingelegt haben, um dieses Gesetz über die Bühne zu
bringen.
Zur Sache: Mit diesem Gesetz werden die Inhalte der
Rentenreform weitgehend wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung übertragen. Der Anstieg der Beamtenversorgung wird in acht Jahresschritten bis 2010 abgeflacht. Die noch von der Vorgängerregierung installierte
Versorgungsrücklage von jährlich 0,2 Prozent wird bis
zum Jahre 2010 ausgesetzt und dann bis zum Jahre 2017
weitergeführt.
Ziel dieser Maßnahme ist es, wie bei der Rentenreform
die immensen Kosten der Alterssicherung abzumildern.
Die Kosten für die Versorgung werden sich in den nächsten Jahren nahezu vervierfachen. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen älter werden; das ist die demographische Entwicklung. Zum anderen liegt es aber auch
daran, dass in den 60er- und 70er-Jahren ungleich mehr
Beamte eingestellt worden sind, die jetzt nach und nach in
den Ruhestand treten und damit zu Versorgungsempfängern werden. Das trifft nicht in erster Linie die Bundeshaushalte, sondern die Länderhaushalte.
Den Beamten wird künftig die Möglichkeit einer kapitalgedeckten, staatlich geförderten Alterssicherung eingeräumt.
Ich will nur auf einige Punkte eingehen, die wir nebenher noch beschlossen haben. Stichwort: Qualifizierter Dienstunfall. Wir haben die Anforderungen für den
qualifizierten Dienstunfall neu formuliert und zugespitzt.
Damit tragen wir einem alten Anliegen der Gewerkschaften und der Verbände Rechnung; denn es ist nicht einzusehen, dass die Vollzugsbeamten im öffentlichen Dienst,
die in ihrem Dienst einer besonderen Gefährdung ausgesetzt werden und durch ihren Einsatz für die innere Sicherheit, für die Sicherheit der Menschen gelegentlich
auch ihr Leben riskieren, im Anschluss an solch einen Unfall auch noch um die Anerkennung als qualifizierten
Dienstunfall kämpfen müssen, nämlich um 80 Prozent aus
der übernächst höheren Besoldungsgruppe. Das haben
wir umformuliert; das ist besser geworden.
({1})
Wir haben gemeinsam mit der CDU/CSU einen Vorschlag des Bundesrates aufgegriffen. Es geht um die so
genannten Bürgermeister der ersten Stunde. Wir haben für
die kommunalen Wahlbeamten im Beitrittsgebiet, die
eine Amtszeit von acht Jahren erreicht oder überschritten
hatten und vor dem 3. Oktober 2000 in den Ruhestand getreten sind, erhebliche Verbesserungen herbeigeführt.
({2})
Das waren die Männer und Frauen der ersten Stunde, die
damals nicht lange gefragt haben, ob sie das können, ob
sie die richtige Ausbildung haben, ob es Vorbilder gibt für
das, was sie leisten sollten. Nein, sie haben angepackt und
ihre Sache gut gemacht.
({3})
Ich will unserem Kollegen Ernst Bahr, der diese Problematik hier aufgegriffen hat und das Ganze intensiv begleitet hat, noch einmal ganz ausdrücklich danken. Er hat
uns für diese Probleme sensibilisiert.
In Bezug auf die Bundeswehr haben wir deutlich gemacht, dass wir die Verantwortung für unsere Soldaten
ernst nehmen. Es ist klar, dass die Soldaten, die aufgrund
besonderer Altersgrenzen früher in den Ruhestand gehen,
Gehaltseinbußen zu verzeichnen haben. Wir haben dem
Rechnung getragen. Unter der Voraussetzung, dass die
vorzeitig in den Ruhestand gehenden Beamten nicht sofort wieder in einen gut dotierten Job eintreten, bekommen sie - zusätzlich zu einer einmaligen Abfindung - für
jedes Jahr, das sie vor dem 60. Lebensjahr in den Ruhestand gehen, 1 000 DM.
Das ist nur wenige Tage nach den wesentlichen Strukturverbesserungen festgelegt worden, die vor kurzem
beschlossen worden sind, nämlich der Wegfall der Besoldungsgruppen A 1 und A 2 sowie die Ausweitung der
Besoldungsgruppen A 9 für Unteroffiziere und A 12 und
A 13 für das Führungspersonal. Es wäre nicht schlecht
gewesen, wenn der Bundeswehr-Verband bei der großen
Demonstration am letzten Montag auf diese massiven
Strukturverbesserungen hingewiesen hätte. Das hat es
nämlich in der alten Regierung in diesem Ausmaß nie
gegeben. Deshalb wäre es wert gewesen, das zu erwähnen.
Zwei weitere Themen möchte ich gerne noch ansprechen, zum einen die Möglichkeit einer kollektiven Lösung bei der privaten Altersvorsorge. Das ist ein Anliegen der Gewerkschaft, das wir mit aufgenommen haben.
Wir werden allerdings auf dieses Thema noch einmal
zurückkommen. Wenn die Verhandlungen im Tarifbereich
abgeschlossen sind, werden wir prüfen, ob eine
Entgeltumwandlung möglich ist.
Die Präsidentin mahnt mich über das Display, meine
Rede zu beenden. Ich hätte zwar noch einiges zu sagen,
aber ich will dann auch zum Schluss kommen - obwohl
ich mich hier vorne sehr wohl fühle, Frau Präsidentin;
aber es geht ja leider nicht anders.
Danke schön.
Wir wissen, dass wir
dem öffentlichen Dienst mit diesem Gesetzentwurf eine
Menge zumuten. Es geht aber nicht anders, wenn wir die
Staatsfinanzen dauerhaft stabilisieren wollen und wenn
wir dem öffentlichen Dienst ein dauerhaftes Überleben
garantieren wollen.
Frau Präsidentin, ich bedanke mich ausdrücklich für
Ihre Langmut. Danke, Anke!
({0})
Das war gewährt. Jetzt kommt der Kollege Meinrad Belle für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es wird Sie nicht verwundern, dass ich dem Inhalt der
Rede meines geschätzten Kollegen Kemper natürlich
in keiner Weise zustimmen kann; denn 1,9 Millionen
Richter, Beamte und Soldaten sowie 850 000 Versorgungsempfänger mit ihren Familien fühlen sich veralbert,
ja verschaukelt.
Es ist eine Zumutung, in welchem Düsenjägertempo
- der bisher übliche Begriff D-Zug-Tempo reicht gar nicht
mehr aus - ein Gesetzesvorhaben mit erheblichen Auswirkungen auf die Betroffenen und ihre Familien durch
die Bundestagsgremien gepeitscht wird.
({0})
Auf das vernichtende Ergebnis der der Sachverständigenanhörung wird weder von der Bundesregierung noch
von den Koalitionsfraktionen reagiert.
({1})
Auf die sachlich fundierten Aussagen der Sachverständigen sind Sie in Ihren Redebeiträgen im Innenausschuss
überhaupt nicht eingegangen. Die Beratungen im Innenausschuss können unter diesen Umständen nur als Farce
bezeichnet werden.
Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn Zigtausende
auf der Straße demonstrieren. Am Montag dieser Woche,
in einer Zeit, in der Polizeibeamte wegen der inneren Sicherheit und Soldaten wegen der gefährlichen Auslandseinsätze besonders gefordert sind, demonstrierten
25 000 Polizeibeamte und Soldaten in Berlin. Wenn ich
Mitglied Ihrer Regierungskoalition wäre, würde ich mich
geohrfeigt fühlen.
({2})
Nun zur Sache. Der erste Versorgungsbericht wurde in
unserer Regierungszeit vorgelegt. Mit der Versorgungsrechtsreform in der letzten Legislaturperiode haben wir
wirkungsvolle Maßnahmen zur Untermauerung des Versorgungswerks in Bund, Ländern und Gemeinden ergriffen. Wir benötigen keine Nachhilfe in Sachen Versorgungsreform.
({3})
Obgleich die riestersche Rentenreform von uns hier abgelehnt wurde, haben wir uns grundsätzlich mit der wirkungsgleichen Übertragung der Rentenreform, allerdings
bei vollständiger Anrechnung der Vorleistungen, einverstanden erklärt.
({4})
- Ganz genau.
Von Anfang bestand Streit über die Wirkungsgleichheit
und die Anrechnung der Vorleistungen.
({5})
Daher kam dem Ergebnis der Sachverständigenanhörung
am 8. November 2001 besondere Bedeutung zu. Das Ergebnis war vernichtend. Einen derartigen Totalverriss eines Gesetzentwurfs habe ich noch nicht erlebt: Acht von
zehn Sachverständigen erklärten von vornherein, dass
keine wirkungsgleiche Übertragung vorliege und die Vorleistungen nicht ausreichend berücksichtigt seien. Ein
Sachverständiger bestätigte eine einigermaßen wirkungsgleiche Übertragung, wollte sich aber zur Anrechnung der
Vorleistungen nicht äußern. Ein einziger Sachverständiger sprach von einer wirkungsgleichen Übertragung und
Anrechnung der Vorleistungen, war sich seiner Sache
dann aber doch nicht sicher; denn er empfahl den Austausch der Gesetzesbegründung,
({6})
weg von der Übertragung der Rentenreform, hin zu einem
allgemeinen Versorgungsreformgesetz. Das war’s!
Es wurde überzeugend dargelegt, dass die vorgesehenen Kürzungsmaßnahmen zu einer Sonderbelastung der
Beamten und der Versorgungsempfänger führen, und
zwar wegen der so genannten Bifunktionalität der Beamtenversorgung, die im Gegensatz zur gesetzlichen Rente
Regelversorgung und betriebliche Zusatzversorgung
beinhaltet. Mehrfach wurden grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere wegen der Art und
Weise der Einbeziehung der Bestandspensionäre, vorgetragen.
Beanstandet wurde ebenfalls, dass die Einsparungen
aus den Vorleistungen der verschiedenen Einzelmaßnahmen des Dienstrechts- und Versorgungsreformgesetzes
der letzten Legislaturperiode und die Wirkung der Erhebung der Versorgungsrücklage auch bei den aktiven Beamten nicht berücksichtigt wurden. Die Summe der Einsparungen der Einzelmaßnahmen - Wegfall der
Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage, Hinausschieben
der Antragsaltersgrenze usw. - belaufen sich allein bis
zum Ende dieses Jahres auf etwa 4,4 Milliarden DM.
({7})
Ihre Reaktion auf dieses niederschmetternde Ergebnis
der Anhörung: null. Es gab hierzu keinen einzigen Wortbeitrag Ihrerseits im Innenausschuss. Das ist ein Skandal!
({8})
Ich möchte noch einige wenige Sätze zu den finanziellen Auswirkungen dieses Gesetzes sagen. Die Minderausgaben der öffentlichen Haushalte belaufen sich in der ersten Stufe auf 12 Milliarden DM. Es sollen also
12 Milliarden DM brutto eingespart werden. Davon wird
die Hälfte, also 6 Milliarden DM, der Versorgungsrücklage zugeführt. Nach den Auskünften der Bundesregierung wird andererseits durch die Einbeziehung der Beamten in die steuerliche Förderung der privaten
Altersvorsorge mit Steuermindereinnahmen in Höhe von
9,3 Milliarden DM gerechnet. In den Haushalten von
Bund, Ländern und Gemeinden fehlen also in der ersten
Stufe insgesamt 3,3 Milliarden DM. Adam Riese lässt
grüßen.
Lassen wir einmal die Zuführung zur Versorgungsrücklage unberücksichtigt: Nach Berechnungen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes werden in Anbetracht
des Einkommensteuerverbundes Bund, Länder und Gemeinden in der ersten Stufe bis 2010 beim Bund und bei
den Kommunen zusammen rund 600 Millionen DM
Mehrausgaben entstehen. Lediglich die Länder können
mit einer Nettoentlastung von rund 4,7 Milliarden DM
rechnen. Da lobe ich mir die finanziellen Entlastungswirkungen der von uns 1998 mit Ihrer Zustimmung eingeführten Versorgungsrücklage.
Überdenkt man die finanziellen Auswirkungen der beabsichtigten Reform unter Berücksichtigung der Zuführung zur Versorgungsrücklage mit einer Zusatzbelastung von 3,3 Milliarden DM in der ersten Stufe,
kommt man zu folgendem Ergebnis:
Erstens. Eine Versorgungsrücklage und ein beabsichtigter Systemwechsel zur Absenkung des Höchstsatzes
der Pensionen passen nicht zusammen.
({9})
Man muss sich für einen Weg entscheiden: entweder für
die Versorgungsrücklage oder für die Absenkung der prozentualen Pensionshöhe.
Zweitens. Die finanziellen Auswirkungen sind nicht
vollständig bedacht. Entweder wurde schlampig gearbeitet oder man will auf kaltem Wege, sozusagen klammheimlich, den ersten Schritt zu einem einheitlichen öffentlichen Dienstrecht gehen; das könnte natürlich auch
sein.
Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht wundern:
Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Gleichzeitig wollen
wir mit unserem Änderungsantrag zur zweiten und dritten
Lesung die im Innenausschuss teils abgelehnten, teils
nicht vollständig übernommenen folgenden Änderungen
erreichen: erstens die Beibehaltung der bisherigen
Rechtslage durch Fortführung der Versorgungsrücklage
entsprechend unserer Versorgungsrechtsreform mit einer
Absenkung der Aktiven- und Versorgungsbezüge um
3 Prozent, zweitens eindeutige Verbesserungen beim qualifizierten Dienstunfall und drittens die Abschaffung der
einschränkenden Quotierung von Ausbildungszeiten.
Wenn ich die im Bereich des Innern geleistete gesetzgeberische Arbeit der letzten Monate und die Tagesordnungen der letzten Wochen Revue passieren lasse, muss
ich feststellen: Zuerst passierte lange Zeit nichts. Gesetzesvorhaben wurden großartig angekündigt; aber den
Bundestag hat in dieser Hinsicht so gut wie nichts erreicht. Dann wurden in den letzten Wochen nicht ausgereifte Gesetzentwürfe überhastet eingebracht und der
Gesetzgebungsprozess überstürzt durchgezogen. Bei Ihnen war so gut wie keine Bereitschaft zu einer sachgerechten Diskussion vorhanden.
Meine Damen und Herren, auch in der Gesetzgebung
gilt der alte Grundsatz: Gut Ding will Weile haben. Die
Beachtung dieses alten Sprichwortes würde der Qualität
Ihrer Arbeit nur gut tun.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat nun der
Kollege Helmut Wilhelm für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Um es gleich vorwegzunehmen: Bei der heutigen Abschlussberatung des Versorgungsänderungsgesetzes 2001
bleibt für mich ein kleines Restproblem: Einerseits halte
ich das Vorhaben der wirkungsgleichen Übertragung der
Reform der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Beamtenversorgung tatsächlich für unaufschiebbar. Andererseits hätte ich es begrüßt, wenn auf einige Kritikpunkte
der Sachverständigen, geäußert in der Anhörung vor dem
Innenausschuss, noch etwas stärker eingegangen worden
wäre.
Während die neue Regierung für Arbeitnehmer die
Einschränkungen im Rentenversicherungssystem bei
ihrem Amtsantritt aufgehoben hat, blieb es bei den Beamten bei dem entsprechenden Einschnitt, bei dem 0,2-prozentigen Versorgungsabschlag. Zwar wurden diese Vorleistungen der Beamten und Beamtinnen mit der
Anhebung des Höchstversorgungssatzes von 71,25 Prozent auf nunmehr 71,75 Prozent zumindest teilweise ausgeglichen. Ich hätte mir aber nach der Sachverständigenanhörung gewünscht, dass wir uns - damit meine ich die
Innenpolitiker von SPD und Bündnis 90/Die Grünen - mit
unserem gemeinsamen Vorschlag, den Höchstversorgungssatz auf 72 Prozent anzuheben, hätten durchsetzen
können. Immerhin hat die große Mehrheit der Sachverständigen in der Anhörung auf die Gefahr hingewiesen, dass es zu einer Überkompensation zulasten der Beamten kommen könne. Aber leider haben wir uns mit
diesem Vorschlag nicht durchsetzen können. Für die Akzeptanz des Gesetzesvorhabens in der Beamtenschaft
hätte dies nützlich sein können.
Ich stimme dem Gesetzesvorhaben trotzdem zu, da wir
letztendlich daran gemessen werden, ob es uns gelingt,
die bestehenden Versorgungssysteme auch in Zukunft
funktionsfähig zu erhalten, damit sie ihren Zweck erfüllen können.
Die Beamtenversorgung steht bekanntlich vor den
gleichen Problemen wie andere Alterssicherungssysteme.
Die allgemeine demographische Entwicklung in DeutMeinrad Belle
schland führt zu einem raschen Anstieg der Ausgaben für
die Beamtenversorgung. Das hängt zum einen mit der bekanntlich stetig steigenden Lebenserwartung zusammen.
Zum anderen liegt das durchschnittliche Ruheeintrittsalter in den letzten Jahren auf konstant niedrigem Niveau:
Auch aufgrund der hohen Zahl der Frühpensionierungen
liegt es zurzeit bei 59 Jahren. Dass diese beiden Faktoren
zusammengenommen zu erheblichen Steigerungen der
Versorgungsleistungen geführt haben, ist bekannt.
({0})
Eine gewisse Brisanz bekommt die Geschichte, wenn
man sich die Tatsache vor Augen hält, dass die durchschnittliche Pensionslaufzeit derzeit bei rund 20 Jahren
liegt. Für die Berechtigten ist das sicherlich angenehm.
Sie ist gegenüber früheren Zeiten also ebenfalls erheblich
angewachsen. Hinzu kommt der so genannte Versorgungsberg als Folge der Ausweitung des öffentlichen
Dienstes in den 60er- und 70er-Jahren. Die Pensionsaufwendungen von Bund, Ländern und Gemeinden werden
deshalb von heute bis 2030 auf das 3,5fache ansteigen:
von derzeit 43 Milliarden DM auf rund 150 Milliarden DM. Aus alledem ergibt sich schlichtweg ein Finanzproblem.
Außerdem ist zwischen Rot-Grün im Koalitionsvertrag
festgeschrieben worden, nach der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung auch die Beamtenversorgung
entsprechend und im Einklang mit der Rentenreform
- wirkungsgleich also - fortzuentwickeln. Wirkungsgleiche Übertragung bedeutet einerseits eine den Einsparungen bei den Rentenversicherungsträgern vergleichbare
Entlastung der öffentlichen Haushalte und andererseits
eine äquivalente monetäre Auswirkung bei Beamten und
Pensionären, so wie bei Arbeitnehmern und Rentnern
auch. Dies ergibt sich bereits aus dem Gleichheitsprinzip.
Dabei darf die wirkungsgleiche Übertragung der Rentenreform auf die Beamtenversorgung wegen der besonderen
verfassungsrechtlichen Stellung nur systemkonform erfolgen.
Die Schwerpunkte des Gesetzentwurfs bezüglich des
Versorgungsniveaus sind bereits mehrfach genannt und
dargestellt worden; ich kann mir dies ersparen.
Hervorheben möchte ich allerdings, dass es nach der
Anhörung doch noch einige Verbesserungen gegeben hat.
So kann zukünftig der qualifizierte Dienstunfall begrifflich besser vom einfachen Dienstunfall unterschieden
werden.
({1})
Das erleichtert die Rechtsanwendung und dient den Betroffenen.
Auch die Bürgermeister der ersten Stunde, also die
Kommunalbeamten im Beitrittsgebiet, die eine Amtszeit
von acht Jahren erreichen und bis zum 3. Oktober 2000 in
den Ruhestand getreten sind, kommen nunmehr in den
Genuss des § 66 Abs. 2 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz.
({2})
- Ja. - Damit wird einem Änderungsantrag des Bundesrates Rechnung getragen.
Ich kann darum dem Gesetzesvorhaben zustimmen,
auch damit ein gemeinsames In-Kraft-Treten mit der Rentenreform gesichert ist.
Danke schön.
({3})
Nun hat der Kollege
Dr. Max Stadler für die FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Der Bundesinnenminister
hat zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, dass die Innenpolitik ein Politikbereich sei, wo ähnlich wie in der
Außenpolitik Kontinuität gewahrt werden müsse. Herr
Minister Schily, es ist Ihnen wirklich in überzeugendem
Maße gelungen, zum Beispiel bei der inneren Sicherheit,
die Politik Ihres Vorgängers fortzusetzen, ja sogar in einem solchen Maße, dass es Ihren eigenen Koalitionspartner hie und da etwas erschreckt.
({0})
Sie wären aber gut beraten gewesen, wenn Sie diese Kontinuität gerade bei der Frage der Beamtenversorgung auch
gewahrt hätten.
Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat ja mit den
Reformen in der letzten Legislaturperiode Vorsorge getroffen, damit die Pensionsansprüche auch über die kritischen Jahre hinweg, in denen sie in hoher Zahl auflaufen,
erfüllt werden können. Deswegen wäre es doch zweckmäßig gewesen, im System zu bleiben und, wenn es denn
wirklich notwendig gewesen wäre, etwa die Versorgungsrücklage anzuheben, aber nicht eine völlige Neuregelung der Beamtenversorgung vorzuschlagen.
Herr Minister Schily, Sie haben in der Haushaltsdebatte davor gewarnt, bei diesem Thema Polemik zu betreiben. Das tun wir keineswegs. Vielmehr lehnt die FDP
Ihr Gesetz aus sachlichen Gründen ab.
Erstens. Das Gesetz ist nicht notwendig. Laut Versorgungsbericht der Bundesregierung reichen die Maßnahmen aus der letzten Legislaturperiode durchaus aus.
Zweitens. Zum Verfahren hat der Kollege Belle schon
einiges gesagt. Ich möchte noch anmerken: Es war auch
ein Fehler des Verfahrens, dass gerade dieser Versorgungsbericht, den ich jetzt kurz zitiert habe, nicht richtig
in die parlamentarischen Beratungen eingeflossen ist,
weil er zwar von der Bundesregierung meines Wissens im
September verabschiedet worden ist, aber erst vor kurzem
den Parlamentariern überhaupt zugegangen ist. Eine
wirkliche Auswertung hat nicht stattgefunden.
Wir sind drittens der Meinung, dass die vorgesehenen
Maßnahmen eine Überkompensation im Vergleich zur
Rentenreform darstellen.
Viertens. Es wird nicht beachtet, dass die Rentenreform in die Grundsicherung eingreift, dagegen die Neufassung der Beamtenversorgung die Vollversorgung
Helmut Wilhelm ({1})
betrifft. Würde die Rentenreform tatsächlich wirkungsgleich übertragen, so würde eine geringere Absenkung
der Beamtenversorgung ausreichen.
Fünftens. Die durch das Gesetz erzielten Minderausgaben von 12 Milliarden DM werden durch die jährlichen
staatlichen Zuschüsse zum Aufbau der Privatvorsorge in
Höhe von 9 Milliarden DM weitgehend aufgezehrt. Das
Gesetz bringt also auch finanziell nicht das, was Sie sich
und der Öffentlichkeit versprechen.
Sechstens. Einige der Maßnahmen bewegen sich
mindest an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit. So
könnte etwa in Zukunft die Witwenversorgung nahe am
Sozialhilfesatz liegen, was gegen die Alimentationspflicht des Staates verstoßen würde.
Im Übrigen ist auch in den Übergangsregelungen eine
Fehlkonstruktion enthalten; denn ältere Beamte haben
nicht mehr die Möglichkeit, eine private Altersversorgung
zur Kompensation aufzubauen, während übrigens bei den
Angestellten die Zusatzversorgung voll bestehen bleibt.
Das sind alles keine Polemiken, sondern sachliche Argumente für eine Ablehnung. Aber am schlimmsten ist,
dass das Ergebnis der Sachverständigenanhörung - das
hat Herr Kollege Wilhelm von den Grünen selber zum
Ausdruck gebracht - nicht mehr entscheidend in die Gesetzgebung eingeflossen ist.
({2})
Ich finde, wenn eine Sachverständigenanhörung eine so
eindeutige Ablehnung ergibt, dann muss ein solch einschneidendes Reformwerk wirklich ernsthaft überdacht
werden.
Ich habe Bedenken, dass uns heute Nachmittag ab
13 Uhr beim Terrorismusbekämpfungsgesetz dasselbe
widerfährt, wo der Zeitplan ja vorsieht, rasch zu einer Beschlussfassung zu kommen. Offenkundig will man die
Anhörung, die jetzt gleich stattfindet, nicht auswerten.
Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen
können wir Ihrem Reformgesetz nicht zustimmen.
({3})
Das Wort hat nun die
Kollegin Petra Pau für die PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Kemper meinte vorhin
zum Abschluss, dass wir mit diesem Gesetzentwurf den
Betroffenen eine Menge zumuten. Ich finde, das ganze
Gesetzeswerk, welches heute auf dem Tisch liegt, ist eine
Zumutung, sowohl in Bezug auf den als Inhalt auch auf
das Verfahren.
({0})
Dazu, wie es hier zur Verabschiedung gelangt ist, haben
die Kollegen Belle und Stadler hier schon ausführlich geredet; das muss nicht wiederholt werden.
Von diesen Regelungen betroffen sind rund 2 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst und Soldatinnen
und Soldaten, die im Moment aktiv sind.
({1})
Angeblich wollen Sie mit diesem Gesetz die Rentenreform wirkungsgleich übertragen. War schon die Rentenreform der Einstieg in den Ausstieg aus der solidarischen
Alterssicherung, ist diese Art der Änderung in der
Beamtenbesoldung noch viel schlimmer. Sie brechen das
Vertrauen derjenigen, welche sich im öffentlichen Dienst
für unser Gemeinwesen besonders zu engagieren haben,
und Sie sind mindestens am Rande der Verfassungswidrigkeit und vielleicht bei einigen Regelungen tatsächlich
schon darüber hinaus. Darüber wird sicherlich nach dem
heutigen Tage weiter zu reden sein.
({2})
Mit diesem Gesetz verringern Sie natürlich die Attraktivität der Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Ich habe
in dieser Woche mit Vertretern des Richterbundes gesprochen. Sie haben aufgrund ihrer Erfahrungen aus dem
heutigen Alltag erzählt, wie schwer es ist, junge, qualifiziert ausgebildete Kolleginnen und Kollegen für diesen
Beruf zu gewinnen. Was soll erst werden, wenn dieses Gesetz greift, das heißt, wenn man sich nicht darauf verlassen kann, dass man selbst - und auch die Angehörigen am Ende eines Arbeitslebens entsprechend abgesichert
ist?
Ich gehe davon aus, dass die Betroffenen auch nach
dem heutigen Tage sehr viel Grund zum Protest haben
werden.
({3})
Denn es bleibt bei der pauschalen Absenkung der Versorgungsanpassungen, vor allen Dingen im einfachen und
mittleren Dienst. Es bleibt dabei, dass die Vorleistungen,
welche die Beamtinnen und Beamten erbracht haben,
nicht berücksichtigt werden. Es bleibt dabei, dass diejenigen, welche in den nächsten Jahren die Pensionsgrenze erreichen, keine Chance mehr haben, vorzusorgen, um diesen Absenkungen entsprechend entgegenzutreten. Sie
haben keine Ausnahmen für Dienstunfähige und Schwerbehinderte vorgesehen; sie werden also mit diesem Gesetzentwurf doppelt benachteiligt.
({4})
Auch die Arbeitsbedingungen in den Vollzugsdiensten
sind nicht berücksichtigt worden. Feuerwehrbeamte werden im Vergleich zu den Vollzugsdienstleistenden doppelt
benachteiligt. Diejenigen, die im Osten im öffentlichen
Dienst beschäftigt sind, werden ganz besonders getroffen.
Hier bleibt die Aufgabe der Gleichstellung; denn nach wie
vor werden sie nicht nur niedriger bezahlt, sondern brauchen auch mehr Zeit, um überhaupt eine Mindestpension
zu erreichen.
({5})
Unterm Strich muten Sie dann auch noch den Frauen die
so genannte Quotelung der Ausbildungszeiten zu.
Die einzig positive Änderung in dieser Gesetzgebung
- dies wurde schon hervorgehoben - ist die Regelung für
die Kommunalbeamten der ersten Stunde im Osten.
Dieser haben wir im Ausschuss natürlich zugestimmt. Ich
denke, wir werden bald über die Folgen der verfassungsrechtlichen Prüfungen dieses Gesetzeswerkes zu sprechen
haben. Ich sehe bereits nachfolgende Gesetzespakete am
Horizont.
Es wird Sie nicht wundern: Nach einer solchen Liste
von Ablehnungsgründen können wir dieses Gesetzespaket insgesamt nur ablehnen - es sei denn, Sie stimmen unserem Änderungsantrag und unserem Entschließungsantrag heute zu.
({6})
Das Wort hat
jetzt der Herr Bundesminister des Innern, Otto Schily.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich der
Wirklichkeit nicht verschließt, dann muss man anerkennen, dass das Versorgungsänderungsgesetz 2001 notwendig ist, um das Versorgungssystem zu erhalten
({0})
und die Pensionen von Beamten, Richtern und Soldaten
zu sichern. Wir müssen die Rentenreform - das ist übrigens ein gesetzlicher Auftrag - wirkungsgleich auf die
Beamtenversorgung übertragen.
({1})
Ich empfehle allen, den Zweiten Versorgungsbericht
der Bundesregierung nachzulesen. Aus diesem Versorgungsbericht ergibt sich, dass allein im früheren Bundesgebiet die Versorgungsausgaben der Gebietskörperschaften von derzeit fast 43 Milliarden DM bis 2040 auf circa
164 Milliarden DM ansteigen werden. Das ist fast eine
Vervierfachung. Diesem Problem müssen wir uns alle
stellen. Eine verantwortungsbewusste Politik kann das
nicht einfach beiseite schieben.
Die PDS hat ja allenfalls Ahnung, wie man Ausgaben
erhöht, versteht aber von Finanzpolitik nicht mehr als das
Schwarze unterm Fingernagel. Das will ich jedoch nicht
weiter kommentieren.
({2})
Im Übrigen sind die Maßnahmen, die wir hier treffen
und die der wirkungsgleichen Übertragung der Rentenreform entsprechen, ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit.
Die Konsequenzen, die sich aus den verschiedenen Finanzproblemen ergeben, müssen gleichmäßig auf die aktiv Beschäftigten und auf die im Ruhestand Befindlichen
verteilt werden, damit die soziale Gerechtigkeit keinen
Schaden nimmt.
({3})
Dazu gehören selbstverständlich auch die im öffentlichen
Dienst Beschäftigten. Darüber sollten wir mit diesen ehrlich sprechen.
({4})
Die Veränderungen der Beamtenpensionen dienen in
erster Linie den Interessen der Länder; das will ich hier
besonders herausstellen. Die Zahl der Versorgungsempfänger in den Ländern
({5})
- rufen Sie doch nicht immer solchen Unsinn dazwischen ({6})
wird sich bis 2030 verdoppeln. Beim Bund hingegen wird
sich die Zahl um 15 Prozent verringern.
Wir machen eine verantwortungsbewusste Politik, die
wir vor allem im Interesse der Länder durchsetzen müssen;
({7})
denn die Versorgungsausgaben in den Ländern werden
in dem genannten Zeitraum um 300 Prozent steigen.
Diese Zahl muss man auch vor dem Hintergrund sehen,
dass in den Ländern bereits heute circa 40 Prozent des
Haushalts für Personalkosten aufgewendet werden. Der
Bund liegt bei etwa 12 Prozent. Diese Tatsache muss man
berücksichtigen.
Ohne dieses Gesetz können die Probleme der Länder
überhaupt nicht gelöst werden. Deshalb erwarte ich auch,
dass die Länder im Bundesrat zustimmen werden. Es wäre
einmal ganz interessant, zu erfahren, ob es einige Länder
darauf ankommen lassen würden, dieses Gesetz scheitern
zu lassen. Mit Blick auf ihre künftigen Finanzprobleme
können sie sich das nämlich gar nicht leisten.
Was von verantwortungslosen Politikerinnen und Politikern leider geäußert wird, es würden die Pensionen
gekürzt, ist schlicht falsch. Es wird nur der Anstieg entsprechend den Vorgaben der Rentenreform abgeflacht.
Dadurch sinkt der Höchstruhegehaltssatz von 75 auf
71,75 Prozent. Auch nach der Reform bleibt für alle Betroffenen die verfassungsrechtlich abgesicherte Vollversorgung erhalten. Ich werde am Schluss noch auf das
Sachverständigengutachten eingehen.
Entgegen der Propaganda einiger Kritiker werden die
Vorleistungen berücksichtigt. Die in den Versorgungsrücklagen schon erbrachten Leistungen in Höhe von
0,6 Prozent werden bereits in der ersten Stufe der Übertragung der Rentenreform berücksichtigt. Insgesamt wird
das Versorgungsniveau von 2003 bis 2010 um circa 5 Prozent abgeflacht. Das ist genau wirkungsgleich zur Rentenreform. Zur Vermeidung von Doppelbelastungen ist
in diesem Zeitraum der weitere Aufbau der Versorgungsrücklage ausgesetzt. Von 2011 bis 2017 wird dann in
Umsetzung der zweiten Stufe der Rentenreform die
Versorgungsrücklage fortgeführt. Soziale Härten werden
vermieden. Auch dafür gibt es genügend Belege.
Ich komme zu einem anderen Sachverhalt, den Sie
ebenfalls nicht berücksichtigen. Dass auch Beamte künftig an der staatlichen Förderung teilnehmen können, übersehen manche. Ich muss in Richtung Herrn Stadler - er
musste aus zwingenden Gründen die Debatte verlassen und Herrn Belle sagen: Bei Ihren Vorschlägen bleiben die
Beamten hinsichtlich der staatlichen Förderung außen
vor. Sie müssen einmal die Zahlen vergleichen: Die Entlastungen zugunsten der Länder, des Bundes und der anderen Gebietskörperschaften betragen etwas über 12 Milliarden DM. Über die Förderung der privaten Vorsorge
geben wir 9,3 Milliarden DM zurück. Auch diese Zahlen
muss man bei einer objektiven Beurteilung zur Kenntnis
nehmen.
Wir müssen uns im Übrigen darüber im Klaren sein,
dass wir mit den Versorgungsproblemen noch grundsätzlicher umgehen müssen. Tatsache ist, dass im Jahre 1999
circa 47 Prozent aller Pensionierungen wegen Dienstunfähigkeit erfolgt sind und dass die Beamtinnen und
Beamten im Durchschnitt mit 59 Jahren in den Ruhestand
treten. Angesichts des starken Anstiegs der Versorgungsausgaben muss diese Situation geändert werden. Ich begrüße deshalb ausdrücklich den Entschließungsantrag der
Koalition, der dieses Thema aufgreift. Ich erwarte selbstverständlich nicht, dass alle meinem Beispiel folgen und
zur Entlastung der Renten- bzw. Versorgungskassen ihre
Lebensarbeitszeit verlängern.
({8})
Noch eine Bemerkung zur Sachverständigenanhörung:
Die Sachverständigen sind schlicht von einer falschen Voraussetzung ausgegangen.
({9})
- Ja. - Sie kannten nämlich nicht das Ergebnis der Verhandlungen über die Zusatzversorgung des öffentlichen
Dienstes. Wenn sie die gekannt hätten, wären sie zu ganz
anderen Feststellungen gekommen. Ich will einmal davon
absehen, dass einige Sachverständige Verbandsvertreter
waren und eher die Verbandspositionen vertreten haben.
({10})
- Das ist kein Maulkorb. Die Objektivität kann aber in einem solchen Fall an der einen oder anderen Stelle infrage
gestellt werden.
Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Tarifvertragsparteien, dass sie in diesen schwierigen Verhandlungen
über die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zu
einem guten Ergebnis gekommen sind.
Das muss man in einem Zusammenhang sehen: Ohne
die Reform der Beamtenversorgung wäre die Bereitschaft
der Tarifvertragsparteien - zumindest auf der Seite der
Gewerkschaften -, diese schwierigen Verhandlungen zu
einem erfolgreichen Ende zu führen, nicht vorhanden gewesen. Diesen Zusammenhang sollten Sie beachten.
Das Gesamtkonzept der Bundesregierung sorgt dafür,
dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, seien es nun Arbeiter, Angestellte oder Beamte, auch in Zukunft eine sichere und finanzierbare
Altersversorgung erhalten. Ich bitte Sie deshalb alle um
Zustimmung zu diesem Gesetzgebungswerk.
({11})
Danke schön. Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie
von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe eines
Versorgungsänderungsgesetzes 2001. Der Innenausschuss
empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/7681 die Annahme der genannten Gesetzentwürfe als Versorgungsänderungsgesetz 2001 in der
Ausschussfassung.
Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir
zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag
der Fraktion der CDU/CSU, Drucksache 14/7694? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/7699? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP gegen die PDS
bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt worden.
Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen worden.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,
wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Wer
stimmt dagegen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter
Lesung angenommen worden.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache
14/7700. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der FDP gegen die Stimmen der
PDS bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt worden.
Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/7681 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD,
des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU und der PDS angenommen worden.
Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrat
eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes, Drucksache 14/6717. Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/7681, den Gesetzentwurf
abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. - GegenstimBundesminister Otto Schily
men? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.
Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Ich rufe jetzt Zusatzpunkt 4 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung der Strafprozessordnung
- Drucksachen 14/7008, 14/7258 ({0})
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({1})
- Drucksache 14/7679 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Jürgen Meyer ({2})
Joachim Stünker
Norbert Geis
Volker Beck ({3})
Jörg van Essen
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU vor. Für die Aussprache ist eine halbe Stunde
vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Eckhart
Pick das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Mit Ablauf des 31. Dezember dieses Jahres tritt
§ 12 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen außer Kraft.
Der vorliegende Gesetzentwurf zur Einführung der
§§ 100 g und 100 h StPO schafft eine verbesserte Nachfolgeregelung zu dieser Vorschrift.
Eine solche Nachfolgeregelung ist wichtig. Gerade im
Rahmen organisierter oder gar terroristischer Kriminalität beobachten wir immer wieder den Einsatz moderner Telekommunikationstechniken. So wissen sich gerade auch archaisch anmutende so genannte Gotteskrieger
modernster Telekommunikationsformen zu bedienen.
Die §§ 100 g und 100 h StPO erlauben den Strafverfolgungsbehörden - ebenso wie die Vorgängerregelung den Zugriff auf solche Daten, die Informationen darüber
geben, mit wem ein Verdächtiger wann telefoniert oder im
Internet kommuniziert hat. Diese Fähigkeit der Strafverfolgungsbehörden ist unverzichtbar. Staatsanwaltschaften
und Polizei können dieses Ermittlungsinstrument auch
in Zukunft nutzen. Damit leisten Bundesregierung und
Regierungskoalition einen weiteren messbaren Beitrag
dazu, dass sich die Menschen in unserem Land sicher
fühlen können.
({0})
Allerdings darf es Sicherheit ohne Freiheit nicht geben. Diese Erkenntnis gilt auch in Zeiten, in denen sich
unsere demokratische Gesellschaft als wehrhaft gegen die
Bedrohung durch den internationalen Terrorismus erweisen muss. Aus diesem Grund kommt für die Bundesregierung eine bloße Verlängerung oder Entfristung des
§ 12 FAG nicht in Betracht. Sie wissen, diese Vorschrift
stammt im Wesentlichen aus dem Jahre 1927 und ist auf
die damalige, von Handvermittlung geprägte Fernmeldetechnik zugeschnitten. Gerade weil die moderne Digitalisierung des Telekommunikationsverkehrs zu einer enormen Fülle abruffähiger Daten geführt hat, ist ein neuer
Ausgleich zwischen den Belangen der Kriminalitätsbekämpfung einerseits sowie dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses andererseits zu schaffen.
({1})
Diesem Anspruch wird der Gesetzentwurf, über den wir
heute beschließen, gerecht. Er stärkt die Verbrechensbekämpfung und die Bürgerrechte.
Lassen Sie mich kurz auf die wesentlichen Verbesserungen in diesem Gesetzentwurf eingehen:
Erstens. Das Auskunftsrecht besteht künftig bei der
Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung,
wobei im Gesetz der Katalog des § 100 a Satz 1 StPO beispielhaft genannt wird. Bei den telekommunikationstypischen Straftaten wie etwa der Datennetzkriminalität oder
belästigenden Anrufen kann die Auskunft sogar bereits
dann verlangt werden, wenn Gründe der Verhältnismäßigkeit nicht entgegenstehen.
In diesem Zusammenhang ist die Kritik an dieser
maßvollen Absenkung der Auskunftsvoraussetzungen
nicht nachvollziehbar. Ich verweise insbesondere auf die
Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Oktober 2001, in
der er diesen Punkt ausdrücklich begrüßt hat. Dieser überzeugenden Einschätzung kann ich mich nur anschließen.
Sie wird im Übrigen auch von dem Bundesbeauftragten
für den Datenschutz geteilt.
({2})
Zweitens. Da wir das Ermittlungsinstrument der
§§ 100 g und 100 h StPO nunmehr stärker auf die erheblichen Straftaten konzentrieren, wollen wir gleichzeitig
den Wert der Auskünfte für die Strafverfolgungsbehörden
verbessern. Der Gesetzentwurf räumt Staatsanwaltschaften und Polizei erstmals die Möglichkeit ein, Auskunft
auch über zukünftige Telekommunikationsverbindungen
zu erlangen. Damit begegnen wir der Gefahr, dass den
Strafverfolgungsbehörden wichtige Erkenntnisse vorenthalten bleiben.
Drittens. Schließlich präzisiert der Gesetzentwurf erstmals die Daten, über die Auskunft zu erteilen ist. Dabei
beschränken wir die Auskunft über die Standortkennung
bei Mobiltelefonen ganz bewusst auf die Fälle, in denen
es zu einer Verbindung gekommen ist.
({3})
Präzise Bewegungsprofile von Personen anhand der
Funkzellen, in die sich Handys im Stand-by-Betrieb
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
einbuchen, sollen den Strafverfolgungsbehörden zwar
weiter zur Verfügung stehen, aber nur wie bisher bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Telefonüberwachung.
Die Neuregelung des § 12 FAG in der Form der
§§ 100 g und 100 h StPO ist eine wesentliche Verbesserung gegenüber der geltenden Rechtslage. Sie schafft Sicherheit und sichert Freiheit. Deswegen bitte ich um Ihre
Zustimmung.
({4})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Volker Kauder.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär
Pick, man muss sich über die Einlassung, die Sie gerade
gemacht haben, schon wundern. Sie haben darauf verwiesen, dass die Regelungen des § 12 des Fernmeldeanlagengesetzes im Wesentlichen aus dem Jahr 1927 stammen. Man wundert sich doch sehr, wie lange Sie in dieser
rot-grünen Bundesregierung gebraucht haben, um eine
neue Regelung herbeizuführen.
({0})
Wenn man sich das Verfahren anschaut, dann muss
man sich noch mehr wundern. Man muss der Öffentlichkeit einmal sagen, wie das abgelaufen ist. Man weiß seit
zwei Jahren, dass die Regelung im Dezember 2001 ausläuft. Bereits im Oktober 1999 stand ich an diesem Pult
im Deutschen Bundestag und habe einen Gesetzentwurf
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgetragen, der diese
Regelung verlängern und entfristen sollte, damit sie dauerhaft zur Verfügung steht.
({1})
Es sind zwei Jahre ins Land gegangen, bis Sie endlich
- vor wenigen Wochen - einen Gesetzentwurf vorgelegt
haben. Als wir ihn in dieser Woche beraten wollten, haben
Sie ihn kurzfristig zurückgezogen und diesen Punkt von
der Tagesordnung nehmen wollen. Zur völligen Überraschung von uns allen ist dann eine Sondersitzung des Ausschusses einberufen worden. Man hat auf einmal eine
Regelung vorgelegt, die alles andere als systematisch korrekt und inhaltlich in Ordnung ist. Das muss man einmal
klar und deutlich sagen.
({2})
Wir wissen natürlich ganz genau, womit das zusammenhängt, Herr Kollege Ströbele. Sie waren vermutlich
derjenige, der entscheidend dazu beigetragen hat, aus einer guten Regelung mit guten Möglichkeiten für die
Strafverfolgungsbehörden eine Regelung zu machen, die
verwässert ist und schlechter als die ist, die wir bisher hatten. Dies alles musste in einer Nacht-und-Nebel-Aktion
geschehen, sodass innerhalb von wenigen Stunden ein
Gesetzentwurf auf der Tagesordnung war, wieder abgesetzt wurde, um dann wieder neu auf die Tagesordnung
gesetzt zu werden. Das ist ein Beispiel dafür, wie diese
rot-grüne Koalition im Rechtsausschuss schon seit Jahren
arbeitet.
({3})
Sie sollten mit dieser Form der Arbeit, Herr Staatssekretär Pick, nicht weitermachen, weil dies nicht seriös ist.
Ich könnte eine ganze Reihe von anderen Gesetzesvorhaben nennen, bei denen Sie in gleicher Weise vorgegangen
sind. Mich wundert ein bisschen, dass Sie, die Sie nicht in
der Regierung sitzen, sondern Abgeordnete sind, so etwas
mit sich machen lassen. Es ist eine grobe Missachtung der
Rechte von Parlamentariern, wie die Beratungen im
Rechtsausschuss stattfinden.
({4})
Sie haben zwei Jahre Zeit gehabt, sich eine konkrete
Regelung zu überlegen. Sie haben in diesen zwei Jahren
nichts gemacht. Aber auf einmal kommt etwas. Man vermutet fast, seit den Ereignissen vom 11. September ist bei
Ihnen die Erkenntnis gewachsen, dass nun doch schneller
etwas getan werden muss. Sie haben sich dann darauf
festgelegt, nicht nur eine Verlängerung des § 12 des Fernmeldeanlagengesetzes, sondern einen Gesetzentwurf vorzulegen.
In diesem Gesetzentwurf haben Sie die Bedingungen
angehoben. Sie gleichen die neuen Regelungen den Regelungen zur Abhörung von Telefongesprächen an, bei
denen auch über die Inhalte berichtet werden muss. Es
gibt aber überhaupt keine Notwendigkeit, bei den Regelungen zur Fortführung des § 12 FAG die gleichen scharfen Eingriffsvoraussetzungen wie bei den Vorschriften anzulegen, die sich auf die Abhörung beziehen.
({5})
Sie haben damit eine Regelung, die wesentlich weniger greift und weniger Möglichkeiten als bisher zur Verfügung stellt. Dazu kann ich nur sagen: So etwas erleben
wir in diesen Tagen permanent. Der Bundesinnenminister
spricht scharf wie ein Rasiermesser. Aber es kommt immer viel weniger heraus, als versprochen worden ist. Es
gilt auch hier der alte Satz der Heiligen Schrift: An euren
Taten werdet ihr gemessen, nicht an euren Worten.
({6})
Sie spielen ein ganz eigenartiges Spiel. Am Montag hat
der Bundesinnenminister mit aller Schärfe erklärt: Wir
werden alles tun. Am Dienstag hat sich Herr Ströbele
geäußert, worauf alles verwässert wurde. Am Freitag sehen die Dinge wieder ganz anders aus.
({7})
Ich möchte Ihnen dafür ein Beispiel geben: SPD und
Bündnis 90/Die Grünen haben große Probleme, auf dem
Gebiet der inneren Sicherheit zu einem Kompromiss zu
kommen. Herr Schily hat angekündigt, dass der
Daumenabdruck in den Ausweis aufgenommen werden
soll. Herr Ströbele hat daraufhin gesagt: Das kommt nicht
in die Tüte. Dann kam es auch nicht in die Tüte.
({8})
So sieht der Preis aus, der für die Zustimmung der Grünen
zum Einsatz der Bundeswehr gezahlt werden muss. Die
Wechsel werden jetzt präsentiert.
({9})
Herr Kollege Ströbele, dies dient nicht der inneren Sicherheit.
({10})
Richtig ist aber - das will ich durchaus anerkennen -,
dass Sie sich nach zwei Jahren dazu durchgerungen haben, das Thema innere Sicherheit etwas ernster zu nehmen und einen Gesetzentwurf vorzulegen. Einige Teile
des Gesetzentwurfs weisen allerdings systematische
Mängel auf. Dies wird - darauf möchte ich hinweisen auch noch selber zugegeben: Es ist nicht geboten, das
Zeugnisverweigerungsrecht in § 100 h einzuschränken.
Es ist nicht sachgerecht. - Dass das Zeugnisverweigerungsrecht in § 100 h ein Fremdkörper ist, wird pikanterweise in der Begründung des Entwurfs zugegeben. Die
Befristung der Neuregelung wird nämlich ausdrücklich
damit begründet, dass ein Gesamtkonzept zum Zeugnisverweigerungsrecht noch vollständig fehle. Wir werden
uns also erneut mit diesem Komplex befassen müssen. Sie
geben zu, dass Sie unter Zeitdruck gehandelt haben. Nur
weil Sie sich im Rechtsausschuss nicht durchringen konnten - das finde ich ausgesprochen jämmerlich -, den Antrag des Kollegen Funke anzunehmen, § 12 FAG noch
einmal um ein halbes Jahr zu verlängern - das wäre die
sachgerechte Lösung gewesen -, haben Sie einen eigenen
Entwurf vorgelegt. Das ist unerträglich.
({11})
So sollten wir als Juristen im Rechtsausschuss eigentlich
nicht miteinander umgehen.
Rot-Grün geht es also um alte ideologische Ziele. Es
geht um bessere Möglichkeiten zur Kontrolle des Handelns der Strafverfolgungsbehörden. Aber es geht wieder
nicht darum, den Polizeien, den Staatsanwaltschaften und
den Gerichten bestmögliche Instrumente zur Bekämpfung
der Kriminalität zu geben.
Wir verschließen uns nicht dem Ansinnen, § 12 FAG
im Rahmen eines vernünftigen - und dem Eingriff in die
Rechte der Telefonnutzer angemessenen - Verfahrens in
neuer Form in die Strafprozessordnung einzufügen. Ihren
über das Knie gebrochenen Vorschlag, der eine eindeutige
Verwässerung der Regelung und eine Einschränkung der
Effektivität der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden bedeutet, können wir jedoch nicht mittragen. Es war seit langem bekannt, dass und wann § 12 FAG außer Kraft treten
wird. Dennoch hat die Koalition die Zeit nicht genutzt, in
einem Gesetzgebungsverfahren, das einen Eingriff in
Grundrechtspositionen sauber und angemessen regelt,
eine dauerhafte Fortgeltung dieser Regelung zu kodifizieren. Herr Staatssekretär, Sie haben das Thema unerträglich lange schleifen lassen und überbieten sich jetzt in Aktionismus.
Der vorliegende Entwurf ist nicht durchdacht und in
sich widersprüchlich, wie Sie selber in der Begründung
Ihres Gesetzentwurfs zugeben.
({12})
Er widerspricht auch dem erklärten Ziel der Bundesregierung, den Terrorismus mit bestmöglichen Mitteln zu
bekämpfen. Die Entwurfsfassung ist ein massiver Rückschritt im Vergleich zu dem bisherigen Rechtszustand.
Wir bedauern es außerordentlich, dass Sie uns im Rechtsausschuss keine Gelegenheit gegeben haben, angemessen
über dieses schwierige Thema, das natürlich mit Eingriffen in Grundrechtspositionen verbunden ist, zu beraten. Schließlich handelt es sich ja nicht um eine Regelung,
die sich einfach aus dem Ärmel schütteln lässt. Man kann
nicht einfach sagen: Wenn sie nichts ist, machen wir halt
eine neue. Diese Regelung ist ja von einer gewissen Bedeutung.
Ich finde es besonders ärgerlich, dass wir jetzt eigentlich Gelegenheit gehabt hätten, eine Regelung auf den
Weg zu bringen, die Bestand hat und auf Dauer wirkt. Die
Strafverfolgungsbehörden haben in der heutigen Zeit
wirklich etwas anderes zu tun, als immer wieder in das
Gesetzblatt zu schauen, was sich geändert hat. Es wäre
richtig gewesen, die Regelung zu verlängern. Dann hätte
man genug Zeit gehabt, um eine gute Regelung auf den
Weg zu bringen und den Strafverfolgungsbehörden ein Instrument an die Hand zu geben, das bei der Bekämpfung
der Kriminalität wirksam ist und die Bürgerrechte trotzdem nicht einschränkt. Diese Chance haben Sie verpasst,
wie es bei manchen Gesetzgebungsvorhaben der letzten
Zeit auch der Fall war. Deswegen werden wir nicht zustimmen.
({13})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Weniger wegen der Union - obwohl der Kollege
Kauder mir gerade reichlich Gelegenheit gegeben hat,
ihm zu antworten -, sondern wegen alle der beiden kleineren Parteien habe ich Wert darauf gelegt, heute hier
noch einmal zu diesem Gesetzentwurf zu sprechen.
Herr Kollege Funke, ich verstehe überhaupt nicht, wie
ein gestandener Abgeordneter aus einer sich liberal nennenden Fraktion dafür sein kann, dass die alte Regelung
des § 12 FAG erneut verlängert wird, von der Sie selber
und eigentlich alle sagen, dass sie nicht nur alt ist - sie
stammt aus dem Jahre 1927 -,
({0})
sondern auch die moderne Telekommunikation nicht
berücksichtigt. Vor allen Dingen aber engt sie eine Reihe
von Freiheitsrechten unzulässigerweise viel zu weit ein,
weil der Eingriff in das Telefongeheimnis, nämlich die
Feststellung, mit welcher Telefonnummer jemand eine
Verbindung hatte, bei jeder x-beliebigen Straftat vorgenommen werden soll, auch dann, wenn es vielleicht nur
um einen kleinen Diebstahl, einen kleinen Betrug oder
eine Sachbeschädigung geht. Diesen Teil der alten Regelung wollen wir im Gegensatz zu Ihnen nicht beibehalten.
({1})
Zur PDS kann ich nur feststellen, dass sie überhaupt
keine Änderung will. Sie hat im Rechtsausschuss alle Anträge abgelehnt. Ich bin nun wirklich kein großer Freund
repressiver Strafverfolgungsmaßnahmen. Aber auch Sie
müssten einsehen, dass es hin und wieder ein Interesse der
Strafverfolgungsbehörden gibt, zu wissen, wer mit wem
telefoniert hat. Wenn wir beispielsweise - Ihnen passiert
das sicherlich wie mir auch - nachts am Telefon beschimpft und beleidigt werden,
({2})
dann haben wir und auch die Strafverfolgungsbehörden
das Interesse, zumindest zu wissen, von welcher Telefonnummer der Anruf kam. Das ermöglicht diese Vorschrift.
Dasselbe gilt, wenn festgestellt werden soll, wer zuletzt
mit einem Ermordeten telefoniert hat. So etwas festzustellen ist doch ein berechtigtes Anliegen der Strafverfolgungsbehörden. Es geht überhaupt nicht um die Gesprächsinhalte, sondern nur um die Daten der
Telekommunikationsverbindungen. Wie man angesichts
dessen sagen kann, man wolle und brauche dies alles
nicht, verstehe ich nicht.
Wir haben hier ein Gesetz vorgelegt, das die Möglichkeit aufrechterhält und sogar noch ein bisschen ausbaut,
Telekommunikationsverbindungen im Rahmen des Notwendigen festzustellen. Die Erweiterung bezieht sich zum
einen auf die Daten, die aufgezeichnet werden können,
zum anderen auf den Zeitraum, für den eine solche Maßnahme zulässig sein soll. Den Zeitraum haben wir auf drei
Monate begrenzt. Das ist richtig und vernünftig. Wenn
man erkennen will, ob und von wem ein Telefonanschluss
angewählt wird, dann standen die Richter auch in der Vergangenheit immer wieder vor der Notwendigkeit - darauf
hat der Datenschutzbeauftragte hingewiesen -, solche Ermächtigungen für einige Wochen zu erteilen. Wurden sie
nicht erteilt, hat die Staatsanwaltschaft sie alle paar Tage
oder Wochen neu gefordert. Jetzt dehnen wir das auf drei
Monate aus; das ist richtig und vernünftig und notwendig,
weil es einem berechtigten Bedürfnis der Strafverfolgungsbehörden entspricht.
Aber, Herr Kollege Kauder, nicht alles, was möglich
ist, um den Terrorismus zu bekämpfen, ist richtig. Unsere
Fraktion und unsere Koalition bestehen auf der Einhaltung der rechtsstaatlichen Regeln und der Freiheitsrechte,
({3})
die wir doch verteidigen wollen. Wir können nicht das
Kind mit dem Bade ausschütten, indem alle möglichen
Formen polizeilicher Repression zugelassen werden. In
den USA treibt das ganz schreckliche Blüten; es wird über
Folter und über monatelange Festnahme ohne jede Beschuldigung und ohne jedes Verdachtsmoment gesprochen. Das wollen wir nicht.
({4})
Vielmehr wollen wir uns in den Bahnen bewegen, die
richtig und vernünftig sind und zugleich die Freiheitsrechte sichern.
Die wichtigste Bestimmung, um die wir die frühere
Regelung erweitert haben, ist, dass die Vorschrift nur für
erhebliche Straftaten gilt. Es ist doch zwingend, dass erstens die Regelungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und dass zweitens die Richter die Maßnahmen anordnen. Wenn Staatsanwälte das im Einzelfall
wegen Gefahr im Verzuge machen, dann muss unverzüglich die nachträgliche richterliche Genehmigung eingeholt werden. Anders geht das vor allen Dingen in Zukunft
nicht.
Wir wollen drittens ebenfalls nicht - Herr Pick hat bereits darauf hingewiesen -, dass im Stand-by-Verkehr,
wenn also ein Handy nur da liegt, aber keine Verbindung
besteht, für die so genannten Bewegungsbilder festgestellt und aufgezeichnet werden kann, wo es sich befindet.
Wir haben viertens im Anschluss an die Diskussion
über dieses Thema in der letzten Legislaturperiode von
Anfang an verlangt und großen Wert darauf gelegt - das
war tatsächlich einer der Gründe, warum es so lange gedauert hat -, dass die Berufsgeheimnisträger geschützt
bleiben, weil wir es für richtig halten, dass Anrufe bei
Geistlichen, beispielsweise Beichtvätern - Beichtmütter
gibt es wohl gar nicht -,
({5})
Verteidigern und Abgeordneten nicht festgehalten, sondern geschützt werden sollen, weil diese Vertrauenssphäre schützenswert ist. Wir haben die Diskussion darüber, ob auch die anderen Berufsgeheimnisträger wie
Rechtsanwälte, Ärzte, aber auch vor allen Dingen Journalisten in gleicher Weise geschützt werden sollen, noch
nicht abgeschlossen. Das wollen wir nachbessern, sobald
das in Auftrag gegebene Gutachten vorliegen wird, was
bisher leider daran scheiterte, dass die dazu erforderlichen
Daten von den von Ihnen regierten Ländern noch nicht geliefert worden sind. Eigentlich sollte dieses Gutachten im
September vorliegen.
({6})
Deshalb konnten wir diesen Punkt noch nicht klären und
erledigen. Das wird nachgeliefert werden.
Wir haben hiermit ein sehr wirksames, aber den rechtsstaatlichen Grundsätzen und Freiheitsrechten verpflichtetes Gesetz geschaffen. Es ist ein recht gutes Gesetz, das
weiter verbessert werden kann. Auf jeden Fall ist es viel
besser als die Regelung, die wir damit ablösen.
({7})
Das Wort hat
jetzt Herr Kollege Funke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ströbele, natürlich brauchen wir eine Nachfolgeregelung zu § 12 FAG. Das war
doch zwischen uns völlig unstreitig.
Unsere Kritik bezieht sich darauf, dass Sie dieses Gesetz in einem wirklich chaotischen Verfahren beraten
wollten.
({0})
- Herr Kollege Ströbele, ich wollte Sie gerade ansprechen.
({1})
Herr Kollege Ströbele, wir wollten lediglich eine ordnungsgemäße Beratung zu dieser Nachfolgeregelung.
Das, was Sie hier veranstalteten, war das schlichte Chaos.
({2})
Das wundert mich bei der rot-grünen Koalition nicht,
({3})
aber wir mussten das in den letzten Jahren noch nicht in
einem solchen Ausmaß erleben.
Wenige Tage vor dem Auslaufen der alten Regelung
des § 12 FAG haben Sie dieses Gesetz im Rechtsausschuss durchgepeitscht.
({4})
Heute soll es noch schnell im Plenum beschlossen werden. Der Bundesrat hat überhaupt keine Möglichkeit
mehr, beispielsweise den Vermittlungsausschuss anzurufen, es sei denn, man ließe sich darauf ein, dass es zeitweise überhaupt keine gesetzliche Regelung gibt. Sie
wussten die ganze Zeit über, dass § 12 FAG geändert werden muss. Das ist schon ein sehr beachtlicher Vorgang.
({5})
Selbst parlamentarische Regeln haben Sie missachtet. Sie
haben noch nicht einmal abgewartet, bis das Protokoll der
Anhörung vorlag.
({6})
Es ist wirklich abenteuerlich, wie hier miteinander umgegangen wird.
({7})
- Herr Hartenbach, ich kann doch auch zuhören und habe
zugehört.
({8})
- Dann brauchen wir überhaupt kein Protokoll mehr.
Das ist eine diffizile Rechtsfrage. Es geht um rechtsstaatliche Fragen, um Fragen der Einhaltung des Grundgesetzes. Deshalb möchte ich doch einen Blick ins Protokoll werfen können. Das haben Sie uns verwehrt.
({9})
In der Sache kann man sehr unterschiedlicher Meinung
sein. Es ist sicherlich richtig, dass die Nachfolgeregelung
zu § 12 FAG in der Strafprozessordnung untergebracht
wird. Das ist systematisch in Ordnung.
Ausdrücklich begrüßt die FDP, dass die Neuregelung
gerade keine Auskünfte über die „Aktiv“-Meldung von
Mobiltelefonen, also beim Stand-by, erlaubt.
({10})
- Das halte ich auch für richtig. Keine Bewegungsbilder!
Das ist übrigens auch einer der Gründe dafür, dass wir
uns dem CDU/CSU-Änderungsantrag nicht anschließen
können.
({11})
Im Übrigen bleibt es inhaltlich dabei, dass trotz eines
vielfach besseren Schutzes gegen Eingriffe in die Grundrechte nach Art. 10 Grundgesetz - das kann man begrüßen - die Eingriffsschwelle gegenüber der Vorgängerregelung letztlich deutlich niedriger ist, da Straftaten von
erheblicher Bedeutung als Voraussetzung für einen Eingriff ausreichen. Die FDP hätte einen abschließenden und
klar festgelegten Katalog befürwortet, so wie sie es auch
beim Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten getan
hat.
({12})
Das war bei der Schnelligkeit, in der Sie in der Nacht von
Dienstag auf Mittwoch beraten haben, wohl nicht möglich.
Hinzu kommt noch etwas. Zwar hat der Bundesdatenschutzbeauftragte eine Reihe von Änderungen im Grundsatz durchaus begrüßt, aber immerhin vier wesentliche
Punkte kritisiert und die haben Sie nicht berücksichtigt.
Das ist einer der Gründe, die mich zu der Auffassung geführt haben, dass inhaltliche Fragen nicht hinreichend
berücksichtigt worden sind, weil Sie sich in der Nacht die
Zeit dafür nicht genommen haben und auch nicht nehmen
konnten. Wir hätten eine gründliche Beratung gewünscht.
Das war wegen Ihrer Verzögerung vorher nicht möglich.
Deswegen lehnen wir das Gesetz ab.
({13})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Kenzler.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Uns ist durch eigene Anfragen, aber auch durch den Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vom März dieses Jahres
bekannt, dass die Zahl der strafprozessualen Telefonüberwachungen und damit der Eingriffe in die Grundrechte nach Art. 10 Grundgesetz seit Jahren erheblich
steigt.
({0})
Bereits 1999 haben die Datenschutzbeauftragten einiger Bundesländer Alarm geschlagen; denn in der Vergangenheit wurden die staatlichen Lauschbefugnisse durch
ausufernde Überwachungsvorschriften und -maßnahmen
ständig erweitert.
({1})
Die Zahl der richterlichen Anordnungen für Telefonüberwachungsmaßnahmen nach § 100 a StPO hat sich bereits
von 1989 bis 1993 nahezu verdoppelt. 1996 ist sie sogar
auf über 6 000 angewachsen.
({2})
- Das müssen Sie sich trotzdem anhören. - Derzeit werden jährlich mehr als 13 000 Telefonanschlüsse abgehört.
Wenn davon im Durchschnitt circa 50 Gesprächsteilnehmer betroffen sind, geraten schätzungsweise mehr als
600 000 Bürger im Jahr in eine Telefonkontrolle. Das sind
die Fakten. Damit nimmt Deutschland beim Abhören international einen Spitzenplatz ein.
Der Katalog der Straftaten, bei denen die Telefonabhörung erlaubt ist, wurde mehrfach erweitert. Er umfasst
inzwischen circa 90 Straftatbestände. Insgesamt ist die
Entwicklung deshalb höchst alarmierend.
Unter diesen Umständen dürfte man zumindest entsprechende rechtsstaatliche Sicherungen erwarten. Das ist
aber nicht der Fall. Die Zustimmung des Richters zur Telefonüberwachung braucht nicht begründet zu werden. Es
gibt auch keine richterliche Verlaufskontrolle mit regelmäßigen Berichtspflichten. Rechtstatsachenforschung und
Qualitätskontrolle gibt es bislang ebenfalls nicht in ausreichendem Maß. Berichte an das Parlament über Anlass,
Verlauf, Ergebnisse, Anzahl der Betroffenen und Kosten
der durchgeführten Maßnahmen sucht man vergebens. Es
findet schlichtweg eine unzulängliche Rechtskontrolle
statt. Es geht uns nicht um Totalverweigerung, sondern um
das Wie und um die Rechtskontrolle.
({3})
Herr Kollege Ströbele, Sie werden uns aber auch nicht in
die Ecke der Totalzustimmung bekommen, in der Sie sich
offensichtlich befinden.
Statt diesen Zustand zu verbessern, wird die Auskunftsbefugnis von Strafverfolgungsbehörden über Telekommunikationsverbindungen in die StPO eingestellt und
bis 2004 befristet. Mit dem Verweis auf noch ausstehende
Gutachten sind rechtsstaatliche Korrekturen in weite
Ferne gerückt.
Für die neu eingefügten §§ 100 g und 100 h StPO setzt
der Entwurf die Eingriffsschwelle zum Teil sogar niedriger, wenn auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ abgestellt wird. Im Interesse der Rechtsklarheit und damit
der Rechtssicherheit sollte zumindest ein abschließender
Katalog der Straftaten von erheblicher Bedeutung aufgestellt werden.
Auskünfte über Telekommunikationsdaten sollten
nicht geringeren Anforderungen als bei der Telefonüberwachung unterworfen werden. Bedenklich ist im Übrigen
auch, dass keine Höchstfrist für die Anordnung der Auskunft über in der Vergangenheit liegende Telekommunikationsdaten vorgesehen ist.
Auch wenn jetzt noch auf die Schnelle durch die Regierungskoalition beim Zeugnisverweigerungsrecht ein
Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot für bestimmte
Berufsgruppen nachgereicht wurde - was ich durchaus
anerkenne und was auch unser Sachverständiger bei der
Anhörung mit ins Gespräch gebracht hat -, können wir
diesem Gesetzentwurf wegen grundsätzlicher Bedenken
nicht zustimmen.
({4})
Jetzt hat der Abgeordnete Jürgen Meyer das Wort.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung, der heute in zweiter und dritter Lesung
beraten und verabschiedet werden soll, erfüllt eine Forderung, die von der Koalition und der Opposition dieses
Hauses gemeinsam erhoben worden ist. Ohne dieses Gesetz würde die durch den bisherigen § 12 des Gesetzes
über Fernmeldeanlagen den Strafverfolgungsbehörden
eröffnete Möglichkeit, von verpflichteten Diensteanbietern Auskunft über Telekommunikationsverbindungen
zu verlangen, am 31. Dezember dieses Jahres ersatzlos
beendet. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie sollten sich also überlegen, ob Sie heute mit
Nein stimmen können.
({0})
Unbestreitbar ist es aber für eine effektive Strafverfolgung unverzichtbar, dass die Strafverfolgungsbehörden
derartige Auskünfte zu Ermittlungs- und Fahndungszwecken auch weiterhin erhalten können. Die Nachfolgeregelung musste der Tatsache Rechnung tragen, dass die
Ermittlungsmaßnahme einen Eingriff in mehrere Grundrechte darstellt. Betroffen ist zum einen das FernRainer Funke
meldegeheimnis gemäß Art. 10 Grundgesetz, zum anderen aber auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 Grundgesetz.
Die hier interessierenden Auskünfte betreffen nicht
den Inhalt von Ferngesprächen, wohl aber technische Daten wie Zeitpunkt, Anschlussstelle und Ort des Gespräches. Ursprünglich - darauf haben mehrere Redner
hingewiesen - sollten auch im Sachzusammenhang stehende Regelungen wie die Überwachung von Telefongesprächen gemäß § 100 a StPO systematisch neu geregelt
werden. Leider hat sich dieses bis zum Zeitpunkt des Auslaufens der Geltung von § 12 FAG als umöglich erwiesen.
Darauf gehe ich noch ein, Herr Kollege Kauder.
({1})
Gleichwohl ist die Nachfolgeregelung unbestreitbar
besser als die auslaufende Regelung. Dies stellt beispielsweise der Bundesbeauftragte für den Datenschutz bei
aller Einzelkritik in seinem Schreiben vom 12. November
dieses Jahres zutreffend fest. Er hebt als positiv hervor:
Erstens wird die Nachfolgeregelung aus systematischen Gründen in die StPO eingegliedert und damit auch
inhaltlich in die Nähe der Telekommunikationsüberwachung gerückt.
Zweitens werden die Anspruchsvoraussetzungen angehoben, indem - wenn die Tat nicht mittels einer Endeinrichtung begangen worden ist - eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen muss.
Drittens wird die Harmonisierung mit den Vorschriften
der Telekommunikationsüberwachung in den §§ 100 a,
100 b StPO fortgesetzt, indem beispielsweise eine Anordnung, die wegen Gefahr im Verzug durch einen Staatsanwalt erfolgte, außer Kraft treten soll, wenn sie nicht binnen drei Tagen vom Richter bestätigt wird.
Die Tatsache, dass die Neuregelung bis zum 31. Dezember 2004 befristet wird, dient nicht zuletzt dem
Zweck, spätestens zu diesem Zeitpunkt eine umfassende
Regelung des Schutzes von Zeugnisverweigerungsrechten der Berufsgeheimnisträger vorzunehmen.
({2})
Die aus den Ausschussberatungen hervorgegangene
Regelung umfasst zum Beispiel noch nicht das journalistische Zeugnigsverweigerungsrecht, dessen gesetzliche
Neuregelung gegenwärtig noch Gegenstand eines Vermittlungsverfahrens ist. Nach meiner Auffassung wird in
die spätestens 2004 erfolgende endgültige Regelung auch
das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3
StPO aufgenommen werden können.
Ich gehe davon aus, dass mit der bevorstehenden Reform für diesen Bereich bis dahin gute Erfahrungen gemacht sein werden. Eine vorsichtige Bewertung des heute
zu verabschiedenden Gesetzes kann nur lauten, dass es
besser ist als § 12 FAG, dass es aber nicht das Ende der
Diskussion bedeuten kann.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass die
Telefonüberwachung gemäß § 100 a StPO häufig Gegenstand lebhafter Debatten, auch in diesem Hause, gewesen
ist.
({3})
Dabei hat die CDU/CSU-Fraktion immer wieder eine Erweiterung des Deliktskataloges verlangt, während die
Koalition auf einer gleichzeitigen kritischen Überprüfung
der derzeitigen Katalogtaten
({4})
und der Einführung von Kontrollmaßnahmen analog den
für die technische Wohnraumüberwachung vorgesehenen
Kontrollen gemäß Art. 13 des Grundgesetzes bestanden
hat.
({5})
Grundlage der von allen Fraktionen gewünschten Reform sollte ein rechtstatsächliches und rechtsvergleichendes Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts
sein, das zwar vom Bundesjustizministerium im Dezember 1999 in Auftrag gegeben worden ist, aber bis heute
nicht fertig gestellt werden konnte. Der Grund dafür ist
einfach und alles andere, Herr Kollege Kauder, als Anlass
für Vorhaltungen etwa gegenüber der derzeitigen Bundesregierung.
({6})
Die Herausgabe der Akten für die vereinbarte empirische
Untersuchung bedurfte nämlich einer gesetzlichen
Grundlage, die seit dem bekannten Volkszählungsurteil
des Bundesverfassungsgerichts von 1983 längst hätte
geschaffen werden müssen.
({7})
Leider haben der früheren Bundesregierung die 16 Jahre
bis 1998 dafür nicht ausgereicht.
({8})
Der Flughafenkompromiss eines neuen Strafverfahrensänderungsgesetzes vom August 1998 scheiterte letztlich am Widerstand der Bayerischen Landesregierung.
Die Folge war, dass beispielsweise das FDP-geführte
Justizministerium von Baden-Württemberg
({9})
verständlicherweise die Herausgabe der benötigten Akten
zunächst abgelehnt hat, bis die überfällige gesetzliche
Grundlage vorliegen würde.
({10})
Bekanntlich ist unter der Federführung der jetzigen
Bundesregierung das Projekt StVÄG zügig zu Ende gebracht worden,
({11})
Dr. Jürgen Meyer ({12})
sodass die gesetzliche Grundlage für die Herausgabe der
benötigten Akten im August des vergangenen Jahres in
Kraft treten konnte.
Anschließend, verehrte Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU-Fraktion, kam es dann zu viel zu langen
und teilweise von bürokratischer Bedenkenträgerei der
Landesregierungen von Baden-Württemberg und Bayern
({13})
gekennzeichneten Verhandlungen zwischen dem MaxPlanck-Institut und den genannten Bundesländern. Dadurch vergingen volle zwölf Monate, bis endlich im August dieses Jahres die Akten übergeben worden sind.
Das ist der Sachverhalt, der zur Folge hat, dass wir
heute lediglich eine vorläufige, wenn auch den alten § 12
FAG verbessernde Regelung und nicht eine Gesamtregelung der Überwachung von Telekommunikation verabschieden können. Wenn also die von der Opposition in
den Ausschussberatungen und heute erhobenen Vorwürfe
ernst gemeint sein sollten, müssten sie auf die frühere
Bundesregierung und die genannten CDU-FDP bzw.
CSU-geführten Landesregierungen zurückfallen.
({14})
Sobald im kommenden Jahr die rechtstatsächliche und
rechtsvergleichende Untersuchung des Freiburger MaxPlanck-Instituts vorliegt, werden die Beratungen über die
Reform insbesondere von § 100 a StPO, die wir ja gemeinsam wollen, intensiv aufzunehmen sein.
({15})
Ich hoffe, dass dem Bundestag dann gelingt, was trotz
mehrerer Anläufe der Justizministerkonferenz, auf die wir
ursprünglich gesetzt hatten,
({16})
nicht gelungen ist, nämlich ein Gesetz, das sowohl dem
Grundrechtsschutz der Betroffenen als auch der Effektivität
der Strafrechtspflege in vollem Umfang Rechnung trägt.
Ich danke Ihnen.
({17})
Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
der Strafprozessordnung in der Ausschussfassung. Dazu
liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache
14/7691 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt
für den Änderungsantrag der CDU/CSU? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und
PDS gegen die Stimmen der CDU/CSU abgelehnt worden.
Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist damit in dritter Lesung mit dem eben festgestellten
Stimmenverhältnis angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier,
Doris Barnett, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker
Beck ({0}), Grietje Bettin, Dr. Thea Dückert,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen
- Drucksache 14/5975 ({1})
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Patentwesens an den Hochschulen
- Drucksache 14/5939 ({2})
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({3})
- Drucksache 14/7573 Berichterstattung:
Abgeordneter Alfred Hartenbach
Dr. Norbert Röttgen
Volker Beck ({4})
Sabine Jünger
Zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen liegt
ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor.
Erfreulicherweise haben die Kollegen Hartenbach,
Loske, Funke, Böttcher und Tauss ihre Reden zu Protokoll
gegeben.1) - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.
Herr Hauser, ich habe gehört, dass es Ihre letzte Rede
sein könnte. Wir werden Ihnen daher besonders aufmerksam zuhören. Als einziger Redner in dieser Debatte hat
der Kollege Norbert Hauser das Wort.
({5})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einigen Tagen
Dr. Jürgen Meyer ({0})
1) siehe Anlage 2
läuft in unseren Kinos der Film „Harry Potter und der
Stein der Weisen“.
({1})
Herr Tauss, wenn Sie sich diesen Film angeschaut hätten,
dann hätten Sie etwas lernen können. Offenbar haben Sie
das nicht gemacht. Mit Ihrem Vorschlag zur Abschaffung
des Hochschullehrerprivilegs haben Sie den Stein der
Weisen jedenfalls nicht gefunden. So ist das eben, wenn
sich „Bildungsmuggels“ austoben dürfen.
({2})
Alle waren sich einig: Das Hochschullehrerprivileg ist
ein Relikt aus der Kaiserzeit; daher ist es abzuschaffen. Es
gibt den Professoren eine Vormachtstellung, die nicht
zeitgemäß ist. Während sie von ihren Erfindungen finanziell profitieren können, geht die Universität, die die Infrastruktur und damit die Voraussetzungen für die Erfindungen zur Verfügung stellt, leer aus. Gerade in der
heutigen Zeit, in der viele unserer Hochschulen finanziell
am Stock gehen, ist ein solches Ungleichgewicht nicht akzeptabel.
({3})
Den Hochschulen sind bessere Rechte bei der Vermarktung von Patenten zu geben. Diesem Ziel wurde
auch die Initiative des Bundesrats vom Dezember 2000
gerecht. Sicherlich hätte man über diese Initiative gesondert positiv abstimmen können; aber es herrschte die Auffassung, das Arbeitnehmererfindungsgesetz insgesamt sei
zu novellieren. Auch die Bundesratsinitiative hätte in Detailfragen noch überarbeitet werden müssen; allerdings
stimmte zumindest einmal die Richtung.
Sie von Rot-Grün gingen einen anderen Weg.
({4})
Man brachte einen eigenen Gesetzesantrag ein. Dieser
fand zwar kaum die Zustimmung der Betroffenen und der
Verbände. Aber das war Ihnen, wie üblich, egal; Mehrheit
ist Mehrheit. Sie hielten am einmal eingeschlagenen Kurs
fest und zeigten sich, wie auch sonst, in vielen Fällen absolut beratungsresistent. Entsprechend schlecht durchdacht ist das Ergebnis.
({5})
Bei den Beratungen hat wieder einmal die Bundesforschungsministerin Bulmahn verloren. Erst hakte es zwar
zwischen den beteiligten Ministerien, sodass die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen eigenen
Entwurf vorlegten; aber dann kam die Ministerin doch
noch aus den Puschen.
({6})
Im Juli stimmte das Kabinett ihrem Vorstoß endlich zu
und unsere Ministerin feierte sich selbst, wie sie es auch
in diesen Tagen - dies wurde durch eine Pressemitteilung
deutlich - wieder trefflich getan hat.
({7})
- Ich gebe gern zu: In dieser Disziplin ist sie Weltmeisterin.
({8})
Bei einigen anderen Disziplinen, auf die es eigentlich ankommt, hat sie die Kreisklasse noch nicht erreicht.
({9})
Die Überschrift der Pressemitteilung hieß: „Bulmahn
holt Erfindung aus den Schubladen“.
({10})
Ihr Problem ist allerdings: Es gab Zoff im Bundesrat, der
seinen eigenen Vorschlag - zu Recht - für besser hielt,
und Frau Bulmahn geriet in Zeitnot. Antwort Bulmahn:
Zurück in die Schublade und schnell wieder vergessen.
Das war der wegweisende Beitrag unserer Bundesforschungsministerin zur Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs!
({11})
Ob die Hochschulen bei der Umsetzung des rot-grünen
Gesetzentwurfes besser fahren, ist allerdings auch zweifelhaft. Zahlreiche Fachleute haben die heute vorliegende
Regelung scharf kritisiert und darauf gedrängt, sie zu
überarbeiten. Herausgekommen sind eine Fristverlängerung von einem Monat auf zwei Monate für die Offenbarungsmöglichkeit nach vorher angezeigter Erfindung
beim Dienstherrn und das Austauschen des Wortes „Veröffentlichung“ durch „Offenbarung“ in der Frage, was zu
tun ist, wenn ein Erfinder die Preisgabe seiner Diensterfindung ablehnt.
({12})
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, diese Änderungen sind Marginalien. Sie müssen sich die Frage gefallen
lassen, ob Sie die guten Ratschläge der Fachleute überhaupt zur Kenntnis genommen haben.
Wie schwach Ihr Gesetzesvorschlag ist, erkennt man
bereits an zwei Details:
Die Frist zwischen der Anmeldung der Diensterfindung beim Dienstherrn und der Möglichkeit, sie zu offenbaren, wird von einem Monat auf zwei Monate verlängert.
Zahlreiche Sachverständige haben bei dem Bericht
erstattergespräch im Rechtsausschuss darauf gedrängt, die
Frist auf vier Monate zu verlängern. Bei einer Frist von nur
zwei Monaten ergeben sich Schwierigkeiten bei der Bewertung der Erfindungsergebnisse und gravierende Probleme bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Im
Übrigen beträgt die nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz übliche Frist gemäß § 6 Abs. 2 vier Monate. Das
heißt: Wird in der Wirtschaft geforscht, so hat der Arbeitgeber zwei Monate länger Zeit, als wenn eine Hochschule
beteiligt ist. Warum Sie den Hochschulen nicht die gleiche
Zeit einräumen wollen, konnten Sie nicht überzeugend
darlegen.
Norbert Hauser ({13})
Völlig außer Acht gelassen haben Sie das Problem der
Gemeinschaftserfindungen. Ohne eine Lösung dieser
Frage in der Neufassung von § 42 des Arbeitnehmererfindungsgesetzes ist dieses jedoch nicht tragfähig.
({14})
- Sie werden hier noch eine Neuformulierung vornehmen,
Herr Tauss.
Wer glaubt, dass der Arbeitnehmer in der Hochschule
in einem stillen Kämmerlein vor sich hin brütet, dann
schreit: „Heureka, ich habe es!“, in das Rektorat rennt und
sagt: „Hier ist meine Erfindung“, der denkt in Kategorien
des 19. Jahrhunderts.
Die Wirklichkeit sieht anders aus:
({15})
Heute wird im Team geforscht; oft sind unterschiedliche
Träger beteiligt.
({16})
Es kann also sein, dass Hochschulen mit Forschungseinrichtungen und Abteilungen aus der Industrie gemeinsam
Erfindungen hervorbringen und es bei der Offenbarung zu
Problemen kommt. Was ist dann zu tun? Ihr Gesetzentwurf
gibt darauf keine Antwort. Dies hat nicht nur für die Patentierbarkeit von Hochschulerfindungen Folgen. Wenn
diese alltäglichen Probleme nicht juristisch geklärt werden, wird es zu Schwierigkeiten sowohl bei der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, zwischen Hoschschulen und Instituten und zwischen Hochschulen und der
Wirtschaft kommen als auch bei der Einwerbung dringend
benötigter Drittmittel.
Sie sollten nicht die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. Sie halten aber trotz des Wissens, dass Ihr Entwurf von allen vorliegenden Entwürfen der schwächste
ist,
({17})
krampfhaft am eigenen Entwurf fest. Wahre Größe zeigt
sich daran, wie man mit Kritik umgeht. Was das anbelangt, Herr Tauss,
({18})
sind Sie bis heute noch nicht über einen Zwergenwuchs
hinausgekommen.
({19})
Meine Damen und Herren, die Koalition wird noch
nicht einmal ihrem eigenen politischen Anliegen gerecht.
Frau Bulmahn versprach in ihrer Pressemitteilung eine
Unterstützung der wirtschaftlichen Verwertung von
Hochschulpatenten. Dafür sollte es eine Gesetzesänderung geben; zudem sollte ein 100-Millionen-Programm
aufgelegt werden. Der Ansatz ist löblich, die Realisierung
aber ist leider unzureichend. Dafür werden Agenturen gegründet bzw. bereits tätige Agenturen erhalten neue Aufträge. Wenn ich den Forschungsgeist in den Hochschulen
betrachte, dann glaube ich, dass sie Erfolg haben werden.
Nach drei Jahren aber wird die Förderung seitens des
Bundes eingestellt. Was passiert dann? Diese Frage beantwortet der Gesetzentwurf nicht.
Ohne eine weitere finanzielle Unterstützung durch den
Bund werden die dann mühsam aufgebauten Strukturen
abgebaut. Wenn Deutschland hinsichtlich der wirtschaftlichen Verwertung von Hochschulpatenten konkurrenzfähig sein will, muss die Förderung langfristig angelegt
werden. Das heißt, es muss die Bereitschaft zu einem Anschlusskonzept geben.
({20})
Fehlt diese Bereitschaft, läuft man Gefahr, 100 Millionen
in den Sand gesetzt zu haben.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie verfahren folgendermaßen: Erst setzt man Länder und Hochschulen an einen reich gedeckten Tisch, um ihnen nach
der Vorspeise den Hauptgang wegzunehmen.
({21})
Was bleibt, ist Hunger.
({22})
Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Bundesrat.
Dieser hat am 27. September 2001 in seiner Stellungnahme zum inzwischen eingestampften Gesetzentwurf
der Bundesregierung festgestellt:
Die in einigen Ländern noch aufzubauenden Patentund Verwaltungsstrukturen werden jedoch voraussichtlich über die Dauer der auf drei Jahre befristeten
Bundeshilfen hinaus defizitär bleiben. Deshalb fordert der Bundesrat eine entsprechende Verlängerung
der finanziellen Unterstützung durch den Bund.
Aber auch dieser Appell hat die Ohren der Koalition
nicht erreicht, obwohl
({23})
- Herr Kollege, das ist Ihnen natürlich unangenehm auch die Länder das mitverfasst haben, in denen die Landesregierungen von Ihnen getragen werden. Verschließen
Sie also nicht die Augen vor der Wirklichkeit, stellen Sie
die Weichen für eine dauerhafte Lösung! Gesetzestechnisch wäre noch Zeit innerhalb der kompletten Novellierung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes.
({24})
Es wäre ja nicht das erste Mal, dass Sie innerhalb weniger
Monate Ihre eigenen Gesetze überarbeiten müssten.
({25})
Norbert Hauser ({26})
Meine Damen und Herren, uns allen ist daran gelegen,
die Hochschulen bei der wirtschaftlichen Vermarktung ihrer Patente zu unterstützen. Wir liegen im internationalen
Vergleich noch weit zurück. Hilfe seitens des Bundes ist
dringend notwendig, sowohl als Geldgeber wie auch als
Gesetzgeber.
({27})
Wenn Sie heute das Arbeitnehmererfindungsgesetz in der
vorliegenden Fassung beschließen, versagen Sie als Gesetzgeber. Es bleibt zu hoffen, dass die Erfinder an unseren Hochschulen auch ohne rot-grüne Hilfe in der Lage
sind, den Stein der Weisen zu finden.
Ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende.
({28})
Danke schön. Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zu der Abstimmung über den von den
Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf. Der Rechtsausschuss empfiehlt
unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/7573, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS
vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den
Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 14/7652? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt worden.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist
damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und
FDP bei Enthaltung der PDS angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,
wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf
ist damit in dritter Lesung mit dem eben festgestellten
Stimmverhältnis angenommen worden.
Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten
Gesetzentwurf zur Förderung des Patentwesens an den
Hochschulen. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter
Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Wir sind damit am Schluss unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 12. Dezember, 13 Uhr, ein.
Sofern ich mich mit dem Kalender richtig auskenne,
kann ich Ihnen einen schönen Advent wünschen.
Die Sitzung ist geschlossen.