Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatung in
zweiter Lesung - die letzte unter einer rot-grünen Bundesregierung ({0})
muss zu unserem Bedauern mit folgender Feststellung
beginnen: Deutschland befindet sich in einer Rezession und die ist hausgemacht. Die rot-grüne Bundesregierung und ihr Finanzminister haben erheblichen Anteil daran.
({1})
Wir haben bereits vor einem Jahr auf dunkle Wolken
am Konjunkturhimmel und auf rezessive Tendenzen hingewiesen. Unsere frühere Forderung nach einem Nachtragshaushalt, die wir bereits im März dieses Jahres erhoben haben, wurde genauso abgetan wie der Hinweis
auf sich abzeichnende Löcher in den Haushalten 2001
und 2002. Zuerst wurde die Realität geleugnet. Dann
wurde von einem bescheidenen Wachstum - immerhin geredet. Dann wurde daraus eine schwarze Null und
dann eine rote Null. Dann wurde von Minuswachstum
und Stagnation gesprochen. Schließlich gab man zu,
dass man am Rand einer Rezession stehe. All dies wurde
in mehreren Etappen im Verlauf der letzten Monate zugegeben, und zwar vor dem 11. September. Aufwärts gehen aber nur die Arbeitslosenzahlen, die Sozialabgaben,
die Schulden, die Zahl der Pleiten, die Energiepreise und
die Steuern. Die rot-grüne Bundesregierung hat bei der
Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik total versagt.
({2})
Das Bemerkenswerte an dieser Aufzählung ist, wie
viele Vokabeln es für das wirtschaftliche Versagen von
Rot-Grün gibt. Wenn man sich jede dieser Vokabeln einzeln auf der Zunge zergehen lässt, dann stellt man fest:
Wir befinden uns - das erfüllt uns überhaupt nicht mit Genugtuung - in einer Rezession.
Die Haushaltsberatungen haben den wirtschaftlichen
Niedergang in letzer Minute nachvollziehen müssen.
Kreatives Gegensteuern ist ausgeblieben. Die Bundesregierung hat die Hände in den Schoß gelegt. Bis dahin
wurde die Kenntnisnahme der Realität verweigert. Sie befinden sich gewissermaßen in einem Spagat zwischen
Realitätsverweigerung und Zweckoptimismus. Ich nenne
das Finanzautismus.
({3})
Meine Damen und Herren, es ist falsch, wenn behauptet wird, die Wachstumsschwäche Deutschlands sei
durch die Weltwirtschaft, insbesondere die Rezession in
Amerika, verursacht worden. So unberechtigt die dreiste
Aussage des Kanzlerkandidaten Schröder im Mai 1998
war: „Dies ist mein Aufschwung“, so zutreffend ist heute
die Feststellung, dass die Rezession 2001/2002 hausgemacht ist und Schröders Abschwung darstellt. „Schröder
ist der Kanzler des Abschwungs.“
({4})
Dies schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ bereits am 7. November dieses Jahres.
Der Abschwung wurde im Wesentlichen durch eine
falsche, verpennte und rechthaberische Politik dieser
Bundesregierung verursacht. Die letzten Zahlen beweisen, dass die Binnenwirtschaft schwächer als der Export
ist. Ohne den Außenbeitrag ginge es der deutschen Wirtschaft noch schlechter. Das Minus läge nicht bei 0,3 Prozent, sondern bei 1,2 Prozent und wäre damit viermal
höher.
Der Bundesfinanzminister fordert nun von den Unternehmen und Bürgern Vertrauen, Investitionen und Konsum. Um seine Nettokreditaufnahme um jeden Preis zu
verteidigen, sitzt er bei beschlossenen Investitionen aber
längst im Bremserhäuschen. Ich sage es ganz konkret:
Herr Eichel, Sie sind für den Wegfall von 100 000 Arbeitsplätzen auf dem Bau persönlich verantwortlich. Der
Bahn-Vorstand hat in einem internen Vermerk festgehalten, dass das Bundesfinanzministerium über Monate Vereinbarungen verschleppt und die vollständige Verplanung
der Mittel, die die Bahn einsetzen wollte, verweigert hat.
Das Ergebnis: Bei der Deutschen Bahn AG konnten
bis Mitte November Bundesmittel in Höhe von 5 Milliarden DM nicht ausgegeben werden. Beim Straßenbau
sind es 2,7 Milliarden DM. Im sozialen Wohnungsbau
sind es 30 Prozent der Bundesmittel, bei Investitionen in
Gesundheit und Sport 50 Prozent, bei der Landwirtschaft
gar 60 Prozent. Das ist eine Statistik Ihres Hauses, die
deutlich macht, dass Sie die Investitionen bewusst
zurückhalten und damit die Arbeitslosigkeit steigern, nur
um die Nettokreditaufnahme in Grenzen zu halten.
({5})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Das Ganze haben Sie vor einem Jahr als „Zukunftsprogramm“ gefeiert und sich dafür auf die Schultern geklopft.
Ich zitiere aus einem Vermerk der Bahn:
Alle wesentlichen Finanzierungsvereinbarungen
für das Jahr 2001 waren im Dezember mit dem
BMVBW einvernehmlich ausgehandelt, aber noch
nicht vom Bund unterzeichnet. Die Unterzeichnung
durch den Bund erfolgte teils im Februar, teils später.
Dadurch entstandene Verzögerungen erwiesen sich
als nicht einholbar. Einzelfinanzierungsvereinbarungen wurden teilweise bis Ende April mit der Begründung nicht unterzeichnet, die bereits gezeichneten
Vereinbarungen schöpften das Fördervolumen des
Bundes aus.
({6})
- „Einzelfinanzierungsvereinbarungen“ mit der Bahn
„wurden teilweise bis Ende April mit der Begründung
nicht unterzeichnet, die bereits gezeichneten Vereinbarungen schöpften das Fördervolumen des Bundes aus“. Das
heißt, man hat der Bahn gesagt: Bitte gebt das Geld, das wir
bereitgestellt haben, nicht aus; ihr dürft es gar nicht ausgeben. Heute aber wirft man der Bahn vor, sie sei mit ihren
Investitionen nicht schnell genug, daher brauche man auch
keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.
({7})
Anstatt die Mittel, die die Bahn nicht ausgeben darf, für
den Straßenbau zur Verfügung zu stellen, wie es CDU
und CSU wiederholt gefordert haben, sollen sie verfallen.
Das ist ökonomisch falsch und schadet dem Wachstum.
Außerdem vernichten Sie mit dieser Politik Arbeitsplätze.
({8})
Sie versuchen damit, die Neuverschuldung im Plan zu
halten, verschärfen aber die Problematik nach Art. 115 des
Grundgesetzes, der den Abstand zwischen Investitionen
und Neuverschuldung beschreibt. Schon in diesem Jahr
- so behaupten wir - werden Sie Probleme mit dieser Verfassungsgrenze haben. Auch reicht die Kreditermächtigung im Haushalt ohne Zustimmung des Haushaltsausschusses nicht aus.
Meine Damen und Herren, zehn Monate vor der nächsten Bundestagswahl ist es angemessen, neben der Detailbetrachtung eine Bilanz rot-grüner Haushaltspolitik vorzunehmen: Das Wachstum ist eingebrochen, der Geldwert
des Euro ist um 25 Prozent gesunken, aus sinkender Arbeitslosigkeit wurde trotz Aufblähung der Mittel für den
zweiten Arbeitsmarkt - lassen Sie sich nichts vormachen:
Die Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt waren nicht
1998, sondern 2001 höher denn je - eine steigende Arbeitslosigkeit. Die Sozialabgaben klettern, die Zahl der
Pleiten hat zugenommen, die Energiepreise wurden nach
oben „gezwiebelt“, Investitionen wurden gedrosselt, Hilfen für Mittelstand, neue Länder und Landwirtschaft
gekürzt. Die Ausgaben für Forschung und Technologie
liegen in der Summe unter denen des Jahres 1998.
({9})
Die Rentenerhöhungen liegen unter der Inflationsrate.
Wenn der Rentenminister sagt,
({10})
im nächsten Jahr gebe es 2 Prozent mehr, und dabei tut,
als sei er der Weihnachtsmann und verschenke an dieser
Stelle etwas, dann beschreibt das eigentlich nur, dass er
sich an das Gesetz halten muss, das die Rentenerhöhungen des nächsten Jahres an die Nettolohnentwicklung des
Vorjahres koppelt. Das ist also ebenfalls kein Verdienst.
({11})
Die Rentenerhöhungen liegen seit zwei Jahren unter
der Inflationsrate. Bei den Krankenkassen muss über
Bundeszuschüsse geredet werden. Die Steuerquote steigt
wie die Ausgaben des Bundes und die Schulden. Die
Menschen müssen heute länger im Jahr für den Staat arbeiten; ihnen verbleibt weniger als 1998. Die Gemeindehaushalte entwickeln sich katastrophal, was die Investitionen noch einmal kräftig dezimiert.
Schuld ist eine ignorante Politik, die Arbeitnehmer und
Betriebe spüren, die ihnen die Eigenverantwortung nimmt
und sie wegen dieser Entwicklung mit Sorge erfüllen
muss. Das Gespenst der Arbeitslosigkeit ist in den letzten drei Jahren größer geworden.
({12})
Das alles ist unter der Überschrift „Sparpolitik“ vom
SPD-Parteitag ein bisschen kritisiert und dann abgenickt
worden. Nur der DGB-Vorsitzende sprach von einem
Skandal, als er die 4 Millionen Arbeitslosen erwähnte.
SPD-Kollege Schreiner sprach vom Ende eines Wahlversprechens. Lafontaine - die Älteren werden sich noch an
ihn erinnern;
({13})
das war 1998 der Hintermann auf dem Tandem - sagte vor
nicht einmal vier Wochen:
Unter der SPD geht es Arbeitern und Rentnern
schlechter.
({14})
- Wo er Recht hat, hat er Recht. Wenn wir das sagten, dann
würde das wohl angezweifelt werden.
({15})
Der Bundesfinanzminister ist mit den Vokabeln Konsolidierung, Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit angetreten. Die Bundesregierung sagt, sie wolle
Deutschland modernisieren und die Lebensgrundlagen
der jungen Generation bewahren.
Herr Finanzminister, auf meine Frage, wie Sie denn
Konsolidierung eigentlich messen wollen, haben Sie im
Ausschuss einen Vergleich zwischen der Summe aus der
Neuverschuldung 1998 und den Privatisierungserlösen
auf der einen Seite und den entsprechenden Zahlen für
dieses Jahr auf der anderen Seite gezogen. Ich will diese
Berechnung heute nachvollziehen.
In den vier Jahren von 1995 bis 1998 wurde „Tafelsilber“, wie Sie das damals nannten, also Bundesvermögen,
im Wert von 27,8 Milliarden DM veräußert. Von 1999 bis
2002 werden es nach Ihren Plänen 66,6 Milliarden DM
sein. Diese Mittel sollen zur Stopfung von Haushaltslöchern dienen. Nimmt man die UMTS-Milliarden hinzu,
die Sie ja hinsichtlich der Zinszahlungen entlasten, werden es gar 165 Milliarden DM sein. Das sind Privatisierungserlöse, die Sie brauchen, um Ihren Haushalt auszugleichen. Das heißt doch, dass Sie durch die
Privatisierung mit der Brechstange immer mehr Vermögen der Bürger für Konsum verfrühstücken. Das ist keine
Konsolidierungspolitik.
({16})
Sie schwimmen durch gewaltige ererbte Privatisierungserlöse im Geld - Sie müssten sich eigentlich jeden
Tag bei Theo Waigel dafür bedanken, dass er die Privatisierung möglich gemacht hat -, senken die Neuverschuldung aber nur minimal ab. Die Gesamtschuldenlast steigt.
Ein kümmerliches Ergebnis. „Hans im Glück“ hat aus
einem von Theo Waigel ererbten Goldklumpen der Privatisierungschancen
({17})
einen Haufen Schulden gemacht.
({18})
Um die Ausgabenlast und -steigerung zu kaschieren,
macht man Ausgaben zu negativen Einnahmen und
nimmt im Übrigen bei der KfW, bei der Treuhandanstalt
und bei der Post Zuflucht zu Schattenhaushalten und zu
gewaltigen Zuflussvermerken. Die Mittel für die Finanzhilfen Ost werden ausgabeseitig ganz aus dem Haushalt
herausgenommen und auf der Seite der Steuereinnahmen
des Bundes und der Länder abgezogen. Das Ausgabenvolumen müsste also um insgesamt 6,6 Milliarden DM
höher sein. Weil Sie das wissen, kündigen Sie bereits
heute ein zweites Sparprogramm an, natürlich für die Zeit
nach der Bundestagswahl. Herr Eichel, die Bürger werden
dafür sorgen, dass Sie es nicht zu vollziehen brauchen.
({19})
Trotz der Wachstumsschwäche wird der Bund im
nächsten Jahr nach Ihrer Betrachtung fast 50 Milliarden DM mehr Steuern einnehmen als 1998. Aber nur ein
Bruchteil dieses Betrages, bestenfalls etwa 10 Milliarden DM, werden wirklich zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme verwandt. 41,5 Milliarden DM neue Schulden sind 2002 erforderlich, um für 48,8 Milliarden DM
Investitionen zu tätigen. Ist das Konsolidierung?
Von 1999 bis 2002 tilgen Sie zwar 100 Milliarden DM
durch die UMTS-Erlöse, machen aber gleichzeitig
183 Milliarden DM neue Schulden. Ist das Sparpolitik?
({20})
Statt die notwendige Reform der Alterssicherung in
Angriff zu nehmen, haben Sie über die so genannte Ökosteuer einfach mehr Geld in die Rentenversicherung gepumpt und den Bürger dafür bezahlen lassen.
Wie Sie mit den Rentnern umgehen, zeigt ein Gesetzentwurf, den wir heute im Haushaltsausschuss erörtert
haben. Der Rechnungshof, vor einer halben Stunde zu
diesem Vorgang befragt, hat eher davon abgeraten, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Der Gesetzentwurf
soll den Griff des Arbeitsministers in die Rentenkasse erlauben, um eine Beitragserhöhung um 0,3 Punkte, die
sonst fällig wäre, zu vermeiden und den Haushalt zu entlasten.
Ich darf das einmal vorlesen, weil die Bundestagsdrucksache 14/7284 die ganze Situation sowie auch das
Vorgehen dieser Bundesregierung und dieses Finanzministers beschreibt:
Durch ein Absenken der Mindestschwankungsreserve um 20 vom Hundert einer Monatsausgabe wird
ein Anstieg des Beitragssatzes um drei Zehntel Prozentpunkte verhindert.
Mit anderen Worten: Wenn man nicht in die Schwankungsreserve eingriffe, müsste der Rentenbeitrag steigen.
Der Bund wird durch diese Maßnahme im Jahr 2002
um etwa 0,5 Mrd. Euro beim allgemeinen Bundeszuschuss sowie von rund 0,2 Mrd. Euro bei den
Beiträgen für Kindererziehungszeiten entlastet.
Also, um 0,7 Milliarden Euro, 1,4 Milliarden DM, wird
der Bundeshaushalt entlastet, weil der Arbeits- und Sozialminister in die Rentenkasse greift.
({21})
Sie schaffen dadurch eine etwas bessere Situation. Ist das
Konsolidierungspolitik? Ist das Sparpolitik? Ist das verantwortliche Sozialpolitik? Wir sagen eindeutig: nein.
({22})
Wir könnten uns jetzt lange über das Sparpaket unterhalten, das Sie im Jahr 1999 verabschiedet haben und das
im Wesentlichen darin bestand, Lasten auf die Länder,
Gemeinden und Sozialversicherungen zu verschieben.
Dadurch haben Sie das Maastricht-Problem natürlich
nicht gelöst. Wenn Sie die Schulden nicht machen, müssen andere Schulden machen und das ändert dann an der
gesamtstaatlichen Verschuldung überhaupt nichts. Auch
das ist keine Konsolidierung. Das ist nicht nachhaltig. Das
ist allenfalls eine nachhaltige Verschiebung des Reformdrucks.
Auch bei dem groß gefeierten Solidarpakt II, der mit
einer Tilgungsaussetzung beginnt, haben Sie eine Lastenverschiebung in die Zukunft, auf die nächste Generation,
vorgenommen, was Sie früher selbst kritisiert haben.
({23})
Die Post soll in einer Art Panikaktion beschleunigt
privatisiert werden, und zwar zu schlechteren Kursen, als
dem Ausgabewert der Aktien entspricht. Die Einnahmen
aus der Privatisierung waren ursprünglich dafür gedacht,
die Altersversorgung der ehemaligen Postbediensteten
abzusichern. Wir müssen davon ausgehen, dass die Mittel
dafür in nächster Zeit nicht ausreichen werden. Das heißt,
dass Sie auch diese Belastung auf künftige Generationen
verschieben.
Meine Damen und Herren, der Investitionsanteil des
Haushalts sinkt auf ein historisches Tief. Auch das ist
nicht nachhaltig; denn schnelle Investitionen sind preiswerte Investitionen. Je mehr man das Ganze streckt und
schiebt, umso teurer wird es. Auch dies ist also keine
nachhaltige Politik.
Die Steuerreform muss mit der gleichen Elle gemessen
werden. Die Salamireform hat nicht zu einer signifikanten Senkung der Steuerbelastung der normalen Arbeitnehmer und des Mittelstands geführt. Wenn Sie damit
kokettieren, dass Sie das Kindergeld ab 1. Januar erhöhen, dann sage ich: Dieser Entlastung steht aber die Tatsache gegenüber, dass die Zahl der Kinder in Deutschland
in den letzten Jahren um 300 000 gesunken ist, was Ihnen
diese Ausgabe erleichtert. Außerdem reicht das höhere
Kindergeld nicht aus, um die zusätzlichen Belastungen
auszugleichen, die die Familien aus allein vier neuen
Steuern, die am 1. Januar in Kraft treten, haben, nämlich
die nächste Stufe der Ökosteuer, Versicherungsteuer, Tabaksteuer und Bauabzugsteuer, eine Steuer, die bisher
noch niemand so richtig in ihrer belastenden Wirkung erkannt hat.
({24})
Auch das ist keine nachhaltige Politik.
Die rot-grüne Steuerreform entpuppt sich als weitere
Verkomplizierung des Steuerrechts, schamloses Abkassieren des Mittelstands und der Leistungsträger der Gesellschaft.
({25})
Vor der Wahl hat die damalige Opposition angekündigt, sie würde die Ausgaben für Forschung und Bildung
verdoppeln. Sie wurden vorhin unruhig, als ich gesagt
habe:
({26})
Die Ausgaben für Forschung und Technologie sind im
nächsten Jahr real niedriger als vor der Bundestagswahl.
Dies kann man anhand konkreter Zahlen ganz eindeutig
belegen.
Das Gleiche gilt natürlich auch für das BAföG. Vor
kurzem wurde eine große Reform verkündet. Ergebnis ist,
dass heute weniger Geld im Haushalt zur Verfügung steht
und im nächsten Jahr noch weniger Geld für BAföG
ausgegeben wird. Ist das Politik für die Zukunft?
Ich habe den Eindruck, dass die Bundesregierung die
Öffentlichkeit im Hinblick auf die Leistungen des Bundes
für die neuen Länder hinters Licht führt. Bis 1998 wurde
jedes Jahr in tabellarischen Aufstellungen festgehalten,
welche Mittel in die neuen Bundesländer fließen. Der
Bundesfinanzminister hat dem Kollegen Luther vor kurzem mitgeteilt, diese Listen würden nicht mehr weitergeführt. Man fragt sich, warum denn wohl. Wahrscheinlich
wäre es zu blamabel, wenn offensichtlich würde, welche
Einschnitte bei der Mittelstandsförderung in den neuen
Ländern, bei der Forschungsförderung und bei der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur vorgenommen werden.
Der Bundeskanzler hat gesagt, er werde sich „jederzeit“ an der Zahl der Arbeitslosen messen lassen. Der alte
Zirkusgaul hat sich vergaloppiert, als er behauptet hat, die
Zahl der Arbeitslosen werde in Richtung 3 Millionen sinken. Die Betrachtung der manipulierten Statistik und der
demographischen Entwicklung zeigt, dass auf diesem
Gebiet das entscheidende Versagen der rot-grünen Bundesregierung liegt.
({27})
Die Arbeitslosigkeit steigt. Senkung der Zahl der Arbeitslosen heißt offensichtlich nur, dass diese Zahl nicht zu
sehr steigt. Diese Zahl steigt aber; sie liegt alsbald bei
über 4 Millionen. Man fragt so ganz diskret: Was ist eigentlich aus der Faulenzerdebatte geworden, die der Bundeskanzler einmal losgetreten hat?
({28})
Der Sachverständigenrat stellt zu Recht fest, dass die
Bundesregierung drei der vier Ziele des Stabilitäts- und
Wachstumsgesetzes verfehlt hat. Statt Wachstum gibt es
Rezession, statt Vollbeschäftigung mehr Arbeitslose und
statt eines ausgeglichenen Haushalts geht der Marsch in
die Verschuldung ungebremst weiter.
({29})
Man betrachte die Entwicklung der konkreten, absoluten
Zahlen.
Dieser Haushalt ist auch deshalb nicht geeignet, die
Situation zu verbessern, weil Sie falsche Daten zugrunde
legen. Sie gehen für das nächste Jahr immer noch von
einem Wachstum von 1,25 Prozent, von einer Zunahme
der Beschäftigung und von Lohnzuwächsen von 2,75 Prozent aus. Diese Rechnung kann nicht aufgehen. Das bedeutet im Ergebnis, dass Sie auch im Jahre 2002 an die
Maastricht-Kriterien gewissermaßen heranschrammen
und wahrscheinlich die in Art. 115 des Grundgesetzes
festgelegte Grenze streifen werden. Ich fordere Sie auf,
spätestens bei der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts
im Januar nächsten Jahres - es sollte nicht wieder nur eine
Märchenstunde werden - die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu erklären, damit Sie in der
Realität keinen verfassungswidrigen Haushalt abwickeln
müssen.
({30})
Wir haben beantragt, die Nettokreditaufnahme weiter
zu senken, mit dem Subventionsabbau zu beginnen, die
Investitionen zu erhöhen
({31})
und den Konsum zu begrenzen. Wir fordern eine Mobilitätsoffensive,
({32})
um über die Infrastruktur die Rahmenbedingungen für
Wirtschaft und Arbeitsplätze zu verbessern.
({33})
- Herr Schlauch, stimmt es, dass wir im Jahre 1998 ein
wirtschaftliches Wachstum von mindestens 2,5 Prozent
hatten und heute - Sie regieren seit drei Jahren - eine Rezession haben? Bei allem, was Sie anderen vorwerfen,
und angesichts der heute vorgelegten Bilanz müssten Sie
sich in ein Schneckenhaus verkriechen.
({34})
Wir wollen auch eine Durchforstung des zweiten
Arbeitsmarktes ermöglichen. Wir wollen mehr Geld für
Verteidigung, damit sich die Bundeswehr nicht weiter international blamiert, Stichwort Großflugzeug. Wir wollen
- dies ist kostenlos - die Rücknahme beschäftigungsfeindlicher Regulierungen am Arbeitsmarkt.
Die vier Jahre bis zum Jahre 2002 werden nach der Bilanz der ersten drei Jahre und nach dem vorgelegten Haushalt, der wesentliche Daten für das letzte Jahr dieser Legislaturperiode setzt, vier verplemperte Jahre für die
Wirtschaft in Deutschland, für die Arbeitslosen und für
die junge Generation sein. Diese Regierung und dieser Finanzminister stehen bereits nach Ablauf von drei Jahren
mit leeren Händen da. Der Haushaltsentwurf 2002 zeigt,
dass diese Regierung auch keine Perspektive für das
vierte Jahr - ihr letztes Jahr - hat.
({35})
Es ist an der Zeit, sich auf den Wechsel einzustellen. Wir
sind dazu bereit.
({36})
Für die SPD-Fraktion
erteile ich das Wort dem Kollegen Hans Georg Wagner.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege
Austermann, ich komme gleich auf Deutschland zurück.
Sie sprachen von einem Phantomland. Ich muss Fragen:
Dort leben Sie wohl, wir nicht.
({0})
Denn alle Punkte, die Sie dargestellt haben, sind heute im
„Handelsblatt“ nachzulesen. Dort wird berichtet, dass
Bankökonomen eine Untersuchung eines amerikanischen
Instituts über die Wirtschaft in Amerika auf Deutschland
übertragen haben. Ich will Ihnen die Überschrift nicht
vorenthalten: „Deutschland steckt nicht in der Rezession“.
({1})
Das steht heute Morgen im „Handelsblatt“. Ich unterstelle
einmal: Alles, was Sie gesagt haben, ist falsch und stimmt
nicht.
({2})
Alles, was Sie gesagt haben, ist an den Haaren herbeigezogen und entspricht damit nicht der Wirklichkeit.
({3})
Wenn Sie die Höhe der Ausgaben für Investitionen beklagen - zum Teil ja zu Recht -, muss ich Sie fragen, Herr
Kollege Austermann, ob Sie das wirklich so ernst meinen,
wie Sie es hier immer darstellen. Weil Sie ständig aus dem
Haushaltsausschuss herauslaufen, was ich sehr bedauere,
können Sie nicht mitbekommen, dass zum Beispiel im
Bereich der Bauwirtschaft in all den Jahren kontinuierlich
die vorgesehenen Investitionen zu 99,9 Prozent getätigt
worden sind.
Unser einziges Sorgenkind ist in der Tat die Bahn. Der
Kollege Waigel hat damals mit den für die Bahn bestimmten Mitteln die Pensionskassen aufgefüllt. Das
waren Gelder für Investitionen, die bei der Bahn übrig geblieben waren. Damals war Herr Wissmann Verkehrsminister. Heute versuchen wir, die Mittel dorthin zu lenken, wo sie hin sollen, um endlich die Schere zwischen
Investitionen in den Straßenbau und in den Schienenbau
zu schließen, die Sie geöffnet haben. Wir wollen, dass für
die Schiene genauso viel investiert wird wie für die
Straße.
({4})
Makaber, Herr Kollege Austermann, war Ihre Behauptung bezüglich des Griffs in die Rentenkassen. Ich verstehe die Welt nicht mehr. 1998 betrug die Schwankungsreserve für die Rentenkassen bei Ihnen 18 Milliarden DM.
Die heutige Schwankungsreserve beträgt 27 Milliarden DM. Jetzt müssen Sie mir mit Ihrer Rechenkunst beweisen, das sei weniger als 18 Milliaren. Das kann nur
Herr Austermann so ausrechnen.
({5})
Deshalb habe ich auch gedacht, als der Kollege Steffel in
Berlin Sie zum finanzpolitischen Berater gemacht hat:
Das werden 5 Prozent weniger für die CDU. - Genauso
ist es gekommen, Herr Kollege Austermann.
({6})
Wenn Sie Forschung und Entwicklung ansprechen und
sagen, da sei nicht sehr viel passiert, können Sie nicht
rechnen. Ich freue mich, Frau Kollegin Bulmahn, Ihnen
für die Koalition sagen zu dürfen, dass wir über Ihren Erfolg auf der Forschungsministerkonferenz in der vorigen
Woche in Edinburgh froh sind. Dort hat Deutschland eine
Führungsrolle in der Luft- und Raumfahrt übernommen,
die die Opposition verspielt hat.
({7})
Das soll der friedlichen Nutzung dieser Technik dienen
und nicht dem, was Sie immer im Hinterkopf hatten.
Zur Haushaltsentwicklung im Jahr 2001: Da haben
Sie auch wieder Märchen aufgetischt. Übrigens haben Sie
sich vertan; Sie haben den Nachtragshaushalt schon
im Januar gefordert - im März haben wir darüber diskutiert -, drei Tage nach der Unterschrift des Bundespräsidenten unter den Haushalt. Das nur der Wahrheit wegen.
Wir haben gute Chancen, in diesem Jahr die Defizitlinie von 43,7 Milliarden DM einzuhalten. Die Belastungen
auf dem Arbeitsmarkt mit etwa 4,5 Milliarden DM konnten weder Sie noch wir, die konnte niemand vorhersagen.
Durch den Rückkauf der D-Mark-Münzen, der so genannten Schlafmünzen, sind 2 Milliarden DM Mehrkosten entstanden, die im nächsten Jahr - Herr Kollege
Waigel, das wissen Sie - durch den Verkauf neuer Euromünzen wieder zurückkommen. Nicht realisierte Privatisierungserlöse ergeben 1 Milliarde DM. Das sind 7,5 Milliarden DM weniger in diesem Haushaltsvollzug.
Als Entlastungen nenne ich: Zinsersparnisse von
3 Milliarden, höhere Gewährleistungseinnahmen von
2 Milliarden und die Mehreinnahmen bei der Mineralölsteuer - Sie wissen, die Verrechnung erfolgt jetzt im Dezember, nicht mehr im Januar - von 1,3 Milliarden, sodass
man etwa auf die gleiche Größe wie die Belastungen
kommt. Das heißt, wir haben gute Chancen, den Haushalt
2001 ordnungsgemäß abzuschließen, obwohl wir aufgrund der Steuerschätzung Steuermindereinnahmen von
3,5 Milliarden DM zu erwarten haben. Aber wir sehen,
dass der Haushalt in der Linie läuft, wie er geplant war.
Deshalb ist für Panikmache überhaupt kein Grund, Herr
Kollege Austermann.
({8})
Zum Haushalt 2002, meine Damen und Herren: Durch
die Beschlüsse der Koalition ist sichergestellt, dass der
Konsolidierungspfad, den wir mit dem Zukunftsprogramm 2000 betreten haben, nicht verlassen wird. Wir
bleiben auf diesem Konsolidierungspfad der deutschen
Finanzpolitik, wie schon seit 1999.
Trotz der Wachstumsschwäche, die zweifellos vorhanden ist und die niemand bestreiten kann, bleibt die Nettokreditaufnahme bei 21,1 Milliarden Euro. Das ist angesichts der Rezession in Amerika, der Entwicklung hier in
Europa und der noch größeren Rezession in Japan ein ehrgeiziges Ziel. Genauso halten wir an dem ehrgeizigen Ziel
fest, im Jahre 2006 zu einem ausgeglichenen Haushalt mit
null Nettokreditaufnahme zu kommen, damit wir endlich
mit dem Abbau Ihrer Schulden, der 1,5 Billionen DM
Altschulden der CDU/CSU-FDP-Regierung, beginnen
können.
({9})
Die Neuverschuldung liegt 1,2 Milliarden Euro unter
dem Sollansatz des Jahres 2001. Auch das ist eine erfreuliche Konsolidierungsentwicklung im Bundeshaushalt 2002.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rössel?
Ja, bitte. Warum nicht? Wenn es Ihnen Spaß macht, können Sie eine Frage stellen.
({0})
Lieber Kollege
Wagner, Sie haben gesagt, dass der Konsolidierungskurs
der deutschen Finanzpolitik bekräftigt wird. Stimmt das
auch noch, wenn Sie die Einschätzung des Finanzplanungsrates auf seiner gestrigen Tagung berücksichtigen,
wonach die Schulden der öffentlichen Hand in Deutschland in diesem Jahr bei 88 Milliarden DM liegen werden?
Das ist ein Zuwachs von immerhin 23 Milliarden DM gegenüber dem Jahr 2000. Wie vereinbart sich das mit Ihrer
Aussage? Stimmt sie in der Tat für die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte?
Ich kann nur für den
Bund reden, nicht für die Länder, die von der PDS mitregiert werden, oder für Kommunen, die unter ihrer
Führung stehen.
({0})
Ich stelle nur fest: Für uns ist die Sache auf bestem Wege.
Wir brauchen von dem, was ich gesagt habe, nichts zurückzunehmen.
({1})
Meine Damen und Herren, kommen wir zu den Investitionen, die in der Haushaltsberatung zwangsläufig eine
große Rolle spielen müssen. Wir haben mit Zustimmung
Ihrer Länder - Sie haben das vielleicht verdrängt - das Investitionszulagengesetz, das für die neuen Länder gilt,
durch die Vereinbarung im Solidarpakt II mit den Regierungen der neuen Länder verändert. Mittel in Höhe von
6,6 Milliarden werden jetzt auf der Einnahmeseite verbucht, tauchen aber wieder als Ausgaben auf. Das ist ein
kompliziertes Verfahren. Dadurch sinkt aber nicht die Investitionssumme, wie Sie, Herr Austermann, hier mit
strahlenden Augen geglaubt haben, verkünden zu müssen.
Ganz wichtig ist die Einhaltung von Art. 115 des
Grundgesetzes. Wir liegen mit einer Investitionssumme
von 25 Milliarden Euro und einer geplanten Nettokreditaufnahme von 21,1 Milliarden Euro weit diesseits der
Grenze, ab der ein Haushalt als nicht mehr verfassungsgemäß angesehen wird. Wir sind froh, dass die Koalition
es geschafft hat, diesen Haushalt innerhalb der Bestimmungen des Art. 115 zu halten - im Gegensatz zu Ihnen
in den Jahren 1996, 1998 und anderen Jahren.
({2})
Die Anträge der Union, die ich jetzt nicht im Einzelnen
vortragen möchte, sehen 36,5 Milliarden DM Mehrausgaben vor. Wenn man das auf das herunterbricht, was die
gesamte Opposition in den Haushaltsberatungen beantragt hat, liegt man - das muss man fairerweise sagen bei etwa 6 Milliarden DM. Wenn die Koalition diese
6 Milliarden DM beschlossen hätte, dann läge die Nettokreditaufnahme weit höher als die Investitionen. Das wäre
verfassungswidrig. Wir mussten Ihre Anträge deshalb aus
Gründen der Verfassung ablehnen. Es wäre Verfassungsbruch gewesen, wenn wir diese Anträge angenommen
hätten. Das kann man mit uns nicht machen.
({3})
Frau Merkel hat angekündigt, die Union werde jetzt
auf dem Felde der Wirtschafts- und Finanzpolitik angreifen. Am Sonntag habe ich mir die Ehre gegeben, Frau
Christiansen zu sehen.
({4})
- Ob das eine Ehre ist, ist die Frage; Herr Merz, da gebe
ich Ihnen Recht. - Da kam auf die Frage an Frau Merkel
und Herrn Stoiber, was sie konkret anders machen wollen,
nur Gestotter. Da kam überhaupt nichts.
({5})
Die einzige Aussage von Frau Merkel - ich habe das noch
in Erinnerung - war: Abbau des Kündigungsschutzes, Änderung der Lohnfortzahlung und der Mitbestimmung. Sie
wollen also alle soziale Errungenschaften dieser Koalition wieder abschaffen. Wenn das Ihr Konzept ist, sind Sie
1998 zu Recht abgewählt worden und haben keine
Chance, 2002 wieder gewählt zu werden.
({6})
Ich stelle ganz einfach vier konkrete Fragen.
Erstens. Wie sieht Ihr Konzept zum Abbau Ihrer Schulden von 1,5 Billionen DM ganz konkret aus?
Zweitens. Wie sieht die Gegenfinanzierung Ihrer Anträge aus? Sagen Sie mir einmal, Herr Kollege Rauen
- Sie werden ja nach mir reden -, wie die Gegenfinanzierung etwa der 36,5 Milliarden DM aussehen soll. Wie
sieht das ganz konkret aus? Das können Sie mir sicher sagen. Wir können ja darüber reden. Wieso sollte die Koalition, wenn es sich um vernünftige Vorschläge der Gegenfinanzierung handelt, dagegen sein? Wir wären dafür,
wenn sie seriös sind.
({7})
Ich bezweifle, dass Sie das beweisen können.
Drittens. Welches konkrete Konzept haben Sie zum
Abbau der Arbeitslosigkeit vorgelegt? Sie haben nichts
gesagt - außer dass Sie die Dinge, die wir im sozialen Bereich gemacht haben, abbauen wollen. Viertens. Welches
Konzept haben Sie ganz konkret zur Steigerung des wirtschaftlichen Wachstums?
({8})
Ihre Antworten sind bisher nichts sagend und ausweichend gewesen.
Herr Kollege Repnik - Sie sind im Moment etwas abgelenkt; ich will ausdrücklich auf Sie eingehen -, Sie haben bei der ersten Lesung, als ich sagte, dass wir den
Regierungsentwurf kritisch überprüfen würden und Positionen der Fraktionen in dem Haushalt, der Ende November im Deutschen Bundestag beschlossen wird, erkennbar
werden müssten, gesagt: Was? Ist der Regierungsentwurf
so schlecht, dass Sie ihn nachbessern müssen? - Ich habe
damals gesagt, dass es das natürliche Recht des Parlaments ist, dort, wo es notwendig ist, „Duftnoten“ zu setzen. Das haben wir gemacht. Das ist guter parlamentarischer Stil. Wir waren keine Abnicker wie Sie früher,
({9})
sondern sind ganz konkret die Positionen durchgegangen
und haben sehr viele Forderungen und Anträge durchgebracht, von denen Sie nur geträumt haben.
({10})
Wir haben Umschichtungen und Änderungen beantragt
und durchgesetzt. Ich will sie nur stichwortartig nennen,
weil die Kolleginnen und Kollegen in den Einzelplanberatungen in den nächsten Tagen ganz konkret sagen, wo
wir etwas machen.
Zunächst hatten wir zwei Faktoren zu bedenken:
Erstens Wachstumsabschwächung: Hier ist es so, dass
die Experten bis zum heutigen Tage jeden Tag etwas anderes sagen. Die gleichen Experten wechseln ständig ihre
Meinung. Experten schwanken von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt.
({11})
- Ja, himmelhoch jauchzend waren die Prognosen zu Anfang des Jahres,
({12})
zu Tode betrübt sind sie heute. Sie wechseln ihre Prognosen übrigens schneller als viele andere ihre Hemden.
Zweitens die Bekämpfung des internationalen Terrorismus: Wir haben Mittel in einer Größenordnung von
1,72 Milliarden Euro eingestellt, nicht nur für militärische, sondern auch für humanitäre Zwecke. Es ist vielen
entgangen, dass wir gleich hohe Summen zur humanitären Hilfe zur Verfügung stellen, etwa 80 Millionen
Euro als humanitäre Soforthilfe für Afghanistan, wenn
dort eine Regierung gebildet ist und wir mit humanitären
Maßnahmen eingreifen können.
({13})
Ich bin gespannt darauf, wie Sie beim Einzelplan 23 nachher abstimmen, ob Sie auch gegen diese humanitäre Hilfe
stimmen werden. Sie fordern sie lautstark, wenn sie dann
aber konkretisiert wird, sagen Sie Nein dazu. Das ist keine
klare Oppositionspolitik.
({14})
In Bezug auf Afghanistan müssten wir in die Geschichte zurückblicken. Wir müssen jetzt so schnell wie
möglich die deutsche Schule in Kabul wieder einrichten.
Das war eine Eliteschule für Afghanen; deutsche Arbeit
ist dort anerkannt. Also: Einrichtung der deutschen Schule
in Kabul so schnell wie möglich aus Geldern, die wir für
humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt haben.
Ein weiterer Punkt ist der Polizeiaufbau. Ihn haben wir
vor Jahren bzw. Jahrzehnten schon einmal unterstützt.
Auch das hat ein sehr positives Bild auf Deutschland geworfen. Das sollten wir wieder machen. Deshalb bin ich
froh, dass konkrete Hilfen im Haushalt 2002 stehen; Sie
sollten sie nur mittragen, statt sie ständig in der Öffentlichkeit zu bekämpfen.
({15})
In den Entwürfen zum Haushalt 2002 haben wir ein
wesentlich stärkeres Engagement für zeitgemäße zivile
Krisenprävention und beim Aufbau in den Ländern der
Dritten Welt vorgesehen. Diese Gelder sind notwendig
und werden gebraucht. Wenn in der Öffentlichkeit immer
wieder erzählt wird, die PDS sei die friedensliebende Partei Deutschlands,
({16})
dann erinnere ich nur daran, dass seinerzeit Herr Gysi in
Belgrad gewesen ist und dort den Schlächter Milosevic
kontaktiert hat,
({17})
Ihre Vorgängerpartei beim Ungarn-Aufstand 1956 nicht
gerade die beste Rolle gespielt hat, Ihre Vorgängerinstitution beim Niederschlagen des Prager Frühlings dabei war
und 1980 den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan
ausdrücklich begrüßt hat. Tun Sie, die Sie in dieser Nachfolge stehen, doch heute nicht so, als ob Sie an allem unschuldig gewesen wären. Nicht Sie allein sind die Friedenspartei, sondern wir sind es, die humanitäre Hilfe
einsetzen und versuchen, über Prävention etwas zu erreichen, und erst dann zu militärischen Mitteln greifen, wenn
es unabdingbar ist.
({18})
Mit der Steuerreform 2000 wurde die Wirtschaft in
2001 um 12 Milliarden Euro entlastet. Im Jahre 2002 werden es weitere 6 Milliarden Euro sein. Ich halte es wirklich für ärgerlich, wenn jeden Tag die Repräsentanten von
Großunternehmen in der Öffentlichkeit Massenentlassungen ankündigen - egal, ob es sich um Siemens mit
15 000 Stellen oder um andere handelt: Diese Zahlen können einem die Tränen in die Augen treiben - und gleichzeitig weitere Entlastungen für Unternehmen fordern. Die
Großunternehmen sollten endlich einmal ihre Gewinne in
ihre Betriebe stecken. Der Bundeskanzler hat Recht,
wenn er sagt, dass die Unternehmen die guten Leute, die
sie morgen brauchen, nicht heute entlassen sollten; dann
müssen sie später nicht wegen des Mangels an Facharbeitern nach der Politik rufen.
({19})
Das ist keine Linie. Aber trotzdem bilden sich die Repräsentanten von Großunternehmen ein, sie wären, weltweit gesehen, Spitzenleute. Da ist aber nichts dran, weil
sie den Arbeitsplatzabbau für dringend notwendig halten
und jeden Tagen Zigtausende von Arbeitnehmern auf die
Straße setzen. Das ist keine konsequente Wirtschaftspolitik und auch keine konsequente Unternehmenspolitik. Es
ist schlicht und ergreifend unverschämt, so zu handeln.
({20})
Sie von der Opposition fordern wie die Unternehmer
ständig Steuerentlastungen. Frau Merkel hat von einer
vorgezogenen Steuerreform gesprochen; Herr Stoiber hat
das aber wieder eingesammelt, weil er gemerkt hat, dass
es so nicht funktioniert.
({21})
In der ersten Stufe der Steuerreform haben wir die privaten Haushalte und die Wirtschaft um 45 Milliarden DM
entlastet. Da diese Entlastung am Arbeitsmarkt nicht gewirkt hat,
({22})
muss ich Sie fragen: Was wollen Sie denn mit den 13 Milliarden DM Entlastung aufgrund der vorgezogenen Steuerreform bewegen? Schaffen Sie dadurch einen Arbeitsplatz mehr? Das ist doch offenbar nicht der Fall.
({23})
- Es war eine Schande, als Sie dort Amtsrichter waren,
Herr Merz. Da Sie mich angesprochen haben, muss ich Ihnen direkt sagen: Es war eine Blamage, als Sie an dem
kleinen Amtsgericht in Saarbrücken waren. Das ist doch
bekannt.
({24})
- Als Scharfrichter wäre er wahrscheinlich auch geeignet
gewesen.
Den Unternehmen muss gesagt werden, dass es für das
Ankündigen von Massenentlassungen keiner besonderen
Intelligenz bedarf. Das können Hinz und Kunz tun.
Wie geht es dem Mittelstand in dieser Situation? Eine
Studie der Dresdner Bank und des Wirtschaftsmagazins
„Impulse“ über den Mittelstand in Deutschland ist diese
Woche veröffentlicht worden. Die Ergebnisse dieser
Untersuchung reflektieren die Situation von 1,1 Millionen
mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Trotz des
Konjunktureinbruchs, der auch aufgrund der Ereignisse
am 11. September eintrat, wollen nur 8 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen Stellen abbauen.
({25})
Bei Ausbildung und Beschäftigung ist der Mittelstand der
stabilisierende Faktor des Arbeitsmarktes.
({26})
Ohne die mittelständische gewerbliche Wirtschaft würde
es am Arbeitsmarkt viel trister aussehen. Ich habe das
Handeln einiger Großunternehmen eben erwähnt. Deshalb hat der Mittelstand unsere besondere Förderung und
wird weiterhin, auch im Bundeshaushalt 2002, gefördert.
({27})
Im Investitionsbereich hat die Koalition die Mittel für
das Programm „Soziale Stadt“, die Städtebauförderung
sowie den sozialen Wohnungsbau um 220 Millionen Euro
angehoben. Wir wissen natürlich, dass jede öffentliche
Mark im Städtebau - dies gilt vornehmlich für die westlichen Länder und gilt bei Beibehaltung der Förderung der
östlichen Bundesländer mit 520 Millionen DM oder mit
260 Millionen Euro im Jahr - 8 DM an privaten Investitionen auslöst. Deshalb ist dies ein wichtiges Programm.
Die Koalition hat sich eindeutig dazu bekannt, dieses Programm arbeitsmarktmäßig einzusetzen. Deshalb gibt es
die Erhöhung um 220 Millionen Euro.
({28})
Wir fördern den Stadtumbau Ost, über den zu Recht
viel diskutiert worden ist, mit 1,1 Milliarden Euro bis zum
Jahr 2009. Auch dies ist ein Punkt, bei dem ich erwarte,
dass die Opposition zustimmt. Zumindest im
Haushaltsausschuss hat sie es nicht getan. Aber sie hat ja
noch die Chance, im Plenum des Deutschen Bundestages
diesem Programm zuzustimmen.
Der Aufbau Ost bleibt vorrangige Aufgabe. Das
Niveau des Vorjahres bei der Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ mit
751 Millionen Euro bleibt erhalten. Wir haben die Mittel
für den Goldenen Plan um 15 Millionen Euro aufgestockt.
Für das Netzwerkmanagement innovativer KMUs - das
entsprechende Programm heißt „NeMO“ - stellen wir
2,8 Millionen Euro zur Verfügung. Es handelt sich dabei
um ein neues Programm, das in den neuen Bundesländern
wirklich funktioniert. Weil es so gut funktioniert, werden
wir es weiter fördern, damit es endlich zu positiven
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in den neuen Ländern kommt.
({29})
Es ist das Gebäudesanierungsprogramm zu nennen, das
der Verminderung von CO2-Emissionen dient. Die Mittel
für dieses Programm hat die Koalition für 2004 und 2005
auf jeweils 200 Millionen Euro festgesetzt. Das führt pro
Jahr zu einer Sanierung von 200 000 Wohnungen. Das ist
eine ganze Menge angesichts der Situation vorher.
Die ökologische Modernisierung der Volkswirtschaft
wird weiter betrieben. Wir haben die Mittel für das Programm der Markteinführung von erneuerbaren Energien
um 100 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro angehoben. Für die Energieforschung haben wir 20 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt.
Zu den Einzelplänen möchte ich nicht allzu viel sagen,
weil das den nächsten Tagen vorbehalten bleibt. Insgesamt ist festzustellen: Wir befinden uns mit diesem Haushalt auf der richtigen Linie. Die Koalition hat den
Konsolidierungskurs, den Hans Eichel eingeschlagen hat,
bisher ohne irgendwelche Widersprüche mitgetragen.
Auch auf den Parteitagen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen wurde übrigens die Wirtschaftsund Finanzpolitik der Bundesregierung einmütig unterstützt. Auch das ist ein Punkt, den man ansprechen muss.
({30})
Bei Ihnen von der CDU/CSU ist dagegen mittlerweile
nicht einmal mehr erkennbar, ob es überhaupt noch einen
Kandidaten oder ob es bereits einen K.o.-Kandidaten, was
die Kanzlerkandidatur betrifft, gibt. Die Beantwortung
dieser Frage ist für Sie sehr viel wichtiger als die
wirtschaftliche Entwicklung. Ich finde, das ist schlecht.
Denn es ist Aufgabe der Oppositionspartei, sich für Letzteres einzusetzen.
Im kulturellen Bereich werden wir weiterhin viele
- auch neue - Hilfen leisten. Wir werden auf Vorschlag
des Bundeskanzlers eine deutsche Kulturstiftung einrichten. Wir haben dazu für die nächsten drei Jahre entsprechende Mittel in der Größenordnung von 150 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt.
({31})
Der Bundeskanzler wird vor Weihnachten mit den Ministerpräsidenten darüber sprechen, ob sich die Länder daran
beteiligen. Sie sollten auf jeden Fall dabei sein. Ich hoffe,
dass die Länder so einsichtig sind, sich mit der gleichen
Summe zu beteiligen, damit das Vorhaben einer deutschen
Kulturstiftung endlich Wirklichkeit und für die Bevölkerung sichtbar wird.
({32})
Folgendes ist auch zu erwähnen: Wir haben auch an die
Hilfsdienste gedacht, zum Beispiel an das Technische
Hilfswerk. Das Technische Hilfswerk ist in Ihrer Regierungszeit sträflich vernachlässigt worden.
({33})
Der Präsident des Technischen Hilfswerkes und die Vizepräsidentin der Helfervereinigung sitzen hier unter uns.
Die können das bestätigen. Die Koalition ist darangegangen, gerade diese ehrenamtlichen Helfer, die bei Katastrophen weltweit eingesetzt werden und die im Sinne der
betroffenen Bevölkerung wirkungsvoll tätig sind, jetzt
mit Mitteln so auszustatten, dass sie technologisch in der
Lage sind, einzugreifen und zu helfen - und das auf
Dauer. Ich halte es für eine tolle Sache, dass sich die Koalition zu dieser Entscheidung durchgerungen hat.
({34})
Nachher wird Hans Urbaniak eine Rede über den Umsatzsteuerbetrug halten. Über Jahre hinweg ist es verschleppt worden, diesen Umsatzsteuerbetrug wirksam zu
bekämpfen. Die jetzige Koalition beginnt damit. Etwa
20 Milliarden DM pro Jahr wurden hier verschleudert.
Darum haben Sie sich überhaupt nicht gekümmert, wahrscheinlich deshalb, weil Ihre Klientel davon betroffen gewesen wäre. Wir haben darauf Gott sei Dank keine Rücksicht zu nehmen und wollen dieses verschleuderte Geld
der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.
({35})
Herr Austermann, Sie haben soeben vom Subventionsabbau gesprochen. Das ist gut und schön. Einen geregelten Subventionsabbau gibt es im Bundeshaushalt:
Die entsprechende Vereinbarung zwischen den Vertretern
der deutschen Steinkohle, dem Saarland, NordrheinWestfalen und der Bundesregierung hat damals Herr
Rexrodt - der „Mister Wirtschaft“ der alten Regierung; er
war genauso erfolglos, wie er es wäre, wenn er jetzt auf
diesem Gebiet tätig wäre ({36})
eingeführt. Die jetzige Bundesregierung hält nur das ein,
was die alte vereinbart hat, und zwar auf Heller und Pfennig, und Sie wollen ständig aus dieser Sache heraus.
({37})
- Herr Austermann, Sie rufen gerade „Nein“. Dazu muss
ich Ihnen sagen: Ihr Parteifreund Müller im Saarland lebt
ganz gut davon, dass die Bundesregierung bis jetzt auch
die Gelder, die das Saarland für die Finanzierung des Abbaus der Subventionen hätte zur Verfügung stellen müssen, übernommen hat.
({38})
Man könnte ja der Meinung sein, solche freiwilligen Leistungen des Bundes müssten nicht sein. Wenn Sie das
gerne hätten, dann sagen Sie das und dann machen wir das
auch.
({39})
Was den Abbau von Subventionen betrifft, so gibt es
viel umfangreichere Bereiche, zum Beispiel den der
Landwirtschaft auf der Ebene der Europäischen Union.
Wir wissen, dass 80 Prozent der Mittel der Europäischen
Union in die Landwirtschaft fließen. Das sind hohe Subventionen. Von Ihnen habe ich nie die Forderung gehört,
dort Subventionen abzubauen.
({40})
- 80 Prozent, Herr Kollege.
({41})
- Als Amtsrichter konnten Sie nicht rechnen und heute
können Sie es auch nicht.
Der nächste Punkt. Dass in der Vergangenheit Subventionen im Bereich der Forschung ausschließlich nach
Bayern und Baden-Württemberg gegangen sind, weiß ich.
Das haben wir dahin gehend geändert, dass nun auch andere Bundesländer an den Forschungsgeldern, die der
Bund zur Verfügung stellt, partizipieren.
All das sind Dinge, bei denen man miteinander über
den Subventionsabbau reden muss. Wenn Sie das nicht
wollen, dann nehmen Sie das Wort „Subventionsabbau“
am besten gar nicht in den Mund.
Ich bin der Meinung, dass dieser Haushalt grundsolide
ist. Er wird im nächsten Jahr auch so vollzogen.
({42})
Wir sind stolz darauf, dass die Ziele, die sich die Koalition gesetzt hat, eingehalten worden sind. Wir laden Sie
ein: Machen Sie mit, damit wir endlich einen vernünftigen Haushalt verabschieden können.
({43})
Für die FDP-Fraktion
erteile ich Dr. Günter Rexrodt das Wort.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Herr Kollege Wagner, unser Bundeshaushalt enthält ja eine Fülle von Einzelpositionen. Ich
muss zugeben: Es ist Ihnen wahrlich gelungen, einen ganz
außergewöhnlich hohen Prozentsatz der Einzelpositionen
anzusprechen. Sie sind ein fleißiger Mann und wenn Sie
sich Mühe geben, dann laufen Sie richtig auf und können
ganz schnell sprechen. Das verdient Anerkennung, Herr
Kollege Wagner.
({0})
Was keine Anerkennung verdient, ist die Tatsache, dass
Sie sich nicht mit den Grundlinien der Finanz- und Wirtschaftspolitik auseinander gesetzt haben. Da kam gar
nichts, Herr Kollege Wagner.
({1})
Das hätte ich in einer haushaltspolitischen Debatte eigentlich erwartet.
({2})
Wir lesen hier nun den letzten Haushalt dieser Legislaturperiode, das Hauptbuch der Nation. Rot-Grün hat 1998
den Mund sehr voll genommen. Es sollte alles besser werden. Schauen wir einmal, was davon in diesem Hauptbuch
zu erkennen ist.
Da haben wir zunächst das Vorzeigeprojekt von Hans
Eichel, die Rückführung der Nettokreditaufnahme und
die Vision eines ausgeglichenen Haushalts 2006. Die Liberalen haben im Übrigen den Finanzminister in diesem
Kurs immer bestärkt. Dieser Kurs ist aus vielen Gründen,
auch aus volkswirtschaftlichen Gründen, ohne Alternative. Der Abbau der Nettoneuverschuldung ist notwendig
vor dem Hintergrund des enormen Schuldenzuwachses in
den 90er-Jahren. Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie zugeben, dass es vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung zu diesem Zuwachs nie eine Alternative gab.
Der Finanzminister hat ob dieses Kurses viele Lorbeeren geerntet. Ihre Politik war ein, wie man heute sagt,
Asset rot-grüner Regierungsverantwortung. Heute allerdings, Herr Eichel, müssen wir uns fragen, ob das nicht
Vorschusslorbeeren waren.
({3})
Ich möchte feststellen - und werde das auch belegen können -: Das waren nichts als Vorschusslorbeeren.
({4})
Ihnen ist es zwar noch einmal gelungen, in Ihrem
Haushalt nominell 21,1 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung und damit 1,2 Milliarden Euro weniger als im
Vorjahr auszuweisen. Auch in den Folgejahren senken Sie
die Zahlen. Aber wer genau hinschaut, sieht, dass diese
Zahlen für das Jahr 2002 und die folgenden Jahre in gleich
mehrfacher Hinsicht Ausdruck der verschiedensten Rechentricks sind und dass es eine verdeckte Kreditaufnahme bei der KfW, einer staatseigenen Bank, gibt, um
diese Zahlen überhaupt ausweisen zu können.
Es sind Rechentricks, Herr Eichel, weil Sie 3,3 Milliarden Euro Finanzhilfen Ost nicht mehr auf der Ausgabenseite, sondern auf der Einnahmenseite als Mindereinnahme ausweisen. Außerdem werden Tilgungsraten beim
Fonds „Deutsche Einheit“ in Höhe von fast 800 Millionen Euro gestreckt. Das ist eine Verschiebung der Lasten
auf künftige Generationen.
({5})
An dieser Stelle - ich kenne das ja - kommt immer Ihr
Gegenargument, auch die alte Koalition habe so etwas gemacht.
({6})
Damit überzeugen Sie nicht.
({7})
Sie haben ja die Sondersituation der Wiedervereinigung
nie gewürdigt. Sie waren es, meine Damen und Herren,
die eine solche Umkehrung der Buchung immer gegeißelt
und gebrandmarkt haben und die versprochen haben, dass
mit Ihrer Regierungsübernahme alles besser wird. Nichts
ist besser geworden; Sie machen es noch schlimmer, als
es damals war.
({8})
Herr Eichel, es gibt noch einen Tatbestand, der einmalig ist: Im Einzelplan 60 werden Rückflüsse von der
Europäischen Union in Höhe von 1,1 Milliarden ausgewiesen, obwohl diese gar nicht etatisiert werden können.
Dass diese Rückflüsse im Haushalt gewissermaßen als
Steuermehreinnahme gebucht werden, das hat es nie gegeben.
({9})
Das ist Ausdruck der Rechentricks, die Sie anwenden, um
mit Ihrem Haushalt
({10})
zumindest noch die Fiktion der Rückführung der Nettoneuverschuldung entwickeln zu können.
({11})
Bezogen auf die Anteilsrechte an Bundesunternehmen
ist auch Ihre Parklösung bei der KfW über alle Maßen
problematisch. Ich sage nicht, dass das nicht vorher auch
schon vorgekommen ist,
({12})
aber, Herr Eichel, noch nie ist jemand, der angekündigt
hatte, alles besser machen zu wollen, in dieser Angelegenheit so dreist wie Sie vorgegangen.
({13})
Dies schadet im Übrigen nicht nur der Finanzpolitik von
Herrn Eichel, sondern das wirft auch Fragen hinsichtlich
der Rolle der KfW auf. Deren hohe Reputation - gerade
im Ausland - sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt
werden. Herr Eichel, es muss sicher sein: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau ist keine Kassenkreditstelle
des Bundes!
({14})
Sie hat außenwirtschaftliche und entwicklungspolitische Aufgaben. Nach innen soll sie meinetwegen auch das
Langfristgeschäft der IKB übernehmen. Das ist okay; denn
die Situation war schwierig und es drohte, dass das ins
Ausland verlagert wird. Was aber mit der KfW im Zusammenhang mit der Deutschen Ausgleichsbank und somit
dem Einstieg in die Mittelstandsförderung gemacht wird,
ist verkehrt. Das ist eine falsche Politik. Das schadet der
KfW und dem deutschen Mittelstand.
({15})
Herr Bundesfinanzminister, Sie werden die Nettoneuverschuldung im Haushalt 2002 vielleicht noch einmal
gerade so darstellen können.
({16})
Sie werden dies aber nicht wirklich erklären, sondern nur
rechnerisch darstellen können. Ihr Haushalt hat keinerlei
Spielräume mehr. Es knirscht an allen Ecken und Enden.
Das kleinste unerwartete Ereignis würde zu großen Problemen führen. Auch das so sorgsam gepflegte Bild vom
Sparminister auf Konsolidierungskurs kann in der Öffentlichkeit nicht mehr aufrechterhalten werden.
({17})
Herr Eichel, dies ist nicht das Ergebnis unglücklicher
Umstände oder einer schlechten Konjunktur,
({18})
sondern das ist Ausdruck der Tatsache, dass die rot-grüne
Koalition nicht in der Lage war, die überbordenden konsumtiven Ausgaben und somit die Ausgabenseite des
Haushaltes in Ordnung zu bringen.
({19})
Es ist Ihnen nicht gelungen, Arbeitsmarktförderungen
und Sozialhilfe in ein vernünftiges Verhältnis zueinander
zu bringen.
({20})
Ihren eigenen Angaben zufolge - das ist ein Beispiel für
die insgesamt katastrophale Situation - sind mit Ausgaben in Höhe von jährlich 1,02 Milliarden Euro insgesamt
1 000 neue Stellen durch das JUMP-Programm für Jugendliche geschaffen und vermittelt worden. Das kann
nicht angehen, Herr Eichel.
({21})
- Das stimmt ganz genau, lesen Sie das nach.
({22})
Im Übrigen habe ich großen Respekt vor den vielen
fleißigen und engagierten Mitarbeitern in den Arbeitsämtern. Immer weniger Respekt habe ich aber vor der virtuosen Fähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit, auch die
ausgefeiltesten Aktivitäten und Programme noch als einen Erfolg verkaufen zu wollen. Dies ist verfehlt. Die
Bundesanstalt für Arbeit macht bei dieser Politik einen
Fehler nach dem anderen.
({23})
Es ist höchste Zeit, dass wir die Politik dieser wichtigen
Anstalt aus dem Dunstkreis einer moralisch überhöhten
Unfehlbarkeit herausnehmen.
({24})
Darüber hinaus ächzt und stöhnt der Bundeshaushalt
immer mehr unter den schier unglaublichen Zahlungen an
die Rentenversicherung. Im Jahre 2002 werden es
72,2 Milliarden Euro sein. Der Anteil dieser Zuschüsse am
Gesamthaushalt hat sich von 12,6 Prozent im Jahre 1982
auf 29,1 Prozent in diesem Jahr erhöht. Im Jahre 2005
werden sage und schreibe 31 Prozent der Ausgaben an die
gesetzliche Rentenversicherung gehen. Dies wird durch
eine permanente Steuererhöhung, durch die so genannte
Ökosteuer, gegenfinanziert.
Das ist ein Teufelskreis. Die Rentenreform, die so genannte Riester-Reform, stellt einen durchaus positiven
Versuch dar, diesem Teufelskreis zu entrinnen. Die Stärkung der privaten Vorsorge ist ein richtiger Ansatz. Insgesamt aber ist dieser Versuch unzulänglich.
({25})
Der Trend zur steuerfinanzierten Rente wird dadurch
nicht umgekehrt, er wird allenfalls ein Stück gebremst.
Wenn eine Umkehr, weg von dem Trend, den steuerfinanzierten Anteil der Rente exorbitant zu steigern, im Rahmen einer zweiten Reform, bei der auch die Leistungen
auf den Prüfstand gehören, nicht gelingt, dann wird der
Bundeshaushalt in seiner Struktur noch weiter belastet
werden und dann wird jeglicher Spielraum für eine gestalterische Politik im Bereich der Investitionen verloren
gehen.
({26})
Meine Damen und Herren, ich sage ja gar nicht, dass
Sie diesen Trend verursacht haben. Er hält schon lange an,
ihn gab es bereits zu unserer Zeit. Aber es ist höchste Zeit,
dies jetzt umzukehren. Es geht nicht an, dass wir jedes
Jahr stärker eine steuerfinanzierte Rentenpolitik betreiben. Riester-Rente, schön und gut. Aber es muss eine
zweite Rentenreform her. Ansonsten wird es im Bundeshaushalt an jeglichem Spielraum fehlen.
({27})
Die günstige konjunkturelle Entwicklung des Jahres 2001 hat die strukturellen Probleme überdeckt. Die
Steuerquellen sprudelten reichlich. Außerdem flossen dem
Bundeshaushalt Privatisierungserlöse in dreistelliger Milliardenhöhe zu - Erlöse aus Reformen, die die rot-grüne
Koalition, aber auch die rote und die grüne Partei zum Teil
leidenschaftlich bekämpft hatten, auch Sie persönlich,
Herr Eichel. Das hat nun sein Ende. Deutschland ist im europäischen Vergleich Schlusslicht, wenn es um Wirtschaftswachstum und Beschäftigung geht.
Der Herr Bundeskanzler hat uns ja gebeten, ihn im
Jahre 2001 an der Zahl der Arbeitslosen zu messen.
({28})
Wir kommen dieser Bitte wunschgemäß nach.
({29})
Das, was er aufzuweisen hat, ist beschämend. Das Ergebnis ist niederziehend: Die Haushalts- und Finanzpolitik
der Bundesregierung ist sowohl Verursacherin als auch
Leidtragende dieser beklagenswerten deutschen Situation. Im Haushalt 2001, im Haushalt des kommenden Jahres und in den Haushalten der folgenden Jahre werden
sich die Entscheidungen widerspiegeln, die diese Misere
herbeigeführt haben.
Dies liegt zugegebenermaßen nicht nur an innenpolitischen Fehlentscheidungen; es waren auch europäische
und weltwirtschaftliche Zusammenhänge ausschlaggebend. Die schlechte Position Deutschlands im europäischen Vergleich hat allerdings ihre wesentliche Ursache
darin, dass von dieser Bundesregierung in weiten Bereichen eine verfehlte Politik betrieben worden ist. Die Krise
ist hausgemacht, das Resultat ist hausgemacht. Deshalb
befinden Sie sich in der Misere, die wir heute an den Eckdaten Ihres Haushaltes ablesen können, Herr Eichel.
({30})
Dabei hat alles so gut angefangen: Eine Steuerreform,
die von uns vielleicht ein Jahr zu spät konzipiert, aber von
Herrn Lafontaine, obwohl es eine gute Reform war, bewusst zwei Jahre lang verhindert wurde, sollte in- und
ausländischen Unternehmen Entlastungen bringen. Diese
Reform ist aber nur halb gelungen, weil sie trotz zweifellos vorhandener Entlastungen beim Steuersatz zu einer
unvertretbaren Ungleichbehandlung des deutschen Mittelstandes geführt hat. Darüber hinaus wurden Mittelständlern und kleinen Leuten durch eine schier unglaubliche und in geradezu zynischer Weise als Ökosteuer bezeichneten Aktion die Gelder wieder aus der Tasche gezogen, die ihnen in beschränkten Umfang durch die Steuerreform verblieben waren. Der Hammer aber kommt im
nächsten Jahr; dann nämlich werden, um eine nominell
geringere Nettoneuverschuldung ausweisen zu können,
die Versicherung- und die Tabaksteuer erhöht. Und dies
geschieht an der Schwelle zu einer Rezession in Deutschland und bei einem Kurs in Richtung einer Rekordarbeitslosigkeit.
Jede Verbrauchsteuer führt zu Konsumverzicht, zum
Ausfall privater Nachfrage, eben nicht nur bei Zigaretten
und Sachdienstleistungen, sondern zum Ausfall auf der
ganzen Linie und - das ist eigentlich viel gravierender zu weiterer Verunsicherung bei Unternehmen und privaten Verbrauchern.
Herr Eichel, Ihr Haushalt wird auf Knirsch gefahren.
Sie haben noch nicht einmal Luft in Höhe von 3 Milliarden DM zur Finanzierung der notwendigen Antiterrormaßnahmen. Dies hat hausgemachte Gründe. Ursache
ist Ihr Unvermögen, Leistungsgesetze kritisch zu überprüfen.
({31})
Hinzu kommt, dass nun noch einmal rund 2 Milliarden Euro notwendig werden, um die Bundesanstalt für Arbeit so auszugestalten, dass sie in der Lage ist, die sich
durch die zunehmende Arbeitslosigkeit ergebenden Aufgaben zu erfüllen.
Die Privatisierung von Unternehmen ist schwerer geworden, die Börsenkurse sind im Keller, also flüchtet man
in die Kreditaufnahme bei einer staatseigenen Bank - eine
schöne Finanzpolitik, meine Damen und Herren!
Auch die Steuern fließen nicht mehr so reichlich. In
diesem Jahr sind es 1,8 Milliarden Euro weniger, als im
Mai geschätzt worden sind. Dies ist ein desaströses Ergebnis. Im Jahre 2002 wird es kaum besser werden. Dies
wird Ihr Waterloo bei der Bundestagswahl werden.
({32})
Glauben Sie bitte nicht, dass Sie eine Bundestagswahl
allein mit außenpolitischen Themen gewinnen können! Die
jetzt aktuellen Ereignisse werden dann bereits viele Monate
zurückliegen. Sie werden vielmehr an Ihrer Finanzpolitik,
Ihrer Haushaltspolitik und Ihrer Arbeitsmarktpolitik gemessen werden. Sie werden an der Situation der Wirtschaft
und der Arbeitslosigkeit gemessen werden. Hier haben Sie
eine verheerende Bilanz aufzuweisen.
({33})
Im Jahr 1998 haben viele Menschen geglaubt, ein politischer Neuanfang werde auch finanzielle Erleichterungen
bringen. Sie hatten angekündigt, die Rezepte gegen Arbeitslosigkeit zu haben. Das Ergebnis ist erkennbar: weniger Geld in der Tasche, weit verbreitete Arbeitslosigkeit,
sinkende Investitionen, geringe Kaufneigung, Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft. Kein AfghanistanEinsatz - ich sage es noch einmal - kann diese Fakten aus
der Welt schaffen.
Prinzipielles Übel sind die anteilig immer weiter sinkenden Investitionsausgaben. Allein in diesem Jahr haben sie ein historisches Tief von 10,1 Prozent am Gesamthaushalt erreicht. Dieser Anteil der Investitionsausgaben ist keine abstrakte Zahl, sondern eine Schicksalsfrage für die Bauwirtschaft und die vielen eng damit zusammenhängenden Bereiche. Was ein Einbruch bei den
öffentlichen Investitionen in der ganzen Bundesrepublik
bedeutet, wird für die Menschen immer deutlicher erfahrbar.
Die Bundesrepublik Deutschland bewegt sich kontinuierlich auf einen Punkt zu, an dem sie nicht mehr in der
Lage sein wird, ihre Infrastruktur - im Übrigen auch ihre
Sicherheitsinfrastruktur - zu finanzieren. Diese Entwicklung findet seit längerer Zeit statt. Wer offenen Auges
durch unser Land geht, merkt die Mängel bereits. Er
merkt, dass die Mängel in der Infrastruktur größer und
größer werden, und zwar nicht nur im Osten, wo der Aufholprozess länger dauert als erwartet, sondern auch im
Westen: Reparaturstau bei Autobahnen und Fernstraßen;
die Bahn kommt nicht aus den Schlagzeilen; ein großer
Teil der Bildungseinrichtungen ist in schlechter Verfassung. Ich sage Ihnen: Dies ist nur der Anfang.
Wenn es nicht gelingt, den Anteil der Investitionsausgaben am Gesamthaushalt zu steigern, wird die Bundesrepublik Deutschland - ein so reiches Land - nicht mehr
in der Lage sein, die Infrastruktur einschließlich der Bildungsinfrastruktur zu finanzieren. An dieser Stelle wäre
auch noch viel über die Bundeswehr zu sagen.
Der Finanzminister - damit komme ich zum Schluss hat die glücklichen Jahre der sprudelnden Steuern und der
reichlich fließenden Finanzierungserlöse nicht genutzt.
Seine Haushaltspolitik bestand aus einem Herumkurieren
an den Symptomen, Routinearbeit. Nirgendwo gab es einen wirklichen Eingriff. Nun stehen Sie vor dem Scherbenhaufen Ihrer Politik. Diese wird Ihnen im Jahre 2002
entgegenzuhalten sein, Herr Eichel, und zwar nicht nur in
diesem Hohen Hause, sondern auch von den Bürgern. Dabei werden Sie schlecht abschneiden. Das muss Ihnen
heute und hier gesagt werden.
({34})
Ich erteile dem Kollegen Oswald Metzger für das Bündnis 90/Die Grünen das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege
Rexrodt, mir fällt immer wieder auf, dass Sie als Mitglied
der Vorgängerregierung, in der Parlamentsdebatte traditionell vor mir redend, vergessen machen wollen, dass Sie
in der letzten Legislaturperiode selbst Handelnder waren.
Ich nenne als Beispiel die Verkehrsinfrastruktur und
fange mit dieser Geschichte an. In der letzten Finanzplanung, die Herr Rexrodt als Wirtschaftsminister der alten
Koalition im Kabinett Waigel mitgetragen hat, waren für
die Verkehrsinfrastruktur 2002 19,6 Milliarden Euro vorgesehen. Wir haben im Haushalt für das nächste Jahr
20,8 Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur eingeplant. Selbst in einem Bereich, in dem Sie uns Verfehlungen vorhalten, haben wir mit den Zinsersparnissen
durch den Verkauf der UMTS-Lizenzen die Infrastrukturmaßnahmen im Bereich von Schiene und Straße
gestärkt. Das ist die Wahrheit. Daran kommen Sie nicht
vorbei.
({0})
Wenn man einen Finanzminister wie Hans Eichel beim
Thema Solidität der Finanzpolitik erschüttern will, dann
muss man doch, wenn man ehrlich ist, dies anhand des
Saldos der Bilanz für die Jahre 1995 bis 1998 - das waren
vier Regierungsjahre unter einer schwarz-gelben Koalition - im Vergleich zu den Jahren 1999 bis 2002 belegen
können. Unter die jeweiligen vier Haushaltspläne ziehe
ich einen Strich und stelle fest: Zwischen 1995 und 1998
hat diese Truppe
({1})
141,1 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das entsprach einer Erhöhung des Gesamtschuldenstandes des
Bundes in vier Jahren um 23,4 Prozent.
Jetzt kommt der Vergleich mit unserer Regierung. Zwischen 1999 und 2002 steigt die Verschuldung um 38 Milliarden Euro. Das ist eine Erhöhung von 5,2 Prozent des
Gesamtschuldenstandes. Selbst wenn ich die UMTS-Erlöse herausrechne, liegt der Anstieg der Neuverschuldung
in den vier Jahren unserer Zeit bei 12 Prozent und damit
immer noch erheblich unter Ihrem Anstieg mit 23,4 Prozent. Das ist die nackte Wahrheit.
({2})
Das kann man dem deutschen Volk jederzeit klar machen. Die Leute wissen, dass ohne Solidität in der Finanzpolitik die dringend nötige Trendwende in unserer
Gesellschaft, in der wir über viele Jahre hinweg immer
mehr Geld aus Steuern benötigt haben, um Zinsen für alte
Schulden zu bezahlen, nicht möglich ist. Soziale und ökologische Politik in einem Industrieland wie Deutschland
ist ansonsten nicht zu finanzieren. Diesen Trend haben wir
gebrochen.
Ich will heute nicht zu viele Zahlen nennen, sondern
mich mit den Grundlinien beschäftigen. Stichwort Privatisierungserlöse: Sowohl Herr Austermann als auch Herr
Rexrodt haben sich mit diesem Thema beschäftigt. Der
Kollege Wagner hat in der Tendenz schon deutlich gemacht, dass wir auch hier besser als Sie sind.
({3})
- Nein, auch nominal. Sie haben für den allgemeinen
Haushalt in vier Jahren 14,1 Milliarden Euro an Privatisierungserlösen verwandt. Wir haben mit dem, was wir
nächstes Jahr als Brücke brauchen, um die NKA zu halten, 10,9 Milliarden Euro Privatisierungserlöse eingestellt.
Ich darf eine letzte Zahl bringen, um Sie nicht zu erschlagen. 1998 wies der Haushalt des Bundes - das war
das Haushaltsjahr, das wir zwar buchungstechnisch abgeschlossen haben, das aber noch überwiegend in Ihre Verantwortung fiel - ein strukturelles Defizit von 40 Milliarden Euro auf. 28 Milliarden Euro betrug die
Nettokreditaufnahme, 10 Milliarden Euro gab es an
Privatisierungseinnahmen. Hinzu kam eine Tilgungsstreckung beim Fonds „Deutsche Einheit“. So sieht es
aus.
({4})
- Kollege Kalb, das lasse ich euch nicht durchgehen. Die
Vergleichszahl des letzten Jahres - strukturelles Defizit,
bereinigt um Privatisierungserlöse und Münzeinnahmen liegt bei 26,6 Milliarden Euro. Genau in dieser Vergleichszahl drückt sich der Rückgang des strukturellen
Defizits des Bundeshaushalts aus. Das sind fast 30 Milliarden DM, die wir tatsächlich als Konsolidierungsbeitrag
erzielt haben. Das ist ein Wort. Anders ist ein Vergleich
der beiden Legislaturperioden in Bezug auf die Kreditaufnahme nicht darstellbar. Daran kommen Sie nicht vorbei.
Wenn Sie dafür einen Kronzeugen wollen, der eher aus
Ihrem politischen Spektrum kommt, dann sage ich Ihnen
dazu Folgendes: Heute Morgen um 9.27 Uhr lief als
Tickermeldung die Pressemitteilung des Verbandspräsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Herrn Braun, über die Agenturen.
({5})
Herr Braun hat gesagt, die Tatsache, dass diese Koalition
die Nettokreditaufnahme im nächsten Jahr nicht erhöht,
sei ein gutes Zeichen für die Märkte,
({6})
weil es die ernsthafte Absicht dieser Regierung unterstreicht, finanzpolitisch solide zu bleiben. Das ist eine
Wahrheit, die Sie auch aus dem Gutachten des
Sachverständigenrats herauslesen können. Wenn Sie von
diesem Gutachten sprechen, dann verweisen Sie immer
nur darauf, dass dort von einem Wachstum von nur
0,7 Prozent ausgegangen wird, während die Regierung
ein Wachstum in Höhe von 1,25 Prozent unterstellt. Sie
nehmen aber nicht zur Kenntnis, dass der Sachverständigenrat einmütig gesagt hat: Die Fortsetzung der
Konsolidierungspolitik ist unbedingt richtig und vorgezogene Steuersenkungen, die auf Pump finanziert werden,
sind abzulehnen.
({7})
Genau dies versucht die Koalition umzusetzen.
Aus meiner Sicht braucht sich kein Mitglied der Koalitionsfraktionen für diese Politik zu schämen, weil mit
dieser Politik Grundeinsichten umgesetzt werden, die
viele normale Bürgerinnen und Bürger in unserem Land
haben. Jeder weiß aufgrund seiner privaten Erfahrungen,
dass er, wenn er ständig auf Pump lebt, nicht mehr aus der
Tinte herauskommt, weil er buchstäblich durch die Erblast, die ihm die Zinsverpflichtungen auferlegen - von Tilgung möchte ich noch nicht einmal reden -, erstickt wird.
Damit machen wir auf Bundesebene Schluss. Das ist zuvörderst eine Frage der Gerechtigkeit. Das ist wichtig,
weil ansonsten zum Beispiel für eine Volkspartei wie
die SPD überhaupt nicht darstellbar wäre, dass man das
Wort „sparen“ auch als Gerechtigkeit für die kommende
Generation übersetzen kann. Mit dem jetzigen Konsolidierungsprozess hat der Finanzminister dieser MitteLinks-Koalition etwas geschafft, was konservative Finanzminister in den vorangegangenen Jahrzehnten ganz
selten bzw. fast nie erreicht haben.
({8})
Zum Thema Steuerpolitik: Sie wissen, welch enormer
Reformbedarf allein im Bereich der sozialen Sicherungssysteme besteht. Die alte Koalition hat versucht,
das Rentensystem durch das Einführen eines demographischen Faktors in die Rentenformel zu reformieren. Sie
wissen sicherlich noch, welche Debatten das im Wahljahr
1998 ausgelöst hat.
({9})
- Einen Moment, jetzt kommt der entscheidende Punkt:
Wir haben durch Einführung der Riester-Rente eine
Strukturreform durchgeführt und haben damit das Rentensystem um eine Komponente erweitert, zu der Sie keinen Mut hatten,
({10})
nämlich den Einstieg in eine kapitalgedeckte Rente. Private Vorsorge, Eigenverantwortung - das ist ein Grundprinzip, das gesellschaftspolitisch gesehen die einzige
Wegmarke bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme, des Gesundheitswesens und der Arbeitsmärkte darstellt.
({11})
Machen wir uns nichts vor: Die gesellschaftspolitische
Debatte darüber ist schwer zu führen.
({12})
- Herr Kauder, Sie können sich echauffieren, wie Sie wollen: An den Zahlen kommen auch Sie nicht vorbei.
({13})
- Sie von der CDU/CSU haben 16 Jahre regiert; wir erst
drei Jahre. Die FDP hat sogar 29 Jahre mitregiert und bläst
sich hier auf. Wo sind wir hier denn?
({14})
Wir haben vor drei Jahren mit der Auflösung des Reformstaus in der Finanzpolitik begonnen - ich habe Ihnen
das an den entsprechenden Zahlen weiß Gott deutlich gemacht - und jetzt bei der Rente einen Systemwechsel beschlossen, und zwar zusammen mit der Volkspartei SPD.
Das war eine respektable Leistung der SPD, weil sie
schlussendlich ihrer Wählerschaft und den Gewerkschaften klar machen musste, dass beispielsweise der Einstieg
in die private Vorsorge, in die Eigenverantwortung, auch
bedeutet, dass der Aufbau des Kapitalstocks nicht paritätisch finanziert werden kann.
({15})
Diese Leistung werden die CDU/CSU und die FDP nicht
wegdiskutieren können. Die Leistung der SPD erkenne
ich als Politiker der Grünen ausdrücklich an. Die Sozialdemokraten mussten eine viel größere Leistung als wir erbringen. Das ist so. Deshalb muss man keinen Kotau machen.
({16})
- Wir zerschlagen nicht die Rentenrücklage.
Die Parteien des Regierungsbündnisses - darüber sollten Sie sich im Klaren sein - haben letzte Woche auf ihren
jeweiligen Parteitagen auf einem für beide Parteien
schwierigen Feld Mehrheiten gefunden.
({17})
- Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn
die Frage, ob Kriegseinsätze und militärische Gewalt Mittel der Politik sein können, selbst bei vielen Ihrer Wähler
Nachdenklichkeit auslöst, dann müssen Sie sich nicht
echauffieren, wenn die beiden Regierungsfraktionen einen Beschluss zugunsten militärischer Einsätze fassen
und damit ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Wir haben es gar nicht nötig, die Außenpolitik sozusagen
als Deckmantel zu missbrauchen, um der innenpolitischen Debatte aus dem Weg zu gehen. Wir brauchen die
innenpolitische Debatte nicht zu scheuen. Wir stellen uns
in der morgigen Debatte Ihrem angekündigten massiven
Generalangriff in Sachen Wirtschafts-, Finanz- und
Steuerpolitik.
({18})
Sie werden dann feststellen, dass Sie überhaupt nicht so
gut aussehen, wie Sie meinen. Wir stehen nicht an der
Wand.
({19})
Wir können durchaus mit hoch erhobenem Haupt für unsere Politik werben. Das wird Ihnen in dieser Woche noch
klar werden; das können Sie mir glauben.
({20})
In einem Mittelteil meiner Rede gehe ich jetzt auf Details dieses Haushalts ein. Wir haben beispielsweise die
Mittel für die Verkehrsinfrastruktur - ich habe die Zahlen genannt - im Jahr 2001 und für das Jahr 2002 massiv
aufgestockt. Allerdings hat - warum sollen wir darum herumreden? - der Systemwechsel, der dazu geführt hat,
dass plötzlich mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, als
in der langfristigen Planung vorgesehen war, auch die
Verwaltung des Staates vor Probleme gestellt. Dies gilt
sowohl für die Straßenbauverwaltung als auch für die
Bahn AG. Sie können aber sicher sein, dass die Zusagen
gelten. Die Koalition geht davon aus, dass im nächsten
Jahr die Investitionsmittel tatsächlich abfließen werden.
({21})
Bereits jetzt sind die Aufträge von der Bahn AG an die
mittelständische Bahnindustrie vergeben worden.
({22})
Ein Mittelständler, der Aufträge in seinen Büchern stehen
hat, entlässt keine Mitarbeiter, sondern stellt sogar welche
ein. Daher werden wir die Investitionsquote in der Haushaltsführung so steuern, dass das, was wir durch einen
Kraftakt möglich gemacht haben, in unserer Volkswirtschaft auch ankommt.
({23})
- Herr Kauder, Sie werden mich mit Ihren Zwischenrufen
nicht aus der Ruhe bringen. Im Stuttgarter Landtag mag
das bei Ihnen funktioniert haben, aber nicht hier im Bundesparlament in Berlin.
({24})
Im Bereich der Energiepolitik haben wir wichtige Signale gesetzt. Diese Regierung hat nicht nur in technischer und atomrechtlicher Hinsicht den Ausstieg aus der
Atomkraft geschafft, sondern die Energiewende auch
durch Programme organisiert, die derzeit massiv beschäftigungsstabilisierend wirken. Bei der Windenergie
brummt es, bei der Photovoltaik brummt es, bei der Biomasse brummt es.
({25})
Warum brummt es? - Weil diese Koalition Markteinführungsprogramme wie das Erneuerbare-EnergienGesetz beschlossen hat.
Diese Initiativen haben gezeigt, wohin es bei der Energieerzeugung in dieser Republik geht.
({26})
Allein in den letzten beiden Jahren hat sich die erzeugte
Kilowattstundenleistung aus regenerativen Energien gegenüber Ihrer Regierungszeit verdoppelt. Dies kommt vor
allem beim Mittelstand an; denn zum Aufbau dezentraler
Energieerzeugungsanlagen braucht man keine riesigen
Firmen. Unsere Energiepolitik erreicht die Installateure
von Flensburg bis Bad Schussenried, um hier auch einmal
meinen Heimatort zu nennen.
({27})
Lassen Sie mich nun zu den neuen Gewichtungen kommen, die angesichts des 11. September anstanden. Dieser
Tag wird unvergessen bleiben. Welch nachdrückliche
Wirkung er hervorgerufen hat, hat sich vor allem gezeigt,
als vor zweieinhalb Wochen ein Flugzeug im New Yorker
Stadtteil Queens abstürzte. Hier im Reichstag war zu
spüren, wie alle Kolleginnen und Kollegen die Luft anhielten und sich fragten, ob es wieder ein Anschlag war
oder nicht.
Als Finanzpolitiker sind wir zu dem Schluss gelangt,
dass die damit einhergehende Veränderung der Bedürfnisse der Bevölkerung nach mehr äußerer und innerer
Sicherheit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bei Gott
nicht aus dem laufenden Etat finanziert werden kann. Daher haben wir einen unpopulären Weg der Gegenfinanzierung gewählt - das räume ich ohne jede Einschränkung
ein - und eine Erhöhung der Versicherungsteuer und der
Tabaksteuer beschlossen.
({28})
Damit haben wir aber auch klar gemacht, dass wir das
Thema ernst nehmen. Wir werden das nicht mit Krediten
finanzieren, da die heutige Generation von der zusätzlichen Sicherheit profitiert, für die wir jetzt Haushaltsmittel aufwenden.
({29})
Der Bevölkerung lässt sich vermitteln, dass wir im nächsten Jahr durch eine begrenzte Steuererhöhung 3 Milliarden DM bzw. 1,5 Milliarden Euro für mehr Sicherheit aufbringen. Stellen Sie diese kleine Steuererhöhung bitte
einmal in Relation zu der Entlastung in Höhe von 45 Milliarden DM im Rahmen der Einkommen- und Unternehmensteuerreform des laufenden Jahres. Hier merken Sie,
dass wir im Saldo von keinerlei Steuermehrbelastung reden. Wir haben eine Steuerentlastung herbeigeführt; auch
das gehört zur Wahrheit.
({30})
Ich komme zu meinem Schlussteil. Angesichts eines
bevorstehenden Wahljahres bin ich für Ehrlichkeit auch
hier im Bundestag. Die wirtschaftliche Situation ist in der
Tat so,
({31})
dass wir in Deutschland am Rande einer Rezession vorbeischrammen.
({32})
- Das ist so. Seien Sie ehrlich!
Andererseits ist die Trendwende innerhalb der USWirtschaft bereits absehbar. Die Anleihenmärkte, die immer ein guter Indikator der Konjunkturentwicklung sind,
drehen seit zweieinhalb Wochen ähnlich wie die Aktienmärkte ins Plus. Am langen Ende steigen die Zinsen bereits wieder.
({33})
Die Zehnjahresanleihe als Benchmark, die Treasury, liegt
bereits um acht zehntel Prozentpunkte höher als vor zweieinhalb oder drei Wochen, als sie sich auf ihrem Tiefststand befand.
({34})
Das signalisiert einen Turn-around der Ökonomie in der
wichtigsten Volkswirtschaft auf diesem Globus. Wenn
dieser Turn-around kommt, dann kommt er auch in den
europäischen Volkswirtschaften, darauf kann ich Ihnen
Brief und Siegel geben. Das könnte erst im zweiten Quartal eintreten; es kann, wenn es günstig läuft, aber auch bereits im ersten Quartal der Fall sein.
Angesichts dessen hätten wir als Koalition nun das machen können, was Sie früher unter Theo Waigel in einer
solchen Situation gemacht hätten: Wir hätten von dem
Ziel abweichen können, die Nettokreditaufnahme kaskadenförmig zu reduzieren. Sie wären die Ersten gewesen, die kritisiert hätten, wir könnten nicht mit Geld umgehen, das sei schon immer so gewesen, wir seien ja Rote
und Grüne.
({35})
Wir haben uns dazu entschlossen, die Nettokreditaufnahme beizubehalten. Mit einer bescheidenen Privatisierungssumme von 2,7 Milliarden Euro verringern wir aber
den Druck auf die Nettokreditaufnahme und haben damit
die Chance, den Dammbruch nach dem Motto „Ist der Ruf
erst ruiniert, gehen wir gleich in die Vollen“ zu verhindern.
Wir haben finanzpolitisch Grund, solide zu bleiben. Wenn
sich die Konjunktur im nächsten Jahr entgegen Ihren Unkenrufen und auch entgegen unseren Erwartungen schneller zum Positiven wendet als wir jetzt unterstellen, haben
wir ferner die Chance, auf die Privatisierungseinnahmen
zum Ausgleich des Haushalts zu verzichten und auf den
Kurs zurückzukehren, den wir 1999 und 2000 hatten, als
Privatisierungseinnahmen ausschließlich in die Postunterstützungskasse zur Bezahlung von Beamtenpensionen und
Beihilfen oder in die Schuldentilgung flossen. Die Chance,
auf diesen Kurs zurückzukehren, haben wir nur, wenn wir
diese Reduzierung der Kreditaufnahme konsequent fortführen. Das bedeutet Glaubwürdigkeit. Wir wären bescheuert, jetzt auf Ihre Leimruten hereinzufallen und vor
dem Wahljahr die Pferde zu wechseln, weil Sie die Ersten
wären, die dann semantisch wieder einen Kurswechsel anmahnten.
({36})
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Sie
müssen in der Finanzpolitik schon andere Kraftakte unternehmen, um diese Koalition zu erschüttern, denn in
diesem Bereich sind wir außerordentlich konstant, konservativ und solide.
({37})
Ich möchte auch noch einige Punkte ansprechen, die
eher über den Tellerrand einer Legislaturperiode hinausreichen. Politik muss man in Prozessen denken und nicht
nur vor dem Hintergrund der tagespolitischen Perspektive. Als wir 1998 die Regierungsverantwortung übernahmen, fanden wir vier große Reformarenen vor. Das waren
eine unsolide Finanzpolitik, eine nicht ausreichende Rentenreform, das Fehlen einer Gesundheitsreform und einer
Reform des Arbeitsmarktes. Sie haben immer von Reformen geredet, aber keine gemacht.
({38})
Bei Ihnen lag die Zahl der Arbeitslosen schon einmal bei
fast 5 Millionen. Das dürfen Sie nicht vergessen, auch
wenn Sie die Zahl selber nicht in den Mund nehmen.
({39})
Auch ich möchte diesen Vergleich hier nicht anstellen,
weil das immer ein Spiel mit Einzelschicksalen vieler
Hunderttausend und Millionen Menschen bedeutet.
({40})
Ich meine, in der politischen Argumentation sollte man
immer auch an die Betroffenen denken und sich hier nicht
nur gegenseitig Zahlen an die Köpfe werfen.
({41})
Wir brauchen in dieser Gesellschaft eine Reform des
Arbeitsmarktes, die beispielsweise Arbeitslosen- und Sozialhilfe in einem Sicherungssystem zusammenlegt. Parallel dazu müssen wir eine Gemeindefinanzreform durchführen,
({42})
damit die Gemeinden nicht das Gefühl haben, sie bekämen die Arbeitslosenhilfe aus dem Bundeshaushalt vor
ihre kommunalen Kämmereien geworfen. Dazu brauchen
wir eine größtmögliche Übereinstimmung auch in der politischen Arena Deutschlands. Den Bundesrat brauchen
wir dazu.
({43})
Hand aufs Herz, verdammt - es regt mich immer auf,
wenn so geredet wird -: In einem Wahljahr wird eine solche Reform doch schon allein deshalb nicht stattfinden,
weil die Opposition der Regierung in dieser Zeit keine
Strukturreform gönnt.
({44})
Das war schon immer so und das wird auch jetzt nicht anders sein.
({45})
Beim Thema Gesundheit ist es genau das Gleiche. Das
ist von der sozialen Befindlichkeit der Bevölkerung her
sogar noch das wesentlich schwierigere Thema. Niemand
darf das Gefühl haben, dass er nach einer Strukturreform
dann, wenn er krank ist, sozusagen aufgrund seines eigenen Vermögens darüber entscheiden muss, ob er sich die
Operation leisten kann oder nicht. Diese Angst haben die
Leute im Hinterkopf, wenn in der Gesundheitspolitik von
Eigenverantwortung die Rede ist.
Trotzdem brauchen wir uns nichts vorzumachen: Im
Gesundheitsbereich sind Reformen und ist Transparenz
auf der Leistungserbringerseite notwendig.
({46})
Ich sehe nicht ein - das sage ich Ihnen ganz deutlich -,
dass beispielsweise die gesetzlich Versicherten nicht wissen, was man für sie abrechnet.
({47})
Sie zahlen Beiträge. Sie wissen auf Mark und Pfennig,
was sie pro Monat bezahlen.
({48})
Ähnlich wie in anderen Bereichen - jeder bekommt Lieferscheine und Rechnungen zu sehen, wenn er etwas bezahlen soll - soll auch für die Ärzteschaft eine solche Verpflichtung bestehen.
({49})
Es ist mit Sicherheit logisch, dass auch in der Gesundheitspolitik auf der Versichertenseite über Begriffe wie
Eigenverantwortung diskutiert werden muss.
({50})
Das gehört zur Wahrheit. Wir können es uns nicht leisten,
im nächsten Jahr, auch wenn es ein Wahljahr ist, an diesen Problemen unserer Gesellschaft vorbeizugucken.
({51})
Ich bin überzeugt, dass diese Koalition die Kraft und
den Mut hat, nicht nur diese Legislaturperiode mit Anstand durchzustehen, sondern auch über das Jahr 2002 hinaus eine Reformagenda aufzuzeigen. Wir werden bei den
Wählerinnen und Wählern für solche politischen Konzepte werben können, auch im nächsten Jahr. Ich freue
mich schon auf den Ideenwettbewerb. Ich freue mich
schon darauf zu erleben, wie manche von Ihnen unter vermeintlich populistischer Betrachtungsweise eines Wahlkampfs plötzlich das Gegenteil von dem behaupten, was
Sie, wenn sie in Tutzing oder anderswo nachdenklich reden, so gern als Reformnotwendigkeit formulieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
bei der SPD - Hartmut Schauerte [CDU/CSU]:
Sie reden, als wenn Sie die Partei schon gewechselt hätten! - Volker Kauder [CDU/CSU]:
Der Schluss war nicht mehr gut! - Zuruf des
Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]
- Rezzo Schlauch, Kauder war schon immer so. Der ist
nicht zu ändern. Das muss man akzeptieren.
({52})
Quintessenz: Dass diese Koalition auch nach vier Jahren Regierungszeit als Rückgrat ihrer Finanzpolitik eine
solide Haushaltspolitik vorzeigen kann und die Bewährungsprobe dieser soliden Haushaltspolitik auch in
wirtschaftspolitisch schwerer See bestehen kann, zeigt
der Etat des Jahres 2002. Außerdem haben wir im Bereich
der Sozialstaatsreform mit der Rentenreform eine ganz
wichtige Entscheidung in dieser Legislaturperiode getroffen, die man nicht unterschätzen darf.
Deshalb ist es notwendig, uns innerhalb der Koalition
klar zu machen: Die Reformen in dieser Republik gehen
weiter. Wir müssen der Bevölkerung vermitteln, dass Reformpolitik sozusagen auch die richtige Zeit braucht. Man
wird in einem Wahljahr - das weiß jeder Kommentator;
da brauchen Sie nur die Presse zu lesen - nicht große gesellschaftspolitische Reformen machen. Unabhängig davon wird man die Konzepte diskutieren und damit sozusagen auch zur Abstimmung an der Wahlbörse stellen.
Diese Wahlbörse im nächsten Jahr brauchen wir als Sozialdemokraten und als Grüne, glaube ich, nicht zu scheuen.
Wir werden daran arbeiten, dass diese Solidität nach den
außenpolitischen Diskussionen der letzten zweieinhalb
Monate auch weiterhin Geschäftsgrundlage unseres Regierungshandelns bleibt.
Vielen Dank.
({53})
Für die PDS-Fraktion
erteile ich der Kollegin Dr. Christa Luft das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Kollege Metzger, im Volksmund heißt es schon - das möchte ich nur sagen, weil Sie
eben die Reformpolitik so gelobt haben -: Wenn das Wort
„Reform“ fällt, dann halt dir die Taschen zu. Das ist das,
was bei vielen Menschen inzwischen ankommt.
({0})
Angesichts des Streits darüber, ob wir uns „schon“ in
einer Rezession befinden oder „noch nicht“, auch über
Defizitquoten usw., frage ich mich, was wohl die Zuschauer - seien es Arbeitslose oder Jugendliche ohne Ausbildungsplatz - von dieser Diskussion bisher mitgenommen haben. Was nützt dieser Streit einem Handwerksmeister, dessen Firma vor der Pleite steht? Was nützt er einem Beschäftigten bei Bombardier in Halle, der kurz vor
der Entlassung steht, obwohl dieses Unternehmen üppige
Fördergelder erhalten hat, eine Bestandsgarantie bei Arbeitsplätzen bis zum Jahre 2004 abgegeben hat und diesen
Standort dennoch jetzt schließen will. Diejenigen, die uns
zuschauen, haben große Probleme mit dem, was sich hier
bisher vollzogen hat.
({1})
„Abbau von Jobs an vielen Stellen“, „Handwerk stürzt
in den Keller“, „Arbeitslosigkeit in Berlin und Brandenburg deutlich gestiegen“, „Das selbst gemachte Elend“
usw. - das sind nur wenige aktuelle Schlagzeilen aus
großen Tageszeitungen. Die Arbeitsmarktlage ist im
letzten Jahr dieser Legislaturperiode, im vierten Jahr von
Rot-Grün, eine Katastrophe. Das gilt für die neuen Bundesländer im Besonderen, zunehmend aber auch für die
alten Bundesländer. Vielleicht wäre der Bundeskanzler
gar nicht schlecht beraten, wenn er einmal zu den Ergebnissen seiner Politik auf diesem Gebiet die Vertrauensfrage stellen würde.
({2})
Es zeigt sich abermals, wie inkonsequent und wie wenig zielführend die Politik von Rot-Grün zur Bekämpfung
des gesellschaftlichen Hauptübels, der Massenarbeitslosigkeit, ist. Alle paar Monate wirft man etwas Neues in die
Debatte. Jetzt soll die Schwarzarbeit plötzlich bekämpft
werden. Wir sind nicht dagegen, im Gegenteil. Es ist nur
reichlich spät; denn Unternehmen, die sich durch Zahlung
von Dumpinglöhnen eine goldene Nase verdient haben,
sind durch die Steuerreform inzwischen zusätzlich entlastet worden. Das ist doch widersinnig.
({3})
Nun soll mithilfe des Job-Aqtiv-Gesetzes die Leiharbeit erleichtert werden. Umso unverständlicher ist, weshalb dann nicht endlich energische Maßnahmen ergriffen
werden, um das Überstundenunwesen in diesem Lande zu
begrenzen.
({4})
Betrachten wir das Für und Wider in der Diskussion
um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. In manchen ostdeutschen Regionen beträgt die Arbeitslosigkeit 30 bis
40 Prozent und weit und breit sind keine Unternehmen
vorhanden, die Arbeitsuchende in den ersten Arbeitsmarkt aufnehmen. Eine Diskussion um Streichung oder
Kürzung dieser Maßnahmen ist vor diesem Hintergrund
einfach absurd. Sollen denn Mobilitätsprämien die einzige Antwort sein? Das kann doch wohl nicht sein!
({5})
Warum wird nicht ein Teil der Mittel endlich für aktive
Arbeitsmarktpolitik, beispielsweise im Pflegebereich
oder im Bereich der Jugendarbeit, eingesetzt? In diesen
Bereichen liegt zuhauf ungetane Arbeit, die wir im Interesse des Gemeinwesens angehen sollten. Dies ist bitter
nötig. Auf diese Weise könnte zusätzliches Steueraufkommen generiert werden. Es stellen sich Fragen über
Fragen.
Die Ankündigung, die Zahl der Arbeitslosen auf
3,5 Millionen im Jahre 2002 zu reduzieren, ist nicht das
einzige gebrochene Versprechen des Kanzlers. Zu den gebrochenen Versprechen des Kanzlers gehört auch, dass
der Osten in Wahrheit nicht zur Chefsache geworden ist.
({6})
Kollege Wagner, für die neuen Bundesländer sind - wir begrüßen das - in verschiedenen Einzelplänen Aufstockungen vorgesehen. Ich möchte hervorheben, dass das auch
auf das hartnäckige Engagement meiner Fraktion in den
verschiedensten Fachausschüssen und im Haushaltsausschuss zurückgeht.
({7})
Das betrifft unter anderem auch das von Ihnen ausdrücklich hervorgehobene Netzwerkmanagement Ost. Sie können anhand der Eingangsdaten der Anträge nachprüfen,
wer die Initiative ergriffen hat und wie lange es gedauert
hat, bis die Koalition endlich zu einem Ergebnis kam.
Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass es nicht in
Ordnung ist, wenn in einer solchen Debatte der Eindruck
erweckt wird, als ob sich die PDS nur noch mit Bundeswehreinsätzen außerhalb unserer Grenzen befasst. Diese
Frage ist für uns zwar außerordentlich wichtig und wir
werden uns auch weiterhin kritisch damit auseinander setzen; aber wir haben gerade in den letzten Monaten in der
praktischen politischen Arbeit an vielen Fronten dazu beigetragen, dass sich etwas zum Wohle des Gemeinwesens
bewegt.
({8})
Wenn man danach fragt, welchen Beitrag nun der
Haushalt 2002 zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
leisten wird, fällt die Antwort negativ aus. Vom Haushalt
gehen sogar negative Wirkungen auf die Beschäftigungslage aus, weil die öffentlichen Investitionen sinken. Damit werden noch weniger private Investitionen angestoßen. Die Investitionsquote in der Bundesrepublik
Deutschland beträgt inzwischen ganze 1,8 Prozent. Das
ist gegenüber einem EU-Durchschnitt von 2,5 Prozent
wahrlich kein Ruhmesblatt.
Regierungsmitglieder und Koalitionsfraktionen weisen nun Forderungen nach konjunkturbelebenden Maßnahmen zurück. Sie folgen bislang brav dem Kanzler, der
die Politik der ruhigen Hand verordnet hat. Dabei nimmt
die Unruhe in den eigenen Reihen sehr wohl zu, wie man
in manchen Talkshows abends inzwischen erkennen kann,
und tatsächlich ist Handeln jetzt notwendig. Wer den
Konjunkturabschwung zu spät bekämpft, den bestrafen
Rezession und steigende Arbeitslosigkeit. Das erleben wir
gerade in diesen Monaten, in diesen Wochen, in diesen
Tagen, weil viel zu lange gezögert worden ist.
Vom Bund fordern wir eine Stimulierung der öffentlichen Nachfrage durch eine Investitionsspritze für die
Kommunen, die diese für notwendige Infrastrukturmaßnahmen dringend brauchen,
({9})
denn die Kassen der Kommunen sind gerade durch die
Steuerreform von Rot-Grün noch einmal besonders betroffen. Dort sind riesige Löcher gerissen worden.
Wir fordern eine Aufstockung des Stadtumbauprogramms Ost und Infrastrukturmaßnahmen in den Grenzregionen zu den EU-Beitrittsländern. Finanziert werden
kann das durch Vorgriff auf für künftige Jahre vorgesehene Maßnahmen. Wenn heute ein Vorgriff erfolgt, wird
das in künftigen Jahren zu einer Entlastung führen, aber
wir hätten jetzt den Vorteil davon.
Nachdem das Hauptziel von Rot-Grün, die Massenarbeitslosigkeit spürbar abzubauen, verfehlt wird, avanciert ein anderes Ziel zum überragenden Gebot der
Haushaltspolitik, nämlich der Abbau der jährlichen Neuverschuldung. Wir haben uns häufig genug dazu platziert.
Das ist ohne Frage ein wichtiges gesellschaftliches
Thema. Aber obwohl die Eckdaten des Haushalts massiv
verändert werden, Steuereinnahmen beträchtlich sinken
und die Kosten für die Arbeitslosigkeit beträchtlich steigen, bleibt als einziges Eckdatum in diesem Haushalt die
vorgesehene Neuverschuldung unverändert.
Man könnte sagen, das sei eine Meisterleistung von
Rot-Grün, aber dieses Prädikat würde der Vorgang nur
verdienen, wenn gesellschaftlich unsinnige Ausgaben gestrichen oder gekürzt worden wären. Ich nenne als Beispiele die öffentliches Geld aufzehrende Gesellschaft für
Entwicklung, Beschaffung und Betrieb der Bundeswehr,
deren Geschäftsführerin inzwischen wegen Erfolglosigkeit zurückgetreten ist.
({10})
Jetzt wäre die Zeit, die gesamte Gesellschaft in Konkurs
gehen zu lassen. Ich nenne den Vergütungszuschlag für
die skandalumwitterte Bundesbaugesellschaft. Ich frage,
weshalb man das Missmanagement bei der EXPO in Bezug auf die Verursacher so folgenlos lassen kann.
({11})
Warum wird Steuergeld in dreistelliger Millionenhöhe
einfach so herübergereicht? Das gibt es nirgendwo anders,
aber hier in diesem Haushalt funktioniert das so.
Statt solche Ausgaben zu vermeiden, wird zum zusätzlichen Verkauf von Bundesvermögen gegriffen. Mit solider Haushaltspolitik hat das nichts zu tun, zumal Sie, Herr
Kollege Metzger, durch das Parken von Bundesanteilen
bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau auch nur auf Pump
leben. Da ist doch auch noch nichts real veräußert und niemand weiß, zu welchen Erlösen das einmal führen wird.
Übrigens können die meisten Kommunen ein solches
Vorgehen, wie der Bund es sich leistet, nämlich Vermögen
veräußern um Haushaltslöcher zu decken, nicht nachahmen, weil sie gar kein Vermögen mehr haben. Die Praxis auf Bundesebene ist also auch kein Vorbild für das,
was Länder und Kommunen machen können.
Bei aller Bedeutung, die einer rückläufigen Nettokreditaufnahme im Interesse künftiger Generationen
zukommt, darf sie nicht zum Selbstzweck werden. Der
Ausverkauf öffentlichen Vermögens zum Stopfen von
Haushaltslöchern ist von der Wirkung auf unsere Kinder
und Enkelkinder her nicht anders zu bewerten als aufgehäufte Schulden.
({12})
Beides begrenzt die Einflussmöglichkeiten, die Manövriermöglichkeiten der öffentlichen Hand im Gemeinwohlinteresse. Wir stellen daher heute den Antrag, auf die über
den Haushaltsentwurf hinausgehenden Verkäufe öffentlichen Vermögens zu verzichten. Herr Austermann, nach
Ihrer massiven Kritik am Privatisierungskurs der Bundesregierung könnten Sie, könnte Ihre Fraktion unserem
diesbezüglichen Antrag eigentlich zustimmen.
Wer die Neuverschuldung dauerhaft abbauen will,
muss zusätzliche Einnahmequellen erschließen. Das Heraussparen aus Defiziten ist keine Erfolg versprechende
Strategie. Als solche zusätzlichen Einnahmequellen kommen aus unserer Sicht infrage: die energische Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges, die volle Besteuerung
von Spekulationsgewinnen, die Rücknahme der Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften und die Einführung eines progressiven Körperschaftsteuersatzes.
Wenn jetzt gerufen wird: „Der PDS fällt nichts anderes ein als Steuererhöhungen“, dann sage ich: Nein. Wir
fordern zum Beispiel schon lange in diesem Hause, für
Unternehmen, die arbeitsintensive Dienstleistungen erbringen - darunter Reparaturleistungen -, den Mehrwertsteuersatz auf 7 Prozent zu begrenzen. Das würde vielen
Handwerksbetrieben das Überleben sichern. Das würde
wieder Nachfrage nach Handwerksleistungen schaffen.
({13})
Übrigens machen das andere europäische Länder schon
erfolgreich.
Wir fordern, für Kleinunternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 1 Million DM die Umsatzsteuerabführung
an das Finanzamt erst fällig werden zu lassen, wenn die
Rechnung bezahlt, und nicht, wenn sie ausgestellt ist. Das
würde Zigtausenden von ihnen das Überleben sichern und
den Beschäftigten den Arbeitsplatz erhalten.
Wie aktuell, wie dringlich solche Forderungen sind,
lässt sich ermessen, wenn man den diesjährigen Pleitenrekord in Handwerk und Gewerbe vor Augen hat: allein
33 000 Unternehmensinsolvenzen in diesem Jahr.
Nein, auf die eigentlichen Probleme in dieser Gesellschaft reagiert dieser Haushalt leider nicht.
({14})
Nun erteile ich das
Wort dem Finanzminister, Hans Eichel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte am Beginn kurz sagen, dass ich meinem
Vorvorvorgänger im Amte, Herrn Kollegen Stoltenberg,
der in der vergangenen Woche verstorben ist - ich bin ihm
nicht sehr oft begegnet; wenn wir uns politisch begegnet
wären, hätten wir uns möglicherweise auch gestritten -,
hohen Respekt für sein großes Engagement für eine solide
Finanzpolitik in diesem Lande zolle. Das sollten wir,
wenn wir ihn gemeinsam zu Grabe tragen, deutlich machen.
({0})
Meine Damen und Herren, in der Tat ist es eine wirtschaftlich schwierige Zeit. In der Tat ist es dieses Jahr
ganz anders als im vorigen Jahr, als wir den Haushaltsplan
für das Jahr 2001 in diesem Plenum diskutierten und
verabschiedeten. Der vorliegende Haushalt ist auf Kante
genäht. Er enthält keine zusätzlichen Reserven. Es macht
überhaupt keinen Sinn, um diesen Sachverhalt auch nur
einen Augenblick herumzureden. Ein Finanzminister, der
um die Wirklichkeit herumredet, hat schon gegen die Lobbygruppen, die in diesem Lande vorzugsweise Ausgabengruppen sind, verloren. Das gilt auf allen Rängen und überall in diesem Lande.
({1})
Es ist natürlich sehr viel schwieriger, in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten einen Haushaltsplan aufzustellen. Vor
einem Jahr waren alle Konjunkturprognosen für dieses
Jahr oberhalb von 2,8 Prozent.
({2})
Unsere eigene Grundlage waren 2 ¾ Prozent, was, wie Sie
wissen, da wir nicht auf die Dezimalstelle hinter dem
Komma genau schätzen - diese Scheingenauigkeit macht
sowieso keinen Sinn -, zwischen 2,6 und 2,9 Prozent bedeutet hätte. Gekommen ist es, wie Sie wissen, ganz anders. Wir müssen in diesem Jahr mit 2 Prozent weniger
Wachstum rechnen, als wir vor einem Jahr an dieser Stelle
gehofft und guten Glaubens in Hinsicht auf alle Prognosen aller Sachverständigen, aller Wirtschaftsinstitute,
aller internationaler Finanzinstitutionen angenommen haben. Die Geschichte der Wirtschaftsprognosen ist die Geschichte ihrer kompletten Irrtümer.
({3})
Sie werden umso genauer, je mehr sie von der Prognose
der Zukunft in die Beschreibung der Vergangenheit übergehen. So verhält es sich auch in diesem Jahr.
Deswegen will ich zuerst einiges bezüglich des Haushaltsplanes für dieses Jahr festhalten. Herr Kollege
Austermann, Sie übertreffen sich immer wieder selbst:
({4})
einmal im völligen Überzeichnen noch möglicher Einnahmen. Noch im Februar haben Sie mich aufgefordert,
ich sollte einen Nachtragshaushalt aufstellen, um nur all
die riesigen Mehreinnahmen, die ich alle versteckt hätte,
einzusammeln. Das war im Februar dieses Jahres. Relativ
kurz danach haben Sie dann einen Turn-around vollzogen,
von da an ging es genau umgekehrt, so auch heute wieder.
Ich kann Ihnen auch jetzt Entwarnung geben: Ich werde
nicht in den Haushaltsausschuss kommen
({5})
und eine Ausweitung der Kreditlinie beantragen. Es
spricht alles dafür, dass wir relativ nahe - ich bin mit
meiner Formulierung vorsichtig - beim Abschluss des
Haushaltes 2001 trotz der Minderung des Wachstums um
ganze 2 Prozent und der damit verbundenen Steuereinnahmeausfälle und der höheren Ausgaben am Arbeitsmarkt an dem sein werden, was wir vor einem Jahr im
Deutschen Bundestag beschlossen haben.
({6})
Das ist nun nicht allein Verdienst der Bundesregierung
und all derer, die sich um einen vernünftigen Vollzug
bemühen, sondern wir haben auch ein bisschen Glück gehabt. Auch das gehört dazu. Es ist beim Haushalt immer
so, dass Schwarzmalen alleine, Herr Austermann, obwohl
Ihnen die Farbe nahe liegen mag, keinen Sinn macht.
({7})
Es gibt immer auch positive Entwicklungen, diese wird es
auch im nächsten Jahr geben, neben den vielen und größer
gewordenen Risiken. Es hat überhaupt keinen Zweck, um
diesen Sachverhalt herumzureden. Deswegen wird das
Haushaltsjahr 2001 konsequent im Rahmen des Konsolidierungskurses dieser Bundesregierung liegen, wie wir
ihn im Sommer 1999 mit dem Zukunftsprogramm 2000
beschlossen haben.
({8})
Übrigens sage ich Ihnen ausdrücklich: Es werden auch die
Investitionen ganz überwiegend und fast vollständig abfließen.
Auch das Problem mit der Bahn ist gelöst. Damit wir
uns darüber völlig klar sind, halte ich fest: Herr Mehdorn
hat gegenüber meinem Staatssekretär erklärt, dass alle
Aufträge für das Jahr 2001 vergeben sind, das heißt, ich
spare auch da keine Mittel ein, sondern muss sie vielmehr
am Ende hinzufügen. Das ist die einzige Konsequenz, da
inzwischen auch schon ein Teil der Aufträge für 2002 vergeben ist. Genau das haben wir gewollt. Somit haben wir
nicht auf der Bremse gestanden, vielmehr haben wir in der
Tat eine trilaterale Vereinbarung mit der Deutschen Bahn
geschlossen. Ich kann gut verstehen, dass in meinem Haus
gesagt wurde, dass die Mittel erst freigegeben werden,
wenn wir uns über alle finanziellen Konditionen einig
sind; ich habe aber sofort, als ich das erfahren habe, dieses Vorgehen gestoppt, nämlich am 2. Februar; am 6. Februar waren alle Freigabeanträge des Bundesverkehrsministeriums, die die Bahn betrafen, von unserer Seite
entsperrt. Es gab also überhaupt keine Probleme.
So gut ich es verstehen kann, dass man sich wünscht,
dass der Finanzminister eine Reservekasse hat, so muss
ich doch sagen, dass wir das nicht wollen und angesichts
der derzeitigen konjunkturellen Lage die Mittel für Investitionen in den Haushalt einstellen, damit sie abfließen
und wirksam werden. Ich hoffe, dass das nicht nur das
Finanzministerium macht, sondern alle dies tun.
({9})
Nun will ich zunächst über die jetzige Situation reden.
Sie haben - Herr Rexrodt hat das gemacht, Herr
Austermann nicht, weil er möglicherweise ahnt, was
kommt - die Schlusslichtdebatte angefangen, indem sie
behaupteten, dass Deutschland beim Wirtschaftswachstum in Europa das Schlusslicht sei.
({10})
- Passen Sie einmal auf, das ist ganz schwierig. Diese
Debatte hätte ich an Ihrer Stelle nicht angefangen.
Ich habe mir einmal vom Jahr 1981 bis heute diesen
Sachverhalt in ein entsprechendes Diagramm eintragen
lassen und werde es Ihnen zustellen lassen, damit Sie alle
das haben. Grün steht da für Westdeutschland und Ockerfarben steht dann für die Bundesrepublik Deutschland
nach der Wiedervereinigung. Daraus können Sie ganz erstaunliche Sachverhalte ablesen, meine Damen und Herren. In den von Ihnen so gerühmten 80er-Jahren - darüber
gehe ich schnell hinweg - haben Sie 1983 und 1984 gerade einmal den siebten Platz von 15 europäischen Ländern erreicht.
({11})
1985 fällt Deutschland auf Platz 13 zurück und pendelt
die restlichen 80er-Jahre auf Platz 12 und Platz 13.
({12})
Wir lagen gerade einmal zwei Jahre richtig oben - während des Wiedervereinigungsbooms in den Jahren
1990/91 lagen wir jeweils auf Platz zwei -, dann ging es
auch schon wieder herunter. Im Jahre 1992 gab es einen
steilen Abstieg. Im Jahre 1996 haben Sie den letzten Platz
in der Europäischen Union erreicht.
({13})
Herr Rexrodt, wer war in diesen Jahren Wirtschaftsminister? Wer von Ihren Kollegen war da Wirtschaftsminister?
({14})
In dem ganzen Zeitraum, über den ich berichtet habe, waren Mitglieder Ihrer Partei - zwischendurch auch Sie, der
Mister Wirtschaft - Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland. Man kann sich die Namen nicht so genau
merken, weil die Wirtschaftsminister so oft wechselten.
({15})
Kommen wir einmal - das ist hoch spannend - auf das
Jahr 1995 zu sprechen. In diesem Jahr befand sich Westdeutschland auf dem letzten Platz. Das war eine besonders
dramatische Entwicklung. Man kann diese Entwicklung
noch weiter zurückverfolgen: Im Jahre 1993 lagen wir auf
dem vorletzten Platz. Mit anderen Worten: Wenn Sie die
Schlusslichtdebatte führen wollen, dann müssen wir
zunächst einmal über Ihre Schlusslichter reden. Davon
gibt es bei Ihnen viel mehr als bei uns.
({16})
Wir sind das erste Mal wieder an den Durchschnitt
- Sie lagen im Übrigen immer unter dem Durchschnitt der
Europäischen Union - im Jahre 2000 herangekommen. In
diesem Jahr haben wir im Wirtschaftswachstum wieder
gleichgezogen mit dem Vereinigten Königreich. Wir lagen vor Italien und nur knapp hinter Frankreich. Unsere
Messlatte müssen die Großen in Europa sein.
({17})
Ich komme nun zu einem Problem, das ich nachher bei
der Beschäftigungsentwicklung ein bisschen aufblättern
werde, nämlich zum Problem Bauwirtschaft. Was steckt
hinter diesem Tableau? Das ist eine ganz einfache, aber
auch höchst dramatische Veranstaltung. Herr Rexrodt, in
einem Punkt stimme ich Ihnen zu, auch wenn Sie immer
das Gegenteil behaupten: Zu den Kosten der Wiedervereinigung und zu den Kosten des Aufbaus Ost - über Einzelheiten will ich nicht streiten - bekennen wir uns nachdrücklich. Aber wir bekennen uns nicht zu Ihrer Art der
Finanzierung.
({18})
- Dazu sage ich Ihnen nachher etwas. - Was hat Sie geritten, einen großen Teil der Finanzierung auf die Sozialversicherungssysteme abzuwälzen? Daher rührt doch
die Steigerung der Sozialversicherungsbeiträge.
({19})
Was hat Sie geritten, in diesem Maße in die Verschuldung
hineinzugehen und damit künftige Generationen zu belasten?
Ja, wir hatten einen anderen Vorschlag; Sie werden
sich daran erinnern können. Im Jahre 1989 haben nicht
nur die Sozialdemokraten und nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch große Teile der Wirtschaft gesagt:
Lasst die letzte Stufe der Einkommensteuerreform - sie
trat pünktlich zum Bundestagswahlkampf 1990 in
Kraft - weg! Wir brauchen dieses Geld - es waren
25 Milliarden DM aus der letzten Stufe der stoltenbergschen Steuerreform ({20})
für die Kosten, die jetzt bei der Wiedervereinigung
Deutschlands entstehen. Unser Vorschlag war: Lasst uns
die Finanzierung solide machen!
({21})
Sie können also nicht behaupten, es hätte zu der Zeit keine
Alternative zu Ihrem finanzpolitischen Kurs gegeben.
Ihre Art der Finanzierung war ein fundamentaler Fehler.
({22})
Damit sind wir bei dem Thema, auf welche Weise Sie
den Aufbau Ost privat finanziert durchgeführt haben. Da
liegt das zentrale Problem hinsichtlich des Wirtschaftswachstums. Sie haben nämlich mit den Sonderabschreibungen für den Aufbau Ost - diese haben übrigens in den
Jahren 1996/97 zum Verfall der Steuereinnahmen geführt;
Sie mussten Ihren Fehler mit großem Erschrecken erkennen und ihn mit unserer Unterstützung korrigieren zweierlei bewirkt: erstens einen völlig überzogenen Kapazitätsaufbau der Bauwirtschaft und zweitens ein riesiges Maß an Fehlallokationen von Kapital, die wir heute
dadurch bezahlen, dass wir Wohnraum in den ostdeutschen Ländern abreißen müssen. Das ist die Situation, für
die Sie mit Ihrer nicht durchdachten Aufbaupolitik im
Osten verantwortlich sind.
({23})
Das hätte man, wie Sie wissen, viel klüger machen
können. Unser Vorschlag damals hieß nicht - das sage ich,
damit auch in diesem Punkt die Alternative klar ist - Sonderabschreibungen. Wir wollten das nicht, weil wir der
Überzeugung waren, dass diese nur die Bezieher großer
Einkommen geltend machen konnten, die es im Osten
aber überhaupt nicht gab. Unser Vorschlag hieß vielmehr:
Lasst uns das über Zulagen machen! Die hätten nämlich
alle unabhängig von ihrem Einkommen in Anspruch nehmen können. Dann wäre der Aufbau Ost ein privates Vermögensbildungsprogramm Ost geworden und kein Vermögensbildungsprogramm der Besserverdienenden im
Westen. Das war unsere Konzeption für den Aufbau Ost.
({24})
Was steckt hinter dem Abstieg? Dahinter steckt das
Einstampfen der Überkapazitäten, die Sie geschaffen haben. Das eigentliche Problem ist: Im vergangenen Jahr hat
allein die Krise im Baubereich dazu geführt, dass das
Wachstum um 0,8 Prozent geringer ausgefallen ist. Ohne
diese Krise hätten wir ein Wachstum von 3,8 Prozent und
wären damit eindeutig an der Spitze aller großen Länder
in der Europäischen Union gelegen. Das ist die Situation,
mit der wir es zu tun haben. Ausdrücklich sage ich - im
Übrigen hat das auch der BDI, wie Sie wissen, errechnet -:
Für den Osten ist die Lage noch dramatischer. Denn im
vorigen Jahr gab es einen Wachstumsverlust von 2 Prozent. Statt 1,1 wäre ohne diese Krise ein Wachstum von
3,1 Prozent möglich gewesen.
({25})
Der BDI hat noch dramatischere Zahlen für dieses Jahr errechnet. Die neuesten Statistiken zeigen aber auch, dass
wir in diesem Bereich jetzt zur Bodenbildung kommen.
Dieser Teil einer verfehlten Art des Aufbaus Ost, wie Sie
ihn vorgenommen haben, wird demnächst aus unseren
Konjunkturdiskussionen verschwinden.
({26})
Was haben wir vorgefunden? Im Jahre 1998 einen
Haushalt mit einer Verschuldung von 28,8 Milliarden Euro bzw. 56,4 Milliarden DM.
({27})
Dann haben Sie noch Privatisierungserlöse in Höhe von
20 Milliarden DM eingesetzt. Das mussten Sie, weil Sie
anderenfalls einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt hätten,
({28})
so wie alle Ihre Haushalte seit 1996 verfassungswidrig im
Vollzug waren.
({29})
- Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen. Es wird noch
spannend.
({30})
Jetzt kommen wir einmal zum Vergleich des Haushalts
1998, also des letzten der vorigen Wahlperiode, mit dem
Haushalt 2002, mit demjenigen, der in dieser Woche zur
Verabschiedung ansteht. Zuerst einmal ist festzuhalten:
Herr Rexrodt, die Konsolidierung ist entgegen all dem, was
Sie behaupten, über die Ausgabenseite bewerkstelligt worden. Denn 1998 - das gehörte übrigens zu Ihren Tricks waren die Postunterstützungskassen - dies nur als Beispiel - und eine Reihe anderer Dinge überhaupt nicht Bestandteil des Haushalts.
({31})
Das heißt, wir mussten erst einmal alle bestehenden
Schattenhaushalte in den Haushalt einordnen.
Wenn man das tut, dann sieht die Ausgabensituation
folgendermaßen aus: Sie hatten in 1998 Ausgaben von
228,7 Milliarden Euro. Wir haben im Jahre 2002 - dabei
rechne ich die Mittel für das Investitionsfördergesetz ein;
die Mittel, die durch eine Bilanzverkürzung nicht auf der
Ausgabenseite angesetzt werden, sondern im Sinne eines
Einnahmeverzichts berücksichtigt werden, will ich der
Fairness halber zu Ihren Gunsten einrechnen,
({32})
und zwar anders, als Sie das früher bei den Kindererziehungszeiten oder beim Kindergeld getan haben -, bereinigte Ausgaben - um vergleichen zu können - in Höhe
von 219,3 Milliarden Euro. Das heißt, wir haben nunmehr
im vierten Jahr in Folge geringere Ausgaben, als Sie es im
letzten Jahr Ihrer politischen Verantwortung gehabt haben. Wenn das keine Konsolidierung über die Ausgabenseite ist, was ist dann Konsolidierung über die Ausgabenseite?
({33})
Wenn ich dann die NKA und zusätzlich die Privatisierungserlöse in Höhe von 2,75 Milliarden Euro, die
wir einstellen, hinzurechne - das hat Herr Metzger zu
Recht schon deutlich gemacht -, dann ist ein Konsolidierungserfolg von 30 Milliarden DM in diesen vier Jahren
zu verzeichnen. Wenn wir diese Politik nicht eingeleitet
hätten, dann müssten wir heute erklären, dass wir den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt brechen, weil
wir bereits deutlich über das Kriterium der 3 Prozent Neuverschuldung, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, liegen würden.
({34})
Dann hätten Sie den anderen Europäern den Europäischen
Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgedrückt und
Deutschland wäre das erste Land gewesen, das diesen
Pakt bricht. Können Sie sich eine solche Politik überhaupt
vorstellen? Sie hätten sie gemacht.
({35})
Deswegen ist zunächst einmal festzuhalten: Wir haben
eingegriffen und eine Situation geschaffen, mit der wir
heute, also auch in schwieriger Zeit, umgehen können.
({36})
- Mein Gott, sind Sie unruhig! Es kommt noch mehr!
Wir haben doch nicht nur einen Konsolidierungserfolg
von 30 Milliarden DM zu verzeichnen. In diesem Bundeshaushalt stecken Steuerentlastungen in Höhe von
25 Milliarden Euro im Vergleich zum Haushalt 1998, den
Sie zu verantworten hatten.
({37})
Das macht bereits rund 80 Milliarden DM an Umstrukturierungen im Haushalt.
({38})
Am Ende dieser Wahlperiode - zum Beispiel das ist in
diesen 25 Milliarden Euro enthalten - wird eine vierköpfige Familie 1 920 DM netto mehr Kindergeld haben.
({39})
Das ist für eine Verkäuferin das 13. Monatsgehalt. Auch
das ist Teil dieser Bilanz.
({40})
Außerdem ist es so, dass der Handwerksmeister und
der Einzelhändler am Ende dieser Wahlperiode de facto
keine Gewerbesteuer mehr zahlen müssen. 50 Jahre lang
hat der deutsche Mittelstand das gefordert, von dieser
Bundesregierung unter Rot-Grün hat er es bekommen. Sie
haben das nie geschafft!
({41})
In den Steuerentlastungen in diesem Haushalt steckt
eine Absenkung des Eingangssteuersatzes von 25,9 Prozent - das war Ihr Haushalt 1998 - auf 19,9 Prozent. In
diesem Haushalt steckt auch eine Erhöhung des Grundfreibetrages von damals 12 300 DM auf jetzt 14 100 DM.
Das alles - das sage ich jetzt an die PDS gewandt, weil
sie es angesprochen hat - sind konkrete soziale Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Bezieher kleiner
Einkommen und der Familien. Das ist unsere Politik.
({42})
In diesem Haushalt stecken auch - anders, als Sie behaupten - mehr Investitionen als 1998.
({43})
Ich rate, dass wir uns im Haushaltsausschuss gelegentlich
ein bisschen genauer über das Thema Investitionen unterhalten. Denn in diesen Investitionen - Herr Metzger hat es
Ihnen vorgerechnet - stecken mehr Mittel für den
Straßenbau, für den Gleiswegebau, für den Verkehr insgesamt. Die wirklichen Investitionen sind höher als vorher.
({44})
Das Investitionsförderungsgesetz haben wir übrigens
gestern noch einmal im Finanzplanungsrat beraten. Tun
Sie bitte Ihren eigenen Finanzministern in den ostdeutschen Ländern nicht Unrecht. Sie wollen, dass alles nach
wie vor investiv eingesetzt wird. Sie haben nur eine Bitte:
Sie wollen in den ostdeutschen Ländern selber entscheiden können. Deswegen sind wir der Vorstellung gefolgt,
die Investitionsfördermittel in Sonder-Bundesergänzungszuweisungen umzuwandeln, was nichts anderes
heißt als eine Stärkung der Entscheidungskompetenz der
ostdeutschen Länder. Das ist ein kleiner, aber wichtiger
Schritt auf dem Weg zu mehr föderaler Aktivität in
Deutschland und das finde ich vernünftig. Das sollten Sie
nicht denunzieren.
({45})
In diesem Haushalt steckt eine Erhöhung des Forschungsetats gegenüber dem 98er-Haushalt um 15,5 Prozent. Dabei ist das ausgelagerte BAföG gar nicht eingerechnet, dann sind es sogar 20 Prozent.
({46})
Das ist eine zukunftsgerichtete Investition.
Es sind auch 2 Milliarden DM für das JUMP-Programm enthalten. 332 000 Jugendliche, Herr Rexrodt,
haben es inzwischen in Anspruch genommen. Wir haben
auch erreicht, dass 40 000 zusätzliche Ausbildungsplätze
entstanden sind, was Sie nie erreicht haben. In den letzten
beiden Jahren war das Ausbildungsplatzangebot in
Deutschland höher als die Nachfrage. Wir haben die Benachteiligung junger Leute abgebaut. Wir haben regionale
Probleme, das stimmt; aber wir haben zum ersten Mal
wieder einen Ausgleich und in der Bilanz sogar einen
Überschuss geschafft.
Darin steckt natürlich auch die Rentenreform. Dazu
will ich Ihnen etwas sagen. Dieses Thema hat auf dem europäischen Kontinent unter den Großen nur Deutschland
angepackt und bewältigt - Frankreich nicht, Italien nicht
und Spanien nicht. Sie werden das alle noch tun müssen.
Die bedeutende strukturelle Entscheidung war, dass wir
neben die umlagefinanzierte Rente eine zusätzliche, privat finanzierte Vorsorge stellen, die wir übrigens bei den
kleineren Einkommen stärker fördern, als es durch den
Arbeitgeberbeitrag geschehen wäre. Darauf muss ich hinweisen. Deswegen ist das, was wir an dieser Stelle tun,
auch sozial gerechtfertigt.
({47})
Herr Rexrodt, Sie beklagen die höheren Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung. Ich komme noch einmal
darauf zurück, dass wir uns dem Problem der alternden
Gesellschaft werden stellen müssen.
({48})
Auch Sie haben das getan. Deswegen rate ich immer wieder dazu, dass wir nur über das streiten, was man angesichts des Handelns streitig stellen kann. Sie haben die
Mehrwertsteuer um 1 Prozent erhöht. Wir haben das unterstützt, um zu verhindern, dass der Rentenversicherungsbeitrag von 20,3 Prozent auf über 21 Prozent steigt.
Das haben wir noch vor der Bundestagswahl gemacht; die
Erhöhung ist zum 1. April 1998 in Kraft getreten. Der einzige Unterschied ist, dass Sie eine allgemeine Verbrauchsteuer und wir eine spezielle Verbrauchsteuer erhoben haben. Darüber können Sie streiten, aber mehr steckt nicht
dahinter.
Es ist übrigens richtig, an dieser Stelle die Steuerfinanzierung zu verstärken, weil wir damit zwei Dinge erreichen: Wir stabilisieren die Rentenversicherung und - das
ist die Wahrheit - wir subventionieren die Beiträge, weil
- darin sind wir uns einig - zu hohe Lohnnebenkosten
falsch sind.
({49})
Wir haben nicht den Fehler gemacht, die Gesundheitsreform erst am Ende dieser Wahlperiode zu präsentieren. Wir haben es am Beginn getan und Sie haben sie
seinerzeit im Bundesrat blockiert. Deswegen wird Frau
Kollegin Schmidt ganz am Anfang der nächsten Wahlperiode das Thema wieder ansprechen. Hoffentlich werden
Sie - so wie beim vorigen Mal - dann nicht alles gleich
wieder blockieren.
({50})
Das Antiterrorpaket ist enthalten. Wer allerdings behauptet, dass die kleine Erhöhung der Tabak- und der Versicherungsteuer irgendeine konjunkturelle Bedeutung
habe,
({51})
der - da kann man sich nur an den Kopf fassen - kann das
wohl nicht wirklich ernst gemeint haben.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zu dem
entscheidenden Punkt, nämlich der Arbeitslosigkeit.
({52})
Zunächst einmal möchte ich festhalten: Am Ende dieser
Wahlperiode dieses Bundestages sind alle Daten für die
Familien, die Arbeitnehmer und die Unternehmen
({53})
- soweit es den öffentlichen Haushalt betrifft - weitaus
besser, als Sie am Ende der letzten Wahlperiode des Bundestages gewesen sind.
({54})
Das heißt, dass wir in einer sehr schwierigen Lage weitaus bessere Rahmenbedingungen haben. Das ist der Sachverhalt
({55})
Meine Damen und Herren, nun komme ich zur Beschäftigung: In der Bilanz weisen wir 1,2 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr auf.
({56})
Es ist wahr, dass die Entwicklung im Moment zum Stillstand gekommen ist. Noch im dritten Quartal hatten wir
einen zusätzlichen Aufbau von 19 000 Stellen. Seit unserem Regierungsantritt gibt es - bis jetzt - 1,2 Millionen
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr.
({57})
Auch wenn davon ein Teil wieder verloren geht, werden
wir den allergrößten Teil behalten. Im nächsten September wird unsere Bilanz ein ganz starkes Plus in der
Beschäftigung ausweisen. Dies gilt für den Zeitraum ab
Anfang der Wahlperiode - bzw. dem Ende Ihrer Regierungszeit - bis zu unserer Wahl im September nächsten
Jahres. Genauso wird es sein.
({58})
Dass dabei die Arbeitslosigkeit nicht so zurückgegangen ist, wie wir es gerne gewollt hätten, ist gänzlich unbestreitbar. Der Rekordhalter sind und bleiben aber Sie;
denn bei Ihnen gab es im Februar - das ist immer der Monat mit der höchsten Arbeitslosigkeit - 1998 4,83 Millionen Arbeitslose. Die Arbeitslosenzahl im Februar nächsten Jahres wird mit Gewissheit eine halbe Million und
deutlich mehr darunter liegen.
({59})
Auch das ist wahr. Das heißt, dass in Deutschland das
erste Mal nach dem Krieg die Sockelarbeitslosigkeit nach
einer wirtschaftlichen Krise deutlich niedriger sein wird
als vorher.
({60})
Bis dahin galt das Gesetz, dass man aus jeder Krise mit einer höheren Arbeitslosigkeit herauskommt. Es ist das
erste Mal, dass dieses Gesetz nicht mehr gilt. Wir haben
nicht so viel erreicht, wie wir wollten, aber wir haben eine
deutlich bessere Politik betrieben, als Sie sie in Ihren
16 Jahren jemals zuwege gebracht haben.
({61})
Im Übrigen wissen wir auch alle, woran es liegt.
Schauen Sie sich einmal Europa an. Auch diese Daten
werde ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen.
({62})
- Sie werden sich schon mit Fakten beschäftigen müssen,
statt mit Sprüchen, die Sie sich ausgedacht haben und zu
denen Ihre Werbeagenturen Ihnen gesagt haben, dass sie
sehr wirkungsvoll seien. - Faktum ist ein Abbau beim
Bau. Faktum ist auch, dass es in der DDR eine nicht
wettbewerbsfähige Wirtschaft gab; die großen Industriebetriebe gingen, nachdem Sie über Nacht dem Wettbewerb der Weltwirtschaft ausgesetzt wurden, kaputt. Das
werfe ich Ihnen übrigens nicht vor. Das war politisch gar
nicht zu vermeiden. Die Osterweiterung der Europäischen
Union werden wir so aber nicht durchführen. Wir werden
die Grenzen erst öffnen, wenn es in Polen und in den anderen Ländern eine wettbewerbsfähige Wirtschaft gibt.
Diesen Anpassungsschock, der in Deutschland unvermeidlich war, wollen wir dort nicht wieder erleben.
Ich komme zum öffentlichen Dienst und zu dem, was
im Wesentlichen Folge der alten SED-Herrschaft ist: Es
gibt einen völlig überbesetzten öffentlichen Dienst.
({63})
Das ist eine der großen Wachstumsbremsen in den ostdeutschen Ländern.
({64})
Sie wissen selber: Dort, wo Sie in der Regierung sind oder
wo Sie die Regierung mittragen, bauen Sie sie auch ab.
({65})
Deswegen sollten Sie die Ehrlichkeit haben, das an dieser
Stelle auch zu sagen.
Wenn ich mir den Wachstumssektor und die Dienstleistungen ansehe, dann erkenne ich, dass Deutschland über
dem Durchschnitt der Europäischen Union liegt. Der Zuwachs an Zukunftsarbeitsplätzen ist bei uns weitaus höher
als in allen anderen großen Ländern der Europäischen
Union. Das ist unsere Bilanz.
Ich will eines einräumen: Das eignet sich im Moment
schwer für Schlagworte. Meine Damen und Herren, es ist
aber weitaus besser als das, was Sie in Ihrer Zeit zuwege
gebracht haben.
({66})
Das Jahr 2002, das schwierig wird, wird ein weitaus besseres Jahr sein als das Jahr 1998, in dem Sie zu Recht aus
der Regierung abgewählt worden sind.
({67})
Konsolidierung heißt - das kann man an diesem Haushalt sehen -, weniger Schulden zu machen. Konsolidierung heißt, den Bürgern und den Unternehmen mehr Geld
für Nachfrage und Investitionen in der Tasche zu lassen.
Konsolidierung heißt auch, den Haushalt auf die Zukunft
auszurichten, statt mit ihm vergangene Schulden zu finanzieren. Das ist es, was wir mit unserer Haushaltspolitik geschafft haben.
({68})
Dies wirkt natürlich auch konjunkturell. Wir betreiben
keine Konjunkturpolitik - darauf habe ich gerade hingewiesen und dies will ich noch einmal deutlich machen -,
aber unser Haushalt wirkt zugunsten der Konjunktur.
Er beinhaltet zum allerersten Mal einen verlässlichen
finanzpolitischen Kurs, weil per Gesetz Steuersenkungen bereits für zwei Wahlperioden verankert sind. Und
das ist das Beste, was für die Investitionsbereitschaft von
Bürgern und Unternehmen überhaupt gemacht werden
kann; denn sie müssen langfristig wissen, worauf sie sich
verlassen können.
Eine solide Ausgabenwirtschaft, die alleine die Garantie dafür ist, dass nicht wieder richtig in den Steuererhöhungstopf gegriffen werden muss, ist die zweite
verlässliche Planke unseres Haushalts.
({69})
Die dritte Planke ist die Verbesserung der Ausgabenstruktur. Sie haben uns doch die Schulden und die damit verbundenen hohen Zinsen hinterlassen. Gleich hinter den
Ausgaben für die Renten, was Sie, Herr Rexrodt, immer
kritisieren, findet sich doch der Block „Zinsen“ mit mehr
als 20 Prozent des Haushaltes. Es gibt in Deutschland keinen Haushalt, der so überschuldet ist wie der Bundeshaushalt und deswegen so wenig Spielraum für Zukunftsinvestitionen lässt. Das ist Ihr Erbe, an dem wir zu
knabbern haben und das wir abarbeiten.
({70})
In diesem Haushalt sind für das Jahr 2002 Steuerentlastungen von fast 19 Milliarden DM festgeschrieben.
Ein Teil wird aus der Steuerreform 2000 kassenwirksam;
dies haben wir dieses Jahr eingeleitet und dies wird im
nächsten Jahr zu echten Entlastungen führen. Hinzu
kommt die Erhöhung des Kindergeldes; das sind über
5 Milliarden DM. Die AfA-Tabellen werden sich auswirken, ebenso weitere ergriffene Maßnahmen. Es geht insgesamt um knapp 19 Milliarden DM bzw. fast 0,5 Prozent
des Bruttoinlandsproduktes und damit um eine Absenkung der Steuerquote. - Im Übrigen sind die Entlastungen
so hoch, wie es die Wirtschaftsforschungsinstitute ihrerseits gefordert haben, ohne dass sie aber zur Kenntnis genommen haben, dass dies durch diesen Haushalt geschieht.
Neu ist das Projekt „Stadtumbau Ost“. Dieses Investitionsprogramm wird voll durch die Zinsersparnisse, die
wir aufgrund der Schuldentilgung durch die Erlöse aus
den Versteigerungen der UMTS-Lizenzen erzielt haben,
finanziert. Zu nennen ist auch, was wir im Bereich der
KfW und durch unsere Ausgabenprogramme machen.
Schließlich gehört hinzu - das ist auch Teil unserer Finanzpolitik -, dass der Osten selber mit dem Solidarpakt II von jetzt an gerechnet für fast 20 Jahre Planungssicherheit für die Schließung der Infrastrukturlücke hat.
Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass wir die Beträge so hoch angesetzt haben und dass wir so langfristig
planen. Diese Kritik des Bundesrechnungshofes halte ich
aber für falsch. Es ist doch gerade umgekehrt: Eine langfristige Planung schafft Sicherheit. Das ist die einzige Garantie dafür, dass es mit dem Aufbau Ost weitergeht. Das
ist ein wesentliches Ergebnis dieser Politik.
({71})
Ich nenne auch das Job-Aqtiv-Programm. Ab dem
1. Januar wird es eine große Vermittlungsinitiative geben.
In den Arbeitsämtern stehen zusätzlich 3 000 Vermittler,
also ein Drittel mehr als bisher, zur Verfügung; denn es
gibt neben der hohen Arbeitslosigkeit 400 000 freie Stellen. Wenn die Wirtschaft Recht hat, und auch der Kollege
Riester, dann sind es sogar 1,5 Millionen. Diese freien
Stellen müssen uns aber bekannt sein. Dann können wir
alles tun, damit diejenigen, die keine Arbeit haben, dorthin vermittelt werden. Jedenfalls wird die Arbeitsverwaltung, die in unserer Verantwortung steht, hier ihr Möglichstes tun.
Kurzum: Wir legen uns krumm, um alles für den Abbau der Arbeitslosigkeit und somit den Anstieg der Beschäftigung zu tun. Die Weltwirtschaft kann die Wirtschaft eines einzelnen Landes nicht aushebeln. Das ist
eine Illusion und die Menschen in diesem Land wissen
dies. Mit dieser Propaganda werden Sie keinen Erfolg
haben.
({72})
Im Übrigen: Wir „sparen“ keiner abflauenden Konjunktur hinterher; das wäre in der Tat ein fundamentaler
Fehler. Die automatischen Stabilisatoren entfalten ihre
Wirkung. Dies würde ich aber viel beruhigter sagen, wenn
wir eine bessere Haushaltssituation hätten. Wir haben sie
aber nicht. Hätten Sie 1995/96 mit der Konsolidierung
begonnen, die wir 1999 eingeleitet haben, dann könnten
wir diese Situation beruhigter angehen, als das gegenwärtig der Fall ist. Das ist wohl richtig.
({73})
Zu Ihren Vorschlägen muss man nicht mehr viel sagen. Es waren die klassischen: Schulden machen. Dies ist
etwas, was Sie zuverlässig beherrschen. Dies haben Sie
zuverlässig auch immer wieder in Ihren Programmen stehen. Sie haben keine Einsparvorschläge, sondern nur Ausgabenvorschläge gemacht, sogar noch zusätzliche Subventionen geplant. Denn um was handelt es sich sonst,
wenn man bei der Landwirtschaft noch einmal etwas
drauflegt - um einmal ein Beispiel zu nennen -, wenn
nicht um Subventionen? Das ist übrigens das genaue Gegenteil dessen, was wir in der WTO und in der Europäischen Union tatsächlich machen müssen.
Außerdem haben Sie vorgeschlagen, die Steuerreform
vorzuziehen. Hier gab es übrigens einen kläglichen Rückmarsch. Frau Merkel ist heute nicht da.
({74})
Wenn ich mir das Zehnpunkteprogramm ansehe, stelle ich
fest: Angefangen hat es mit dem Vorschlag, alle Stufen
von 2005 auf 2002 vorzuziehen. Dann hat Herr Stoiber
dazu gesagt - es war Frau Merkel richtig anzusehen, wie
konsterniert sie war -, dies sei wohl doch nicht zu bezahlen. Man könne dies also nicht machen, sondern allenfalls
eine Stufe vorziehen. Heute heißt es dazu: „CSU rudert
bei Steuerreform zurück!“
Gestern fand die Sitzung des Finanzplanungsrates
statt. Von den acht Finanzministern, die Ihrer Partei angehören, waren fünf da. Dass Herr Faltlhauser nicht gekommen ist, kann ich verstehen. Denn angesichts der Versprechungen von Herrn Stoiber würde er vielleicht im
Finanzplanungsrat gefragt, wie das denn in die Planungen
der öffentliche Haushalte passe. Die meisten anderen waren aber da.
Ich sage Ihnen eines: Niemand hat von irgendwelchen
Steuersenkungen gesprochen. Sie haben im Gegenteil
vielmehr versucht, die Debatte ganz schnell von der Finanzpolitik weg in eine andere Richtung zu lenken. Sie
haben auch ausdrücklich gesagt, dass wir den Konsolidierungskurs konsequent fortsetzen müssen. Das haben
übrigens alle 16 unterschrieben.
({75})
Das ist sogar - falls das jemandem entgangen sein sollte Wochen vorher verabredet und gestern einstimmig so beschlossen worden. Das waren alle Länderfinanzminister.
({76})
Ich frage mich, welche Debatten Sie hier eigentlich
führen. Jeder Finanzminister könnte sogar - es traut sich
nur keiner, weil er dann seinen Ruf verliert - im Bundesrat einen Antrag stellen: Ablehnung gesichert. Auf die
Frage, was Ihr Konzept sonst noch zu bieten hat, gibt es
nur eine Antwort: Nichts!
({77})
Ich sage noch eines - allerdings ist Herr Brüderle heute
nicht da -: Auf die Idee, dass die Finanzämter, statt Geld
für unsere gemeinsamen öffentlichen Belange einzutreiben, zukünftig Schecks ausstellen sollen,
({78})
muss ein liberaler Politiker, der immer sagt, der Staat solle
sich raushalten, erst einmal kommen!
({79})
Dazu gehört noch die tolle Vorstellung, dass der Bund die
Verluste, die dadurch entstehen, dass die Aktienkurse sinken, ausgleichen soll.
({80})
Das war schon eine beachtliche Leistung. Ich kann verstehen, dass Herr Brüderle heute nicht gekommen ist.
({81})
Maastricht-Kriterien: Herr Brüderle war der einzige,
der es gewagt hat, zu sagen, diese Kriterien könne man
auch verletzen. An dieser Stelle wird es allerdings ernst,
denn dies ist etwas, was niemand verantworten kann. Hier
bin ich mit dem Kollegen Waigel, der jetzt nicht mehr da
ist, dies aber deutlich gesagt hat, einverstanden. Denn wer
das einmal zulässt - und dann auch noch von der größten
Volkswirtschaft in der Europäischen Union -, der wird
lange rudern müssen, bis unsere gemeinsame Währung an
den internationalen Kapitalmärkten wieder Boden unter
die Füße bekommt. Das geht aber nicht. Da hört der Spaß
gänzlich auf.
({82})
Sie würden sich wundern, wenn Sie einmal über Ihre
eigene Europatauglichkeit nachdenken würden. Wo sind
Sie eigentlich hingekommen, nachdem sich Helmut Kohl
manchmal gewiss etwas zu großzügig mit dem Geld, aber
ansonsten intensiv um Europa gekümmert hat?
({83})
Wo sind Sie eigentlich hingekommen, dass Ihnen das
vollkommen wurscht geworden ist? Angesichts Ihrer Vorschläge gilt das auch dafür, was aus dem Europäischen
Stabilitäts- und Wachstumspakt, was aus der Glaubwürdigkeit der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, was
aus der Glaubwürdigkeit der Koordinierung der Finanzpolitiken wird.
({84})
Wo sind Sie eigentlich hingekommen, wenn Ihnen das
völlig gleichgültig ist?
({85})
Ich freue mich doch - ich sage das ausdrücklich -, dass
einer in der Wirtschaft die Frage der Solidität richtig hoch
gehalten hat: Herr Braun. Wir sind nicht immer einer
Meinung, aber ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen - Sie
haben das heute noch einmal gesagt -: Ich bin für einen
Konsolidierungskurs. Wer A sagt, muss auch B sagen.
Dann kann man nicht noch die Steuerreform weiter vorziehen. Das eine und das andere passen nicht zusammen.
Das gilt auch für manches, was Sie in einer einzigen Rede
unterbringen, meine Damen und Herren.
Es wird nicht dabei bleiben. Wir werden viel zu tun haben. Wir sind große Schritte mit unseren Strukturreformen in der Steuerreform, in der Haushaltskonsolidierung,
in der Rentenreform, in der Reform der Pensionen des öffentlichen Dienstes gegangen. Hier können Sie noch zustimmen, wenn ich das richtig im Kopf habe. Sie ist noch
nicht durch den Bundestag gegangen. Ich bin auf Ihr Verhalten sehr gespannt.
Sie werfen uns vor, auf der Ausgabenseite nicht zu
konsolidieren. Jedes Mal aber, wenn wir das tun und dafür
Prügel in Form von Demonstrationen einstecken, dann
stellen Sie sich auf die andere Seite und hetzen gegen uns.
Sie sagen, dass wir den Beamten etwas wegnehmen, obwohl wir nur das übertragen, was wir in der sozialen Rentenversicherung bereits haben. Das ist ein ziemlich schäbiges Spiel und das Ende jeder Glaubwürdigkeit Ihrer
Finanzpolitik.
({86})
Wir werden weiter arbeiten müssen. Das werden wir
auch tun, damit hier überhaupt keine Zweifel bestehen:
mit der Gesundheitsreform, der Zusammenführung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die Walter Riester für den
Anfang der nächsten Wahlperiode angekündigt hat, der
Gemeindefinanzreform, die nicht dazu führt, dass der
Bund mehr Geld gibt,
({87})
sondern dazu, dass die Gemeinden stetigere Einnahmen
haben und keine prozyklische Finanzpolitik machen. Darauf wird es ankommen. Weiter werden wir offensiv in
den europäischen Binnenmarkt - Finanzdienstleistungen,
Energiemarkt und andere Bereiche - hineingehen. Gleiches gilt für die Stärkung des Welthandels durch die
WTO.
Auf den Staat alleine kommt es nicht an. Dieser macht
unheimlich viel.
({88})
Dafür legen wir uns krumm. Aber es sind auch ein paar
andere an der Reihe. Bei der Lohnpolitik, die in Deutschland bisher sehr vernünftig gelaufen ist, habe ich keinen
Anlass, anzunehmen, dass das künftig anders sein wird.
Zum anderen sage ich ausdrücklich: Es ist fantasielos, in
einer solchen Situation über einen größeren Stellenabbau
nachzudenken, statt zum Beispiel wie VW zu versuchen,
durch Einführung anderer Arbeitszeitmodelle keine Leute
zu entlassen; denn der nächste Aufschwung kommt in jedem Falle. Dann wird man froh sein, wenn man verdiente
und qualifizierte Leute hat.
({89})
Auch die Geldpolitik spielt ihren Part. Sie spielt ihn
nur, weil die Fiskalpolitik mit dem Konsolidierungskurs
glaubwürdig bleibt. Die Europäische Zentralbank hätte
keinen Moment daran gedacht, die Zinsen zu senken,
wenn sie nicht die Gewissheit hätte, dass wir glaubwürdig
auf Konsolidierungskurs bleiben.
Es gibt neben allen negativen Signalen, die ich keinen
Moment bestreiten will und deren Zahl im Moment
größer wird, auch positive Signale. Aber es ist auch eine
Frage, wie wir uns dazu stellen: Nehmen wir die positiven
Signale überhaupt nicht zur Kenntnis oder versuchen wir,
sie zu kommunizieren? Wer den Ölpreis von vor einem
Jahr mit dem von heute vergleicht, der merkt, dass es damals zu einem großen Kaufkraftentzug kam und jetzt alleine der gesunkene Ölpreis zu einem eigenen Konjunkturprogramm führt.
({90})
Wer sich die Preissteigerungsrate und ihren Rückgang
ansieht, der wird feststellen, dass wir bei den Verbraucherpreisen inzwischen bei 1,4 Prozent sind. Das ist die
Wirklichkeit. Das heißt, hier kann die Steuerreform ihren
Teil bewirken. Die Kapitalkosten sind niedrig. Bei der
Einschätzung der Situation muss man zwar vorsichtig
sein, aber die Stimmung auf den Aktienmärkten ist nicht
negativ.
Wenn ich mir den Autoabsatz im Oktober ansehe - wir
waren bis zum 11. September beim Autoabsatz auf einem
stetigen Erholungskurs -, dann kann ich ein Plus von
9,6 Prozent beim Absatz im Oktober im Vergleich zum
Vorjahresmonat erkennen. Das ist in der Tat ein gewaltiger Erfolg.
Es gibt also auch positive Zeichen. Der Turn-around
wird kommen. Keiner weiß zwar genau, wann dies sein
wird, aber alle rechnen damit, dass das nächste Jahr besser als dieses wird.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir sind auf einem guten Kurs. Wir sind damit am Ende
({91})
dieser Wahlperiode des Deutschen Bundestages in einer
weitaus besseren Situation als Sie, als Sie 1998 zu Recht
abgewählt worden sind.
({92})
Deswegen stellen wir uns mit großem Vertrauen dem
Wählervotum im September des nächsten Jahres.
({93})
Sie werden weitere vier Jahre auf den Oppositionsbänken
zubringen müssen, weil Sie bisher nichts gelernt haben.
({94})
Für die Fraktion der
CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Peter Rauen.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Herr Finanzminister Eichel, Sie haben über
vieles geredet, aber nur sehr wenig über Ihren eigenen
Haushalt.
({0})
Sie haben zu einem Trick gegriffen: Wenn man selbst
nichts mehr zu bieten hat, dann beginnt man, die Vorgängerregierung zu beschimpfen und Statistiken aus den
80er-Jahren hochzuhalten. Herr Eichel, ich sage Ihnen in
aller Klarheit: Sie haben zu Recht Minister Stoltenberg
gewürdigt. Fakt ist: Er hat die Neuverschuldung von
55 Milliarden DM, die er 1982 übernommen hat, bis 1989
auf 9 Milliarden DM zurückgeführt.
({1})
Fakt ist: Minister Stoltenberg hat von 1986 bis 1989 die
größte Steuerreform - gemessen am Bruttoinlandsprodukt - durchgeführt, die es in Deutschland je gegeben hat.
({2})
Fakt ist, dass unter der Regierung Kohl von 1983 bis 1989
in den alten Bundesländern 3 Millionen neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse entstanden sind.
Davon sind Sie weit entfernt.
({3})
Sie haben eben beklagt, dass 1994 bis 1996 nicht mit
der Konsolidierung begonnen worden sei. Sie wissen genau, dass Finanzminister Waigel in den Jahren von 1995
bis 1998 mit Steuerrückgängen von insgesamt 68 Milliarden DM im Vergleich zu 1994 fertig werden musste. Damals wurde über die Ausgaben konsolidiert. Demgegenüber haben Sie von 1998 an in den folgenden vier Jahren
mit einem Steueraufwuchs von insgesamt 97 Milliarden DM zu rechnen, aufgrund dessen Sie die Chance für
eine wirkliche Konsolidierung gehabt hätten, die Sie aber
nicht ergriffen haben.
Ich möchte den Kollegen Metzger - er ist gerade nicht
hier -, der gesagt hat, dass er für Ehrlichkeit sei, ermahnen, auch die Wahrheit zu sagen. Er hat hier ausgeführt,
dass in den Jahren 1995 bis 1998 für 141 Milliarden Euro
neue Schulden gemacht worden seien, während es von
1999 bis 2002 nur 38 Milliarden Euro gewesen seien.
({4})
Das ist die blanke Unwahrheit. Die Wahrheit ist, dass in
den Jahren 1995 bis 1998 für 125 Milliarden Euro neue
Schulden gemacht worden sind, während es in dem Zeitraum von 1999 bis 2002 91 Milliarden Euro sein werden.
Wenn Sie beklagen, dass mit der Konsolidierung nicht
schon früher begonnen worden ist, dann muss ich Ihnen
sagen: Sie wissen doch, warum es damals Steuermindereinnahmen gab. Der Grund dafür waren die Sonderabschreibungen für die deutsche Einheit; in den neuen Bundesländern sollte investiert werden. Sie wissen doch, dass
damals viele Finanzämter aufgrund dieser Sonderabschreibungen mehr Steuern zurücküberwiesen haben, als
sie eingenommen hatten. Sie als Finanzminister, gerade
wenn Sie auf Stoltenberg abheben, sollten dies mit aller
Klarheit darstellen und nicht versuchen, einen falschen
Eindruck zu erwecken.
({5})
Herr Eichel, Sie haben das Ziel vorgegeben, die Staatsfinanzen zu konsolidieren. Das ehrt Sie. Das hat Ihnen einen guten Ruf eingebracht. Nur, wenn man sich Ihre eigenen Zahlen anschaut, dann stellt man fest, dass das, was
Sie bis jetzt vorzuweisen haben, mehr als dürftig ist.
({6})
Sie haben einen Steueraufwuchs von fast 49 Milliarden DM in vier Jahren zu verzeichnen. Trotzdem verringern Sie die Nettoneuverschuldung nur um lächerliche
15,4 Milliarden DM - nicht mehr und nicht weniger. Zahlen lügen nicht. Diese Zahlen stehen in Ihrem Haushalt.
Aber viel bedenklicher ist die Tatsache, dass Sie von 1998
bis 2002 die Investitionen um 9,5 Milliarden DM kürzen.
Wenn ich daran denke, dass Sie auch noch die Zinserträge
aus den UMTS-Erlösen investiv zur Verfügung haben,
dann muss ich feststellen: Sie haben lediglich zulasten der
Steuerzahler - indem Sie diesen immer mehr Steuern aus
der Tasche gezogen haben - und zulasten der Investitionen - es wird keine mehr geben - konsolidiert. Damit
wird die Zukunft verspielt.
({7})
Unter dem Strich bleibt von Ihrer Konsolidierung nichts
mehr übrig. Das ist die nackte Tatsache, die sich aus Ihren
eigenen Zahlen in den Bundeshaushalten ergibt.
Im europäischen Vergleich hat Deutschland einen
beispiellosen Niedergang im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung erlebt. Drei Jahre Rot-Grün haben in
der Tat genügt, Deutschland sozusagen stabil auf den letzten Platz in Europa zu führen. Nicht nur bei Wachstum
und Beschäftigung sind wir Letzter; auch bei der Neuverschuldung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, sind wir
auf dem letzten Platz angelangt. Ausgerechnet das Musterland für Stabilität läuft Gefahr, im nächsten Jahr ein
wichtiges Kriterium für eine stabile europäische Währung
nicht zu erreichen. Wer hätte das vor wenigen Jahren gedacht, als Deutschland die Kriterien für eine stabile
Währung in Europa durchgesetzt hat?
({8})
Herr Eichel, hier nützt kein Schimpfen auf die Vorgängerregierungen. Das ist Ihre Finanzpolitik. Hören Sie endlich auf, die Schuld auf die Vorgängerregierung zu schieben! Sie regieren seit drei Jahren; ich berichte über Ihre
Finanzdaten.
({9})
Das Spiegelbild der schlechten Wirtschafts-, Finanzund Sozialpolitik der Schröder-Regierung ist der Arbeitsmarkt in Deutschland. Herr Eichel, auf Ihrem Parteitag haben Sie völlig zu Recht gesagt, der Arbeitsmarkt
sei die Achillesferse dieser Regierung. Schröder wollte
bei seinem Regierungsantritt an seinen Erfolgen in der Arbeitsmarktpolitik gemessen werden. Angesichts der Tatsache, dass in den letzten drei Jahren in jedem Jahr
215 000 mehr alte Menschen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, als junge Menschen hinzukamen, war
das Ziel, die Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen zu
reduzieren, ohnehin schon mehr als bescheiden. Aber
selbst dieses bescheidene Ziel werden Sie im Jahr 2002
um 500 000 verfehlen.
Vergleicht man die Zahlen von 1998 und 2001 - ich
vergleiche keine Birnen mit Äpfeln -, kommt man zu folgendem Ergebnis: Wir hatten im Oktober 1998 3 892 000
Arbeitslose, im Oktober 2001 3 726 000. Das sind zwar
166 000 weniger; wahr ist aber, dass mittlerweile rund
190 000 über 58-Jährige in der Statistik nicht mehr mitgezählt wurden, die 1998 noch mitgezählt worden sind.
({10}): Aha!)
Das heißt, dass die Arbeitslosigkeit zwischen Oktober
1998 und Oktober 2001 zugenommen hat.
({11})
Schaut man sich die Entwicklung dieses Jahres an, so
stellt man fest, dass seit Januar die Zahl der Arbeitslosen
von Monat zu Monat saisonbereinigt anstieg. Seit August
liegt auch die absolute Zahl der Arbeitslosen höher als im
Vorjahresmonat, zuletzt im Oktober um 114 000.
Herr Eichel, Sie haben eben wieder erzählt, niemand
könne Ihnen die 1,2 Millionen Beschäftigten nehmen. Ihr
Arbeitsminister Riester erzählt denselben Stuss.
({12})
Das hat doch nur damit zu tun, dass heute die 630-MarkJobs mitgezählt werden, die früher nie mitgezählt worden
sind. Das ist das Faktum.
({13})
Ich weiß gar nicht, zu welchem Zweck Sie sich in jedem
Jahr ein Sachverständigengutachten anfertigen lassen,
wenn Sie nicht lesen, was darin steht.
({14})
Bereits vor über einem Jahr wurde dort festgestellt,
dass der Anstieg des Beschäftigungsvolumens in
Deutschland zum Stillstand gekommen sei. In dem neuen
Gutachten - ich hoffe, Sie haben es gelesen - steht, dass
das Arbeitsvolumen um 1 Prozent zurückgegangen ist.
Das bedeutet, dass in diesem Jahr in Deutschland
600 Millionen Stunden weniger gearbeitet worden sind.
Aber nur für die Stunden, die die Menschen arbeiten, werden Steuern und Abgaben bezahlt. Hierin liegt der tiefere
Grund dafür, dass nicht nur die Steuereinnahmen wegbrechen, sondern auch die sozialen Sicherungssysteme ein
Einnahmenproblem haben und deshalb die Beiträge auf
breiter Front erhöht werden müssen.
({15})
Es ist schon beschämend, wie stiekum versucht wird
- Herr Schröder ist jetzt nicht mehr anwesend -, für die
jetzige Misere außenwirtschaftliche Gründe ins Feld zu
führen, wobei auch ein bisschen auf den 11. September
abgehoben wird.
({16})
- Ja, aber bei „Was nun, Herr Schröder?“ hat der Kanzler
ganz geschickt versucht, dem breiten Publikum zu suggerieren, die Terroranschläge und die wirtschaftliche Situation in Amerika hätten etwas mit der Misere bei uns zu
tun. Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist
der Fall: Der außenwirtschaftliche Einfluss ist nach wie
vor so groß, dass das Statistische Bundesamt im dritten
Quartal 2001 feststellen konnte, der starke Export trage
das Wachstum in Deutschland, während die Wirtschaft
ohne diesen starken Export insgesamt um 1,2 Prozent
zurückgegangen wäre.
Diejenigen Firmen, die von der Binnenkonjunktur in
Deutschland abhängen und keinen Anteil am Export haben, mussten im dritten Quartal gegenüber dem Vergleichszeitraum 2000 einen Rückgang ihres wirtschaftlichen Ergebnisses um 1,5 Prozent hinnehmen. Die
Folgen sind unübersehbar. Wir werden in diesem Jahr mit
33 000 Insolvenzen die größte Zahl von Firmenpleiten
seit dem Ölpreisschock Anfang der 70er-Jahre zu verzeichnen haben. Das ist die Realität.
({17})
Es wird nicht deutlich genug gesagt, dass darüber hinaus noch 8 000 bis 10 000 Betriebe in diesem Jahr still
liquidiert werden,
({18})
weil entweder kein Nachfolger vorhanden ist oder weil
sich das Geschäft nicht mehr lohnt. Diese Realität ist das
Ergebnis Ihrer verfehlten Wirtschaftspolitik.
Die Gründe für die desolate Situation in der Wirtschaft
und auf dem Arbeitsmarkt liegen nicht außerhalb unserer
Grenzen. Sie liegen in der verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung in nichts anderem.
({19})
Herr Eichel, die Steuerreform haben Sie in den Sand
gesetzt. Ich habe Ihnen hier im Mai 2000 gesagt: Wer eine
Steuerreform zugunsten der Kapitalgesellschaften und
gegen Mittelstand und Arbeitnehmer in Deutschland
macht, der wird auf dem Arbeitsmarkt brutal scheitern.
Genau dies erleben wir jetzt. Sie haben die Philosophie
von Lafontaine übernommen, Unternehmen zu entlasten,
nicht aber Unternehmer. Ich sage Ihnen zum wiederholten
Male: Wer Unternehmer nicht entlasten will, der will auch
Arbeitnehmer nicht entlasten,
({20})
denn beide haben den gleichen Einkommensteuertarif.
Man muss wirklich die letzte Steuerschätzung zur
Kenntnis nehmen. Danach bricht die Körperschaftsteuer
von 45 Milliarden DM auf 5 Milliarden DM weg, während die Lohnsteuer erstaunlicherweise stabil bleibt.
({21})
Mir hat der hessische Finanzminister Weimar vor wenigen Tagen gesagt - Hessen sollte Ihnen ja ein Begriff
sein -,
({22})
dass in diesem Bundesland im Jahr 2001 die Zunahme bei
der Lohnsteuer größer ist als die gesamte Einnahme bei
der Körperschaftsteuer. Das ist die Realität und zeigt im
Kern, was ich Ihnen mehrfach sagte, Herr Eichel - Sie
haben es auch nie widerlegen können -: Ihre größte
Steuerreform aller Zeiten ist ein Betrug an der Mathematik. Sie haben dem Tarif 2005 Preise von 1999 übergestülpt. Ein Arbeitnehmer, der von 2001 bis 2005 nur
2,5 Prozent Lohnerhöhung bekommen haben wird, wird
im Jahr 2005 trotz dieser Reform prozentual mehr Steuern zahlen als im Jahr 2001.
({23})
- Nein, Sie haben dem nie widersprechen können. Herr
Eichel, Adam Riese können Sie nicht überlisten. Das ist
einfach zu überprüfen. Deshalb können Sie das nicht widerlegen.
Das zeigt sich auch bei den jetzt vorliegenden Steuerschätzungen. Für die Menschen ergibt sich keine Entlastung. Herr Eichel, eine Steuerreform, die einerseits
entlastet - das wurde eben schon von den Kollegen
Austermann und Rexrodt gesagt -,
({24})
die andererseits aber so aussieht, dass durch die Ökosteuer
den Leuten das Geld sofort wieder aus der Tasche gezogen wird,
({25})
kann auf dem Arbeitsmarkt keine Wirkung haben. Damit
geht Kaufkraft verloren. Die Menschen können insgesamt
nicht mehr Geld ausgeben.
({26})
- Wenn Sie mir sagen, ich könne nicht rechnen, dann
nehme ich das gar nicht mehr ernst.
({27})
Ich habe bei Ihnen so viel Beratungsresistenz erlebt, dass
der Versuch zwecklos ist, Ihnen das beizubringen, weil
Sie es ohnehin nicht einsehen wollen.
({28})
Sie versuchen weiterhin permanent, die Menschen
über die wahren Gründe hinwegzutäuschen. Da sagte der
Umweltminister vor wenigen Tagen, die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge habe bei Übernahme der Regierung durch Rot-Grün bei 44 Prozent gelegen. Das
stimmt nicht. Wir hatten 1998 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 41,9 Prozent. Da die Krankenkassen
die Beiträge jetzt erhöhen müssen, werden die Sozialversicherungsbeiträge im Jahr 2002 insgesamt 41,3 Prozent betragen.
({29})
Das heißt: Es gibt lediglich einen Rückgang um 0,6 Prozentpunkte.
({30})
- Nein. Den Leuten ist es doch egal, wofür die Abzüge
sind, ob für die Rentenversicherung, die Krankenversicherung, die Pflegeversicherung oder die Arbeitslosenversicherung.
({31})
Ich stelle fest: Sie haben in den letzten fünf Jahren lediglich einen Rückgang um 0,6 Prozentpunkte erreicht. Ein
Beitragsprozentpunkt entspricht 16,9 Milliarden DM.
0,6 Prozentpunkte entsprechen 10,14 Milliarden DM. Das
ist die Erleichterung; das ist wahr. Aber mit der nächsten
Stufe der Ökosteuer - Sie lassen die Ökosteuer im Januar
wiedersteigen-undeinschließlichMehrwertsteuerwerden
Sie den Leuten 35 Milliarden DM aus der Tasche ziehen.
({32})
Das heißt: Sie ziehen den Leuten 25 Milliarden DM Kaufkraft aus der Tasche. Das ist die Realität.
({33})
Und dabei erzählen Sie uns noch permanent das Märchen,
Sie hätten die Lohnnebenkosten gesenkt. Das ist ein Witz
für jeden, der das solide betrachtet.
({34})
Das Schlimmste ist: Sie könnten so viele Dinge tun, die
nichts kosten würden. Aber Ihnen einen Rat zu geben hat
ja keinen Zweck. Zum Vorziehen der nächsten Stufe der
Steuerreform sage ich gleich noch etwas. OECD, Internationaler Währungsfonds, EU raten uns seit Jahren, endlich einmal unseren Arbeitsmarkt zu deregulieren.
({35})
Ich empfehle Ihnen, das Gutachten des Sachverständigenrates zu lesen. Ich darf zitieren, was in diesem Gutachten - das ist ein im Auftrag der Regierung erstelltes
Gutachten - steht:
Am schwersten fällt der Bundesregierung das Umdenken und Umsteuern bei der Gestaltung der
Arbeitsmarktordnung. Sie kann sich offenbar nicht
vorstellen, dass man es mit den Regulierungen auch
übertreiben kann.
So der Sachverständigenrat im November 2001.
({36})
Meine Damen und Herren, was haben Sie alles an
Zementierungen vorgenommen? Ich nenne nur einmal
630-DM-Jobs, Scheinselbstständigkeit, Ausweitung des
Kündigungsschutzes, Einschränkung befristeter Arbeitsverhältnisse, Wiedereinführung der uneingeschränkten
Lohnfortzahlung, Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit und
nicht zuletzt Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes.
({37})
Das alles sind Regulierungen, die Sie rückgängig machen
könnten, ohne dass es einen Pfennig kosten würde.
Herr Eichel, was ich bei Ihnen nie verstanden habe, ist
Ihre rein buchhalterische Sicht der Dinge.
({38})
Sie sind ein Mensch, der nicht volkswirtschaftlich denken
kann.
({39})
Sie haben uns immer gesagt: Wenn wir die Steuerreform
so machen, wie ihr sie wollt, dann können wir sie nicht bezahlen. - Was erleben wir in diesem Jahr? Plötzlich müssen Bund, Länder und Gemeinden aufgrund eines völlig
wegbrechenden Wirtschaftswachstums 2001 und 2002
mit 31 Milliarden DM weniger auskommen, weil schlicht
und einfach Ihre miserable Wirtschafts-, Finanz-, Steuerund Arbeitsmarktpolitik in diese chaotische Situation geführt hat.
Wie billig wäre es gewesen, vorausschauend die Unternehmer und die Arbeitnehmer rechtzeitig zu entlasten
und nicht erst im Jahr 2005! Da bekommen sie lediglich
das zurück, was die kalte Progression, das Zusammenwirken von Inflation und Progression, ihnen vorher weggenommen hat.
Meine Damen und Herren, wir fordern weiterhin, die
Steuerreform vorzuziehen.
({40})
Aufgrund des finanzpolitischen Dilemmas, in das Ihre Politik uns gebracht hat, haben wir uns entschieden, Ihnen
jetzt nur noch vorzuschlagen, die Steuerreform 2003 auf
2002 vorzuziehen.
({41})
Das Ganze würde 15 Milliarden DM kosten. Davon entfielen 5 Milliarden DM auf den Bund.
Herr Eichel, ich sage Ihnen: Die Arbeitnehmer haben
in den letzten Jahren trotz Steuerreform und trotz mäßiger
Lohnerhöhung Kaufkraftverluste hinnehmen müssen;
höhere Energiekosten haben ihnen die Kaufkraft entzogen, die sie gebraucht hätten.
({42})
Wenn wir den Tarifpartnern nicht durch eine Steuerentlastung die Chance geben, im nächsten Jahr zu moderaten Tarifabschlüssen zu kommen, dann, so fürchte ich,
geraten wir in eine Lohn-Preis-Spirale, wie sie schlimmer
nicht sein könnte und wie wir sie volkswirtschaftlich in
keinster Weise gebrauchen können. Nehmen Sie deshalb
das, was ich sage, ernst!
Für mich ist nicht die Frage entscheidend, ob wir uns die
Steuerreform unter fiskalischen Gesichtspunkten leisten
können. Für mich ist die Frage entscheidend, ob wir es uns
leisten können, sie nicht durchzuführen. Diese UnterlassungkönnteeineTarifsituationzurFolgehaben,diesehrnegative volkswirtschaftlicheAuswirkungen mit sich bringt.
({43})
Meine 20-minütige Redezeit ist abgelaufen; ich muss
leider zum Ende kommen.
({44})
- Ich durfte nicht, wie der Finanzminister, 40 Minuten
sprechen.
Herr Eichel, ich habe den Eindruck, dass Ihre Beratungsresistenz unverändert fortbesteht. Daher gibt es aus
meiner Sicht nur ein Konjunkturprogramm: eine neue Regierung im September nächsten Jahres.
Danke schön.
({45})
Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt dem Kollegen Oswald Metzger
das Wort.
Kollege Rauen, als ich nicht im Saal war, haben Sie mich
- das wurde mir zugetragen - der Unehrlichkeit geziehen.
Das kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Deshalb
werde ich gleich diejenige Zahl verifizieren, die ich zuvor
als Beweis für die Solidität unserer Regierung im Hinblick auf die Saldenbilanz - es geht um die vier Jahre
Schwarz-Gelb von 1995 bis 1998 und um die vier Jahre
Rot-Grün von 1999 bis 2002 - genannt habe.
Meine Zahlen stimmen. Sie haben schlicht und einfach bestimmte Sondervermögen - beispielsweise Bundeseisenbahnvermögen, Erblastentilgungsfonds, Fonds
„Deutsche Einheit“, Verstromungsfonds - unterschlagen.
Ich habe mich auf eine Statistik vom Ende des Jahres 1994
bezogen, die unter Theo Waigel erstellt worden ist. Damals lag der Schuldenstand des Bundes inklusive Sondervermögen bei 744,7 Milliarden Euro. Vier Jahre vorher
waren es 603,6 Milliarden Euro. Das macht summa
summarum einen Schuldenzuwachs von 141,1 Milliarden Euro. Das entspricht 23,4 Prozent. Genau die Zahl
habe ich genannt.
Ich nutze die Gelegenheit, die Vergleichszahl zu wiederholen - dann steht es auch im Protokoll wiederholt
richtig -: Der Zuwachs der Verschuldung lag in unserer
Regierungszeit bei 38,6 Milliarden DM. Berücksichtigt
man die so genannte UMTS-Tilgung, liegt der Verschuldungszuwachs bei 5,2 Prozent. Berücksichtigt man die so
genannte UMTS-Tilgung nicht - damit käme man Ihnen
entgegen -, dann liegt der Verschuldungszuwachs bei
12 Prozent. Nicht mehr und nicht weniger habe ich behauptet. Die von mir genannten Zahlen sind reell und belastbar.
Vielen Dank.
({0})
Zur Erwiderung erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Peter Rauen.
Herr Metzger, ich habe so
schnell die Zahlen nicht zur Hand. Sie müssen die aufgeführte Nettoneuverschuldung der Jahre von 1995 bis 1998
solide addieren. Dasselbe müssen Sie mit der aufgeführten Nettoneuverschuldung der Jahre von 1999 bis 2002
tun. Wenn Sie so vorgehen, dann kommen Sie zu demselben Ergebnis, das ich hier vorgetragen habe.
({0})
Wenn Sie das, was mit „Sondervermögen“ verrechnet
wird, ins Feld führen, dann müssen Sie auch das berücksichtigen, was der Kollege Austermann schon heute Morgen gesagt hat: In den Jahren von 1995 bis 1998 lagen die
Privatisierungserlöse bei rund 25,3 Milliarden DM und die
Privatisierungserlöse einschließlich der Einnahmen durch
die Versteigerung der UMTS-Lizenzen in den Jahren von
1999 bis 2002 werden bei 165 Milliarden DM liegen.
Das ist kein Seminar. Hier hören viele Menschen zu,
die all diese Rechnungen nicht kapieren und nur verwirrt
werden. Wenn Sie sagen, die haben so viel Schulden gemacht und wir haben so viel weniger Schulden gemacht,
dann ist das einfach unsolide. So darf man einfach nicht
vorgehen.
({1})
Wir fahren in der
regulären Debatte fort. Nächste Rednerin ist die Kollegin
Franziska Eichstädt-Bohlig für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich habe fast drei Stunden sehr aufmerksam zugehört. Ich bin erst seit einem Dreivierteljahr Mitglied des
Haushaltsausschusses. Ich fühle mich da ein Stück weit
als Lehrling. Was die Redebeiträge der Opposition angeht, hat mich die heutige Debatte etwas erschreckt.
({0})
Ich habe Schönfärberei in Bezug auf das, was passiert
ist, als die vorherige Koalition die Regierungsverantwortung trug, gehört. Sie haben Schaumschlägerei in Bezug
auf das praktiziert, wovon Sie glauben, dass es in Zukunft
überhaupt zu machen sei. Ich habe keinen einzigen
konstruktiven Vorschlag gehört, der machbar ist. In Bezug auf die Wirtschaftsentwicklung haben Sie Schwarzmalerei betrieben. Wenn man dem Minister nach seiner
Rede vorwirft, er könne nicht volkswirtschaftlich denken,
dann ist das wirklich schon fast wie unangenehmes
Schafsgeblöke. Ich glaube wirklich, Sie müssten der
Ernsthaftigkeit der Debatte ein bisschen gerechter werden, als Sie das bisher getan haben.
({1})
Wenn ich die Dinge richtig verstanden habe, dann haben wir - das ist das Erste - keine Rezession, sondern ein
geringeres Wachstum als vorausberechnet. Wir sind
schon an der Schwelle einer Wachstumsschwäche, aber
nicht in der Rezession. Ich halte es für unverantwortlich,
wenn wir Politiker gegenüber den Bürgern durch
Schwarzmalerei hier eine Rezession herbeireden. Damit
tun wir niemandem etwas Gutes und das darf weder die
Opposition noch die Koalitionsseite machen. Ich halte
das für wirklich unverantwortlich.
({2})
Das Zweite: Wir haben - das trifft zu - Probleme mit
der Arbeitslosigkeit, die deutlich mehr angestiegen ist,
als wir alle es gehofft hatten. Aber ich möchte auch hier
ein Stück Ehrlichkeit haben. Ich sitze hier in vielen Debatten, und obwohl eigentlich klar ist, dass in einer Marktwirtschaft die Wirtschaft die Arbeitsplätze schafft,
({3})
wird jetzt so getan, als wären wir in einer Planwirtschaft,
als müsste die Arbeitsplatzfrage von oben qua Dekret geklärt werden, als müssten hier die Arbeitsplätze aus dem
Hut gezaubert werden. Ich glaube, damit werden wir diesem schwierigen Problem auch nicht gerecht. Auch da
werbe ich dafür, dass die Opposition etwas nachdenklicher wird, als sie das bis zur Stunde gezeigt hat.
({4})
Der dritte Punkt: Ich muss sagen, ich verstehe es immer noch nicht. Sie wollen, dass wir durch Vorziehen der
nächsten Stufe der Steuerreform die Steuern weiter senken, obwohl niemand weiß, woher das Geld dafür kommen soll. Gleichzeitig wollen Sie, dass wir die Ausgaben
zur Stimulation der Konjunktur steigern, insbesondere
die Investitionsausgaben, obwohl Sie auch nicht sagen
können, woher Sie das Geld dazu nehmen wollen. Außerdem hat Herr Austermann - da musste ich sogar mein Manuskript korrigieren - nicht nur versprochen, er würde die
Nettokreditaufnahme noch halten, sondern auch versprochen, er könnte sie senken. Da kann ich nur sagen:
Bingo, herzlichen Glückwunsch! Wie Sie diese Quadratur
des Kreises hinkriegen wollen, verstehe ich wirklich beim
besten Willen nicht. Ich erwarte nach wie vor von einer
Opposition, dass sie mit Daten und Zahlen und mit unserer Haushalts- und Verschuldungslage sehr ernsthaft umgeht und den Bürgern keine falschen populistischen Versprechungen macht, wie Sie das hier jetzt stundenlang
getan haben.
({5})
Dann versprechen Sie auch, Sie könnten gleichzeitig
die Ökosteuer nicht nur aussetzen, sondern sie nach
Möglichkeit noch rückgängig machen, Sie könnten die
Sozialversicherungsbeiträge senken und hätten damit
alles im Griff. Sie müssen mal langsam das Einmaleins
lernen, das unsereins in der Schule gelernt hat.
({6})
Herr Austermann hat sich noch so weit verstiegen und
gesagt, das, was Rot-Grün mache, sei keine Konsolidierungspolitik, sondern er könnte hier eine nachhaltige Finanzpolitik einbringen; er könnte den künftigen Generationen versprechen, dass in Zukunft die Schulden sinken.
Ich habe wirklich nicht verstanden, Herr Kollege
Austermann,
({7})
wie Sie das eigentlich wahr machen wollen. Mir ist nicht
klar, was Sie eigentlich vorschlagen. Sie sollten hier nicht
nur ständig Kritik üben, sondern auch sagen, was Sie
wirklich machen wollen. Daraus bin ich nicht schlau geworden. Vielleicht schaffen Sie es ja noch einmal, uns das
zu erklären. Ich hatte das Gefühl, dass das, was Sie uns
hier empfehlen wollen, ziemlich kraus und konfus ist.
Lassen Sie mich eines noch konkret schildern. Kollegin Luft hat gesagt, man solle die Ausgaben der künftigen
Zeit zur Stärkung der Investitionskraft vorziehen. Das
haben Sie ja auch ständig gefordert. Ich habe mir noch
einmal herausgeholt, was Sie seinerzeit mit den Straßenbauinvestitionen gemacht haben, die Sie damals durch
private Vorfinanzierung realisieren wollten, was zulasten unserer jetzigen Investitionskraft geht. Ich möchte Ihnen die Zahlen noch einmal vortragen. Wir haben heute
Lasten aus der privaten Vorfinanzierung von Autobahnbauprojekten und Straßenbauprojekten in Höhe von
7,5 Milliarden Euro, und von diesen 7,5 Milliarden sind
4,5 Milliarden echte Bauinvestitionen und 3 Milliarden
Vorfinanzierungskosten, die wir alle mitfinanzieren müssen. Da wir von Ihnen einen riesigen Schuldenberg geerbt
haben, müssen wir die Schulden jetzt durch neue Kreditaufnahme abbezahlen. Das heißt, wir zahlen die Finanzierungskosten zweimal, einmal durch eigene Kreditaufnahme und einmal durch die Kreditaufnahme der
Vorfinanzierung.
Wenn Sie uns jetzt vorwerfen, wir hätten nicht mehr
Spielraum zur Stärkung der Investitionskraft, dann kann
ich Ihnen anhand dieses Beispiels ganz genau sagen: Privates Vorfinanzieren und Vorziehen von Investitionen, die
späteren Generationen und Haushalten zugute kommen
sollen, ist eine unsolide Politik. Sie haben die unsolide Politik betrieben und werfen uns heute vor, wir hätten nicht
mehr Geld für Investitionen. Das müssten Sie sich wirklich einmal überlegen. Gucken Sie sich Ihre eigene Haushaltspolitik von damals an!
({8})
Auch Ihre Vorwürfe im Hinblick auf das, was beim
Bürger im Portemonnaie bleibt, sind falsch. Es ist völlig
falsch, immer zu behaupten, die Ökosteuer habe sämtliche anderen Positionen geschluckt. Das stimmt überhaupt
nicht. Wir haben Steuern gesenkt. Wir haben das Wohngeld erhöht. Wir haben das BAföG erhöht. Wir haben das
Kindergeld deutlich erhöht. Wir haben eine Reihe von
Transferleistungen stabilisiert und punktuell erhöht. Da
können Sie doch nicht sagen, wir hätten nicht die Kaufkraft der Bürger gesteigert.
Wir wollen insbesondere die Kaufkraft der Bürger mit
kleinem Portemonnaie steigern und haben dies auch getan. Das ist sehr wichtig. Denn dort kann die Binnennachfrage wachsen. Ansonsten müssen wir einfach sehen,
dass wir eine Wohlstandsökonomie haben, wo der Binnenmarkt in hohem Maße gesättigt und die Nachfrage
nicht beliebig steigerbar ist. Das Wachstum kann nicht
einfach im Innenbereich angekurbelt werden, sondern ist
überwiegend auf den Exportbereich angewiesen.
Wir haben gerade im parlamentarischen Verfahren die
Investitionskraft sehr wohl noch einmal ein Stück weit gegenüber der Regierungsvorlage gesteigert. Beim Markteinführungsprogramm haben wir noch einmal 100 Millionen Euro aufgesattelt. Wir haben die Mittel für die
Energieforschung gesteigert. Wir haben die Mittelstandsförderung gerade auch für Ostdeutschland gestärkt und
stabilisiert. Das gilt auch für die sonstige Forschung in
Ostdeutschland im Wirtschaftsetat.
Wir investieren 20,8 Milliarden in die Verkehrsinfrastruktur. Ich sage Ihnen ganz klar: Wer meint, man könne
durch Verlagerung von Investitionen von der Bahn auf
die Straße die Investitionskraft steigern, unterliegt
schlicht einem Irrtum. Wir brauchen die Gelder gerade bei
der Bahn.
({9})
Bei der Bahn werden auch mehr Arbeitsplätze gebunden.
Im Straßenbau haben wir ausreichend Gelder. Pflastern
Sie doch nicht ganz Deutschland zu, sondern lassen Sie
uns die Gelder dort einsetzen, wo es von der Umweltverantwortung und vom Klimaschutz her sinnvoll und nötig
ist und wo unsere Bürger sie auch brauchen, damit die
Bahn wieder pünktlich fährt und auch die Fläche vernünftig erschließt! Fordern Sie nicht falsche Investitionen! Wir wollen die Mittel umweltverträglich und sinnvoll einsetzen und nicht Investitionen um ihrer selbst
willen stärken.
({10})
Andere Punkte sind schon genannt worden, gerade der
Stadtumbau Ost. Es ist, wie Minister Eichel erklärt hat,
schon absurd, dass Sie durch eine falsche Stimulation von
Wirtschaftsimpulsen und durch Überentwicklung der
Bauwirtschaft im Osten dazu beigetragen haben, dass wir
den Stadtumbau Ost und auch so harte Maßnahmen wie
Abrisse wieder fördern und finanzieren müssen. Das ist
absurd, und von daher wollen wir auf keinen Fall eine
Konjunkturpolitik, die Fehlallokationen mit sich bringt.
Vielmehr wollen wir sehr genau darauf schauen, dass die
Maßnahmen, die wir durchführen, sinnvoll, gesellschaftlich nötig und ökologisch zukunftsfähig sind.
({11})
Wir haben den Stadtumbau Ost und die Städtebauförderung wieder gestärkt. Wir haben die „soziale Stadt“
gestärkt. Wir haben wieder den sozialen Wohnungsbau
gestärkt, wobei wir - außer in Ballungsräumen wie München, Stuttgart, Frankfurt - nicht so sehr an den Neubau
denken, sondern an die Aufgabe der Bestandserneuerung,
die der soziale Wohnungsbau in einer Reihe von Städten
dringend braucht, damit wir keine soziale Schieflage in
einzelnen Stadtquartieren bekommen.
Wir haben auch im Bereich Agrarwende ganz deutliche Zeichen gesetzt. Wir stärken den Verbraucherschutz.
Wir haben das Förderprogramm für ökologische Modellprojekte und ein Förderprogramm für den Umbau von
Ställen auf artgerechte Tierhaltung auf den Weg gebracht.
({12})
Gerade im ländlichen Raum wird also mit unserer Haushaltskonzeption aktiv investiert. Das wird sowohl der
Bauwirtschaft als auch der Landwirtschaft gut tun.
({13})
Kurzum: Wir haben dem Haushalt einige grüne Impulse gegeben. Darauf sind wir sehr stolz. Wir lassen uns
aber durch Sie in keiner Weise vom Konsolidierungskurs abbringen. Denn er ist die Voraussetzung
für zukunftsfähige Haushaltspolitik. Wir haben noch einen schwierigen Weg vor uns. Er ist durch die Konjunkturentwicklung durchaus nicht leichter geworden;
das behauptet hier niemand. Diesen Konsolidierungskurs
werden wir im Interesse der folgenden Generationen fortführen. Wir machen keine unverantwortliche Haushaltspolitik allein mit Blick auf den nächsten Wahltermin, sondern eine verantwortliche für die Zukunft und für unsere
Kinder.
({14})
Das Wort für die FDPFraktion hat jetzt der Kollege Jürgen Koppelin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es richtig ist, dass der Bundeshaushalt das Schicksalsbuch der Nation ist, dann
- das wird jedem sofort klar - sieht angesichts des Bundeshaushaltes 2002 das Schicksal der deutschen Nation sehr
düster aus.
({0})
Ich habe außerordentlich bedauert - es ist ja mehrfach darauf hingewiesen worden, dass es die letzte Haushaltsdebatte der rot-grünen Koalition ist -, dass nicht einmal der
Bundesfinanzminister, nachdem es schon die Redner der
Koalition nicht gemacht haben, eine Bilanz der Haushaltspolitik der rot-grünen Koalition gezogen hat. Dass
er das vermieden hat, kann ich sehr gut verstehen, aber
man soll uns dann nicht Vorwürfe machen, wenn wir
Kritik üben und für den Finanzminister diese Bilanz aufstellen. Diese Bilanz ist ja ausgesprochen schlecht. Das
haben wir vorhin auch an der Rede des Bundesfinanzministers gemerkt. Der Bundesfinanzminister hat sich
doch nur noch auf die Funktion eines Buchhalters der Nation zurückgezogen.
({1})
Seine Zettelwirtschaft, die er uns hier präsentierte, hat genau gezeigt, dass er Buchhalter der Nation und nicht mehr
sein will. Er handelt nicht mehr als Politiker, sondern nur
noch als Buchhalter;
({2})
denn - das ist doch ganz klar - von diesem Haushalt gehen keine Impulse für die kommende Zeit aus und in ihm
werden keine konjunkturfördernden Maßnahmen ergriffen. Von diesem Bundeshaushalt kann man keine Signale
erwarten, die sich positiv auf die Konjunktur auswirken.
Herr Bundesfinanzminister, gerade von Ihnen - das
müssen Sie sich schon vorhalten lassen - erwarten wir positive Signale für die Konjunktur. Sie sind eben nicht nur
Buchhalter. Warum - das müssen wir fragen - hat denn
1998 Ihr Vorgänger als Bundesfinanzminister, Oskar
Lafontaine, große Bereiche dem Wirtschaftsministerium
weggenommen und dem Finanzministerium zugeschlagen?
({3})
Das hat doch Gründe. Das Wirtschaftsministerium ist total amputiert. Ich mache dem Wirtschaftsminister keinen
Vorwurf, dass er heute nicht da ist. Er hat nichts mehr zu
sagen und ist zum „Gruß-August“ dieser Nation degradiert worden.
({4})
Sie aber sind derjenige, der für die Konjunktur zuständig
ist. An dieser Einsicht mangelt es erheblich. Sie haben
sich heute nur noch als Buchhalter präsentiert.
Mein Kollege Rexrodt hat es vorhin schon gesagt
- dass Sie nicht mehr darauf eingegangen sind, kann ich
ja verstehen -: Der Bundeskanzler hat uns doch aufgefordert - nicht von uns ging es aus -, ihn an den Arbeitslosenzahlen zu messen.
({5})
Nun tun wir das und Sie sind beleidigt. Das darf doch
nicht wahr sein.
({6})
Wo, Herr Bundesfinanzminister, befinden sich in Ihrem
Haushalt die positiven Signale für die Konjunktur in
Deutschland? Ich sage zwar, dass Sie nur Buchhalter sind,
({7})
dennoch verkünden Sie auch hin und wieder etwas aus
Ihrem Ministerium. Ich will das einmal an einer wörtlichen Aussage deutlich machen:
Das Bundesfinanzministerium räumte ein, dass die
Risiken für die Konjunktur größer geworden seien.
Darauf beschränken Sie sich. Aber wo sind denn Ihre Vorschläge und Ihre Maßnahmen, auf deren Basis Sie uns sagen können, dass sich im kommenden Jahr die Konjunktur besser entwickeln werde und die Arbeitslosenzahlen
sinken werden? Hierzu haben Sie keine Vorschläge gemacht. Sie üben sich zwar in Gesundbeterei, wobei ich Ihnen das Beten noch nicht einmal zutraue,
({8})
aber wirklich heraus kommt nichts. Uns hingegen werfen
Sie Schwarzmalerei vor. Wir können uns ja noch nicht
einmal mit Ihnen messen, weil Sie hier gar keine Vorschläge machen, Herr Minister Eichel. Da helfen auch
Ihre Zurufe nichts.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, auf den
meine Kollegin Vorrednerin, deren Aussagen übrigens denen des Bundesfinanzministeriums widersprechen, aufmerksam gemacht hat: Als Gründe für die schwache Konjunktur nennt der Finanzminister natürlich das Ausland.
Das ist jetzt sehr beliebt. Den 11. September hat er zwar
heute nicht genannt, aber dieses Datum ist ja in dieser Koalition neuerdings sehr beliebt; alles hat irgendwie mit
dem 11. September zu tun, so hätte danach die Nachfrage
aus dem Ausland nachgelassen. Jetzt kommt das Interessante für die Grünen: Der Bundesfinanzminister sagt,
Nachwirkungen der Energieverteuerung hätten zu einer
deutlichen Abschwächung der realen Kaufkraft der privaten Haushalte geführt und dadurch den privaten Konsum
belastet. Das ist eine Aussage des Bundesfinanzministeriums. Das haben auch wir immer gesagt, Sie aber kritisieren das als Schwarzmalerei. Aus Ihrer Sicht macht er
das ja auch. Insofern bestätigen Sie, Herr Bundesfinanzminister, das, was wir früher gesagt haben.
({9})
Dass Sie dann noch zusätzlich die Steuern anheben
- ich nenne Tabak- und Versicherungsteuer -, führt
mich allerdings zu einer Feststellung: Dass Sie nicht in
der Lage sind, aus diesem Bundeshaushalt 3 Milliarden
DM für ein Antiterrorpaket zu erbringen, zeigt doch,
dass Sie mit diesem Bundeshaushalt gestalterisch überhaupt nicht wirken. Sie müssen die Steuern erhöhen. Ihr
Problem ist doch, dass Ihnen nichts anderes eingefallen
ist.
({10})
Das kommt mir so bekannt vor. Das ist wahrscheinlich eine
Idee Ihres Staatssekretärs Overhaus gewesen. Das kennen
wir aus unserer Koalition; da hatte er ebenfalls nur noch
solche Ideen. Viel ist davon nicht übrig geblieben.
Diejenigen aus der Wirtschaft, die darauf gewartet haben, welche Impulse Ihre Rede bringt, sind bitter enttäuscht worden, Herr Finanzminister.
({11})
Da Sie vorhin gesagt haben, der Haushalt wirke auf die
Konjunktur, muss ich einräumen: Das ist im Prinzip richtig. Aber Ihr Haushalt wirkt nicht auf die Konjunktur, sondern er erwürgt sie.
({12})
Was haben Sie uns versprochen? - Sie haben uns versprochen, die Lage der Staatsfinanzen zu verbessern. Sie
haben uns versprochen, die Arbeitslosenzahl zu senken.
Sie haben uns versprochen, eine zukunftsorientierte
Haushaltspolitik zu machen, die Prioritäten setzen sollte.
Nichts davon ist geschehen. Das ist die Bilanz, die wir
heute ziehen müssen. Wir messen Sie an Ihren Versprechen. Kommen Sie also nicht damit an, was wir in unserer Koalition alles gemacht oder nicht gemacht haben.
Ich erkläre in Richtung meiner Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen: Angesichts Ihrer
Beiträge muss ich sagen, dass Sie doch gar nichts mehr zu
melden haben. Sie haben Ihre Duftnoten im Haushalt
nicht gesetzt. Das wundert mich übrigens nicht. An dieser
Stelle werde ich doch noch ein Zitat von Gerhard
Schröder los. Es stammt aus dem „Stern“ kurz vor der
Bundestagswahl; vielleicht kennen Sie es. Es gab ein
Streitgespräch zwischen Schröder und Fischer - die Kollegin Andrea Fischer hat diese Politik von Schröder im
Kabinett anschließend selbst erlebt -, in dem Schröder
sagte:
In einer rot-grünen Konstellation muss klar sein: Der
Größere ist der Koch, der Kleinere ist der Kellner.
Dies nicht zu akzeptieren ist eine typische Form grüner Überheblichkeit.
({13})
So weit Gerhard Schröder. Danach richtet er sich. Deswegen können Sie überhaupt keine Duftnoten setzen.
Dann haben uns der Bundesfinanzminister, aber auch
der Bundesverteidigungsminister erzählt, es gebe beim
Verteidigungsminister eine Gelddruckmaschine, nämlich
die GEBB. Toll, es wurden uns Einnahmen in Milliardenhöhe versprochen. Es ist aber nichts geschehen. Die
Geschäftsführerin hat trotz des hohen Gehalts inzwischen
das Handtuch geworfen.
({14})
Da wird man ganz nachdenklich. Ich sage Ihnen, Herr
Bundesfinanzminister, und auch der Frau Staatssekretärin
aus dem Verteidigungsministerium: Anscheinend macht
die GEBB noch einen Sinn, nämlich zur Versorgung abgewählter Bürgermeister beispielsweise aus Hamburg.
({15})
Das kann allerdings nicht der Sinn der GEBB sein. Sie
sollten daher unserem Antrag in dieser Woche zustimmen
und die GEBB abschaffen.
({16})
Dann kommt die alte Mär und die alte Leier sowohl
von den Grünen als auch vom Finanzminister, was sie für
Wohltaten verteilt haben. Sie sagen in diesem Zusammenhang, dass Sie zum Beispiel das Kindergeld erhöht
haben. Das ist zwar wahr. Aber haben Sie einmal mit denjenigen gesprochen, denen Sie die Freibeträge gestrichen
haben und die jetzt viel weniger in der Tasche haben?
Nennen Sie doch mal den Prozentsatz der Kindergeldbezieher, denen Sie etwas weggenommen haben! Für fast
40 Prozent der Betroffenen haben Sie die Freibeträge so
gestrichen, dass sie am Ende weniger haben. Das ist Ihre
Bilanz, und die Menschen wissen das.
({17})
Deswegen war ich vorhin nicht traurig, dass Sie Ihre Redezeit weit überzogen haben, Herr Bundesfinanzminister.
Meinetwegen könnten Sie hier drei Stunden reden. Mein
Eindruck ist, dass uns das nur Wählerstimmen bringt.
({18})
Herr Bundesfinanzminister, Sie haben viel versprochen, aber nichts gehalten. Mein Kollege Rexrodt hat es
vorhin schon angedeutet - ich will es noch einmal deutlich sagen -: Ihre Aufgabe ist es - nicht allein in Deutschland; wir sind im vereinten Europa -, innerhalb der Europäischen Union mit den anderen zuständigen Ministern
darüber zu sprechen, wie man in Europa gemeinsam ein
Programm auflegen kann, damit die Konjunktur angekurbelt wird. Das wäre wichtig für Europa insgesamt. Das ist
jedenfalls unsere Auffassung.
Mein Kollege Rexrodt hat vorhin gesagt, Sie, Herr
Minister, hätten viel Vorschusslorbeeren bekommen, als
Sie Ihr Amt antraten, und auch in der Zeit darauf.
Apropos Zeit, Herr
Kollege Koppelin: Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich komme zum Schluss. Es ist wahr, dass Sie viel Vorschusslorbeeren bekommen
haben. Nur, Herr Minister, mein Eindruck ist, Sie haben
sich zu lange auf diesen Vorschusslorbeeren ausgeruht.
Wer sich auf Lorbeeren ausruht, der hat diese Lorbeeren
an der falschen Körperstelle.
Vielen Dank für Ihre Geduld.
({0})
Jetzt spricht die Kollegin Heidemarie Ehlert für die PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Sie hatten eben gerade gehört, dass
der Haushalt 2002 Kochrezepte braucht. Wo sind diese
Kochrezepte? Ich vermisse Einsparvorschläge und Vorschläge zu Umverteilungen oder zu Einnahmenerhöhungen. Dazu hat die PDS-Fraktion viele Anträge eingebracht. Sie haben in dieser Woche noch die Chance,
diesen Anträgen zuzustimmen.
({0})
Nicht zustimmen können wir allerdings dem heute unterbreiteten Vorschlag, der weitere Steuerausfälle von
15 Milliarden DM nach sich ziehen würde. Darunter leiden die Kommunen. Wir hören schon jetzt, dass viele einen Sparkommissar beantragt haben. Ich denke also, dass
wir diesen Vorschlag nicht mittragen können.
Aber was wollen wir mit unseren Umverteilungsvorschlägen erreichen? Wir wollen weder Zinsen zahlen
noch die Mittel für den Verteidigungshaushalt aufstocken.
Nein, in erster Linie sollen sie für soziale Sicherheit,
existenzsichernde Arbeitsplätze und Bildungschancen
für alle sorgen.
({1})
Die Steuerreform hat in den vergangenen Jahren weder
zu mehr Arbeitsplätzen noch zu mehr Steuern geführt.
Selbst dort, wo Steuern gezahlt werden müssten, verzichtet der Finanzminister großzügig, so wie in dem Fall des
bayerischen Rüstungskonzerns Diehl. Die zuständige Betriebsprüferin wurde von der Oberfinanzdirektion Nürnberg angewiesen, die Beteiligungen der Diehl-Gesellschafter als Privatvermögen anzuerkennen. Das kommt
dem Verzicht auf 60 Millionen DM Steuern gleich und
wird auch noch vom Bundesamt für Finanzen abgesegnet.
Das ist ein Skandal!
({2})
Wozu brauchen wir dann noch ein Finanzamt oder Steuergesetze, wenn der Finanzminister bestimmt, ob Gesetze
anzuwenden sind oder nicht?
Bayern hat aber auch gezeigt, dass durch den Einsatz
von mehr Betriebsprüfern auch ein Mehr an Steuereinnahmen möglich ist. Wir fordern nicht erst seit heute intensivere Betriebsprüfungen bei Großunternehmen und
Banken sowie eine bessere personelle und technische
Ausstattung der Finanzämter, um Einnahmeausfälle in
Milliardenhöhe zu verhindern.
Wir fordern auch eine konsequente Bekämpfung der
Umsatzsteuerhinterziehung. Bereits seit fünf Jahren
macht der Bundesrechnungshof auf den wachsenden Umsatzsteuerbetrug und auf damit verbundene Steuerausfälle
in zweistelliger Milliardenhöhe aufmerksam. Auch in der
Europäischen Union wird es zum Volkssport, Umsätze zu
verschleiern und Vorsteuern zu erschleichen. Hier muss
man schon von organisiertem Verbrechen sprechen. Es ist
höchste Zeit, dass dagegen endlich etwas getan wird.
({3})
Meine Damen und Herren von der Koalition, als im
Frühjahr dieses Jahres der Bericht des Bundesrechnungshofes dazu vorlag, wollten wir das noch gemeinsam angehen, und zwar mit einem interfraktionellen Antrag. Das
war dann irgendwann leider vergessen. Das alles wäre halb
so schlimm, wenn jetzt der Vorschlag der Regierung zielgenau und ausreichend wäre. Aber leider ist dem nicht so.
Eine Reihe von Problemen sind nicht nur aus unserer
Sicht unzureichend geklärt. Nehmen wir nur einmal den
Punkt „Sicherheitsleistung“. Abgesehen davon, dass es
wohl fraglich ist, ob ein Existenzgründer eine solche in
Form einer Bankbürgschaft vorlegen kann, wird die Festlegung der Höhe der Sicherheitsleistung dem einzelnen
Beamten des Finanzamtes überlassen. Für äußerst problematisch halte ich, dass Unternehmen eine Sicherheitsleistung für einen gesetzlichen Anspruch, nämlich die Umsatzsteuererstattung, nur deshalb vorweisen müssen, weil
die Finanzämter aufgrund der Personalausstattung nicht
in der Lage sind, zeitnah zu prüfen.
Damit bin ich gleich beim nächsten Punkt: Wir können
Gesetze beschließen, wie wir wollen; aber wir brauchen
auch die Menschen dazu, die sie letztendlich umsetzen.
Eine Bundessteuerfahndung würde sich rechnen. Gerade die dezentrale Verwaltung der Umsatzsteuer verführt
zum Betrug. Ob die Haftung für schuldhaft nicht abgeführte Steuern das Problem lösen wird, ist auch noch auszudiskutieren. Das Anliegen ist klar: So genannte
Karussellgeschäfte sollen verhindert werden, indem ein
Unternehmer, der Waren erhält und seine Rechnung zahlt,
dafür haftet, dass der Verkäufer auch wirklich die Umsatzsteuer zahlt. Bildlich übersetzt bedeutet das: Sie gehen auf den Markt, kaufen ein Kilo Äpfel und haften damit dafür, dass der Verkäufer auch seine Standgebühren
gezahlt hat.
Hauptproblem ist und bleibt, dass sich weder die Regierung noch die Europäische Union so richtig traut, das
Übel bei der Wurzel zu packen und das geltende Mehrwertsteuersystem infrage zu stellen. Es gibt eine Vielzahl von Vorschlägen zur Vereinfachung der Besteuerung.
Ich verweise hier nur auf den Vorschlag der Steuerbefreiung von Umsätzen zwischen den Unternehmen, den der
rheinland-pfälzische Finanzminister gemacht hat. Sie hätten natürlich auch die Möglichkeit gehabt, damals unserem Antrag zur Bekämpfung der sinkenden Zahlungsmoral durch eine Änderung des Umsatzsteuerrechtes oder,
einfacher gesagt, zur Erweiterung der Ist-Besteuerung zuzustimmen. Dann wären wir schon einen Schritt weiter.
Umsatzsteuerbetrug kann nur durch eine grundsätzliche Änderung weitestgehend vermieden werden. Alles
andere ist lediglich Schadensbegrenzung. Haushaltskonsolidierung heißt nicht nur sparen oder neue Steuern erfinden, sondern heißt, die Steuern, die gesetzlich gezahlt
werden müssen, auch entsprechend einzunehmen. Deshalb bitte ich Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.
({4})
Nächster Redner ist
der Kollege Hans Urbaniak für die Fraktion der SPD.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich kurz befassen mit der Einnahmenseite
des Haushaltes, mit der Verschuldung, die mit immerhin
1,5 Billionen DM als Hinterlassenschaft der alten Regierung auf uns lastet, mit der Konsolidierung, dem Konsolidierungsbeitrag insbesondere des Bundesfinanzministers für seinen eigenen Haushalt, mit den Subventionen,
die in der Tendenz bis 1998 stark anstiegen und nun erheblich sinken, und mit den administrativen Maßnahmen,
die auf einen modernen Staat, eine schlagkräftige Verwaltung und die Nutzung der ganzen technischen Neuerungen bezogen sind, die insbesondere im Bereich der
Steuererfassung eingeführt werden müssen.
Es steht hier natürlich die Verkürzung bei der Umsatzsteuer im Vordergrund. Wir haben ein Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz auf den Weg gebracht, das in
dieser Woche hier verabschiedet werden wird. Wir wissen, dass das Potenzial in seiner Größenordnung nicht beschrieben werden kann; es sind Schätzungen. Aber dem
Fiskus entgehen über 20 Milliarden DM, 10,2 Milliarden Euro. Diese Zahl wurde vom Landesfinanzminister von Baden-Württemberg geschätzt.
Das ist eine gewaltige Summe; das wissen Sie. Nun
handelt die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister.
Wir haben dafür 28 neue Planstellen geschaffen. Es ist
also nicht so, wie hier gesagt wurde, dass kein Personal
eingestellt würde; das Gegenteil ist richtig.
({0})
Durch das Gesetz werden die Betrugsmaßnahmen, die
hier alle schon erläutert worden sind, besser erfasst und
schärfer bekämpft werden können.
Der Bundesrechnungshof - das sage ich an die Opposition auf der rechten Seite gewandt; Sie haben ja damals
regiert - hat Sie 1996 aufgefordert, Maßnahmen gegen
den Umsatzsteuerbetrug zu ergreifen, Gesetze zu schaffen, Personal einzustellen. Das Ergebnis: Sie haben die
Mahnung des Bundesrechnungshofes in den Wind geschlagen; Sie haben nichts getan. Erst mit Eichel sind
Maßnahmen ergriffen worden. Mit dem neuen Gesetz
wird jetzt die Bekämpfung eingeleitet werden.
({1})
Ich sage das, weil dies eine Tatsache ist und weil Sie sich
das selber, wie wir im Ruhrgebiet sagen, an die Backe kleben müssen, richtig kräftig, damit Sie sich das immer
merken.
Der nächste Punkt, der im Rahmen unserer Beratung
eine Rolle spielt, ist die Strukturentwicklung der Bundesfinanzverwaltung. Wir wollen zukunftsträchtige,
moderne Strukturen schaffen. Haushaltswirtschaftlich gesehen wollen wir im Finanzplan für den Zeitraum bis
2003 350 Millionen Euro berücksichtigen und im Finanzplan ab 2004 200 Millionen Euro einsparen.
Neben der Strukturentwicklung und der Neuorganisation der Zollverwaltung, von der wir sagen können, dass
sie sozial verträglich durchgeführt worden ist, muss man
sich auf die Erweiterung der Europäischen Union einstellen; denn es ist natürlich davon auszugehen, dass die
östlichen Länder und Republiken darauf drängen, der Europäischen Union beizutreten. Darauf muss man die Zollorganisation ausrichten. Dies ist geschehen. Wenn es so
weit ist, müssen vor allen Dingen sehr effektive, mobile
Gruppen, die in der Lage sind, der Betrugsbekämpfung
und den Maßnahmen, die sich als notwendig erweisen,
gerecht zu werden, eingesetzt werden. Zu diesem Zweck
haben wir die 37 Hauptzollämter und die Zollämter neu
organisiert. Für mich war wichtig, dass wir das für die
Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, sozial verträglich durchsetzen konnten. Unser Vorbild war die Situation im westlichen Bereich der Bundesrepublik
Deutschland. Dort musste das - beispielsweise zwischen
Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland - bei der
Verschweißung zur Europäischen Union ebenfalls gemacht werden.
Schließlich wird die Allfinanzaufsicht angepackt.
Man wird hier noch einen relativ schweren Weg gehen
müssen, weil sich große Institutionen wehren. Wir versuchen, einen Konsens herbeizuführen. Deshalb haben wir
auch die Ausgaben für die Ämter, die jetzt die Aufsicht
führen, noch nicht auf Null setzen können. Wir haben den
Zeitraum verlängert, weil wir davon ausgehen, dass die
Allfinanzaufsicht am 1. April bzw. 1. Mai gegründet werden kann. Dafür haben wir die notwendigen Maßnahmen
getroffen. Die Kolleginnen und Kollegen konnten sich in
England, den USA, Japan und Singapur davon überzeugen, wie sich dort die Maßnahmen, die sich aus der Allfinanz ergeben, entwickeln und wie man dort vorankommt.
Es gibt einen Punkt, der mir sehr große Sorgen bereitet, das ist die Fiscus GmbH, die der Finanzminister ins
Leben rufen wird. Wir wollen die technischen Möglichkeiten nutzen, um auf der Einnahmenseite die Maßnahmen gerechter, schneller und effektiver zu treffen, sodass
wir sehr schnell alles in Ordnung bringen können. Leider
stelle ich fest, dass Bayern am 15. November dagegen war
und sich ausgeklinkt hat. Das ist ganz schlecht.
Der Subventionsbericht ist überzeugend. Die Anzahl
der Subventionen ist in der Tendenz abnehmend. Dem
Kollegen Austermann sage ich:
({2})
Im Mai 2001 haben wir über den Nachtragshaushalt debattiert. Es wurde - unter anderem durch Sie - ein Antrag
eingereicht. Alle Experten haben gesagt - ich habe sie
sehr deutlich befragt; Sie können das im Protokoll nachlesen -: Ein Nachtragshaushalt ist nicht nötig. - So ist es
mit Ihren Prognosen: Für die Presse sind sie immer
schlagkräftig; für die Finanzwirtschaft taugen Sie aber
überhaupt nicht.
({3})
Für die CDU/CSUFraktion spricht jetzt der Kollege Hans Jochen Henke.
Kolleginnen und
Kollegen! Herr Minister Eichel, Sie haben sich im Wesentlichen an der Rede orientiert, die Sie vor zweieinhalb
Monaten, am 11. September, gehalten haben. Auch am
11. September war Ihre Rede zum großen Teil rückwärts
gewandt; sie hat sich mit der Vergangenheit beschäftigt.
Wir wollen Sie nicht fragen, obwohl wir allen Anlass hätten, wie in der Zeit von 1990 bis 1998 die Situation in
Hessen war.
({0})
Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen, dass wir
in genau diesem Zeitraum mit dem Institut der Europäischen Zentralbank und mit den Maastricht-Kriterien die
entscheidenden Voraussetzungen und Grundlagen für
eine zukunftsorientierte, stabile und konsolidierte Entwicklung geschaffen haben.
Herr Minister Eichel, Sie sind im Grunde ein Mann, der
auf seriöse Daten und belastbare Zahlen Wert legt und
diese immer in den Vordergrund stellt. Ich möchte Sie
gerne fragen: Stimmt es, dass Sie Ende des Jahres 1998
20 Milliarden DM an Privatisierungserlösen in das
Haushaltsjahr 1999 übernommen haben
({1})
und deshalb die Zahlen, die Sie als Bilanz der Politik der
alten Bundesregierung sowohl hinsichtlich der Verschuldung als auch hinsichtlich der Liquidität angeführt haben,
eigentlich unseriös sind? Diese Privatisierungserlöse
spiegeln sich auch in diesem Haushalt wider.
({2})
Ich habe Sie bereits im Haushaltsausschuss danach gefragt und keine Antwort darauf erhalten. Ich frage Sie deshalb noch einmal, diesmal öffentlich, vor dem Plenum
und den Zuhörerinnen und Zuhörern. Ich suche vergeblich nach Ihren Steuerentlastungen in der Saldierung. Wo
finden sich denn diese 45 Milliarden DM bzw. 25 Milliarden Euro? Ich finde sie nicht. Wir haben die Antwort
aber vorhin vom Kollegen Peter Rauen bekommen: Die
großen Unternehmen werden bei der Körperschaftsteuer um 40 Milliarden DM entlastet, während die kleinen bluten; denn die Belastungen durch die Ökosteuererhöhung und die Verbrauchsteuererhöhungen mit
dynamisierter Tendenz trägt letztendlich der kleine Mann.
({3})
Alle Erfolgsparameter Ihrer Regierungszeit bzw., um
in Fußballtermini zu sprechen, der Spielzeit von Rot-Grün
stehen im Wesentlichen fest. Wachstum: Fehlanzeige, Arbeitsmarktentwicklung: Fehlanzeige, soziale Symmetrie - das habe ich gerade angeführt -: Fehlanzeige. Einziger Erfolgsparameter ist der Hoffnungsträger Hans
Eichel, der Stabilisator und Konsolidierer, obwohl, werter
Herr Eichel, die Konsolidierungsziele von Anfang an
außerordentlich zurückhaltend, ja bescheiden ausgelegt
waren, und zwar sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für
die Neuverschuldung. Über eine Legislaturperiode hinweg die Zahl der Arbeitslosen netto um wenige Hunderttausend zurückzuführen - über die Situation am Arbeitsmarkt habe ich schon Ausführungen machen dürfen - ist
nämlich eigentlich kein Ziel; dies ist weniger, als unter
günstigen Rahmenbedingungen möglich sein müsste.
Noch schwieriger stellt sich in der Analyse und Bewertung die Behandlung der Neuverschuldungsthematik
dar. Ihre Politik im Rahmen der Neuverschuldung war eigentlich durchgängig von dem Vertrauen auf eine Schönwetterperiode geprägt, einer Periode mit stetem Wachstum, mit steigenden Steuereinnahmen und mit
rückläufigen Belastungen im Bereich der RentenversiHans-Eberhard Urbaniak
cherung und der Arbeitsmarktpolitik. Für das, was
tatsächlich eingetreten ist, nämlich eine Verschärfung am
Arbeitsmarkt und ein Nullwachstum - ich lasse einmal
dahingestellt, ob es nun eine Phase der Rezession ist oder
nicht -, haben Sie zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner
Weise Vorsorge getroffen.
Der Kollege Rauen hat zu Recht darauf hingewiesen,
dass Sie es waren, der alle Erfolgsparameter, die vorgegeben waren, außer Kraft gesetzt hat, dass Sie es waren,
der die wirtschaftspolitische Grundsatzabteilung vom
Wirtschaftsministerium in das Finanzministerium geholt
hat, und zwar nur wegen eines einzigen Zwecks: Sie wollten sie der Haushalts- und Fiskalpolitik unterordnen und
damit eine eigenständige Wirtschafts- und Strukturpolitik nicht mehr ermöglichen.
({4})
Sie wollten Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit
überwinden. Das Gegenteil ist passiert. Sie sind in einer
Aufschwungsphase angetreten und sind jetzt mitten in einer Abschwungsphase. Verantwortlich dafür ist Ihre
Haushalts- und Finanzpolitik.
Statt konsumtive Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen, hat der angeblich um Zukunftschancen bemühte
Minister bei den öffentlichen Investitionen, im Bildungsbereich und bei der Forschungsförderung im Vergleich
zur Sozialproduktentwicklung eigentlich nicht zugelegt.
Er hat die Ausgaben auch nicht stabilisiert, sondern
gekürzt.
Ihr einseitiger und ausnahmsloser Erfolgsparameter,
Herr Minister Eichel, ist die Rückführung der Neuverschuldung. Wenn man dieses zentrale Element einer kritischen Würdigung unterzieht, fällt auf, dass am Ende dieser Legislaturperiode nach Ihren eigenen Planungen und
Realisierungsschritten für den Zeithorizont von 1998 bis
2002 - einschließlich der Ära Lafontaine - die Rückführung der Nettoneuverschuldung gerade einmal ein Volumen von insgesamt 5 Milliarden Euro haben wird.
Insgesamt planen Sie für den Zeithorizont 2003 bis
2005 eine jährliche Rückführung der Neuverschuldung
um eine Summe, die dem entspricht, was Sie in den Jahren 1998 bis 2002 insgesamt geleistet haben. Die Rückführung um 10 Milliarden DM in der Zeit von 1998 bis
2002 ist Ihnen außerordentlich schwer gefallen. Sie erreichen diese marginale Größe im Jahre 2002 überhaupt nur
unter Anwendung von Rechentricks.
1998 hatten Sie unglaublich günstige Rahmenbedingungen: Wachstum, rückläufige Arbeitslosenzahlen, Entlastung bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Trotzdem haben Sie in der folgenden Zeit zu massiven
Steuererhöhungen greifen müssen. Entgegen Ihren eigenen Ankündigungen und Versprechungen haben Sie
außerdem in großem Umfang Privatisierungserlöse aktivieren und zum Haushaltsausgleich einsetzen müssen und
auch eingesetzt.
Sie haben vorhin gesagt, dass Sie sehr zuversichtlich
seien, dass Sie den Haushalt 2001 glatt abschließen würden. Dies bezweifle ich, weil Sie dabei für dieses wie für
das nächste Jahr von viel zu günstigen Annahmedaten für
die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung ausgehen.
Sollte es Ihnen trotzdem und wider Erwarten gelingen,
wird dies nur mit einem zusätzlichen Trick, den im
Grunde alle Fachleute, den der Bundesrechnungshof und
den Sie eigentlich selbst verteufelt haben, von dem aber
Sie gar nicht mehr reden, möglich sein: Indem Sie nämlich Privatisierungserlöse aus dem Treuhandvermögen
einsetzen. 1998 haben Sie ein Treuhandvermögen in Höhe
von 20 Milliarden DM übernommen. Ende dieses Jahres
haben Sie nur noch 8 Milliarden DM in dieser Kasse, die
gar nicht im Bundeshaushalt, sondern außerhalb des Bundeshaushalts geführt wird. Sie werden diese Mittel heranziehen, um Ihren Haushalt im Ergebnis rechnerisch auszugleichen.
Dies alles machen Sie, Herr Minister Eichel, obwohl
Sie besser als jeder andere wissen, in welch schwierige Situation wir mit den Postunterstützungskassen und Pensionslasten und -verpflichtungen kommen werden. Sie
waren derjenige, der gesagt hat, man dürfe keine Mittel
mehr aus diesen Postprivatisierungserlösen zur Haushaltsdeckung nehmen. Sie haben auch angekündigt, dass
es sie ab dem Jahre 2000 nicht mehr geben wird. Es hat
sie aber im Jahre 2001 gegeben und es wird sie auch im
Jahre 2002 und darüber hinaus geben. In diesem Bereich
sind ab dem nächsten Jahr nur noch Beträge in zweistelliger Milliardenhöhe erforderlich, und zwar über die Gesamtverpflichtungsdauer mit einem Gesamtvolumen von
mehr als 1 Billion DM. Wenn man in Relation dazu setzt,
wohin sich der Wert dieser Postnachfolgeunternehmungen auch und gerade im Lichte von UMTS-Versteigerungen bewegt hat, zeigt sich die ganze Dramatik und Dynamik. Jede weitere Mark, die in Haushaltsdeckungsmittel
fließt, Herr Minister Eichel, ist eigentlich unverantwortlich.
Aber es ist noch viel dramatischer. Darin, dass Sie für
den Bereich der Rentenkasse zur Abdeckung der Ausgaben für den Arbeitsmarkt 200 Milliarden DM oder
100 Milliarden Euro eingesetzt haben und dabei sowohl
für das nächste Jahr, erst recht aber mittelfristig von viel
zu günstigen Annahmen ausgehen, zeigt sich die Explosivität Ihrer Haushaltsrechnungen und Ihrer Haushaltsentwicklung.
100 000 Arbeitslose kosten Sie 1 Milliarde DM. Sie gehen für das nächste Jahr nach wie vor von viel zu günstigen Annahmen aus. Über 2003 und den Rest der mittelfristigen Finanzplanung, Herr Minister Eichel, habe ich in
Ihren Ausführungen kein Wort gehört. Die Wähler wollen
im Hinblick auf das Wahldatum 22. September 2002 und
den Zeitraum darüber hinaus aber wissen, welche Vorstellungen die Regierung hat.
Die Regierung wird dieses Thema zehn Monate lang
tabuisieren, und zwar aus guten Gründen. Nichts von
ihren Annahmen stimmt: Die Nettoneuverschuldung wird
nicht zurückgeführt werden können, die Zinslasten werden steigen, die Ausgaben für die Rentenkassen und die
Aufwendungen für den Arbeitsmarkt werden dramatisch
zunehmen.
Was allerdings nicht steigen, sondern weiter rückläufig
sein wird, sind die Ausgaben in Zukunftsinvestitionen.
Deshalb sind die Vorwürfe, die von der veröffentlichten
Meinung kommen, berechtigt; denn wie kein anderer
Minister hat Minister Eichel die wesentlichen Aufgaben
des Wirtschafts- und Finanzministers in einer Hand zusammengeführt. Politik macht er nur nach den Maßstäben
von haushälterischen und fiskalischen Elementen und
Kriterien. Das rächt sich jetzt. Der Rechnungshof, der
Steuerzahlerbund und viele Gutachter drücken Ihnen das
entsprechend in das Wachs: keine Risikovorsorge.
Sie haben vorhin gesagt: Die Summe der Prognosen ist
die Summe der Irrtümer. Ich frage Sie: Wenn das so ist
und Sie entsprechende Erfahrungen gemacht haben, wo
ist dann Ihre Vorsorge für die Zukunft, Herr Minister
Eichel?
({5})
Ich sehe dafür in Ihrem Haushalt keine Mark. Sie haben
Wechsel auf die Zukunft gezogen, die nicht einlösbar sein
werden. Kein Haushalt war jemals so angespannt. Zu keinem Zeitpunkt war das Einnahmenniveau aufgrund von
Steuern und Abgaben so hoch und die Ausgabenlast so
enorm wie heute. 2002 wird sie um 50 Milliarden DM
höher als 1998 liegen. 1998 war sie um 40 Milliarden DM
niedriger als 1993. Das ist die Realität, Herr Minister
Eichel.
Die Frage, die man am Schluss stellen müsste, lautet:
Was nun, Herr Minister? Ihre Bilanz und nicht die der Opposition steht hier zur Diskussion.
({6})
Das Wort für die SPDFraktion hat die Kollegin Lydia Westrich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine ganze Woche lang reden wir über
Geld und vor allem über das Geldausgeben. Herr Henke
hat dies mit markigen Worten deutlich gemacht. Wir müssen ein paar Minuten über das Geldeinnehmen reden. Es
geht um Milliardenbeiträge, die dem Staat jährlich verloren gehen, wenn wir dem nicht endlich einen Riegel vorschieben.
({0})
Wir debattieren hier darüber, wie wir das Geld ehrlicher Steuerzahler am sinnvollsten ausgeben. Dabei ist die
Umsatzsteuer eine der bedeutendsten Einnahmequellen
von Bund, Ländern und Gemeinden. Sie hat nicht nur wegen der flauen Wirtschaftskonjunktur gravierende Einbrüche zu verzeichnen. Umsatzsteuer- und Vorsteuerbetrügereien haben in den letzten Jahren in einem Maße
zugenommen, dass wir verpflichtet sind, schnell und konsequent zu handeln.
Wir alle haben den Wegfall der Binnenmarktgrenzen in
der EU begrüßt. Der freie Handel floriert. Wir werden das
weiter unterstützen. Aber seit der Öffnung der innergemeinschaftlichen Grenzen zum 1. Januar 1993 und dem
Wegfall der Kontrolle der Warenbewegungen sind leider
viele kriminelle Kräfte am Werk. Zunehmend werden
Steuerbetrugsmodelle bekannt, die die Umsatzsteuer in
ungeahnter Höhe in die Hände organisierter, krimineller
Banden spielen.
Die Tätergruppen für den Umsatzsteuerbetrug haben
ausgefeilte Techniken entwickelt, um die Steuerbefreiung
bei innergemeinschaftlichen Lieferungen auszunutzen.
Diese Betrugsmethode ist besonders gefährlich, weil von
einer kleinen Tätergruppe innerhalb kurzer Zeit in einem
einzigen Fall ein enormer Steuerschaden in mehreren EUStaaten angerichtet werden kann.
Besonders betrugsanfällig sind kleinvolumige, schnell
und einfach zu befördernde Waren mit hohem Wertschöpfungspotenzial, wie Computerprozessoren, Edelmetalle,
Mobiltelefone oder auch Autos und schwedischer Lachs.
Da diese Waren dann billig - ohne denAufschlag durch die
Mehrwertsteuer - in den Handel kommen, ist es kein Wunder, dass zum Beispiel die Firma Ericsson Mobiltelefone
Brandbriefe an die Steuerfahndung schreibt. Durch die
angesprochenen Machenschaften entgeht nicht nur dem
Staat eine Menge Geld.Auch steuerehrliche Unternehmen
werden in ihrem Wettbewerb empfindlich behindert.
({1})
Die Firma Ericsson schreibt, dass sie nicht nur in der
Wahrnehmung der Interessen ihrer eigenen Firma auf die
Betrügereien aufmerksam mache, sondern auch als
„Staatsbürger“, dessen Interesse es sei, Schaden von uns
allen abzuwenden. Die Sorge der Firma gilt auch ihren
Mitarbeitern, deren Arbeitsplätze durch diese kriminellen
Machenschaften in hohem Maße gefährdet sind.
Steuergerechtigkeit ist ein hohes Gut. Wir sind es unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig, dass wir unsere
liberalen Steuersysteme nicht durch kriminelle Banden
aushöhlen lassen; denn die Zeche zahlen ansonsten wieder einmal die Ehrlichen.
({2})
Deshalb müssen wir das Kind auch beim Namen nennen:
Steuerhinterziehung ist keine Ordnungswidrigkeit. Sie
ist ein Verbrechen. So wird es auch im Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz stehen.
Viele sehen - das spukt noch immer in den Köpfen
herum - den Betrug am Staat als Kavaliersdelikt. Gerade
in einer freien sozialen Marktwirtschaft darf das nicht geduldet werden. Hier geht es um Arbeitsplatzverluste,
Wettbewerbsverzerrungen für unsere Unternehmen und
Anreize für eine unerschöpfliche kriminelle Energie, die
wir, wenn wir nicht handeln, anziehen. Wir brauchen deshalb konsequente Gesetzesvorschriften, die den Betrügereien Einhalt gebieten. Das Ziel teilen alle Parteien hier im
Haus. Aber, Herr Fromme, es geht nicht nur um die Anwendung und die konsequente Umsetzung von Gesetzesvorschriften. Vielmehr geht es auch um Gesetzesvorschriften, die als Instrumente zur Betrugsbekämpfung
tatsächlich wirken.
Selbst der Finanzminister von Baden-Württemberg
schreibt: Eine wirksame Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs kann nur bundesweit erfolgen. Er weist auf seine
Vorschläge zur Verbesserung der Betrugsbekämpfung
hin, wie Erstattung gegen Bankbürgschaft und Nutzung
des Instruments der unangekündigten Nachschau.
All diese Vorschläge verwirklichen wir mit dem vorliegenden Gesetzespaket, das Sie von der CDU/CSU und der
FDP wieder einmal ablehnen werden. Aber ich sage Ihnen: Mit der Ablehnung des vorliegenden Gesetzes stellen Sie quasi Blankoschecks genau den kriminellen Elementen aus, die Sie mit uns zusammen eigentlich
bekämpfen wollen.
({3})
Wenn die Deutsche Steuer-Gewerkschaft sagt, dass es
wesentlich einfacher und mit wesentlich geringerem Risiko verbunden sei, sich beim Finanzamt durch Vorsteuerbetrug Geld zu beschaffen, als eine Bank zu überfallen,
und niemand widerspricht, dann ist es höchste Zeit, effektive Kontrollbestimmungen durchzusetzen. Sie wissen,
worum es geht. Wir werden Vorsteuererstattungen im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen mit Sicherheitsleistungen verbinden. Damit verkürzen wir langwierige Prüfungszeiten für die Unternehmen und erhöhen damit ihre
Liquidität.
Zu den Haftungstatbeständen: Unternehmer, die sich in
Kenntnis der kriminellen Machenschaften ihrer Partner in
Karussellgeschäfte verwickeln lassen, werden in Anspruch genommen. Wir werden durch die Einführung
monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen dafür sorgen, dass zeitnahe Informationen der Steuerverwaltung
und auch jungen Firmen, für die solche Informationen im
Hinblick auf ihre Geschäftsentwicklung wichtig sind, zur
Verfügung stehen. Dadurch lassen sich auch Scheinfirmen besser erkennen. Aber das genügt noch nicht. Wir
werden deshalb auch das Instrument der unangemeldeten
Nachschau einführen, damit die Steuerbehörden der kriminellen Energie mit ihren ausgefeilten Techniken besser
entgegentreten können. Erst dadurch wird es möglich
werden, speziell kurzlebige betrügerische Firmen, die
noch nicht auffällig waren, zu identifizieren.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
sollten unsere Vorhaben - Sie haben es lange verschlampt,
entsprechende Maßnahmen auf den Weg zu bringen - unterstützen, damit wir die Einnahmen des Staates sichern
und damit wir das wirtschaftsfreundliche Klima, das wir
in der Bundesrepublik geschaffen haben, erhalten können.
({4})
Frau Kollegin, Sie
müssen bitte zum Schluss kommen.
Das Gesetz ist dringend notwendig. Es darf nicht länger hinausgezögert werden. Ich
bitte Sie zuzustimmen; denn zu einer soliden Haushaltspolitik gehört es, alle Geldquellen auszuschöpfen und
Schlupflöcher zu stopfen.
Vielen Dank.
({0})
Jetzt spricht die Kollegin Susanne Jaffke für die Fraktion der CDU/CSU.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da es sich bei diesem
Haushalt um den letzten Haushalt dieser Legislaturperiode handelt, möchte ich besonders auf das Thema neue
Bundesländer eingehen. Wie hier allgemein bekannt ist,
ist der Bundesfinanzminister für alle Bundesbeteiligungen zuständig. In dieser Zuständigkeit hat er auch Verantwortung für die Treuhandanstalt und deren Nachfolgeunternehmen getragen. Im Laufe der Jahre seit 1990 hat
diese Tätigkeit oftmals in öffentlicher Kritik gestanden.
Seit 1998 aber wird man das Gefühl nicht los, dass die
Bundesregierung diesen Bereich mit Missachtung straft.
Daher möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass
mit den Haushalten 2001 und 2002 die Bundesanstalt für
vereinigungsbedingte Sondervermögen de facto aufgelöst
ist und die Kontrolle der einmal geschlossenen Verträge
auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau übertragen wurde.
Diese Aufgaben sind also als erledigt anzusehen.
Zu den beim Bundesfinanzminister verbliebenen Unternehmen zählen zum Beispiel die EWN, die Energiewerke Nord in Greifswald. Dieses Unternehmen hat sehr
erfolgreich technisches Know-how beim Rückbau der
Kernkraftwerke vom Tschernobyl-Typ in der ehemaligen
DDR gesammelt. Wir hoffen, dass dieses technische
Know-how in Zukunft auch international anwendbar wird.
Ein zweites Unternehmen, das dem Bundesfinanzministerium gehört, ist die BVVG, die Bodenverwertungsund -verwaltungsgesellschaft. Sie ist für die Vermarktung
der land- und forstwirtschaftlichen Flächen zuständig, die
mit dem Einigungsvertrag dem Staatsvermögen der Bundesrepublik zugefallen sind. Nach vielerlei juristischen
Überprüfungen hat die BVVG nun damit beginnen können, die Grundstücke nach dem Entschädigungs- und
Ausgleichsleistungsgesetz zu vermarkten. Hierbei bleibt
zu hoffen, dass der eingeschlagene Weg einer Vermarktung in wirtschaftliche Strukturen weiterhin beschritten
werden kann.
Dies betone ich deshalb, weil die Bundesregierung
hier wohl in einem Konflikt steckt: Auf der einen Seite unterstützt das Bundesfinanzministerium wirtschaftliche
Betriebsgrößen in den neuen Bundesländern durch Flächenverkäufe; auf der anderen Seite möchte die Bundesagrarministerin bei Betriebsgrößen eher „Kuschel- und
Streicheleinheiten“ zur Grundlage ihrer Landwirtschaftspolitik machen. Ein solcher Konflikt ist nur schwer aufzulösen. Aber wir hoffen, dass für die neuen Bundesländer wirtschaftliche Strukturen erhalten bleiben.
({0})
Ein weiteres dem Bundesfinanzministerium zugeordnetes Treuhandnachfolgeunternehmen ist die LMBV, die
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft. Sie befasst sich mit der Sanierung der Bergbaualtflächen. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit
mit den Belegenheitsländern Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Zu diesem Zwecke gibt es
so genannte Verwaltungsabkommen, deren zweites im
Jahre 2002 ausläuft. Im Moment wird über das dritte Verwaltungsabkommen verhandelt. Ich hoffe, dass die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und
Brandenburg ihre zu Recht vorgebrachten Forderungen
durchsetzen können, den Bund auch für die nächsten
Jahre in die Verantwortung zu nehmen. Dabei handelt es
sich um noch nicht quantifizierbare Risiken, die durch die
nun anstehende Anhebung der Grundwasserspiegel in den
sanierten Gebieten auf uns zukommen. Leider kann man
sich aber auch hier des Eindruckes nicht erwehren, dass
der Bund nur schwer dazu zu bewegen ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.
Eines der strukturpolitisch wichtigsten Unternehmen
ist die TLG, die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft. Ihr
sind seinerzeit alle nicht betriebsnotwendigen Gewerbeimmobilien und Wohnungen zugeordnet worden. Diese
sollen saniert, vermarktet und weiterhin im Bestand gehalten werden. Auch dieses Unternehmen hat sich mittlerweile in den neuen Bundesländern einen guten Ruf erworben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum habe ich eben
all diese Bereich hier noch einmal vorgestellt? - Weil seit
vier Jahren etwas Unglaubliches passiert: Während es zu
Zeiten der CDU/CSU-geführten Bundesregierung mit
dem Bundesfinanzminister Dr. Waigel ganz selbstverständlich war, dass alle Unternehmen für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten mit genügend Liquidität ausgestattet
waren, zieht diese Bundesregierung seit 1999 die vorhandene Liquidität kontinuierlich ab.
({1})
Wenn diese Unternehmen ihren gesetzlichen Auftrag, unternehmerisch tätig zu sein, erfüllen sollen, müssen sie an
den freien Kapitalmarkt gehen und sich über Kredite Liquidität verschaffen.
Der Bundesrechnungshof hat dieses Vorgehen in einem Bericht massiv gerügt. Nun muss die zu Unrecht
entzogene Liquidität zurückgeführt werden. Verhandelt
wird wohl auch darüber, aber in der Praxis ist leider nicht
zu erkennen, dass die Bundesregierung ihrer Verpflichtung gegenüber diesen Unternehmen nachkommen will.
Irgendwie erinnert mich das an das wirtschaftliche System, welches in einem Teil der jetzigen Bundesrepublik
Deutschland bis 1989/90 gang und gäbe war, nämlich in
der ehemaligen DDR. Dass diese Strategie so schleichend für alle Unternehmen mit Bundesbeteiligung angewendet wird, ist bedrückend, aber besonders ärgerlich
ist es eben im Hinblick auf den damit bewiesenen Ausstieg aus dem Aufbau Ost.
({2})
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang vor allem
auf die Situation am Wohnungs- und Grundstücksmarkt eingehen. Ich halte es für unerträglich, dass im Kapitel 0807 - Bundesvermögensverwaltung - die Haushaltsvermerke bezüglich der verbilligten Abgabe von
Liegenschaften mit sozialer Zweckbindung - wie Krankenhäuser, Sozialwohnungen, Obdachlosenheime und
Studentenwohnheime - abgeschafft wurden.
Ganz besonders bezeichnend finde ich auch, dass entsprechend den noch bestehenden Haushaltsvermerken
diejenigen militärischen Liegenschaften, die nach dem
14. Juni 2000 aus dem Ressortvermögen des Bundesministeriums der Verteidigung freigegeben wurden oder
werden, unter keinen Umständen mehr preisverbilligt abgegeben werden dürfen. Für die neuen Bundesländer, besonders für Mecklenburg-Vorpommern und hier für die
Standorte Eggesin und Basepohl, ist das mehr als eine
Ohrfeige. Wer glaubt, dass sich die vielen fehlenden Milliarden des Bundeshaushaltes in naher Zukunft hier finden lassen, der irrt gewaltig.
({3})
Weiterhin sehe ich diese Bundesregierung in der Verantwortung bezüglich ihres Eigentums an Plattenbauwohnungen. Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig - jetzt ist sie
leider nicht da; sie ist vorhin darauf eingegangen -, in den
neuen Bundesländern sind nicht zu viele Wohnungen errichtet worden. In den neuen Bundesländern sind Wohnungen saniert worden. Seit 1989 haben sich die Bedingungen dafür, dass junge Menschen dort bleiben können,
so dramatisch verschlechtert, dass sie alle weggehen und
die Wohnungen leer stehen.
({4})
Dabei ist es unverschämt, dass die von diesem umfangreichen Wohnungsleerstand geplagten kommunalen Wohnungsgesellschaften nun auch noch vom Bund die Plattenbauwohnungen für teures Geld kaufen sollen, um sie
dann auf eigene Kosten abreißen zu lassen. Ich erwarte,
dass der Bund seine Pflichten wahrnimmt und dies mit
seiner Finanzkraft selbst erledigt. Meine diesbezüglichen
Anfragen im Berichterstattergespräch ergaben aber, dass
sich der Bund außerstande sieht, hierfür Verantwortung zu
übernehmen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur zwei
Zahlen nennen. Die Ausgaben des Bundeshaushaltes
2002 für die Gemeinschaftsaufgabe Ost - ich nenne sie
jetzt noch einmal in D-Mark, weil viele Menschen noch
in dieser Währung denken - sind mit 20,5 Milliarden DM,
was 10,4 Milliarden Euro entspricht, geringer als die Einnahmen aus dem Solizuschlag, die 22,3 Milliarden DM
bzw. 11,4 Milliarden Euro betragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte bewerten Sie
selbst diese gelebte Verantwortung für den Aufbau Ost!
({5})
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf die Neustrukturierung der Bundesfinanzverwaltung eingehen, die der Finanzminister vorgelegt hat.
({6})
- Aber ich denke, er wird es von seinen Mitarbeitern, die
ja noch im Plenum sitzen, zugetragen bekommen.
({7})
Ich formuliere es folgendermaßen: Der beamtete
Staatssekretär Dr. Overhaus hat mit brachialer Gewalt
eine Neustrukturierung der Bundesfinanzverwaltung unter Finanzminister Theo Waigel begonnen und sie unter
Finanzminister Hans Eichel zu Ende geführt. Sie ist mitnichten an die Erfordernisse der Globalisierung und die
mit ihr verbundenen modernen Maßstäbe sowie an die
neuen Herausforderungen seit dem 11. September angepasst worden.
({8})
Wenn man sich mit den Zöllnern über die Praxiserprobung der neu eingeführten Systeme, zum Beispiel über
ATLAS - Automatisiertes Tarifierungs- und Lokales Abfertigungssystem - sowie darüber unterhält, wie diese
neuen Systeme, die ja Personal und Kosten einsparen sollen, in Zukunft funktionieren sollen, dann lachen sie nur.
Man hat vergessen, die Scanner anzuschaffen, mit denen
die handschriftlich ausgefertigten Zollbegleitformulare
eingelesen werden könnten. Jeder Zöllner wird also für
die Erfassung eines entsprechenden Dokuments 20 Minuten länger brauchen. Die Betriebe weigern sich zu Recht,
die neue EDV-Erfassung bei sich einzuführen, wenn sie
nicht vorher durch das Bundesfinanzministerium unterstützt werden. Viele mittelständische Betriebe sollen gezwungen werden, vom Finanzministerium eine Software
zu kaufen, also dafür Geld auszugeben, um dann für das
Finanzministerium zusätzliche bürokratische Arbeit zu
leisten. Das kann es nicht sein!
So sieht der gesamte Bundeshaushalt aus: Bürokratie
ohne Ende, Entlastung keine. Dafür braucht der Finanzminister jede Menge Geld. Wir haben Alternativvorschläge gemacht. Diesem Haushalt kann man nicht
zustimmen.
({9})
Das Wort
hat der Kollege Jörg-Otto Spiller für die Fraktion der
SPD.
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! „Für Stetigkeit - gegen Aktionismus“ - unter diese Überschrift hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung sein diesjähriges Gutachten gestellt. Wir
fühlen uns durch diesen Appell bestätigt.
({0})
Der Sachverständigenrat schreibt:
Nach Einschätzung des Sachverständigenrats ist die
wahrscheinlichste Entwicklung im Jahre 2002, dass
sich die außenwirtschaftliche Lage aufhellt und vorhandene positive binnenwirtschaftliche Rahmenbedingungen wieder Wirkung entfalten.
Im Weiteren heißt es:
In der Finanzpolitik wurde mit der Steuerreform und
einer glaubhaften Haushaltskonsolidierung der richtige Weg eingeschlagen. Der Konsolidierungskurs
muss fortgesetzt werden, um eine auf Dauer tragbare
Finanzlage der öffentlichen Hand zu gewährleisten.
Auch die Steuerreform findet in dem Gutachten lobende Erwähnung:
Die Steuerreform 2000 hat durch die fühlbar gesunkenen Steuersätze der Einkommensteuer und der
Körperschaftsteuer die Leistungsanreize dauerhaft
erhöht und damit die Voraussetzung für mehr wirtschaftliche Dynamik gesetzt. Sie hat aber auch die
Wirtschaftssubjekte deutlich entlastet und für sich
genommen die konjunkturelle Entwicklung in diesem Jahr angeregt.
({1})
Mehr kann man sich von Gutachtern nicht erhoffen.
Von der Union und auch von der FDP ist - eigentlich
zur Überraschung derjenigen, die sie kennen - gefordert
worden, alle möglichen Konjunkturprogramme aufzulegen.
({2})
In Ihrer Fraktion, Herr Merz, gibt es offenbar eine Ansammlung von Neukeynesianern.
({3})
Ob das Sinn macht oder nicht, scheint Sie aber auch nicht
sonderlich zu berühren. Der Sachverständigenrat weist
jedenfalls völlig zu Recht auf Folgendes hin: Die konjunkturelle Situation ist dadurch gekennzeichnet - was
selten der Fall ist -, dass in den drei großen Wirtschaftsregionen dieser Welt, in den USA, in Japan und in der Europäischen Union, gleichzeitig ein Konjunkturabschwung
stattgefunden hat. Es ist überhaupt nicht verwunderlich,
dass sich das bei einer so stark außenwirtschaftlich verflochtenen Volkswirtschaft wie der deutschen in besonderer Weise in der konjunkturellen Entwicklung niederschlägt. Eine Debatte unter dem Stichwort „Schlusslicht“
ist völlig fehl am Platze.
({4})
Meine Damen und Herren, es wäre ja schön, wenn wir
den Spielraum für eine stärkere Konjunkturbelebung
auch durch Instrumente der Finanzpolitik hätten. Da haben Sie nur leider die Hinterlassenschaft der Regierung
Kohl vergessen. 1998 hat die Kohl-Regierung dem Bund
Schulden in Höhe von 1,45 Billionen DM hinterlassen.
Das waren im Vergleich zum Regierungsantritt von
Helmut Kohl im Jahre 1982 genau 1 100 Milliarden DM
zusätzliche Schulden. In Zahlen heißt das: 1982 hatten
wir 350 Milliarden DM und 1998 1 450 Milliarden DM
Schulden.
({5})
Es wird die Legende verbreitet, das sei im Wesentlichen durch die Wiedervereinigung verursacht worden Pustekuchen, nichts da! Wenn man die Ära Kohl in zwei
gleiche Abschnitte aufteilt, dann stellt man fest, dass sich
der Schuldenberg von 1982 bis 1990 von 350 auf 700 Milliarden DM verdoppelt und von 1990 bis 1998 nochmals
verdoppelt hat. Das ist eine Kontinuität des Schuldenmachens. Sie sollten aufhören, diese unfromme Legende zu
propagieren.
({6})
Im Übrigen muss eines betont werden: Wenn Bundesfinanzminister Eichel mit Unterstützung der Koalition
nicht diesen strikten Konsolidierungskurs fahren würde,
dann wäre die Europäische Zentralbank - da bin ich mir
sicher - nicht in der Lage gewesen, eine konsequente
Zinssenkungspolitik zu betreiben. Das muss man vor dem
konjunkturellen Hintergrund sehen.
Eine weitere Hinterlassenschaft von Ihnen war 1998
ein verwüstetes Steuerrecht. Das hat uns ebenfalls Kummer bereitet und wir haben an der Beseitigung der Schäden gearbeitet. Sie haben unter Ihrer Herrschaft den guten
alten Grundsatz der Besteuerung, dass starke Schultern
mehr als schwache zu tragen haben, in das Gegenteil verkehrt; denn Sie haben Deutschland mit einer Vielzahl von
Sonderregelungen zu einem Dorado für Abschreibungskünstler gemacht.
({7})
Wir haben auf diesem Gebiet Korrekturen vorgenommen,
Schlupflöcher geschlossen und das kaufmännische Rechnungswesen in Deutschland wiederhergestellt. Wir sind
zur marktwirtschaftlichen Ordnung zurückgekehrt, die
dazu führt, dass Investitionsentscheidungen nicht an Verlustzuschreibungen, sondern an Gewinnerwartungen orientiert werden.
({8})
Das hat uns den Spielraum gegeben, durch Tarifsenkungen in der Lohn- und Einkommensteuer es den Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern in Deutschland
- das sind Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmernundnatürlichauchviele tüchtigeHandwerkerund
Selbstständige in der ganzen Republik - zu ermöglichen,
mehr von ihrer erwirtschafteten Leistung zu behalten.
Vergleichen wir beispielsweise die steuerliche Belastung einer Familie und das Kindergeld, das sie heute bezieht, mit der steuerlichen Belastung und dem Kindergeld,
das sie 1998 bezogen hat.
({9})
- Herr Kollege Koppelin, eine Durchschnittsfamilie
- zwei Kinder und 5 000 DM brutto - hat heute 250 DM
mehr im Monat als 1998 zur Verfügung.
({10})
Das resultiert daraus, dass wir die Steuern gesenkt und das
Kindergeld erhöht haben.
({11})
Außerdem haben wir eine Unternehmensteuerreform
durchgesetzt, die in Deutschland wieder Dynamik ermöglicht.
({12})
Trotz Ihrer ständigen Wiederholungen muss ich es noch
einmal richtig stellen: Es ist der Versuch der Irreführung,
immer wieder zu behaupten, dass Mittelständler, dass Personenunternehmen - durch unsere Steuerreform ist genau
das Gegenteil eingetreten - schlechter als Kapitalgesellschaften behandelt werden.
({13})
- Erzählen Sie das ruhig weiter. Ihnen wird dann allerdings keiner mehr glauben; denn im Gegensatz zu
Ihnen können die meisten Mittelständler in Deutschland
rechnen.
({14})
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Hansgeorg Hauser für die Fraktion
der CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach der gnadenlosen Schörnfärberrede des Finanzministers, die wir soeben hören
konnten und die sich nahtlos an die Traumtänzerrede
auf dem Parteitag angeschlossen hat, ist es ganz gut,
wenn man einmal eine Stimme aus dem Ausland zu
Wort kommen lässt. Die „Neue Zürcher Zeitung“
schreibt am 23. November - das war am vergangenen
Freitag - unter der Überschrift „Wachstumsstopp in
Deutschland“:
Der Bummelzug der deutschen Konjunktur steht seit
einem halben Jahr still. Wenn nicht die Außenwirtschaft
- Herr Spiller, hören Sie gut zu und in einem weit geringeren Umfang auch der
Inlandskonsum die rückläufige Investitionsbereitschaft kompensiert hätten, wäre er sogar zurück gerollt. Vor 2002 wird er die Fahrt kaum wieder aufnehmen.
Deutschland ist Schlusslicht in der EU, da helfen auch
die Gesundbetereien des Herrn Finanzministers nichts.
Deutschland wird mit der Defizitquote zum Negativbeispiel. Deutschland fällt als Wachstumsmotor in Europa
aus. Das bekommen nicht nur unsere westlichen
Handelspartner zu spüren, sondern vor allem auch die
EU-Erweiterungskandidaten. Wir konnten uns in der
letzten Woche am Beispiel Ungarn und Slowenien davon
überzeugen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in
diesen Ländern außerordentlich stark gebremst wird.
Das könnte den Erweiterungsfahrplan erheblich in Gefahr bringen.
Meine Damen und Herren, die Hinweise auf Reformen, die Sie immer wieder bringen, sind vollkommen absurd. Weder auf dem Arbeitsmarkt noch im Gesundheitsbereich ist etwas geschehen. Weder die Rentenreform
noch die Steuerreform haben den Namen „Reform“ überhaupt verdient.
({0})
Die Steuerreform sollte eine Maßnahme zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung sein. Sie förderte aber lediglich die Steuerliteratur, die neue Rekorde erreichte. Die eklatante Benachteiligung der
Einzelunternehmen und der Personengesellschaften
ist trotz einiger Korrekturen bis heute nicht beseitigt.
Dass eine sozialdemokratisch geführte Regierung Milliardengeschenke an Konzerne, Banken und Versicherungen verteilt und kleine Aktionäre höher besteuert als
bisher, entlarvt das ewige Gefasel von Gerechtigkeit
schlagartig.
({1})
Die Konstruktion des Halbeinkünfteverfahrens begünstigt im Übrigen deutlich die Besteuerung der Erträge aus
Beteiligungen im Ausland. Damit werden sicherlich keine
Arbeitsplätze im Inland geschaffen.
Auch der von den rot-grünen Regierungsfraktionen erhoffte konjunkturelle Stimulierungseffekt dieser Steuerreform sei bislang wirkungslos verpufft, schreibt die
„Neue Zürcher Zeitung“. Ich zitiere:
Dies vermag insofern nicht zu erstaunen, als ja die
Erhöhung der Energiebesteuerung - die in Deutschland fälschlicherweise „Ökosteuer“ genannt wird und die „stille Steuerprogression“ bei der Einkommensteuer einen Gegenpol zur fiskalischen Entlastung gebildet haben.
Die Steuererhöhungen gehen weiter. Die nächste Stufe
ist die Erhöhung der Energiebesteuerung, die Anhebung
der Versicherungsteuer, die Erhöhung der Tabaksteuer in
zwei Stufen in den Jahren 2002 und 2003.
({2})
Dazu kommt die unerträgliche Zunahme der bürokratischen Belastungen, Bevormundungen und Gängelungen
der Unternehmen. Das heute zu beschließende so genannte Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz ist ein
typisches Beispiel.
({3})
Im Erfinden von Namen sind Sie schon immer großartig gewesen. Es sind großartige Überschriften, aber der
Inhalt ist ganz platt.
({4})
Wenn es künftig bei einem Unternehmer klingelt,
muss es nicht unbedingt der Postmann sein. Es kann
auch der freundliche Beamte vom Finanzamt sein, der
sich völlig unangemeldet und ohne Prüfungsanordnung
einen Eindruck über die räumlichen Verhältnisse - so
heißt es im Gesetz -, das tatsächlich eingesetzte Personal und den üblichen Geschäftsbetrieb verschaffen will.
Wenn es sich bei dem Betrieb aber um eine so genannte
Drei-Buchstaben-Firma handelt, die internationale Geschäfte betreibt, deren Sitz in einem typischen Wohngebiet liegt, deren Geschäftsführer zufällig schon ziemlich
alt ist und deren Steuerberater seine Kanzlei nicht im
Nahbereich der Firma hat, bleibt die Unternehmung
möglicherweise im Raster der so genannten Arbeitseinheit Umsatzsteuerprüfung des Bundesamtes für Finanzen hängen, das verstärkt Sonderprüfungen tätigen will
und sich dabei auch des neuen Instruments der Nachschau bedienen kann.
Der Prüfer setzt sich, weil er schon einmal vor Ort
ist, an den Computer und wirft nach vorheriger Einweisung durch den Unternehmer - auch das haben Sie ihm
zusätzlich zu den ganzen steuerlichen Aufzeichnungen,
die er machen muss, neuerdings zugemutet - einen
Blick in die Buchhaltung des Betriebs. Dabei fallen ihm
größere Aufwendungen beispielsweise für Geschäftsreisen und Bewirtungen auf. Schon erklärt der Prüfer
dem verdutzten Unternehmer, dass die getroffenen Feststellungen Anlass zu einer Außenprüfung im Sinne des
§ 193 der Abgabenordnung gäben. Eine vorherige
Prüfungsanordnung ist dazu nicht mehr erforderlich.
Ein schriftlicher Hinweis auf den Übergang zur Außenprüfung ist ausreichend. Die Chance zu einer strafbefreienden Selbstanzeige, die bei einer Außenprüfung
auch noch nach Erhalt der Prüfungsanordnung bis zum
Erscheinen des Prüfers möglich ist, ist damit nicht mehr
gegeben. Sie schränken ganz deutlich die Rechtsfreiheit
der Bürger ein.
({5})
Ein Verbot der Verwertung getroffener Feststellungen
ist ausdrücklich ausgeschlossen. Auch das ist eine gravierende Neuheit. Das hat nichts mit Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung zu tun. Vielmehr treffen Sie den steuerehrlichen Unternehmer, der künftig erheblich weniger
Rechte hat als bisher.
({6})
Ziel des vorliegenden Gesetzes ist die Bekämpfung
des Umsatzsteuerbetrugs, wobei ein besonderes Augenmerk auf Betrügereien bei der Vorsteuererstattung
und so genannten Karussellgeschäften gelegt wurde.
Der steuerehrliche Unternehmer sollte davon nicht betroffen werden; das sagen Sie ausdrücklich. Tatsache ist
aber etwas ganz anderes. Mit den neu geschaffenen Instrumenten der Sicherheitsleistung, der Haftung und der
Umsatzsteuernachschau wird gerade der normale Unternehmer konfrontiert und in seinen Geschäften behindert.
Wenn es richtig ist, dass Karussellbetrügereien vor allem im europäischen Binnenmarkt stattfinden, dann sollten sich die gesetzlichen Maßnahmen auf diese Sachverhalte konzentrieren. 90 Prozent der kleinen und mittleren
Betriebe in Deutschland sind in erster Linie lokal und
Hansgeorg Hauser ({7})
regional tätig. Aber auch sie werden von diesem neuen
Gesetz betroffen.
Geradezu mittelstandsfeindlich ist die neue Regelung
über die Sicherheitsleistung.
({8})
Wenn größere Vorsteuererstattungen künftig von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, dann bringt
dies eine Einschränkung des Kreditrahmens und zusätzliche Kosten mit sich. Es ist bedauerlich, dass die
Koalitionsfraktionen nicht bereit waren, eine Relativierung der Sicherheitsleistung durch Einschränkungen
zeitlicher Art oder Einführung von Untergrenzen zu akzeptieren.
Eine außerordentlich gravierende Veränderung kommt
durch die Einführung eines § 370 a der Abgabenordnung
in das Steuerstrafrecht. Dieser neue Straftatbestand heißt
„gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung“. Durch das vorgesehene Mindeststrafmaß von einem Jahr wird die Tat als Verbrechen eingeordnet, mit der
Begründung, dass sie dadurch ohne weiteres in den Vortatenkatalog des § 261 des Strafgesetzbuches fällt.
({9})
Sowohl der Deutsche Anwaltverein als auch die Bundessteuerberaterkammer - Herr Meyer, ich möchte Sie bitten,
die Bundessteuerberaterkammer noch einmal genau zu informieren; Sie haben sie nämlich falsch informiert, das
hat man hinterher festgestellt - wenden sich entschieden
gegen eine derartige Änderung der bestehenden Rechtslage, da sie die Rechtsberatung des Steuerbürgers in unverhältnismäßiger Weise in einer Vielzahl von Besteuerungs-, Steuerstreit- und auch Steuerstrafverfahren
beeinträchtigt bzw. unmöglich macht.
({10})
Einem Mörder gestehen Sie jederzeit einen Wahlverteidiger zu; hier sagen Sie: Der kann sich ja einen Pflichtverteidiger besorgen. - Sie haben hier ein unglaubliches
Rechtsverständnis an den Tag gelegt.
({11})
Meine Damen und Herren, es ist unbestritten, dass wir
etwas gegen Umsatzsteuerbetrügereien tun müssen.
({12})
Aber gesetzliche Regelungen nach der Rasenmähermethode sind hier absolut unangebracht.
({13})
In das Gesetz kommen auch Tatbestände hinein, die
mit der Bekämpfung von Betrug bei der Umsatzsteuer
überhaupt nichts zu tun haben, nämlich die Versagung der
steuerlichen Anerkennung der Organschaft von Lebensund Sachversicherungen. In einer Nacht-und-NebelAktion hat man diese Vorschrift eingefügt. Man will hier
vermeiden, dass Lücken, die durch das Halbeinkünfteverfahren entstanden sind, durch steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei den Versicherungen entsprechend genutzt werden. Das haben Sie den Versicherungen versagt.
Die Versicherungsnehmer werden die Zeche dafür bezahlen müssen.
Die Zeitungen schreiben, Minister Eichel würde
schweren Wochen entgegengehen. Tatsache ist, dass er
vor den Scherben seiner Politik steht
({14})
und dass sich sein Nimbus als Sparkommissar in Luft aufgelöst hat. Herr Minister, Sie werden einen Abgang wie in
Hessen machen, aber die Folgen werden wir alle in
Deutschland tragen müssen.
({15})
Ich schließe
die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zu Einzelplan 08 - Bundesministerium der Finanzen - in der
Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 08 in
der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Einzelplan 08 ist mit den Stimmen
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen
der anderen Fraktionen angenommen.
Abstimmung über den Einzelplan 32 - Bundesschuld in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 32 ist mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der anderen
Fraktionen angenommen.
Abstimmung über den Einzelplan 60 - Allgemeine Finanzverwaltung - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen
Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.
Zunächst Abstimmung über den Änderungsantrag der
Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/7582. Wer
stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf der Drucksache 14/7578.
Hierzu ist namentliche Abstimmung verlangt.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Es tut mir Leid, ich kann die Abstimmung noch
nicht eröffnen, weil noch nicht alle Urnen besetzt sind. Darf ich fragen, ob die Urne rechts von mir mit Schriftführern besetzt ist? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung.
Hansgeorg Hauser ({0})
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.
Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir stimmen nunmehr über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/7575 ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/7579? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist mit den
Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS abgelehnt.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
({1})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS zu Einzelplan 60 auf Drucksache 14/7578 bekannt: Abgegebene Stimmen 592. Mit
Ja haben gestimmt 27, mit Nein haben gestimmt 565,
keine Enthaltungen. Der Änderungsantrag ist somit abgelehnt.
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 592;
davon
ja: 28
nein: 564
Ja
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf
Nein
SPD
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({0})
Klaus Barthel ({1})
Ingrid Becker-Inglau
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({2})
Kurt Bodewig
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Rainer Brinkmann ({3})
Bernhard Brinkmann
({4})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({5})
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({6})
Gabriele Fograscher
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({7})
Harald Friese
Anke Fuchs ({8})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({9})
Angelika Graf ({10})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({11})
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({12})
Walter Hoffmann
({13})
Iris Hoffmann ({14})
Frank Hofmann ({15})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({16})
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Konrad Kunick
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({17})
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({18})
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({19})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({20})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Jutta Müller ({21})
Christian Müller ({22})
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Franz Müntefering
Volker Neumann ({23})
Gerhard Neumann ({24})
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel RiemannHanewinckel
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({25})
Birgit Roth ({26})
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({27})
Ulla Schmidt ({28})
Silvia Schmidt ({29})
Dagmar Schmidt ({30})
Wilhelm Schmidt ({31})
Dr. Frank Schmidt
({32})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({33})
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
({34})
Brigitte Schulte ({35})
Volkmar Schultz ({36})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl ({37})
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt ({38})
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({39})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({40})
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Jürgen Wieczorek ({41})
Helmut Wieczorek ({42})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Heino Wiese ({43})
Brigitte Wimmer ({44})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({45})
Waltraud Wolff
({46})
Heidemarie Wright
Peter Zumkley
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Antje Blumenthal
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({47})
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({48})
Hartmut Büttner
({49})
Dankward Buwitt
Cajus Caesar
Manfred Carstens ({50})
Peter H. Carstensen
({51})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({52})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({53})
Axel E. Fischer
({54})
Klaus Francke
Dr. Gerhard Friedrich
({55})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({56})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther ({57})
Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
({58})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({59})
({60})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({61})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({62})
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({63})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({64})
Julius Louven
Erwin Marschewski
({65})
Dr. Martin Mayer
({66})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({67})
Elmar Müller ({68})
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzelplan 60 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 60 ist
mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
gegen die Stimmen der anderen Fraktionen angenommen.
Abstimmung über den Einzelplan 20, Bundesrechnungshof, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 20 ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt I. 8, Abstimmung über den
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines
Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes, Drucksachen
14/6883 und 14/7470. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung unter der neuen Bezeichnung „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von
Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuergesetze“ zustimmen wollen, um das
Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der
Fraktion der PDS angenommen.
Somit kommen wir zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist mit der gleichen Stimmenmehrheit wie in der zweiten
Beratung angenommen.
Abstimmung über die Entschließungsanträge zum
Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz. Wer stimmt für
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Neumann ({69})
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({70})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard ({71})
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({72})
Dr. Klaus Rose
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Dr. Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({73})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({74})
Andreas Schmidt ({75})
Michael von Schmude
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Gerhard Schulz
Diethard Schütze ({76})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({77})
Michael Stübgen
Dr. Rita Süssmuth
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Dr. Theodor Waigel
Peter Weiß ({78})
Gerald Weiß ({79})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({80})
Hans-Otto Wilhelm ({81})
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer ({82})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Volker Beck ({83})
Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer ({84})
Joseph Fischer ({85})
Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Kerstin Müller ({86})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({87})
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({88})
Margareta Wolf ({89})
FDP
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun
({90})
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({91})
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({92})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Fraktionslose
Abgeordnete
Christa Lörcher
den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
der Drucksache 14/7550?
({93})
- Man kann alles, Herr Kollege von Larcher, wenn man
nur will.
({94})
Man kann auch dagegen stimmen. Wer das möchte, den
bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Enthaltungen? - Der
Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der PDS abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf der Drucksache 14/7551. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der PDS abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/7552. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit
den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS abgelehnt.
Tagesordnungspunkt I. 9. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/6748 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.
Tagesordnungspunkt I. 10, Beschlussempfehlung des
Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der
CDU/CSU mit dem Titel „Nachtragshaushalt zur Korrektur der Entwicklung der Bundesfinanzen vorlegen“,
Drucksache 14/6339. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/5449 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der CDU/CSU
angenommen.
Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkte I. 11 und I. 12
auf:
I. 11 Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz
- Drucksachen 14/7307, 14/7321 Berichterstattung:
Abgeordnete Carsten Schneider
Franziska Eichstädt-Bohlig
Heidemarie Ehlert
I. 12 Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
- Drucksache 17/7321 Berichterstattung:
Abgeordnete Carsten Schneider
Dr. Werner Hoyer
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Das Haus ist damit
einverstanden.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort zunächst
dem Kollegen Albrecht Feibel für die Fraktion der
CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Eine bedeutende Schnittstelle zwischen Justiz und Wirtschaft ist das deutsche Patent- und
Markenwesen. Funktioniert es, ist es eine wichtige Unterstützung für die Wirtschaft, für Wachstum, für Neuansiedlungen, für Arbeitsplätze. Funktioniert das Patentund Markenwesen nicht oder nicht ausreichend, gibt es
Staus und Verzögerungen bei der Erteilung von Patenten
und der Eintragung von Marken. Dies wirkt sich negativ
auf unsere wirtschaftliche Entwicklung aus.
Unbestritten gibt es gegenüber unserer letzten Haushaltsberatung Fortschritte beim Deutschen Patent- und
Markenamt. Dazu zählen die räumliche Verbesserung
und die Ausstattung mit moderner IT-Technik. Aber all
das reicht nicht aus. Wenn sich zwei hoch qualifizierte
Fachkräfte nach wie vor einen Computer teilen müssen,
({0})
so ist dies ein untragbarer Zustand. Das größte Problem
- trotz einiger Verbesserungen - sind immer noch die unzureichenden Personalverhältnisse des Deutschen Patentund Markenamtes. So wurden die Prüferstellen - im Jahre
2000 betrugen sie noch 600 - im Jahre 2001, also in diesem Jahr, um ganze zehn Prüfer auf 610 erhöht. Es fehlen
also weiterhin 50 bis 100 Fachkräfte, um den jeweils am
Jahresende aufgelaufenen Stau von 120 000 Patentanträgen abzubauen und eine zeitnahe Bearbeitung der Anträge
sicherzustellen. Das ist ein Zustand, der im Zeitalter immer schnellerer Entwicklungen geradezu wie eine angezogene Handbremse für den Fortschritt und für neue Erfindungen wirkt.
Im Haushaltsplan 2002 hat die Bundesregierung zwar
eine weitere Personalaufstockung vorgesehen; diese ist
aber zu gering, wenn man die per Saldo verbleibenden
Netto-Personalaufstockungen errechnet. Andererseits
sind mehr als 30 Stellen bis 2006 befristet, also mit einem
kw-Vermerk versehen. Man muss die Frage stellen: Was
kommt, wenn diese Stellen wieder wegfallen? Dabei
muss man auch einrechnen, dass die Ausbildung dieser
Prüfer einen bestimmten Zeitraum in Anspruch nimmt. Es
bleiben dann vielleicht noch zwei bis drei Jahre, in denen
diese Fachkräfte wirklich tätig werden können.
Ein weiteres Problem wird sich bezogen auf die
Raumausstattung ergeben. Wenn man zusätzliches Personal einstellt, muss man sicherlich auch für die notwendigen Räume sorgen. Dazu habe ich von der Justizministerin noch nichts gehört.
Bei der Beurteilung der Zustände beim DPMA darf
nicht vergessen werden, dass sich das Patent- und Markenamt - einschließlich des Patentgerichts - selbst finanVizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
ziert, das heißt, dass die Gebühren ausreichen, um die anfallenden Sach- und Personalkosten abzudecken. Insofern
ist das Verhalten der Bundesregierung, dass man nämlich
das Patent- und Markenamt nicht ausreichend mit Personal ausstattet, überhaupt nicht zu verstehen.
({1})
Meine Damen und Herren, die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung ist unbefriedigend. Das wirkt sich auch
auf die Beschäftigungssituation aus. Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr nur 0,7 Prozent erreichen.
Der laufende Haushalt 2001 basiert aber auf einer Annahme von 2,75 Prozent.
({2})
Jeder Prozentpunkt weniger bedeutet rund 10 Milliarden DM weniger Steuereinnahmen. Für 2002 ist keine
Besserung zu erwarten. Die Europäische Union prognostiziert weiterhin nur ein Wirtschaftswachstum von
0,7 Prozent.
({3})
Damit befinden wir uns im europäischen Ranking hinter
Griechenland mit 3,5 Prozent, Spanien mit 2 Prozent,
Frankreich mit 1,5 Prozent und Italien mit 1,3 Prozent.
Trotz dieser Erwartungen hat der Bundesfinanzminister in
seinem Haushalt ein Wirtschaftswachstum von 1,25 Prozent für das Jahr 2002 angenommen. Das ist realitätsfern
und verantwortungslos.
({4})
Trotz anders lautender Versprechungen des Kanzlers
steigt die Zahl der Menschen ohne Beschäftigung stetig an.
Von einer Reduzierung der Arbeitslosenzahl auf 3,5 Millionen kann nicht die Rede sein. Mehr Arbeitslose bedeuten
aber auch höhere Ausgaben. Pro 100 000 zusätzliche Arbeitslose wird der Bundeshaushalt mit 3 Milliarden DM
belastet. Wenn es also zusätzlich 500 000 Arbeitslose gibt,
steigen die Ausgaben um 15 Milliarden DM an.
Auch das in diesen Tagen bekannt gewordene Scheitern der GEBB, der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb, Ihres untauglichen Versuchs der
Privatisierung von Teilen der Bundeswehr, führt dazu,
dass Mittel fehlen. Die 2 Milliarden, die für diesen Bereich im Haushalt eingerechnet sind, werden sich nicht
realisieren lassen. Die GEBB ist von ihrer Struktur her
völlig falsch angelegt und wird auch mit einer anderen
Person an der Spitze nicht zum Erfolg führen.
({5})
Dieses unsägliche Unternehmen wird nur Geld kosten,
aber keine Erlöse erzielen, die für die neuen großen Aufgaben der Bundeswehr so dringend gebraucht werden.
({6})
- Es ist mir klar, dass Sie das nicht hören wollen, Herr
Kollege. Aber das hängt zusammen. Wir reden über den
Haushalt und dabei stellen wir fest, dass die Grundlage
nicht stimmt. Ihre Annahmen sind unrealistisch; sie sind
den neuen Entwicklungen und Erkenntnissen nicht angepasst worden. Solche Tatsachen darf ein verantwortungsbewusster Bundesfinanzminister nicht ignorieren. Ansonsten wird er zum haushaltspolitischen Falschmünzer.
Die Justizministerin ist gefordert, ihren Beitrag zu einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten.
Darum müssen Sie, Frau Kollegin, den Stau beim DPMA
kurzfristig auflösen und dafür Sorge tragen, dass dieses
Amt voll funktionsfähig ist. Sie können ruhig applaudieren; denn dies ist eine Aufgabe, die wahrgenommen werden muss.
({7})
Stocken Sie die Zahl der Stellen auf, damit der Stau beim
Patentamt aufgelöst wird und die Markenanmeldungen
nicht ewig auf Bearbeitung warten müssen! Dazu reichen
die derzeitigen Ansätze nicht aus. Es darf aber keinesfalls
dazu kommen, dass, wie im letzten Jahr, Stellen versprochen, aber nicht eingerichtet werden. Das dient weder Ihrer Glaubwürdigkeit, Frau Justizministerin, noch der Sache selbst.
({8})
Wir kritisieren einen weiteren Punkt, und zwar die ungerechte Entschädigung von Opfern extremistischer Gewalt. Die Regierung scheint auf dem linken Auge blind zu
sein; denn auch 2002 werden nur Opfer rechtsextremistischer Gewalt entschädigt. Das lehnt die CDU/CSU-Fraktion ab. Wenn Opfer entschädigt werden, dann bitte alle
gleichermaßen.
({9})
Nun hätte ich eigentlich eine Frage an den Herrn Bundesfinanzminister; er ist aber leider nicht da. Er hat vorhin in seiner Rede wieder einmal verkündet, wie hoch die
Steuerentlastungen für die Bundesbürger sein werden.
In diesem Punkt besteht meines Erachtens Aufklärungsbedarf. Ich denke aber, dass der Staatssekretär dieses Anliegen weitergeben wird.
Der Bundesfinanzminister wird nicht müde, landauf,
landab den Bürgern zu erzählen, sie würden immer weniger Steuern zahlen. Dies stimmt aber nicht. Ein Blick in
die mittelfristige Finanzplanung zeigt, dass die Bundesbürger von 1998 - das war der letzte Haushalt des Bundesfinanzministers Waigel - bis 2005 gewaltig mehr an
Steuern zahlen müssen. Bis zum Jahr 2005 werden es
mehr als 100 Milliarden DM sein, wenn Sie denn - diese
Einschränkung muss ich machen - bis dahin regieren.
({10})
Sie versprechen außerdem ab dem Jahr 2005 eine Entlastung in Höhe von 60 Milliarden DM. Diese haben Sie bis
dahin längst, und zwar noch mit einem gewaltigen Zuschlag, von den Steuerzahlern kassiert.
Herr Staatssekretär Diller, ich nenne Ihnen die Zahlen
noch einmal zum Mitschreiben: 1998 betrugen die Steuereinnahmen 341,5 Milliarden DM. Im Jahr 2005 werden es
nach Ihrer Finanzplanung 445,7 Milliarden DM sein.
Hinzu kommt, dass diese Steuerbelastung natürlich Gift
für die wirtschaftliche Entwicklung ist und dass damit dem
Problem, das wir in diesen Tagen haben - Stichwort: Wirtschaftswachstum und sprudelnde Steuerquellen -, nicht
abgeholfen werden kann.
Den Einzelplan 07 lehnen wir aus den genannten Gründen, aber auch aus dem Grund der wunderbaren Vermehrung der Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit ab. Diese sind
in zwei Jahren um mehr als 50 Prozent gestiegen.
({11})
Das lässt darauf schließen, dass hier Vorsorge für den bevorstehenden Wahlkampf getroffen wird. Deshalb werden
wir den Einzelplan 07 ablehnen.
({12})
Für die
SPD-Fraktion spricht der Kollege Carsten Schneider.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Im Übrigen beraten wir heute
den Einzelplan 07 - Justiz.
({0})
Wir sprechen aber nicht nur über das Jahr 2002. Ich
möchte vielmehr die Gelegenheit nutzen, ein wenig
zurückzublicken und über die vergangene Legislaturperiode Bilanz zu ziehen.
Die Bilanz dieser Jahre ist ausgezeichnet. Die Entwicklung des Justizhaushalts ist dabei geradezu ein Paradebeispiel für den Paradigmenwechsel von einer nur
verwaltenden hin zu einer aktiven, innovativen, aber auch
sozialen Haushaltspolitik.
({1})
Der Justizhaushalt hat einerseits seinen Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen geleistet, wie er andererseits wirtschafts- und gesellschaftspolitische Akzente gesetzt hat. Damit ist der Justizhaushalt exemplarisch für die
Politik der Bundesregierung in den letzten guten Jahren.
({2})
Dank der harten Hand unseres Finanzministers und der
Koalitionsfraktionen ist es gelungen, die rasant steigende
Staatsverschuldung zu drosseln und Vernunft walten zu
lassen.
({3})
Vernünftige Politik heißt erstens, die Bürgerinnen und
Bürger von Steuern und Abgaben zu entlasten,
({4})
zweitens, die Staatsausgaben sukzessive zurückzuführen
und den Freiraum der Bürger zu erhöhen, und drittens,
Kernaufgaben durch den Staat zu erfüllen und dort, wo
es möglich und sinnvoll ist, privater Initiative Platz zu
geben.
({5})
Unsere Haushaltspolitik ist vernünftig, weil wir eine
gerechte, eine generationengerechte Politik betreiben.
({6})
Unsere Politik ist vernünftig, weil soziale Gerechtigkeit
Maßstab unseres Handelns ist. Ob BAföG-Reform, Kindergeld oder Steuerreform - wir sind die einzige Partei,
die einen Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Effizienz
und sozialer Gerechtigkeit schafft.
({7})
Diese Leitlinien sind sowohl am Gesamthaushalt als
auch am Justizhaushalt erkennbar. Die Ausgaben des Justizhaushaltes für 2002 sinken gegenüber dem Ansatz für
2001 um 2 Millionen Euro auf 346 Millionen Euro. Sie
sind damit um 8 Millionen Euro niedriger als 1998. Auch
hieran, am Justizhaushalt, sehen Sie, dass wir die Ausgabenseite konsolidiert haben.
Auch beim Personal hat der Justizhaushalt seinen
Konsolidierungsanteil geleistet. Der Personalbestand
sank seit 1998 um 1,5 Prozent. Gleichzeitig - das verdeutlicht unsere Politik - stieg der Personalbestad beim
ebenso viel beschworenen Deutschen Patent- und Markenamt um knapp 5 Prozent. Allein die Zahl der Patentprüfer steigt bis zum Jahre 2002 um gut ein Fünftel. Jahrelang ist das Patent- und Markenamt durch Ihre Partei,
Kollege Feibel - ich nehme Sie aus, Sie waren damals
nicht im Parlament -, vernachlässigt worden, ist die Wirtschaft letztendlich mit Füßen getreten worden.
({8})
Wir haben diesen Trend umgekehrt und das ist gut so.
({9})
Auch die IT-Ausgaben des DPMA haben sich seit
1998 verdoppelt. Nächstes Jahr werden hierfür 22 Millionen Euro eingestellt.
({10})
- Wenn er es nachlesen kann, schon. - Obwohl wir hier
viel unternommen haben und die Erledigungszahlen der
einzelnen Prüfer stark gestiegen sind, wofür ich mich bei
den Prüfern besonders bedanken möchte, verzeichnen wir
immer noch ein Anwachsen des Bestandes. Das zeigt
exemplarisch, dass die Folgen der jahrelangen Vernachlässigung eben nicht über Nacht behoben werden können.
Patentprüfer fallen nicht vom Himmel, sondern müssen
ausgebildet werden. Der Markt für diese ist sehr eng. Der
Schaden Ihres Handelns bzw. Ihrer Untätigkeit wird dadurch umso gravierender.
({11})
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Standort Jena des
DPMA sagen. Wir werden nächstes Jahr in der Markenabteilung des DPMA 30 neue Stellen, davon 20 Markenprüfer, besetzen. Die Stärkung des Standorts Jena liegt mir
sehr am Herzen. Ich freue mich, dass wir innerhalb des
Parlaments zusammen mit der Regierung zu der Lösung
gekommen sind, dass alle neuen Stellen zukünftig in
ebendieser Stadt angesiedelt werden, die somit eine Stärkung erfährt.
({12})
Ich möchte noch auf einen weiteren Bereich des Justizhaushaltes eingehen, der mir sehr am Herzen liegt. Das
ist der Kampf gegen Rechtsextremismus. Auch wenn
glücklicherweise bei dem Brandanschlag auf ein
Asylbewerberheim in der vergangenen Woche im Kreis
Augsburg kein Mensch zu Schaden kam, so zeigt dies
doch, dass die rechtsextreme Gefahr nach wie vor vorhanden ist. Es ist sogar zu befürchten, dass bei einer
unreflektierten Beurteilung der Ereignisse vom 11. September Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zunehmen.
Wir hatten daher für 2001 beim Generalbundesanwalt
einen Hilfsfonds für Opfer rechtsextremistischer Übergriffe von 5 Millionen Euro veranschlagt.
({13})
Es gab damals heftigen Streit darüber - Herr Kollege
Feibel, Sie haben das eben noch einmal ausgeführt -, ob
man diesen Fonds auf Opfer rechtsextremistischer Gewalt
einschränken sollte. Meiner Meinung nach ist es besonders wichtig und auch herauszustreichen, dass wir diese
besondere Art von Gewalt, die derzeit existent ist - Sie
können im Bericht nachlesen, dass es zurzeit keine Gefahr
von Linksextremisten, sondern von Rechtsextremisten
gibt -, ächten, bekämpfen und den Opfern unsere Solidarität deutlich machen. Unsere Politik macht damit klar:
Wir geben Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus
und Antisemitismus keine Chance.
Die bisherige Bilanz der sozialdemokratischen Finanzund Haushaltspolitik ist gut, weil sie verlässlich, vorausschauend und ehrlich ist. Der Haushalt für das Wahljahr
steigt wie geplant um 1,6 Prozent. 1998, im letzten Jahr
Ihrer Regierung, hatte er einen Anstieg von 3,4 Prozent.
Sie haben damals den untauglichen Versuch unternommen, mit AB-Maßnahmen im Osten die Wahl für sich zu
gewinnen. Das hat Ihnen nichts genützt.
({14})
Wir machen solche unredlichen Dinge nicht. Wir haben
das nicht nötig, weil sie falsch sind, weil wir den Wählerinnen und Wählern nichts vorgaukeln wollen und weil
wir eine Finanz- und Haushaltspolitik betreiben, die verlässlich und ökonomisch sinnvoll ist.
({15})
Deshalb halte ich nichts von Strohfeuerprogrammen,
die immer wieder von der Opposition gefordert werden.
Sie kosten einmal eben 40 Milliarden DM bzw. 20 Milliarden Euro. Woher dieses Geld kommen soll, ist nicht
klar. Solche Politik ist unseriös. Überdies schadet sie der
inneren Einheit Deutschlands.
({16})
Dadurch entsteht der Eindruck, der Osten sei ein Fass
ohne Boden. Das ist er aber nicht.
Richtig und für die neuen Länder nützlich ist dagegen
das Verhandlungsergebnis zum Solidarpakt II. Ich glaube,
dass wir die Bedeutung dieses Abschlusses vor der Sommerpause erst in einigen Jahren abschätzen können. Ich
bin froh, dass wir dieses wichtige Thema vor der Sommerpause vom Eis haben und damit den neuen Ländern
eine langfristige Planungssicherheit über 20 Jahre geben.
Ich möchte dabei ganz besonders dem Bundeskanzler
danken.
Lassen Sie mich zum Abschluss einen Blick in die
nächste Legislaturperiode werfen. Der Finanzminister hat
den Pfad klar abgesteckt. Für das Jahr 2006 wird Hans
Eichel einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Wir als
Parlament werden ihn beschließen. Die Festlegung auf
diesen Zeitplan ist eine finanzpolitische Meisterleistung,
die Herr Waigel nie ins Kalkül fasste, geschweige denn
durchsetzen konnte.
({17})
Wir werden daher auch in der kommenden Wahlperiode
diesen Zeitplan beibehalten. Gleiches gilt für den Stufenplan der Steuerreform.
Da die Finanzpolitiker der Union immer das Vorziehen
der nächsten Stufe unserer Steuerreform fordern, erklären
Sie mir doch bitte einmal: Wieso wollen Sie diese Steuerreform vorziehen, gegen die Sie gestimmt haben und
gegen die Sie immerzu wettern? So schlecht kann sie doch
nicht sein, wenn Sie sie sogar noch früher als vorgesehen
haben wollen.
({18})
Außerdem sind es doch Ihre Länderfinanzminister, die
immer wieder auf die Bremse treten, wenn es um höhere
Entlastungen durch die Steuerreform geht. Diese wissen
genau, wie es um die Länderhaushalte bestellt ist. Sie sind
nicht in der Lage, in ihren Haushalten eine Ausgabenkonsolidierung durchzuführen und Strukturreformen anzugehen.
({19})
Ich rate den Finanz- und Haushaltspolitikern der
Opposition, lieber ihren Steuerfachleuten in den Ländern
und Kommunen zuzuhören. Die Stadtkämmerin von Erfurt liegt mir schon jetzt wegen ausbleibender Steuereinnahmen in den Ohren. Wie wollen Sie denen dann noch
höhere Steuerausfälle plausibel machen? Wer soll die Zeche bezahlen, wenn nicht wieder die zukünftige Generation? Eine solche Politik ist mit uns nicht zu machen.
({20})
So sehr ich die Entscheidung zum Länderfinanzausgleich und zum Solidarpakt II auch begrüße, so sehr
möchte ich davor warnen, das Ergebnis als das Nonplusultra des bundesdeutschen Föderalismus zu sehen. Ich
sehe das Ergebnis quasi als finanzpolitisches Fundament
einer föderalistischen Renaissance. Der europäische Integrations- und Vertiefungsprozess darf uns die Augen vor
den eigenen hausgemachten föderalen Problemen nicht
verschließen. Wir sollten daher die kommende Wahlperiode zur Periode der Reform des Föderalismus machen.
Föderalismus heißt dezentrale, durchschaubare Verantwortung und flexible Entscheidungsfähigkeit. Es geht
nicht nur um die Aufteilung von Geld, sondern auch um
eine klar abgrenzbare Aufteilung der Aufgaben. Das, was
wir in den nächsten vier Jahren schaffen müssten, ist eine
klare Zuordnung der Verantwortung und eine durchgehende Anwendung des Subsidiaritätsprinzips. Wir müssten außerdem mehr Mut für einen dennoch solidarischen
Wettbewerb aufbringen.
({21})
Der Föderalismus muss seine beiden Grundfunktionen
wieder erfüllen: Er soll klare Verantwortung nah an die
Bürgerinnen und Bürger bringen und er muss unterschiedliche politische Lösungsentwürfe ermöglichen.
({22})
Zum Schluss meiner Rede möchte ich den Kolleginnen und Kollegen Berichterstattern herzlich für die
konstruktive Zusammenarbeit danken, ebenso der Ministerin, dem Staatssekretär sowie den Beamten des Haushaltsreferats.
Im Haushaltsausschuss gilt vor allem, bei Entscheidungen in die Zukunft zu blicken und dabei realistisch zu
sein. Wenn ich realistisch in die Zukunft blicke, dann
stelle ich fest, dass wir weitere vier Jahre mit der jetzigen
Ministerin vor uns haben.
({23})
Für die
FDP-Fraktion spricht der Kollege Rainer Funke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ein funktionierendes Justizwesen ist für unsere Gesellschaftsordnung, für das Vertrauen der Bevölkerung in unseren Rechtsstaat und damit für unsere
Demokratie unerlässlich. Insoweit begrüßt die FDP, dass
bei den Haushaltskürzungen im Justizbereich des Bundes
und auch zunehmend in dem der Länder die Rasenmähermethode nicht mehr angewandt wird.
({0})
Zwar ist der Justizpersonalhaushalt des Bundes vergleichsweise gering. Die oberen Bundesgerichte sind jedoch für die Einheitlichkeit unserer Rechtsprechung und
damit für den Bestand unserer Rechtsordnung von herausragender Bedeutung. Ich kann daher die Bundesjustizministerin nur darin unterstützen, sich gegen unspezifizierte Haushaltskürzungen in diesem Bereich zu wehren.
Wir würden die Justizministerin auch darin unterstützen, wenn sie sich dagegen wehren würde, dass Gesetzesmaterien, die ursprünglich in ihrem Hause ressortiert
waren, von anderen Häusern in Anspruch genommen
werden.
({1})
Ich will als konkretes Beispiel das Übernahmegesetz erwähnen, bei dessen Beratung das Bundesfinanzministerium die Federführung beansprucht hat, obwohl wesentliche Fragen des Aktienrechts betroffen sind. Mit großem
Erfolg hat das Bundesjustizministerium an der CorporateGovernance-Arbeitsgruppe unter Professor Baums teilgenommen und gute Vorschläge entwickelt, die hoffentlich
bald Gesetz werden können. Das Übernahmegesetz konterkariert dagegen diese erfolgreichen Beratungen und
führt dazu, dass Aktionäre durch Vorstand und Aufsichtsrat und auch durch entsprechende Vorratsbeschlüsse der
Hauptversammlung quasi enteignet werden. Dies führt
zur Schwächung des deutschen Kapitalmarkts,
({2})
während die Corporate-Governance-Arbeitsgruppe unter
Professor Baums zur Kapitalmarktöffnung beitragen will.
Hier weiß offensichtlich die eine Hand nicht, was die andere tut. Ich bin sicher, dass die Bundesjustizministerin,
hätte sie denn aufgepasst, dies nicht gebilligt hätte. Aber
so ist es in der Tat an der Justizministerin vorbeigelaufen.
Das Bundesjustizministerium war unter allen Bundesjustizministern und Bundesjustizministerinnen ein Hort
unserer Rechtsordnung. Dabei wurde auch darauf geachCarsten Schneider
tet, dass eine ordnungsgemäße parlamentarische Beratung der Gesetzesvorlagen sichergestellt wurde.
({3})
Leider müssen wir uns zum wiederholten Male, Frau Ministerin, darüber beklagen, dass aufgrund des von Ihnen
gesetzten Zeitdrucks sinnvolle Beratungen erschwert
werden, um es einmal hanseatisch und zurückhaltend auszudrücken.
Ich erwähne nur zwei Beispiele aus dieser Woche; andere Beispiele sind leider Legion und von uns mehrfach
vorgetragen worden. In dieser Woche sollte eine Nachfolgeregelung zu § 12 des Fernmeldeanlagengesetzes, also
die Telefonüberwachung, beschlossen werden.
({4})
Seit Jahren, Herr Kollege, wird hierüber diskutiert.
({5})
Die Geltung des § 12 ist mehrfach verlängert worden.
Jetzt, wenige Tage vor Ablauf der Frist am 31. Dezember
dieses Jahres, sollte heute in einer Sondersitzung des
Rechtsausschusses hierüber beraten werden.
({6})
Auf Druck der Grünen ist die Beratung wieder abgesetzt
worden.
({7})
Dies führt dazu, dass wir auch in der letzten Sitzung dieses Jahres dieses Gesetz nicht mehr ordnungsgemäß beraten können. Insbesondere können wir auch keine Anhörung durchführen, falls wir eine solche für richtig
hielten.
({8})
- Das glauben Sie.
({9})
Sie wollen hier doch die Leute nur unter Druck setzen. So
kann man mit dem Parlament nicht umgehen.
({10})
Es geht darum, dass die Kolleginnen und Kollegen im
Rechtsausschuss und natürlich auch das Plenum ordnungsgemäß beraten können. Das stellen Sie leider nicht
mehr sicher.
Dies geht sogar noch weiter: Der junge Kollege
Schneider hat eben gerade den Föderalismus gepriesen.
Ich preise ihn auch. Aber was Sie mit dem Bundesrat machen, ist ganz schlimm. Der Bundesrat hat keine Möglichkeit mehr, das Gesetz rechtzeitig zu beraten. Er soll es
noch in der letzten Sitzungswoche dieses Jahres beschließen, kann vorher aber nicht einmal ernsthaft den
Vermittlungsausschuss anrufen. So gehen Sie mit dem
Bundesrat um!
({11})
- Nein, was in den Beratungen zwischen Ihnen und den
Grünen herauskommen wird, weiß der Bundesrat bis
heute nicht. Das wissen auch wir nicht. Auch Ihnen ist bekannt, dass hier eine Hängepartie gegeben ist, die dazu
führt, dass wir nicht mehr ordnungsgemäß beraten können.
({12})
Ähnlich verhält es sich leider auch beim Urhebervertragsrecht, das jetzt in zügigster Weise durchgepeitscht
werden soll.
({13})
- Lieber Herr Kollege Hartenbach, der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung geriet kräftig in die Kritik,
woraufhin der Gesetzentwurf in der letzten Woche in
14 Punkten geändert wurde.
Wir haben im Berichterstattergespräch erörtert, dass
dieser Gesetzentwurf grundlegend geändert wird. Eine
gründliche Beratung dieser Änderungen mit den betroffenen Organisationen und Verbänden der Urheber und Verwerter ist aber durch den Zeitdruck, unter den sich die
Bundesjustizministerin ohne Not selbst gesetzt hat, nicht
mehr gewährleistet. Ich appelliere daher an die Ministerin, auch dem Parlament genügend Zeit für die Beratungen zu geben.
({14})
Andere Gesetze werden unnötig lange nicht angegangen. Ich nenne nur das materielle Stiftungsrecht und die
Novellierung der Juristenausbildung.
({15})
Hier sollte die Justizministerin, die nun einmal über § 5
des Deutschen Richtergesetzes eine ausreichende Gesetzesgrundlage dazu hat, initiativ werden, damit unsere
jungen Juristen eine noch bessere Ausbildung erfahren
können.
Lassen Sie mich abschließend versichern, dass sich die
FDP als Rechtsstaatspartei der Fortentwicklung unserer
Rechtsordnung immer engagiert annehmen wird. Bei entsprechenden Vorhaben werden wir das Ministerium konstruktiv begleiten. Den Mitarbeitern des Bundesjustizministeriums sage ich für ihre engagierte und sachkundige
Zuarbeit im Namen meiner Fraktion aufrichtig Dank.
({16})
Ich erteile
dem Kollegen Volker Beck das Wort. Er spricht für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der rechtspolitische Reformmotor ist in diesem Jahr so richtig auf
Touren gekommen. Man hört es von Herrn Funke: Die
Opposition schwitzt, weil sie den Reformeifer von RotGrün nicht mehr richtig bewältigen kann.
({0})
Sehr geschätzter Kollege, beim Urhebervertragsrecht
können Sie sich wirklich nicht über mangelnde Beratungen im Ausschuss beklagen. Wir hatten eine Anhörung,
wir hatten Berichterstattergespräche. Wir werden diese
intensive Beratung mit einer Berichterstatteranhörung
fortsetzen.
Auch hinsichtlich der Nachfolgeregelung zum § 12 des
Fernmeldeanlagengesetzes werden Ihre Träume wahr
werden. Wir werden diese Regelung noch in diesem Jahr
verabschieden und rechtzeitig im Gesetzblatt veröffentlichen. Bei den notwendigen Eingriffen in die Grundrechte schaffen wir es, diese immer zielgenauer und verhältnismäßiger zu gestalten. Das ist etwas, was Ihnen als
ehemaliger Bürgerrechtspartei eigentlich gefallen müsste.
Das sollte eher auf Ihren Beifall denn auf Ihre Kritik
stoßen.
({1})
Schon jetzt lässt sich sagen: Das Jahr 2001 wird als das
Jahr der spektakulären rechtspolitischen Reformen in die
Geschichte eingehen. Wir haben die notwendigen Modernisierungen - Justizreform, Schuldrechtsmodernisierung,
Mietrechtsreform, die Regelung zur eingetragenen Partnerschaft, das Gewaltschutzgesetz - nicht nur angekündigt, sondern wir haben sie auch durchgesetzt. Wir haben
in drei Jahren in der Rechtspolitik mehr zustande gebracht
als Schwarz-Gelb in den gesamten 16 Jahren seiner Regierungsverantwortung.
({2})
Lassen Sie mich zu Beginn auf eine Gesetzgebung eingehen, die uns alle beschäftigt, den Konsequenzen der
schrecklichen Anschläge vom 11. September geschuldet
ist und die innere Sicherheit in diesem Land betrifft. Mit
den Gesetzen der Sicherheitspakete I und II stellt die
Koalition eindrucksvoll unter Beweis, dass sie bei der
Terrorismusbekämpfung die richtige Balance gefunden
hat.
({3})
Das Gesetz ist ein austariertes, verhältnismäßiges Maßnahmenpaket. Es gewährleistet den Bürgern optimale
Sicherheit, ohne dabei Bürgerrechte und Datenschutz abzubauen. Es beweist auch, dass man Sicherheitserfordernisse und die Wahrung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit durchaus vereinbaren kann, wenn man sich anstrengt.
({4})
Ich warne davor, das grundsätzlich gelungene Bündel von
Maßnahmen jetzt mit Verschärfungen an der einen oder
anderen Stelle wieder aus der Balance zu bringen.
({5})
Wer das will, wie wohl einige Ausschüsse des Bundesrates angekündigt haben, der gefährdet eine zügige Verabschiedung dieses Gesetzes im Deutschen Bundestag. Darüber muss man sich im Klaren sein. Wir brauchen im
Kampf gegen die Strukturen des internationalen Terrorismus keine langen Verzögerungen, keine wochen- und monatelangen Beratungen zwischen den parlamentarischen
Gremien von Bundestag und Bundesrat. Das wäre in der
Tat verantwortungslos. Wir müssen diesbezüglich zügig
und entschlossen handeln.
({6})
Meine Damen und Herren, in dieser Haushaltsdebatte
geht es auch um die Kosten von Rechtsstaat und Justiz. Beinahe ein Standardsatz in den haushaltspolitischen
Reden zum Justizhaushalt lautet: Der Rechtsstaat ist eine
erstaunlich preisgünstige Veranstaltung. Die Anteile der
Justizhaushalte bei Bund und Ländern, gemessen am
Gesamthaushalt, sind immer sehr gering. Trotzdem garantieren sie die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger
vor staatlicher Willkür, vor nicht zielgerichteter Repression. Deshalb muss uns der Rechtsstaat auch etwas Wert
sein.
Wir brauchen einen umfassenden Sicherheitsbegriff,
der auch die Sicherheit vor ungerechtfertigten Eingriffen
in die Grundrechte einbezieht und die rechtsstaatlichen
Grundwerte hochhält: die Trennung von Polizei und Geheimdiensten, das auch für den Beschuldigten faire Verfahren, den Grundsatz, Eingriffe in die Rechte von Personen nur vorzunehmen, wenn sie verhältnismäßig sind,
und das Prinzip, den Datenschutz als Bürgerrecht und
Grundrecht und nicht als Täterschutz zu begreifen.
Es ist gut, dass diese Koalition diese Orientierung in
der Rechtspolitik und in der Sicherheitspolitik gleichermaßen wahrt.
Meine Damen und Herren, auf nahezu allen Gebieten
der Justizpolitik kann diese Koalition auf eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz verweisen. Unsere Reformpolitik
zielt auf die Modernisierung der Justiz, auf die Stärkung
der Stellung von Rechtsuchenden und Verbrauchern, auf
den Schutz der Schwachen durch Recht und auf Maßnahmen gegen die Diskriminierung von benachteiligten
Gruppen in unserer Gesellschaft.
Mit der Schuldrechtsreform haben wir unser Bürgerliches Gesetzbuch endlich für das 21. Jahrhundert fit gemacht.
({7})
Damit werden wir auf dem internationalen Parkett bei den
Verhandlungen für ein europäisches Zivilgesetzbuch wieder ernst genommen. Es war richtig und gut, dass wir uns
im Verfahren gegen die Verschleppungsabsichten der
Opposition gestellt haben.
({8})
So präsentieren wir den Bürgerinnen und Bürgern unser
komplettes BGB ab 2002 in einem neuen und modernen
Gewand. Profitieren werden davon vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie werden bis in das
kleinste Alltagsgeschäft hinein ihre verbesserte Rechtsposition zu spüren bekommen.
({9})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wäre es nach Ihnen gegangen, müssten wir unseren
Bürgern jetzt jedes Jahr ein neues BGB zumuten. Gut,
dass uns diese Ergänzungslieferungen erspart bleiben!
({10})
Ab 2002 verbessert sich auch mit der eigentlichen Justizreform, der Modernisierung des Zivilprozesses, die
Rechtsposition der Rechtsuchenden in unserem Land.
({11})
Sie werden künftig zügiger und besser zu ihrem Recht
kommen. Ich bin sicher: Die Stärkung der Eingangsinstanz wird für die Justiz einen Akzeptanzschub zur Folge
haben. Ich bin auch davon überzeugt: Die Maßnahmen
werden sich in der Praxis bewähren, sodass sich hoffentlich bald alle Länder auch zu einer einheitlichen Berufungsinstanz beim OLG durchringen werden.
Auch im Verwaltungsprozess haben wir den Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger wieder verbessert. Die
Vorgängerregierung hatte mit ihrer 6. VwGO-Novelle den
Rechtsschutz der Bürger weit zurückgefahren. Wir haben
das rückgängig gemacht und die Rechtsmittel sowie ihre
Zulassungsvoraussetzungen ausgeweitet. Das war bitter
notwendig; denn gerade da, wo es um das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat geht, müssen wir umfassenden
Rechtsschutz gewährleisten.
({12})
Die rot-grüne Koalition stärkt auch auf dem Gebiet der
Rechtspolitik die Stellung der Schwachen in dieser
Gesellschaft. Das ist die soziale Dimension der Rechtspolitik.
({13})
In wenigen Tagen, am 1. Dezember, wird sich für die vielen Überschuldeten in diesem Land die Situation deutlich
verbessern. Wir haben die Insolvenzordnung so verändert, dass sie überschuldeten Verbrauchern endlich eine
reale Chance auf ein schuldenfreies Leben eröffnet. Mit
der Abkürzung der so genannten Wohlverhaltensperiode
auf sechs Jahre und mit der Stundung der Prozesskosten
erleichtern wir den Menschen den Weg aus der Schuldenfalle und zurück in die Gesellschaft, zurück in das
Wirtschaftsleben. Erst jetzt lässt sich die Reform der
Insolvenzordnung von 1999 mit Fug und Recht als
echte Reform bezeichnen. Die Arbeitsgemeinschaft der
Schuldnerberatungsverbände ist uns für diese überfällige
Reparatur zu Recht sehr dankbar.
Auch die Anhebung der Pfändungsfreigrenzen ist
praktischer Schutz der Schwachen durch Recht. Wir stellen sicher, dass ein erwerbstätiger Schuldner trotz Pfändung künftig mehr im Geldbeutel behält, als wenn er die
Arbeit aufgibt und nur Sozialhilfe bezieht. Das ist ja wohl
eine sinnvolle sozialpolitische Maßnahme.
({14})
Mit der Reform des Schadensersatzrechts werden wir
den Menschen helfen, ihre Schadensersatzansprüche
durchzusetzen. Hier besteht besonders im Bereich des
Arzneimittelschadensrechts erheblicher Reformbedarf.
Der Skandal um Lipobay oder der HIV-Blutskandal in den
80er-Jahren haben gezeigt, dass es für die Betroffenen, die
nachweislich geschädigt sind, oft sehr schwer ist, ihre Ansprüche auch tatsächlich durchzusetzen. Wir ergreifen die
notwendigen Maßnahmen.
Mit dem Gewaltschutzgesetz ist uns ein weiterer Meilenstein gelungen. Wir haben die rechtliche Stellung von
Frauen und Kindern als den typischen Opfern von häuslicher Gewalt erheblich gestärkt. Wir ermöglichen den Geschlagenen, in ihrer Wohnung zu bleiben und dort vor
weiteren Übergriffen des Partners geschützt zu sein. Nicht
der Geschlagene muss gehen, sondern der Schläger. Auch
das ist Schutz der Schwachen durch Recht.
Unsere Koalition hat im Prostitutionsgesetz dafür gesorgt, dass sich diese Gesellschaft von der Doppelmoral,
wie sie auf dem Rücken der Prostituierten ausgetragen
wird, verabschiedet.
({15})
Die Frauen und Männer, die in diesem Bereich arbeiten,
haben - unabhängig davon, wie das der Einzelne moralisch bewertet - einen Rechtsanspruch auf ihren Lohn für
ihre Tätigkeit und ein Recht auf soziale Sicherung im
Rahmen unserer Sozialversicherungssysteme erhalten.
Volker Beck ({16})
Wir werden nach dem Barrierefreiheitsgesetz für Behinderte und dem Lebenspartnerschaftsgesetz für Homosexuelle auch mit einem zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz den Menschen, die in unserer Gesellschaft
immer noch diskriminiert werden, rechtliche Instrumentarien an die Hand geben, um sich gegen Diskriminierung
wirkungsvoll zu wehren. Ich bin sicher: Nach dem eindrucksvollen Reformprogramm der letzten drei Jahre
wird es uns ein Leichtes sein, die Wählerinnen und
Wähler im nächsten Jahr zu überzeugen, dass die gute Arbeit unbedingt von dieser Koalition fortgesetzt werden
muss.
({17})
Die Kollegin Dr. Evelyn Kenzler spricht für die Fraktion der PDS.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Zum Bundesverfassungsgericht möchte ich aufgrund der sehr kurzen Zeit nur so viel
sagen: Auch wenn mich das Urteil aus Karlsruhe zu unserem Organstreitverfahren „Neue NATO-Strategie“ in der
letzten Woche nicht überzeugt hat und das Gericht nicht
im Zweifel für das Parlament entschieden hat, macht
meine Fraktion ihr Abstimmungsverhalten natürlich nicht
davon abhängig, sondern stimmt dem Einzelplan Bundesverfassungsgericht zu. Trotz einiger Einwände stimmen
wir auch dem Einzelplan BMJ zu.
({0})
Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu. Der
Bundeshaushalt 2002 ist insofern für den Endspurt der
Bundesregierung und der rot-grünen Koalition bei ihrem
großen Vorhaben, den Reformstau in der Rechtspolitik
aufzulösen, besonders wichtig. Bis zu den Ereignissen des
11. September war ich der Meinung, dass die Regierung
ihrem Ziel „mehr Rechtsstaatlichkeit und mehr sozialstaatliche Demokratie in der Rechtspolitik“ - ich betone:
in der Rechtspolitik - ein Stück näher gekommen ist.
Heute sehe ich jedoch insbesondere in der Terrorismusgesetzgebung einen herben Rückschlag.
Frau Ministerin, Sie sind in der Rechtspolitik in der Tat
vorangekommen. Ich konnte einiges unterstützen. Meine
Fraktion und ich haben uns in einer Reihe von Vorhaben,
wie bei der Änderung der Insolvenzordnung, der Anhebung der Pfändungsfreigrenzen oder der Mietrechtsreform, aktiv eingebracht. Dass wir oftmals entschiedenere
Reformfortschritte vorgeschlagen haben, ist dokumentiert. Manche Vorschläge von uns habe ich auch in Ihren
Gesetzentwürfen wiedergefunden. Andere Vorhaben, wie
die ZPO-Reform, konnten wir aufgrund der unterschiedlichen konzeptionellen Ansätze nicht mittragen. Die Umsetzung in der Rechtspraxis wird schon in Kürze der entscheidende Gradmesser sein und entsprechende Defizite
aufzeigen.
Da mehrere tief greifende Reformen zeitgleich in Kraft
treten, sollte gerade im nächsten Jahr mehr Geld für die
Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben werden. An dieser Stelle
stehen wir in einem Widerspruch zur CDU. Die Bürgerinnen und Bürger müssten jetzt jedoch verstärkt über diejenigen Rechtsänderungen informiert werden, die sie
ganz unmittelbar betreffen.
({1})
Ich habe auch mehr Mittel für Forschungen und Untersuchungen erwartet; denn eine gute Rechtspolitik kommt
ohne fundierte Rechtstatsachenforschung und ohne Wirksamkeitsanalyse natürlich nicht aus.
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich stehe ganz an Ihrer
Seite, wenn Sie versichern, es müsse endlich deutlich
werden, dass unser Recht auf der Seite der Schwächeren
steht.
({2})
Bei jeder Anstrengung in dieser Richtung werden wir Sie
unterstützen. Doch allmählich wird der Blick der Regierung schwächer, wenn es um die Schwachen geht. Ich erinnere nur an die leidige Schuldrechtsanpassung. Ein gerechter Interessenausgleich zwischen Eigentümern auf
der einen und Nutzern auf der anderen Seite ist für mich
noch nicht erkennbar.
({3})
Seit der Vorlage des Eckpunktepapiers der SPD vom
März dieses Jahres habe ich auch nichts Offizielles mehr
zur angekündigten Volksgesetzgebung gehört. Ich frage
deshalb: Kommt sie noch oder kommt sie nicht mehr in
dieser Wahlperiode?
({4})
Nicht nur höchst bedauerlich, sondern geradezu peinlich ist die längst überfällige Aufhebung der nationalsozialistischen Unrechtsurteile gegen Deserteure per Gesetz.
({5})
Ich erspare mir hier jedes weitere Wort und hoffe mit
den Betroffenen, dass möglichst schnell noch etwas passiert.
Zurück zum Haushaltsplan. Es freut mich, dass auf unseren Wunsch hin der Posten „Härteleistungen für Opfer rechtsextremistischer Übergriffe“ beim Generalbundesanwalt nun doch erhalten geblieben ist, wenn auch
gekürzt. Das ist ein wichtiges politisches Signal, sowohl
nach innen als auch nach außen.
({6})
Zum Schluss noch ein paar Bemerkungen zu den so genannten Sicherheitspaketen. Hier haben das BMJ und
der Rechtsausschuss eine besondere Verantwortung, denn
es geht um die Frage der Verfassungsgemäßheit. Frau Ministerin, Sie haben hier zu Recht die sorgfältige juristische
Prüfung jedes einzelnen Vorschlags angemahnt. Ist er geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um Terrorismus
tatsächlich zu bekämpfen? Sie haben nicht zuletzt mit
Ihrem Brief an Ihren Kollegen Innenminister Schily die
schlimmsten Giftzähne ziehen können, wie mein Kollege
Volker Beck ({7})
Herr Funke gelegentlich zu sagen pflegt. Dennoch sehe
ich und sieht meine Fraktion mit großer Sorge, dass wir
auf einen Weg schwerwiegender Grundrechtseinschnitte
geraten sind, der uns, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht wirksam vor terroristischen Anschlägen schützen wird.
({8})
Vielmehr werden wir Scheinsicherheit mit einem erheblichen Verlust an Freiheit bezahlen. Kein Geringerer als
der Bundestagsvizepräsident a. D. Burkhard Hirsch hat
vor kurzem sogar die Frage gestellt, ob wir ein demokratischer Rechtsstaat bleiben. Wir sollten nicht nur, wenn es
um die Vernichtung von Akten im Bundeskanzleramt
geht, auf seine Sachkenntnis Wert legen, sondern auch in
diesem wesentlich wichtigeren Punkt; denn hier wird eine
höchst problematische Zäsur zum bisherigen Verfassungsverständnis eingeleitet.
({9})
Ich erteile
das Wort der Bundesjustizministerin, Frau Kollegin
Dr. Herta Däubler-Gmelin.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte bei dieser zweiten und dritten Lesung des
Bundesjustizhaushalts mit einem Dank beginnen, und
zwar mit einem Dank an alle, die bei seinem Zustandekommen geholfen haben. Es ist ein gelungener Haushalt,
der den sparsamen Umgang mit den Steuergeldern
ebenso einschließt wie die Förderung der innovativen
Rechtspolitik, zu der wir uns verpflichtet haben. Gleichzeitig wird er den Anforderungen gerecht, die die Ereignisse des 11. September und danach uns aufgezwungen
haben.
Dieser Dank - lassen Sie mich das sagen - bezieht sich
natürlich zunächst auf die Kolleginnen und Kollegen des
Rechtsausschusses, soweit sie mitgeholfen haben - das
sind insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der Koalition -, dann aber auch auf unsere Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss. Aber ich schließe natürlich
auch - lassen Sie mich das an vorderer Stelle sagen - die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesministeriums der Justiz ein, die hervorragende Arbeit geleistet haben. Ich darf den Dank auch erstrecken auf die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesministerium der Finanzen, die dabei geholfen haben.
({0})
Dies ist ein gelungener Haushalt. Sparsamkeit auf der
einen Seite und Förderung der Innovation, für die wir angetreten sind, auf der anderen Seite - diese Balance ist genau erreicht worden. Wir haben in der Tat - das ist ja auch
aus den Beiträgen der Redner der unterschiedlichen Oppositionsfraktionen durchaus deutlich geworden - eine
ganze Menge erreicht.
Lassen Sie mich die fünf Schwerpunkte, um die es
uns ging und um die es uns geht, einfach noch einmal in
Erinnerung rufen. Da ist einmal die Bekämpfung der Gewalt und die Hilfe des Rechts und unserer staatlichen Institutionen für Schwächere. Das ist ein ganz wichtiger
Punkt, an dem wir auch festhalten. Erziehung ja, Gewalt
nein. An diesem Punkt konnten Sie leider nicht mitmachen.
({1})
- Das ist ja bei der Opposition immer so. Die hat immer
Recht, Herr Geis.
({2})
Aber Sie müssen dann in Gottes Namen halt auch mitstimmen;
({3})
dann könnte ich auch Sie hier ausdrücklich loben. Ich
würde es gerade bei der Gewaltbekämpfung ja furchtbar
gerne tun.
Ich nenne weiter Täter-Opfer-Ausgleich, Insolvenzrechtsreform, notwendige Korrekturen bei den Pfändungsfreigrenzen,
({4})
Lebenspartnerschaften, Hilfe bei rechtsextremer Gewalt.
Übrigens - lassen Sie mich das noch einmal ganz konkret sagen, lieber Kollege Feibel -: Ich finde, Sie sollten
Ihre politische Aussage hier nochmals überdenken.
({5})
Es geht einfach nicht an, dass man hier sagt: Wenn Hilfe
für Opfer, dann für alle. Drehen Sie es doch auf jeden Fall
bitte um: Auf jeden Fall bitte Hilfe für die Opfer rechtsextremer Straftaten. Und dann helfen Sie uns auch noch
bei der Reform des Sanktionensystems, mit dem wir allen
Opfern von Kriminalität endlich das zukommen lassen wollen, worauf sie Anspruch haben. Das wäre genau
richtig.
({6})
Die Frau
Ministerin gestattet eine Zwischenfrage. Herr Kollege
Feibel, bitte schön.
Frau Minister, warum
sind Sie eigentlich dagegen, dass alle Opfer jeglicher
Gewalt - rechtsextremistischer, linksextremistischer, religiös motivierter, krimineller Gewalt - in gleicher Weise
entschädigt und damit gleich behandelt werden? Was ist
der Grund, dass Sie nur die Opfer der rechtsextremistischen Gewalt entschädigen?
Lieber Herr Feibel, Sie wissen ganz genau, dass
das gar nicht zutrifft. Ich sage es Ihnen aber gerne noch
einmal und danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie die Frage
nochmals in den Raum gestellt haben. Selbstverständlich
gehört es in den ersten Schwerpunkt dieser rot-grünen
Bundesregierung und der Koalition, die sie trägt, dass
man insbesondere den Opfern von Straftaten mehr Hilfe
zukommen lässt.
({0})
Deshalb lade ich Sie ganz herzlich ein, bei der Reform des
Sanktionensystemes mitzumachen. Bisher habe ich das
noch nicht gehört.
({1})
Ich habe nur kritisiert, dass Sie gegen die Sofortentschädigung der Opfer der besonders scheußlichen, politisch
für unser Land und für die Menschen schädlichen rechtsextremistischen Gewalt sind.
({2})
Lassen Sie mich fortfahren. Unser zweiter Schwerpunkt war und ist die Förderung der Menschenrechte.
Auch bei diesem Punkt haben wir immer gehört, Sie seien
dafür. Ich finde es sehr gut, dass wir es geschafft haben,
dass das Institut für Menschenrechte jetzt wirklich anfangen kann zu arbeiten. Ich finde es gut, dass wir bei der
Förderung des Internationalen Strafgerichtshofs so weit
gekommen sind, dass bald die notwendige Anzahl von
Ratifikationsurkunden hinterlegt sein wird, sodass wir
auch hier auf internationaler Ebene zusammenarbeiten
können werden.
Ich denke, dass die internationale Rechtszusammenarbeit - sei es durch die Stiftung, die wir auf wirklich sichere Füße gestellt haben, sei es die Zusammenarbeit mit
der Türkei, sei es der Rechtsstaatsdialog mit China - genau in diese Richtung weist. Auch das wird durch diesen
Bundeshaushalt möglich. Das ist gut.
Dritter Schwerpunkt ist die europäische Zusammenarbeit, die wir mit der Grundrechte-Charta begonnen
haben. Das war eine Sache des gesamten Hauses. Aber
ich darf Sie daran erinnern: 1998, als wir die Regierung
übernommen haben - zwei Monate später haben wir
die europäische Präsidentschaft angetreten -, war
nichts vorbereitet. Wir hatten hervorragende Vorarbeiten aus der SPD-Fraktion, aus der Grünen-Fraktion,
aus der CDU/ CSU-Fraktion, aber es war nichts vorbereitet. Wir haben das auf den Weg gebracht. Ich freue
mich darüber. Es ist ein Beitrag der rot-grünen Rechtspolitik im europäischen Bereich, dass wir jetzt die
nächsten Schritte gehen können, um die wichtige europäische Grundrechte-Charta rechtsverbindlich in die
Verträge zu übernehmen und damit, wie der Bundeskanzler zusammen mit dem französischen Präsidenten
gesagt hat, die Verfassungsdiskussion für Europa,
die wir ja alle wollen, wieder einen Schritt weiter zu
treiben.
({3})
Vierter Schwerpunkt: die Modernisierung des Rechtes. Auch da haben wir eine Menge erreicht, von der Einführung der obligatorischen Schlichtung in § 15 a des Einführungsgesetzes zur ZPO bis hin zur Modernisierung
von ZPO, Schuldrecht und Mietrecht. Bei allen diesen
Dingen hätten wir es natürlich gerne gehabt - lassen Sie
mich das noch einmal ausdrücklich sagen -, dass Sie nach
einer inhaltlichen Diskussion, in die die Opposition entsprechend ihrer Rolle ihre Fragen eingebracht hätte, zugestimmt hätten. Unter der Hand weiß man doch, dass
auch Sie der Meinung sind: Jawohl, das war überfällig
und es ist gut, dass das gemacht wird.
({4})
Meine Damen und Herren, verehrter, lieber Herr
Feibel, die Modernisierung des Patentwesens ist eines
meiner Lieblingsthemen. Wenn man sich anschaut, wie
Sie das Deutsche Patent- und Markenamt 1998 übergeben
haben, kommen nicht nur mir die Tränen. Sie haben vergessen, zu erwähnen, dass wir seit 1993 einen Anstieg der
Patentanmeldungen und der Markenanmeldungen hatten.
({5})
- Aber natürlich: 50 Prozent im Patentbereich, etwa
78 Prozent im Markenbereich.
({6})
In derselben Zeit sind die Personalstellen in diesem Bereich um 16 Prozent zurückgefahren worden. Das werfe
ich nicht Ihnen persönlich vor, weil Sie damals noch nicht
im Parlament waren. Wenn Sie erwähnen, dass es bisher
noch nicht gelungen ist, für jeden einzelnen Patentprüfer
eine DEPATIS-Station einzurichten - übrigens wird der
Zugang jedem Patentprüfer möglich sein; das wissen aber
auch Sie -, dann darf ich Sie noch einmal an die Tatsache
erinnern, dass es 1998 noch nicht eine einzige DEPATISArbeitsstation gab und wir die Trendumkehr mithilfe der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Patentund Markenamtes und der Kolleginnen und Kollegen von
Rot-Grün im IT-Bereich, bei der Organisation und natürlich auch bei den Personalstellen vollzogen haben. Das
möchte ich hier deutlich betonen.
({7})
Diese Leistung hätten Sie gerne während Ihrer Regierungszeit vollbracht, das will ich gar nicht ausschließen.
Sie haben es aber nicht geschafft. Ich darf nur noch einmal daran erinnern, dass das Deutsche Patent- und Markenamt 106 zusätzliche Stellen bekommt.
({8})
Meine Bitte an das ganze Haus ist es, diese Umorganisation, diese Modernisierungspolitik sowie die Förderung
der Informationstechnologie in diesem Bereich tatsächlich mit zu unterstützen.
({9})
Ich darf noch einmal daran erinnern, dass nicht Sie,
sondern wir es waren, die zur Förderung des Erfindergeistes eine ganz wichtige Ressource, nämlich den Internetzugang zum Deutschen Patent- und Markenamt, erschlossen haben. Das war viel Arbeit, nicht nur von mir. Bei
allen, die dabei mitgeholfen haben, bedanke ich mich
ganz herzlich.
({10})
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, der mir
ganz wichtig ist. Ich habe die Innovationsseite dieses
Haushaltes betont. Wir haben noch eine Menge vor. Auch
dabei kann ich auf das zurückgreifen, was hier schon gesagt wurde. Lassen Sie mich Ihnen, Herr Feibel, noch einmal zu zwei Dingen, die Sie erwähnt haben, etwas sagen:
Ich habe schon gemerkt, dass es keine richtige Kritik war,
die Sie vorgebracht haben, sondern Sie jetzt etwas in den
Raum stellen mussten.
({11})
- Ja, natürlich.
({12})
Sie haben zum einen gesagt, dass ein Arbeitnehmer
heute weniger Geld zur Verfügung habe und mehr Steuern zahlen müsse. Wenn Sie sich die Tabellen anschauen
würden - ich habe sie mir gerade noch einmal besorgt -,
dann würden Sie Folgendes feststellen: 1998 - ganz unstreitig das letzte Jahr, in dem Sie die Bundesregierung
stellten ({13})
lag das Durchschnittseinkommen - wir nehmen wie üblich den allein verdienenden Arbeitnehmer mit zwei Kindern, Steuerklasse III/II - bei 48 300 DM. Damals hat er
- wenn Sie zuhören würden, brauchte ich es nicht zweimal zu sagen - 3 140 DM Steuern gezahlt. Im Jahre 2001
liegt der Durchschnittsverdienst für genau die gleiche
Gruppe bei 50 500 DM, das heißt bei 2 200 DM mehr, aber
er zahlt erheblich weniger Steuern, nämlich 2 302 DM.
({14})
Dieses jetzt einfach einmal zu den Zahlen.
Ihr zweiter Punkt betraf die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit, die Sie immer wieder kürzen wollen.
({15})
Dieses Argument hat vor zwei Jahren jedoch schon Ihr
Kollege und Vorgänger Henke gebracht, der genauso
sympathisch wie Sie ist. Dem habe ich damals gesagt,
dass er seinen Ansatz für die Öffentlichkeitsarbeit des
Verkehrsministeriums 1998 zehnmal so hoch angesetzt
hatte wie wir. Dieses, lieber Herr Feibel, sollten Sie sich
noch einmal anschauen. Unser Haushalt ist ein von
Sparsamkeit geprägter Haushalt, wir gehen gut mit unseren Ressourcen um.
({16})
Selbstverständlich - das machen wir schon seit einigen
Jahren - bringen wir das unter die Leute, was wir an Veränderungen vorgesehen haben. Sie wären übrigens der
Erste, der uns ermahnen würde, mittels Öffentlichkeitsarbeit diese Veränderungen auch darzustellen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie
ausdrücklich einladen, bei den Vorhaben, die jetzt noch
anstehen, wirklich mitzumachen. Sie, lieber Herr Funke,
wissen, dass ich Ihre Ratschläge, wenn Sie konstruktiv
und ernst gemeint sind, immer besonders gern berücksichtige. Dies trifft zum Beispiel auf das allgemeine Antidiskriminierungsgesetz, das Urhebervertragsrecht, die
Hilfe für die Opfer im Rahmen des Sanktionensystems,
das Schadensersatzänderungsgesetz, das Stiftungsprivatrecht und - merken Sie auf - auch auf die Juristenausbildung zu. Auch da haben wir längst die Initiative ergriffen, aber das wissen ja auch Sie. Nicht so gut ist aber, dass
dann, wenn wir etwas tun, die einen kommen und sagen,
es geschehe viel zu schnell. Wenn wir sagen: „Wir müssen erst noch die Bund-Länder-Absprache wie zum Beispiel beim Schadensersatzrechtsänderungsgesetz, beim
Stiftungsprivatrecht oder bei der Juristenausbildung abwarten“, dann sagen Sie, wir seien zu zögerlich. Ich weiß
aber, dass man es einer Opposition nicht immer recht machen kann; ich versuche es trotzdem.
({17})
- Ihre Meinung, lieber Herr Geis, finde ich immer besonders wichtig. Aber das wissen Sie aufgrund unserer gegenseitigen Sympathie schon längst.
Ich lade Sie ausdrücklich dazu ein, mit uns weiter zu
diskutieren. Wir werden unsere Vorhaben zügig und besonnen weiter verfolgen. Sie werden weiterhin entschlossen Opposition machen. Diese Aufteilung ist gut; sie gefällt mir. So wollen wir es die nächsten fünf Jahre halten.
({18})
Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt ansprechen.
Seit den schrecklichen Suizid-Terroranschlägen vom
11. September gibt es neue Entwicklungen, die große Herausforderungen an die Justiz mit sich bringen. Auch dem
trägt dieser Haushalt Rechnung. Die neuen Herausforderungen berücksichtigen wir dadurch, dass wir neue
Stellen für den Generalbundesanwalt, für den Bundesgerichtshof und
({19})
- natürlich auch dafür - für das Bundesministerium der
Justiz schaffen. Herr Feibel, ich habe diese Tatsache erwähnt, weil ich mich dafür auch bei Ihnen bedanken
wollte.
({20})
Ich finde das völlig angemessen. Lassen Sie es uns aber
nicht übertreiben!
Wir werden unsere innovative Rechtspolitik weiter
fortführen. Sie ist in unserem Haushaltsplan angelegt. Das
ist eine solide und gelungene Grundlage für die Reformpolitik, für die wir angetreten sind. Ich bedanke mich bei
allen, die dabei mit geholfen haben. Ich bedanke mich im
Übrigen auch bei der Opposition, soweit sie sich fair verhält.
Herzlichen Dank.
({21})
Zum Abschluss dieser Debatte spricht nun der Kollege Nobert
Geis für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ein Wort noch zu den
Entschädigungen. Es ist schon so, dass nur für die Opfer
rechtsextremistischer Gewalttaten Entschädigungen gezahlt werden. Es ist völlig unverständlich, weshalb nicht
auch für alle anderen Opfer, die ebenso durch Gewalt geschädigt worden sind, Entschädigungen vorgesehen sind.
Das ist und bleibt unverständlich. Darauf haben Sie, Frau
Ministerin, keine vernünftige Antwort gegeben; denn darauf kann man keine vernünftige Antwort geben.
({0})
Hinzu kommt, lieber Herr Schneider, dass die linksextremistisch motivierte Gewalt und Kriminalität zahlenmäßig viel größer sind als die rechtsextremistisch motivierte Gewalt und Kriminalität.
({1})
- Um das zu erkennen, brauchen Sie nur in die Statistik zu
schauen.
({2})
- Sie brauchen nur in die entsprechende Statistik über
Straftaten zu schauen. Darin können Sie diese Tatsache
bestätigt finden.
({3})
Noch eine weitere Vorbemerkung. Frau Ministerin, angesichts der geforderten Sparsamkeit muss man sagen:
Eine Erhöhung des Etats für Öffentlichkeitsarbeit von
2000 bis heute um 50 Prozent ist gewaltig. An dieser Tatsache kommen Sie nicht vorbei. Diese Erhöhung dient
doch nur dazu, Ihre manchmal sehr verunglückte Rechtspolitik in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Das
scheint auch notwendig zu sein.
({4})
Es geht heute nicht darum, dass wir unseren Blick weit
in die Zukunft richten; denn was die nächste Legislaturperiode angeht, werden wir ein Wort mitzureden haben.
({5})
Es geht vielmehr um eine Bestandsaufnahme und um einen Rückblick. Bei der Bestandsaufnahme, sehr verehrte
Frau Ministerin, geht es vor allem um die Frage - das erwartet die Bevölkerung von uns -, welchen Anteil die Justiz im Kampf gegen Kriminalität, gegen Terrorismus und
gegen Gewalt leistet. Da ist bei Ihnen aber Sendepause; da
kommt überhaupt nichts.
({6})
Die erste Geige hinsichtlich all dieser Fragen spielt
doch der Herr Innenminister, der gerade den Saal verlassen hat. Man muss feststellen, dass Sie etwas blass daneben stehen. Von Ihnen und von Ihrem Justizministerium
kommt kein vernünftiger Vorschlag hinsichtlich des
Kampfes gegen die internationale und organisierte Kriminalität und vor allen Dingen hinsichtlich des Kampfes gegen den Terrorismus für mehr innere Sicherheit. Da
kommt nichts von Ihnen. Entsprechende Maßnahmen erwartet aber die Bevölkerung von uns.
({7})
Das ist - und war es schon immer - ein wichtiger Auftrag an die Rechtspolitik. Die Rechtspolitik hat gerade in
diesen Fragen in der Vergangenheit immer einen ganz entscheidenden Beitrag geleistet. Sie, verehrte Frau Ministerin, leisten in dieser so wichtigen Frage, die die Bevölkerung von früh morgens bis spät abends beschäftigt, Ihren
Beitrag nicht. Das muss hier festgehalten werden.
({8})
- Lieber Herr Hartenbach, das Justizministerium scheint
doch eine Unterabteilung des Innenministeriums und kein
eigenständiges Ministerium zu sein. Wenn es anders wäre,
dann würden hier Vorschläge auf dem Tisch liegen.
({9})
Nun möchte ich dazu beitragen, dass Sie sich etwas beruhigen.
({10})
Ich komme zu einem Thema, für das der Bund keine unmittelbare Zuständigkeit hat, das aber von entscheidender
Bedeutung ist und an dem natürlich auch dem Bund geBundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin
legen sein muss: Es geht um die Modernisierung der
Justiz,
({11})
und zwar insbesondere um die Modernisierung in all den
Amtsstuben der Justiz in den Ländern, die von SPD-Justizministern regiert werden. Da ist nämlich viel zu tun.
Die Amtsstuben sind manchmal so ausgestattet, als seien
die Einrichtungen auf dem Flohmarkt gekauft worden.
({12})
Moderne Kommunikationsmittel finden Sie dort nicht.
Darauf sollten Sie, Frau Ministerin, im Interesse der Einheitlichkeit der Justiz im ganzen Land Ihr Augenmerk
lenken.
({13})
Sie haben ein wichtiges Thema angesprochen: die obligatorische Streitschlichtung. Sie wissen ganz genau,
dass dieses Thema insbesondere von uns aufgegriffen
worden ist. Es war in unserem Entwurf eines Gesetzes zur
ZPO-Reform enthalten. Wir haben die obligatorische
Streitschlichtung vorgezogen und haben zugestimmt. Das
müssen Sie doch wissen. Mit Ihnen bin ich der Auffassung:
Das ist ein wichtiges Instrument. Aber als Bundesjustizministerin sollten Sie darauf achten, dass es in den Ländern
auch umgesetzt wird. Daran mangelt es ausgerechnet wieder in den Ländern, die von SPD-Justizministerinnen und
SPD-Justizminister regiert werden.
({14})
Bayern hat dieses Schlichtungsgesetz längst umgesetzt.
Ich meine, dass dies ein wirklich interessantes Instrument
ist. Denn dadurch könnten die Amtsgerichte erheblich
entlastet werden. Wir können dadurch einen Schritt zu einer neuen Rechtskultur vielleicht insofern machen, als die
in unteren Streitwertschichten streitenden Parteien die
Schlichtung in die Hand nehmen und versuchen, ihren
Streit selbst zu Ende zu bringen. Deswegen bitte ich
darum, dass die Umsetzung der obligatorischen Streitschlichtung von Ihnen mit Aufmerksamkeit beobachtet
wird.
Sie haben Recht: Sie haben versucht, die ZPO zu reformieren. Das war ein Schlag ins Wasser. Es ist nichts
übrig geblieben. Mit vereintem Widerstand des Richterbundes, des Anwaltvereines und der Opposition - das sei
in aller Bescheidenheit hinzugefügt - haben wir es
tatsächlich geschafft, das Schlimmste zu verhindern.
Die Experimentierklausel, mit der Sie die Möglichkeit eröffnet haben, dass in einzelnen Ländern versucht
wird, die Rechtsmittelmöglichkeit bei den Oberlandesgerichten anzusiedeln, ist ein Flop.
({15})
Kein Land, nicht einmal die von Ihnen regierten Bundesländer bzw. die von Ihnen gestellten Justizministerinnen
und Justizminister, sind bereit, diese Experimentierklausel umzusetzen. Bislang hat noch kein einziges Land
trotz finanzieller Versprechungen - auch das sei hier einmal gesagt - das, was Sie vorgeschlagen haben, umgesetzt. Das beweist, dass diese Experimentierklausel - das
war ein Grund, weshalb wir am Ende nicht zugestimmt
haben ({16})
ein Flop gewesen ist und überflüssig war.
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, das eines
der wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben dieser Legislaturperiode - Frau Ministerin, ich kann ruhig ein wenig
warten, bis Sie Ihre Unterhaltung beendet haben, dann
werde ich fortfahren; ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit ({17})
im Bereich der Justiz gewesen ist - das ist ohne Zweifel
richtig -, haben Sie in einem Galopp durch das Parlament
getrieben, sodass dies nur noch mit einer Missachtung des
Parlaments gleichgesetzt werden kann.
({18})
Sie wollen offenbar ohne das Parlament regieren. Das
Parlament ist für Sie ein notwendiges Übel. Am liebsten
handeln Sie ohne Parlament. Welches Demokratieverständnis ist das aber? Sie sind weit entfernt von einer
vernünftigen Zusammenarbeit zwischen Parlament und
Ihrem Ministerium.
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist in diesen
Tagen verkündet worden. Die Zeit zwischen Verkündung
und In-Kraft-Treten am 1. Januar 2002 ist zu kurz. Die
rechtsberatenden Berufe können sich kaum auf dieses
Gesetz einstellen.
({19})
Wir haben davor gewarnt. Warum haben Sie dieses wichtige Gesetz so spät in Angriff genommen? Warum haben
Sie es so spät vorgelegt? Vor ungefähr einem Jahr haben
Sie den Referentenentwurf verschickt.
({20})
- Den Referentenentwurf! Dieser Referentenentwurf ist
auf große Kritik gestoßen. Dann haben Sie den Gesetzentwurf vorgelegt, der ebenfalls auf große Kritik gestoßen ist.
({21})
Die Zeit war zu kurz. Das Parlament braucht für ein so
wichtiges Gesetz einen längeren Zeitraum. Das haben Sie
missachtet. Das können wir Ihnen nicht als Verdienst anrechnen.
({22})
Im Urhebervertragsrecht machen Sie unter Umständen
das Gleiche.
Mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz
({23})
haben Sie versucht, ein Stück Rechtsordnung in unserem Land von Grund auf umzuwälzen. Wir werden uns
mit diesem Gesetz niemals abfinden, Herr Beck; wir
werden es, sobald wir die Möglichkeit haben, wieder
ändern.
({24})
Ein Wort zur strafrechtlichen Seite des Unternehmens. Ich habe schon eingangs gesagt: Die Justiz hat
bislang keinen vernünftigen Beitrag zum Kampf gegen
den Terrorismus geleistet. Das hat Folgen, auch für das
so genannte Sicherheitspaket. Es fehlt uns noch heute
ein entscheidender Vorschlag zur Kronzeugenregelung.
({25})
Seit zwei Jahren sagt man uns: Die Kronzeugenregelung
kommt. Ich weiß gar nicht, wovor Sie Angst haben. Vor
Herrn Beck brauchen Sie keine Angst zu haben; seit
Rostock macht er alles mit, Hauptsache, die Macht bleibt
erhalten.
({26})
Deswegen bitte ich Sie: Lassen Sie diesen Koalitionspartner und legen Sie uns endlich eine vernünftige Kronzeugenregelung vor. Darum bitten wir. Wir haben eine vorgelegt, die Sie nicht akzeptieren wollen; aber es ist
wichtig, dass überhaupt eine vorgelegt wird.
Sie haben in Ihrem Sicherheitspaket auch keine Regelung zum verdeckten Ermittler. Sagen Sie nicht, der verdeckte Ermittler hätte bei diesem Geflecht der Terroristen
in Deutschland keine Chance. Wir haben 32 000 islamistische Extremisten mit verschiedenen Gruppierungen im
Land, die untereinander Verbindung haben. Das ist das
klassische Betätigungsfeld des verdeckten Ermittlers.
Hier liegt kein Vorschlag von Ihnen vor.
Es fehlt auch ein vernünftiger Vorschlag zu § 12 des
FAG-Nachfolgegesetzes. Dazu hat Herr Funke schon
Ausführungen gemacht. Außerdem fehlt - das will ich
zum Schluss sagen - noch immer ein vernünftiger Vorschlag zur Gewinnabschöpfung. Die Gewinnabschöpfung spielt gerade beim Terrorismus eine entscheidende
Rolle,
({27})
weil wir dadurch die Bewegungsfreiheit der Terroristen
einschränken können. Wir haben Vorschläge gemacht, Sie
haben sie abgelehnt; aber das ist Ihre Masche.
Danke schön.
({28})
Zu einer
Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Carsten
Schneider das Wort.
Herr Kollege Geis, Sie
haben in Ihrer Rede den Eindruck erweckt oder zumindest
die Aussage getroffen, dass es in Deutschland mehr linksextremistische als rechtsextremistische Straftaten gebe.
Ich möchte hier für die Öffentlichkeit Folgendes klarstellen: Nach dem Bundesverfassungsschutzbericht 2000 gab
es 15 951 rechtsextremistisch motivierte Straftaten und
3 173 linksextremistisch motivierte Straftaten. Ich sage
nicht, dass 3 173 wenig ist, aber ich möchte Sie bitten, das
zur Kenntnis zu nehmen und aufgrund dessen unsere Forderung zu verstehen, dass wir die rechtsextremistische
Gewalt, die eine besondere Gefährdung unserer öffentlichen Sicherheit darstellt, ächten, dass wir mit den Opfern besonders solidarisch sind und deswegen diesen
Fonds eingerichtet haben.
({0})
Ich schließe
die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Einzelplan 07
- Bundesministerium der Justiz - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 07 ist mit den Stimmen von
SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.
Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - in der
Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 19 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte I. 13 und I. 14 auf:
I. 13 Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
- Drucksachen 14/7306, 14/7321 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Werner Hoyer
Lothar Mark
Oswald Metzger
I. 14 Einzelplan 33
Versorgung
- Drucksachen 14/6800, 14/7537 Norbert Geis
Berichterstattung:
Abgeordnete Ewald Schurer
Josef Hollerith
Dr. Günter Rexrodt
Zu Einzelplan 06 liegen ein Änderungsantrag
der Fraktion der FDP und drei Änderungsanträge sowie
ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS vor.
Über den Entschließungsantrag werden wir am Freitag
abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Das Haus ist
damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst dem
Kollegen Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen!
Es ist nicht leicht, im Schatten der Ereignisse von New
York und Washington das Thema innere Sicherheit anzusprechen. - Der Herr Minister hat im Augenblick Probleme; vielleicht hört er zwischendurch einmal zu, weil es
ihn auch persönlich betrifft. - Die Attentate haben unsere
Welt verändert und die Opfer sowie alle Amerikaner haben unsere ungeteilte Solidarität und unser Mitgefühl.
Die wichtigste Aufgabe des Innenministers ist es, die
Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten. Angesichts
der neuen Herausforderungen ist es nicht so einfach,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung für den Haushalt 2002 pünktlich und akkurat einzureichen. Herr
Minister, ich komme nachher auch noch zu dem, was
mich ein wenig verärgert.
({0})
Der Bundeshaushalt 2002 zeigt, dass die Bundesregierung jetzt von der Realität eingeholt wird und dass der Bereich der inneren Sicherheit sträflich vernachlässigt
wurde.
({1})
Sie können sich sicherlich daran erinnern - auch meine
niedersächsischen Freunde wissen es -, dass ich im Haushaltsausschuss schon sehr frühzeitig Vorschläge - samt
Deckung - zum Einzelplan 06 eingebracht habe, die von
der Koalition leider nicht akzeptiert wurden. Stattdessen
wurde ein Antiterrorpaket vorgelegt. Dies stellt einen
schwachen Versuch der Bundesregierung dar, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Lieber Herr Minister,
leider wurde von Ihnen statt der versprochenen Kraftbrühe eine Wassersuppe geliefert.
({2})
Ich muss Innenminister Schily aber zumindest zugestehen, dass er, bis er seinem Kanzler und den Grünen
hörig wurde, manchmal den Eindruck vermittelte - zumindest in den Medien konnte man das verfolgen -, als ob
er Herrn Minister Beckstein noch rechts überholen wollte.
({3})
Was versprochen wurde, gilt aber nicht mehr. Ich gehe davon aus, dass die Innenpolitiker nachher auf die Themen
Regelanfrage beim Verfassungsschutz, größere Befugnis
für Geheimdienste, Sammellager für ausreisepflichtige
Ausländer, deren Ausweisung vollzogen werden kann
usw. eingehen werden.
In Anbetracht der neuen Lage fordere ich die Vorlage
eines neuen Entwurfs des Einzelplans 06. Der jetzige Entwurf muss überarbeitet werden und für die Prävention und
Abwehr von Terrorakten muss unser Land mehr Ressourcen bereitstellen. Wir müssen handeln und alles tun, um
eine mögliche Gefahr abzuwehren. Das Antiterrorpaket
alleine wird nicht reichen. Sie und die gesamte Bundesregierung können davon ausgehen, dass Sie die Unterstützung der CDU/CSU bei dieser Arbeit erhalten.
({4})
Sie müssen aber auch bereit sein, Forderungen, die die
CDU/CSU erhebt, mit einzuarbeiten.
Ich mache jetzt einige aktuelle Bemerkungen zum Einzelplan 06. Herr Minister, ich habe vorhin schon angekündigt, dass es mich etwas verärgert hat, dass die letzten Unterlagen für den Einzelplan 06 24 Stunden vor der
Bereinigungssitzung dem Haushaltsausschuss zugeleitet
worden sind. Es ging um das Antiterrorpaket, um die Mittel, die Ihnen zusätzlich zur Verfügung stehen. Man hätte
dann allerdings der Bevölkerung in Deutschland auch sagen müssen, dass die 3 Milliarden DM für das Antiterrorpaket sicherlich aus dem Haushalt von 480 Milliarden DM - jeder kann es sich ausrechnen; das sind noch
nicht einmal 1 Prozent - hätten erwirtschaftet werden
können. Das wird leider nicht gemacht.
({5})
- Herr Staatssekretär Diller, es ist heute Morgen zu dieser
Thematik schon von jemandem aus Ihren Reihen gesagt
worden, dass 80 Prozent des Geldes in der EU für die
Agrarpolitik ausgegeben würden. Sie sollten sich da also
etwas sorgfältiger informieren; dann werden Sie sicherlich zu anderen Zahlen kommen.
Herr Geis hat gerade die Öffentlichkeitsarbeit angesprochen. Im Innenministerium ist es noch dramatischer.
Da wird der Haushalt für die Öffentlichkeitsarbeit - lieber Herr Schily, vielleicht äußern Sie sich nachher einmal
dazu - von rund 450 000 Euro auf 890 000 Euro fast
verdoppelt. Man muss das mit der Summe vergleichen,
die diese Regierung für die Integration der Ausländer
ausgibt. Wissen Sie, wie viel dafür ausgegeben wird? Es
sind 1,5 Millionen Euro. Ich bitte Sie, lieber Herr Minister, nachher darauf einzugehen, wie man mit 1,5 Millionen Euro eine Integration der Ausländer vornehmen
soll. - Sie können ruhig den Kopf schütteln, Herr Schily.
({6})
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Im Bereich des BGS unterstützt die CDU/CSU die
Stellenhebungsprogramme.
({7})
Ich gehe davon aus, dass die FDP das sicherlich auch tun
wird, Herr Hoyer. Wichtig sind allerdings weiterhin die
AusbildungsowiedieBeschaffungvonmodernenGeräten.
({8})
Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und war 24 Stunden lang beim BGS in Frankfurt an der Oder. Gerade dort,
lieber Herr Minister, ist es sehr wichtig, dass die Wünsche
der Beamten des BGS in Teilbereichen etwas mehr
berücksichtigt werden, etwa bei der Unterbringung; denn
gerade in dem Bereich kann man einiges lernen. Wer einmal in Frankfurt an der Oder gewesen ist und sich die Problematik vor Ort angeschaut hat, der weiß, wovon ich
rede.
({9})
Beispielsweise wurden in der Nacht, als ich da war, in den
Zügen, die aus Moskau und Warschau ankamen, 2 Millionen Zigaretten gefunden. Hier ist also eine weitere Besserstellung unserer Beamten notwendig.
Ich habe einen Wunsch, Herr Innenminister: dass die
Luftsicherheitskontrollen nicht nur durch private, sondern
verstärkt auch durch BGS-Beamte durchgeführt werden,
da ich der Auffassung bin, dass die BGS-Beamten dafür
gut ausgebildet sind. Hinzu kommt auch noch die hundertprozentige Gepäckkontrolle auf Flughäfen. Ich bitte
Sie, dabei darauf zu achten, dass bis zum Ende des Jahres 2002 die Metropole Frankfurt am Main - dort ist unser größter Flughafen - berücksichtigt wird.
Etwas, was kein Mensch in der Bundesrepublik versteht, ist die Neueinführung von INPOL ({10}) im Bereich
des Bundeskriminalamtes. Wir als Haushälter haben mit
dem Innenminister und der Staatssekretärin viele Male
zusammen gesessen. Ich nenne hier bewußt keine Firmen,
die von Ihnen beauftragt wurden, das INPOL ({11}) zu
konstruieren. Ich muss aber schon sagen, dass es beeindruckend ist, dass man der deutschen Firmen 6 000 Seiten
Papier zur Verfügung stellt, um diese neue Aktion starten
zu können. Dies ist nicht Aufgabe unserer deutschen Unternehmen. Ich hoffe, dass wir uns sehr kurzfristig zusammensetzen und dass wir innerhalb der Bundesrepublik ein INPOL ({12}) bekommen, das dazu beitragen
wird, eine leistungsfähige Datenbank für das BKA und für
viele andere Bereiche - Sie vertreten in dieser Sache ja
auch die anderen Ministerien - bereitzustellen.
({13})
Bei der Bereitschaftspolizei hat der Innenminister dank
des Terrorpakets 28 Millionen DM zugelegt.
({14})
- Ja, da kann man klatschen. Aber wenn Sie mit den Betroffenen in den Ländern sprechen - ich habe mit einigen
gesprochen -,
({15})
dann werden Sie erfahren, dass deren Forderung ein bisschen höher gewesen ist.
({16})
Deshalb bitten wir um eine Nachbesserung in diesem Bereich um 40 Millionen und um 25 Millionen für das Technische Hilfswerk.
Man muss sagen, dass diese Terroraktionen leider auch
etwas Vorteilhaftes haben, nämlich dass der Etat des Innenministeriums in vielen Bereichen finanziell aufgestockt worden ist.
Ich habe noch eine Frage an den Innenminister. Im Bereich des Zivilschutzes stehen weitere 25 Millionen zur
Verfügung. Bin ich richtig informiert - zumindest habe
ich es in den Zeitungen lesen können -, dass der Bunker
bei Bonn wieder aktiviert werden soll? Ist das so? Vielleicht können Sie sich dazu äußern und der Öffentlichkeit
mitteilen, dass dies nicht der Fall ist.
Lassen Sie mich noch etwas zur Sportförderung sagen. Sie sind wie ich auch ein begeisterter Sportler. Es ist
der Wunsch der CDU/CSU-Fraktion, diesen Haushalt
möglichst nicht schrumpfen zu lassen. Meine Behauptung
ist, dass unsere Sportler nicht nur eine Vorbildfunktion haben, sondern dass sie auch Diplomaten der Bundesrepublik Deutschland im Ausland sind. Das betrifft nicht nur
den Hochleistungssport, sondern genauso den Behindertensport sowie die Jugend und die Heranwachsenden. Ich
bin der Auffassung, dass bei Jugendlichen, die Sport treiben, Gewalt und Kriminalität keine Rolle spielen.
({17})
Ich hoffe, dass Sie im Bereich der Sportförderung - zum
Beispiel in einem Nachtragshaushalt oder wo auch immer ein wenig nachhelfen. Ich denke hier insbesondere an die
Kollegen aus Ostdeutschland im Zusammenhang mit dem
Goldenen Plan.
({18})
- Herr Berichterstatter, nach vielen Gesprächen ist der
Etat ein wenig aufgestockt worden. Aber auch der Westen
erwartet etwas.
Ich hoffe, dass nicht das Gleiche wie beim Steuerpaket
passiert, dass zum Beispiel Leipzig und Berlin Gelder für
die Olympiastadien bekommen. Vielmehr sollten jetzt
Gelder in den Ministerien zur Verfügung gestellt werden,
bevor man irgendwelche Bundesländer auffordert, etwas
anderes zu tun, als sie derzeit planen. Ich gehe davon aus,
dass im Bereich der Sportförderung in Zukunft etwas Positives passiert.
Ansonsten muss ich klar und deutlich sagen: Da wir
große Änderungswünsche haben und diese abgelehnt
worden sind, lehnen wir den Haushalt so, wie er zurzeit
ist, Herr Minister Schily, ab.
Ich danke für die Aufmerksamkeit und schließe.
({19})
Als
nächster Redner hat der Kollege Gunter Weißgerber von
der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Lieber „Charly“ von
Hammerstein, du möchtest den Einzelplan 06 noch einmal erstellen. Er gefällt dir überhaupt nicht. Ich denke, du
hast den letzten Einzelplan von Minister Kanther vor Augen gehabt, als du festgestellt hast, dass dieser noch einmal neu gemacht werden muss; denn dieser ist schwer in
Ordnung.
Die 3 Milliarden DM für das Antiterrorpaket willst du
aus dem Gesamthaushalt einsparen. Auch darüber staune
ich. Alle Anträge, die von deiner Partei im Haushaltsausschuss gestellt worden sind, beinhalten Erhöhungen um
mehrere Millionen DM, ohne dass ihr gesagt hättet, wo sie
herkommen sollen. Hier wolltet ihr auch nicht aus dem
Gesamthaushalt einsparen. Das Rezept funktioniert nicht.
Der BMI-Haushalt 2002 stellt ein weiteres Mal die
hohe Wertschätzung gegenüber dem sensiblen Sicherheitsbereich durch die rot-grüne Bundesregierung unter
Beweis. Innenminister Schily stehen im nächsten Jahr für
sein Haus rund 3,7 Milliarden Euro - mit den Mitteln aus
dem Antiterrorpaket sind es sogar rund 3,9 Milliarden
Euro - zur Verfügung.
Die Verbesserung der inneren Sicherheit und Haushaltskonsolidierung sind nur scheinbar ein Widerspruch.
Bei Minister Schily funktioniert das, was bei Kanther
nicht funktioniert hat: Seit der Regierungsübernahme erfuhren die Sicherheitsbereiche im Einzelplan 06 eine Ausgabensteigerung um 11 Prozent gegenüber Kanthers Sicherheitsplanung. Ich meine, dies ist ein eindrucksvoller
Nachweis dafür, wem die innere Sicherheit mehr am Herzen liegt. Der damaligen Koalition jedenfalls nicht.
Rund 60 Prozent der Einzelplanausgaben entfallen auf
den Sicherheitsbereich: Verfassungsschutz, BKA, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Bundesgrenzschutz, Beschaffungen für die Bereitschaftspolizeien der Länder. Davon entfallen 67 Prozent allein auf
Personalausgaben. Im Gesamteinzelplan liegt der Personalkostenanteil dagegen bei rund 56 Prozent.
Dabei ist es dem Innenminister bereits gelungen, im
gesamten Geschäftsbereich seit 1998 den Personalbestand um insgesamt 14,6 Prozent zu reduzieren, und zwar
bei stetiger Verbesserung der Leistungen für die innere Sicherheit. Dies verdient Anerkennung.
({0})
Auch im Haushalt 2002 wird das Hebungsprogramm
für den Bundesgrenzschutz fortgesetzt.
({1})
Weitere 1 208 Planstellen werden angehoben, was rund
3 200 Beförderungen bedeutet. Seit 1998 wurden durch
die neue Bundesregierung fast 11 900 Bundesgrenzbeamte befördert, also rund 30 Prozent des gesamten BGSPersonals. Auch das verdient Würdigung. Natürlich weiß
ich, dass es wesentlich mehr Ansprüche gibt, aber ihre
Umsetzung kann nur schrittweise erfolgen. Was Kanther
an Defiziten hinterlassen hat, können wir nicht in wenigen
Jahren aufarbeiten.
({2})
Wir werden die kantherschen Defizite konsequent abbauen.
Im BKA bereitet INPOL ({3}), die Fortentwicklung
des seit 1970 praktizierten INPOL-aktuell, Sorgen. Dies
ist jedoch nicht erst seit 1998 der Fall, Kollege von
Hammerstein. Der gesamte Prozess läuft seit 1992. Wir
müssen die kantherschen Weichenstellungen rückgängig
machen. Das KPMG-Gutachten, welches der Innenminister in Auftrag gab, hebt unter anderem auf die Vertragsgestaltung ab, die die Wirtschaftlichkeitsinteressen des Bundes wenig berücksichtigt. Auch wird durch KPMG der im
August 1998 beschlossene technische Entwicklungsansatz von INPOL ({4}) infrage gestellt. Das ist alles vor der
Regierungsübernahme von Rot-Grün an Weichenstellungen geschehen.
Bundesminister Schily und seine Mannschaft werden
INPOL ({5}) auf das richtige Gleis setzen. Der Haushaltsausschuss unterstützt dieses Vorhaben. Die hierzu beschlossene Sperre in Höhe von 1 Million Euro sichert dem
Ausschuss die nötige Mitwirkung. Wir benötigen gerade
in der jetzigen, von Terrorismus geprägten Situation
INPOL ({6}) dringend.
({7})
Die Leistungen des THW sind im Bundestag und in
der Öffentlichkeit unbestritten. Ob im Ausland oder innerhalb der Bundesrepublik: Auf das THW, seine Mitarbeiter und Mitstreiter ist immer Verlass.
({8})
Genauso kann sich das THW auf die Koalitionshaushälter
verlassen. Runde 25 Millionen Euro erhält das THW in
2002 zusätzlich. Wir haben einen ordentlichen Zuwachs
versprochen und mit dieser 25-prozentigen Steigerung
erkennbar unser Wort gehalten.
({9})
Nach der Regierungsübernahme 1998 gab der Haushaltsausschuss das Signal zur Evaluierung der Bundeszentrale für politische Bildung. Das Ergebnis kann sich
sehen lassen. Die Mühe hat sich gelohnt. Präsident Krüger
und seine Mannschaft haben einen hocheffizienten und
beweglichen Apparat entwickelt, der modernen Ansprüchen an die politische Bildung gerecht wird und aktuelle Entwicklungen zügig aufnimmt.
({10})
Haushaltspolitiker sind qua Amt eigentlich keine Bildungspolitiker. Dennoch musste der Ausschuss im Haushaltsverfahren quasi Bildungspolitik betreiben. Die
Ostsee-Akademie Travemünde, deren Träger die Pommersche Landsmannschaft ist, sorgte in den letzten Jahren
für erhebliche Unruhe - Unruhe der politisch unangenehmen Art. Still und heimlich, manchmal auch laut und
unverschämt wurde an einem Richtungswechsel vom bisherigen Kurs der Aussöhnung mit Osteuropa hin zur Auferstehung alter Geister gewerkelt. Konsensgespräche
zwischen der Landsmannschaft, der Regierung Schleswig-Holsteins und dem BMI verliefen aufgrund der starren Haltung der Landsmannschaft im Sande. Selbst Haushaltssperren führten nicht zum Nachdenken.
Die Haushälter mussten handeln und der Entwicklung
einen Riegel vorschieben. Steuergelder werden jedenfalls
für unselige Entwicklungen nicht bereitgestellt.
({11})
Im Haushalt 2002 wird deshalb die Ostsee-Akademie abgewickelt und stattdessen die neugegründete Academia
Baltica, welche sich der Fortsetzung der ursprünglich positiven Arbeit der Ostsee-Akademie verschrieben hat,
gefördert.
Bei dieser Gelegenheit noch eine Anmerkung. Wir
führen seit Jahren die institutionelle Förderung von Zuwendungsempfängern zugunsten der Projektförderung
prinzipiell zurück. Das ist sachlich richtig. Schwierig
wird die Sache jedoch an dem Punkt, an dem nur noch
Projektförderung möglich ist. Perspektivische Lebensplanung der Beschäftigten ist dann nicht mehr möglich. Auch
wird es schwerer werden, gute Leute für solch unsichere
Jobs zu bekommen. Wir sollten im gesamten Haus intensiv darüber nachdenken.
({12})
Im Einzelplan 06 ressortiert die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Parteivermögens der
DDR. Die PDS würde diesen Restposten gerne weghaben. Wir nicht.
({13})
- Die Unabhängige Kommission Parteivermögen.
Ich zitiere aus der Stellungnahme der Unabhängigen
Kommission vom 25. Oktober dieses Jahres:
Solange eine durch Hinweise erhärtete Wahrscheinlichkeit besteht, dass es noch unentdecktes Parteivermögen gibt, müssen die Ermittlungen fortgesetzt
werden, um zu verhindern, dass die Inhaber dieses
Vermögens - in der Regel Treuhänder der SED - es
über Spenden an die PDS - vergleichbar der Geldwäsche - zurückfließen lassen. Diese Notwendigkeit
wird nicht dadurch gemindert, dass die PDS auf ihr
Altvermögen verzichtet und versichert hat, vollständig Auskunft über ihr Vermögen gegeben zu haben,
denn den SED-Treuhändern stehen ausreichend
Wege zur Verfügung, ihrer Parteiloyalität zu genügen, ohne die Partei zu Pflichtverstößen zu
veranlassen.
Dazu erübrigt sich jeder Kommentar. Denke ich aber an
die vielen Flugzeuge, die Transparente hinter sich herziehen und damit ab und zu über das Land und die Städte
fliegen, dann wundere ich mich schon, woher die Truppe,
die PDS, eigentlich die Knete dafür hat.
({14})
- Als es letztens in Leipzig eine große Demonstration gegen Nazis gab - das war völlig richtig -, gab es auch ein
Flugzeug, das ein großes Transparent hinter sich herzog.
Das passiert immer wieder. Solche Aktionen kosten viel
Geld. Daher stellt man sich schon die Frage - das ist doch
ganz natürlich -: Woher kommt das Geld?
Insgesamt bringt die Arbeit der Unabhängigen Kommission jährlich mehr Geld ein, als sie kostet. Das allein
rechtfertigt deren Fortbestand.
({15})
Als Leipziger bin ich froh, dass der Bundesinnenminister die Zusammenführung aller Stellen des Bundesamtes
für Kartografie und Geodäsie in Frankfurt am Main einer
neuerlichen Bewertung unterziehen ließ. Von dieser Stelle
aus wünsche ich ihm eine glückliche Hand bei seiner endgültigen Entscheidung.
({16})
Im Bundestag und in der Öffentlichkeit wird über die
derzeitige Ressortierung der Mittel des Antiterrorpakets
im Einzelplan 60 verständlicherweise kontrovers diskutiert. Wir halten dennoch für 2002 an dieser Entscheidung
fest. Die Mittel sollen nicht der Erfüllung alter Ressortwünsche dienen, sondern allein den jetzt notwendigen
Antiterroraktivitäten zugute kommen. Als Innenhaushälter gehe ich selbstverständlich davon aus, dass die Mittel
im nächsten Haushalt im Einzelplan 06 plafondiert werden.
Die Beratungen verliefen wie immer sachlich und in
großer Kollegialität. Dafür bedanke ich mich bei meinen
Berichterstatterkollegen und den jeweiligen Vertretern
der Bundesregierung, selbstverständlich auch beim
Bundesinnenminister.
Die Innenpolitik ist bei Rot-Grün in guten Händen. Sie
wird es dort auch über 2002 hinaus bleiben.
Vielen Dank.
({17})
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Werner
Hoyer von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nie waren Innen- und Außenpolitik so eng miteinander verwoben wie gegenwärtig.
({0})
Das gilt selbst für eine solch epochale Situation wie die
am 9. November 1989 nicht. Auch damals befanden wir
uns mitten in den Haushaltsberatungen. Aber wir hatten
noch nicht einmal eine grobe Vorstellung davon, was das,
was sich damals anbahnte, eines Tages in Haushaltsgrößen bedeuten könnte.
({1})
Deswegen ist beim Haushalt 2002 alles anders im Vergleich zu den Haushalten der vergangenen Jahre.
Als die Bundesregierung ihren Haushaltsentwurf beschloss, glaubte sie noch, die Bereiche der inneren und der
äußeren Sicherheit quasi zu Sparkassen des Bundeshaushalts machen zu können. Es ist schon erstaunlich, wer alles seit dem denkwürdigen 11. September sein Herz für
die Bundeswehr, die NATO, aber auch für die Polizei und
die Sicherheitsdienste entdeckt hat.
({2})
Spät, aber immerhin! Aber glaubwürdig wird das Ganze
erst dann, wenn es sich im konkreten Handeln niederschlägt, das heißt auch bei den Haushaltsentscheidungen.
Übrigens gilt das besonders krass für die Nachrichtendienste. Lassen Sie mich dazu eine Anmerkung machen. Bis vor kurzem hörte man im Zusammenhang mit
BND, Verfassungsschutz und MAD nur solche Ausdrücke
wie „Schlapphut“, „Abbau“, „weitgehend überflüssig“
und Ähnliches.
({3})
Nebenbei bemerkt: Welche Häme gab es erst, wenn es um
den Zivilschutz ging?
Der Bundestag kontrolliert die Nachrichtendienste
über das Parlamentarische Kontrollgremium und das Gremium nach § 10 der Bundeshaushaltsordnung, das Vertrauensgremium. Diese Kontrolle ist gerade für uns Liberale von essenzieller Bedeutung.
({4})
Geheimdienste dürfen sich niemals verselbstständigen.
Die Gefahr ist immanent, und zwar völlig unabhängig von
irgendeinem Vorwurf gegen einzelne Personen. Deswegen ist es wichtig, festzustellen - ich glaube, dass ich das
in Übereinstimmung mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Gremium tun kann -: Erstens. Bei allen Versäumnissen, die sich nach meiner Auffassung wohl alle
Geheimdienste dieser Welt anrechnen lassen müssen, ist
es wichtig zu wissen, dass der BND auch im Vergleich zu
anderen Diensten in der aktuellen Situation durchaus
keine schlechte Figur gemacht hat. Diejenigen von uns,
die einem der beiden Gremien angehören und daher logischerweise nicht über das sprechen dürfen, was sie dort
erfahren, sollten dies festhalten; denn wir tragen hier eine
große Verantwortung für Rechtsstaatlichkeit auf der einen
Seite und für viel Steuerzahlergeld auf der anderen Seite.
Eine zweite Bemerkung ist für mich als Liberalen
ebenso wichtig: Die parlamentarische Kontrolle funktioniert. Nach allem, was an nach meiner Auffassung leichtfertiger Rhetorik in den letzten Jahren zu diesem Thema
gesagt worden ist, ist es wichtig, auch das festzuhalten.
Die FDP tritt für eine wirksame und entschlossene
Bekämpfung des nationalen wie des internationalen Terrorismus ein. Deshalb haben wir auch den meisten Maßnahmen zugestimmt, die die Bundesregierung bereits
vorgelegt hat. Ich nenne die Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsrecht und den neuen Straftatbestand
der Mitwirkung in einer ausländischen terroristischen
Vereinigung.
Zurückhaltender sind wir bei manchem, was sich im
Entwurf des Terrorismusbekämpfungsgesetzes findet. Er
enthält neben Maßnahmen, die unbestreitbar notwendig
sind, eine Reihe von Punkten, die noch einer sehr sorgfältigen Prüfung bedürfen. Als Beispiel nenne ich die Auskunftsbefugnisse der Dienste gegenüber Banken, Postdienstleistern, Telekommunikationsunternehmen und
Fluggesellschaften.
({5})
Dasselbe gilt für die Frage der Referenzdatei bei der Aufnahme von biometrischen Daten in Pässen und Personalausweisen. Darüber wird ebenso wie über den ausländerrechtlichen Teil des Gesetzentwurfs - ich denke hier
insbesondere an die gravierende Einschränkung des
Rechtsschutzes bei staatlichen Ausweisungsmaßnahmen noch zu reden sein.
({6})
Wir wollen uns dem nicht versperren, aber wir wollen
darüber sauber diskutieren. Bei diesen Themen ist ein erheblicher Beratungsbedarf vorhanden. Deshalb hat sich die
FDP immer für eine umfangreiche Anhörung zu diesem
zweiten Sicherheitspaket ausgesprochen, die Ende dieser
Woche auch stattfinden wird. So weit, so gut. Skandalös ist
dagegen, dass sich die Regierungsfraktionen bei der weiteren parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs
dem Diktat der Innenminister der Länder und des Bundesinnenministers gebeugt haben. Am 12. Dezember soll
der Innenausschuss in einer einzigen Sitzung abschließend
über das Vorhaben beraten. Zwei Tage später soll bereits die
zweite und dritte Lesung im Plenum stattfinden. Am
20. Dezember soll der Bundesrat sein abschließendes Votum abgeben. Wahrscheinlich wird bei der Beratung des Innenausschusses nicht einmal das Protokoll der Anhörung
vorliegen. Das nenne ich keine sorgfältige parlamentarische Beratung, sondern einen beispiellosen Parforceritt, der
bei einem derart bedeutsamen Gesetzgebungsvorhaben alles andere als angemessen ist.
({7})
Ein ähnlich unverantwortliches Vorgehen haben die
Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss heute beim
Thema Beamtenversorgung erlebt.
({8})
- Nein, ich war nicht dabei. Ich arbeite in vielen Ausschüssen mit und kann nicht auch noch Mitglied des
Innenausschusses sein.
({9})
Aber hier reden wir über Innenpolitik. Ich diskutiere nicht
über dieses Thema im Stil der Erbsenzählerei, der uns
Haushältern immer gern vorgeworfen wird, sondern ich
diskutiere es politisch.
Beim Beamtenversorgungsänderungsgesetz handelt es
sich nach unserer Auffassung um einen Text, der nicht nur
falsch, sondern auch überflüssig ist. Darüber hinaus - das
hat heute der Rechtsausschuss festgestellt, dem ich auch
nicht angehöre; gleichwohl weiß ich, was dort gelaufen
ist - halten wir den Gesetzentwurf auch für verfassungsrechtlich hochbedenklich.
Meine Damen und Herren, zum einen haben die Koalitionsfraktionen der letzten Legislaturperiode durch das
Dienstrechtsreformgesetz 1997 und das Versorgungsrechtsreformgesetz 1998 die Beamtenversorgung über
das Jahr 2020 hinaus gesichert. Viel ärgerlicher noch ist
für mich aber die Unredlichkeit der Argumentation, wie
wir sie heute Morgen auch wieder vom Finanzminister
hören konnten. Angeblich soll mit dem Gesetz soziale
Symmetrie erzielt werden. Aber die Absenkung des Rentenniveaus im Rahmen der Rentenreform 2000 betrifft nur
die Grundversorgung, die hier anstehende Neufassung
hingegen die Vollversorgung. Eine erheblich geringere
Absenkung der Beamtenversorgung hätte also ausgereicht, um das vorgegebene Ziel zu erreichen.
({10})
Diese Form einer Mogelpackung, diese Verletzung des
Vertrauensschutzes derer, die nach einem langen Arbeitsleben für diesen Dienstherren jetzt nicht mehr ausweichen
können, haben bei vielen Betroffenen Frust und Zorn hervorgerufen und gestern so viele Polizisten und Soldaten
auf dem Gendarmenmarkt zusammengeführt. Ich melde
im Übrigen auch verfassungsrechtliche Bedenken zum einen wegen des Vertrauensschutzes und zum anderen wegen der das Alimentationsprinzip verletzenden Auswirkungen vor allem bei der Witwenversorgung an.
Zurück zum Etat 2002: Diesmal ist wirklich alles anders, denn natürlich wurde der Regierungsentwurf durch
das Antiterrorpaket noch entscheidend verändert, ohne
dass sich das im Einzelplan von Herrn Schily niederschlagen würde. Das schmerzt viele Betroffene in den
verschiedenen Ressorts und in den Fachausschüssen. Ich
halte es trotzdem für richtig und vertretbar, denn man
muss als Haushälter bei diesen Dingen einfach misstrauisch sein. Was da so alles unter der Überschrift „Antiterrorpaket“ verkauft wird, geht teilweise wirklich nicht
mehr auf die berühmte Kuhhaut.
({11})
Vieles ist durchsetzbar und möglich geworden, was ohnehin erforderlich gewesen wäre und jetzt endlich durchgesetzt werden kann, was aber mit Terrorbekämpfung nun
wirklich nichts zu tun hat.
({12})
Oder will jemand behaupten, wie es so manche „Kriegsgewinnler“ hier tun, dass die zusätzlichen Laptops bei der
Zollverwaltung nicht auch sonst erforderlich gewesen
wären? Oder will jemand sagen, dass die Verbesserung
der Situation an den Grenzübergängen zu Polen nicht
auch sonst notwendig gewesen wäre? Meine Damen und
Herren, diese Aufzählung könnte man verlängern. Hier
sollte der Haushälter vorsichtig sein. Es sollte genau geprüft werden, welche dieser Maßnahmen - ({13})
- Sie haben nichts mit dem Zoll zu tun, aber diese Kritik
gilt für das gesamte Antiterrorpaket. Ich kann aus Ihrem
Bereich genauso viel aus der Ausstattung des Bundesgrenzschutzes nennen. Das wäre überhaupt kein Problem,
Herr Schily.
({14})
- Geben Sie mir 20 Minuten mehr. Dann könnte ich Ihnen
das ganz genau auflisten. Sie wissen doch ganz genau,
dass ich es Ihnen im Ausschuss aufgelistet habe.
Meine Damen und Herren, folgende Feststellung ist
wichtig: Wir haben in diesen Fragen ein erhebliches
Handlungs- und Vollzugsdefizit. Es ist viel größer als das
Defizit hinsichtlich der Gesetzgebung. Es kann durch das
Antiterrorpaket ein klein wenig gemildert werden, was im
normalen Haushaltsverfahren nicht möglich gewesen
wäre und bezüglich dessen Sie sich innerhalb der Haushaltsberatungen der Bundesregierung auch nicht durchgesetzt hatten.
Man muss genau überprüfen, was dauerhaft erforderlich ist - dies wird man im nächsten Jahr endgültig in den
Einzelplan 06 einstellen müssen -, was vorübergehend erforderlich war und jetzt abgearbeitet ist und was auch aus
Gründen, die nicht mit der Terrorismusbekämpfung zu
tun haben, erforderlich ist und eingesetzt werden sollte
und - schließlich - was sich erledigt hat. Diese Differenzierung war so kurzfristig nicht zu leisten. Deswegen habe
ich auch für die Etatisierung im Einzelplan 60 plädiert.
Einer der größten Schwachpunkte in Ihrem Etat sind
seit Jahren die Stellenkürzungen nach dem Rasenmäherprinzip im Verwaltungsbereich der Sicherheitsorgane,
insbesondere bei BGS und BKA. Das hat katastrophale
Auswirkungen. Nach wie vor ist in Deutschland insgesamt eine fünfstellige Anzahl von Polizeivollzugsbeamten - der Bund ist zu 20 Prozent daran beteiligt - mit Verwaltungstätigkeiten belastet. Das führt mittlerweile zu
ganz erheblichen Defiziten im Vollzugsbereich. Wir versuchen seit nunmehr vier Jahren, dies abzubauen. Ich
habe es viermal vorgetragen; ich hole mir jetzt ein weiteres Mal eine blutige Nase, obwohl mir alle Kolleginnen
und Kollegen in den Fachdebatten immer bestätigen, ich
hätte Recht. Das merken die Betroffenen mittlerweile
auch. Sie haben in diesem Punkt ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem, Herr Minister.
Das vielleicht größte Haushaltsrisiko - Kollege von
Hammerstein hat es angesprochen - Ihres Etats liegt in
zwei ebenso gigantischen wie dringlichen Projekten im
Kommunikationsbereich, nämlich INPOl ({15}) und digitaler Funk. Das bestehende INPOL-neu-System ist ein
Vierteljahrhundert alt, die Software ist veraltet, die VerDr. Werner Hoyer
träge laufen aus, das Nachfolgesystem ist mehr als dringend erforderlich. In den letzten Wochen ist klar geworden, dass das Projekt möglicherweise kurz vor dem Scheitern steht, weil es aufgrund völlig überzogener
Anforderungen der Bedarfsträger aus 16 Landespolizeien
und der Nutzer aus dem Bereich des Bundes so nicht realisierbar ist.
({16})
- Ich streite mich überhaupt nicht über die Frage der
Schuld. Ich stelle die Fragen nach dem Projektmanagement zu diesem Projekt,
({17})
und zwar nicht nur, verehrte Frau Kollegin, im Bereich
der Polizeivollzugsbehörden. Ich halte es für unfair, ausschließlich eine Polizeibehörde des Bundes im Regen stehen zu lassen. Hier haben offensichtlich nicht nur das Projektmanagement und das Finanzcontrolling im BKA
gefehlt, sondern auch die Fachaufsicht im Bundesministerium des Innern. Das muss sich der Bundesminister
schon anrechnen lassen.
({18})
- Von mir aus bei Kanther, aber jetzt reden wir seit über
drei Jahren von Minister Schily.
Es steht fest, dass wir das System brauchen, wie auch
Kollege Weißgerber zu Recht sagte, wahrscheinlich in abgespeckter Form. Es steht ebenso fest, dass der Bundesinnenminister bis Ostern wissen muss, was er will.
Vermutlich ist bereits ein dreistelliger Millionenbetrag in
den Sand gesetzt worden.
Ich spreche das Thema digitaler Funk hier nur an, damit nicht in Vergessenheit gerät, dass hier das nächste
Fiasko ähnlicher Dimension droht. Auch dieses System ist
dringend erforderlich. Hierbei kommen zum Bund-Länder-Problem Schwierigkeiten bei der europäischen Zusammenarbeit hinzu, auf die frühzeitig aufmerksam gemacht werden soll.
Ich habe nicht mehr die Zeit, ausführlich auf das Zuwanderungsgesetz einzugehen. Ich begrüße es, dass sich
die Bundesregierung und die Koalition bewegen. Das
könnte uns auch aus der unseligen Situation befreien, eine
Greencard-Regelung nach der anderen zu bekommen.
Wir sind bereit, daran konstruktiv mitzuwirken.
({19})
Entscheidende Kriterien sind: Aufnahmefähigkeit, Integration und, nebenbei bemerkt, eine möglichst unbürokratische Regelung bei der Arbeitsmarktzuwanderung.
({20})
Ich hoffe, dass die Union ihre internen Qualen bald
überwinden und an diesem Gesetzgebungswerk auch
konstruktiv mitarbeiten wird.
({21})
Ich habe das Gefühl, dass zwischen Totalablehnung und
Bekenntnis zur Zusammenarbeit noch Raum für einen
Funken Hoffnung bleibt, obwohl die Drohung mit einer
Bürgerbefragung zu diesem Thema einen nicht gerade
hoffnungsvoll stimmen kann. Ich hoffe, dass Sie das noch
einmal sehr sorgfältig überdenken.
({22})
- Lieber Kollege, ich habe nichts gegen mehr Bürgerbeteiligung. Ich habe aber etwas dagegen, wenn das Thema
Bürgerbeteiligung immer nur dann mobilisiert wird, wenn
es einem gerade in den Kram passt, aber dann abgelehnt
wird, wenn es möglicherweise Ergebnisse zeitigen
könnte, die einem nicht passen.
({23})
Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, dass
ich mich zunächst auf Bemerkungen als FDP-Berichterstatter beschränkt habe. Als Hauptberichterstatter möchte
ich aber auch nicht versäumen, mich bei den Kolleginnen
und Kollegen herzlich für die sehr gute Zusammenarbeit
zu bedanken. Im Haushaltsausschuss ist ja das Angenehme, dass man als Opposition hin und wieder - für den
Innenbereich gilt das allemal - das Erfolgserlebnis hat,
dass Anregungen nicht von vornherein abgebügelt werden und dass man gemeinsam zu Entscheidungen kommt,
so in der uns allen nicht leicht gefallenen Sperre bei
INPOL ({24}), in der Frage der Einrichtung eines Fonds
für die Unterstützung von DDR-Dopingopfern oder in
ähnlichen Fragen. Da bin ich für die Zusammenarbeit ausgesprochen dankbar. Ich schließe in diesen Dank die
Haushaltsabteilung und das ganze Haus ein. Sie haben uns
bei unserer Arbeit gut unterstützt.
({25})
Als
nächster Redner hat der Kollege Cem Özdemir vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Hoyer
({0})
- ich korrigiere: Dr. Hoyer - hat bereits darauf hingewiesen, dass nach dem 11. September die innere und die
äußere Sicherheit kaum noch voneinander getrennt werden können. Wir alle haben nach dem 11. September zur
Kenntnis nehmen müssen, dass wir von international organisierten nicht staatlichen Organisationen bedroht sind.
Ein neue Form der Konfrontation und Bedrohung mit modernster Technik kommt auf unsere Gesellschaften zu.
Die alten Konfrontationen, wie wir sie kennen, die Kriege
zwischen Staaten, werden hoffentlich der Vergangenheit
angehören; nichtsdestotrotz sind wir von dieser neuen Gefahr bedroht und das macht auch vor der Innenpolitik der
Bundesrepublik Deutschland keinen Halt. Wir haben es in
der Vergangenheit hier schon mehrfach diskutiert.
Allerdings hat die Debatte um die innere Sicherheit
und um die Sicherheitspakete gezeigt, wie wichtig es ist,
dass wir in diesen Tagen eine Bundesregierung haben, die
in der Frage der Sicherheitspolitik und der Sicherheitspakete eine klare bürgerrechtliche Handschrift hat.
({1})
Alle Eingriffe in Freiheitsrechte müssen mit dem Sicherheitsgewinn, der dadurch entsteht, abgewogen werden. Ich glaube, dass uns die Balance gegenwärtig gut gelungen ist. Wir müssen darauf achten, dass sie uns auch in
Zukunft so gut gelingt.
({2})
Die Notwendigkeit der Wachsamkeit zeigt sich, wenn
man sich in diesen Tagen die Stellungnahme des Bundesrates zum Sicherheitspaket einmal genau durchliest.
Es ist eine sehr bemerkenswerte Allianz zwischen Hamburg und Bayern entstanden. Das scheint die neue Connection im Bundesrat zu sein. Ich finde es ganz bemerkenswert, dass Herr Schill die CSU ganz offensichtlich so
gnadenlos kopieren möchte, dass das eine Art Nordallianz
der CSU in Hamburg wird.
({3})
- Genau.
Wenn man sich die Maßnahmen einmal im Einzelnen
anschaut, dann stellt man fest, dass da vom Grundkonsens
des Grundgesetzes nicht mehr sehr viel übrig bleibt. Ein
Ausländer soll künftig bereits bei Verdacht, Terrorist zu
sein, ausgewiesen werden können. Wenn man den Plänen
aus Hamburg und aus Bayern folgt, wird die Unschuldsvermutung quasi abgeschafft. Aber auch das, was Sie den
Sicherheitsdiensten an weiteren Befugnissen geben wollen - über das hinaus, was wir bereits im Sicherheitspaket
vorhaben -, verbunden mit einer weiteren Einschränkung
der Kontrollbefugnisse, geht weit über das hinaus, was
notwendig und mit unserer Grundordnung verträglich ist.
Damit, meine Kolleginnen und Kollegen von der Union,
geben Sie gerade das auf, was Sie, wie wir alle, doch verteidigen wollen, nämlich die offene Gesellschaft. Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger müssen gerade in
der offenen Gesellschaft besonders stark sein.
Ich finde es ferner sehr bemerkenswert, dass die Union
in Hamburg gemeinsam mit ihrem neuen Freund, Herrn
Schill, einen sehr wesentlichen Beitrag zur inneren Sicherheit darin sieht, dass sie für 8 Millionen DM - ich
wiederhole: für 8 Millionen DM - neue Uniformen ganz
in Blau einführt.
({4})
Wenn das Ihr Beitrag zur inneren Sicherheit ist, dann kann
man die Union auch auf diesem Gebiet nicht mehr ernst
nehmen.
({5})
Ein Blick über die Grenzen der Bundesrepublik
Deutschland hinaus lohnt sich. Auch dort ist nicht alles
Gold, was glänzt. Ich denke beispielsweise an die Maßnahmen - darüber konnten wir in diesen Tagen lesen -, die
Großbritannien beabsichtigt, nämlich Verdächtige ohne
gerichtliche Überprüfung auf unbestimmte Zeit gefangen
zu halten. Damit kündigt Großbritannien die Habeas-Corpus-Akte auf. Man muss sich das einmal vorstellen: Das
Land der Magna Charta verabschiedet sich von justiziellen Rechten. Ich kann das nicht verstehen. Ich hoffe, dass
sich in Großbritannien diejenigen Kräfte durchsetzen
werden, die dieses Vorgehen ebenfalls nicht für richtig erachten.
({6})
Auch ein Blick in die USA - einer unserer wichtigsten
Bündnispartner - ruft bei uns aufgrund der Maßnahmen,
die dort getroffen werden, Besorgnis hervor. Ich denke
beispielsweise an die jüngste Ankündigung, dass geheime
Militärgerichte Personen sollen verurteilen dürfen, die
wegen Terrorismus angeklagt sind. Das ist meines Erachtens in höchstem Maße bedenklich. Auch ein Mensch, der
schlimmste Verbrechen begangen hat - ich hoffe, dass wir
uns in diesem Punkt einig sind -, hat das Recht auf einen
fairen Prozess. Er muss vor Gericht gestellt und bestraft
werden. Das steht außer Frage. Dennoch hat er das Recht
auf einen fairen Prozess in Ländern wie den unseren, die
wir angetreten sind, die Demokratie zu verteidigen. Dabei
geht es auch um die demokratischen Rechte derer, die
unsere Demokratie infrage stellen.
({7})
In den USA dürfen Ausländer, die des Terrorismus verdächtigt werden, ebenfalls ohne richterliche Überprüfung
gefangen gehalten werden. Auch dadurch ist die offene
Gesellschaft in Gefahr.
({8})
Ich erinnere an die ersten Debatten, die wir geführt haben, nachdem Bin Laden diesen schrecklichen, feigen Angriff auf die USA verübt hat. Wir, die Mitglieder aller
Fraktionen, haben hier gesagt, dass Bin Laden nicht siegreich sein darf. Wir haben festgestellt, dass wir nicht mit
dafür sorgen dürfen, dass Bin Laden sein Ziel, nämlich
unsere offenen Gesellschaften zu verändern, erreicht, indem wir selbst die offene Gesellschaft erschüttern. Diese
Gesellschaften sind stark und stabil. Sie haben sich in
Jahrzehnten bewährt. Darum werden wir diesen Verbrechern den Gefallen nicht tun, dass wir unsere Freiheitsrechte aufgeben. Wir werden diese Rechte vielmehr gegen
Gefahren von innen wie von außen verteidigen.
({9})
Aus Bayern hören wir von Herrn Stoiber die Ankündigung, möglicherweise Unterschriften gegen das neue Zuwanderungsgesetz, das die Bundesregierung auf den
Weg bringen möchte, zu sammeln. Ich möchte mich zu
der Debatte, zu der sich bereits der Innenminister und andere geäußert haben, ob die Union das „hohe C“ zu Recht
oder zu Unrecht trägt, nicht äußern. Ich glaube, dass mir
als gebürtigem Muslim ein Urteil dazu nicht zusteht. Das
sage ich mit allem Respekt.
({10})
Ich möchte jedoch folgende Frage stellen: Was, bitte
schön, ist falsch daran, wenn die Bundesregierung, unterstützt von vielen aus der Union, beispielsweise von Frau
Süssmuth, künftig dafür sorgen möchte, dass alle, die zu
uns ins Land kommen, einen verbindlichen Sprach- und
Orientierungskurs absolvieren? Was ist daran falsch?
Über fehlende Sprach- und Orientierungskenntnisse beklagen sich doch Lehrer, Eltern und viele Bürgerinnen
und Bürger.
({11})
Wir müssen dagegen vorgehen, dass die Sprachkenntnisse
abnehmen. Unterstützen Sie uns doch dabei, dass wir allen, die zu uns ins Land kommen, einen Sprachkurs anbieten.
({12})
Unterstützen Sie uns aber auch dabei - auch hier kann ich
Sie nicht verstehen -, die Bedürfnisse unserer Wirtschaft
auf diesem Gebiet - in eingeschränkter Form - zu berücksichtigen, wenn wir Hochqualifizierten den Zuzug in die
Bundesrepublik Deutschland ermöglichen.
({13})
Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang an die Debatte
über die Einführung der Greencard. Es waren auch andere
Stimmen aus Ihren Reihen zu hören. Auch in diesem
Punkt kann ich Ihre Politik nicht verstehen. Genauso wenig kann ich verstehen, dass Sie dagegen opponieren, dass
Frauen aus Ländern, in denen sie grausam unterdrückt
werden - wir kämpfen gemeinsam gegen Afghanistan, ein
Land, in dem die Frauenrechte bis vor kurzem grausam
unterdrückt worden sind -, bei uns einen sicheren Aufenthaltstitel erhalten. Was daran falsch sein soll, habe ich
nicht verstanden. Ich bin mir sicher, die Frauen in Ihrer
Fraktion verstehen es auch nicht. Ich bitte Sie, auch auf
diesem Gebiet Ihre Bedenken zurückzustellen und uns zu
helfen, dass das für unser Land Notwendige gemacht
wird. Stellen Sie bitte in dieser Frage Ihre Parteiinteressen nicht vor die Interessen der Bundesrepublik Deutschland.
({14})
Herr Kollege Marschewski hat sich ja nun schon auf
Großbritannien als Vorbild berufen, auf Großbritannien,
das den Notstand ausgerufen hat und die Europäische
Menschenrechtskonvention in einzelnen Punkten aussetzen bzw. davon abweichen möchte. Ich halte die Europäische Menschenrechtskonvention für eine Errungenschaft Europas. Gerade in schweren Zeiten müssen die
Menschenrechte bestätigt und verteidigt werden.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich
neben dem Bereich der Terrorismusbekämpfung, der
zweifelsohne wichtig ist und auch einen wichtigen Stellenwert in der Innenpolitik einnimmt, die anderen Felder
nicht vergessen. Ich bin froh, dass einige Kollegen vorher
schon darauf eingegangen sind, dass die Innenpolitik auch
aus anderen Feldern besteht.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, weil ja morgen der
zehnte Jahrestag der Birthler-Behörde, wie wir sie heute
nennen, begangen wird, daran zu erinnern, dass das StasiUnterlagen-Gesetz uns wieder eingeholt hat. Wir haben
uns jüngst hier damit beschäftigt und werden uns auch in
Zukunft damit beschäftigen. Der Innenausschuss wird
eine Anhörung dazu machen, es gab verschiedene Treffen,
auch die Berichterstatter beschäftigen sich mit diesem
Thema seit einiger Zeit. Ich glaube, dass wir alle gemeinsam - hier sitzen ja noch einige Kollegen, die vor zehn
Jahren bei der Beschlussfassung über dieses Gesetz dabei
waren -, aufgefordert sind, eine ausgewogene neue Regelung auf den Weg zu bringen, die genau definiert, wer Betroffener nach dem Gesetz ist. Dabei muss eines klar sein:
Täter dürfen nicht geschützt werden. Das Gesetz muss
und wird auch in Zukunft ein Ärgernis bleiben für die
falschen Propheten des Schlussstrichs, die meinen, dass
zehn Jahre nach Einführung dieses Gesetzes der Bedarf
nicht mehr besteht und wir diese Akten schließen können.
Wir werden diese Akten nicht schließen.
({15})
Das sind wir all denen schuldig, die die friedliche Revolution in den neuen Ländern möglich gemacht
({16})
und sich dafür eingesetzt haben, dass wir heute in einem
Parlament sitzen,
({17})
in dem Kolleginnen und Kollegen aus allen Teilen der
Bundesrepublik Deutschland sich gemeinsam Abgeordnete des Deutschen Bundestages nennen dürfen. Das gilt
allerdings auch für Personen der Zeitgeschichte. Deren
Akten müssen unter Auslassung alles Privaten für Forschung und Publizistik nutzbar bleiben. Auch hier sind
wir uns einig. Das hat nichts zu tun mit Untersuchungsausschüssen und anderen Dingen. Ich glaube, wenn man
das klarstellt, kann auch in dem aktuellen Fall, der diskutiert wird, eine Lösung gefunden werden, die mehrheitsfähig ist.
({18})
Lassen Sie mich bei der Gelegenheit - ich finde, es
gehört einfach zu einer solchen Debatte über Stasi-Unterlagen - auch noch ein Wort zu Herrn Walter Kaczmarczyk
aus der PDS sagen, der in diesen Tagen eine gewisse
Berühmtheit erlangt hat. Die PDS, die sich in diesen Tagen ja nun als moderne Friedenspartei geriert und übrigens mit der größten Offiziersdichte in ihren Reihen arbeitet, hat als Mitglied einen Walter Kaczmarczyk, der
Doppelverdiener ist und der als Grenzoffizier der DDR
wegen Beihilfe bestraft wurde. Ich glaube, das drückt sehr
viel aus. Ich würde die PDS-Kolleginnen und -Kollegen
auffordern - Sie haben ja nachher die Gelegenheit -, sich
auch zu diesem Bereich zu äußern.
({19})
Ich finde, das gehört zu dieser Debatte dazu.
({20})
- Sie haben ja die Gelegenheit, Frau Kollegin, nachher
in der Debatte darauf einzugehen und dieses richtig zu
stellen.
Ein besonderes Anliegen der Innenpolitik sind die privaten Sicherheitsdienste. In diesem Punkt haben wir Innenpolitiker in der Debatte manchmal andere Ansichten
als unsere Wirtschaftspolitiker. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, zumindest im Namen der Mehrheit des Hauses, vielleicht sogar im Namen der Innenpolitiker des gesamten Hauses, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die
Neuregelung für die privaten Sicherheitsdienste so vorgenommen werden muss, dass wir zu einem Mehr an Sicherheit kommen. Wir wollen nicht die Situation haben,
dass wir die Bewacher quasi noch fürchten müssen. Voraussetzung dafür ist, dass die Bewacher angemessen und
angemessen lange ausgebildet werden.
({21})
Wir wollen keine bewaffneten Rambos auf der Straße,
sondern die Beschäftigten der Sicherheitsdienste müssen
ihre Rechte kennen und dürfen ihre Pflichten dabei nicht
vergessen.
Zum Schluss noch ein Punkt, den wir schon mehrfach
genannt haben, der aber leider von der Agenda noch
nicht abgearbeitet wurde, übrigens auch nicht von der
Agenda der Koalitionsvereinbarung. Ich rede von der direkten Demokratie. Wir haben das Thema in unterschiedlichen Konstellationen mehrfach besprochen. Ich
glaube, dass der Zeitpunkt gekommen ist, dass auch dieses Haus sich mit einem Gesetzesvorhaben der direkten
Demokratie beschäftigt. Die Koalition hat sich hier weitgehend verständigt. Ich appelliere von diesem Pult aus
aber noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen von
der Union, sich nicht länger der direkten Demokratie zu
verschließen. Nur Mut! Es lohnt sich, die Bevölkerung
zu fragen. Es gibt keine Veranlassung, das Volk zu fürchten. Es gibt viele in Ihren Reihen, die Ideen haben, was
man alles der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen
könnte.
Ich kann nur den Appell an Sie richten: Wenn Sie
tatsächlich der Meinung sind, dass das Volk gefragt werden sollte, dann ermöglichen Sie uns die gesetzlichen
Grundlagen dafür! Lassen Sie uns ein sauberes, faires
dreistufiges Verfahren der direkten Demokratie einführen.
Dann können Ihre Punkte, unsere Punkte und andere
Punkte dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Ich
glaube, dass das Parlament und die Demokratie insgesamt
gewinnen würden, wenn wir neben der Möglichkeit, alle
vier Jahre ein Kreuz zu machen, zusätzlich direktdemokratische Elemente einführten. In Bayern haben Sie damit
über die Fraktionsgrenzen hinweg gute Erfahrungen gemacht. Ich kann nicht verstehen, dass das, was in Bayern
gut ist, im Bund schlecht sein soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Sport
gehört zur Innenpolitik. Diese Regierung hat klar gemacht, wie wichtig ihr der Sport ist. Weil meine Redezeit
gleich um ist, will ich nur zwei Punkte nennen.
Wir haben 2 Millionen Euro für die Opfer des DDRDopings zur Verfügung gestellt. Ich glaube, angesichts
der schrecklichen Nachrichten von Menschen, die ein
zum Teil wirklich schlimmes Schicksal hinter sich haben,
ist das sehr gut angelegtes Geld.
Ein Punkt, der meiner Fraktion sehr wichtig ist: Der
Sportetat wurde nicht gekürzt. Auch der „Goldene Plan
Ost“ für Sportstätten wird fortgesetzt. Als Grüner freue
ich mich ganz besonders darüber, dass dabei eine grüne
Handschrift erkennbar ist, nämlich bei den ökologischen
Sportstätten.
({22})
- Es gibt nicht nur mehr Rasen, Herr Kollege Koschyk.
Die Sportstätten werden von dieser Regierung künftig
ökologisch ausgebaut.
({23})
Umweltverträgliche Baustoffe werden eingesetzt. Energie wird bei Sportstätten künftig stärker geschont. Sie sehen: Sport und Umweltschutz müssen kein Widerspruch
sein.
({24})
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Ulla Jelpke von der
PDS-Fraktion das Wort.
({0})
Es ist erlaubt. - Herr Präsident!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege
Özdemir, ich habe den Eindruck,
({0})
dass Sie als frustrierter Politiker, der sich gerade zu einer
Kriegspartei bekennen muss,
({1})
hier jetzt versuchen, die PDS als moderne Antikriegspartei zu bezeichnen. Ich würde Ihnen vorschlagen: Streichen Sie das „moderne“! Gucken Sie sich die EntwickCem Özdemir
lung der PDS an! Dann wissen Sie, dass diese Partei schon
lange Antikriegspolitik macht.
({2})
Sie haben hier versucht, den Haushalt schönzureden.
Wenn Sie davon sprechen, dass dieser Haushalt die Balance von Freiheit und Sicherheit wahre, dann wissen Sie
ganz genau, genauso gut wie ich, dass das überhaupt nicht
der Fall ist.
Ich möchte einfach nur darauf aufmerksam machen,
dass wenige Tage, bevor dieser Haushalt hier zur Diskussion stand, die Regierungsparteien dafür gesorgt haben,
dass noch weniger für BAföG ausgegeben wird und dass
für Ausbildungsplätze, für Jugendliche und für Rentner
ebenfalls weniger Gelder zur Verfügung stehen. Es ist
heute schon klar, dass sowohl die Kosten des Krieges als
auch die Kosten des Kampfes gegen den Terrorismus
von den sozial Schwachen in diesem Land getragen werden sollen.
Meine Damen und Herren, die Debatte, die wir darüber
im Innenausschuss gehabt haben, hat gezeigt, dass völlig
kritiklos Mehrausgaben von rund 500 Millionen DM veranschlagt werden. Dieses Geld hat der Innenminister zusätzlich zur Verfügung. Wir haben nicht eine einzige
Gefahrenanalyse vorgelegt bekommen. Erst recht wurde
nicht - was viele Politiker und Politikerinnen in diesem
Land gefordert haben - jede Ausgabe sehr genau hinterfragt, vor allem im Hinblick auf ihre Effektivität, wie man
es gerade in einer Zeit der wirtschaftlichen Krise tun muss.
Diese Debatte zu führen war im Innenausschuss überhaupt
nicht möglich. Wer weiß, wie unvollständige Anträge und
Materialien erst unmittelbar zu den Beratungen vorgelegen haben, weiß, wie schwer es war, über diese Effektivitätsfragen tatsächlich zu diskutieren.
Es liegen Anträge vor, 100 Millionen DM mehr für den
Zivil- und Katastrophenschutz, für die Förderung des interreligiösen Dialogs und der politischen Bildung und
Aufklärung auszugeben. Diese Anträge halten wir für vernünftig, wenn auch nicht für ausreichend. Die PDS hat zu
diesen Punkten eigene Anträge vorgelegt.
Genauso selbstverständlich sollte es eigentlich sein,
dass der Bund die Mittel für die Hauptstadtsicherung
- auch dazu haben wir einen Antrag vorgelegt - aus seinem eigenen Etat zahlt und nicht das Land Berlin damit
belastet.
Meine Damen und Herren, es hätte viele Möglichkeiten gegeben, im Innenhaushalt Umschichtungen vorzunehmen. Ich möchte daran erinnern - entsprechende Anträge haben wir ebenfalls vorgelegt -, dass Einsparungen
bei den Vertriebenenverbänden, bei den immensen Kosten der Abschiebung von Flüchtlingen und nicht zuletzt
auch bei den Etats für die Geheimdienste möglich gewesen wären. Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation müssen sehr genau die Dinge hinterfragt werden, die
zum Kampf gegen den Terrorismus beschlossen werden.
Der Bundesgrenzschutz - das ist mein nächster
Schwerpunkt - wird in diesem Jahr gigantisch aufgerüstet: 38 000 Planstellen gibt es bereits, 2 000 neue sollen
jetzt hinzukommen. Das bedeutet einen Etat von 340 Millionen DM. Das sind mehr als 10 Prozent Steigerung gegenüber dem letzten Jahr. Noch vor einigen Monaten haben die Beschäftigten des Bundesgrenzschutzes zu Recht
über ihre Aufgabenstellung diskutiert und ihre Zukunft
hinterfragt. Wir alle wissen: Die Osterweiterung kommt
und die Kontrollaufgaben an den Ostgrenzen werden
künftig wegfallen. Von daher ist diese Erhöhung überhaupt nicht nachvollziehbar.
Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass bei den
Kontrollen des Bundesgrenzschutzes in Zügen und Bahnhöfen, die sich vor allen Dingen gegen Flüchtlinge richten, immer wieder Übergriffe gegen Flüchtlinge stattgefunden haben; gerade Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass es hier zu rassistischen Übergriffen kommt und der Bundesgrenzschutz
seine Trefferquote vor allen Dingen dadurch erzielt, dass
er Flüchtlinge, die die Residenzpflicht verletzt haben,
ausfindig macht bzw. sie entsprechend verfolgt.
Unglaubwürdig für uns ist auch die Politik, die Innenminister Schily im Bereich der Flugsicherheit zur Debatte stellt. Auf der einen Seite werden weiterhin Bundesgrenzschutzbeamte von der Flughafensicherung abgezogen. Auf der anderen Seite werden die Ausgaben für
private Sicherheitsfirmen aufgestockt, die übrigens häufig mit befristeten Arbeitsverträgen arbeiten und für Billiglohnjobs bekannt sind. Eine solche Sicherung des Luftverkehrs führt unserer Meinung nach zu Lohndrückerei
und Sozialabbau im Flughafenbereich. Das machen wir
nicht mit.
({3})
Für das Bundeskriminalamt wollen Sie 160 Millionen DM mehr ausgeben; das entspricht einer 30-prozentigen Erhöhung des Etats. 244 Planstellen sollen
zusätzlich geschaffen werden. Hier ist schon das
INPOL-neu-System angesprochen worden. Dieses Datenfahndungssystem hat den Steuerzahler in der Tat schon
über 100 Millionen DM gekostet. Jetzt ist es, wie hier
schon gesagt wurde, veraltet und wird aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht weiter ausgebaut, sondern es wird
wahrscheinlich ein neues System angeschafft, das ebenfalls wieder sehr viel Geld kostet. An dieser Stelle möchte
ich hinzufügen, dass das Bundesinnenministerium bis
heute die Misswirtschaft im BKA nicht aufgeklärt hat.
Hier muss endlich Klartext geredet werden, wieso so viele
Millionen bisher in der Institution BKA verplempert worden sind.
Im Haushalt lese ich auch, dass das BKA zukünftig
zehn Panzer für 2,7 Millionen Euro erhalten soll. Ich wiederhole: Es steht dort „Panzer“, nicht „gepanzerte Fahrzeuge“, wie manche Vertreter des Innenministeriums der
Presse weismachen wollten. Ich frage Sie jedenfalls hier
- Herr Schily kann mir darauf vielleicht eine Antwort geben -: Wozu braucht das BKA Panzer?
Ein weiterer wichtiger Bereich ist das Bundesamt
für Verfassungsschutz. Es soll im nächsten Jahr
269 Millionen DM bekommen, also 30 Millionen DM
mehr als im vergangenen Jahr. Ich möchte hier in aller
Klarheit sagen, dass es gerade die Geheimdienste am
allerwenigsten verdient hätten, für ihre Tätigkeiten belohnt zu werden; denn im Zusammenhang mit der Terrorismusaufklärung muss man feststellen, dass es in der
Vergangenheit weder von deutschen noch von amerikanischen Geheimdiensten Hinweise auf die Anschläge
gegeben hat. Das Gegenteil ist der Fall: Die Geheimdienste haben sehr dazu beigetragen, dass die Taliban
und Bin Laden zu dem geworden sind, was sie heute
sind. Es kann einfach nicht sein, dass Geheimdienste für
Tätigkeiten belohnt werden, die sie keineswegs effektiv
ausgeführt haben.
Insgesamt ist zu bemerken: Der größte Teil der Mehrausgaben für den Bundesgrenzschutz, für das BKA und
für den Verfassungsschutz wird von der Regierung damit
begründet, dass sich diese Ausgaben aus dem neuen Antiterrorpaket ergeben. Ich frage den Innenminister: Wie ist
es eigentlich möglich, im Haushalt Ausgaben für Maßnahmen einzustellen und haushaltstechnisch zu verarbeiten - konkret das Antiterrorpaket -, die vom Parlament
überhaupt noch nicht verabschiedet wurden? Das zeigt,
dass sich der Innenminister nicht gerade durch eine sehr
seriöse Haushaltsführung auszeichnet.
Zum Stichwort Rechtsextremismus. Ich muss feststellen, dass die Zahl der Straftaten in diesem Bereich keineswegs zurückgegangen ist. Trotzdem wird auch hier
weiterhin bagatellisiert und verharmlost. Ich möchte in
diesem Zusammenhang an den Antrag erinnern, der von
der SPD, den Grünen, der FDP und der PDS verabschiedet worden ist. Davon ist aber bis jetzt nicht ein einziger
Punkt in der Praxis umgesetzt worden. Die PDS hat hierzu
Haushaltsanträge gestellt, zum Beispiel zur unabhängigen
Beobachtungsstelle für den Kampf gegen den Rechtsextremismus und zu einer umfassenden Studie über den
Rechtsextremismus in der Bevölkerung. Wir sind der
Meinung, dass daraus entsprechende Maßnahmen resultieren könnten, damit Straftaten und Gewalt endlich ein
Ende haben.
Nichts von alledem ist beschlossen worden. Die SPD
und die Grünen wissen ganz genau, dass es vor allem der
Innenminister selbst ist, der die Umsetzung dieser Anträge verhindert. Es wurde allenfalls ein kleines Bonbon
für die Fraktion der Grünen und der SPD ausgeteilt, indem man das Civitas-Programm aufgestockt hat. Das ist
zwar zweifellos ein wichtiger Erfolg. Aber das reicht bei
weitem nicht aus.
({4})
Frau Kollegin Jelpke, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja. - Zum Schluss möchte ich auf
die Integrationspolitik zu sprechen kommen. Es ist wirklich eine Farce: 1,5 Millionen DM sollen für die Integration von Ausländern, aber 30 Millionen DM sollen für Abschiebung der Flüchtlinge, Ausreisezentren und ähnliche
repressive Maßnahmen zur Abstimmung gestellt und ausgegeben werden. Integration kann man nicht nur fordern,
sondern man muss sie auch praktisch umsetzen. Dazu
gehört die Bereitstellung entsprechender Mittel, die eine
Integrationspolitik ermöglichen.
Danke.
({0})
Das Wort
hat jetzt der Bundesinnenminister Otto Schily.
Otto Schily, Bundesminister des Innern ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren Kollegen! Die Markenzeichen der Bundesregierung sind die folgenden: die Stärkung der inneren Sicherheit und damit der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger,
die Stärkung des Rechtsstaates und die Stärkung des Zusammenhalts in der Gesellschaft. Das findet sich auch in
den Haushaltszahlen wieder.
Ich möchte es in der gleichen Weise wie meine Frau
Kollegin Däubler-Gmelin handhaben und mich zunächst
erst einmal bei den Haushältern bedanken, die in wirklich
sehr konstruktiven Beratungen dazu beigetragen haben,
dass das Bundesministerium des Innern und die ihm zugeordneten Sicherheitsinstitutionen mit den notwendigen
Sach- und Personalmitteln ausgestattet werden.
({1})
Der Dank richtet sich selbstverständlich auch an die Mitglieder des Innenausschusses und an das Bundesfinanzministerium, das in diesen Fragen sehr konstruktiv mit
uns zusammengearbeitet hat.
Auch das will ich in gleicher Weise wie meine Kollegin handhaben: Ein besonderer Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, die auch
dafür gesorgt haben, dass dieser Haushalt beizeiten zustande kommen konnte.
({2})
Meine Damen und Herren, wir könnten heute einige
Beratungen vorwegnehmen, die uns erwarten, zum Beispiel die Beratung über die Antiterrorgesetzgebung. Im
Plenum haben wir schon darüber gesprochen. Wir befinden uns jetzt in Gesprächen mit den Länderinnenministern und den Vertretern im Bundesrat. Ich glaube, es ist
heute nicht der Tag, darauf einzugehen.
Ich will Ihnen aber nicht vorenthalten, dass wir mit den
Landesregierungen selbstverständlich auch über konstruktive Anregungen, die aus diesem Kreise hier kommen, sprechen. Da spielt für mich die politische Farbe
nicht die entscheidende Rolle. Entscheidend ist vielmehr,
ob es sich um sachlich gebotene und sachlich begründbare
Anregungen handelt. Wir werden sie danach prüfen und
gegebenenfalls verwerfen. Das ist doch ein ganz vernünftiger und richtiger Maßstab.
Ich will heute auch nicht die Gelegenheit wahrnehmen,
über ein anderes Projekt, über das Zuwanderungsrecht,
das aktuell zur Diskussion steht, zu sprechen. Wir sind der
Meinung, dass diejenigen, die ihr Mandat verantwortlich
handhaben - damit meine ich sowohl die Abgeordneten
des Bundestages als auch die Vertreter des Bundesrates -,
die Beschäftigung mit dieser Frage nicht als parteitaktisches Manöver verstehen sollten. Sie sollten vielmehr anhand sachlicher Fragen den vorliegenden Gesetzentwurf
prüfen.
({3})
Hier ist ja an dem Haushaltstitel, der für die Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen ist, Kritik geübt worden. So
viele Mittel für Öffentlichkeitsarbeit, die ich bräuchte, um
den Unsinn, den Sie über den Inhalt des Zuwanderungsgesetzes verbreiten, in der Öffentlichkeit zu widerlegen,
könnte ich Ihnen gar nicht abverlangen.
({4})
Das Zuwanderungsgesetz dient der Begrenzung und
Steuerung der Zuwanderung. Ich habe noch die Worte von
Frau Merkel im Ohr, die den einen oder anderen Sachverhalt tadelte. Nur, all das, was sie beklagt, geschieht auf der
Grundlage des geltenden Rechtes. Deshalb besteht Veränderungsbedarf. Sie sollten sich wieder der Beschäftigung
mit den Sachfragen zuwenden. Ich bin sehr optimistisch.
Denn Sie haben auch in Ihren Reihen vernünftige
Persönlichkeiten - das ist gut und schön -, mit denen man
sprechen kann. Deshalb wird es uns gelingen, zu einer
guten Entscheidung zu kommen.
Was die humanitären Fragen angeht, sollten wir nicht
mit irgendwelchen Schablonen arbeiten. Ein Beispiel
möchte ich herausgreifen: die geschlechtsspezifische
Verfolgung. Es muss möglich sein, ein 15-jähriges pakistanisches Mädchen, das zu uns gekommen ist und das,
wenn wir es in sein Heimatland zurückschicken würden,
dort gesteinigt würde, weil es sich wie in Deutschland üblich verhalten hat, was den dortigen Vorstellungen, wie
man sich als junges Mädchen verhalten sollte, nicht entspricht, hier zu behalten. Niemand kann verantworten,
dass ein solches junges Mädchen in sein Heimatland zurückgeschickt wird.
({5})
Herr Bundesminister, erlauben Sie - Otto Schily, Bundesminister des Innern: Bitte schön,
Herr Marschewski.
Das Wort
erteilt der Präsident, Herr Bundesminister.
Sie haben
doch gerade gefragt.
Ich frage
Sie, ob Sie dies zulassen. Wenn Sie dies zulassen, dann
gebe ich Herrn Marschewski das Wort.
Herr Präsident, ich habe Ihre Frage geahnt und sage jetzt: Gerne
nehme ich eine Frage des Kollegen Marschewski entgegen.
Herr
Marschewski, bitte schön.
Herr Bundesinnenminister, sind Sie mit mir der Meinung,
({0})
dass dieser von Ihnen geschilderte traurige Fall auch nach
derzeit bestehendem deutschen Recht so geregelt würde,
dass dieses Mädchen natürlich nicht in ihre Heimat
zurückmüsste?
({1})
Herr
Marschewski, da haben Sie insofern Recht,
({0})
als nach dem heute geltenden § 53 Abs. 6 des Ausländergesetzes in der Tat nicht abgeschoben würde. Aber dieses
Mädchen hätte nur einen Duldungs- und keinen verlässlichen Rechtsstatus. Die Drohung der eventuellen Rückkehr würde bestehen bleiben. Sie hätte dadurch einen
enormen psychischen Druck auszuhalten. Das müssen wir
beseitigen.
({1})
Herr Marschewski - wenn ich das noch sagen darf -,
gerade die Schicksale der auf dem Balkan Traumatisierten, die nach schrecklichsten Erfahrungen zu uns gekommen sind, die mehrfach Vergewaltigungen und Folter erlitten und sich in Folterlagern befunden haben, habe ich
vor Augen. Es ist uns gelungen - dafür bedanke ich mich
bei den Länderinnenministern -, diesen Menschen durch
eine „Vereinbarung“ - ich habe mich dafür sehr lange einsetzen müssen - einen verlässlichen Aufenthaltsstatus in
Form einer Aufenthaltsbefugnis zu geben. Warum wollen
Sie das nicht in Zukunft generell regeln, damit wir nicht
lange verhandeln und die Menschen nicht über Jahre einer solchen Bedrohung, die übrigens auch die Heilung
von traumatischen Erfahrungen erschwert, aussetzen
müssen? Warum sollen wir das nicht in Zukunft verlässlich regeln? Das entspräche dem humanitären und moralischen Niveau dieser Gesellschaft.
({2})
Herr Bundesminister, erlauben Sie zwei weitere Zwischenfragen,
einmal von Herrn Marschewski und einmal vom Kollegen
Wiefelspütz?
Bitte schön.
Ich würde
aber bitten, dann keine Zwischenfragen mehr zu stellen.
Herr Bundesinnenminister, sind Sie mit mir der Auffassung, dass Ihre Darstellung dem deutschen Volk gegenüber zunächst den Eindruck erweckte, dass dieses
Mädchen nach Hause zurückmuss,
({0})
und sind Sie weiterhin mit mir der Auffassung, dass eine
Duldung erteilt wird, aus der auf Dauer eine bestandskräftige Aufenthaltsgenehmigung entstehen kann,
wenn wir das rechtlich wollen und wenn die Ausländerbehörden das wollen, und dass dieses Mädchen nicht der
Gefahr unterliegt, dauernd in Angst zu leben und in ihr
Heimatland zurückgehen zu müssen?
Herr Kollege
Marschewski, zunächst einmal muss ich Sie darauf hinweisen - Sie sind ja ein Kollege mit langjähriger Erfahrung und guten Kenntnissen im Ausländerrecht -,
({0})
dass die Duldung kein Aufenthaltstitel ist, sondern nur
eine, wenn Sie so wollen, Aussetzung des Vollzuges der
Ausweisungsentscheidung. Insofern liegen Sie in Ihrer
Beurteilung falsch. Ich glaube, dass wir, wenn wir es genau durchdenken, auf dem richtigen Wege sind.
Übrigens ist das keine Asylentscheidung.
({1})
Es wird nur ein verlässlicher Rechtsstatus hergestellt. Vielen Dank für Ihre Fragen, Herr Marschewski.
({2})
Kollege
Wiefelspütz, bitte schön.
Herr Bundesinnenminister, können Sie uns vor dem Hintergrund des bedauernswerten Falls der jungen Frau, den Sie angesprochen haben, vielleicht sagen, ob mein Eindruck richtig ist, dass
der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, CDU,
in dieser Frage zu denselben Ergebnissen und zu demselben Vorschlag kommt wie der Bundesinnenminister, oder
gibt es da Unterschiede?
Mir ist berichtet worden - ich kann das nur so darstellen -, dass
Herr Ministerpräsident Müller, der ja als Vorsitzender
einer Zuwanderungskommission der CDU dafür verantwortlich ist, in der CDU ein sehr gutes Papier zustande
gebracht zu haben - das muss ich immer wieder hervorheben -, in einer öffentlichen Versammlung gesagt hat,
man müsse dem Rat der Kirchen folgen, auch bei der
Frage der nicht staatlichen Verfolgung und der geschlechtsspezifischen Verfolgung zu neuen, verlässlichen
Regelungen zu kommen. Dem haben wir entsprochen.
Deswegen sollte bei der Frage eines Kompromisses in Bezug auf die Zuwanderung nicht eine solche Hürde aufgebaut werden.
({0})
Im Übrigen - wenn ich das, Herr Kollege Wiefelspütz,
noch zu Ihrer Frage sagen darf - ist es ja so: Herr Ministerpräsident Müller gehört der CDU an, die durch ihre Namenswahl sehr deutlich zum Ausdruck bringt - bleiben
Sie ruhig stehen, Herr Kollege Wiefelspütz; das ist noch
immer die Antwort auf Ihre Frage und so ist doch der parlamentarische Brauch -,
({1})
dass sie sich zugute hält - Herr Özdemir hat ja gesagt, das
sei nicht seine Zuständigkeit, aber die CDU legt großen
Wert darauf -, in sehr intensiver Beziehung zu den beiden
großen christlichen Kirchen zu stehen. Auch ich als Kirchenminister lege großen Wert auf den Rat der Kirchen.
({2})
Ich war ja gerade im Petersdom in Rom bei einer Heiligsprechung, nicht bei meiner eigenen, aber der der Seligen
Crescentia. Deshalb empfehle ich Ihnen doch, den Rat der
Kirchen bei diesen Fragen stärker zu beachten.
({3})
Herr Bundesminister, Fragen sollen kurz beantwortet werden. Ich
bitte darum.
Ich bedanke
mich.
Ich will mich heute zu den gesetzgeberischen Maßnahmen nicht so stark auslassen. Dazu besteht bei anderen Plenardebatten Gelegenheit. Aber ich finde, dass der
Kollege Stadler bei früherer Gelegenheit zu Recht darauf
hingewiesen hat, dass man nicht nur an gesetzgeberische
Maßnahmen, sondern auch an den Gesetzesvollzug denken muss. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht: Wenn der
Gesetzesvollzug richtig stattfinden soll, muss man dafür
sorgen, dass die entsprechenden Institutionen ausreichend
mit Personal und Sachmitteln ausgestattet werden.
Bezogen auf die gesetzgeberischen Maßnahmen will
ich ganz generell sagen, dass wir auf Bedachtsamkeit und
Sorgfalt durchaus Wert legen sollten; denn die Rechtsnormen - das ist, wie ich glaube, ein ganz wichtiger Hinweis - müssen auch dem Rechtsgefühl der Menschen entVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
sprechen. Das heißt, dass die Akzeptanz der Rechtsnormen von großem Wert ist. Wenn sie das nicht sind und wir
eine Rechtsnorm beschließen - wir sind Mitglieder der
Gesetzgebungskörperschaft -, die die Menschen nicht akzeptieren, dann funktioniert sie auch nicht. Deshalb ist das
so wichtig.
Herr Hoyer, ich war etwas erstaunt über Ihre Ausführungen bezüglich der Haushaltsmittel. Sie haben behauptet, dass wir uns bei den Mitteln für die innere Sicherheit sozusagen als „Sparkassen“ bedient hätten. Das
ist schlichtweg falsch. Sie sind mir doch als jemand bekannt, der die Haushaltszahlen sehr genau liest.
({0})
Deshalb bitte ich Sie, noch einmal nachzulesen. Dann erkennen Sie - das kann Ihnen ja nicht verborgen geblieben
sein -, dass wir in den Jahren, in denen wir regieren, die
Mittel für die innere Sicherheit kontinuierlich erhöht
haben. Die Anhebung beträgt über 11 Prozent. Das ist, gerade unter den Bedingungen der Haushaltskonsolidierung, die wir bewerkstelligen müssen
({1})
und an der sich auch der Innenminister solidarisch beteiligen muss, ein gutes Ergebnis. Sie sind auch nicht ganz
unschuldig daran, dass wir das machen müssen.
({2})
Wir haben einen überschuldeten Haushalt übernommen.
Wegen der Überschuldung hätten wir die Erbschaft eigentlich ablehnen müssen. Das ging nun leider nicht.
({3})
Jetzt wird der Haushalt konsolidiert und wir müssen uns
daran beteiligen.
({4})
Trotzdem haben wir die Mittel um 11 Prozent angehoben.
Sie haben den Zivilschutz erwähnt. Ich denke, Sie sollten nicht übersehen, dass Sie die Aufwendungen für den
Zivilschutz in den zurückliegenden Jahren um 200 Millionen DM gesenkt haben.
({5})
Herr Hoyer, wir sollten fair miteinander umgehen: Ich
glaube, dass wir uns alle dabei geirrt haben. Bei diesem
Thema fand ich Herrn Stoiber ehrlicher. Ich habe es noch
im Ohr. Es war zwar nur im stillen Kämmerlein, aber im
Kreise der Ministerpräsidenten und gegenüber dem Bundeskanzler war er wenigstens ehrlich. Er hat gesagt, dass
sich dabei alle geirrt haben, dass alle dachten, die Konfrontation sei zu Ende und deshalb die Mittel abgebaut
worden sind. Ich bin genauso ehrlich und sage, dass wir
das erst einmal eine Weile fortgesetzt haben. Wir sollten
uns gegenseitig nichts vormachen.
({6})
Ich nehme allerdings für uns in Anspruch, dass wir diesen Fehler nicht erst am 11. September erkannt haben,
sondern schon zu einem früheren Zeitpunkt.
({7})
Wir haben gesagt, dass wir das Steuer an der Stelle herumreißen müssen. Wir haben das getan. Sonst hätten wir
den Ländern die 650 Fahrzeuge für den Zivilschutz jetzt
nicht zur Verfügung stellen können; darunter befinden
sich 340 ABC-Erkundungsfahrzeuge und eine ganze
Reihe von Dekontaminierungs- und Sanitätsfahrzeugen.
Sonst wäre es uns nicht gelungen, in diesen Tagen ein satellitengestütztes Warnsystem operabel werden zu lassen
und das deutsche Notfallinformationssystem zu etablieren. Das alles ist schon geschehen.
({8})
Ich sage nicht, dass deshalb die Aufgaben schon erfüllt
sind. Das sagt niemand. Wir waren aber nicht untätig.
Jetzt stocken wir die Mittel weiter auf.
({9})
Ich lasse nicht durchgehen, dass die Länder immer danach fragen, was denn der Bund mache. Ich bin - zusammen mit einigen Innenministern der Länder - der Meinung, dass die scharfe Abgrenzung zwischen
Katastrophen- und Zivilschutz nicht mehr aktuell ist. Das
bedeutet aber nicht, dass sich die Länder aus der Verantwortung verabschieden können. Der Katastrophenschutz liegt schwerpunktmäßig in ihrer Verantwortung.
Sie müssen das ihre dazu beitragen. Lassen Sie uns da
nicht schwarzer Peter spielen, sondern gemeinsam nach
Lösungen suchen. Ich finde es durchaus positiv, dass das
im Kreise der Innenminister auch geschieht.
Es ist hier schon mehrfach angesprochen worden - deshalb brauche ich darauf nicht viele Wort zu verwenden -,
dass wir beim Bundesgrenzschutz ganz erhebliche Personalveränderungen mit Stellenhebungen und Beförderungen vorgenommen haben. Wenn Sie die Gesamtzahl von
fast 16 000 Beförderungen in der Zeit von 1999 bis Ende
2002 vor Augen haben, dann müssen Sie anerkennen, dass
das eine wirklich großartige Leistung ist. Bei den Stellenhebungen kommen wir auf eine Verdopplung im
Jahre 1999 und eine Verdreifachung im Jahre 2000. Wir
setzen dieses Programm jetzt fort, sodass wir die Strukturverbesserungen beim Bundesgrenzschutz, die die alte
Regierung erst für 2010 vorgesehen hat, bereits im
Jahr 2003 bzw. 2004 erreicht haben werden. Ich glaube,
daran kann man erkennen, in welcher Weise wir uns für
die innere Sicherheit engagieren.
({10})
Herr Hoyer, Sie haben die Frage der Ausstattung zum
Beispiel des Bundeskriminalamtes mit Verwaltungspersonal angesprochen, die uns allen geläufig ist. Das ist sicherlich nicht erfreulich; das will auch niemand leugnen.
Aber mit den linearen Stellenkürzungen um 1,5 Prozent
haben Sie in Ihrer Regierungszeit angefangen. Leider
wird das noch immer fortgesetzt. Gleichwohl haben wir
jetzt im Rahmen des Antiterrorpaketes im Bereich des
Bundeskriminalamtes für eine bessere Ausstattung mit
Verwaltungspersonal gesorgt. Es werden 470 Planstellen
im Verwaltungsbereich geschaffen. Das steht in einem gewissen Widerspruch zu den linearen Stellenkürzungen um
1,5 Prozent. Das muss in der Zukunft bereinigt werden;
das ist uns diesmal nicht gelungen. Ich wäre dankbar,
wenn wir beim nächsten Mal noch einmal darüber beraten würden; der Kollege Weißgerber hat sich freundlicherweise dafür eingesetzt.
({11})
Aber immerhin: Unter dem Strich haben wir eine bessere
Ausstattung mit Verwaltungspersonal, als es bisher der
Fall war.
Von mehreren Seiten sind die Integrationsmaßnahmen angesprochen worden. Darüber werden wir bei anderer Gelegenheit, im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes, noch zu sprechen haben. Sie erwecken aber natürlich
einen völlig falschen Eindruck - ich glaube, es war Herr
von Hammerstein -, wenn Sie auf die 1,5 Millionen verweisen.
({12})
- Ja, das steht in meinem Haushalt, Herr von
Hammerstein. Sie wissen aber, dass für die Integration im
Rahmen der Bundesregierung mehrere Ressorts zuständig
sind. Sie erwecken hier einen völlig falschen Eindruck.
({13})
Ich hätte die 400 Millionen ja gerne komplett in meinem
Haushalt; es ist aber nun einmal so, dass hier mehrere
Ressorts die Verantwortung tragen. Wenn Sie die entsprechenden Haushaltstitel beim Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie beim Ministerium für
Arbeit und Soziales mit berücksichtigen, dann kommen
Sie auf eine runde Summe von 400 Millionen, die wir für
Integration einsetzen.
Was die Spezialaufgabe der Integration von Aussiedlern angeht - das sage ich zu Herrn Koschyk -, so haben
wir die Integrationsmaßnahmen hier ganz erheblich verstärkt. Wir haben allerdings auch einige Investitionen - irgendwo in der Ferne - gekürzt. Sie können die Investitionsruinen gerne besichtigen. Da haben wir dem
schlechten Geld nicht noch gutes Geld hinterher geworfen. Das ist auch richtig.
({14})
Ich freue mich sehr über die freundlichen Worte an die
Adresse der Bundeszentrale für politische Bildung. Ich
glaube, dass gerade diese Bundeszentrale hervorragende
Arbeit leistet. Bei der Gelegenheit gratuliere ich auch
ihrem Präsidenten, Thomas Krüger, zur Verleihung des
Bundesverdienstkreuzes. Er hat es verdient.
({15})
Ich will noch zwei Bemerkungen zu INPOL ({16})
machen. Herrn Marschewski und anderen, die sich dazu
vielleicht noch äußern werden oder sich dazu schon
geäußert haben, möchte ich sagen: Das ist ein sehr
schwieriges Gemeinschaftsprojekt von Bund und Ländern, gar keine Frage. Die positiven Auskünfte, die uns
alle zunächst einmal beflügelt haben, haben sich zum Teil
als nicht tragfähig erwiesen. Daraus mache ich gar keinen Hehl. Den Zug auf die Schiene gesetzt haben allerdings andere. Darüber will ich jetzt den Mantel der
Barmherzigkeit breiten, weil ich nichts davon halte, hier
irgendjemandem die Schuld oder die Verantwortung
dafür zuzuschieben. Wir müssen dieses Problem lösen.
Das ist ein außerordentlich ehrgeiziges Projekt mit einer
höchst modernen Technik.
Vielleicht haben sich einige mit den Anforderungen an
das, was dieses System leisten soll, etwas übernommen.
Das kann sein. Darüber müssen wir reden. Hier stehen einige in der Verantwortung. Wir müssen das Problem aber
zukunftsorientiert lösen. Wir sind dabei und ich bin zuversichtlich, dass wir dies in Zusammenarbeit zwischen
Ländern und Bund schaffen. Darüber, ob alle für die Leitung dieses Projekts gewählten Konstruktionen ideal waren, will ich hier nicht diskutieren. Dazu haben wir bei anderer Gelegenheit die Möglichkeit.
Eines will ich hier aber sehr deutlich zum Ausdruck
bringen: Die Behauptungen, die zum Teil im Umlauf sind,
weil nämlich dieses System jetzt in Schwierigkeiten
stecke, gebe es ein Defizit bei der inneren Sicherheit, sind
schlicht falsch.
({17})
Abgesehen davon, dass dieses System auch nach der Planung heute überhaupt noch nicht operabel sein sollte, sondern dies erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen
war, arbeitet das System INPOL-aktuell absolut einwandfrei. Insofern gibt es dort keine Einbußen.
Weiterhin ist das Projekt zur Einführung eines digitalen Funknetzes angesprochen worden. Auch dies ist ein
schwieriges Unterfangen. Wir werden uns darum sehr intensiv zu kümmern haben. Es ist eine Investition, die in
die Milliarden geht. Daher ist an dieser Stelle besondere
Sorgfalt geboten.
Wir werden in dieser Woche auch noch Gelegenheit
haben, zu der Reform der Beamtenversorgung Stellung
zu nehmen. Deshalb will ich darauf nicht im Detail eingehen. Ich warne aber davor, dieses Thema polemisch
auszubeuten. Dass mich hier ein Vorwurf trifft, ist nicht
sehr gerecht, denn das Problem liegt in erster Linie bei
den Ländern. Der Bund könnte sich, wenn er sich verantwortungslos verhalten wollte, zurücklehnen und sagen:
Ich lasse alles laufen. Wir würden dabei sogar Profit für
den Bundeshaushalt machen. Aber die Länder kämen in
gewaltige Schwierigkeiten. Deshalb empfehle ich Ihnen
allen die Lektüre des Versorgungsberichts. Darüber müssen wir noch einmal gründlich reden. Wenn Sie diesen
sorgfältig lesen, werden Sie sehen, in welche Schwierigkeiten die Länder ohne den Bund kämen. Deshalb sollte
an der Stelle Polemik schweigen.
Im Übrigen möchte ich es als großen Erfolg feiern,
dass wir bei der Zusatzversorgung zu einem sehr guten,
vernünftigen und tragfähigen Ergebnis gekommen sind.
({18})
Ich möchte es an dieser Stelle nicht versäumen, meiner
Staatssekretärin Zypries ein besonderes Lob für ihre Arbeit auszusprechen.
({19})
Meine Damen und Herren, ich will am Schluss etwas
zu einem Themenbereich sagen, der für uns sehr wichtig
ist. Das ist neben dem entschlossenen Einsatz von repressiven Maßnahmen die Prävention. Dies gilt übrigens für
alle Bereiche, auch für den Terrorismus. Alles das, was
wir jetzt machen - auch in dem Gesetzespaket -, dient der
Vorbeugung terroristischer Aktivitäten. Ich bin mir übrigens auch mit meinem Kollegen John Ashcroft einig, dass
Schwerpunkt unserer Bemühungen sein muss, solche
schrecklichen Verbrechen, wie sie in New York und Washington stattgefunden haben, in Zukunft zu verhindern.
Deswegen ist alles richtig, was wir dafür einsetzen.
({20})
Das gilt aber auch für die allgemeine Kriminalität. Ich
bin dem Bundespräsidenten sehr dankbar, dass er vor wenigen Tagen die Sitzung des Kuratoriums und des Vorstandes des Deutschen Forums für Kriminalprävention
eröffnet hat. Diese haben ein sehr ehrgeiziges Programm
für Kriminalprävention in Spezialbereichen und auch in
allgemeinen Bereichen vorgelegt. Daran können wir sehen, welche Ergebnisse an der Stelle möglich sind. Dies
gilt auch für die Gewaltkriminalität von Jugendlichen.
Dort gibt es zum Teil positive Entwicklungen, die man in
einem größeren Zusammenhang sehen muss, so zum Beispiel, wenn Gewalt in der Erziehung zurückgedrängt
wird. Hier sollten wir sehr genau hinschauen. Dann haben
wir auch positive Ergebnisse zu erwarten.
Ich bin am Ende meiner Redezeit angelangt. Deshalb
will ich mit einem Wort Senecas schließen:
Am sicher Gegründeten und Unüberwindlichen übt
der Angreifer seine Kraft nur zum eigenen Schaden.
Dies ist ein Ratschlag an die nachfolgenden Redner der
Opposition.
({21})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Wolfgang Bosbach von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schily, das, was
Sie gerade gemacht haben, ist nicht in Ordnung. Sie haben die Geschichte von dem 15-jährigen Mädchen, dem
in Pakistan die Steinigung droht, nur erzählt, um die Öffentlichkeit glauben zu machen, das geltende Recht würde
keine Schutzmöglichkeiten bieten.
({0})
- Lieber Günter, du hast jetzt Pause.
Genau Sie waren es, der bis vor wenigen Tagen gesagt
hat, dass das deutsche Recht keine Schutzlücken kenne.
({1})
Wenn der Kollege Marschewski nicht die Frage gestellt hätte, ob die Rechtslage nicht falsch wiedergegeben
würde, dann hätten Sie dies nicht zugegeben. Sie haben
gesagt, dieses Mädchen würde immer mit der Drohung leben, dass sie zurückgeschickt werden könnte. Dann haben
Sie den Satz abgebrochen und eine völlig andere Geschichte erzählt. Der Satz hätte, richtig fortgeführt, enden
müssen: wenn die Gefahr für Leib und Leben nicht mehr
besteht. Genau das sieht das geltende Asylrecht vor. Sie
wollen doch einführen, dass kontinuierlich nach drei Jahren überprüft wird, ob eine Gefahr für Leib und Leben
noch besteht oder nicht. Das, was Sie erzählt haben, ist
grober Unfug.
({2})
Wenn Sie ein solch schwaches Argument brauchen, um
Ihre Zuwanderungspolitik in der Öffentlichkeit zu verkaufen, dann ist die Politik, die dahinter steht, mit Sicherheit noch schwächer. Es gibt eine unübersehbare Diskrepanz zwischen dem, was Sie sagen, und dem, was Sie tun,
zwischen den vollmundigen Ankündigungen einerseits
und den dürftigen Ergebnissen andererseits. Dazu kommt
die mangelnde Bereitschaft oder Fähigkeit, die Entscheidungen zu treffen, die dringend notwendig sind, um die
Sicherheit unseres Landes dauerhaft zu stärken. Entscheidend sind nicht Ihre starken Worte, sondern entscheidend
sind Ihre schwachen Taten.
Während die Bundesjustizministerin in der Disziplin
Zurückrudern geradezu beeindruckende Fähigkeiten zeigt
- wäre Zurückrudern eine olympische Disziplin, bräuchte
Ihre Kollegin keine Gegner zu fürchten -, wechseln Sie
Ihre Meinungen so schnell, dass man Mühe hat, festzustellen, welche Meinung Sie gerade in diesem Augenblick
vertreten. Das ist ein Beweis dafür, dass es an überzeugenden Konzepten und auch an einem klaren Kurs fehlt.
November 1998 Originalton Otto Schily:
Die Grenzen der Belastbarkeit durch Zuwanderung
sind überschritten. Auch ein Zuwanderungsgesetz
kann daran nichts ändern, denn die darin festzulegende Zuwanderungsquote müsste auf null gesetzt
werden.
Im Klartext: Sie hatten damals die Auffassung, dass
Deutschland durch den nach wie vor anhaltenden Zuwanderungsdruck eine Last trägt, die das Land auf Dauer nicht
tragen kann. Das ist richtig. Deswegen ist es unbegreiflich
und unverantwortlich, dass Sie jetzt einen Gesetzentwurf
vorlegen, der nicht zu einer Reduzierung der Zuwanderung, sondern zu deren Ausweitung führen wird.
Zwar trägt das Werk die Überschrift „Steuerung und
Begrenzung der Zuwanderung“. Der Inhalt besagt aber
etwas ganz anderes.
({3})
Der Gesetzentwurf enthält im Hinblick auf Zuwanderungsmöglichkeiten gegenüber dem geltenden Recht
keine einzige Einschränkung. Er sieht aber erweiterte
Bleiberechte aus humanitären Gründen und neue Zuwanderungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für ausländische Arbeitnehmer vor. Dies geschieht vor dem Hintergrund von schon jetzt 4 Millionen registrierten
Arbeitslosen. Mit verdeckter Arbeitslosigkeit sind es weit
über 5,5 Millionen, Tendenz steigend. Dabei ist der Anteil
der ausländischen Arbeitslosen doppelt so hoch wie ihr
Anteil an der Bevölkerung.
Warum sagen Sie den Bürgern nicht die Wahrheit?
Warum sagen Sie nicht klipp und klar, dass Sie keine Reduzierung, sondern eine Ausweitung der Zuwanderung
wollen und dass dies auch in Ihrem Gesetzentwurf steht?
Es steht zwar nicht obendrauf, aber mittendrin. Dort heißt
es ausdrücklich, dass eine Begrenzung der Zuwanderung
nicht länger im öffentlichen Interesse unseres Landes liegen soll.
({4})
Nicht nur der Gesetzentwurf ist nicht akzeptabel. Nicht
akzeptabel ist auch, dass die Bundesregierung der Bevölkerung beim Thema Zuwanderung nicht sagen will, wohin die Reise geht. Zunächst geben Sie den Forderungen
der Grünen nach erweiterten Bleiberechten nach, obwohl
Sie bis vor kurzem immer noch richtigerweise gesagt haben, dass das deutsche Recht keine Schutzlücken kennt.
Dann haben Sie den Repräsentanten der Wirtschaft zugesagt, deren Wunsch nach verstärkter Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer auf den deutschen Arbeitsmarkt
zu erfüllen. Und dann erklären Sie der erstaunten Bevölkerung, dass beides zusammen im Ergebnis zu weniger
Zuwanderung nach Deutschland führen wird. Das glaubt
Ihnen kein Mensch. Wir glauben es Ihnen erst recht nicht.
({5})
Dieser Regierung geht es um die Ausweitung der ohnehin schon großen Zuwanderung nach Deutschland. Genau das ist die Politik, die CDU und CSU nicht wollen,
und mit uns auch nicht die breite Mehrheit der Bevölkerung. Sie können zwar diese Politik mit Ihrer Mehrheit im
Deutschen Bundestag durchsetzen. Aber wer in den
ebenso wichtigen wie sensiblen Bereichen Ausländerpolitik, Asylrecht und Integration falsche Entscheidungen
trifft und Politik gegen die Bevölkerung macht, der schadet den Interessen des Landes und der wird scheitern.
Auch in puncto innere Sicherheit geschieht nicht das,
was eigentlich geschehen müsste. Hier bleiben Ihre Taten
nicht nur weit hinter Ihren Ankündigungen, sondern auch
hinter dem zurück, was für eine wirksame Bekämpfung
des Terrorismus unabdingbar notwendig ist. Durch den
neuen § 129 b StGB wird nunmehr auch mit Strafe bedroht, wer Auslandsterrorismus unterstützt. Aber wenn
der Verfassungsschutz solche Terroristen abhören will,
dann ist das nur erlaubt, wenn jemand eine Katalogstraftat
nach dem G-10-Gesetz plant, begeht oder begangen hat.
In diesem Katalog fehlt ausgerechnet der neue § 129 b des
Strafgesetzbuchs.
({6})
Das ist entweder Absicht oder ein Versehen. Das soll aber
nicht geändert werden, Herr Ströbele. Das sieht der neue
Gesetzentwurf nicht vor.
({7})
- Eben weil es Quatsch ist - da haben Sie Recht -, geißeln
wir das von dieser Stelle aus.
Warum sollen die neuen Befugnisse für den Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst nur
bei sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen
Tätigkeiten gelten, nicht jedoch, wenn „nur“ die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik
Deutschland gefährdet ist? Das ergibt doch keinen Sinn.
Nach Ihrem Gesetzentwurf müssten wir Ausländer selbst
dann einreisen lassen, wenn vieles darauf hindeutet, dass
sie sich extremistisch oder sogar terroristisch betätigen
wollen.
({8})
Der Verdacht reicht nach dem, was Sie vorschlagen, nicht
aus, solchen Ausländern die Einreise zu verweigern.
({9})
Bereits das Vorliegen hinreichend konkreter Verdachtsmomente für die Gefährlichkeit muss doch genügen, um
einem Ausländer die Einreise in das Bundesgebiet zu
verweigern.
({10})
Unter Sicherheitsgesichtspunkten muss man den Interessen Deutschlands und der hier lebenden Bevölkerung immer Vorrang vor den Interessen des verdächtigen Ausländers einräumen.
({11})
Herr Schily, gelegentlich muss man in einer Koalition
Kompromisse schließen. Das mussten auch wir früher.
Für uns ist und bleibt es jedoch unerträglich, dass Sie bei
der notwendigen Bekämpfung des internationalen Terrorismus Kompromisse mit den Grünen zulasten der Sicherheit unseres Landes und der Bürger geschlossen haben.
({12})
Unerträglich ist auch Ihr Umgang mit den Angehörigen
des öffentlichen Dienstes, insbesondere mit den Soldaten,
den Polizisten und allen anderen Beamten, die gestern in
Berlin gegen Ihre unsozialen und ungerechten Pläne zur
Neuregelung derAltersversorgung - genauer gesagt: zu
deren Reduzierung - demonstriert haben. Auch die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, deren Organisationen und auch wir wissen, dass alle Alterssicherungssysteme auf den Prüfstand gestellt werden müssen, auch die
der Beamten. Aber dabei muss es gerecht und sozialverträglich zugehen. Genau das ist nicht der Fall.
({13})
Die Rentenreform wurde gerade nicht, wie von Ihnen versprochen, wirkungsgleich und systemkonform übertragen. Vielmehr werden den Beamten, den Soldaten und
den Richtern Sonderlasten auferlegt, ohne dass deren
Vorleistungen - ich nenne nur die Stichwörter „Versorgungsabschlag“ und „Versorgungsrücklage“ - angemessen berücksichtigt worden sind.
Noch vor wenigen Tagen haben dies neun von zehn
Sachverständigen bei der Anhörung des Innenausschusses
bestätigt. Neun von zehn! Soweit erinnerlich, waren Sie,
Herr Minister, nicht dabei. Dann lassen Sie sich bitte von
dieser Anhörung berichten. Auch die von Rot-Grün geladenen Experten haben nichts anderes gesagt. Der zehnte
meinte allerdings, die Regierung solle wenigstens ihre
Begründung ändern und zugeben, dass es nicht um eine
Reform der Alterssicherungssysteme, sondern um das
Kassemachen gehe. Der zehnte war also ehrlich. Dann
seien auch Sie es: Wechseln Sie wenigstens Ihre Begründung aus und geben Sie zu, dass Sie Kasse machen
wollen!
Um nur kein einziges Argument der Sachverständigen
berücksichtigen zu müssen und um jede weitere öffentliche Debatte zu verhindern, soll der Gesetzentwurf mit
atemberaubender Geschwindigkeit noch in dieser Woche
durch das Parlament gebracht werden.
({14})
Diese harte und völlig kompromisslose Haltung hätten
wir uns von Ihnen beim Kampf gegen die Kriminalität
und den Terrorismus gewünscht. Hier ist sie völlig fehl am
Platze.
({15})
Als
nächster Redner hat der Kollege Helmut Wilhelm ({0}) von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meinen Ausführungen beschränke ich mich auf
den Einzelplan 33, Versorgung. In ihm sind die Ausgaben
für die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes,
der Soldaten der Bundeswehr und ihrer Hinterbliebenen
sowie einer Reihe anderer konkretgesetzlich normierter
Personen veranschlagt. Die im Einzelplan 33 ausgebrachten Ausgaben beruhen auf Rechtspflichten.
Die Beamtenversorgung steht aber vor den gleichen
Problemen wie andere Alterssicherungssysteme. Die allgemeine demographische Entwicklung in Deutschland
führt zu einem raschen Anstieg der Ausgaben für die Beamtenversorgung. Das hängt zum einen bekanntlich mit
der stetig wachsenden Lebenserwartung zusammen. Für
die nächsten 30 Jahre wird mit einer weiteren Steigerung
von zwei Lebensjahren gerechnet, was ja durchaus erfreulich ist.
Zum anderen bewegt sich das durchschnittliche Ruheeintrittsalter in den letzten Jahren konstant auf niedrigem
Niveau. Auch aufgrund der hohen Zahl der Frühpensionierungen liegt es zurzeit bei circa 59 Jahren. Diese beiden Faktoren zusammen führen zu erheblichen Steigerungen der Versorgungsleistungen; das ist auch bekannt.
Eine gewisse Brisanz bekommt die Frage der Versorgung, wenn man sich die Tatsache vor Augen hält, dass
die durchschnittliche Pensionslaufzeit derzeit bei rund
20 Jahren liegt. Sie ist gegenüber früherer Zeit also erfreulicherweise ebenfalls erheblich angewachsen. Hinzu
kommt der so genannte „Versorgungsberg“ als Folge der
Ausweitung des öffentlichen Dienstes in den 60er- und
70er-Jahren. Die Pensionsaufwendungen von Bund, Ländern und Gemeinden werden deshalb von heute bis zum
Jahr 2030 auf das Dreieinhalbfache ansteigen, nämlich
von rund 43 Milliarden DM auf dann rund 150 Milliarden DM bzw. 75 Milliarden Euro. Aus alledem ergibt sich
ein erhebliches Finanzproblem.
Den Regierungsfraktionen ist daran gelegen, die Beamtenversorgung ebenso wie die Rentenversicherung
zukunftsfähig zu erhalten. Danach soll die bereits beschlossene Rentenreform durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung übertragen werden. Details hierzu kann ich
mir an dieser Stelle ersparen; dies wird Gegenstand der
Plenardebatte sein, die wohl am Freitag stattfinden
wird.
An dieser Stelle aber bleibt anzumerken, dass sich bereits durch die Einführung der Versorgungsrücklage ab
1999 allein im Bundeshaushalt bis 2002 Einsparungen in
Höhe von 261 Millionen DM ergeben werden. In den Folgejahren bis 2010 ergibt die Abflachung des Versorgungsniveaus aufgrund des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 voraussichtlich Einsparungen von insgesamt
12 Milliarden DM bei Bund, Ländern und Gemeinden.
Aufseiten des Bundes stehen dann 2,112 Milliarden DM
zu Buche, bei den Ländern 8,691 Milliarden DM. Die
Nutznießer der Reform sind also in erster Linie die Länder. Dies sollte dort auch Beachtung finden.
({0})
Die Hälfte der Einsparungen durch die Versorgungsniveauabflachung wird der Versorgungsrücklage zugeführt.
Sie verbleibt zugunsten der Versorgungssicherheit der Beamten quasi „im Topf“, wird also dem System der Beamtenversorgung nicht entzogen und dient dessen zukunftsfähiger Absicherung.
Dem werden aber kostensteigernde Maßnahmen durch
die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge von
aktiven Beamten, Richtern und Soldaten gegenüberstehen. Hieraus ergeben sich durch Steuermindereinnahmen
im gleichen Zeitraum Belastungen von insgesamt über
9,3 Milliarden DM, allein beim Bund von 4,203 Milliarden DM. Er trägt in der Gesamtbetrachtung hier die
Hauptlast.
Es zeigt sich, dass die Bundesregierung ziel- und zukunftsorientiert das System der Beamtenversorgung
durch maßvolle Modifizierungen sichert und darüber hinaus noch äußerst verantwortungsbewusst und länderfreundlich agiert.
({1})
Als
nächster Redner hat der Kollege Lothar Mark von der
SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich werde über den Sport sprechen.
({0})
- Danke.
Wir haben dem Sport wieder die Funktion zugewiesen,
die ihm in unserer Gesellschaft zusteht, nämlich eine
Querschnittsfunktion. Gesundheitspolitik, Sozialpolitik
und Integrationspolitik spielen hierbei zusammen. Gerade
für die Integrationspolitik hat der Sport in der heutigen
Zeit eine besondere Bedeutung; denn im Sport lernt man
Fairness, toleranten Umgang und gewaltfreies Kräftemessen. Dies ist notwendig, um fremdenfeindlichen Tendenzen entgegenzutreten.
Wir haben die Mittel für den Sport gegenüber dem Regierungsentwurf geringfügig erhöht, um diesen Zielen
besser zu entsprechen.
({1})
Wir fordern aber auch die Bundesländer auf, mehr für den
Sport zu tun, insbesondere für den Schulsport. Ich denke
hierbei an die dritte Sportstunde.
({2})
Wir haben die Mittel für einige Bereiche erhöht. Unter
anderem ist der Goldene Plan Ost wiederum mit 29 Millionen DM ausgestattet. Zusätzlich sind Verpflichtungsermächtigungen vorhanden, sodass die Sportstätten im
Osten weiter auf Vordermann gebracht werden können. Es
ist zum großen Teil in Vergessenheit geraten, dass wir für
das Olympiastadion in Berlin und für das Zentralstadion
in Leipzig im Haushalt immerhin noch 76 Millionen Euro
ausweisen und damit dazu beitragen, dass die Fußballweltmeisterschaft auch in Ostdeutschland stattfinden
kann.
({3})
Den Ansatz für den Sportstättenbau für den Hochleistungssport haben wir um immerhin 0,7 Millionen Euro
auf 18,8 Millionen Euro erhöht, weil bekannt ist, dass
auch in Westdeutschland verstärkt Defizite im Sportstättenbau vorhanden sind.
Ferner weise ich darauf hin, dass bei den zentralen
Maßnahmen ebenfalls eine maßvolle Erhöhung um
2,3 Millionen Euro erfolgt ist, weil wir erkannt haben,
dass es in den letzten Jahren eine Erhöhung der Zahl der
olympischen Disziplinen gegeben hat und wir bei der
Nachwuchsförderung, beim Leistungssport und beim
leistungsbezogenen Behindertensport einiges zulegen
müssen.
({4})
Die nationale Dopingagentur wurde bereits erwähnt.
Hierfür sind im Haushalt 10 Millionen etatisiert.
({5})
Wir hoffen, dass hierfür zusätzliche Gelder aus der Wirtschaft eingeworben werden können.
Ähnliches muss man hinsichtlich der Errichtung des
Fonds zur Entschädigung der DDR-Dopingopfer sagen,
die Herr Dr. Hoyer erwähnte. Wir mussten diese Mittel allerdings sperren, weil noch viele Fragen zu klären sind,
aber wir wollten ein deutliches Zeichen setzen. Hierzu
müssen klare Kriterien erarbeitet und die rechtliche
Grundlage erst noch geschaffen werden. Es ist aber auch
anzumerken, dass diese Entscheidung eigentlich überfällig war,
({6})
denn von der Wiedervereinigung bis 1998 ist in dieser
Richtung überhaupt nichts passiert.
({7})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die jüngste
Anhörung im Sportausschuss zum Thema „Bessere Rahmenbedingungen für Sportvereine“ ergab, dass die Anhebung der Übungsleiterpauschale von 2 400 DM auf
3 600 DM ein richtiger Schritt war.
({8})
Der Personenkreis der davon Betroffenen sollte erweitert
werden. Die neue Regelung der Sozialversicherungsträger zur Selbstständigkeit von Übungsleitern wurde
ebenso als richtig eingestuft wie die Regelung der 630Mark-Jobs, allerdings mit der Einschränkung - das sage
ich fairerweise dazu -, dass mann im Sport die Auffassung
vertritt, dass nach wie vor zu viel Bürokratie dabei ist.
({9})
Schließlich wurde begrüßt, dass die Möglichkeit geschaffen wurde, bei Sportvereinen und Sportverbänden
präventive Gesundheitsmaßnahmen durchzuführen, weil
Helmut Wilhelm ({10})
dies die Krankenkassen in Zukunft entlasten wird und somit volkswirtschaftlich vertretbar ist.
({11})
Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass in den
Kommunen einiges in ihrer Einstellung zum Sport geändert werden muss. Wir hier können natürlich keine Vorschriften machen, aber Anregungen geben. Wir befinden
uns im Sport insgesamt in einer Umbauphase. Individualisierung und Kommerzialisierung nehmen genauso zu
wie die gewerblichen Sportangebote. Trotzdem ist festzuhalten, dass sich das ehrenamtliche Engagement weder
quantitativ noch qualitativ in einer Krise befindet; es geht
um die mangelnde Wertschätzung der Betroffenen. Mit
den Erhöhungen entsprechend unserer Initiative tragen
wir zu einer Aufwertung bei.
({12})
Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass wir glücklicherweise die Veränderung bei den Olympiastützpunkten zurücknehmen konnten, weil es neue Überlegungen
gibt. Es bleibt aber trotz alledem festzuhalten, dass der
Spitzensport weiterhin effizienter gestaltet werden muss
und dass auch über das eine oder andere Konzept neu
nachgedacht werden muss. Wir sind zu dieser Diskussion
bereit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Sportetat machen wir deutlich: Sportpolitik ist für uns
Gesellschaftspolitik - in unseren Tagen wichtiger denn je.
Der Sport ist bei Bundesinnenminister Otto Schily und bei
der Regierungskoalition in besten Händen.
({13})
Als
nächster Redner hat der Kollege Erwin Marschewski von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Feststellung, dass der terroristische Anschlag auf die
USA die Welt verändert hat, trifft die Wahrheit nicht vollständig. Im Etat des Bundesinnenministers jedenfalls hat
sich gegenüber dem Regierungsentwurf vom Sommer zu
wenig verändert. Inhaltlich und haushaltstechnisch - Herr
Schily, lassen Sie mich dies so drastisch sagen - ist der
Einzelplan noch von der Leichtigkeit des Sommers, nicht
aber von der notwendigen Ernsthaftigkeit des September
geprägt.
({0})
1,5 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen sollten für
mehr Sicherheit sorgen, aber nur ein Sechstel davon steht
für die innere Sicherheit bereit, leider nicht zur direkten
Verfügung des Bundesinnenministers. Ich befürchte, dass
die Bekämpfung des Terrors, einem Strohfeuer gleich,
bald wieder anderen Schwerpunkten weichen wird.
Herr Minister, Ihr Haushaltsgerüst war schon im Sommer nicht tragfähig. Sie haben eben nicht unsere Politik
der Effizienzsteigerung fortgesetzt, sondern sind einen
anderen Weg gegangen.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel, Herr Schily. Für die Bereitschaftspolizei in den Ländern wollten Sie mittelfristig
überhaupt keine Mittel mehr zur Verfügung stellen. Auch
wenn Sie jetzt die Kürzungen rückgängig machen, so
bleibt doch festzuhalten: Es waren Kürzungen von 60 Prozent geplant, Herr Bundesinnenminister. Das ist nicht gut
so, meine Damen und Herren!
({1})
Ein nächstes Beispiel. Beim Bundesgrenzschutz sollte
sogar die Zahl der Polizeivollzugsbeamten sinken - gering nur, aber immerhin - und die Auswirkungen sind
dramatisch. Zum Beispiel schlägt die Gewerkschaft der
Polizei in meiner Heimatstadt Recklinghausen Alarm. Sie
spricht dort vom Ausverkauf der inneren Sicherheit.
({2})
Dort reicht das Personal der BGS-Bahnpolizeiwache für
den Schutz der Bevölkerung tatsächlich nicht mehr. Im
Bundesbahngrenzschutzbezirk Essen sind 60 Prozent der
Wachen bereits komplett geschlossen worden. Herr Bundesinnenminister, das ist nicht in Ordnung.
({3})
In der „Welt“ steht, sie hätten - die dort genannte Zahl
wird wohl stimmen; andernfalls wird sich der Minister
gleich zu Wort melden - die Leitungsebene spürbar aufgebläht. Die „Welt“ zählte am 19. November 47 Stellen
gegenüber 31 Stellen im Jahr 1998. Herr Bundesinnenminister, innere Sicherheit verlangt mehr als bloße Worte.
Sie müssen die an Sie gerichteten Forderungen erfüllen.
({4})
Die tatsächliche Gesetzesausführung - darauf hat mein
Kollege Max Stadler immer wieder hingewiesen - wird
behindert und erschwert. Ich habe mehrfach die Forderung vorgetragen, endlich die strategische Fernmeldekontrolle bedarfsgerecht zu verbessern. Wir hätten die
Chance, Terroristen, die über Lichtwellenleiter Gespräche
führen, abzuhören. Wann wird dies endlich getan? Warum
haben Sie bei der Einführung des polizeilichen Fahndungscomputersystems INPOL ({5}) versagt? Meine
Kollegin Bonitz und ich glauben, dass die 17 Millionen
- ich weiß gar nicht, ob der Staatssekretär D-Mark oder
Euro meint - nicht ausreichen werden, Herr Schily.
({6})
In aller Ruhe möchte ich auf ein weiteres Beispiel hinweisen. Was ist mit der Einführung des Fingerabdrucksystems Eurodac, das zum Zwecke der Kontrolle von
Asylbewerbern geschaffen wurde? Seine Einführung
wurde zwar beschlossen, aber nicht vollzogen.
Herr Bundesinnenminister, Sie wissen ganz genau,
dass Atta und der aus Tschechien ausgewiesene Geheimdienstchef Iraks Al-Ani die Einschleusung von Terroristen als Asylbewerber geplant und durchgeführt haben. Ich
sage Ihnen: Wäre Eurodac in Betrieb, wäre zumindest
eine Aufdeckung dieses Gesetzesverstoßes möglich gewesen. Wann wird Eurodac eingeführt, Herr Bundesinnenminister?
({7})
- Herr Ströbele, Sie als Garant der inneren Sicherheit, das
ist wirklich ein Fest für mich. Das muss ich heute sagen.
({8})
Herr Bundesinnenminister, so werden Sie die innere
Sicherheit in unserem Lande nicht gewährleisten.
({9})
Kollegen der SPD, warum waren Sie im Ausschuss dagegen, den Personalbestand im Polizeivollzugsdienst des
Bundes bedarfsgerecht auszubauen? Warum waren Sie,
Günter Graf, dagegen, die Ausstattung der Polizeibeamten
mit Unterziehschutzwesten - es geht um die Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten - zu verbessern? Warum
haben Sie abgelehnt, die Zivilverteidigungsplanung bedarfsgerecht zu verbessern, was nötig wäre, meine Damen
und Herren der SPD?
Herr Kollege Marschewski, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Otto Schily?
Gern, natürlich.
Herr
Schily, bitte schön.
Herr Kollege Marschewski, Sie
haben Eurodac angesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass das
Eurodac-Verfahren bereits während der deutschen Präsidentschaft abgeschlossen wurde? Sie wissen, dass diese
Präsidentschaft in die erste Hälfte des Jahres 1999 fiel.
Die alte Bundesregierung hat nichts dergleichen zustande
gebracht. Wissen Sie, dass der Grund für die fehlende
Operabilität dieses Systems ein Streit ist, den nicht
Deutschland, sondern Frankreich zu vertreten hat? Frankreich vertritt die Auffassung, es dürfe nur ein Fingerabdruck genommen und kein Abrollverfahren durchgeführt
werden. Ist Ihnen dieser Sachverhalt bekannt? Halten Sie
es für richtig, der Bundesregierung die Verantwortung
dafür zuzuschieben?
Herr Bundesinnenminister, dieser Sachverhalt ist mir
natürlich bekannt. Das wissen Sie.
({0})
Sie wissen auch, dass Eurodac noch nicht eingeführt worden ist. Sie haben mir im Innenausschuss gesagt, das gehe
wirklich nicht. Eurodac muss eingeführt werden. Da sind
wir einer Meinung. Wer anders als Sie - die Opposition
etwa, der Bosbach oder der Marschewski? - muss Druck
machen? Sie sitzen am Hebel und müssen Druck machen,
damit dieses System wirklich greift und wir an die Terroristen herankommen, Herr Schily. Das ist das Problem.
Herr Kollege Marschewski, erlauben Sie eine zweite Zwischenfrage?
Bitte schön, ja.
Bitte
schön, Herr Schily.
Herr Kollege Marschewski, ist Ihnen bekannt - Sie haben den Namen Atta in dem Zusammenhang erwähnt -, dass sich das Eurodac-Verfahren auf
Asylbewerber und auf illegal sich in Deutschland oder in
anderen Ländern aufhaltende Personen bezieht
({0})
und mit dem Fall Atta insofern nichts zu tun hat? Ist Ihnen
das bekannt?
({1})
Ich habe bisher geglaubt, der Bundesinnenminister höre
immer zu. Das hat er bisher immer getan. Ich habe gesagt,
Herr Schily, dass Herr Atta und Iraks Geheimdienstchef
Al-Ani die Einschleusung von Terroristen als Asylbewerber geplant und durchgeführt haben. Es ist eine Sauerei,
dass wir nichts dagegen machen.
({0})
Meine Damen und Herren, warum haben Sie es im Innenausschuss abgelehnt, die Zivilverteidigungsplanung
bedarfsgerecht zu verbessern? Ich sage Ihnen: Die Zivilund Katastrophenschutzplanung muss ein Schwerpunkt
unserer Innenpolitik werden. Gerade in dem Bereich gibt
Erwin Marschewski ({1})
es eine ganze Menge Fragen. Da wären Sie wieder an der
Reihe, Herr Bundesinnenminister.
Frage eins: Was wollen Sie tun gegen die Freisetzung
von Chemikalien, von Krankheitserregern, von biologischen oder gar atomaren Kampfmitteln?
Frage zwei: Sind wir gerüstet gegen die Wirkung starker elektromagnetischer Felder oder gegen das Ausschalten unserer Kommunikationsstränge?
Frage drei: Sie haben durch die Presse publizieren lassen, dass eine Warnlücke geschlossen worden sei. Wann
treffen Sie endlich die technischen Voraussetzungen, damit sich zum Beispiel Radio- und Fernsehgeräte automatisch einschalten, um die Menschen vor Ort zu informieren, nicht nur die Rundfunk- und Fernsehanstalten? Wann
geschieht das?
({2})
- Ja, Sie hatten über eineinhalb Jahre einen Versuch laufen, der nun beendet ist. Das ist doch das Problem: Solche
Dinge müssen verbreitet werden, damit die Leute wirklich
gewarnt werden.
Die Schutzkommission beim Innenministerium - das
ist doch Ihre Kommission, Herr Schily, nicht meine! - hat
wörtlich gesagt, in den Kernbereichen des Zivilschutzes
seien nach wie vor erhebliche Gefahrenpotenziale. Das
war Ihre Kommission; ich habe nur die Informationen.
Ich glaube nicht, Herr Schily, dass durch die Auflösung
des Bundesamtes für Zivilschutz und durch die generell
stiefmütterliche Behandlung des Kastastrophenschutzes
in unserem Land in der Vergangenheit die richtigen Signale gesetzt worden sind. Nehmen Sie die Warnung und
Mahnung Ihrer Kommission ernst und schaffen Sie eine
tragfähige Neuregelung der Maßnahmen des Zivil- und
Katastrophenschutzes. Sie müssen die freiwilligen Helfer
motivieren, statt sie, wie es derzeit geschieht, zu entmutigen.
({3})
Dasselbe gilt für den öffentlichen Dienst. Sie haben
gesagt, wir sollten die Geschehnisse nicht ausnutzen. Wir
sind in unserer Fraktion - Wolfgang Bosbach hat es vorhin gesagt - für eine Gleichbehandlung von Pensionen
und Renten. Es darf aber keine Sonderopfer der Beamten
geben, Herr Minister.
({4})
- Die gibt es sehr wohl. Sie planen mit Ihrer Gesetzgebung Sonderopfer.
Ich wiederhole noch einmal das, was Wolfgang
Bosbach gesagt hat, weil es eindringlich werden muss. In
der Anhörung haben nahezu alle Sachverständigen gesagt, das Vorhaben sei ungerecht, das sei mit heißer Nadel
gestrickt. Es wird durch den Ausschuss durchgepaukt.
Heute hat der Innenausschuss beraten und nicht einmal
das Votum des Rechtsausschusses abwarten können. Die
Vorsitzende hat abstimmen lassen, obwohl sie wusste,
dass der Rechtsausschuss einstimmig, mit den Stimmen
aller Fraktionen, gesagt hat: Es ist ausreichend Zeit. Wir
müssen warten. Wir müssen darüber beraten. - Trotzdem
wurde dort ein entsprechender Beschluss gefasst.
({5})
Jetzt höre ich, morgen gebe es wieder eine Sondersitzung
von Innenausschuss und Rechtsausschuss. Das alles ist
mit heißer Nadel gestrickt, Herr Minister.
Der gestrige 25 000-fache Protest von Polizisten und
Soldaten sollte Ihnen nun wirklich zu denken geben. Die
Äußerung Ihres Staatssekretärs heute im Ausschuss dazu
war da nun wirklich nicht hilfreich: Er hat gesagt, die Beamten müssten „endlich die eigene Käseglocke verlassen“. Das sagen Sie einmal den Polizeibeamten, das sagen
Sie angesichts der jetzigen Situation in unserem Land einmal den Soldaten, Herr Bundesinnenminister.
({6})
Die Polizeibeamten sind auf der gestrigen Demonstration dafür eingetreten, Sie sollten - Zitat - „die innere und
äußere Sicherheit nicht kaputt sparen“. Sie wissen doch
auch: Alle Maßnahmen laufen ins Leere, wenn diejenigen, die letzten Endes den Kopf dafür hinhalten müssen,
durch Kürzungsmaßnahmen immer stärker betroffen
sind. Herr Bundesinnenminister, Sie sind kein Förderer
und kein Verteidiger des öffentlichen Dienstes. Das aber
wäre gerade jetzt nötig, insbesondere in Bezug auf die Beamten im einfachen und im mittleren Dienst.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das wir im Innenausschuss vor ein paar Tagen diskutiert haben. Es geht um
die so genannten Justizwachtmeister. Diese Leute müssen
ihre „Kundschaft“, das heißt Gangster, in den Gerichtssaal und wieder in die Zelle zurückbringen, auch thailändische Kickboxer. Sie bekommen 2 800 DM brutto.
({7})
Unsere Fraktion hat beantragt, den Leuten 70 DM im Monat mehr zu geben. Sie haben dies abgelehnt. Das ist unakzeptabel. Das ist auch unsozial, meine Damen und Herren von der SPD.
({8})
Herr Minister, Sie sind kein Förderer und kein Verteidiger
des öffentlichen Dienstes.
Sie sind auch keiner, der Zuwanderung nach Deutschland begrenzt. Ihr Zuwanderungsgesetz wird die Zuwanderung ungesteuert, zigtausendfach ermöglichen. Es
kommen nicht diejenigen, die die Wirtschaft braucht. Ich
weiß aus Gesprächen vor Ort, was auch Sozialdemokraten
sagen, wenn sie über dieses Gesetz informiert werden - bei
4 Millionen Arbeitslosen. Aber Koalitionstreue ist Ihnen
wohl wichtiger als alles andere.
Herr Minister, die Zuwanderung wird noch größer,
wenn das Asylrecht europäisch verändert und damit auf
den Kopf gestellt werden sollte. Ihr Zuwanderungsgesetz
ist wirklich ein Zuwanderungsgesetz und kein Gesetz der
Erwin Marschewski ({9})
Zuwanderungsbegrenzung. Deswegen können wir es zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht mittragen.
Was den Kampf gegen Kriminalität und was „law and
order“ anbetrifft, die Sie, Herr Minister, in Blair-Begeisterung auf Ihrem Nürnberger Parteitag zur neusozialdemokratischen Tugend erklärt haben, gebe ich Ihnen einen
Ratschlag: Realisieren Sie alles, was Sie ankündigen!
Dann haben Sie das erste Schrittchen, aber wirklich nur
das, in Richtung „law and order“ getan. Wenn Sie das getan haben, dann - davon bin ich überzeugt - ist Ihnen der
stürmische Beifall der Grünen und der Linken in Ihrer
Partei sicher.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat jetzt der
Kollege Dieter Wiefelspütz für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die von der Koalition verantwortete Innenpolitik ist in allen wesentlichen Bereichen
längst zu einem Qualitätsmerkmal sozialdemokratischer
und grüner Politik im Deutschen Bundestag geworden.
({0})
Nach vielen Jahren des Stillstandes, verursacht durch eine
frühere Bundesregierung, gibt es seit drei Jahren eine Innenpolitik, die von Entschlossenheit, von Verantwortung
und von Reformpolitik mit Augenmaß geprägt ist,
({1})
aber auch von Kontinuität, wo es angebracht ist.
Diese Innenpolitik hat auch ein Gesicht, ein Profil und
einen Namen. Die Rede ist vom Innenminister, Otto
Schily,
({2})
nicht immer ganz pflegeleicht, zum Glück auch noch
nicht in irgendeinen Gnadenstand der katholischen Kirche
erhoben,
({3})
aber überzeugend und leistungsstark. Das macht Ihnen
gerade Probleme. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das
müssen Sie zugeben, wenn Sie ehrlich sind.
({4})
Wir haben Ihnen das letzte Kompetenzfeld, das Sie geglaubt hatten gepachtet zu haben, das Kompetenzfeld
der inneren Sicherheit, weggenommen. Deswegen sind
Sie so nervös.
({5})
Deswegen gibt es solche Diskussionsbeiträge wie von
dem Kollegen Bosbach. - Wo ist er denn eigentlich? Wer
hier redet, sollte bitte schön bis zum Ende der Debatte dabei sein.
({6})
Deswegen gibt es solche Debattenbeiträge wie den von
dem Kollegen Marschewski, die bestenfalls haarscharf
neben der Sache sind,
({7})
statt in den Wettbewerb um die besseren Lösungen im Bereich der Innenpolitik einzutreten.
Die aufgeregte Reaktion aus den Staatskanzleien in
Hessen und Bayern hat dieselbe Begründung. Man hat
Sorge, dass nun auch die Innenpolitik ein Glanzpunkt sozialdemokratischer und grüner Politik ist. Das war vielleicht nicht immer so. Aber seit einiger Zeit kommt das
immer besser rüber.
({8})
- Herr Hohmann, auch in Fulda begreift man das langsam. - Man wird nervös und hektisch und fängt an, das
Parlament und die Öffentlichkeit ganz grob und fehlerhaft
zu informieren, billige Polemik zu üben und - das sage ich
noch einmal - bestenfalls an der Sache vorbeizureden,
statt hier um bessere Lösungen in wichtigen Fragen, die
uns alle berühren, zu ringen.
({9})
Ich sage noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen:
Die innere Sicherheit ist längst zu einem Gütesiegel rotgrüner Regierungspolitik geworden. Deswegen sind Sie
ja so nervös. Wir haben in kürzester Zeit umfassende Sicherheitspakete geschnürt und Gesetze auf den Weg gebracht. Nie zuvor ist es gelungen, in kürzester Zeit über
500 Millionen DM im Bereich der inneren Sicherheit sauber finanziert lockerzumachen.
({10})
- Ja, natürlich! Alles, was wir hier an Geld ausgeben,
muss doch finanziert sein. Wollen Sie Schulden machen?
({11})
Bei allem Respekt für diese Maßnahmen bin ich dafür,
dass sie sauber finanziert werden. Wir haben auch intern
darüber diskutiert, wie man das macht. Wollen Sie das auf
Pump machen? Wollen Sie da mogeln?
({12})
Erwin Marschewski ({13})
Da muss man dann in der Tat vor die Öffentlichkeit treten
und sagen: Jawohl, innere Sicherheit kostet auch Geld.
Deshalb müssen die Summen, die hierfür aufgebracht
werden müssen, sauber finanziert werden - nicht durch
Luftnummern, Luftbuchungen oder zusätzliche Schulden.
Wo ist denn da die Alternative?
({14})
Sie haben auch bei diesen Haushaltsberatungen - das
gilt nicht nur für die Union, sondern auch für andere Oppositionsparteien - erneut die unseriöse Politik betrieben,
kostenträchtige Anträge zu stellen, ohne einen
Finanzierungsvorschlag zu machen. Das ist, Frau Bonitz,
nicht seriös.
({15})
Erklären Sie uns einmal, wie Sie es rechtfertigen, kostenträchtige Änderungsanträge zum Haushalt zu stellen,
ohne auch nur einen Halbsatz oder ein Komma darauf zu
verwenden, wo das Geld für die Finanzierung solcher
Änderungsanträge herkommen soll.
Herr Kollege
Wiefelspütz, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bonitz?
Bitte schön, aber stellen
Sie sich darauf ein, dass ich sehr lange antworten werde,
Frau Bonitz.
({0})
- Vom Bundesinnenminister lernen heißt siegen lernen.
Also, Frau Bonitz, Sie haben das Wort.
({1})
Ich bleibe immerhin stehen, Herr Kollege. - Herr Wiefelspütz, darf ich daraus,
dass Sie hier von sauberer Finanzierung sprechen,
schließen, dass die zusätzlichen Gelder, die aufgrund der
Steuererhöhungen in zukünftigen Haushaltsjahren vereinnahmt werden, generell auch für mehr Sicherheit ausgegeben werden?
Ja, aber selbstverständlich. Wir werden das gemeinsam, Frau Bonitz, nachprüfen. Das ist nämlich unsere Pflicht als Parlamentarier. Wir
haben das Haushaltsrecht und werden uns sehr intensiv
darum kümmern. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür,
dass in der Eile nicht das erreicht worden ist, was der Bundesinnenminister, sein Staatssekretär, Sie und die SPDBundestagsfraktion wollen. Wir hätten das nämlich eigentlich am liebsten schon jetzt im Einzelplan 06
verankert.
({0})
Das war so rasch nicht möglich, auch deswegen nicht,
weil Ihre Leute im Haushaltsausschuss das nicht anders
wollten.
({1})
Wir werden das aber Schritt für Schritt in den Bereich
des Haushalts des Innenministeriums überführen, weil es
selbstverständlich gute Gründe dafür gibt, zum Beispiel
im Hinblick auf Personal. Wer heute einen jungen
Bundesgrenzschützer einstellt, Frau Philipp, muss dafür
Sorge tragen, dass auch in 10 oder 15 Jahren das Geld für
seine Bezahlung da ist. Dieses können Sie nicht über den
Einzelplan 60 sicherstellen und daher muss das im Einzelplan 06 etatisiert werden. Als diejenigen, die für innere
Sicherheit Verantwortung tragen, werden wir das gemeinsam mit dem Teil der Bundesregierung, der für innere Sicherheit zuständig ist, durchsetzen.
({2})
Schon im nächsten Haushalt werden Sie die entsprechenden Auswirkungen feststellen. Ich bitte sehr darum,
dass wir das in dem Stil wie kürzlich im Innenausschuss
umsetzen. Oder wollen Sie aus diesem Bündnis der Vernunft in Bezug auf die Etatisierung von Ausgaben für die
innere Sicherheit ausbrechen? Ich denke, wir sind da auf
einem sehr vernünftigen Weg. Der Bundesinnenminister
hat jedenfalls unsere Unterstützung, wenn er sich darum
bemüht, dass dieses Geld nicht nur dieses eine Mal, sondern auch in künftigen Jahren ausgegeben werden kann,
und zwar in der Verantwortung des Bundesinnenministeriums; also für innenpolitische Aufgaben, Herr
Diller, zur Verfügung steht. Das ist geordnete Haushaltsführung. Dass es nach dem 11. September kaum anders zu
bewerkstelligen war, als es jetzt geschehen ist, dafür habe
ich durchaus großes Verständnis.
({3})
- Lieber Herr Marschewski, das hätten Sie nicht anders
gemacht. Allerdings muss man sagen: Sie haben es nie
verstanden, innerhalb kürzester Zeit 500 Millionen DM
für die innere Sicherheit bereitzustellen. Das ist eine Leistung dieser Bundesregierung.
({4})
Es tut mir Leid, Ihnen vorhalten zu müssen, dass Sie dazu
nicht in der Lage waren. Auch jeder Fachmann räumt ein,
dass die Koalition von CDU/CSU und FDP noch nicht
einmal ansatzweise das zustande gebracht hat, was wir im
Rahmen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes zustande
gebracht haben, und zwar mit Ströbele!
({5})
- Auf den Kollegen Ströbele lasse ich nichts kommen.
Auch ihm ist das Thema der inneren Sicherheit wichtig.
({6})
Ehre, wem Ehre gebührt: Mit dem Kollegen
Marschewski habe ich eine sehr weit reichende G-10-Novelle vereinbart, der Sie zugestimmt haben, Herr
Marschewski, weil es eine gute Sache war. An dieser
Stelle war der Kollege Ströbele ein sehr hilfreicher, sachverständiger und hartnäckiger Verhandlungspartner.
({7})
Die Verhandlungen haben zu vernünftigen Ergebnissen
geführt.
Es tut mir Leid, sagen zu müssen, dass Sie so etwas nie
zustande gebracht haben. Sie haben nur ein Gesetz auf den
Weg gebracht, das vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden ist. Wir haben es reparieren müssen und es
bei dieser Gelegenheit verbessert. In diesem Zusammenhang hat sich der Herr Kollege Ströbele sehr wohl Verdienste um die Rechtsgeschichte erworben. Das muss
doch einmal erwähnt werden.
({8})
Wir haben festzustellen: Die Bürgerinnen und Bürger
müssen sich nicht für ihren Anspruch auf innere Sicherheit entschuldigen. Es ist ein legitimer Anspruch der Bürger an den Staat. Dafür ist der Staat da. Wofür sonst soll
er da sein? Innere Sicherheit gehört zu seiner Kernkompetenz. Es ist gut, dass wir alle das inzwischen begriffen
haben. Entsprechende Maßnahmen müssen deshalb herunterbuchstabiert werden.
Allerdings darf es in diesem Zusammenhang keine Gespensterdebatten geben. Wir brauchen die innere Sicherheit nicht neu zu erfinden. Herr Uhl, auch in Bayern erfindet man das Rad nicht neu. Wir brauchen keine
Militarisierung der Innenpolitik.
({9})
Wir brauchen keine Militarisierung der inneren Sicherheit
und keine neuen Behörden. - Herr Koschyk, warum sind
Sie so müde?
({10})
Warum gähnen Sie bei einer solch interessanten Debatte?
Es ist eine Zumutung, Ihnen zuzuschauen.
({11})
Gehen Sie rechtzeitig ins Bett! - Wir wollen auch nicht
neue Behörden erfinden und ein neues Bundessicherheitsamt aufbauen, sondern bestehende Strukturen stärken.
Herr Koschyk, warum machen Sie solche Vorschläge? Es
geht doch darum, bewährte Strukturen zu stärken. Aber es
geht nicht darum, Scheindebatten zu führen.
Deswegen stocken wir bei der Personal- und Sachausstattung von allen relevanten Sicherheitsbehörden auf:
beim Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Bundesnachrichtendienst und beim Bundeskriminalamt, dessen
Zentralstellenkompetenz gestärkt werden soll. Wir stärken diese Behörden in ihrer Kompetenz, indem wir die
Personal- und auch die Sachausstattung verbessern. Das
bringt eine Sicherheitsdividende für uns alle. Wir sollten
deswegen gemeinsam handeln. Gegen solch einen vernünftigen Kurs kann doch kein vernünftiger Mensch etwas einzuwenden haben.
({12})
Nur weil die Maßnahme von Rot-Grün vorgeschlagen
wird, muss sie doch nicht automatisch schlecht sein. Ich
bitte Sie also sehr, sachlich zu bleiben.
Deutschland ist ein sehr freies, sehr sicheres und
weltoffenes Land. Daran soll sich auch in Zukunft nichts
ändern. Wir haben alle begriffen, dass Sicherheit und Freiheit ebenso wenig Gegensätze sind wie effektive Verbrechensbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit. Nach unseren
Grundsätzen gehören Verbrechensbekämpfung, Terrorismusbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit definitiv immer
zusammen.
({13})
Ich sage auch sehr freimütig: Innere Sicherheit ist kein
Monopol des Bundes. Dieser Meinung ist auch der Bundesinnenminister. Innere Sicherheit schaffen wir, Bund und
Länder, gemeinsam. Dafür haben wir eine außerordentlich
fähige Innenministerkonferenz, die segensreich arbeitet.
Ich will aber sehr deutlich sagen: Wir prüfen gerne,
welche Vorschläge jetzt zu dem Entwurf eines Terrorismusbekämpfungsgesetzes aus dem Bereich der Länder
kommen. Es wird fair geprüft. Ich bitte aber sehr um Verständnis: Das, was wir für rechtsstaatliche Errungenschaften halten, das werden wir nicht zur Disposition stellen; das sage ich für die SPD-Bundestagsfraktion.
({14})
Die Befristung von Gesetzen ist nicht nur im Bereich
von Terrorismusbekämpfung wichtig. Dieses Instrument
sollten wir auch in anderen Bereichen viel häufiger nutzen.
({15})
Nach ein paar Jahren sollten wir schauen, ob es sachlich
richtig war, ein Gesetz beschlossen zu haben. Dann kann
man die Gültigkeit eines Gesetzes verlängern.
({16})
Wenn wir die Veranlassung sehen, zusätzliche Befugnisse und Kompetenzen für Nachrichtendienste zu schaffen - lieber Herr Ströbele, Nachrichtendienste sind notwendig; das sollten Sie sich merken -,
({17})
dann müssen wir zusätzliche parlamentarische Kontrollen
bei den Gremien einbauen, die dafür zuständig sind. Das
gebietet das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit; anderes ist
für uns nicht verhandlungsfähig.
({18})
Wenn man für Nachrichtendienste ist - sie werden in der
Welt, so wie sie ist, auch in Zukunft notwendig sein -,
dann brauchen wir eine umfassende parlamentarische
Kontrolle. Das scheint mir unstreitig zu sein. Darüber sind
wir nicht bereit zu diskutieren. Das ist für uns essenzielle
Rechtsstaatlichkeit.
({19})
Darüber hinaus gibt es beispielsweise den Vorschlag,
die Landesverfassungsschutzämter genauso zu stellen wie
das Bundesamt für Verfassungsschutz. Darüber muss
nach meiner Auffassung gesprochen werden können. Da
kann es keine Schieflage geben. Aber dann muss auch darüber gesprochen werden, Herr Uhl, dass in Bayern bzw.
in München die gleichen Mechanismen für die Kontrolle
von Diensten gelten, wie das hier in Berlin der Fall ist.
({20})
Also bleiben Sie da bitte auf dem gleichen Niveau, was
die rechtsstaatlichen Sicherungen angeht!
({21})
Lassen Sie mich noch kurz etwas - selbst 14 Minuten
Redezeit gehen fürchterlich schnell vorbei ({22})
zu dem Bereich der Zuwanderung sagen: Ich bin von der
Rede des Kollegen Bosbach sehr enttäuscht. Man könnte
auch sagen: verärgert; aber das will ich nicht sein.
({23})
Denn zum wiederholten Male - man redet sich den Mund
fusselig - wird die Öffentlichkeit falsch informiert.
({24})
Ich will es noch einmal versuchen: Dieses Land braucht
ein Zuwanderungsgesetz. Dieses Land braucht ein Gesetz, um die Zuwanderung im Interesse dieses Landes zu
steuern und um in den kommenden Jahren die Zuwanderung auch zu reduzieren. Wir brauchen ein Gesetz, um in
diesem Land mehr Integration zu schaffen.
({25})
Das ist doch Konsens. Sie haben immer bezweifelt, dass
Rot-Grün sich einigen wird. Wir haben Ihnen immer gesagt: Warten Sie es ab! - Wir haben uns geeinigt. Das ist
in einer Koalition nicht immer ganz einfach.
({26})
Jetzt beginnt der parlamentarische Prozess. Reden Sie mit
uns! Aber sprechen Sie nicht mit falscher Zunge, sondern
im Interesse dieses Landes - und bitte sachgerecht!
({27})
Ich finde es unverschämt, was zum Teil abläuft. Man
könnte Ihnen das CSU-Programm in Sachen Zuwanderung vorlegen, Herr Uhl, und Sie würden dem nicht zustimmen.
({28})
In der Staatskanzlei in München ist ein klares Nein gesprochen worden, weil man sich das Pulver trocken halten will. Ich finde es schändlich, dass Sie in einer Sache
von nationalem Interesse nicht zum Gespräch bereit sind.
({29})
Zum Glück gibt es ja den einen oder anderen im Bereich der Union, der das vielleicht anders sehen könnte,
({30})
wie beispielsweise Herrn Müller, den ich persönlich sehr
schätze, vielleicht auch Herrn Schönbohm. Warum sollte
Herr Schönbohm nicht belegen wollen, dass ich mich hinsichtlich seiner Haltung immer geirrt habe? Also, bitte
schön: Er wird die Gelegenheit zu einer sachlichen Debatte haben.
Ich sage Ihnen sehr deutlich: Ein Gesetz wird nur dann
zustande kommen, wenn sich auch legitime Interessen der
Union und der FDP wiederfinden. Das finde ich im Übrigen sehr gut; denn es ist ein Gesetz für ganz Deutschland
und muss für die Zukunft passend sein.
({31})
- Was haben Sie denn gegen die Grünen? Sie sind eine Regierungspartei. - Der Gesetzentwurf von Otto Schily, der
im Kabinett verabschiedet worden ist, ist kein rein rotgrüner Gesetzentwurf. Das muss doch einmal so gesagt
werden! In diesem Gesetzentwurf sind auch zahlreiche
Positionen der FDP und der Union wiederzufinden.
Herr Kollege
Wiefelspütz, ich muss Sie leider an die Zeit erinnern.
Ich komme sofort zum
Schluss. - Reden Sie mit uns darüber. Die heutige Debatte
und Ihre Debattenbeiträge machen sehr deutlich, dass es
zu dieser rot-grünen Innenpolitik zum Glück keine Alternative gibt.
({0})
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Der letzte Redner in
dieser Debatte ist der Kollege Hartmut Koschyk für die
Fraktion der CDU/CSU.
({0})
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr
Wiefelspütz, Ihre Rede hatte für mich zwei Elemente:
zum einen Heldenverehrungsepos für den Bundesinnenminister und zum anderen Ihre Zuwendung zu Herrn
Ströbele - Erfahrungen einer rot-grünen Selbsterfahrungsgruppe, die versucht, ein Stück gewonnene Gemeinsamkeit um des Machterhalts willen mit Zähnen und
Klauen zu verteidigen.
Ich möchte zwei, drei Punkte ansprechen, die Sie in Ihrer Rede genannt haben, lieber Herr Wiefelspütz. Die Präsidentin des Bundesrechnungshofs hat bei der Vorstellung
ihres Jahresprüfberichts für das Jahr 2000 zu Recht gesagt, dass es ein Armutszeugnis sei, wenn eine Regierung
wegen 3 Milliarden DM für ein Antiterrorpaket Steuern
erhöhen müsse. Das seien 0,6 Prozent des Haushalts und
es sei ein Armutszeugnis, wenn man dieses Geld nicht im
Haushalt selber erwirtschafte.
({0})
Recht hat die Präsidentin des Bundesrechnungshofs!
({1})
Lieber Herr Wiefelspütz, Sie brauchen nicht zu versuchen, Herrn Müller hier für sich zu vereinnahmen. Die Innenpolitiker unserer Fraktion haben nach der Vorlage Ihres
Paketes, Herr Minister Schily, eine sehr umfassende Aussprache mit Herrn Ministerpräsident Müller gehabt. Herr
Müller hat dort gesagt, was er auch öffentlich gesagt hat,
nämlich dass das, was Sie, Herr Minister Schily, vorgelegt
haben, für ihn in keiner Weise zustimmungsfähig sei,
({2})
weil es zu mehr und nicht zu weniger Zuwanderung
nach Deutschland führe.
({3})
Ich finde Ihre Aussage ein Stück unredlich. Ich glaube
nicht, Herr Minister Schily, dass Sie wirklich Partnerschaft wollen und wirklich um die Zustimmung von Herrn
Ministerpräsident Müller und der Union werben, wenn
Sie denjenigen, um dessen Zustimmung Sie werben,
falsch zitieren und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu vereinnahmen versuchen. Das ist unfair und deshalb hat es keinen Sinn, darauf zu hoffen, dass wir Ihnen
hier auf den Leim gehen.
({4})
Wenn Sie sich nicht bewegen und Ihr unzureichendes Angebot, das tatsächlich zu mehr und nicht zu weniger Zuwanderung nach Deutschland führt, nicht verändern, wird
es überhaupt keine Möglichkeit für eine Zustimmung der
Union geben.
Ich merke bei dieser Debatte auch, dass viele neue und
richtige Akzente, die Sie, auch im Haushalt 2002, in der
inneren Sicherheit setzen, letztendlich in vielen Bereichen
nicht voll durchdacht sind. Ich will das nur am Beispiel
der Stellenmehrungen für den Bundesgrenzschutz deutlich machen.
Sie führen jetzt in erheblicher Zahl Neueinstellungen
durch. Aber jeder Fachmann sagt Ihnen wie auch uns, ob
im Hauptpersonalrat oder bei den Gewerkschaften, dass
die Kapazitäten der Fort- und Ausbildung beim
Bundesgrenzschutz, deren Ausbau seit 1998 nur stockend
und sehr schleppend vorangekommen ist, für die neue
Lage nicht ausreichen. Wir haben diese neue Aus- und
Fortbildungsstruktur geschaffen und Sie haben seit 1998
nichts getan, um sie weiter fortzuentwickeln.
({5})
Das werden Sie jetzt spüren, weil die Ausbildungskapazitäten nicht ausreichen.
({6})
Man müsste jetzt auch darüber nachdenken, Herr
Minister Schily, wie man schnell wirkende Personalmaßnahmen entfaltet; denn die Neueinstellungen, die
Sie nun vornehmen, werden erst in vier bis fünf Jahren
wirken. Denken Sie doch bitte einmal darüber nach, den
so genannten grenzpolizeilichen Unterstützungskräften
({7})
das Angebot zu machen, in den mittleren Polizeivollzugsdienst zu gehen.
({8})
Machen Sie endlich ernst mit der Entlastung der Polizeivollzugsbeamten von polizeifremden Aufgaben und setzen Sie das Programm zur Umwandlung dieser Stellen in
Verwaltungsstellen um! Wir begrüßen, dass im Haushalt
doch das eine oder andere geschehen ist.
Herr Minister, Sie sollten nicht immer nur mit Zahlen prahlen, sondern auch einmal hören, was Ihnen
vom Hauptpersonalrat und von den Gewerkschaften
gesagt wird. Die vorgenommenen Stellenanhebungen
reichen nicht aus, um ein weiteres Ausbluten durch die
Gefahr, dass die Mitarbeiter zu den Länderpolizeien
gehen, weil die Tätigkeit und die Besoldung im BGS
nicht mehr als attraktiv genug empfunden werden, zu
verhindern. Das alles sind Dinge, die Sie sich vorhalten lassen müssen. Man sollte sich auch nicht so selbstgerecht vor das Parlament stellen und sagen, dass das,
was gemacht wurde, das Nonplusultra sei und es nichts
Besseres gebe.
Herr Wiefelspütz, ich habe es bedauert, dass Sie sich
mit keinem unserer Anträge - es handelte sich um sehr
substanzielle Anträge zum Thema BGS ({9})
im Innenausschuss auch nur ein wenig - ich will es so sagen - ernsthaft auseinander gesetzt haben.
Man muss auch einmal sagen, dass das ganze Haushaltsberatungsverfahren im Innenausschuss ein Skandal
war.
({10})
Es hat sehr lange gedauert, bis wir beratungsfähige Vorlagen erhalten haben, sodass sich die Kolleginnen und
Kollegen im Innenausschuss vor allem auch mit den Maßnahmen im Antiterrorpaket sachgerecht auseinandersetzen konnten. Das war ein Skandal. Ich glaube, dass
man den notwendigen überparteilichen Konsens bei der
inneren Sicherheit nicht erreichen kann, wenn man sie als
geheime Kommandosache betreibt und Angst davor hat,
dass sich die Union zeitgerecht und substanziell mit Ihren
Vorschläge auseinandersetzt.
Ich will auch noch etwas zum Thema INPOL ({11}) sagen. Ich glaube, dass hier das Bild falsch ist, andere hätten
das auf den Zug gesetzt. Vor einem Jahr habe ich
- auch aufgrund von Hinweisen von Fachleuten; auch aus
den Ländern - in der Haushaltsdebatte auf die Probleme
bei INPOL ({12}) hingewiesen. Lesen Sie einmal nach,
was Sie dazu gesagt haben! Sie haben es bagatellisiert.
Am 4.April dieses Jahres haben wir im Innenausschuss
darüber gesprochen. Sie haben auch dort so getan, als sei
alles in bester Ordnung. Wenn Sie schon bei dem Bild
bleiben wollen, dass andere dies auf den Zug gesetzt haben, dann muss ich sagen, dass Sie den Zug in den letzten
zwei Jahren schön weiter gewinkt und auf das falsche
Gleis haben fahren lassen. Sie haben die Notbremse nicht
rechtzeitig gezogen.
({13})
Sie müssen sich vorwerfen lassen, dass Sie vor einem Jahr
Warnungen hier im Parlament während der Haushaltsdebatte überhaupt nicht beachtet haben.
Insgesamt gesehen wollen wir nicht verkennen, dass
einiges zur Stärkung der inneren Sicherheit auf den Weg
gebracht worden ist. Das Bild, das unser Kollege
„Charly“ von Hammerstein am Anfang gebraucht hat,
dass wir eine kräftige Brühe erwartet und nur eine Wassersuppe vorgesetzt bekommen haben, ist aber richtig.
Deshalb werden wir dem Haushalt nicht zustimmen.
({14})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen.
Zunächst kommen wir zum Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der Ausschussfassung. Hierzu
liegen vier Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
FDP auf Drucksache 14/7577? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der FDP-Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion und der
PDS-Fraktion abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/7580? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist gegen die
Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/7583. Wer stimmt dafür? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.
Wir kommen jetzt zum Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/7593. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.
Schließlich und endlich kommen wir zur Abstimmung
über den Einzelplanung 06 in der Ausschussfassung. Wer
stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Einzelplan 06 ist gegen die Stimmen der CDU/CSUFraktion, der FDP-Fraktion und der PDS-Fraktion angenommen.
Wir kommen jetzt noch zur Abstimmung über den Einzelplan 33, Versorgung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 33 ist gegen
die Stimmen der PDS-Fraktion angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I. 15 auf:
I. 15 Einzelplan 17
Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend
- Drucksachen 14/7316, 14/7321 Berichterstattung:
Abgeordnete Antje-Marie Steen
Antje Hermenau
Heidemarie Ehlert
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner für die
CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Dr. Michael Luther. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die uns jetzt leider verlassen müssen, dies relativ schnell zu tun, und diejenigen, die der Debatte weiter folgen, jetzt Platz zu nehmen, damit Kollege Luther mit der entsprechenden
Aufmerksamkeit rechnen kann. Danke.
Herr Dr. Luther, bitte.
Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt der
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist bekanntermaßen ein Haushalt mit einem kleinen
Volumen. Trotzdem glaube ich, dass dieses Bundesministerium eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe
hat. Es ist sozusagen das Gewissen für die Familien, die
Senioren, die Frauen und die Jugend. Deshalb muss man
fragen: Mit welchen Impulsen, mit welchen Initiativen
wird die Bundesministerin dieser Aufgabe gerecht? Fragt
man die Menschen im Land, dann wird man nicht viel erfahren.
({0})
Ich möchte wetten, viele Menschen im Land wissen noch
nicht einmal, wie die Ministerin heißt.
Lassen Sie mich auf einige wenige Schwerpunkte eingehen, die man im Haushalt trotzdem zu setzen versucht
hat. Als erstes komme ich zu dem Punkt, der mich besonders bewegt - ich habe das auch in den Haushaltsberatungen deutlich gemacht -: Das ist der Wunsch, insbesondere
den Rechtsradikalismus in den neuen Bundesländern
zu bekämpfen. Dieser Titel unterstellt, dass es Rechtsradikalismus nur in den neuen Bundesländern gäbe. Das ist
schlecht für die neuen Bundesländer und zudem falsch.
Noch viel schlimmer ist, wie die Bundesministerin, wie
das Haus diesen Haushaltstitel im Deutschen Bundestag
begründet hat. Ich will das zitieren. Ich habe das schon in
Haushaltsausschuss gesagt.
({1})
Das macht aber das Denken der Ministerin deutlich. Es
wird vom Fehlen jeglicher demokratischer Traditionen
auf dem Gebiet der neuen „Länder“ gesprochen - hier
denke ich an die Herbstrevolution und an die neue Volkskammer, die dann gewählt worden ist - oder von der
„vollkommen unbearbeiteten Geschichte des nationalsozialistischen Genozids an den Juden“. Im Geschichtsunterricht der DDR wurde sicherlich vieles unterlassen und
vieles falsch gesagt; man kann aber nicht behaupten, dass
über den Nationalsozialismus nicht geredet worden sei.
Noch viel schlimmer ist eine andere Unterstellung. In
dem Papier des Ministeriums wird behauptet, dass es
„strukturell äußerst fremdenfeindliche Verhältnisse in der
DDR“ und damit in der Fortsetzung dieses Gedankens
jetzt in den neuen Bundesländern gäbe. Man stelle sich
das einmal vor und lasse sich das auf der Zunge zergehen!
Wenn in der Öffentlichkeit von „strukturell äußerst fremdenfeindlichen Verhältnissen“ geredet wird und wenn ich
dort das zu erwarten habe, was die Bundesministerin
denkt, welche Investoren will ich dann noch in die neuen
Bundesländer bewegen?
Sie haben dieses Papier in den Haushaltsberatungen,
Gott sei Dank, zurückgezogen. Eigentlich hätten Sie aber
anders reagieren müssen. Sie hätten nicht nur das Papier
zurückziehen müssen, Sie hätten auch diesen Haushaltstitel zurückziehen müssen.
({2})
Ich empfehle Ihnen, einmal eine Analyse über dieses
Thema zu lesen. In der Beilage zur Wochenzeitung „Das
Parlament“ vom 9. November 2001 - wenn Sie das nicht
haben sollten, kann ich es Ihnen gerne geben - ist ein Beitrag von Walter Friedrich zu lesen. Er hat sehr deutlich analysiert, dass es eben nicht an der DDR lag, dass wir heute
strukturelle Probleme auf diesem Gebiet haben, sondern
dass es am Strukturwandlungsprozess liegt, der nach dem
Zusammenbruch der DDR, nach der friedlichen Herbstrevolution, unvermeidlich war. Das bedeutet, dass man mit
anderen Maßnahmen reagieren muss, wenn man dem Phänomen etwas entgegensetzen will. Die logische Schlussfolgerung einer solchen Analyse wäre nämlich, dass man
viel mehr tun müsste, um den Aufbau Ost voranzubringen
und die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.
({3})
Sie als Bundesregierung unternehmen etwas gegen Jugendarbeitslosigkeit. Sie zahlen nämlich eine Abwanderungsprämie für junge Menschen, die dann Arbeit in den
alten Bundesländern finden sollen, und verstärken gleichzeitig - aber das haben Sie vielleicht noch gar nicht gemerkt - die strukturellen Probleme, die Sie selber beklagen. Sie machen genau das Falsche. Zum Schluss
bezeichnen Sie noch mit Ihrer Aussage, dass Sie den
Rechtsradikalismus in den neuen Bundesländern bekämpfen wollen, die neuen Bundesländer generell als rechtsradikal.
({4})
Damit hat die Ministerin ihren Beitrag geleistet, um
von einem Aufschwung Ost zu einem Abschwung Ost zu
kommen. Zumindest das ist dieser Bundesregierung gelungen. Als Lobbyist für die Jugend in den neuen Bundesländern haben Sie demzufolge völlig versagt.
Zweites Thema: Deutsch-Polnisches Jugendwerk.
Auch dies liegt mir besonders am Herzen.
({5})
Die Aussöhnung von Deutschen und Polen ist ein Thema,
das 40 Jahre lang nicht behandelt worden ist. Diese ist
jetzt auf den Weg gebracht worden. Das Deutsch-Französische Jugendwerk hat hier Vorbildliches geleistet, dient
als Vorbild und sollte auf das Deutsch-Polnische Jugendwerk übertragen werden.
Aber: Der Bundeskanzler hat am 18. Juni dieses Jahres
zugesagt, dass die Bundesregierung 1 Million DM mehr
für das Deutsch-Polnische Jugendwerk ausgeben will.
({6})
Im Haushaltsentwurf war diese Million nicht zu finden.
({7})
Dann hat uns der polnische Botschafter, Dr. Kranz, in einem Brandbrief seine Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, ob man sich an diese Zusage nicht erinnert, und
mitgeteilt, die Polen hätten ihre Hausaufgaben gemacht
und 6,3 Millionen DM bereitgestellt.
({8})
Erst in der Haushaltsberatung ist die Zusage erfüllt worden. Gleichzeitig aber haben Sie den Haushaltstitel qualifiziert gesperrt.
({9})
Da frage ich mich, was das soll.
Wenn Sie gerade in dieser Frage Vertrauen fördern
wollen, dürfen Sie nicht hingehen, die Zusage, die der
Bundeskanzler - wahrscheinlich ohne Rücksprache mit
den Haushältern - in Polen gemacht hat, erfüllen und
gleichzeitig den Titel sperren. Wie soll da eine ernsthafte
Arbeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerks stattfinden?
Ich meine, dass die Bundesministerin auch hier ihre Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
({10})
Es gibt noch mehr Dinge, die ich als Haushälter ansprechen kann, so das Sprachkonzept für Zuwanderer.
Das für dieses Jahr zugesagte Sprachkonzept kommt dieses Jahr nicht zustande. Das ist wieder eine verpasste
Chance.
Ein weiteres Thema ist, dass der Zuschuss für die Betreuung von Spätaussiedlern, organisiert über Wohlfahrtsverbände, Vertriebenenverbände usw., zurückgeht. Dies
sind wichtige Punkte, die notwendig sind, um die Integration - ein wichtiges Ziel in unserem Land - zu verbessern. An diesen Punkten setzen Sie programmatisch keine
Schwerpunkte.
Das letzte Thema, das ich aus meiner Sicht ansprechen
möchte, ist das Erziehungsgeld. Ich möchte Ihnen sagen,
was der Reihe nach passiert ist: Der Haushaltsansatz belief sich auf 3,52 Milliarden Euro. In der Einzelplanberatung wurden 62 Millionen Euro weniger eingestellt. Dann
gab es noch eine Bereinigungsvorlage, mit der nochmals
3,7 Millionen Euro weniger eingestellt wurden. Was
schließe ich daraus?
({11})
- Innerhalb von wenigen Wochen kommen Sie zu diesen
Erkenntnissen? Denn dies ist alles in wenigen Wochen
passiert.
In den Haushaltsberatungen frage ich: Haben Sie überhaupt einmal Ihr Haushaltsreferat gefragt, ob es überhaupt
in der Lage ist, einen vernünftigen Haushalt aufzustellen.
Schließlich wollten Sie es zweimal ändern. Auf der anderen Seite sind dadurch 62 Millionen Euro frei geworden.
Sie müssen ja auch die Programme, so zum Beispiel zur
Bekämpfung des Rechtsradikalismus, finanzieren. Dieses
Geld ist dann dort eingestellt worden. Ist es etwa als eine
Finanzierungsreserve begriffen worden, um letztendlich
Ihre Spielwiesen an Programmen finanzieren zu helfen,
({12})
um Ihre Klientel, die Sie im Wahljahr 2002 beruhigen
wollen, entsprechend beruhigen zu können? Das ist die
Frage, die ich an dieser Stelle in den Raum stellen möchte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sollte für
diese Gruppen eintreten, sollte Initiativen ergreifen, um
letztendlich das gesellschaftspolitische Gewissen darzustellen. Der Haushalt 2002 tut dies nicht. Wir können
dem Haushalt nicht zustimmen.
({13})
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt die Kollegin Antje-Marie Steen.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Luther, in gewohnter
gemeinsamer Arbeit, die wir geleistet haben, werde ich
Ihnen zu Ihren einzelnen Fragen, die Sie gestellt haben,
im Laufe meiner Rede Antwort geben.
Mit dem Entwurf des Einzelplans 17 für das Haushaltsjahr 2002 setzen wir auch im dritten Jahr unserer Regierungsverantwortung den Haushaltskonsolidierungskurs, aber auch den Abbau des Reformstaus fort, den wir
bei der Regierungsübernahme vorgefunden haben.
({0})
Besonders der Bereich der Familien-, Frauen- und Jugendpolitik war durch Stillstand und Mittelkürzung geprägt. Wir messen der Familienpolitik einen zentralen
Stellenwert in der Gesellschaft bei.
({1})
und wir handeln danach. So sehen wir im Jahr 2002 im
Rahmen der Familienförderung eine Steuersenkung von
2,5 Milliarden Euro vor, die Familien mit Kindern weiter
entlasten wird.
({2})
Die familienpolitischen Leistungen finden nicht nur
im Einzelplan 17 Ausdruck, sondern - daran möchte ich
Sie erinnern - haben zusätzlich durch das Familienleistungsgesetz, die Neufassung der Elternzeit, die deutliche
Erhöhung des Kindergeldes, die bessere Berücksichtigung von Erziehungszeiten bei der Rente, die BAföGAufstockung
({3})
und die Wohngeldregelung einen wesentlichen Sprung
nach vorn gemacht. Allein die steuerlichen Auswirkungen
familienpolitischer Maßnahmen werden in 2002 insgesamt 52,3 Milliarden Euro für die Familienförderung ausmachen.
({4})
Zur Erinnerung: 1997 waren es gerade einmal 39 Milliarden Euro.
({5})
Seit ihrem Antritt im Jahre 1998 wird die rot-grüne Bundesregierung die familienpolitischen Leistungen und
Steuerleichterungen bis zum Jahr 2002 somit um rund
12,3 Milliarden Euro erhöht haben. Wir verbessern
Rahmenbedingungen, anstatt den Deckmantel eines, wie
Sie es gerne wollen, CDU-Familiengeldes auszubreiten.
Damit machen Sie es sich wirklich zu einfach, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU. Uns fehlen Ihre
Deckungsvorschläge, wie die Ausgaben in Höhe von circa
30,7 Milliarden Euro finanziert werden sollen. Oder wollen Sie weiter das von Ihnen praktizierte Verfahren der
Neuverschuldung ausweiten?
({6})
Wir als Koalition bleiben besser bei unserer Familienförderung, die bereits heute für die Familien wirksam wird.
({7})
Für uns ist eine Politik der sozialen Ausgewogenheit
wichtig. Diese spiegelt sich besonders in Kap. 1702, also
den Allgemeinen Bewilligungen, wider. Umso erfreulicher ist es, dass hier keine Einschnitte erfolgten und dass
es insgesamt sogar zu einer wesentlichen Schwerpunktsetzung durch Umschichtungen in Höhe von 35 Millionen Euro kam. Hinter diesem Titel stehen die Politikbereiche, die man zu Recht als ein rot-grünes Herzstück
bezeichnen kann: eine zukunftsorientierte Politik für die
Jugendlichen, eine Politik zur Entlastung der Familien,
eine moderne Gleichstellungspolitik
({8})
und eine Politik, die die Zivilgesellschaft stärkt.
Der ursprüngliche Ansatz für das Erziehungsgeld in
2002 - Herr Dr. Luther hat das eben schon gesagt - wird
trotz verbesserter Voraussetzungen, die wir bereits im
letzten Jahr geschaffen haben, für den Bezug von Erziehungsgeld nicht voll ausgeschöpft werden, weil unter anderem die Geburtenrate weiter rückläufig ist.
({9})
- Ich will es Ihnen gerne erklären.
({10})
Das verdeutlicht, dass nicht nur finanzielle Anreize für die
Lebensplanung junger Familien vorrangig sind, sondern
insgesamt soziale und gesellschaftliche Verbesserungen
erforderlich werden, um ihnen die Entscheidung für Kinder zu erleichtern.
({11})
Benachteiligt sind Familien in der Vereinbarkeit von
Beruf und Kindererziehung nach wie vor durch den großen
Fehlbedarf an ganztätigen Betreuungsangeboten wie Kindergärten, Horten, Krippen oder Ganztagsschulen.
({12})
Es bleibt aber im Verantwortungsbereich der Länder, für
eine bessere Infrastruktur bei den Betreuungsangeboten
zu sorgen.
({13})
Die Bundesregierung nimmt Jugendliche als Partner
ernst. Das verdeutlicht sie mit dem Regierungsprogramm
„Chancen im Wandel“ und der „Bundesinitiative Beteiligungsbewegung“. Mit dem ressortübergreifenden Zehnpunkteprogramm verpflichtet sich die Bundesregierung
zu einer aktiveren Jugendpolitik. Das hätte ich mir in den
vergangenen Jahren von Ihnen gewünscht.
({14})
Zu Recht kann man sagen, dass dieser Haushaltsentwurf
im Zeichen der Jugend steht. So erfährt gerade die Titelgruppe im Bereich der Jugendpolitik für 2002 eine deutliche Erhöhung von 56,5 Millionen Euro gegenüber 2001.
Das sind für das ganze Kapitel insgesamt 23,7 Prozent
mehr. Ich denke, das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann. Wir haben auch die entsprechende Motivation,
diese Leistung deutlich zu machen.
Bereits für 2001 haben wir angesichts des erschreckend anwachsenden Potenzials gewaltbereiter und
fremdenfeindlich gesinnter Jugendlicher ein Sonderprogramm gegen Gewalt und Rechtsextremismus aus
Sondermitteln aufgelegt. Der vorliegende Entwurf enthält
jetzt einen eigenen Titel in Höhe von 10 Millionen Euro,
um das ursprünglich nur einjährig ausgelegte Programm
„Jugend für Demokratie und Toleranz“ zu verstetigen.
({15})
Außerdem können in Zukunft aus diesem Titel auch kleinere lokale Netzwerke gefördert werden.
Ähnlich erfolgreich erwiesen sich die Modellprojekte
„Civitas-Initiativen gegen Rechtsextremismus und für die
Beratung von Opfern rechtsextremer Gewalttaten in den
neuen Bundesländern“. Herr Kollege Luther, entgegen Ihrer Kritik, ein Programm extra nur für die neuen Bundesländer würde eine Negativwirkung auslösen und die
neuen Länder stigmatisieren, sind die Mittel aus diesen
Programmen sehr schnell abgeflossen und umgesetzt
worden. Civitas hat sich besonders auf die Stärkung der
zivilgesellschaftlichen Strukturen im Gemeinwesen konzentriert. Das können wir alle doch nur begrüßen. Um der
großen Nachfrage Rechnung zu tragen und die Fortsetzung der Maßnahmen zu sichern, wird der Ansatz für
diese beiden Programme um jeweils 2,5 Millionen Euro
erhöht, damit also verdoppelt.
({16})
Unberührt kann uns nicht lassen, dass noch immer eine
starke Abwanderung von Jugendlichen aus den neuen
Bundesländern stattfindet. Diese Entwicklung stellt viele
Regionen in Ostdeutschland vor große Probleme. Wir
möchten mit dem Wettbewerb „Jugend bleibt!“ zu einer
Ideenbörse anregen, wie größere Chancen für die Jugendlichen vor Ort hinsichtlich der Verbesserung der Attraktivität ihrer Region entwickelt werden können. Wir
versprechen Jugendlichen zwar keine blühenden Landschaften. Aber wir wollen sie ermuntern, zusammen mit
Wirtschaft und Politik vor Ort neue Perspektiven zu
entwickeln.
Nicht nur neue Modelle und Projekte stehen auf unserer Agenda, sondern auch die Verstetigung und Evaluierung erfolgreicher Maßnahmen. Zu diesen gehört das
Programm „Entwicklung und Chancen junger Menschen
in sozialen Brennpunkten in Städten und ländlichen Räumen“, dessen Ansatz von 1,5 Millionen Euro auf 11,5 Millionen Euro erhöht wird. Es werden also 10 Millionen
Euro draufgelegt.
({17})
Es lohnt sich, die Bilanz der bisherigen Maßnahmen, die
aus diesem Programm finanziert werden, anzusehen. Uns
ist es als Koalition allerdings wichtig, dass zu den bereits
bestehenden Maßnahmen neue und zusätzliche Angebote
gemacht werden können, die bisher nicht im Maßnahmenkatalog waren.
Außerordentlich erfreulich ist, denke ich, das große
Engagement junger Menschen im Rahmen der Freiwilligendienste. Mit der angestrebten Novellierung der gesetzlichen Bestimmungen für die Freiwilligendienste sollen die Einsatzfelder für das freiwillige soziale Jahr und
das freiwillige ökologische Jahr neu geregelt und um zusätzliche Bereiche wie zum Beispiel Kultur, Sport und
Denkmalpflege erweitert werden. Zusätzlich spielen die
Flexibilisierung der Dauer des Dienstes, die Ausweitung
auch auf das außereuropäische Ausland und die Änderung
des Mindestalters sowie die Ausstellung eines Zeugnisses
mit Aufnahme berufsqualifizierender Elemente eine
große Rolle. Im Haushalt 2002 sind die Haushaltsmittel
von 11,1 Millionen Euro um 5 Millionen Euro aufgestockt
worden, damit auch auf die zu erwartende erhöhte Nachfrage reagiert werden kann.
Nachdem wir bereits in den Vorjahren im Zivildienst
eine Verkürzung der Dienstzeit auf zehn Monate und eine
Angleichung des Soldes für die Zivildienstleistenden vorgenommen haben, scheint mir die Öffnung bzw. die
mögliche Verzahnung der Zivildienstableistung bei Freiwilligendiensten interessant und auch ein Angebot an diejenigen zu sein, die Zivildienst leisten wollen. Anstelle
des Zivildienstes können also anerkannte Kriegsdienstverweigerer auch ein freiwilliges soziales oder ein ökologisches Jahr neuerer Prägung ableisten.
({18})
Ich begrüße das sehr, da sich damit das Aufgabenspektrum für jüngere engagierte Menschen deutlich erweitert.
Nur wer die Sprache beherrscht, kann als Aussiedler,
Ausländer, Flüchtling oder Asylsuchender in der Gesellschaft Fuß fassen. Ich freue mich, dass die Diskussion
über das Sprachkonzept abgeschlossen ist und es sich
auf dem Wege der Umsetzung befindet. Mit der Neustrukturierung der Sprachförderung, die den individuellen
Bedarf in den Mittelpunkt stellt, werden wir ab 2003 einer größeren Nachfrage nach dem Erwerb der deutschen
Sprache nachkommen können. Wir gehen davon aus, dass
bis zu diesem Zeitpunkt auch das neue Zuwanderungsgesetz greifen wird, sodass das reformierte Sprachkonzept
ein wichtiger Baustein in einem umfassenden Integrationskonzept sein kann.
({19})
Um besondere Elemente aus diesem Gesamtkonzept
schon im Jahre 2002 modellhaft erproben zu können, stellen wir für dieses Haushaltsjahr zusätzlich 5 Millionen Euro zu den bisherigen Haushaltsmitteln von
141,6 Millionen Euro ein.
Neben dem Spracherwerb sollen aber auch sozialpädagogische Begleitung und Hilfestellung angeboten
werden, um den Erfolg des Integrationsprozesses zu erhöhen. Selbstverständlich gehört für uns auch eine Kinderbetreuung während der Teilnahme an Sprachkursen dazu.
Im Interesse eines zusammenwachsenden Europas
sind der Austausch und das gegenseitige Kennenlernen
der Kinder und Jugendlichen über die Grenzen hinweg ein
unschätzbarer Faktor.
({20})
Die Arbeit zum Beispiel der Jugendwerke mit Frankreich und Polen, aber auch andere Formen multinationaler Begegnung sind unverzichtbare Elemente auf dem
Weg zur Völkerverständigung.
({21})
Exemplarisch verbinden wir mit dem Haushalt 2002 diesen europäischen Gedanken ganz nachdrücklich durch
eine Verstärkung der Mittel für das Deutsch-Polnische Jugendwerk um insgesamt 500 000 Euro im Vergleich zu
2001. Ich hoffe, dass der Kollege Dr. Luther nun beruhigt
ist, dass wir hier keine Kürzung vornehmen. Zu den Haushaltsvermerken möchte ich mich nicht äußern. Sie kennen
den Grund dafür genau. Das hat nichts damit zu tun, dass
die Arbeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes eingeschränkt oder in ihrem Wert gemindert werden soll.
({22})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden nicht nur
über Gleichstellung und Chancengleichheit von Männern und Frauen, sondern wir haben mit dem Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz im öffentlichen Dienst und
dem Betriebsverfassungsgesetz wesentliche Maßnahmen
in der Frauen- und Familienpolitik in Angriff genommen.
({23})
Mit der Vereinbarung über Chancengleichheit, die die
Bundesregierung am 2. Juli mit den Spitzenverbänden der
deutschen Wirtschaft getroffen hat, haben wir eine gute
Arbeitsgrundlage, um bessere gleichstellungspolitische,
aber auch familienfreundliche Rahmenbedingungen in
der Privatwirtschaft zu schaffen. Sie sieht die Formulierung verbindlicher und überprüfbarer Zielsetzungen zur
Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor. Die SPD-Fraktion und sicherlich auch die Fraktion der Grünen wird sehr
genau prüfen, ob die Eigeninitiative der Privatwirtschaft
ausreicht. Anderenfalls behalten wir uns vor, eine gesetzliche Regelung vorzulegen.
({24})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist der letzte Entwurf des Einzelplans 17, den ich Ihnen als Hauptberichterstatterin heute vorlege und zur Beschlussfassung empAntje-Marie Steen
fehle. Ich werde dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören. Deshalb möchte ich die Gelegenheit zu einem
Dank nutzen. Zunächst danke ich meinen Kolleginnen
und Kollegen Mitberichterstattern für die gute und konstruktive Zusammenarbeit. In diesen Dank schließe ich
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums
ein, besonders aber „mein“ Haushaltsressort unter der bewährten Leitung von Herrn Nücken. Sie alle haben mir
meine Aufgabe erleichtert - eine Aufgabe, in deren Mittelpunkt die Familie als Kern des Gemeinwesens steht und
die für meine politische Arbeit immer ganz wichtig war.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({25})
Wir hoffen aber alle,
dass dies noch nicht Ihre letze Rede war, sondern dass wir
Sie hier noch einige Male hören können.
({0})
Jetzt spricht die Kollegin Ina Lenke für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Wir beraten, wie Frau Steen gesagt hat, zum
letzten Mal von dieser Regierung den Einzelplan 17 des
Familien- und Frauenministeriums.
({0})
Gemessen an den großartigen Ankündigungen von 1998,
als Frau Steen den ersten Haushalt eingebracht hatte, haben Sie drei Jahre lang kleine Brötchen gebacken. Wie
schön Sie das Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft
verpackt haben, zeigt, dass Sie aus der Mücke einen Elefanten gemacht und das Defizit zum Erfolg hochgelobt haben. Wer sich da auskennt, weiß, dass das ganz anders ist.
({1})
Meine Damen und Herren, in der Frauenpolitik haben
Sie Gesetze produziert, besonders neue Schutzgesetze für
Frauen. Ich sage Ihnen: Das sind Bumerang-Gesetze,
({2})
die den Frauen mehr Schaden als Nutzen bringen werden:
Das Gesetz zum Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit wird
zur Folge haben, dass bei der Einstellung künftig Männer
bevorzugt werden, da sie in geringerem Maße als junge
Frauen nach einem halben Jahr Anstellung Teilzeit in Anspruch nehmen. Der heutige Kommentar in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zeigt die Richtung auf und
belegt, dass dieses Gesetz wie ein Bumerang wirken wird.
Auch die Senkung des Schwellenwertes beim Kündigungsschutz ist ein Einstellungshindernis besonders in
kleinen Betrieben.
({3})
Wer mehr als fünf Mitarbeiter einstellt, muss sich bei
Kündigungen vom Staat hineinreden lassen.
({4})
- Natürlich, das ist eine frauen- und familienpolitische
Debatte. Genau um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht es.
({5})
Ich sage Ihnen: Junge, qualifizierte Frauen wollen
keine Schutzzäune, die sie letztlich davon ausgrenzen,
dass sich der Unternehmer dafür entscheidet, sie einzustellen.
({6})
Erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik für Frauen zielt auf
einen deregulierten Arbeitsmarkt und eine liberale Mittelstandspolitik, die Lust auf Personaleinstellungen macht.
Rot-Grün hat uns in Europa hinsichtlich des Wirtschaftswachstums auf einen der letzten Plätze verwiesen.
({7})
Die Arbeitslosenrate steigt. Auch Sie sagen doch, dass die
Leidtragenden höherer Arbeitslosigkeit die Frauen sind.
Hier liegen die großen Versäumnisse der rot-grünen Regierung.
({8})
Sie verkünden einen neuen Aufbruch in der Frauenpolitik.
Durch diese Bumeranggesetze haben Sie meines Erachtens eine Bauchlandung geschafft.
({9})
Besonders schön hat der Bundeskanzler die Wichtigkeit Ihres Ressorts in dieser Koalitionsregierung auf den
Punkt gebracht.
({10})
- Ach so, Sie wollen nicht hören, was der Bundeskanzler
auf dem Parteitag gesagt hat? Ich kann es Ihnen gern vortragen.
Während Sie, Frau Bergmann, Gender Mainstreaming zum Durchbruch verhelfen wollen, erklärt Ihr Bundeskanzler mal so nebenher, wie es geht. In aller Ruhe
führt er auf Ihrem Parteitag aus, dass er Gender
Mainstreaming als Begriff doch etwas sperrig finde. Damit erteilt er Ihren politischen Vorstellungen meines Erachtens eine Generalabsage. Das macht er im frauenpolitischen Bereich besonders gern. Hat er nicht einmal von
„Familienpolitik und sonstigem Gedöns“ gesprochen? Insofern haben Sie bei Ihrem Kanzler noch Nachholbedarf.
Meine Damen und Herren, wegen des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 1998 mussten Sie nachlegen.
({11})
Sie haben das nicht freiwillig gemacht. Sie blieben aber
für Familien an der unteren Grenze. Es kam noch besser.
Das zweite Familienfördergesetz, von dem Sie so lobend
gesprochen haben, hat eine Kindergelderhöhung von
30 DM gebracht, die die Familien auch noch selbst finanzieren mussten, denn es hat Umschichtungen von Familie
zu Familie je nach deren Struktur gegeben.
({12})
Den Familien wurde der Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende gestrichen. Ebenso wurden ordentliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Haushalt durch
die Streichung des ach so beschimpfenswerten Dienstmädchenprivilegs gestrichen. Ebenso haben Sie den Ausbildungsfreibetrag für Kinder, die auswärts studieren, zusammengestrichen.
Ihre Familienpolitik, wie sie sich in diesem und in anderen Gesetzen niederschlägt, ist nur ein Verschiebebahnhof. Wenn Sie sich den Leitantrag der SPD zu ihrem Parteitag richtig durchlesen, dann erkennen Sie, dass Sie
zum Bereich der Kinderbetreuung keine Aussage getroffen haben. Hier höre ich von Frau Steen, dass Sie das alles auf die Kommunen und auf die Länder abschieben.
({13})
- Sicher sind Sie dafür zuständig. Aber Frau Bergmann
hat zu Beginn der Legislaturperiode versprochen, dass sie
auf diesem Gebiet etwas tun wird. Diese Zusage hat sie
nicht eingehalten.
({14})
Ich will noch einmal kurz auf die Grünen eingehen. Ich
muss ihnen ein Lob zollen. Auf dem Parteitag der SPD ist
die Familienpolitik ein bisschen nach hinten gerückt
worden.
({15})
Im krassen Gegensatz dazu steht der Koalitionspartner.
Die Grünen hatten auch gerade einen Parteitag. Sie hatten
mehr mit dem Umfallen zu tun, als dass sie etwas für die
Familienpolitik tun konnten.
({16})
Das war kein Thema auf deren Parteitag.
Meine Damen und Herren, ich will noch etwas zu unseren Vorstellungen von Vereinbarkeit von Familie und
Beruf sagen.
({17})
Wir sehen diese als zentrales Ziel liberaler Frauen- und
Familienpolitik an. Das allerwichtigste sind Angebote an
flexibleren staatlichen und privaten Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
({18})
In dieser Hinsicht haben Sie in dieser Legislaturperiode
nichts unternommen. Wir haben unsere Forderungen in
den von uns in dieser Zeit eingebrachten Anträgen deutlich gemacht.
Ich komme nun zum Thema Zivildienst, der mir immer ein Anliegen war. Sie schrecken auch beim Zivildienst vor sozialen Ungerechtigkeiten nicht zurück. Die
Ansprüche der Zivildienstleistenden in der Rentenversicherung haben Sie gekürzt. Sie haben auch das Weihnachtsgeld für die Zivildienstleistenden, die ja länger dienen - das wissen Sie ganz genau -, gekürzt.
({19})
Sie haben es versäumt, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass es beim Zivildienst eine Ableistung in Teilen gibt, nämlich sieben plus drei Monate. Davon habe ich von dieser Regierung und auch von den
Regierungsfraktionen nichts gehört.
Eine Ihrer schwerwiegendsten Fehlleistungen dieser
Legislaturperiode ist für mich, dass ein Gesamtkonzept
für die Freiwilligendienste - ich meine nicht die abgespeckte Version, die Sie in der nächsten oder übernächsten
Woche vorlegen werden - fehlt.
Es ist schon ein Hammer - das ist das Zweite -, eine
Greencard für Pflegekräfte einzuführen, statt ein nachhaltiges Zukunftskonzept in diesem Bereich zu entwickeln.
({20})
Das ist eine blamable Antwort auf das Erfordernis von
Konzepten, die wir in einer alternden Gesellschaft von einer Bundesregierung erwarten.
Ich hätte gern noch etwas zu der Integration ausländischer Jugendlicher gesagt. Ich hätte gern noch etwas
zum deutsch-russischen Jugendwerk gesagt. Für all das
setzt sich mein Kollege Haupt ein.
({21})
Aber eines will ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch sagen: Wir wollen uns für Frauen- und Familienpolitik in der Bundesrepublik einsetzen - aber mit liberalen Konzepten.
({22})
Nächster Redner ist
der Kollege Christian Simmert für die Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liberale Konzepte zur Förderung von Frauen
auf dem Arbeitsmarkt lassen sich weder durch das Lustprinzip, wie Sie das gerade genannt haben, noch durch einen deregulierten Arbeitsmarkt realisieren.
({0})
Realisieren lassen sie sich so, wie die Bundesregierung es
tut, nämlich durch eine kluge und sehr gut überlegte
Steuerung, wie das zum Beispiel im Bereich der Teilzeitarbeit oder auch in anderen Bereichen geschieht. - Das
nur zu dem Punkt von Ihnen, Frau Lenke.
Was die Erhöhung des Kindergeldes angeht - 80 DM
in dieser Legislaturperiode -, so sind die Leistungen der
Bundesregierung erheblich. Das sollten auch Sie von der
FDP zur Kenntnis nehmen.
({1})
Wir haben im Bereich der Jugend- und Familienpolitik
über die Erhöhung einiger Ansätze klare Akzente gesetzt.
Ziel dieser Politik ist aus grüner Sicht eine eindeutige
Stärkung der Zivilgesellschaft.
Die „Berliner Zeitung“ hat im Juli dieses Jahres von
186 rassistischen Vorfällen und Übergriffen an Brandenburger Schulen berichtet. Das ist alarmierend. Hier zeigt
sich, dass Rechtsextremismus und Rassismus nicht
durchgängig die konsequente Ablehnung erfahren, die
notwendig wäre. Wir müssen erkennen, dass es nicht ausreicht, die bessere Argumentation zu haben. Einfache Lösungen oder Patentrezepte gegen diese gefährliche gesellschaftliche Entwicklung gibt es nicht. Hier sind vielmehr
kontinuierliches Engagement der Gesellschaft und auch
eine Fortsetzung der Anstrengungen gefragt, die die Bundesregierung im letzten Sommer begonnen hat. Es sind
gerade die kleinen Initiativen und Projekte vor Ort, die
konkrete erfolgreiche Arbeit gegen Rechtsextremismus
leisten. Sie werden durch das Programm „Civitas“
zukünftig mit 2,5 Millionen Euro mehr gefördert. Ich bin
froh darüber, dass die Bundesregierung hier einen klaren
Weg gefunden hat.
({2})
Dass die Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten
besondere Hilfe benötigen, versteht sich von selbst. Deshalb wird der Etat für die Beratung und Betreuung dieser
Menschen auch um 2,5 Millionen Euro erhöht.
Die rot-grüne Bundesregierung sieht sich darüber hinaus in der Pflicht, weitere Maßnahmen gegen Gewalt
und Rechtsextremismus zu finanzieren. Dafür stehen
10 Millionen Euro zur Verfügung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser konkrete Einsatz der Bundesregierung zeigt, dass wir für die demokratischen Grundlagen unserer Gesellschaft einstehen. Es
gehört zu den Aufgaben der Politik, Minderheiten zu
schützen und den gleichberechtigten, respektvollen Umgang mit allen Menschen zu sichern.
({3})
Hierzu gehört für Bündnis 90/Die Grünen auch die
Förderung der Integration junger Zuwanderinnen und
Zuwanderer. Nachdem in dieser Legislaturperiode nun
endlich - hoffentlich - klargestellt wird, dass Deutschland
ein Einwanderungsland ist, muss aus unserer Sicht auch
der Bereich der Integration verstärkt Berücksichtigung
finden. Dem kommt die Bundesregierung nach. Wir stellen für jugendliche Migrantinnen und Migranten 5 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Damit hier keine
Missverständnisse aufkommen: Die Maßnahmen zur
Sprachförderung werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit circa 44 Millionen Euro zusätzlich
finanziert.
({4})
Stärkung der Zivilgesellschaft bedeutet aus grüner
Sicht aber auch Stärkung des freiwilligen Engagements,
gerade von jungen Menschen. Engagement in der Gesellschaft ist der soziale Kick der Demokratie. Mir ist es besonders wichtig, dass wir noch in dieser Legislaturperiode
einen wichtigen Schritt hin zur Stärkung dieses Bereiches
tun. Mit der Novelle des Gesetzes zur Förderung eines
freiwilligen sozialen Jahres und der Novelle des Gesetzes
zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres entwickeln wir die klaren gesetzlichen Grundlagen weiter,
die es Jugendlichen ermöglichen, sich ein Jahr lang im Inund Ausland in sozialen, ökologischen, kulturellen, sportlichen und denkmalpflegerischen Bereichen zu engagieren. Frau Lenke, ich empfehle Ihnen, den Gesetzentwurf
und dessen Novellierung zu lesen. Dann können wir uns
über die Konzepte unterhalten.
({5})
Reden Sie in diesem Punkt nicht so viel ins Blaue hinein!
Gerade der Ausbau der Freiwilligendienste bedeutet
aus grüner Sicht für Jugendliche verstärkt die Möglichkeit, ihre soziale und interkulturelle Kompetenz zu steigern. Mit einem Zeugnis im Anschluss an diesen Lerndienst wird diese wichtige Erfahrung in der Biografie der
Einzelnen belegbar und nachvollziehbar.
An dieser Stelle möchte ich besonders darauf hinweisen, dass Jugendliche im Freiwilligendienst endlich kindergeldberechtigt sind. Diese Verbesserung allein genügt
jedoch nicht; deshalb stellen wir zur Finanzierung der
Kosten für pädagogische Begleitung zusätzlich 5 Millionen Euro bereit.
Die meisten Jugendlichen zeigen große Neugier auf
Europa. Ein wichtiges Instrument zur Förderung der interkulturellen Kompetenz und zum Abbau von Vorurteilen ist ohne Zweifel der Jugendaustausch. Gerade im
Hinblick auf vorhandene Ängste vor der EU-Osterweiterung wird der Aufenthalt von Jugendlichen in den osteuropäischen Nachbarländern der Bundesrepublik besonders wichtig. Konkrete Erfahrungen sind immer mehr
wert als alle Erklärungen; deshalb wird im kommenden
Jahr der Betrag zum Deutsch-Polnischen Jugendwerk um
500 000 Euro aufgestockt. Wie Sie sehen, fördern wir
konkrete Ansätze der Zivilgesellschaft, um sie zu stärken.
Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf einen Bereich eingehen, der mir persönlich und aus eigener Erfahrung sehr am Herzen liegt: der Zivildienst.
({6})
- Frau Lenke, auch das werden Sie noch ertragen müssen.
Meine Redezeit ist aber gleich um. - Mit der weiteren Verkürzung der Dienstzeit von 13 auf elf Monate nehmen die
Zivildienstleistenden eine Soldminderung in Kauf. Um
die Ungleichbehandlung gegenüber Wehrpflichtigen
nicht zu vergrößern, ist es uns jedoch wenigstens gelungen, die Mobilitätspauschale anzugleichen. Mir persönlich reicht das nicht aus. Ich hätte gerne den einen oder anderen Verteidigungspolitiker vom Gegenteil überzeugt.
Aber Sie wissen ja, wie beratungsresistent der eine oder
andere Verteidigungspolitiker sein kann.
({7})
Insgesamt jedoch bildet der Einzelplan 17 eine solide
Grundlage für die Arbeit der rot-grünen Bundesregierung
im nächsten Jahr. Wir werden dem Haushalt daher zustimmen.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat die Kollegin Monika Balt für die PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Dieser Haushalt hat wirklich riesige Defizite.
Lassen Sie mich zuerst auf die Situation von Familien mit
behinderten Kindern zu sprechen kommen. In ihrem
„Berliner Memorandum“ verwiesen auch die vier großen
Fachverbände, die die Hilfen für Menschen mit geistiger
Behinderung bereitstellen, erst kürzlich auf die enormen
Belastungen, die auf Familien mit behinderten Angehörigen zukommen.
Die PDS unterstützt mit allem Nachdruck die Forderung dieser Fachverbände nach entbürokratisierten Beratungsangeboten, nach familienunterstützenden Diensten,
nach integrativen Angeboten in Kindertagesstätten, Schulen, Bildungseinrichtungen und Vereinen.
({0})
Wir wissen, dass bei Wahlangeboten, die ein möglichst
selbstbestimmtes Leben garantieren können, ein großer
Bedarf besteht.
An dieser Stelle stoßen wir auf die Realität des Bundeshaushalts: Die kommunalen Haushalte werden vom
Bund immer stärker belastet. Aber gerade die sozialen
Dienste, die vor Ort erbracht werden müssen, müssen
überwiegend von den Kommunen bezahlt werden.
({1})
Während der Bedarf steigt, werden die Mittel eher weniger. Wir fordern vom Bund ein finanziertes Leistungsgesetz für Menschen mit Behinderungen.
Wir fordern, dass Nachteilsausgleiche aus der Einbindung
in die Sozialhilfe herausgelöst werden müssen. Damit
würde das Armutsrisiko für Familien mit behinderten Angehörigen entscheidend reduziert werden.
({2})
Zum Bundeserziehungsgeldgesetz: Es sollte das
Kern- und das Glanzstück rot-grüner Familienpolitik werden. Die zaghaften Änderungen haben aber die materielle
Situation von Familien mit Kleinkindern kaum verbessert. Wir fordern die Bundesregierung auf: Wenn schon
dadurch eingespart wird, dass die Kinderzahl immer weiter sinkt, dann lassen Sie die eingesparten Beträge wenigstens nicht einfach im Haushalt verschwinden.
({3})
Verteilen Sie sie auf die Familien mit Kleinkindern und
verteilen Sie sie auf die Kommunen.
Ein nächster Punkt: Häusliche Alten- und Krankenpflege ist nach wie vor Frauensache. Das hat zur Folge,
dass Frauen nicht nur aufgrund von Kindererziehungszeiten, sondern auch aufgrund ihrer Pflegeleistungen erhebliche berufliche Nachteile haben, vor allem wenn sie
nach pflegebedingten Unterbrechungen wieder in den Beruf zurück wollen. Es ist ein Skandal, dass zum Beispiel
das neue Job-Aqtiv-Gesetz ausgerechnet Frauen, die ihre
Angehörigen pflegen, von der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung ausnimmt. Pflegezeiten müssen in
die Versicherungspflicht mit einbezogen werden.
({4})
Ein anderer Punkt: Die Koalition hat den Frauen 1998
ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft versprochen. Nun gibt es kein Gesetz, noch nicht einmal eine
Selbstverpflichtung der Wirtschaft,
({5})
sondern eine Vereinbarung der Wirtschaftsverbände. Die
Verbände haben klargestellt, dass sie sich durch diese Vereinbarung zu nichts verpflichtet fühlen. Die PDS bleibt
dabei: Wir wollen ein verbindliches Gesetz mit klaren
Regelungen;
({6})
denn nur dadurch wird sich bei der Gleichstellung etwas
bewegen.
({7})
Ein Wort zur Kinder- und Jugendarbeit: Die Arbeit
der freien Träger der Jugendhilfe ist besonders in den
neuen Bundesländern bisher ausschließlich durch Fördermaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit über ABM möglich. Mit dem Auslaufen dieser Maßnahmen wird kontinuierliche Kinder- und Jugendarbeit gefährdet. Die
Kommunen sollen die Lasten tragen, aber die haben kein
Geld. Die Annahme unseres Antrages, einen Bundesfonds
zur Finanzierung kontinuierlicher und langfristiger Arbeit
im Kinder- und Jugendbereich einzurichten, der 15 Millionen Euro umfassen sollte, würde einen Anschluss an die
Regelfinanzierung gewähren.
({8})
Mir als Vorsitzender des Brandenburger Arbeitslosenverbandes liegen Vereine und Verbände natürlich besonders am Herzen. Nach Auskunft des Ministeriums gibt es
seit 1990 keine neuen Aufnahmen in die institutionelle
Förderung des Bundes. Dadurch erhält nicht ein einziger
ostdeutscher Verein eine institutionelle Förderung. Durch
Projekt- und Modellförderung ist aber keine pluralistische
Vereinsstruktur aufzubauen. Genau die ist für die soziale
und kulturelle Infrastruktur im Osten nötig.
({9})
Selbst unser Versuch, eine gezielte Projektförderung
der Volkssolidarität in den Haushalt 2002 aufzunehmen,
scheiterte mit der Begründung, dass das nicht landesweit
wirke.
({10})
Diese hervorragende Arbeit für Zehntausende Senioren
wird einfach ignoriert. Mit diesem Haushalt beweisen Sie
erneut, wie weit Sie von der Realität entfernt sind.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas sagen. Heute
Nacht verstarb die ehemalige Brandenburger Sozialministerin Regine Hildebrandt. Ihr Tod hat mich tief getroffen.
Ich habe mich seit elf Jahren gemeinsam mit Regine
Hildebrandt für die Situation der Erwerbslosen, insbesondere der erwerbslosen Frauen, und der sozial Benachteiligten in Brandenburg eingesetzt. Ihr soziales Engagement sollte für uns alle Verpflichtung sein.
Vielen Dank.
({11})
Jetzt spricht die Kollegin Maria Eichhorn für die Fraktion der CDU/CSU.
Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die rot-grüne
Regierungskoalition hatte in ihrer Koalitionsvereinbarung für den Politikbereich Familie, Senioren, Frauen
und Jugend versprochen - jetzt zitiere ich sie -:
Wir sorgen dafür, dass sich die wirtschaftliche und
soziale Lage der Familien spürbar verbessert.
({0})
Der tatsächliche Stellenwert der Familienpolitik für
den Bundeskanzler offenbarte sich aber bereits mit der Titulierung des zuständigen Ministeriums als „Ministerium
für sonstiges Gedöns“. So sieht auch Ihre Bilanz aus,
meine Damen und Herren.
({1})
Bei dem so genannten Zweiten Gesetz zur Familienförderung handelt es sich lediglich um eine Mindestumsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Die Erhöhung des Kindergeldes um 30 DM für das erste
und zweite Kind ist völlig unzureichend.
({2})
Dritte und weitere Kinder gibt es in Ihrer Politik nicht.
Eine erhebliche Verschlechterung ergibt sich für Alleinerziehende.
({3})
- Ja, Sie werden unruhig, wenn man Ihnen die Wahrheit
sagt. ({4})
Der Haushaltsfreibetrag wird ab 2002 gekürzt und im
Jahre 2005 ganz entfallen. Die Bundesregierung hat keine
Auffangmöglichkeiten für den finanziellen Verlust geschaffen. So sagte der Verband allein erziehender Mütter
und Väter bereits im Juni dieses Jahres, dass Alleinerziehende bis zum Jahre 2005 ihre eigene Kindergelderhöhung mit 1,8 Milliarden DM finanzieren. So ist die
Wahrheit.
({5})
Dazu kommen die Ökosteuer und die Erhöhung der Sozialabgaben, sodass vom Kindergeld überhaupt nichts
mehr übrig bleibt.
({6})
- Das wollen Sie natürlich nicht hören. Das ist ganz klar.
({7})
Aber lassen Sie es sich dann von der „Süddeutschen Zeitung“ sagen, die am 27. Juni dieses Jahres geschrieben
hat: „Kinderarmut hat unter Rot-Grün zugenommen“.
({8})
Mit dem Konzept der Familienoffensive der
CDU/CSU-Fraktion dagegen wollen wir die Kinder aus
der Sozialhilfe holen und einen gerechteren Ausgleich
zwischen Familien und Kinderlosen erreichen.
({9})
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ich frage Sie: Wo bleiben denn Ihre konkreten Aussagen? Frau Lenke hat es schon gesagt: Vom SPD-Parteitag hat man kaum etwas gehört, vom Grünen-Parteitag
ganz zu schweigen.
({10})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihre so genannte Rentenreform weist erhebliche Mängel auf. Sie
belastet überproportional die junge Generation, begünstigt die Entstehung von Altersarmut und benachteiligt die
Rentnerinnen und Rentner durch Kürzungen aufgrund
willkürlicher Rechengrößen. Frauen sind die Verliererinnen der Reform.
({11})
Denn sie trifft die Niveauabsenkung doppelt: einmal in
der eigenen Rente und zum anderen durch die Kürzung
der Witwenrente.
Die Familien mit Kindern und die Geringverdiener
werden in der privaten Altersvorsorge völlig benachteiligt. Sie werden doch nicht glauben, dass man mit
7,50 DM pro Kind und Monat eine wirkliche zusätzliche
Alterssicherung aufbauen kann.
({12})
Den Satz „Jedes Kind ist gleich viel wert“ haben Sie bei
dieser Rentenreform außer Kraft gesetzt.
({13})
Meine Damen und Herren, Ihre Frauenpolitik ist
gleich null. Sie haben im Aktionsprogramm „Frau und
Beruf“ versprochen:
Wir werden verbindliche Regelungen zur Frauenförderung einführen, die auch in der Privatwirtschaft
Anwendung finden müssen.
Dies haben, Frau Bergmann, Ihre Kabinettskollegen verhindert.
({14})
Sie haben keine Maßnahmen entwickelt, die zu einer effektiven Gleichstellung führen. Der „Spiegel“ sagt zu
Recht: „Die SPD hat die Frauenbewegung für tot erklärt.“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
({15})
Auch in der Jugendpolitik haben Sie viel versprochen,
zum Beispiel den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Wie
sieht die Bilanz aus? Im Juli 2000 waren 18 817 Jugendliche unter 25 Jahren länger als ein Jahr arbeitslos. Über
2 000 waren sogar länger als zwei Jahre arbeitslos. Das
heißt also, Ihr Jugendsofortprogramm JUMP, das Sie immer groß feiern, war ein völliger Flop.
({16})
Jugendpolitik findet nicht statt. Die drängenden Probleme des Jugendschutzes und des Jugendmedienschutzes wurden von Ihnen in eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe wegdelegiert. Aber es ist doch unbestritten, dass
ein verstärkter Jugendmedienschutz dringend notwendig
wäre, um Kinder und Heranwachsende vor dem Konsum
gefährdender Medieninhalte zu bewahren.
Die lang angekündigte Reform des freiwilligen ökologischen und sozialen Jahres wird erst jetzt verwirklicht,
und das - Frau Lenke sagte es schon - nur in Ansätzen.
Der Zivildienst wurde gekürzt.
({17})
Über 160 Millionen DM wurden eingespart. Das heißt,
die Betreuung von kranken, alten und schwerbehinderten
Menschen wird immer schwieriger.
({18})
Meine Damen und Herren, die Zahl der älteren Menschen steigt. Sie hatten versprochen, dass Sie die Chancen
der älteren Generation vermehren werden und die Chancen, die sich aus dem längeren Leben der Bevölkerung ergeben, nutzen wollen. Aber Ihre einzigen Leistungen im
Seniorenbereich sind das Heimgesetz und das Altenpflegegesetz.
({19})
Ihr Altenpflegegesetz führt nicht zu einer besseren Ausbildung, sondern zu einer schlechteren. So gewinnen Sie,
meine Damen und Herren, nicht die zusätzlichen Pflegekräfte, die wir dringend brauchen würden.
({20})
Ich zitiere Frau Dr. Hoppe, die ja Fachfrau auf diesem Gebiet ist. Sie hat gesagt: Das Altenpflegegesetz ist in seiner
Zielrichtung gescheitert.
Seniorenpolitik kann sich nicht in Heimaufsicht und
Altenpflege erschöpfen. Wir müssen gerade jungen Alten
Chancen geben; diese benötigen dafür eine ausreichende
soziale Absicherung, die Sie aber durch Ihre Rentenreform verhindert haben.
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hatte angekündigt, nicht alles anders, aber vieles besser zu machen. Ihre Bilanz in der Familien-, Senioren-, Frauen- und
Jugendpolitik ist kläglich. Wie in vielen anderen
Politikbereichen gilt hier genauso: viel versprochen,
kaum etwas gehalten.
({21})
Deswegen werden wir diesen Haushalt ablehnen.
({22})
Das Wort hat die Bundesministerin Christine Bergmann.
Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Eichhorn
und Herr Luther, so viel bewusste Fehlinformationen,
({0})
wie Sie hier geliefert haben, habe ich lange nicht mehr
gehört. Ich werde im Einzelnen noch darauf zu sprechen
kommen.
({1})
In einer Sache haben Sie, Frau Eichhorn, natürlich
Recht: Wir haben gesagt, wir wollen die wirtschaftliche
und soziale Lage der Familien spürbar verbessern. Genau
das haben wir getan. Wir haben es nicht nur für die Familien, sondern auch für die Jugendlichen getan.
({2})
- Hören Sie doch einmal zu. Das hören Sie nicht gerne,
aber so ist es.
Ich möchte auf die Grundsätze der Haushaltspolitik zu
sprechen kommen, weil in der Haushaltspolitik nämlich
deutlich wird, wie man mit den Zukunftschancen von Familien und den Jugendlichen umgeht.
({3})
Konsolidierung bedeutet eben nicht, auf Kosten der
nächsten Generation zu leben. Das wäre keine gute Familien- und Jugendpolitik.
({4})
Trotz der konsequenten Haushaltskonsolidierung haben
wir natürlich im Haushalt 2002 deutliche Akzente gesetzt.
({5})
Ich komme jetzt auf den Bereich der Jugendpolitik zu
sprechen. Es ist schon gesagt worden, dass wir für diesen
Bereich mehr Geld vorsehen. Sie können ja vielleicht
noch rechnen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir vor
kurzem das erste Mal ein ressortübergreifendes Regierungsprogramm für die Jugendpolitik mit dem Titel
„Chancen im Wandel“ auf den Tisch gelegt haben.
({6})
Damit schaffen wir verlässliche Rahmenbedingungen für
die Zukunft, es geht dabei um Chancen auf Arbeit und Bildung. Wir fördern gezielt die Erziehung zu Demokratie.
Ich komme jetzt auch gleich zu dem Punkt Jugendarbeitslosigkeit, den Sie, Herr Luther, natürlich auch
Frau Eichhorn und andere angesprochen haben. Natürlich haben wir die Jugendarbeitslosigkeit kräftig zurückgeführt. Schauen Sie sich doch einmal die Zahlen von
1998 an.
({7})
Natürlich führen wir das JUMP-Programm, für das wir
2 Milliarden DM zur Verfügung stellen, weiter fort. Wir
sind damit noch nicht zufrieden und wissen, in welchen
Regionen es noch hapert. Aber das erste Mal haben alle
Jugendlichen ein Ausbildungsangebot bekommen.
({8})
- Was regen Sie sich denn so auf? Hören Sie es sich doch
einmal an! - Wir haben in diesem Jahr eine positive Bilanz.
({9})
Wir wissen, dass wir damit vor allen Dingen im Osten
noch Probleme haben,
({10})
deswegen brauchen wir noch die Sonderprogramme.
Aber das haben wir geschafft. Es ist klar, dass wir damit
noch nicht zufrieden sind und noch mehr erreichen wollen. Aber das müssen Sie doch wenigstens einmal zur
Kenntnis nehmen, wenn Sie einigermaßen fair und sachlich an das Ganze herangehen.
Wir haben in dieses Programm, wie Sie wissen, die Erfahrungen, die wir mit der Ausweitung des Programms
„Entwicklung und Chancen für junge Menschen“ auf soziale Brennpunkte gemacht haben, einfließen lassen, weil
wir wissen, dass es für manche Jugendliche nicht reicht,
wenn sie eine Chance bekommen. Sie brauchen auch eine
zweite, wenn es bei der ersten nicht geklappt hat. Wir wollen alle Jugendlichen mit auf den Weg nehmen. Deshalb
haben wir hier auch noch einmal Geld für diejenigen bereitgestellt, die neben dem Ausbildungsplatz oder der
Qualifizierung noch eine sozialpädagogische Betreuung
vor Ort brauchen. Ich bin froh, dass wir das gemacht
haben.
({11})
Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass wir gerade
nach dem 11. September den interkulturellen Dialog
verstärkt fördern müssen. Damit komme ich zu dem Bereich des internationalen Jugendaustausches. Es gibt
350 000 junge Menschen, die Jahr für Jahr an diesem Jugendaustausch teilnehmen.
Herr Luther, wir haben im Bereich des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes aufgestockt. Nun wollen wir uns
doch nicht dümmer machen, als wir sind. Auch Sie wollen das nicht, Herr Luther.
({12})
Sie wissen sehr genau, dass um 1 Million DM aufgestockt
wurde. Ich rechne es Ihnen einmal ganz langsam vor, damit Sie mitkommen: Eine Erhöhung um 500 000 DM war
im Haushalt schon vorgesehen. Dann gab es den Wunsch
nach einer weiteren Aufstockung. Wir sind immer dafür,
wenn es möglich ist. Diese Aufstockung war natürlich nur
im Rahmen des Haushaltsverfahrens möglich, weil der
Haushalt schon vorlag. Somit ergibt sich eine Steigerung
um insgesamt 1 Million DM. Ich halte es für sehr wichtig,
dass wir das geschafft haben.
({13})
Wir wissen, wie sehr sich Jugendliche in unterschiedlichen Bereichen engagieren. Wir machen dieses Gerede
von den Jugendlichen, die auf nichts Bock haben, nicht
mit, weil wir wissen, wie groß ihr Engagement ist. Es ist
schon angesprochen worden, dass wir die Mittel für das
freiwillige soziale und das freiwillige ökologische Jahr
erhöhen, weil die Nachfrage größer ist als die Zahl der
Plätze. Wir werden das entsprechende Angebot erweitern.
Ich muss dazu noch eine Bemerkung machen. Frau
Eichhorn, Projekte im Bereich der Kultur und des Sports
laufen schon. Wir kommen jetzt mit dem Gesetz nach. Dabei wird es darum gehen - Herr Holetschek, ich glaube,
Sie haben es angesprochen -, dafür zu sorgen, dass die
außereuropäischen Freiwilligen nicht schlechter gestellt
werden. Hinzu kommen noch einige andere Verbesserungen. Das sind doch wichtige Punkte.
Weil wir wollen, dass wir Politik nicht nur für, sondern
auch mit Jugendlichen machen, haben wir die Beteiligungsbewegung initiiert. Ich finde, es läuft prima. Es ist
aber auch klar: Wenn man mit Jugendlichen arbeitet, gibt
es auch den einen oder anderen Punkt, der zu Kritik Anlass gibt. Es ist aber eine ganz wichtige Sache, dass sich
Jugendliche und Kinder angesprochen fühlen. Ich kann
Sie nur ermuntern, sich um die entsprechenden Projekte
zu kümmern.
Ganz besonders freue ich mich darüber - dafür möchte
ich allen Abgeordneten danken -, dass es gelungen ist, das
erfolgreiche Aktionsprogramm „Jugend für Toleranz und
Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ im gleichen Umfang wie
bisher weiterzuführen.
({14})
Dieses Programm brauchen wir. Wir machen damit deutlich, dass wir nicht nur reagieren, wenn Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in den Schlagzeilen sind.
Wir wissen nämlich, dass wir einen langen Atem brauchen.
Nun noch einmal zu Ihnen, Herr Luther. Man muss
ganz klar sagen, dass das, was Sie versucht haben, schäbig war.
({15})
Sie haben versucht, mir Äußerungen zu unterstellen, die
in einem Vermerk meines Hauses enthalten waren.
({16})
Sie haben versucht, darzustellen, dass es sich um meine
Meinung handele, obwohl ich das im Haushaltsausschuss
und im Haus selber klargestellt habe. So sollten wir nicht
miteinander umgehen.
({17})
Aber anscheinend ist Herrn Luther jedes Mittel recht.
({18})
Ein Punkt ist auch klar: Natürlich sind Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit nicht nur ein
Thema in den neuen Bundesländern. Ich denke, darüber
sind wir uns alle einig. Trotzdem gibt es in den neuen
Bundesländern besondere Probleme. Wir sollten deshalb
nicht so tun, als ob dies nicht so sei. Es hilft nämlich nicht,
den Kopf in den Sand zu stecken. Ich weiß ja, dass Sie gegen das Civitas-Programm sind. Ich bin aber froh, dass
wir für dieses Programm mehr Geld zur Verfügung stellen. Herr Luther, sächsische Projekte werden in gleicher
Weise unterstützt. Auch in Sachsen gibt es sehr gute Projekte.
Wir können über die Ursachen des Rechtsextremismus
an einer anderen Stelle streiten. Ich habe mich aber gewundert, dass Sie fast so tun, als ob die DDR eine Hochburg der Demokratie gewesen sei. Ich habe es ein bisschen anders erlebt. Aber die Erfahrungen sind individuell
verschieden.
Noch ein weiterer Punkt aus dem Jugendbereich. Frau
Eichhorn, Sie sprechen dieses Thema immer an. Sie wissen, dass Medienschutz und Jugendschutz Themen
sind, die nicht nur von der Bundesebene allein ausgeführt
werden können. Wir haben in diesem Bereich die Zuständigkeit der Länder. Deshalb ist es ein mühsamer Prozess. Im Dezember gibt es noch Beratungen. Wir hoffen,
dass wir entsprechende Maßnahmen noch auf den Weg
bringen können. Dafür sind alle Vorarbeiten geleistet
worden.
Wenn wir über die Familienpolitik reden, dann müssen
wir natürlich auch feststellen, dass wir die Familien entlastet haben. Ihnen stehen im nächsten Jahr über 20 Milliarden DM mehr zur Verfügung. Wenn das nicht eine
Menge Geld ist, dann weiß ich es nicht. Die Familien wissen, dass sie sich auf uns verlassen können.
({19})
Die Familienkompetenz wird uns zugeschrieben, was Sie
so sehr ärgert.
({20})
Die Menschen wissen ja, dass ihnen faule Versprechungen in einer Größenordnung, die nicht zu finanzieren ist,
gar nicht helfen. Vielmehr brauchen sie ernsthafte Verbesserungen im finanziellen Bereich, aber auch bei den
Rahmenbedingungen.
Frau Lenke, wir haben uns nicht nur um die finanzielle
Besserstellung gekümmert, sondern auch um bessere
Rahmenbedingungen. Da sind natürlich das Elternzeitgesetz und das Teilzeitgesetz ganz wichtig. Ich teile Ihre
Meinung in diesem Zusammenhang nicht. Ich war in den
letzten Monaten viel unterwegs - das habe ich hier schon
ein paar Mal erzählt - und habe das Teilzeitgesetz überall
mit angesprochen, auch in kleinen und größeren Betrieben. Das ruiniert die Betriebe nicht.
({21})
Denn die wenigsten arbeiten in Teilzeit. Im Moment wird
ja darüber debattiert, dass es dadurch keine Einstellungen
von Frauen mehr gibt.
Wir sollten uns gemeinsam darum kümmern, dass sich
in diesem Teilzeitbereich mehr Männer tummeln und dass
es die Möglichkeit der Teilzeitarbeit in Führungspositionen gibt, damit das Negativimage der reduzierten Arbeitszeit beseitigt wird. Das hilft uns dann insgesamt.
({22})
Wir haben etwas weiteres Wichtiges getan: Wir kümmern uns darum, Eltern in ihrer Erziehungskompetenz zu
unterstützen. Das ist sehr wichtig. Ich spreche hier das
Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung an. Wir haben viele Vor-Ort-Aktionen gemacht. Sie wollten das alles nicht. Sie waren gegen dieses Gesetz und hielten das
alles für nicht legitim. Aber ich sage Ihnen hier mit allem
Ernst: Wir haben die ersten Ergebnisse der Begleituntersuchungen auf dem Tisch. Diese sind - das freut mich besonders - sehr positiv. Das heißt, das Gesetz ist bekannt,
und zwar nicht nur bei den Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, sondern auch bei den Eltern. Es wird von den
Eltern akzeptiert.
Nicht alle Einstellungen haben sich gleich geändert;
das wissen auch wir. Aber wenn wir diesen Weg weiter
verfolgen, dann wird sich zeigen, dass man mit diesem
Gesetz, mit entsprechenden Kampagnen und mit viel Unterstützung ein anderes Erziehungsverhalten und andere
Leitbilder in der Gesellschaft installieren kann. Das ist
doch ein Erfolg! Wenn es uns gelingt, Gewalt in der Familie zu reduzieren, dann haben wir alle unseren Job gut
gemacht.
({23})
Natürlich geht es hier auch um den Ausbau von
Betreuungseinrichtungen. Ich kann Ihnen, Frau Lenke,
nur sagen - darüber haben wir hier schon diskutiert -:
2 Milliarden DM sind den Ländern im Rahmen des Zweiten Familienfördergesetzes mit dem Hinweis erlassen
worden, dieses Geld für die Kinderbetreuung vorzusehen.
({24})
Aber dann müssen sie es natürlich auch tun.
({25})
Ich möchte noch ein paar Sätze zum Bereich der
Gleichstellung sagen. Wir haben natürlich in der Gleichstellungspolitik eine Menge erreicht. Durch das Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz gibt es einen Einstellungswandel. Gender Mainstreaming kennt auch der
Bundeskanzler,
({26})
Sie alle von der Opposition vielleicht noch nicht. Es wird
in allen Bundesressorts umgesetzt.
({27})
Natürlich wirkt die Vereinbarung im Bereich der Privatwirtschaft. Die Umsetzung werden wir hart kontrollieren.
({28})
Sehr viele hier erklären immer, es zu bedauern, dass es
kein entsprechendes Gesetz gibt. Wenn Sie von vornherein mitgekämpft hätten, dann hätten wir sogar eines. Frau
Lenke, Frau Eichhorn, offensichtlich wollten Sie ja so etwas.
({29})
Was haben wir alles im Antigewaltbereich - da bin ich
wieder bei einem ganz ernsten Thema - zur Bekämpfung
von häuslicher Gewalt getan! Ich nenne jetzt nur das Gewaltschutzgesetz. Das ist ganz wichtig. Die Verabschiedung dieses Gesetztes war nur mit dieser Regierung möglich.
({30})
Ich sage Ihnen eines: Ich hätte eigentlich erwartet, dass
auch Sie von der Opposition im Zusammenhang mit dem
Zuwanderungsgesetz solidarisch mit den Frauen sind und
sagen: Das Thema geschlechtsspezifische Verfolgung ist
ein gemeinsames Frauenthema.
({31})
Ich habe von Ihnen nichts gehört. Man kann nicht am Gewaltschutztag eine Erklärung dahin gehend abgeben, wie
toll man das alles gestalten möchte, und dann in diesem
Bereich nichts tun.
({32})
An all diejenigen, die, wenn es um die Rente geht, noch
Nachhilfe brauchen, sage ich: Ich habe gerade gestern mit
meinem Kollegen, dem Arbeitsminister, einen Rentenratgeber für Frauen herausgegeben. Der ist wunderbar.
({33})
In dem kann man sich wunderbar informieren - Frau
Eichhorn, nehmen Sie diesen einmal zur Hand und lesen
Sie ihn durch; die Einzelheiten können wir jetzt hier nicht
alle herunterbeten -, was alles in dieser Rentenreform für
Frauen verbessert worden ist.
Ein allerletzter Punkt - denn das hat mich nun wirklich
geärgert, Frau Eichhorn, was Sie hier abgeliefert haben -:
Sie wissen genau, dass wir im Bereich der Seniorenpolitik viel auf den Weg gebracht haben: auf der einen Seite
für aktive Senioren, und zwar bis hin zum europäischen
Volontariat. Auf der anderen Seite im Rahmen einer bundeseinheitlichen Altenpflegeausbildung natürlich auch
dort, wo Hilfe notwendig ist. Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und bedauern, dass dieses Pflegegesetz das nicht
leistet, muss ich sagen: Wenn wir es nur hätten!
({34})
Wir haben ein gutes Gesetz beschlossen, das uns aus der
Pflegemisere heraushelfen würde, das den Beruf aufwerten, attraktiver machen würde, uns eine ordentliche Ausbildung verschaffen würde. Aber Bayern hat dafür
gesorgt, dass das Gesetz jetzt beim Bundesverfassungsgericht liegt.
({35})
Deshalb ist das, was Sie hier sagen, wirklich ein ganz starkes Stück.
Dass wir, diese Regierung, es im Internationalen Jahr
der Freiwilligen endlich geschafft haben, dass Freiwilligenarbeit anerkannt wird, dass endlich einmal danke gesagt wird für das, was viele Freiwillige tun - auch ich
spreche hier meinen Dank aus -, das ist doch etwas, was
wir uns als Leistung anrechnen können.
Ich habe ein gutes Gewissen angesichts dessen, was
wir geleistet haben. Wir werden das auch weiterhin tun.
({36})
Die letzte Rednerin in
dieser Debatte ist die Kollegin Dr. Maria Böhmer für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin
Bergmann, Sie haben gesagt, Familien in Deutschland
gehe es besser. Da muss ich Ihnen sagen: Das ist der
größte Bluff aller Zeiten.
({0})
Ich will es Ihnen einmal anhand dessen, was Ihr Finanzminister heute erklärt hat, vorrechnen. Er hat erklärt,
dass sich die Kindergelderhöhung durch die rot-grüne
Bundesregierung für eine Familie mit zwei Kindern im
Jahr auf einen Betrag von 1 920 DM summiere und dass
dies dem 13. Monatsgehalt einer Verkäuferin entspreche.
So weit, so gut; das stimmt. Aber er hat dann vergessen,
die Gegenrechnung aufzumachen.
({1})
Die Gegenrechnung heißt, dass Familien von Ihnen im
Gegenzug kräftig zur Kasse gebeten werden.
({2})
Ihnen liegen ja besonders die Alleinerziehenden am
Herzen. Auch wir haben ein deutliches Auge auf die Alleinerziehenden;
({3})
denn sie stehen in der allergrößten Gefahr, unter die Armutsschwelle zu rutschen. Deshalb muss man besonders
darauf achten, wie sich Ihre Beschlüsse bei den Alleinerziehenden auswirken.
Für die Alleinerziehenden ist die Kindergelderhöhung
eine Nullnummer und unter dem Strich legen sie sogar
noch drauf; denn Sie haben den Haushaltsfreibetrag in
Höhe von 5 616 DM ersatzlos gestrichen.
({4})
Diese Streichung entspricht einem Verlust von 2 000 DM
im Jahr und das ist das 13. Gehalt der Verkäuferin.
({5})
Das betrifft nicht nur die einzelne Verkäuferin, das betrifft 18 Millionen Alleinerziehende in diesem Land.
18 Millionen Alleinerziehende haben Sie mit diesen Beschlüssen schlechter gestellt.
({6})
Die „taz“, deren Linie ja wahrlich nicht unsere ist, sondern eher Ihre, hat am 2. November getitelt: „Arme zahlen mehr“. Das stimmt; das ist ein Skandal erster Klasse.
({7})
Aber Sie greifen nicht nur den Alleinerziehenden, Sie
greifen allen Familien ins Portemonnaie. Ich greife auf,
was die Kollegin Eichhorn gesagt hat: Es sind die Ökosteuer und der Anstieg der Krankenkassenbeiträge, die die
Kindergelderhöhung voll auffressen.
({8})
Aber nicht genug mit diesen Einschnitten. Sie haben
auch noch den Sonderausgabenabzug für die Haushaltskräfte im Privathaushalt gestrichen, 18 000 DM. Das ist
nur eine Neidaktion, die Sie hier durchgeführt haben.
({9})
Was bedeutet das für die Familien? Ich will es Ihnen einmal deutlich zeigen: Eichel drängt die Mütter an den Herd
zurück - so ist es nachzulesen. Das ist das Ergebnis Ihrer
Politik.
({10})
Sollen Frauen und auch Männer, sollen die Familien
noch immer unter der Doppelbelastung von Berufs- und Familientätigkeit leiden? Sollen die Frauen, die im Haushalt
arbeiten, denn noch immer in der Schwarzarbeit bleiben?
({11})
Sind Sie denn nicht in der Lage, endlich einmal ein Konzept vorzulegen, durch das wirklich sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Privathaushalt geschaffen
werden?
({12})
Ihre Politik geht in der Tat an der Wirklichkeit von
Frauen und Familien vorbei, und das in eklatanter Art und
Weise. Sie sollten sich ein Beispiel an dem rheinland-pfälzischen Sozialminister Gerster nehmen. Er hat gemerkt,
dass die Weichen falsch gestellt worden sind, und er ist
bemüht, für den Arbeitsplatz Privathaushalt neue Regelungen zu schaffen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn das
bei Ihnen auf fruchtbaren Boden fallen würde; denn dann
würden die Familien im Land nicht mehr alleine dastehen.
Ich kann nur an Sie appellieren: Folgen Sie dem Beispiel
dieses SPD-Sozialministers und tun Sie etwas für die Arbeitskräfte im Privathaushalt.
({13})
Sie haben an der Stelle, an der es darum geht, Familien
zu helfen, versagt. Vor allen Dingen haben Sie aber bei der
Alterssicherung von Frauen in unserem Land versagt.
({14})
Als Sie gestern den Rentenratgeber für Frauen vorgestellt
haben, hieß es, dass das, was es an Möglichkeiten gibt
- Sie haben eben davon gesprochen -, wunderbar ist. Ihr
Kollege Riester hat gesagt, dass das System der Begünstigungen konkurrenzlos gut ist. Ich kann nur sagen: Das,
was hier geschieht, ist konkurrenzlos peinlich.
({15})
Frau Ministerin Bergmann, Sie haben sich bei der Auseinandersetzung um die Frage, wie Frauen bei der Rente
geholfen werden kann, nicht mit unterstützenden Worten
- geschweige denn mit Taten - gemeldet. Jetzt, da das
Kind in den Brunnen gefallen ist, stellen Sie einen Rentenratgeber für Frauen vor. Das klingt in den Ohren der
Frauen wie Hohn.
({16})
Sie haben - das ist belegbar - für das Aus der Witwenrente gestimmt. Im Januar ist die Witwenrente per
Gesetz zum Auslaufmodell deklariert worden. Wir haben
es Ihnen in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss
immer wieder vorgehalten.
({17})
In allerletzter Minute haben Sie dann auf Drängen der
Union, der Familien- und der Frauenverbände beigedreht.
Nur deshalb wird es auch in Zukunft in diesem Land eine
Witwenrente für Frauen, die sich der Aufgaben in der Familie gewidmet haben, geben.
({18})
Schauen wir uns jetzt doch noch einmal einen Punkt
an, der Ihnen so sehr am Herzen liegt. Ich höre die ganze
Zeit, dass man mehr für die Kinderbetreuung und insbesondere für die Ganztagsbetreuung tun müsse. Ich kann
nur sagen: Richtig so!
({19})
Da muss mehr getan werden. Dies muss aber in der richtigen Form geschehen und nicht dadurch, dass von einer
Familie zur anderen umgeschichtet wird.
Auf dem SPD-Bundesparteitag - ich habe es mir angehört und vor allem auch durchgelesen - wurde angekündigt, dass Sie eine Umwandlung des Ehegattensplittings
planen.
({20})
Diese Umwandlung des Ehegattensplittings würde - wenn
sie tatsächlich so käme - bedeuten, dass 2 Millionen Steuerpflichtige in Deutschland jährlich 1 500 DM weniger
bekämen.
({21})
Das ist Fakt. Es trifft vor allen Dingen nicht nur die kinderlosen Ehepaare, auf die Sie ja letztendlich zielen.
Überwiegend trifft es die Familien,
({22})
in denen sich ein Elternteil - sei es die Mutter oder der Vater - in erster Linie der Kindererziehung widmet und deshalb auf die Erwerbstätigkeit verzichtet hat. Das ist
schlichtweg nicht hinnehmbar.
({23})
Wenn das alles dazu dienen soll, die Ganztagsschulen
und die Ganztagsbetreuung in Deutschland auszubauen,
dann muss ich sagen, dass bei der SPD hier wieder das alte
System der Umverteilung stattfindet.
({24})
Das ist in keinster Weise gerecht gegenüber den Familien.
({25})
Vor einiger Zeit - es war am 7. November - habe ich
gelesen, dass Renate Schmidt, die in der SPD jetzt offensichtlich für die Familienpolitik zuständig ist, mit Blick
auf den Handlungsbedarf bei der Kinderbetreuung gesagt
hat, dass der Süden das Schlusslicht in ganz Deutschland
ist.
({26})
Es lohnt sich, wieder einmal einen Blick auf die Landkarte
zu werfen und sich die Statistik anzuschauen. Ich kann nur
sagen: Da täuscht sich Frau Schmidt und sie täuscht die
Bürgerinnen und Bürger.
({27})
Ich betrachte jetzt einmal ganz bewusst den Bereich
der Ganztagsschulen. In Baden-Württemberg - das liegt
bekanntermaßen im Süden - gibt es einen Anteil an GanzDr. Maria Böhmer
tagsschulen - er ist nicht überwältigend hoch - von
6,8 Prozent. Wenn ich jetzt in den SPD-regierten Norden
schaue, dann sehe ich: In Bremen beträgt der Anteil
0,7 Prozent, in Schleswig-Holstein 1,3 Prozent und in
Niedersachsen 3 Prozent. Wer war denn in Niedersachsen
lange Ministerpräsident? Es ist doch der Name Schröder,
der sich mit diesem Misserfolg verbindet.
({28})
Da zeigt sich doch die Wahrheit. Es gibt eben einen Unterschied zwischen Reden und Handeln. Jetzt wundert es
mich auch nicht mehr, wenn Frau Simonis als Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein fordert, man müsse
auf Kindergelderhöhungen verzichten und dieses Geld
in die Kinderbetreuung stecken. Die SPD hat es bitter
nötig.
({29})
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft sagen. Die SPD-Frauen
sind mit diesem Vorhaben kläglich gescheitert. Karin
Junker war so ehrlich, auf dem Bundesparteitag der SPD
zu sagen, dass Schröder dieses Wahlversprechen nicht
umgesetzt hat. Recht hat sie, kann ich da nur sagen. Der
DGB, der an dieser Stelle die ganze Zeit an der Seite der
SPD stand, hat jetzt Druck gemacht.
Frau Kollegin
Böhmer, jetzt müssen Sie aber wirklich zum Schluss
kommen.
({0})
Ich danke Ihnen für
den Hinweis. - Ursula Engelen-Kefer hat gesagt, für spätestens 2003 fordere sie ein Gleichstellungsgesetz für die
Privatwirtschaft. Sie hat außerdem gesagt: „Nach 2003
haben wir dann hoffentlich eine Bundesregierung, die bereit ist, das umzusetzen“. Recht hat sie. Schluss mit RotGrün, kann ich da nur sagen.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend - in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor, über den wir zuerst
abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf
Drucksache 14/7581? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen
der PDS-Fraktion abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 17 ist gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, FDP und PDS angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 28. November 2001,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.