Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/7/2001

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Danke, Herr Minister. Ich bitte, zunächst Fragen zu dem aufgerufenen Themenkomplex zu stellen, und bitte um Wortmeldungen. Ich erteile Herrn Kollegen Eckart von Klaeden das Wort.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, zunächst herzlichen Dank für Ihren Bericht. Ich habe zwei Fragen, und zwar zunächst eine rechtliche Frage: Es gibt ja Streit darüber, wie ein dem Anschlag auf das World Trade Center vergleichbarer Fall in Deutschland verfassungsrechtlich zu fassen wäre. Also: Wie kann ein Angriff mit einem zivilen Flugobjekt auf ein ziviles Ziel verhindert werden? Das ist meine erste Frage. Meine zweite Frage bezieht sich auf die Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei Einbürgerungen oder bei der Erteilung eines längeren Aufenthaltstitels. Wird es diese Regelanfrage geben oder nicht?

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Vielleicht darf ich zunächst Ihre zweite Frage beantworten: Sie wissen, dass wir im Rahmen der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts eine Verschärfung vorgesehen haben. Ich will mich auch noch einmal dafür bedanken, dass Herr Kollege von Klaeden dieses Vorhaben positiv begleitet hat. Ich glaube, es ist notwendig, Ausländern nur unter der Voraussetzung, dass sie eine klare Loyalität zu unserem Grundgesetz, zu unserer Verfassung, unter Beweis stellen, den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang haben wir mehrere Maßnahmen vorgesehen: eine Loyalitätserklärung und zugleich eine Überprüfung, ob die Verfassungstreue gewährleistet ist. Wir haben es den Ländern überlassen, in welcher Form sie das bewerkstelligen wollen. Viele Länder haben eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vorgenommen. Inzwischen ist das praktisch ausnahmslos der Fall, und zwar aufgrund einer Verabredung im Kreise der Innenminister. Eine Ausnahme bilden die Länder, bei denen eine gesetzliche Regelung fehlt. Zu diesen Ländern gehört beispielsweise Sachsen. Aber Sachsen hat inzwischen diese gesetzliche Lücke geschlossen und wird aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung die Regelanfrage beim Verfassungsschutz einführen. Zu Ihrer ersten Frage: Ich weiß nicht, welches verfassungsrechtliche Problem Sie meinen. ({0}) - Sie meinen das also unter dem Gesichtspunkt des Einsatzes der Bundeswehr. Ich glaube nicht, dass wir über das Thema der Terrorismusbekämpfung unter diesem Gesichtspunkt diskutieren sollten. Wir sollten - das habe ich mehrfach öffentlich gesagt - unsere Bemühungen nicht darauf konzentrieren, was zu tun ist, wenn sich ein Zivilflugzeug einem Hochhaus bedrohlich nähert. Meine persönliche Auffassung ist: Dann ist es zu spät. Wir sollten unsere Bemühungen, wie gesagt, nicht auf diesen Fall konzentrieren. Ich möchte die Bundeswehrleitung nicht in die schwierige Situation hineinmanövrieren, in der sie entscheiden muss, ob sie ein entführtes Flugzeug abschießen soll oder nicht; denn die Erfahrung zeigt: Viele Entführungsfälle sind glimpflich abgelaufen. Nicht auszudenken wäre es, wenn ein entführtes Flugzeug abgeschossen würde und man hinterher feststellen müsste, dass man den Entführer hätte entwaffnen können. Ich glaube, die Diskussion über die Möglichkeit, entführte Flugzeuge abzuschießen, führt uns auf den falschen Weg. Wir sollten unsere gesamten Bemühungen auf die Verhinderung von Flugzeugentführungen konzentrieren. Deshalb ist es richtig, wenn wir uns sehr intensiv um die Beantwortung der Frage bemühen: Wie kann ein tief gestaffeltes Sicherheitssystem im Flugverkehr funktionieren? Wir können uns in Deutschland rühmen, dass wir im internationalen Vergleich mit das beste Sicherheitssystem haben. Trotzdem reicht uns das natürlich nicht. Wir müssen einen internationalen Verbund zustande bringen, damit die Sicherheitsstandards, die in unserem Land gelten und die wir noch weiter entwickeln werden, im gesamten internationalen Flugverkehr zur Regel werden. Tief gestaffeltes Sicherheitssystem heißt, dass wir Redundanz schaffen, Herr von Klaeden. Ich wähle in diesem Zusammenhang immer gerne den Vergleich mit einem Kernkraftwerk: Wenn das erste Kühlsystem ausfällt, dann muss sich ein zweites einschalten. Wenn auch das zweite ausfällt, muss es ein drittes geben. Es ist eine Frage des Sachverstandes und der Wahrscheinlichkeitsrechnung, wie viele Kühlsysteme hintereinander geschaltet werden müssen, um den höchsten Sicherheitsgrad, der gewährleistet werden kann, zu erreichen. Ähnliches gilt auch für den Flugverkehr. Deshalb haben wir mehrere Maßnahmen auf den Weg gebracht, und zwar schon bevor ich dieses Sicherheitspaket vorgelegt habe: Das Personal auf den Flughäfen wird gründlich und sorgfältig überprüft. Die Gepäckkontrollen sind verschärft worden. Es werden bereits jetzt im Rahmen dessen, was rechtlich möglich ist, Flugbegleiter eingesetzt, ohne dass natürlich vorher bekannt gegeben wird, auf welchen Flügen sie eingesetzt werden. Wir haben auch dafür gesorgt, dass das Fluggerät - für Fragen der Technik ist eher der Kollege Bodewig zuständig - technisch ertüchtigt wird. Es geht hierbei zum Beispiel um die Kabinentür. Des Weiteren sollen beim Transponder Vorkehrungen getroffen werden, die verhindern, dass ein entführtes Flugzeug den Radarbereich verlassen kann. Manche technischen Neuerungen, die jetzt vorgeschlagen werden, halte ich persönlich für nicht nützlich, beispielsweise dass durch einen Automatismus, der nur noch von der Bodenkontrolle gestoppt werden kann, ein Flugzeug auf den Geradeausflug zurückgeführt wird. Alle Sachverständigen, mit denen ich gesprochen habe - darunter waren auch Piloten -, waren der Meinung, dass ein solcher Automatismus nur die Gefährdung vergrößern würde. Ich glaube, dass diese Maßnahmen eher geeignet sind als beispielsweise das Aufstellen von Flak neben dem Potsdamer Platz oder die Bereithaltung eines Geschwaders von Jagdflugzeugen für den Fall, dass sich ein entführtes Flugzeug nähert.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr von Klaeden hat das Wort für eine kurze Nachfrage. Ich muss aber auf die Uhr gucken, weil es eine Reihe von Wortmeldungen gibt.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ohne dass ich hier öffentlich Anregungen geben möchte, will ich nur feststellen: Eine solche Gefährdungssituation kann natürlich auch eintreten, ohne dass eine Flugzeugentführung stattfindet, und dann sind die Sicherungsmaßnahmen, die Sie genannt haben, zum großen Teil nicht wirksam.

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Nur damit wir uns jetzt richtig verstehen, Herr von Klaeden: Meinen Sie eine Gefährdung für Hochhäuser allgemein?

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es müssen nicht unbedingt Hochhäuser sein, es können auch andere besonders gefährdete Einrichtungen sein. Es muss auch nicht unbedingt ein großes Passagierflugzeug sein, das dazu verwandt wird.

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Wenn es sich zum Beispiel um einen Bomber handelt, ({0}) dann stellt sich natürlich die Frage: Wie ist die Überwachung des Flugverkehrs? In einem solchen Fall hat die Bundeswehr meiner Meinung nach bereits nach geltendem Recht die Möglichkeit, einzugreifen. - Wenn es da Unklarheiten geben sollte, bin ich gern bereit, darüber zu reden; wir haben darüber im Bundestag auch schon debattiert. ({1}) Das, was wir an Sicherheitsstrukturen aufbauen, müssen wir so ordnen, dass der Gefahr damit am ehesten begegnet werden kann. Darüber, dass wir nicht in der Lage sind, nun jedes Gebäude mit einem Sicherheitsschirm, vielleicht einem Raketenschirm oder etwas Ähnlichem - was immer man sich da ausdenkt -, zu versehen, besteht, glaube ich, Übereinstimmung. Wir tun alles, was möglich ist, übrigens auch unter Einbeziehung der Bundeswehr, um heute sicherheitsgefährdete Bereiche, auch Gebäudekomplexe, zu schützen. Die Polizeien des Bundes und der Länder - das darf ich an dieser Stelle einmal sagen - leisten in dieser Situation wirklich hervorragende Arbeit, und zwar unter Anspannung aller Kräfte. Man muss in dem Bereich auch sehr auf der Hut sein: Was den Einsatz unserer Sicherheitskräfte angeht, können wir nicht immer sozusagen das Gaspedal ganz durchtreten, sondern wir müssen sehen, dass wir einen Zustand gewisser Normalität erreichen - obwohl die Zeiten alles andere als normal sind -, damit nicht nachher eine Ermüdungstendenz eintritt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Fragestellerin ist die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, ich gebe Ihnen natürlich Recht darin, dass wir alle nach dem 11. September vor der Frage stehen, ob die bisherigen gesetzlichen Regelungen ausreichen, um mit der Herausforderung des Terrorismus umzugehen, Schuldige zu erkennen oder, noch besser, präventiv tätig zu werden und Schuldige, sofern sie erkannt werden, auch zu bestrafen. Sobald uns das, was Sie heute beraten haben, vorliegt, werden wir es deshalb daraufhin überprüfen, inwieweit es zweckmäßig und inwieweit es bürgerrechtsverträglich ist, inwieweit es also geeignet ist, die Freiheit zu sichern. In diesem Zusammenhang habe ich drei Fragen. Erstens. Sie sprachen von den Kontrollen des Personals. Ich gehe sicherlich recht in der Annahme, dass Sie damit nicht nur das Personal im Flugwesen meinen, sondern auch das in Infrastrukturbereichen, die ganz konkret bedroht sein könnten. Deshalb möchte ich gern wissen, welcher Personenkreis in den von Ihnen geplanten gesetzlichen Maßnahmen ganz konkret vorgesehen ist und welche konkreten Regelungen Sie zur Absicherung dieser Kontrollen beabsichtigen. Ein Zweites. Sie sprachen von Kompetenzen der Dienste in Bezug auf die Kontrolle oder Beobachtung von Finanztransaktionen. Im Allgemeinen wird das in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort „Bankgeheimnis“ debattiert, ohne dass in der Öffentlichkeit so richtig darüber aufgeklärt wird, was hier konkret vorgesehen ist. Ich möchte gern wissen, wie Sie mit diesen Dingen umgehen wollen. Der dritte Komplex. Sie sprachen über die Möglichkeit der Aufnahme von weiteren biometrischen Merkmalen in Pässe und Ausweise; ich meine jetzt nicht den Fingerabdruck, der ja schon in der allgemeinen Debatte ist. Auch wenn Sie das in die Kompetenz des Bundestages gegeben haben, möchte ich gern wissen, welche Merkmale Ihres Erachtens zweckmäßigerweise aufgenommen werden sollten. Außerdem möchte ich gern wissen, auf welche Art und Weise Sie mit diesen Daten umgehen wollen. Hier stellt sich wieder die Frage der Zweckmäßigkeit. Ich habe nichts von der Einrichtung einer entsprechenden Sammelund Vergleichsdatei gehört. Solche Dateien wären, denke ich, auch nicht verfassungskonform. ({0}) - Herr Kollege, ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Auch Ihr Kollege durfte ausführlich fragen. - Wie wollen Sie einen entsprechenden Vergleich vornehmen?

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Frau Kollegin Pau, Sie wollten in Ihrer Eingangsbemerkung den Gegensatz zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten herausarbeiten. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die bürgerlichen Freiheitsrechte am stärksten durch den internationalen Terrorismus bedroht sind. Diejenigen, die im World Trade Center ihr Leben eingebüßt haben, haben ihr wichtigstes Recht - auch das Grundgesetz garantiert es verloren. Gleiches gilt für Opfer von Geiselnahmen und Ähnlichem. Deshalb sehe ich den von Ihnen angesprochenen Gegensatz nicht. Ein Staat, der die Rechte der Bürgerinnen und Bürger schützt, tut etwas für und nicht gegen die Freiheitsrechte der Bürger. ({0}) Wer etwas anderes behauptet, der führt die Öffentlichkeit in die Irre. Im Hinblick auf die Sicherheitsüberprüfung möchte ich darauf verweisen, dass die Kernkraftwerke natürlich einen sehr empfindlichen Bereich darstellen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich auf diesem Gebiet keine Personen Zugang verschaffen, die nichts Gutes im Schilde führen. Diesen Anspruch erheben auch die Kernkraftbetreiber. Wir müssen dafür sorgen, dass der entsprechende Personenkreis sicherheitsüberprüft wird. Es ist eine Ermessensfrage, zu entscheiden, wie weit man diesen Kreis zieht. Man muss zum Beispiel entscheiden, ob auch die Reinigungskräfte oder ob nur Personen, die Zugang zu Steuerungselementen oder Ähnlichem haben, in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. Die Praxis wird zeigen, was zu tun ist. Sie haben auch nach dem Bankgeheimnis gefragt. Das Bankgeheimnis wird selbstverständlich gewahrt. Man wird keinen unmittelbaren Einblick in die Kontenbewegungen selbst nehmen können. Es geht vielmehr beispielsweise darum, festzustellen, wer welche Konten eröffnet. Eine solche Beobachtung der finanziellen Bewegungen ist notwendig. Wenn strafrechtliche Ermittlungen es erforderlich machen, dann kann es sich im Einzelfall ergeben, dass der Zugang zu kontenspezifischen Daten möglich ist. Die Vorstellung, dass das Bankgeheimnis strafrechtliche Ermittlungen behindert, ist falsch. Selbstverständlich hat eine ermittelnde Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, Bankkonten zu überprüfen. Meistens gibt es dabei mit den jeweiligen Banken gar keine Probleme. Die dritte Frage bezog sich auf die biometrischen Daten. Ich persönlich bin der Meinung, dass Fingerabdrücke - auch unter praktischen Gesichtspunkten - am tauglichsten sind. Mir erscheinen die anderen Möglichkeiten noch nicht ausgereift. Die Tauglichkeit in der Praxis sollte darüber entscheiden, welches biometrische Merkmal wir wählen. Wir wissen - ich habe das im Deutschen Bundestag schon einmal vorgetragen -, dass entsprechende Verfahren in anderen Ländern bereits praktiziert werden. Ich erinnere mich, dem Hohen Haus schon einmal einen Ausweis gezeigt zu haben, nämlich die „resident alien card“. In Amerika ist es üblich, dass Personen, die dort eine Arbeit aufnehmen, eine solche Karte haben. Das gilt für alle Personen aus dem Ausland - Geschäftsleute, abhängig Beschäftigte, wer auch immer -, die in Amerika eine Arbeitserlaubnis erhalten. Eine solche Karte enthält ganz selbstverständlich einen Fingerabdruck. Ich habe bislang noch nie gehört, dass sich irgendjemand deswegen über die Verletzung seiner Menschenwürde beklagt hat. Mir leuchtet auch nicht ein, warum der Abdruck eines Fingers schützenswerter als das Bild eines Gesichtes sein soll und daher dem besonderen Schutz durch Art. 1 des Grundgesetzes unterliegt. Ich kann diese Haltung zwar emotional nachvollziehen; denn wir sind daran gewöhnt, dass Fingerabdrücke im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens - die Kriminalpolizei spricht vom so genannten Klavierspielen - abgegeben werden. Aber diese emotionale Schwelle müssen wir allmählich überwinden und uns an neue Verhältnisse gewöhnen. Im Übrigen werden in Spanien - das ist eine Information, die ich erst in jüngster Zeit bei den deutsch-spanischen Konsultationen bekommen habe; ich wusste das vorher auch nicht - bei Gewährung von längerfristigem Aufenthalt generell Fingerabdrücke von den entsprechenden Personen genommen, um die Identität zu sichern. Es kann ja niemand etwas dagegen haben, dass wir uns vergewissern, wenn jemand in unser Land hinein möchte, wen wir wirklich vor uns haben, damit nicht, wie wir es leider im Fall Atta und in anderen Fällen erlebt haben, mit mehreren Identitäten gearbeitet wird und wir in den entsprechenden Dateien nicht einmal entdecken, dass jemand mit verschiedenen Namen operiert und sich damit in Deutschland bewegt. Den Abgleich kann man ähnlich wie beim Foto durchaus mit dezentralen Dateien vornehmen. Die Frage der zentralen Dateien muss man sicherlich diskutieren, weil manche Bedenken haben und meinen, dass hier Probleme entstehen könnten, die über die Frage der Identitätssicherung hinausreichen. Diese Frage ist noch nicht endgültig zu beantworten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Brisanz des Themas ist es erklärlich, dass es eine Vielzahl von Fragen gibt. Im Interesse der sieben Kolleginnen und Kollegen, die noch Fragen angemeldet haben, bitte ich sowohl die Fragestellerinnen und -steller als auch den Minister um etwas kürzere Beiträge. Wir müssen uns eventuell interfraktionell verständigen, ob es ausnahmsweise eine Verlängerung geben kann.

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Frau Präsidentin, ich verstehe, dass Sie kurze Antworten wünschen. Ich kann Ihnen aber nur im Rahmen der vorgesehenen Zeit zur Verfügung stehen, weil ich noch zur Innenministerkonferenz muss, bei der ich ohnehin zu spät eintreffen werde. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Befragung auf die vorgesehene Zeit begrenzen könnten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist der Kollege Dehnel dran.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben viel davon gesprochen, wie Sie in Zukunft verhindern wollen, dass verdächtige Personen ins Land hineinkommen. Mich interessiert nun, wie Sie mit Personen verfahren wollen, die hier offensichtlich in religiösen Vereinigungen oder auch in Moscheen Hass gegenüber Christen und Juden predigen und damit Leute anstiften, Taten, wie wir sie erlebt haben, zu begehen. Wie wird mit diesen Personen in Zukunft verfahren werden?

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Wir haben in unserem Entwurf eine Regelung vorgesehen, die es uns ermöglicht, die Ausweisungstatbestände auf diesen Personenkreis zu erweitern und eine Regelausweisung einzuleiten. Diese Regelung stimmt in etwa mit der in dem Antrag der Länder Niedersachsen und Bayern vorgesehenen überein, die im Bundesrat eine entsprechende Initiative eingebracht haben. Um Äußerungen, die, wie von Ihnen angesprochen, in Moscheen oder ähnlichem Kontext getätigt werden, ahnden zu können, müssen zunächst einmal die entsprechenden Erkenntnisse gewonnen werden. Nicht immer ist das möglich. Wir erfahren davon zwar zum Teil aus den Berichten unserer Verfassungsschutzbehörden, aber nicht immer sind die von diesen gewonnenen Erkenntnisse ohne weiteres verwertbar. Es ist also notwendig, diese Erkenntnisse auf eine beweiskräftige Grundlage zu stellen. Es ist zunächst einmal eine praktische Frage, die sich hier stellt. Das Nächste ist - auch das bitte ich immer zu beachten, Herr Kollege -, dass eine Ausweisungsverfügung die eine Seite der Medaille ist, deren Vollzug aber eine andere. Größere Schwierigkeiten gibt es in vielen Fällen beim Vollzug der Abschiebung. Wir und auch die Länder, die ja in erster Linie dafür zuständig sind, haben da einige Probleme - das will ich Ihnen gar nicht verschweigen -, in Kooperation mit dem Herkunftsland eine solche Verfügung auch umzusetzen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt kommt die Frage des Kollegen Siemann.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, auch die Geheimdienste sind Gegenstand in dem von Ihnen vorgestellten Gesetzentwurf. Ist es vor diesem Hintergrund zutreffend, dass auf Betreiben von Bündnis 90/Die Grünen sehr kurzfristig der MAD, der ursprünglich im Gesetzentwurf erwähnt wurde, davon ausgenommen wurde? Wenn ja, warum ist das geschehen? Ist es weiterhin richtig, dass aufgrund allein dieser Tatsache das Verteidigungsministerium dem Regierungsentwurf im Rahmen der Ressortabstimmung nicht zugestimmt hat?

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Das ist schlichtweg falsch. Der Militärische Abschirmdienst ist in dem Gesetzentwurf enthalten. Ich weiß nicht, welche Gerüchte zu Ihnen gedrungen sind. Man sollte solchen Gerüchte nicht trauen. ({0}) - Ja. Ich bedanke mich für die Frage und habe die Gelegenheit wahrgenommen, sie Ihnen zu beantworten. Das Gerücht ist aber falsch.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Fragesteller ist der Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, hat sich das Kabinett heute auch etwas umfassender mit dem Thema Terrorismusbekämpfung beschäftigt, also nicht nur mit den Fragen, die wir im Inland zu regeln haben? Ich denke zum Beispiel daran, was wir tun können, um den florierenden Drogenhandel aus Afghanistan unter Kontrolle zu bringen und um den illegalen Diamantenschmuggel, mit dem sich al-Qaida derzeit munter finanziert, zu unterbinden.

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Herr Kollege, wir haben uns heute auf die Fragen konzentriert, die ich Ihnen vorgetragen habe. Die Fragen, die Sie aufwerfen, sind nicht erst mit dem 11. September aktuell geworden. Der internationale Drogenhandel ist ein Thema, das uns über Jahre hinweg begleitet, übrigens auch schon die alte Regierung. Dass es gerade bei Afghanistan gar nicht so einfach ist, den internationalen Drogenhandel unter Kontrolle zu bekommen, ist eine Tatsache, die ich gar nicht bestreiten kann. Das gilt aber für andere Regionen in der Welt auch. Es könnte ein - wenn Sie so wollen - positiver Spin-off der jetzigen Militäraktionen gegen das Netzwerk al-Qaida und die Taliban, die dort quasi als Gastgeber fungieren, sein, dass wir jetzt auch diesen Drogenhandel bekämpfen. Herr Kollege, Sie wissen im Übrigen, dass es, gerade bezogen auf die finanziellen Transaktionen - dazu gehört auch der Diamantenhandel -, eine Financial Action Task Force auf internationaler Ebene gibt, die sich mit diesen Themen beschäftigt. Wir werden unsere Bemühungen in Deutschland auf diesem Gebiet verstärken. Deshalb wird auch die Financial Investigation Unit beim BKA weiter ausgebaut. Sie können darauf vertrauen, dass die Bundesregierung alles tut, um ihre Erkenntnisse auf diesem Gebiet zu verbessern. Das ist auch ein Thema, das in den Bereich der Aktionen gehört, die die UNO-Sicherheitsratsresolution 1373 vorsieht. Zu deren Zustandekommen haben auch wir beigetragen. Ich habe kürzlich Gelegenheit gehabt, mit dem britischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, der diese Kommission leitet, über die UNOSicherheitsratsresolution 1373 und deren Verwirklichung zu sprechen. Ich glaube, dass wir zu den Ländern gehören, die sich am aktivsten an den Bemühungen beteiligen, solche Finanzströme trockenzulegen und eine Finanzierung des Terrors zu verhindern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Scherhag.

Karl Heinz Scherhag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002773, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie sprachen von der Sicherheit in den Flugzeugen und auf den Flughäfen sowie von den Kontrollen. In der letzten Woche ist mir bei einer Kontrolle auf dem Frankfurter Flughafen die Nagelschere abgenommen worden. Diese wurde vernichtet. Anschließend wurden im Flugzeug Stahlmesser und Stahlgabeln verteilt. Meine Frage lautet: Wo bleibt da die Sicherheit der Passagiere?

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Ich höre natürlich immer wieder von solchen Fällen. Man muss diesen Fragen nachgehen. Geben Sie mir bitte die Details. Ich weiß nicht, um welche Fluggesellschaft es sich gehandelt hat. ({0}) Im Bundeswehrflugzeug Challenger, mit dem ich manchmal unterwegs bin, wird nur Plastikbesteck verwendet, wahrscheinlich weil ich so besonders gefährlich bin. ({1}) Sie sehen, dass wir bei diesem Thema sehr konsequent sind. Sie haben aber Recht: Wir müssen dafür sorgen, dass Metallbesteck nicht mehr verwendet wird. Nennen Sie mir dazu die Details, dann werden wir der Sache nachgehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Sie haben noch eine ganz kurze Nachfrage? Ich bitte Rücksicht auf die Kollegen zu nehmen, die noch eine Frage stellen wollen.

Karl Heinz Scherhag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002773, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Herr Minister, es war die Lufthansa. Es ist offiziell. Es passiert auf den Flügen nach und von Italien und es waren viele Gäste in dem Flugzeug. Ich habe mich schon darüber gewundert, dass man in einer Zeit, in der wir über Sicherheit sprechen, in solcher Weise vorgeht.

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Ich nehme diese Feststellung entgegen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es gerade mit der Lufthansa eine sehr enge Kooperation gibt. Die Lufthansa nimmt die Sicherheitsvorkehrungen sehr ernst. Ich darf daran erinnern, dass es bei bestimmten Flugverbindungen doppelte Gepäckkontrollen gibt, die unser aller Sicherheit dienen. Ich bin ja bereit, solche Kritik entgegenzunehmen. Wir sollten aber keinen Sport daraus machen, einzelne Vorkommnisse ins Lächerliche zu ziehen, die auf die große Anspannung zurückzuführen sind, unter der alles getan wird, um die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten. Ich will auch dick unterstreichen, dass diese Anstrengungen mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden sind. Ich bin deshalb Herrn Weber, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Lufthansa, und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Lufthansa dafür sehr dankbar, wie ernst sie die Sicherheitsaufgaben nehmen und wie sorgfältig sie sie durchführen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Bonitz, bitte.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich habe zwei kurze Fragen. Die erste Frage: Beabsichtigt die Bundesregierung angesichts einer neuen Gefährdungsabschätzung nach den Terroranschlägen, von ihrem Konzept zur Errichtung dezentraler Zwischenlager an Atomkraftwerksstandorten Abstand zu nehmen? Zweite Frage: Soweit ich informiert bin, gibt es inzwischen im Bundesinnenministerium Bestrebungen, zumindest die Computereinheiten der Krisenstäbe mit einer zweiten Einheit abzusichern. Wird diese Sicherheitseinheit unabhängig von dem zentralen Server sein? Was passiert, wenn eine Cyber-Attacke stattfinden sollte?

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Frau Bonitz, wir bemühen uns selbstverständlich um die Sicherheit der Kommunikationsnetze. Das ist eine pure Selbstverständlichkeit. Auch im Informationsverbund soll eine Redundanz herbeigeführt werden. Wie sie im Einzelnen aussehen wird, kann ich Ihnen im Detail nicht schildern. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich darüber im Innenausschuss gerne berichten. Dass diese Maßnahme notwendig ist, steht außer Frage. Auch in Bezug auf das Kanzleramt und in die Ministerien kümmern wir uns um bessere Sicherheitsvorkehrungen. Der Kommunikationsbereich muss so ausgestaltet sein, dass bei Ausfall eines Computerverbundes wir nicht völlig lahm gelegt sind. Ich glaube, das wird jeder einsehen. Was die Zwischenlager angeht, sind mir keine Bestrebungen bekannt, die in die von Ihnen geschilderte Richtung gehen. Die öffentliche Debatte, es könnten auch auf diese Objekte Angriffe erfolgen, spiegeln kein realistisches Szenario wider. Wenn beispielsweise bezüglich der Kernkraftwerke selbst behauptet wird, auf die UmBundesminister Otto Schily hüllung könnte ein entführtes Flugzeug im Steilflug gestürzt werden, dann muss ich sagen, dass dieses ein extrem unwahrscheinliches Szenario ist. Das Flugzeug müsste nämlich erst einige Kühltürme umfliegen, um dann im Steilflug auf das Kraftwerk zu stürzen. Selbst wenn die Entführer eine Pilotenausbildung in Florida gehabt hätten, könnte ich mir kaum vorstellen, dass sie solche Kunstflugmanöver durchführen können. An dieser Stelle sollten die Bestrebungen eher an der offensiven und defensiven Sicherheit der Kernkraftwerke orientiert sein. Ich war mir mit den Vertretern der Kernkraftwerksunternehmen völlig einig, wie wir die Sicherheit der Kernkraftwerke verbessern können und dass andere Maßnahmen nicht erforderlich sind. Es sind auch nicht die Maßnahmen erforderlich, die Sie mit Ihrer Frage angedeutet haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt noch eine Frage des Kollegen Zeitlmann und der Kollegin Ostrowski. Lassen Sie diese Fragen noch zu, Herr Minister?

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Gut. Zwei Fragen beantworte ich noch.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich bitte beide Kollegen, sich kurz zu fassen.

Wolfgang Zeitlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002588, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich komme zurück auf die Regelanfrage bei der Einbürgerung. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass es jetzt in allen Ländern die Regelanfrage gibt. Meine Frage bezieht sich auf die Vergangenheit: Wie viele Einbürgerungen gab es in Ländern ohne Regelanfrage seit InKraft-Treten des neuen Staatsbürgerschaftsrechts? Es kann sein, dass Sie diese Zahl im Moment nicht präsent haben. Sind Sie mit mir der Meinung, dass die Einbürgerungen ohne Regelanfrage im Lichte der Ereignisse des 11. September jetzt daraufhin überprüft werden müssen, ob es darunter die Einbürgerung eines zweiten „Atta“ geben könnte?

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Herr Kollege Zeitlmann, ich habe, wie Sie schon vermuten, die Zahl natürlich nicht im Kopf. Wir können der Frage gern einmal nachgehen. Wenn sich Anlass zu einer solchen Maßnahme, wie Sie sie gerade angedeutet haben, ergeben sollte, werden die Länder dem sicherlich zugänglich sein. Ich will nur darauf verweisen, dass es im Kreise der Verdächtigen einige oder einen - ich weiß es nicht genau gibt, der die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hat, allerdings unter dem alten Recht. Deshalb können wir uns nur dazu gratulieren, dass wir diese neue Regelung geschaffen und den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft im Zuge der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts reformiert haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollegin Ostrowski mit der letzten Frage an den Herrn Bundesminister.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, erste Frage: Welche Maßnahmen zur Koordinierung von Zivilschutz und Katastrophenschutz und zur Ausrüstungsproblematik sind in Ihrem Sicherheitspaket vorgesehen? Zweite Frage: Vorausgesetzt, Ihr Sicherheitspaket wird beschlossen und gut realisiert, welche Garantien können Sie abgeben, dass Deutschland vor Terroranschlägen gleich welcher Art tatsächlich sicher ist? Ich frage das deshalb, weil der Fingerabdruck auf den Ausweisen ja bekanntermaßen Amerika auch nicht vor dem Anschlag auf das World Trade Center geschützt hat.

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Zu Ihrer zweiten Frage muss ich Ihnen sagen: Nach den Erkenntnissen, die wir heute haben, hatten diejenigen, die diesen schrecklichen Anschlag verübt haben, keine „Resident alien card“, meines Wissens jedenfalls. Insofern geht Ihre Frage an der Realität vorbei. Im Übrigen kann ich Ihnen natürlich nicht irgendeine notariell beurkundete Versicherung abgeben, dass aufgrund eines Sicherheitspaketes jeglicher terroristischer Anschlag ausgeschlossen werden kann. Das kann niemand tun. Aber wir tun alles Menschenmögliche, um - ich wiederhole mich - die Früherkennung terroristischer Aktionen zu ermöglichen oder das zu verbessern und identitätssichernde Maßnahmen herbeizuführen, die es uns erlauben, besser zu erkennen, wer zu uns kommt und wer uns verlässt. Die Fragen des Zivilschutzes sind nicht Teil des Sicherheitspaketes; hier geht es um gesetzgeberische Maßnahmen. Daneben gibt es aber eine Fülle von administrativen Maßnahmen. Dazu gehört das, was Sie angesprochen haben. Wir haben schon frühzeitig damit begonnen, in Zusammenarbeit mit den Ländern, die für den Katastrophenschutz zuständig sind, den Zivilschutz zu reorganisieren. Sichtbares Ergebnis dieser Reorganisationsmaßnahmen ist die Tatsache, dass wir ein satellitengestütztes Warnsystem eingeführt haben. Das ist übrigens nicht erst nach dem 11. September geschehen, sondern das haben wir schon seit langem vorbereitet. Dass es nach dem 11. September arbeitsfähig wurde, ist, wenn Sie so wollen, ein Zufall. Auch andere Dinge haben wir auf dem Gebiet getan. Wir haben die Koordination verbessert, ein gemeinsames Datensystem geschaffen und die Akademie für Notfallplanung und Zivilschutz besser ausgestattet, damit auch die Ausbildung verbessert wird. Wir sind gerade dabei, die Länder mit dem notwendigen Fahrzeugmaterial zu versehen. Dazu gehören 340 Erkundungsfahrzeuge zum Einsatz bei ABC-Gefahren und auch Fahrzeuge zur Dekontaminierung oder Sanitätsfahrzeuge. Insgesamt stellen wir den Ländern 650 Fahrzeuge in diesem Bereich zur Verfügung. Wir sind auch bemüht, unsere Struktur insofern zu verbessern, dass wir sie in einen europäischen Verbund eingliedern. Auch dafür haben wir organisatorische Vorkehrungen getroffen. Wir sind damit noch längst nicht am Ende. Wir setzen auch mehr Geld ein. Sie wissen, dass uns der Finanzminister eine durchaus ansehnliche Summe in Aussicht gestellt hat, von der ich hoffe, dass sie der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages endgültig beschließen wird, damit wir unseren Aufgaben auch im Zivilschutz noch besser gerecht werden können, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich danke dem Herrn Minister. - Bevor ich die Fragestunde aufrufe, lasse ich noch eine seit längerem angemeldete Frage des Kollegen Niebel zu. Diese Frage betrifft nicht den Geschäftsbereich des Innenministers, sondern geht an das Bundeskabinett insgesamt. Die Damen und Herren Staatsminister und Staatssekretäre entscheiden dann, wer antwortet.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte wissen, ob sich das Kabinett auch mit einem Themenkomplex beschäftigt hat, über den in der morgigen Ausgabe des „Stern“ berichtet wird. Diesem Bericht zufolge soll im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine freihändige Vergabe im Umfang von über 50 Millionen DM an ein Bonner Unternehmen stattgefunden haben. Auch soll der EU-Kommissar Frits Bolkestein gegenwärtig prüfen, inwieweit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einzuleiten ist. Ist darüber im Kabinett gesprochen worden? Wenn ja: Wie geht die Bundesregierung mit diesen Vorwürfen um? Wenn nein: Ist eine freihändige Vergabe von Steuermitteln in diesem Umfange nicht doch wert, im Kabinett besprochen zu werden?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Beantwortung, Herr Staatsminister Bury, bitte.

Not found (Gast)

Herr Kollege Niebel, das von Ihnen angesprochene Thema ist heute im Kabinett nicht besprochen worden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit ist die Regierungsbefragung beendet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde - Drucksache 14/7265 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Thomas Strobl auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden in Deutschland zum dritten Quartal 2001, insbesondere durch einen Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen, erneut verschlechtert hat?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Strobl, der Bundesregierung ist bekannt, dass es im kommunalen Bereich finanzielle Probleme gibt. Eine sichere Bewertung dieser Entwicklung wird allerdings erst möglich sein, wenn die Ergebnisse des dritten Quartals 2001 der Kassenstatistik für Kommunalfinanzen sowie die neue Steuerschätzung vorliegen werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Strobl, zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, warum hält sich die Bundesregierung, wenn ihr die Verhältnisse bekannt sind, nicht an ihre eigene Koalitionsvereinbarung, die eine Entlastung der Gemeindehaushalte vorsieht?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Strobl, es ist Ziel der Bundesregierung, sichere Kommunalfinanzen auch in Zukunft zu gewährleisten. Andererseits sind Steuersenkungen, wie wir sie in großem Umfange schon vollzogen haben und in den nächsten Jahren weiterhin vollziehen werden, natürlich nur dann möglich, wenn alle drei Ebenen des Staates entsprechend ihren Anteilen am Steueraufkommen auch an den Steuereinnahmeverzichten teilhaben. Dies trifft dann selbstverständlich auch die Kommunen. Allerdings haben wir die Kommunen unterproportional an den Steuereinnahmeausfällen infolge des Steuersenkungsgesetzes 2000 beteiligt. Ich nenne Ihnen die wichtigsten Zahlen aus dem Kopf: Die Kommunen hatten im vergangenen Jahr - das wird auch in diesem Jahr im Prinzip so geblieben sein - ein Aufkommen von rund 12 Prozent des Gesamtsteueraufkommens der Bundesrepublik Deutschland und sind mit unter 9 Prozent an den Steuereinnahmeausfällen beteiligt gewesen, sodass man sagen kann, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen auf die Verhältnisse in den Kommunen in besonderer Weise Rücksicht genommen haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Strobl zu einer zweiten Nachfrage, bitte.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, dass die Bundesregierung gerade in den vergangenen zwei Jahren den Kommunen in besonderem Maße Lasten aufgebürdet hat? Ich denke hier an die Rentenreform, die die Kommunen mit 15,5 Milliarden DM belastet, sowie an die Gewerbesteuerverluste, die im Zuge des Verkaufs der UMTS-Lizenzen entstanden sind und eine Größenordnung von 14 Milliarden DM ausmachen. Viele andere Maßnahmen wie die Steuerreform und Sozialhilfeleistungen für Langzeitarbeitslose als Zuschuss zur Arbeitslosenhilfe wären zu nennen. Stets handelt es sich um Beträge in Milliardenhöhe, mit denen der Bund durch seine Politik die Kommunen belastet hat.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Strobl, einige der von Ihnen genannten Beispiele kann ich so nicht beBundesminister Otto Schily stätigen. Beispielsweise wüsste ich nicht, wie die Rentenreform die Kommunen belasten sollte. Sinkende Steuereinnahmen aufgrund der UMTS-Versteigerungen sind natürlich nicht vollständig von der Hand zu weisen. Wenn keine Gewinne erzielt werden, weil die Abschreibung dieser Aufwendungen über zehn Jahre vollzogen werden kann, so mag dies einzelne Kommunen, in denen sich der Sitz der jeweiligen Unternehmen befindet, in diesem Zeitraum durchaus tangieren, aber es kann nicht die Rede davon sein, dass die Gesamtheit der kommunalen Familie durch die Bundesregierung durch überproportionale Belastungen oder Einschränkungen belastet worden sei. Das Gegenteil ist der Fall.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege von Klaeden hat noch eine Nachfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, meine Nachfrage bezieht sich auf zwei Punkte. Der erste betrifft die Finanzierung der Rentenreform, deren Bestandteil die Ökosteuer ist. Nach Ihrer Antwort bestehen zwei Möglichkeiten. Wenn Sie meinen, die Kommunen würden durch die Rentenreform nicht belastet, dann ist es lediglich ein politischer Vorwand, wenn Sie sagen, die Ökosteuer zur Finanzierung der Rentenreform herangezogen zu haben. Wenn jedoch tatsächlich der Zusammenhang, der von Ihrer Regierung immer wieder behauptet wird, besteht, dann entsteht durch die Ökosteuer in Verbindung mit der Rentenreform natürlich auch eine Belastung für die Kommunen. In diesem Zusammenhang frage ich, ob die Untersuchung und die Prognose des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der von Mindereinnahmen für die Kommunen ab dem Jahr 2001 von sage und schreibe 11,279 Milliarden DM ausgeht, also einer Einbuße von fast 10 Prozent, nach Ansicht der Bundesregierung völlig aus der Luft gegriffen sind.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege von Klaeden, Kollege Strobl hatte auf die Rentenreform abgehoben. Deswegen habe ich eben erklärt, dass ich keinen Sachzusammenhang zwischen Kommunalfinanzen und Rentenreform sehen kann. Wenn Sie in diesem Zusammenhang auf die Ökosteuer abheben, ({0}) so ist das ein anderer Aspekt. Die Ökosteuer dient nicht der Finanzierung der Rentenreform, sondern der Stabilisierung und der Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge. Die Rentenreform greift in die Struktur der Rentenversicherung ein und umfasst das Altersvermögensgesetz, das vorsieht, dass die Kommunen in der Zukunft mit einem geringfügigen Anteil, nämlich mit 15 Prozent, an den damit verbundenen Steuereinnahmeausfällen bei der Einkommensteuer beteiligt sein werden. Das beginnt im Jahr 2002 mit einer kleinen Stufe und kann also nicht dafür maßgebend sein, dass sich die Kommunalfinanzen in diesem Jahr schlecht entwickelt haben. Ich kann nicht bestätigen, ob die von Ihnen gerade angesprochene Zahl von 11,2 Milliarden DM zutreffend ist. ({1}) - Ich kann es aus dem Kopf nicht bestätigen. Es müsste aber in dem Zusammenhang zunächst geklärt werden, ob diese Summe über die schon geplanten, notwendigerweise mit der Steuersenkung verbundenen Einnahmeverminderungen hinaus entstanden ist oder ob zusätzliche Steuereinnahmeausfälle aufseiten der Kommunen damit gemeint sind. Die kommunalen Spitzenverbände waren jedenfalls von Anfang an bereit, ihren Teil im Hinblick auf die Steuersenkungspolitik der Bundesregierung zu tragen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir bleiben beim Thema Finanzausstattung der Kommunen. Wir kommen zur Frage 2 des Abgeordneten Thomas Strobl: Inwieweit sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, die Städte und Gemeinden finanziell zu entlasten, und ist die Bundesregierung in diesem Zusammenhang konkret bereit, durch eine Rücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage ({0}) zum 1. Januar 2001 eine finanzielle Entlastung der Kommunen zu ermöglichen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Strobl, der vom Kabinett verabschiedete Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts belegt, dass die Bundesregierung die kommunalen Interessen berücksichtigt. Er wird im Übrigen heute, etwa zum jetzigen Zeitpunkt, abschließend im Finanzausschuss beraten und dieses Hohe Haus für die zweite und dritte Lesung am Freitag erreichen. Allein die dort vorgesehene Regelung zur Mehrmütterorganschaft führt zur Sicherung eines Gewerbesteueraufkommens von mehr als 800 Millionen DM. Damit werden bisher bei der Bemessung der Gewerbesteuerumlage nicht berücksichtigte Mindereinnahmen aus der Gewerbesteuerfreiheit von Dividenden ab dem Jahr 2002 ausgeglichen. In den derzeit laufenden parlamentarischen Beratungen ist ferner die Angleichung der gewerbesteuerlichen Organschaft an die körperschaftsteuerliche Organschaft im Gespräch und wird heute sicherlich verabschiedet werden. Dies würde für die Kommunen nochmals erhebliche Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer zur Folge haben. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bis zum Freitag bleibt allerdings abzuwarten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Strobl zu einer Nachfrage.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, entweder habe ich es nicht verstanden oder Sie haben meine Frage, die ja sehr konkret war, nicht beantwortet, nämlich ob Sie bereit sind, die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage, sprich: die Anhebung des Vervielfältigers, zum 1. Januar 2001 zurückzunehmen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege Strobl, die Bundesregierung ist dazu nicht bereit. Wir haben im Gesetz als Überprüfungszeitpunkt das Jahr 2004 verankert. Daran werden wir uns auch halten. Es gibt bei der Gewerbesteuer eine aktuelle Entwicklung, die nicht auf gesetzgeberisches Handeln zurückzuführen ist. Wir haben das eindeutig überprüft. Es liegt nicht an der Steuersenkungspolitik der Bundesregierung, dass wir bei der Gewerbesteuer in diesem Jahr mit Mindereinnahmen, die so nicht zu erwarten waren, werden auskommen müssen. Die Ursachen für diese Entwicklung sind sehr vielfältiger Natur. Eine Ursache dürften zum Beispiel die besonderen Verhältnisse in einzelnen Wirtschaftszweigen, beispielsweise der Banken, Versicherungen und Stromversorger, sein. Das ist nicht ursächlich mit dem gesetzgeberischen Handeln verbunden. Deswegen sieht die Bundesregierung auch keinen Anlass, die im Gesetz vorgesehene Änderung der Gewerbesteuerumlage vor dem Überprüfungszeitpunkt 2004, der ja schon im Gesetz steht, zurückzunehmen. Auf der anderen Seite sieht die Bundesregierung durchaus Bedarf, die kommunalen Finanzen zu stärken. Ich habe Ihnen dafür zwei Beispiele genannt, die heute Nachmittag - ganz aktuell - im Finanzausschuss im Zusammenhang mit der Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts abschließend beraten werden. Diese Maßnahmen werden insgesamt zu einer Erhöhung des Gewerbesteueraufkommens zugunsten der Kommunen führen. Die Bundesregierung und auch die Länderregierungen werden vor diesem Hintergrund darauf verzichten, das Gewerbesteueraufkommen durch die Zurücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zusätzlich zu beeinflussen. Wir haben eine Maßnahme ins Auge gefasst, die den Kommunen im ersten Jahr ihrer Geltung ein Plus von 1 Milliarde DM bei der Gewerbesteuer zubilligt. Auf der anderen Seite müssen die Länder und der Bund durch dieselbe Maßnahme auf 250 Millionen DM Körperschaftsteuer verzichten. Sie werden dies nicht zum Anlass nehmen, die Gewerbesteuerumlage noch einmal anzugehen, sodass die Kommunen aufgrund des gesetzgeberischen Handelns gerade im Bereich der Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts mit einem Mehraufkommen bei der Gewerbesteuer ab dem nächsten Jahr werden rechnen können. Wie sich die konjunkturelle Lage entwickelt und ob Umstrukturierungen in einzelnen Unternehmensbereichen, zum Beispiel durch zusätzliche Bildungen von Organschaften zwischen Unternehmen, stattfinden - das unterliegt unternehmerischem Handeln und kann natürlich auch Auswirkungen auf die Gewinnsituation in einzelnen Regionen haben -, darauf hat der Gesetzgeber keinen Einfluss.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine letzte Nachfrage des Kollegen Strobl.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Staatssekretärin, wir wollen die Debatte, wer für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land verantwortlich ist, hier nicht führen, wobei es schon sonderbar anmutet, dass nach Ihrer Ansicht für gute Entwicklungen der Bundeskanzler und für schlechte Entwicklungen offenbar keinesfalls die Bundesregierung verantwortlich gemacht werden kann. ({0}) Gleichwohl nochmals konkret eine Frage. Die Gewerbesteuerumlage wurde durch diese Bundesregierung erhöht, und zwar unter Zugrundelegung konkreter Zahlen in Bezug auf die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die eine bestimmte wirtschaftliche Entwicklung voraussetzten, die nicht eingetreten ist. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht fair gegenüber den Kommunen, jetzt zu sagen, die Geschäftsgrundlage ist eine andere geworden - von wem auch immer verschuldet - und deswegen sehen wir davon ab, die Kommunen erneut in Milliardenhöhe zu belasten?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Strobl, ich habe gerade darauf hingewiesen, dass wir die Kommunen nicht erneut in Milliardenhöhe belasten, sondern dass wir im Gegenteil mit der Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts an anderer Stelle dafür sorgen werden, dass die Kommunen zusätzliche Einnahmen aus der Gewerbesteuer erhalten werden. Das Steuersenkungsgesetz, mit dem die Gewerbesteuerumlage zugunsten der Länder und des Bundes verändert worden ist, ist nicht ursächlich für den Rückgang des Gewerbesteueraufkommens, sondern dafür sind andere, im ökonomischen Bereich liegende Maßnahmen verantwortlich, zum Beispiel auch solche, die nichts mit konjunkturellen Fragestellungen zu tun haben, sondern im Bereich von Umstrukturierungen in Unternehmen, Bildungen von Organschaften und Ähnliches, liegen, ohne dass diese Unternehmen tatsächlich schwierigere ökonomische Bedingungen hätten. Andererseits gibt es aber auch Gewinneinbrüche in einzelnen Bereichen. Zum Beispiel in der Energiewirtschaft hat es eine gewisse Preisentwicklung gegeben, die die Gewinne der Unternehmen mindert. Das wirkt sich natürlich deutlich aus, weil diese Unternehmen normalerweise sehr gewinnstark und infolgedessen auch gewerbesteuerstark sind. Das hat mit dem gesetzgeberischen Handeln der Bundesregierung nichts zu tun. Deswegen sieht die Bundesregierung auch keinen Anlass, Abstriche an ihrem gesetzgeberischen Handeln zu machen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat die Kollegin Ina Lenke noch eine Nachfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, es ist gerade die Rede davon gewesen, dass die Gewerbesteuereinnahmen für die Gemeinden bei schwacher Konjunktur sinken. Hat die Bundesregierung über eine Alternative zur derzeitigen Ausgestaltung der Gewerbesteuer nachgedacht, um dieses zyklische Geschehen, das heißt geringere Gewinne der Unternehmen bedeuten geringere Gewerbesteuereinnahmen - eigentlich müssen die Gemeinden bei schwacher Konjunktur Investitionen tätigen, was bei dieser Konstruktion der Gewerbesteuer aber nicht der Fall ist -, zu verändern, sodass die Gemeinden durch eine entsprechende Umwandlung der Gewerbesteuer annähernd gleich bleibende Einnahmen haben?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Lenke, Sie sprechen ein Grundsatzproblem der Gewerbesteuer an. Es ist nicht in Abrede zu stellen, dass dann, wenn die Gewinne zurückgehen, auch die Gewerbesteuereinnahmen sinken. Das ist normalerweise bei einer schlechten konjunkturellen Lage der Fall. Gerade in einer solchen Situation - Sie haben es richtig ausgeführt - sollten die Kommunen in der Lage sein, sozusagen antizyklisch mehr zu investieren. Sie haben mit dieser Analyse völlig Recht. Der Bundesregierung sind die Schwächen in Bezug auf die Gewerbesteuer bekannt. Sie beabsichtigt, zur Erarbeitung eines Alternativkonzeptes zur Gewerbesteuer noch in dieser Legislaturperiode eine Kommission einzusetzen. Das wird also im nächsten Jahr der Fall sein. Vorher werden wir mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit den Ländern natürlich noch den Auftrag abstimmen müssen, den diese Kommission hat; denn das Feld „Gemeindefinanzen“ ist ein weites. Ein Punkt dabei ist die Einnahmeseite. Andere Punkte betreffen die Ausgabeseite, die Verknüpfungen, das Konnexitätsprinzip und vieles andere, was Sie sich denken können. Das Bundesfinanzministerium würde den Auftrag dieser Kommission gerne etwas enger und überschaubarer gestalten, sich also im Wesentlichen an die Besteuerungsgrundlagen halten. Wir werden die Definition des Auftrages in den nächsten Monaten abschließen können, sodass die Kommission sicherlich im ersten Quartal des kommenden Jahres mit der Arbeit beginnen kann. Wir sind zuversichtlich, in der nächsten Legislaturperiode eine Alternative zur Gewerbesteuer vorlegen zu können, die gleichwohl nicht zu ungebührlichen Belastungen durch eine Verschiebung in Richtung anderer Personengruppen führt. Der Vorschlag des BDI zum Beispiel würde dazu führen, dass bisher nicht belastete Privatpersonen für die Entlastung der Wirtschaft aufkommen müssten. Einen solchen Vorschlag kann man nicht einfach kritiklos übernehmen. Dass es im wissenschaftlichen Bereich schon viele Vorschläge und selbstverständlich auch Vorüberlegungen im Bundesfinanzministerium dazu gibt, kann ich Ihnen bestätigen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Margareta Wolf zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Martin Hohmann auf: Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über die Menge des in der ehemaligen DDR abgebauten und in die Sowjetunion verbrachten Urans und welchen Wert haben diese Lieferungen nach heutigen Weltmarktpreisen?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! - Herr Kollege Hohmann, ich beantworte Ihnen die Frage wie folgt: Nach Angaben der Wismut GmbH haben die ehemalige Sowjetische und spätere Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut von 1946 bis 1990 insgesamt 231 000 Tonnen Uran produziert. Alleiniger Abnehmer war die Sowjetunion. Die Uranlieferungen bis zur Gründung der SDAG Wismut im Jahre 1954 zählten zu den Reparationsleistungen. Später wurden die Uranlieferungen im planwirtschaftlichen System zwischen Sowjetunion und ehemaliger DDR verrechnet. Berechnungen des Wertes für diese Lieferungen nach heutigen Weltmarktpreisen wären daher rein spekulativ. Ich kann Ihnen aber sagen, dass der jetzige Weltmarktpreis bei 10 US-Dollar pro Pfund Urankonzentrat liegt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hohmann, Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Habe ich Sie richtig verstanden, Frau Staatssekretärin, dass zumindest ab 1954 finanzielle Rückflüsse in den Staatshaushalt der DDR festzustellen sind?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Sie haben mich richtig verstanden. Diese Rückflüsse wurden als Reparationsleistungen gewertet.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann waren das bis 1954 Reparationen und ab 1954 gab es möglicherweise eine Art Gegenrechnung und galt das als Lieferung aus der DDR.

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Es wurde verrechnet zwischen der Sowjetunion und der ehemaligen DDR. So hat uns das die Wismut GmbH mitgeteilt.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Ulrich Heinrich auf: Sind der Bundesregierung die Ergebnisse der vom bayerischen Umweltministerium in Auftrag gegebenen Studie zu Schäden im Bergwald bekannt, die vom Lehrstuhl für Bodenkunde und Standortlehre der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Forstbotanik erstellt wurde, und welche Schlüsse zieht sie aus den Resultaten der Untersuchungen der Münchner Forstwissenschaftler in Bezug auf den jährlichen Waldschadensbericht der Bundesregierung? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Heinrich! Die Studie liegt der Bundesregierung vor. Sie bezieht sich auf einen Standort mit sehr speziellen, insbesondere witterungstypischen Bedingungen, nämlich den Bergwald in den bayerischen Kalkalpen. Die Ergebnisse dieser Studie lassen sich daher nicht verallgemeinern oder gar auf die Bundesebene übertragen. Gleichwohl wird an diesem Beispiel deutlich, was inzwischen nach nunmehr 30 Jahren Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung für fast ganz Deutschland gilt: Die Luftqualität, insbesondere hinsichtlich Schwebstaub und Schwefeldioxid, hat sich im Laufe der Jahre so verbessert, dass die Schadstoffkonzentration in der Luft nur noch an wenigen Standorten Werte erreicht, die direkt Vegetationsschäden hervorrufen. Allerdings gibt es nach wie vor durch Luftverunreinigung hoch belastete Standorte sowie solche, bei denen die Einträge aus der Vergangenheit noch auf absehbare Zeit eine kritische Altlast darstellen. Dabei geben vor allem die noch hohen Stickstoffeinträge Anlass zur Sorge. Die Heterogenität in der Belastungssituation der Böden einerseits sowie regional auftretende kritische Schadstoffeinträge andererseits werden noch längere Zeit anhalten und sich weiterhin auf den Gesundheitszustand der Wälder auswirken. Die Bundesregierung hält daher nach wie vor eine konsequente Luftreinhaltepolitik für dringend geboten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Heinrich, bitte.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung der Frage. - Ich habe eine Nachfrage. Sie heben auf den speziellen Standort der Kalkalpen ab. Das ist richtig. Aber wie kommt es, dass in dem Waldschadensbericht dieser Standort als schwer geschädigt dargestellt wird? Ist die Bundesregierung nicht in der Lage, aufgrund der Besonderheit des Standortes, die Sie selber eben herausgestellt haben, dies auch im Waldschadensbericht entsprechend darzustellen? Denn dieser Standort erscheint dort als schwer geschädigt. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Heinrich, die Ergebnisse des Waldschadensberichtes bzw. die Daten, auf denen der Waldschadensbericht beruht, werden europaweit nach einem Rastermaß festgestellt. Die Untersuchungsergebnisse, auf die diese Studie Bezug nimmt, müssen nicht unbedingt die gleichen wie an den Standorten sein, wo über das Rastermaß der Waldschadenserhebung am Ende der Zustand der Bäume hinsichtlich ihrer Schäden festgestellt wird. Insofern machen wir in jedem Waldschadensbericht darauf aufmerksam, wie die Daten erhoben werden und dass die Ergebnisse oder Schlussfolgerungen nicht unbedingt regional zugeordnet werden können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Nachfrage, bitte, Herr Heinrich.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund der regionalen Besonderheit, die in diesem Forschungsbericht deutlich zutage getreten ist, möchte ich noch einmal nachfragen: Teilen Sie die Ergebnisse dieses Forschungsberichtes? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Wir gehen davon aus, dass die Daten in diesem Forschungsbericht im Auftrag der Bayerischen Staatsforstverwaltung ordnungsgemäß erhoben worden sind. Was aus der Beantwortung meiner Frage hervorging, war: Diese Ergebnisse, die punktuell in den bayerischen Kalkalpen erhoben worden sind, sind nicht ohne weiteres auf größere Regionen oder vielleicht ganz Deutschland zu übertragen. Das ist der Punkt. Ansonsten bewerten wir es durchaus als ein gutes Ergebnis, dass sich die Luftqualität im Erhebungsgebiet so positiv darstellt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir bleiben beim Thema Waldsterben. Ich rufe Frage 5 des Kollegen Heinrich auf: Wird die Bundesregierung die Öffentlichkeit, die die Frage des Waldsterbens sehr stark bewegt, über die Untersuchungsergebnisse unterrichten, und wenn ja, in welcher Weise? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Die Bundesregierung verfolgt die Ergebnisse aus der Waldökosystemforschung intensiv. Immerhin ist sie auch einer der größten Auftraggeber für Forschungsarbeiten in diesem Bereich. Die Bundesregierung sieht aus den vorgenannten Gründen jedoch keine Veranlassung, die Ergebnisse dieser Studie besonders herauszustellen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Heinrich, Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, besteht nicht ein öffentliches Interesse daran, von der pauschalen Beurteilung des Waldsterbens zu einer differenzierteren Beurteilung der Waldschadenserhebung überzugehen? Ist die Bundesregierung nicht bereit, ihre eigenen, von mir aus auch international anerkannten, Standards zu überprüfen, um gegebenenfalls auf regionale Besonderheiten eingehen zu können und damit auch mehr Transparenz und mehr Informationen - und zwar ehrlichere Informationen - in die Öffentlichkeit zu bringen? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Die Bundesregierung sieht - insbesondere auch vor dem Hintergrund dieser Studie - hinsichtlich der Schadenserhebung oder anderer Aspekte des Zustandsberichts keinen Anlass zu Änderungen. Ich will die Gründe dafür ganz klar darlegen: Wir wissen, dass es sich bei der Schadensproblematik, gerade auch in Bezug auf die Luftreinhaltung, fast ausschließlich Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim um grenzüberschreitende Phänomene handelt. Aus diesem Grunde ist es nicht angebracht, Einzelerhebungen - wie in diesem Fall - zu bewerten. Das wäre gewissermaßen eine Überinterpretation, wenn wir diese Studie besonders herausstellten. Die Studie ist öffentlich gemacht worden. Selbst der Auftraggeber, die Bayerische Staatsregierung, hat meines Wissens bisher keine Veranlassung gesehen, diese Studie in besonderer Weise in der Öffentlichkeit hervorzuheben; denn es ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse nur für diese Region zutreffen. Weiter ist anzumerken, dass der gute Zustand sicherlich auf die erreichten Ergebnisse in der Luftreinhaltungspolitik, die auch langfristig angelegt ist, zurückzuführen ist. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Schadstoffe auch in die Böden eingetragen worden sind - bei der Bodenversauerung muss man fast im Generationenzeitalter rechnen, bevor sie wieder zurückgeführt werden kann -, sind wir nach wie vor der Auffassung, dass kaum die Notwendigkeit zu einer anderen Herangehensweise besteht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung. Ich rufe Frage 6 des Abgeordneten Dr. Michael Luther auf: Betrachtet die Bundesregierung vor dem Hintergrund des stetigen Rückgangs der Baubranche in Deutschland und der damit verbundenen sinkenden Zahl von Leistungserbringern und relativ dazu wachsenden Zahl von Leistungsempfängern die ständig steigenden Beitragssätze der Berufsgenossenschaft Bau als eine Entwicklung, die die Bauunternehmen, aber auch die ebenfalls in der Berufsgenossenschaft pflichtversicherten Gebäudereiniger mittlerweile über Gebühr belastet, und wenn ja, sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Dr. Luther, die schwierige wirtschaftliche Lage der deutschen Bauindustrie wirkt sich aufgrund der branchenspezifischen Gliederung der gewerblichen Unfallversicherung besonders nachteilig auch bei den Bauberufsgenossenschaften aus. Die Ursache dieser Entwicklung liegt aber nicht im System der Unfallversicherung, sondern in der allgemeinen wirtschaftlichen Situation und in den Strukturproblemen der Bauwirtschaft. Dies wird auch daran deutlich, dass die Beiträge in der Unfallversicherung gegenläufig zur Entwicklung bei den Bauberufsgenossenschaften allgemein nicht gestiegen, sondern seit 1995 um über 10 Prozent gesunken sind. Zur Bewältigung der Schwierigkeiten sollte deshalb nach Auffassung der Bundesregierung zunächst auf Instrumentarien zurückgegriffen werden, die bereits das geltende Unfallversicherungsrecht zum Ausgleich von Beitragsschwankungen enthält. Die Berufsgenossenschaften haben zunächst ihre Betriebs- und Rücklagenmittel einzusetzen. Diese sind gerade zur längerfristigen Beitragsstützung in konjunkturschwachen Zeiten bestimmt. Entsprechende Mittel sind bei den Bauberufsgenossenschaften auch noch vorhanden. Darüber hinaus existiert in der Unfallversicherung bereits ein branchenübergreifender Solidarausgleich in Form eines Gemeinlastverfahrens. Übersteigt das Verhältnis der Aufwendung zu den beitragspflichtigen Arbeitsentgelten bei einer Berufsgenossenschaft einen bestimmten Höchstsatz im Vergleich zum durchschnittlichen Satz aller Berufsgenossenschaften, sind die Übrigen verpflichtet, den überschießenden Anteil auszugleichen. Dieses in der Unfallversicherung 1963 eingeführte Verfahren und die Belastungsgrenzen haben sich bisher als tragfähig und zweckmäßig erwiesen. Die Bau-Berufsgenossenschaften erfüllen die hierzu notwendigen Voraussetzungen bisher nicht. Selbstverständlich verschließt sich die Bundesregierung nicht weiteren Anregungen und Vorschlägen, die einer nachhaltigen und systemgerechten Entspannung der Situation bei den Bau-Berufsgenossenschaften dienen können. Insbesondere die Auswirkungen von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit haben bereits zu entsprechenden Gesetzesinitiativen der Bundesregierung geführt. Änderungen im Finanzierungssystem der Unfallversicherung bedürfen sehr sorgfältiger Prüfung. Auch in den Gremien des Spitzenverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften wird derzeit das Thema „strukturwandelbedingte Altlasten“ erörtert. Lösungsansätze, die dort unter Beteiligung der Selbstverwaltung erarbeitet werden, werden bei künftigen Überlegungen der Bundesregierung zu eventuellen Gesetzesänderungen eine besondere Berücksichtigung finden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Luther zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Andres, das System des Ausgleichs zwischen den Unfallgenossenschaften ist bekannt. Die Baubeteiligten beklagen, dass die Schwellenwerte relativ hoch sind, sodass die Beitragslast erst relativ hoch sein muss, bevor der Ausgleich einsetzt. Deswegen frage ich an dieser Stelle: Wie hoch ist dieser Schwellenwert? Wann würde die Bau-Berufsgenossenschaft diesen Schwellenwert erreichen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Luther, sie liegt jetzt unter dem Schwellenwert. Ich habe einmal nachsehen lassen, wie hoch die durchschnittliche Beitragsbelastung für die Bauwirtschaft ist. 1990 betrug die Belastung je 1 000 DM Entgelt 31,17 DM. Bis 1995 sank sie um 11,5 Prozent auf 27,59 DM. Dann aber stieg sie bis 2000 um 16,26 Prozent. Sie hat im Ergebnis im Jahr 2000 bei 32,07 DM je 1 000 DM Entgeltsumme gelegen. Sie ist also gegenüber dem Status von 1990 nur leicht erhöht. Den Schwellenwert kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand nicht sagen, weil ich ihn nicht parat habe. Aber ich bin gerne bereit, Ihnen den nachzureichen. Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön. Dann noch eine zweite Nachfrage. Aus der Antwort, die Sie jetzt gegeben haben, wird deutlich, dass in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen war. Bei der momentanen konjunkturellen Lage in der Bauwirtschaft insbesondere in den neuen Bundesländern, aus denen ich komme, ist zu erwarten, dass die Beitragssätze noch weiter steigen werden. Sehen Sie trotzdem keinen Handlungsbedarf?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein. Ich will noch einmal darauf verweisen: Das Problem liegt nicht im System der Unfallversicherung, sondern in der konjunkturellen und strukturellen Krise, in der sich die Bauwirtschaft befindet. Rückläufige Beschäftigtenzahlen führen natürlich dazu, dass immer weniger Beiträge für das Auffangen bestimmter Risiken und Lasten gezahlt werden. Für diesen Fall sieht das Gesetz bestimmte Mechanismen vor. Solange Vermögen vorhanden ist, muss es aufgebraucht werden; es ist ja dafür angelegt worden, solche konjunkturellen Schwankungen auszugleichen. Wenn das nicht mehr greift, springt die Solidargemeinschaft aller Berufsgenossenschaften ein. Von daher gibt es eine Lösungsmöglichkeit innerhalb des Unfallversicherungssystems. Handlungsbedarf für die Bundesregierung ergibt sich nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen jetzt zur Frage 7 des Kollegen Dr. Michael Luther: Hält die Bundesregierung es für sachgerecht, dass auch die Gebäudereiniger pflichtversichert in der Bauberufsgenossenschaft sind und damit zum einen zum Beispiel im Verhältnis zu den kommunalen Gebäudereinigern, die nicht in der Bauberufsgenossenschaft pflichtversichert sind, Wettbewerbsnachteile haben und zum anderen als ein Bereich mit einem wesentlich geringeren Unfallrisiko, abweichend vom Prinzip der Gruppennützigkeit, zur Finanzierung der Unfallrisiken des Bauhauptgewerbes herangezogen werden? Wir bleiben im selben Themenkomplex. Jetzt geht es um die Pflichtversicherung der Gebäudereiniger.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Dr. Luther, meine Antwort auf Ihre Frage 7 lautet wie folgt: Beschäftigte in Gebäudereinigungsfirmen sind, wie alle anderen Beschäftigten auch, kraft Gesetzes unfallversichert. Die Bundesregierung hält die sachliche Zuständigkeit der Bau-Berufsgenossenschaft auch für sachgerecht. Unternehmen sind derjenigen gewerblichen Berufsgenossenschaft fachlich zuzuordnen, der sie nach Art und Gegenstand am nächsten stehen. Dabei hat die Frage, welche Berufsgenossenschaft die branchenspezifisch wirksamste Unfallverhütung leistet, eine entscheidende Bedeutung. Wettbewerbsvorteile von kommunalen Gebäudereinigern sind für die Bundesregierung nicht ersichtlich. Erwerbswirtschaftlich betriebene Gebäudereinigungsunternehmen müssen nach dem Gesetz grundsätzlich Mitglied der Bau-Berufsgenossenschaft sein. Sie dürfen nicht in die Zuständigkeit der kommunalen Unfallversicherungsträger übernommen werden. Dies regelt § 129 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgesetzbuches VII. Soweit hiervon in Einzelfällen abgewichen werden sollte, wäre dies mit der geltenden Rechtslage nicht zu vereinbaren. Das relativ geringe Unfallrisiko der Gebäudereiniger wird von den Bau-Berufsgenossenschaften bei der Beitragshöhe entsprechend berücksichtigt; denn die Beiträge sind nach dem Gefährdungsrisiko der einzelnen Unternehmensgruppen abgestuft. Danach haben die Gebäudereiniger einen erheblich niedrigeren Beitrag pro 1 000 DM Lohnsumme als etwa ein Hochbauunternehmen zu zahlen. Für die Gebäudereiniger gilt die Gefahrenklasse 2,5 statt wie beim Hochbau 8,5. Als Mitglieder der BauBerufsgenossenschaft leisten die Gebäudereiniger allerdings ihren Beitrag an den Lasten aller Unternehmen dieser Solidargemeinschaft.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Luther, eine Nachfrage? ({0}) Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung. Ich rufe die Frage 8 der Kollegen Ina Lenke auf: Mit welchen ehemals in bundeseigener Verwaltung geführten Unternehmen hat der Bund bislang gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen welchen Inhalts zur Durchsetzung des § 3 Abs. 2 Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz getroffen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen auch in den nunmehr privatisierten Unternehmen zu gewährleisten?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Frau Kollegin Lenke, das Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz ist bekanntlich noch nicht in Kraft getreten. Dementsprechend können noch keine gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen im Sinne des Art. 1 § 3 Abs. 2 des Gleichstellungsdurchsetzungsgesetzes existieren. Art. 1 § 3 Abs. 2 des Gleichstellungsdurchsetzungsgesetzes stellt dem Wortlaut nach auf den Zeitpunkt der Umwandlung eines vormals bundeseigenen Unternehmens in die Rechtsform des privaten Rechts ab. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift kann sich darum nur auf künftige und nicht rückwirkend auf bereits abgeschlossene Privatisierungen bundeseigener Unternehmen erstrecken.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer ersten Nachfrage erteile ich der Kollegin Lenke das Wort.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben mit diesem Gesetz bewusst Vorschriften, die den öffentlichen Dienst betreffen, auf einen Teil der Privatwirtschaft ausgedehnt. Ich bin der Meinung, dass dies aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit einfach nicht geht. Sie wissen, welche Unternehmen und Institute Sie privatisieren wollen, und haben sicherlich schon Vorstellungen davon, wie diese Vorschriften im nächsten Jahr bei den Unternehmen und Instituten umgesetzt werden sollen. Wie viele Unternehmen werden es im nächsten Jahr sein?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich möchte zunächst einmal sagen, dass ich mit Ihnen überhaupt nicht darin übereinstimme, dass private Unternehmen, die Gleichstellungspläne haben, nicht mehr konkurrenzfähig sind. VW ist ein privates Unternehmen und hat Gleichstellungspläne. Es ist konkurrenzfähig. In dem Gesetz steht nicht, dass die Unternehmen, die privatisiert werden, einen bestimmten Vertrag abschließen müssen. Vielmehr soll darauf hingewirkt werden, dass die Vorschriften des Gleichstellungsgesetzes vertraglich vereinbart Anwendung finden. Schon aus diesem Grunde kann ich Ihnen nicht sagen, welche Unternehmen im nächsten Jahr betroffen sein werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Lenke hat eine zweite Nachfrage, bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich stelle fest, dass dies freiwillige Abmachungen sind, die Unternehmen wie VW anwenden. Dies finde ich sehr gut und begrüße es. Als FDP sind wir gegen Zwangsgesetze. Sie hingegen haben mir gerade gesagt, dass § 3 Abs. 2 des Gleichstellungsdurchsetzungsgesetzes ein zahnloser Tiger ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Was war jetzt die Frage?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Wann habe ich das gesagt? Das müssen Sie mir erläutern, damit ich dazu Stellung nehmen kann.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

§ 3 Abs. 2 dieses Gleichstellungsgesetzes ist ein sehr weich formulierter Paragraph; es ist keine Muss-, sondern eine Sollbestimmung. Auch wenn Sie einen entsprechenden Vorschlag machen, kann er von den Unternehmen also abgelehnt werden. Erwarten Sie das?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Nein, das erwarte ich nicht, weil ich denke, dass unsere Unternehmen mittlerweile ein modernes Management betreiben. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, Frau Lenke, dass ein modernes Management auf diejenigen, die im Durchschnitt nachweislich qualifizierter als andere sind, nämlich die Frauen im Vergleich zu Männern, verzichtet. Insofern ist es kein Zwangsgesetz. Bei anstehenden Privatisierungen werden die Unternehmen, die einmal der öffentlichen Hand angehörten und daran gewöhnt sind, nach gleichstellungspolitischen Regeln vorzugehen, keine Veranlassung haben, auf diese Regeln zu verzichten. Es gibt Beispiele: Die Deutsche Telekom hat in ihrem tariflichen Mantelvertrag seit dem 1. Juli alles stehen, was das gleichstellungspolitische Herz begehrt. Insofern teile ich die Befürchtungen, die Sie haben, dass bei Privatisierungen diejenigen, die an Gleichstellung gewöhnt sind, darauf verzichten werden, nicht. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch zur Verfügung. Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Wolfgang Meckelburg auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, für Sozialhilfeempfänger, die nicht als Pflichtmitglied oder als freiwilliges Mitglied bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind und die damit im Krankheitsfall die freie Wahl unter den Ärzten und Zahnärzten haben und von denen wiederholt über eine bevorzugte Behandlung - und damit verbundenen überhöhten Arztabrechnungen - in der Presse berichtet wurde, eine Erweiterung der gesetzlichen Versicherungspflicht einzuführen?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Herr Kollege Meckelburg, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum SGB IX, Art. 15, hat die Bundesregierung das Recht der „Hilfe bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe“ nach dem Bundessozialhilfegesetz bereits eng mit dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung verknüpft. Mit Wirkung vom 1. Juli 2001 entsprechen diese gesundheitlichen Hilfen den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die neuen Regelungen sind klarer als bisher und lassen grundsätzlich keine Ausweitung des Leistungsrahmens der Sozialhilfe über den der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus zu. Eine für die Sozialhilfeempfänger notwendige Ausnahme musste für die - nicht abschließend aufgezählten Fälle geregelt werden, in denen die Versicherten bei notwendigen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung finanzielle Eigenleistungen erbringen. Das trifft zum Beispiel für den Bereich der Zuzahlungen in den Fällen zu, in denen die Vorschriften des SGB V über Härtefälle und die Befreiungstatbestände nicht greifen. Da die Eigenanteile von den Sozialhilfeempfängern nicht aus dem Regelsatz getragen werden können, muss die Sozialhilfe die entsprechenden Leistungen in voller Höhe erbringen. Auch bei der Arztwahl ist eine Gleichstellung von nicht versicherten Sozialhilfeempfängern und Versicherten erfolgt. Künftig dürfen Sozialhilfeempfänger nur noch die Vertragsärzte und Vertragszahnärzte der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen. Die Frage einer möglichen Erweiterung des versicherungspflichtigen Personenkreises auf die Empfänger von laufenden Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz wirft neben dem Problem der angemessenen Höhe der für diesen Personenkreis zu entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge auch wichtige finanzpolitische und verfassungsrechtliche Fragen auf, die einer intensiven Abklärung bedürfen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich erteile Herrn Kollegen Meckelburg das Wort zu einer Nachfrage.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nach dem Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 war vorgesehen, bis 1997 eine Regelung zu finden, um die Sozialhilfeempfänger direkt in die gesetzliche Krankenversicherung zu übernehmen. Ich nehme an, dies ist nicht umgesetzt worden oder nicht mehr vorgesehen; ich bin nicht vom Fach, deswegen weiß ich das nicht so genau. Mich würde interessieren, wie sich die jetzt vorgesehene Regelung im Vergleich zu der damals beabsichtigten in Bezug auf die Aufteilung der Kosten zwischen den Beteiligten auswirken wird; beispielsweise, ob die Kommunen demnächst stärker betroffen sein werden, als sie es nach dem ursprünglichen Plan gewesen wären.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich möchte zunächst sagen, warum trotz des gesetzlichen Auftrages ab 1997 keine Umsetzung der Pläne erfolgt ist. Der Grund liegt darin, dass sich die Bundesländer und die Bundesregierung nicht über den Personenkreis und die dafür zu entrichtende Beitragshöhe haben verständigen können. Das zeigt im Prinzip das Problem, das wir haben. Die Belastung der einzelnen Kommunen hängt von dem Anteil der nicht versicherten Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeempfängerinnen ab. Für manche Kommunen würde der Mindestbeitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung eine höhere Belastung als die Übernahme der tatsächlich entstandenen Kosten darstellen, soweit sich diese auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung bewegen. Deshalb kann ich nicht sagen, welche Unterschiede sich tatsächlich ergeben. Da aber ein Unterschied besteht und man sich in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht damit einverstanden erklären kann, Beiträge, die nicht dem durchschnittlich notwendigen Beitragssatz entsprechen, zu erhalten, gehe ich davon aus, dass es noch eine Weile dauern wird, bis sich Bund und Länder in dieser Frage geeinigt haben und die Kommunen mitziehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Meckelburg, bitte, Ihre zweite Zusatzfrage.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Heißt das - ich möchte nur noch einmal kurz nachfragen -, dass die kommunalen Haushalte durch die jetzt angepeilte Regelung nicht entlastet werden, sondern im Gegenteil eine Erhöhung ihrer Kosten erfahren?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Haushalte der Kommunen, in denen bisher die Krankenversorgung der Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger teilweise nach Privattarifen der Ärzteschaft abgerechnet worden ist, werden jetzt entlastet werden, weil nach der Neuregelung nur noch nach den Honorarsätzen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu vergüten ist. Die Kosten für eine Privatliquidierung werden nicht mehr erstattet. Insofern gibt es eine Entlastung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Sylvia Bonitz auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die bisherige Abschiebepraxis ausgewiesener Ausländer im Hinblick auf die Umsetzung der UN-Resolutionen Nr. 1368 vom 12. September 2001 und Nr. 1373 vom 28. September 2001, die alle Staaten auffordern, sicherzustellen, dass Terroristen keine Zuflucht mehr gewährt wird, und welche konkreten Veränderungen plant die Bundesregierung, um die deutsche Abschiebepraxis den neuen Anforderungen anzupassen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Bonitz, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Im Rahmen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes beabsichtigt die Bundesregierung, auch die Regelungen über die Ausweisung und den Abschiebeschutz zu ändern. Unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens in Art. 1 F der Genfer Flüchtlingskonvention soll die Einschränkung des Abschiebeschutzes nach § 51 Abs. 3 des Ausländergesetzes bereits dann ermöglicht werden, wenn nur anzunehmen ist, dass der Ausländer etwa ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat. Es bräuchte dann nicht mehr, wie es die zurzeit geltende Rechtslage vorsieht, eine rechtskräftige Verurteilung zu mindestens einer dreijährigen Freiheitsstrafe abgewartet zu werden. Zudem wäre auch nicht allein auf eine unmittelbare Bedrohung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzustellen. Mit dieser Rechtsänderung - danach haben Sie gefragt - werden die Resolutionen 1269 und 1373 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen umgesetzt, in denen gefordert wird, Personen, die terroristische Handlungen planen, vorbereiten oder unterstützen, den Flüchtlingsstatus nicht zuzuerkennen. Daneben sollen Ausweisungstatbestände geschaffen werden, die sich spezifisch auf den internationalen gewaltbereiten Extremismus beziehen. Nach dem Entwurf des Terrorismusbekämpfungsgesetzes ist eine Ausweisung im Regelfall zulässig, wenn der Ausländer den neu geschaffenen Grund für eine Versagung der Aufenthaltsgenehmigung nach dem neuen § 8 Abs. 1 Nr. 5 des Ausländergesetzes erfüllt. Die Ausweisung im Regelfall soll damit für die Ausländer vorgesehen werden, die Gewalttaten befürworten oder androhen und dadurch die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Die Neuregelung wird auch die Ausweisung von Ausländern ermöglichen, die sich zwar nicht selbst an entsprechenden Taten beteiligt haben, die aber Organisationen und Vereinigungen unterstützen, die entsprechende Ziele verfolgen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat die Kollegin Bonitz eine erste Nachfrage, bitte.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank! - Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung demzufolge die Initiative der Länder Niedersachsen und Bayern im Bundesrat unterstützen, die beinhaltet, dass Ausländer, die sich verdächtig gemacht haben, terroristischen Tendenzen Vorschub zu leisten, schon dann ausgewiesen werden können, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden sind, also nicht erst ab einer Freiheitsstrafe von drei Jahren? Es geht um die Senkung dieser Grenze.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Diese Frage möchte ich quasi umgekehrt beantworten: Ich hoffe, dass sich der Bundesrat - ich hoffe, auch die beiden von Ihnen genannten Länder werden das tun - unserer Gesetzesinitiative anschließen sowie unserem Terrorismusbekämpfungsgesetz und all den von mir gerade vorgetragenen Änderungen, die wir vorzunehmen beabsichtigen, zustimmen wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Bonitz, die zweite Zusatzfrage, bitte.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann frage ich anders. Die Ausweisung ist das eine, die Abschiebung ist das andere. Oft gibt es hierbei Schwierigkeiten im Vollzug.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Richtig.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ausweisungsverfügungen können häufig nicht vollzogen werden, weil Abschiebehemmnisse vorliegen. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass ausländische Extremisten, die einen terroristischen Hintergrund haben, unser Land tatsächlich verlassen, also abgeschoben werden können, insbesondere in den Fällen, in denen bisher ein Abschiebehemmnis vorlag, etwa dann, wenn dem Betreffenden im Heimatland Folter oder Tod droht?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Bestimmte Prinzipien können wir nicht auf den Kopf stellen. Sie haben völlig Recht darin, dass Ausweisung und Abschiebung voneinander zu trennen sind. Bestimmte Hemmnisse, die es heute gibt, wird es auch in Zukunft geben. Vor allem das, was wir jetzt verändern - eine rechtskräftige Verurteilung muss nicht mehr vorliegen, sondern schon die Annahme eines infrage kommenden Verbrechens kann den Vollzug rechtfertigen; das ist eine wesentliche Veränderung -, wird, denke ich, zu deutlicheren Praktiken führen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen jetzt zur Frage 11 des Kollegen Dr. Hans-Peter Uhl: Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung beim Katastrophenschutz-Fachdienst bzw. -Fachbereich Sanitätsdienst für die Kommunen in Bayern, insbesondere für die Landeshauptstadt München, angesichts der Tatsache, dass zum Beispiel in München nur noch rund 50 Bundesfahrzeuge - Arzttruppkraftwagen, Krankentransportwagen - zur Verfügung stehen, von denen in den nächsten zwei Jahren auch noch einige ausgesondert werden müssen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Uhl, der Bund setzt in der Zeit von 1999 bis 2001 mit einem Volumen von circa 196 Millionen DM für rund 1 500 Fahrzeuge das größte Beschaffungsvorhaben seit der Neuordnung des Zivilschutzes um. Die Fahrzeuge gehören einer neuen Fahrzeuggeneration an und verfügen über einen hohen technischen Stand. Bis Januar kommenden Jahres werden noch rund 300 ABC-Erkundungskraftwagen an die Länder ausgeliefert. Damit wird ein flächendeckendes System zur Aufspürung, Messung, Erfassung und Meldung radiologischer und chemischer Stoffe zur Verfügung stehen. Ich will gezielt auf Ihre Frage eingehen. Was Arzttruppkraftwagen anbelangt, so besteht in Bayern ein Soll von 126, ein Ist von 126 und somit ein Fehl von null. Was Krankentransportwagen anbelangt, so ist die Situation in Bayern derzeit wie folgt: Soll: 252, Ist: 236, Fehl: 16, wobei dieses Fehl nicht unbedingt eine ganz neue Entwicklung ist. Der Bund ergänzt aus seiner Zivilschutzverantwortung den Katastrophenschutz des Freistaates Bayern mit folgender Ausstattung: Herr Minister Schily hat am 20. Oktober 2001 in Nürnberg sechs ABC-Erkundungskraftwagen sowie zwei Krankentransportwagen an den Freistaat Bayern übergeben. Ein weiterer ABC-Erkundungskraftwagen konnte in der Zwischenzeit übergeben werden. Nach Rücksprache mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern werden diese Fahrzeuge landesintern wie folgt verteilt: sieben ABC-Erkundungskraftwagen für die Feuerwehren der Städte Fürth, Schweinfurt und Nürnberg sowie der Landkreise Deggendorf, Mühldorf am Inn, Aichach-Friedberg und Aschaffenburg sowie zwei Krankentransportwagen für die Kreisverbände in den Landkreisen Kitzingen und Aichach-Friedberg. Der Freistaat Bayern erhält aus den noch laufenden Beschaffungen neun ABC-Erkundungskraftwagen und fünf Krankentransportwagen. Wenn die Zeitplanung der Zulieferfirma für die Einsatzausstattung eingehalten wird, sollen diese Fahrzeuge bis Januar nächsten Jahres ausgeliefert werden. Aufgrund der aktuellen Situation sollen die für 2002 und 2003 ursprünglich ausgesetzten Programme, unter anderem zur Ersatzbeschaffung des Krankenkraftwagens, für 2002 wieder aufgenommen werden. Über die Höhe der Mittel, die aus dem Sonderprogramm für die innere Sicherheit im Haushalt zur Verfügung stehen, ist, wie Sie wissen, noch nicht abschließend entschieden. Hierzu müssen noch die entsprechenden Gespräche geführt werden. Ganz deutlich möchte ich festhalten: Auf die Stationierungsplanung selbst und die Zuweisung der Fahrzeuge auf die einzelnen Standorte nimmt der Bund keinen Einfluss. Das ist in diesem Falle allein Sache des Freistaates Bayern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Uhl zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Körper, das waren ganz eindrucksvolle Zahlen. Wir alle wissen, dass der Umfang des gesamten Fuhrparks des Katastrophenschutzes in den vergangenen Jahren verringert wurde. Ich stelle das fest, ohne Ihnen damit einen Vorwurf zu machen; schließlich müssten wir uns aufgrund der politischen Verantwortlichkeiten der vergangenen Jahre selbst Vorwürfe machen. Die Dinge haben sich weiterentwickelt. Wir wissen, dass massiv nachgebessert werden muss. Neue Fahrzeuge müssen beschafft werden. In Ihrer Statistik ist von Fahrzeugen die Rede, die teilweise stark überaltert sind und ausgetauscht werden müssen. Wenn sich eine Kommune, zum Beispiel München, bereit erklärt, Fahrzeuge, deren Anschaffung vom Bund bezuschusst oder gar ganz finanziert wird, in Absprache mit dem Bund unbürokratisch selbst zu beschaffen und vorzufinanzieren: Würden Sie ein solches Verfahren akzeptieren? Würden Sie der jeweiligen Kommune zusichern, dass ihr die entsprechenden Mittel nachträglich zur Verfügung gestellt werden, wenn die Details der Finanzierung feststehen? Sind Sie zu einer Vorfinanzierung auch in diesem Bereich bereit, wie wir sie von anderen Gebieten der öffentlichen Daseinsvorsorge her längst kennen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Nach meinem bisherigen Kenntnisstand kann ich Ihnen eine solche Vorgehensweise nicht empfehlen. Ich habe zum Schluss meiner Ausführungen deutlich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über Verteilung und über die Auswahl des Standorts der jeweiligen Fahrzeuge in der Hoheit der Länder liegt. In diesem Falle liegt sie beim Freistaat Bayern. Man kann die Angelegenheit nicht so angehen, wie Sie es mit Ihrer Frage nahe gelegt haben. Man muss ein bisschen Vorsicht walten lassen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Uhl, zu einer zweiten Nachfrage.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, dass die Entscheidung darüber, für welchen Standort welche neuen Fahrzeuge beschafft werden, der neuen Bedrohungssituation - sie besteht darin, dass die Ballungsräume einer größeren Bedrohung ausgesetzt sind - gerecht werden muss? Teilen Sie meine Auffassung, dass es falsch ist, sozusagen nach dem Gießkannenprinzip überall die gleiche Anzahl von Einheiten einzurichten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Uhl, ich weiß, dass Sie in München wohnen. Dort sind die Bayerische Staatskanzlei und das bayerische Innenministerium zu Hause. Es wäre sehr sinnvoll, insbesondere diese Fragen dort zu stellen und sie dort miteinander zu diskutieren. In einem haben Sie völlig Recht: Die Standorte müssen auch nach den Kriterien der Effektivität und der Effizienz ausgesucht werden; sonst macht das keinen Sinn. Das, was wir an Beschaffung derzeit gewährleisten und vielleicht auch zukünftig gewährleisten können, kann sich sehen lassen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Fahrzeugbestand relativ überaltert ist. Sie haben fairerweise keine einseitige Zuweisung der politischen Verantwortung vorgenommen. Auch das war korrekt und gut. Wir müssen diese Aufgabe gemeinsam angehen. Mit dem Ziel, Effektivität und Effizienz zu erreichen, sollten wir einen entsprechenden Standort aussuchen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Sämtliche Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz - es handelt sich um die Fragen 12 bis 18 - werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 19 des Kollegen Georg Janovsky - es geht um zusätzliche Kosten der militärgeographischen Dienststelle im Wehrbereich VII -: Welche zusätzlichen Kosten entstehen für Umzüge, Trennungsgelder, Dienstreisen der militärgeographischen Dienststelle im Wehrbereich VII?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Liebe Frau Präsidentin, ob es um Mehrkosten geht, wird sich zeigen. Herr Kollege Janovsky, an der militärgeographischen Dienststelle in Leipzig leisten zurzeit vier Offiziere, neun Unteroffiziere, 17 Mannschaftsdienstgrade sowie 21 Angestellte und vier Arbeiter ihren Dienst. Eine Aussage über mögliche Kosten im Zusammenhang mit der Verlegung der militärgeographischen Dienststelle ist erst nach dem Abschluss der Detailplanung hinsichtlich des Personalbedarfs für das zukünftige Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr abgeschlossen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Janovsky, zu einer Nachfrage.

Georg Janovsky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001017, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es ist klar, dass man erst dann, wenn man das letzte Detail weiß, auch den Betrag bis auf den letzten Pfennig genau kennt. Aber es müsste doch überschlagmäßig ermittelbar sein, in welcher Höhe Kosten bei der Versetzung von diesem von Ihnen genannten Personenkreis in etwa entstehen. Solche Überlegungen gibt es, wie ich Ihrer Aussage entnommen habe, nicht bei Ihnen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nun warten Sie es einmal ab. Im Moment kann man das wirklich nicht differenzieren; das können Sie, Herr Kollege Janovsky, schnell nachvollziehen. Wenn es bei einer Veränderung bzw. einer völligen Auflösung für die wegfallenden Arbeitsplätze keine Alternative gäbe, müssten wir in der Tat versuchen, einen Teil des Personals in der Region unterzubringen. Nun wissen Sie selbst, dass es in Leipzig einige militärische Einrichtungen gibt. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass die vier Offiziere und die neun Unteroffiziere kein großes Problem darstellen werden. Die 17 Mannschaftsdienstgrade sind von Soldaten auf Zeit besetzt, die sich für maximal vier Jahre verpflichtet haben. Diese werden danach wahrscheinlich ausscheiden. Probleme wird es bei den 21 Angestellten und den 4 Arbeitern geben. ({0}) - Nun warten Sie es erst einmal ab. - Ich habe gesagt, dass sich bei der Ausplanung möglicherweise eine Lösung für diese Leute ergibt, weil wir ja in Leipzig auch andere Einrichtungen der Bundeswehr haben. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 20 des Kollegen Janovsky auf: Kann der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, dem gegebenenfalls von der Verlegung bzw. Auflösung betroffenen Personal einen noch mehrjährigen Erhalt der Außenstelle in Leipzig ermöglichen und einen sozialverträglichen Übergang zusichern, und wenn ja, in welcher Form?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Im Rahmen der Einrichtung des Geoinformationsdienstes wird in der Streitkräftebasis zum 1. April 2003 das Amt für Geoinformationswesen der Bundeswehr, in dem dann die Produktions- und Versorgungsaufgaben zentral wahrgenommen werden, neu aufgestellt. Damit wird aus dem Amt die Unterstützung laufender Einsätze und Überlegungen der Bundeswehr sowie die Versorgung der Bundeswehr mit militärgeographischen Unterlagen und Daten zentral sichergestellt. Hierzu wird, soweit möglich, das Fachpersonal der aufzulösenden Topographietruppe und damit auch der militärgeographischen Stellen der Wehrbereiche herangezogen. Nach den derzeitigen Planungen ist die Aufstellung eines Vermessungselementes, das alsAußenstelle desAmtes für Geoinformationswesen im Wehrbereich III ({0}), also in den neuen Bundesländern, dient, vorgesehen. Als mögliche Stationierungsorte werden - das wird Sie vielleicht nicht überraschen; ich sage es in alphabetischer Reihenfolge - Erfurt oder Leipzig in Erwägung gezogen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Janovsky, zu einer Nachfrage, bitte.

Georg Janovsky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001017, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. Wir wollen hoffen, dass die Prüfung positiv ausfällt, Frau Staatssekretärin. Ich hätte trotzdem noch eine Frage: In Leipzig und auch an anderen Stellen gibt es ja eine intensive fachliche Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen; durch die Zentralisierung wird diese ja viel schwieriger. Ist das bei den Entscheidungen zur Zentralisierung auch berücksichtigt worden? Wie wird das Problem einer Lösung zugeführt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Erstens bemühen wir uns stark darum - das sage ich Ihnen persönlich zu -, dass die Reduzierung von zivilem wie militärischem Personal in den neuen Bundesländern so gering wie möglich ausfällt. Zweitens ist es aufgrund neuer technischer Arbeitsbedingungen, durch die Kommunikationstechniken und damit auch durch neue Formen in dem hier behandelten Bereich, natürlich so, dass wir einen Teil der Arbeitskräfte in Zukunft nicht mehr benötigen. Das gilt aber für viele Stellen. Drittens glaube ich schon, dass durch eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig - der Oberbürgermeister, Herr Tiefensee, hat sich natürlich auch mehrfach gemeldet - garantiert wird, dass sich die Situation auf diese Region, soweit es nur irgendwie möglich ist, nicht negativ auswirkt. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich die Frage 21 des Kollegen Hartmut Koschyk auf: Trifft eine Pressemeldung zu, wonach der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, im Hinblick auf die Auflösung des Luftwaffenausbildungsbataillons in Bayreuth „die Sache neu überdenken“ will - vergleiche „Nordbayerischer Kurier“ vom 19. Oktober 2001 -, oder ist die Aussage verbindlich, die der Bundesminister der Verteidigung auf das Schreiben der Abgeordneten Hartmut Koschyk, Dr. Gerhard Scheu, Dr. Bernd Protzner und Dr. Hans-Peter Friedrich ({0}) mit Datum vom 15. Oktober 2001 mitgeteilt hat?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Koschyk, das Thema Auflösung des Luftwaffenausbildungsbataillons in Bayreuth beschäftigt Sie persönlich, Ihre Kolleginnen und Kollegen und mich im Verteidungsministerium ja sehr. ({0}) Die Aussagen von Minister Scharping in seinem Schreiben vom 15. Oktober 2001 an Sie wie auch an die Kollegen Dr. Gerhard Scheu, Dr. Bernd Protzner und auch Dr. Hans-Peter Friedrich entsprechen den gültigen Planungen. Ich selbst habe Ihnen mehrfach die Gründe genannt, warum die Luftwaffe die Aufgabe des Standortes empfiehlt. ({1}) Wie Sie hat allerdings auch Frau Kollegin Christa Müller-Feuerstein das Zusammentreffen mit dem Bundesverteidigungsminister, das nicht so häufig möglich ist wie bei Ihnen, genutzt, um sich für den Erhalt des Standortes Bayreuth einzusetzen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Auch hier gibt es natürlich eine Nachfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Frau Christa Müller-Feuerstein zitiert in der Zeitung, die ich in meiner Anfrage erwähnt habe, den Verteidigungsminister dahin gehend, dass er die Sache neu überdenken werde.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das habe ich auch gelesen. Sie haben uns das freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Sie sagt gleichzeitig - das müssen Sie dann fairerweise auch zitieren -: Ich will keine falschen Erwartungen wecken.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Heißt das, dass die Aussage, die der Bundesverteidigungsminister gegenüber den erwähnten Kollegen und mir gemacht hat, die letztendlich definitive ist?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Es ist - deswegen habe ich das ausdrücklich gesagt - der jetzige Planungsstand. Herr Koschyk, nun weiß niemand von uns, was sich alles möglicherweise noch ereignen wird. Nach dem jetzigen Stand - ich werde das auch bei der Beantwortung der nächsten Frage noch sagen - gibt es viele Gründe, den Standort Bayreuth infrage zu stellen.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben jetzt eine Äußerung bezüglich des derzeitigen Standes gemacht. Was könnten Überlegungen bzw. Rahmenbedingungen sein, die noch einmal zu einer Überprüfung dieser Entscheidung führen könnten?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Die Überprüfung der Entscheidung wird, weil es sich um einen Ausbildungsbereich handelt, wahrscheinlich zu keinem anderen Ergebnis kommen. Die Frage der Zeit, ob es also früher oder später zu einer Schließung kommt, wird bei den verschiedenen Standorten möglicherweise unterschiedlich beantwortet. Für Bayreuth gibt es im Moment aber keinen anderen Stand als den, den ich Ihnen eben erklärt habe.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bei Frage 22 des Kollegen Hartmut Koschyk, die ich jetzt aufrufe, bleiben wir noch in Bayreuth: Wie stellt sich konkret die mangelnde Auslastung und damit einhergehend die Unwirtschaftlichkeit der Belegung der Markgrafenkaserne in Bayreuth seit der Verlegung eines Ausbildungsbataillons der Luftwaffe nach Bayreuth dar und in welcher Größenordnung sind zum Beispiel Leerstände zu verzeichnen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Präsidentin, Herr Kollege Koschyk, nach der Raum- und Flächennorm der Bundeswehr weist die Markgrafenkaserne in Bayreuth mit der derzeitigen Belegung Flächenüberhänge in folgender Höhe aus - Sie erinnern sich, dass es dazu entsprechende Maßstäbe gibt -: Im Unterkunftsbereich haben wir 33 Prozent mehr als wir brauchten, wobei - das sei hinzugefügt - heute eine großzügigere Belegung vorhanden ist als früher, als es zwei Panzerbataillone gab. Im Funktionsbereich haben wir 55 Prozent zu viel, im Lehrsaalbereich sind es 91 Prozent der Kapazitäten und im technischen Bereich 27 Prozent. Das Wirtschaftsgebäude war für ziemlich genau die doppelte Zahl von Soldaten ausgelegt, als heute dort verpflegt werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, Herr Kollege Koschyk, zur Nachfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn dies alles von Anfang an, also seit der Belegung der Markgrafenkaserne durch das Luftwaffenausbildungsbataillon, der Fall gewesen ist, dann frage ich mich, warum man noch im letzten Jahr die Sanierung der Truppenküche in Angriff genommen hat und auch hier im Bundestag auf mehrmalige Nachfragen hin gesagt hat, dass es bei dieser Sanierung bleiben solle, weil man an dem Standort festhalten wolle. Wie konnte man sich überhaupt zu einer Sanierung der Truppenküche an einem Standort entschließen, der, wie Sie jetzt sagen, nach Meinung dieser Bundesregierung von Anfang an unwirtschaftlich gewesen ist? Mein zweiter Punkt: Der Bundesrechnungshof hat in seinen Prüfungsbemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung für das Jahr 2001 in Kap. 80 - Infrastrukturbedarf der Bundeswehr - kritisiert, dass das Bundesverteidigungsministerium die Außenstelle der Standortverwaltung, die sich außerhalb der Kaserne befindet, ebenfalls nicht hinreichend genutzt hat. Er hat das Verteidigungsministerium aufgefordert, die Außenstelle der Standortverwaltung in die Kaserne hineinzuverlegen. Ich frage noch einmal, warum man dann nicht zum Beispiel die Verlegung der Standortverwaltung und des Kreiswehrersatzamtes in die Kaserne, wie es auch der Bundesrechnungshof gefordert hat, geprüft hat, um insgesamt die Überhänge von Lehrsälen und Flächen, die Sie gerade genannt haben, zu korrigieren.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Koschyk, da Planungen der Vergangenheit auch von der neuen Bundesregierung umgesetzt werden, fordert der Minister mit aller Entschiedenheit mehr Wirtschaftlichkeit und mehr Privatisierung in diesem Bereich. Sie finden in der gesamten Bundesrepublik zum einen Infrastruktur vor, die man nicht braucht, und zum anderen gibt es Infrastruktur, die dringend saniert werden muss. Es gibt langfristige Planungen, die ich zum Teil nicht nachvollziehen kann. Der Bundesrechnungshof hat bei der Prüfung bezüglich des Standortes Bayreuth sicherlich eine Prüfung vorgenommen, bevor die Standortpläne des Ministers der Verteidigung vorlagen; denn sonst wäre es zu diesen Entscheidungen nicht gekommen. Auch die Standortverwaltung wird in der Zukunft eine andere Struktur haben. Ich will dennoch nicht verkennen - das sage ich in Richtung der Kollegin Kastner; ich habe mir den Standort in ihrem Wahlkreis angesehen -, dass es für bestimmte Regionen schmerzlich ist, wenn man sieht, dass die hervorragende Infrastruktur nicht mehr genutzt, sondern aufgegeben wird. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine weitere Nachfrage des Kollegen Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, hat man ernsthaft geprüft und wenn ja, mit welchem Ergebnis, ob die Flächenüberhänge und die Raumleerstände, die Sie gerade genannt haben und die vom Bundesrechnungshof moniert wurden, nicht dadurch abgebaut werden können, dass man die Standortverwaltung und das Kreiswehrersatzamt, das in einem anderen Gebäude in der Stadt untergebracht ist, auf das Areal der Markgrafenkaserne verlegt. Damit könnte eine höhere Auslastung erreicht werden, sodass die hohen Leerstände, die Sie jetzt monieren, abgebaut werden könnten.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Koschyk, es war von Anfang an ein Fehler, das Luftwaffenausbildungsbataillon dorthin zu verlegen. Diese Kaserne war für zwei Panzerbataillone ausgelegt. Angesichts einer kleiner werdenden Bundeswehr haben wir keinen weiteren Bedarf an Ausbildungskapazitäten für Wehrpflichtige der Luftwaffe gehabt. Das ist auch verständlich: Die Stärke der Bundeswehr ist von 495 000 über 370 000 bis auf - das geschah noch unter der Verantwortung von Herrn Rühe 340 000 Soldaten gesunken. Die Verlegung eines Standortes - das war eine Maßnahme, mit der schon Reduktionen verbunden waren war natürlich nur eine Goodwill-Aktion, wobei aber nicht bedacht wurde, dass sowohl das Flächen- als auch das Raumangebot überdimensioniert ist. Die Leerstände kann man nicht durch die Verlegung der Standortverwaltung und des Kreiswehrersatzamtes auf dieses Gelände beseitigen. Ihnen ist doch auch klar, dass mit dem Wegfall des Ausbildungsbataillons eine Standortverwaltung in dieser Größenordnung nicht mehr gebraucht wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es verbleiben noch sieben Fragen in der Fragestunde, sodass es durchaus möglich sein kann, dass die Aktuelle Stunde etwas früher anfängt. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, sich darauf einzustellen, dass wir unter Umständen eher als geplant mit der Aktuellen Stunde beginnen. Im Anschluss daran wird es eine Fraktionssitzung der SPD geben. Die Frage 23 des Kollegen Hildebrecht Braun ({0}) wird schriftlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 24 des Kollegen Werner Siemann auf: Wie beurteilt die Bundesregierung den Rückzug Italiens aus dem europäischen Beschaffungsprojekt des militärischen Transportflugzeugs A 400 M und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die verbleibenden kooperierenden Staaten?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Lieber Herr Kollege Siemann, am 19. Juni 2001 haben Belgien, Frankreich, Großbritannien, Spanien, die Türkei und Deutschland die Regierungsvereinbarung zur Beschaffung des A 400 M auf der Grundlage einer Gesamtstückzahl von 212 Flugzeugen in Le Bourget unterzeichnet. Portugal und Italien haben nicht, Spanien und Deutschland haben unter Vorbehalt unterschrieben. Portugal will das Memorandum of Understanding in Kürze unterschreiben. Italien hat am 16. Oktober 2001 ohne Angaben von Gründen erklärt, nicht mehr weiter am Programm teilzunehmen. Es hat jedoch anlässlich einer Konferenz der Rüstungsdirektoren am 31. Oktober 2001 in Berlin erklärt, wieder für eine Beteiligung offen zu sein und die endgültige Entscheidung bis Mitte November treffen zu wollen. Durch einen italienischen Rückzug würde sich die Gesamtstückzahl auf 196 Flugzeuge reduzieren. Die Vertragsverhandlungen mit Airbus Military Company sind inzwischen nahezu abgeschlossen. Alle Punkte bis auf den Preis - das ist eigentlich der entscheidende Punkt - wurden für uns zufriedenstellend gelöst. Die bisher in den Verhandlungen erzielten Preisreduzierungen würden durch den italienischen Ausstieg leider zunichte gemacht werden. Das Programm bietet der europäischen Luftfahrtindustrie die Chance, auf dem Sektor der strategischen Transportflugzeuge leistungsfähige Kapazitäten aufzubauen. Es wird damit nachhaltig zur Konsolidierung und Effektivierung der europäischen Luftfahrtindustrie beitragen. Insgesamt werden - das gilt Ihnen und allen Kollegen direkt und indirekt in diesem Hochtechnologiesegment bis zu 40 000 Arbeitsplätze in Europa gesichert werden. Der italienische Anteil liegt bei etwa 7,5 Prozent und würde dann auf die verbleibenden Nationen verteilt, wodurch Deutschland einen Arbeitsanteil von circa 37 Prozent erhalten würde.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Siemann zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn es tatsächlich bei dem Ausstieg Italiens bleibt, kann man ja wohl damit rechnen, dass das ganze System teurer wird. ({0}) Der Verteidigungsminister hat in der Vergangenheit immer wieder betont, die Beschaffung dieses Transportflugzeuges müsse oder könne teilweise oder hauptsächlich außerhalb des Einzelplans 14 finanziert werden. Nun soll es im nächsten Jahr 1,5 Milliarden DM zusätzlich geben. Jetzt wird kolportiert, dass eine Finanzierung der Beschaffung des Transportflugzeuges außerhalb von Einzelplan 14 endgültig vom Tisch sei. Ist das richtig?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein. Die 1,5 Milliarden DM, die wir im Jahr 2002 möglicherweise im Rahmen der aktiven Terrorbekämpfung im Einzelplan 60 bekommen, werden wir auch dringend für diese Einsätze benötigen. Sie wissen, Herr Siemann, wir wollen das Flugzeug, das sich in der Entwicklung befindet, 2006 oder 2008 kaufen. Wir brauchen es im Grunde jetzt schon. Den Kollegen dürfte eigentlich klar sein, dass die Transall - sie stammt aus dem Jahre 1968 - wegen der geringen Reichweite dringend ersetzt werden muss. Wir werden dieses Geld wirklich für den Einsatz der Streitkräfte und für die Vorbereitung dieses Einsatzes verwenden müssen. Die Frage, wie hoch in der Zukunft die Verpflichtungsermächtigung für das Transportflugzeug ist - wir wollen ja nicht gleich bezahlen -, wird eine entscheidende Frage der Zukunft sein. Ich gehe davon aus, dass wir die vorgezogene Stückzahl auch innerhalb des Einzelplans finanzieren können. Noch müssen wir das Geld ja nicht veranschlagen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie sehen also keine Möglichkeit mehr, wie es der Minister immer wieder angesprochen hat, eine Finanzierung außerhalb des Einzelplans 14 vorzunehmen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Zunächst einmal sind wir in der Situation, dass wir es jetzt nicht finanzieren müssen, wenn unsere Vorstellung aufgeht, dass die Industrie in einem weitgehend marktgerechten Bereich die Entwicklung und die Vorbereitung zum Teil vorfinanziert und wir ihr das später bezahlen. Ich spekuliere nicht über die Höhe des Verteidigungshaushalts zu einem Zeitpunkt, wenn die ersten Flugzeuge wirklich bezahlt werden müssen. Ich hoffe, dass die Lage dann friedlicher sein wird und das Flugzeug im Rahmen unseres Haushalts, des Einzelplans 14, bezahlt werden kann.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Werner Siemann auf: Wann wird die Bundesrepublik Deutschland den Beschaffungsvertrag für den A 400 M unterzeichnen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nach den Empfehlungen der Price Working Group mit Teilnehmern aller Partnernationen besteht noch Spielraum bei der Preisverhandlung mit der Industrie. Eine weitere Preisverhandlung wird zurzeit durchgeführt. Die Partnernationen, insbesondere Frankreich und Großbritannien, wollen am Rande der Festveranstaltung anlässlich des fünfjährigen Bestehens der gemeinsamen europäischen Rüstungsagentur OCCAR auf dem Petersberg in Bonn am 16. November 2001 den Industrievertrag unterschreiben. Erst wenn die Vertragsverhandlungen beendet sind, kann die parlamentarische Behandlung in Deutschland eingeleitet werden. Die Bundesregierung strebt einen Vertragsabschluss in 2001 an.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine erste Zusatzfrage.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es liegt mittlerweile ein Papier des Bundesrechnungshofes vor. Dieser rechnet uns vor und hat auch der Hardthöhe vorgerechnet, dass man aufgrund der größeren Kapazität dieses neuen Transportflugzeugs und auch der technischen Gegebenheiten mit 40 Einheiten wird auskommen können. Hat dieser Bericht noch Auswirkungen auf die weiteren Verhandlungen oder auf die Vertragsunterschrift durch die Regierung?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich hätte beinahe gesagt: Wir haben auch einen anderen Bericht zu einem anderen Fahrzeug, dem Dingo, der im Moment hervorragende Leistungen auf dem Balkan erbringt. Auch dazu hat der Rechnungshof einen Bericht geschrieben, der durch die Realität überholt worden ist. Ich glaube nicht, dass es Aufgabe des Rechnungshofs ist, zu entscheiden, wie viele Flugzeuge die deutsche Luftwaffe und die Bundeswehr benötigen. Dies ist in der Tat eine politische Entscheidung, die die Bundesregierung zusammen mit dem Parlament zu treffen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bundesrepublik Deutschland mit ihren rein konventionellen Streitkräften keine angemessene Lufttransportkapazität zur Verfügung stehen sollte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir diese 73 Luftfahrzeuge benötigen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es eigentlich richtig, dass der Bericht des Bundesrechnungshofes dem Bundesverteidigungsministerium am 14. März 2001 mit der Bitte zugeleitet wurde, innerhalb von zwei Monaten Stellung zu nehmen, und die Hardthöhe daraufhin mit Schreiben vom 4. April um stillschweigende Terminverlängerung bis Ende Mai gebeten hat, bis heute aber eine Stellungnahme zu dem Bericht des Bundesrechnungshofes diesem gegenüber noch nicht abgegeben hat?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Der Rechnungshof weiß genau, dass er bei seinen Ausführungen zu der Frage, ob 40 oder 73 Flugzeuge erforderlich sind, ein bisschen über seine Kompetenz hinausgeht. Er muss sich darüber Gedanken machen, ob unser Beschaffungswesen wirtschaftlich ist. Aber die Entscheidung, wie viele Flugzeuge notwendig sind, möchte ich, wie gesagt, auch in Zukunft dem Parlament und der Bundesregierung überlassen. ({0}) - Der Bundesrechnungshof hat von uns mehrfach gesagt bekommen, dass unsere Vorstellung von seiner abweicht. Wir können unsere Auffassung auch gut begründen. Es gibt ausreichend Hintergrundinformationen, die deutlich machen, dass wir 73 Flugzeuge benötigen. Sie verfügen ebenfalls über diese Informationen, Herr Kollege.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Martin Hohmann auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, die Gelöbnis- bzw. Eidesformel für die deutschen Soldaten und Soldatinnen angesichts der neuen Aufgabenzuweisungen und weltweiter Einsatzmöglichkeiten zu ändern, und welche konkreten Textalternativen gibt es gegebenenfalls?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Hohmann, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Gelöbnis- bzw. Eidesformel zu verändern. Das in der Eides- und Gelöbnisformel zum Ausdruck kommende Bekenntnis des Soldaten umfasst jeden Einsatz, der mit unserer Verfassung, dem Grundgesetz, in Einklang steht. Der in der gesetzlichen Regelung der Treuepflicht - das steht in § 7 des Soldatengesetzes - und in der Eides- und Gelöbnisformel des § 9 des Soldatengesetzes in gleicher Weise enthaltene Passus „... und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“ beschränkt die Einsatzmöglichkeiten des Soldaten der Bundeswehr weder auf die Verteidigung des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland noch auf das deutsche Volk. Die Formulierung hatte den Zweck, als ein grundlegendes Wesensmerkmal des soldatischen Dienens die Tapferkeit, die vom Soldaten bei der Erfüllung eines jeden Verfassungsauftrages verlangt wird, besonders hervorzuheben. Weil diese Pflicht zur Tapferkeit aus dem reinen Wortlaut der Pflicht zum treuen Dienen nicht ohne weiteres hervorgeht, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, diesen Aspekt der Treuepflicht mit der gewählten Formulierung ausdrücklich zu normieren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hohmann.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, vielen Dank. Zunächst einmal spreche ich Ihnen meine Anerkennung dafür aus, dass Sie trotz einer erkennbaren Erkältung so tapfer Ihr Ressort vertreten.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Danke, aber das sind Folgen der Haushaltsberatungen.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage ist von Wehrpflichtigen an mich herangetragen worden, die vor allem vor dem Hintergrund des Kosovo-Einsatzes nachgefragt haben. Ich kann mich an meine Zeit bei der Bundeswehr in den 60er-Jahren erinnern, als wir von den Vorgesetzten sehr logisch erklärt bekamen, hier seien wir, dort die anderen; dies sei die Frontstellung. Nur scheint mir dies im Hinblick auf den Kosovo-Einsatz eine gewisse Überinterpretation zu sein.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich danke Ihnen sehr für diese Frage, weil sie für die Zuhörer von Interesse sein dürfte. In diese Einsätze gehen keine Wehrpflichtigen, sondern nur diejenigen, die freiwillig länger Wehrdienst leisten und dafür auch anders bezahlt werden. In solche Einsätze - das gilt auch für die neue, noch schwierigere Aufgabe - gehen Zeit- und Berufssoldaten, also Professionelle. Wenn ein Wehrpflichtiger den Wunsch äußert, an einem solchen Einsatz teilzunehmen, muss er länger dienen. Das gilt auch weiterhin; darüber gibt es überhaupt keine Diskussion. Man könnte es auch nicht verantworten, junge Menschen in solche Einsätze zu schicken, wenn man sie nicht speziell darauf vorbereitet hätte.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Frage 27 des Kollegen Dietrich Austermann wird ebenso schriftlich beantwortet wie die beiden Fragen 28 und 29 des Kollegen Günther Friedrich Nolting. Wir kommen zur Frage 30 der Abgeordneten Sylvia Bonitz: Wie beurteilt die Bundesregierung die aktuelle Sicherheitslage in Mazedonien angesichts der neuerlichen Schießereien und wie beurteilt sie die Gefährdungslage für die deutschen Soldaten vor Ort?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin Bonitz, die Sicherheitslage in Mazedonien ist unverändert fragil. In den vergangenen Wochen und Monaten kam es in Tetovo und in seiner Umgebung zu Zwischenfällen. Vertreter der internationalen Gemeinschaft und insbesondere Angehörige von KFOR, die sich ebenfalls in Mazedonien aufhalten, und der Task Force Fox sind nach wie vor keinen Angriffen in Mazedonien ausgesetzt. Sowohl die Streitkräfte und Sicherheitskräfte als auch für die ehemalige mazedonische UCK werden gegenüber den internationalen Truppenverbänden nicht gewalttätig. Gleichwohl gibt es bei den Konfliktparteien natürlich extreme Splittergruppen, die sich der Kontrolle durch die jeweilige Führung entziehen. Deswegen muss auch in Zukunft mit Einzelaktionen durch Kleingruppen oder radikalisierte Einzeltäter bis hin zu gewaltsamen Übergriffen gerechnet werden. Unsere Soldaten sind auf solche Szenarien eingestellt. Aber das Verhalten gerade unserer deutschen Soldaten wird von sämtlichen Ethnien respektiert. Es gab bis zum heutigen Tag keine Übergriffe.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, das Mandat läuft am 27. Dezember dieses Jahres aus. Infolge der Verschiebung der ersten Sitzungswoche im Januar wird der Deutsche Bundestag aber voraussichtlich erst ab 21. Januar 2002 wieder eine Sitzungswoche haben. Daher frage ich Sie: Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Bundestag erneut mit dem Mandat für den Einsatz in Mazedonien zu befassen, vor allem vor dem Hintergrund, dass dort im Januar Parlamentswahlen stattfinden und damit möglicherweise erneut Unruhen einhergehen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das ist jetzt alles spekulativ. Wir sind sehr bemüht - Sie wissen das und können es auch verfolgen -, im Rahmen von EU und NATO auf die Hauptgruppen der beiden Konfliktparteien, also die Slawo-Mazedonier und die albanischen Mazedonier, einzuwirken, um sie zu bewegen, hinsichtlich der entsprechenden Gesetzgebung voranzukommen. Ich gehe auch davon aus, dass wir im Dezember überschauen können, ob die weitere Anwesenheit der Task Force Fox notwendig ist. Ich gehe ebenfalls davon aus, dass sich das Parlament damit beschäftigen wird. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich keinen Grund für die Annahme, dass die betroffenen Parteien nicht bereit seien, zu einem vernünftigen verfassungsrechtlichen Vorgehen zu kommen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Eine andere Frage: Wird der geplante Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen der Unterstützung der USA bei der Terrorbekämpfung - darüber werden wir in den nächsten Tagen zu diskutieren und auch zu befinden haben -Auswirkungen auf die derzeit auf dem Balkan stationierten deutschen Soldaten haben, gegebenenfalls bis hin zu einer vorzeitigen Abberufung einzelner Truppenteile?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Davon ist im Moment überhaupt keine Rede.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das war die Antwort?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ja.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Danke. Wir kommen zur Frage 31 des Abgeordneten Dr. HansPeter Uhl: Hält die Bundesregierung die derzeit gültigen Vorschriften für den Einsatz von Spezialisten der Bundeswehr im Inland, insbesondere von ABC-Zügen, für ausreichend bzw. welche konkreten Änderungen der Vorschriften sind geplant angesichts der Tatsache, dass sich am 12. Oktober 2001 ein ABC-Zug der Bundeswehr auf Nachfrage wegen angeblich fehlender Kompetenz geweigert hatte, zwei beim Briefpostamt in Nürnberg aufgetauchte Briefe zu untersuchen, aus denen weißes Pulver rieselte und die in auffallend falscher Rechtschreibung die Aufschrift trugen: „Der heilige Krieg hat begonnen“?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Uhl, im Zusammenhang mit den am 12. Oktober 2001 beim Briefpostamt in Nürnberg aufgetauchten verdächtigen Briefen hat es keine Anfrage bei einem ABC-Zug der Bundeswehr mit der Bitte um Unterstützung gegeben. Von einer Verweigerung der Unterstützung wegen angeblich fehlender Kompetenzen kann deshalb nicht die Rede sein. Aus Ihrer langjährigen beruflichen Erfahrung wissen Sie, dass das Grundgesetz eine funktionale Trennung zwischen den Aufgaben der Polizei und denen der Streitkräfte vorsieht. Sie hat sich normalerweise bewährt; denn solche Dinge sind auch in der Vergangenheit vorgekommen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, darf ich Sie dennoch fragen - losgelöst von diesem Einzelfall, ob es eine Anfrage gab oder die Mitarbeit verweigert wurde -, ob Sie es für richtig halten, dass man sich, obwohl in Ballungsräumen wie Nürnberg oder auch München, wo ich herkomme, in den Kasernen hoch spezialisierte ABC-Spezialisten der Bundeswehr sitzen, die eventuell dringend benötigt werden, auf die Zuständigkeit beruft und sagt: Nein, die müssen in der Kaserne sitzen bleiben und dort - flapsig formuliert - auf den nächsten Krieg warten; sie dürfen nicht in dem Postamt eingesetzt werden, in dem ein entsprechender Brief ankommt. Halten Sie es für richtig, dass Bundesmittel in dieser Weise verschwendet werden und außerdem über das Bundesinnenministerium mit anderen Bundesmitteln eine Parallelorganisation aufgebaut wird, damit Deutschland noch einmal flächendeckend mit ABC-Schutzeinheiten versorgt wird?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Dr. Uhl, ich habe extra Ihre berufliche Tätigkeit nachgelesen. Ich selbst war viele Jahre lang Vorsitzende des Gesprächskreises „Kommunalpolitik“. Ich kenne nicht die Ausrüstung der Polizei und der entsprechenden kommunalen Einrichtungen in München. Ich kenne allerdings sehr genau die Ausstattung in Bayern und vor allen Dingen die unserer Feuerwehren, die inzwischen häufiger zu Verkehrsunfällen von größeren LKWs, die chemische Substanzen geladen haben, geholt werden als zu Bränden. Ich komme aus einem Wahlkreis, in dem es relativ viel chemische Industrie und Glasindustrie gibt. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Vorstellung, dass die Bundeswehr bei jedem verdächtigen Brief - auch wenn wir natürlich im Moment eine erhöhte Sensibilität haben und es leider zu viele Trittbrettfahrer gibt - mit ihren Kapazitäten beschäftigt würde, ist völlig abwegig. Die Länder und die Kommunen haben hier selbstverständlich ihre Pflichten. Sie haben auch Wert darauf gelegt, gerade der Freistaat Bayern und ebenso Niedersachsen. Ich sehe deswegen überhaupt keinen Bedarf, die Bundeswehr in diesen Fällen in Anspruch zu nehmen. Sollte es eine besondere Situation geben und es wirklich zu ernsthaften Anschlägen kommen - wovon wir hoffentlich alle nicht ausgehen -, könnte ich mir vorstellen, dass im Rahmen der Möglichkeiten nach Anforderung durch die Länder Hilfe geleistet wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass in einem Ballungsraum wie München lediglich ein ABC-Zug bei den Feuerwehren vorhanden ist Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung: Aha!

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- ja - und dass man zweitens davon ausgehen muss, dass ein solcher ABCZug im Schadensfall pro Stunde maximal 60 kontaminierte Personen behandeln kann? Das heißt, der Gedanke, dass zusätzlich zu den vorhandenen kommunalen Kapazitäten Bundeswehr-ABC-Züge zum Einsatz kommen, ist durchaus vorstellbar und gar nicht abwegig, weswegen sich doch die Frage stellt, ob Sie sich darauf vorbereitet haben, dass man bei solchen oder anders gelagerten Fällen durch Ihr Bundesministerium finanzierte ABC-Einheiten zum Einsatz bringt.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein, die Bundeswehr ist auf die internationalen Aufgaben vorbereitet. Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland erlaubt aber Amtshilfe; das wissen Sie ja. Das heißt, es kann in der Tat nach entsprechender Anforderung durch die Behörden der Länder an irgendeiner Stelle Amtshilfe geleistet werden. Nehmen wir einmal den Fall, es würde ein großes chemisches Unternehmen explodieren. Dann kann nach Anforderung Amtshilfe durch die Bundeswehr geleistet werden. Ansonsten ist es nicht die Aufgabe der Streitkräfte, die Lage im Innern abzusichern; sie haben andere Aufgaben. Das werden sie auch in der Zukunft nicht können; denn es gibt zu viele chemische Betriebe, zu viele Möglichkeiten, sich Verrücktheiten auszudenken, zu viele Kernkraftwerke und Ähnliches; das ist flächendeckend nicht möglich. Wenn aber ein größerer Störfall als Einzelfall auftritt, werden wir die Probleme, glaube ich, gemeinsam lösen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin. Die Fragen 32 und 33 des Kollegen Hans-Michael Goldmann und die Frage 34 des Kollegen Thomas Dörflinger aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum letzten Geschäftsbereich, dem des Auswärtigen Amtes. Die Fragen 37 und 38 des Kollegen Carsten Hübner werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 35 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zum derzeitigen Stand des Friedensprozesses in Kolumbien, insbesondere unter Berücksichtigung der Verhandlungen zwischen FARC ({0}) und ELN ({1}) mit der kolumbianischen Regierung?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, der Friedensprozess in Kolumbien durchläuft derzeit eine sehr schwierige Phase. Der Verhandlungsprozess mit den FARC ruht seit dem 7. Oktober. Die Regierung hatte sich am 5. Oktober in dem Abkommen von San Francisco mit den FARC zunächst auf die inhaltliche Fortsetzung des Verhandlungsprozesses geeinigt, einschließlich des Zieles eines allgemeinen Waffenstillstands und des Verzichts der FARC auf Massenentführungen, nicht aber auf Einzelentführungen. Am 7. Oktober verlängerte die Regierung die so genannte Verhandlungszone der FARC bis zum 20. Januar 2002. Zugleich verhängte Maßnahmen zur verstärkten Kontrolle des Zugangs zu der Zone haben die FARC jedoch am 17. Oktober veranlasst, die anstehenden Sitzungen des Verhandlungsprozesses zu boykottieren. Der Verhandlungsprozess mit dem ELN ist seit dem 19. April unterbrochen. Damals hatte der ELN den Verhandlungsprozess mit der Behauptung abgebrochen, die Regierung tue nicht genug, um die Paramilitärs in der vorgesehenen Verhandlungszone des ELN zu bekämpfen. Regierung und ELN gelang es in mehreren Treffen im Juni/Juli in Genf und in Venezuela nicht, diesen Dissens zu überbrücken. Als Folge erklärte auch die Regierung am 7. August ihrerseits den Verhandlungsprozess für suspendiert. Die Aussichten für die Fortsetzung des Friedensprozesses werden derzeit zurückhaltend eingeschätzt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, ich möchte Sie zu Anfang darum bitten, den Beamten Ihres Hauses, die sich, wie ich meine, sehr umsichtig, sensibel und erfolgreich für die Freilassung der beiden deutschen Geiseln, der von der FARC entführten Entwicklungshelfer, eingesetzt haben, herzlich zu danken, und zwar nicht nur im Namen meiner Fraktion, sondern sicherlich auch für einen größeren Kreis von Kolleginnen und Kollegen. Meinen Sie nicht, dass dieser Weg, sensibel, vernünftig und ruhig auf die Konfliktparteien einzuwirken, ein Weg ist, der zu Erfolgen im Friedensprozess führen kann, und dass hierin auch eine Chance für die deutsche Bundesregierung liegt?

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Ich bedanke mich für die anerkennenden Worte und gebe sie gern an die entsprechenden Beamten weiter. In der Tat ist es Politik der Bundesregierung - wie übrigens auch der anderen Europäer, mit denen wir in engem Austausch darüber stehen -, in erster Linie die Regierung Pastrana zu unterstützen, weil wir das Hauptproblem in Kolumbien darin sehen, dass der Staat als solcher zwar in der Hauptstadt Bogotá und in einzelnen anderen Städten und Regionen stark ist, aber nicht in der Fläche des gesamten Staates seine Wirksamkeit, auch als Gewaltmonopol, entfaltet. Gleichwohl unterstützen wir die Regierung Pastrana bei ihrem Versuch, über Gespräche und Verhandlungen mit den drei Guerillagruppen, ELN, FARC und Paramilitärs, zu einem Friedensprozess zu kommen. Das scheitert aber daran, dass - anders als die Regierung - diese drei Organisationen offensichtlich bis jetzt kein wirkliches Interesse an einem Friedensschluss hatten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Wäre die Bundesregierung bereit, ihre Erfahrungen mit dem von Ihnen geschilderten sensiblen Umgang an die Regierung der Vereinigten Staaten weiterzugeben und ihr zu empfehlen, ähnlich vorzugehen?

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Wir befinden uns mit den Vereinigten Staaten im Gespräch. Sie kennen den Plan Columbia, der von der amerikanischen Seite entwickelt worden ist, und auch die Stellungnahmen der Europäer dazu. Die Europäer haben parallel zu den amerikanischen Vorstellungen eigene Vorstellungen dazu entwickelt, wie man den Friedensprozess fördern kann und wie man insbesondere dann, wenn man die Drogenproduktion und den Drogenhandel zurückdrängen will - das muss man; das ist unser politisches Ziel -, gleichzeitig den Campesinos, den Bauern, andere Erwerbsquellen zur Verfügung stellen kann. Das wirkt sich etwa in unserer Entwicklungshilfe aus, die über einzelne Entwicklungsprojekte hinaus so etwas wie Regionalentwicklung, Gemeindeentwicklung, einschließlich des Aufbaus von Zivilgesellschaft und demokratischen staatlichen Strukturen zum Ziel hat.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Gehrcke auf: Sieht die Bundesregierung das Vorhaben der US-Regierung, für die Anführer der großen Guerillaorganisationen die Auslieferung zu einem Gerichtsverfahren wegen Terrorismus in den USA zu beantragen, als kontraproduktiv für den Friedensprozess in Kolumbien an ({0})?

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Herr Kollege Gehrcke, der Artikel in der „Berliner Zeitung“, nach dem Sie fragen, geht auf öffentliche Äußerungen der US-Botschafterin in Bogotá zurück, in denen sie auch auf eine Auslieferung von Mitgliedern der Guerillagruppen FARC und ELN sowie der diese bekämpfenden Paramilitärs, soweit ihnen eine Verstrickung in den Drogenhandel oder Geldwäschedelikte nachgewiesen werden können, Bezug nimmt. Bereits seit Anfang September, das heißt vor den Terroranschlägen vom 11. September, standen die drei genannten Gruppierungen auf der vom State Department geführten Liste ausländischer terroristischer Organisationen. Es handelt sich dabei um reguläre, nicht auf den kolumbianischen Friedensprozess zielende staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Straftäter, die sich nach US-Recht strafbar gemacht haben. Das kolumbianische Recht sieht die Möglichkeit der Auslieferung ins Ausland nach Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahren ausdrücklich vor. Ob ein Auslieferungsersuchen bezüglich einzelner Mitglieder dieser Organisation seitens der USA gestellt und wie darauf von kolumbianischer Seite reagiert wird, ist eine Frage der bilateralen Beziehungen zwischen den betroffenen Staaten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Eigentlich möchte ich Sie ja gerne fragen, ob Sie es in Anbetracht der sowieso vorhandenen internationalen Spannungen als diplomatisch geschickt erachten, eine solche Forderung via Presse an die kolumbianische Regierung zu richten. Da werden Sie sich aber sicherlich zurückziehen. Deswegen frage ich Sie, ob Sie nicht auch Sorge haben, dass die Antiterrordebatte und die Benennung terroristischer Strukturen und Länder nunmehr auf Lateinamerika übergreift und den schwierigen, von Ihnen geschilderten Friedensprozess nachhaltig stören kann.

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Wir haben ja zwei Problemkomplexe, einmal den Problemkomplex, wie man Terrorismus definiert, was insbesondere im Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen umfassenden Antiterrorismuskonvention der UNO zu klären sein wird. Der zweite Problemkomplex betrifft die Einstufung dieser drei Organisationen in Kolumbien, die nach amerikanischer Meinung Terrororganisationen sind und die übrigens auch nach unserer Meinung, nach Meinung der Bundesregierung, alles andere darstellen als das, was wir in den 70er- oder 80er-Jahren als legitime Emanzipations- und Befreiungsbewegung gefördert und unterstützt haben oder womit wir zumindest sympathisiert haben. Wir neigen ebenfalls dazu, ELN und FARC als verbrecherische Organisationen einzustufen, die vielleicht noch in ihren Begründungszusammenhängen eine gewisse soziale Bezugnahme mitschleppen, deren Ziele aber letztlich darauf gerichtet sind, territoriale Gewinne zu erzielen und sich über den Drogenhandel zu bereichern. Ich finde es - Herr Kollege Gehrcke, ich weiß, dass Sie oder Ihre Partei in ähnlicher Richtung diskutieren außerordentlich wichtig, dass die eher linken Kräfte Europas, die in der Vergangenheit Emanzipationsbewegungen in Lateinamerika unterstützt haben, ganz deutlich machen: ELN und FARC gehören nicht in diese Kategorie, sondern in die Kategorie Verbrecherorganisation.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Wir haben uns, soweit das in unseren Kräften stand, ebenfalls darum bemüht, einen Beitrag zur Freilassung der deutschen Geiseln zu leisten, wie Ihnen bekannt ist. Ich möchte abschließend daran die Frage knüpfen, wie hoch die Bundesregierung die Gefahr einschätzt, dass es über den bestehenden Bürgerkrieg hinaus in Kolumbien zu einer militärischen Intervention von außen kommen kann, die dann in der Gesamtregion - wobei Friedensprozesse auch in angrenzenden Ländern außerordentlich instabil sind - möglicherweise zu Verwerfungen führen wird.

Not found (Gast)

Zum einen sehen wir nicht, dass es bis zur Wahl in Kolumbien im nächsten Jahr noch zu Durchbrüchen kommen wird. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch nicht, dass im Moment konkrete Planungen zu einer Intervention im Gange sind. Ansonsten haben die Europäer, was diese militärische Ebene angeht, ihre Meinung deutlich gemacht. Wir sehen dort nicht so viel Nutzen wie unsere transatlantischen Partner.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Anspruch des Bundeskanzlers, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent senken zu wollen, angesichts der Wirklichkeit steigender Beiträge Ich sehe mit Befriedigung, dass wenigstens die Redner anwesend sind, und eröffne die Aussprache. Ich gebe das Wort dem Kollegen Horst Seehofer für die CDU/CSU-Fraktion.

Horst Seehofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002140, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil die schlechte Lage unserer Sozialversicherungszweige in Deutschland mittlerweile bedrohliche Ausmaße erreicht hat. In allen Bereichen - in der Krankenversicherung, in der Pflegeversicherung, in der Arbeitslosenversicherung, in der Rentenversicherung - ist jetzt, im Jahre 2001, die Lage der Sozialversicherung signifikant schlechter als vor drei Jahren. Dies ist nicht auf die Folgen der Ereignisse des 11. September zurückzuführen, sondern das ist das Ergebnis einer verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik in den letzten drei Jahren. ({0}) Wir werden Anfang 2002 in der Sozialversicherung eine gesamte Beitragsbelastung von über 41 Prozent haben. Dazu kommen Bundeszuschüsse zur Alters- und Arbeitslosenversicherung aus dem Bundeshaushalt in Höhe von rund 140 Milliarden DM. Wenn man diese 140 Milliarden DM in Beitragspunkte umrechnet, ({1}) dann kommt man zu dem Ergebnis, dass wir zur Finanzierung unserer Sozialversicherung jetzt eine effektive Belastung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber von annähernd 50 Prozent haben. ({2}) In den nächsten Jahren droht noch ein weiterer Beitragsund Ausgabenschub. Wir bewegen uns auf eine Beitragsbelastung von 55 Prozent zur Finanzierung unserer Sozialsysteme zu. ({3}) Das ist eine Besorgnis erregende Entwicklung, vor allem vor dem Hintergrund, dass die wirklichen Herausforderungen zur Finanzierung unserer Sozialsysteme noch vor uns liegen, nämlich die Probleme, die aus der Altersentwicklung unserer Bevölkerung erwachsen und die aus dem kostenintensiven Fortschritt in der Medizin und der Pflege entstehen. Ursache für diese Entwicklung ist eine Kette von Fehlentscheidungen, die die Bundesregierung zu verantworten hat, insbesondere die beiden federführenden Minister Riester und Ulla Schmidt. Die Fehlerkette begann erstens damit, dass man nach der Bundestagswahl 1998 Reformen der Regierung Kohl zurückgenommen und damit eine massive finanzielle Belastung der Sozialversicherung ausgelöst hat. Der zweite Grund ist eine Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung Schröder, die in der Bundesrepublik Deutschland - das zeigen die Arbeitslosenzahlen des gestrigen Tages in den letzten drei Jahren Beschäftigung nicht geschaffen, sondern vernichtet hat. ({4}) Das hat ebenfalls negative Auswirkungen auf die Finanzen der Sozialversicherung, und zwar auf der Einnahmenwie auf der Ausgabenseite. Der dritte Punkt in dieser Kette von Fehlentscheidungen sind die angeblichen Strukturreformen in der Sozialversicherung, die entweder unterblieben sind oder schlampig gemacht wurden. Man kann heute, nach drei Jahren rot-grüner Reformpolitik, sagen, dass ständige unrealistische und geschönte Prognosen, die mit der Realität nicht im Einklang stehen, ({5}) eine bürokratische Regelungswut und in diesen Tagen und Wochen eine unglaubliche Zahl von Tricksereien Kennzeichen und Inbegriff rot-grüner Reformpolitik geworden sind. ({6}) Meine Damen und Herren, diese Regierung steht vor einem sozialpolitischen Scherbenhaufen. ({7}) Die verantwortlichen Minister Riester und Schmidt haben das Vertrauen der Bevölkerung in die sozialen Sicherungssysteme massiv beschädigt. ({8}) Die Arbeitslosigkeit ist unvermindert hoch. Die Finanzen der Arbeitslosenversicherung laufen aus dem Ruder. Es gibt niemanden, der nicht zu dem Ergebnis käme, dass die deutsche Arbeitsmarktpolitik in hohem Maße ineffizient ist und dass wir Milliarden ausgeben mit wenig Ertrag. Die Krankenversicherung steht vor dem finanziellen Ruin. Ich kenne kein Jahr in den letzten 40 Jahren, in dem so viele Negativergebnisse - schlechtere Qualität plus höhere Beiträge - in einer Sozialversicherung erreicht wurden. Die finanziellen Reserven der Pflegeversicherung werden aufgezehrt. Die Rentenreform ist bereits vor ihrem In-Kraft-Treten reine Makulatur. ({9}) Wir haben es deshalb bei den beiden federführenden Ministern mit Kurpfuschern im reinsten Sinne des Wortes zu tun. ({10}) Sie haben mit Fehlentscheidungen die Sozialversicherung in die Krise gestürzt und versuchen nun mit falschen Rezepten, die Sozialversicherung aus dieser Krise zu führen. Der Sozialminister und die Gesundheitsministerin haben dazu beigetragen, dass aus dem Aushängeschild des deutschen Sozialstaats, unserer Sozialversicherung, ein riesiges Problemkind geworden ist. ({11})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, dem Kollegen Gerd Andres.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es außerordentlich pikant, dass ausgerechnet Herr Kollege Seehofer diese Debatte eröffnet. ({0}) Ihm müsste eigentlich die Schamröte ins Gesicht steigen. ({1}) Während Ihrer Mitgliedschaft in einer Bundesregierung als Parlamentarischer Staatssekretär und als Gesundheitsminister stiegen die gesetzlich definierten Lohnnebenkosten um sage und schreibe 6,2 Prozentpunkte an. Schämen Sie sich für das, was Sie hier erzählt haben! ({2}) Wir wollen hier Tacheles reden. In Ihrer Zeit als Gesundheitsminister stieg der Krankenversicherungsbeitrag von 12,5 auf 13,6 Prozent an. Schämen Sie sich für das, was Sie hier gesagt haben! Sie reden hier von Murks. Wir haben ein paar Urteile kassiert, die mit dem Murks zu tun haben, den Sie als Regierungsmitglied in der Zeit von 1989 bis 1998 angerichtet haben - damit Sie wissen, worüber wir reden. ({3}) - „Jetzt zur Sache“? Das gehörte schon zur Sache. Das kann ich handfest sagen. Wir haben nämlich den Schrott von Ihnen übernommen - damit Sie das genau wissen, Herr Seehofer. ({4}) Die neue Bundesregierung wird dafür sorgen, dass die Sozialabgaben gesenkt werden. ({5}) Die Entlastung der Arbeit durch eine Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten ist ein Eckpfeiler unserer Politik für neue Arbeitsplätze. ({6}) Dazu werden wir zum einen Strukturreformen durchführen, um die Zielgenauigkeit und Wirtschaftlichkeit der sozialen Sicherungssysteme zu verbessern. ({7}) Zum anderen werden wir die gesetzlichen Lohnnebenkosten im Rahmen einer ökologischen Steuerund Abgabenreform senken. ({8}) Wir werden die Sozialversicherungsbeiträge von heute - gut zuhören, Herr Seehofer! 42,3 Prozent des Bruttolohns durch die Einnahmen aus der ökologischen Steuerreform auf unter 40 Prozent senken. Das entlastet Beschäftigte und Unternehmen. Alles, was ich jetzt vorgetragen habe, war ein Zitat aus der Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wieder einmal so weit: Man ist uneins mit sich selbst, dieses Mal über die Kanzlerkandidatur. ({9}) Also muss der kleinste gemeinsame Nenner herhalten: der Angriff auf den Bundeskanzler und die Bundesregierung. ({10}) Nun kann man die Bundesregierung für alles Mögliche verantwortlich machen, meinetwegen auch für das Wetter heute. Doch sollte man vorsichtig sein, dass man dabei als Opposition kein klassisches Eigentor schießt, wie Sie es bei den so genannten Lohnnebenkosten tun. Herr Seehofer, hören Sie gut zu! Schon Ihre Formulierung des Themas dieser Aktuellen Stunde ist Unsinn. Ich werde Ihnen jetzt auch sagen, warum sie Unsinn ist. Das Ziel der Bundesregierung, die Sozialversicherungsbeiträge - darum geht es und nur die können gemeint sein - auf unter 40 Prozent zu senken, wurde in der Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen festgelegt. ({11}) Dieses quantitative Ziel bezieht sich allerdings nur auf Beitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherung, also der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Hierbei werden die Beitragssätze sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer berücksichtigt. ({12}) Deshalb ist das Thema dieser Aktuellen Stunde schon falsch formuliert. Es geht nicht darum, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent zu senken. Wer sich in der Materie auskennt, weiß, dass dies völliger Blödsinn ist. ({13}) Vielmehr geht es darum, durch eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40 Prozent auch die Lohnnebenkosten zu verringern. ({14}) Dies ist etwas ganz anderes. ({15}) Ich gratuliere Ihnen als ehemaligem Minister ganz herzlich. Herzlichen Glückwunsch! Sie können nicht einmal das Thema einer Aktuellen Stunde korrekt formulieren. ({16}) Deshalb ein paar Fakten, um die Sachverhalte einmal klarzustellen. Zu mehr als der Hälfte beruhen die Lohnnebenkosten bzw. die Personalnebenkosten, wie es in der amtlichen Statistik heißt, auf tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen. Darauf hat die Bundesregierung keinen Einfluss. Worauf die Bundesregierung Einfluss hat, sind die gesetzlichen Lohnnebenkosten. Nur hierauf könnte sich ein quantitatives Ziel beziehen. Die gesetzlichen Personalnebenkosten betrugen im westdeutschen verarbeitenden Gewerbe im Jahre 2000 rund 37,4 Prozent des Direktentgeltes für geleistete Arbeit. Im ostdeutschen verarbeitenden Gewerbe waren es rund 37,8 Prozent. Damit es klar ist: Das sind Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft. Die können Sie dort nachlesen - damit uns die Damen und Herren der Opposition nicht wieder voreilig vorwerfen, wir würden Zahlen manipulieren. ({17}) Sie sehen also: Das Ziel von 40 Prozent kann sich gar nicht auf die Personalnebenkosten beziehen. Welchen Sinn würde eine politische Zielmarke machen, die längst erreicht ist? Bei den gesetzlichen Personalnebenkosten entfallen wiederum nur drei Viertel auf die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber. Gerade wegen des Gewichts der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung an den gesetzlichen Personalnebenkosten konzentriert sich die Politik der Bundesregierung auf die Beitragssätze zur Sozialversicherung. Bei den Beitragssätzen zur Sozialversicherung macht eine Zielmarke von 40 Prozent Sinn. So steht es auch in der Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen. Blicken wir zurück: Die konservativ-liberale Bundesregierung verfolgte nach eigenem Bekunden über die gesamte Regierungszeit hinweg ebenfalls das Ziel, die gesetzlichen Personalnebenkosten möglichst zu vermindern, sie zumindest nicht weiter steigen zu lassen. ({18}) Die Realität sah leider anders aus. Dazu habe ich schon ein paar Sätze gesagt. Ich habe den Eindruck, Sie haben das alles schon vergessen. In der praktischen Politik hat die damalige Bundesregierung nämlich genau das Gegenteil gemacht. 1982 betrugen die Beitragssätze zur Sozialversicherung noch 34 Prozent. ({19}) 1998 waren es über 42 Prozent. Das war ein historischer Höchstwert, der uns hinterlassen wurde. Nicht alles an dieser Entwicklung ist der damaligen Regierung anzulasten, aber immerhin einiges. So wurden zum Beispiel die sozialen Lasten der deutschen Wiedervereinigung überwiegend über die Sozialversicherungssysteme finanziert, was wesentlich zum Anstieg der Beitragssätze beitrug. Der Finanztransfer von West nach Ost im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit betrug einschließlich des Bundeszuschusses für die BA allein 1998 rund 46 Milliarden DM. Selbst wenn der Bundeszuschuss für die Bundesanstalt herausgerechnet würde, verbliebe durch die Beitragszahler ein Finanztransfer von immerhin rund 38 Milliarden DM. Dies entsprach rund 2 bis 3 Prozentpunkten des Gesamtbeitragssatzes zur Sozialversicherung. Ein Eckpfeiler der Politik der jetzigen Bundesregierung war und ist auch weiterhin die Entlastung des Faktors Arbeit durch eine Senkung der gesetzlichen Personalnebenkosten. ({20}) Dazu wurden und werden zum einen Strukturreformen durchgeführt, um die Zielgenauigkeit und Wirtschaftlichkeit der sozialen Sicherungssysteme zu verbessern. Die Rentenreform als herausragendes Beispiel oder das heute im Ausschuss beratene „Job-Aqtiv-Gesetz“ seien in diesem Zusammenhang erwähnt. Zum anderen wurden und werden die gesetzlichen Personalnebenkosten im Rahmen einer ökologischen Steuer- und Abgabenreform gesenkt. Hierfür wurde als erster Schritt zum 1. April 1999 der Beitragssatz zur Rentenversicherung um 0,8 Prozentpunkte gesenkt. Zu Beginn der Jahre 2000 und 2001 wurde der Beitragssatz um weitere 0,4 Prozentpunkte reduziert. Der gesamte Beitragssatz zu den sozialen Sicherungssystemen ist dadurch von seinem westdeutschen Rekordstand in Höhe von über 42 Prozent auf 40,9 Prozent gesunken. Ich stelle fest: Die richtigen Schritte wurden gemacht. ({21}) Ziel der Bundesregierung ist es weiterhin, die Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40 Prozent zu senken. Hier sollten keine Missverständnisse aufkommen. Ich sage Ihnen: Wir haben, gemessen an dem, was Sie uns hinterlassen haben, schon Wesentliches erreicht. Wir werden im Rahmen der Möglichkeiten weiter daran arbeiten, die Sozialversicherungsbeiträge zu senken. ({22}) Ich denke, hierzu ist es notwendig, dass wir zu einer entsprechenden wirtschaftlichen Erholung kommen. Es ist unbestreitbar, dass es gegenwärtig Beschäftigungsprobleme gibt. Sie hängen mit der Konjunktur und nicht mit den Ereignissen vom 11. September dieses Jahres zusammen. ({23}) - Herr Seehofer, das wissen wir selber. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Erkenntnis. Die konjunkturelle Abschwächung in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern setzte zu Beginn dieses Jahres, nicht am 11. September ein. ({24}) Wir müssen abwarten, wie sich die Folgen des 11. September weiterentwickeln. Wir werden weiter an der Senkung der Beitragssätze arbeiten. Ich denke, wir haben gute Erfolge erreicht. Schönen Dank. ({25})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Dr. Heinrich Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So viel Leichtigkeit des Versprechens wie im Oktober 1998 war nie. Ich finde es recht dreist, Herr Staatssekretär, dass Sie sich trauen, aus der Koalitionsvereinbarung von damals zu zitieren. Ich darf das wiederholen. Es hieß im Oktober 1998: Die neue Bundesregierung wird dafür sorgen, dass die Sozialabgaben gesenkt werden. Die Entlastung der Arbeit durch eine Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten ist ein Eckpfeiler unserer Politik für neue Arbeitsplätze. ({0}) Herr Staatssekretär, ich finde, es ist ziemlich blamabel, wenn Sie sich hier auf Rabulistik beschränken. In dem Antrag, eine Aktuellen Stunde durchzuführen, ist zugegebenermaßen von Lohnnebenkosten die Rede. Das ist genau der Begriff, den Sie auch in Ihrer Koalitionsvereinbarung verwendet haben; dort heißt es - wenn es darum geht, fügen Sie „gesetzlich“ hinzu - „gesetzliche Lohnnebenkosten“. Stellen Sie sich der Diskussion! ({1}) Jetzt wollen wir sehen, was aus der beabsichtigten Senkung der Lohnnebenkosten geworden ist. Im Oktober 1998 betrugen die Lohnnebenkosten deutlich unter 40 Prozent. Eine Grafik aus dem „Spiegel“, die auf eine Schätzung des Finanzwissenschaftlers und Wirtschaftsweisen Professor Rürup zurückgeht, zeigt, dass für 2002 die Prognosen für die Sozialabgaben pro 100 DM Bruttoarbeitslohn bei 41,20 DM liegen. Das sind - Prozentrechnung, Herr Staatssekretär - 41,2 Prozent. Das ist der Stand, der sich nach der Einschätzung Ihres Wirtschaftsweisen Professor Rürup ergibt. Das heißt: Sie sind mit Ihren großspurigen Ankündigungen vom Oktober 1998 gescheitert. ({2}) Sie sind auch gescheitert, weil Sie es versäumt haben, Ihren Worten Taten folgen zu lassen und Ihre Hausaufgaben zu machen. Papier ist geduldig, aber Probleme kann man damit nicht lösen. Deswegen, Herr Staatssekretär, zum Mitschreiben: Man kann auf drei Arten Beitragssätze senken, und zwar zunächst einmal, indem man den Kreis der Beitragszahler erweitert. Hierzu muss man sagen, dass Sie mit Ihren so genannten Strukturreformen für den Arbeitsmarkt alles andere als günstige Rahmenbedingungen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze gesetzt haben. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Regelungen zu den 630-DM-Verträgen, der Scheinselbstständigkeit, die Erschwerung befristeter Arbeitsverhältnisse, den Anspruch auf Teilzeitarbeit und die restriktiven Schwellenwerte im Betriebsverfassungsgesetz. Das alles führt dazu, dass keine neuen Arbeitsplätze entstehen werden. ({3}) - Die negativen Wirkungen sind uns heute morgen im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung von der Bundesregierung vorgetragen worden. ({4}) Wir haben gehört, dass der interministerielle Arbeitskreis gesamtwirtschaftliche Schätzungen am 25. Oktober festgestellt hat - nehmen Sie das bitte zur Kenntnis -: Im Jahresdurchschnitt 2002 werden wir 3,9 Millionen Arbeitslose haben. ({5}) Ich betone: im Jahresdurchschnitt. Das bedeutet, in einer Reihe von Monaten des nächsten Jahres wird die Arbeitslosenzahl weit über 4 Millionen liegen. Das ist eine Bankrotterklärung Ihrer Politik. ({6}) - Schlimm genug, dass Sie das nicht erkennen. Sie haben aber auch versäumt, als zweite Möglichkeit zur Beitragssenkung Kosteneinsparungen vorzunehmen. Das gilt sowohl - Kollege Seehofer hat das deutlich gemacht - für die Rentenreform, die ihren Namen nicht verdient und die im günstigsten Fall eine Haltbarkeitsdauer von zwei Jahren hat - wobei ich befürchte, dass wir uns schon vorher mit einer neuen Rentenreform beschäftigen werden müssen -, als auch für die Krankenversicherung. Wir werden uns am Freitag mit Ihren Vorschlägen zum Risikostrukturausgleich zu befassen haben. Ich kann nur sagen: Die Richtung, in die Sie steuern, macht den Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenkasse zu einer Farce und bereitet den Weg zu einer Einheitskasse. ({7}) Die Krankenkassen werden zukünftig ihre Energien auf das Aufspüren von Subventionstöpfen lenken ({8}) und nicht auf die Verbesserung der Versorgung oder das Aufdecken von Wirtschaftlichkeitsreserven, um damit die Beiträge zu senken. Ich finde, der größte Skandal - man muss sich anhören, wie das 1998 klang - ist, dass es in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers hieß, die Einnahmen aus der Energiesteuer würden nur zur Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten verwendet; er hat das damals als Kernpunkt bezeichnet. ({9}) Auch der Finanzminister sagt: Wir müssen die Lohnnebenkosten senken, wenn wir Chancen für Arbeit schaffen wollen. Sie haben es aber nicht getan. Wir werden im Jahre 2002 Einnahmen aus der Ökosteuer - Quelle: Bundesministerium der Finanzen - von 28 Milliarden DM haben. Das heißt, der Beitrag müsste eigentlich auf 18,6 Prozent gesenkt werden. ({10}) Heute Morgen haben wir im Ausschuss gehört, dass er nächstes Jahr bei 19,1 Prozent liegen wird. Auch diesen Beitragssatz erreichen Sie nur durch einen Kunstgriff, indem Sie sich durch die Neubestimmung der Schwankungsreserve der Peinlichkeit entziehen, eine Beitragserhöhung um 0,3 Prozentpunkte auf dann 19,4 Prozent beschließen zu müssen. ({11}) Das, meine Damen und Herren von der Koalition, macht deutlich: Sie sind mit Ihrem Ansatz gescheitert. Der Bundeskanzler hat gesagt: „Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken, haben wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden.“ Da kann ich nur sagen: Treten Sie ab! Vielen Dank. ({12})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen spricht die Kollegin Dr. Thea Dückert.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eigentlich schade, dass über ein beschäftigungspolitisch so wichtiges Thema wie die Senkung der Sozialabgaben zum hundertsten Mal rückwärts gewandt diskutiert wird. ({0}) Richtig ist - das ist allerdings noch nicht einmal im Titel der Aktuellen Stunde korrekt aufgegriffen worden -, dass sich nicht nur der Bundeskanzler, sondern auch die Koalition, auch der grüne Koalitionspartner, vorgenommen hat, in dieser Legislaturperiode den Anteil der Sozialabgaben auf unter 40 Prozent zu senken. ({1}) Wir haben uns das zum Ziel gesetzt - Herr Kolb, ich kann hier nur das wiederholen, was Sie gesagt haben -, weil für uns die Sozialabgaben in der Tat ein wichtiger Eckpfeiler für die Entwicklung der Beschäftigung und des Arbeitsmarktes sind. ({2}) Die Senkung der Sozialabgaben ist gerade wichtig für gering Qualifizierte, die nur über kleine Einkommen verfügen. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen - Sie haben sich in den letzten zehn Jahren nur als Steuer- und Beitragssatzsteigerer geriert - bereits in den letzten zwei Jahren Steuern, Beiträge und Sozialabgaben gesenkt. ({3}) Die Aussage von Herrn Seehofer, dass vor drei Jahren alles besser gewesen sei, ist falsch. Vor drei Jahren waren der Eingangsteuersatz und der Spitzensteuersatz höher als jetzt. Wir haben den Eingangsteuersatz gesenkt. Vor drei Jahren waren die Sozialabgaben wesentlich höher, und zwar in allen Bereichen. ({4}) - Sie rufen: Wo denn? Ich kann Ihnen die Zahlen vortragen: 1990 lag der Anteil der Sozialabgaben bei 35,8 Prozent. 1998 lag dieser Anteil bei 42,1 Prozent. ({5}) Ich weiß nicht, was Sie rechnen. Für mich ist das allerdings eine Steigerung des Anteils der Sozialabgaben um 6,3 Prozentpunkte. Der aktuelle Anteil der Sozialabgaben liegt bei 40,9 Prozent. Das ist im Vergleich zu 1998 eine deutliche Senkung. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worüber Sie reden. Möglicherweise schlägt sich die Tatsache, dass Sie in der Opposition sitzen, auf Ihr Gedächtnis nieder. In der Zeit, in der Sie die Sozialabgaben hochgefahren haben, haben Sie gleichzeitig die Mehrwertsteuer erhöht, um den Beitragssatz in der Rentenversicherung bei 20,3 Prozent zu stabilisieren. Heute liegt dieser Beitragssatz bei 19,1 Prozent. Das ist die Realität. Ich finde es schade, dass Sie bei einer solch wichtigen Diskussion über die Senkung der Lohnnebenkosten und der Sozialabgaben mit falschen Daten aus der Vergangenheit aufwarten. Es wird aber noch schlimmer. Ausgerechnet Sie, die das alles in der Vergangenheit zu verantworten hatten, wollen sich nun zum Ratgeber machen, und zwar mit Vorschlägen, die genauso untauglich sind wie das, was Sie in der Vergangenheit vorgeschlagen haben. Sie schlagen zum Beispiel die Abschaffung der Ökosteuer vor. ({6}) Was würde das denn bedeuten? Das würde bedeuten, dass zum Beispiel der Beitragssatz in der Rentenversicherung um mindestens 1 Prozentpunkt steigen müsste. Das wäre eine weitere Steigerung der Sozialabgaben und der Rentenbeiträge. Genau das wollen wir vermeiden. ({7}) Sie haben den Vorschlag, den der Minister in die Debatte eingebracht hat - darüber wird in der Sitzung des Bundestages am kommenden Freitag und im Ausschuss noch diskutiert werden -, abgelehnt, die Schwankungsreserve dafür zu nutzen, wofür sie da ist, nämlich Schwankungen bei den Beitragssätzen in der Rentenversicherung, die in diesem Jahr konjunkturell bedingt auftreten werden, abzufedern. Wenn wir auf Ihren Vorschlag, die Schwankungsreserve unangetastet zu lassen, eingehen würden, dann hätten wir eine weitere Steigerung des Beitragssatzes zu verantworten. ({8}) Das wollen wir nicht. Deswegen wollen wir Sie auch nicht als Ratgeber. Wir wollen zum Beispiel Herrn Rürup - Sie haben seinen Namen schon genannt - als Ratgeber. Herr Rürup hat uns nachvollziehbar vorgerechnet, dass mithilfe der Schwankungsreserve der Beitragssatz in der Rentenversicherung im nächsten Jahr bei 19,0 Prozent liegen könnte. Das wäre eine Senkung. ({9}) Wir werden diese Debatte führen. Zu diesem Thema wird es auch Anhörungen geben. Das ist also ein Ziel, das wir weiterhin anstreben. Ob es dann wirklich zu erreichen ist, werden wir sehen. ({10}) Unter dem Strich: Sie hatten in der Vergangenheit Beitragssteigerungen und eine höhere Arbeitslosigkeit zu verantworten ({11}) und Sie schlagen jetzt verantwortungslose Konzepte für die Zukunft vor, die wieder zu genau dem führen würden, was Sie uns hinterlassen haben, nämlich Beitragssteigerungen. ({12}) Meine Damen und Herren, zu Beitragssteigerungen werden wir es nicht kommen lassen. ({13}) Wir werden jeden Spielraum aufspüren und ausnutzen, ({14}) übrigens auch in der Arbeitslosenversicherung, um weiterhin den Pfad zu gehen, den wir eingeschlagen haben, ({15}) nämlich die Beiträge zu senken. Danke schön. ({16})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort der Kollegin Dr. Heidi Knake-Werner für die PDS-Fraktion.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Häme und Panikmache, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und von der FDP, sind genauso wenig angebracht ({0}) wie die Verkündung froher Botschaften, Herr Staatssekretär, angesichts der ausgesprochen schwierigen sozialen Lage. Wenn die rot-grüne Bundesregierung es nicht schafft, bis zum Wahltag ihr Wahlversprechen einzulösen, ({1}) nämlich die Sozialversicherungsbeiträge nachhaltig zu senken, dann kann das, finde ich, niemanden in diesem Hause wirklich freuen. Dahinter verbirgt sich nämlich ein Wust an falschen politischen und finanziellen Weichenstellungen, deren Folgen in der Regel die abhängig Beschäftigten und diejenigen auszubaden haben, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Nun kann man der Bundesregierung nicht vorwerfen, dass sie nicht versucht hätte, die gesetzlichen Lohnnebenkosten zu senken - sozusagen als Morgengabe an die Unternehmer. Mehr Arbeitsplätze sollte es bringen. Leider Fehlanzeige, wie uns inzwischen Monat für Monat von der Bundesanstalt bescheinigt wird. Dass Sie heute im Ausschuss Ihre Angaben auf durchschnittlich 3,89 Millionen Arbeitslose im Jahr 2002 korrigieren mussten, ist doch hochgradig dramatisch. Ich kann nicht begreifen, warum Sie das schönreden. Ebenso schlimm ist, dass die bisherige Senkung der Lohnnebenkosten nur erreicht werden konnte erstens um den Preis einer Ökosteuer, die mit ökologischer Umsteuerung nichts, aber auch gar nichts zu tun hat - ausdrücklich nicht! -, und zweitens um den Preis einer Rentenreform, die die Rente weder sichert noch armutsfest macht, was wir auch scharf kritisiert haben. ({2}) Wir wissen heute, dass dies alles nicht ausgereicht hat, um die Stabilität der Beitragssätze in der Sozialversicherung zu garantieren, wie Sie es gern hätten. Die aktuelle Debatte um die Kürzung der Beitragsrücklagen der Rentenversicherung und um die Beiträge zur Krankenversicherung verunsichert tief und untergräbt das Vertrauen in die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme weiter. Dass Sie von der CDU/CSU genau diese Verunsicherung der Rentnerinnen und Rentner auch noch bedienen, ist alles andere als ein politisches Glanzstück. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die spannende Frage ist doch, warum die Regierung es nicht schafft, ihr Wahlversprechen einzulösen. Hierfür sind aus meiner Sicht zwei Gründe ausschlaggebend. Erstens hat es diese Regierung nicht vermocht, die Arbeitslosigkeit nachhaltig abzubauen ({4}) und einen Abbau der Arbeitslosigkeit hinzubekommen, der begleitet ist von einem stärkeren Zuwachs bei der Erwerbstätigkeit und - das ist der Knackpunkt - gleichzeitig auch bei der beitragspflichtigen Erwerbstätigkeit. ({5}) Niedriglohnjobs - das sage ich in Richtung der Bündnisgrünen - helfen in dieser Situation gar nichts. Zweitens hat die Regierung den vorhandenen Reformbedarf auf der Einnahmeseite verkannt. Auch das haben wir schon lange kritisiert. Die Einnahmen der Sozialversicherung lassen sich eben nicht allein über die Ausweitung der Beschäftigung und den Abbau der Arbeitslosigkeit konsolidieren. Seit nahezu 20 Jahren erleben wir, dass die Beschäftigung dem Wirtschaftswachstum hinterherhinkt und dass die Bruttolohnsumme im Durchschnitt wesentlich langsamer steigt als die Produktivität und die volkswirtschaftliche Wertschöpfung. Deshalb schlägt die PDS schon seit langem vor, für einen Mechanismus zu sorgen, der die Einnahmen der Sozialversicherung stärker an die Produktivität und an die Wertschöpfung koppelt. Wir - einige aus Ihren Reihen sehen das genauso - halten eine Wertschöpfungsabgabe für eine geeignete Möglichkeit. Vielleicht gibt es auch andere Vorschläge. Fakt ist jedenfalls: Es muss eine Regelung geben, um eine langfristig wirksame Stabilisierung der Einnahmen der Sozialversicherung zu gewährleisten. ({6}) Die im DAX vertretenen großen Unternehmen kündigen in der „Wirtschaftswoche“ für das Jahr 2002 an, 80 000 Stellen zu streichen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag geht noch weiter und spricht von 200 000 bis 240 000 Stellenstreichungen. Ein Abbau von Arbeitsplätzen in dieser Größenordnung bedeutet für die Sozialversicherungssysteme immense Einnahmeverluste - das wissen Sie - und zusätzliche Kosten für die Bundesanstalt für Arbeit. Diese Mehrbelastungen müssen die verbleibenden Beschäftigten und die Unternehmen zahlen. Seit der Rentenreform wissen wir, dass die Beschäftigten dadurch sehr viel nachdrücklicher belastet werden. Das ist und bleibt sozial ungerecht. Auf der anderen Seite kündigen genau diese Großunternehmen für das kommende Jahr trotz zurückgehender Beschäftigung keine Wertschöpfungsverluste an. Mit anderen Worten: Diese Unternehmen sanieren ihre Bilanz auf Kosten der Allgemeinheit und insbesondere auf Kosten der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das Bruttosozialprodukt nimmt zu, die Volkswirtschaft wächst, aber die Sozialversicherungen werden ärmer.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin, Sie haben Ihre Redezeit schon längst überzogen.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Das ist ein Teufelskreis, der mit neuen Antworten und nicht mit alten Hüten, also mit Vorschlägen aus der Mottenkiste, durchbrochen werden muss. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht die Kollegin Dagmar Wöhrl.

Dagmar G. Wöhrl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002829, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor kurzem wurde ein Regierungsbeamter in der Presse mit den Worten zitiert: Das Kanzleramt brennt schon im Erdgeschoss; nur oben haben sie es noch nicht gemerkt. ({0}) Ich denke, dass Sie das schon gemerkt haben, denn man versucht zu „löschen“. Aber Sie legen dabei allenfalls eine gewisse hilflose Hektik an den Tag. Die Bundestagswahl ist in elf Monaten. ({1}) Was hat der Kanzler vorzuweisen? Das Wirtschaftswachstum befindet sich im Sturzflug, die Lohnnebenkosten explodieren auf bald über 41 Prozent ({2}) und vor den Arbeitsämtern steht bald eine 4-MillionenArbeitslosen-Schlange. Wo ist Ihre soziale Romantik geblieben? Herr Schröder hat geschworen, die Arbeitslosenzahlen unter 3,5 Millionen zu drücken und die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent zu senken. Diese großspurigen Versprechungen sind geplatzt wie Seifenblasen. ({3}) Die Institute sprechen inzwischen von einem Wirtschaftswachstum von nur noch 0,7 Prozent. Selbst diese kleinlaute Prognose ist vielen Ökonomen immer noch viel zu optimistisch. Das Einzige, was zurzeit wirklich steigt, sind leider die Arbeitslosenzahlen. ({4}) Deutschland hat keinen Konjunkturschwächeanfall, sondern ein langfristiges Wachstumsproblem, das Sie ausgelöst haben. Dafür ist nicht der 11. September verantwortlich, wie Sie uns glauben machen wollen. Die Talfahrt hat schon vorher begonnen. Das wissen Sie auch. ({5}) Wenn die Wirtschaft kaum noch wächst und die Zahl der Arbeitslosen steigt, gehen natürlich auch die Lohnnebenkosten in die Höhe. Dies verteuert die Arbeit und dadurch steigen die Arbeitslosenzahlen wiederum. So geraten wir in eine Spirale, aus der man nicht mehr herauskommt. ({6}) Dramatische Konsequenz ist der Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge. Das Schlimmste ist, dass unter Ihrer Regierung kein Ende der Abwärtsspirale in Sicht ist. ({7}) - Der ist zwar ganz ruhig; aber der kommt schon noch, keine Sorge. Den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 6,5 Prozent zu senken hat sich genauso als Illusion erwiesen wie Ihr Glaube, dass Sie mit Ihrer Politik die Krankenversicherungsbeiträge stabil halten können. Wir haben inzwischen ein Gesundheitswesen, das aufgrund Ihrer Politik wirklich akut erkrankt ist und das auch Frau Ministerin Schmidt nicht wird gesundbeten können. Auch die drohenden 14 Prozent Krankenversicherungsbeitrag wird sie nicht „weglächeln“ können. Es rächt sich - das wissen Sie auch -, dass Sie Fehler gemacht haben. ({8}) Der erste große Fehler war die Rücknahme unserer Reformen, der nächste Fehler war der Slalomkurs, den Sie aufgrund Ihrer Konzeptionslosigkeit in der Gesundheitspolitik fahren. Nun schauen Sie sich die Rentenversicherung an. Deren Lage ist genauso desolat. Riester muss jetzt schon in die Trickkiste greifen und Geld aus der gesetzlich vorgeschriebenen Schwankungsreserve locker machen. Was macht er damit? Er geht an die Notgroschen der Rentner, um diese Misere bewältigen zu können. ({9}) Was ist aus Ihrem Versprechen geworden, die Rentenversicherungsbeiträge mithilfe der Einnahmen aus der Ökosteuer auf 18,8 Prozent zu senken? ({10}) Wo sind denn Ihre weitreichenden Strukturreformen in dem Bereich, um langfristig den Generationenvertrag abzusichern? ({11}) Meine Damen und Herren, Sie kennen bestimmt den wunderschönen Song: „Parole, parole, parole“. Er passt wunderbar auf Ihre Politik. ({12}) Schon jetzt ist die Belastung durch Steuern und Abgaben unerträglich. Von jeder Mark bleiben unseren Bürgern nur noch 45 Pfennig in der Tasche, der Rest geht für Steuern und Sozialabgaben an den Staat drauf. Das Schlimmste dabei ist, dass wir im internationalen Wettbewerb ganz hinten stehen. ({13}) Ich meine im internationalen Vergleich, nicht nur im europäischen. Schauen Sie sich die neue Studie des IMD in Lausanne an, die kürzlich herausgekommen ist. Dort landet Deutschland bei den Sozialversicherungsbeiträgen abgeschlagen auf Platz 46 von 49 Ländern. ({14}) Das ist eine Schande, das ist blamabel für unser Land. Die größten Defizite werden von den IMD-Ökonomen bei den deutschen Arbeitsmarktregeln gesehen: zu starr, zu bürokratisch und zu kostspielig. ({15}) Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass wir eine Jobkrise in Deutschland haben. Sie ist hausgemacht. Wir haben einen sklerotischen Arbeitsmarkt, der nicht flexibilisiert wird. Sie schaffen es nicht, stärkere Anreize für die Arbeitsaufnahme zu schaffen und einen Niedriglohnsektor einzurichten. Ihre Sündenliste ist immens lang. Ich will jetzt nicht alles aufzählen: 630-Mark-Gesetz, Teilzeit, Betriebsverfassungsgesetz usw. ({16}) Man muss es wirklich wiederholen, damit man sieht, was Sie alles auf den Weg gebracht haben. Ihr Minister Eichel benutzt die Bundesanstalt für Arbeit als politische Manövriermasse. ({17}) Öffentliche Infrastrukturmaßnahmen werden inzwischen aus den Beiträgen für die Arbeitslosenversicherung bezahlt, und das Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit, das eigentlich aus dem Bundeshaushalt finanziert werden muss, lassen Sie von der Bundesanstalt für Arbeit bezahlen, obwohl es sich hierbei um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handelt. ({18}) Dafür dürfen nicht die Beiträge der Versicherten benutzt werden. ({19}) Sie verlagern Milliardenlasten auf die Bundesanstalt für Arbeit, obwohl diese Aufgaben aus dem Bundeshaushalt und nicht mit den Beiträgen der Arbeitnehmer zu bezahlen sind, Herr Kollege Schösser. ({20})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Wöhrl, auch Sie müssen zum Schluss kommen.

Dagmar G. Wöhrl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002829, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie meiden unpopuläre Maßnahmen, obwohl Sie genau wissen, dass sie notwendig werden. Zwischendurch legen Sie kurzatmigen Aktionismus an den Tag. ({0}) Genau das ist aber der Königsweg in eine wirtschaftliche und soziale Sackgasse. Vielen Dank. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort dem Kollegen Thomas Sauer; er spricht für die SPDFraktion. ({0})

Thomas Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003215, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über die Entwicklung der Beitragssätze in den sozialen Sicherungssystemen diskutieren, dann laufen wir Gefahr - das hat die Debatte gezeigt -, nur auf eine Seite zu blicken, wenn auch auf eine ökonomisch sehr wichtige. Hierbei handelt es sich um die Beitragsseite. Es gibt aber auch eine andere Seite, das ist die Leistungsseite. Ich möchte hier als Sozialdemokrat vorweg klarstellen: Den Belastungen, die die Beiträge sicherlich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für die Arbeitgeber darstellen, stehen auch Leistungen gegenüber, die wir nicht missen wollen: anständige Rentenzahlungen an die ältere Generation ({0}) und die soziale Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit und Krankheit. ({1}) Dass Sie, Herr Seehofer, hier die Errungenschaften unseres sozialen Sicherungssystems infrage stellen, wundert mich gar nicht. ({2}) Was war denn Ihre Politik? Sie haben die sozialen Sicherungssysteme massiv mit versicherungsfremden Leistungen belastet. Sie haben die Beiträge bis zum Gehtnichtmehr nach oben geknüppelt, und zwar zu einem einzigen politischen Zweck, nämlich die sozialen Leistungen peu à peu zurückzufahren. Diesen Kurs machen wir nicht mit. ({3}) Ich glaube, wir Sozialdemokraten haben auch deshalb bei den letzten Bundestagswahlen eine so große Zustimmung erfahren. Sie, meine Herren und Damen von der CDU/CSU und der FDP, sind in die Opposition geschickt worden, weil die Wähler uns zutrauen, ({4}) dass wir die sozialen Sicherungssysteme sozial gerecht weiterentwickeln ({5}) und die unbestreitbar vorhandenen enormen strukturellen Probleme, vor denen die Sozialversicherungen standen und stehen, aus dem Weg räumen. Die Regierung und die sie tragenden Parteien sind gut beraten, diesen Wunsch der Bevölkerung nach sozialer Absicherung auch in praktische Politik umzusetzen. Ich glaube, wir haben bei der Reform der Alterssicherung diesen Anspruch auch weitgehend erfüllt. ({6}) Die Menschen erwarten allerdings natürlich genauso, dass mit den Beiträgen, die sie leisten, ({7}) ökonomisch, das heißt effizient umgegangen wird und dass die Belastung des Faktors Arbeit mit diesen Beiträgen zurückgeführt wird. Dass die Nettolöhne in den letzten Jahren der Kohl-Regierung deutlich absanken, war doch auch eine Folge der Politik, die die Sozialversicherung für alles mögliche in Haft nahm und dadurch die Beitragssätze in Rekordhöhen trieb. ({8}) Allein von 1995 bis 1998 sanken die realen Nettolöhne je Arbeitnehmer in Deutschland im Durchschnitt pro Jahr um 420 DM. ({9}) Dieses Geld haben Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus der Tasche genommen. Meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, das war eine Folge Ihrer arbeitnehmerfeindlichen Steuerpolitik ({10}) und des drastischen Anstiegs der Beiträge während Ihrer Regierungszeit auf zuletzt über 42 Prozent. Damit wollten wir Schluss machen und das haben wir auch getan. ({11}) Seitdem SPD und Bündnis 90/Die Grünen regieren, steigen die realen Nettolöhne wieder an und es sinken die Steuerbelastungen sowie die Sozialversicherungsbeiträge, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen. ({12}) Jeder, der sich mit den komplexen Problemen unserer sozialen Sicherungssysteme im Einzelnen befasst, weiß, das jede Reform auf schwierige Fragen nach ihren sozialen Auswirkungen, aber auch auf vielfältige ökonomische Eigeninteressen stößt. Dies vernünftig und im Sinne einer zukunftsfesten sozialen Absicherung zu gestalten ist eine sehr schwierige Aufgabe, ({13}) die durch die aktuelle ökonomische Situation weiter erschwert wird. Die Eintrübung der Weltkonjunktur, von der wir hoffen, dass sie schon im kommenden Jahr überwunden wird, hat natürlich auch Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum bei uns. ({14}) Es wäre ganz falsch, in dieser Situation den eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Kurs zu verlassen. Die Rückführung der Schwankungsreserve um 20 Prozent ist aus meiner Sicht deshalb eine richtige Maßnahme. Dadurch kann der Beitragssatz bei 19,1 Prozent stabil gehalten und können die Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber vor einer drohenden Belastung von immerhin fast 2,5 Milliarden DM bewahrt werden, ohne dass die Auszahlung der Renten in irgendeiner Weise betroffen wäre. Frau Wöhrl, ich muss Ihnen sagen, dass ich es einigermaßen unverantwortlich finde, hier den Eindruck zu erwecken, als würden die Rentenzahlungen an die Rentnerinnen und Rentner in irgendeiner Weise gefährdet. Wir können mit der Schwankungsreserve immer noch eine höhere Reserve, als Blüm sie jemals hatte, anbieten. ({15}) Dass dies eine angemessene Reaktion ist, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und der FDP, zeigen auch die positiven Reaktionen, die wir von den Gewerkschaften und auch von der BfA dafür bekommen. ({16}) - Das sind bessere Vertreter der sozialen Belange der Rentnerinnen und Rentner, als Sie es sind. ({17}) Wenn bei der Krankenversicherung trotz der Gegenmaßnahmen geringe Beitragssatzsteigerungen notwendig werden, ist dies angesichts sonst möglicherweise drohender Leistungseinschränkungen aus meiner Sicht vertretbar. Die Forderungen der Arbeitgeberverbände gehen in eine falsche Richtung, wenn sie verlangen, den BeitragsThomas Sauer satz einfach festzuschreiben, und im Kern eine Zweiklassenmedizin einfordern, bei der die Krankenkassen lediglich Kernleistungen im Sinne einer Basismedizin finanzieren sollen. ({18}) Ich bin Frau Ministerin Schmidt dankbar, dass sie klargestellt hat, dass sie diesen Weg nicht gehen will. Für mich zeigt sich an dieser aktuellen Debatte auch, dass wir im Gesundheitswesen noch einen erheblichen Reformbedarf haben. Das ist nicht zu verschweigen. ({19}) Herr Seehofer hat aus meiner Sicht zu Recht gesagt, dass im System erhebliche Effizienzreserven stecken, die im Sinne der Zukunftsfähigkeit der Krankenversicherung erschlossen werden müssen. Dieses Schließen der Effizienzreserven wird Verteilungsprobleme aufwerfen und harte Kämpfe erfordern. Ich meine aber, dass alle Akteure in diesem Wirtschaftsbereich mithelfen müssen, eine zukunftsfeste Krankenversicherung zu initiieren. Frau Ministerin Schmidt hat unsere volle Unterstützung für ihre Bemühungen. Vielen Dank. ({20})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Der Kollege Karl-Josef Laumann spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eigentlich traurig, dass wir heute diese Aktuelle Stunde durchführen müssen. ({0}) Sie ist notwendig, weil wir - das kann doch keiner leugnen - in allen Sozialversicherungen schwere Finanzierungsprobleme haben. ({1}) Wir haben heute Morgen im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung erlebt, wie die Bundesregierung den Haushalt des Arbeitsministeriums im Bereich der Arbeitslosenversicherung um große Beträge nach oben verändern musste, ({2}) weil sie davon ausgeht - das hat sie heute zugegeben -, dass wir nächstes Jahr 415 000 Arbeitslose mehr haben werden, als sie selber bei der Aufstellung dieses Haushaltes vor zwei Monaten geglaubt hat. ({3}) Wir werden auch bei der Arbeitslosenhilfe große Finanzierungsprobleme bekommen. Die Entlastung, die es auf dem Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer gibt, erkaufen wir uns mit der Einführung von Teilzeitarbeit. Im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit müssen jedes Jahr etwa 500 Millionen DM mehr für Altersteilzeit aufgebracht werden. Jeder weiß, dass das Instrument zwar greift; aber wir wissen auch, dass wir damit unserem Ziel der Beschäftigung für Ältere nicht näher kommen. In dieser Woche erleben wir in Deutschland eine Debatte um die Schwankungsreserve der Rentenversicherung. Das hat mich veranlasst, mich mit der Geschichte der Schwankungsreserve zu beschäftigen. Es ist schon interessant, dass sie 1969 unter Beteiligung der SPD an der Bundesregierung von 12 Monaten auf drei Monate abgesenkt worden ist. 1977 hat die sozialliberale Koalition sie von drei Monaten auf einen Monat weiter abgesenkt. Sie sagen jetzt, dass in der Rentenversicherung nicht einmal mehr eine Reserve von einem Monat vorhanden sein müsse und dass man mit dieser Maßnahme mit der Konjunkturentwicklung, die anders verläuft als gedacht, besser fertig werden könne. Sie wollen eine turbulente Debatte in der Öffentlichkeit über die Finanzierung der Renten vermeiden und senken deshalb die Schwankungsreserve auf 0,8 Monate. Dieses Vorgehen beweist für mich die Richtigkeit eines Spruches: Bevor die Sozialdemokraten in irgendeiner Sozialversicherung Geld übrig lassen, werden unsere Hunde ein Stück Wurst liegen lassen. ({4}) Das macht mir große Sorgen. Überlegen Sie sich doch einmal, was Sie mit der Absenkung der Schwankungsreserve anrichten könnten. Wenn die Absenkung erfolgen würde, hätten wir in der Rentenkasse demnächst eine Rücklage in Höhe von gut 20 Milliarden DM. Das entspricht den Rentenzahlungen für 0,8 Monate. ({5}) Stellen Sie sich einmal vor - das erleben wir ja zurzeit -, die Situation auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich aufgrund der Anschläge weiter, wovon zuvor niemand ausgehen konnte! Dann würden wir im November des betreffenden Jahres erleben, dass sich die Rentenversicherung zum ersten Mal in ihrer Geschichte Geld auf dem Kapitalmarkt besorgen müsste oder dass das Kabinett beschließen müsste, den Bundeszuschuss vorzuziehen, damit die Renten pünktlich ausgezahlt werden können. Wissen Sie, was Sie damit anrichten? Sie sorgen dafür, dass das Vertrauen in die Idee der Sozialversicherung schwersten Schaden nehmen wird. ({6}) Sie leisten damit einer Entwicklung in unserem Land weiter Vorschub, die ich sozialpolitisch für sehr schwierig halte. Wir sind uns unter den Sozialpolitikern fraktionsübergreifend einig, dass die Idee der Sozialversicherung damit immer mehr in Misskredit kommt. Deswegen sollten Sie sich gut überlegen, ob man an den Sparstrumpf der Rentenversicherung geht. Ich weiß, wie die Menschen denken. Ich kenne viele kleine Leute, die sich ganz bewusst eine eiserne Reserve vom Mund abgespart haben für den Fall, dass etwas passiert, womit man nicht rechnen konnte. Gerade die, die auf die Sozialversicherung angewiesen sind, handeln so. Wenn diese Menschen hören, dass Sie nicht einmal mehr in der Lage sind, eine Monatsrente im Voraus in der Kasse zu haben, ({7}) dann werden sie schlicht und ergreifend sagen, dass dies keine seriöse Politik ist. ({8}) Das werden wir als Union den Menschen so sagen, und damit werden wir sehr genau und sehr nah bei den Gefühlen der Leute liegen. ({9}) Deswegen überlegen Sie sich gut, ob Sie diesen Schritt wirklich durchhalten wollen, auch wenn Sie Verbände finden, die Ihnen vorschwafeln, das sei alles verantwortbar und richtig. Wahr ist auch, dass Sie zugeben müssen, dass Sie jetzt vor den Scherben Ihrer Rentenreform stehen. Wissen Sie, warum? Weil die Zahlen und Fakten, die Sie angenommen haben, ({10}) sehr optimistisch angesetzt waren und weil zum Schluss der Rentenreform getrickst worden ist, indem man die Leistungen verbessert und einfach gesagt hat: Dann machen wir ein bisschen mehr Zuwanderung. Dann stimmt es zwar am Rechenschieber, ({11}) aber dass es nicht stimmt, sehen Sie jetzt, in den Stunden, in denen Sie anscheinend diese Entscheidungen treffen wollen. Das ist schlicht und ergreifend ein Versagen Ihrer Politik. Aber mich ärgert einfach, dass Sie die gute Idee der Sozialversicherung damit immer mehr in Misskredit bringen. Das sollten Sie sich noch einmal überlegen. Schönen Dank. ({12})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Franz Thönnes. ({0})

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist ja schon sehr merkwürdig, dass man Ihnen heute, da Sie die Aktuelle Stunde selbst schon beantragt haben, sagen muss: Die Schonfrist, drei Jahre nicht mehr an der Regierung zu sein, kann Sie noch lange nicht veranlassen, zu glauben, man säße nicht mehr im Glashaus. Sie sitzen immer noch im Glashaus. ({0}) Deswegen sollten Sie sehr vorsichtig sein, wenn Sie meinen, Sie müssten nun Steine werfen. ({1}) Sie sitzen immer noch in dem Glashaus, in dem Sie nahezu 16 Jahre lang gearbeitet haben. Am Ende Ihrer Regierungszeit waren die Sozialkassen ruiniert, die Steuerbelastung war immer weiter gestiegen und die Arbeitslosigkeit hatte immense Höhen erreicht. Deswegen haben die Menschen Sie abgewählt, und das war eine richtige Entscheidung. ({2}) Herr Seehofer, in Ihrer Zeit ist die Belastung allein durch die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge um 21 Milliarden DM gestiegen. ({3}) In Ihrer Zeit ist die Arzneimittelzuzahlung erhöht worden, Krankenhausbehandlung mit Zusatzleistungen musste von den Menschen bezahlt werden, stationäre Rehabilitation wurde mit Zuzahlungen behaftet, auch immer mehr Fahrtkosten und Heilmittel mussten von den Menschen bezahlt werden. ({4}) Ich erinnere nur daran, wie schäbig es war, die Zahnersatzbehandlung für Kinder aus dem Leistungskatalog herauszunehmen. ({5}) Das haben Sie zu verantworten gehabt. Die Sozialdemokraten und die Grünen haben das korrigiert. ({6}) Der Kollege Sauer hat schon Recht, wenn er hier sagt, mit der Steigerung der Lohnnebenkosten, die Sie zu verantworten hatten, ist immer eine Einschränkung der Leistungen einher gegangen. ({7}) Sie haben es am Ende damit auch nicht erreicht, dieArbeitslosigkeit zu senken, sondern die Arbeitslosigkeit ist weiter gestiegen und hat die Sozialkassen immer mehr belastet. In der Rentenversicherung ({8}) ist von 1991 bis 1998 der Beitrag von 17,7 Prozent auf 20,3 Prozent angestiegen. ({9}) Allein durch unsere gemeinsame Arbeit und durch unsere Zustimmung zur Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes ist es gelungen, den Beitrag bei 20,3 Prozent zu halten. Sonst hätten wir bei 21,3 Prozent gelegen. ({10}) Das ist wirklich passiert: Wir haben mit dazu beigetragen, dass in der Zeit danach durch die Absenkung im Bereich der Rentenversicherung auf 19,1 Prozent die Lohnnebenkosten um 1,2 Prozent minimiert worden sind und 19 Milliarden DM an Entlastung für die Menschen da waren. ({11}) - Auch Ihr Geschrei stimmt die Menschen nicht anders. Die wissen ganz genau: Die Täter von gestern taugen nicht als Ankläger von heute und schon gar nicht als Sanitäter für morgen, Herr Kolb, damit das auch klar ist. ({12}) Herr Kolb, betrachten wir das, was Sie in der Rentenversicherung gemacht haben - die Menschen wissen das doch noch -: Sie haben die Altersgrenze für langjährig Versicherte schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben. Sie haben die Altersgrenze für Frauen angehoben. ({13}) Sie haben zu verantworten, dass die Abschläge in Höhe von 18 Prozent eingebracht worden sind. Sie haben eine Rentenreform vorgelegt, die am Ende dazu beigetragen hätte, das Rentenniveau auf 64 Prozent zu senken - mit Beitragssätzen von 24 Prozent. ({14}) Ich empfinde es als ausgesprochen schäbig, Kollege Laumann, von dieser Stelle aus zu behaupten, wir würden nun an die Notgroschen herangehen. ({15}) - Nein, nein. Ich halte einmal in aller Ruhe fest, wie es in der Vergangenheit war: 1995 0,9 Prozent in der Kasse, 1996 0,6 Prozent, 1997 0,6 Prozent, 1998 0,7 Prozent. Nun tun Sie mal nicht so! ({16}) Der Vorsitzende des Sozialbeirates sagt deutlich, dass die Schwankungsreserve genau für solche Situationen da ist, wie wir sie jetzt möglicherweise vorfinden. Wenn es darum geht, die Beiträge zu stabilisieren, dann ist dies das höhere Ziel. Es mag sein, dass wir nicht ganz so schnell, wie wir es gerne hätten, bei den Lohnnebenkosten unter die 40 Prozent kommen; das bedaure auch ich. ({17}) Aber wir können hier leider nicht so schnell unter 40 Prozent kommen, wie Sie bei Wahlen in Hamburg und Berlin unter 30 Prozent gekommen sind, ({18}) was immer noch Ausdruck der Tatsache ist, dass die Menschen in diesem Lande Ihnen keine soziale Kompetenz zutrauen. ({19}) Diese Aktuelle Stunde stellt eine gute Gelegenheit dar, erneut darauf hinzuweisen, dass trotz der momentan schwierigen Situation 39 Monate lang die Arbeitslosigkeit Monat für Monat gesunken ist, ({20}) dass wir im Jahresdurchschnitt immer noch 400 000 Arbeitslose weniger haben, dass die Beschäftigung um 1 Million angestiegen ist ({21}) und dass wir eine Absenkung der Lohnnebenkosten und der Steuersätze in der Form erreicht haben, dass die Privathaushalte 1999 um 9,7 Milliarden DM, ({22}) im Jahr 2000 um 8 Milliarden DM und im Jahr 2001 um 19,9 Milliarden DM entlastet worden sind. ({23}) Der durchschnittlich verdienende Arbeitnehmer mit zwei Kindern und einem Einkommen von 60 000 DM wird bis zum Jahr 2005 merken, dass er um 2 900 DM jährlich entlastet wird. ({24}) Dies alles macht deutlich, dass die Menschen eines ganz genau wissen: während Ihrer Regierungszeit steiFranz Thönnes gende Lohnnebenkosten, Reduzierung der Leistungen, steigende Arbeitslosigkeit, ({25}) in unseren drei Jahren dagegen sinkende Lohnnebenkosten, Leistungsverbesserungen, Rücknahme der von Ihnen bewirkten Einschnitte ({26}) und Steuerentlastungen in einer Höhe, wie es sie in der Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben hat. Deswegen bleibt am Ende wirklich der Satz: Die Täter von gestern taugen nicht als Ankläger von heute und schon gar nicht als Sanitäter für morgen. ({27})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort der Kollegin Annette Widmann-Mauz für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Thönnes, was Sie gerade von sich gegeben haben, zeigt einmal mehr - die Wiederholungen häufen sich leider -, wie sehr Sie in Ihrer Wahrnehmung unter Realitätsverlust leiden. Allerdings halte ich Ihnen zugute, dass Sie heute zum ersten Mal von diesem Pult aus öffentlich zugegeben haben, dass Sie die Menschen nicht nur hinsichtlich der Senkung der Arbeitslosigkeit, sondern auch hinsichtlich der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge getäuscht haben, wenn man Ihre Versprechungen bei Regierungsantritt zum Maßstab nimmt. ({0}) Damit hier etwas klarer wird, was wir Ihnen übergeben haben und was nicht, zeige ich Ihnen die Tatsachen bei der Krankenversicherung auf. Die unionsgetragene Bundesregierung und Horst Seehofer haben Ihnen in der gesetzlichen Krankenversicherung ein bestelltes Haus hinterlassen. ({1}) - Das müssen Sie sich sagen lassen. Es gab in der GKV ein Finanzpolster. 1997 haben die Überschüsse mehr als 1 Milliarde DM betragen, 1998 ebenfalls mehr als 1 Milliarde DM; in jenem Jahr machten die Rücklagen 9 Milliarden DM aus. ({2}) - Das kann man nicht wegdiskutieren; das ist eine Tatsache. Sie haben mit Ihrer Politik die Situation verschlimmert. ({3}) Ich nenne Ihnen noch einmal die Gründe, wie das, was wir heute zu verkraften haben, zustande gekommen ist. Es tut weh - ich weiß es -; aber die Menschen müssen dies klar und deutlich wissen. ({4}) Sie haben Budgetierung, Rationierung, Reglementierung, Leistungsausweitung und Unterfinanzierung in die gesetzliche Krankenversicherung gebracht - ein chaotisches Konstrukt. Wegen Eichels Selbstbedienung wurden neue Verschiebebahnhöfe geschaffen. ({5}) Insoweit ist die heutige Situation selbstverständlich: allein im ersten Halbjahr 2001 ein Defizit von 5,5 Milliarden DM. ({6}) Die Horrormeldungen gehen weiter: Die Maßnahmen, die die Betriebskrankenkassen für den Beginn des nächsten Jahres angekündigt haben, sind verhängnisvoll. Das sind hausgemachte Schwierigkeiten. Das wird bei den Arzneimittelausgaben, die jetzt auf 42 Milliarden DM geschätzt werden, am deutlichsten. Sie haben den Deckel vom Dampfkochtopf genommen, ohne ein sinnvolles Regulativ eingeführt zu haben. Jetzt wundern Sie sich, dass dieser Topf überkocht, aber das muss niemanden wundern. ({7}) Wenn Sie eine sinnvolle Politik betreiben würden, wäre Ihnen dies bekannt gewesen. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Sie tun hier so, als sei das alles auf die Geschehnisse des 11. September zurückzuführen. ({8}) Seit dem Frühjahr steigt die saisonbereinigte Zahl der Arbeitslosen an, aber seit dem Frühjahr tun Sie nichts Sinnvolles; Sie tun überhaupt nichts. Es ist keine Struktur, kein wirklicher Plan, keine wirkliche Reform zu erkennen. Es ist völlig logisch, welches Kalkül dahinter steht: Sie wollen die Gesundheitspolitik über die Wahl retten - mit kleinen Tricksereien, mit Verschiebungen, die zulasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, zulasten der Patientinnen und Patienten gehen. ({9}) Wenn Sie uns vorhalten, unsere Regelung zur Selbstbeteiligung sei sozial nicht gerecht gewesen, so sage ich Ihnen: Eine sozial abgefederte Eigenbeteiligung ist allemal besser als Selbstbezahlung und ein Leistungsausschluss für chronisch Kranke. ({10}) Von einer solchen Politik, wie Sie sie gerade betreiben, werden sich die Menschen in unserem Land nicht hinters Licht führen lassen. ({11}) Eine Emnid-Umfrage belegt dies. Auf die Frage „Tut die Bundesregierung das ihr Mögliche, um die Gesundheitsreform so schnell wie möglich zu beschließen, oder spielt sie auf Zeit?“ antworteten 71 Prozent der Befragten, sie spielte auf Zeit. Jetzt kommt der neueste Vorwurf; auch dieser darf uns nicht kalt lassen. Wir haben gehört und wissen, wie die Bundesregierung bei der Rentenreform mit geschönten Zahlen getrickst hat. Der in der „FAZ“ vom Montag dieser Woche geäußerte Vorwurf steht im Raum. Dazu haben wir von Ihnen heute kein Wort gehört. ({12}) - Ja. Der Krankenversicherungsbeitrag soll erst nach der Bundestagswahl erhöht werden. ({13}) Angeblich planen die Krankenkassen jetzt in ihre Haushalte für 2002 ein Defizit ein, um die Beiträge zunächst noch nicht erhöhen zu müssen. ({14}) Die Schätzungen für die Ausgaben sollen nach unten und die Schätzungen für die Einnahmen nach oben korrigiert werden. ({15}) Ich frage die Bundesregierung: Können Sie uns in diesem Hohen Haus eindeutig bestätigen, dass Sie nicht mit dem Ziel, die Versicherten durch solche Luftbuchungen bis zur Wahl zu täuschen, politischen Druck auf die Kassen ausgeübt haben? Kurz: Soll hier wie bei Riesters Rentenreform mit geschönten Zahlen gearbeitet werden? Wir sehen doch schon heute die steigende Arbeitslosigkeit und die sinkenden Einkommen. ({16}) Das schlägt sich auch bei den Kassen mit niedrigen Einnahmen nieder; das ist doch völlig klar. Dies müsste bei der Berechnung des Ausgleichsbedarfssatzes berücksichtigt werden; dies müsste zu steigenden Sätzen führen. Das wissen Sie; das wurde heute im Ausschuss auch offiziell bestätigt. Wir gehen davon aus - so dürfen wir das wohl lesen -, dass erst im Dezember in den entsprechenden Gremien beraten werden soll und dann die Anhebung des Ausgleichsbedarfssatzes um 0,1 Prozent ins Haus steht. Die Kassenhaushalte für das Jahr 2002 und die Beitragssätze der Versicherten werden wohl aber bis Ende November beschlossen sein, und zwar auf Basis des niedrigeren Ausgleichssatzes. Diese politische Fehlkalkulation werden Sie bis zur Wahl, bis in den Herbst 2002, mitschleppen. Das ist keine solide Politik der Nachhaltigkeit. ({17}) Das ist die Fortsetzung der Politik mit den altbekannten rot-grünen Mitteln: Verschleiern und Verschieben, Tarnen, Tricksen und Täuschen. Ich sage Ihnen: Wenn die Kameras ausgeschaltet sind, bestehen die Probleme in unserem Land fort. ({18})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Kollegin Doris Barnett spricht für die SPD-Fraktion. ({0})

Doris Barnett (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002621, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Wir sind Abgeordnete, keine Zeitungskommentatoren. Was Sie hier heute abgeliefert haben, war in der Tat schlechter Wein in mürben Schläuchen. ({0}) Es scheint, als freue sich die Opposition direkt darüber, dass die konjunkturelle Lage schlechter wird, dass die Arbeitslosigkeit zunimmt, nachdem sie bis zum August über 39 Monate hinweg Monat für Monat abgenommen hat. Es ist mir klar, dass Ihnen das nicht passt, aber passen Sie einmal auf: Die Arbeitslosigkeit nimmt zurzeit auch in den USAund sogar in Japan zu. Zwei große Märkte in diesem globalen Wirtschaftsgefüge erleben wirtschaftliche Einbrüche, ({1}) Sie aber tun so, als seien wir in Deutschland davon überhaupt nicht betroffen. Was glauben Sie denn, wo wir leben? Auf der Insel der Glückseligen? - Sie leben vielleicht dort, wir nicht. Wir leben in der Realität. Da hilft auch nicht Ihr Ruf nach Konjunkturprogrammen. In den USA hinterließ der demokratische Präsident Clinton seinem republikanischen Nachfolger Bush ein gemachtes Haus mit riesigen Überschüssen. ({2}) Deswegen konnten jetzt Konjunkturprogramme starten. Aber nun hat Präsident Bush wieder eine Negativbilanz. Aber was haben Sie uns 1998 hinterlassen? - Sie haben uns einen Schuldenberg, Massenarbeitslosigkeit und eine lahmende Wirtschaft hinterlassen. Haben Sie das alles schon vergessen, Herr Kolb? Alles, was nach der Regierungsübernahme im Herbst 1998 zu tun war, haben wir getan. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, ({3}) auch wenn Sie jetzt nur wieder rumnölen können. Jetzt hören Sie einmal gut zu; denn ich bringe Ihnen ein Zitat - vielleicht kommen Sie darauf, wer der Autor war -: Es bedarf einer grundsätzlichen Umgestaltung unseres gesamten Steuer- und Abgabensystems unter ökologischen Gesichtspunkten. Den Grundgedanken einer ökologischen Steuerreform halte ich nach wie vor für richtig. Unser Steuer- und Abgabensystem macht wider alle ökonomische Vernunft gerade das besonders teuer, wovon wir gegenwärtig im Überfluss haben: Arbeit. Dagegen ist das, woran wir sparen müssen, viel zu billig: Energie- und Rohstoffeinsatz. ({4}) Dieses doppelte Ungleichgewicht müssen wir wieder stärker ins Lot bringen. Der Einsatz des Faktors Arbeit muss durch eine Senkung der Lohnzusatzkosten relativ verbilligt werden, der Energie- und Rohstoffverbrauch durch eine schrittweise Anpassung der Energiepreise relativ verteuert werden, ({5}) beides zu einer aufkommensneutralen Lösung intelligent verbunden werden. So lautet die Aufgabe. ({6}) Diese Sätze hätten von uns 1998 sein können, aber sie waren ({7}) vom Herrn Kollegen Schäuble. ({8}) Da kann ich nur sagen: Recht hatte der Mann! Was er gefordert hat, selbst aber mit seiner Regierung nicht auf den Weg bringen konnte - vielleicht Ihretwegen, Herr Kolb -, das haben wir jetzt geschafft. Wir haben die Steuern für die Arbeitnehmer und die Unternehmer nachhaltig reformiert ({9}) und nach unten gedrückt. ({10}) Wir sind nicht davor zurückgeschreckt, die richtige Rentenreform anzugehen. Ihre Rentenreform hat zwar die Leistungen abgesenkt - das ist wohl wahr -, aber keinerlei Kompensation wenigstens in Aussicht gestellt. Diese, nämlich den Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge mit staatlicher Unterstützung, haben wir auf den Weg gebracht. Alle, die etwas davon verstehen, haben uns dafür gelobt, auch wenn es die Arbeitgeberverbände geschmerzt hat. ({11}) Außerdem haben wir eine ökologische Steuerreform eingeführt, genau so, wie Herr Schäuble sie gefordert hat. Damit haben wir den Standort Deutschland attraktiv und wettbewerbsfähig gemacht, den Arbeitnehmern angesichts der demographischen Entwicklung eine zukunftsweisende Perspektive gegeben, natürliche Ressourcen geschont und die Abgabenlast gesenkt. ({12}) Nicht vergessen werden darf, dass wir auch in Sachen Arbeitsmarktpolitik so viel bewegt haben, dass heute 1 Million mehr Menschen in Arbeit sind, ({13}) obwohl aus der stillen Reserve ständig mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen. Sie aber stellen sich hierhin und kritteln erbsenzählerisch daran herum, dass das ehrgeizig gesteckte Ziel, die Lohnnebenkosten im Jahr 2002 auf 40 Prozent zu senken, besser noch darunter, vielleicht nicht erreicht werden kann! ({14}) Statt sich hier aufzuplustern, sollten Sie lieber Ihrer Verantwortung gerecht werden und mithelfen. Haben Sie schon vergessen, dass wir, die Sozialdemokraten, besonders die aus den Ländern, 1998 Ihren Hintern gerettet haben, ({15}) als wir der Mehrwertsteuererhöhung zugestimmt haben, damit der Rentenversicherungsbeitrag nicht auf 21 Prozent klettert? Damals haben Sie es fertig gebracht, die Schwankungsreserve auf 0,6 herunterzufahren. Bei Ihnen ist das eine Schwankungsreserve. Bei uns sagen Sie seltsamerweise im gleichen Fall, wir würden an den Spargroschen der Leute gehen. So viel zu Ihrer Seriosität, Herr Laumann. ({16}) Sie, die Sie die Arbeitslosigkeit bis 2000 von durchschnittlich 4,3 bis 4,5 Millionen Menschen um die Hälfte reduzieren wollten, konnten nur mit Steuererhöhungen die unter Ihrer Regierung dramatisch in die Höhe geschnellten Lohnnebenkosten einigermaßen halten. ({17}) Dickfellig muss man sein und dazu einen vorzüglich funktionierenden Gedächtnisverlustknopf im Hirn haben, um all das zu vergessen. ({18}) Beides scheint bei Ihnen bestens zu funktionieren; Sie pflegen das ja auch. Das hält uns nicht davon ab, aktive Arbeitsmarktpolitik, gute Steuer- und Wirtschaftspolitik und eine Forschungs- und Bildungspolitik zu machen, die zusammenwirken, für eine Erholung der Wirtschaft und für mehr Beschäftigung sorgen und damit auch eine Entlastung der Beiträge, also der Lohnnebenkosten, bringen. Vielen Dank. ({19})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es gibt noch zwei Redner in dieser Aktuellen Stunde. Zunächst hat der Kollege Wolfgang Lohmann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das, was wir hier zum Teil gehört haben, nicht so traurig wäre, wäre es zum Lachen: Wir werden es nicht zu einer Steigerung der Beitragssätze kommen lassen, sondern die gesetzlich festgesetzten Lohnnebenkosten senken. Man kann eigentlich auch sagen - das ist schon angedeutet worden -: Wenn wir nicht alle möglichen Tricks angewendet hätten, dann wäre der Beitragssatz noch viel stärker angestiegen. ({0}) Was sind das eigentlich für Verdrehungen und Wortschöpfungen? Sie haben vorhin einmal von Wertschöpfung gesprochen. Sie aber sind schon längst von der Wertschöpfung weg und bei der Wortschöpfung angekommen. ({1}) Das erinnert mich an die Zeiten, als ein sehr bekannter Bundeskanzler Ihrer Fraktion auch ein großes Wort geschöpft hat. Er hat aus dem nicht vorhandenen Wachstum ein Minuswachstum gemacht. Hauptsache, es kam das Wort „Wachstum“ vor, auch wenn es ein Minuswachstum war. Auf diese Weise begeben Sie sich jetzt in die Diskussion und tun dies sehr lautstark. Ich möchte jedoch ein anderes Thema ansprechen, das heute nur in einem Nebensatz erwähnt worden ist, obwohl es wirklich ernst ist. Es geht nämlich um die Pflegeversicherung. Nun könnte man ja sagen - das werden Sie wahrscheinlich tun -: Damit haben wir keine Probleme, weil es einen gesetzlich festgelegten Beitragssatz von 1,7 Prozent gibt. Er kann nicht erhöht werden. Infolgedessen wird das gesamte Problem nicht berührt. ({2}) Aber es passt hinten und vorne nicht; denn der Schein trügt. Die Pflegeversicherung hatte vor einigen Jahren Reserven, wovon Sie heute noch zehren. 1998 waren 10 Milliarden DM in der Pflegeversicherung. ({3}) 1997 konnte die Pflegeversicherung noch einen Überschuss von 1,6 Milliarden DM erwirtschaften. 1998 waren es nur noch 250 Millionen DM, aber immerhin war es noch ein Überschuss. ({4}) - Jetzt schreit der Herr Schösser wieder dazwischen. Sie sind ja gleich dran! - 1999 ist die Pflegeversicherung erstmals in die roten Zahlen geraten und hat ein Defizit von 74 Millionen DM ausgewiesen. Für 2003 - das ist alles seriös errechenbar - muss man mit einem Defizit von 1,7 Milliarden rechnen. Hinzu kommt, dass der Pflegeversicherung durch die Absenkung der Beiträge für Empfänger von Arbeitslosenhilfe im Rahmen des Haushaltssanierungsgesetzes - auch das ist hier im Laufe der letzten Wochen schon mehrfach gesagt worden - 400 Millionen DM jährlich entzogen werden. Die drängenden Probleme aber, die es gibt, werden nicht oder nur unzulänglich angegangen. Die demographische Entwicklung - auch das wissen wir alle - wird die Sache noch verschärfen. Durch das so genannte Pflege-Qualitätssicherungsgesetz, mit dem ein ungeheuer großer bürokratischer Aufwand verbunden ist, werden personelle Ressourcen gebunden, die auch nicht weiterhelfen. Manche Pflegende sagen, sie müssten eine drittklassige Pflege erstklassig beschreiben. So ist der Zustand. Auch der Entwurf des Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzes löst die Probleme nicht. Die zusätzlichen Leistungen im Rahmen der ambulanten Pflege von 2,47 DM täglich sind doch geradezu lächerlich. Wie gesagt, mit der Absenkung der Beitragsbemessungsgrenze für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe entzieht die Bundesregierung der Pflegeversicherung 400 Millionen DM. Jetzt rächt sich dieser Fehler. Sie fragen nun, was wir für eine Position haben. Wir haben einen eigenen Entwurf vorgelegt, der beispielsweise eine Förderung der ambulanten und stationären Hospizarbeit vorsieht. Dadurch wird eine bessere Versorgung der dementen Personen erreicht, die dringend notwendig ist, und die Versorgungsstruktur wird positiv verändert. Unser Vorschlag wird aber abgelehnt. Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie doch wenigstens die Politik der Haushaltssanierung zulasten der Pflegeversicherung zurück. Dann wären die erforderlichen Mittel da, um den altersverwirrten und betreuungsbedürftigen Menschen in Deutschland in Zukunft ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Wir meinen, dass wir ihnen das schuldig sind. Vielen Dank. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Der Kollege Fritz Schösser macht für die SPD-Fraktion den Abschluss.

Fritz Schösser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003230, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn das Stichwort „bestelltes Haus“ aufgreifen, Herr Seehofer. ({0}) Mir liegt ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen an die Mitglieder des Bundestagsausschusses für Gesundheit vom 20. September vor. ({1}) - 2001! - Ich zitiere aus diesem Schreiben: So haben die vor 1999 initiierten, von 1992 bis 1998 initiierten Verschiebebahnhöfe allein in den zurückliegenden sechs Jahren zu einer Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung von insgesamt 50 Milliarden DM geführt. ({2}) Das ist das „bestellte Haus“, das Sie hinterlassen haben. ({3}) Zum Zweiten. Dass der Haushalt der Krankenversicherungen - dass beschwören Sie immer wieder - in den Jahren 1997 und 1998 tatsächlich mit positiven Zahlen abgeschlossen hat, haben Sie dadurch erreicht, dass Sie in diesen beiden Jahren die Versicherten mit 11 Milliarden - man höre und staune: mit 11 Milliarden DM - Eigenbeteiligung belastet haben. Da ist also nicht gespart worden, sondern Sie haben schlicht und einfach Gelder verschoben: zum einen zwischen den Versicherungen, zum anderen - das ist am schäbigsten - zulasten der Kranken, und zwar insofern, als sie mehr zahlen mussten. ({4}) Nun zum Kollegen Laumann. Kollege Laumann, es mag ja sein, dass wir im Augenblick darüber nachdenken, die Schwankungsreserve gesetzlich zu ändern. ({5}) Eines aber ist der Wahrheit wegen schon erforderlich zu sagen: Sie haben zwar nie die Schwankungsreserve verändert, aber Sie haben sich grob verschätzt, und zwar in mehreren Jahren. Ich nenne einmal die Zahlen mit den entsprechenden Jahren, da Sie ständig unter der Schwankungsreserve lagen: ({6}) In der zweiten Jahreshälfte 1995 0,9, in der zweiten Jahreshälfte 1996 0,6, in der zweiten Jahreshälfte 1997 0,6 und in der zweiten Jahreshälfte 1998 0,7! Sie sollten erst einmal ihre eigenen Bilanzen betrachten, bevor Sie hier Aktuelle Stunden beantragen. ({7}) Im Übrigen ist mir nicht ganz klar, welches Ziel Sie heute eigentlich verfolgen. ({8}) Ich habe den Eindruck, es geht Ihnen mehr um die Belastung der Versicherten als um die Frage, wie hoch letztlich der Beitrag ist. Ich kann Ihnen nur klar und deutlich sagen: Für Ihre drei Ziele - mehr Konkurrenz im Bereich der Krankenversicherung, höhere Belastung der Kranken, Kürzungen bei den Leistungen - werden Sie von uns keine Handreichungen erhalten. Sie plädieren für die Einführung von mehr Konkurrenz. Wenn ich mir genau betrachte, Herr Seehofer, was Sie in Ihrer Zeit an mehr Konkurrenz auf den Weg gebracht haben, dann stelle ich schlicht und einfach fest: Sie haben mehr Konkurrenz unter den Kassen geschaffen. Die Kassen kämpfen heute um die Gesunden. ({9}) Deshalb ist es heute erforderlich, eine Reform des RSA vorzunehmen. Wir müssen endlich wieder gleiche Bedingungen für die Kassen schaffen. Sie haben nämlich Räubertum unter den Kassen hergestellt und nicht für Ordnung gesorgt. Unser Ziel ist das nicht. ({10}) - Ich sehe ja Ihre Aufregung. Wenn Sie fragen wollen, verlängere ich gerne meine Redezeit. Sie wollen eine höhere Belastung der Kranken. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir wollen diese höhere Belastung nicht. Sie haben bis heute eine gewisse Sehnsucht nach mehr Eigen- und Selbstbeteiligung. Aber mehr Eigen- und Selbstbeteiligung ist keine kostendämpfende Maßnahme, sondern stellt schlicht und einfach eine höhere Belastung von Familien, Arbeitnehmern und Kranken dar. Das ist es, was Sie wollen. ({11}) Sie sind im Grunde überhaupt nicht daran interessiert, mehr Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zu erzielen. Sie wollen Leistungskürzungen. Auch da kann ich Ihnen nur sagen: Kürzungen wollen wir nicht. Wir wollen, dass das Gesundheitswesen erstklassig bleibt, und dafür werden wir auch die notwendigen Reformen auf den Weg bringen. ({12}) Im Übrigen sollten Sie noch einen Blick auf das Verhältnis der Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Bruttoinlandsprodukt werfen. Herr Seehofer, wenn man das genau betrachtet, dann waren die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, in Ihrer Zeit am höchsten. Sie lagen nämlich satt bei über 20 Prozent. ({13}) Wir liegen heute bei 19,4 Prozent. Ich kann Ihnen nur sagen: Allein dieser Schnitt ist entscheidend. Es wäre viel besser, Sie würden mit uns gemeinsam darüber diskutieren, wie man auch die Einnahmenseite verbessern kann. Wenn nämlich die Lohnsummen, gemessen am Bruttosozialprodukt, immer kleiner werden und die Ausgaben wegen älterer Bevölkerungsstrukturen immer höher, dann wird man auch an diesen Bereich denken müssen. Dazu höre ich aber von Ihrer Seite kein einziges Argument. ({14}) Ich kann Sie also nur bitten: Kommen Sie zur Besinnung! Statt solcher unnützen Aktuellen Stunden sollten Sie lieber darüber nachdenken, wie Sie mit uns gemeinsam eine vernünftige Reform des Gesundheitswesens und der Sozialversicherungsstrukturen auf den Weg bringen. Herzlichen Dank. ({15})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 8. November 2001, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.