Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/10/2001

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin. Ich bitte darum, zunächst Fragen zu dem aufgeworfenen Themenkomplex zu stellen. Als erstem Fragesteller erteile ich Herrn Kollegen Koppelin das Wort.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie FATF angesprochen haben, möchte ich Sie fragen: Welche Vorstellung haben die Bundesregierung und die G-7-Staaten hinsichtlich der Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Geldwäsche mit bestimmten Staaten? Ich nenne konkret Liechtenstein, weil es in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe und Hinweise auf Berichte - ich glaube, des Bundesnachrichtendienstes - gegeben hat. Ist eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit solchen Staaten vorgesehen, und wenn ja, in welcher Form? In diesem Zusammenhang wäre ich für konkrete Aussagen dankbar. Wie soll eine Zusammenarbeit mit Staaten, die von Geldwäsche betroffen sind, insbesondere mit Liechtenstein, in Zukunft ablaufen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Koppelin, Ihre Frage hat nicht unmittelbar mit der Bekämpfung terroristischer Finanzierungsstrukturen zu tun; jedenfalls will ich einen solchen Vorwurf gegenüber Liechtenstein nicht erheben, weil ich darüber keine speziellen Kenntnisse habe. Andererseits ist der Staat Liechtenstein durch die FATF und die OECD als nicht kooperierender Staat auf eine Liste gesetzt worden. Eine solche Maßnahme ist bislang der größte Sanktionsmechanismus, den die FATF hat. Das bedeutet natürlich, dass diejenigen Staaten, die auf einen ordentlichen und sauberen Finanzmarkt Wert legen, mit Staaten, die auf dieser Liste stehen, nicht kooperieren sollten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich erteile Herrn Kollegen Koppelin das Wort zu einer Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wie viele Verfahren hat es in Deutschland gegeben, seitdem es den Tatbestand der Geldwäsche gibt? Wie viele Verfahren davon sind inzwischen rechtskräftig abgeschlossen worden? In diesem Zusammenhang will ich auch fragen, ob von der Bundesregierung eine Ausweitung des Vortatenkataloges, insbesondere im Hinblick auf leichtere und mittelschwere Fälle der Steuerstrafdelikte, geplant ist.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich kann Ihnen leider aus dem Kopf nicht beantworten, wie viele Verdachtsanzeigen hinsichtlich der Geldwäsche es gegeben hat. Ich will Ihnen die Antwort zu dieser Frage ebenso wie zu dem zweiten Teil Ihrer Frage, wie viele Verfahren abgeschlossen sind, gerne schriftlich nachreichen. Sie wissen, dass ein Aufgriffstatbestand in der Einzahlung von mehr als 30 000 DM Bargeld liegt. Aus einem solchen Umstand lässt sich aber natürlich nicht immer der Vorwurf der Geldwäsche ableiten. Die Bundesregierung beabsichtigt, die schwere - nicht die leichte oder mittlere - Steuerhinterziehung als Verbrechen und nicht nur als Vergehen zu qualifizieren, was in dem Strafrahmen zum Ausdruck kommt. Dies hätte damit auch für Straftaten der Geldwäsche Auswirkungen in Bezug auf den Vortatenkatalog.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Als nächstem Fragesteller erteile ich dem Kollegen Michelbach das Wort.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es ist sicher richtig, dass die Terrorismusbekämpfung eine neue Dimension erhalten muss. Für den Steuerzahler in Deutschland stellt sich aber die Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Wird nicht mit den Maßnahmen, die Sie in Bezug auf das Bankgeheimnis vornehmen, gegen den ehrlichen Steuerzahler quasi ein Generalverdacht erhoben? Wird nicht die Vertrauensbasis zwischen dem ehrlichen Steuerzahler und dem Staat zerstört, wenn eine generelle Auflockerung des Bankgeheimnisses vorgenommen wird? Schon jetzt haben die Banken die Verpflichtung, verdächtige Einzahlungen zu melden. Wir haben doch bereits ein Geldwäschegesetz, das in diesen Fällen verstärkt Anwendung finden sollte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, im Zusammenhang mit der Bekämpfung der finanziellen Logistik von Terroristen ist nicht daran gedacht, das Bankgeheimnis zu lockern. Dies wird zwar in der Öffentlichkeit behauptet, ist allerdings nicht der Fall. Das heißt nicht, dass die Bundesregierung nicht zu einem späteren Zeitpunkt diesen Gedanken, also die Bekämpfung der Steuerhinterziehung, möglicherweise aufgreifen wird. Aber wenn sie es tun wird, dann wird sie es wegen der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und nicht wegen der Bekämpfung des Terrorismus tun. Wir wollen diese beiden Tatbestände nicht vermengen. Ich glaube, es liegt auch nicht im Interesse des Steuerbürgers, in einem Atemzug mit Terroristen genannt zu werden, wie Sie es in Ihrer Frage getan haben. Ich würde mir das als Steuerbürger verbeten haben. Die Bundesregierung plant also nicht, das Bankgeheimnis in diesem Zusammenhang aufzuweichen. Sie plant allerdings - dies steht auch im Einklang mit dem Aktionsplan, der am vergangenen Wochenende von den Finanzministern der G-7-Staaten beschlossen worden ist -, eine so genannte Kontenevidenzzentrale beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen einzurichten. Diese Kontenevidenzzentrale soll Namen und Geburtsdaten der Kontoinhaber sowie das Datum, wann ein Konto eingerichtet worden ist, speichern. Es sollen weder Kontostände noch Kontobewegungen erfasst werden. Die Einrichtung einer solchen Zentrale ist deshalb notwendig, weil in der Bundesrepublik Deutschland rund 2 900 Kreditinstitute existieren. Wenn man den Verdacht hat, dass jemand Finanzströme im terroristischen Sinne bewegt hat, dann ist es schlechterdings unmöglich, 2 900 Kreditinstitute in der Bundesrepublik Deutschland abzufragen. Das haben wir erfahren, als die Europäische Union im vergangenen Jahr - in diesem Jahr hat sie es erneut versucht - Implementierungen im europäischen Recht aufgrund der von mir eben genannten Resolutionen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus vorgenommen hat. Es hat monatelang gedauert, bis die Namen der Verdächtigen, die in den UNO-Resolutionen aufgelistet waren, und deren Konten in der Bundesrepublik Deutschland identifiziert werden konnten. Das lag daran, weil bisher kein automatischer Abgleich der Namen von Verdächtigen mit denen der Kontoinhaber möglich war. Es geht also nicht um Kontobewegungen und auch nicht um die Höhe der Konten. Es geht tatsächlich nur um eine zentrale Registrierung der Namen der Kontoinhaber.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Michelbach, bitte, eine Nachfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, verstehe ich Sie richtig, dass Sie dem Herrn Bundeskanzler widersprechen, der in seiner Regierungserklärung vor 14 Tagen deutlich gemacht hat, dass er wegen der Terrorismusbekämpfung eine Lockerung des Bankgeheimnisses als notwendig erachte? Entstehen dadurch - dazu zählen auch die nivellierenden Maßnahmen, die Sie hier angesprochen haben - nicht der gläserne Bürger und Steuerzahler?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, der Bundeskanzler hat sowohl im deutschen Parlament als auch gegenüber der Öffentlichkeit erklärt, man werde im Hinblick auf die Bekämpfung terroristischer Aktivitäten prüfen müssen, ob das Bankgeheimnis gelockert werden muss. Nach unserem bisherigen Stand der Überprüfung ist es nicht wirklich notwendig, an § 30 a der Abgabenordnung, also an das so genannte Bankgeheimnis, heranzugehen, wenn es uns denn gelingt, die Maßnahmen, die wir Ihnen im Rahmen der Erörterungen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes vorschlagen werden, umzusetzen. Dazu gehört die von mir eben erwähnte Kontenevidenzzentrale, die, wie gesagt, nur Namen und Geburtsdaten der Kontoinhaber, nicht aber die Höhe der Konten und Kontobewegungen erfasst. Ich glaube deswegen, dass die Behauptung, es werde hier der gläserne Bürger geschaffen, nicht korrekt ist. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass Sie den ganz normalen Steuerzahler in einem Atemzug mit Terroristen nennen. Auch ich bin Steuerzahlerin und verwahre mich dagegen. Ich habe allerdings nichts dagegen, dass das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen erfährt, dass ich Kontoinhaberin bin, was zum Beispiel viele andere Menschen und Institutionen auch wissen können. Allein aufgrund der Anzahl der Einzugsermächtigungen und der Überweisungen, die man in seinem Leben tätigt, ist sehr vielen Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland klar, dass ich eine Kontoinhaberin bin. So geht Ihnen das wahrscheinlich auch. Mit der Einrichtung einer Kontenevidenzzentrale wird also nicht der gläserne Bürger geschaffen. Das, was im Bereich der inneren Sicherheit umgesetzt werden soll - zum Beispiel ist einvernehmlich beschlossen worden, eine Rasterfahndung nach Typologien in allen Ländern durchzuführen -, darf an den Finanzströmen nicht Halt machen. Die G-7-Staaten haben vorgeschlagen - diesen Vorschlag werden wir bei der Erörterung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes aufgreifen -, dass die Kreditinstitute verpflichtet werden sollen, selber anhand von Typologien festzustellen, ob es ungewöhnliche Kontobewegungen gegeben hat und ob Verdachtsmomente vorliegen. Aber das soll in den Instituten selber geschehen. Dann erfolgt die Abgabe der Verdachtsmeldung. Das ist letztlich nichts anderes als eine Rasterfahndung, nämlich eine typologisierende Fahndung auf besondere Ereignisse und besondere Bewegungen hin. Aber dies geschieht in den Bankinstituten selbst, nicht bei einer öffentlichen Stelle. Diese Erkenntnisse sollen dann - insofern ist das eine an sich schlüssige Konzeption - an die beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen einzurichtende zentrale Stelle für - ich nenne es einmal so - Vorermittlungsverfahren weitergegeben werden, die im angelsächsischen Sprachgebrauch „Financial Intelligence Units“ heißt. Sie soll dann den tatsächlichen Sachgehalt des Vorverdachts prüfen und dies erst dann an die Staatsanwaltschaften weitergeben, sodass auch erst dann ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren erfolgt. Durch die Zwischenschaltung dieser zentralen Stelle wird also letztlich ein weiterer Schutz der ehrlichen Bürger eingebaut. Wenn nämlich mit dem interdisziplinären Sachverstand der Zentralstelle zur Ermittlung dieser Sachverhalte festgestellt wird, dass dies ein Aufgriff war, der nicht zur Besorgnis Anlass gibt, dann wird auch kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren in die Wege geleitet.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist der Kollege Spiller mit seiner Frage an der Reihe.

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, sind Sie in der Lage, uns mitzuteilen, in welcher Größenordnung etwa in den USA Guthaben auf Konten gesperrt worden sind, die wahrscheinlich mutmaßlichen Terroristen zugeordnet werden können? Teilen Sie meine Auffassung, dass in den USA doch offensichtlich erheblich größere Möglichkeiten für Kontrollmaßnahmen bestehen als in Deutschland oder in der EU insgesamt, ohne dass deswegen die Attraktivität des amerikanischen Finanzmarktes an irgendeiner Stelle infrage gestellt würde, und teilen Sie auch meine Auffassung, dass die - wie ich vermute - ganz überwiegende Mehrheit der Bürger in Deutschland Verständnis dafür hat, dass auch mit Mitteln des Staates die Finanzströme, die für terroristische Zwecke genutzt werden können, kontrolliert werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Spiller, ich bin der Auffassung, dass Sie mit Ihrer letztgenannten Einschätzung völlig Recht haben. ({0}) Ich glaube nämlich, dass sich die Bürger der Bundesrepublik Deutschland von den Maßnahmen, die die Bundesregierung in diesem Bereich vorsieht, nicht beschwert fühlen, sondern dass sie sich angesichts der vorgesehenen Maßnahmen im Sicherheitsbereich, im Bereich der inneren Sicherheit, dem Bereich der äußeren Sicherheit und im Bereich der Sicherheit der Finanzmärkte - auch das ist ja ein Sicherheitsaspekt -, bei der Bundesregierung gut aufgehoben und eben nicht in ihren persönlichen Freiheitsrechten eingeschränkt fühlen. Das sollten wir uns alle vergegenwärtigen. ({1}) Die Bundesregierung hat mitgeteilt, dass seit dem 11. September rund 100 Millionen Dollar eingefroren worden sind. Der größte Teil ist allerdings in Großbritannien eingefroren worden, nämlich 90 Millionen Dollar. In den USA betrug der Anteil 6 Millionen Dollar und in Deutschland 4 Millionen Dollar - bei uns übrigens auf 214 Konten. Ihre Einschätzung, dass dies den Finanzmarkt nicht einschränkt, gilt natürlich für Großbritannien in gleicher Weise. Wenn ich eine Qualifizierung der weltweiten Finanzmärkte vornehmen wollte, dann würde ich sagen, dass an erster Stelle sicherlich die Vereinigten Staaten stehen, an zweiter Stelle Großbritannien und an dritter Stelle die Bundesrepublik Deutschland. Großbritannien hat es nicht geschadet, einen doch relativ umfangreichen Anteil von „verdächtigen Geldern“, wie ich es einmal untechnisch ausdrücken will, einzufrieren. In den EU-Staaten beruht dieses Einfrieren von Geldern auf dem Vollzug der EU-Verordnungen, die ich eben schon angesprochen hatte, die aufgrund der UN-Resolutionen des vergangenen Jahres ergangen sind. Diese Gelder werden bei uns nach dem Außenwirtschaftsgesetz von den Landeszentralbanken sichergestellt; die Ressortzuständigkeit liegt in der Bundesregierung beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist die Kollegin Hasselfeldt mit ihrer Frage an der Reihe.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie sprachen die neu zu errichtende so genannte Kontenevidenzzentrale an. Was geschieht mit den dort gesammelten Daten? Ist geplant, dies auf eine Art elektronische Rasterfahndung ohne Anfangsverdacht auszuweiten?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Frau Kollegin. Sie müssen zwei Bereiche unterscheiden. Zum einen geht es um die Erlassung des Tatbestandes, dass ein Mensch ein Kontoinhaber ist. Dies soll bei einer öffentlichen Stelle geschehen, nämlich bei der so genannten Kontenevidenzzentrale beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. Ich habe es bereits geschildert: Es geht dabei nicht um Kontobewegungen. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen weiß nicht einmal, welchen Umfang das Konto hat. Ausschließlich die Daten „Name und Geburtsdatum des Kunden“ sowie „Datum der Einrichtung des Kontos“ sollen gesammelt werden, um bei Verdachtsfällen, die sich auf Namen beziehen, schnell ermitteln zu können, an welchem der 2 900 Bankinstitute der Bundesrepublik Deutschland das Konto geführt wird. Hat man einen konkreten Anfangsverdacht, darf man auch schon nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche von 1996 sozusagen in das Konto eindringen. Dazu muss man aber eben wissen, bei welchem Institut das Konto geführt wird. Wie heißt dieses Sprichwort noch? Es heißt - ich weiß nicht genau, ob ich das jetzt richtig sage -: Die Preußen hängen niemanden, es sei denn, sie hätten ihn. - Man muss also zunächst wissen, wo das Konto geführt wird; erst dann kann man sich inhaltlich mit dem Konto beschäftigen. Deswegen geht es darum, ermitteln zu können, wo das Konto geführt wird. Der zweite Teil, den wir im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz vorgesehen haben - übrigens schon vor den Anschlägen in den Vereinigten Staaten; diesen Punkt, haben wir unabhängig davon zur Bekämpfung der Geldwäsche für notwendig gehalten; er war schon im ersten Referentenentwurf vom Sommer dieses Jahres enthalten -, ist sozusagen die Aufforderung an die Banken, mithilfe EDV-gestützter Systeme Typologien von ungewöhnlichen Kontenbewegungen herauszufinden. Dies soll in den Instituten selbst geschehen, nicht durch staatliche Aufsicht, nicht durch staatliche Eingriffsmöglichkeiten. Informationen über Kontenbewegungen mit einem gewissen Anfangsverdacht sollen dann zur Überprüfung durch staatliche Stellen weitergegeben werden. Die Banken begrüßen das übrigens, weil sie natürlich nicht unbeabsichtigt bei der Geldwäsche mitarbeiten wollen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist der Kollege Meyer mit seiner Frage an der Reihe. - Bitte.

Prof. Dr. Jürgen Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, könnten Sie die Bedenken des Kollegen Koppelin, bei der Geldwäsche sollten Steuerhinterziehungen geringen und mittleren Umfangs als Vortaten angesehen werden, dadurch zerstreuen, dass Sie etwas präzisieren, was in den Planungen der Bundesregierung und der SPD-Fraktion unter schwerer Steuerhinterziehung verstanden werden soll, nämlich nicht einfach das, was in § 370 Abs. 3 der Abgabenordnung geregelt ist, sondern das, was ein neuer Paragraph der Abgabenordnung regelt, der die gewerbsmäßige und bandenmäßige Steuerhinterziehung betrifft, sodass klar ist, um welche Vortaten im Bereich schwerer Steuerhinterziehung, und zwar keineswegs geringen Gewichts, es sich handelt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Meyer, wenn der Kollege Koppelin Ihnen zugehört hätte, dann hätten schon Sie all seine Befürchtungen zerstreuen können. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

War es das schon? Dann ist die Kollegin Gudrun Kopp mit ihrer Frage an der Reihe.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ich registriere in der Bevölkerung eher eine große Skepsis gegenüber all dem, was jetzt geplant wird. Ich möchte diese Skepsis aufnehmen und frage Sie: Wie sieht es bei all den Verdachtsanzeigen, die die Banken bisher weitergegeben haben, bei all dem, was bereits vorliegt, mit dem von mir vermuteten Vollzugsdefizit aus? Das heißt: Wie sind die entsprechenden Strafverfolgungsbehörden und die anderen Stellen überhaupt personell bestückt, um all diese Anzeigen bearbeiten zu können? Es geht mir darum, dass nicht Aktionismus betrieben wird und unter dem Strich nichts weiter herauskommt.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, diese Befürchtung kann ich durchaus teilen. Dem steuern wir jetzt auch entgegen. Bisher ist es so: Die Banken leiten die Verdachtsanzeigen an die Landeskriminalämter. Die Landeskriminalämter können ihre Informationen an das Bundeskriminalamt weitergeben, sie müssen dies aber nicht tun. Zwar geschieht das bisher meist; es ist jedoch nicht geregelt. In der Tat gibt es beim Bundeskriminalamt bis jetzt keinen ausreichenden interdisziplinären Sachverstand, um eine entsprechende Verdachtsanzeige einer Vorprüfung zu unterziehen. Genau dem wollen wir entgehen: Wir wollen in Form einer Zentralstelle zur Meldung auffälliger Finanzströme - im angelsächsischen Bereich spricht man von „Financial Intelligence Units“ - eine interdisziplinäre Institution einrichten, die, einfach ausgedrückt, die Spreu vom Weizen trennen kann und die - angereichert mit interdisziplinärem Wissen - die wahrscheinlich zur Untersuchung anstehenden Fälle an die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbehörden weiterreicht. Bis jetzt ist es so: Eine Vielzahl von Verdachtsanzeigen geht bei den Polizeibehörden des Bundes und der Länder ein. Der normale Verfahrensweg sieht die Abgabe der Fälle an die Staatsanwaltschaften vor. Da die Staatsanwaltschaften bisher von einer Vielzahl von Verdachtsanzeigen überschüttet wurden, wurde es ihnen erschwert, jede einzelne Verdachtsanzeige mit fundiertem Sachverstand zu überprüfen. Diese Zentralstelle soll beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen eingerichtet werden. Dazu sind nicht nur Absprachen zwischen Bund und Ländern nötig, sondern es müsste auch Änderungen der Polizeigesetze des Bundes und der Länder im Hinblick auf die Weitergabe von Verdachtsanzeigen geben. Selbstverständlich müssen entsprechende Fälle an die Staatsanwaltschaften der Länder zurückgegeben werden. Diese Zentralstelle soll eine Art Filter sein, durch den der Wust von Verdachtsanzeigen vorsortiert wird, sodass diejenigen Fälle, von denen man annehmen kann, dass sie einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung bedürfen, und bei denen, was eine Verurteilung angeht, Aussicht auf Erfolg besteht, an die Staatsanwaltschaften abgegeben werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine kurze Nachfrage der Kollegin Kopp.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe eine Nachfrage zur Kontenevidenzzentrale; es geht um die Skepsis der Bürger. Wie wollen Sie dem entgegenwirken, dass es einen Bürger allein aufgrund der Tatsache, dass er ein Konto bei einer Bank hat, in irgendeiner Weise verdächtig werden lässt - schon die bestehenden Planungen legen diese Sorge nahe - und dass er fürchten muss, dass nicht nur sein Name und sein Geburtsdatum, sondern auch Kontostände und Kontobewegungen zum Informationsfluss gehören, also weitergegeben werden? Wie wollen Sie nach außen und natürlich auch nach innen sicherstellen, dass eine solche Entwicklung nicht eintritt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Dass das nicht geschieht, werden wir im Gesetz regeln. Gegenstand der Arbeit dieser Zentralstelle sollen nicht Kontenhöhe bzw. Kontenbewegungen sein, sondern nur der Tatbestand, dass ein Bürger ein Konto hat. In der heutigen Zeit ist es selbstverständlich, dass ein Bürger ein Konto hat. Da Rentenzahlungen seit Jahren nur noch unbar erfolgen, haben eigentlich alle Kreise der Bevölkerung - ich denke auch an die nicht mehr aktiven Menschen - Girokonten, genauso wie jeder einen Ausweis, also ein Identifikationsdokument, besitzt. Wer lebt, der hat auch ein Konto.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Mir liegen noch vier Wortmeldungen vor und wir haben noch sieben Minuten Zeit für die Regierungsbefragung. Es wäre schön, wenn alle Fragen noch gestellt werden könnten; deshalb bitte ich bei Fragestellung und Antwort um Kürze. Jetzt hat der Kollege Fromme das Wort, bitte. Dr. Jürgen Meyer ({0})

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben sich in Ihrer Antwort auf die Nachfrage zum Bankgeheimnis sehr stark auf § 30 a der Abgabenordnung beschränkt. Planen Sie an irgendeiner anderen Stelle indirekt eine Einschränkung des Bankgeheimnisses?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nach meiner festen Erinnerung - ich könnte mich täuschen - ist das so genannte Bankgeheimnis ausschließlich in § 30 a der Abgabenordnung geregelt. ({0}) - Man müsste schon sehr um die Ecke denken, wenn man einen bestehenden Paragraphen durch einen neuen Paragraphen aufheben will. Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage, Herr Kollege Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Womit begründet die Bundesregierung ihren Meinungswechsel im Hinblick auf das in der Vergangenheit bewährte Instrument der Rasterfahndung? Bisher haben Sie das konsequent abgelehnt.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung hat das Instrument der Rasterfahndung nicht abgelehnt. Dies ist eine Maßnahme, die die Landespolizeien nach ihrem Ermessen anwenden können. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist die Kollegin Ulla Lötzer mit ihrer Frage an der Reihe.

Ursula Lötzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003174, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich möchte Sie zu einem anderen Aspekt der Bekämpfung des Terrorismus fragen: Alle Fraktionen, auch die Bundesregierung, sagen ja immer, dass dabei langfristig die Umgestaltung der Weltwirtschaft unter Berücksichtigung der sozialen Dimension eine entscheidende Rolle spielt. Jetzt kommt den Offshorezentren bei Steuerflucht und Steuerdumping ja eine herausragende Rolle zu. Die OECD hat sich damit in ihrem letzten Bericht eingehend beschäftigt. Allein den Entwicklungsländern sollen jährlich 50 Milliarden Dollar an Steuern durch Steuerflucht und Steuerhinterziehung entgehen. Ist jetzt geplant, in Richtung Bekämpfung von Steuerdumping und Steuerflucht in Offshorezentren schnell ernsthafte weitere Schritte zu unternehmen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, Frau Kollegin, das ist auch Gegenstand der Regelungen, die die G-7-Finanzminister am vergangenen Wochenende beschlossen haben. Die G-7-Finanzminister sind sich nämlich einig, dass wirksame Aufsichtsstrukturen dazu beitragen, Finanzsysteme gegen die missbräuchliche Nutzung durch Terroristen oder vor Geldwäscheaktivitäten zu schützen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, Defizite in den Aufsichtssystemen und bei der Praxis der Zusammenarbeit auch in Bezug auf Offshorefinanzzentren zügig zu beseitigen und die entsprechenden Empfehlungen des Forums für Finanzstabilität umzusetzen. Um den Druck auf diese Zentren aufrechtzuerhalten, soll der Internationale Währungsfonds mit dem Forum für Finanzstabilität in seiner nächsten Sitzung im März 2002 darüber beraten, wie die Umsetzung seiner Empfehlungen durch Nennung von Offshorefinanzzentren in öffentlichen Erklärungen weiter gefördert werden kann.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat der Kollege Meyer Gelegenheit zu einer zweiten Frage, dann kommt die Kollegin Wülfing. Damit schließe ich die Liste ab.

Prof. Dr. Jürgen Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ist bei der Entwicklung von Typologien für die Finanzströme des Terrorismus daran gedacht, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Terroristen nicht selten durch organisierte Kriminalität finanziert werden, also durch Drogenhandel, illegalen Waffenhandel oder Frauenhandel? Ist daran gedacht, den Banken entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie wachsam sein können?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, die Erarbeitung dieser Typologien wird, wie ich denke, durch den Baseler Ausschuss für Finanzmarktaufsicht vorangetrieben werden. Dort werden auch die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden der jeweiligen Nationalstaaten einfließen. Es kann ja nicht sinnvoll sein, eine Typologie zur Grundlage der Ermittlung zu machen, wenn man nicht weiß, wonach man suchen soll. Diese Typologien müssen auch entsprechend angepasst werden. Die Banken können das selbstverständlich nur EDVunterstützt machen. Deswegen werden die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden sicherlich in die Erstellung solcher Typologien bzw. zur Erstellung entsprechender EDV-Programme einfließen. Damit werden diejenigen heraussortiert, die als Verdächtige in Betracht kommen können, selbstverständlich nicht kommen müssen. Wenn sich die Strukturen der organisierten Kriminalität ändern, muss natürlich auch bei solchen EDV-Programmen darauf Rücksicht genommen werden. Im Einzelnen kann man im Vorhinein nicht sagen, welche Kriterien tatsächlich in diese Typologien Eingang finden werden, denn damit würde man diejenigen, die man verdächtigt, dazu ermuntern, ihr Verhalten zu ändern, damit sie nicht erwischt werden.

Prof. Dr. Jürgen Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine Ergänzungsfrage, die mit Ja oder Nein beantwortet werden kann: Ist der Bundesregierung bekannt, ob das Millionenvermögen des Bruders von Osama Bin Laden, das von der Deutschen Bank verwaltet worden sein soll, eingefroren worden ist? Ja oder Nein?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Es tut mir Leid, das kann ich nicht beantworten, weil ich es nicht weiß. Ich weiß auch nicht, ob ich es beantworten dürfte, wenn ich es denn wüsste. Die Zuständigkeit liegt jedenfalls beim Bundeswirtschaftsminister, der hier im Moment leider nicht vertreten ist. Ich werde den Bundeswirtschaftsminister bitten, die Antwort auf Ihre Frage nachzureichen, sofern dieses unter dem Gesichtspunkt der Geheimhaltung möglich ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt kommt die letzte Frage. Frau Wülfing, bitte.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich habe noch einmal eine Frage zu dem Thema Kontenscreening und Kontenbewegungen. Sie wollen also bei den Konten Namen, Kontonummer, Einrichtungsdatum usw. registrieren und bei der Kontenevidenzzentrale screenen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, dort nicht screenen, sondern nur diese Daten sammeln. Sonst nichts.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gut. - Sie haben von auffälligen Kontenbewegungen gesprochen. Sollen das die Banken selber feststellen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Richtig.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie bekommen Sie die Banken dazu, dass sie mit Ihnen zusammenarbeiten? Wollen Sie das in Deutschland gesetzlich regeln oder hoffen Sie auf deren Mitarbeit?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Wir wollen das gesetzlich regeln, und zwar - ich habe vorhin schon darauf hingewiesen - im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz. Genau diesen Punkt hatten wir - unabhängig von den terroristischen Anschlägen in den Vereinigten Staaten schon in unserem ersten Referentenentwurf des Finanzmarktförderungsgesetzes, den wir im Sommer veröffentlicht haben, vorgesehen. Das Bundeskabinett wird den Entwurf dieses Gesetzes Anfang November beschließen. Der von Ihnen angesprochene Punkt - Kontenscreening, das Abklopfen auf Verdachtsmomente bei den Banken selbst - war schon Gegenstand unseres Entwurfs, und zwar damals mit dem Ziel der Bekämpfung der Geldwäsche. Er bekommt jetzt eine besondere Aktualität. Wegen der Bekämpfung der terroristischen Finanzströme werden wir die beiden anderen Punkte, auf der einen Seite die Kontenevidenzzentrale ohne Kontobewegung und auf der anderen Seite die interdisziplinäre Einheit zur Vorprüfung von Verdachtsanzeigen, in den Entwurf des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes aufnehmen. Das sind zwei neue Maßnahmen. Die von Ihnen angesprochene Maßnahme hatten wir wegen der Bekämpfung der Geldwäsche ohnehin vor; sie wird Gegenstand des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes sein, mit dem wir größere Institute - die Abgrenzung kann ich jetzt nicht genau vornehmen - verpflichten, das umzusetzen. Ich sage noch einmal: Es gibt bereits Banken, die das machen, weil es schon EDV-Programme gibt, mit denen man diesbezüglich arbeiten kann. Die Banken - sie sind mit diesem Gesetzesvorschlag einverstanden - machen das bisher auf freiwilliger Basis. Sie bekommen bei der Erarbeitung dieser EDV-Programme Hilfestellung durch die öffentliche Hand und sie wenden sie in eigener Verantwortung an. Der Bundesverband deutscher Banken hat sich mit dem Vorschlag einverstanden erklärt, weil unsere Banken ein ordentliches und gesetzmäßiges Finanzmarktsystem in der Bundesrepublik Deutschland natürlich, ebenso wie wir alle, für überaus wichtig halten.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das hat mit dem Bankgeheimnis also nichts zu tun?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich beende die Regierungsbefragung. Da die Antworten sehr umfassend waren, gehe ich davon aus, dass es keine weiteren Fragen an die Bundesregierung gibt. Die Zeit ist ohnehin vorbei. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 14/7032 Die Frage 1 der Kollegin Kopp zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wird schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung. Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Helmut Heiderich auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, das Arbeitszeitgesetz so zu verändern, dass den stärker werdenden Notwendigkeiten der Unternehmen nach flexibler Gestaltung des Arbeitseinsatzes infolge der immer weiteren Ausdehnung des Just-in-time-Produktionsverfahrens der Industrie und insbesondere ihrer Zulieferbetriebe auch an Wochenenden und Feiertagen unbürokratischer und kostengünstiger entsprochen werden kann?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Heiderich, eigentlich könnte ich Ihre Frage mit einem Dr. Jürgen Meyer ({0}) ganz schlichten Nein beantworten. Das haben Sie erwartet. Da Sie dann aber wahrscheinlich nachfragen würden, warum, wieso und weshalb, habe ich die Antwort etwas umfangreicher gestaltet, um es zu erläutern. Die Antwort lautet also: Das Arbeitszeitgesetz eröffnet für die Gestaltung der Arbeitszeit einen weiten Rahmen, der einen flexiblen Einsatz der Arbeitnehmer in den modernen Produktionssystemen erlaubt. Nach dem Arbeitszeitgesetz ist eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von bis zu 48 Stunden möglich, die vorübergehend bis auf 60 Stunden verlängert werden kann, wenn ein entsprechender Arbeitszeitausgleich innerhalb eines halben Jahres gewährleistet ist. Weitere Flexibilisierungen können auf tarifvertraglicher Grundlage erfolgen. Sonn- und Feiertagsarbeit lässt das Arbeitzeitgesetz im Ausnahmefall zu, wenn einer der im Gesetz aufgeführten Ausnahmetatbestände vorliegt. Über diesen Rahmen hinaus können die Aufsichtsbehörden der Länder im Einzelfall längere tägliche Arbeitzeiten und Arbeiten an Sonn- und Feiertagen zulassen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass mit diesem gesetzlichen Instrumentarium die Möglichkeit besteht, auch bei Just-in-time-Produktionsverfahren flexibel zu handeln. Regelungen zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen haben die verfassungsrechtlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe zu beachten, nach der diese Tage grundsätzlich der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung dienen. Daher muss bei Anträgen auf Ausnahmegenehmigungen für Sonnund Feiertagsarbeit stets geprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere ob die betreffenden Arbeiten nicht auch an Werktagen erledigt werden können. Das von Ihnen offenbar kritisierte Verfahren dient der Aufrechterhaltung des Schutzes der Sonn- und Feiertagsruhe. Eine Abschaffung des Verfahrens würde sich ebenso wie eine gesetzliche Ausweitung der an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise zulässigen Tätigkeiten zulasten der Sonn- und Feiertagsruhe auswirken. Beides plant die Bundesregierung nicht: weder eine Veränderung des Verfahrens noch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es offensichtlich trotzdem eine Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Heiderich.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Andres, nachdem Sie eine mögliche Nachfrage schon vorhergesehen und in Ihrer Antwort berücksichtigt haben, frage ich Sie noch, ob von Verbänden oder Unternehmen oder von anderer Seite Anträge an die Bundesregierung gestellt wurden, das Arbeitszeitgesetz in entsprechender Weise zu verändern.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Solche Anträge sind mir persönlich nicht bekannt, was natürlich nicht ausschließt, dass sie unserem Hause vorliegen. Ich werde mich danach erkundigen und Ihnen persönlich Bescheid geben. Ich habe das Verfahren geschildert, das vielfältige Möglichkeiten einer flexiblen Handhabung vorsieht. Wie gesagt, ist mir über Anträge nichts bekannt; wir setzen uns aber darüber noch einmal ins Benehmen.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich noch eine zweite Frage stellen?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ja, bitte.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben eben die Ausnahmegenehmigungen angesprochen. Sieht es die Bundesregierung als richtig an, dass die Gebühren für solche Ausnahmegenehmigungen nach dem Zeitrahmen und der Anzahl der Beschäftigten festgesetzt werden? Das heißt, je größer die Zahl der Beschäftigten und der beantragte Zeitrahmen sind, desto höher wird die Gebühr für eine solche Ausnahmegenehmigung.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Wir halten das für richtig, ja.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Auch die Frage 3 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird schriftlich beantwortet. Daher rufe ich nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun SchaichWalch zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 4 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert: Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die entsprechend § 20 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ({0}) von den Krankenkassen zum 1. Januar 2001 in ihre Haushalte eingestellten Mittel für die Förderung der Selbsthilfe im Jahre 2001 ({1}) vor?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Herr Kollege Dr. Seifert, die Haushaltspläne der gesetzlichen Krankenkassen und die darin vorgesehenen Ansätze für die Förderung der Selbsthilfe liegen der Bundesregierung nicht vor.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine erste Nachfrage, bitte, Herr Kollege Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, es ist Ihnen so gut wie mir bekannt, dass im ersten Jahr der Gültigkeit des § 20 Abs. 4 SGB V, in dem es um die Förderung der Selbsthilfe geht, höchstens ein Fünftel der Summe ausgegeben wurde, die gesetzlich vorgeschrieben ist. Insofern müsste es auch im Interesse des Ministeriums sein, zu wissen, ob und in welcher Höhe die einzelnen Kassen - es gibt ja so viele - die entsprechenden Mittel in ihren Haushaltsplänen vorsehen, damit sie abgerufen und sinnvoll eingesetzt werden können. Welchen Weg wird die Bundesregierung gehen, um zumindest einen Überblick darüber zu erhalten, ob den gesetzlichen Vorgaben Genüge getan wird?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Bundesregierung hat natürlich zur Kenntnis nehmen müssen, dass das, was in § 20 Abs. 4 vorgesehen ist, von den Krankenkassen nicht in der gewünschten Art und Weise umgesetzt wurde. Das geht auch aus einem Bericht hervor, den wir dem Gesundheitsausschuss vorgelegt haben. Wegen dieser Problemlage habe ich die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Vertreter der Selbsthilfeorganisationen am 19. Juni zu einem Gespräch über die gegenwärtig vorhandenen Förderhindernisse eingeladen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben zugesichert, dass sie im Dialog mit den Verbänden, die die Selbsthilfeorganisationen vertreten, zu Problemlösungen kommen wollen. Aus Anlass dieses Gespräches hat im Juli dieses Jahres ein Workshop stattgefunden. Derzeit werden neue, ergänzende Empfehlungen erarbeitet, die die Förderhindernisse besonders im Bereich der Antragstellung beheben sollen. Weil wir mit diesen Ergebnissen noch nicht ganz zufrieden sind, haben wir dieses Thema auf die Tagesordnung der 59. Arbeitstagung der Aufsichtsbehörden der Sozialversicherungsträger am 3. Mai gesetzt. Das sind die Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Wir können uns aber nicht die Haushaltspläne vorlegen lassen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Seifert hat noch eine zweite Nachfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, es ist mir natürlich bewusst, dass es auch auf der Seite der Antragsteller Probleme gibt. Meine Frage zielte darauf ab, dass zumindest begründete Vermutungen dahin gehend bestehen, dass bei etlichen Krankenkassen die entsprechenden Mittel gar nicht eingestellt worden sind und demzufolge auch nicht abgerufen und nicht ausgereicht werden können. Es war der Zweck meiner Frage, zu diesem Problem etwas zu erfahren. Sie sagen jetzt, dass die Einstellung dieser Mittel von Ihnen nicht eruiert werden kann. Es ist doch aber Aufgabe der Exekutive, das Gesetz durchzusetzen. Wenn das mit freundlichen Fragen nicht erreicht werden kann, muss es doch irgendwelche Möglichkeiten geben, zu erfahren, ob und wie die Kassen ihrer Verpflichtung nachkommen. In diesem Fall geht es mir um die Verpflichtung der Kassen. Welche Wege können Sie einschlagen? Sie sprachen vom 3. Mai. Bezog sich das auf das kommende Jahr?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Nein. Die Tagung findet vom 3. bis 5. November im Jahr 2001 statt. Dabei treffen sich die Aufsichtsbehörden der Sozialversicherungsträger. Sie wissen, dass das sehr unterschiedlich geregelt ist. Für die Allgemeinen Ortskrankenkassen gibt es eine Landesaufsicht, für die anderen Kassen gibt es eine Bundesaufsicht. Wir haben dieses Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. Das ist unsere einzige Möglichkeit, das nachprüfen zu lassen. Ein zweiter Weg besteht darin, die gemeinsame Moderation zu betreiben, um zu dem 1-DMZiel zu gelangen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen zur Frage 5 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert: Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die entsprechend § 20 Abs. 4 SGB V von den Krankenkassen im Zeitraum 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2001 aufgewendeten Mittel für die Förderung der Selbsthilfe ({0}) vor und welchen Handlungsbedarf sieht sie, um gegebenenfalls Maßnahmen zu treffen, die eine Förderung der Selbsthilfe in der vom Gesetz geforderten Höhe und Art gewährleisten?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die gesetzlichen Krankenkassen haben im ersten Halbjahr 2001 14,9 Millionen DM für die Förderung von Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen ausgegeben, davon rund 12,3 Millionen DM in den alten und 2,6 Millionen DM in den neuen Ländern. Die Aufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherung für die Förderung der Selbsthilfe pro Versicherten im ersten Halbjahr 2001 betragen insgesamt 0,21 DM. Das gilt sowohl für die alten als auch für die neuen Bundesländer. Eine weitere Differenzierung auf Länderebene ist uns nicht möglich. Für die einzelnen Bundesländer werden die Daten in der amtlichen Statistik der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausgewiesen. Die Aufwendungen für Selbsthilfeförderung reichen von 0,11 DM pro Versicherten bei den landwirtschaftlichen Krankenkassen bis zu 0,33 DM pro Versicherten bei der Seekrankenkasse und der Bundesknappschaft. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen liegen mit 0,25 DM pro Versicherten etwas über dem Durchschnitt, die Ersatzkassen für Angestellte mit 0,20 DM pro Versicherten geringfügig unter dem Durchschnitt der Halbjahresergebnisse. Aus Sicht der Bundesregierung ist dieses Förderergebnis trotz einer leichten Verbesserung gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr - die Steigerung betrug im ersten Halbjahr 16,7 Prozent - nicht befriedigend, zumal bei einzelnen Kassenarten auch ein Ausgabenrückgang zu verzeichnen ist. Deshalb haben wir dieses Thema auf die Tagesordnung der Tagung der Prüfgremien setzen lassen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, Herr Kollege Seifert, Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Zahlen. Damit kann man schon arbeiten. Dennoch möchte ich fragen: Haben Sie eventuell vor, anzuregen oder vielleicht sogar darauf hinzuwirken, dass alle Kassen ihren jeweiligen Anteil in einen gemeinsamen Pool einzahlen, sodass eine einheitliche Antragsstellung und einheitliche Vergabekriterien möglich sind? Das würde bewirken, dass ein bestimmter Anteil auf Bundes-, Landes- und auf regionaler Ebene ausgegeben werden kann, wodurch die Verwirrung, die unter den Antragsberechtigten besteht - bei welcher Kasse kann man wie viel und wann beantragen? -, beseitigt wird, weil dadurch deutlich wird, wie und wofür das Geld, das für sinnvolle Maßnahmen vorgesehen ist, ausgegeben wird.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Kriterien, mit denen wir festlegen, wofür das Geld ausgegeben werden kann, sind geschaffen worden. Das Gesetz beinhaltet den Auftrag, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Das ist mittlerweile geschehen. Auch die Verbände der Selbsthilfeorganisationen haben mir versichert, dass sie damit sehr zufrieden sind. Wir haben festgestellt, dass eines der Probleme darin besteht, dass es sehr unterschiedliche Antragsverfahren gibt. Darüber wurde auch auf dem Workshop im Sommer gesprochen. Dieses Problem wird auf der Tagesordnung des Arbeitskreises 2 der gesetzlichen Krankenversicherung stehen. Dort soll überprüft werden, ob man auf Landesebene oder sogar auch auf Bundesebene einheitliche Verfahren für die Antragstellung und für die Bewertung der Anträge finden kann. Damit würde das Antragsverfahren deutlich vereinfacht und transparenter werden. Die Bundesregierung hat allerdings nicht die Absicht, das Geld einzusammeln, in einen Pool zu geben und zentral verwalten zu lassen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Noch eine letzte Nachfrage, bitte.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich gehe davon aus, dass Sie so freundlich sind, mir die Ergebnisse dieser Tagung zukommen zu lassen. Ich habe aber noch eine Nachfrage. Sie sprachen vorhin davon, dass das Geld an Selbsthilfegruppen, an Behindertenorganisationen und an Kontaktstellen gegeben wurde. Es handelt sich aber nicht um die Kontaktstellen nach SGB IX. Ich würde gerne wissen, welche Kontaktstellen Sie meinen.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Dabei handelt es sich um die existierenden Selbsthilfekontaktstellen. Ich werde Ihnen die entsprechenden Informationen gerne schriftlich geben.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Danke schön.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Hans Michelbach auf: Welche Stellungnahme hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Ausweisung bayerischer FFH-Gebiete ({0}), insbesondere im Hinblick auf das Hafenlohrtal, gegenüber dem Land Bayern abgegeben?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Kollege Michelbach, Ihre Frage bezieht sich auf das Hafenlohrtal. Darauf möchte ich Ihnen antworten: Das Bundesumweltministerium hat sich im Rahmen der gemäß § 19 b Bundesnaturschutzgesetz vorgesehenen Benehmensbeteiligung insbesondere zur Vollständigkeit der Meldeunterlagen geäußert. Eine Stellungnahme zur Meldewürdigkeit des Hafenlohrtals wurde nicht abgegeben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Michelbach, Ihre erste Nachfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, heißt das, dass die Bundesregierung zur Sicherungswürdigkeit dieses Naturschutzraums keine Meinung geäußert hat?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Sie hat dazu keine Stellungnahme abgegeben. Das hat etwas mit dem bisherigen Prozedere zu tun - damit beziehe ich mich schon auf die Antwort auf Ihre nächste Frage -; denn nicht das Land Bayern, sondern eine andere Institution hat den entsprechenden Antrag bezüglich des Hafenlohrtals gestellt. Das Bundesumweltministerium ist aber gehalten, den Dienstweg in Richtung EU zu beachten. Dieser wurde aber im Laufe des Verfahrens nicht eingehalten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Nachfrage des Kollegen Michelbach, bitte.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, heißt das, dass der Dienstweg grundsätzlich von dem beschließenden Kreistag über das Land bis zum Bund und dann weiter bis zur EU gehen muss und dass sich die Bundesregierung nicht äußern kann, wenn der Dienstweg nicht eingehalten wird?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Für das BMU ist die entsprechende oberste Naturschutzbehörde in Bayern die zuständige Stelle. Das war in dem Verfahren aber nicht der Fall. Aber auch das ist Bestandteil der Antwort auf Ihre nächste Frage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann bitte ich um die Beantwortung meiner nächsten Frage.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen dann zur Frage 7 des Abgeordneten Michelbach: Wie wird vor diesem Hintergrund nach Kenntnis der Bundesregierung mit dem Antrag des Kreistages Main-Spessart weiter verfahren werden?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Zuständig für die Auswahl der FFH-Gebiete sind verfassungsgemäß die Länder. Vor diesem Hintergrund kann das Bundesumweltministerium die vom Kreistag des Landkreises Main-Spessart beschlossene Meldung nicht nach Brüssel weiterleiten. In diesem Sinne wird dem Landratsamt Main-Spessart zu antworten sein. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Freistaat Bayern seine bisherigen Meldungen, die das Hafenlohrtal nicht enthalten, für vollständig erklärt hat.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich möchte nochmals fragen: Ist der Kreistag MainSpessart in der Lage, direkt beim Bundesumweltministerium einen Antrag zu stellen, und ist dieser wirksam, ohne dass das Land Bayern hierzu gehört oder der Dienstweg eingehalten wird?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Zur Meldewürdigkeit habe ich Ihnen schon gesagt, dass es genau deshalb, weil das Land Bayern Ansprechpartner ist, keine Stellungnahme zum Hafenlohrtal, sondern lediglich einen Briefwechsel gegeben hat, was die Vollständigkeit der vorgelegten Unterlagen angeht. Darüber hinaus habe ich Ihnen gerade mitgeteilt, dass die Meldung als abgeschlossen angesehen wird. Das Ganze bezieht sich auf die erste Stufe. Die Diskussion könnte noch einmal aktuell werden, wenn sich die EUKommission die ausgewählten Gebiete anschaut und feststellt, dass die Meldung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder Lücken aufweist, zum Beispiel was die Qualität und den Netzcharakter der Gebiete angeht. In einem solchen Fall wäre das Land Bayern Ansprechpartner des Bundesumweltministeriums.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Christoph Zöpel zur Verfügung. Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Schüßler auf: Teilt die Bundesregierung die auf der Festveranstaltung des Deutschen Kulturrates am 26. September 2001 vertretene Auffassung des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Dr. Christoph Zöpel, wonach die auswärtige Kulturpolitik in Anbetracht der Terrorakte am 11. September 2001 in den USAin Zukunft radikal verändert werden müsse?

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schüßler, ich bin Ihnen für Ihre beiden Fragen außerordentlich dankbar. Mit Ihrer Erlaubnis würde ich auch gleich zu der Frage 9 Stellung nehmen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich auch die Frage 9 des Abgeordneten Schüßler auf: Stimmt die Bundesregierung der Auffassung des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Dr. Christoph Zöpel, zu, dass vor dem Hintergrund dieser Attentate als Erstes die Vermittlung deutscher Kultur im Ausland generell eingestellt werden müsse?

Not found (Gast)

Weder die Bundesregierung als Ganzes noch ich persönlich sind der Auffassung, dass die Vermittlung der deutschen Kultur im Ausland als Erstes generell eingestellt werden sollte. Allerdings bin ich der Auffassung - diese Auffassung teilt die Bundesregierung insgesamt; das wissen Sie, wenn Sie die Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den Ereignissen in New York und Washington gelesen haben -, dass Zeiten, die offenkundig historische Bedeutung haben, manchmal zur Zuspitzung von Begriffen und von Debatten führen. Ich erinnere daran, dass der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung den Begriff „Kampf für die Kultur“ gebraucht hat. Damit komme ich zu dem Kontext meiner Äußerungen. Wenn auf einer spontan angesetzten Veranstaltung des Deutschen Kulturrats unter dem Titel „Kultur und Gewalt“ dem Vertreter des Auswärtigen Amtes, also mir, von einem Sprecher des Kulturrats in zwar liebenswürdiger, aber sehr platter Absicht die Frage gestellt wird, ob nun die deutsche Kultur im Ausland stärker gefördert wird, dann macht es Sinn, in drastischer Weise darauf hinzuweisen, was im Augenblick geboten ist, nämlich sich darüber zu verständigen, was die Grundlagen der Pluralität deutscher Kultur sind, und für diese international zu werben. Ich habe die Kriterien genannt: der kategorische Imperativ, das Prinzip der Kritik und die Idee des ewigen Friedens. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass wir jetzt sehr radikal, das heißt von der Wurzel her, darüber nachzudenken haben, wie in der deutschen Kulturpolitik im Ausland um diese Prinzipien gerungen werden soll mit dem Ziel, dadurch internationale Gewalt abzubauen. Die Äußerung, die ich in diesem Kontext vor Kulturschaffenden gemacht habe, war meiner Ansicht nach das geeignete Mittel.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schüßler zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Gerhard Schüßler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003232, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich entnehme Ihren Äußerungen, Herr Staatsminister, dass Sie einräumen, dass während der Podiumsdiskussion eine solche Äußerung gefallen ist. Haben Sie nicht mitbekommen, dass ein Großteil der Anwesenden bei diesen Äußerungen merklich zusammengezuckt ist und dass anschließend hitzig darüber diskutiert worden ist? Räumen Sie ein, dass Sie sich, wie Sie es jetzt darstellen, zumindest missverständlich ausgedrückt haben, und wären Sie bereit, uns Ihre Position zur zukünftigen Gestaltung der auswärtigen Kulturpolitik schriftlich zur Verfügung zu stellen?

Not found (Gast)

Was Sie aus dieser Veranstaltung berichten, zeigt, dass die Zuspitzung in einer solchen Situation vor dem entsprechenden Publikum zu Diskussionen führte. Darum ging es mir und von daher glaube ich, das war ein richtiges Mittel zur Bewusstseinsbildung - in diesem Kreis von Kulturschaffenden; wir reden nicht von anderen Versammlungen, die einen anderen Zugang dazu hätten. Ich halte die Äußerungen, gerade nachdem Sie sie zitiert haben, weiterhin für richtig. Ich glaube, das war ein sinnvoller Beitrag zur Diskussion der Kulturschaffenden an diesem Tag. Was ich dort als die notwendigen Grundlagen eines pluralen Kulturverständnisses dargelegt habe, ist mitgeschnitten worden und kann Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung gestellt werden.

Gerhard Schüßler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003232, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Räumen Sie zumindest ein, dass dies einer Klarstellung bedarf? Denn es ist deutlich so verstanden worden, wie Sie es verkürzt ausgedrückt haben.

Not found (Gast)

Das ist dort möglicherweise sehr unterschiedlich verstanden worden. Ich habe mich bereits eingangs dafür bedankt, dass Sie vor allem für diejenigen, die das missverstanden haben können, die Gelegenheit gegeben haben, es vor dem Plenum des Deutschen Bundestages klarzustellen. Dafür noch einmal herzlichen Dank.

Gerhard Schüßler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003232, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sind Sie nach wie vor bereit, Ihre Position schriftlich zu vermitteln?

Not found (Gast)

Ich sagte eben, dass das, was ich dort geäußert habe, mitgeschnitten worden ist. Der Deutsche Kulturrat will es veröffentlichen. Ich habe es eben zugeleitet bekommen. Sobald es zeitlich möglich ist - ich gehe davon aus, dass das morgen ist -, bin ich gern bereit, Ihnen die durchgesehene Mitschrift zuzuleiten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl auf: In welcher Weise hat sich der Bundesminister des Innern, Otto Schily, nachhaltig für eine Einigung der Schengen-Staaten auf die unverzügliche Einführung eines strengeren Visa-Verfahrens eingesetzt, bei dem Fingerabdrücke genommen und Passeinträge kopiert werden, und warum konnte dies vor dem Hintergrund der Terrorakte am 11. September 2001 und der Gefahr vor weiteren Anschlägen nicht durchgesetzt werden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Uhl, das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt bemühen sich seit längerem um die Erhöhung der Sicherheit des Visumverfahrens. Erprobt wurde ein sicherheitstechnisches Verfahren zur Integration von Lichtbildern in die Visa. Wir haben dieses Konzept den Mitgliedstaaten vorgestellt und breite Zustimmung gefunden. Für die Änderung der EUVisummarkenverordnung hat die Kommission das Vorschlagsmonopol. Die Kommission hat angekündigt, in Kürze einen derartigen Vorschlag vorzulegen. Auf Anregung von Bundesinnenminister Otto Schily gegenüber EU-Kommissar Vitorino hat die Kommission eine Initiative zur Schaffung von EU-weiten Visadateien angekündigt. Künftig muss es möglich sein, Fingerabdrücke und Passeinträge in das Visumverfahren zu integrieren und zentral zu speichern. In dem Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes ist bereits die Erfassung von Fingerabdrücken bei Antragstellern aus Problemstaaten vorgesehen. Dieser Punkt wird in dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus aufgegriffen. Deutschland setzt sich für eine analoge Praxis in den Mitgliedstaaten ein.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Uhl zu einer ersten Nachfrage.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Körper, gehe ich dann recht in der Annahme, dass die Pressemeldungen von heute und den letzten Tagen unzutreffend sind, in denen verlautbart wird, dass sowohl die Grünen wie auch Herr Bundesaußenminister Joschka Fischer das Verfahren, bei der Visaerteilung Fingerabdrücke zu nehmen, nach wie vor ablehnen? Dies ist deswegen wichtig zu wissen, weil die Fingerabdrücke in seinem Amtsbereich, in den deutschen Auslandsvertretungen, genommen werden müssen. Wenn er dies also ablehnt, käme Herr Innenminister Schily nicht zu seinem Ziel.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Diese von Ihnen zitierten Pressemeldungen beziehen sich nicht auf unser Haus und auch nicht auf den Bundesinnenminister. Insofern kann ich nicht weiter kommentieren, inwieweit diese Pressemitteilungen den Sachverhalt korrekt wiedergeben. Tatsache ist, dass wir uns derzeit gemeinsam eine Lösung dieser Probleme überlegen. Ich habe in meiner Antwort bereits die Stichworte Zuwanderungsgesetzgebung und Antiterrorpaket genannt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Uhl.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Weil es etwas unübersichtlich erscheint, wie sich die Koalition einigt, und das Zuwanderungsgesetz, das Sie erwähnt haben, noch nicht unmittelbar vor dem In-Kraft-Treten steht, frage ich: Können Sie sich einen zeitlichen Rahmen vorstellen, innerhalb dessen es zu der Neuregelung kommt, dass vor Erteilung eines Visums ein Fingerabdruck genommen wird?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich bin kein Prophet und kann nicht verkünden, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist. Aber dass Identifizierungsmaßnahmen bei der Einreise ein ganz wichtiger Punkt sind - das ist aus Äußerungen bekannt geworden -, dürfte auch Ihnen nicht entgangen sein. Wir werden uns um Regelungen bemühen, die dem gerecht werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich die Frage 11 des Kollegen Dr. Hans-Peter Uhl auf: Wird die Bundesregierung gewaltbereite islamistische Extremisten ausweisen und dazu die entsprechenden Regelausweisungstatbestände schaffen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Uhl, nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes wird das Ausländerrecht von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Aufenthaltsrechtliche Entscheidungen - und damit auch die Entscheidung über die Beendigung des rechtsmäßigen Aufenthalts in Deutschland - hat daher die örtlich zuständige Ausländerbehörde des Landes nach der geltenden Rechtslage zu treffen. Sie ist dabei nur an die Weisungen ihrer übergeordneten Landesbehörden sowie an die Entscheidungen der Gerichte und - falls ein Asylverfahren durchgeführt wurde - des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gebunden. Das Bundesministerium des Innern hält eine Ergänzung der Regelausweisungsgründe des § 47 Abs. 2 des Ausländergesetzes für überlegenswert. Es wird jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass die Problematik des Aufenthaltes extremistischer Gewalttäter in der Bundesrepublik Deutschland nicht im Bereich der Ausweisungstatbestände liegt, sondern im Bereich der Abschiebung. Diese kann oftmals nicht durchgeführt werden, da aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen Abschiebungshindernisse bestehen. Das Grundgesetz auf der einen Seite und internationale Vereinbarungen auf der anderen Seite erlauben keine grundlegende Rechtsänderung in diesem Bereich.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Uhl, bitte.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Körper, stimmen Sie mir zu, dass islamistische Terroristen nach geltender Rechtslage erst dann ausgewiesen werden können, wenn sie bereits einen Terroranschlag begangen haben, nicht aber dann, wenn sie zum Beispiel im Rahmen der jetzt angelaufenen Rasterfahndung als Mitglied einer extremistischen Vereinigung erfasst werden? Wenn sie also den Terroranschlag nur planen, aber noch nicht begangen haben, dann können sie nach geltender Rechtslage nicht ausgewiesen werden. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass hier im Gesetz eine Lücke besteht und dass der Bundesgesetzgeber den Regelungstatbestand diesbezüglich ergänzen muss, dass also Terroristen noch vor Verübung des Terroranschlages ausgewiesen werden können? Konkret gefragt: Hätte nicht Herr Atta vor dem 11. September 2001 ausgewiesen werden müssen? Ob man ihn dann abschieben kann, ist eine andere Frage, die den Vollzug dieses Ausweisungstatbestandes betrifft. Erst einmal geht es um den Ausweisungstatbestand.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Uhl, ich habe vorhin in meiner Antwort gesagt, dass die Bundesregierung die Ergänzung des derzeit bestehenden § 47 Abs. 2 des Ausländergesetzes, der die Regelausweisungsgründe beinhaltet, für überlegenswert erachtet. Sie haben aber zu Recht darauf hingewiesen, dass man zwischen Ausweisungstatbeständen auf der einen Seite und Abschiebemöglichkeiten auf der anderen Seite unterscheiden muss. Da das so ist, erweist sich auch diese Fragestellung als ein bisschen schwieriger. Ich sage immer wieder: Solche konstruierten Fälle setzen natürlich voraus, dass man eine gewisse Kenntnis über Personen hat. Ansonsten machen solche Überlegungen keinen Sinn.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Uhl hat noch eine letzte Nachfrage, bitte.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bei dem Thema, über das wir gerade reden, ist ja Gefahr im Verzug. Wir wissen - und alle Dienste sagen es -, dass es gewaltbereite Terroristen im Lande gibt, dass wir nur zu wenig darüber wissen und deswegen jetzt die Rasterfahndung angelaufen ist. Wir hoffen aber doch, dass diese Rasterfahndung Erfolg haben wird. Deswegen die Frage: Sind Sie bereit, schon jetzt unverzüglich gesetzgeberische Maßnahmen anlaufen zu lassen, damit wir für den Fall, dass wir dieser gemeingefährlichen Verbrecher habhaft werden können, diese zumindest ausweisen und in Abschiebehaft nehmen können, wenn wir sie dann noch nicht abschieben können?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Uhl, zwei Bemerkungen dazu: Wir sollten in der jetzigen Situation mit dem Verbreiten beispielsweise von Zahlen ein bisschen vorsichtig sein. ({0}) - Nein, das weiß ich. Aber Sie haben gesagt, es sei zu vermuten, dass zahlreiche Extremisten, die diesem Umfeld zuzurechnen sind, in Deutschland leben oder wohnen. Ich sage das deswegen, weil die Erkenntnislage nicht so ist, dass man diesen Satz ohne weiteres unterstreichen kann. Das ist das Erste. Als Zweites will ich mir den Hinweis erlauben, dass die Bundesregierung bereits in der vorletzten Kabinettssitzung ein erstes Antiterrorpaket mit drei sehr konkreten Maßnahmen vorgelegt hat. Was im Übrigen die Frage des Vereinsrechts und der Streichung des Religionsprivilegs anbelangt, so ist das eine Initiative, die der Bundesinnenminister schon am 5. September vorgelegt hat. Interessanterweise hatte am 5. September kein Mensch davon Kenntnis genommen. Dies hat erst im Nachhinein eine gewisse Aktualität erhalten. Die Bundesregierung bereitet derzeit ein zweites so genanntes Antiterrorpaket vor, das auch die Frage umfasst, ob und inwieweit beispielsweise die Regelausweisungsgründe ergänzt bzw. verändert werden können. Entsprechende Überlegungen dazu müssen Gegenstand dieses Paketes sein.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Margareta Wolf zur Verfügung. Da der Kollege Kolb momentan nicht anwesend ist, aber angekündigt hat, dass er noch kommen wird, rufe ich jetzt erst einmal die Frage 14 des Kollegen Klaus Hofbauer auf: Welche Akzente setzt die Bundesregierung, um den Wirtschaftszweig Tourismus in den Grenzregionen zu den Beitrittsländern zu stärken und für die Osterweiterung fit zu machen?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Herr Hofbauer, wenn Sie erlauben, würde ich gern die Fragen 14 und 15 zusammen beantworten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich auch die Frage 15 auf: Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, warum in der „Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Auswirkungen der Erweiterung für die an Beitrittsländer angrenzenden Regionen - Gemeinschaftsaktion für Grenzregionen“ vom 25. Juli 2001 der Bereich Tourismus weder bei den Förderkriterien noch bei den allgemeinen Aussagen angesprochen wird, obwohl dieser Wirtschaftszweig in den Grenzregionen eine wichtige Rolle spielt und sich im Rahmen der Osterweiterung auf viele Veränderungen einzustellen hat?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Bei der Mitteilung der Kommission handelt es sich um eine Untersuchung der Grenzregionen, die unter drei Hauptaspekten durchgeführt wurde: Zum Ersten wurden die sozioökonomische Lage und die voraussichtlichen Auswirkungen der Erweiterung auf die Grenzregionen untersucht. Der zweite Punkt betrifft die vorhandene Gemeinschaftshilfe zugunsten der Grenzregionen. Der dritte Punkt sind mögliche Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in den Grenzregionen. Die Untersuchung deckt naturgemäß das gesamte Spektrum der Wirtschaft ab, ohne dabei auf einzelne Branchen einzugehen. Dies entspricht, wie Sie wissen, der Natur der Fördermaßnahmen, die nicht branchenbezogen, sondern als Querschnittsmaßnahmen erfolgen, wie dies zum Beispiel auch bei uns in der Bundesrepublik der Fall ist. Die Grenzregionen zu den Beitrittsländern profitieren im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative Interreg auch bei Tourismusprojekten. In Sachsen beispielsweise wurden in der Förderperiode zwischen 1994 und 1999 im Rahmen von Interreg II A von insgesamt circa 570 Projekten 71 Projekte im Bereich des Tourismus realisiert. Damit wurden rund 6,8 Prozent der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel der EU aus dem EFRE für Tourismusprojekte in den sächsischen Grenzregionen zu Tschechien und Polen verwendet. In den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wurden 27 Projekte im Rahmen von Interreg II A auf dem Gebiet der Kommunalgemeinschaft Pomerania im Bereich Tourismus durchgeführt. Das heißt, von insgesamt 190 Interreg-Projekten stammen 14 Prozent aus den EFRE-Mitteln. Auch in der neuen Förderperiode von 2000 bis 2006 ist der Bereich Tourismus förderfähig. Die spezifischen Ziele und Maßnahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich Tourismus sind in den Programmen der Gemeinschaftsinitiative für die einzelnen Grenzräume festgelegt. Die Umsetzung der Programme erfolgt - das wissen wir - in regionaler Zuständigkeit durch die jeweiligen Bundesländer. Abgesehen von den angesprochenen Punkten profitiert der Tourismus auch von der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Infrastruktur“ und der EUStrukturpolitik. Die Auswahl und die Gestaltung der Projekte sind dabei Angelegenheit der Länder und erfolgen durch die Akteure vor Ort. Da der Begriff Grenzregion nicht definiert ist, ist eine diesbezügliche konkrete Ausweisung von Tourismusprojekten sehr schwierig. Seit 1991 sind insbesondere in den neuen Bundesländern Tourismusmaßnahmen in hohem Umfang mit GAMitteln gefördert worden. 17 Prozent der Investitionszuschüsse im Infrastrukturbereich und 7 Prozent der für Investitionen der gewerblichen Wirtschaft aufgewandten GA-Mittel kamen dem Tourismus zugute. Abgesehen von diesen Maßnahmen des allgemeinen Förderinstrumentariums fördert die Bundesregierung einzelne Projekte zugunsten des Tourismus. So unterstützt die Bundesregierung im Rahmen eines Projektes zur Förderung des Fahrradtourismus aus dem Titel „Leistungssteigerung im Tourismusgewerbe“ Maßnahmen zur Koordinierung und Vermarktung eines deutschlandweiten Radfernwegenetzes und entwickelt hierzu 2001 und 2002 den Oder-Neiße-Radweg als Modellroute. Schließlich kommen die Grenzregionen auch für das Marketing der Deutschen Zentrale für Tourismus in Betracht. Konkrete Entscheidungen hierzu werden durch den DZT-Auslandsmarketingausschuss für das Marketing im Ausland und den DZT-Inlandsmarketingausschuss für das Marketing innerhalb Deutschlands unter Beteiligung der verschiedenen Verantwortungsträger vorgenommen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist der Kollege Hofbauer mit seinen Nachfragen an der Reihe, bitte.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wir alle wissen, dass dieses Programm, das sehr groß angekündigt wurde, für die Gemeinschaftsaktion in den Grenzregionen gerade im Bereich Sektorwirtschaftsförderung minimal ausgefallen ist. Soweit ich informiert bin und nach dem, was ich im Programm gelesen habe, sind diese Maßnahmen sehr konkret beschrieben: 150 Millionen DM für den Straßenbau und lediglich 10 Millionen DM für die mittelständische Förderung. Zu diesem Programm möchte ich eine perspektivische Frage stellen: Warum hat sich die Bundesregierung nicht dafür verwendet, dass der Tourismus in diesem Programm eine ganz konkrete Rolle spielt? Denn wir stimmen hoffentlich darin überein, dass der grenzüberschreitende Tourismus eine riesengroße Chance ist, die Osterweiterung vorzubereiten bzw. uns für die Osterweiterung fit zu machen. Warum steht hierzu nichts in diesem Programm? Hat die Bundesregierung hierzu keine Vorschläge gemacht? Meine zweite Frage: Sind Sie, Frau Staatssekretärin, und Ihr Haus bereit, die Zusammenarbeit in ein paar konkreten Punkten zu verstärken und zu vertiefen, zum Beispiel beim Austausch von Arbeitskräften? Sie wissen, dass gerade in den Grenzregionen - ich möchte hier den bayerischtschechischen Grenzraum ansprechen - Arbeitskräfte auf bayerischer Seite fehlen. Können Sie vielleicht prüfen, ob man nicht diese Grenzgängerregelung, die bereits besteht und die sich bewährt hat, im Hinblick auf die Osterweiterung weiter stärken kann? Meine dritte Frage: Ich kann mir aus der Praxis heraus vorstellen, im Bereich des Tourismus und der Wirtschaft insgesamt das Thema Ausbildung in den Mittelpunkt der Osterweiterung zu stellen. Ist es möglich, schon jetzt jungen Menschen aus den Beitrittsländern bei uns eine qualifizierte Ausbildung - sprich: die gleiche Ausbildung wie unseren jungen Menschen - zu geben? Das wären Perspektiven für die Zukunft und Schritte, mit denen schon jetzt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit intensiviert werden könnte.

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Sehr geehrter Herr Kollege Hofbauer, um mit dem letzten Punkt anzufangen: Auch ich halte im Hinblick auf den Tourismus und insbesondere die Ausbildung im Tourismusbereich eine stärkere Fokussierung der Debatte auf die EU-Osterweiterung für einen ganz zentralen Punkt. Ich glaube, dass durch geeignete Maßnahmen auf diesem Feld Hemmschwellen und Ängste, die vor allem diesseits der Grenze bestehen, abgebaut werden können. Was Sie in Bezug auf die Grenzgängerregelung gefragt haben, werde ich gerne in meinem Haus recherchieren und Ihnen eine schriftliche Antwort zukommen lassen. Lassen Sie mich zu Ihrer ersten Frage kommen: Sie wissen, dass die Europäische Union die Beitrittsländer bei ihren Reformbemühungen in dem Zeitraum von 2000 bis 2006 mit so genannten Heranführungshilfen in Höhe von fast 22 Milliarden Euro unterstützt. Ich denke, angesichts der Situation in den potenziellen Beitrittsländern ist es relativ klar, dass diese Investitionen zur Stärkung des Tourismus in den Grenzregionen zunächst in Infrastrukturmaßnahmen - in den Verkehrs- und Umweltbereich sowie in die Modernisierung der Verwaltung; ich sehe auf diesem Wege große Chancen für die betroffenen Regionen geflossen sind. Ich denke, solche Maßnahmen sind die Voraussetzung dafür, eine moderne und leistungsfähige Tourismuswirtschaft aufzubauen, wenngleich es notwendig ist, stets die Stärkung des Tourismus in den Mittelpunkt zu stellen. Ich habe Ihnen in diesem Zusammenhang Projekte aus Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg vorgestellt, die wir unterstützen. In der Förderperiode von 2000 bis 2006 soll speziell die Entwicklung eines hochwertigen und umweltfreundlichen Tourismus gefördert werden, insbesondere durch Investitionen und Konzeptionsprojekte sowie zum Beispiel durch Kulturreisen, die ich im Interesse der Völkerverständigung für sehr wichtig halte, oder durch Projekte des Ökotourismus. Wir wollen auf diese Weise die Standortattraktivität erhöhen und die Schaffung von Arbeitsplätzen - Sie haben das Thema angesprochen - durch Förderung endogenen Potenzials ermöglichen. Ich teile dabei die in Ihren Fragen implizit ausgedrückte Meinung, man müsse in den drei angesprochenen Grenzregionen, vor allem in der Grenzregion Bayern/Tschechien, sehr viel mehr Aufbauarbeit leisten, um sie tatsächlich als Tourismusstandort attraktiv zu machen, als das in anderen Regionen - ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Süderweiterung - der Fall war. Ich kann Ihnen versichern, dass die Entwicklung des Tourismus, der ja im Ressort des Bundeswirtschaftsministeriums angesiedelt ist, auch bei den Reisen, die ich in die Grenzregionen zu Tschechien, Ungarn oder Polen unternehme, eine zentrale Rolle spielen wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Kolb konnte doch nicht kommen; er hat rechtzeitig Bescheid gesagt. Deshalb werden die Fragen 12 und 13 schriftlich beantwortet. Ich sehe gerade, dass der Kollege Seifert noch eine Nachfrage zu der Frage des Kollegen Hofbauer hat.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, es ist sehr freundlich, dass Sie verschiedene Projekte wie zum Beispiel den Radweg entlang der Oder und Neiße aufgeführt haben; mich würde interessieren, wann dieser Radweg endlich fertig wird. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen: Wäre es nicht auch eine Aufgabe für das Bundesministerium für Wirtschaft, in den Regionen diesseits der Grenze Sprachkurse zu fördern, um den Hoteliers und Betreibern von Restaurants die Möglichkeit zu geben, die Sprachen ihres Nachbarlandes, zum Beispiel Tschechisch oder Polnisch, zu lernen? Wenn wir in unsere Nachbarländer fahren, gehen wir ganz selbstverständlich davon aus, dass dort Deutsch gesprochen wird und uns Speisekarten in deutscher Sprache vorgelegt werden. Umgekehrt werden auch Gäste aus Tschechien oder Polen in Deutschland essen, trinken oder übernachten. Sehen Sie in diesem Zusammenhang irgendwelche Fördermöglichkeiten bzw. haben Sie bereits Maßnahmen eingeleitet?

Margareta Wolf-Mayer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002831

Herr Kollege Seifert, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, mit dem Problem, dass Tschechen oder Polen nicht in der Lage sind, deutsche Speisekarten zu lesen, sind wir noch nicht unmittelbar konfrontiert worden. Ich werde das Problem gerne recherchieren und in den Gesprächen, die ich vor Ort führe, ansprechen. In einem Punkt möchte ich Ihnen aber widersprechen: Ich gehe - ebenso wie viele andere Deutsche, die im europäischen oder außereuropäischen Ausland Urlaub machen - nicht davon aus, dass Speisekarten in deutscher Sprache vorliegen. Wenn sie auf Deutsch wären, würde ich persönlich das Lokal nicht betreten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Hartmut Koschyk auf: Hat der Bundesrechnungshof bereits das Ressortkonzept der Bundesregierung zur Feinausplanung und Stationierung der Bundeswehr auf seine Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hin geprüft, und falls nein, wie gelangte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, Walter Kolbow, zu der Feststellung, dass die Auflösung des Luftwaffenausbildungsbataillons in Bayreuth „bundesrechnungshoffest“ sei, so der „Nordbayerische Kurier“ vom 4. August 2001?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Lieber Herr Kollege, die Bundesregierung hat die Entscheidung zur Stationierung vom 16. Februar 2000 auf Grundlage funktionaler, ökonomischer und sozialer Kriterien sowie wirtschafts- und strukturpolitischer Aspekte getroffen. Das galt und gilt auch für den Standort Bayreuth. Bis zum 30. März 1993 wurde der Standort Bayreuth vorwiegend durch das Heer genutzt. Nach Auflösung einer Reihe von gepanzerten Verbänden durch die damalige CDU/CSU-FDP-Bundesregierung erfolgte gegen den Willen der Luftwaffe die Verlegung des II. Bataillons des Luftwaffenausbildungsregiments 3 nach Bayreuth, obwohl die Zahl der Wehrpflichtigen schon im Rahmen des Personalstrukturmodells von 495 000 auf 370 000 zurückging. Nach Aussage der Luftwaffe war die Markgrafenkaserne in Bayreuth von Anfang an für sie und ihre Zwecke unwirtschaftlich. Deshalb hat mein Kollege Walter Kolbow Recht, wenn er die Auflösung des Bataillons als wirtschaftlich sinnvoll darstellt. Ich verkenne natürlich nicht, dass die besonders bundeswehrfreundliche Stadt Bayreuth den Abzug der Luftwaffe sehr bedauert. Dies alles habe ich Ihnen allerdings bereits am 28. März und am 9. Mai mitgeteilt. Der Bundesrechnungshof - um auch das anzumerken ist bei Planungen der Bundesregierung zwar dem Grunde nach mitberatend tätig. Aber er hat sich zu dem vorliegenden Fall überhaupt nicht geäußert. Es gibt allerdings den unbestrittenen Nachweis, dass die Wirtschaftlichkeit des Standortes des Ausbildungsbataillons nie im eigentlichen Sinne gegeben war.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Koschyk, zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich habe Sie gefragt - weil Staatssekretär Kolbow davon gesprochen hat, dass die Entscheidung „bundesrechnungshoffest“ sei -, ob sich der Bundesrechnungshof bislang in irgendeiner Weise mit dem Stationierungskonzept befasst hat und, wenn ja, mit welchem Ergebnis. Diese Frage haben Sie nicht beantwortet.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Koschyk, wenn der Kollege Kolbow, der seit 1980 Mitglied des Deutschen Bundestages ist, von „bundesrechnungshoffest“ spricht, dann meint er sicherlich, dass man die wirtschaftlichen Bedingungen betrachten muss. Es bleibt auch in Zukunft wahr, dass Sie eine ganze Reihe von Stationierungsmaßnahmen aus reinem politisch-taktischem Kalkül und nicht aus Gründen sinnvoller wirtschaftlicher Gestaltung durchgeführt haben. Wenn Sie Letzteres getan hätten, dann hätte die Bundeswehr jetzt mehr Geld für andere Dinge zur Verfügung. Deswegen konnte der Kollege Kolbow sehr wohl - er hat es übrigens nicht so getan, wie Sie es in Ihrer Frage darstellen; ich habe sie mir inzwischen genau durchgelesen - von „bundesrechnungshoffest“ sprechen; denn wenn der Bundesrechnungshof dies im Einzelnen geprüft hätte, dann hätte er schon 1993 festgestellt, dass Ihre Maßnahmen nicht sinnvoll sind. Daher halte ich die Aussage von Walter Kolbow unter dem Gesichtspunkt dessen, was der Bundesrechnungshof tut und prüft, für sehr wohl verantwortbar und auch für berechtigt. Die Bundesregierung als die verantwortlich Handelnde muss im Übrigen ohnehin nach Recht, Ordnung und Wirtschaftlichkeit vorgehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Koschyk, bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da Sie auf die Vorgeschichte der Entwicklung des Bundeswehrstandortes in Bayreuth eingegangen sind, möchte ich Sie fragen: Hat denn die Bundesregierung geprüft, ob die, so haben Sie es jetzt dargestellt, schlechte Betriebskostenbilanz nicht hätte verbessert und die Nutzung des Areals der Markgrafenkaserne nicht hätte optimiert werden können, wenn man auf dem Kasernengelände, auf dem sich nicht nur das Luftwaffenausbildungsbataillon, sondern auch ein Verteidigungsbezirkskommando befindet, noch weitere Bundeswehreinrichtungen untergebracht hätte, zum Beispiel das Kreiswehrersatzamt der Stadt Bayreuth und eine Außenstelle der Standortverwaltung in Ebern? Dies wäre meines Erachtens geboten gewesen, bevor die Entscheidung getroffen wurde, den Standort in Bayreuth aufzulösen - die Aussichten für die Verwertung des Areals sind sehr schlecht - und ein Luftwaffenbataillon am Standort Wittstock in Brandenburg für 214 Millionen DM neu anzusiedeln.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das ist in meinen Augen nun wirklich sehr gediegen, was Sie hier feststellen. Erstens halte ich es für selbstverständlich - ich wundere mich deshalb, dass gerade Sie offenbar anderer Meinung sind -, dass wir das Aufkommen junger Wehrpflichtiger auch für die Luftwaffe mit einem Standort in den neuen Bundesländern bedienen. Das finde ich eigentlich selbstverständlich. Zweitens: Herr Kollege Koschyk, ich bin ein ordentlicher Mensch. Am 9. Mai 2001 habe ich Ihnen gesagt, dass Ihre Vorstellung, das Kreiswehrersatzamt Bayreuth in die Markgrafenkaserne zu verlegen, das Problem nicht löst. Denn schon jetzt ist die Bayreuther Markgrafenkaserne mit über 1 000 Soldaten nicht ausgelastet gewesen. Wir haben zu viele Liegenschaften, die wir unterhalten müssen, die unwirtschaftlich sind. Es handelt sich um technische Gebäude, die früher das deutsche Heer mit gepanzerten Verbänden gebraucht hat. Es lohnt sich, sich das anzusehen. ({0}) - Das ist überhaupt kein Unsinn, weil die gepanzerten Verbände leider aufgrund der deutschen Teilung dorthin verlegt werden mussten. Wir finden die gleiche Situation in Niedersachsen. Gott sei Dank brauchen wir gepanzerte Verbände in diesem Umfange heute nicht. Das ist das Erfreuliche an dieser ganzen Geschichte. Herr Koschyk, ich wiederhole es: Die Sympathie, die der Bundeswehr in Bayreuth entgegenkommt, gibt es genauso - weil ich gerade den Kollegen aus Hildesheim sehe - in Hildesheim, in Holzminden oder in einem anderen Standort. Die Wirtschaftlichkeit der Bundeswehr war damit nicht gegeben. Wir brauchen heute die Verbände, die wir auch in der Zukunft benötigen. Wir bilden in der Zukunft bei der deutschen Luftwaffe weniger junge Wehrpflichtige aus, als es in der Vergangenheit der Fall war. Übrigens gehen auch die Jahrgangsstärken zurück. Deswegen brauchen wir weniger Bataillone. Deswegen war es auch schon 1993 nicht nachzuvollziehen, dass man ausgerechnet bei einem Rückgang der Zahl der Wehrpflichtigen von 495 000 auf 370 000 - 330 000 oder 340 000 war ja die Personalkonzeption der alten Bundesregierung - ein zusätzliches Bataillon verlegt. Das war die ganze Wahrheit. Notwendig war es - deswegen der Hinweis auf Brandenburg -, dass in den neuen Bundesländern selbstverständlich auch ein Ausbildungsstandort für das Aufkommen der jungen Leute dort eingerichtet wurde. So ist es. Das tut mir nun sehr Leid für Sie, Herr Koschyk, ich verstehe das sehr gut. Gerade ein Ausbildungsbataillon ist für einen Standort etwas Hervorragendes, aber bei der Frage der Verlegung ging es von Anfang an mehr um eine politische - ich sage nicht: parteipolitische - Entscheidung als darum, ob die Entscheidung wirtschaftlich sinnvoll war.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Fragen 17 und 18 des Kollegen Günther Friedrich Nolting werden schriftlich beantwortet. Deswegen kommen wir jetzt schon zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Hilsberg zur Verfügung. Die Frage 19 des Kollegen Dörflinger wurde zurückgezogen, die Frage 20 des Kollegen Hinsken wird schriftlich beantwortet. Deswegen rufe ich jetzt die Frage 21 des Kollegen Dr. Norbert Röttgen auf - es geht um einen Flughafen, den wir alle noch ganz gut kennen, den Flughafen Köln/Bonn -: Warum hat die Bundesregierung keine verbindliche Entscheidung bzw. Stellungnahme der Europäischen Kommission hinsichtlich der Umsetzung der zwei noch ausstehenden Punkte des „22-Punkte-Kataloges“ zur Regelung des Nachtflugs auf dem Flughafen Köln/Bonn eingeholt ({0})?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Röttgen, die Bundesregierung sieht nach den Ausführungen der EU-Kommission, die ihre europarechtlichen Bedenken zum Ausdruck bringen, keine Veranlassung, eine weitere Entscheidung bzw. Stellungnahme hinsichtlich der Umsetzung der zwei noch ausstehenden Punkte des 22-Punkte-Katalogs zur Regelung des Nachtflugs auf dem Flughafen Köln/Bonn einzuholen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Röttgen hat das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Finden Sie das nicht sehr unverständlich? In diesem kurzen Schreiben - ein anderthalbseitiges Schreiben; ich habe es hier, mit „Dear Thilo“ überschrieben - zu einer komplexen Rechtsfrage - auch der Sachverhalt ist kompliziert - wird in der ersten Hälfte überhaupt nur die Normenlage referiert, es findet also gar keine Untersuchung statt, und zum anderen legt sich dieses Schreiben - ich möchte zwei Punkte daraus zitieren - überhaupt nicht inhaltlich fest. Es heißt: „In Ihrem Fall scheinen die Vorschriften von Art. 9 geeigneter zu sein...“ Es erfolgt noch nicht einmal eine Festlegung, welche Vorschrift überhaupt einschlägig ist, sondern es ist eine Annahme, ein Schein. Der Schein kann aber auch trügen. Am Ende dieses Schreibens heißt es ausdrücklich: Ich möchte hinzufügen, dass es sich hier um eine vorläufige Untersuchung handelt ... unbeschadet der Stellungnahme der Kommission, falls sie eine wirkliche Entscheidung treffen müsste. Halten Sie es angesichts dieses kurzen Schreibens, das aber klarlegt, dass es vorläufig und inhaltlich nicht festlegend ist, nicht für völlig ausgeschlossen, von einer verbindlichen umfassenden Stellungnahme auszugehen, die keinen weiteren Prüfungsbedarf auslöst?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Röttgen, Sie haben völlig Recht: Es ist eine vorläufige Stellungnahme. Allerdings sind die Argumente, die sich in dieser Stellungnahme befinden - Ihnen liegt der Brief vor -, so stichhaltig, dass wir zu der Überzeugung gekommen sind, eine verbindliche Stellungnahme erübrige sich, weil sie zu keinem anderen Schluss kommen würde als dem, dass diese beiden offenen Punkte zur Regelung des Nachtflugs noch behandelt werden müssen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Röttgen, bitte.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie verstehen, dass die vom Fluglärm betroffenen Menschen dann, wenn gar nicht wirklich geprüft wird, die Bundesregierung aber sagt: „Wir sehen dennoch überhaupt keinen Prüfungsbedarf“, den Eindruck haben, dass Sie gar nichts zur Minderung des Fluglärms tun wollen? Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine erschöpfende oder auch nur ansatzweise erfolgte Untersuchung der Rechtsfrage vorliegt, und Sie verweigern die Untersuchung. Wollen Sie also gar nicht untersuchen? Es kann gar kein anderer Schluss übrig bleiben.

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Röttgen, ich denke, dass auch die Bürger in der Nachbarschaft des Flughafens Köln/Bonn keinen Anlass haben, an unserem Willen, zu einer weiteren Entlastung zu kommen - wie bei allen anderen Flughäfen auch -, wie es im Flughafenkonzept festgelegt ist, zu zweifeln, weil sie eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Expansion im Luftverkehr darstellt. Der Sachverhalt, der sich ergibt, ist aber etwas klarer, als Sie ihn darstellen. Ich will das mit einem Beispiel belegen. Bei einem der beiden offenen Punkte, die dort angesprochen worden waren und um deren Behandlung die Europäische Kommission gebeten worden war, ging es darum, ein Nachtflugverbot für Flugzeuge ab einem bestimmten Gewicht, ab einer bestimmten Größe festzulegen. Aus der Antwort geht sehr klar hervor, dass man eine solch klare Grenze nicht ziehen kann, weil es keineswegs so ist, dass Flugzeuge ab einem bestimmten Gewicht sehr viel lauter sind als solche, die dieses Gewicht nicht haben. Ein solches konditioniertes Verbot wäre kein Instrument gewesen, um tatsächlich und wirksam zu einer Verbesserung der Nachtruhe beizutragen. Ein ähnlicher Sachverhalt findet sich auch bei dem anderen Punkt. Das ist der eigentliche Grund dafür gewesen, dass wir gesagt haben: Wir wollen an dieser Stelle auf eine weitere Prüfung verzichten, weil sich der Sachverhalt klar ergibt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir bleiben beim Fluglärm in Köln/Bonn. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Norbert Röttgen auf: Besteht aus Sicht der Bundesregierung eine mit dem EU-Recht konforme Möglichkeit, Regelungen umzusetzen, die zu einer nachhaltigen - insbesondere nächtlichen - Fluglärmreduzierung am Flughafen Köln/Bonn führen, und, wenn ja, welche Vorgaben sind dabei zu beachten?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Ja. Wir treten auf internationaler und auch auf EU-Ebene für die Ausschöpfung der technischen Maßnahmen zur Lärmreduzierung ein. Darüber hinaus ist eine Novellierung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm in Vorbereitung, mit der die Schutzzonen durch deutlich verschärfte Grenzwerte insbesondere für die Nacht, die bisher nicht durch eine eigene Schutzzone definiert wurden, neu bestimmt werden. EU-konforme Maßnahmen gegebenenfalls zusätzlicher Art, die aufgrund der örtlichen Verhältnisse einzuführen sind, müssen nach Art. 8 und 9 der Verordnung des Rates 2408/92 den Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit folgen. Bei einer Betriebsbeschränkung für große Flugzeuge wäre die Einhaltung dieser Prinzipien nicht gewährleistet, weil es Flugzeuge gibt, die weniger Masse haben, aber beim Start und bei der Landung lauter sind.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Röttgen zu einer ersten Nachfrage.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe nicht nach der allgemeinen Politik gefragt, sondern danach, wie Sie sich um diesen konkreten Fall kümmern. Sie haben eben ausgeführt, Sie hätten europarechtliche Bedenken gegen zwei Punkte, die der Landtag von Nordrhein-Westfalen beschlossen hat. Ich habe schon gesagt, dass dafür keine Begründung geliefert worden ist, auch nicht von der Europäischen Kommission. Wenn Sie der Auffassung sind, das gehe so nicht, dann stehen die Bundesregierung und die nordrhein-westfälische Landesregierung in der Pflicht, Alternativen für den konkreten Fall - es geht nicht darum, was im Allgemeinen gemacht wird - zu überlegen und zu versuchen, sie umzusetzen. Dahin zielte meine Frage, die ich jetzt noch einmal wie folgt stellen möchte: Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung, wenn sie den einen Weg für nicht gangbar hält, unternommen, um auf europarechtskonforme Weise zu dem Ziel zu gelangen, und sind Ihnen Initiativen der betroffenen Landesregierung bekannt? Ich frage dies auch vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der eine staatliche Schutzpflicht für den Fall von Fluglärm - es ging um den Flughafen Heathrow in Großbritannien - anerkannt hat.

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Erstens. Die Rechtslage in Großbritannien ist eine andere, sodass ein Urteil wie das des Europäischen Gerichtshofs im Zusammenhang mit Heathrow bei uns so nicht möglich wäre. Zweitens. Es ist nicht unsere Aufgabe, selbst Initiativen zu ergreifen. Sollten an uns aber neue Vorschläge herangetragen werden, die zu einer Verbesserung der Lärmsituation vor Ort beitragen können, so werden wir selbstverständlich in bewährter Art und Weise und in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden überlegen, inwiefern sie durchsetzbar und hilfreich sind. ({0}) - Mir ist eine solche Initiative vonseiten der Landesregierung bisher nicht bekannt, was nicht ausschließt, dass sie im Haus schon vorliegt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 23 des Abgeordneten Helmut Heiderich auf: Mit welchen Finanzierungsbeträgen wird die Bundesregierung in den kommenden fünf Jahren die grundhafte Erneuerung mit dem Anbau eines zusätzlichen Fahrstreifens in allen Steigungsstrecken auf der Bundesautobahn A 4 zwischen dem Kirchheimer Dreieck und der Landesgrenze Hessen/Thüringen durchführen und welche Reihenfolge der Bauabschnitte ist dabei vorgesehen?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Sehr geehrter Herr Heiderich, ich muss Ihnen jetzt zwei Seiten vorlesen. Sie haben danach gefragt, wie der Ausbauplan sein wird. Die Antwort ist relativ detailliert. Ich bitte Sie also um etwas Geduld.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Solange wir nicht selber mitbauen müssen, geht das.

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Das müssen Sie nicht. Das machen selbstverständlich wir in bewährter Weise für Sie. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll der östliche Abschnitt Wommen-hessisch/thüringische Grenze mit einem Mitteleinsatz von rund 125 Millionen DM gebaut und fertig gestellt werden. Die aus den sechs Abschnitten Kirchheim, Bad Hersfeld/West, Anschlussstelle Bad Hersfeld, Bad Hersfeld/Ost, Friedewald und Wildeck bestehende insgesamt rund 36 Kilometer lange und rund 410 Millionen DM teure westliche Teilstrecke soll kontinuierlich von West nach Ost ausgebaut werden. Der als Vorabmaßnahme bereits in Bau befindliche rund 1 Kilometer lange und rund 32 Millionen DM teure Abschnitt Anschlussstelle Bad Hersfeld wird im Sommer 2002 fertig gestellt. Als zweite Vorabmaßnahme soll sich ab Mitte 2002 bis Mitte 2003 der Bau des zum Abschnitt Friedewald gehörenden bereits baureifen, rund 9 Millionen DM teuren beidseitigen neuen Parkplatzes „Nadelöhr“ anschließen. Mit dem Streckenausbau soll im knapp 6 Kilometer langen und rund 58 Millionen DM teuren Abschnitt Kirchheim im Jahre 2004 begonnen werden. Folgen sollen dann die beiden zusammen rund 11 Kilometer langen und rund 125 Millionen DM teuren Abschnitte Bad Hersfeld/West und Bad Hersfeld/Ost, für die nach Fertigstellung der Umweltverträglichkeitsstudie mit der Erarbeitung der Projektunterlagen begonnen wurde. Den Abschluss bilden die beiden zusammen rund 18 Kilometer langen und rund 185 Millionen DM teuren Abschnitte Friedewald und Wildeck, für die derzeit die Umweltverträglichkeitsstudien erarbeitet werden. Eine Aussage zu den Finanzierungsansätzen für den Zeitraum der kommenden fünf Jahre ist angesichts der gegebenen Planungssituation derzeit nicht möglich. Die finanziellen Dispositionen für diese fünf Abschnitte werden zu gegebener Zeit in Abhängigkeit von der Baureife und den zur Verfügung stehenden Finanzierungsmöglichkeiten zwischen dem Bund und der hessischen Landesregierung im Rahmen der Aufstellung der künftigen Bundesfernstraßenhaushalte bilateral abzustimmen sein. Angestrebt wird die komplette Fertigstellung des Ausbaus der A 4 in Hessen bis zum Ende des Jahrzehnts.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Heiderich hat das Wort zu einer Nachfrage.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, zunächst herzlichen Dank für die ausführliche Antwort. Es ist klar geworden, dass es sich um einen relativ großen Bauabschnitt handelt, weswegen eine kurze Antwort unangemessen gewesen wäre. Ich habe bereits im Hinblick auf den von Ihnen genannten ersten Bauabschnitt - Sie haben ihn eben mit einer Größenordnung von 32 Millionen DM beziffert - zur Kenntnis nehmen müssen, dass es, was die Ausführung der Bauarbeiten angeht, zu erheblichen Verzögerungen gekommen ist. Habe ich Sie eben richtig verstanden, dass es bei Ihnen für die Finanzplanung der nächsten Jahre noch keine konkreten Festlegungen der Höhe der Finanzmittel gibt, sondern dass nur perspektivisch entschieden ist, welche Bauabschnitte in den nächsten fünf Jahren geplant sind?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Wie ich Ihnen bereits sagte, ist die Finanzierung des zurzeit im Bau befindlichen ersten Abschnitts geklärt. Dasselbe gilt für die Vorabmaßnahme, die ab Mitte 2002 begonnen werden soll. Alles, was darüber hinausgeht, wird im Rahmen der Finanzierung der kommenden Haushalte zu klären sein.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Heiderich hat das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben nun die besondere Situation, dass sich im Raum Bad Hersfeld in den letzten Jahren eine doch größere Zahl von Logistikunternehmen angesiedelt hat und dadurch die Verkehrsbelastung in diesem Raum erheblich angestiegen ist. Weiterhin muss man zur Kenntnis nehmen, dass der Bau der A 44, die von Kassel nach Eisenach führen soll, doch nur zögerlich vorankommt, obwohl die Verkehrsbelastung in diesem Raum sehr stark zugenommen hat. Halten Sie es für in absehbarer Zeit möglich, den Ausbau des Abschnitts Bad Hersfeld-Sorga vorzuziehen und im Rahmen dieses vorgezogenen Ausbaus dort auch eine neue Autobahnanschlussstelle zu errichten? Das ist im Übrigen in der hessischen Raumordnungsplanung schon seit einiger Zeit so vorgesehen.

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht in der Lage bin, auf die Frage nach einer neuen Anschlussstelle detailliert zu antworten, da wir an dieser Stelle sehr viele einzelne Projekte haben. Ich würde Ihnen das aber gerne schriftlich nachreichen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bevor ich die nächste Frage aufrufe, möchte ich jetzt schon bekannt geben, dass man sich interfraktionell darauf geeinigt hat, die Aktuelle Stunde bereits um 15.15 Uhr aufzurufen. Wir sind nämlich schon fast am Ende der Fragestunde. Jetzt kommen wir zur Frage 24 des Abgeordneten Hartmut Koschyk: Wie erklärt sich die Bundesregierung die Notwendigkeit von umfangreichen Reparaturmaßnahmen mit erheblichen negativen Auswirkungen auf den Verkehrsfluss auf Bundesautobahnen ({0}) bereits kurze Zeit nach deren Fertigstellung, wie zum Beispiel auf der BAB A9 in Höhe Spänfleck bei Gesees, und wie hoch beziffert die Bundesregierung, sofern sie keine Regressforderungen bei den ausführenden Unternehmen durchsetzen kann, die dadurch entstehenden Kosten?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Koschyk, auch bei dieser Antwort bitte ich um Entschuldigung, dass sie etwas länger ausfallen und von technischen Details, die allerdings notwendig sind, geprägt sein wird. Angesichts vorgeschriebener und praktizierter sorgfältiger Planung, Bauvorbereitung und Bauüberwachung sind umfangreiche Reparaturmaßnahmen bereits kurze Zeit nach Fertigstellung von Baumaßnahmen an Bundesautobahnen eine sehr seltene Ausnahme. Dies gilt auch für die A 9, die allein in Bayern in den letzten zehn Jahren zwischen der bayerisch-thüringischen Grenze bei Hirschberg und Nürnberg auf rund 125 Kilometer Länge sechsstreifig ausgebaut wurde. Die angesprochenen, auf dem seit November 2000 in Verkehr befindlichen Abschnitt Sophienberg-Trockau in einem Bereich von rund 700 Meter Länge bei Spänfleck südlich von Bayreuth aufgetretenen Schäden sind die einzigen im Zuge dieses gesamten bisher erfolgten Ausbaus der A 9. Die Schäden sind an drei verschiedenen Stellen der östlich der ursprünglichen A 9 neu gebauten Richtungsfahrbahn Berlin auf Längen bis zu 70 Meter als Hebungen der Fahrbahn um bis zu 20 Zentimeter Höhe aufgetreten. Hervorgerufen werden diese Hebungen durch das Quellen entsprechender lokal eng begrenzt vorhandener Tonmineralien bzw. durch das Entstehen von Gips aus ebenfalls lokal eng begrenzt vorhandenem Schwefelkies durch den Zutritt von Wasser. Im Vorfeld der Bauausführung und der hierzu vorgenommenen Aufschlussbohrungen im dortigen bis zu 70 Meter mächtigen Opalinus-Ton waren diese lokalen Besonderheiten nicht erkannt worden. Auch während der Bauarbeiten zur Herstellung des Einschnitts im Bereich von Spänfleck, bei denen unvermeidlich Veränderungen des Schichtwasserverlaufs erfolgten, sind diese Quellungen nicht eingetreten, sondern erst nach Inbetriebnahme des Ausbauabschnitts im Frühjahr 2001. Nach dem Entfernen des Asphaltoberbaus an diesen drei Stellen wurden die quellenden Bodenbestandteile und das im Verlauf veränderte Schichtwasser in 2,5 Meter Tiefe unter dem Planum angetroffen. Die nach Einrichtung einer Vier-plus-Null-Verkehrsführung auf der Richtungsfahrbahn Nürnberg seit Anfang September laufende Sanierung der Richtungsfahrbahn Berlin erfolgt durch Bodenaustausch bis zu einer Tiefe von 3 Meter unter Planum - also ein ziemlich tiefes Loch -; zusätzlich werden Kiesschichten als Flächenfilter zur Ableitung des Wassers eingebaut. Die Sanierungsarbeiten werden noch in diesem Monat abgeschlossen. Die Kosten für die Sanierung werden auf rund 1 Million DM geschätzt. Da die für die eingetretenen Schäden ursächlichen besonderen, lokal eng begrenzten Bodenverhältnisse im Vorfeld der Bauausführung nicht bekannt gewesen waren, sind sie auch nicht Gegenstand der Bauvertragsunterlagen. Das Grundbauinstitut des Landesgewerbeaufsichtsamtes ist beauftragt, die Hebungen zu untersuchen und deren Ursachen zu ermitteln, um unter Verwendung dieser Ergebnisse die entsprechenden Fragen, insbesondere auch die Frage der Kostenträger, abschließend beantworten zu können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Koschyk zu einer Nachfrage, bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung ausschließen, dass sich solche Dinge auf dem jetzt dann weiter zu bauenden Abschnitt bis Bayreuth-Nord und auf dem Bauabschnitt, der jetzt vollendet worden ist, wiederholen? Was wird die Bundesregierung tun, damit es dort nicht zu ähnlichen Vorgängen kommt?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Koschyk, solche Dinge, die, wie ich gesagt habe, sehr, sehr selten sind, sind vom Grundsatz her leider nicht ganz auszuschließen. Sie können das an der hiesigen Baumaßnahme auch ganz gut nachvollziehen. Im Vorfeld wurden Bohrungen im Abstand von 100 Metern durchgeführt. Die Hebung - wir haben es mit einem besonderen Aufkommen von Grundwasser zu tun - ist lokal sehr eng begrenzt. Die 100-Meter-Bohrungen haben dies nicht erkennen lassen. Normalerweise treffen wir 95 bis 98 Prozent aller Vorkommnisse im Vorfeld an. Wir können sie sozusagen ermitteln und uns darauf einstellen. Es ist nicht möglich, 100 Prozent aller Zwischenfälle, die im Verlauf eines Baues auftreten und anschließend eine schädliche Wirkung haben können, zu erfassen. Man muss solche Dinge, auch wenn sie ärgerlich sind, gelegentlich hinnehmen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine zweite Nachfrage, bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hätte man die Reparaturmaßnahmen nicht etwas günstiger koordinieren können, nämlich so, dass sie nicht zum Ferienende mit dem damit verbundenen erhöhten Verkehrsaufkommen durchgeführt worden wären? Es war schon etwas verwunderlich, dass die zuständige Autobahndirektion erklärt hat, man müsse aufgrund des Terminplans der beauftragten Firma die Reparaturmaßnahmen am Ende der Ferien und nicht später durchführen. Dass Firmen, die die Reparaturen durchführen, die Terminpläne vorgeben und man auf die ansteigende Verkehrsentwicklung zum Ferienende mit den sich daraus ergebenden Staus keine Rücksicht genommen hat, ist in der Region auf sehr großes Unverständnis gestoßen.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Koschyk, ein solcher Sachverhalt und eine solche Äußerung sind mir nicht bekannt. Ich gehe davon aus, dass diese Baumaßnahme so früh wie möglich, nachdem abgeschätzt werden musste, in welchem Umfang sie nötig ist, begonnen wurde. Hebungen in einem Umfang von 20 Zentimetern führen dazu, dass der entsprechende Autobahnabschnitt gänzlich unbenutzbar ist. Dies hat Umleitungen und entsprechende Vorkehrungen nötig gemacht. Es ist richtig, mit dem entsprechenden Bau so früh wie möglich zu beginnen. Es müssen aber die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden. Ich werde in meinem eigenen Hause nachfragen, ob dort von dem Sachverhalt, den Sie angesprochen haben, etwas bekannt ist, und Ihnen eine entsprechende schriftliche Antwort zukommen lassen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks zur Verfügung. Die Fragen 25 und 26 des Kollegen Erwin Marschewski werden schriftlich beantwortet, sodass ich jetzt die Frage 27 des Kollegen Dirk Niebel aufrufe: Haben vor der Festlegung des Feinkonzeptes zur Strukturentwicklung der Bundesfinanzverwaltung und der Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstes Standortprüfungen stattgefunden, und wenn nein, warum nicht?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Niebel, ja. Zur Entscheidungsfindung hinsichtlich der Auswahl und Anzahl der Standorte der Zollfahndungsämter und deren Außenstellen wurden folgende Standortkriterien zugrunde gelegt: Bei der Standortprüfung war vor allem maßgeblich, wo sich die Kriminalitätsschwerpunkte für den originären Zuständigkeitsbereich des Zollfahndungsdienstes befinden, die sich insbesondere durch die Wirtschaftsschwerpunkte, durch Verkehrs- bzw. Schmuggelrouten zu Drittlandsgrenzen und durch eine geographische Kriminalitätsanalyse aufgrund der Daten aus dem Informationssystem Zoll - INZOLL heißt es abgekürzt - bestimmen lassen. Ferner wurden bei der Ermittlung von Aufgabenschwerpunkten die maßgebenden Faktoren, unter anderem die Außengrenzen der EU einschließlich der internationalen See- und Flughäfen und Sonderprobleme, wie regionale Besonderheiten beim Zufuhrdruck von Betäubungsmitteln oder Zigarettenschmuggel - insbesondere aus Osteuropa -, berücksichtigt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Niebel hat das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, ich habe keine. Sie hat mit Ja geantwortet.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Niebel, glauben Sie wirklich, wir würden vorher nicht überlegen, was wir machen? Ihre Frage lautete ja, ob wir vorher eine Analyse durchgeführt hätten, und wenn nein, warum nicht. Ich sagte Ihnen, dass wir eine Analyse durchgeführt haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das war jetzt die Umkehrung der Fragestunde. Jetzt werden die Abgeordneten gefragt. Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Dirk Niebel auf: Wenn ja, welches Ergebnis gab es für Heidelberg, und in welcher Form wurde dieses Ergebnis in der Festlegung des Feinkonzeptes berücksichtigt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nach dem Ergebnis der soeben erläuterten Entscheidungsfindung zur Auswahl der künftigen Standorte des Zollfahndungsdienstes und insbesondere nach der geographischen Kriminalitätsanalyse im Bundesland Baden-Württemberg, mit der originäre Zuständigkeitsbereiche des Zollfahndungsdienstes beleuchtet wurden, ist im direkten Vergleich der Standort Heidelberg aufzugeben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es aber eine Nachfrage, bitte.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie in Ihrer Antwort auf meine Frage 27 die Kriterien dargelegt haben, möchte ich von Ihnen wissen, warum unter diesen Kriterien im Hinblick auf den Umstand, dass es sich beim Rhein-Neckar-Dreieck um das siebtgrößte Ballungsgebiet mit dem zweitgrößten Binnenhafen der Bundesrepublik Deutschland sowie um den Schwerpunkt der Drogenkriminalität in Baden-Württemberg handelt, ausgerechnet die Zollfahndung in Heidelberg aufgelöst wird und stattdessen von Karlsruhe oder Freiburg aus durchgeführt werden soll.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Der Zollfahndungsstandort Heidelberg kann nicht aufrecht erhalten werden, da er auch nach der jüngsten Analyse der Zahlen für das Jahr 2000 und das erste Halbjahr 2001 keinen Schwerpunkt der Kriminalität, der Zollkriminalität in Baden-Württemberg darstellt. Sie müssen immer bedenken, dass es hier um Aufgaben des Zolls und nicht um Aufgaben der Polizei geht. Mit den vorliegenden Vorschlägen zur Neuorganisation des Zollfahndungsdienstes im Bundesland BadenWürttemberg wird sowohl den veränderten Anforderungen an die Kriminalitätsbekämpfung als auch dem berechtigten Anliegen einer angemessenen Präsenz von Kräften des Zollfahndungsdienstes Rechnung getragen. Weitere Standorte oder eine Erhöhung des Fahndungssolls für Baden-Württemberg sind nicht zu vertreten, da sie nicht mit den Zielen der Neuorganisation vereinbar sind und zulasten der Gesamtkonzeption gingen. Es ist nämlich weder Aufgabe noch Ziel des Zollfahndungsdienstes, mit kleinen Arbeitseinheiten die Polizei bei der Bekämpfung offener Rauschgiftszenen zu unterstützen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Nachfrage von Herrn Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ich freue mich natürlich über die gute Kriminalitätsbekämpfung in Baden-Württemberg. Allerdings ist die Zollfahndungsstelle und hier insbesondere die Drogenfahndung in Heidelberg natürlich in den gesamten Rhein-Neckar-Raum hinein sowie nach Hessen und Rheinland-Pfalz tätig, sodass hier die Drogenkriminalität grenzüberschreitend bekämpft wird. Wie wollen Sie das im Bereich der inneren Sicherheit in diesem Falle nachweislich entstehende Loch füllen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege, es entsteht nachweislich kein Loch im Bereich der inneren Sicherheit. Zwar ist die Zollfahndung bisher Landesgrenzen überschreitend vom Standort Heidelberg aus tätig, wird aber natürlich auch von einem anderen Standort aus Landesgrenzen überschreitend tätig sein. Sie haben gerade selbst darauf hingewiesen, dass die Fahnder nicht nur am Standort Heidelberg tätig sind, sondern von dort ausschwärmen. Dann können sie selbstverständlich auch von einem anderen Standort ausschwärmen. ({0}) - Das kommt immer darauf an, in welche Richtung man fährt. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe nun die Frage 29 des Kollegen Dr. Reinhard Göhner auf: Welche Gründe sind für die Bundesregierung maßgeblich, in dem am 10. September 2001 vorgelegten Feinkonzept zur Neustrukturierung der Bundesfinanzverwaltung entgegen dem im Oktober 2000 veröffentlichten Grobkonzept und dem Ergänzungsband vom Dezember 2000 nunmehr die Schließung des Zollamtes Herford vorzusehen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Abstimmungsgespräche im Rahmen der Feinplanung der Zollamtsstruktur haben gezeigt, dass die ursprüngliche Planung einer Verlagerung der zollamtlichen Tätigkeiten von Lemgo nach Herford nicht den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Region entspricht. Der im Feinkonzept nunmehr - entgegen der ursprünglichen Planung - vorgesehene Erhalt des Zollamtes Lemgo kommt den Wirtschaftsbeteiligten des Raums östlich von Bielefeld entgegen und ist allgemein auf Zustimmung gestoßen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine erste Nachfrage des Kollegen Göhner.

Dr. Reinhard Göhner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000697, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem alle vorherigen Konzepte im BMF zur Neuordnung der Zollverwaltung von einer Stärkung und Erweiterung des Zollamtes Herford ausgingen, frage ich Sie, welcher neue Sachverhalt oder welches neue Kriterium dazu geführt hat, dass nun eine gegenteilige Entscheidung vorgesehen ist. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Entscheidung für das Zollamt Lemgo, die ich nachdrücklich unterstütze, auf Sachverhalten und Argumenten beruht, die absolut identisch auch für die Erhaltung des Standortes Herford gelten. Angesichts dessen frage ich mich, welche neuen Aspekte dem jetzigen Vorschlag zugrunde gelegt werden.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Es ist abgewogen worden, welcher der Standorte, Herford oder Lemgo, für die Wirtschaftsbeteiligten auch unter dem Gesichtspunkt geographischer Bedingungen wichtiger und günstiger wäre. Wenn das Zollamt Herford nicht mehr erhalten bleibt, dann sind die übrigen Zollämter sowohl nördlich als auch südlich des Kreises Herford, also Porta Westfalica oder Lübbecke bzw. Bielefeld, auch von den Wirtschaftsbeteiligten des Kreises Herford leichter zu erreichen, als gäbe es in Lemgo kein Zollamt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Göhner, bitte zu einer zweiten Nachfrage.

Dr. Reinhard Göhner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000697, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist der Bundesregierung nicht bekannt, dass die demnächst zur nächsten Zollverwaltung - für den Wirtschaftsraum Herford also Bielefeld, Lübbecke oder Minden - zurückzulegende Entfernung genauso groß ist, wie das im Kreis Lippe zu den benachbarten Zollverwaltungen der Fall gewesen wäre, falls man Lemgo geschlossen hätte? Demzufolge hätte umgekehrt das gleiche Argument, das sei für Lippe zu weiträumig, eine zu große Entfernung, haargenau für die Wirtschaftsregion Herford gelten und zur Erhaltung auch der Zollverwaltung Herford führen müssen. Wieso werden Lemgo und Herford hier gegeneinander ausgespielt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Lemgo und Herford werden nicht gegeneinander ausgespielt. Vielmehr war im Ursprungskonzept vorgesehen, das Zollamt Herford zu erhalten und das Zollamt Lemgo zu schließen. Es war also in jedem Fall Gegenstand der Planung des Bundesfinanzministeriums, in diesem Raum ein kleineres, nicht leistungsfähiges Zollamt zu schließen und dasjenige, das übrig bleibt, zu stärken. Dies ist jetzt zugunsten von Lemgo und nicht zugunsten von Herford entschieden worden. Ich weiß, dass es Ihnen als Ostwestfalen natürlich schwer fällt, für den Erhalt des Zollamtes Herford einzutreten und zu sagen: „Lemgo interessiert mich nicht“, aber Sie müssen das im Zusammenhang sehen. Sie sagen natürlich auch, Sie begrüßen den Erhalt des Standortes Lemgo, aber Sie sollten bitte bedenken, dass wir auf die Leistungsfähigkeit der Verwaltung insgesamt Rücksicht nehmen müssen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Abwechslung habe ich jetzt eine Frage. Hat sich damit die Frage 30, bei der es um das Zollamt Herford geht, schon erledigt? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Frage 30 des Abgeordneten Dr. Reinhard Göhner. Hält die Bundesregierung es für vertretbar, im gesamten Kreis Herford kein Zollamt zu unterhalten, und wenn ja, hat die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung den zu befürchtenden Schaden für den Wirtschaftsstandort Kreis Herford im Vergleich zu anderen Zollämtern berücksichtigt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Zollverwaltung richtet ihre Strukturplanung nicht vorrangig an kommunalen Strukturen aus. Für die Firmen im nördlichen bzw. nordöstlichen Teil des bisherigen Zollamtsbezirks ist nach Auflösung des Zollamtes Herford die Zuordnung zu den Zollämtern Lübbecke bzw. Porta Westfalica vorgesehen, sodass diese Firmen nicht mit einer Verschlechterung der Abfertigungsbedingungen rechnen müssen. Der dauerhafte Erhalt des Zollamtes Herford ist daher aus Sicht der Bundesfinanzverwaltung nicht erforderlich. Begleitend werden zum Zweck der Serviceverbesserung verlängerte Öffnungszeiten der Zollämter sowie der Einsatz mobiler Abfertigungsdienste geprüft. Auch die konsequente Ausschöpfung aller rechtlich zulässigen Abfertigungsvereinfachungen sowie die Inanspruchnahme des IT-Verfahrens „ATLAS“ stellen Möglichkeiten dar, die Besuche beim Zollamt erheblich einzuschränken und damit die Folgen der Umstrukturierung für die betroffenen Firmen zu verringern. Nachteile für den Wirtschaftsstandort Herford sind daher nicht zu befürchten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Göhner, zu einer Nachfrage, bitte.

Dr. Reinhard Göhner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000697, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsekretärin, wie können Sie ernsthaft die Auffassung vertreten, dass Nachteile für die Wirtschaftsregion Herford nicht zu befürchten seien, wenn sich die Länge der Wege zur nächsten Zollabfertigung in einer Wirtschaftsregion mit einem hohen Anteil import- und exportabhängiger Industrie vervielfacht, mindestens verdoppelt? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Göhner, ein Zollamt in Herford ist in der Stadt Herford angesiedelt. Der Zollamtsbezirk ist naturgemäß größer. Also haben sich auch bisher Wirtschaftsbeteiligte auf den Weg zum Zollamt Herford machen müssen, weil nicht alle Wirtschaftsbeteiligten in der Stadt Herford angesiedelt sind. Diejenigen im nördlichen und nordöstlichen Teil des Kreises Herford begeben sich nunmehr nicht mehr nach Herford, sondern entweder nach Lübbecke oder nach Porta Westfalica; dorthin wird noch eine Verlegung stattfinden. Das heißt, sie machen sich in anderer Richtung auf den Weg. Die Firmen im südlichen Teil begeben sich zukünftig nach Bielefeld und nicht mehr nach Herford. Das heißt, auch sie machen sich in anderer Richtung auf den Weg. ({0}) Es können also ausschließlich die Wirtschaftsbeteiligten in Herford selbst und in dessen unmittelbarer Umgebung durch längere Wegezeiten spürbar betroffen sein. Alle anderen haben auch vorher schon Wege in Kauf nehmen müssen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzte Nachfrage.

Dr. Reinhard Göhner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000697, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, im Umkreis von Herford befinden sich wichtige Betriebe der Bekleidungsindustrie, des Maschinenbaus und der Küchenmöbelindustrie, zum Beispiel in Enger unter anderem der größte Hersteller von Küchenmöbeln in der gesamten Bundesrepublik. Alle diese Firmen handeln in hohem Maße mit Drittländern. Für diese Unternehmen ergeben sich gemäß dem vorgelegten Feinkonzept größere Entfernungen von 20 Kilometern zur nächsten Zollabfertigung. Wollen Sie ernsthaft sagen, dass das kein Nachteil für die betroffene Wirtschaft ist, wenn mit diesen Wegen zusätzliche zeitliche und natürlich auch Umweltbelastungen in diesem Umfang verbunden sind?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Göhner, Ihre Schätzung, die Entfernung betrage 20 Kilometer, ist in der Tat zutreffend. Dies ist aber, betrachtet man die Fläche der Bundesrepublik Deutschland, kein langer Weg zum nächsten Zollamt; das war es auch schon bisher nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Frage 31 der Kollegin Kopp und die Fragen 32 und 33 des Kollegen Weiß ({0}) werden schriftlich beantwortet. Die Fragestunde ist damit beendet. Wie bereits verabredet und angekündigt, beginnen wir um 15.15 Uhr mit der Aktuellen Stunde, die von der CDU/CSU-Fraktion zur Arbeitsmarktpolitik beantragt wurde. Die Sitzung ist unterbrochen. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Haltung der Bundesregierung zur weiterhin Besorgnis erregenden Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Ich eröffne die Aussprache und gebe als erstem Redner dem Kollegen Peter Rauen für die Fraktion der CDU/CSU das Wort.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahlen aus Nürnberg werden von Monat zu Monat mehr zu einem Offenbarungseid für diese Regierung. Wir marschieren stramm auf 4 Millionen Arbeitslose zu. ({0}) Dazu kommen 1,8 Millionen Menschen, die durch Fortund Ausbildungsmaßnahmen sowie AB-Maßnahmen verdeckt arbeitslos sind. Wir wenden für sie ausweislich der Auskunft des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit jährlich einen Betrag von 52 Milliarden DM auf. Im September dieses Jahres waren 58 200 Menschen mehr arbeitslos als im September des letzten Jahres - eine massive Steigerung, die im August begonnen hat -, und das, obwohl jährlich 209 000 Menschen mehr in den Ruhestand gehen als ins Erwerbsleben eintreten. ({1}) Das ist eine katastrophale Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. ({2}) Ich habe heute gelesen, dass unser Arbeitsminister von einer vorübergehend schwierigen Lage spricht und auf die Schwäche der Weltkonjunktur hinweist. Herr Arbeitsminister, wir stehen am Anfang einer dramatischen Entwicklung. Das ist keine vorübergehende schwierige Lage. ({3}) Denn hinzu kommt: Die Zahl der Überstunden sinkt, die Kurzarbeit nimmt zu, die Zahl der Insolvenzen steigt dramatisch und die Zahl der gemeldeten offenen Stellen geht zurück. Das sind alles verheerende Indizien. Ich habe das Pech, aus eigener Erfahrung sagen zu können, Herr Riester: Der Mittelstand hat noch gar nicht begonnen zu entlassen. Das Letzte, wozu ein Mittelständler bereit ist, ist die Entlassung von Mitarbeitern. Er versucht zuerst monatelang, auch zu nicht kostendeckenden Preisen, für Arbeit für seine Mitarbeiter zu sorgen. Wenn das nicht mehr gelingt, dann werden die Überstunden und die flexibel angesammelten Stunden abgebaut. Wenn dann immer noch keine Arbeit da ist, bleibt nichts anderes übrig, als zu entlassen. Das ist die Realität. Das wird global bewiesen: Es kommt zu einem Rückgang der Überstunden und zu einer Zunahme der Kurzarbeit - und das auch in Deutschland. Der Versuch, diese dramatische Situation auf die Entwicklung der Weltkonjunktur zurückzuführen, ist untauglich, ist schlicht und einfach falsch. Herr Riester, das Statistische Bundesamt hat festgestellt, dass es im letzten Quartal eine deutliche Zunahme der Zahl der Aufträge im Export und eine Abnahme der Zahl der Importe gab und dass wir in Deutschland - und das nur aus außenwirtschaftlichen Gründen - ein Wachstum von gerade einmal 1 Prozent haben. Wenn ich jetzt die Zahl, die Herr Welteke genannt hat, heranziehe - er geht davon aus, dass wir nur noch ein Wachstum von 0,8 Prozent haben ({4}) und wenn ich das Wachstum, das durch den Export bewirkt wird, abziehe, dann sieht man: In der Binnenkonjunktur in Deutschland gibt es eine Rezession. ({5}) Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle hat festgestellt: In den neuen Bundesländern gibt es, absolut gesehen, einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes. Das bedeutet: Es gibt in den neuen Bundesländern eine Rezession, die eine ganz dramatische Auswirkung auf die Zahl der Arbeitsplätze hat. Zu glauben, sich hinter der Weltkonjunktur verstecken zu können, ist definitiv falsch. Die schwache Konjunktur in Deutschland insgesamt wird durch eine nach wie vor gute Exportkonjunktur überdeckt. Noch im Februar dieses Jahres wurde damit gerechnet, dass wir im Jahresdurchschnitt 3,66 Millionen Arbeitslose haben werden. Jetzt wurde von Bernhard Jagoda festgestellt, dass wir bei rund 3,85 Millionen Arbeitslosen landen werden. Das hat natürlich verheerende Konsequenzen für den Bundeshaushalt. Denn 200 000 Arbeitslose mehr, also 200 000 Beschäftigte weniger, bedeuten - anders, als es geplant war - rund 14 Milliarden DM weniger Einnahmen im Bereich der sozialen Sicherungssysteme und beim Fiskus. ({6}) Bei der Steuerschätzung im Mai nächsten Jahres werden wir eine entsprechende Überraschung erleben. ({7}) - Ja, ja. Getroffene Hunde bellen. Man kennt das: Wenn man keine Argumente hat, dann wird entsprechend dazwischengerufen. Ich habe bereits im April/Mai dieses Jahres darauf hingewiesen, dass wir in 1997 und 1998 bei den Erwerbstätigenstunden einen Aufwuchs hatten und seit 1999 eine Stagnation zu verzeichnen haben. Darauf hat auch der Sachverständigenrat immer hingewiesen. Dieses Jahr ist in Deutschland ein dramatischer Rückgang der Erwerbstätigenstunden festzustellen. Nur aufgrund dieser Stunden werden Beiträge und Steuern gezahlt. ({8}) Darin liegt der Grund dafür, dass bei der Krankenversicherung Beitragsanhebungen vorgenommen werden müssen und es nicht zu einer Kürzung der Rentenversicherungsbeiträge kommt, obwohl die Regierung die Ökosteuer nochmals erhöhen will. ({9}) Sie werden an Ihren beiden großen Zielen scheitern. Die Umsetzung der von Ihnen gemachten Vorgabe, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, gelingt Ihnen nicht. Ihr Ziel, die Lohnzusatzkosten zu senken, werden Sie ebenfalls nicht erreichen. Obwohl bei den Menschen im Rahmen der Ökosteuer 110 Milliarden DM abkassiert wurden, werden wir am Ende dieses Jahres ebenso hohe Sozialversicherungsbeiträge haben wie 1998. Ich komme zum Schluss. Wer so wie diese Regierung eine Politik gegen Mittelstand und Arbeitnehmer macht - das habe ich bereits im Rahmen der Steuerdiskussion gesagt -, der wird auf dem Arbeitsmarkt scheitern. ({10}) Genau vor diesem Scheitern stehen Sie. ({11})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Rauen, bitte kommen Sie zum Ende Ihrer Rede.

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es wird höchste Zeit, dass Sie umkehren. Die Politik der ruhigen Hand unseres Kanzlers hilft nicht mehr weiter. Greifen Sie auf, was die Union bereits im Juni dieses Jahres in ihrem Zehnpunkteprogramm gefordert hat! ({0}) Steuern Sie endlich um, damit wir in Deutschland nicht noch wesentlich mehr Arbeitslose bekommen! Danke schön. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die SPD-Fraktion spricht die Kollegin Renate Rennebach.

Renate Rennebach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001822, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eben die Begriffe „Katastrophe“, „Desaster“ und „furchtbar“ von Ihnen gehört, Herr Rauen, ({0}) Ich muss den Eindruck gewinnen: Als SPD und Grüne 1998 die Regierung in diesem Lande übernommen haben, ist die Höhe der Arbeitslosigkeit vom Himmel gefallen. Wir alle haben aber gesehen, dass sie in vielen Jahren von der CDU/CSU und der FDP produziert worden ist. Seitdem wir regieren, ist die Arbeitslosigkeit zum ersten Mal spürbar heruntergegangen, und zwar kontinuierlich. ({1}) Seit 1998 sind eine halbe Million Menschen weniger arbeitslos. Statt uns und die von uns geschaffenen Rahmenbedingungen zu loben ({2}) und zu sagen: „Wir unterstützen für unser Land diese Regierung“, machen Sie von hinten herum alles kaputt und reden Sie alles schlecht. Das haben Sie im Übrigen schon während Ihrer Regierungszeit mit Leidenschaft getan: den Standort Deutschland so schlecht zu reden, dass niemand mehr in diesem Land investieren wollte. ({3}) Noch einmal: Statt uns zu loben, empfiehlt die Opposition, Sie, meine Damen und Herren, heute noch fast die gleichen Instrumente und hat die gleichen Argumente, die bis 1998 zu einer Arbeitslosigkeit von mehr als 4 Millionen, genau 4,2 Millionen, Arbeitslosen geführt haben, und zwar ohne Dunkelziffer. Ich würde Ihnen gern anhand der Entwicklungen der Jahre 1996 bis 1998 vorführen, wie falsch Ihre Argumente und Ihre Instrumente waren und noch sind. ({4}) - Zu 2001 kann ich Ihnen auch etwas sagen. Aber Sie sind, ehrlich gesagt, wirklich nicht kompetent, mir solche Sachen zu sagen, Sie nicht, Herr Hirche! ({5}) 1994: Verschärfung der Sperrzeiten, zwölf Wochen nun auch für Arbeitslose. ABM-Beschäftigte können vom Arbeitsamt auch in ein befristetes Arbeitsverhältnis, bisher Dauerarbeitsplatz, abberufen werden. Wer ablehnt und später arbeitslos wird: Sperrzeit - eine Strafe. 1994 ist die Arbeitslosigkeit von 3,7 Millionen auf 4 Millionen gestiegen. ({6}) 1996: Weniger Geld bei ABM, Verschlechterung des arbeitsrechtlichen Schutzes, Streichung des Schlechtwettergeldes. 1997: Verschlechterung im Kündigungsschutz, Einschränkung der sozialen Kriterien bei betriebsbedingten Kündigungen, mehr Ausnahmen von der Sozialauswahl, Aushebelung des Rechts von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Abfindungen, befristete Arbeitsverträge, Verlängerung auf zwei Jahre, Einschnitte bei der Fortzahlung von Lohn und Gehalt im Krankheitsfall, Streichungen bei der Reha. 1998: Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes, ({7}) berufsfördernde Maßnahmen der Reha für Behinderte werden von Muss- in Kann-Leistungen umgewandelt. Verkürzte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose, Anrechnung von Abfindungen auf das Arbeitsentgelt, ({8}) Verschlechterung bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Verschärfung der Zumutbarkeit, Benachteiligung von Frauen, Verschlechterung von beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen. All das von 1996 bis 1998! Die Arbeitslosigkeit ist in dieser Zeit von 3,6 Millionen auf 4,2 Millionen gestiegen. Erstmalig ab dem Zeitpunkt, ab dem wir regieren, ist die Arbeitslosigkeit gesunken. Aber die hier genannten Instrumente empfehlen Sie uns, und Sie wagen, mit uns darüber zu reden, dass hier eine „Katastrophe“ ausgebrochen ist, Herr Rauen. Auf Sie höre ich nicht! ({9}) Ich höre wirklich nicht auf Sie. ({10}) Sie haben überhaupt nicht das Recht, so etwas zu sagen. Nach den von mir genannten Zahlen müssen Sie froh sein, dass wir eine andere Politik begonnen und andere Rahmenbedingungen gesetzt haben. ({11}) Der große Jobschaffer IT entlässt zurzeit weltweit, allerdings weniger in Deutschland. Das ist positiv. Aber eine Zeitung hat geschrieben: Das Wachstum entschleunigt sich. ({12}) Deswegen - um diesen Journalisten zu zitieren - entschleunigt sich auch das Sinken der Arbeitslosenzahlen. Herr Jagoda - das trifft auch auf Sie zu, Herr Rauen, Sie sind ja Unternehmer - hat heute an die Unternehmen appelliert, mehr Entschlossenheit bei Investitionen und Einstellungen zu zeigen. Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen. ({13})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile nunmehr dem Kollegen Rainer Brüderle für die FDPFraktion das Wort.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesen Tagen wird es immer deutlicher: Die großen Verlierer der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik von Grün-Rot sind die rund vier Millionen Menschen ohne Arbeit. ({0}) Wir erleben im September erneut einen Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit. Gegenüber dem Vorjahr gibt es 60 000 Arbeitslose mehr, und zwar bei sinkender Erwerbstätigenzahl. Wir müssen leider befürchten, dass die Zahl von vier Millionen Arbeitslosen wieder überschritten wird. ({1}) Es ist nichts mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit, an dem wir die Regierung messen sollen. Es ist klar: Grün-Rot hat beim Abbau der Arbeitslosigkeit versagt. ({2}) Die Ausrede, dies hänge mit den schrecklichen Morden in Manhattan zusammen, ({3}) kann nicht gelten: Die schlechten Arbeitslosenzahlen hatten Sie schon vor dem 11. September dieses Jahres. Sie sind Ausdruck einer verfehlten Wirtschaftspolitik. Es ist nicht in Ordnung, wenn Herr Müller die Wirtschaft dafür verantwortlich macht und sie beschimpft. Herr Riester macht dabei teilweise noch mit. Die Wirtschaft hat sich beim Bündnis für Arbeit gutgläubig einseifen lassen und manche Regelung mitgemacht. Als Belohnung dafür wird sie jetzt von Grün-Rot zum Sündenbock ihrer verfehlten Wirtschaftspolitik gemacht. ({4}) Sie können es bei der OECD, der Bundesbank und allen Wirtschaftsforschungsinstituten nachlesen: Der Grund, weshalb es nicht zum Abbau der Arbeitslosigkeit kommt und die Arbeitslosigkeit in Deutschland seit Monaten wieder steigt, sind unterlassene Reformen am Arbeitsmarkt. Es fehlt an Flexibilität und Veränderungen. ({5}) - Sie schreien zu Recht. Es ist eine Schande, dass Sie nichts gemacht haben. Die Arbeitslosen sind dabei die Dummen. Ich zitiere den EU-Kommissar Solbes - das können Sie in allen Zeitungen nachlesen -: Deutschland ist für die ganze Europäische Union inzwischen zum Problem geworden, weil das größte Land ein Schlafwagen und nicht mehr die Lokomotive ist. Selbst unsere Nachbarn leiden unter Ihrer verfehlten Politik. ({6}) Sie packen die Reformen nicht an. Die Statistiken aus Nürnberg zeigen es jeden Monat: Sie machen nichts. Als Marketingtrick beschließen Sie das Job-Aqtiv-Gesetz. ({7}) Mit diesem seltsamen Sammelsurium aus Selbstverständlichkeiten, unvermeidlichen Notwendigkeiten und weiteren Grausamkeiten doktern Sie an den Symptomen herum und verschlechtern die Situation. Der Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung zum Beispiel ist nicht die Lösung. Sie müssen den ersten Arbeitsmarkt fördern. Dafür müssen Sie die Rahmenbedingungen verändern. ({8}) Ich sage es Ihnen noch einmal ganz langsam zum Mitschreiben: Ohne Reformen am Arbeitsmarkt werden Sie die Arbeitslosigkeit nicht abbauen können. Es rächt sich jetzt, dass Sie nicht den Mut dazu hatten. ({9}) Die Betroffenen sind diejenigen, die an Sie geglaubt haben und jetzt ihre Arbeitsplätze verlieren. Als Ergebnis Ihrer Politik steigt die Arbeitslosigkeit Monat für Monat. Der Hinweis auf die Terroranschläge in New York hilft Ihnen nicht. ({10}) Sie müssen handeln. Das Tarifvertragswesen muss reformiert werden. Ihre Verschärfung der Mitbestimmungsrechte belastet den Mittelstand mit zusätzlich 2 bis 3 Milliarden DM. ({11}) Das schafft keine Arbeitsplätze, sondern es kostet Arbeitsplätze. Das ist ein Funktionärsförderprogramm für Gewerkschaften, aber kein Arbeitsplatzförderprogramm für Arbeitslose in Deutschland. ({12}) Schaffen Sie die Zwangsteilzeit wieder ab! Das sind die richtigen Schritte. Wenn Sie überhaupt etwas für den Abbau der Arbeitslosigkeit tun wollen, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als das zu machen, was ich seit Monaten fordere: ein Blitzprogramm. Sie müssen die Steuerreform vorziehen und die weitere Erhöhung der Ökosteuer aussetzen. ({13}) Sie müssen die Arbeitslosenversicherungsbeiträge senken. ({14}) Was machen unsere Konkurrenten? Die Amerikaner pumpen 170 Milliarden Dollar in die Wirtschaft, indem sie ein Programm auflegen. ({15}) Ich fordere von Ihnen weitere steuerliche Entlastungen. ({16}) - Die Tatsache, dass Sie schreien, bestätigt nur, dass Sie ein schlechtes Gewissen haben. ({17}) Sie haben allen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben, weil Sie die Arbeitslosen um ihre Chancen betrügen. Das weltwirtschaftlich stärkste Land, die USA, pumpt kurzfristig 170 Milliarden Dollar in die Wirtschaft, ({18}) und zwar 40 Milliarden Dollar für eine sofortige steuerliche Entlastung durch Steuergutscheine, 75 Milliarden Dollar für Sonderprogramme, 40 Milliarden Dollar zum Ausgleich für die Schäden von Manhattan und 15 Milliarden Dollar - alles Dollar, keine Mark oder Lire - zusätzlich für die Luftfahrtindustrie, ({19}) während Sie in Deutschland nichts zustande bringen und damit dafür sorgen, dass die Arbeitslosigkeit steigt. Sie sollten sich wirklich schämen. Nutzen Sie die Zeit! Jeden weiteren Tag, an dem Sie nicht handeln, baden die Kleinsten - die Arbeitslosen, diejenigen, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben und ein Stück Hoffnung brauchen - aus, und zwar nur, weil Sie untätig sind. Aus der ruhigen Hand ist bei Ihnen eine ruhige Kugel geworden. Ihre Politik hat dazu geführt, dass unsere Nachbarn in Europa Sorgen und Angst haben und sich fragen: Was ist denn in Deutschland, das früher Nummer eins war, los, dass es seine Hausaufgaben nicht mehr macht, keine Entscheidungen trifft und seinen Arbeitsmarkt nicht flexibilisiert? Das ist exakt die Situation. ({20}) Auch wenn Sie schreien, um die Probleme herumreden oder Kosmetik betreiben, ändert das nichts an den Fakten. Dass Sie diese Wahrheit trifft, ist verständlich; dass Sie nicht handeln, ist unverständlich. ({21})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin Dr. Thea Dückert. In Bezug auf die Zurufe von allen Seiten habe ich die Bitte: Nehmen Sie etwas Rücksicht auf unsere Stenographen. ({0})

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Brüderle, ich glaube, Sie haben in den letzten Jahren im Schlafwagen der gelb-schwarzen Koalition gesessen. Sie haben einiges verschlafen. ({0}) Ich erinnere mich gut an steigende Steuern, steigende Lohnnebenkosten und steigende Arbeitslosenzahlen. Diese Probleme haben Sie uns hinterlassen. Heute ist in der „Süddeutschen Zeitung“ etwas Gutes zu lesen. Ich finde, die Aussagen dort treffen auch auf Ihren Beitrag, Herr Brüderle, zu. Es wird dort ausgeführt, derjenige sei ein Narr, der glaube, die weltkonjunkturelle Entwicklung könne spurlos an der Bundesrepublik Deutschland vorbeiziehen. Wohl wahr, Herr Brüderle! Natürlich hat die weltkonjunkturelle Entwicklung auch in der Bundesrepublik Deutschland eine Bremsspur hinterlassen, die sich auch auf dem Arbeitsmarkt zeigt. ({1}) Sie hat eine über 39 Monate positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt abgebremst. Das ist richtig. Wir müssen uns natürlich mit diesem Problem auseinander setzen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass in den zurückliegenden Jahren die Beschäftigtenzahl auf der Basis dessen, was Sie uns hinterlassen haben - um gut 1,2 Millionen gestiegen und die Arbeitslosenzahl um etwa 460 000 zurückgegangen ist. ({2}) Auf diesen Erfolgen können wir uns aber nicht ausruhen. Deswegen haben wir - entgegen Ihren aktuellen Unkenrufen - bereits vor einem Jahr damit begonnen, das JobAqtiv-Gesetz auf den Weg zu bringen. Herr Brüderle, mir scheint - mit Verlaub -, Sie wissen wirklich nicht, worüber Sie reden, wenn Sie behaupten, diese Maßnahme sei ein Marketingtrick. Mit diesem Gesetz - übrigens ist es von Ihren Kollegen heute im Ausschuss begrüßt worden ({3}) setzen wir bei der Langzeitarbeitslosigkeit an, erreichen wir die direkte Vermittlung in den Arbeitsmarkt und stellen wir die Integration in den ersten Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt. Weiterhin führen wir neue Instrumente, wie beispielsweise die Jobrotation ein, die Sie in der Vergangenheit immer gefordert, aber nie umgesetzt haben. Wir werden in der Arbeitsmarktpolitik neue Wege gehen. Das ist notwendig. Darüber hinaus - ich sehe das durchaus so - haben wir weiteren Handlungsbedarf. In der Arbeitsmarktpolitik gibt es keinen Königsweg. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es Gruppen - ich denke in erster Linie an die Langzeitarbeitslosen -, die es besonders schwer haben, den Weg zurück in den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Ich denke, dass wir weiter darüber diskutieren müssen, wie wir die Brücken in den ersten Arbeitsmarkt für diese Gruppen festigen können und ihnen weiter Hilfestellung leisten können. Zu denjenigen, denen wir helfen wollen, gehören beispielsweise jene, die kleinere Beschäftigungsverhältnisse haben und deren Einkommen zwischen 630 DM und 1 700 DM liegen. Ich weiß, das wird die große Zahl von 3,7 Millionen Arbeitslosen unter dem Strich nicht drastisch reduzieren. Aber wir haben gerade in der Arbeitsmarktpolitik die Aufgabe und die Pflicht, denjenigen, die Schwierigkeiten haben, in den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren, weiter Hilfestellung zu geben. Das betrifft zum Beispiel auch Menschen, die Sozialhilfe beziehen, die es besonders schwer haben, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, und die bisher nur relativ wenig von dem, was sie dazuverdienen, behalten dürfen. Ich sage IhRainer Brüderle nen: Die Modelle, die Sie vorgeschlagen haben, sind immer mit einem Kahlschlag in der Sozialhilfe und bei den Transferleistungen an die Arbeitslosen verbunden. Das wollen wir nicht mitmachen. ({4}) Wir wollen - darüber ist auch in der heutigen Ausschusssitzung diskutiert worden - die Zusammenarbeit der Arbeitsämter und der Sozialämter auf kommunaler Ebene zum Beispiel durch das Projekt „Mozart“, das sich in der Erprobungsphase befindet, verbessern und voranbringen. Ich sage Ihnen: Es wird uns überhaupt nichts helfen, wenn wir hier unfundierte Schnellschüsse machen. Wir brauchen die Modellprojekte, die im Moment in der Bundesrepublik Deutschland laufen, um auf deren Basis weitere Fortschritte erzielen zu können. Ich sage Ihnen abschließend: Das Ziel dieser Projekte ist es, den Sozialhilfeempfängern und den Arbeitslosen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Unser Ziel ist es nicht, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu nutzen, um Sozialabbau zu betreiben. Das wollen Sie nämlich. Schönen Dank. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die Fraktion der PDS spricht der Kollege Dr. Klaus Grehn.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tage der Verkündung von Arbeitsmarktzahlen sind Tage der Wahrheit und keine Tage der Märchen. Der heutige Tag, Frau Rennebach, gibt eigentlich keinen Anlass, ein Lob auszusprechen. Es ist leider so. Sie selber loben sich zwar genug. Aber die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gibt, wie gesagt, keinen Anlass dazu. ({0}) Herr Brüderle, Ihnen muss ich sagen: Es war Ihre Klientel bzw. die von Ihnen beanspruchte Klientel, die die Einbeziehung von Arbeitszeitfragen in das Bündnis für Arbeit verhindert hat, insbesondere die Umwidmung von Überstunden in Arbeitsplätze. Natürlich sollten nicht alle umgewidmet werden. Was gibt es stattdessen, Herr Kollege Brüderle? - Es gibt einen Konjunkturabschwung. Wie sieht die Entwicklung der Überstunden aus? - Ihre Zahl steigt trotzdem. Die Arbeitslosigkeit und die Zahl der Überstunden steigen bei abflauender Konjunktur. Das ist das Paradoxon, das gelöst werden muss. ({1}) Wenn es schon ein Desaster bzw. eine Rückwärtsentwicklung in der Weltwirtschaft - diese Forderung geht natürlich an die Adresse der Regierungskoalition - gibt, dann muss man gegensteuern. Sie müssen sich fragen lassen, ob das, was im Job-Aqtiv-Gesetz enthalten ist, ausreicht. Nach meiner Meinung reicht es nicht aus. ({2}) - Sie können sich ja melden, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen. Ich kann Ihnen hinterher auch eine Privataudienz geben. Ich möchte zu den schon genannten Zahlen noch zwei Bemerkungen hinzufügen: Erstens. Seit 1996 war noch nie ein solcher Anstieg der Arbeitslosigkeit in einem September wie im letzten Monat zu verzeichnen gewesen. Das zeigt noch einmal, wie ernst die Situation nach den monatelangen Entwicklungen, die bereits zu verzeichnen sind, zu nehmen ist. Zweitens - dies bitte ich Sie insbesondere zur Kenntnis zu nehmen -: Die Kräftenachfrage ist gesunken. Die Bundesanstalt für Arbeit vermeldet 287 000 freie Stellen und ich höre aus Ihrem Munde - aus dem Munde der Bundesregierung, zuletzt gestern von Frau Bulmahn auf der Konferenz „Bündnis für Arbeit“ -, dass es 1,5 Millionen freie Stellen gebe. Nun sorgen Sie doch bitte dafür, dass diese 1,5 Millionen freien Stellen zu den Arbeitsämtern kommen und zur Vermittlung bereitstehen. Ich habe noch nirgends exakt nachprüfen können, wo die 1,5 Millionen freien Stellen sind, die es da geben soll. Auch dies muss man einmal nachprüfen. Wie sieht es denn in der Vermittlung eigentlich aus? Wenn Sie in den neuen Bundesländern in die Arbeitsämter gehen, stellen Sie fest: Dort gibt es nichts zu vermitteln. Die Arbeitsamtsdirektoren sagen mir: Was wir zu vermitteln haben, sind Jobs in Leiharbeit, die - für 5 DM Stundenlohn weniger - in die alten Bundesländer vermittelt werden. Wenn Sie durch die Korridore gehen, hören Sie, dass dort folgende Bemerkungen kursieren: Also, das Jahr 2001 wird für uns ein mittleres Jahr; es ist besser als das Jahr 2002, aber schlechter als das Jahr 2000. ({3}) So schätzen es die Fachleute ein. Wer sich also an den Arbeitsmarktzahlen messen lassen will, der muss es mit der Entwicklung am Arbeitsmarkt sehr ernst nehmen. Lassen Sie mich bei all Ihren Aussagen über den Anstieg der Beschäftigung deutlich machen, dass bei der Beschäftigung natürlich eine große Rolle spielt, dass die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten, der Prekärbeschäftigten, zugenommen hat. Ich habe das einmal analysieren lassen. Es gibt zurzeit 7,7 Millionen Teilzeitbeschäftigte - 1996 hatten wir noch 4,1 Millionen Teilzeitbeschäftigte -, bei einem sinkenden Anteil an Stunden. Sie haben in den alten Bundesländern 0,47 Beschäftigungseinheiten und in den neuen Bundesländern 0,41. Das hat natürlich zwei Dinge zur Folge: Erstens sinken die Arbeitslosenzahlen; aber zweitens steigt die Zahl der Prekärbeschäftigten, der Armen, denn von 0,41 Beschäftigungseinheiten kann niemand in den neuen Bundesländern leben. Ich glaube übrigens, dass auch viele von ihnen in den alten Ländern mit 0,47 Beschäftigungseinheiten am Rande der Armut oder in der Armut leben. Wenn man etwas zum Arbeitsmarkt sagen möchte, muss man auch dies berücksichtigen, weil daraus das Programm erwächst. Umgerechnet fehlen, wenn ich nur annehme, dass von den 7,7 Millionen 5,5 Millionen eigentlich vollzeitbeschäftigt sein wollen, ungefähr 1,5 Millionen bis 2,5 Millionen Stellen, als Äquivalent. Richten Sie also Ihr Programm an der Realität aus und nicht am Wunschdenken! ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile dem Kollegen Wolfgang Weiermann das Wort; er spricht für die SPD-Fraktion.

Wolfgang Weiermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002447, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon abenteuerlich, was man hier teilweise hört, insbesondere von Ihnen, Herr Brüderle. ({0}) Ich erinnere mich noch recht gut daran - auch die gesamte von mir aus gesehen linke Seite dieses Hauses tut das -, dass Sie in Ihren späten Regierungsjahren ein 50-Punkte-Programm oder 51-Punkte-Programm verfolgt haben; Frau Rennebach hat das vorgetragen. Es hat alles nichts genützt, Zum Beispiel betrug die Arbeitslosenquote im Jahre 1997 12,7 Prozent und im September dieses Jahres hatten wir eine Quote von 9 Prozent. Wer also in der Bundesrepublik Deutschland noch rechnen kann, wird nicht umhin können einzuräumen, dass die Quote im September 2001 doch erheblich niedriger war als die im Jahre 1997. ({1}) Demjenigen, der hier nur darauf aus ist, mit billiger Polemik Stimmung für sich zu machen, sage ich: Das zieht nicht. Ich empfehle Ihnen, Herr Brüderle, einen Blick in das „Handelsblatt“. Da können Sie sehen, dass die Statistik einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit und einen deutlichen Anstieg bei neu geschaffenen Arbeitsplätzen ausweist. Ich will nicht näher darauf eingehen. Sie, Herr Rauen, haben davon gesprochen, dass die Bundesregierung eine kurzsichtige und unentschuldbare Wirtschaftspolitik gemacht hat. ({2}) Aus Ihrem Munde hätte es eigentlich heißen müssen, dass überhaupt keine Wirtschaftspolitik gemacht worden ist. ({3}) Der Generalsekretär der CDU hat davon gesprochen, alles sei desaströs. ({4}) Ich sage: Wenn bei einer solchen Wirtschaftspolitik als Ergebnis herauskommt, dass wir eine weitaus geringere Arbeitslosigkeit als in den Vorjahren haben, dann war es eine gute Wirtschaftspolitik der neuen Regierung von Grünen und Sozialdemokraten. ({5}) Die tieferen Ursachen liegen - Sie wissen ganz genau, warum es gegenwärtig eine Delle in der Konjunktur gibt in einer allgemeinen Konjunkturschwäche, die die gesamte Weltwirtschaft betrifft. ({6}) Wenn Herr Meyer, Ihr Generalsekretär, sagt, diese Einsicht sei zynisch, dann hält er die Realität, die wir gegenwärtig haben, wohl ebenfalls für zynisch. An dieser Stelle sage ich ganz deutlich: Dazu erübrigt sich eigentlich jeder Kommentar. ({7}) Die Mordanschläge der Terroristen in Washington und New York mit dem Verlust von 6 000 oder 7 000 Menschenleben - man weiß es noch nicht so genau - in einer Debatte wie der heutigen in eine angeblich verfehlte Wirtschaftspolitik oder Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland umzumünzen, ist geradezu schamlos. ({8}) Das ist ein Zusammenhang, den Sie möglicherweise nicht gewollt haben; das konzediere ich Ihnen gern. ({9}) Aber vor dem Reden sollte man ein bisschen darüber nachdenken, mit welchen Dingen man an die Öffentlichkeit tritt und mit welchen nicht. ({10}) In diesem Hohen Hause kann man eigentlich verlangen, dass man prüft, ob das, was man sagt, auch seine Richtigkeit hat. ({11}) Sie wiederholen gebetsmühlenartig, dass die Steuerreform vorgezogen werden soll - das hieße dann, 45 Milliarden DM einfach auf Pump zu beschaffen -, ganz zu schweigen von den vielen Vorschlägen mit zigfachen Milliardenbeträgen, die Sie in Sachen Haushalt gemacht haben. Sie fordern; aber Sie sagen nicht, wie es finanziert worden werden soll, ({12}) Sie sagen logischerweise nicht, woher es kommen soll. Das ist doch keine Politik, das ist Unsinn! ({13}) Wohin kreditfinanzierte Konjunkturprogramme führen, zeigt doch zurzeit das Beispiel Japan. Über diesen Weg läuft nichts in Sachen Konjunkturförderung. ({14}) Wenn Sie das nicht interessiert, dann interessiert Sie vielleicht die Meinung der Experten der führenden deutschen Banken, die nämlich derartige Konjunkturprogramme mehrheitlich ablehnen. Die Finanzminister und Notenbankchefs der führenden sieben Industrienationen haben sich am vergangenen Wochenende optimistisch in Bezug auf eine baldige Erholung der Weltkonjunktur geäußert. ({15}) Der Präsident der EZB schätzt, dass der derzeitige Abschwung nur von kurzer Dauer sein wird. Mein Gott, was soll man denn noch alles sagen, damit die Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland - Herr Rauen ich nehme Ihnen ab, dass Sie ein guter Unternehmer sind -, ({16}) unternehmerisch tätig werden und nicht weinen, sondern die Ärmel hochkrempeln und in der Situation etwas Gutes machen, statt die Wirtschaft kaputtzureden. ({17}) - Sie sind ja nicht der einzige Unternehmer. Es gibt Tausende von Unternehmern in der Bundesrepublik Deutschland, die nicht jammern, sondern - das will ich an dieser Stelle einmal deutlich machen - anpacken. ({18}) Um es deutlich zu sagen: Ich bin das Gejammere der Opposition leid. Wir werden die Politik der ruhigen Hand natürlich weiter betreiben. Sie wissen ganz genau, dass es keine Alternative dazu gibt; deswegen sind Sie als Oppositionspolitiker heute so böse. Sie wissen, dass diese Politik in Ordnung ist. ({19})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Weiermann, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Wolfgang Weiermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002447, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren von der Opposition, insbesondere von der CDU/CSU, die Politik der ruhigen Hand hat nichts mit Aussitzen zu tun, wie es der vorherige Bundeskanzler von Ihrer Partei seinerzeit betrieben hat. Verwechseln Sie das bitte nicht! Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die Fraktion der CDU/CSU spricht der Kollege Johannes Singhammer. (Zuruf von der SPD: Jetzt erklären Sie mal die Schulden, die Sie gemacht haben!

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir es in den ersten Jahren nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken, dann haben wir es nicht verdient, weiter zu regieren. ({0}) Das sagte der heutige Bundeskanzler Schröder am 26. Juli 1998. Damit haben Sie selbst das Urteil über Ihre Politik gefällt. ({1}) Tatsächlich bleibt Rot-Grün meilenweit unter der eigenen Messlatte. Sie haben zu keiner Zeit Ihrer Regierung das Arbeitsvolumen tatsächlich steigern können. ({2}) Der Beschäftigungsabbau galoppiert. ({3}) Das Stellenangebot sinkt. Die Kurzarbeit breitet sich aus. Im Bereich der Großunternehmen rollt eine Entlassungswelle. Die Menschen in Deutschland sorgen sich Tag um Tag mehr um ihre Arbeitsplätze und ein Abgrund an neuer Arbeitslosigkeit tut sich auf, ({4}) obwohl in den letzten Jahren 600 000 Menschen mehr den Arbeitsmarkt verlassen haben, als neu hinzugekommen sind. ({5}) Rot-Grün und diese Bundesregierung stehen wirtschafts-, finanz- und beschäftigungspolitisch vor einem Scherbenhaufen. All Ihre Probleme sind hausgemacht. Ihr krampfhafter Optimismus - auch der Kollege Weiermann hat ihn geäußert - kann natürlich überhaupt nicht darüber hinwegtäuschen, ({6}) dass die wirklich schwierigen Zeiten leider noch vor uns liegen. ({7}) Keiner glaubt doch, dass sich der internationale Terrorismus als Konjunkturprogramm auswirkt. Das Gegenteil wird der Fall sein. Gerade jetzt brauchten wir eine stabile Konjunktur, um diesen enormen Herausforderungen begegnen zu können. ({8}) Wenn Sie Ihre Politik nicht umstellen - ich sage Ihnen gleich, was Sie tun müssen -, ({9}) dann ist zu befürchten, dass wir, was die Zahl der Arbeitslosen angeht, die 4-Millionen-Schallmauer noch in diesem Winter erreichen werden. Davor haben viele Menschen in unserem Land zu Recht Angst. ({10}) Sie müssen Folgendes machen - aufgrund der kurzen Zeit nenne ich Ihnen nur wenige Punkte -: Erstens. Wir brauchen eine Generalrevision der Arbeitsmarktordnung. Es geht um eine neue Balance zwischen sozialer Sicherung der Beschäftigten und notwendiger Anpassungsflexibilität. Ihr 630-DM-Bürokratisierungsmonster muss weg. Wir brauchen eine Neuregelung der so genannten Scheinselbstständigkeit. ({11}) Wir brauchen eine sofortige Korrektur bei der Beschränkung von befristeten Arbeitsverhältnissen und Änderungen des Teilzeitanspruchs. Mit der Errichtung immer neuer Einstellungshürden muss Schluss sein. All das, was damit verbunden ist, müssen Sie tun. ({12}) Zweitens - ich bleibe Ihnen die Antwort auf die Frage, was Sie tun müssen, nicht schuldig; Sie können meine Forderungen ablehnen; aber Sie werden die Folgen spüren -: Bundesweit und flächendeckend müssen parallel zu einer stärkeren Lohnspreizung finanzielle Anreize zur Arbeitsaufnahme im Niedriglohnbereich geschaffen werden. Das ist eine Schlüsselaufgabe. ({13}) Besonders wichtig ist es auch, dauerarbeitslosen Sozialhilfeempfängern, die eine Beschäftigung aufnehmen, für einen gewissen Zeitraum bis zu 50 Prozent des Nettoeinkommens nicht auf die Höhe der Sozialhilfe anzurechnen. Das sollten Sie ganz konkret tun. Ich sage Ihnen noch ein Weiteres: Der Kündigungsschutz ist immer mehr zu einem Abfindungshandel verkommen; das wirkt sich negativ auf die Einstellungsbereitschaft aus. ({14}) Deshalb plädieren wir dafür, Arbeitnehmern und Unternehmern die Möglichkeit einzuräumen, bei Abschluss eines Arbeitsvertrages festzulegen, dass gegen Zahlung einer vorab vereinbarten Abfindung auf eine eventuelle Kündigungsklage verzichtet wird. ({15}) Das waren drei Punkte. Ich kann Ihnen auch noch weitere nennen: Die Summe der Lohnzusatzkosten muss endlich unter 40 Prozent gedrückt werden. Alle Ihre Bemühungen sind bis jetzt gescheitert. Die Rente kommt nicht vom Fleck, das Gesundheitswesen ist in Unordnung und die Zukunft der Arbeitslosenversicherung bleibt völlig im Unklaren, wie wir heute schon gehört haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie schon uns nicht glauben, dann glauben Sie doch bitte der vom Bundeskanzler eingesetzten Benchmarking-Arbeitsgruppe. ({16}) Die hat Ihnen genau das aufgelistet, was zu tun ist. Aber Sie wollten ja noch nicht einmal die von Ihnen selbst eingesetzte Arbeitsgruppe anhören, geschweige denn deren Ergebnisse übernehmen. ({17}) Denken Sie wenigstens einmal darüber nach! Ich sage Ihnen noch ein Letztes: ({18}) Ein dauerhafter Wirtschaftsaufschwung wird besser gelingen, wenn wir wieder für mehr Kinder bei uns in Deutschland sorgen. ({19}) Wir haben in den letzten Jahren 3 Millionen Kinder weniger gehabt, als wir brauchten, um das Bevölkerungswachstum aufrechtzuerhalten. ({20}) - Sie brauchen gar nicht zu lachen, die Sache ist ernster, als Ihr Lachen es ausdrücken kann. - Die 3 Millionen fehlen natürlich auch als Nachfrager. Das fängt bei der Pampers-Windel an und hört beim Jugendkonsum auf. Wenn die Nachfrage in diesem Bereich immer mehr zurückgeht, weil wir immer weniger Kinder haben, werden Sie auch die Konjunktur nicht über die Nachfrage in Schwung bringen. Deshalb gilt: Immer mehr Menschen macht die ruhige Hand des Bundeskanzlers immer unruhiger. Schluss damit! Ändern Sie Ihre Politik! ({21})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort dem Kollegen Werner Schulz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Werner Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002108, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir könnten uns doch relativ schnell auf eine Aussage einigen: dass die Bewältigung der schwierigen konjunkturellen Lage - wir brauchen nicht darüber zu streiten, ob sie schwierig ist; darüber reden wir seit Monaten - und vor allem die Bewältigung der schwierigen Situation, wie sie nach den Terroranschlägen in New York und Washington entstanden ist, stark davon abhängt, wie wir darauf reagieren, also welche Stimmung wir verbreiten und wie wir psychologisch darauf Einfluss nehmen. Ich habe den Eindruck, dass Sie sich in der Opposition einen ganz besonders spezifischen Beitrag dafür ausgedacht haben, um die These zu widerlegen, dass sich nach dem 11. September nicht alles geändert hat. Auf eines können wir hier nämlich wirklich bauen: Immer, wenn die aktuellen Arbeitsmarktzahlen herauskommen, verlangen Sie eine Aktuelle Stunde, es kann kommen, was will. ({0}) Es ist die x-te in diesem Jahr, es kommen die gleichen stereotypen Vorwürfe, die gleichen stereotypen Zwischenrufe von Ihnen - ich kenne das alles -, die RauenAnalysen, Herr Kollege. Es ist immer wieder das Gleiche, was hier kommt. Sie bieten keine kreativen Ansätze. ({1}) Wir kommen nicht weiter, wenn wir permanent nur Analysen vornehmen und uns gegenseitig in der Betroffenheit bestätigen. Natürlich nehmen wir die Situation ernst; natürlich ist sie nicht erfreulich. Natürlich liegen die Zahlen unter den Erwartungen, aber besorgniserregend sind sie nicht. Das muss ich Ihnen sagen. ({2}) - Nein! Sie versuchen, die Situation zu nutzen, zu dramatisieren und im Grunde genommen die Besonnenheit, die jetzt so wichtig ist, zu untergraben. ({3}) Diese Regierung hat - es ist einfach unverschämt, das immer so abzutun, Kollege Brüderle - wirklich beachtliche Reformschritte in diesen drei Jahren unternommen: Steuerreform, Rentenreform. Der Arbeitsmarkt ist wirklich das Letzte, woran Sie sich festbeißen können. ({4}) Bei Ihnen ist das Aufnahmevermögen von retardierenden Momenten gekennzeichnet und Ihr Verständnisvermögen hinkt ebenso, wie das bei den Wirtschaftsverbänden offensichtlich der Fall ist. ({5}) Diese mussten mit einem Schreiben von Wirtschaftsminister Müller und Arbeitsminister Riester darauf hingewiesen werden, dass mindestens elf der Maßnahmen, die sie gefordert hatten, mittlerweile Realität geworden sind. Die Frage lautet eher, warum sie diese nicht nutzen. Sie haben die Möglichkeit, flexible Arbeitszeiten zu fördern, betriebliche Bündnisse für Arbeit zu errichten, die Arbeitslosenunterstützung mit der Sozialhilfe zusammenzulegen usw. Sie haben einen großen Spielraum. Es ist das Letzte, woran Sie sich festbeißen könnten. Kollege Brüderle, wenn Sie über schlechtes Gewissen reden, muss ich Sie auf Folgendes aufmerksam machen: Problematisch war die Situation, als wir auf 5 Millionen Arbeitslose zugegangen sind. Ich fand es wirklich besorgniserregend, als „Mister Wirtschaft“, wie er sich in der Stadt anpreist, für die Misswirtschaft zuständig war. ({6}) Dazu, dass Sie zur Aufhebung des Bankgeheimnisses zur Terroristenbekämpfung momentan nur den Reflex zeigen, dass sie befürchten, der Finanzminister könnte möglicherweise die Steuerhinterziehungen aufdecken, kann ich nur sagen: Oh, oh. ({7}) Ist das neoliberal? Ein Brüderle stützt das andere oder was führen Sie uns hier vor? ({8}) Ich muss Ihnen sagen: Wenn wir über Enttäuschungen sprechen, dann sollten wir vielleicht auch über einige Verhaltensweisen unserer großen Wirtschaftsführer reden. ({9}) - Ja, Sie können sie auch Kapitäne, Global Player oder die großen Könner nennen. ({10}) Während man in den USAmomentan die Hand patriotisch aufs Herz legt, ist hier einigen nur der Sinn danach, ins Kanzleramt zu laufen, die Hand aufzuhalten und nach Konjunkturprogrammen zu rufen. Ich muss sagen: Das ist ungeheuerlich. ({11}) - Ja, rufen Sie nur „Holzmann“; das ist alles nicht neu. Es ist die gleiche Denkart, die Sie hier unterstützen: Konjunkturprogramme und das Vorziehen der verbleibenden Schritte der Steuerreform zu fordern. ({12}) Die Steuerreform haben Sie doch samt und sonders abgelehnt. Hätten Sie es verhindern können, hätten wir sie gar nicht durch den Bundesrat bekommen. Die FDP in Rheinland-Pfalz hat sie dann mit unterstützt. Jetzt soll sie vorgezogen werden. Dass die Länder das gar nicht finanzieren können, müssten Sie in Rheinland-Pfalz eigentlich wissen. ({13}) Ich halte es für nicht sinnvoll und kontraproduktiv, sich momentan zu verschulden, um die Nachfrage anzukurbeln. Das würde in der jetzigen Situation, in der, wie wir aus der Verbraucherforschung wissen, eher die Sparquote als die Investitionsbereitschaft und das Konsumverhalten steigt, ja passieren. Das sagt übrigens auch der DIHT-Präsident Braun, der, so glaube ich, Parteimitglied bei Ihnen ist. Er sagt heute im „Handelsblatt“, wir sollten uns nicht verrückt machen lassen. Sie sind also einer, der diese Idiotie offenbar mit verbreitet. ({14}) Er hält überhaupt nichts davon, die Steuerreform vorzuziehen. Sie ist nicht finanzierbar und wirtschaftspolitisch kontraproduktiv. ({15}) Um es abschließend zu sagen: Wer in Zeiten, in denen die Arbeitnehmerschaft verunsichert ist, von der Lockerung des Kündigungsschutzes spricht, handelt unverantwortlich. ({16}) Es geht im Moment darum, mit allem Grips und aller Fantasie dafür zu sorgen, dass Belegschaften gehalten werden und die Konjunkturdelle überstanden wird. Dies können wir erreichen, indem Überstunden abgebaut und Zeitarbeitskonten eingeführt werden ({17}) und die Instrumente genutzt werden, die wir dafür geschaffen haben. Ich denke an die Qualifizierung und dergleichen mehr. Es ist nicht hilfreich, die Situation, wie Sie es heute getan haben, zu dramatisieren. ({18})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Der Kollege Gerald Weiß spricht für die CDU/CSU-Fraktion.

Gerald Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, Sie können reden, wie Sie wollen, die Arbeitsmarktbilanz ist ein Desaster. Sie haben Ihr Wahlversprechen nicht erfüllt. Im Zentrum Ihres eigenen Anspruchs haben Sie gnadenlos versagt. Das zeigen die Zahlen, die uns vorliegen. ({0}) Der Begriff Desaster, gegen den Sie sich gewehrt haben, ist ja gar nicht von uns. Die „Süddeutsche Zeitung“, die ja nicht gerade das Zentralorgan der Union ist, ({1}) titelte heute so: „Schröders Desaster“. Herr Schulz, es ist eine Frechheit, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, die Arbeitslosenzahl sei nicht besorgniserregend. Seit sieben Monaten steigt die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt an. ({2}) Der übliche Herbstaufschwung am Arbeitsmarkt - er ist regelmäßig im September sichtbar - fällt aus. Saisonbereinigt haben wir 91 000 Arbeitslose mehr als zu Beginn des Jahres und im September hatten wir 60 000 Arbeitslose mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Das ist ein Skandal gegenüber denjenigen, die in Deutschland nach Arbeit fragen. ({3}) Weil die Vergangenheit so sehr bemüht wurde, weise ich auf Folgendes hin. Im September 1998, dem letzten Jahr der alten Regierung ({4}) - ich habe Ihnen eben die Zahl der rot-grünen Regierung genannt: 60 000 Arbeitslose mehr -, war die Zahl der Arbeitslosen um 343 000 gesunken. Diese Beschäftigungsdynamik hatte am Ende unserer Regierungszeit eingesetzt. Frau Dückert, Sie können auch nicht mit der Weltkonjunktur und Ähnlichem argumentieren. Der relativ schwache Euro macht es möglich, dass die Exporte einigermaßen stabil sind. Die Wachstumsschwäche ist hausgemacht und betrifft nur die Binnenwirtschaft Deutschlands. ({5}) Werner Schulz ({6}) Das Wachstum des Bruttosozialprodukts ist auf sage und schreibe 0,8 Prozent zusammengeschmolzen. Damit befinden wir uns auf dem letzten Platz in der Europäischen Union. Die Schwelle konjunkturell bedingten Beschäftigungszuwachses liegt bei uns - auch darüber muss man einmal nachdenken - bei erst 2,2 Prozent. Aber wir sind im Wachstum skandalös zurückgefallen, was zulasten der Beschäftigung in Deutschland geht. Dass Sie hier nicht gegengesteuert haben, machen wir Ihnen zum Vorwurf. ({7}) Die Binnenkonjunktur lahmt. Deshalb brauchen wir schnell Steuersenkungen, vor allem aber keine neuen und höheren Steuern. Das ist das Erste und Wichtigste, was wir zur Stabilisierung der Wirtschaft und der Beschäftigung tun müssen. ({8}) Auch müssen wir - Kollege Singhammer hat es ausgeführt - im Niedriglohnbereich über Brutto und Netto, über Kombilöhne und die Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen usw. reden. Was den 11. September angeht, so taugt auch dieser traurige Tag zur Bemäntelung der aktuellen Arbeitslosenzahlen nicht. ({9}) Der Negativtrend ist schon länger vorhanden; Sie haben schon seit längerem nichts getan. ({10}) Der Terroranschlag ist dagegen erst jüngeren Datums, wird aber die Probleme verschlimmern, ({11}) wenn jetzt nicht das Richtige geschieht. ({12}) Wir brauchen nicht mehr Bürokratie, wie Sie sie aufbauen, sondern weniger Bürokratie. Wir brauchen nicht mehr Steuern, wie Sie sie einführen, sondern weniger Steuern. Wir brauchen nicht höhere, sondern geringere Sozialversicherungsbeiträge. ({13}) Das wären Mittel, um den Aufschwung von den Rahmenbedingungen her in Deutschland abzusichern und einen Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur in Europa - wir sind die größte Volkswirtschaft in Europa - zu leisten. Die Richtung ist falsch, der Kurs stimmt nicht und die Rechnung bezahlen die kleinen Leute: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu alledem noch Reallohneinbußen hinnehmen müssen, und die kleinen und mittelständischen Unternehmer, die Sie mit Ihrer Politik geradezu bestraft haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({14}) Gesundbeterei hilft nicht weiter. Es gibt keinen anderen Weg als den der Entlastung der Einkommen unserer Leistungsträger. Das Zusammenführen von Brutto- und Nettoleistungsentgelten wäre die wichtigste Maßnahme zur Stabilisierung unserer Konjunktur und damit auch der Beschäftigungschancen. ({15}) Neben niedrigeren Steuern und entschlossenen Initiativen im Niedriglohnbereich, also neben dem Kombilohn, brauchen wir auch den Investivlohn. Welch große Sprüche sind am 1. Mai 2000 gemacht worden?! Nichts ist geschehen - weder im Bündnis für Arbeit noch bei dieser Regierung -, was die Herstellung besserer Rahmenbedingungen für eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital anbelangt. Wir brauchen den Investivlohn, weil wir durch ihn eine Erfolgsbeteiligung der Arbeitnehmerschaft in unserer Volkswirtschaft sicherstellen, dabei aber den Anstieg der direkten Arbeitskosten, die ja Fixkosten darstellen, begrenzen können. ({16}) Wir wollen damit ermöglichen, dass die Arbeitnehmer in einen dynamischen volkswirtschaftlichen Prozess hineinwachsen. Sie haben gezeigt, dass Sie nichts davon begriffen haben. ({17}) Deshalb fahren Sie jetzt diese bittere Ernte ein. Betroffen davon sind die Arbeitslosen sowie diejenigen, denen Sie die Chancen im Berufsleben nehmen. Danke. ({18})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort nunmehr dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, dem Kollegen Walter Riester.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, ich mache mir Sorgen um die Arbeitslosigkeit. Ich werde mir so lange Sorgen machen, solange Millionen arbeitssuchender Menschen keine Arbeit bekommen. Ich bin für jeden ernst gemeinten Vorschlag dankbar, der zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen kann. ({0}) Gerald Weiß ({1}) Meine Damen und Herren von der Opposition, können Sie auch verstehen, dass ich bei den Vorschlägen, die Sie machen, etwas zögere, nachdem Sie in 16 Jahren die Massenarbeitslosigkeit um 3 Millionen erhöht haben, in der Spitze auf 4,8 Millionen Arbeitslose, ({2}) und dies mit Maßnahmen, die Sie uns heute wieder vorschlagen? Haben Sie doch Verständnis, dass ich da etwas skeptisch bin. ({3}) Aber ich mache mir nicht nur Sorgen. Es gibt auch Anlass, sich zu freuen. Ein solcher Anlass ist, dass in den letzten zwei Jahren 1 Million Jobs entstanden sind. ({4}) Es gibt Anlass, sich darüber zu freuen, dass die Zahl der Arbeitslosen um eine halbe Million abgenommen hat. ({5}) Herr Singhammer, ich lasse mich gern von der Bevölkerung an der Aussage messen, dass wir die Arbeitslosigkeit deutlich vermindert haben, nachdem Sie in 16 Jahren die Zahl der Arbeitslosen auf 3 Millionen anwachsen ließen und wir in zwei Jahren die Zahl um eine halbe Million gesenkt haben. ({6}) Es gibt beispielsweise auch Grund, sich darüber zu freuen, dass es zwischenzeitlich gelungen ist, 330 000 junge Menschen zusätzlich Chancen in Ausbildung und Arbeit zu geben. Dafür haben wir uns eingesetzt, das haben wir erreicht. ({7}) Es gibt aber weiteren Grund, sich zu freuen. Beispielsweise können wir uns darüber freuen, dass zwischenzeitlich 24 700 schwerstbehinderte Menschen, die unter marktwirtschaftlichen Aspekten chancenlos waren, auf der Grundlage unseres Gesetzes und durch die breite Unterstützung von Wirtschaft, Gewerkschaften und Behindertenverbänden einen Platz im Arbeitsmarkt gefunden haben. Darüber freue ich mich. ({8}) Es gibt weitere Punkte, über die wir uns freuen können. Ich lese heute in der Zeitung, dass 20 000 junge Menschen noch nicht in eine Ausbildung vermittelt worden sind. Das erfordert kräftige Anstrengungen von uns. Ich freue mich, dass gleichzeitig 24 000 offene Ausbildungsstellen zur Verfügung stehen. Ich frage Sie: Wann hatten Sie jemals eine solche Bilanz? ({9}) Nun komme ich zu einer schwierigeren Sache. Ja, wir haben zurzeit ein abnehmendes Wirtschaftswachstum. Das betrifft uns alle. Herr Rauen, vielleicht versuchen wir einmal, die Gründe hierfür wirklich ernsthaft zu erörtern. Es dürfte unbestritten sein, dass wir im Moment eine tiefe Rezession in Asien haben. ({10}) Darüber sind wir uns wohl einig. Das Wachstum in den USA hat dramatisch nachgelassen. Darüber sind wir uns wahrscheinlich auch einig. ({11}) Damit sind zwei der drei großen Märkte der Welttriade im Moment eingebrochen. ({12}) Gleichzeitig haben wir in Europa ein deutlich rückläufiges Wachstum. Eine solche Situation weltweit nachlassenden Wachstums gab es das letzte Mal 1982, vor 20 Jahren. In dieser außergewöhnlichen Situation gelingt es uns trotzdem, diese beschäftigungspolitischen Impulse zu setzen. ({13}) Ich möchte erreichen, dass wir uns alle anstrengen und zu unserem Land stehen. Bei einigen Erklärungen von Ihnen, Herr Brüderle - Sie telefonieren gerade; das wird auch notwendig sein -, habe ich das Gefühl, Ihnen gefällt es in diesem Land überhaupt nicht. So, wie Sie unser Land dargestellt haben, kenne ich es nicht. Ich kann Ihnen sagen, dass es mir hier gefällt. ({14}) Ich kenne viele Menschen, denen es in diesem Land ebenfalls gefällt. Wir werden unsere Politik für die Menschen, die Beschäftigung suchen, ganz entschieden weiterführen ({15}) mit einer Reformpolitik, die eine Steuerreform hervorgebracht hat, die Sie nicht hinbekommen haben, ({16}) mit einer Rentenreform, mit der die Lohnnebenkosten erstmals gesenkt werden konnten. ({17}) Und Sie wollen an uns appellieren, die Lohnnebenkosten zu senken, nachdem Sie sie auf 42 Prozent hochgetrieben haben! ({18}) Dazu gehört schon sehr viel Chuzpe. Haben Sie schon vergessen, was Sie uns alles hinterlassen haben? Sie sprechen davon, dass in den USA der Staat Milliardenbeträge investiert. Auch ich würde das sofort liebend gerne machen, wenn wir nicht Schulden in Höhe von 1,5 Billionen DM übernommen hätten. ({19}) Ich und auch der Finanzminister würden sofort gerne Milliardensummen in die Wirtschaft stecken. Herr Brüderle, eine Bemerkung von Ihnen war sehr bezeichnend. Sie sagten, dass der Wirtschaftsminister die Wirtschaft beschimpfe und der Arbeitsminister ihn dabei noch unterstützen würde. ({20}) Ich unterstelle, dass Sie mit dieser Äußerung auf das an die Wirtschaft gerichtete Schreiben hinsichtlich der Flexibilisierungsmöglichkeiten, die die Gesetze zulassen, anspielen. ({21}) Wenn Sie ein solches Schreiben als Beschimpfen bezeichnen - was haben Sie für ein Verständnis von Politik? -, ({22}) dann würde das ja bedeuten, dass das Darstellen von Fakten gut gehüteten Ideologien entgegenwirken würde. Ich habe den Eindruck, dass die Wirtschaft das anders sieht. Wir müssen die entsprechenden Möglichkeiten aufzeichnen und in einen Dialog eintreten. In diesem Zusammenhang nehme ich jeden ernst gemeinten Vorschlag auf. ({23}) Zusammengefasst: Wir haben eine ganze Menge geleistet. Nach 16 Jahren hoch geschraubter Massenarbeitslosigkeit ist eine Reduzierung der Zahl der Arbeitslosen um eine halbe Million in zwei Jahren ein wichtiger Schritt. Der Aufbau von 1 Million Beschäftigungsverhältnissen - sie werden vom Statistischen Bundesamt ausgewiesen - ist eine gute Leistung. ({24}) Lassen Sie mich abschließend eine kurze Bemerkung zu der Behauptung machen, dass der Abbau von Arbeitslosigkeit demographiebedingt ist. Seit 1991 gibt es einen demographiebedingten Abbau der Arbeitslosigkeit. Es gibt aber einen großen Unterschied: Bei Ihnen stieg die Arbeitslosigkeit trotzdem, während bei uns die Zahl der Arbeitslosen um 500 000 gesunken ist. Danke schön. ({25})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Dr. Hans-Peter Friedrich.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Minister, Sie müssen schon sehr mit dem Rücken zur Wand stehen, wenn Sie es nötig haben, in einer Rede im Deutschen Bundestag so viel Polemik zu verwenden und die Wahrheit zu verdrehen. ({0}) Lieber Herr Minister, ich will Ihnen einmal sagen, worauf es bei der Beurteilung der Wirtschaftskraft einer Volkswirtschaft ankommt: auf die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden. Diesbezüglich haben wir in den Jahren 1997 und 1998 einen wirklich massiven Aufschwung zu verzeichnen gehabt. Aber im Jahr 1999 - also in einem Jahr, in dem Sie regiert haben - gab es eine Stagnation. Es besteht momentan die Gefahr, dass diese Zahl nach unten geht. ({1}) Herr Riester, Sie sollten sich einmal die entsprechenden Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu Gemüte führen. ({2}) Sie haben 1998 die Regierung in Deutschland während einer Aufschwungphase übernommen. Sie haben durch eine Vielzahl falscher Entscheidungen Deutschland in eine Abschwungphase geführt. Das ist die Wahrheit. ({3}) Lieber Herr Minister, da Sie sich auf die Weltkonjunktur berufen, müssen Sie mir einmal erklären, warum die Franzosen und die Briten beim Beschäftigungsaufbau offensichtlich weniger Probleme haben als die Deutschen. Gehören diese Länder nicht zur Weltwirtschaft? Ihre Begründung scheint mir daher äußerst fraglich zu sein. Vermisst habe ich - das hat Herr Brüderle vorhin angesprochen - Ihre Antworten auf die massive Kritik der Experten der OECD und der Europäischen Kommission an Ihrer Regulierungspolitik im Arbeitsmarktbereich. Ich will Ihnen sagen, welches Ihre Sünden in der Vergangenheit waren. Sie bestanden darin, dass Sie den mittelständischen Unternehmen nicht die Luft verschafft haben, die sie brauchen, um zu investieren und sich auf neue Situationen einzurichten. ({4}) Stattdessen haben Sie die Unternehmen mit einer Ökosteuer belastet und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern im ländlichen Raum die Kaufkraft entzogen. Das macht sich jetzt in allen Bereichen - bis hinein in den Dienstleistungsbereich, der ein wichtiger Bereich für den Beschäftigungsaufbau ist - bemerkbar. ({5}) Sie hatten die Chance, ({6}) durch eine Reform des Tarifrechts Bündnisse für Arbeit auf betrieblicher Ebene zu ermöglichen und ein bisschen mehr dezentrale Flexibilität zu schaffen. Stattdessen haben Sie das bewährte Betriebsverfassungsgesetz verunstaltet ({7}) zulasten des Mittelstands und zum Nachteil einer wirklichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Dies geschah einzig und allein mit dem Ziel, die Macht der Gewerkschaftsfunktionäre zu stärken. ({8}) Statt das immer weitere Auseinandergehen von Bruttound Nettoeinkommen in diesem Land wieder zusammenzuführen, haben Sie durch die Abschaffung der 630Mark-Jobs die Menschen zu Zigtausenden in die Schwarzarbeit getrieben. ({9}) Die paar Tausend, die Sie in die Sozialversicherung gezwungen haben, benutzen Sie jetzt dazu, die Statistik zu verfälschen und zu sagen: Schaut her, was wir für tolle neue Arbeitsplätze geschaffen haben! Sie haben das unternehmerische Engagement der Menschen in diesem Land, das sich in den 90er-Jahren auf eine Aufbruchsituation stützen konnte, abgewürgt. Das ging los mit der Scheinselbstständigkeit. Wir haben - das wissen Sie - im Bereich der Existenzgründer die Situation, dass jeder Existenzgründer im Durchschnitt zweieinhalb Arbeitsplätze schafft. Wir sind heute bei den Existenzgründungen auf einem Tiefpunkt, weil Sie insbesondere die jungen Menschen entmutigt haben und sie mit Bürokratie zu bremsen versuchen. ({10}) Die Leidtragenden dieser falschen Politik der Entmutigung sind die Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, und die Zigtausenden, die täglich in großer Sorge um ihren Arbeitsplatz leben. Herr Schulz, es ist zynisch, zu sagen, das alles sei kein Problem. Das zeigt, wie weit die Grünen von der Bevölkerung in diesem Land entfernt sind. ({11}) Die rot-grüne Regierung steht angesichts der Arbeitsmarktzahlen vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik, und das - Johannes Singhammer hat es angesprochen - ausgerechnet in einer Phase, in der Deutschland ökonomisch stark sein muss, um eventuelle konjunkturelle Schwächen der Weltwirtschaft verkraften zu können. ({12}) Eine Regierung, die die eigene Wirtschaft stranguliert und sich darauf verlässt, dass die wirtschaftlichen Impulse von außen kommen, trägt die Verantwortung dafür, dass Zigtausende von Menschen in diesem Land Existenzängste haben. Ich fordere Sie deswegen auf, Ihre falsche Politik zu korrigieren. ({13}) Nehmen Sie das falsche 630-Mark-Gesetz zurück. ({14}) Nehmen Sie das Scheinselbstständigkeitsgesetz zurück. ({15}) Nehmen Sie das Zwangsteilzeitgesetz zurück! Insbesondere fordere ich Sie auf, endlich den Wert des Mittelstands in Deutschland wieder zu erkennen und dem Mittelstand als dem Rückgrat unserer Wirtschaft in der Politik wieder entsprechendes Gewicht zu verschaffen. Herr Riester, Sie haben kalt lächelnd alle Resolutionen, die Ihnen aus dem Mittelstand zum Betriebsverfassungsgesetz zugeschickt worden sind, mit der linken Hand vom Tisch gewischt. Sie haben den Mittelständlern noch nicht einmal das Gehör geschenkt, das sie in dieser schwierigen Situation, in der die Stimmung immer schlechter wird, dringend gebraucht hätten. Vor allem - auch das scheint mir wichtig zu sein brauchen wir keine Kürzungen bei den öffentlichen Investitionen - wie Sie es von Bundeshaushalt zu Bundeshaushalt machen - sondern wir brauchen eine Investitionsoffensive, damit auch die in der Bauwirtschaft arbeitenden Menschen wieder eine Zukunftsperspektive haben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Dr. Hans-Peter Friedrich ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Riester - Sie haben vorhin nach Vorschlägen gefragt -, folgen Sie deswegen unserem Vorschlag, einen Kombilohn einzuführen und den Menschen, die heute arbeitslos sind, eine Chance zu geben, im Niedriglohnbereich ein anständiges Einkommen zu erzielen. ({0}) Ich sage Ihnen eines: Angesichts der Massenarbeitslosigkeit in diesem Land muss die Politik der eingeschlafenen Hand des Herrn Bundeskanzlers beendet werden. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Kollegin Angelika Krüger-Leißner spricht für die SPD-Fraktion.

Angelika Krüger-Leißner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer heute gehofft hatte, dass wir in einer sehr schwierigen Situation ernsthaft und sachlich über die Lage auf dem Arbeitsmarkt diskutieren, ist wieder einmal getäuscht worden. Werner Schulz hat Recht: Es läuft alles nach einem alten Muster ab, gekennzeichnet durch Ihre permanente Vergesslichkeit, was Ihr Tun bzw. Nicht-Tun bis 1998 betrifft. Alles, was wir in den letzten drei Jahren an Reformpolitik gemacht haben ({0}) neue Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Aufschwung und für die soziale Absicherung -, wird von Ihnen schlecht gemacht oder einfach nicht erwähnt. ({1}) Ich denke, dass man diesem wichtigen Thema so nicht gerecht werden kann. Wir erwarten auch von Ihnen in der Opposition sachliche Argumente und konkrete Vorschläge. ({2}) Ich denke, angesichts der vorliegenden Arbeitsmarktzahlen hat keiner Grund zum Jubeln, auch Sie nicht. Die allgemeine Arbeitsmarktsituation ist schwierig und im Osten ist sie unglaublich viel schwieriger und anhaltender. Die weltweit abgeschwächte Wirtschaftskonjunktur zeigt sich auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Wir spüren das ganz deutlich. 3,74 Millionen Menschen, die in unserem Land keine Arbeit haben, sind einfach zu viel. Es macht uns auch nicht froh, wenn wir anhand der Statistik sehen, dass 45 000 Menschen weniger arbeitslos sind als im Vormonat. ({3}) In den neuen Bundesländern zeigt sich das gravierend. Dort haben wir eine Arbeitslosigkeit von 16,9 Prozent. Das zeigt deutlich das Ungleichgewicht in diesem Land. Aber auch in den neuen Bundesländern ist, wie Sie sehen, wenn Sie sich die Zahlen genau anschauen, die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vormonat gesunken, und zwar um 6 300. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen ist gestiegen und bei der Arbeitsvermittlung ist ein Plus von 5 238 zu verzeichnen. Ebenso ist die Zahl der Weiterzubildenden gestiegen. Diese Entwicklung würde uns froh machen, wenn wir nicht auch eine gegenläufige Entwicklung hätten. Der Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern ist einfach zu zögerlich und die konjunkturelle Delle zeigt sich hier umso deutlicher. ({4}) Sie wissen so gut wie ich, liebe Kollegen von der Opposition, dass es grundsätzlich eine positive ostdeutsche Wirtschaftsentwicklung gibt. Aber sie vollzieht sich in einem strukturellen Wandel. Dieser Wandel ist durch den Abbau von Überkapazitäten in der Bauwirtschaft gekennzeichnet. Ich darf Sie kurz daran erinnern, dass Sie daran Ihren Anteil haben, und zwar durch Ihre verfehlte Förderpolitik. ({5}) Auf der anderen Seite vollzieht sich der strukturelle Wandel durch die Stabilisierung der ostdeutschen Industrie und durch die Entwicklung des industrienahen Dienstleistungsgewerbes. Das sind aber noch immer gegenläufige Prozesse. Der Arbeitsmarkt in den neuen Ländern ist ein Spiegelbild dieses sehr differenzierten Prozesses. Diese Entwicklung ist von unserer Koalition rechtzeitig erkannt worden und wir haben gegengesteuert. Die positive Entwicklung in den letzten drei Jahren unserer Regierungszeit, die unser Arbeitsminister Walter Riester geschildert hat und die durch einen kontinuierlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit ({6}) und durch die Erhöhung der Erwerbstätigkeit um 1 Million gekennzeichnet ist, ist doch nicht vom Himmel gefallen! ({7}) Sie ist durch unsere veränderten Rahmenbedingungen erst möglich geworden. Wir haben eine Strategie verfolgt, ({8}) zu der gezielte wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gehören, und zwar nicht kurzfristig, sondern langfristig und kontinuierlich angelegt. Genau das ist das Richtige für die neuen Bundesländer. Ich erinnere Sie an wichtige Entscheidungen, die wir für die Entwicklung der Wirtschaft und der Beschäftigung in den neuen Bundesländern getroffen haben. Ich sage nur: verstärkte Infrastrukturförderung mit hoher Priorität in den neuen Bundesländern, Investitionen in die Schienen, Straßen und Wasserstraßen. ({9}) Das sichert Arbeitsplätze und schafft neue. ({10}) Ich erinnere an die Ausrichtung der Förderpolitik auf die Entwicklung innovativer Wachstumsregionen. - Ich erinnere an die Ausrichtung auf Forschungs- und Technologiebereiche, für die pro Jahr 3 Milliarden DM zur Verfügung stehen. Auch das bringt neue Arbeitsplätze. ({11}) Ich erinnere an die Infrastrukturschwerpunkte, die wir jetzt im Rahmen der Stadtsanierung setzen. „Stadtumbau Ost“ ist ein Programm, für das 450 Millionen Euro vorgesehen sind und mit dem wir ebenso neue Arbeitsplätze schaffen werden. Diese massiven Anstrengungen für die Infrastrukturentwicklung in den neuen Bundesländern sind dringend notwendig und richtig. Wir werden sie kontinuierlich fortsetzen und mit unserer Arbeitsmarktpolitik vernetzen. ({12}) Zwei Punkte, die für die neuen Bundesländer sehr wichtig sind, möchte ich bezüglich der Arbeitsmarktpolitik ansprechen: einmal das Sofortprogramm zum Abbau der Arbeitslosigkeit junger Menschen, das wirklich erfolgreich läuft, insbesondere in den neuen Ländern. ({13}) Die Erhöhung der für Ostdeutschland vorgesehenen Mittel auf 50 Prozent hat bewirkt, dass wir die Arbeitslosigkeit - das können Sie in der Statistik nachlesen - um 1,57 Prozent verringern konnten. Dort haben wir sogar bessere Ergebnisse erzielt als in den alten Bundesländern. ({14}) Dieses Programm werden wir fortführen. Der zweite Punkt ist: Wir werden das Job-Aqtiv-Gesetz gezielt dafür einsetzen, die Arbeitsmarktsituation in den neuen Bundesländern zu verbessern. Die Verstärkung der Vermittlungstätigkeit und der Qualifizierung wird wichtig sein. Aber wir bringen auch eine neue Qualität in die Arbeits- und Beschäftigungspolitik, ({15}) und zwar durch eine beschäftigungsfördernde Infrastrukturmaßnahme, mit der wir eine verstärkte Verzahnung zwischen Infrastruktur- und Arbeitsmarktpolitik anstreben. ({16}) Ich will zum Schluss gar keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass für uns die Schaffung von Arbeitsplätzen und der Abbau der Arbeitslosigkeit weiterhin das Hauptziel sind. Wir haben einen Weg eingeschlagen, der in die richtige Richtung führt. Den werden wir kontinuierlich fortsetzen. Wir werden dafür alle vorhandenen Kräfte brauchen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin, jetzt darf ich keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Angelika Krüger-Leißner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Einen Satz an die Opposition möchte ich noch sagen: Für diese gemeinsame Kraftanstrengung brauchen wir die Wirtschafts-, die Arbeitsmarkt-, die Sozial- und die Strukturpolitiker. ({0}) Über diese Verzahnung von Arbeitsmarkt- und Infrastrukturpolitik werden wir alle zusammen es schaffen, eine Verbesserung zu erreichen. Wir brauchen auch Sie dazu. Machen Sie mit! ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir haben in dieser Aktuellen Stunde noch zwei Redner. Zunächst spricht für die CDU/CSU der Kollege Heinz Schemken.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schulz, gehen Sie davon aus, dass die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt von uns immer wieder auf die Tagesordnung gebracht wird, bis sie sich verbessert hat. ({0}) Davon lassen wir uns nicht abbringen. Denn dies war Ihr zentrales Thema im Wahlkampf 1998. ({1}) Sie haben Versprechungen gemacht, die Sie nicht einmal zur Hälfte einlösen können. Das zeigt sich schon jetzt. ({2}) Der Aufwuchs der Arbeitslosigkeit ist in diesem Jahr deutlicher denn je. Die Zahlen des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Jagoda, belegen: Saisonbereinigt steigt die Zahl der Arbeitslosen in der letzten Zeit von MoAngelika Krüger-Leißner nat zu Monat um 20 000 und seit Beginn des Jahres um 91 000. Kollege Peter Rauen hat soeben deutlich gemacht, dass es, was die Frage des Aufwuchses an Arbeit angeht, seit Ende 1998 und mit Beginn 1999 eine Stagnation gibt. ({3}) Die Erwerbsstundenzahlen gingen bis dahin steil nach oben. Dies sind Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die Sie sich einmal besorgen sollten. Das sage ich, weil Sie, Herr Staatssekretär, sicherlich gleich den Zweifel anbringen werden, dass dies nicht stimmen kann. Nun werden Sie am Ende des Jahres feststellen - das hat heute schon der Chef der Bundesanstalt für Arbeit verkündet -, dass die Zahl der Arbeitslosen auf 3,8 Millionen, wenn nicht sogar auf 3,9 Millionen oder auf 4 Millionen gestiegen ist. Im Jahr 1998 lag die durchschnittliche Arbeitslosigkeit bei 4,2 Millionen! Wir müssen aber feststellen, dass in der Zwischenzeit 600 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Rente gegangen sind. Das, Herr Minister, war nicht immer so. Jetzt treffen uns nämlich die geburtenstarken Jahrgänge der 30er-Jahre; das können Sie nachvollziehen. ({4}) Nun zu den Problemen, die Sie mit den 16 Jahren haben. Es gab einen entscheidenden Abschnitt, den ich immer noch als Wunder begreife - ich bin immer wieder bewegt, dabei gewesen zu sein -, und das war die Wiedervereinigung. Die wird oft vergessen und unterschlagen, Herr Schulz. ({5}) Sie sollten einmal auf solche Gesichtspunkte eingehen, wenn Sie unsere Seelenlage bewegen wollen. Darum würde ich wirklich herzlich bitten. Wir haben in den 80erJahren dank der Steuerreform in drei Stufen - 1986, 1988, 1990 - innerhalb von vier Jahren einen Aufwuchs von 3 Millionen Arbeitsplätzen gehabt. Hören Sie gut hin: von 36 auf 39 Millionen! ({6}) Aber ich will ja nicht die Vergangenheit bewältigen; ich wollte Sie eigentlich nur für die Zukunft gewinnen. Lieber Wolfgang Weiermann, wir sind doch nicht böse! Wenn, dann bin ich erschüttert oder traurig über Ihr Verhalten, darüber, dass Sie dieser Vorgang nicht mit Sorge umtreibt. Der Minister hat ja hier noch einmal deutlich gemacht, dass das unser aller Anliegen sein sollte. Sie aber haben dieses Anliegen schon fast vergessen und holen sich dann noch Frau Engelen-Kefer zur Zeugin. ({7}) Frau Dr. Engelen-Kefer, die stellvertretende Vorsitzende des DGB, hat erklärt, man solle die aktuelle Entwicklung, die sie wahrnimmt, nicht dramatisieren. Dies könne eine Angstspirale auslösen. - Ich glaube, sie will für das nächste Jahr vorbeugen, damit sie mit dem Kanzler wieder in den Wahlkampf gehen kann. So verstehe ich diese Feststellung. ({8}) Jetzt müssen wir uns einmal einigen: Halten wir es mit den schaffenden Leuten, mit den Arbeitslosen oder mit einer verfehlten Politik? Was machen wir? ({9}) Wir müssen uns einigen. Das wäre ehrlich und wahrhaftig. Ich komme jetzt zu Ihrem Job-Aqtiv-Programm. Ich will hier nicht mit Zahlen operieren; aber die Situation in den jungen Bundesländern ist besorgniserregend. Die Arbeitslosigkeit stieg dort von 1998 bis heute von 4,9 Millionen auf 5,1 Millionen. Es gab also eine ständige Erhöhung der Arbeitslosenzahlen und keinen Rückgang. Wir wollen gar nicht die Komplementärmaßnahmen, die wir stattfinden lassen, dagegenrechnen, weil dort die strukturellen Probleme in den Kommunen so sind, dass wir helfen müssen. ({10}) Ich stelle aber fest, dass es schon des Schweißes der Edlen wert ist, sich mit diesen Zahlen zu beschäftigen, weil hinter jeder Zahl das Schicksal des bzw. der einzelnen Arbeitslosen steht. Ich sage ausdrücklich, dass uns das bewegt. ({11}) Hier müssen wir am Anfang ansetzen. Soeben wurde gesagt - der Minister hat dies heute Morgen auch noch einmal im Ausschuss erklärt -, dass die Arbeit zu teuer sei, der Arbeitnehmer netto zu wenig herausbekomme und es brutto viel zu teuer sei, Arbeit so zu verkaufen, dass sie im internationalen und auch im nationalen Wettbewerb bestehen kann. Da haben Sie total bei denen versagt, die Arbeitsplätze schaffen. Das sind nämlich nicht die Kapitalgesellschaften, sondern das sind die Handwerker, die Einzelhändler, die kleinen Unternehmen. ({12}) Sie behandeln diese kleinen Unternehmen in der Steuergesetzgebung anders als die Kapitalgesellschaften. Da beißt die Maus keinen Faden ab. ({13}) Damit zerstören Sie die Basis, die uns einen Aufwuchs an Arbeitsplätzen schafft. Hätten wir den Mittelstand nicht, dann hätten wir in den 90er-Jahren 700 000 Arbeitsplätze weniger gehabt. Das heißt, wir hätten eine noch höhere Arbeitslosigkeit.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege, ich muss alle Redner gleich behandeln. Daher möchte ich Sie darauf hinweisen, dass auch Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, schönen Dank. Sie machen das immer sehr vornehm. Insofern möchte ich vornehm enden. Ich wünsche uns, dass wir auch beim Job-AqtivGesetz, beim Kombilohn und beim Zusammenlegen von Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammenarbeiten, damit wir endlich den Kern der Langzeitarbeitslosigkeit angehen können. Das wäre für uns alle sicherlich ein guter Auftrag. Ich wünsche mir, dass wir dies gemeinsam tun. Schönen Dank. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Der Kollege Gerd Andres beschließt nunmehr für die sozialdemokratische Fraktion diese Runde.

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kenne den Kollegen Heinz Schemken über viele Jahre hinweg. Ich halte ihn für einen sehr ehrlichen und aufrechten Kollegen. ({0}) Ich sage ihm ganz offen: Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass wir die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ändern und jeden Monat, wenn Sitzungswoche ist und die neuen Arbeitsmarktzahlen verkündet werden, nicht eine Aktuelle Stunde, sondern eine Aktuelle Arbeitsmarktstunde machen. Dagegen habe ich keine Einwände. Ich mache mir über Folgendes Sorgen - das sage ich ganz deutlich, das kann man nicht beschönigen -: Wir haben in diesem Monat gegenüber dem Vorjahresmonat eine Steigerung der registrierten Arbeitslosigkeit von rund 58 000 Menschen. Auch im vorigen Monat hatten wir schon eine Steigerung. Ich will aber darauf hinweisen, dass davor 39 Monate lagen - Monat für Monat -, in denen die ganze Zeit eine geringere Arbeitslosenzahl als im Vorjahr mitgeteilt werden konnte. Wir sind sehr stolz darauf, dass das so ist. Das kann ich Ihnen sagen. ({1}) Bei diesen monatlichen Debatten wünschte ich mir sehr viel mehr Redlichkeit. Ich schätze Herrn Rauen aus wirtschaftspolitischen Diskussionen. Aber wenn in einem solchen Zusammenhang nach der Rede des Ministers der Begriff „Klugschwätzer“ fällt, dann verstehe ich, dass das wehtut. Ich sage sowohl Herrn Rauen als auch Herrn Brüderle: ({2}) Ein bisschen mehr Redlichkeit in der Debatte würde Ihnen außerordentlich gut tun. ({3}) Wir haben von Ihnen die höchste Staatsverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland übernommen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. ({4}) Wir haben von Ihnen die höchste Steuerbelastung übernommen, die wir in der Geschichte der Republik hatten. ({5}) Wir haben von Ihnen die höchste Quote an Sozialabgaben übernommen, nämlich in der Spitze 42,1 Prozent. Wir haben von Ihnen die höchste Arbeitslosigkeit in der Geschichte der Republik übernommen. ({6}) - Hören Sie auf zu schreien! Das, was ich sage, ist wahr und überprüfbar. ({7}) Damit Sie einmal die Zahlen kennen: 1997 lag die registrierte Arbeitslosigkeit bei 4,38 Millionen Menschen im Jahresdurchschnitt. 1998 waren es 4,28 Millionen Arbeitslose im Jahresdurchschnitt. Sie, Herr Rauen und Herr Brüderle - ich bitte darum, dies nicht zu vergessen -, haben es von 1991 an geschafft, dass in jedem Jahr die jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit angestiegen ist. ({8}) Erst wir haben diesen Trend gebrochen; damit das klar ist. ({9}) Die höchste Arbeitslosigkeit im Jahr 1998 haben Sie dadurch erreicht - das ist der nächste Punkt, der etwas mit Redlichkeit zu tun hat, meine Herrschaften -, dass in diesem Jahr sage und schreibe 540 000 Menschen in ABM und SAM waren. ({10}) Gegenwärtig sind rund 232 000 Menschen in diesen Maßnahmen. Gegenüber Ihrer Spitzenleistung haben wir die Zahl mehr als halbiert. Darauf sind wir stolz. Wir lassen uns von Ihnen keine Diskussion darüber an die Backe reden, dass man ABM und SAM umwandeln oder ganz beseitigen müsse. Es sind einige Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern anwesend. Von den 155 000 AB-Maßnahmen werden knapp 50 000 in den alten Bundesländern, der Rest wird in den neuen Bundesländern in Anspruch genommen. ({11}) Wer mit ideologischen Kampfparolen antritt, man müsse diese Maßnahmen alle umwandeln oder abschaffen, der muss den Menschen sagen, welche andere Perspektive sie haben und wie dann ihre Beschäftigungssituation aussieht. ({12}) Auf diesem Feld würde ich mir viel mehr Redlichkeit wünschen und nicht nur die monatlichen Schaugefechte, die Sie abliefern. Man hat inzwischen den Eindruck, in der öffentlichen Debatte nur noch von Keynesianern umzingelt zu sein. Es ist wirklich erstaunlich, wer alles Beschäftigungsprogramme, Konjunkturprogramme und Ähnliches fordert. Dazu fällt einem absolut nichts mehr ein. Auch Kollege Brüderle gehört in diese Gruppe. Ich finde es im Übrigen völlig richtig, was mein Minister gesagt hat. Wenn wir in einer Situation wären, in der wir nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt hätten, sondern sogar einen Haushaltsüberschuss, könnten wir entsprechende Maßnahmen anstoßen. Da wir von Ihnen aber völlig zerrüttete Staatsfinanzen übernommen haben, ist es sehr schwierig, Programme zu finanzieren. ({13}) Herr Rauen - Sie suchen sich die Punkte so aus, wie Sie sie gebrauchen können -, damit wir uns verstehen: Ich empfehle Ihnen einen Antrag Ihrer eigenen Fraktion, in dem verschiedene Maßnahmen, zum Beispiel Kombilöhne, vorgeschlagen werden. Ich muss Ihnen sagen: Ich bin dafür, alles auszuprobieren, was auf Dauer zu vernünftigen Bedingungen Beschäftigung bringen kann. ({14}) Wenn wir aber durch entsprechende Maßnahmen - als Wirtschaftspolitiker sind Sie sonst doch strikt dagegen in ein System einsteigen, indem wir flächendeckend eine Subventionierung regulärer Arbeit vornehmen, müsste das doch Ihrem ordnungspolitischen Grundschema, das Sie sonst immer bemühen, widersprechen. ({15}) Wir werden eine solche Position nicht unterstützen, aber nach Möglichkeiten suchen, wie man Menschen aus Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosigkeit herausführen kann. Das kann man nicht durch Verstetigung und Erhöhung von Transfereinkommen erreichen, sondern nur dadurch, dass man Möglichkeiten für die Betroffenen findet, aus dem Bezug von Transfereinkommen herauszukommen. ({16}) Sehen wir uns den Rest Ihres glorreichen Antrages an! Er enthält den tollen Vorschlag, das Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, das Langzeitarbeitslosenprogramm und Strukturanpassungsmaßnahmen aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit herauszunehmen. Sie müssen nur noch sagen, wie dies finanziert werden soll. Aus Gründen der Redlichkeit würde ich um eine solche Klarstellung bitten. Wenn Sie im Ausschuss ausführen, wie viele öffentliche Mittel für die Arbeitsmarktpolitik gebraucht werden, sich in der öffentlichen Diskussion aber vor konkreten Aussagen drücken, so ist das wieder ein Punkt, bei dem ich Ihnen sagen muss: Sie sind absolut unredlich. ({17}) Ich komme zu meinem letzten Punkt: Herr Seehofer hat sich in der Sommerpause mit der Theatertruppe CDU/CSU öffentlich produziert. Es wird vorgeschlagen, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Auch ich bin für diesen Vorschlag. Nur müssen wir dafür die Luft haben. Wir können es nicht auf Ihre Weise machen, indem wir einfach viele Programme der Beschäftigungspolitik kürzen. Auf diese Weise würde die Arbeitslosigkeit nämlich nicht gesenkt, sondern erhöht. Eine solche Politik werden Sie mit uns nicht machen können. Wir werden ganz systematisch die Verstetigung der Arbeitsmarktpolitik weiter vorantreiben. Wir werden unser Job-Aqtiv-Gesetz jetzt beraten und verabschieden und Stück für Stück dafür sorgen, dass es in Deutschland zukünftig wieder mehr Beschäftigung und einen Abbau der Arbeitslosigkeit geben wird. Darauf können Sie sich verlassen. ({18})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 11. Oktober 2001, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.