Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nein, Frau Hasselfeldt, dieses Thema steht morgen auf
der Tagesordnung. Dann werde ich mit großem Vergnügen berichten.
({0})
Bereiten Sie sich schon einmal darauf vor! Die Gelegenheit will ich heute Abend, fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit, nicht verschenken.
({1})
Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich - nicht als
Missachtung des Parlaments - unmittelbar nach meiner
Rede gehen muss, damit ich pünktlich beim Bundespräsidenten aus Anlass des Essens mit dem russischen Präsidenten erscheinen kann. Ich muss mir noch einen
schwarzen Anzug anziehen.
({2})
- Vorsicht, in diesem Spiel gibt es auch noch sehr verschiedene Varianten.
Meine Damen und Herren, unsere steuerpolitische Bilanz kann sich sehen lassen. Mit der Steuerreform 2000
ist das größte Steuersenkungsprogramm im Bereich der
direkten Besteuerung seit 40 Jahren erfolgreich umgesetzt
worden.
({3})
- Sind Sie unruhig? - Die Steuerzahler werden im
Zeitraum von 1998 bis 2005 insgesamt um 100 Milliarden DM jährlich nachhaltig entlastet. Familien, Arbeitnehmer und die mittelständische Wirtschaft sind die
Hauptgewinner der Reform.
({4})
Denn für uns ist Gerechtigkeit keine Leerformel. Wir haben sie konkret in der Steuerpolitik umgesetzt.
({5})
Daran ändern auch die maßvollen Steuererhöhungen
- über die wir morgen diskutieren - nichts, die wir für die
Finanzierung der Maßnahmen zur Erhöhung der inneren
und äußeren Sicherheit im Kampf gegen den Terrorismus
benötigen.
Durch die deutliche Senkung der Steuersätze für Kapitalgesellschaften und das Halbeinkünfteverfahren bei der
Körperschaftsteuer ist unser Steuersystem endlich wieder
international wettbewerbsfähig und europatauglich.
({6})
Durch die Beseitigung der Gewerbesteuer als Kostenfaktor für die Personengesellschaften und Einzelunternehmer wird eine nachhaltige Entlastung des Mittelstandes, wie er ihn seit fünfzig Jahren gefordert hat, erreicht.
({7})
Mit der Senkung der Steuersätze bei der Einkommensteuer erhält er ebenfalls eine Entlastung.
({8})
Das Steuerrecht ist einfacher, transparenter und gerechter geworden.
({9})
- Sie werden sich noch wundern, was Vereinfachung
heißt. Es bedeutet immer den Abbau von Steuersubventionen. Das müssten Sie eigentlich wissen. - Es wird in
Zukunft den Wachstumsmotor unterstützen. Aber es
bleibt selbstverständlich viel zu tun. Die vorliegenden
Gesetzentwürfe zum Steuerrecht sind kleine, aber wichtige Schritte auf diesem Weg. Für weitere hohe SteuerentVizepräsidentin Petra Bläss
lastungen ist augenblicklich kein finanzieller Spielraum
vorhanden; denn mit mir wird es kein Zurück in die Verschuldungspolitik früherer Regierungen geben.
({10})
Aber wir können noch eine Menge tun: Modernisierung und Vereinfachung müssen nun die Schwerpunkte
der Steuerpolitik sein. Deshalb werden wir noch in dieser
Legislaturperiode auf verschiedenen Feldern aktiv; denn
es gibt keine Reformpause. Wir gehen die Aufgaben weiter energisch an. Das schafft bei Bürgern und Unternehmen Vertrauen.
Zunächst zur Unternehmensbesteuerung und ihrer
Fortentwicklung: Auch für die Zukunft wird die Steuerpolitik der Wirtschaft einen attraktiven Rahmen im sich
verschärfenden globalen Wettbewerb bieten. Deshalb
dürfen wir nicht rasten. Das Ziel der Bundesregierung ist
es, die mit der Unternehmensteuerreform erreichte gute
Position des Standortes Deutschland weiter zu festigen
und auszubauen. Dabei gilt es, sowohl für den Mittelstand
als auch für die Großunternehmen die wichtigen steuerlichen Rahmenbedingungen so zu justieren, dass ein Bestehen im internationalen Wettbewerb nachhaltig gesichert ist.
Mit der Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts verfolgen wir folgende Ziele: Wir schaffen weitergehende Erleichterungen für Umstrukturierungen insbesondere von mittelständischen Unternehmen. Das
Steuerrecht machen wir für die internationalen Verflechtungen der Wirtschaft fit. Wir sichern eine gleichmäßige
Besteuerung durch den Ausschluss von Gestaltungen. Wir
gewährleisten Rechtssicherheit durch Klarstellung bei der
Anwendung der Steuergesetze.
({11})
Grundlage des Gesetzentwurfs ist der Bericht des
Bundesfinanzministeriums an den Finanzausschuss des
Deutschen Bundestages vom 18. April dieses Jahres zu
Fragen der Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts.
Der Bericht basiert auf Überlegungen einer Expertengruppe aus Wirtschaft, Wissenschaft, Finanzverwaltung
der Länder, von Steuerberatern und den kommunalen Spitzenverbänden. So haben wir ein vernünftiges Fundament
für die Diskussion gelegt. Die Vorschläge des Berichts betreffen kurzfristig zu realisierende Maßnahmen, aber auch
mittelfristig umzusetzende Entwicklungsperspektiven aus
den Bereichen Umstrukturierung von Unternehmen, Ergebnisverrechnung zwischen verbundenen Unternehmen
und Besteuerung von Auslandsbeziehungen.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung
des Unternehmensteuerrechts greift die kurzfristig zu verwirklichenden Maßnahmen auf. Wir erleichtern die
Umstrukturierung von Personenunternehmen im mittelständischen Bereich. Die Einführung einer Reinvestitionsrücklage für Personenunternehmen bei der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ist eine
weitere Mittelstandskomponente. Damit entlasten wir den
Mittelstand um weitere 150 Millionen Euro. Auch erleichtern wir die Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften im grenzüberschreitenden Bereich. Dies nützt
dem Zusammenwachsen der Volkswirtschaften in Europa
und dem offensiven Hineingehen der deutschen Wirtschaft in den europäischen Binnenmarkt.
({12})
Weitere Maßnahmen betreffen vor allem gesetzliche
Klarstellungen zum Systemwechsel nach dem Steuersenkungsgesetz.
Der Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, zum
Unternehmensteuerrecht ist ausgewogen. Er berücksichtigt die Interessen der Wirtschaft nach stärkerer
Flexibilisierung des Unternehmensteuerrechts sowie der
Länder und Kommunen nach Sicherung des Steueraufkommens. Hier bin ich auf Ihre Position gespannt. Das ist
kein einfaches, aber ein notwendiges Thema.
({13})
Eines zeigt er deutlich: Für den Mittelstand haben wir,
wie sich das schon bei der Steuerreform grundlegend gezeigt hat, immer ein offenes Ohr;
({14})
denn vor allem in der mittelständischen Wirtschaft werden die Weichen für Ausbildung und Beschäftigung gestellt.
({15})
Auch auf anderen Feldern müssen wir reagieren. So ist
eine Verhinderung von Steuerbetrug unabdingbar, um
die steuerehrlichen Bürger und die steuerehrlichen Unternehmen im Wettbewerb nicht gegenüber denjenigen zu
benachteiligen, die steuerbetrügerisch sind.
({16})
An dieser Stelle hoffe ich sehr, dass wir uns nicht wieder mit einigen Ausflüchten um die notwendigen Dinge,
die die Steuerverwaltung braucht, drücken; denn es darf
nicht sein, dass man jemandem die Möglichkeit gibt, noch
schnell seine Unterlagen in Ordnung zu bringen oder sich
davonzumachen.
Im Fall des Umsatzsteuerbetrugs geht es um solche
Summen, dass nicht mit tagelangen Voranmeldungen gearbeitet werden kann. Ein Telefonanruf vor dem Erscheinen der Prüfer muss genügen. Andernfalls werden wir
- ich sage es mit allem Nachdruck - unser Ziel nicht erreichen.
({17})
Der rasche technische Wandel, die internationale Arbeitsteilung und die zunehmende Digitalisierung von
Daten führen dazu, dass sich Bürger und Unternehmen
zum Teil drastisch gewandelten Lebens- und Erwerbsbedingungen gegenübersehen. Wir müssen dabei dafür
Sorge tragen, dass internationale Arbeitsteilung und moderne Techniken nicht dazu genutzt werden, um unsere
Steuerbasis schleichend zu unterhöhlen. Der Umsatzsteuerbetrug hat ganz erhebliche Ausmaße angenommen.
Für Deutschland muss mit Umsatzsteuerausfällen im
zweistelligen Milliardenbereich gerechnet werden. Steuerehrliche Unternehmen sind in ihrer Wettbewerbsfähigkeit
beeinträchtigt und Arbeitsplätze sind bedroht. Die Betrüger nutzen das bestehende Umsatzsteuersystem bewusst
aus, sind bestens organisiert und kennen die Abläufe in
der Finanzverwaltung sehr genau.
Wir haben auf diesem Gebiet ein äußerst liberales
Recht. Auch will ich nicht in die Liquidität der Unternehmen eingreifen. Insofern bleiben wir sehr viel maßvoller
als alle anderen Länder in Europa. Man muss aber auch
zugreifen können und darf Steuerunehrlichen nicht die
Chance eröffnen, vor einer Verfolgung zu fliehen.
({18})
Ich bin mit meinen Finanzministerkollegen aus den
Ländern darin einig, dass für eine wirkungsvolle Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges neben der Verbesserung
des Verwaltungsvollzugs gesetzgeberische Maßnahmen
unverzichtbar sind. Die Maßnahmen zur Verbesserung
des Verwaltungsvollzugs haben wir in Abstimmung mit
den Ländern zum Teil bereits umgesetzt. Die notwendigen gesetzlichen Änderungen enthält der vorliegende Gesetzentwurf.
Folgende Regelungen sind besonders wichtig:
Erstens: Abgabe monatlicher Voranmeldungen bei
Neugründungen. Kurzlebige betrügerische Unternehmen
können nur dann rechtzeitig aufgedeckt werden, wenn die
Finanzverwaltung die notwendigen Informationen über
solche Firmen frühzeitig erhält. Neu gegründete Unternehmen sollen deshalb künftig im Jahr der Gründung und dem
darauf folgenden Jahr ihre Umsätze monatlich melden.
Zweitens: Vorsteuererstattung gegen freiwillige Sicherheitsleistung. Die nahezu nur in Deutschland praktizierte schnelle Auszahlung von Vorsteuerbeträgen zieht
Steuerhinterzieher an. Sie kommen sehr schnell an das
Geld. Um das Haushaltsrisiko zu reduzieren, ohne die Liquidität der Unternehmen allzu sehr zu belasten, soll bei
Zweifeln an der Berechtigung des Vorsteuerabzugs die
Auszahlung der Vorsteuer künftig mit Zustimmung des
Steuerpflichtigen gegen Sicherheitsleistung möglich sein.
Andere Länder - ich weise darauf hin - zahlen erst sehr,
sehr viel später oder nur einmal im Jahr aus. Das wollten
wir unseren Unternehmen nicht zumuten.
Drittens: Haftung für schuldhaft nicht abgeführte
Steuer. Künftig sollen Unternehmer, die wissen oder den
Umständen nach wissen müssen, dass sie in einen Karussellbetrug involviert sind, für den Umsatzsteuerausfall in
Haftung genommen werden können, der durch das Karussellgeschäft entstanden ist. Nur steuerunehrliche Unternehmer werden davon betroffen sein.
Viertens: Allgemeine Nachschau - ich habe es eben
schon angedeutet - für die Umsatzsteuer; das betone ich.
Für Umsatzsteuerzwecke ist die Möglichkeit, unangekündigt Unternehmen in Augenschein zu nehmen, zwingend
erforderlich.
({19})
- Was decken Sie da eigentlich, Frau Kollegin
Hasselfeldt? Mit einem Umsatzsteuerausfall von über
20 Milliarden DM - dies hat der Rechnungshof festgestellt - ist eine Größenordnung erreicht, die es notwendig
macht gegenzusteuern. Überlegen Sie sich, was Sie da
decken!
({20})
Wir könnten uns noch manche Steuersenkung leisten,
wenn wir das Steuerrecht voll durchsetzten. Das ist meine
Zielsetzung.
({21})
Es kann doch nicht wahr sein, dass der Ehrliche der
Dumme ist. Das kann doch nicht unser gemeinsames Ziel
sein.
Nach geltendem Recht müssen Prüfungen außerhalb
des Strafverfahrens angemeldet werden. Die Anmeldung
gibt zwangsläufig Gelegenheit - übrigens ist auch das gemeinsame Überzeugung der Länderfinanzminister -, einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb vorzutäuschen.
Eine effektive Kontrolle ist damit derzeit nicht gewährleistet. Im Bereich des Zolls und der Verbrauchsteuern hat
sich die Nachschau - dort haben wir sie nämlich - seit langem bewährt.
({22})
Fünftens: Wegfall der Anhörung vor Weitergabe von
Informationen ins Ausland. Ein schneller und zeitnaher
Auskunftsaustausch über die Grenze ist im europäischen
Binnenmarkt dringend erforderlich. Die Anhörungspflicht im Bereich der Umsatzsteuer soll künftig entfallen.
Sechstens: Meldung von Neugründungen beim Finanzamt. Speziell zur effektiveren Aufdeckung von kurzlebigen betrügerischen Unternehmen, den so genannten
Phönixfirmen, benötigen die Finanzämter schneller als
bisher Informationen über die Aufnahme von unternehmerischer Tätigkeit. Die Unternehmen sollen daher künftig ihre Tätigkeit unmittelbar beim Finanzamt anmelden.
Siebtens: Hinzuziehung von Bediensteten anderer
Mitgliedstaaten. Wir müssen enger mit unseren europäischen Partnern zusammenarbeiten. Deswegen erleichtern wir die Kontakte mit den Finanzbehörden der anderen europäischen Länder.
Achtens: bessere Koordinierung zwischen Bund und
Ländern. Die umsatzsteuerlichen Ermittlungen der Bundesländer werden wir besser koordinieren. Dazu wird
das Bundesamt für Finanzen beauftragt, zur Identifizierung prüfungswürdiger Sachverhalte Informationen zusammenzuführen und auszuwerten.
Diese Modernisierungsoffensive im Bereich der Umsatzsteuer
({23})
sichert das Steueraufkommen und schützt den steuerehrlichen Unternehmer vor betrügerischen Mitbewerbern,
die nur aufgrund von Vorsteuermanipulationen preiswerter
anbieten können.
({24})
Ich habe übrigens gestern ein Gespräch mit dem Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks geführt, der in diesem Punkt vollständig meine Position teilt.
({25})
Es muss Schluss damit sein, dass der steuerunehrliche Unternehmer einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem steuerehrlichen Unternehmer hat.
({26})
Die vorgeschlagenen Regelungen sollen im Übrigen in
den nächsten vier Jahren zu Mehreinnahmen - ich
wünschte, es wären noch mehr; wir müssen erst einmal
schauen, was wir wirklich hinbekommen - von 10 Milliarden Euro führen. Für mich ist noch wichtiger: Dies ist
ein konkreter Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit.
Nun zum Steueränderungsgesetz 2001. Mit dem
Steueränderungsgesetz wird die Klarheit der Steuergesetze erhöht.
({27})
Viele Änderungen sind hier eher technischer Natur, aber
sie tragen zu einer besseren Transparenz bei. Ihre Umsetzung ist deshalb wichtig.
Neben der redaktionellen und inhaltlichen Bereinigung
steuerrechtlicher Vorschriften wird das Steuerrecht auch an
die höchstrichterliche Rechtsprechung sowie an das Recht
der Europäischen Union angepasst. Zudem tragen die Änderungen zu einer Vereinfachung des Steuerrechts und der
Beseitigung überflüssiger Verwaltungsvorschriften bei.
({28})
Nun zu der Fortsetzung der Euroumstellung. Es werden, soweit noch nicht geschehen, steuerrechtliche Vorschriften auf den Euro umgestellt oder bereits umgerechnete und geglättete Eurobeträge an zwischenzeitliche
Gesetzesänderungen angepasst. Auch hier wollen wir, wie
beim Steuer-Euro-Glättungsgesetz, das Vertrauen der
Bürger in den Euro dadurch stärken, dass nahe am Umrechnungswert zugunsten der Steuerpflichtigen geglättet
wird. Die Umsetzung europäischen Rechts und die Umstellung auf das Eurobargeld müssen zum 1. Januar 2002
im Gesetz vollzogen sein. Daher ist es notwendig, das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abzuschließen.
Meine Damen und Herren, das sind die drei Entwürfe,
die ich Ihnen vorzustellen hatte. Ich denke, sie alle dienen
dem Ziel, zu einem einfacheren, gerechteren, moderneren
Steuerrecht zu kommen. Ich bitte Sie herzlich um Ihre
Zustimmung.
({29})
Für die Fraktion der
CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Hansgeorg Hauser.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und
Kollegen! Bei allem Respekt davor, dass Sie, Herr Minister, die Sitzung gleich verlassen müssen: Den Text hätte
auch Ihre Staatssekretärin vorlesen können. Sie hat uns
schon heute Vormittag eine Kostprobe Ihrer Vorlesung
gegeben. Ich denke, das ist kein guter Stil.
({0})
Wir wollen alles anders und besser machen, versprach
diese rot-grüne Regierung. Jetzt, nach drei Jahren, stellt
die Fachwelt auf dem Gebiet des Steuerrechts fest: Das
Chaos wächst. In 35 Monaten hat diese Bundesregierung
37 neue Steuergesetze vorgelegt,
({1})
dazu über 60 Rechtsverordnungen und Richtlinien.
({2})
Viele davon waren Nachbesserungsgesetze
({3})
und Klarstellungsschreiben, ohne die manche Vorschrift
nicht umsetzbar bzw. verständlich gewesen wäre. Wenn
man sich mit Leuten aus der Praxis unterhält, dann kommt
permanent die Klage, dass sie bei vielen geänderten
Vorschriften - ich darf nur das Stichwort § 2 b EStG und
ähnliche Dinge nennen - bis heute nicht in der Lage
sind - auch die Finanzverwaltung ist dazu nicht in der
Lage -, diese Änderungen umzusetzen.
({4})
Jetzt sind die Gesetze Nr. 38, 39 und 40 dran, wie üblich
mit fantasievollen Namen. Die nächsten sind auch schon in
Arbeit. Es geht darum, Geld für mehr Sicherheitsmaßnahmen zu beschaffen, die man in den Vorjahren unter
dem Vorwand des Sparzwanges gestrichen hatte.
({5})
- Hören Sie zu, Herr Kollege! Dann würden Sie nicht solche dummen Bemerkungen machen. Es geht darum,
Sicherheitsmaßnahmen zu finanzieren. Diese Sicherheitsmaßnahmen sind vorher unter dem Vorwand des Sparzwanges deutlich eingeschränkt worden.
Über die Fragwürdigkeit dieser Nacht-und-Nebel-Aktion wird noch zu sprechen sein.
({6})
Jedenfalls wird diese für den Finanzminister sehr bequeme Art, die ihm die Mühe des Einsparens und Umschichtens im Haushalt erspart, für die Entwicklung der
Verbraucherpreise problematisch sein.
({7})
Die Inflationsrate wird nach Aussage des Statistischen
Bundesamtes um 0,4 Prozent steigen.
Frau Staatssekretärin - sie ist leider nicht mehr da -,
({8})
auch noch so schöne Erklärungen, dass das Statistische
Bundesamt den Warenkorb anders beschreibe usw., werden nicht davon ablenken können, dass die Inflationsrate
deutlich ansteigen wird.
({9})
Das Vertrauen in die Finanzpolitik geht verloren, urteilt
der Finanzwissenschaftler Professor Peffekoven.
Heute geht es um die Änderung steuerlicher Vorschriften durch das Steueränderungsgesetz 2001, um die Fortentwicklung der Unternehmensteuerreform und um das
Gesetz zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der
Umsatzsteuer und anderen Steuern, von dem im Folgenden die Rede ist.
Um es klar zu sagen: Wir unterstützen sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen. Dabei
geht es nicht nur um die Sicherung der Steuereinnahmen
des Staates, sondern auch - da stimme ich dem Minister
voll zu - um die gerechte, gleichmäßige Besteuerung und
um die Wettbewerbsgleichheit.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf allerdings wird
deutlich über das Ziel hinaus geschossen und die Verantwortlichkeit völlig aus der Balance gebracht. Nachdem
der Minister den Eindruck erwecken will, dass Verbände
hier zustimmen, beispielsweise der ZDH, darf ich Ihnen
aus den Kernaussagen des ZDH nur einen Punkt vorlesen:
Die vorgeschlagenen verfahrensrechtlichen Einschränkungen des Vorsteuerabzugs schießen unseres Erachtens
aber deutlich über das Ziel hinaus, indem sie auch dem
steuerehrlichen Unternehmer unverhältnismäßige Lasten
aufbürden.
({10})
- Das könnte ich auch, aber die Zeit ist mir dafür jetzt zu
schade. Der Tenor ist genau der gleiche.
Drei Vorschriften sind nach unserer Auffassung gründlich missraten: erstens die Einführung einer Sicherheitsleistung bei der Vorsteuererstattung, zweitens die Haftung
des Leistungsempfängers für die schuldhaft nicht abgeführte Steuer, drittens die allgemeine Nachschau.
Bei der Begründung des Gesetzes führt das Ministerium schweres Geschütz auf. Wir haben es gerade wieder
gehört: Die Steuerausfälle durch Betrug betrügen über
20 Milliarden DM.
({11})
Diese Summe muss uns gründlich erläutert werden, einschließlich der Berechnungs- und Datengrundlagen.
({12})
Vermutlich handelt es sich nämlich um übernommene
Schätzungen aus anderen Ländern, die bei uns so nicht
zutreffen.
Mit der lapidaren Begründung, dass das Vorsteuerabzugsrecht ... in hohem Maße betrugsanfällig sei, kann
künftig die Vorsteuererstattung im Einvernehmen mit
dem Unternehmer von einer Sicherheitsleistung abhängig
gemacht werden. Das Einvernehmen mit dem Unternehmer geht wohl nach dem Motto: Vogel, friss oder
stirb!
Eine Fülle ungeklärter Fragen drängt sich auf. Der Erstattungsfall muss zweifelhaft sein. In welchen Punkten
denn? Die Überprüfung muss notwendig sein. Welche
Überprüfung? In welchem Umfang? Wie hoch muss die
Sicherheitsleistung sein? Davon steht im Gesetz kein
Wort.
Völlig übersehen wird, dass nicht nur Kosten für eine
Bankbürgschaft entstehen, sondern auch der Kreditrahmen eines Unternehmens betroffen ist und damit Liquiditätsengpässe entstehen können. Gerade für Existenzgründer und mittelständische Unternehmer mit geringer
Eigenkapitalausstattung und hoher Fremdkapitalquote
wird die Bereitstellung von Sicherheitsleistungen kaum
möglich sein. Wo bleibt da Ihr neu entdecktes Herz für die
mittelständischen Unternehmer? Sie haben sich doch zum
Anwalt dieser Klientel gemacht. Das ist mit Sicherheit
schiefgegangen.
Auch eine Prüfung der Werthaltigkeit wäre nötig; trotzdem wird dazu nichts gesagt. Bei den neuen Anforderungen des § 18 KWG wird dies sehr zeitaufwendig sein.
Neu ist auch die Haftung des Leistungsempfängers
für die schuldhafte Nichtabführung der Umsatzsteuer aus
der ausgestellten Rechnung. Dabei muss der Vorsteuerabzugsberechtigte Kenntnis von der schuldhaften Nichtabführung haben. Es reicht aber auch schon aus, wenn der
Unternehmer den Umständen nach hätte wissen müssen,
dass diese Steuer nicht abgeführt wurde.
({13})
Diese Vorschrift bringt jeden rechtstreuen und ehrlichen
Unternehmer mit einem Bein ins Gefängnis, denn die
Haftung erstreckt sich auf alle Stufen der Umsatzsteuer.
Hier gilt das Motto: Den Letzten beißen die Hunde, weil
die Verwaltung den Betrüger nicht fassen kann. Diese
Regelung hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun.
({14})
Ich frage Sie: Was ist beispielsweise mit dem Finanzbeamten, der nach den Umständen eines Falles hätte wissen müssen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht,
und trotzdem erstattet? Diese Überreglementierung missachtet den Grundsatz der zurückhaltenden Eingriffsverwaltung und den rechtsstaatlichen Schutz des Bürgers und
wird von uns strikt abgelehnt.
Auch die Einführung einer allgemeinen Nachschau
atmet den Geist des Obrigkeitsstaates, der eigenes Unvermögen kaschiert
({15})
Hansgeorg Hauser ({16})
und mit unangemeldeten Prüfungen massiv in die persönliche Sphäre des Unternehmers eingreift und so der Kriminalisierung rechtschaffener Bürger Vorschub leistet.
({17})
- Natürlich ist das eine persönliche Sphäre.
Die Finanzverwaltung besitzt mit den Instrumenten der
allgemeinen Betriebsprüfung und der Umsatzsteuersonderprüfung bereits weit gehende Möglichkeiten zur Überprüfung umsatzsteuerrechtlicher Tatbestände. Außerdem
hat die Steuerfahndung eine umfangreiche Machtfülle,
um Steuerkriminalität zu bekämpfen.
Wenn Sie wie ich in meiner Kundschaft einmal einen
solchen Fall miterlebt hätten, sähen Sie, wie die Steuerfahndung zuschlägt und welche Möglichkeiten sie hat.
Deswegen braucht man hier keine neuen Instrumente. Der
überfallartige Charakter der Nachschau wird allein damit
begründet, dass eine Ankündigung steuerunehrlichen
Unternehmen die Zeit gäbe, Vorkehrungen zu treffen, gegenüber den Steuerbehörden einen normalen Geschäftsbetrieb vorzutäuschen und den Geschäftsbetrieb einzustellen.
Diese allgemeine Nachschau stellt eine Art Steuerfahndung
ohne konkreten Anfangsverdacht dar, da die Voraussetzungen, unter denen die Sicherstellung einer gleichmäßigen
Festsetzung und Erhebung der Steuer gefährdet ist, weder
näher definiert noch überhaupt genau zu definieren sind.
Auch der Übergang von der Nachschau zur Außenprüfung ist zweifelhaft geregelt. Die Ausdehnung der Rechte
der Finanzverwaltung ist eine Fortsetzung der Eingriffe des
Staates in Unternehmen. Durch das so genannte Steuersenkungsgesetz werden ab dem 1. Januar 2002 mit dem Datenzugriff durch den Betriebsprüfer bereits neue Mitwirkungspflichten im Rahmen der Außenprüfung geschaffen.
Vor allem der weitgehend selbstständige Zugriff der Prüfer
auf Unternehmensdatenbestände kann zur Belastung des
Prüfungsnehmers führen. Das in der Zwischenzeit ergangene Anwendungsschreiben - auch das ist wieder ein Kapitel für sich - lässt mehr Fragen offen, als es beantwortet.
Herr Kollege Hauser,
es gibt eine Zwischenfrage des Kollegen von Larcher.
Bitte sehr.
({0})
Vielleicht probieren
Sie einfach ein benachbartes Mikrofon.
({0})
Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass die Frage doch
überflüssig ist.
({0})
- Wir werden das später beim Bier klären. Ich kann das
alles wunderbar erklären.
({1})
Herr Hauser, Kollege
von Larcher legt großen Wert auf die Zwischenfrage.
Dann muss er das notfalls so probieren.
Sie haben Ihre Rede mit
den Worten begonnen, Sie unterstützten die Ziele und
würden vernünftige Maßnahmen unterstützen. Können
Sie uns Maßnahmen nennen, die Sie unterstützen?
Verehrter Kollege von Larcher, ich bin es von Ihnen gewohnt, dass Sie häufig sehr voreilig irgendwelche Dinge
zur Sprache bringen. Hätten Sie jetzt noch eine Minute gewartet, dann hätte ich eine Reihe von Punkten genannt,
die ich für wichtig und nötig halte und die einen Teil dieser Maßnahmen überflüssig machen würden. Ich möchte
nicht sagen, dass die Punkte, die hier angesprochen worden sind, in Bausch und Bogen zu verurteilen sind. Man
muss aber Maß und Ziel bei der Gesetzgebung erkennen.
Das ist hier nicht möglich.
({0})
Sie haben in den drei Punkten, die ich genannt habe, eine
Fülle von Überreaktionen gezeigt. Wir müssen uns im
Finanzausschuss sehr deutlich darüber unterhalten, wie
wir das Ganze auf das richtige Maß zurechtstutzen können.
Wenn Sie weiter zuhören, werde ich Ihnen auch mitteilen, was meines Erachtens noch notwendig wäre.
({1})
Ich habe festgestellt, dass das vorliegende Gesetz ausschließlich Verschärfungen für den Unternehmer bringt.
Wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, ob man
jetzt den Zeitraum von einen Vierteljahr auf einen Monat verkürzt. Das ist kein Thema, über das wir uns groß
unterhalten müssten. Aber die bereits vorhandenen
Möglichkeiten für die Verwaltung werden weitgehend
außer Acht gelassen. Durch Intensivierung der Zusammenarbeit der nationalen und internationalen Behörden
und durch bessere Ausgestaltung technischer Einrichtungen wie Datenbanken oder des Informationsaustausches lässt sich die Steuerkriminalität wirksamer
bekämpfen. Es genügt einfach nicht, in die Begründung
nur zu schreiben: Wir sind dazu zurzeit nicht in der
Hansgeorg Hauser ({2})
Lage. Der Unternehmer soll offensichtlich nachprüfen,
ob der Dritte oder Vierte in der Kette bei der Rechnungstellung die Umsatzsteuer abgeführt hat. Das wird
ihm zugemutet.
({3})
Offensichtlich sucht man mit diesem Gesetz wieder
den bequemen Weg, der da lautet: alle Last dem Bürger
aufbürden, ihm mit Misstrauen begegnen und ihn bloßstellen. Manchmal würde schon der bloße Menschenverstand eines Finanzbeamten ausreichen, um Betrugsfälle aufzudecken. Aber wenn die Nachlässigkeit dazu
führt, dass über 20 Finanzämter - wie neulich in einem
Fall in Nürnberg geschehen - hohe Vorsteuererstattungen für den gleichen Unternehmer ohne Rückfragen und
ohne Kontaktaufnahme gewähren,
({4})
dann ist dem Betrug Tür und Tor geöffnet.
({5})
Jetzt spricht die Kollegin Christine Scheel für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen und Kolleginnen!
Wenn man Herrn Hauser zuhört, könnte man fast den Eindruck bekommen, man könnte alles so lassen, wie es ist,
und man könnte die Probleme mit der bestehenden Gesetzgebung in den Griff bekommen.
({0})
Das ist eben nicht so. Deswegen haben sich die Finanzminister der Länder auf diesen Entwurf verständigt, der
jetzt in ein Gesetz überführt wird.
({1})
Es ist gerade in der heutigen Zeit wichtig, dass wir in
der Steuerpolitik Besonnenheit und auch Augenmaß an
den Tag legen.
({2})
Deshalb sollten nur solche Forderungen gestellt werden,
die erfüllbar sind. Dementsprechend dürften derartig kontraproduktive Vorwürfe, wie sie von Ihrer Seite gerade in
den letzten Tagen wieder gekommen sind, hier im Parlament im Prinzip nicht diskutiert werden, denn sie sind
verantwortungslos.
({3})
Ich sage Ihnen ganz offen - Herr Thiele spricht ja nach
mir -: Wenn die Vorschläge, die Sie in den letzten Tagen
zur Steuergesetzgebung gemacht haben, umgesetzt würden, würde das bedeuten, dass wir bis 2005 - das sage ich
an dieser Stelle noch einmal ganz bewusst - Steuermindereinnahmen von 115 Milliarden DM hätten.
({4})
Das ist schlichtweg nicht finanzierbar und zeigt den
ganzen Populismus, mit dem die Union und auch die FDP
diese Steuerdebatte in den letzten Tagen geführt haben.
({5})
Wir wollen nicht, dass der Stabilisierungspakt aufgekündigt wird. Dem haben sich, wie wir wissen - Gott sei
Dank -, alle Finanzminister der europäischen Länder im
Ecofin angeschlossen. Wir wollen erreichen, dass alle
Länder in Europa eine solide Finanzpolitik - mit der dazugehörigen Haushaltskonsolidierung - beschließen, wie
wir sie immer wieder vorschlagen.
Wir sehen - das muss man berücksichtigen - ein Licht
am Konjunkturhorizont.
({6})
Die Inflationsrate geht zurück. Es ist sehr erfreulich, dass
die EZB diesen Spielraum nutzt und dass sie bereits zweimal die Zinsen gesenkt hat. Damit verfügen die Märkte
über ausreichend Liquidität für eine konjunkturelle
Wende.
({7})
Das muss man in der aktuellen Situation auch sagen, denn
Miesmacherei und ein Schlechtreden des Wirtschaftsstandortes Deutschland wirkt sich psychologisch aus und hätte
zur Konsequenz, dass wir im Ausland schlechter dastehen,
als es der Wirklichkeit entspricht. Das haben Sie zu verantworten; das bedauere ich sehr.
({8})
Wir haben in der letzten Woche im Kabinett eine
maßvolle Steuererhöhung beschlossen. Das bestätigen
übrigens auch Wirtschaftsforschungsinstitute, wie zum
Beispiel das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle
und auch das Hamburger Weltwirtschaftsarchiv. Diese
weisen darauf hin, dass die um 2 Eurocent pro Zigarette
erhöhte Tabaksteuer und die um 1 Prozentpunkt angehobene Steuer auf Sachversicherungen - es geht hier
nicht um Lebensversicherungen und Altersvorsorge, sondern um Sachversicherungen - die Gesamtnachfrage und
auch die Leistungsanreize nur ganz geringfügig beeinträchtigen würden. Deshalb halten wir die Entscheidung,
Hansgeorg Hauser ({9})
zusätzliche Maßnahmen für die innere und äußere Sicherheit durch zusätzliche Steuereinnahmen zu finanzieren,
für richtig.
({10})
Es ist keine Alternative, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, jetzt wieder mehr Schulden zu machen. Maßnahmen für mehr Sicherheit müssen heute umgesetzt werden. Deswegen müssen sie auch heute bezahlt
werden. Mehr Schulden heute würde den Steuersenkungsspielraum für die nächsten Jahre verringern und in
den kommenden Jahren höhere Zins- und Steuerbelastungen verursachen. Diese Politik, die Sie jahrelang betrieben haben, wollen und werden wir nicht fortführen.
({11})
Wir haben ja sogar noch das auszubaden, was Sie uns hinterlassen haben. Schließlich wären unsere Spielräume ansonsten größer.
({12})
Weil in den letzten Tagen besonders vonseiten der
CDU/CSU und der FDP Vorhaltungen gemacht wurden,
man könne doch jetzt nicht mit Steuererhöhungen kommen, möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen und Sie in aller Ruhe daran erinnern - das Gedächtnis ist ja bei einigen manchmal sehr kurz bzw. man
will sich nicht mehr erinnern -,
({13})
dass wir 1991 in der Bundesrepublik Deutschland eine
ähnliche Situation hatten, in der wir Zusätzliches finanzieren mussten, nämlich in Zusammenhang mit dem
Golfkrieg. In dieser für den Haushalt schwierigen Situation sind Sie auf die glorreiche Idee gekommen, die Tabaksteuer und die Versicherungsteuer - um 40 Prozent
übrigens - zu erhöhen. Außerdem haben Sie die Mineralölsteuer in Schritten erhöht,
({14})
die pro Schritt einnahmemäßig vier Schritten bei der Ökosteuer entsprechen. Auch das wollte ich noch einmal deutlich sagen. Schließlich haben Sie den Solidaritätszuschlag
eingeführt.
({15})
Das hatte damals zur Konsequenz, dass 27 Milliarden DM
mehr an Steuern eingenommen wurden, von denen Sie
aber nur 10 Milliarden DM wirklich für Maßnahmen zur
inneren und äußeren Sicherheit gebraucht haben.
Ich will damit sagen: Die steuerpolitische Entscheidung, die 1991 getroffen wurde, hat in der Konsequenz zu
Steuermehreinnahmen von 27 Milliarden DM geführt,
von denen man aber eigentlich nur 10 Milliarden DM gebraucht hat. Den Rest haben Sie im Haushalt versacken
lassen.
({16})
Hier gibt es einen Unterschied zu dem, was die jetzige Regierungskoalition macht. Wir haben ein Paket in Höhe
von 3 Milliarden DM beschlossen.
({17})
Daran sind auf der Ausgabenseite feste Maßnahmen geknüpft.
({18})
Das ist genau der Punkt, warum ich sage, dass wir eine solide und ehrliche Steuer- und Haushaltspolitik im Gegensatz zu der, die die CDU/CSU- und FDP-Koalition all die
Jahre betrieben hat, betreiben.
({19})
Wir alle, wie wir hier sitzen, von den Kollegen und
Kolleginnen der PDS über die der Fraktionen der SPD,
des Bündnisses 90/Die Grünen und der CDU/CSU bis zu
denen der FDP-Fraktion, haben uns sehr deutlich dafür
ausgesprochen, dass wir Einnahmen aus der Umsatzsteuer garantieren wollen. Das wollen wir dadurch erreichen, dass wir die Entwicklungen der letzten Jahre, dass
nämlich immer mehr Leute betrügerische Geschäfte gemacht haben, indem Umsatzsteuergeschäfte zulasten der
Steuereinnahmen und letztendlich zulasten aller Steuerbürgerinnen und -bürger abgewickelt wurden, beenden.
Wir nehmen bei der Umsatzsteuer durch Betrug jedes Jahr
rund 23 Milliarden DM weniger ein. Diese 23 Milliarden DM würden wir, wie durch die Gesetzesänderung
jetzt vorlegt worden ist, viel lieber über die Steuer einnehmen und als Entlastung an die Bürger und Bürgerinnen weitergeben.
({20})
Sicher ist - da braucht man sich nichts vorzumachen -:
Es wird kaum möglich sein, kriminelle Geschäfte bei der
Umsatzsteuer völlig zu unterbinden, ohne dass die Bedingungen für die steuerehrlichen Bürger und Bürgerinnen
und Unternehmer verschärft werden. Das ist genau die
Debatte, die wir jetzt führen: Egal, ob man mehr Finanzbeamte oder -beamtinnen einsetzt oder ob man die Prüfungsbedingungen des Fiskus verbessert, immer betreffen
diese Maßnahmen auch die Ehrlichen, die man eigentlich
ja nicht treffen will.
({21})
Herr Hauser, wir müssen hier die Frage beantworten,
die sich uns bei der Umsatzsteuer, aber aktuell auch in vielen anderen Bereichen wie bei der inneren Sicherheit oder
der Zinsbesteuerung stellt: Welcher Eingriff in den persönlichen oder in den unternehmerischen Handlungsrahmen ist bezogen auf das Ziel, auf der einen Seite mehr
Freiheit sicherzustellen, auf der anderen Seite mehr Ehrlichkeit und die Sicherung der Steuereinnahmen zu erreichen, angemessen? Genau auf diesem Grat müssen wir
uns bewegen.
Es ist ganz unbestreitbar für viele, auch für die steuerehrlichen Unternehmen, ein unangenehmer Eingriff,
wenn Finanzbeamte zukünftig das Recht haben, unangemeldet in den Geschäftsräumen des Unternehmens aufzutauchen und die Umsatzsteuerunterlagen zu prüfen. Aber
ich bitte Sie: Wenn man eine Prüfung vornehmen will,
dann kann man sich nicht eine Woche vorher zum Kaffee
anmelden und davon ausgehen, dass alle Unterlagen dann
noch da sind.
({22})
Das müssen wir doch wissen. Dementsprechend müssen
wir hier Regelungen finden, um die Umsatzsteuersünder
aufzuspüren und zur Steuerzahlung mit heranzuziehen.
({23})
Wir wahren die Betriebssphäre der steuerehrlichen Unternehmen und schützen die steuerehrlichen Unternehmen vor betrügerischen Wettbewerbsverzerrungen. Man
darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen: Es besteht eine Konkurrenz unter den Unternehmen; sie verschaffen sich gegenüber den anderen einen Vorteil. Auch
das muss, im Sinne einer guten und gerechten Wirtschaftsordnung, die wir uns in diesem Land alle wünschen, mitgeregelt werden.
({24})
Mit der Fortführung der Unternehmensteuerreform
erleichtern wir - der Minister hat das eben angesprochen Umstrukturierungen und modernisieren Vorschriften zur
Organschaft und zum Außensteuerrecht. Dies bedeutet eine
Reihe von durchgreifenden Verbesserungen, gerade für die
mittelständischen Unternehmen. Insgesamt bringt das Gesetz Steuerentlastungen von rund 500 Millionen DM.
({25})
Es ist ein gutes Signal, auch für die mittelständische
Wirtschaft, dass wir trotz der schwierigen konjunkturellen
Situation, trotz der Anforderungen, die sich uns bei der inneren und äußeren Sicherheit stellen, für den Mittelstand
Entlastungen beschließen können. Ich glaube, dass das
honoriert wird.
Vielen Dank.
({26})
Das Wort für die FDPFraktion hat jetzt der Kollege Carl-Ludwig Thiele.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau
Kollegin Scheel, erstens: Ich halte es für abenteuerlich,
wenn Sie auf Steuererhöhungen der Jahre 1990/91 verweisen und als Erklärung ausschließlich den Golfkrieg
heranziehen. Ich weiß, dass die Grünen damals nicht im
Bundestag waren; aber auch Ihnen dürfte bekannt sein,
dass damals Zentrales gelungen ist, nämlich die Wiedervereinigung zu erreichen.
({0})
Dass die Wiedervereinigung und der Aufbau in den neuen
Bundesländern Geld kosten, dass dafür Steuern, Sozialabgaben und die Neuverschuldung erhöht werden mussten, war alternativlos. Auch wenn die Grünen die Wiedervereinigung damals nicht wollten, ist das trotzdem kein
Grund, dieses Argument auszulassen.
({1})
Zweitens. Sie werfen der Opposition heute vor, Steuersenkungen zu fordern. Vor der Sommerpause tingeln
Sie durch die Medien und fordern selbst ein Vorziehen der
Steuerreform, um die Wachstumskräfte in unserem Lande
zu stärken.
({2})
Das ist doch eine persönliche Schizophrenie, die Sie hier
zum Ausdruck bringen.
({3})
Drittens. Die Inflationsrate sinkt; darüber sind wir alle
glücklich. Die Inflationsrate wird ab dem 1. Januar nächsten Jahres aber wieder steigen, und zwar unter anderem
durch die Ökosteuer. Zusätzlich hat das Statistische Bundesamt erklärt, dass durch die von Ihnen veranlassten
neuen Steuererhöhungen die Inflationsrate um 0,4 Prozent steigen wird. Das ist doch Tun gegen eigenes Wissen.
Das ist unverantwortlich. Das tragen wir nicht mit.
({4})
Heute debattieren wir über eine Reihe von Gesetzen,
mit denen die Koalition vor allem ihre eigenen Steuergesetze zum wiederholten Male korrigiert.
({5})
Es geht auch um Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrugsfällen bei der Umsatzsteuer. Über diese Dinge werden wir im Finanzausschuss im Einzelnen reden. Aber angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich doch die
grundsätzlichere Frage nach dem Kurs dieser Bundesregierung in der Finanzpolitik. Die Ereignisse in den USA
werden heute noch nicht absehbare Auswirkungen auf
Wachstum, Konjunkturverlauf und Steuereinnahmen in
Deutschland haben. Niemand von uns weiß, was uns hier
noch bevorsteht.
Fest steht jedoch, dass der Bundesfinanzminister jetzt
selbst vorgenommene Sparmaßnahmen bei Investitionen
in vielen Bereichen der Sicherheit wieder zurücknehmen
muss.
({6})
Mehr Mittel für die Bundeswehr, für die Aufklärung
durch unsere Geheimdienste, die die Grünen noch vor
kurzem abschaffen wollten,
({7})
für den Bundesgrenzschutz und für die Flugüberwachung
sind angesichts der Ereignisse in den USA für die Sicherheit unserer Bürger notwendig und werden von uns ausdrücklich begrüßt.
({8})
Die bedauerlichen Ereignisse in den USA werfen ein
ganz anderes Licht auf den Sparkommissar Eichel, der
bislang für seine Politik fast ausschließlich gelobt wurde.
Es zeigt sich heute, dass die geplanten Kürzungen insbesondere bei der Bundeswehr, deren Wirkung für breite
Kreise der Bevölkerung nicht spürbar war, falsch waren
und falsch sind.
({9})
Die Bürger in unserem Land haben ein Recht darauf, dass
ihre innere und ihre äußere Sicherheit geschützt ist. Den
Frieden, die Freiheit und die Menschenwürde unserer Bürger zu schützen ist die Aufgabe verantwortlicher Politik.
In der vergangenen Woche haben wir zwar in beeindruckender Weise erlebt, wie Regierung und Opposition
in schwieriger Zeit zusammenstanden. Aber dass schon
eine Stunde nach der Debatte, in der auch um nationale
Konsequenzen aus den schrecklichen Anschlägen vom
11. September gerungen wurde, die Bundesregierung das
Parlament, ja sogar die eigenen Abgeordneten brüskiert
hat, indem sie einseitig Steuererhöhungen beschlossen
hat, ist ein unglaublicher Vorgang, der im Parlament noch
erörtert werden muss.
({10})
Jetzt sollen, wie gesagt, kurzfristig Steuern erhöht werden, nämlich die Tabak- und die Versicherungsteuer.
Zudem sind die weiteren Erhöhungen der Ökosteuer
schon beschlossen. Dies bedeutet, dass im letzten Jahr der
Ökosteuer die Bürger und die Arbeitsplätze allein durch
die Ökosteuer mit 33,5 Milliarden DM pro Jahr belastet
werden.
({11})
- Das ist doch Ihr Gesetz! Schauen Sie es sich selber doch
einmal genau an!
Zusätzlich wird die Tabaksteuer erhöht und dann deren
Aufkommen künstlich auf 2 Milliarden DM heruntergerechnet. Wenn man alle Steuererhöhungen zusammenrechnet, ergibt sich Folgendes: 35,5 Milliarden DM
- Aufkommen aus Ökosteuer und Tabaksteuer - zuzüglich 16 Prozent Mehrwertsteuer - das sind 5,7 Milliarden DM - sind 41,2 Milliarden DM. Hinzu kommt noch
die Erhöhung der Versicherungsteuer, deren Aufkommen
voraussichtlich bei 1 Milliarde DM liegen wird. Das
heißt, die Bürger werden durch Rot-Grün mit rund 42 Milliarden DM pro Jahr zusätzlich belastet werden.
({12})
Dazu kann ich nur sagen: Herr Finanzminister Eichel - er
ist inzwischen gegangen -, Sie setzen inzwischen die Politik Ihres Vorgängers Lafontaine fort. Sie reden von Steuersenkungen, beschließen aber Steuererhöhungen. Diesen
Weg werden wir nicht mitgehen.
({13})
Das ist schon eine verquere Steuerlogik von Rot-Grün:
Rasen für die Rente, Rauchen für den Frieden! Das nimmt
Ihnen niemand ab.
Unter Ihnen, Herr Finanzminister Eichel, ist die Steuerquote im letzten Jahr auf den höchsten Wert seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland gestiegen. Es hat
den Anschein, dass Rot-Grün unter dem Eindruck der
schrecklichen Geschehnisse in den USA die Steuern deshalb klammheimlich erhöht, um einen Teil der Haushaltsprobleme dieses Jahres und der nächsten Jahre nicht durch
Sparmaßnahmen, sondern durch Steuererhöhungen zu lösen. Das heißt, Sie drücken sich vor der Aufgabe, den
Haushalt tatsächlich zu sanieren. Auch das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
({14})
Höhere Steuern scheinen jetzt das letzte Mittel zu sein,
um zusätzliche Ausgaben zu finanzieren. Aber die Koalition trägt damit angesichts der abflauenden Konjunktur
weiter zur Verunsicherung von Bürgern und Unternehmen
sowie zur Entziehung von Kaufkraft bei. Der Finanzminister und die rot-grüne Koalition haben offenbar vor der
Aufgabe kapituliert, die Staatsausgaben einzudämmen
und umzugestalten. Sie verfahren nach der alten Buchhaltermethode: Neue Ausgaben erfordern neue Einnahmen, also höhere Steuern. Dabei übersehen sie, dass so die
Verunsicherung der Wirtschaft und der Verbraucher geschürt wird.
({15})
Mit diesem Taschenspielertrick, was Ihre steuerpolitischen Vorgaben angeht, sind Sie, Herr Finanzminister,
nicht mehr der Garant finanzpolitischer Solidität; deshalb
lehnt die FDP diese Steuererhöhungen ab.
({16})
Zeittechnisch gesehen
war das Ende Ihrer Rede eine Punktlandung.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Barbara Höll,
PDS-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem muss ich
Herrn Thiele Recht geben: Ich finde schon, dass Tanken
für die Rente, Rauchen für die Sicherheit eine makabre
Steuerpolitik ist. Alle in diesem Hause sind sich darin einig, dass Maßnahmen notwendig sind. Allerdings wird
noch zu diskutieren sein, wie diese Maßnahmen ausgestaltet werden. Ich denke, sie können nicht so finanziert
werden, wie Sie es planen. Es gibt andere Quellen im
Bundeshaushalt. Wenn Sie schon so vorgehen, dann werden Sie zumindest den Prinzipien der Haushaltsklarheit
und der Haushaltswahrheit gerecht! Die Mehreinnahmen
des nächsten Jahres sollten ordentlich etatisiert werden
und - ich erinnere an das Budgetrecht des Parlamentes nicht einfach im Einzelplan 60 verschwinden.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Kampf gegen die Steuerhinterziehung ein wesentliches Anliegen
auch der PDS ist, haben wir hier schon zur Genüge bewiesen. Die PDS hat bereits eine Vielzahl von Anträgen
eingebracht, die die Aufhebung des Bankgeheimnisses,
die Aufstockung der Anzahl der Betriebsprüfer in den
Finanzbehörden und anderes betreffen.
Wir sehen durchaus das Bemühen der Regierungskoalition, in diesem Bereich etwas zu tun. Es ist klar, dass es
ein schwieriges Terrain ist: Es gibt ehrliche und es gibt unehrliche Unternehmer. Man muss Regelungen finden, die
die einen nicht zu stark belasten und die den anderen den
Boden entziehen. Ein weiterer Problemkreis betrifft die
öffentliche Verantwortung. Es stellt sich die Frage, inwieweit öffentliche Verantwortung in den Privatbereich verschoben werden kann. Ich möchte das an zwei Beispielen
deutlich machen.
Erstens: die Haftung für schuldhaft nicht abgeführte
Steuer. Wenn man auf dem Markt ein Kilo Äpfel kauft,
dann kann man aufgrund Ihrer Regelung letztendlich
dafür in Haftung genommen werden, dass ein Verkäufer
seine Standgebühren nicht gezahlt hat und hinterher ein
Strafgeld abführen muss.
({1})
- Es ist so! - Sie wollen eine Gesamtschuldnerhaftung
aller Unternehmer einführen. Es kann doch nicht richtig
sein, dass die Notwendigkeit der öffentlichen Kontrolle in
den Privatbereich verlagert wird.
Zweitens: allgemeine Nachschau. Ich möchte mich
überhaupt nicht der Auffassung anschließen, dass eine allgemeine Nachschau nicht durchführbar ist. Sie kann eine
richtige Regelung sein. Ich frage mich aber: Wer will sie
eigentlich umsetzen? Bereits heute reicht die Anzahl der
Finanzbeamten in den Behörden nicht aus, um ordentliche
Betriebsprüfungen durchzuführen. Wir wollen die Finanzbeamten mit einer zusätzlichen Aufgabe ausrüsten;
aber dazu braucht man eine zusätzliche Ausstattung der
Finanzbeamten.
Wenn wir die Umsatzsteuerhinterziehung tatsächlich
bekämpfen wollen, dann stellt sich mir die Frage, wie mit
der eingebrachten Gesetzesvorlage sichergestellt wird,
dass alle Bundesländer ein vernetztes, bundeseinheitliches Computernetz haben. Nach meinem Kenntnisstand ist eines der wesentlichen Probleme, dass der Informationsaustausch zwischen den Ländern bisher
überhaupt nicht klappt.
Wie ist es nun eigentlich mit der einheitlichen Steuernummer? Warum haben Sie in dieser Angelegenheit
keine Einigung mit den Landesfinanzministern erzielt
und eine wirkliche Innovation vorgelegt? Eine solche Innovation ist notwendig. Gerade im Informationszeitalter
kann man sich wirklich fragen, warum wir an diesem
Punkt noch immer nicht weiter sind.
Solange diese beiden Dinge nicht geklärt sind, bleibt
das, was Sie ansonsten bezwecken, leider Gottes Stückwerk. Was Sie vorhaben, wird nicht dazu führen, dass der
Fiskus durch die erfolgreiche Bekämpfung von Umsatzsteuerhinterziehung zusätzlich 23 Milliarden DM einnimmt.
Wir beraten heute gleichzeitig den Gesetzentwurf zur
Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts. Herr
Eichel hat vorhin versucht, eine Reihe von Regelungen
mit den schönsten Worten zu begründen. Der Bundestag
besteht in dieser Zusammensetzung seit 1998. Vor mehr
als zwei Jahren hat bereits der damalige Finanzminister
Lafontaine - ebenfalls mit sehr schönen Worten - eine Begründung für die Änderung eines Teils der Regelungen
gegeben. Das ist ein Hü und Hott in der Steuer- und
Finanzpolitik in einer Größenordnung, die nicht mehr
nachvollziehbar ist.
({2})
Ich möchte die Reinvestitionsrücklage ansprechen.
Herr Eichel hat vorhin die entsprechende Regelung erklärt. Sie wollen die Steuerfreiheit für Personenunternehmen beim Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften
einführen. Da frage ich mich: Warum gibt es keine entsprechende Regelung für den Fall, dass ein Personenunternehmen Anteile an anderen Personenunternehmen
erwirbt? Das ist doch nicht logisch. Warum führen Sie
nicht eine entsprechende Regelung für Sachinvestitionen
- es geht Ihnen doch um Investitionen, wie man dem Titel entnehmen kann - in den Unternehmen ein? Das sind
Fragen, die offen bleiben. Antworten darauf sind in Ihrem
Gesetzentwurf nicht zu finden.
Angesichts der Tatsache, dass das freie Unternehmertum unterstützt werden soll, frage ich mich, warum Sie
ständig davon sprechen, dass Sie Umstrukturierungen von
Personenunternehmen in Kapitalgesellschaften erleichtern wollen. Eine Antwort darauf ist mir von Ihrer Seite
bisher noch nicht bekannt.
Ähnliche Fragen ergeben sich im Zusammenhang mit
dem Mitunternehmererlass. Regelungen, die mit dem
Steuersenkungsgesetz abgeschafft wurden - diese Änderungen gehen nicht auf Lafontaine zurück; sie sind noch
nicht allzu lange her -, sollen jetzt in veränderter Form wieder eingeführt werden. Dafür gibt es keine Begründung.
Angesichts der Tatsache, dass wir ein Nachbesserungsgesetz verabschieden werden, frage ich mich,
warum Sie nicht auf die akute Finanznot der Kommunen
in der Bundesrepublik Deutschland reagieren.
({3})
Die Gewerbesteuerausfälle, die jetzt zu verzeichnen sind,
sind im Finanztableau zum Steuersenkungsgesetz nicht
ausgewiesen worden.
({4})
Die Kommunen stehen jetzt zum Teil mit dem Rücken an
der Wand. Sie waren diejenigen, die keine Möglichkeit
hatten, in den Verhandlungen zum Steuersenkungsgesetz
in dem Maße Einfluss zu nehmen, wie es die Bundesländer konnten.
Wir erwarten dringend, dass in diesem Punkt nachgebessert wird. Ansonsten können wir zumindest diesem
Gesetzentwurf nicht unsere Zustimmung geben.
Danke.
({5})
Jetzt spricht die Kollegin Lydia Westrich für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, Frau Höll, dass Sie
wenigstens versucht haben, die Debatte auf eine sachliche
Grundlage zu stellen, auch wenn ich Ihre Meinung in vielen Punkten nicht teile. Einige Debattenbeiträge kommen
mir eine bisschen vor wie Theaterdonner nach der klaren
Rede, die wir vorhin von Herrn Putin gehört haben.
({0})
Im Finanzausschuss sind wir eigentlich eine sehr sachliche Arbeit gewohnt.
Wir bringen heute drei Steuergesetze ein. Herr Thiele,
um es richtig zu stellen: Ihre Steuererhöhungen, die Ihnen
Frau Scheel gerade vorgerechnet hat, gelten bis heute und
sind den Bürgern durch Vorspiegelung falscher Tatsachen
- nämlich Golfkrieg - abgeknöpft worden. Die deutsche
Einheit sollte damals - das wissen Sie selber - aus der
Portokasse finanziert werden.
({1})
Deswegen können Sie die ehrliche und moderate Steuererhöhung für die Terrorbekämpfung und für mehr Sicherheit für die Bürger kaum kritisieren.
Ich komme zurück auf die Steuergesetze, die - jedes
auf seine Art - mehr Rechtssicherheit, mehr Klarheit und
Gerechtigkeit sowie mehr Erleichterungen für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schaffen. Das zeigt, dass wir
sehr flexibel sind und dass wir die Entwicklungen schneller aufnehmen, als Sie es damals gemacht haben.
({2})
- Sie müssen sich einmal anschauen, was damals zu Ihrer
Zeit geschrieben worden ist, Herr Hauser. Das war auch
nicht immer sensationell.
({3})
Das ist erst einmal - wie jedes Jahr - das übliche
Steueränderungsgesetz. Sofern Anpassungen an höchstrichterliche Rechtsprechung und an das Recht der Europäischen Union nötig wurden, haben wir diese im
Steueränderungsgesetz berücksichtigt. Steuerrechtliche
Vorschriften, die sich in der Vergangenheit nicht bewährt
oder sich nicht als praktikabel erwiesen haben - so war es
auch in der Vergangenheit immer üblich, Herr Thiele -,
haben wir beseitigt. Der Verwaltungsaufwand wurde dadurch reduziert. Zum Beispiel wird die Abzugsfähigkeit
von Unterhaltsleistungen auf einen einheitlichen Höchstbetrag festgesetzt. Kürzungsbescheide werden so unnötig.
Auch die Pflicht zur Meldung - Sie haben sich vielleicht
den Gesetzentwurf noch nicht durchgelesen - der vom
Steuerabzug freigestellten Kapitalerträge wird aus dem
gleichen Grund gestrichen.
Wir sind für Verwaltungsvereinfachung. Wir haben im
internationalen Amtshilfeverkehr durch die Verkürzung
der bisher umständlichen Dienstwege eine verbesserte
Zusammenarbeit erreichen können.
({4})
Die erforderlichen Umstellungen auf den Euro werden im
Gesetz vorgenommen. Es handelt sich um ein übliches,
sehr unspektakuläres Gesetz, über dessen Details wir uns
sicherlich schnell einigen können.
({5})
- Herr Fromme, es handelt sich um ein Gesetz, wie es
auch schon früher üblich war. Ihre Kollegen können Ihnen
das sicher bestätigen.
Ich bin auch relativ zuversichtlich, dass wir uns über
die Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts einigen können. Sie können jetzt mit Ihrer Zustimmung und
Mitarbeit gutmachen, dass Sie, meine Damen und Herren
von der Opposition, letztes Jahr fatalerweise dem Steuersenkungsgesetz Ihre Zustimmung verweigert haben.
({6})
Sie haben Ihre Zustimmung verweigert und haben sich im
ganzen Land blamiert.
({7})
Diesen Meilenstein in der Steuergeschichte - ich meine
damit das Steuersenkungsgesetz - entwickeln wir weiter
und schaffen damit noch weiter gehende Erleichterungen
für die Umstrukturierungen von Unternehmen insbesondere im mittelständischen Bereich.
({8})
Dies ist auch eine alte Forderung. Ich habe sehr viele Gespräche geführt. Diese gehen immer in dieselbe Richtung:
Gut, dass ihr das gemacht habt. Es war im Gegensatz zu
dem vorher herrschenden Stillstand endlich einmal ein
Schritt nach vorn.
({9})
Wir führen die Reinvestitionsrücklage für mittelständische Personenunternehmen ein. Wir werden diese nicht
nur wieder einführen,
({10})
sondern die Regelungen des Mitunternehmererlasses zugunsten der mittelständischen Wirtschaft weiterentwickeln. Auch dies ist, Herr Michelbach, eine alte Forderung. Dadurch wird mittelständischen Unternehmen nicht
nur die Umstrukturierung ihrer Beteiligungen an anderen
Unternehmen erleichtert. Die Unternehmen erhalten dadurch auch eine weitere Steuerentlastung in Höhe von
300 Millionen DM, die für die Finanzierung neuer Impulse verwendet werden können.
Die Grunderwerbsteuer wird die Umstrukturierung
künftig nicht mehr behindern. Auch Umstrukturierungen
von Kapitalgesellschaften, die ihre Betriebsstätten in verschiedenen Ländern haben, können künftig leichter vonstatten gehen.
Die momentane Handhabung der Mehrmütterorganschaft im Rahmen der Gewerbesteuer, nach der keine
Verrechnung der Verluste der Organschaften mit den Gewinnen ihrer Mütterorganschaften erfolgt, gilt noch bis
zum Ende des Jahres 2002. Ab dem Jahre 2003 werden
wir eine Mindestbeteiligung von 25 Prozent an der Organgesellschaft vorsehen. Diese rückwirkende Maßnahme ist für die Sicherung der kommunalen Haushalte
notwendig, die ihre Berechnungen auf der Basis des vorher geltenden Rechts ermittelt haben. In diesem Punkt hat
Frau Höll sicher Recht.
Eines der Ziele der kommenden Legislaturperiode ist
eine umfassende Regelung im Bereich der steuerlichen
Behandlung von Verschmelzungen im Ausland mit inländischen Vermögensübertragungen. Zunächst einmal haben wir durch eine Lockerung des § 12 des Körperschaftsteuergesetzes eine wesentliche Erleichterung
erwirkt. Ich hoffe, dass Sie an diesen Weiterentwicklungen für die Unternehmen mitarbeiten. Wenn Sie das nicht
wollen, würde das noch einmal Ihre fehlende wirtschaftliche Kompetenz verdeutlichen.
Sie wissen genau, dass gerade Wirtschafts- und Steuerpolitik einen soliden, verlässlichen Rahmen bilden
muss. Die Unternehmen brauchen ein stabiles Konzept
für die Zukunft, ein Steuerrecht, das sich stärker an den internationalen Verflechtungen in der Wirtschaft orientiert,
das aber auch durch den Ausschluss von Gestaltungen und
durch notwendige Klarstellungen eine gleichmäßige Besteuerung gewährleisten muss. Mit diesem Gesetz könnten wir das gemeinsam tun. Dies würde sicherlich zu
einer besseren Beurteilung Ihrer wirtschaftlichen Kompetenz in der Öffentlichkeit beitragen.
({11})
Damit bin ich beim dritten Gesetz mit dem zugegebenermaßen nicht gerade eingängigen Namen Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz. Ich weiß auch nicht, wer
diese Namen immer erfindet.
({12})
Der Bundesrechnungshof und die Ländervertreter - das
wissen Sie genau - haben uns im Ausschuss mit ihren Berichten über die immer stärker steigende Umsatzsteuerkriminalität alle aufgeschreckt. Niemand kann einfach zuschauen, wenn kriminelle Elemente den Staat, also die
Steuerzahler, um viele Milliarden betrügen. Mit Blick auf
das in einer Stadt gegebene Versprechen, die Kriminalitätsrate in 100 Tagen zu halbieren, muss ich sagen, dass
ich persönlich, Herr Hauser, wirklich nicht einsehe, dass
Verbrechen wirtschaftlicher Art anders als Verbrechen anderer Art bewertet werden sollen. Man muss immer mit
gleichen Maßstäben messen. Wenn Sie schon bereit sind,
in Hamburg solch strenge Maßstäbe anzulegen,
({13})
erwarte ich von Ihnen, dass Sie bei der Bekämpfung der
Wirtschaftskriminalität zumindest das bisschen an Verschärfung, das wir vorschlagen, mittragen.
Schon seit Jahren steht die Umsatzsteuermissbrauchsbekämpfung immer wieder auf der Tagesordnung.
({14})
Wir alle wissen - Sie selber doch auch -, wie sensibel und
missbrauchsanfällig unser Mehrwertsteuersystem ist.
Wenn kriminelle Elemente die Finanzämter anzapfen, um
über Scheingeschäfte Steuererstattungen zu erschwindeln, dann handelt es sich dabei nicht um Kavaliersdelikte.
({15})
Hier liegt ein massives Betrugsverhalten mit erheblicher
krimineller Energie vor.
Die damit verbundenen Probleme gehen zweifellos
zulasten der ehrlichen Steuerzahler. Denn für jede DMark, die dem Fiskus durch Steuerbetrug und -hinterziehung verloren geht, müssen die ehrlichen Steuerzahler
geradestehen. Das schreibt selbst der Bund der Steuerzahler.
({16})
Selbst Sie müssen zugeben, dass die zunehmende Aufdeckung von Betrug im Bereich der Zahlung der Umsatzsteuer, die eine unserer bedeutendsten Einnahmequellen
ist, eine Änderung des Umsatzsteuerrechts dringend notwendig macht.
Bestens ausgerüstete, informierte und organisierte Kriminelle stehlen dem Staat und somit dem Steuerzahler
durch fingierte so genannte Karussellgeschäfte momentan
jährlich mehr als 20 Milliarden DM. Sie wissen genau,
dass das zum Beispiel auch im baden-württembergischen
Finanzministerium hochgerechnet worden ist. Dabei handelt es sich wirklich nur um geschätzte Zahlen; vermutlich liegen sie höher. Ehrliche Unternehmer, die ihre Umsatzsteuer gewissenhaft zahlen, können im Wettbewerb
mit diesen Betrügern nicht bestehen. Arbeitsplätze werden gefährdet. Viele Unternehmer sagen: Macht endlich
einmal etwas in diesem Bereich! Wir können es nicht
mehr aushalten!
Das hat unter anderem damit zu tun, dass die geltenden
Bestimmungen zu lasch sind. Effektive Kontrollen der
Behörden sind nicht möglich. Wir werden dies mit dem
Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz ändern; Finanzminister Eichel und Frau Scheel haben die damit verbundenen Maßnahmen deutlich dargestellt.
Wir haben es doch schon mit anderen Maßnahmen versucht, Herr Hauser.
({17})
Die Menschen mit krimineller Energie drehen uns trotzdem eine Nase. Hätten wir schon früher effektive Gesetzesvorschriften gehabt, wäre der von Ihnen verursachte
Schuldenberg vielleicht nicht so groß, wie er jetzt ist, und
wir müssten nicht so mühsam wie derzeit daran arbeiten,
ihn für die nächste Generation abzubauen.
Die Länder haben konstruktiv an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet und der Eilbedürftigkeit zugestimmt.
Sie und vor allem auch die Finanzverwaltungen warten
händeringend darauf, in ihrem Kampf um die Steuermilliarden und um Steuergerechtigkeit unterstützt zu werden.
Ich erwarte von Ihnen als Opposition, die Sie so viele
Sonntagsreden in diese Richtung halten - damit meine ich
auch Sie, Herr Hauser -, dass Sie nach der Feinarbeit im
Ausschuss den vorliegenden Gesetzentwurf mit verabschieden. Wer als finanzpolitisch kompetent gelten will,
muss an erster Stelle für Steuergerechtigkeit und Steuerlegalität eintreten.
Vielen Dank.
({18})
Der letzte Redner ist
der Kollege Norbert Barthle für die Fraktion der
CDU/CSU.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das
mit dem Betrug hat mein Kollege Hansgeorg Hauser bereits eingehend dargelegt.
Wenn wir uns heute über drei Gesetzesvorlagen der
Regierungskoalition unterhalten, kann ich Ihnen einen
Vorwurf nicht ersparen: Sie denken nicht bis zum Ende,
({0})
und zwar weder bei Ihren Entwürfen noch in Ihren Beratungen und - das ist das Schlimme - noch nicht einmal bei
Ihren Nachbesserungen. Anders sind nämlich diese vielen
Fehler und Inkonsequenzen auch in diesen Gesetzentwürfen nicht zu erklären.
({1})
Dabei bestreite ich gar nicht, dass tatsächlich Handlungsbedarf besteht. Ich bin froh, dass die Rufe der Opposition und auch die der Unternehmer bis zu Ihnen vorgedrungen sind. Denn es ist in unserem Lande in der Tat
nicht alles positiv. Es geht nicht allen Unternehmen wirklich gut. Nicht nur die Folgen des brutalen Terroranschlags in den USA werden zu konjunkturellen Verschärfungen führen. Da hilft übrigens weder Verharmlosen
noch Schönreden, Frau Kollegin.
Wir brauchen realistische Analysen und eine vorausschauende Politik.
({2})
Denn schon vor diesem Anschlag war das Wirtschaftswachstum nahezu zum Stillstand gekommen. Die Arbeitslosigkeit steigt bereits wieder. Die angestrebte Begrenzung des öffentlichen Defizits auf 1,5 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts ist bereits heute Makulatur.
Es ist eine Tatsache - leider eine beschämende; aber Sie
werden sich das noch öfter anhören müssen -: Deutschland
ist das Schlusslicht in der europäischen Wirtschaft. Das
wird, so lange Rot-Grün regiert, vermutlich leider auch so
bleiben. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben das allerdings nicht verdient. Ich bin froh, dass im kommenden Jahr
Gelegenheit dazu besteht, dies zu korrigieren.
({3})
So lange kann Deutschland aber nicht warten. Was wir
jetzt brauchen, ist - insbesondere bei den Steuern - ein
früheres und entschlosseneres Handeln.
({4})
Unsere Wirtschaft braucht Impulse, um die drohende
Rezession abzuwenden und um die Arbeitslosigkeit nachhaltig und erfolgreich bekämpfen zu können.
({5})
Da wir nicht die Mehrheit haben,
({6})
müssen Sie handeln. Ergreifen Sie endlich wieder Verantwortung für dieses Land, gehen Sie weg von der ruhigen
Hand! Machen Sie etwas und handeln Sie richtig!
Wir haben nicht die Mehrheit in diesem Hause.
({7})
Die CDU/CSU-Fraktion hat sich aber Gedanken darüber
gemacht, wie Deutschland wieder auf die Beine geholfen
werden kann.
({8})
Wir haben den Antrag Mehr Wirtschaftswachstum durch
mehr Gerechtigkeit im Unternehmensteuerrecht vorgelegt. Lassen Sie sich durch diesen Antrag inspirieren;
denn dann werden wenigstens Ihre Nachbesserungen
mehr Hand und Fuß und mehr Nachhaltigkeit haben.
({9})
Unser Antrag kann Ihnen auch helfen, die immer noch
bestehenden Gerechtigkeitslücken Ihrer bisherigen Steuerreform weitestgehend zu schließen. Eine vollständige
Heilung kann man auch damit nicht hinkriegen. Das
verspreche ich Ihnen.
({10})
Dazu haben Sie viel zu tief und zu chaotisch in das Steuersystem eingegriffen. Ich denke da nur an den nicht zu
Ende gedachten Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren.
({11})
Aber nun konkret: Was stört uns insbesondere an Ihrem
Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz? Da ist zunächst einmal die versuchte Wiederherstellung der Regelungen des früheren Mitunternehmererlasses.
({12})
Nach bisheriger Rechtslage konnte bei der Übertragung
von Wirtschaftsgütern zwischen Personenunternehmen
die Buchwertfortführung ohne jegliche Beschränkung
durch Fristen geschehen. Was kommt jetzt? Sie wollen die
steuerneutrale Übertragung an eine generelle Behaltefrist
von sieben Jahren koppeln. Das ist eine deutliche Einschränkung. Diese Verschlechterung gegenüber dem geltenden Recht haben unsere Unternehmer nicht verdient.
({13})
Sie erschwert Umstrukturierungen in Personenunternehmen. Letztendlich treiben Sie damit einen Keil zwischen
die Handels- und die Steuerbilanz. Das bereitet unseren
Unternehmern zunehmend Schwierigkeiten. Woher
kommt dies? - Es kommt aus Ihrem pathologischen Misstrauen gegenüber allen Unternehmern.
({14})
Da Sie zudem die Behaltefrist unwiderlegbar ausgestalten wollen, kann in Härtefällen die volle Besteuerung
zuschlagen. Für viele Unternehmer kann es existenzbedrohend werden, wenn Steuernachforderungen, die
womöglich noch mit 6 Prozent verzinst werden müssen,
nach Jahren erhoben werden. Wenn Sie schon glauben,
Behaltefristen vorsehen zu müssen, dann sollten Sie sich
auch darüber klar sein, dass eine kürzere Frist notwendig
ist. Verzichten Sie auf diese babylonische Frist von sieben
Jahren!
({15})
Wir fordern Sie außerdem auf, die Besteuerung bei
der Aufgabe von Gewerbebetrieben nicht noch weiter
zu verschärfen. Sie haben richtigerweise - wir haben es
bereits gehört - die vom Weltökonomen Lafontaine
({16})
durchgesetzte Abschaffung des halben Steuersatzes bei
der Betriebsveräußerung zurückgenommen. Ungerechterweise haben Sie aber diejenigen vergessen, die 1999
und 2000 verkauft und den vollen Steuersatz zu leisten haben. Das nenne ich auf dem halben Weg stehen geblieben.
({17})
Sie wollen - entgegen der geltenden Rechtslage - jetzt
auch die entgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils voll besteuern. Das ist ein weiterer Versuch, die
Besteuerung des Mittelstandes zu verschärfen. Wir meinen: Das ist nicht gerecht.
({18})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die von Ihnen
geplante Einführung einer Reinvestitionsrücklage für
Personenunternehmen ist nicht dazu angetan, unseren
Beifall zu finden. Auch das ist ein Beispiel für die einseitige, unsystematische und ungerechte Bevorzugung von
Kapitalgesellschaften gegenüber Personengesellschaften.
({19})
- So ist es.
Warum, so frage ich mich, zwängen Sie diese Reinvestitionsrücklage in ein so enges Korsett, dass nur größere
Unternehmen davon Gebrauch machen können und die
Mehrzahl der kleinen und mittleren Unternehmen außen
vor bleibt? Warum muss ein Handwerksbetrieb, der externe Beteiligungen veräußert, diese auch wieder in externe Beteiligungen investieren, anstatt die flüssigen
Mittel in seinen Betrieb wachstums- und beschäftigungsfördernd investieren zu können? Das macht keinen Sinn.
Warum befristen Sie auch diese Möglichkeit zusätzlich
auf zwei Jahre? All diese Restriktionen gelten nicht für die
großen Kapitalgesellschaften. Sie können sogar die bei
Veräußerungsgeschäften anfallenden Kreditzinsen zusätzlich steuerlich geltend machen. Also schaffen Sie endlich Gerechtigkeit!
Wie sagte uns kürzlich ein Steuerberater im Gespräch? Die von Ihnen verteilten Bonbons sind schon
sauer, bevor man sie überhaupt in den Mund nimmt. Es
heißt zwar, dass sauer lustig macht, aber über diese Placebos werden unsere Mittelständler wirklich nicht lachen können.
({20})
Im Gegenteil: Sie erfahren ein weiteres Mal, dass die Mittelständler die großen Verlierer rot-grüner Finanzpolitik
sind.
({21})
Wir fordern Sie deshalb auf, die Regelungen für Beteiligungsveräußerungen von Personengesellschaften an die
Vorschriften für Kapitalgesellschaften anzupassen, und
zwar nicht nur in den Überschriften, sondern auch in den
Inhalten.
({22})
Ein weiterer Punkt, der nicht nur uns, sondern vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen schwer im
Magen liegt, sind die seit dem 1. Januar 2001 überarbeiteten AfA-Tabellen.
({23})
Inzwischen hat sich mehr als deutlich herausgestellt, dass
die Bundesregierung hinsichtlich der Mehrbelastungen
für die deutsche Wirtschaft weit übers Ziel hinausgeschossen ist.
({24})
Das gibt sogar das Finanzministerium zu. Nachdem jetzt
wohl die Neufassung der Branchentabellen auf die Zeit
nach der Bundestagswahl verschoben werden soll, können auf diesem Weg die Mehrbelastungen für die Wirtschaft nicht mehr kompensiert werden, wie es noch im
Frühjahr im Finanzausschuss hieß. Das kennen wir bereits
von Ihnen: Belastungen heute, Entlastungen irgendwann
in ferner Zukunft.
({25})
Letztendlich geht es nur darum, Geld in die Kassen des
Finanzministers zu schaufeln, und zwar auf Kosten des
Mittelstandes.
({26})
Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie diese Regelungen komplett zurück! Fangen Sie einfach von vorne an und beziehen Sie uns in die Beratungen ein!
({27})
Noch eine kleine Gemeinheit haben Sie in Art. 11 des
Steueränderungsgesetzes 2001 versteckt. Sie wollen im
Bewertungsgesetz die Bewertung noch nicht fälliger
Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen nur noch nach dem Rückkaufswert vornehmen. Diese Abkehr von der bisherigen Wahlfreiheit mit
der Zweidrittelregelung stellt für viele Bürgerinnen und
Bürger eine versteckte Steuererhöhung dar. Das ist sachlich nicht gerechtfertigt. Sie nennen dies redaktionelle
und inhaltliche Bereinigung. Ich sage: Das ist eine versteckte Steuererhöhung.
({28})
Last, but not least eines unserer Hauptanliegen: Wenn
es richtig ist, dass Wirtschaftspolitik zu 50 Prozent aus
Psychologie besteht - wie der Bundeskanzler immer wieder betont -, dann handeln Sie entsprechend: Machen Sie
Gesetzentwürfe, die in die richtige Richtung weisen; denn
unsere Wirtschaft braucht jetzt entschlossene Signale. Sie
braucht jetzt eine Politik, die mit Steuersenkungen und
Entlastungen in die richtige Richtung führt. Was will ich
sagen? Ziehen Sie die nächsten Stufen der Steuerreform auf 2002 vor! Damit wäre uns geholfen.
({29})
Damit reduzieren Sie nicht allein die ungerechte Tarifspreizung zulasten der Personenunternehmen, sondern
damit würden Sie auch dringend benötigte Impulse an die
Wirtschaft senden.
Wenn Sie mir jetzt wieder mit den Horrorzahlen kommen, was das an Steuerausfällen mit sich bringt, dann
kann ich nur sagen: Sie haben diese Steuerausfälle mittelfristig in Ihre Finanzplanung bereits aufgenommen.
({30})
Es geht letztendlich nur um die zusätzlichen Zinskosten
für das reale Entlastungsvolumen. Weshalb vertrauen Sie
nicht auf die positiven Effekte von Steuersenkungen, wie
das andere Länder mit gutem Erfolg vorgemacht haben?
({31})
Ich wiederhole: Stoppen Sie diese Benachteiligungen des
Mittelstandes! Ziehen Sie die Stufen der Steuerreform vor!
Herr Kollege Barthle,
Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich bin bei meinem
letzten Satz.
({0})
Was sich jetzt durch die letzten Kabinettsbeschlüsse
angekündigt hat - Steuererhöhungen, um Maßnahmen zur
Verbesserung der inneren Sicherheit finanzieren zu können -, lässt mir wenig Hoffnung darauf, dass Sie tatsächlich zu Steuerentlastungen bereit sind. Der Weg weist
offensichtlich auf immer mehr neue Steuern und Steuererhöhungen hin. Das ist der falsche Weg.
Vielen Dank.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 14/6883, 14/6882, 14/6877 und
14/6887 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Ich sehe keinen Widerspruch.
Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem
Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1999
und zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2000. Es handelt sich um die Drucksachen 14/3141,
14/4226 und 14/6521. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Fraktion der
CDU/CSU angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 26. September 2001,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.