Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 8/29/2001

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Volker Rühe, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit ihrem Antrag fordert die Bundesregierung den Deutschen Bundestag auf, der Entsendung deutscher Soldaten zu einem NATO-Einsatz zuzustimmen, der auf 30 Tage befristet das Einsammeln und Zerstören von freiwillig abgegebenen Waffen vorsieht. In Wirklichkeit geht es natürlich - das hat der Bundesaußenminister deutlich gemacht - um sehr viel mehr: Wir müssen einen vollen Ausbruch des Bürgerkriegs verhindern. Denn dieser hat in Wahrheit schon begonnen, weshalb es mit der Prävention so eine Sache ist. Zudem geht es um eine neue Statik des Staates Mazedonien und um einen Neuanfang, um ein Miteinander der Konfliktparteien sowie um eine neue Verfassung. Deswegen müssen wir als Erstes festhalten: Noch so viele Soldaten, die von außen in dieses Land kommen, können keinen wirklichen Frieden und Versöhnung im Inneren erzwingen. Das müssen alle Beteiligten wissen. ({0}) Bundesminister Joseph Fischer Wir haben deswegen immer wieder gefordert - und es wäre gut, wenn es so gekommen wäre -, dass vor unserer Entscheidung das mazedonische Parlament berät. Einige Wortführer sprechen immer wieder davon, die Verfassungsänderung sei ein Diktat der Europäischen Union und der NATO. Ich hätte mir deshalb gewünscht, dass die Abgeordneten des mazedonischen Parlaments gesagt hätten: Das ist unser Wille; wir selbst wollen diesen Neuanfang zwischen den Konfliktparteien in Mazedonien. Eine solche Aussage ist nämlich die eigentliche Voraussetzung für einen Frieden in Mazedonien. ({1}) Umso wichtiger ist, dass das Friedensabkommen voll umgesetzt und von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Voraussetzung dafür ist, dass die politischen Führer einer solchen Mehrheit offensiv, mit Mut und Konsequenz, in ihrer eigenen Bevölkerung für diese Vereinbarung werben. Leider herrscht bisher in der mazedonischen Bevölkerung der Eindruck, dass sich der Westen auf die Seite der UCK geschlagen hat. Wenn die politischen Führungspersönlichkeiten der Mazedonier dieses Bild, zu dem sie selbst beigetragen haben, im jetzigen Prozess nicht korrigieren, dann werden die Vereinbarungen nicht lange halten. Aber selbst wenn es ihnen gelingt, dann wird - das müssen wir der Fairness halber einmal sagen und würdigen - der slawo-mazedonischen Mehrheit der Bevölkerung eine gewaltige Umstellung abverlangt. Parlamentsdebatten auf Albanisch, nicht nur 6 Prozent, sondern vielleicht 25 oder 30 Prozent albanische Polizisten - wenn man fair ist, muss man sagen: Das wäre ein anderes Land. Es erfordert viel Mut und Konsequenz, das umzusetzen. All das muss man würdigen, aber zu diesem schwierigen Weg gibt es keine Alternative. Dafür Akzeptanz zu schaffen ist angesichts des Hasses, der in den letzten Monaten entstanden ist und der geschürt wurde und wird, eine schwierige, aber unverzichtbare Aufgabe, die niemand den mazedonischen Politikern der verschiedenen Lager abnehmen kann. EU und NATO können dabei nur unterstützend tätig sein - auch durch gezielte politische und wirtschaftliche Hilfe. Wir wollen jedenfalls, dass ein friedliches, demokratisches, die Minderheitenrechte wahrendes Mazedonien Schritt für Schritt an die europäisch-atlantischen Strukturen herangeführt werden kann. Diese Perspektive zu realisieren wird aber nur möglich sein, wenn die erzielten Vereinbarungen eingehalten und voll umgesetzt werden. Die NATO hat sich ein ungewöhnlich schwaches Mandat gegeben, ({2}) von dem möglicherweise kein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung und Befriedung des Landes zu erwarten ist. Diese Sorge spürt man ja auch. Die täglichen Berichte aus Mazedonien über die eigentlichen Absichten, die die Konfliktparteien mit der Präsenz der NATO in Mazedonien verbinden, belegen, dass das Mandat nicht ganz ehrlich ist und dass die Konfliktparteien völlig unterschiedliche Vorstellungen haben. Das müssen unsere Soldaten wissen. ({3}) Die slawo-mazedonische Seite will die NATO als Entwaffnungsarmee, aber nicht als einen Partner, der den politischen Prozess begleitet. Die albanische Minderheit will die NATO als eine Stabilisierungsarmee für den politischen Prozess, die länger bleibt; „bis zu 100 Jahre“, hat sie gesagt. Es sind völlig unterschiedliche Vorstellungen, die mit dem Einsatz unserer Soldaten verbunden werden. Darüber muss man im Übrigen auch kontrovers diskutieren. Ich sage: Es ist keine Schande, dass in allen Fraktionen kontrovers diskutiert wird; es wäre eher eine Schande, wenn das nicht gemacht würde. ({4}) Hinzu kommt, dass die NATO in die Rolle eines Schiedsrichters gelangt ist, der aber selbst - das muss man sich einmal vorstellen - Interesse an einem bestimmten Spielausgang hat; denn es ist die NATO, die bestätigen muss, dass 30 Prozent, 60 Prozent, 100 Prozent der Waffen abgegeben worden sind. Nur wenn sie das bestätigt, gibt es den politischen Prozess. Da sie ein gewaltiges Interesse an dem politischen Prozess hat, ist sie ein Schiedsrichter, der Interessen in diesem Spiel hat. - Ich will nicht auf die Einzelheiten eingehen; wir erleben ja die Kontroverse um die Waffenabgabe. Die Allianz ist schon in der Gefahr, wie die „Neue Zürcher Zeitung“ geschrieben hat, zu einer Geisel zu werden in einem politischen Prozess, der vor Haken und Ösen nur so strotzt. Wenn es bei diesem eher symbolischen Mandat bliebe und sich die NATO ohne eine entscheidende Veränderung der militärischen Potenziale - das ist der wahrscheinlichste Ausgang - wieder zurückzöge, dann müsste man in Kauf nehmen, dass damit keine wirkliche Verbesserung der Lage in Mazedonien erreicht wäre und Ansehen und Autorität der NATO beschädigt würden - das ist überigens für uns ganz wichtig: Ansehen und Autorität der NATO -, oder der Einsatz der NATO würde härter und länger und unsere Soldaten würden in größerer Zahl und längerfristig in Mazedonien gebunden sein. Der NATO-Rat hat das Mandat beschlossen und der Deutsche Bundestag wird es nicht mehr ändern können. Aber das heißt nicht: Ende der Diskussion. Im Übrigen müssen wir bei diesen neuen Aufgaben natürlich auch die Chance wahrnehmen, über die Mandate zu diskutieren. Wir müssen - das muss auch die Bundesregierung heute, an diesem Tag tun - die Öffentlichkeit über alle Eventualitäten in Kenntnis setzen. ({5}) Wir müssen ungeschminkt sagen, mit welcher Lage unsere Soldaten in Mazedonien konfrontiert werden. Wir dürfen nicht leichtfertig - das zeigt unser Verhältnis zur NATO - das Ansehen der NATO aufs Spiel setzen; deswegen die Diskussion über das Mandat. Die Autorität der weltweit mächtigsten Militärorganisation ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. ({6}) Die Öffentlichkeit muss davon ausgehen können, dass die NATO für den Fall eines Scheiterns der Operation - natürlich muss man darüber nicht öffentlich sprechen einen überzeugenden Plan B hat und nicht ohne Kraft und Konzept in einen Bürgerkrieg hineingezogen wird. Sie muss vor allem Vorsorge dafür treffen, dass im Falle eines längeren und härteren Einsatzes die Sicherheit unserer Soldaten gewährleistet ist. Es ist nicht auszuschließen, dass die NATO den Einsatz in der jetzigen Form schon bald bedauern wird, wir zu weiteren Entscheidungen, auch im Bundestag, kommen müssen und erkennen müssen, dass es Frieden für Mazedonien - ich weiß, was für eine schwierige Aufgabe das ist - möglicherweise nur dann geben kann, wenn die UCK auch gegen ihren Willen vollständig entwaffnet wird und der Waffennachschub über die Grenze zum Kosovo energisch unterbunden wird. Ebenso wird sich die Präsenz der NATO möglicherweise so lange als unverzichtbar erweisen, bis die Albaner Vertrauen in die Bereitschaft der Slawo-Mazedonier zu politischen Reformen gefunden haben. Bündnissolidarität besteht für uns nicht in erster Linie darin, 500 deutsche Soldaten mit diesem Mandat für 30 Tage nach Mazedonien zu schicken; Bündnissolidarität heißt, für die Durchhaltefähigkeit unserer Soldaten zu sorgen, damit sie sich dauerhaft mit den Verbündeten an einer Friedensoperation beteiligen können. ({7}) Militärische Bündnisfähigkeit ist die wirkliche Voraussetzung für Bündnistreue. Wir haben von Anfang an die Defizite der Bundeswehr deutlich gemacht und auch klar gemacht, dass wir uns einen Einstieg in Verbesserungen wünschen. Ich kann diejenigen Kritiker - auch bei uns - verstehen, die sagen: Das, was ihr erreicht habt, ist, gemessen an den riesigen Defiziten der Bundeswehr, bitter wenig. Das ist richtig. Ich sage es noch einmal: Das, was wir erreicht haben, ist, gemessen an den riesigen Defiziten der Bundeswehr, bitter wenig. ({8}) Aber eines sage ich Ihnen auch, vor allen Dingen dem Bundeskanzler, und das ist in dieser Debatte vielleicht deutlich geworden: Das Thema der drastischen Unterfinanzierung der Bundeswehr bekommen Sie nicht mehr von der Tagesordnung. Das ist nicht mehr eine Sache der Spezialisten, sondern eine Sache der gesamten deutschen Bevölkerung. Das ist in das Bewusstsein gedrungen; damit werden Sie sich auseinander setzen müssen. ({9}) Es ist bitter wenig, wenn ich mir die gesamten Defizite der Bundeswehr ansehe, ({10}) aber eine ganze Menge, wenn ich mir anschaue, was wir für die Vorsorge für mögliche Einsätze erreicht haben. Die Position der Bundesregierung, nicht nur des Bundesfinanzministers, war ja: Wir finanzieren nur das, was in einem direkten Zusammenhang mit dem Einsatz steht. Wir haben jetzt investiert in besonders geschützte Fahrzeuge wie den Dingo, die erst in Monaten kommen, wie den Marder, die erst in einem Jahr zur Verfügung stehen. Das ist der Einstieg in eine bessere Vorsorge für die Sicherheit unserer Soldaten. ({11}) - Ich weiß nicht, ob Sie klug beraten sind, so darauf zu reagieren. Ich will Ihnen das einmal schildern. Sie haben jetzt erlebt, was mit dem Dingo passiert. Der Dingo ist absolut notwendig für die Sicherheit unserer Soldaten im Kosovo. Sie müssen ihnen jetzt diese Fahrzeuge nehmen, um sie in Mazedonien einzusetzen. Das zeigt, dass hier mangelhafte Vorsorge getroffen worden ist. Deswegen müssen wir heute Entscheidungen für die Zukunft treffen. ({12}) - Kein Grund zur Aufregung? ({13}) Wir hatten weitere Forderungen im Zusammenhang mit dem Materialerhalt. Um zu zeigen, was wir erreicht haben, kann ich das ja noch einmal nachvollziehen. Ich sehe Helmut Kohl, unseren Bundeskanzler. ({14}) Wenn ich als Verteidigungsminister damals in der Situation gewesen wäre, dass ich mich, auch unter dem Druck des Finanzministers, mit einem geringeren Paket für die Sicherheit unserer Soldaten beschieden hätte, und dann der Oppositionsführer Scharping zum Bundeskanzler Helmut Kohl gekommen wäre und erreicht hätte, dass mehr Geld für die Sicherheit der Soldaten in diesem Einsatz ausgegeben wird, hätte ich mich als Verteidigungsminister nicht so verdammt wohl gefühlt. Deswegen sage ich Ihnen: Was wir erreicht haben, ist schon etwas, aber wir werden weiter kämpfen, was die strukturelle Verbesserung der Bundeswehr angeht. ({15}) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kontroverse muss sein, aber sie muss auch enden. Auch wenn wir nicht den Weg zu einer Zustimmung gefunden hätten, wäre sie heute Abend zu Ende gewesen. Das ist etwas, was wir in Deutschland möglicherweise noch lernen müssen - hier können wir uns wirklich die Amerikaner zum Vorbild nehmen -: Beginn des Einsatzes, Ende der politischen Debatte, Ende jeder Auseinandersetzung. Ab heute Abend wissen unsere Soldaten übrigens, dass alle Abgeordneten dieses Bundestages, egal, wie sie abstimmen, hinter ihnen stehen. Mehr als 600 Abgeordnete werden hinter unseren Soldaten in diesem Einsatz stehen. Das ist auch wichtig, neben dem Geld, das wir ihnen für ihre Sicherheit mitgeben. Vielen Dank. ({16})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Gernot Erler, SPD-Fraktion.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rühe, ich möchte mit Genugtuung feststellen, dass Sie in Ihrer Rede wenigstens partiell zu dem tatsächlichen Gegenstand und der angemessenen Behandlung dieses Gegenstandes zurückgekehrt sind. ({0}) Aber Sie konnten in dem anderen Teil Ihrer Rede nicht darüber hinwegfahren, dass es ein Fehler, ganz persönlich auch von Ihnen, war, diese internationale Frage für die Bundesrepublik Deutschland mit Ihren persönlichen innenpolitischen Zielen zu verbinden. Das war ein Irrweg. Das ist ein Irrweg. Das wird auch einer bleiben. ({1}) Wenn Sie hier Ihre Erfolgsbilanz vorstellen - Sie sind ja ausgeritten, um der Bundesregierung 500 Millionen DM abzutrotzen und haben jetzt das Problem, 28 Millionen DM als einen Erfolg zu verkaufen -, dann ist doch eines klar: Das wichtigste Kriterium dafür, wie überzeugend Sie Ihren Erfolg darstellen können, ist die Reaktion Ihrer eigenen Fraktion. Es gab ein Abstimmungsergebnis von 94 zu 68. Sie können also Ihre eigenen Leute nicht überzeugen. Daher werden Sie auch die Öffentlichkeit nicht davon überzeugen können, dass Sie hier einen großen Erfolg errungen haben. ({2}) Meine Damen und Herren, die SPD-Bundestagsfraktion hat gestern Abend mit großer, mit über 90-prozentiger Mehrheit beschlossen, dem Antrag der Bundesregierung zuzustimmen, sich an der NATO-Mission „Essential Harvest“ mit einem Kontingent der Bundeswehr zu beteiligen. Die SPD-Fraktion hat sich diese Zustimmung nicht leicht gemacht. Es hat eine intensive Diskussion zur Entwicklung der Lage in Mazedonien, zu den Chancen, mit dieser Mission einen Bürgerkrieg in Mazedonien zu verhindern, aber auch zu den Gefährdungen und zu den Risiken gegeben. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen mussten und müssen bei dieser Entscheidung ernst zu nehmende Zweifel überwinden. Nicht alle Fragen können befriedigend beantwortet werden. Letztlich musste jeder eine Abwägung der Alternativen mit ihren jeweiligen Risiken vornehmen. Ein Erfolg der militärisch kontrollierten Waffeneinsammlung als Bedingung für die Ratifizierung des Friedensabkommens vom 13. August erscheint keineswegs gesichert, aber möglich. Eine Verweigerung der Mithilfe bei dieser freiwilligen, aber keineswegs preislosen Selbstentwaffnung würde dagegen automatisch in den Bürgerkrieg führen. ({3}) Die SPD-Bundestagsfraktion sieht in „Essential Harvest“ einen integralen Bestandteil eines präventiven politischen Friedens- und Vermittlungsprozesses. Wir begrüßen es außerordentlich, dass es die Unterhändler der EU, der Vereinigten Staaten und der NATO in enger Abstimmung untereinander, aber auch mit den Vertretern der Vereinten Nationen und der OSZE geschafft haben, dieses Rahmenabkommen zu erreichen - mit der Unterschrift der vier wichtigsten slawo-mazedonischen und albanischen Parteien und des mazedonischen Präsidenten. Im Namen meiner Fraktion möchte ich allen an diesem Erfolg beteiligten Vermittlern Dank und Anerkennung aussprechen. ({4}) Jetzt hängt alles von der erfolgreichen Umsetzung des Rahmenabkommens ab. Dieser Friedensplan hat die kontrollierte Selbstentwaffnung der UCK und die notwendige Verfassungs- und Gesetzgebungsarbeit des mazedonischen Parlaments quasi aneinander geschmiedet. Es läuft in den nächsten 30 Tagen bis zum 27. September Zug um Zug oder es läuft gar nicht. Das macht den politischen Charakter der bereits angelaufenen NATO-Mission aus. Hier wird nicht das Gleis von der Diplomatie zur militärischen Intervention gewechselt. Vielmehr ist die militärisch abgesicherte Kontrolle der Waffenabgabe Voraussetzung dafür, dass der Schlussstein der politischen Konfliktschlichtung gesetzt wird. ({5}) In der Öffentlichkeit ist zu Recht auf das Ungewöhnliche der Szenerie und auch auf die Risiken der erfolgten Friedensvermittlung hingewiesen worden: Im Februar sind bewaffnete albanische Gruppen aufgetaucht und haben mazedonische Ordnungskräfte angegriffen. Nach wenigen Wochen sitzen sie plötzlich am Verhandlungstisch. - Das ist erklärungsbedürftig. Das könnte ja auch eine Prämierung von Gewaltanwendung sein. Der Hintergrund ist aber: Aus geographischen, politischen und militärischen Gründen sind die mazedonischen Ordnungskräfte nicht in der Lage, das zu tun, was eigentlich normal gewesen wäre, nämlich diese Aktivitäten zu unterbinden. Eine Verhandlungslösung zu suchen war die einzige Möglichkeit, in Mazedonien ein dauerhaftes Blutvergießen, dessen Ende also nicht abzusehen gewesen wäre, zu verhindern. Deswegen war dieses Vorgehen richtig. ({6}) Die Verhandlungslösung war nur möglich, weil es auf beiden Seiten besonnene Kräfte mit viel Mut gibt, die sich gegen Populisten, Extremisten und Hardliner auf beiden Seiten durchsetzen. Diese besonnenen Kräfte verdienen unsere volle Unterstützung. ({7}) Aber genauso deutlich appellieren wir an dieser Stelle und in dieser Stunde an alle Mitglieder der UCK: Ihr habt erklärt, dass eure politischen Ziele mit dem Rahmenabkommen jetzt erfüllt sind. Somit gibt es keinen Grund mehr, um die Zahl der abzugebenden Waffen zu feilschen. Es ist eine unabdingbare Voraussetzung, dass die Waffenabgabe transparent, vollständig und verlässlich durchgeführt wird. ({8}) Ich gehe noch weiter: Wenn das Rahmenabkommen umgesetzt ist, gibt es für bewaffnete albanische Verbände in Mazedonien definitiv keinerlei Existenzberechtigung mehr. ({9}) Sollten sie trotzdem auftauchen und aktiv werden - das sage ich mit allem Nachdruck -, würde dies alles Erreichte infrage stellen und der albanischen Sache nicht nur in Mazedonien einen kaum noch zu reparierenden Schaden zufügen. Ich hoffe, dass diese Botschaft bei allen, die sie angeht, ankommt. Auch auf slawo-mazedonischer Seite gibt es vernünftige, realistische Kräfte und unbelehrbare Nationalisten, die der Bevölkerung vorgaukeln, in Wirklichkeit sei der Westen an der gesamten Problemlage schuld. Diejenigen, die sich wie Präsident Trajkowski und unsere sozialdemokratischen Freunde ihnen entgegenstellen, brauchen Mut. Sie haben es schwer und leben gefährlich. Sie verdienen deshalb unsere Unterstützung. ({10}) Aber auch hier muss klar sein: Die unbelehrbaren Scharfmacher gefährden die westliche Hilfsbereitschaft. Angesichts der Tatsache, dass ein Jugendlicher mit tödlichen Folgen einen Betonbrocken auf ein Fahrzeug der NATO-Mission geschleudert hat, verlangen wir, dass die Scharfmacher, die Schreibtischtäter in den mazedonischen Medien zur Rechenschaft gezogen werden und endlich mit ihrer Hetze gegen den Westen aufhören. ({11}) Den Angehörigen des jungen Ian Collins aus Großbritannien, der tragisches Opfer dieses Vorfalls wurde, sprechen wir unsere tiefe Anteilnahme aus. ({12}) Gerade dieser Vorfall zeigt: „Essential Harvest“ birgt nicht nur politische, sondern auch sehr praktische Risiken für die zu entsendenden Soldaten. Die Bundesregierung hat alles getan, um das deutsche Kontingent bestmöglich und nach dem neuesten Stand der Technik zu schützen, insbesondere auch durch die Gewährleistung des notwendigen Minenschutzes. Sie hat dies übrigens - das sage ich an die Adresse des Kollegen Rühe - von sich aus und mit voller Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion getan. Einen Anstoß von außen hat es dafür nicht gebraucht. ({13}) Die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten wird auch bei der weiteren parlamentarischen Begleitung und Kontrolle von „Essential Harvest“ die wichtigste Rolle spielen. Die SPD-Fraktion hält im Übrigen an dem Parlamentsvorbehalt für militärische Auslandseinsätze fest. Wir stehen für seine Abschaffung nicht zur Verfügung. ({14}) Wir stimmen heute über einen klar umrissenen Auftrag für einen klar definierten Zeitraum ab. Wenn „Essential Harvest“ mehr Zeit braucht, muss sich der Bundestag mit einem Verlängerungsantrag der Bundesregierung erneut konstitutiv befassen. Wenn der NATO-Rat den Auftrag ändert, ist dies ebenfalls der Fall. Wenn sich herausstellt, dass der Auftrag nicht erfüllbar ist oder sich schleichend in eine andere Richtung entwickelt, wird der Bundestag eingreifen. Die Verfassung gibt uns das Recht, das zu jedem Zeitpunkt zu tun. „Essential Harvest“ soll einem Land, das sich an einem Scheideweg befindet, Hilfestellung leisten. Mazedonien kann als multi-ethnische Gesellschaft mit auch faktisch gleichen Rechten für alle Bevölkerungsgruppen den Weg des Friedensabkommens beschreiten. Mazedonien kann aber auch aufgrund falscher Ratschläge - es gibt Ratgeber, die immer noch glauben, die Probleme seien militärisch lösbar - in Krieg und Zerstörung auseinander fallen. „Essential Harvest“ kann und soll die politische und zivile Lösung des Konflikts absichern. Deshalb wird die SPD-Bundestagsfraktion dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktion.

Dr. Wolfgang Gerhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002659, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren eine Reihe von Mandaten für deutsche Soldaten zur Teilnahme an NATO-Operationen auf dem Boden des früheren Jugoslawien erteilt. Keines dieser Mandate hat bisher dort, wo Soldaten stationiert wurden, einen wirklich entscheidenden Durchbruch für politische Lösungen gebracht. Ich spreche das zu Beginn der Debatte aus, weil wir Mandate für militärische Einsätze nur erteilen, um am Ende zu einer Bereitschaft für politische Konfliktlösungen zu kommen. Wir stationieren dort ja nicht um des Stationierens willen. Deshalb, Herr Bundesaußenminister, reicht mir und meiner Fraktion - auch wenn der Einsatz aufgrund dieses Mandats am Ende erfolgreich sein sollte - der politische Lösungsweg in Form einer Geberkonferenz nicht aus. Es geht nicht nur darum, in dieser Region Brücken und die Infrastruktur wieder aufzubauen und die Elektrizitätsversorgung zu sichern. Es geht auch darum, dass die Menschen endlich begreifen müssen: Wenn sie nach Europa wollen, müssen sie sich europäisch verhalten. Das muss ihnen ganz klar gesagt werden. ({0}) Der Zeitpunkt ist gekommen, um nach den bisherigen Mandaten und dem Vorentscheid über dieses Mandat ganz klar zu sagen: Wir wollen eine Südosteuropa-Strategie, die am Ende des Tunnels endlich einmal erkennen lässt, welche eigenen Anstrengungen die entscheidenden Kräfte vor Ort unternehmen können. Sie können nämlich nicht nur Geberkonferenzen von uns erwarten. Ein Stück dieser Mentalität steckt ja auch in dem Do-ut-des-Verfahren. Sie müssen jetzt endlich begreifen, dass ein Mindestmaß europäischen Verhaltens notwendig ist. Es müssen Streitschlichtungsmechanismen und Minderheitenrechte existieren und es muss Gewaltverzicht geübt werden. Das ist unendlich wichtig. ({1}) Deshalb reicht meiner Fraktion dieses Mandat mit dem Hinweis auf eine im Anschluss stattfindende Geberkonferenz nicht aus. Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, ich fordere die Bundesregierung heute Morgen ausdrücklich auf, vertiefter und engagierter - auch in den internationalen Organisationen - auf eine Südosteuropa-Strategie zu drängen, die den Namen verdient. Diese müssen Sie dort auch vortragen. Sie dürfen den NATO-Botschafter nicht ohne Weisung in Bezug auf Entscheidungen dabei sitzen lassen. Die NATO sind nicht die anderen, sondern wir. ({2}) Die NATO-Länder entscheiden in diesem Bündnis. Ich befürchte, dass es nicht ausreichend ist, wenn man vor der Erteilung von Mandaten immer nur die Begründung „Bündnissolidarität“ anführt. Ein Bündnis legitimiert sich bei militärischen Schritten durch sein politisches Konzept. Das Entscheidende an diesem Mandat ist - deswegen wird die große Mehrheit meiner Fraktion ihm zustimmen -, dass es zum ersten Mal mit präventiven Maßnahmen, militärischen Komponenten und einem Minimum an Mitteln zu einem politischen Lösungsansatz führt. Das ist eine Qualität, die - so denke ich - richtig ist, sie befindet sich aber noch auf dünnem Eis. Das, glaube ich, weiß jeder. Das Do-ut-des-Prinzip - 30 Prozent der Waffen einsammeln, dann tritt das mazedonische Parlament zur ersten Lesung zusammen; 60 Prozent einsammeln, dann erfolgen die weiteren Gesetzgebungsschritte - entspricht nicht den Verhaltensweisen, die wir uns in Europa wünschen. ({3}) Es ist für uns nicht unbedingt die größte politische Glanzleistung, ein Land dazu anzuregen, ein Minimum an Menschenrechten zu respektieren und Gewaltverzicht zu üben, dafür auch noch mit der Entsendung deutscher Soldaten bezahlen zu müssen und das hinterher notfalls mit einer Geberkonferenz zu unterfüttern. Ich meine, jeder Staat, der nach Europa will, muss auch ohne Do-utdes-Prinzip ein Mindestmaß an demokratischer Verfasstheit und Respekt vor Ethnien verwirklichen. Das muss auch dort gesagt werden. ({4}) Ich will noch eine Bemerkung zu diesem Mandat, das wir begrüßen und dem wir zustimmen werden, hinzufügen: Die Zeit ist knapp bemessen. Der Deutsche Bundestag, der heute entscheidet, sollte die deutsche Öffentlichkeit nicht im Unklaren darüber lassen, dass viele Abgeordnete, auch ich, Zweifel haben, ob 30 Tage ausreichen werden - schon um politische Diskussionen zu vermeiden, wenn die Mission noch länger andauern wird. Denn wir haben die Verhaltensweisen mazedonischer Abgeordneter nicht in der Hand, die die vereinbarten Fristen für die Lesungen einhalten müssen. Wir haben es trotz der Rahmenvereinbarung - sie selbst zeigt, wie unsicher sich die Konfliktparteien noch gegenüberstehen - nicht in der Hand, wie zügig das Waffeneinsammeln wirklich vonstatten geht. Deshalb muss man vorsichtigerweise sagen: Es ist verständlich, dass das Mandat auf 30 Tage befristet ist, um Druck zu machen; die Aufgabenerledigung kann sich aber über 30 Tage hinaus erstrecken. Das muss offen ausgesprochen werden. In einem solchen Falle ist der Deutsche Bundestag wieder zu befassen. Wir werden uns auch wieder damit befassen. Aber wir müssen eine solche Situation ganz klar sehen. Das Mandat ist deshalb bedeutsam, weil es zum ersten Mal - nach all den anderen Mandaten - ein Stück europäischer diplomatischer Verhandlungsleistung ist. Man muss hervorheben: Es ist zum ersten Mal ein Stück europäische Verhandlungskomponente neben die der Vereinigten Staaten gesetzt worden. Das ist für das europäische Selbstbewusstsein und für den Glauben in die eigenen Fähigkeiten wichtig. Dieses Mandat ist das allererste Mandat - die anderen wurden zu spät erteilt -, das wenigstens die Chance hat, präventiv Wirkung zu entfalten. Das sind Gesichtspunkte, die meine Fraktion mit überwiegender Mehrheit dazu bewegen, dem Mandat zuzustimmen. Gleichzeitig verschweige ich nicht, dass wir sehr wahrscheinlich mit 30 Tagen nicht auskommen werden und dass wir auch noch keine Sicherheit haben, ob sich die Konflikte in Mazedonien in diesem Zeitraum wirklich so zurückentwickeln, wie das wünschenswert erscheint. Die Menschen in dieser Region sind noch hasserfüllt. Sie sind in vielen Bereichen, auch in den politischen Parteien, noch nicht zu gegenseitigem Respekt bereit. Sie haben noch nicht das Bewusstsein, das wir mühselig nach einer großen Katastrophe erlangt haben, dass ohne Gewaltverzicht keine politische Lösung zustande kommt. Es ist der erste europäische und der erste präventive Versuch. Wir sollten ihn wagen, weil die Alternativen beträchtlich schlechter aussehen. Wir sollten uns aber klar darüber sein, dass er auf dünnem Eis stattfindet und dass er ein hohes Risiko trägt. Das muss der ganzen Öffentlichkeit bewusst werden. Meine Fraktion wird zustimmen, weil wir der Überzeugung sind, dass wir dieses Risiko eingehen müssen, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Alternative erkennbar ist, die einen Lösungsbeitrag bringen könnte. Das ist die Situation - nicht mehr und nicht weniger. Wenn es gelingt, sollten wir uns freuen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Gehrcke, PDS-Fraktion.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der Bundestag muss in dieser Debatte zur Kernfrage, über die wir heute zu entscheiden haben, zurückkehren. Sie lautet: Sollen deutsche Soldaten nach Mazedonien geschickt werden, oder soll dieser Einsatz verweigert werden? Das ist die Entscheidung, die wir heute zu treffen haben. Dass wir als PDS-Fraktion uns nicht daran beteiligen werden, deutsche Soldaten nach Mazedonien zu entsenden, und die Zustimmung verweigern werden, werden Sie - zu Recht erwartet haben. ({0}) „Bedeutende Ernte“ nennt die NATO den Militäreinsatz. Abgesehen von dem Zynismus, der in der Sprache zum Ausdruck kommt, muss man sich doch die Fragen stellen, wer hier welche Ernte in die Scheuer bringen will und welche Risiken, in weitere Militäraktionen hineingezogen zu werden, damit verbunden sind. Lassen Sie uns das näher untersuchen. Die UCK will den NATO-Einsatz. Sie will für Mazedonien das Modell Kosovo, weil das für sie eine Option auf Macht oder zumindest auf Machtteilhabe ist. Die UCK ist nicht die albanische Bevölkerung. Die NATO würde hier mit einer extremistischen militärischen Organisation paktieren. Die UCK will die NATO im Land, und das länger als 30 Tage. ({1}) Sie sieht in der NATO - das verschweigt sie gar nicht ihren Partner und erwartet sich - um im Bild zu bleiben reiche Ernte. Ich will die Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages warnen und ihnen sagen: Der Schritt von einer Mission zu einer Intervention in Mazedonien ist ein ganz kleiner. Über dieses Risiko müssen wir uns hier klar sein. Die mazedonische Regierung will die NATO rasch wieder loswerden; die Signale kann man doch nicht überhören. Sie spürt die Einschränkung ihrer Souveränität und sieht die Gefahr, dass aus Mazedonien das wird, was aus dem Kosovo geworden ist, nämlich ein Protektorat. Welche Interessen hat die NATO? Sie ist nicht der selbstlose Helfer, als der sie sich darstellt und als der sie dargestellt wird. Das wurde schon deutlich ausgeführt. Die NATO hat die Vereinten Nationen erneut erfolgreich ausgehebelt. Sie hat sich wieder selbst mandatiert. Darüber kann nicht hinweggeredet werden. ({2}) Es gibt kein UNO-Mandat für die Militäraktion, auch wenn so getan wird, als gäbe es ein solches; die NATO hat dieses Mandat nicht gewollt. Herr Außenminister Fischer, das wissen Sie doch! Sprechen Sie es hier im Bundestag aus! Die Haltung der Bundesregierung war doch eine andere. Die NATO hat ein Mandat der Vereinten Nationen nicht gewollt. Es ist die NATO, die sich weiter als globale Ordnungsmacht etablieren will und die die neue NATOKonzeption praktisch durchsetzt. Darüber kann man nicht hinwegreden. NATO und NATO-Mitglieder haben die UCK aufgebaut, sie bewaffnet und kooperieren bis heute mit ihr. Die NATO ist also nicht neutral. Ein großer Teil der Waffen, die in Mazedonien eingesammelt werden sollen, sind vorher über NATO-Länder an die UCK verteilt worden. Man war Kriegspartner der UCK und ist sozusagen unter Bekannten. ({3}) Geostrategisch ist Mazedonien wie der Kosovo von größter Bedeutung. Der Weg in den kaspisch-kaukasischen Raum geht über den Balkan. Darin besteht das geostrategische Interesse der NATO. Das sind die Interessen, die eine Rolle spielen. Über diese Interessen muss man reden und nachdenken. Ich finde, an diesem „Ernteeinsatz“ sollten sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht beteiligen und sollten die Zustimmung dazu verweigern. ({4}) In den letzten Wochen konnte man immer wieder das Argument der Staatsräson, der staatspolitischen Verantwortung hören. Aus Staatsräson und staatspolitischer Verantwortung sollten alle dazu gebracht werden, Ja zu sagen. Seit wann ist es denn Kern der Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland, zu allem, was die NATO beschließt, Ja sagen zu müssen? Wo bleibt die Souveränität dieses Parlamentes, auch Nein sagen zu können? Aus staatspolitischer Verantwortung - man darf dem Debakel Kosovo nicht das Debakel Mazedonien folgen lassen werden viele Kolleginnen und Kollegen des Hauses zu diesem Einsatz der Bundeswehr Nein sagen. ({5}) Es ist staatspolitische Verantwortung einer Opposition, die Regierung daran zu hindern, weitere Fehler zu machen. Ich finde, wir alle sollten souverän genug sein, diese staatspolitische Verantwortung, Nein zu sagen, wahrzunehmen, egal welche kollektiven oder einzelnen Aussprachen man als Kollege dieses Hauses in den letzten Tagen über sich ergehen lassen musste. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion, das Wort.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne auf zwei Bemerkungen eingehen. Herr Gerhardt, Sie haben gesagt, dass mit den Missionen, die bislang im früheren Jugoslawien stattgefunden haben, kein politischer Durchbruch gelungen sei. Wie wird das, was Sie gerade eben gesagt haben, bei Rugova ankommen? ({0}) Rugova hat einen unglaublich harten Kampf gegen die Rechtsnationalisten in seinem eigenen Land, im Kosovo, bestanden. Er hat bei seinem Versuch, im Inneren ein multi-ethnisches Kosovo herzustellen, mehr als dreimal so viele Stimmen wie die Rechtsnationalisten bekommen, nämlich 58 Prozent. Sie aber erklären hier, dies sei kein politischer Durchbruch. Das ist der politische Durchbruch, um den es geht: Den gemäßigten Kräften im früheren Jugoslawien muss die Chance gegeben werden, von innen und von unten zivile Gesellschaften aufzubauen. Genau darum geht es bei diesem Einsatz. ({1}) Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Herr Gehrcke, wir haben doch gemeinsam mit Kofi Annan gesprochen. ({2}) Wie können Sie hier sagen, es habe ein vollständiges Überrollen der UNO durch die Bundesrepublik Deutschland gegeben? ({3}) Sie waren doch bei dem Gespräch selbst dabei, als uns Kofi Annan gesagt hat, er wünsche sich, dass genau das, was der Bundestag beschließt, durchgesetzt wird. Das hat Kofi Annan Ihnen und mir in einem gemeinsamen Gespräch persönlich gesagt. ({4}) Das ist nachher vom Sicherheitsrat der UNO beschlossen worden. Ich zitiere aus dem Beschluss des Sicherheitsrates: Der Rat fordert die volle und unverzügliche Durchführung der Vereinbarung, die die friedliche und harmonische Entwicklung der Zivilgesellschaft fördert und dabei die ethnische Identität und die Interessen aller mazedonischen Staatsbürger sichert. Genau darum geht es. Das, was wir hier beschließen, ist also genau das, wozu uns Kofi Annan auffordert. ({5}) Der Geburtshelfer des neuen Mazedonien war glücklicherweise nicht der Krieg. Zehn Jahre nach dem Anfang vom Ende Jugoslawiens aber könnte die Gewalt des Krieges das Land zwischen Albanien und Bulgarien, Serbien und Griechenland zerstören.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Weisskirchen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gehrcke?

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Immer.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Kollege Weisskirchen, können Sie mir bestätigen, dass zwischen der Meinung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen bzw. einer Erklärung des Sicherheitsrates und einem korrekten Mandat nach Art. 6 und 7 der Vereinten Nationen ein qualitativer und quantitativer Unterschied besteht? Können Sie gleichfalls bestätigen, dass uns der Außenminister unseres Landes öfter darüber informiert hat, dass es im Interesse der Bundesregierung gelegen hätte - das hat sie leider nicht erreicht, wie Fischer dargestellt hat -, ein Mandat der Vereinten Nationen zu erhalten? Ist das korrekt oder irre ich mich?

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Gehrcke, Sie wissen doch ganz genau, dass der Beschluss, der jetzt zu fassen sein wird, ohne Zweifel völkerrechtlich berechtigt ist. Das wissen Sie sehr wohl; denn Sie waren an allen Beratungen des Auswärtigen Ausschusses beteiligt. Ich möchte Sie darum bitten, Ihren Intellekt nicht aus parteitaktischen Zwecken zu verschleudern. ({0}) Dies können wir nicht hinnehmen. ({1}) Nach langem Ringen und zähen Verhandlungen - wie häufig drohten die Verhandlungen zu scheitern! - bietet sich jetzt endlich eine kleine, aber realistische Chance. Die Tür zu einer neuen Verständigung in Mazedonien kann geöffnet werden. Der Schlüssel dazu ist das Rahmenabkommen von Skopje. Wer diesen Schlüssel wegwirft, überlässt den Extremisten das Heft des Handelns, Herr Kollege Gehrke. Ein Nein zum Antrag der Bundesregierung kann als ein Nein zum Rahmenabkommen verstanden werden, weil die Konfliktparteien das Waffeneinsammeln zum archimedischen Prinzip ihres politischen Prozesses gemacht haben. Wenn das Einsammeln der Waffen nicht wie geplant durchgeführt werden kann, könnten - wir alle haben das so verstanden - die politischen Parteien im Parlament in Skopje dies zum Anlass nehmen, den Prozess der Verständigung nicht weiter voranzutreiben. Deswegen ist es wichtig, dass die NATO beim Einsammeln der Waffen genau die Rolle spielt, die ihr nach dem Willen der Bundesregierung zukommen soll. Daher werden wir zustimmen. ({2}) Aus welchen weiteren Gründen sollten wir zustimmen? Es geht um Mazedonien, um 2 Millionen Menschen. Lange schon fühlt sich dieses Land hin und her gestoßen; tief sitzen die Ängste der verschiedenen Volksgruppen, die in diesem Land leben. Auf besonderen Druck Griechenlands - wir erinnern uns - hat die internationale Diplomatie einen künstlichen Namen für dieses Land erfunden. Mazedonien heißt „ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“. Dieses kleine geschundene Land ist das Ergebnis von endlos scheinenden Teilungen und ethnischen Säuberungen eines alten historischen Balkanlandes. Es ist, lieber Kollege Gehrke, nicht neu, dass Hass die politische Kultur in diesem Lande leider mitbestimmt. Dieses kleine Land ist von Trauma zu Trauma getrieben worden, bis es 1991 seine jetzige Gestalt finden konnte. Das Trauma hat sich in das historische Gedächtnis eingegraben und es hat einen Namen: die Angst vor dem Verlust der nationalen Existenz. Diese Angst kann - insbesondere in politischen Auseinandersetzungen - mobilisiert werden; in Zeiten des politischen Kampfes kann sie geschürt werden. Die Versuchung ist groß und viele erliegen ihr. Auch ein Zweites muss bedacht werden: Manche sehen mit nostalgischem Blick auf das, was Jugoslawien bedeutet hat. Ein Rückblick auf die jugoslawische Verfassung von 1974 zeigt, woher der heutige Nationalismus seine Sprengkraft beziehen konnte. Lesen Sie einmal das Buch von Branko Horvat, der Ende 1988 das eigentliche innere Problem Jugoslawiens zusammengefasst hat. In seinem Buch „Die Kosovo-Frage“ beschreibt er, wie jeder politische Konflikt in diesem Land unausweichlich Mittel zum nationalen Kampf werden musste. 1974 wurde Jugoslawien in einen Verbund nationaler Gemeinschaften umgewandelt. Das trieb den Paternalismus voran. Soziale Interessen, der Streit um die Verteilung von Arbeit und Wohnen sowie um die Macht im Staat konnten nur noch ethnisch begründet werden. Diskriminierung und Willkür waren die eigentlichen Kennzeichen des politischen Systems Jugoslawiens. Das verstand man als etwas, das man nur noch im ethnischen Kampf durchsetzen konnte. Das ist das innere Problem dieses Landes. Ein krank machendes Erbe Titos ist der ethnisch begründete Nationalismus. Milosevic war ein virtuoser Spieler oder glaubte, auf dieser Klaviatur spielen zu können. Er gebärdete sich als Retter nationaler Ideen und täuschte die Gefühle von Menschen. Zunächst schien er Erfolg zu haben und dieser Erfolg hatte sich wie eine Krankheit in der Region Jugoslawien festgesetzt. Diesem Muster versuchten viele andere zu folgen. Mazedonien - so hofften viele von uns Anfang der 90er-Jahre - schien von dieser Krankheit nicht befallen zu sein. So blieb der junge Staat, trotz seiner inneren Unsicherheit und obwohl mancher nahe Nachbar begehrlich oder skeptisch auf ihn blickte, davon verschont. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich mit UNPREDEP, der Mission der UNO, und unterschiedlichen präventiven Instrumenten für Mazedonien eingesetzt. Unter den Regierungen von Helmut Kohl und Gerhard Schröder ist von 1992 bis zum Jahre 2000 insgesamt 1 Milliarde DM für präventive Mittel in das Land Mazedonien geflossen. Es war eine große Leistung der internationalen Staatengemeinschaft und der Europäischen Union, viel Geld ausschließlich für zivile Projekte bereitzustellen. Das Augenmerk, das wir auf Mazedonien gerichtet haben, macht doch deutlich, dass der Vorwurf, das Militär komme jetzt, weil wir vorher überhaupt nicht bereit gewesen seien, in den Konflikt präventiv einzugreifen, unberechtigt ist. ({3}) Dieses Land schien zunächst, bis in die ersten Wochen dieses Jahres, gefestigt zu sein. Dann allerdings hat die UCK versucht, ihre militärischen Mittel extremistisch einzusetzen, um den ethnischen Nationalismus voranzutreiben. Die gemäßigten Kräfte - ich denke an die in den Konfliktparteien und an diejenigen, die die großen Parteien im Parlament vertreten - müssen dafür sorgen - das ist das eigentliche Problem dieses Landes -, dass der Extremismus auf beiden Seiten aus der Mitte der Demokratie heraus überwunden wird. ({4}) Das ist das Ziel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um die Zustimmung zu dem, was die Bundesregierung von uns verlangt und erhofft, weil ein Nein als ein Ja zum ethnischen Nationalismus missgedeutet werden könnte. Über ein Nein könnte sich die UCK am meisten freuen. Das dürfen wir ihr nicht zubilligen. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Michael Glos, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie und Ihre Minister reden in diesen Tagen sehr viel von Bündnissolidarität, und zwar mit großer Gelassenheit. ({0}) - Es gibt Leute, die werden eigens dafür bezahlt, das Mikrofon entsprechend der Stimme des Sprechers einzustellen. Aber wenn Sie wollen, dann kann ich lauter reden. Es ist noch nicht sehr lange her, dass Sie „Bündnissolidarität“ ganz anders übersetzt haben. Ich erinnere daran, wie Sie sich verhalten haben, als der Irak 1991 Kuwait überfallen hat und als die internationale Staatengemeinschaft - es handelte sich um ein UN-Mandat - unter Führung der USA dem Opfer der Aggression geholfen und die Invasoren hinausgeworfen hat. ({1}) Die Lage war völkerrechtlich eindeutig. Trotzdem haben die damaligen Oppositionsparteien alles getan, in Deutschland Hysterie zu schüren. Selbst Fasching und Karneval sind auf deren Betreiben hin ausgefallen. Es gab damals die Totschlagsparole „Kein Blut für Öl“ und die Gert Weisskirchen ({2}) Demos gegen den Golfkrieg wurden von Rot und Grün angeführt. ({3}) Ich erinnere mich an diese Zeiten deswegen sehr gut, weil ich damals zum ersten Mal in meinem Leben eine Demonstration mit organisiert und angeführt habe. Es handelte sich nämlich um eine Demonstration pro Amerika. Demonstrationen dieser Art waren damals recht selten. ({4}) Auch 1995 - ich mache einen kleinen Sprung - haben wir hier über Jugoslawien diskutiert. Damals haben wir darüber debattiert, wie man dort helfen kann, damit es nicht so weit kommt, wie es - ein Stück weit - leider doch eingetreten ist. Damals haben Sie, Herr Fischer, gesagt - ich zitiere Sie; Sie haben heute nicht als Bundesaußenminister, sondern, wie damals, als Sprecher der Grünen gesprochen -: Für uns wird damit der Verdacht bestätigt, dass es hier nicht wirklich um einen Einsatz aus den Gründen geht, die Sie vorgegeben haben, sondern dass es in der Linie Kambodscha, Somalia, jetzt Bosnien dann weitergehen wird, um letztendlich die Selbstbeschränkung deutscher Außenpolitik endgültig ad acta zu legen. Herr Scharping, der damals Vorsitzender der SPDFraktion war, hat in den „Tagesthemen“ vom 26. Juni 1995 gesagt: Nichts, was die Verwicklung in Kampfhandlungen bedeuten könnte, wird von uns unterstützt. - So viel zu Ihrer damaligen Auffassung von Bündnissolidarität. ({5}) Auch heute haben wir Bündnissolidarität erlebt. Ich meine nämlich, dass man das, was Herr Gehrcke gesagt hat und was die SPD tut, auch vor dem Hintergrund sehen muss, dass die PDS Bündnispartner der SPD in Berlin ist. ({6}) Es bleibt nach wie vor bei dem alten Satz: Sage mir, mit wem du umgehst und mit wem du verbündet bist, dann sage ich dir, wer du bist. ({7}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen uns doch nicht wundern, warum für diesen Einsatz nicht nur bei der Opposition, sondern in der gesamten deutschen Bevölkerung so wenig Zustimmung vorhanden ist. ({8}) Das kommt doch durch das arrogante, belehrende und teilweise schnöselhafte Benehmen, mit dem Sie, Herr Bundesaußenminister, in der Öffentlichkeit mit diesem ernsten Thema umgegangen sind. ({9}) Was haben Sie, Herr Bundeskanzler, getan, um ernsthaft für Zustimmung zu werben? Alle Argumente, die vorgetragen worden sind, waren ({10}) in erster Linie nach innen gerichtet, um die Zustimmung in den eigenen Reihen zu gewinnen. Wenn man nur darum kämpft, dann tut man sich ein ganzes Stück schwerer, die breite deutsche Öffentlichkeit auf diesen Weg mitzunehmen. Als die Bundeswehr immer mehr zum Sparschwein der Nation geworden ist, haben wir gewarnt, dass dann die Zustimmung zurückgehen werde, wenn es darum geht, dass die Bundeswehr in Einsätze geschickt werden muss, weil die Sicherheit unserer Soldaten nicht mehr so gewährleistet ist. Diese Warnungen sind serienweise in den Wind geschlagen worden. Wenn wir schon über Bündnispartner reden, dann möchte ich doch einmal den designierten amerikanischen Botschafter in Deutschland, Dan Coats, zitieren, der gesagt hat, Deutschland müsse mehr bieten als nur Rhetorik, wenn es um Verteidigung geht. Er hat darauf hingewiesen, dass „ein verringerter Verteidigungshaushalt die wichtige Rolle gefährdet, die Deutschland spielen muss“. Wissen Sie, das ist, wie wenn man einem Pferd die Vorderbeine zusammenbindet, es dann auf die Rennbahn schickt und sich beklagt, wenn es nicht den ersten Preis gemacht hat. ({11}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben die Bundeswehr finanziell an den Krückstock gebracht. ({12}) Sie haben den Generalinspekteur der Bundeswehr zu einem Aufschrei der Verzweiflung gebracht. Als Soldat muss er sich heute fügen, aber vorher - noch im August hat er gesagt, die Bundeswehr sei weder finanziell noch personell in der Lage, diesen Einsatz durchzuhalten. Es fehlt - darüber hat heute schon Volker Rühe gesprochen - an Realismus. Der Auftrag, Waffen einzusammeln, die freiwillig abgegeben werden, hört sich friedlich an. Wahrscheinlich haben Sie das Mandat so formulieren lassen, weil das die einzige Chance war, Ihre Genossinnen und Genossen und auch die aus dem grünen Lager mitzunehmen. „Schwerter zu Pflugscharen“ kann man ja noch verklickern und „Ernte“ klingt natürlich auch gut. - Herr Gehrcke, bei Ernte fällt mir ein, dass ich früher viele - wie Sie es nannten - Produktionsgenossenschaften in der DDR besichtigt habe. Dort hieß es immer: „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein.“ ({13}) Gerade mit diesen Begriffen haben Sie also große Erfahrungen. Ich habe mehr Sorge davor, dass das Szenario, das Stefan Kornelius in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 22. August beschrieben hat, Wirklichkeit werden könnte. Unter der Überschrift „Operation Sonnenschein“ schildert er Situationen, die, wenn es zu bewaffneten Verwicklungen kommt, eintreten können. Wenn wir die NATO einsatzfähig und angesehen halten wollen, müssen wir aufpassen, dass sich - auch nicht in kleinerem Maße Szenarien wie in Srebrenica nicht wiederholen. Sie haben auch auf meine damaligen Nachfragen hin nicht befriedigend sagen können, wie Sie verhindern wollen, dass es zu Gräueln an Zivilisten kommt, und wie sich dann die NATO-Soldaten - und damit auch unsere Bundeswehr verhalten müssen. Für die Autorität der NATO wäre eine solche Szene katastrophal. Wir brauchen die NATO auch künftig für die Verteidigung von Frieden und Freiheit - es ist nicht nur ein Akt der Dankbarkeit, wenn wir die NATO unterstützen, weil die NATO unsere Wiedervereinigung ermöglicht hat -; deswegen machen wir uns Sorgen, deswegen wollten wir ein robustes Mandat und deswegen haben wir gesagt: Dieses Mandat kann nicht aus der Portokasse finanziert werden. Wir haben eigentlich ein Stück weit die Arbeit des Bundesverteidigungsministers gemacht, der derzeit wohl an vielen Fronten gebunden ist, ({14}) indem wir dafür eingetreten sind, dass die Soldaten mehr Geld erhalten. Wir haben für die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten gekämpft. ({15}) Jetzt können Sie die Frage stellen, warum wir trotz dieser Bedenken mehrheitlich zustimmen. - Ich habe für alle bei uns Verständnis, die sagen: Unter diesen Umständen können wir nicht zustimmen. - Wir stimmen zu, damit unsere Soldatinnen und Soldaten nicht das Gefühl haben, wir ließen sie bei einem so gefährlichen Einsatz allein, ({16}) sondern sehen: Wir stehen hinter ihnen. - Das ist für uns selbstverständlich. Wir brauchen die Bündnissolidarität nicht zu beweisen. Die Bündnissolidarität ist verlassen worden, als man für den Finanzplanungszeitraum 20 Milliarden DM aus dem Verteidigungshaushalt herausgestrichen hat. ({17}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der Deutsche Bundestag heute der Entsendung deutscher Soldaten nach Mazedonien zustimmt - damit ist zu rechnen -, dann wünsche ich diesen Soldaten und ihren Familien, dass der Einsatz reibungslos verläuft und dass alle Soldaten wieder wohlbehalten nach Hause kommen. ({18}) Vielen Dank. ({19})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/6830 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Zu den Ausschussberatungen unterbreche ich jetzt die Sitzung bis voraussichtlich 15 Uhr. Der Wiederbeginn der Sitzung wird durch Klingelsignal rechtzeitig angekündigt. Die Sitzung ist unterbrochen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe die Tagesordnungs- punkte 2 a und 2 b auf: 2. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedonischem Territorium zum Einsammeln und Zerstören der Waffen, die durch die ethnisch albanischen bewaffneten Gruppen freiwillig abgegeben werden - Drucksachen 14/6830, 14/6835 Berichterstattung: Abgeordnete Gert Weisskirchen ({1}) Karl Lamers Ulrich Irmer b) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 14/6836 Berichterstattung: Abgeordnete Adolf Roth ({3}) Dietrich Austermann Hans Georg Wagner Oswald Metzger Jürgen Koppelin Dr. Uwe-Jens Rössel Es liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP vor. Ich weise darauf hin, dass wir nach der Aussprache über die Beschlussempfehlung zum Antrag der Bundesregierung namentlich abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Bevor ich die Aussprache eröffne, erteile ich dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Uli Klose, das Wort.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns bei den Beratungen im Auswärtigen Ausschuss nicht nur mit der Sache beschäftigt - das natürlich sehr intensiv gestern im Wege der Selbstbefassung und heute formal nach Überweisung. Wir mussten uns, ebenso wie die mitberatenden Ausschüsse, auch mit einem formalen Problem beschäftigen. Dieses formale Problem ergab sich daraus, dass wir zwar nur über den Antrag zu entscheiden hatten und hier zu entscheiden haben, dass aber in dem Antrag der Bundesregierung auf den Beschluss der Bundesregierung vom 23. August dieses Jahres Bezug genommen wird. In diesem Beschluss der Bundesregierung sind unter Ziffer 11 die Kosten aufgeführt, und zwar die in der Debatte wiederholt aufgetauchten 135 Millionen DM, wovon 120 Millionen DM für Einmalleistungen vorgesehen waren. Diese Zahlen haben sich, wie auch schon gestern deutlich geworden ist, verändert. Die richtigen Zahlen lauten heute: 163,1 Millionen DM, wovon 148,1 Millionen DM für Einmalausgaben vorgesehen sind. Wir im Auswärtigen Ausschuss haben den anwesenden Außenminister gefragt, ob es zutreffend sei, dass die Bundesregierung diese Zahlen korrigiert habe. Er hat das bestätigt. Wir haben dann diese Veränderung zustimmend zur Kenntnis genommen; wir waren und sind der Auffassung, dass das formal genügt, weil der Antragstext nicht unmittelbar berührt wird. Im Haushaltsausschuss allerdings, wo man genau mit Zahlen umgehen muss, war man der Auffassung, das genüge nicht und es sei besser, wenn man einen richtigen, formalen Kabinettsbeschluss hätte. Dieser ist dann im Umlaufverfahren herbeigeführt worden. Der Chef des Bundeskanzleramts hat mir das formal mitgeteilt; ich lese es der guten Ordnung halber vor: ... unter Bezugnahme auf das Schreiben des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom heutigen Vormittag darf ich Ihnen mitteilen, dass das Kabinett-Umlaufverfahren zum Mazedonien-Einsatz abgeschlossen ist. Damit sind die in Ziffer 11 des Entschließungsantrags ({0}) genannten Beträge von 120 Mio. DM auf 148,1 Mio. DM bzw. von 135 Mio. DM auf 163,1 Mio. DM angepasst. Damit dürfte nun auch formal alles bestens geregelt sein. Ich danke sehr. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Kollege Peter Struck, SPD-Fraktion.

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst zu Beginn meiner Rede von dieser Stelle aus an die Soldaten wenden, die die Mehrheit dieses Hauses zu dem Einsatz nach Mazedonien schicken wird. Wir wissen, dass die Mission nicht ohne Gefahren ist. Niemand von uns hat sich die Entscheidung leicht gemacht. Wir wissen um die Verantwortung, die wir dabei übernehmen. Deshalb versichere ich den Soldaten, dass die Bundeswehr so sicher ausgerüstet wie nur möglich in diesen Einsatz gehen wird. ({0}) Vorweg auch noch eine Bemerkung in eigener, in parlamentarischer Sache: Es gab von einigen Kollegen der Opposition den Vorschlag, auf den Parlamentsvorbehalt zu verzichten und der Regierung allein die Entscheidung über Bundeswehreinsätze zu überlassen. ({1}) Für mich und meine Fraktion sage ich ganz klar: Wir werden uns diesen Vorschlag nicht zu Eigen machen. ({2}) Nicht trotz, sondern gerade wegen der engagierten Debatten, in denen bei uns und auch in den anderen Fraktionen um die Entscheidung gerungen wurde, bleiben wir bei diesem Parlamentsvorbehalt. Wir nehmen diese Verantwortung wahr. ({3}) Bei dem Einsatz, über den wir heute entscheiden, geht es darum, einen Bürgerkrieg in Mazedonien zu verhindern.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Struck, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schäuble?

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Struck, auch wenn es vielleicht nicht das Hauptthema heute ist: Sind Sie bereit, noch einmal zu überprüfen, dass jedenfalls ich nicht eine Abschaffung der Beteiligung des Parlaments bei den Entscheidungsprozessen gefordert habe? Vielmehr habe ich gesagt, man müsse - gerade auch im Licht der Erfahrungen dieser Tage, bis hin zu dem, was der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses eben vorgetragen hat - darüber nachdenken, ob die Abgrenzung in der Verantwortung zwischen Regierung und Parlament genau getroffen ist und ob wir nicht besser der Empfehlung des Bundesverfassungsgerichts folgen sollten, das Präsident Wolfgang Thierse damals in seiner Entscheidung gesagt hat, man solle ein Entsendegesetz schaffen, in dem man genauer und richtiger abgrenzt - nicht mehr und nicht weniger.

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schäuble, wenn Sie das jetzt so interpretieren - ({0}) - Es gab andere Pressemeldungen über erste Äußerungen. Es ist in der Tat ein Nebenaspekt; ich will diesen Punkt nicht weiter vertiefen. Wenn wir uns einig sind, Herr Kollege Schäuble, umso besser. Ich will nur feststellen: Die Entscheidung darüber, ob deutsche Soldaten auf anderem Gebiet als dem der Bundesrepublik Deutschland tätig werden sollen, wird nach wie vor dieser Deutsche Bundestag zu treffen haben. ({1}) Bei dem Einsatz, über den wir heute sprechen, geht es darum, im letzten Augenblick einen Bürgerkrieg in Mazedonien unter Aufbringung aller diplomatischen Anstrengungen von Europäischer Union, NATO und OSZE zu verhindern. Niemand hier kann ein Scheitern dieser NATO-Mission ausschließen; aber jeder, der die Möglichkeit des Scheiterns als Argument für eine Ablehnung nimmt, muss wissen: Ohne die auf 30 Tage beschränkte Einsammlung von Waffen ist der Friedensprozess in Mazedonien schon jetzt gescheitert. ({2}) Der Einsatz ist vor allem auch eine Chance, um die uns, wie ich hörte, die mazedonische Regierung, vertreten durch den Verteidigungsminister, noch heute in Ausschüssen des Bundestages gebeten hat. Wir dürfen diese Bitte nicht abschlagen, vor allem deswegen nicht, weil Mazedonien seit dem Zerfall Jugoslawiens wertvolle Dienste zur Stabilisierung der Region geleistet hat. Wir sollten dabei insbesondere nicht vergessen, dass das Land 1998 und 1999 Hunderttausende von albanischen Flüchtlingen aus dem Kosovo aufgenommen und damit eine Hauptlast im Kampf gegen die Vertreibungspolitik Milosevics getragen hat. Trotz der Schwäche dieses Landes ist eine Zahl von albanischen Flüchtlingen dort aufgenommen worden, die 15 Prozent der Bevölkerung Mazedoniens entspricht. Übertragen auf unser Land würde das bedeuten, wir hätten 12 Millionen Flüchtlinge aufnehmen müssen. Im Frühjahr 1999 habe ich in den Flüchtlingslagern in Mazedonien die Hilfsbereitschaft dieses Landes selbst kennen gelernt. Ebenso wie viele andere aus diesem Haus habe ich den mazedonischen Verantwortlichen damals gesagt, dass Europa dies nicht vergessen und den Prozess hin zu einem demokratischen Staatswesen unterstützen wird. Auch an diese Versprechungen gilt es bei der heutigen Entscheidung zu erinnern. ({3}) Wir entscheiden über einen wichtigen Bestandteil der präventiven Kriegs- und Konfliktvermeidungsstrategie der Europäischen Union gegenüber Mazedonien. Dabei kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden, dass die Europäische Union in diesem Fall in geradezu klassischer und mustergültiger Form alle bekannten und empfohlenen Mittel und Ansätze ziviler Präventionspolitik eingesetzt hat, um einen Bürgerkrieg und eine daraus möglicherweise folgende Destabilisierung der gesamten Region zu vermeiden. Unter der Führung der EU und unter gelungener Beteiligung der USA, der OSZE, des Europarates, des UNHCR und der Weltbank ist es durch einen klugen Mix von politischen und ökonomischen Instrumenten gelungen, beide Konfliktparteien zum Abschluss des politischen Rahmenabkommens vom 13. August zu bewegen. Damit ist ein bedeutender Teilerfolg in der Befriedung und Konfliktbeilegung in Mazedonien erreicht worden. Wir können stolz auf diese hauptsächlich europäische Leistung sein und bedanken uns bei all denen, die zu diesem Erfolg beigetragen haben. ({4}) Wer das Rahmenabkommen gelesen hat, weiß, dass es sich dabei um einen Zug-um-Zug-Prozess handelt, bei dem jede Seite ihren Verpflichtungen aus diesem Abkommen abwechselnd in drei Schritten in einem eng befristeten Zeitrahmen nachkommen soll. Die Rolle der NATO und ihr Mandat, darunter ihre Einsatzbefristung auf 30 Tage, ergeben sich aus den eng verflochtenen wechselseitigen Verpflichtungen des politischen Rahmenabkommens. Die NATO-Operation „Essential Harvest“ ist unverzichtbarer Bestandteil dieses Abkommens und dient ausschließlich der Konfliktvermeidung und der Vertrauensbildung. Im Unterschied zu den Einsätzen in Bosnien und im Kosovo, wo die NATO militärisch eingreifen musste, um einen opferreichen schlimmen Bürgerkrieg und grausamste Vertreibung zu beenden, geht es in Mazedonien darum, einen Bürgerkrieg zu verhindern. Für das Abstimmungsverhalten heißt das nichts anderes, als dass diejenigen, die den NATO-Einsatz in Mazedonien ablehnen, damit den gesamten Stabilisierungsund Friedensprozess in Mazedonien infrage stellen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf Folgendes hinweisen: Die NATO ist sowohl von der demokratisch gewählten mazedonischen Regierung und dem Präsidenten als auch von den Vertretern der albanischen Rebellengruppen gebeten worden, die Kriegswaffen der UCK einzusammeln und zu vernichten. Damit entspricht der NATO-Einsatz dem Völkerrecht. Das wird auch durch die Erklärung des Sicherheitsrates der UN und die Stellungnahme von UN-Generalsekretär Kofi Annan unterstrichen. In den Debatten der letzten Wochen um diese Operation ist von unterschiedlichen politischen Seiten häufig der Vorwurf erhoben worden, das Mandat sei unehrlich und gehe an den Gegebenheiten in Mazedonien vorbei. Dabei wurde insbesondere angezweifelt, dass die 30-Tage-Frist einzuhalten sei, in der die albanischen Rebellengruppen ihre Waffen vollständig abliefern sollen. Das mag so sein. Niemand von uns ist so naiv anzunehmen, dass jede Waffe, die es dort gibt, den NATO-Truppen übergeben wird. Viel wichtiger für den Gesamtprozess ist die politische Bedeutung der Waffenabgabe durch die UCK. Mit ihrer freiwilligen Entwaffnung erkennen die albanischen Rebellen die Abmachungen des Rahmenabkommens an und übernehmen ihren Teil der Verantwortung für seine Umsetzung. Ein betrügerisches Vorgehen der UCK in dieser Frage würde dem Anliegen der albanischen Bevölkerung - ich meine die kulturelle und politische Gleichberechtigung, wie es in dem Rahmenabkommen vorgesehen ist - schwersten Schaden zufügen und die Chance auf dessen Verwirklichung zunichte machen. Die UCK müsste dann die Verantwortung dafür übernehmen, dass die albanischen Interessen verletzt werden. Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass in einem solchen Fall die albanische Bevölkerung in Mazedonien dieser UCK noch Toleranz und Sympathie entgegenbringt. Deswegen steht für die UCK sehr viel auf dem Spiel, sollte sie dieses letzte ihr entgegengebrachte Vertrauen verspielen. Sowenig wie die Bundesregierung behauptet hat, der NATO-Einsatz sei frei von Risiken und ohne Gefahren, so wenig ist die Eingrenzung des NATO-Engagements in Mazedonien auf 30 Tage eine Verschleierungstaktik, um sich die schnelle Zustimmung dieses Hauses zu sichern. Das enge Zeitfenster, das das Rahmenabkommen für das Einsammeln der Waffen, das ja schon begonnen hat, und die Verfassungsänderung vorsieht, ist ein notwendiges Druckmittel, damit der günstige Augenblick der Friedensbereitschaft auf beiden Seiten genutzt wird und die Stimmung in einem Spiel auf Zeit nicht wieder in Gewalt umschlägt. Daher ist es völlig richtig, dass die NATO klar zu verstehen gibt, dass der 30-Tage-Zeitraum für sie verbindlich ist und eine Verlängerung nicht infrage kommt; abgesehen von Verlängerungsnotwendigkeiten, die sich möglicherweise durch tatsächliche Abläufe ergeben. Die NATO verstärkt damit den Umsetzungsdruck auf die Vertragsparteien. Jede andere Einlassung würde dem Rahmenabkommen und dem Friedensprozess schaden und möglicherweise zum Scheitern beitragen. Herr Präsident, meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort zum Verhalten der Oppositionsfraktionen sagen. ({5}) Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Fraktionsführungen von CDU/CSU und FDP ihren Abgeordneten die Zustimmung zu diesem Einsatz empfohlen haben. Es gibt eine Fraktion, die sozusagen den Stein der Weisen offenbar gefunden hat. ({6}) Ich weiß aber, dass es in allen anderen Fraktionen dieses Hauses - auch in meiner Fraktion - Abgeordnete gibt, die nicht zustimmen werden. Das wird dem Ernst dieser Situation gerecht. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Führungen der Oppositionsfraktionen, dass sie die Zustimmung empfohlen haben; denn unsere Soldaten haben ein Recht darauf, bei diesem schwierigen Einsatz die breite Unterstützung des ganzen Parlaments zu haben. ({7}) Die Operation hat, wie wir wissen, begonnen. Wenn wir uns heute nicht dazu entscheiden würden, an diesem Einsatz teilzunehmen, würde die NATO ohne die Bundesrepublik Deutschland in Mazedonien agieren. Wir in Deutschland dürfen nicht sagen, dass dieser Einsatz für uns zu gefährlich ist, und gleichzeitig den Briten, Franzosen, Niederländern und anderen, die dort die Waffen einsammeln, diese Gefahr zumuten. Wir stehen auch in einer Bündnisverpflichtung. Wenn wir so handeln würden, müssten wir zu Recht den Vorwurf des Nationalismus und des Bruchs der Bündnissolidarität in Kauf nehmen. Wir wären isoliert und hätten keine Chance mehr, die gerade von uns, von der Bundesrepublik Deutschland, von der Bundesregierung, betriebenen Konzepte zur Stabilisierung Südosteuropas mitverantwortlich zu gestalten, wenn wir jetzt nicht dabei wären. ({8}) Das Mandat der NATO und der Antrag der Bundesregierung sind eindeutig. Auftrag, Größenordnung, Ausstattung, Kosten und Zeitrahmen sind unmissverständlich genannt. Sollten sich die Lage und die Anforderungen für NATO und Bundeswehr wie auch immer ändern, wird es ein neues NATO-Mandat und eine neue konstitutive Beschlussfassung dieses Deutschen Bundestages geben. Die Sorge, eine Zustimmung zu dem Antrag heute würde ein schleichendes Hineinlaufen in andere Mandate ermöglichen, ist unberechtigt. Unsere Verfassungslage ist klar: Gibt es einen anderen Auftrag, muss der Bundestag neu darüber entscheiden. Ich will daran gar keinen Zweifel lassen. Ich bin fest überzeugt, dass es zu dem beschrittenen Weg nur eine Alternative gibt: den Bürgerkrieg. Die Gefahren, die von ihm ausgingen, könnten die Europäische Union und die NATO sehr schnell vor Herausforderungen stellen, deren Risiken ungleich höher sind als alle Risiken jetzt. Um solche Entwicklungen zu bannen, ist nicht nur die erfolgreiche Umsetzung des politischen Rahmenabkommens nötig, sondern auch die Ausarbeitung eines umfassenden Stabilisierungskonzeptes für Mazedonien im Rahmen einer langfristig angelegten politischen und ökonomischen Gesamtstrategie für alle Balkanstaaten und Südosteuropa. Die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben die Anregungen zahlreicher Abgeordneter genau in dieser Richtung aufgegriffen. In einem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag bitten wir die Bundesregierung, in der Europäischen Union die Fortsetzung und Intensivierung entsprechender Maßnahmen einzufordern. Gleichzeitig wird von der Bundesregierung erwartet, dass der von ihr initiierte und mit großzügigen Mitteln ausgestattete Stabilitätspakt für Südosteuropa über das Jahr 2003 hinaus fortgeführt wird. ({9}) Insbesondere die Passage, bei der es darum geht, dass wir die Bundesregierung - in diesem Fall eher den Bundesinnenminister als den Bundesaußenminister - darum bitten, im Zusammenwirken mit den europäischen Amtskollegen die mafiaähnlichen Strukturen und die sich daraus ergebenden finanziellen Verbindungen nach Albanien wirksam zu bekämpfen, nehmen wir sehr ernst. Wir werden den Bundesinnenminister und die Bundesregierung bei ihrem Kampf gegen diese Art der Geldbeschaffung für die Albaner ganz intensiv unterstützen. ({10}) Meine Damen und Herren, die Alternative ist für mich und die übergroße Mehrheit meiner Fraktion eindeutig: Wenn wir heute diesem Antrag nicht zustimmen würden, wenn andere NATO-Staaten sich so verhalten würden, dann gäbe es nur die Alternative, dass in Mazedonien ein Bürgerkrieg mit schrecklichen Folgen ausbrechen würde. Ich appelliere an alle, die - auch moralische - Bedenken haben, deutsche Soldaten durch diesen Beschluss des Deutschen Bundestages in eine nicht ungefährliche Region zu entsenden: Sie möchten bedenken, dass wir auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen in Mazedonien haben, die einen Anspruch auf den Schutz von Leib und Leben haben. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Angela Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001478, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon lange nicht mehr mussten die Abgeordneten in diesem Hause eine Entscheidung treffen, bei der sich eine so große Kluft zwischen Hoffnung, vielleicht sogar Illusion über den Erfolg eines Einsatzes der NATO auf der einen Seite und Sorge über ein mögliches Scheitern auf der anderen Seite auftat. Ich glaube, wir sind uns einig, dass Politik niemals allein dem Prinzip Hoffnung folgen sollte. Politik muss, wenn sie das Vertrauen der Menschen gewinnen oder behalten will, immer vorausdenken. Vorausdenken heißt, das Ziel zu kennen und sich über den Weg im Klaren zu sein. Weg und Ziel sind dabei eine Einheit. Ich glaube, das Ziel des bevorstehenden Einsatzes der NATO in Mazedonien ist gut und richtig. Es gilt, alles zu tun, um einen fürchterlichen Bürgerkrieg zu verhindern. Es gilt, Frieden, Freiheit und Demokratie auch in diesem Lande in Europa Wirklichkeit werden zu lassen. Dieses Ziel ist sehr anspruchsvoll; denn es geht um sehr viel mehr als um das Einsammeln von Waffen. Es geht darum, ob es mithilfe der NATO gelingt, eine Aussöhnung in Mazedonien zu erzielen, Minderheitenrechte durchzusetzen und dies in Politik und Verwaltung des Landes auch zum Ausdruck zu bringen. Das ist viel mehr als nur eine militärische Aufgabe; es ist eine politische Aufgabe. Dieses Ziel zeigt, dass sich die NATO gemeinsam mit der Europäischen Union als Wertegemeinschaft versteht. Das ist mehr als eine Militärgemeinschaft. Die NATO hat sich immer als Wertegemeinschaft verstanden und wir haben sie im Übrigen im Gegensatz zu vielen in diesem Hause - Sozialdemokraten und Grünen -, die zu Zeiten des NATO-Doppelbeschlusses auf ganz anderen Seiten standen, immer als solche unterstützt. ({0}) Ich sage das ganz emotional; denn die Tatsache, dass wir den NATO-Doppelbeschluss damals mitgetragen haben, hat es ermöglicht, dass wir die deutsche Einheit haben und dass ich heute hier stehen kann. ({1}) Wenn heute so getan wird, als ginge es um die Kontinuität der überparteilichen Zusammenarbeit, dann will ich nur daran erinnern, dass im Jahre 1992, als der Golfkrieg war, der niedersächsische Ministerpräsident und heutige Bundeskanzler seinem Kultusminister ausdrücklich das Plazet gegeben hat, dass Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts auf die Straße gehen konnten ({2}) und dass nicht dagegen eingeschritten wurde, weil er es für einen Teil des Bildungsauftrages hielt, wenn man gegen den Golfkrieg protestierte, der Israel erwiesenermaßen vor der Vernichtung durch Giftgas bewahrt hat. ({3}) Das ist Geschichte und ich finde, wir alle sollten zu unserer Geschichte stehen. Die NATO ist und war immer eine Wertegemeinschaft. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir ihr Ansehen und ihre Autorität durch klare Mandate stärken. Die heutige Entscheidung verlangt uns allen sehr viel ab. Die NATO verändert sich. Nie oder selten haben wir über ein Mandat so intensiv diskutiert wie über dieses. Wir als Opposition tun das aus zweierlei Blickwinkeln: Wir haben zum Ersten diese Bundesregierung kritisch zu begleiten und haben zum Zweiten aus unserem eigenen Selbstverständnis heraus zu urteilen. Die Entscheidung über das Mandat ist auf der einen Seite unabwendbar. 19 Staaten haben im NATO-Rat eine Entscheidung gefasst. Als eine Oppositionspartei in Deutschland muss man schon sehr gut überlegen, ob man sagen kann: Wir wissen, dass es anders gehen müsste. Aber auf der anderen Seite müssen wir als kritische Überwacherin der Bundesregierung ({4}) fragen, ob denn die deutsche Bundesregierung alles getan hat, um das Mandat so auszugestalten, wie wir es für notwendig halten. ({5}) Ich habe den Eindruck, dass Sie von den Regierungsfraktionen ziemlich viel Zeit darauf verwenden müssen, interne Schwierigkeiten zu bewältigen und Mehrheiten zusammenzubekommen. ({6}) - Darüber kann man lange lachen. ({7}) Die Bundesregierung hat die Aufgabe, im NATO-Rat die Position der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Ob ein Mandat mit Blick auf die Zustimmungsfähigkeit im deutschen Parlament sozusagen immer mit einer Handbremse beim Denken oder mit einer ganz klaren Unterstützung für Belastbarkeit und Robustheit verfasst werden kann, weil man weiß, dass die Abgeordneten zu 100 Prozent hinter der NATO stehen, ist ein Unterschied. ({8}) Man wird es noch aussprechen dürfen: Ich persönlich hatte in den letzten Tagen manchmal den Eindruck, dass Sie sich für ein belastbares Mandat nicht ausreichend einsetzen konnten, weil Ihre eigenen Leute gegenüber der NATO nicht genug belastbar sind. Das ist für mich die Wahrheit. ({9}) Hätte Deutschland mit mehr innerer Klarheit - das sage ich ausdrücklich deshalb, weil ich zwar oft zugehört, aber wenig davon vernommen habe - sein Gewicht in diese Verhandlungen eingebracht, dann hätte man - davon bin ich überzeugt - ein besseres Mandat erreichen können. ({10}) Aber es ist jetzt eine Entscheidung gefallen. Weil die Aufgabe so ist, wie sie ist, kommt der Frage, in welchem Zustand sich die Bundeswehr befindet, eine ganz besondere Bedeutung zu. Deshalb haben wir von der Durchhaltefähigkeit gesprochen. Wir haben gesagt: Wir wissen nicht, ob wir in diesem Zusammenhang noch einmal entscheiden müssen; aber wir müssen dafür Vorsorge treffen, dass die Bundeswehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Lage ist. Sie argumentieren so, als sei die Bundeswehr eine gespaltene Bundeswehr: Zum einen gibt es eine Bundeswehr im Inland; bei ihr kann man sparen, so viel man will. Dabei setzt man die Wehrpflicht aufs Spiel. Zum anderen gibt es eine Bundeswehr für Auslandseinsätze. In diesem Fall sagt man: Die Staatsräson erfordert es nun, dass alle zustimmen. - Ich glaube, so geht es nicht. ({11}) Die Bundeswehr muss als Ganzes gesehen werden. Die Bundeswehr ist in diesem Jahr um 3 Milliarden DM erwiesenermaßen unterfinanziert, und zwar in Bezug auf unsere mittelfristige Finanzplanung. Sie war - das weiß Volker Rühe - mit Sicherheit nicht üppig. Aber in Bezug auf diese mittelfristige Finanzplanung ist die Bundeswehr um 3 Milliarden DM unterfinanziert. Deshalb - das habe ich gemerkt, als ich in Amerika war - sprechen unsere Verbündeten offen darüber, dass sie sich um unsere Bundeswehr Sorgen machen. Ich finde, wir sollten diese Sorgen ernst nehmen und etwas tun. ({12}) Durchhaltefähigkeit ist für mich die Voraussetzung für Bündnisfähigkeit und Bündnisfähigkeit ist die Voraussetzung für den Erfolg der NATO und damit auch für das Vertrauen der Menschen. Deshalb darf nicht das Prinzip Hoffnung regieren; wir müssen vielmehr Vorsorge treffen. Das ist die Entscheidung, vor der wir heute stehen. Wir sind uns dabei unserer Aufgabe als Opposition sehr bewusst. Auf der einen Seite steht die kritische Frage: Was können wir tun? Auf der anderen Seite steht die Frage: Was ist unsere Haltung zur NATO? Wir haben unsere kritische Aufgabe den ganzen Sommer über sehr bewusst und sehr intensiv wahrgenommen. Dabei haben wir Erfolge gehabt. Dazu sage ich: Diese Erfolge lasse ich nicht kleinreden. Hier haben wir Wichtiges erreicht. ({13}) Wir haben - ich vermute, das passt Ihnen nicht - in der deutschen Bevölkerung Aufmerksamkeit dafür geweckt, dass die Bundeswehr in einem schlechten Zustand ist, und zwar seit dem Jahre 1998, als Sie die Regierungsverantwortung übernommen haben. ({14}) Wir haben an zwei entscheidenden Stellen - zum einen in Bezug auf diesen Einsatz und zum anderen in Bezug auf die Panzerung von Marder-Fahrzeugen - wichtige Verbesserungen für die Soldaten erreicht. Diese Punkte sind uns wichtig gewesen. Auf der anderen Seite müssen wir sagen, dass Probleme bleiben. Deshalb ist unsere Entscheidung das Ergebnis einer Abwägung, die wir in den letzten Wochen bzw. Tagen - viele in den letzten Stunden - vorgenommen haben, einer Abwägung zwischen dem, was am Zustand der Bundeswehr zu kritisieren ist, und dem, was durch das Mandat der Bundesregierung nicht erreicht wurde. ({15}) Eine Opposition, die sich immer als die Regierung von morgen versteht, muss bei ihrer Abwägung berücksichtigen: Wie ist unser Verhältnis zur NATO in unserer historischen Tradition zu sehen? ({16}) Vor diesem Hintergrund spreche ich mich als Ergebnis eines solchen Abwägungsprozesses klar dafür aus, dem Antrag zur Entsendung von Soldaten der Bundeswehr nach Mazedonien zuzustimmen. Ich sage aber sehr deutlich: Unsere Entscheidung ist keine Zustimmung zu dem Ergebnis, das die Bundesregierung im Prozess der Verhandlung des Mandats erreicht hat. Wir müssen in Zukunft sehr viel mehr vorausschauend in Bezug auf Mazedonien handeln. Unsere Zustimmung ist kein Freibrief dafür, die Bundeswehr in finanzieller Hinsicht weiter so schlecht zu behandeln. ({17}) Für mich zählt schlussendlich, dass wir als Union die Bindungen, die Fäden, auch zur NATO von heute halten sollten. Für mich zählt in ganz besonderer Weise in den Stunden vor dem Einsatz vor allem eines: das Bekenntnis zu unseren Soldaten, die trotz aller Schwierigkeiten, trotz aller Unvollkommenheiten in diesem Einsatz die Bundesrepublik Deutschland vertreten werden. Wir wünschen denen, die dort sein werden, viel Glück, vor allem aber Erfolg und Gesundheit. Herzlichen Dank. ({18})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Kerstin Müller, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Kerstin Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002741, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird heute mit sehr großer Mehrheit dem Antrag der Bundesregierung zustimmen, da wir davon überzeugt sind, dass die Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz der NATO in Mazedonien richtig und notwendig ist. Uns ist - ich denke, wie allen hier im Deutschen Bundestag - bewusst: Wir übernehmen damit eine große Verantwortung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die diese heikle Aufgabe erfüllen, vor allem weil wir wissen, dass die Situation nach wie vor fragil und dies kein Einsatz ohne Risiko ist. Ich glaube, das ist uns allen klar. Wir übernehmen mit diesem Einsatz aber auch und vor allem Verantwortung für die Menschen in Mazedonien und in der Balkanregion insgesamt. Deshalb bin ich froh, dass sich inzwischen in diesem Hause eine breite Mehrheit für diesen Einsatz abzeichnet, da ich glaube, dass dies nicht der Zeitpunkt für innenpolitische Profilierungsversuche ist. Hier und heute steht nicht der Wehretat zur Abstimmung, sondern es geht um ganz andere, sehr ernsthafte Fragen. ({0}) Die Regierung und auch die Regierungsfraktionen haben von Anfang an unmissverständlich klargestellt: Was für die Sicherheit der Soldaten für diesen Einsatz erforderlich ist, muss und wird zur Verfügung gestellt werden. In den Staaten des ehemaligen Jugoslawien haben wir in den vergangen Jahren vier schreckliche Bürgerkriege erlebt, die unermessliches Leid über die Menschen in der Region gebracht haben. Jetzt gibt es erstmals die Chance, den Ausbruch eines Bürgerkrieges rechtzeitig zu verhindern. Erstmals haben die Europäische Union und die internationale Staatengemeinschaft durch ihr gemeinsames und entschlossenes Vorgehen gegenüber den beiden Konfliktparteien ein sehr weitgehendes politisches Abkommen vermittelt und damit die Tür zum Frieden in Mazedonien geöffnet, und zwar bevor sich die Situation weiter verschärft. Es gibt jetzt eine große Chance auf Frieden; aber es gibt dafür - das muss man sehr offen sagen - keine Garantie. Die Friedensvereinbarung vom 13. August ist für die Menschen in Mazedonien wirklich ein gewaltiger Schritt nach vorn, über den wir heute mit zu entscheiden haben. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen: Erstens. Früher waren die Albaner in Mazedonien Bürger zweiter Klasse. Zukünftig werden sie durch Art. 8 der Verfassung „als Bürger mit gleichen Rechten“ anerkannt. Zweitens. Früher war die Mazedonische Orthodoxe Kirche Staatskirche. Zukünftig garantiert Art. 9 der Verfassung Religionsfreiheit. Es heißt dort sehr klar: Die Mazedonische Orthodoxe Kirche, die islamische Religionsgemeinschaft, die katholische Kirche und sonstige Religionsgemeinschaften und religiöse Gruppen sind vom Staat getrennt und vor dem Gesetz gleich. Genau darum geht es heute. Wir stimmen heute über die Frage ab, ob wir unseren Beitrag dazu leisten wollen, dass der begonnene Friedensprozess fortgesetzt wird, oder ob wir zulassen wollen, dass die Tür zum Frieden zugeschlagen wird. Ich will hier auch auf die wichtigsten Argumente der Kritiker eingehen. Der Einsatz der NATO und der Bundeswehr zur Einsammlung der Waffen ist nicht, wie manche sagen, eine militärische Lösung des Konflikts. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen: Genau das Gegenteil ist richtig! Dieser Einsatz ist ein Beitrag - sicherlich ein wichtiger -, aber doch nur ein Beitrag zur konfliktpräventiven Politik der internationalen Staatengemeinschaft. Allen, die sagen: „Ihr setzt doch nur auf die Stärke des Militärs“, entgegne ich: Es war doch nicht das Militär, das das Rahmenabkommen ermöglicht hat; es war die hervorragende politische Arbeit von François Léotard, von James Pardew, von Javier Solana und von Lord Robertson, denen wir für diesen Einsatz zu sehr großem Dank verpflichtet sind. ({1}) Es wird und es darf auch nicht das Militär sein, das dauerhaft den Weg zum Frieden ebnet. Ob der Weg, den ich mit dem Hinweis auf die beiden Artikel der Verfassung eben beschrieben habe, fortgesetzt wird, ob der Friedensprozess letztlich tragfähig ist, das hängt zuallererst und ganz entscheidend von den Konfliktparteien ab - sie müssen den Frieden wirklich wollen - und davon, wie die internationale Gemeinschaft den zivilen Prozess weiter unterstützt. Dazu bedarf es eines politischen Gesamtkonzepts, wie wir es im vorliegenden Entschließungsantrag deutlich gemacht haben. Dazu bedarf es außerdem aller wichtigen internationalen Organisationen. Die OSZE und der Europarat müssen und werden helfen. Gemeinsam mit allen ethnischen Gemeinschaften muss die Demokratisierung vorangetrieben werden. So wie es das Abkommen vorsieht, müssen die Verfassungsänderungen Zug um Zug beschlossen werden. Die Flüchtlinge müssen in Sicherheit zurückkehren können. Die Polizei muss reformiert und die lokale Selbstverwaltung muss unter Beachtung der Minderheitenrechte aufgebaut werden. Die Menschen in Mazedonien brauchen auch eine wirtschaftliche Perspektive; deshalb muss die Hilfe zum wirtschaftlichen Aufbau schnell und gezielt kommen. Wir werden daher darauf drängen - das haben wir deutlich gemacht -, dass das Versprechen der G-8-Staaten eingelöst wird. Mazedonien braucht eine Geberkonferenz. Es darf sich nicht nur um eine Konferenz handeln, in der Versprechungen gemacht werden, sondern es müssen auch Taten folgen, und zwar schnell. Da ist auch der Deutsche Bundestag gefragt. ({2}) Der Stabilitätspakt muss ergänzt und erweitert werden. Die Menschen müssen vor Ort konkret erfahren, dass wir ihnen beim Aufbau helfen. Nur so gibt es eine Chance, dass die Extremisten auf beiden Seiten Schritt für Schritt isoliert werden. Sie dürfen in der breiten mazedonischen Bevölkerung keinen Resonanzboden mehr finden; denn genau das - davon bin ich überzeugt - wird letztlich darüber entscheiden, ob dieser Friedensprozess erfolgreich sein wird. Natürlich werden die Extremisten auch weiterhin versuchen, die friedliche Entwicklung zu torpedieren. Aber wenn es gelingt, die Verfassungsänderungen Zug um Zug vorzunehmen, die Minderheitenrechte zu verankern und umzusetzen, dann haben Mazedonien und vielleicht auch die Region eine Chance. Das zeigt mehr als deutlich, dass es wirklich nicht um eine militärische Lösung geht, sondern um einen militärischen Beitrag zu einem zivilen Friedensprozess - nicht mehr und nicht weniger. Natürlich wäre es das Beste, wenn alle Waffen aus der Region verschwinden. Aber wir wissen doch nur zu gut: Diese Vorstellung ist nicht realistisch. Der Besitz von Waffen ist auf dem Balkan leider fast eine Selbstverständlichkeit. Wenn die UCK aber nun bereit ist, immerhin 3 300 Waffen freiwillig abzugeben, dann ist das zwar keine vollständige Entwaffnung, aber doch zumindest ein wichtiger Schritt zur Demilitarisierung und zur Stabilisierung der Region. Sollen wir da wirklich sagen, dass uns das nicht reicht und dass wir es dann lieber ganz lassen? Nein, meine Damen und Herren, das wäre das sofortige Ende des Friedensprozesses. Denn dann würde der Prozess der Zug-um-Zug-Umsetzung der Friedensvereinbarung gar nicht erst beginnen. Herr Merz, Herr Rühe, man muss sich einmal klarmachen, was es heißt, wenn Sie sagen, es sei kein „ehrliches Mandat“ und wir bräuchten ein robustes Mandat sowie die vollständige Entwaffnung. Was heißt es denn, Herr Rühe, wenn die NATO in dieser Situation sagen würde, dass mit der Freiwilligkeit Schluss sei, und wenn sie die Waffenabgabe erzwingen würde? Ich will es Ihnen sagen: Es würde bedeuten, dass die NATO nicht mehr neutral wäre; sie müsste nämlich Partei ergreifen - gegen die UCK und für die mazedonische Regierung. Das wäre dann genau das Gegenteil von konfliktpräventiver Politik; darum wollen wir so etwas nicht. ({3}) Nun zur Debatte über die 30 Tage. Gut, möglicherweise wird sich herausstellen, dass man etwas mehr Zeit braucht; das ist nicht auszuschließen. Dann haben wir in diesem Hause gegebenenfalls über eine Verlängerung des Einsatzes zu entscheiden. Weil das so ist, liegt die Befristung aber doch gerade im Interesse von uns Abgeordneten. Wir haben darüber zu entscheiden. Ich meine, das sollte so bleiben. Vor allem aber stellen die 30 Tage den Zeitrahmen dar, den die Konfliktparteien selbst bestimmt haben. Da sollten wir sie doch beim Wort nehmen. Es wäre jetzt völlig kontraproduktiv, wenn wir der UCK signalisieren würden, sie müsse die 30-Tage-Frist nicht so ernst nehmen und könne sich ruhig mehr Zeit lassen. Das wäre das falsche politische Signal. Deshalb bin ich überzeugt, dass die Befristung richtig und notwendig ist. ({4}) Es gibt eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die dem Einsatz ohne UN-Mandat nicht zustimmen wollen. Sicher, auch ich halte ein UN-Mandat für absolut wünschenswert; auch wir wollen den Einfluss der UN wieder stärken. Die deutsche Regierung hat sich ja auch um ein Mandat bemüht. Aber die Deutschen standen mit dieser Forderung völlig alleine. Weder die mazedonischen Konfliktparteien noch die internationale Gemeinschaft halten, weil in diesem konkreten Fall die Anfrage beider Konfliktparteien an die NATO vorliegt und weil die völkerrechtlichen Fragen damit eindeutig geklärt sind, ein UNMandat für erforderlich. Zudem hat die Erklärung des Sicherheitsrates doch gezeigt, dass die UN das Rahmenabkommen vom 13. August und damit - übrigens erstmals explizit mit den Stimmen von Russland und China - auch den Einsatz der NATO ausdrücklich unterstützen. In dieser Situation sollen wir nun sagen, der Einsatz sei zwar eigentlich richtig, aber wir beteiligen uns daran nicht ohne UN-Mandat? Ich glaube, das ließe sich nur noch schwer vermitteln; das wäre nicht verantwortbar. ({5}) Bei allen Bedenken, bei aller Kritik an den Fehlern der vergangenen Jahre und bei aller Skepsis aufgrund der unbestreitbaren Risiken müssen wir alle heute die Frage beantworten: Was passiert, wenn die NATO nicht bereit ist, diesen Einsatz durchzuführen? Wir alle wissen, dass die Konsequenzen verheerend wären; denn das wäre der Auftakt zu einem neuen, schrecklichen Bürgerkrieg, von dem nicht nur Mazedonien betroffen wäre. Denn der Konflikt würde mit Sicherheit auch auf die Nachbarstaaten übergreifen, auf Kosovo und Bosnien, und vielleicht auch Bulgarien und Griechenland berühren. Damit wäre die gesamte Region im Bemühen um Frieden und Stabilität weit zurückgeworfen. Kerstin Müller ({6}) Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einmal eindringlich Folgendes: Mazedonien ist auf einem guten Weg. Es ist auf dem Weg, ein Staat all seiner Bürger zu werden, in dem die Rechte von Minderheiten geachtet und geschützt werden. Die Mazedonier haben uns auf diesem Weg um unsere Unterstützung gebeten. Wollen wir sie ihnen verweigern? Ich meine, das könnten wir nicht verantworten. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Guido Westerwelle, FDP-Fraktion, das Wort.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten werden dem Antrag der Bundesregierung mit klarer Mehrheit, aber nicht ohne Bedenken zustimmen. Die Lage hat sich im Vergleich zum Frühsommer verändert. Mittlerweile gibt es Gott sei Dank einen weitestgehend tragfähigen Waffenstillstand und es gibt eine Perspektive für eine politische Lösung in Form eines Verfassungsprozesses, der die Minderheiten rechtlich schützt. Der Minderheitenschutz und die Rechtsstaatlichkeit sind die entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass es in einer ethnisch zerrütteten Region wieder eine Chance auf Frieden gibt. ({0}) Deswegen ist es ungeheuer wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir eine politische Lösung brauchen, bei der das Militär helfen kann, und nicht umgekehrt. ({1}) Das ist ein wesentlicher Unterschied zu mancher öffentlichen Diskussion. Der Einsatz ist risikoreich, er ist sehr risikoreich. Eine Zeit lang hatte man im Sommer den Eindruck, es geht um eine Art Wald-und-Wiesen-Spaziergang, bei dem nebenbei einige Waffen eingesammelt werden. Das war naiv. Wenn es heute noch jemand ernsthaft glaubt, dann ist auch das naiv. Der Bundeskanzler hat mittlerweile selbst das Wort vom robusten Mandat geprägt und verwendet. Aber da fragen wir als Freie Demokraten: Warum wurde seitens der Bundesregierung in Brüssel dann nicht auch in Richtung eines robusten Mandats verhandelt? ({2}) Der Grund ist ein ganz einfacher: Die Bundesregierung hat den ganzen Sommer über keine eigene Regierungsmehrheit in diesem Hause gehabt und hat sie möglicherweise auch heute nicht. Das ist nicht so sehr eine innenpolitische Frage; es ist vielmehr eine außenpolitische Frage. Das hat nämlich ihren außenpolitischen Handlungsradius, ihre Autorität, ihre Entschiedenheit im Auftreten gelähmt. Das ist das Problem. ({3}) Herr Bundeskanzler, Sie waren sich Ihrer eigenen Mehrheit in der Koalition nicht sicher und auch heute sind Sie sich ihrer noch nicht sicher. Deswegen haben Sie in Brüssel nicht verhandelt, sondern Sie haben gezögert, Sie haben gezaudert und haben andere für sich machen lassen. Die NATO ist aber nicht irgendeine fremde Institution. Wir selbst sind die NATO. Die NATO handelt mit uns und nicht gegen uns. Auch das muss im Bündnis klar sein. ({4}) Herr Außenminister, Sie haben das Mandat nicht geprägt, sondern Sie und die Bundesregierung haben das Mandat letzten Endes akzeptiert. Die Bundesregierung war in der NATO überwiegend sprachlos. Wenn sie sich geäußert hat, hat sie Fragen gestellt und Zweifel angemeldet. Das ist in Wahrheit die Art und Weise gewesen, wie in Brüssel verhandelt worden ist. Deswegen geht es an dieser Stelle auch nicht um Innenpolitik, wenn Ihnen die Regierungsmehrheit fehlt; es geht ausschließlich darum, dass Sie, weil Ihnen die eigene Mehrheit fehlt, außenpolitisch nicht so handeln können, wie es im Interesse Deutschlands geboten wäre. ({5}) Das wissen auch die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen. Sie haben es in den Ausschüssen ja entsprechend gesagt. Man braucht sich nur die Nr. 7 des Antrags noch einmal vor Augen zu führen. Darin heißt es wörtlich: Den im Rahmen dieser Operation eingesetzten Kräften wird auch die Befugnis zur Wahrnehmung des Rechts auf bewaffnete Nothilfe zugunsten von Soldaten und Zivilpersonal der internationalen Präsenzen und humanitären Hilfsorganisationen erteilt. Meine Damen und Herren, den Soldaten, die dort hingehen, muss es doch auch möglich sein, angegriffene wehrlose Zivilpersonen zu schützen. Das müsste in diesem Mandat stehen. ({6}) Darin müsste doch auch stehen - das hat Ihnen der Ausschuss für Menschenrechte heute ins Stammbuch geschrieben -, dass die rückkehrenden Flüchtlinge dann, wenn wir als NATO nicht mehr da sind, Schutz, Sicherheit und vor allem auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit haben. ({7}) Es steht nicht in dem Mandat, weil Sie nicht verhandelt haben. Jetzt kann der Bundestag, weil er nichts ändern darf, ein bisschen an Sie appellieren, Sie mögen in dieser Richtung weiterreden und -handeln. Das ist keine gute Politik. ({8}) Es ist notwendig, Folgendes klarzustellen, weil hier so manches - auch von interessierter Seite - hineingeheimnist worden ist: Wir Freien Demokraten unterstützen heute nicht die Bundesregierung mit ihrer verfehlten Kerstin Müller ({9}) Politik, sondern wir unterstützen den Friedensprozess und unsere Soldaten in Mazedonien. Das ist ein kleiner, aber ganz wichtiger Unterschied, und zwar nicht nur in Worten. ({10}) Es kann sich sehr schnell herausstellen, dass der Einsatz der NATO scheitert. Es kann sein, dass die NATO nach 30 Tagen unverrichteter Dinge und unter Ansehensverlust wieder abziehen muss. Aber eines steht fest: Gehen wir nach Mazedonien, gibt es eine kleine Chance auf Frieden. Gehen wir nicht nach Mazedonien, gibt es gar keine Chance auf Frieden. ({11}) Würden wir auch bei einem zufrieden stellenden Mandat einen Einsatz verweigern und würde die NATO deshalb ihren Einsatz abbrechen, dann hätten wir zwei Tage später einen großen Krieg und drei Tage später stünden die ersten 50 000 Flüchtlinge vor unserer Tür und bäten zu Recht um Schutz. Bricht in Mazedonien, also im Südosten Europas, ein Krieg aus, dann stehen wir als Parlament einige Wochen später wieder vor einer Einsatzentscheidung. Aber dann ginge es nicht um 5 000 Soldaten, sondern um 50 000 Soldaten. Deswegen muss man auch kenntlich machen, dass dieser Weg unter den schlechten Wegen, die wir in dieser schwierigen Situation gehen können, immer noch der beste Weg ist, der uns möglich ist. ({12}) Das ist der entscheidende Punkt. Niemand geht mit Hurra dorthin, sondern jeder hat Zweifel und Skepsis. Es muss erlaubt sein, diese Zweifel und diese Skepsis auch in einer solchen Sitzung anzumelden. ({13}) Ich möchte Ihnen sagen, dass in diesem Zusammenhang vor allen Dingen eine Perspektive gegeben werden muss. Diese Perspektive ist aus unserer Sicht nicht irgendeine Geberkonferenz. Die Perspektive, die wir im Südosten Europas brauchen, ist eine politische Perspektive. Wir brauchen einen Prozess der politischen Stabilisierung. Auch hier kommt von der Bundesregierung konzeptionell rein gar nichts. ({14}) Wir brauchen eine dauerhafte Konfliktlösung. Als Land, dessen Geschichte in besonderer Weise vom KSZEProzess geprägt wurde, sollte Deutschland hier sowohl im Rahmen der Europäischen Union als auch im Rahmen der Vereinten Nationen die Initiative ergreifen. Gegenstand dieser Initiative sollte die Einberufung einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Südosteuropa unter der Schirmherrschaft der OSZE für den Aufbau einer südosteuropäischen Sicherheitsarchitektur sein. Wir sollten die bereits im Rahmen des KSZE-Prozesses erfolgreichen Instrumente wie vertrauensbildende Maßnahmen, Streitschlichtung und regionale Zusammenarbeit ebenso einsetzen wie die konkrete Perspektive einer schrittweisen Annäherung der Betroffenen an die euro-atlantischen Strukturen. ({15}) Einen entsprechenden ausführlichen Entschließungsantrag haben wir Freien Demokraten heute vorgelegt. Ich appelliere an die Regierungsfraktionen, diesen Vorschlag nicht nur einfach deshalb abzulehnen, weil er nicht aus den Reihen der Regierungsparteien kommt. So wie wir hier zur überparteilichen Zusammenarbeit bereit sind, sollten aus unserer Sicht auch Sie bei diesem perspektivischen strategischen Lösungsansatz dazu bereit sein. ({16}) Herr Bundeskanzler, Sie haben zugesagt, dass Sie im Interesse der Sicherheit unserer Soldaten vor Ort keine Deckelung bei den bisher eingesetzten Mitteln vornehmen werden. Wenn der Einsatz vor Ort und die Sicherheit unserer Soldaten mehr finanzielle Mittel erfordern, dann werden diese Mittel auch zur Verfügung gestellt. Allein die Tatsache, dass man darüber sprechen muss, ist ein bemerkenswerter Punkt. ({17}) Ich habe Ihnen, Herr Bundeskanzler, zugestimmt, als Sie gesagt haben, die Außen- und Sicherheitspolitik sei Staatsräson. Aber auch die Ausstattung und die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr ist Staatsräson. ({18}) Deswegen ist wirklich bemerkenswert, was Frau Müller gleich zu Beginn ihrer Rede gesagt hat. Frau Kollegin, das war wirklich eine freudsche Fehlleistung. Sie sagten, es gehe nicht um die Ausstattung der Bundeswehr, sondern um eine sehr ernste Frage. Wir finden, die Ausstattung der Bundeswehr ist eine sehr ernste Frage. ({19}) Das ist genau das Problem. Deswegen sind wir in keiner Weise bereit, uns für diese Regierungspolitik einzusetzen, sondern wir werden sie an jeder Stelle klar kritisieren und unsere Kritik auch kenntlich machen. Es ist nicht in Ordnung, dass der Außenminister trotz der Mazedonien-Frage den ganzen Sommer weggetaucht ist, der Verteidigungsminister schwimmt und die Bundeswehr baden geht. Das ist nicht vernünftig, meine Damen und Herren. ({20}) Weil zur Bündnispolitik und zur Staatsräson auch die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr zählt, sagen wir: Die Themen Ausstattung der Bundeswehr und Handlungsfähigkeit der Bundeswehr im internationalen Bündnis bleiben in jedem Fall eine Aufgabe und sie bleiben in der Diskussion. Diese Diskussion wird Sie bis zur Bundestagswahl nicht verlassen; dafür werden wir sorgen. Deswegen, Herr Bundeskanzler, helfen wir Ihnen heute mit den Stimmen der FDP nicht aus der Patsche, sondern wir helfen den Menschen in Mazedonien und geben Rückendeckung für unsere Soldaten vor Ort. ({21})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat Kollege Gregor Gysi, PDS-Fraktion, das Wort. ({0})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Westerwelle, dem Vorschlag der FDP zur Einberufung einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit gerade für den Balkanraum, den es ja auch schon früher von anderer Seite gab, werden wir auf jeden Fall zustimmen, weil auch wir glauben, dass wir endlich zu politischen, ökonomischen und sozialen Wohlfahrtslösungen in der Region kommen müssen, wenn wir hier Stabilität erreichen wollen. Militärische Lösungen wird es letztlich nicht geben. Im Unterschied zu Ihnen werden wir allerdings dem Antrag der Bundesregierung aus verschiedenen Gründen nicht zustimmen können. Ich kann auch nicht akzeptieren, Kollege Struck, wenn Sie sagen, es gebe nur die Möglichkeit, entweder diesem Antrag zuzustimmen oder aber sich mit dem Bürgerkrieg abzufinden. Ich glaube, dass alle Kolleginnen und Kollegen im Hause, die gegen den Antrag stimmen, nicht akzeptieren, dass sie deshalb indirekt für einen Bürgerkrieg stimmen. ({0}) Es ist letztlich ja auch eine Frage der Zuständigkeit. Deshalb ist die Frage des UN-Mandats keine Nebensache und man kann das nicht so wegwischen. So gut wie kaum jemand hat über die UNO gesprochen. Nach der Charta der Vereinten Nationen ist dieser Fall von Entwaffnung, von Verhinderung oder auch Beendigung von Bürgerkrieg geradezu ein klassischer Fall für ein UNO-Mandat. ({1}) Der NATO-Vertrag sieht dergleichen nicht vor. Es ist eine Verletzung des NATO-Vertrages, weil im NATO-Vertrag als einzige Aufgabe für militärische Einsätze die Verteidigung des Bündnisgebietes formuliert ist. Darüber setzt man sich einfach hinweg. Es ist deshalb die Fortsetzung der Verdrängung der UNO aus Europa, um hier selbstmandatiert, allein und ohne die UNO handeln zu können. ({2}) Diesen Weg gehen wir nicht mit. ({3}) In diesem Falle wäre nicht einmal die Inanspruchnahme eines Vetorechts zu befürchten gewesen. Die Tatsache, dass die Streitseiten sich an die NATO gewandt haben, ist überhaupt kein Argument. Darauf kann man antworten: Zuständig ist die UNO; wir bitten Sie, sich an die UNO zu wenden, ({4}) und wir werden Sie dort auch unterstützen. Aber genau das haben Sie nicht getan, weil nämlich die USA, Frankreich und Großbritannien das nicht wollten. Die UNO hat dem nicht zugestimmt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lippelt?

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja, bitte.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Gysi, hat Ihnen Ihr Kollege, der Ihre Fraktion im Europaausschuss vertreten hat, von der Antwort berichtet, die der mazedonische Verteidigungsminister auf genau diese Frage - warum habt ihr nicht die UNO gewollt? gegeben hat? Hat er Ihnen erzählt, warum sie sehr deutlich gesagt haben, weshalb sie die NATO gefragt haben? Hat er Ihnen erzählt, dass er sehr genau weiß, dass der UNO-Sicherheitsrat genau dieses bestätigt hat und dabei ausdrücklich auch die NATO erwähnt hat? Hat er Ihnen das nicht erzählt, sodass Sie hier so einen Unsinn reden können? ({0})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Lieber Herr Lippelt, auch Sie kennen den Unterschied zwischen einem Gespräch mit Kofi Annan, einem Schreiben des Präsidenten des Weltsicherheitsrates und einem Sicherheitsratsbeschluss, der ein Mandat darstellt. Dazwischen liegen Welten. Das wissen Sie ganz genau. ({0}) Sie haben dem mazedonischen Außenminister und dem mazedonischen Verteidigungsminister schon so viel vorgeschrieben, dass es überhaupt kein Problem gewesen wäre, ihn an das zuständige Organ zu überweisen. Das Problem ist doch in Wirklichkeit, dass die USA, Großbritannien und Frankreich die UNO gar nicht eingeschaltet sehen wollten, weil sie die NATO zum eigentlichen Ordnungsfaktor zumindest Europas erklären wollten. Das ist unsere Kritik daran. ({1}) Gerade die Ausschaltung der UNO wurde beim Jugoslawienkrieg als große einmalige Ausnahme dargestellt. Ich habe - wie übrigens auch einige Abgeordnete von SPD und Grünen, wie die Erklärungen zeigen - die Befürchtung, dass es jetzt eben doch zur Regel wird, die UNO auszuschalten. Ich sage immer: Man zerstört keine Weltordnung, wenn man keine bessere anzubieten hat. Eine unipolare Welt, in der allein eine Großmacht entscheidet, ist eben nicht das, was wir anstreben. ({2}) Sie argumentieren deshalb auch gar nicht erst mit dem NATO-Vertrag, weil Sie wissen, dass das durch diesen Vertrag nicht gedeckt ist. Nun kommen wir zur NATO und damit zu den KFORTruppen im Kosovo. Es gibt ja einen Sicherheitsratsbeschluss über die Aufgaben der KFOR-Truppen im Kosovo. Warum erwähnt hier eigentlich niemand von den Befürwortern das Scheitern bei der Erfüllung dieser Aufgabe in Bezug auf die UCK? Im Sicherheitsratsbeschluss steht: Die UCK ist aufzulösen und zu entwaffnen. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe hat die NATO im Kosovo doch eindeutig versagt; sonst hätten wir dieses Problem in Mazedonien heute überhaupt nicht. ({3}) Damals wurde erklärt, die Aufgabe sei erfüllt. Das war doch offensichtlich falsch. Die NATO und die KFORTruppen hätten auch nie zulassen dürfen, dass so viele UCK-Leute mit Waffen die Grenze zwischen dem Kosovo und Mazedonien passieren. ({4}) Ich behaupte also: Die NATO ist schon einmal bei der Realisierung eines Sicherheitsratsbeschlusses zur Entwaffnung der UCK gescheitert. Letztlich ist die UCK stärker und besser bewaffnet aus diesem Vorgang hervorgegangen. ({5}) Deshalb ist es auch falsch, Frau Müller, wenn Sie sagen, die NATO dürfe nicht Partei ergreifen und das täte sie, wenn sie gegen den Willen von UCK-Leuten entwaffne. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es der Auftrag der KFOR-Truppen im Kosovo war, auch gegen den Willen der betreffenden Seite zu entwaffnen. ({6}) Er ist nicht erfüllt worden. Weil die Waffen der UCK von der NATO kommen und weil das Geld dafür zu einem großen Teil aus Deutschland und der Schweiz kam, ist die NATO ohnehin parteiisch. ({7}) Das wird sie in Bezug auf die UCK auch nicht mehr los. ({8}) Sie, Herr Außenminister, haben einmal erklärt, dass Mazedonien ein ethnisch vorbildliches Land sei. Davon kann ja nun, wie sich später herausgestellt hat, auch keine Rede mehr sein. Jetzt erst geht es um die Durchsetzung und den Schutz von Minderheitenrechten in Mazedonien. Deshalb sage ich: Es wäre eine klassische Aufgabe der UNO, auch was die Entwaffnung betrifft. Aber wir haben auch Probleme mit dem Gegenstand. Da ähneln sich natürlich gewisse Argumente aus den Reihen der FDP oder anderer Oppositionsfraktionen. Was ist denn nun die Aufgabe? Wenn es wirklich nur darum geht, freiwillig abgegebene Waffen aufzusammeln, dann stimmt dieser ganze Beschluss in sich nicht. Dann hätte man nämlich mit der UCK auch vereinbaren können, dass sie die Waffen an der Grenze zum Kosovo bei den KFORTruppen abgibt. Dann hätte man nicht 3 500 Soldaten in Mazedonien einmarschieren lassen müssen. Wenn es aber doch darum ginge, auch Leute zu entwaffnen, die sich dagegen wehren, dann wäre der Auftrag ein völlig anderer. Dann müsste man sich auch über einen völlig anderen Auftrag verständigen und könnte nicht so tun, als ob das Ganze in 30 Tagen zu erledigen wäre. Deshalb ist auch das Mandat mit so vielen Fragezeichen verbunden; denn man weiß letztlich gar nicht, was der eigentliche Gegenstand ist. Nur für das Einsammeln von 3 300 Waffen - wie Sie, Frau Müller, sagen - brauchen Sie doch nicht 3 500 Soldaten. Das ist ja weniger als eine Waffe pro Soldat. ({9}) Das stimmt doch vorne und hinten nicht. Die NATO spricht von 6 000 Waffen. Die mazedonische Regierung spricht von 60 000 bis 85 000 Waffen. Nicht einmal diesbezüglich herrscht Klarheit. Es wäre doch das Mindeste, dass man wenigstens weiß, um wie viele Waffen es eigentlich geht, die dort eingesammelt werden sollen. Insofern ist auch inhaltlich, also was den Gegenstand des Mandats betrifft, größte Kritik angebracht. Wir sehen natürlich die Gefahr, dass daraus ein dauerhafter Einsatz wird, nach Bosnien-Herzegowina, nach dem Kosovo ein neues Protektorat dann auch in Mazedonien. Ich weiß nicht und offensichtlich wissen auch Sie nicht, wie es dann weitergehen soll. Wenn die UCK nicht wirklich entwaffnet wird (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht vollständig! Sie haben ja gerade angekündigt, dass das nicht passieren wird, weil wirklich nur die freiwillig abgegebenen Waffen entgegengenommen werden -, dann heißt das natürlich im Klartext: Es bleibt eine stark bewaffnete UCK übrig, die sich wiederum darauf verlassen kann, irgendwoher Geld und Waffen zu bekommen; es wird weiter aufgerüstet und wir werden keinen Frieden in dieser Region bekommen. Meine größte Sorge ist, dass wir jetzt einen Appell vorbringen, vielleicht auch eine Gesetzesänderung in Mazedonien erreichen, aber keinen wirklichen Frieden in dieser Region, schon gar nicht auf diesem Wege. Das geht eben nicht, wenn man UNO und auch KSZE ausschaltet und im Wesentlichen allein die NATO machen lässt. ({10}) Hier haben wir einfach einen prinzipiell anderen Ansatz; das müssen Sie verstehen. Ich will noch die Bitte an Sie richten, über Folgendes nachzudenken. Die PKK empfindet sich auch als eine zur Waffengewalt neigende Befreiungsbewegung. Die Botschaft, die wir heute an sie richten, lautet: Ihr müsst nur stark genug sein; dann werdet ihr Verhandlungspartner, dann beziehen wir euch ein und halten Konferenzen mit euch ab. Solange ihr schwach seid, werdet ihr in Deutschland verboten; anderenfalls gibt es sogar Geld und ihr werdet als Partner akzeptiert. Die Maßstäbe müssen irgendwann wieder angeglichen werden. Ich habe noch nie gehört, dass zu irgendeinem Zeitpunkt - wenigstens nachdem der Sicherheitsrat die Auflösung und Entwaffnung der UCK beschlossen hatte und dies geltendes Völkerrecht war, hätte das geschehen müssen - die Gewaltanwendung durch die UCK deutlich und scharf verurteilt worden wäre. Auch dass es nicht gelungen ist, den Kosovo multi-ethnisch zu erhalten, weil es der UCK gelungen ist, die überwiegende Zahl der Roma und Serben aus dem Kosovo zu vertreiben, hätte viel deutlichere Kritik finden müssen. ({11}) Deshalb sage ich Ihnen: Wir gehen davon aus, dass endlich Politik, Wirtschaft und soziale Wohlfahrt an die Stelle von militärischen Lösungen treten müssen und die indirekte und direkte Unterstützung der UCK aufhören müssen, wenn man Frieden in dieser Region schaffen will. ({12})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Bundeskanzler Gerhard Schröder das Wort. Gerhard Schröder, Bundeskanzler ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin heute nicht an Polemik interessiert. ({1}) Deswegen, Herr Westerwelle, will ich nicht nachzeichnen, wie sich der Entscheidungsprozess gestaltet hat, von dem Sie gesprochen haben. Ich bin und war immer an einem Ergebnis interessiert. Das Ergebnis, an dem ich immer interessiert war, ist eine möglichst breite Mehrheit im gesamten Deutschen Bundestag für diesen Einsatz. Das war mein Interesse. Ich denke, dass dieses Interesse verständlich ist. Wie es aussieht, wird dieses Ergebnis auch erreicht werden. Deshalb interessieren mich die unterschiedlichen Beiträge zu diesem Ergebnis nur nachrangig. Sie sind unterschiedlich, aber sie müssen nicht Gegenstand unserer Diskussion sein, weil das Ergebnis, das erzielt werden wird, stimmt. Das liegt im Interesse der Soldaten, die einen schwierigen Einsatz vor sich haben, wofür sie die Unterstützung des gesamten Hauses brauchen und im Übrigen - da bin ich mir ganz sicher - auch wollen. ({2}) Sehr viele Menschen in Deutschland, weit über den Kreis derjenigen hinaus, die hier versammelt sind und die sich zu Recht für Fachfrauen und Fachmänner halten können, stellen sich ein paar wesentliche Fragen, zunächst folgende: Was tut ihr eigentlich auf dem Balkan? Was wollt ihr da? Diese Fragen stellen sich zumal ältere Menschen, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt und Erinnerungen daran haben, anders als ich und andere meines Alters sowie diejenigen, die jünger sind. ({3}) Sie fragen: Was tut ihr da? Auf diese Frage müssen wir ihnen eine Antwort geben. Wir müssen ihnen sagen: Wir sind dort, weil wir als Deutsche daran interessiert sind, dass in dieser Region Europas Stabilität herrscht. Stabilität heißt, dass es eine Chance für Frieden und Wohlfahrt der Menschen in dieser Region gibt. Es ist mir wichtig, dass das klar wird. Die Deutschen sind auf dem Balkan, weil sie ein eigenes nationales Interesse an der Stabilität in der Region haben; ({4}) denn Instabilität in der Region bedroht uns vielleicht nicht unmittelbar und gegenwärtig, aber potenziell schon. Deswegen ist es so wichtig, dass wir den Menschen, die sich nicht jeden Tag mit Politik beschäftigen können und wollen, klarmachen, dass es ein nationales Interesse Deutschlands an der Stabilität in dieser Region gibt. ({5}) Das bedeutet zugleich, dass Investitionen für den Frieden, aber auch der Einsatz, um den es hier geht, keineswegs nur den Interessen der Mazedonier und der Menschen in der Region, sondern auch uns selbst dienen. Leisteten wir diese Investitionen nicht, würde das früher oder später sowohl politisch, aber - angesichts der Verflochtenheit Europas - mit Sicherheit auch ökonomisch auf Deutschland zurückwirken, und zwar negativ. Die zweite Frage, die gestellt wird, ist: Warum dauert die Herstellung vernünftiger politischer und ökonomischer Strukturen so lange? Ich glaube, das fragen sich ganz viele Leute. Die Antwort darauf findet man vielleicht dann, wenn man sich - ganz kurz nur - mit jener Stabilität beschäftigt, die vor dem Zerfall Gesamtjugoslawiens dort herrschte. Wenn man sich die Geschichte anschaut, erkennt man, dass es sich dort zu großen Teilen zunächst um eine Scheinstabilität handelte, die feudalistisch-autoritär garantiert war, und später um eine Scheinstabilität, die - jedenfalls nach unseren Wertmaßstäben -, diktatorisch hergestellt war. ({6}) Jetzt geht es auf dem Balkan darum, politisch und ökonomisch eine Stabilität herzustellen, die demokratisch organisiert ist. ({7}) Der Blick in die Geschichte, auch Westeuropas, unsere eigene - von Mittel- und Osteuropa will ich in diesem Zusammenhang erst gar nicht reden -, müsste einem klarmachen - und einen ein bisschen bescheiden werden lassen -, dass es auch bei uns verdammt lange gedauert hat, bis wir die demokratisch organisierte Stabilität als einen Normalfall unseres Zusammenlebens hergestellt hatten. ({8}) Die Menschen werden sich fragen, was der Unterschied zwischen dem ist, was vorher auf dem Balkan getan werden musste, und dem, was jetzt in Mazedonien möglich und notwendig ist. Der Unterschied ist: Damals ging es - ich will es so ausdrücken - um die Beseitigung der Diktatur von Milosevic, also jener Stabilität, die diktatorisch hergestellt wurde, und den Neuaufbau demokratisch legitimierter Stabilität. In Mazedonien - das müssen sich all diejenigen sagen, die Schwierigkeiten mit der Zustimmung haben - müssen wir nicht abwarten, bis wir neu anfangen können. In Mazedonien gibt es noch - so muss man sagen - die Chance, dass die Stabilität, die demokratisch organisiert ist und die einzig dort - ich sehe jetzt von Serbien, das einen Neuanfang macht, ab - noch existiert, bewahrt und entwickelt wird. Das ist der positive Unterschied, und zwar sowohl in Bezug auf das, was von uns verlangt wird, als auch bezüglich dessen, was wir leisten können. Damit bin ich bei dem nächsten Punkt, den ich erklären möchte: Wir dürfen nicht warten, bis wir wieder dort angelangt sind, wo es um einen Neuanfang demokratisch organisierter Stabilität geht. Wir haben jetzt noch eine Chance - auch ich weiß nicht, ob wir sie realisieren können; es hängt ja nicht allein von uns ab -, das vermeiden zu helfen, was wir sonst in absehbarer Zeit tun müssten, wenn das schief gehen sollte, was nach meiner Meinung nicht schief gehen darf. ({9}) Das Bewahren und Entwickeln jener demokratisch organisierten Stabilität ist keineswegs vor allem eine militärische Aufgabe, weswegen - das ist wichtig - der militärische Teil nur ein Ausschnitt von dem ist, was wir dort zu tun haben. Er ist - wenn ich das so sagen darf - eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung. Wenn man politische Stabilität will, muss das weitergeführt werden, was hier als politische Lösung von allen angedeutet wird. Ich werde dazu noch ein paar Bemerkungen machen. Die nächste Frage - mit der sich weniger die Menschen draußen befasst haben, mit der man sich aber zu Recht hier im Parlament beschäftigt hat - betrifft die Reichweite des Mandats. Dabei geht es nicht darum, dass die Bundesregierung sich nicht ein anderes, ein zeitlich anders gestaltetes, ein anders ausgestattetes Mandat hätte vorstellen können; ({10}) ich sage gleich etwas zu der Frage „robust oder nicht robust“. Vielmehr geht es einzig um die Frage: Welches Mandat konnte man überhaupt bekommen? Wenn man voraussetzte, dass dieses Mandat auf der Bitte des demokratisch gewählten Präsidenten einerseits und der Zustimmung der Konfliktparteien andererseits zu basieren hatte, wenn das eine der notwendigen Bedingungen des Mandats war, dann ist das, was erreichbar war, auch erreicht worden. ({11}) Im Übrigen war bei den Partnern selber der Wille zu einem anderen Mandat nicht vorhanden, weswegen in ihm lediglich von hinreichenden Fähigkeiten zum Schutz der eigenen Soldaten, aber auch von hinreichenden Fähigkeiten zur Nothilfe die Rede ist. Diese Fähigkeiten sind vorhanden. Darauf kann sich jeder verlassen. Zum anderen müssen im Fall des Scheiterns der politischen Voraussetzungen des Mandats hinreichende Fähigkeiten zu einem Rückzug gegeben sein, wie SACEUR gesagt hat. Beides ist erfüllt. Deswegen führt es niemanden weiter, wenn wir jetzt darüber diskutieren, ob man ein anderes Mandat gebraucht hätte. Es war kein anderes zu bekommen. Im Übrigen verbinden diejenigen, die das fordern, mit dem Begriff „robust“ wohl etwas, was sie in anderen Zusammenhängen häufig abgelehnt haben. Das kann man nicht bestreiten. Man muss schon bei der Linie bleiben, die man sich selber vorgestellt hat, wenn man ernst genommen werden will. ({12}) Ich will auch auf das eingehen, was Herr Gysi gesagt hat. Jetzt gestatte ich mir doch eine kleine Polemik. Bei seinen juristischen Erörterungen hatte ich wirklich das Gefühl, er glaube noch immer, dass die Weltgeschichte ein Amtsgericht sei. ({13}) Aber, Herr Gysi, das ist wirklich nicht so. Das werden auch Sie noch merken. Was war nämlich mit dem VN-Mandat? Es geht um die Bitte eines demokratisch gewählten Präsidenten und die Zustimmung der Konfliktparteien. Beides war vorhanden. Deswegen brauchte man kein Mandat der Art, wie Sie es haben wollen. ({14}) Im Gegenteil, die Partner, diejenigen, die im Sicherheitsrat und in den VN mehr als wir zu sagen haben, haben sehr deutlich gemacht, dass sie es als einen Präzedenzfall ansehen würden, wenn man angesichts der klaren Situation - Bitte des Präsidenten und Zustimmung der Konfliktparteien - auf einem VN-Sicherheitsrats-Mandat bestehen würde. Diesen Unterschied dürfen Sie wirklich nicht juristisch wegzudiskutieren versuchen. ({15}) - Lassen Sie mich einmal zu Ende reden. - Es geht dabei um eine politische Frage. Deswegen ist die Zustimmung des Sicherheitsrates mit der Aufforderung an die NATO, das, was die Vermittler vereinbart haben, umsetzen zu helfen, nun wirklich alles, was man in dieser historischen SiBundeskanzler Gerhard Schröder tuation sinnvollerweise von der UNO fordern und von ihr erwarten kann. Diese Erwartung wurde auch erfüllt. ({16}) Ihnen, Herr Westerwelle, der Sie die Rolle Deutschlands innerhalb der Partner sehr stark herausgestrichen haben, und anderen, die kritisch über das diskutiert haben, was man in diesen wie auch in anderen Fragen noch in alleiniger nationaler Verantwortung nicht nur tun will, sondern auch tun kann - ich habe in der letzten Zeit kräftig mitdiskutieren müssen -, möchte ich Folgendes sagen: Wir müssen in dem Maße, wie wir daran arbeiten, dass es eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik gibt, auch bereit sein, zu akzeptieren, dass man nicht auf der einen Seite mehr Integration und auf der anderen Seite weniger partnerschaftliches Verhalten fordern kann. Das geht nicht, meine Damen und Herren. ({17}) Gerade wenn von Deutschland im Bereich der Europapolitik verlangt wird - das unterstreichen wir -, Motor europäischer Integration nicht nur auf ökonomischem, sozialem und ökologischem, sondern auch auf außen- und verteidigungspolitischem Gebiet zu sein, dann hat das Konsequenzen für das, was man in eigener nationaler Verantwortung noch tun und wollen darf. ({18}) - Das heißt nicht, dass wir uns „verstecken“. Das ist die logische Konsequenz der weiteren Integration Europas und nichts anderes. ({19}) Man kann, um das mit einem englischen Sprichwort zu sagen, den Kuchen nicht haben wollen und ihn zugleich essen. So kam mir die Bemerkung vor. Das wird nicht funktionieren. Ich will abschließend sagen: Die Aufforderungen all derjenigen, die an die Adresse der Bundesregierung gerichtet gesagt haben, sie müsse mehr für den politischen Prozess der Stabilisierung der Region tun, sind ungerechtfertigt. Es war vor allem der Bundesaußenminister, der während der Auseinandersetzung mit Serbien und während der Auseinandersetzung mit Milosevic als Erster und lange Zeit als Einziger die Idee des Stabilitätspaktes den Partnern nahe gebracht und schließlich auch durchgesetzt hat. Dieser Stabilitätspakt ist zu Recht mit dem Namen des Bundesaußenministers verbunden. ({20}) Seine Weiterführung, für die ich plädiere, wird nicht das Ergebnis nur einer nationalen, einer deutschen Anstrengung sein. Ich muss darauf hinweisen: Dieser Stabilitätspakt ist noch nicht einmal von Europa alleine veranstaltet worden und wird es auch in Zukunft nicht. Beim Stabilitätspakt sind auch andere Länder, von Amerika bis Japan, beteiligt. Die Bundesregierung wird sich aber auch künftig massiv dafür einsetzen, diesen politischen Prozess weiterzuführen. Ich komme zu Ihrer Forderung nach einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit. Die Bundesregierung hat mit einer solchen Konferenz weniger ein Problem. Ich bitte Sie aber zu verstehen, dass es den einen oder anderen Partner gibt, der die europäische Geschichte nicht völlig aus dem Gedächtnis verloren hat; das muss ich nicht näher ausführen. Diese Partnerländer sind deswegen bei dieser Frage zurückhaltender als wir; denn sie fürchten vielleicht, dass wir unsere enorme wirtschaftliche Stärke und den Bedeutungszuwachs, den wir durch die Einheit in der Außenund Sicherheitspolitik ohne Zweifel bekommen haben, nicht eingebunden in die europäische Partnerschaft nutzen könnten. Es liegt zwar jedem in diesem Hohen Hause fern: Aber es gibt Befürchtungen, dass die historischen und gegenwärtigen Empfindsamkeiten unserer Partner nicht richtig bedacht werden. Das ist die Aufgabe, die wir haben und die wir auch sehen. Was bleibt mir? - Mir bleibt, Sie zu bitten - gleichgültig welcher Fraktion dieses Hohen Hauses Sie angehören - zuzustimmen. Ich glaube, dass man dies wirklich guten Gewissens tun kann, auch wenn der eine oder andere meint, militärischen Missionen gegenüber prinzipiell gegnerisch eingestellt zu sein. Hier kann man aus einem Grund zustimmen: Es geht wirklich darum, Mazedonien, einem Land, das zurzeit noch über demokratische Strukturen verfügt, dabei zu helfen, diese zu erhalten und entwickeln zu können. Dieser Aufgabe sollte sich niemand entziehen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({21})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie haben mit großem Nachdruck und fast schon beeindruckend ({0}) auf die große gesamteuropäische Bedeutung dieses Engagements in Mazedonien hingewiesen. Wir teilen die Bewertung. Offen geblieben ist für mich allerdings der deutsche Anteil, den Sie daran haben, eine überzeugende politische Konzeption für Südosteuropa zu formulieren. Das ist bei dem, was Sie vorgetragen haben, im Dunkeln geblieben. ({1}) Auch wir sagen: Es ist sicherlich grundsätzlich richtig und nachhaltig zu begrüßen, dass die Europäische Union und die NATO die Chance zum Frieden in Mazedonien sehen und mithelfen wollen, einen weiteren Bürgerkrieg auf dem Balkan zu verhindern; einen Bürgerkrieg, der Bundeskanzler Gerhard Schröder ganz ohne Zweifel unabsehbare Auswirkungen und Folgen für die Stabilität nicht nur in der Region, sondern in ganz Europa hätte. Von besonderem Wert ist dabei ohne Zweifel, dass die NATO und die Europäische Union erstmals gemeinsam ein Friedenskonzept schlüssig entwickelt und bis heute verwirklicht haben. Bis heute konnte der Bürgerkrieg in Mazedonien dank des Einsatzes der Europäischen Union und der NATO vermieden werden. Die Bundesregierung aber hat einem NATO-Mandat zugestimmt, das sie selbst ganz offensichtlich nicht für glaubwürdig hält. Kaum jemand in der NATO, geschweige denn die Konfliktparteien in Mazedonien selbst, glauben wirklich, dass mit der Operation, die jetzt beginnt, die Rebellen dauerhaft entwaffnet werden. Für die Rebellen wird es auch nach den 30 Tagen aller Voraussicht nach militärische Optionen geben. Wir hoffen deshalb, dass wir nicht schon in wenigen Tagen oder Wochen die Frage stellen müssen, was angesichts einer Verschärfung und einem möglichen Zusammenbruch des Friedensprozesses zu tun ist. Die Devise - Sie vermitteln sie mit dem, was Sie der Öffentlichkeit sagen -, die Soldaten im Zweifel abzuziehen, wird dann vermutlich niemand ernsthaft vorschlagen können. Der Schaden für das Bündnis wäre nicht wieder gutzumachen. Die Signalwirkung für Bosnien und den Kosovo wäre verheerend. ({2}) Nun wissen wir alle, dass der Deutsche Bundestag ein von der NATO beschlossenes Mandat nicht nachträglich abändern kann. Gerade deshalb hätten wir erwartet, dass die Bundesregierung ihr Gewicht in der NATO nutzt, um ein besseres Mandat zu erreichen. Es ist nämlich eine Frage der außen- und sicherheitspolitischen Führungsfähigkeit, ob ein Land von der Bedeutung der Bundesrepublik Deutschland in der Lage ist, die eigenen Bedenken nicht nur zu Hause zu formulieren, sondern auch die Gründe für die Bedenken im Bündnis von vornherein zu beseitigen. ({3}) Herr Bundeskanzler, die frühere unionsgeführte Bundesregierung hat diese Kraft immer wieder unter Beweis gestellt. Sie hat Deutschlands Einfluss im Bündnis und in der Europäischen Union - zum Teil gegen Ihren erbitterten Widerstand - nachhaltig gestärkt. ({4}) Es sind die alte Bundesregierung und unsere Bundestagsfraktion gewesen, die dafür gesorgt haben, dass solche Auslandseinsätze der Bundeswehr überhaupt erst möglich werden. Heute ist es nicht die Opposition, sondern es ist die Politik der rot-grünen Bundesregierung, die die Zuverlässigkeit Deutschlands als Bündnispartner infrage stellt. ({5}) Die Politik der rot-grünen Bundesregierung - das kam, Herr Bundeskanzler, heute auch in Ihrem Beitrag zum Ausdruck - ist voller Widersprüche. Ich will nur zwei Beispiele nennen: Bei der informellen Truppenstellerkonferenz der NATO Mitte Juli, als es um die Frage ging, wer welche Kontingente für das zu beschließende Mandat stellt, hat die Bundesrepublik Deutschland bis zum Fristablauf nichts gemeldet. Zum selben Zeitpunkt haben Sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verkündet: Deutschland darf nicht abseits stehen. - Warum machen Sie so etwas? Markige Worte statt praktische Bündnissolidarität ist unseren Bündnispartnern nicht zu vermitteln. ({6}) Ich will ein zweites Beispiel nennen: Als das NATOKonzept gebilligt wurde, erhob die Bundesregierung zumindest keine Einwände. Wir wissen zwar nicht, was in Brüssel besprochen worden ist; aber Einwände haben Sie offenkundig nicht erhoben. Dafür haben Sie das Konzept dann in Deutschland infrage gestellt. Sie sind es doch gewesen - es war schon ein bemerkenswertes Stück, das Sie abgeliefert haben -, der nach der Formulierung des Mandates von der Notwendigkeit eines robusteren Mandates gesprochen hat. Das war doch nicht die Opposition im Deutschen Bundestag, sondern es waren Sie selbst, Herr Bundeskanzler, der diese Notwendigkeit formuliert hat. ({7}) Auch Ihr Verteidigungsminister hat noch am 16. August - eine der wenigen politischen Aussagen, die man im Sommer von ihm gehört hat - ein robusteres Mandat verlangt. Nun kann man ja darüber streiten, ob ein robusteres Mandat notwendig gewesen wäre. Was ist eigentlich darunter zu verstehen? Wenn Sie hier sagen, ein robustes Mandat sei jetzt in der Weise gegeben, dass die Truppen die Fähigkeit haben, ohne fremde Hilfe den Rückzug anzutreten und sich selbst zu schützen, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist doch eine bare Selbstverständlichkeit, dass man Truppen nur dann in den Einsatz schickt, wenn sie sich selbst schützen können und die Kraft zum Rückzug ohne fremde Hilfe besitzen. ({8}) Robuster wäre das Mandat vielleicht gewesen, wenn ein unbegrenztes Nothilferecht auch für Dritte - das heißt, nicht nur für Soldaten und für Hilfspersonen internationaler Hilfsorganisationen, sondern auch für betroffene Bürger an Ort und Stelle - bezüglich Übergriffen und möglichen Massakern formuliert worden wäre. ({9}) Was Sie im Laufe des heutigen Tages in den Ausschüssen versucht haben, bezüglich der Taschenkarten der deutschen Soldaten nachzuholen, ist doch offenkundig nicht von dem gedeckt, was in der NATO beschlossen worden ist und was die Einsatzgrundsätze und die Belehrungen der Soldaten ausmachen. ({10}) Das wäre ein robusteres Mandat gewesen, Herr Bundeskanzler. ({11}) Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die militärische Lösung des Problems sicherlich nur ein kleiner Ausschnitt aus dem ist, was politisch notwendig ist, um eine dauerhafte Friedensordnung für den Balkan zu formulieren. Herr Bundeskanzler und Herr Außenminister, Sie haben heute Morgen in Ihren Beiträgen zu Recht von der Geberkonferenz gesprochen, die im September beginnen muss. Wenn es aber so wichtig ist, dass es eine Geberkonferenz gibt: Warum kürzen Sie dann im Haushalt der Bundesrepublik Deutschland den Entwicklungshilfeetat und warum kürzen Sie die Ausgaben für den Stabilitätspakt auf dem Balkan auf Null, sodass kein einziges neues Projekt begonnen werden kann? Darüber haben wir uns zwar nicht heute zu unterhalten; aber in den Haushaltsberatungen im September und im November wird es eine Rolle spielen müssen, Herr Bundeskanzler. ({12}) Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die Lösung des Problems auf dem Balkan sicherlich nicht darin bestehen kann, Frieden nur mit Waffen zu schaffen. Herr Bundeskanzler, wir begrüßen, dass Sie bereit sind, mehr Mittel für die Bundeswehr zur Verfügung zu stellen, als Sie ursprünglich vorhatten. Unser Ziel war von Anfang an, mehr Sicherheit für unsere Soldaten zu erreichen und die bei der Bundeswehr bestehenden Ausrüstungsmängel wenigstens teilweise zu beseitigen. Statt der von Ihnen und Ihrer Regierung zunächst geplanten 15 Millionen DM an reinen Stationierungs- und Aufenthaltskosten stehen jetzt zusätzlich 148 Millionen DM zur kurzfristigen Verbesserung der Ausrüstung zur Verfügung. ({13}) - Entschuldigung, Sie selbst haben das doch heute im Haushaltsausschuss mit beschlossen. Warum lachen Sie darüber? ({14}) Wenn Sie das für unzureichend ansehen, dann machen Sie Vorschläge für weitere Verbesserungen. ({15}) Was jetzt beschlossen worden ist, das ist doch eine wesentliche Verbesserung für die Soldaten der Bundeswehr. Die Verbesserung beginnt sofort und nicht erst, wie geplant, im Jahr 2003 mit der für den Schutz der Soldaten notwendigen Nachrüstung der Marder-Panzer mit Minenschutz. Wir wissen aber gleichzeitig: Die Finanz- und Ausrüstungskrise der Bundeswehr ist damit nicht überwunden. Aber eines ist zusätzlich erreicht worden: Die dramatische Unterfinanzierung der Bundeswehr - eines ihrer großen Probleme -, die die Bundesregierung unter Ihrer Führung, Herr Bundeskanzler, zu verantworten hat und die dazu führt, dass sie sich im Bündnis zunehmend sehr kritischen Fragen ausgesetzt sieht, ist mit der Diskussion in den vergangenen Wochen nachhaltig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit in Deutschland gerückt worden. ({16}) Herr Bundeskanzler, Ihre Zugeständnisse der letzten Tage bestätigen, dass es Defizite bei der Ausstattung gibt, die für Einsätze auf dem Balkan und für die Sicherheit unserer Soldaten von Bedeutung sind. Ganz konkret: Aufgrund der heutigen Bundeswehrstruktur und des personellen Bedarfs auf dem Balkan werden manche Einheiten und einzelne Soldaten, anders als von Ihnen und Ihrer Regierung immer zugesagt, häufiger als alle zwei Jahre eingesetzt. Das betrifft Ärzte, Fernmeldetechniker, Pioniere und Feldjäger, also etwa ein Viertel der dort stationierten Kräfte. Auch und gerade deshalb bleiben wir dabei: Immer mehr Einsätze und immer weniger Geld - das passt nicht zusammen, Herr Bundeskanzler. Wir brauchen eine grundlegende Verbesserung der mittelfristigen Finanzplanung für die Bundeswehr. Nur so werden wir wirklich wieder bündnis- und europafähig in dem Sinne, wie Sie es auch in Ihrer Rede hier richtigerweise zum Ausdruck gebracht haben. ({17}) Nur so können wir unseren Soldaten und den zivilen Mitarbeitern der Bundeswehr wieder bieten, worauf sie Anspruch haben, nämlich eine gesicherte Lebensplanung und eine bestmögliche Ausbildung und Ausrüstung. Vor diesem Hintergrund haben wir uns die Entscheidung, die wir heute zu treffen haben und die wir in den letzten Tagen und Wochen intensiv diskutiert haben, wahrlich nicht leicht gemacht. Viel steht bei diesem Einsatz auf dem Spiel: zuerst die Sicherheit unserer Soldaten, aber auch die Autorität und die Zukunft der Nordatlantischen Allianz genauso wie ein hoffnungsvoll begonnener Friedensprozess auf dem Balkan. Es bleiben für uns schwerwiegende Bedenken. Gleichwohl haben wir unserer Fraktion empfohlen, heute dem Einsatz der NATO und der Bundeswehr in Mazedonien zuzustimmen. Es gehört zu der gerade von den Unionsparteien maßgeblich mitgeprägten Sicherheits- und Außenpolitik - ja, es gehört für uns zur Kultur der Politik in unserem Land -, dass Einsätze der Bundeswehr, wenn irgendwie möglich, von einer breiten, parteiübergreifenden Mehrheit im Deutschen Bundestag getragen werden. ({18}) Das ist für die Soldaten, die aufmerksam zuhören, was wir heute zu debattieren haben, von großer Bedeutung. Das ist aber auch für den Wert deutscher Außen- und Sicherheitspolitik von großer Bedeutung. Durch die finanziellen Zugeständnisse der Bundesregierung sind für unsere Soldaten Sicherheitsrisiken jetzt so weit wie möglich minimiert worden. Jetzt geht es um die parlamentarische Rückendeckung für die Soldaten im Einsatz. Wir können den Soldaten auch von dieser Stelle aus guten Gewissens sagen, alles, was notwendig war, für sie getan zu haben. Jetzt geht es um deutsche, nicht um rot-grüne Solidarität im Bündnis. ({19}) Weil das so ist und weil wir auch in der Opposition Verantwortung für das Ansehen und die Handlungsfähigkeit unseres Landes empfinden, kann die Mehrheit unserer Fraktion dem Antrag der Bundesregierung heute - wenn auch nicht ohne Vorbehalte und Bedenken - zustimmen. Ich bedanke mich. ({20})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Christian Sterzing, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Christian Sterzing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002810, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Merz, es ist ganz sicher richtig, dass es für die Soldaten in Mazedonien wichtig ist, zu wissen, dass eine große Mehrheit in diesem Parlament hinter ihrem Einsatz steht. Insofern wissen die Soldaten sicherlich zu würdigen, was sich in den letzten Tagen an Diskussionen und Entscheidungen abgespielt hat und abspielen wird. In gleicher Weise finden die Soldaten es aber unangemessen, wenn diese Debatte in einer solchen Art und Weise parteipolitisch ausgenutzt und missbraucht wird. Ich glaube, dass sie das sicher nicht als Unterstützung für ihren Auftrag empfinden werden. ({0}) Die Hoffnungen und die Sorgen, die uns bei dieser Entscheidung heute verbinden, kommen in den Meldungen gerade der letzten Tage sehr deutlich zum Ausdruck. Einerseits wurde gemeldet, 30 000 Flüchtlinge seien aus dem Kosovo nach Mazedonien zurückgekehrt, es seien UCK-Kämpfer aus Mazedonien an der Grenze zum Kosovo festgenommen und entwaffnet worden und es seien in den letzten Tagen die ersten Waffen eingesammelt worden. Das alles gibt uns Hoffnung; das ist eine Entwicklung, die wir mit unserem heutigen Entschluss unterstützen wollen. Andererseits gibt es aber auch die Meldungen über den tragischen Tod eines britischen Soldaten vorgestern oder über die noch immer ausstehende Einigung über die Anzahl der einzusammelnden Waffen. Ich glaube, anhand dieser aktuellen Meldungen wird sehr deutlich, welche Chancen und welche Risiken mit dem eingeleiteten Prozess in diesem Land verbunden sind. Gerade in diesem Gesamtbild müssen wir die heutige Entscheidung sehen. Es ist ein politisch fragiler Prozess, der noch keineswegs einen sicheren Erfolg garantieren kann. Es ist ein Prozess, in dem gerade der Einsatz der NATO-Soldaten und damit der Bundeswehrsoldaten mit Risiken verbunden ist. Nach den Gesprächen im Ausschuss und mit der militärischen Führung bin ich sicher, dass alles getan worden ist, um unseren Soldaten die beste Ausrüstung mit auf den Weg zu geben. Zum Thema „robustes Mandat“: Ich glaube, dass es selbstverständlich ist - es hat vielleicht deshalb keinen Eingang in die Formulierung des Antragstextes gefunden -, dass die Soldaten nach Völkerrecht und nach anderem internationalen Recht berechtigt sind, auch Zivilisten Nothilfe zu leisten. Das ist nicht nur rechtlich möglich; das ist auch moralisch geboten. Es hat natürlich einen besonderen Grund, warum diese besagte Formulierung in den Antrag hineingekommen ist. Sie bringt nämlich die besondere Verantwortung zum Ausdruck, die wir auch gegenüber anderen internationalen Organisationen und deren Vertreterinnen und Vertretern in der Region haben. Wir schicken nämlich unbewaffnete EU-Monitore und OSZE-Angehörige nach Mazedonien. Die NATOSoldaten zu befähigen, Nothilfe zu leisten, ist daher sicherlich richtig und notwendig. Es ist ein schwieriger Prozess. Wenn wir uns anschauen, worüber wir heute diskutieren und worüber wir nachher entscheiden, dann stellen wir fest: Es ist ein ganz kleiner Baustein in einem längerfristigen Prozess. Was hat denn in den letzten Wochen in Mazedonien stattgefunden? Was bedeutet dieses politische Rahmenabkommen? - Es bedeutet praktisch nichts anderes als eine konstitutionelle Neugründung dieses Staates. Es geht für Mazedonien darum, nicht mehr ein mazedonischer Nationalstaat, sondern ein multi-ethnischer, ein multireligiöser Staat zu sein. Ein gewaltiger Schritt und ein völlig neuer Modus Vivendi für das innerethnische Zusammenleben! Dass dieser Prozess natürlich auch in Mazedonien erhebliche Diskussionen auslöst, können wir nur verstehen, wenn wir uns dieser grundlegenden Veränderung bewusst werden. Erinnern wir uns daran, welche Schwierigkeiten wir hier in der Diskussion haben, Deutschland als Einwanderungsland anzuerkennen! Das ist gar nichts im Vergleich zu dem, was sich an politischer Veränderung, an konstitutioneller Veränderung in diesem Abkommen für den mazedonischen Staat nun abzeichnet. ({1}) Was die albanische Seite angeht, so müssen wir ganz deutlich sehen: Mit dem Rahmenabkommen ist die Anerkennung des Gewaltmonopols des mazedonischen Staates ausgesprochen. Es ist der Verzicht auf territoriale Veränderungen und auf eigenstaatliche Ambitionen erklärt, und es ist die Anerkennung von demokratischen Verfahren im Rahmen einer multi-ethnischen und multireligiösen Gesellschaft erklärt. Durch die beiden Gemeinschaften in Mazedonien sind also gewaltige Schritte getan worden. Sie haben einen Veränderungsprozess in Gang gesetzt, in dem sie nun unsere Hilfe, die Hilfe der internationalen Gemeinschaft, erbitten. Es ist zu berücksichtigen, dass es in diesem komplizierten, sich über längere Zeit hinziehenden Umsetzungsprozess, der in dem Rahmenabkommen und seinen Annexen enthalten ist, nun zu einer internationalen Unterstützung kommt. Sie ist notwendig; denn natürlich ist das Verhältnis der beiden Gemeinschaften dort unten noch immer von gegenseitigem Misstrauen getragen. Es gibt auf beiden Seiten Extremisten. Es gibt die Nationalisten, die mit der politischen Lösung dieses Konflikts noch nicht übereinstimmen. Im Rahmen dieses politischen Prozesses ist der militärische Teil ein Baustein, für den unsere Hilfe notwendig ist. Darüber entscheiden wir. Da wir von den Beteiligten dort unten gebeten worden sind, das zu tun, und da die internationale Gemeinschaft in Form des Beschlusses der Präsidentschaft des UN-Sicherheitsrates ihre eindeutige Unterstützung erklärt hat, können wir es moralisch und politisch nicht verantworten, diese Unterstützung zu versagen. ({2}) Die Veränderungsprozesse sind vielfältig, auch was die EU anbelangt. Bedenken wir, was an unterschiedlicher Politik und an unterschiedlichen Interessen vor zehn Jahren von europäischen Staaten und anderen westlichen Mächten auf dem Balkan betrieben bzw. verfolgt wurde, welche Entwicklung in den letzten Jahren zu verzeichnen war und welche Konvergenz es hinsichtlich der Anstrengungen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Gemeinschaft gegeben hat. Die EU in einer Vermittler- und Katalysatorrolle das ist es doch, was wir uns seit Jahren als Rolle der EU auch in anderen Konfliktregionen dieser Welt wünschen. Es ist ein Lernprozess, ein Veränderungsprozess, auch in der Zusammenarbeit der internationalen Organisationen eingetreten. EU, NATO, Europarat und OSZE arbeiten hier zusammen. Es sind nicht mehr sich blockierende, sondern in diesem Prozess kooperierende Institutionen. Insofern gilt es auch, diesen Veränderungsprozess zu würdigen, anzuerkennen und zu unterstützen. Es ist ein präventiver Prozess; darauf wurde schon deutlich hingewiesen. Niemand behauptet, dass der militärische Einsatz die politischen Probleme löst. Er ist ein kleiner Teil, eine Prävention, um Schlimmeres zu verhindern. Er kommt spät, aber - so hoffen wir alle - nicht zu spät. Insofern bringen wir mit dem Ja zu diesem Einsatz auch unsere Unterstützung derjenigen Kräfte in der Region zum Ausdruck, die dialog- und verhandlungsbereit sind. Diese sollten wir auf keinen Fall im Stich lassen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Sterzing, Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten.

Christian Sterzing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002810, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Schließlich machen wir mit unserer Unterstützung nicht nur deutlich, dass wir bereit sind, unseren Anteil zu leisten. Wir haben auch eine Verpflichtung hinsichtlich des mittel- und langfristigen Stabilisierungsprozesses. Wir werden uns in den nächsten Wochen und Monaten sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene daran erinnern lassen müssen, diese Verpflichtung, auch in der finanziellen und politischen Unterstützung des Stabilisierungsprozesses, deutlich zum Ausdruck zu bringen. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Bundesminister Rudolf Scharping. ({0})

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten bei der Entscheidung, die wir treffen, zwei bittere, für die Menschen schreckliche und für leider viel zu viele tödliche Erfahrungen nicht vergessen: Das Mandat der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina war zu schwach ausgestattet. UNPROFOR ist eigentlich gescheitert. Das hat viele Menschen das Leben gekostet. Die verzweifelten Bemühungen der Verhandlung, der Diplomatie und der Prävention sind wegen Milosevic gescheitert. Dies hat ebenfalls militärisches Eingreifen erforderlich gemacht, aber auf einer ganz anderen Grundlage als der Einsatz, über den wir heute sprechen. Denn heute sprechen wir über einen präventiven Einsatz mit dem Ziel, das Abrutschen Mazedoniens in den Bürgerkrieg zu verhindern. ({0}) In dieser Debatte ist von einigen über die Risiken gesprochen worden, die in diesem Prozess stecken. Tatsächlich sind sie völlig unübersehbar: die unveränderte Neigung zu Gewalt, Nationalismen auf der slawo-mazedonischen Seite, terroristische Gewaltakte und die Zeit selbst. Es ist unbestreitbar, dass es diese Risiken gibt. Eine verantwortliche Abwägung aber wird nur gelingen, wenn man diese Risiken in einer insgesamt sinnvollen und chancenreichen Entwicklung gegen jene Risiken abwägt, die eintreten können und mit einiger Sicherheit auch eintreten werden, wenn es nicht zu einem Engagement der internationalen Gemeinschaft oder zu einer deutschen Beteiligung käme. Es ist ja leider ziemlich wahrscheinlich, dass Mazedonien dann in den Bürgerkrieg rutschen würde; es geht aber um noch mehr: Wir müssen uns schon verantwortlich die Fragen beantworten: Wer wird ermuntert, wenn es zu einem Bürgerkrieg kommt, und zwar nicht nur in Mazedonien, sondern auch in anderen Teilen Südosteuropas und des Balkans? Welche Maßstäbe werden gesetzt? Was bedeutet das - der Bundesaußenminister hat darauf aufmerksam gemacht - für die gesamte Region und für die dortigen Staaten? Insofern, Herr Gysi, dreht sich die Frage genau um Folgendes: Es geht nicht darum, dass jemand nur genug Gewalt anwenden muss, um als Verhandlungspartner akzeptiert zu werden. Vielmehr muss die Gewalt jetzt gestoppt werden, damit Entwicklungen, die wir eindämmen konnten - in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und andernorts -, nicht neuerlich aufbrechen und die dafür verantwortlichen Kräfte nicht neuerlich ermuntert werden. ({1}) Wenn man zu einer verantwortlichen Abwägung kommen möchte, muss man auch von den Chancen sprechen: von dem Gesamtprozess, der stattgefunden hat und fortgesetzt werden soll, von dem Stabilitätspakt und von dem Assoziierungs- und Stabilitätsabkommen zwischen der Europäischen Union und Mazedonien, das diesem Land eine Perspektive mit Blick auf die Europäische Union und die europäische Zivilisation gibt. Man muss auch von den Maßnahmen der Abrüstung, der Vertrauensbildung, der Geberkonferenz und vielem anderen reden. Ich will hier einfügen, dass die Bundesregierung den Auftrag des Entschließungsantrages der Koalitionsfraktionen ernst nimmt, nicht nur, aber auch wegen des umfassenden Abrüstungskonzeptes für die gesamte Region und wegen der Verpflichtung, wirksam gegen Waffenhandel in der gesamten Region vorzugehen. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach dem Mandat gestellt worden. Ich habe eine gewisse Schwierigkeit mit der Wortwahl; denn wir reden hier eigentlich nicht über ein Mandat in dem Sinne, wie es der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen oder der Deutsche Bundestag in anderen Fällen erteilen müsste, sondern über eine Vereinbarung zwischen der mazedonischen Regierung und der NATO auf der Grundlage eines Rahmenabkommens zwischen den mazedonischen Parteien. Das bedeutet aber, dass die Grenze der Handlungsmöglichkeiten der NATO nicht etwa durch guten oder schlechten, durch ausgeprägten oder weniger ausgeprägten Willen gezogen wird. Die Grenze der Handlungsmöglichkeiten der NATO wird gezogen durch den Brief des Präsidenten Trajkovski mit dem Hilfeersuchen vom 14. Juni und durch das Abkommen, das zwischen der mazedonischen Regierung und der NATO in dieser Sache getroffen worden ist. Das ist die eindeutige Grenze. ({2}) Jeder, der verlangt, man solle diese Grenze überschreiten, verlangt eigentlich, die NATO möge Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen missachten. Das ist eine Argumentation, vor der ich nur warnen kann, erst recht vor einem solchen Verhalten. Herr Kollege Rühe, Sie sagen, die NATO sei Schiedsrichter, aber mit einem Ziel, und das sei eine problematische Rolle. Ich halte Ihnen entgegen: Es ist richtig, die NATO ist Schiedsrichter mit einem Ziel. Aber das ist nicht etwa eine problematische, sondern die einzig mögliche und übrigens auch eine gute Rolle, die die NATO wahrnehmen kann; denn dieses Ziel ist nicht ein Ziel der NATO, sondern das Ziel der vier Parteien und der Regierung, die das Rahmenabkommen von Ohrid unterschrieben haben. ({3}) Nun noch eine kurze Bemerkung im Zusammenhang mit der Ausrüstung und Ausbildung der Soldaten. Herr Kollege Westerwelle, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu: Es ist richtig, wenn Sie sagen, dass die Bundeswehr unverzichtbarer Teil der Handlungsfähigkeit deutscher Außen- und Sicherheitspolitik ist.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Scharping, Ihre angemeldete Redezeit ist überschritten. ({0})

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Ich komme zum Ende, Herr Präsident. - Deswegen wird das Erforderliche getan, um die Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten entsprechend sicherzustellen. Ich glaube aber, dass es ein Irrweg ist, zu meinen, die Diskussion über die konsequente und verzugslose Umsetzung der Beschlüsse der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Reform der Bundeswehr, die wir zu führen haben, mit dieser Debatte verbinden zu müssen und auf diese Weise, zu Teilen jedenfalls, ein innenpolitisches oder parteitaktisches Interesse mit einer schwerwiegenden und wichtigen außenpolitischen Entscheidung, die wir hier zu treffen haben, zu verküpfen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Paul Breuer, CDU/CSU-Fraktion.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch vor wenigen Tagen habe ich in der Öffentlichkeit erklärt, dass ich aus der damaligen Sicht der Dinge dem Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien nicht zustimmen könne. ({0}) Ich nehme es vorweg: Ich werde heute zustimmen und möchte die Gelegenheit wahrnehmen, zu erklären, wie mein Weg zu dieser Zustimmung ausgesehen hat. Herr Kollege Struck, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass derjenige, der Interesse am Friedensprozess in Mazedonien habe, dem Mandat zustimmen müsse. Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt sicher genauso viel Interesse am Friedensprozess in Mazedonien wie diejenigen, die dem Mandat zustimmen wollten. Bei mir überwogen aber die Fragestellung, ob das Mandat ausreicht, und die Befürchtung, dass aus diesem Einsatz in Mazedonien - wenn er danebengeht - der dritte große Balkaneinsatz der NATO und somit auch der Bundeswehr werden könnte. Wir alle haben die Hoffnung, dass es gut geht. Aber niemand hier kann die Befürchtung von sich weisen, dass daraus der dritte große Einsatz entstehen kann. Damit in Verbindung stand für mich die Fragestellung, ob denn unsere Bundeswehr überhaupt in der Lage ist, einen solchen dritten großen Einsatz zu bestehen. Da bin ich skeptisch, vor allen Dingen deshalb, weil für die Mehrheit dieses Hauses - das hat sich auch in der Rede von Frau Kollegin Müller gezeigt - die Vorsorge der Bundeswehr für derartige Einsätze in meinen Augen nicht ernst genug genommen wird. ({1}) Wie auch Sie, Herr Bundeskanzler, gesagt haben, ist die Verantwortung Deutschlands in der Außen- und Sicherheitspolitik gewachsen. Parallel zu diesem Prozess des Wachsens der deutschen Verantwortung muss die Bundesregierung und muss die sie tragende Koalition erkennen, dass die Voraussetzungen für die Bundeswehr ebenso wachsen müssen. Vor wenigen Jahren war es auf manchen Bänken hier im Deutschen Bundestag noch verpönt, von einer überlegenen Ausrüstung der Bundeswehr zu reden. Ich sage heute: Die Bundeswehr muss überlegen ausgerüstet sein, damit wir die Verantwortung gegenüber unseren Soldaten wahrnehmen können. ({2}) Ich bin meiner Fraktionsführung und der Parteiführung dankbar, dass wir es erreicht haben, dass zumindest hinsichtlich der Ausrüstung der Einsatzkräfte für die nahe vor uns liegende Zeit, also für die kommenden Jahre, eine Verbesserung erzielt worden ist. Das ist für mich ein Grund zu sagen: Ich stimme zu. Es gibt für mich einen weiteren Grund. Die Tatsache, dass die Bundeswehr schlecht ausgerüstet ist, schmälert unseren Einfluss im Bündnis. Das ist so; das kann man nicht wegdiskutieren. ({3}) Aber ich muss dagegenhalten, dass natürlich eine Nichtbeteiligung am Mazedonien-Einsatz - bei allen Bedenken, die ich habe - den deutschen Einfluss im Bündnis sicherlich nicht gesteigert hätte. Es gibt eine weitere Überlegung, die ich für wichtig halte. Unsere Soldaten haben mir gesagt: Es ist gut, dass ihr für eine bessere finanzielle Ausstattung der Bundeswehr kämpft. Sie haben mir aber auch gesagt: Es wäre jedoch gut, wenn wir in der entscheidenden Sitzung im Deutschen Bundestag, bei der Entscheidung heute, die Unterstützung der Union für diesen Einsatz bekommen würden. Das alles zusammengenommen ist für mich die Begründung dafür, dass ich zwar nichts von meinen Befürchtungen und von meiner Skepsis zurücknehme dazu habe ich keinen Grund -, aber dennoch mit gutem Gewissen zum heutigen Zeitpunkt - obwohl es mir schwer fällt; das muss ich zugeben - diesem Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien zustimme. Ich stimme ihm zu, weil ich hoffe, dass es gut geht. Ich finde aber auf der anderen Seite, dass all diejenigen, die sich schwer damit tun, bei dieser heutigen Entscheidung und bei der damit verbundenen Debatte ernst genommen werden müssen. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich mitteilen, dass mir eine große Anzahl von Erklärungen zur Abstimmung vorliegt. Es sind so viele, dass ich die Namen der Kolleginnen und Kollegen hier nicht verlese. Man kann das im Protokoll nachlesen. Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 14/6835 zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedonischem Territorium zum Einsammeln und Zerstören der Waffen, die durch die ethnisch albanischen bewaffneten Gruppen freiwillig abgegeben werden. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/6830 anzunehmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, bei der Stimmabgabe sorgfältig darauf zu achten, dass die Stimmkarten, die sie verwenden, den eigenen Namen tragen. Ich bitte nunmehr die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Zwischendurch möchte ich mitteilen, dass wir im Anschluss an die namentliche Abstimmung über weitere Anträge abstimmen werden. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen, damit wir mit den Abstimmungen fortfahren können. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 14/6837? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU, FDP und PDS angenommen. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Entschließungsanträge der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP auf den Drucksachen 14/6839 und 14/6838 zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuss und zur Mitberatung an den Verteidigungsausschuss, den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, den Ausschuss für Menschenrechte, den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und an den Haushaltsausschuss zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem NATOgeführten Einsatz bekannt: Abgegebene Stimmen 635. Mit Ja haben gestimmt 497, mit Nein haben gestimmt 130, Enthaltungen 8. Präsident Wolfgang Thierse Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 635; davon ja: 497 nein: 130 enthalten: 8 Ja SPD Brigitte Adler Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({0}) Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({1}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Rainer Brinkmann ({2}) Bernhard Brinkmann ({3}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({4}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({5}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({6}) Lilo Friedrich ({7}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({8}) Angelika Graf ({9}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({10}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Monika Heubaum Reinhold Hiller ({11}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({12}) Walter Hoffmann ({13}) Iris Hoffmann ({14}) Frank Hofmann ({15}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({16}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({17}) Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Erika Lotz Dieter Maaß ({18}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({19}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({20}) Jutta Müller ({21}) Christian Müller ({22}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({23}) Gerhard Neumann ({24}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Dr. Carola Reimann Margot von Renesse Dr. Edelbert Richter Christel RiemannHanewinckel Reinhold Robbe Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({25}) Birgit Roth ({26}) Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Thomas Sauer Gudrun Schaich-Walch Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({27}) Ulla Schmidt ({28}) Silvia Schmidt ({29}) Dagmar Schmidt ({30}) Wilhelm Schmidt ({31}) Dr. Frank Schmidt ({32}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({33}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({34}) Brigitte Schulte ({35}) Reinhard Schultz ({36}) Volkmar Schultz ({37}) Ewald Schurer Dietmar Schütz ({38}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Reinhold Strobl ({39}) Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Simone Violka Hans Georg Wagner Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Matthias Weisheit Gunter Weißgerber ({40}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Jürgen Wieczorek ({41}) Helmut Wieczorek ({42}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({43}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({44}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Dietrich Austermann Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Norbert Blüm Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brudlewsky Hartmut Büttner ({45}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({46}) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Renate Diemers Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer ({47}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Ulf Fink Ingrid Fischbach Dr. Gerhard Friedrich ({48}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({49}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Dr. Reinhard Göhner Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Manfred Grund Horst Günther ({50}) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({51}) Hansgeorg Hauser ({52}) Ursula Heinen Manfred Heise Hans Jochen Henke Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Dr. Karl-Heinz Hornhues Hubert Hüppe Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Karl Lamers Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({53}) Dr. Klaus W. Lippold ({54}) Wolfgang Lohmann ({55}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erwin Marschewski ({56}) Dr. Martin Mayer ({57}) Wolfgang Meckelburg Friedrich Merz Hans Michelbach Bernward Müller ({58}) Elmar Müller ({59}) Bernd Neumann ({60}) Friedhelm Ost Eduard Oswald Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch ({61}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Adolf Roth ({62}) Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Gerhard Scheu Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({63}) Andreas Schmidt ({64}) Hans Peter Schmitz ({65}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Diethard Schütze ({66}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Dr. h. c. Rudolf Seiters Bernd Siebert Werner Siemann Bärbel Sothmann Margarete Späte Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Matthäus Strebl Thomas Strobl ({67}) Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß ({68}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({69}) Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({70}) Marieluise Beck ({71}) Volker Beck ({72}) Angelika Beer Matthias Berninger Grietje Bettin Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({73}) Joseph Fischer ({74}) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Reinhard Loske Oswald Metzger Kerstin Müller ({75}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Christine Scheel Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({76}) Werner Schulz ({77}) Jürgen Trittin Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Helmut Wilhelm ({78}) Margareta Wolf ({79}) FDP Ina Albowitz Hildebrecht Braun ({80}) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Jörg van Essen Ulrike Flach Paul K. Friedhoff Präsident Wolfgang Thierse Hans-Michael Goldmann Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Birgit Homburger Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Dr. Irmgard Schwaetzer Marita Sehn Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Nein SPD Klaus Barthel ({81}) Peter Dreßen Harald Friese Konrad Gilges Wolfgang Grotthaus Christine Lehder Götz-Peter Lohmann ({82}) Christa Lörcher Dr. Christine Lucyga Adolf Ostertag Renate Rennebach Bernd Reuter Gudrun Roos René Röspel Dr. Hansjörg Schäfer Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Rüdiger Veit Dr. Konstanze Wegner Waltraud Wolff ({83}) CDU/CSU Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Hans-Dirk Bierling Peter Bleser Friedrich Bohl Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({84}) Georg Brunnhuber Dankward Buwitt Manfred Carstens ({85}) Leo Dautzenberg Thomas Dörflinger Maria Eichhorn Axel E. Fischer ({86}) Herbert Frankenhauser Georg Girisch Gottfried Haschke ({87}) Klaus-Jürgen Hedrich Siegfried Helias Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Siegfried Hornung Joachim Hörster Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Irmgard Karwatzki Rudolf Kraus Dr. Karl A. Lamers ({88}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Erich Maaß ({89}) Dr. Michael Meister Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Franz Obermeier Norbert Otto ({90}) Marlies Pretzlaff Hans Raidel Christa Reichard ({91}) Klaus Riegert Franz Romer Kurt J. Rossmanith Anita Schäfer Karl-Heinz Scherhag Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({92}) Michael von Schmude Gerhard Schulz Heinz Seiffert Johannes Singhammer Max Straubinger Hans-Otto Wilhelm ({93}) Klaus-Peter Willsch Bernd Wilz Willy Wimmer ({94}) Aribert Wolf Benno Zierer Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Annelie Buntenbach Winfried Hermann Christian Simmert Hans-Christian Ströbele Sylvia Voß FDP Gisela Frick Rainer Funke Joachim Günther ({95}) Dr. Werner Hoyer Jürgen Koppelin Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({96}) PDS Monika Balt Dr. Dietmar Bartsch Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Dr. Klaus Grehn Uwe Hiksch Dr. Barbara Höll Carsten Hübner Ulla Jelpke Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Kutzmutz Heidi Lippmann Ursula Lötzer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Pia Maier Angela Marquardt Manfred Müller ({97}) Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Christine Ostrowski Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Dr. Winfried Wolf Enthalten CDU/CSU Klaus Bühler ({98}) Helmut Heiderich Susanne Jaffke Bartholomäus Kalb Gerald Weiß ({99}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Steffi Lemke Irmingard Schewe-Gerigk FDP Jürgen Türk Präsident Wolfgang Thierse Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. ({100}) Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Dienstag, den 11. September 2001, 11 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.