Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 7/4/2001

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Nicht unter 20 Millionen Tonnen, möglichst 23 Millionen Tonnen bis zum Jahre 2010.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Ruck, eine Nachfrage? - Bitte.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Allein durch KWK?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Allein durch KWK.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Kollege Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister Müller, angesichts der Tatsache, dass in einer Grundfrage Übereinstimmung besteht, nämlich dass KWK einiges zur Erreichung des Klimaziels beitragen kann, bin ich doch von Ihrer Darstellung heute überrascht. Sie behaupten, es kämen keine zusätzlichen Kosten auf uns zu. Das steht im Widerspruch zu allem, was letzte Woche bei einer Anhörung durch den zuständigen Ausschuss von den Experten in dem Zusammenhang gesagt worden ist. Ich habe an Sie die Frage, ob Sie bei dieser Darstellung bleiben und wie Sie angesichts der neuen wirtschaftlichen Daten das Prinzip einer Weiterreichung von Kosten an Dritte eigentlich vertreten wollen?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Erstens. Sie können davon ausgehen, dass ich bei meinen Darstellungen bleibe; Sie kennen mich ja. Wir haben heute, wie ich Ihnen eben sagte, eine Marktumlage in der Größenordnung von 1,2 Milliarden DM. Diese Größenordnung wird nicht übertroffen. Richtig ist, dass das heutige Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz in den Jahren bis 2006 diese Marktumlage auf etwa 400 Millionen DM absenken würde. Wir erheben jetzt eine Marktumlage, die im Spitzenwert etwa 1 Milliarde DM betragen kann, die aber längerfristig tendenziell sinken wird. Wie gesagt, für jetzt und für das nächste Jahr ist eine Erhöhung nicht gegeben. Zweitens. Mich wundert, ehrlich gesagt, Ihre Fragestellung. Wir werden durch dieses Programm Investitionen in einer Größenordnung zwischen 5 und 10 Milliarden DM betreffend den Neubau von Stromerzeugungsanlagen anregen. Ich bin durchaus der Meinung, dass das für die konjunkturelle Situation jedenfalls nicht schädlich sein wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Frage stellt der Kollege Rolf Kutzmutz.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, die Eckpunkte öffnen ja nur ein kleines Förderfenster, nämlich nur für Anlagen unter 2 Megawatt für völlig neue Anbieter. Meine Frage ist: Könnte dieses Handicap und der faktisch fehlende gesetzliche Anspruch auf Netzzugang europarechtlich zu Diskussionen führen? Dies ist zwar umweltkonform, es könnte aber wettbewerbsrechtliche Probleme geben, weil ein geschlossener Markt entsteht.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Ich sehe das nicht so. Es ist jedermann in diesem Lande freigestellt, auf der Basis dieser Förderung Blockheizkraftwerke bis zu einer Größenordnung von 2 Megawatt zu errichten. Die 2-Megawatt-Grenze resultiert aus der bisherigen Freistellung von der Ökosteuer. Dort ist diese Grenze schon einmal enthalten. Ich sehe das also nicht so.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Kutzmutz hat noch eine Nachfrage. Bitte.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, in der Anhörung spielte ein Gesetzentwurf der Gewerkschaft Verdi eine Rolle. Wird dieser Gesetzentwurf bei der Arbeit in Ihrem Haus bzw. im Umweltministerium bei der Novellierung eine Rolle spielen?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Insoweit der Gesetzentwurf sich mit unseren Überlegungen deckt, schon. Dort, wo er von den Eckpunkten abweicht, logischerweise nicht. Wir werden diesen Gesetzentwurf, denke ich, Mitte August im Kabinett verabschieden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Fragesteller ist der Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, bei solchen Vereinbarungen gibt es ja sehr oft auch juristische Probleme zu lösen. Ich möchte Sie daher fragen: Haben Sie diese Vereinbarung zum Beispiel durch das Bundesjustizministerium überprüfen lassen und zu welchem Ergebnis ist das Bundesjustizministerium gekommen?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. In der Zeit, als die F.D.P. noch die Wirtschaftsminister stellte ({0}) - ja, dann lassen Sie mich Ihnen antworten -, ist ein System der Umlegung der Kohleverstromungskosten auf Endverbraucher etabliert worden, das so genannte Kohlepfennigsystem, das dann vom Bundesverfassungsgericht Ihren Wirtschaftsministern aus der Hand geschlagen wurde. ({1}) - Soviel ich weiß, hat das Bundesverfassungsgericht 1994 das, was die F.D.P.-Wirtschaftsminister gemacht haben, für verfassungswidrig erklärt, und natürlich müssen wir diese Grundsätze des Bundesverfassungsgerichtes beachten. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Koppelin, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, darf ich Sie fragen, warum Sie meine Frage nicht beantwortet haben?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Ich denke, dass ich Ihre Frage beantwortet habe. ({0}) - Das Justizministerium ist für Verfassungsfragen nicht primär zuständig. ({1}) Die verfassungsrechtlichen Aspekte haben wir natürlich mit dem für Verfassung zuständigen Minister erörtert und dies werden wir weiter tun. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir sollten auf die im Rahmen der Regierungsbefragung übliche Frage-undAntwort-Regelung zurückkommen. Der nächste Fragesteller ist der Kollege Schauerte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zunächst einmal freue ich mich, dass wir Sie wieder einmal im Parlament haben. ({0}) Ich möchte Ihnen eine Frage zum Konflikt zwischen Kraft-Wärme-Kopplung im industriellen Bereich und Kraft-Wärme-Kopplung im kommunalen Bereich stellen. Sind Sie der Meinung, dass mit dieser Regelung wirklich eine Diskriminierung der industriellen Kraft-WärmeKopplung gegenüber der kommunalen Kraft-WärmeKopplung, wie sie im Moment im Gesetz enthalten ist, verfassungsfest vermieden wird, oder wie bewerten Sie diese Gleich- bzw. Ungleichbehandlung in der Vereinbarung?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Sie müssten festgestellt haben, Herr Schauerte, dass diese freiwillige Selbstverpflichtung sowohl vom Bundesverband der Deutschen Industrie als auch von der Vereinigung industrieller Stromerzeuger unterschrieben worden ist. Unternehmen des kommunalen Bereiches sind industriellen Stromerzeugern insofern gleichgestellt, als eingespeister Strom bezuschusst wird.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine zweite Frage: Ermöglicht die gefundene Lösung ausreichend Spielraum für Innovationen und können Sie einige Beispiele nennen, wie sie Innovationen auch im Energiegewinnungsbereich fördert?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Wir haben, wie ich Ihnen eben sagte, das Schwergewicht auf die Modernisierung von Anlagen gelegt. Ich will Ihnen dazu ein Beispiel geben: Wenn Sie heute eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage auf Basis der Steinkohle betreiben, dann haben Sie in aller Regel einen primärenergetischen Wirkungsgrad in der Größenordnung von 45 bis 50 Prozent. Wenn Sie diese auf eine hochmoderne Gasanlage umstellen, haben Sie zunächst einmal eine Primärenergie, die per se ein Drittel weniger CO2-Ausstoß bewirkt. Das ist der Unterschied zwischen Erdgas und Steinkohle. Zudem hat die Gasanlage einen Wirkungsgrad in der Größenordnung von über 80 Prozent, sodass ein weiteres Mal fast eine Halbierung des CO2-Ausstoßes erreicht wird. Mit anderen Worten: Die Umrüstung bestehender Kohle-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf hochmoderne Gasanlagen bringt sozusagen einen fünffachen CO2-Effekt. ({0}) - Die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Kohlebasis verbrauchen heute zwischen 1,5 und 2 Millionen Tonnen Steinkohle, überwiegend Importkohle. Das hat mit der deutschen Steinkohle nichts zu tun. Ich will aber Ihre Frage hinsichtlich des Anreizes zum Einsatz neuer Technologien weiter beantworten. Wir werden, denke ich, einen kleinen Neubauboom auch bei Blockheizkraftwerken bis 2 Megawatt erreichen. Die Technik wird über die kontinuierliche Anwendung solcher Anlagen bei Neubauten weiterentwickelt. Ich verweise darauf, dass wir für Stromeinspeisungen aus Brennstoffzellen eine relativ großzügige Förderung vorgesehen haben, sodass diese sehr modernen Techniken, die bisher - sagen wir es einmal so - unwirtschaftlich waren, ein gutes Stück weiter in den Markt rücken.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist die Kollegin Eva Bulling-Schröter mit ihrer Frage an der Reihe.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, in der Vereinbarung mit der Energiewirtschaft sind gleich mehrere Deckel im Zusammenhang mit der in Gesetzesform zu gießenden Bundesregelung enthalten: umlegbare Gesamtkosten, Förderung kleinerer Neubauanlagen und Mehrkostenobergrenzen. Meine Frage: Wie sollen solche Parameter EU- und verfassungsrechtlich unbedenklich in ein Gesetz Eingang finden, dessen eigentlicher Zweck der Klimaschutz sein sollte?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Wir müssen die gesamte Selbstverpflichtung gesetzlich umsetzen, weil die umgelegte Bezuschussung von Modernisierungen und dem Neubau von Anlagen ein tragendes Element ist. Wir müssen dies hierzulande sowohl europarechtlich wie verfassungsrechtlich festlegen. Das ist in Arbeit. Wir sind absolut zuversichtlich, dass wir diese beiden Aufgabenstellungen bis Mitte August erledigt haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Gibt es weitere Fragen zu diesem Themenkomplex? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann bedanke ich mich bei dem Herrn Wirtschaftsminister. Wir kommen nun zu den freien Fragen im Rahmen der Regierungsbefragung. Herr Eckart von Klaeden hat die erste Frage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Ich nehme Bezug auf eine Meldung der Wochenzeitung „Die Zeit“. Sie meldete heute um 10.40 Uhr, dass aus dem Entwurf des Grundsatzprogramms der Grünen hervorgehe, dass militärische Einsätze der Bundeswehr in Zukunft nur noch mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag beschlossen werden sollen. Weiterhin heißt es in „Der Zeit“: Bundeswehr und NATO sollen zwar nicht mehr wie im gültigen Grundsatzprogramm von 1980 abgeschafft werden, aber „aufgelöst“ werden. Darf ich Sie fragen, ob diese Ansichten eines der beiden Koalitionspartner insbesondere im Hinblick auf den Mazedonien-Einsatz in der Kabinettssitzung eine Rolle gespielt haben? ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es antwortet Herr Staatsminister Schwanitz. ({0})

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Herr Abgeordneter, dies hat keine Rolle gespielt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der Kollege Koppelin hat ebenfalls eine Frage an die Bundesregierung. Bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich Sie fragen, ob das Thema Mazedonien heute im Kabinett eine Rolle gespielt hat? Wenn ja, dann bitte ich Sie, einmal zu sagen, in welcher Form.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter Koppelin, das ist nicht angesprochen worden. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Damit ist die Regierungsbefragung abgeschlossen. Normalerweise könnten wir jetzt nahtlos in die Fragestunde übergehen. Aber da die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch noch nicht anwesend ist, mache ich den Vorschlag, die Sitzung zu unterbrechen. In einer Viertelstunde würde ich dann die Fragestunde aufrufen. ({0}) - Wir müssen uns jetzt schnell mit den Parlamentarischen Geschäftsführern einigen. Ich unterbreche die Sitzung für wenige Augenblicke. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Es bleibt dabei, dass die Sitzung für 15 Minuten unterbrochen wird und dass wir dann planmäßig mit den dringlichen Fragen aus dem Bereich des Bundesministeriums für Gesundheit fortfahren. Ich denke, wir sollten den parlamentarischen Brauch, mit den dringlichen Fragen zu beginnen, beibehalten. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 14/6499, 14/6537 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage des Abgeordneten Wolfgang Lohmann ({0}) ({1}) auf: Wird die Bundesregierung dem Vorschlag des SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck und des Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag, Klaus Kirschner, folgen und zur Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung die so genannte Positivliste für Arzneien, deren erster Entwurf am 3. Juli 2001 von der beauftragten Expertenkommission einstimmig beschlossen wurde, noch in diesem Jahr in das parlamentarische Normgebungsverfahren einbringen ({2})? Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch zur Verfügung.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Sehr geehrter Herr Kollege, die so genannte Positvliste der verordnungsfähigen Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung wird als Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Die Bundesregierung legt großen Wert darauf, dass die Positivliste sorgfältig vorbereitet und in den Fachkreisen intensiv erörtert wird. In einem ersten Schritt bereitet das Institut für die Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, das aus unabhängigen Sachverständigen besteht, einen Vorschlag vor, den es an das Bundesministerium für Gesundheit übergibt. Das Institut hat am 29. Juni 2001 den Entwurf eines solchen Vorschlags einstimmig beschlossen, der nunmehr an die Fachkreise zur Stellungnahme versandt werden wird. Die dann eingehenden Stellungnahmen werden vom Institut aufgearbeitet, bewertet und führen gegebenenfalls zu Änderungen am Entwurf der Vorschlagsliste. Wann das Institut den Vorschlag fertig stellen und dem Bundesministerium für Gesundheit übergeben kann, hängt insbesondere vom Umfang der eingehenden Stellungnahmen ab. Das Bundesministerium für Gesundheit wird auf der Grundlage des Vorschlags des Instituts den Entwurf einer Rechtsverordnung erstellen. Auch dieser wird das im Gesetz vorgesehene Anhörungsverfahren durchlaufen. Nach Überarbeitung wird das Bundesministerium für Gesundheit das Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie herbeiführen und den Entwurf der Rechtsverordnung dem Bundesrat zur Zustimmung zuleiten. Wie viel Zeit jeder dieser Schritte beanspruchen wird, kann nicht genau vorhergesagt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit geht nach grober Schätzung bisher davon aus, dass die Positivliste etwa Anfang des Jahres 2003 in Kraft treten kann. Die Bundesregierung wird das Verfahren unter Wahrung der Qualität, der Transparenz und der Rechtssicherheit der Vorschlagsliste so zügig wie möglich durchführen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der Kollege Lohmann hat das Wort zu einer Nachfrage.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, was sagt die Bundesregierung dazu, dass die „Süddeutsche Zeitung“ am 12. April 2001 geschrieben hat, die Bundesgesundheitsministerin habe der pharmazeutischen Industrie im Zusammenhang mit dem Kompromiss über die Festbeträge bei Arzneimitteln das Zugeständnis gemacht, die Positivliste nicht vor dem Jahr 2003 umzusetzen?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe Ihnen soeben den Ablauf, wie mit der Positivliste umgegangen wird, vorgetragen. Das ist im Gesetz geregelt. Andere Behauptungen entbehren jeglicher Grundlage.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Nachfrage des Kollegen Lohmann, bitte.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung - in diesem Fall frage ich Sie, Frau Staatssekretärin - der gleichen Meinung wie die Kollegen Struck und Kirschner, die derselben Fraktion wie Sie angehören, dass mit der Einführung der Positivliste eine finanzielle Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung verbunden ist? Wie hoch beziffern Sie diese gegebenenfalls?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Bundesregierung geht im Wesentlichen davon aus, dass mit der Einführung einer Positivliste eine enorme Qualitätsverbesserung der Arzneimittelversorgung unserer Bevölkerung verbunden ist. Eventuelle Einspareffekte lassen sich nicht in Mark und Pfennig belegen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Inzwischen habe ich eine ganze Liste von Kolleginnen und Kollegen, die eine Nachfrage stellen möchten. ({0}) Die erste Nachfrage stellt der Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nach Ihren Antworten auf die Fragen des Kollegen Lohmann möchte ich Sie fragen, Frau Staatssekretärin - Sie haben Ihre Antwort vorgelesen -: Kann ich davon ausgehen, dass die Antwort, die Sie uns soeben gegeben haben, wirklich korrekt ist oder muss ich damit rechnen, dass Ihre Ministerin sie wieder dementiert und korrigiert, wie es am Wochenende geschehen ist?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Wir haben das abgesprochen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nun darf der Kollege Storm eine Nachfrage stellen.

Andreas Storm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Bundesgesundheitsministerin hat am Wochenende mehrfach erklärt, dass die Positivliste überhaupt keine nennenswerten Kostendämpfungseffekte habe. Teilen Sie diese Auffassung? Warum wird dieses Instrument von Ihrer Seite trotzdem noch immer fast täglich in der Debatte um die Vermeidung von Beitragssatzsteigerungen gefordert?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass es durch Qualitätsverbesserungen auch zu Beitragsentlastungen kommen kann. Die Positivliste wird eine solch nennenswerte Qualitätsverbesserung darstellen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Als Nächster stellt der Kollege Horst Seehofer eine Nachfrage, dem ich an dieser Stelle im Namen des gesamten Hauses ganz herzlich zum Geburtstag gratuliere und alles Gute wünsche. ({0})

Horst Seehofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002140, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, wie wollen Sie Negativwirkungen dieser Positivliste auf die Patienten vermeiden? Alle Medikamente, die künftig nicht mehr auf dieser Liste stehen und trotzdem vom Patienten gewünscht werden, sind ja zu 100 Prozent von ihm zu bezahlen, auch wenn sie vom Arzt verschrieben werden. Haben Sie an diesen Sachverhalt gedacht? Wie wollen Sie soziale Härten - vor allem chronisch Kranke sind im Hinblick auf die Bioverträglichkeit auf bestimmte Medikamente, die Sie ausgrenzen wollen, angewiesen - und eine Qualitätsverschlechterung vermeiden? ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Positivliste wird so ausgestaltet, dass sie Arzneimittel für sämtliche Erkrankungen, die behandelbar sind, enthält. Sie enthält nur solche Medikamente, deren Wirksamkeit und Qualität eindeutig nachgewiesen wurden. Wir können also davon ausgehen, dass auf der Positivliste für jede Erkrankung und für jedes Krankheitsbild ausreichend Medikamente aufgeführt sind, die Qualität dieser Medikamente nachgewiesen ist, die Positivliste - so ist es vom Gesetz vorgeschrieben - ständig um neue innovative Medikamente ergänzt wird und alle auf der Positivliste stehenden Medikamente zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschrieben werden können. Ich sehe überhaupt keine Gefahr, dass Patientinnen und Patienten das, was medizinisch notwendig ist, aufgrund wirtschaftlicher Kriterien nicht erhalten können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Bergmann-Pohl, Ihre Nachfrage, bitte.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, die Positivliste ist ja nicht etwas völlig Neues. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass bei Abschaffung der Positivliste durch das 5. SGB V-Änderungsgesetz im Jahre 1995 das Land Niedersachsen unter der Führung des heutigen Bundeskanzlers im Bundesrat der Abschaffung zugestimmt hat, und zwar aus Gründen der mangelnden Sinnhaftigkeit einer solchen Positivliste? ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Positivliste dieser Regierung unterscheidet sich von der Positivliste Ihrer Regierung im Wesentlichen dadurch, dass sämtliche Krankheitsbilder berücksichtigt werden. Das war bei der damaligen Positivliste nicht der Fall; ich denke nur an das Krankheitsbild der Demenz.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Frage stellt die Kollegin Irmgard Schwaetzer.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie argumentieren so, als gäbe es diese von Ihnen gerade so hochgelobte Positivliste bereits. Sie haben aber in Ihrer ersten Antwort auf die Frage gesagt, dass Sie noch einen unbestimmten Zeitraum benötigen, um über das zu diskutieren, was in dieser Liste stehen soll. Demnach kann es sich bei Ihren Aussagen im Moment nur um Annahmen handeln. Was mir nicht in den Kopf gehen will, ist, dass diese Regierung überhaupt keine Vorstellung davon hat, wie lange ein solcher Prüfungszeitraum dauert. Ich würde von Ihnen gerne wissen, ob Sie noch vor der Bundestagswahl 2002 einen entsprechenden Verordnungsentwurf vorlegen und in das Gesetzgebungsverfahren einbringen werden oder ob Sie sich mit diesem Verfahren nicht vielmehr über die Bundestagswahl hinwegretten wollen, um anschließend, was sehr vernünftig wäre, keine Positivliste aufstellen zu müssen.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Sehr geehrte Kollegin, ich habe Ihnen vorhin gesagt, dass es einen Vorschlag der Kommission gibt. Den gesamten Verfahrensablauf bestimmt nicht die Bundesregierung. Dieser ist vom Parlament gesetzlich geregelt worden. Die Bundesregierung hält sich an diese gesetzlichen Regelungen. Dieser Vorschlag wird jetzt allen Kreisen, der Pharmaindustrie, den Krankenkassen, den Patientenverbänden und den von diesem Bereich betroffenen Kreisen, zur Stellungnahme zugeleitet. Ich hatte Ihnen gesagt, dass auch das Gesetz mögliche Korrekturen zulässt, zum Beispiel, wenn Unterlagen nachgereicht werden, die bei Erstellung der Vorschlagsliste nicht vorhanden waren. Dieses Verfahren werden wir zeitlich so durchführen, wie es im Gesetz geregelt ist. Wir werden das gründlich und solide durchführen. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass wir davon ausgehen, dass wir bei guter und zügiger Arbeit, aber immer die Qualität im Auge behaltend, Anfang 2003 - das hatte ich in der Antwort auf die erste Frage von Herrn Lohmann gesagt - die Positivliste zur Verfügung stellen können. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist der Kollege Eckart von Klaeden mit seiner Nachfrage an der Reihe. ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich kann Ihnen das sagen: Im Herbst 2002 läuft ein ausgesprochen transparentes Verfahren, an dem Sie alle teilhaben können. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das war jetzt ein Dialog außer der Reihe.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Diese Regierung wird ihre Arbeit, die notwendig ist, nicht einstellen, weil Wahlen sind.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist aber wirklich der Kollege Eckart von Klaeden mit seiner Nachfrage an der Reihe.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben im Hinblick auf die Positivliste von „Einspareffekten“ gesprochen, die nicht in Mark und Pfennig zu berechnen seien. Deswegen frage ich Sie erstens: Auf welcher Grundlage werden denn im Gesundheitsministerium Einspareffekte berechnet? ({0}) Zum Zweiten: Zu welchen Ergebnissen hat das geführt?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich hatte Ihnen bereits gesagt, dass es das Bestreben dieser Bundesregierung ist, die Qualität der Arzneimittelversorgung sicherzustellen, ({0}) das permanent zu tun und eine Hilfe auch bei der Auswahl für die Arzneimitteltherapie an die Hand zu geben. Das steht im Vordergrund. Wenn - was aus anderen Ländern bekannt ist - bei den verschiedensten Krankheitsbildern eine vernünftige Arzneimitteltherapie am Ende auch zu guten Ergebnissen führt, sodass manche Folgeschäden bei Patientinnen und Patienten vermieden werden können, dann ist das ein Ergebnis in Bezug auf die Qualität. Aber am Ende wird es sich auch in Geld ausdrücken. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt kommt der Kollege Zöller mit seiner Nachfrage.

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, Sie wollten die Positivliste hauptsächlich aus Gründen der Wirksamkeit der Arzneimittel. Ist es nicht so, dass in Deutschland ein Mittel nur dann als Arzneimittel zugelassen werden darf, wenn seine Wirksamkeit im Zulassungsverfahren nachgewiesen werden kann? Wenn Sie dies also machen wollen, müssten Sie das Zulassungsverfahren ändern und bräuchten nicht eine neue Positivliste. Wenn Sie aber einen anderen Weg gehen wollen, dass Sie nämlich einen zusätzlichen Wirksamkeitsnachweis in Form der Positivliste einführen, dann werden Sie wohl erleben, dass alle Naturheilmittel aus dieser Liste herausfallen.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Naturheilmittel können aus dieser Liste gar nicht herausfallen, weil sie sich im Anhang der Liste befinden. Das ist im gültigen Gesetz geregelt. Zu dem zweiten Bereich kann ich Ihnen sagen, dass in die Positivliste - das ist ebenfalls geregelt - alle Arzneimittel kommen, die den Wirkungsnachweis, die EU-Zulassung haben. Aber, Herr Zöller, Sie wissen genauso gut wie ich: Eine Reihe von Arzneimitteln, die bei uns auf dem Markt sind, haben diesen Wirkungsnachweis nicht; mit ihnen haben wir zum Teil auch gute Erfahrungen gemacht. Die wollen wir behalten. Aber die anderen, bei denen man diesen Nachweis nicht erbringen kann und die nicht nach den neuen Kriterien zugelassen sind, sollten nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Die kann man sich letztendlich auch so besorgen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nach der dringlichen Frage und der Vielzahl von Nachfragen rufe ich jetzt zum selben Fragenkreis nacheinander die Fragen 41 bis 45 auf, da diese nach Ziffer 10 der Richtlinien für die Fragestunde ebenfalls vorgezogen werden. Wir kommen zuerst zur Frage 41 des Kollegen Horst Seehofer: Kann Bundeskanzler Gerhard Schröder die Aussage der „Süddeutschen Zeitung“ vom 27. Juni 2001, im Bundeskanzleramt sei ein Strategiepapier zum Vorhaben des Bundesministeriums für Gesundheit für die nächste Legislaturperiode unter dem Titel „Fortführung der Gesundheitsreform“ erarbeitet worden, bestätigen?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Herr Kollege, ein Strategiepapier des Bundeskanzleramtes existiert nicht, sondern nur eine unverbindliche Sichtung von einschlägig bekannten Diskussionsbeiträgen durch die Fachebene ohne jegliche Handlungsempfehlung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Seehofer. Bitte.

Horst Seehofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002140, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, kann Ihre Aussage überhaupt zutreffen, wenn Anfang dieses Jahres der Bundeskanzler in der Zeitschrift „Die Neue Gesellschaft Frankfurter Hefte“ wörtlich Folgendes ausgeführt hat: Ein Gesundheitswesen ohne finanzielle, geistige und in diesem Fall buchstäblich körperliche Selbstbeteiligung der Versicherten ist nicht mehr vorstellbar. Außerdem hat der Staatsminister beim Bundeskanzler, der Kollege Bury, im Frühjahr 1999 gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärt, dass bei der gesetzlichen Krankenversicherung niedrige Tarife angeboten werden sollten, die nur Unfälle und schwere Krankheiten abdecken, und dass die Behandlung kleinerer gesundheitlicher Probleme durch die Versicherten selbst zu zahlen ist. Diese Gedanken finden sich in dem Papier wieder. Inwieweit können Sie Ihre Aussage aufrechterhalten, dass es nur eine Beamtenmeinung sei, wenn die Chefs des Hauses in öffentlichen Verlautbarungen und namentlich gezeichneten Artikeln genau diese These wiedergegeben haben? Teilen Sie die Meinung des Bundeskanzlers, die er zum Ausdruck gebracht hat?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Dazu möchte ich Folgendes sagen: In dem Artikel des Bundeskanzlers findet sich nichts darüber, dass die Eigenbeteiligungen, die bereits in diesem System vorhanden sind - die Zuzahlungen sind ja von Ihnen nicht unerheblich heraufgesetzt worden; das musste von uns nach unten korrigiert werden -, ausgeweitet werden. Ich bin daher der festen Überzeugung, dass an diesem Punkt nichts geändert wird. Dass wir im Bereich der Prävention - da ist auch die Ministerin mit dem Bundeskanzler einer Meinung - sehr viel mehr tun müssen, spiegelt sich auch darin wider, dass wir mit der Gesundheitsreform 2000 der Prävention einen sehr viel höheren Stellenwert einräumen. An der Prävention muss sich aber der Versicherte immer selbst aktiv beteiligen, wenn sie Wirkung zeigen soll.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Seehofer hat noch eine weitere Nachfrage.

Horst Seehofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002140, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da Sie offensichtlich - wie wir gerade gehört haben - eine sehr große Neigung haben, Maßnahmen im Gesundheitswesen erst zu Beginn des Jahres 2003, also ein Vierteljahr nach der Bundestagswahl, in Kraft zu setzen, will ich fragen: Können Sie heute definitiv ausschließen, dass dieses Strategiepapier des Kanzlerministers und die persönlichen Meinungen des Kanzlers und seines Kanzleramtschefs in den nächsten Monaten oder gar erst nach der Bundestagswahl - wenn Sie weiterhin die Verantwortung haben Grundlage Ihrer Politik werden könnten?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Gesundheitsministerin hat einen runden Tisch eingerichtet. Dort und in verschiedenen Arbeitsgruppen wird darüber diskutiert, wie das Gesundheitswesen der Zukunft aussehen soll. Das wird die Grundlage für unsere Vorschläge sein, die wir dann dem Parlament unterbreiten, damit die eventuell weiter notwendigen Gesundheitsreformmaßnahmen für das Jahr 2003 beraten werden können. Wir haben eine ganze Reihe von Regelungen in Angriff genommen, die ebenfalls im Jahre 2003 in Kraft treten werden, zum Beispiel die Einführung der Fallpauschalen im Krankenhauswesen. Ich kann Ihnen versichern, dass es bei uns im Hause keine Ansätze gibt, über eine grundsätzliche Änderung der solidarisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung, über das Sachleistungsprinzip oder über eine eventuelle Ausweitung der Zuzahlungen nachzudenken.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage der Kollegin Kors.

Eva Maria Kors (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001182, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie sprachen eben davon, dass das Strategiepapier nur eine Sichtung sei. Können Sie uns heute erklären, wie die tatsächlichen Richtlinien des Bundeskanzlers in der Gesundheitspolitik sind? ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Regierung und die sie tragende Koalition haben sehr klare Vorstellungen. Ich sagte bereits, dass wir die Basis der solidarischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verlassen, dass wir - wo möglich - das Sachleistungsprinzip erhalten und dass wir Zuzahlungen senken, wenn es mit der Beitragssatzstabilität vereinbar ist. Wir werden weiterhin die Maßnahmen durchführen, die absolut notwendig sind, um für etwas mehr Wettbewerb zu sorgen. Diese Maßnahmen müssen aber sinnvoll sein, wie es im Krankenhausbereich mit den neuen Tarifen der Fall ist. Wir setzen weiterhin auf eine Verbesserung der Prävention. Absoluten Vorrang hat die Qualität im Gesundheitswesen. Deshalb werden wir im Rahmen des Risikostrukturausgleichs zum Beispiel Programme zur besseren Versorgung von chronisch kranken Menschen auflegen. Das ist ein weiterer Beitrag zur besseren Versorgung und zur Einsparung von Kosten im Gesundheitswesen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt eine Nachfrage der Kollegin Bergmann-Pohl.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Äußerungen des Bundeskanzlers und des Kanzleramtsministers stehen nun einmal im Raum. Dieses so genannte Sichtungspapier ist der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Bekennt die Bundesregierung mit diesen Äußerungen, mit diesem Papier und mit der Abschaffung der Arznei- und Heilmittelbudgets, dass ihre bisherige Gesundheitspolitik gescheitert ist?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die bisherige Politik ist nicht gescheitert. Wir haben eines der besten Gesundheitswesen weltweit. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen über einen längeren Zeitraum für Beitragssatzstabilität gesorgt. ({0}) Die Qualität der gesundheitlichen Versorgung wird schrittweise verbessert. Ein wichtiger Schritt dabei ist sicher, dass wir das Arzneimittelbudget, wie es jetzt existiert, aufheben werden - im Moment ist es noch gültig und dass wir zu anderen Festlegungen, wie Therapien auszugestalten sind, kommen werden. Dass wir uns von der Budgetierung weiter entfernen werden, werden Sie sehr deutlich sehen, wenn Sie in den nächsten Wochen den Entwurf des Ministeriums zur Einführung des neuen Preissystems im Krankenhausbereich bekommen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist der Kollege Andreas Storm an der Reihe.

Andreas Storm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben sich an der durch das Strategiepapier in der vergangenen Woche ausgelösten Diskussion am Wochenende auch durch eigene Vorschläge beteiligt und gefordert, die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung auf jene in der Rentenversicherung zu erhöhen. Ihre Ministerin hat diesen Vorschlag postwendend abgelehnt. War dieser Vorschlag im Ressort abgestimmt und halten Sie diesen Vorschlag trotzdem aufrecht?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe in dem Pressegespräch gesagt, dass es jetzt keine Debatte über eine eventuelle Erhöhung der finanziellen Mittel für die gesetzliche Krankenversicherung geben kann und geben darf und dass im Vordergrund die Verbesserung der Qualität steht. Das machen wir im Rahmen des runden Tisches. Wenn wir das geregelt haben, werden wir sehen, welchen Finanzbedarf die gesetzliche Krankenversicherung hat. Dann werden wir alle Möglichkeiten - eine davon ist sicher die, die ich angedeutet habe - prüfen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Zöller.

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, eine Frage zu Ihrer Äußerung, Sie hätten mit Ihrer so genannten Gesundheitsreform im Gegensatz zu der Vorgängerregierung für stabile Beiträge gesorgt: Stimmen Sie mir zu, dass die Beiträge nach der Verabschiedung der Gesundheitsreform 1992 in den Jahren 1993, 1994, 1995, 1996, 1997 und 1998 stabil waren und dass die AOK gerade in dem Land, aus dem Sie kommen, in Hessen, in diesem Jahr ihren Beitragssatz um einen Beitragssatzpunkt - das sind 7,25 Prozent - erhöht?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich stimme Ihren Ausführungen nicht zu, weil sich in der Zeit von 1991 - ({0}) - In Ihrer Regierungszeit hat sich der Beitragssatz von 12,3 Prozent in 1991 auf 13,6 Prozent in 1998 erhöht. ({1}) Seitdem ist der Durchschnittsbeitragssatz der Krankenkassen sogar geringfügig - auf 13,5 Prozent - abgesenkt worden. Zum 1. Juli 2001 lag dieser Beitragssatz wieder, wie 1998, bei 13,6 Prozent. Nichtsdestotrotz ist es natürlich angebracht, darauf zu achten, dass die Beiträge nicht steigen. Zur AOK Hessen kann ich Ihnen sagen, dass die dortige Beitragssatzsteigerung schon viel früher fällig gewesen wäre. Das trifft nicht nur für die AOK Hessen zu.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Lohmann, Ihre Nachfrage, bitte.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da sich etwa seit Beginn der vergangenen Woche deutlich zeigt, dass man von verschiedenen Personen dieser Regierung sehr unterschiedliche Antworten bekommt, möchte ich jetzt einmal umgekehrt fragen: Glauben Sie denn, dass der Bundeskanzler die von Frau Bundesministerin Schmidt am Wochenende in der Sendung „Berlin direkt“ gemachte Äußerung, die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung der Krankenkassenbeiträge müsse verbreitert werden, zum Beispiel durch die Einbeziehung von Kapitaleinkünften, von Erträgen aus Grundbesitz und von Mieteinnahmen, unterstützen wird?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Für diesen Bereich gilt das Gleiche, was ich vorhin ausgeführt habe. Wir bemühen uns jetzt um Qualitätsverbesserung, ({0}) um Neustrukturierungen im System. Eine Erhöhung der Mittel für das System ist zum augenblicklichen Zeitpunkt nicht das Thema der Debatte. Langfristig wird man im Zusammenhang mit den Fragen: „Was wollen wir in diesem Gesundheitswesen leisten? Was brauchen die Menschen?“ schon alleine aufgrund der demographischen Entwicklung über die Finanzierung reden müssen. Das wird in der langfristigen Perspektive sicher auch ein Moment sein, das neben anderen zur Diskussion steht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen zur Frage 42 des Kollegen Horst Seehofer: Trifft die Aussage der „Süddeutschen Zeitung“ zu, dass in diesem Strategiepapier die Einführung einer Kapitaldeckung für die Altersrückstellung in der Krankenversicherung nach dem Vorbild der Rente angedacht ist?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Entsprechende Planungen gibt es definitiv nicht. Es gibt hierzu lediglich unverbindliche Sichtungen von einschlägig bekannten Diskussionsbeiträgen durch die Fachebene ohne jegliche Handlungsempfehlung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die erste Nachfrage des Kollegen Seehofer.

Horst Seehofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002140, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie uns gerade eindrucksvoll bestätigt haben, dass die Beitragssätze nach der Gesundheitsstrukturreform 1992 von 1993 bis einschließlich 1998 stabil waren - darüber hinaus wurden 1997 und 1998 Milliardenüberschüsse erwirtschaftet -, frage ich Sie: Wie würden Sie - aus der Sicht der Regierung und nicht aus der Sicht des runden Tisches - die Beitragsentwicklung für die Zeit bis Mitte des nächsten Jahres verbindlich einschätzen? ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Wir haben jetzt zwei Erhöhungen gehabt. Ich sehe im Moment nicht, dass weitere Erhöhungen anstehen. Die Reserven, die Sie gehabt haben, Herr Seehofer - daran möchte ich nur erinnern -, ergaben sich nicht aufgrund von Wirtschaftlichkeit, sondern diese Reserven haben sich angesammelt, weil Sie durch eine Erhöhung der Zuzahlungen Gelder eingenommen haben. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Versicherten hierdurch über Gebühr belastet worden sind. Wir gehen davon aus, dass die Maßnahmen, die eingeleitet worden sind bzw. die mit den gesetzlichen Regelungen, die am kommenden Freitag beschlossen werden, eingeleitet werden, langfristig zu Stabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragen werden.

Horst Seehofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002140, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie sich, dass - je nach Umfrage - zwischen zwei Drittel und drei Viertel der Bevölkerung Ihre Gesundheitspolitik nicht mehr verstehen? Glauben Sie, dass Sie mit den Allgemeinplätzen, die Sie heute wieder bieten, dieses hohe Maß an Unverständnis in der Bevölkerung reduzieren können?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Herr Seehofer, ich bin davon überzeugt, dass es keine Allgemeinplätze sind, wenn wir den Menschen mitteilen, dass wir uns mit sehr konkreten Versorgungsprogrammen besonders der Gruppe der chronisch Kranken annehmen. Das wird verstanden werden; darüber mache ich mir gar keine Gedanken. Es ist auch von sämtlichen Gruppen der chronisch Kranken verstanden worden, dass wir die Einführung von Wahl- und Regelleistungen verhindert haben. Wäre es dazu gekommen, hätten die chronisch Kranken vor der Tür gestanden. ({0}) Die Menschen werden auch verstehen, dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass die Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten bleibt. Ferner kann ich Ihnen sagen: Uns liegen Umfragen vor, aus denen hervorgeht, dass die Menschen in der Bundesrepublik mit diesem Gesundheitswesen recht zufrieden sind. Ich meine, wir sollten alle beide daran arbeiten, dass die Zufriedenheit mit diesem System erhalten bleibt. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt folgt die erste Nachfrage des Kollegen Storm.

Andreas Storm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben vorhin erklärt, dass Sie im Zuge der Überlegungen für weitere Reformen Ihren Vorschlag prüfen, die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung auf das Niveau der Rentenversicherung, also deutlich, anzuheben, dass der Vorschlag der Ministerin geprüft wird, in Zukunft auch andere Einkunftsarten, wie Kapitalerträge, Mieteinnahmen oder Zinsen, in die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen. Prüfen Sie auch den Vorschlag der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kollegin Schmidt-Zadel, wonach Rauchen und Alkoholgenuss in Zukunft ebenfalls mit neuen Abgaben zur Sanierung des Gesundheitssystems belegt werden sollen, und welche weiteren zusätzlichen Belastungen werden in Ihrem Hause noch geprüft?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Es werden in unserem Hause überhaupt keine zusätzlichen Belastungen geprüft. ({0}) Sie müssen mich sehr deutlich missverstanden haben. Ich habe nicht gesagt, dass wir diese Vorschläge prüfen; vielmehr handelt es sich einfach um eine Reihe von Diskussionsvorschlägen, die wir regelmäßig ins Haus bekommen; hier wird auf der Arbeitsebene geschaut, was davon zu halten ist. Das ist die ganz normale Arbeitsweise eines Ministeriums. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat Herr Kollege Lohmann das Wort. ({0})

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich stelle nicht dieselbe Frage, sondern gehe auf das ein, was die Staatssekretärin gesagt hat. Sie haben eben gesagt, Ihnen sei außer einer respektive zwei Beitragssatzerhöhungen nichts weiter von Beitragssatzerhöhungen bekannt, und wollten damit darauf verweisen, es handele sich nur um 0,089 Prozent. Nehmen Sie denn Briefe, die Ihnen die verschiedenen Krankenkassen schon geschrieben haben und in denen sie Beitragssatzerhöhungen zum 1. Juli - da ist es jetzt klar - und zum 1. Januar 2002 verbindlich angekündigt haben, nicht zur Kenntnis? Ist das alles nur ein Rauschen im Blätterwald?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Wir haben uns jetzt mit diesen Beitragssatzerhöhungen auseinander zu setzen. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir nach einer geringfügigen Beitragssatzabsenkung in diesem Jahr wieder bei 13,6 Prozent liegen, wie es auch im Jahre 1998 der Fall war. Diese Zahl ist sehr passabel. Natürlich nehmen wir es ernst, wenn uns Kassen mitteilen, dass sie Probleme hätten. Deshalb werden wir zum Beispiel auch Veränderungen im Risikostrukturausgleich vornehmen und uns bemühen, das sehr zeitgerecht zu machen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen nun zur Frage 43 des Kollegen Wolfgang Zöller: Trifft die Aussage der „Süddeutschen Zeitung“ vom 27. Juni 2001 zu, dass in einem Strategiepapier des Bundeskanzleramtes die Einführung von Grund- und Wahlleistungen, gepaart mit privaten Zusatztarifen, erörtert wird?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ein Strategiepapier des Bundeskanzleramtes existiert nicht, lediglich eine unverbindliche Sichtung von einschlägig bekannten Diskussionsbeiträgen. ({0}) - Ich antworte auf die Frage 43, die so gestellt worden ist. Dieses Papier ist auf der Fachebene erstellt worden und enthält keinerlei Handlungsempfehlung. Alle Spekulationen, die Sie hier jetzt dazu tätigen, entbehren jeglicher Grundlage.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Zöller hat eine erste Nachfrage.

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin etwas überrascht, dass im Bundeskanzleramt jeder ungeprüfte, unkontrollierte und unsinnige Vorschläge machen zu dürfen scheint und anschließend niemand darüber spricht. ({0}) Es kann doch wohl nicht sein, dass niemand einen Auftrag erteilt hat. Deshalb die Frage an Sie: In wessen Auftrag ist dieses so genannte unverbindliche Sichtungspapier erstellt worden?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe Ihnen bereits mitgeteilt, dass es ein Strategiepapier, von dem Sie reden, nicht gibt. Wenn es ein solches Papier nicht gibt, dann gibt es dafür auch keinen Auftrag. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Da Herr Kollege Zöller stehen bleibt, hat er offensichtlich eine zweite Nachfrage.

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, dem ist so. - Wenn Sie sagen, dieses Papier gebe es nicht, dann ist also ein Papier vom Bundeskanzleramt nach außen gedrungen, das es gar nicht gibt. Mir fällt es schwer, dies zu verstehen.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass es ein „Strategiepapier“, wie Sie es in Ihrer Frage ausdrückten - ein solches Papier hätte einen völlig anderen Stellenwert -, nicht gibt, sondern dass es ein Arbeitspapier gibt, das leider nach außen gedrungen ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Schauerte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wir sind dankbar, dass jetzt feststeht, dass es ein Papier gibt. ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Das hat nie jemand bestritten.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, Sie haben es ja gerade verneint.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Nein, es geht um den Stellenwert. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sollte zumindest noch verständlich sein, wer hier fragt und wer hier antwortet.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es gibt also ein Papier. Dann haben Sie gesagt, dieses enthalte nur Sichtungspunkte. Was macht man denn mit Sichtungspunkten, die aus dem Kanzleramt kommen und von der Ministerin in der Öffentlichkeit angesprochen werden? Prüft man sie nie oder prüft man sie nur jetzt nicht? Prüft man sie später oder tut man so, als hätte es sie nie gegeben? Was sollen Vorschläge und Sichtungspunkte, wenn sie nicht geprüft werden? Warum haben Sie das in Abrede gestellt?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Es gehen uns immer sehr viele Vorschläge zu. Ein Strategiepapier ist anders als ein Sichtungspapier zu beurteilen. Wenn es ein nennenswertes Papier wäre, dann enthielte es Handlungsoptionen. Es gibt aber keinerlei Handlungsempfehlungen. ({0}) - Nein, wir prüfen es nicht, sondern wir lesen es.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt wieder eine Reihe von Kollegen, die nachfragen wollen. Ich fange mit Herrn Seehofer an.

Horst Seehofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002140, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, trifft es zu, dass Ihre Ministerin über dieses Papier mit dem Bundeskanzler gesprochen und ihr Befremden zum Ausdruck gebracht hat, dass im Bundeskanzleramt am Bundesgesundheitsministerium vorbei ein Strategiepapier - jedenfalls aus der Sicht des Bundeskanzlers - gefertigt wurde? ({0}) Trifft es zu, dass ein solches Gespräch stattgefunden hat und darüber Befremden geäußert wurde?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Da es das Strategiepapier nicht gegeben hat, kann es auch dieses Gespräch nicht gegeben haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist der Kollege Fromme an der Reihe.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, in wessen Auftrag und von wem ist dieses Papier erstellt worden? ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Es gibt keinen Auftrag zur Erstellung dieses Papieres. Das haben wir schon gehabt. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte darum, ein Stück weit auf die Form zu achten.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich hatte vorhin gesagt: Ein Strategiepapier des Bundeskanzleramtes existiert nicht, sondern eine unverbindliche Sichtung von einschlägig bekannten Diskussionsbeiträgen durch Mitarbeiter der Fachebene, und zwar ohne jegliche Handlungsempfehlung. Die Spekulationen, die Sie hier diesbezüglich immer wieder anstellen, entbehren nach wie vor jeglicher Grundlage. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Nachfragende ist der Kollege Storm. ({0})

Andreas Storm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da Sie uns in der letzten Viertelstunde mehrfach erklärt haben, dass es nicht nur dieses Papier nicht gibt, sondern dass im Bundeskanzleramt auch generell kein Strategiepapier vorhanden ist und dass in den nächsten Monaten über eine Reihe von - wenn auch ungeprüften - Vorschlägen aus Ihren Reihen diskutiert werden soll: Bedeutet das, dass im Bundeskanzleramt und möglicherweise auch im Gesundheitsministerium noch überhaupt keine Strategie hinsichtlich der langfristigen Entwicklung im Gesundheitswesen vorhanden ist?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe Ihnen die Strategie der Bundesregierung im Hinblick auf die langfristige Entwicklung im Gesundheitswesen bereits vorgetragen. Sie orientiert sich an folgenden Punkten: Prävention, Qualität, sozialverträglicher Wettbewerb - und das Ganze solidarisch finanziert. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das war jetzt der anonyme Fragesteller zwischendurch. Jetzt ist der Kollege Weiß an der Reihe. ({0})

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie uns dargelegt haben, dass es ein Papier gibt - egal, ob es als Strategiepapier, Arbeitspapier, Sichtungspapier oder sonst was qualifiziert wird -, und Sie auf mehrere Nachfragen diesbezüglich noch nicht geantwortet haben: Könnten Sie uns bitte sagen, wer den Auftrag zur Abfassung dieses Papiers gegeben hat und wer dieses Papier verfasst hat? Für den Fall, dass Sie diese beiden Fragen wieder damit beantworten sollten, dass es diesen Auftrag und dieses Papier nicht gebe, frage ich Sie, ob es üblich ist, dass im Bundeskanzleramt Beamte ohne jeden Auftrag und ohne Anlass irgendwelche Papiere schreiben. ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass es sich um eine unverbindliche Sichtung von einschlägig bekannten Diskussionsbeiträgen durch Mitarbeiter der Fachebene, und zwar ohne jegliche Handlungsempfehlung, handelt. Das ist immer noch so! ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist die Kollegin Bergmann-Pohl an der Reihe.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, noch einmal - vielleicht auch für die Bevölkerung - zur Klarheit: ({0}) - Herr Kollege, wären Sie so gnädig, etwas ruhiger zu sein, damit ich meine Frage stellen kann? - Gibt es nach den unterschiedlichen Äußerungen der Staatssekretärin und der Bundesgesundheitsministerin, der Sichtung von Diskussionsbeiträgen durch Beamte im Kanzleramt und den Gesprächen des runden Tisches im Gesundheitswesen irgendeine klare Strategie? Ich erkenne aufgrund der unterschiedlichen Vorschläge keine. ({1})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich versuche es einfach noch einmal: Wir haben die Gesundheitsreform 2000 eingeleitet, die als wesentliche Elemente Prävention, Qualität und Wettbewerb - und zwar auf solidarischer Finanzierungsbasis - enthält. An diesem Gesundheitsreformwerk arbeiten wir weiterhin. Wir werden zudem noch die Neuordnung des Risikostrukturausgleichs und die Einführung der Fallpauschalen im Krankenhausbereich abzuschließen haben. Die vorhin erwähnte Positivliste gehört ebenfalls dazu. Die Ministerin hat alle Beteiligten zum runden Tisch eingeladen, der von Arbeitsgruppen begleitet wird, um über die zukünftige Entwicklung im Gesundheitswesen zu diskutieren. Dort wird man unter Sichtung der augenblicklichen Situationen in unserem Gesundheitswesen darüber nachdenken, wie die zukünftige Gesundheitsversorgung aussehen soll und was man dazu brauchen wird. Diese Vorschläge werden dann öffentlich und auch mit den Fraktionen eingehend diskutiert werden. Am Ende wird man alle Möglichkeiten, alle Optionen gesichtet und gewertet haben und dann legen wir Ihnen ein Programm vor. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Nachfrage kommt vom Kollegen Straubinger.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben vorhin auf die Frage des Kollegen Seehofer geantwortet: Da es kein Strategiepapier gibt, kann es auch keine Auseinandersetzungen darüber gegeben haben. Meine Nachfrage dazu: Gab es denn über die Auflistung dieser Punkte, über das Diskussionspapier oder das Geschriebene insgesamt eine Auseinandersetzung zwischen der Ministerin und dem Bundeskanzler?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die letzte Nachfrage zu diesem Komplex kommt vom Kollegen Lohmann.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, der hier anwesende Geschäftsführer Ihrer Fraktion, Herr Schmidt, der sich eben schon durch Zurufe bemerkbar gemacht hat, hat in der vorigen Woche auf die Frage eines Journalisten, ob im Ministerium an dem Grundkonzept einer neuen Reform gearbeitet würde, geantwortet: Ja, daran wird gearbeitet. ({0}) - Nehmen Sie es ruhig ernst. - Auf weiteres Nachfragen hat er gesagt: Ob die Details eines solchen Papiers noch vor oder erst nach der Wahl bekannt gegeben werden, kann ich nicht sagen. Wie passt diese Aussage zu der Aussage Ihrer Ministerin, die noch am 21. Mai dieses Jahres auf dem Bundesärztetag gesagt hat: Entgegen anders lautenden Meinungen und Behauptungen - damit war unter anderem ich gemeint - wird im Ministerium nicht an einem Konzept gearbeitet. ({1})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe Ihnen doch gerade die Funktion des runden Tisches und seine Bedeutung für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens erläutert. Ich habe Ihnen zudem erläutert, welche Gesetzesvorhaben wir noch in dieser Legislaturperiode zu Ende bringen werden, und auch schon neulich im Plenum gesagt, dass ich überhaupt nichts davon halte, wenn man glaubt, man müsse dieses langfristig angelegte Gesundheitswesen, das sich bewährt hat, jede Woche einmal umgraben. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich Frage 44 des Kollegen Wolfgang Zöller auf: Trifft die Aussage der „Süddeutschen Zeitung“ vom 27. Juni 2001 zu, dass in diesem Strategiepapier des Bundeskanzleramtes der Vorschlag für ein Angebot mit mehreren Versicherungstarifen bei Beibehaltung des vollen Anspruchs auf alle notwendigen Leistungen in jedem Tarif gemacht wird?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Auch hierzu gibt es definitiv keine Planung des Bundeskanzleramtes. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort auf Frage 43.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Zöller zu einer Nachfrage, bitte.

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, würden Sie es dann nicht für sinnvoll halten, wenn wir uns als Politiker nicht jeden Tag mit neuen Meldungen aus Ihrem Haus und Ihrer Fraktion auseinander setzen müssten, die gerade das Gegenteil beweisen? Die Gesundheitsministerin zum Beispiel sagt: Abgaben auch auf Kapitaleinkünfte. ({0}) Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion sagt: Abgaben auch auf Tabak und Alkohol. ({1}) Von einem exzellenten Gesundheitspolitiker Ihrer Fraktion heißt es: Verbreiterung der Beitragsbemessungsgrundlage. Wäre es nicht ehrlicher, den Leuten vor der Wahl zu sagen, was man will, statt jedem Interessentenkreis in Form von vagen Ankündigungen sozusagen ein Butterbrot hinzuwerfen und dann nach der Wahl die Rechnung für den Patienten zu präsentieren? ({2})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe bereits ausgeführt, welche Dinge für dieses Jahr zu erwarten sind - einschließlich der Positivliste - und was wir im Jahr 2003 angehen werden. Womit Sie sich täglich auseinander setzen, liegt nicht in meiner Entscheidungsbefugnis. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich die Frage 45 des Kollegen Wolfgang Lohmann auf: Ist es mit Blick auf die nach Aussagen der gesetzlichen Krankenkassen in diesem und im nächsten Jahr unumgänglichen Beitragssatzanhebungen nicht dringend geboten, noch vor der nächsten Bundestagswahl aus dem im Bundeskanzleramt entwickelten Strategiepapier ({0}) ein Konzept für eine Gesundheitsreform zu erarbeiten? Das ist jetzt die letzte Frage zu diesem Themenkomplex.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Bundesregierung hat bereits mit dem GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz und der Gesundheitsreform 2000 in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode wichtige Weichenstellungen zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Weg gebracht, die derzeit von den Beteiligten im Gesundheitswesen umgesetzt und vom Ministerium begleitet werden. Mit dem bereits in erster Lesung im Deutschen Bundestag beratenen Gesetzentwurf zur Ablösung der Arzneimittelbudgets und der Reform des Risikostrukturausgleichs haben wir dem Parlament weitere wichtige zukunftsorientierte Gesetzentwürfe vorgelegt, die die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Arzneimittelversorgung verbessern und die Voraussetzungen für einen gerechten Wettbewerb der Krankenkassen schaffen werden. Bei dem Ziel eines gerechten Wettbewerbs ist es uns wichtig, dafür zu sorgen, eine verbesserte Versorgung chronisch kranker Patienten zu bekommen und nicht nur einen Wettbewerb um den jungen, gesunden Patienten zu haben. Mit dem von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bereits im Mai einberufenen runden Tisch wurden die weiteren notwendigen Schritte zur mittel- und langfristigen Reform in der Krankenversicherung eingeleitet. Hektische und überstürzte Beratungen des Gesetzgebers helfen uns an dieser Stelle nicht weiter. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Lohmann hat eine erste Nachfrage.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, man hört immer, welche Maßnahmen auf den Weg gebracht worden sind. Dabei wird der Eindruck erweckt, als hätte in diesem Jahr durch die Ernennung der neuen Gesundheitsministerin ein Regierungswechsel stattgefunden. Wann darf man nun damit rechnen, dass die auf den Weg gebrachten Maßnahmen - vor allem die Maßnahmen, die unmittelbar nach der Wahl auf den Weg gebracht worden sind - ihre positive Wirkung so entfalten, dass wellenartige Beitragssatzerhöhungen ausbleiben?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Herr Lohmann, die positiven Wirkungen sind bereits sichtbar geworden: Wir haben das Krankenhausnotopfer, das Sie den Leuten abverlangt haben, abgeschafft, bei den chronisch Kranken Zuzahlungen in Milliardenhöhe heruntergefahren, Patientinnen und Patienten entlastet und damit die Solidarität in dem System wieder verbreitert. Wir erwarten nicht eine Solidarität nur unter den Kranken, sondern eine Solidarität unter allen Versicherten. ({0}) Das sind nur einige wenige Punkte; aber diese sind, so glaube ich, sehr wichtig. Wir haben mit dem Gesetz auch die Reform des Krankenhausbereichs begonnen. Ich möchte Sie nur daran erinnern: Man kann ein Gesundheitswesen nicht reformieren, indem man ein Gesetz auflegt, mit dem man die Ausgaben um ein paar Milliarden Mark kürzt. Die Folge wären - ich sagte es bereits vorige Woche - Arbeitsplatzverluste, zerstörte Strukturen und am Ende noch weitere Probleme. Das sind die Wirkungen, die Sie mit Ihrem Kürzungsgesetz bei Kur- und Rehamaßnahmen herbeigeführt haben. Daraus haben wir gelernt, Umsteuerungen im Gesundheitswesen so auszugestalten, dass sie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verträglich sind und sich Patientinnen und Patienten sowie Versicherte darauf einstellen können. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Lohmann hat eine zweite Nachfrage.

Wolfgang Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Offenbar gehört eine große Geduld - möglicherweise über mehrere Wahlperioden - dazu, um die Realisierung Ihrer eigenen Versprechungen zu erleben, nämlich die Beitragssätze so zu senken, dass der Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung unter 40 Prozent sinkt oder zumindest stabil gehalten wird. Kann es sein, dass Ihr Grundkonzept ist: Wir haben das Ziel, möglichst lange an der Regierung zu bleiben, und irgendwann wird das eintreten, was wir versprochen haben?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Es wird nicht „irgendwann“ dazu kommen. Ich habe Ihnen aufgezählt, in welchen Bereichen wir bereits Veränderungen erreicht haben. Als Nächstes wollen wir die Positivliste einführen und Verbesserungen im Krankenhausbereich erzielen. Wir werden bis Ende 2003 ordentlich zu arbeiten haben. Wir werden dies mit Augenmaß tun; unsere Arbeit wird zu einem Erfolg für die gesetzliche Krankenversicherung führen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Auch bei diesem Punkt geht es nicht ohne Nachfragen anderer Kollegen. ({0}) Als erstem Nachfrager erteile ich dem Kollegen Seehofer das Wort.

Horst Seehofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002140, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben in den letzten Tagen von Äußerungen Ihrer Ministerin abweichende Meinungen vertreten. Ich habe gehört, dass diese Tatsache zu einem Gespräch zwischen Ihnen und Ihrer Ministerin geführt hat und Sie von Ihrer Ministerin darauf hingewiesen worden sind, Staatssekretäre hätten für den jeweiligen Minister eine Hilfsfunktion zu erfüllen und könnten daher nicht abweichende Meinungen in der Öffentlichkeit vertreten. Ist es zutreffend, dass Sie - entgegen dem Geschäftsverteilungsplan des Ministeriums - aus dem normalen Geschäftsgang der Vorlagen herausgestrichen worden sind und die Ministerin die Vorlagen nun direkt bekommt? ({0})

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

An einem solchen Gespräch war ich nicht beteiligt. Es hat nicht stattgefunden, Herr Seehofer.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Storm, Sie haben eine Nachfrage.

Andreas Storm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem eine Reihe von Kassen bereits in den letzten Tagen - zum 1. Juli - erhebliche Beitragssatzerhöhungen durchgeführt hat, hat heute das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln ein Papier veröffentlicht, in dem es heißt, dass die bisherigen Steigerungen nur die Spitze eines Eisberges seien und weitere Beitragssatzerhöhungen in den nächsten Monaten folgen würden. Damit würde das Ziel der Bundesregierung, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag unter 40 Prozent zu drücken, in weite Ferne rücken. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Mit welchem durchschnittlichen Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung rechnet das Bundesgesundheitsministerium für das Jahr 2002?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe Ihnen gesagt: Wir sind im Augenblick bei 13,6 Prozent; wir waren bei 13,5 Prozent. Wir haben jetzt eine Erhöhung von 0,08 Prozent gehabt. Das Papier, das Sie hier zitieren, kenne ich nicht. Bevor ich mich dazu äußere, möchte ich es gerne einmal lesen. (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie sollten ja nicht aus dem Papier antworten!

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist der Kollege Hauser mit seiner Nachfrage dran.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal nachhaken - der Kollege Seehofer stellt so eine Frage sicherlich nicht ohne entsprechende Informationen -: Hat es definitiv kein Gespräch zwischen der Ministerin und Ihnen gegeben, in dem Sie auf Ihre öffentlichen Äußerungen angesprochen und dafür in irgendeiner Form gerügt worden sind?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Dieses Gespräch hat es nicht gegeben. ({0}) - Definitiv.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich schließe diesen Themenkomplex ab und bedanke mich für das einstündige Antwortmarathon bei der Parlamentarischen Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch. ({0}) Nachdem die dringliche Frage und die Fragen des entsprechenden Geschäftsbereichs aufgerufen und beantwortet worden sind, rufe ich jetzt die übrigen Fragen in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Eva BullingSchröter auf: Wie sollen Bürgerinnen und Bürger ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit durch Einsichtnahme in Genehmigungsunterlagen und Erörterung der geplanten Maßnahmen zur Vorsorge gegen Beeinträchtigungen wahrnehmen, wenn im atomrechtlichen Verfahren für dezentrale Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente Behältertypen mit genehmigt werden sollen, für die nach Auskunft des Bundesamtes für Strahlenschutz weder eine verkehrsrechtliche Genehmigung noch eine Lagergenehmigung noch irgendwelche hinreichenden technischen Beschreibungen außer den voraussichtlichen Typenbezeichnungen der Hersteller bekannt sind ({1})?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Sehr verehrte Kollegin Bulling-Schröter, im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung in den Genehmigungsverfahren zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen nach § 6 des Atomgesetzes werden Antrag, Kurzbeschreibung, Sicherheitsbericht und Unterlagen zur Umweltverträglichkeit ausgelegt. Auf Basis dieser Unterlagen wurden bisher in zwölf von 18 Genehmigungsverfahren Einwendungen erhoben und fanden Erörterungstermine statt. Es ist richtig, dass nach den bisher vorliegenden Anträgen auch solche Transport- und Lagerbehälter in den Standortzwischenlagern zur Genehmigung beantragt sind, die noch keine verkehrsrechtliche Zulassung als Typ-B({0})-Versandstückmuster haben. Eine Zulassung wird für die Erteilung einer Genehmigung nach § 4 AtG vorausgesetzt. Nach den Antragsunterlagen der Antragsstellerinnen sollen nur solche Behälter eingelagert werden, für die zum Zeitpunkt der Einlagerung eine verkehrsrechtliche Zulassung besteht. Dies geht auch aus den Sicherheitsberichten, die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 6 AtVfV - das ist die Atomrechtliche Verfahrensverordnung - ausgelegt werden, hervor. In Ihrer Frage wird davon ausgegangen, dass in den Genehmigungsverfahren für abgebrannte Brennelemente Behältertypen mit genehmigt werden, für die noch keine hinreichenden technischen Beschreibungen außer den voraussichtlichen Typenbezeichnungen der Hersteller bekannt sind. Das ist falsch. Die Eignung jedes einzelnen Behältertyps für die Aufbewahrung der jeweiligen abgebrannten Brennelemente wird im Genehmigungsverfahren anhand umfassender und detaillierter Unterlagen im Einzelnen geprüft, bevor die Genehmigung erteilt werden kann.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Bulling-Schröter, Sie haben eine erste Nachfrage?

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, vielen Dank. - Meine weitere Frage: Es gibt ja auch schon getestete Castoren, beispielsweise den Castor V/52, der hierbei auch zum Einsatz kommen soll. Teilt die Bundesregierung die Meinung von Professor Elmar Schlich von der Uni Gießen - der seinerzeit solche Behälter entwickelt hat -, dass der Test dieses neuen Castors V/52 nicht ausreiche?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Wie ich Ihnen schon mitgeteilt habe, werden die Behälter immer im Zusammenhang mit dem jeweiligen Genehmigungsverfahren für das Zwischenlager beurteilt. Das heißt, der Castor V/52, der für Gorleben genehmigt ist, wird in diesem Verfahren noch einmal entsprechend begutachtet werden. Dazu hat es noch keinerlei Tests gegeben. Diese stehen noch aus. Aber, wie gesagt, im Zusammenhang mit der Zwischenlagergenehmigung ist die Eignung nochmals festzustellen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin BullingSchröter hat eine zweite Nachfrage, bitte.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Mich würde interessieren, ob es zusätzliche Tests dieser neuen Lagerbehältertypen gibt oder ob die üblichen genügen, die schon unter der alten Bundesregierung genügt haben.

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die neuen Behälter, die nicht Gegenstand dieses Genehmigungsverfahrens sind, werden entsprechend den rechtlichen und gesetzlichen Vorgaben geprüft werden. Je nachdem, ob es sich um wesentliche oder um geringfügige Veränderungen handelt, finden die entsprechenden öffentlichen Verfahren Anwendung bzw. eröffnen sich Möglichkeiten im Zusammenhang mit Klagerechten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat der Kollege Uwe Hiksch eine Nachfrage

Uwe Hiksch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002677, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, wer die Genehmigungsunterlagen für die drei bayerischen Atomkraftwerksstandorte anschaut, sieht, dass in den Genehmigungsunterlagen bereits von drei neuen Castortypen gesprochen wird. Unter anderem kommt in den Genehmigungsunterlagen ein Castortyp vor, den es noch nicht einmal gibt, sondern der erst entwickelt werden soll. Ich frage Sie hier ganz deutlich: Wie kann es sein, dass eine rot-grüne Bundesregierung keine Probleme damit hat, wenn in Genehmigungsunterlagen für Zwischenlager, zu denen allein in Bayern 140 000 Einwendungen vorliegen, Castoren zur Einlagerung vorgesehen werden, die noch nicht einmal hergestellt sind? Welche Vorteile erhofft sich die Bundesregierung von der Benennung neuer Castortypen?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Verehrter Kollege, ich habe Ihrer Kollegin bereits mitgeteilt, dass die beiden neuen Typen - es sind übrigens zwei, nämlich der Castor VC und der Constor X 69, der Vizepräsidentin Petra Bläss Castor V/52 ist bereits existent und wird in Gorleben eingesetzt - nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Es handelt sich ansonsten, wie ich schon sagte, um ein Genehmigungsverfahren nach dem Atomgesetz bzw. nach den Vorgaben der verkehrsrechtlichen Zulassung, wie es bisher üblich war und auch weiterhin üblich sein wird. Sobald die konkreten Unterlagen vorliegen - Sie haben Recht, sie liegen noch nicht vor, deshalb sind sie auch nicht Gegenstand des Verfahrens -, werden sie entsprechend bewertet werden und dann geht das Verfahren seinen ganz normalen rechtlichen Gang. Des Weiteren möchte ich noch einmal deutlich machen, dass das Verfahren, einen in der Entwicklung begriffenen Typ anzumelden, der dann zu einem entsprechenden Zeitpunkt begutachtet und bei Erfüllung der Vorgaben auch genehmigt wird, nicht ungewöhnlich ist. Es hat bereits Anwendung gefunden, in Gorleben zum Beispiel bei den Typen Castor V/52, V/19 SN 06 und TN 900/1-21 mit den Bauvarianten a, b und c. Insofern ist das auch keine Besonderheit. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der Kollege Schur möchte eine Nachfrage stellen.

Gustav Adolf Schur (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003233, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ist es richtig, dass die eben angesprochenen Behälter in Russland gebaut werden sollen?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Frage, wo diese Behälter hergestellt werden, ist für das Genehmigungsverfahren nicht relevant. Relevant ist, ob das Produkt die Auflagen und gesetzlichen Vorgaben erfüllt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich die Frage 2 der Kollegin Eva Bulling-Schröter auf: Über welche Rechtsmittel verfügen Bürgerinnen und Bürger, wenn sich in ihren Augen herausstellt, dass die technische Vorsorge in Gestalt dieser neuen Behälter, die zu ihrem Schutz getroffen wird, nicht ausreichend ist?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Genehmigung für Behälter ist verwaltungsgerichtlich überprüfbar. Wenn, sobald die entsprechenden Nachweise vorliegen, die Genehmigung für die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in neuen Behältern erteilt wird, können grundsätzlich Bürgerinnen und Bürger, die zuvor Einwendungen erhoben haben und der Meinung sind, dass keine ausreichende Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung getroffen ist, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe Klage gegen den Genehmigungsbescheid bzw. gegen die betreffende Änderungsgenehmigung erheben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Bulling-Schröter, Ihre erste Nachfrage, bitte.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Soweit ich informiert bin, sollen diese Lagerbehälter gemeinsam mit dem Zwischenlager genehmigt werden. Meine Frage: Auf welchem Weg sollen die Betroffenen hinsichtlich der Behälter, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt sind, Zugang zu einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung erhalten? Wie sollen sie die Klage überhaupt substanziell begründen können, wenn ihnen die Prüfberichte nicht vorliegen?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Frau Kollegin, auch hier gibt es ein gesetzliches Verfahren mit entsprechender Beteiligung der Öffentlichkeit. Ich will Ihnen das gerne einmal skizzieren. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, müssen natürlich die konkreten Informationen, die zur Begutachtung notwendig sind, vorhanden sein. Sie werden anschließend atomrechtlich nach § 6 AtG und verkehrsrechtlich nach den Vorgaben der BAM, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, entsprechend geprüft. Sollte es sich um eine wesentliche Veränderung handeln, vergleichbar mit den schon vorhandenen Castortypen, dann wird es ein gesondertes Genehmigungsverfahren geben. Das bedeutet, dass es ein Verfahren mit erneuter Beteiligung der Öffentlichkeit, Einwendungen und Anhörungen geben wird. Handelt es sich nach Prüfung und Entscheidung des BfS nur um eine geringe Änderung, wird es nach Genehmigung für vier Wochen eine Auslegung geben. Dies wird über Presse und Internet entsprechend bekannt gemacht werden. Dann haben die Einwender auf der Grundlage der konkreten Informationen, die aus den ausgelegten Antragsunterlagen hervorgehen, die Möglichkeit zur Klage.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich möchte noch nach den Fristen fragen. Innerhalb welcher Frist nach Bescheidung des Antrages für das dezentrale Zwischenlager muss der Betroffene seine Klage gegen den Genehmigungsbescheid in diesem Fall begründen und einreichen?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Es gelten die Fristen, die in einem üblichen Verfahren festgelegt sind.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist der Kollege Uwe Hiksch mit seiner Nachfrage an der Reihe.

Uwe Hiksch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002677, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, Ihr ehemaliger Kollege, der ehemalige grüne Landtagsabgeordnete aus Bayern Raimund Kamm hat angesichts der Tatsache, dass in den Unterlagen zur Genehmigung Behälter beantragt werden, die es nur auf dem Papier gibt, erklärt, er sei entsetzt. Ich frage die rot-grüne Bundesregierung: Kann es eine Bundesregierung, in der Sozialdemokraten und Grüne die Verantwortung tragen, für richtig halten, dass ein Genehmigungsverfahren für ein Zwischenlager läuft, in dem später einmal Behälter eingelagert werden sollen, die noch nicht einmal entwickelt sind? Kann die rot-grüne Bundesregierung nicht zusagen, dass ein solches Verfahren in Zukunft nicht mehr stattfindet?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Kollege, für die Gefühlsaufwallung von Herrn Kamm ist die Bundesregierung nicht zuständig. Darüber hinaus habe ich Ihnen gerade deutlich gemacht, dass es hierbei um ein ganz normales und geregeltes Verfahren geht. Die bisher nur auf dem Papier existierenden Behältertypen mit den Bezeichnungen VC und Constor X 69 sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Wenn die entsprechenden Unterlagen eingereicht sind, werden sie nach den gesetzlichen Vorgaben des AtG und seitens der BAM geprüft. Dann haben die Bevölkerung und auch Herr Kamm die Möglichkeit, diese Unterlagen einzusehen, zu bewerten und daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schur, Ihre Nachfrage, bitte.

Gustav Adolf Schur (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003233, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, meine Frage lautet: Weshalb lehnt das Bundesamt für Strahlenschutz eine Unterbrechung des laufenden Genehmigungsverfahrens ab, obwohl die Sicherheitsunterlagen und Prüfprotokolle laut „Süddeutscher Zeitung“ und „taz“ noch nicht vorhanden sind?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Verehrter Herr Kollege, ich glaube, ich habe gerade deutlich gemacht, was Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist und was nicht. Es gibt keine rechtlichen Gründe, das laufende Verfahren zu unterbrechen. Das heißt, die Voraussetzungen für eine Unterbrechung liegen einfach nicht vor, weil alle Unterlagen, die Gegenstand des Genehmigungsverfahrens sind, offen liegen und entsprechende Einwendungen erhoben werden können. Es gibt keinerlei Fehler, die eine Unterbrechung in irgendeiner Form rechtfertigen würden, weil - ich sage das noch einmal - die eben genannten Behältertypen nicht Gegenstand des Verfahrens sind.

Gustav Adolf Schur (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003233, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Danke.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt noch eine Nachfrage des Kollegen Grehn.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich knüpfe an Ihre Antwort auf die Frage meines Kollegen Schur an. Ist Ihnen bekannt, ob ein Angebot von russischen Firmen eingeholt worden ist, die hier zur Diskussion stehenden Behälter zu produzieren?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Ich habe dies aus der Zeitung erfahren. Aber ich muss noch einmal darauf hinweisen: Das ist nicht Gegenstand des Verfahrens und kein Beurteilungskriterium des Bundesamtes für Strahlenschutz. Beurteilungskriterium ist das Produkt, das nach allen sicherheitstechnischen Qualitätsmerkmalen, die sich nach dem Stand von Wissenschaft und Technik richten, zu begutachten ist. Wir können keinen Einfluss darauf nehmen, wer letztendlich der Produzent ist, welche Firma den Zuschlag erhält. Die Aufgabe des Bundesamtes für Strahlenschutz ist, die Sicherheit des Produktes zu überprüfen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Martin Hohmann auf: Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung zur Einführung des europäischen Fingerabdruckidentifikationssystems Eurodac bisher unternommen und bis wann rechnet die Bundesregierung mit einem endgültigen Erfolg ihrer Bemühungen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hohmann, die Bundesregierung beantwortet Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat die Eurodac-EG-Verordnung als Rechtsgrundlage für die Einrichtung des Fingerabdruckvergleichssystems Eurodac konstruktiv mitgestaltet und - ich glaube, auch das sagen zu können - wesentlich dazu beigetragen, dass diese Verordnung am 15. Dezember 2000 in Kraft treten konnte. Nach dieser Verordnung ist Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeit von Eurodac, dass jeder Mitgliedstaat sowie die Europäische Kommission die technischen Vorkehrungen hierfür getroffen haben. Die Bundesregierung begrüßt die Anstrengungen der Europäischen Kommission zur zügigen Inbetriebnahme der Eurodac-Zentraleinheit und unterstützt die Kommission hierbei aktiv durch die Mitwirkung deutscher technischer Experten. Die Kommission strebt erste Tests für den Herbst und eine Anbindung aller Mitgliedstaaten an die Zentraleinheit für das Jahresende an. Die beteiligten deutschen Dienststellen arbeiten mit Nachdruck an der Verwirklichung dieser Planung. Auf die Schaffung der technischen Voraussetzungen in den anderen Mitgliedstaaten hat die Bundesregierung - wenn ich Ihnen das sage, dann ist das, glaube ich, keine Überraschung - allerdings keinen Einfluss, sodass eine verlässliche Vorhersage über den Zeitpunkt der Tätigkeitsaufnahme durch Eurodac nicht getroffen werden kann.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hohmann hat eine erste Nachfrage.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn Sie sagen, dass keine verlässliche Vorhersage geUwe Hiksch troffen werden kann, weil das Ganze natürlich auch von den Aktivitäten anderer Regierungen abhängig ist, so ist das sicherlich nachzuvollziehen. Lässt sich denn vielleicht eine Aussage darüber machen, wann das schätzungsweise der Fall sein kann? Haben Sie eine Zielvorstellung?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

In diesem Fall ist es leider so, dass der Langsamste das Tempo vorgibt. Ich möchte hier keine Prognose abgeben. Die Frage überrascht mich nicht, Herr Hohmann. Ich habe auch noch einmal versucht, mich sachkundig zu machen, um Ihnen vielleicht ein bisschen präziser antworten zu können, aber mehr geben die Informationen nicht her. Das Bemühen habe ich Ihnen geschildert, auch im Hinblick auf die Zeitabläufe. Wir peilen an, am Ende dieses Jahres in den Betrieb gehen zu können. Aber, wie gesagt: Das ist ein Stück weit Prognose, die auch einige Unsicherheiten in sich trägt. Wir wären jedenfalls sehr daran interessiert, wenn das so gelänge. Von unserer Seite aus versuchen wir, alles dazu beizutragen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine zweite Nachfrage, bitte.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann die Bundesregierung vielleicht grob beziffern, wie viele Asylbewerber dadurch, dass wir jetzt noch nicht so weit sind, jährlich nach Deutschland kommen und in Deutschland Asyl beantragen statt in anderen Ländern, beispielsweise in Italien oder in Frankreich? - Es gibt ja, wie wir wissen, eine Bewegung von Süd nach Nord.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hohmann, es gibt natürlich verschiedene Bewegungen in diesem Bereich. Wenn Sie sich auch die Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union ansehen, dann stellen Sie fest, dass es zu den unterschiedlichsten Zeiten Veränderungen gibt, die übrigens nicht immer zulasten Deutschlands gehen. Mittlerweile gibt es auch andere Entwicklungen. Eurodac unternimmt den Versuch - so ist es ja entstanden -, im Grunde genommen ein Asylshopping - so sage ich das einmal ganz bewusst in Anführungszeichen zu verhindern bzw. in den Griff zu bekommen. Weil wir Eurodac aber noch nicht haben, wäre jegliche Zahl, die ich nennen würde, spekulativ, und das möchte ich vermeiden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass von einer Beobachtung der PDS durch Verfassungsschutzbehörden abzusehen ist, wenn die PDS regierungsbeteiligt ist, wie dies etwa der Berliner Justizsenator geäußert hat - Quelle: „Die Welt“ vom 26. Juni 2001 -?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege von Klaeden, ich kann Ihre Frage relativ kurz beantworten. Die Entscheidungen treffen die Länder in eigener Verantwortung. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu Regelungen, die in Länderkompetenzen fallen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege von Klaeden, Ihre erste Nachfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da frage ich doch einmal nach § 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, der Bund und Länder gerade zu einer Zusammenarbeit bei der Beobachtung extremistischer Bestrebungen gesetzlich verpflichtet. ({0})

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Was die Verfassungsschutzbehörden anbelangt, so befinden sie sich in einem Dialog. Was die Bundesregierung an dieser Stelle tut, ist eindeutig. Ich will Ihnen das kundtun. Die PDS bietet nach unserem Dafürhalten unverändert tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, die nach den §§ 3 und 4 Bundesverfassungsschutzgesetz eine Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtfertigen. ({0}) Sowohl im Programm als auch im Statut der PDS ist die Existenz offen extremistischer Strömungen in der Partei verankert. Im Übrigen verweise ich auf unseren Verfassungsschutzbericht. ({1}) Das sind die Seiten 145 ff.; ich glaube, es sind insgesamt neun Seiten. Die empfehle ich Ihrer Lektüre. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr von Klaeden hat noch eine zweite Nachfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde das gern auf den Fall des Berliner Justizsenators zuspitzen. Verstehe ich Ihre Antwort, Herr Staatssekretär, insbesondere unter Berücksichtigung des von mir genannten § 1 Bundesverfassungsschutzgesetz richtig dahin gehend, dass die Bundesregierung nichts unternehmen würde, wenn anlässlich einer Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin die Beobachtung durch den Verfassungsschutz eingestellt würde?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege von Klaeden, wie die Landesverfassungsschutzbehörden mit der Frage Beobachtung der PDS umgehen, ist sehr unterschiedlich. Ich kann Ihnen die entsprechenden Informationen - das ist kein Geheimnis - gerne einmal zukommen lassen. Es geht auch darum, mit welchen Mitteln diese Beobachtung durchgeführt wird. Sie wissen, dass zurzeit überwiegend die offene Beobachtung praktiziert wird; allerdings wenden andere Bundesländer auch andere Methoden an. Bestimmte Landesverfassungsschutzämter beobachten die PDS überhaupt nicht. Die Situation hat sich nicht geändert und es gibt keinen neuen Diskussionsstoff, auch wenn bestimmte aktuelle Presseartikel etwas anderes nahe legen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Grehn, Sie möchten eine Nachfrage stellen.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, können Sie dem Kollegen von Klaeden bestätigen, dass die PDS im Land Mecklenburg-Vorpommern bereits an der Regierung beteiligt ist und dass es dort keine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gibt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Grehn, die Frage von Herrn von Klaeden bezog sich darauf, inwieweit der Bund eine Landesverfassungsschutzbehörde anweisen kann, in diesem oder jenem Falle tätig zu werden. Es ist gesetzlich geregelt, dass das nicht möglich ist. Wir mischen uns nicht in Regelungen ein, die den Länderkompetenzen unterliegen. Die Art und Weise, wie man mit der PDS in den einzelnen Bundesländern umgeht, ist sehr verschieden. Ich habe auf die gesetzlichen Grundlagen der Vorgehensweise der Bundesregierung hingewiesen. Diese Grundlagen wirken sich auf unseren Verfassungsschutzbericht aus, der vor kurzem wieder vorgelegt worden ist. Ich empfehle schlichtweg die Lektüre dieses Berichts.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Nachfragende ist der Kollege Schauerte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe Ihren Ausführungen entnommen, dass Sie wie die Innenminister die Beobachtung der PDS in weiten Bereichen nach wie vor für notwendig halten. Wie stehen Sie dazu, dass die PDS als Mitglied einer Landesregierung in der Innenministerkonferenz über ihre eigene Beobachtung mit zu entscheiden hat? ({0})

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Die Innenministerkonferenz entscheidet nicht über die Kompetenz eines einzelnen Bundeslandes hinweg, ob von der Beobachtung Gebrauch gemacht wird oder nicht. Die Situation, dass eine bestimmte Partei in einem Bundesland an der Regierung beteiligt ist, ist nicht neu. Insofern gibt es keine Veränderungen und keinen besonders aktuellen Diskussionsstoff.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat der Kollege Hirche eine Nachfrage. ({0})

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, Ihre bemerkenswerten Aussagen im Hinblick auf Rolle und Beobachtung der PDS auch Herrn Müntefering zur Kenntnis zu bringen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Hirche, wir haben einen sehr guten Informationsaustausch. Das, was ich hier gesagt habe - Sie haben das erfreuerlicherweise „bemerkenswert“ genannt -, ist im Grunde genommen nichts besonders Aktuelles. Ich verweise noch einmal auf unseren Verfassungsschutzbericht. Bevor ein Verfassungsschutzbericht erstellt wird, gibt es natürlich Diskussionen, deren Ergebnis ein solcher Bericht auch ist. Wir haben es aufgrund unseres gesetzlichen Auftrages für notwendig gehalten, die offene Beobachtung fortzuführen. Wir werden häufig gefragt, ob wir über ein Ende nachdenken. Im Grunde genommen hängt die Antwort ganz entscheidend von denjenigen ab, die Gegenstand dieser Beobachtung sind. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fragen 5 und 6 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Uschi Eid zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Peter Weiß auf: Wie beurteilt die Bundesregierung den am 27. Juni 2001 von der Organisation Transparency International vorgelegten „Corruption Perceptions Index“ ({0}) 2001 über die Einschätzung der Korruptionsverbreitung im öffentlichen Dienst und unter Politikern in 91 Ländern der Welt?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Kollege, aus Sicht der Bundesregierung liefert der entsprechende Korruptionsindex, der ja vor kurzem veröffentlicht worden ist, wertvolle Anhaltspunkte zur Beurteilung von Trends. Er scheint jedoch als alleinige Grundlage zur Beurteilung von Korruption nicht ausreichend aussagefähig. Nach der eigenen Aussage von Transparency International - das ist die Organisation, die diesen Korruptionsindex vorlegt - wird der Korruptionsindex aus 14 verschiedenen Umfragen zusammengestellt, die die Wahrnehmungen sowohl von einheimischen als auch im Ausland lebenden Geschäftsleuten, Akademikern und Risikoanalysten widerspiegeln. Der Index beruht auf Umfragen, die immer zeitliche Momentaufnahmen sind und nur Meinungen und Erfahrungswerte wiedergeben. Entsprechend ist der Aussagekraft des Indexes mit einiger Zurückhaltung zu begegnen, da die vorgelegte Rangordnung letztlich auf subjektiver Wahrnehmung der befragten Personen und nicht auf objektiven Zahlen und Fakten beruht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Weiß, Ihre erste Nachfrage, bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben vorgetragen, dass die Untersuchungen von Transparency International nicht als allgemein gültig oder besonders aussagekräftig eingestuft werden. Welche Indikatoren und Berichte hat denn die Bundesregierung ihrerseits, anhand deren sie bemisst, wie stark in Staaten der Welt Korruption verbreitet ist? Welche Berichte und Indikatoren legt die Bundesregierung ihren eigenen Entscheidungen bezüglich der Zusammenarbeit mit Staaten, in denen Korruption besonders stark verbreitet ist, zugrunde?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Kollege Weiß, ich habe nicht gesagt, dass dieser Index nicht aussagekräftig ist, sondern ich habe gesagt: Der Index ist nicht ausreichend aussagekräftig. Natürlich erkennen wir diesen Index an und unterstützen Transparency International, auch finanziell, weil dieser Index natürlich auch für uns wichtig ist, um Trendaussagen zu erhalten, und uns Orientierung gibt. Wir legen bei der Kooperation mit unseren Partnerländern ein ganzes Set, also verschiedene Kategorien von Kriterien, an. Dazu gehört selbstverständlich unter anderem auch die Korruption. Bei der Beurteilung, ob Korruption in einem Land vorhanden ist, legen wir selbstverständlich die Trendmeldungen des Korruptionsindexes zugrunde, aber wir haben natürlich auch durch unsere Entwicklungsexperten, die vor Ort tätig sind, direkte Informationen. Es gibt ja Länder, die selber Antikorruptionsinstitutionen eingerichtet haben, um Korruption zu bekämpfen. Auch diese sind eine unserer Quellen, natürlich auch die vor Ort bestehenden Botschaften.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Weiß, zu einer zweiten Frage hierzu.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, gibt es denn auf der Ebene der Europäischen Union oder vielleicht sogar auf der Ebene der UN bzw. der UN-Sonderorganisationen verbindliche Indikatoren und Maßstäbe, nach denen die Korruption in verschiedenen Staaten der Welt bemessen wird und die auch Grundlage für Entscheidungen zur politischen Zusammenarbeit sind?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Kollege Weiß, Sie sprechen hier ein sehr komplexes Problem an. Sie wissen, dass in der Vergangenheit - bei uns sogar bis vor zwei Jahren - zum Beispiel Bestechungsgelder, die durch Privatfirmen gezahlt worden sind, steuerlich absetzbar waren. Die Bundesregierung erachtet es insofern als richtig, auf beiden Seiten aktiv zu sein. So haben wir bei uns die steuerliche Absetzbarkeit abgeschafft; das ist uns hier im Deutschen Bundestag gemeinsam gelungen. Korruption findet nicht immer in der Öffentlichkeit statt. Deshalb gibt es keine messbaren Indikatoren. Ein Staatsoberhaupt wird natürlich nicht der Öffentlichkeit bekannt geben, dass er von einer Firma 1 oder 5 Millionen zugesteckt bekommen hat, damit in seiner Hauptstadt ein großer Flugplatz gebaut wird. Insofern ist das Ganze schwierig. Man kann also, wie wir das auch tun, immer nur Bekanntmachungen zugrunde legen, wie zum Beispiel den Korruptionsindex von Transparency International.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich die Frage 8 des Kollegen Peter Weiß auf: Wird die Bundesregierung Konsequenzen für die Entwicklungszusammenarbeit mit denjenigen Ländern ziehen, in denen Transparency International eine besonders starke Verbreitung der Korruption festgestellt hat, wie zum Beispiel Bangladesch, Nigeria, Uganda, Indonesien, Kenia, Kamerun, Bolivien und Aserbaidschan, die einen CPI-Punktwert von 2,0 und weniger erreicht haben?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Kollege Weiß, die Bewertung der politischen Rahmenbedingungen in den Partnerländern hat selbstverständlich wesentlichen Einfluss auf Art und Umfang der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und bestimmt die Inhalte des Politikdialogs. Dabei werden neben zahlreichen anderen Faktoren auch die Bemühungen der Regierungen um Korruptionsbekämpfung berücksichtigt. Grundlage der Bewertung ist hierbei die Tendenz der Entwicklung und das sichtbare Bemühen der Partnerregierungen. Da Sie ganz konkret nach einzelnen Ländern gefragt haben, möchte ich in diesem Zusammenhang auch einige nennen. In Kamerun beispielsweise wurde auf die Verabschiedung und beginnende Umsetzung eines Programms zur guten Regierungsführung im Jahre 1999 mit einem vorsichtigen Anstieg der Zusagen reagiert, nachdem seit Beginn der 90er-Jahre defizitäre politische Rahmenbedingungen ein Grund für eine deutliche Reduzierung der Mittel der Entwicklungszusammenarbeit waren. In besonders gravierenden Fällen kann mangelndes Bemühen der Partnerregierung um Korruptionsbekämpfung zu einer Reduzierung bzw. zum Aussetzen der Entwicklungszusammenarbeit führen. Ein Beispiel hierfür ist Kenia, wo mit Zustimmung der Gebergemeinschaft Weltbank und Internationaler Währungsfonds die laufenden Beistandskredite ausgesetzt haben und auch die deutsche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ihre weitere Zusammenarbeit davon abhängig gemacht hat, dass Kenia die konsequente Korruptionsbekämpfung insbesondere mit dem Aufbau einer unabhängigen Antikorruptionsbehörde wieder aufnimmt. Im Rahmen des Politikdialogs mit den Partnerregierungen spricht die Bundesregierung die Korruptionsproblematik an und fordert gegebenenfalls konkrete Schritte zur Korruptionsbekämpfung. So war in Indonesien Deutschland der erste Geber, der schon 1997 anlässlich eines Weltbank-Konsultativtreffens Korruption angeprangert hat, und in den deutsch-ugandischen Regierungsverhandlungen im April 2001 war die Korruptionsproblematik wesentlicher Bestandteil des Politikdialogs. Auch in Aserbaidschan wird bei den nächsten Regierungsverhandlungen im Oktober 2001 das Problem der Korruption thematisiert werden. Durch gezielte Förderprogramme, so genannte Positivmaßnahmen, unterstützt die Bundesregierung aktiv die Bemühungen der Partnerregierungen in der Korruptionsbekämpfung. Beispiele hierfür sind ein Programm zur Korruptionsbekämpfung und zur Verbesserung der Regierungsführung in Indonesien, ein Vorhaben zur Erarbeitung von wirksamen Korruptionsbekämpfungsstrategien in Nigeria, die Unterstützung des Aufbaus der Antikorruptionsbehörde in Kenia, die Unterstützung des Aufbaus von Kontrollmechanismen der Zivilgesellschaft in Bolivien oder die Stärkung der kommunalen Demokratie in Aserbaidschan.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat der Kollege Weiß die Chance der ersten Nachfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben jetzt nicht erwähnt, dass in dem neuen Partnerschaftsabkommen der Europäischen Union mit den AKP-Staaten vom 23. Juni 2000 ausdrücklich vereinbart worden ist, dass die Zusammenarbeit in Fällen schwerer Korruption ausgesetzt werden kann. Ist denn der Bericht von Transparency International für die Bundesregierung Veranlassung, in der Europäischen Union auf eine Überprüfung der Zusammenarbeit mit den als besonders korrupt eingestuften Regierungen in Kamerun, Kenia, Uganda und Nigeria zu drängen?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Kollege Weiß, wenn ich mich jetzt richtig erinnere, betrifft das den § 97 des nun Cotonou-Abkommen genannten Vertrages. Dieser § 97 wird natürlich dann aktiviert, wenn ganz massive Fälle entdeckt werden. Aber die Entdeckung reicht ja nicht aus, sondern es ist dann die Frage zu stellen, ob sich die Partnerregierung bemüht, die Korruption zu kämpfen. Es werden erst einmal mit der entsprechenden Regierung Gespräche geführt, sodass sie gewarnt ist. Die Kooperation wird also nicht sofort beendet, sondern man gibt der Partnerregierung die Chance, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, damit § 97 des Abkommens nicht angewendet wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Weiß, Ihre zweite Nachfrage, bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie uns sagen, welches Ausmaß von Korruption nach Auffassung der Bundesregierung vorliegen muss, damit die Sanktionsmechanismen nach dem Cotonou-Abkommen Anwendung finden?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Nein, das kann ich nicht sagen. Wir halten es für falsch, die Zusammenarbeit mit einem Land zu beenden, wenn es beispielsweise 5 Millionen DM über Korruptionskanäle erhält. Man muss sich vielmehr fragen, ob die Korruption systemisch in einem Land vorkommt und ob sich die politisch verantwortliche Führung darum bemüht, diese Korruption zu bekämpfen. ({0}) Ich gebe zu, dass in einigen Ländern der Staatspräsident das alleinige Sagen hat. In diesem Fall wäre es falsch, sich zurückzuziehen. Wir müssen vielmehr im Dialog bleiben, was wir aber nur dann tun können, wenn wir die Kooperation weiterführen. Wir müssen auf allen Ebenen, also auf Regierungsebene wie auch auf kommunaler Ebene, im Gespräch bleiben und unseren Einfluss geltend machen, damit die Korruption bekämpft wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Ruck.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich möchte bei Bolivien und Uganda nachhaken. Diese beiden Länder stehen auf der Topliste der HIPCEntschuldungsinitiative. Wie verträgt sich diese Tatsache mit den Berichten von Transparency International?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Kollege Ruck, ich gehe erst auf Bolivien ein. Es ist richtig, dass Bolivien am 8. Juni dieses Jahres den Entscheidungspunkt, den so genannten „completion point“, im Rahmen des erweiterten Schuldenerlasses erreicht hat. Hierfür hatte die bolivianische Regierung in Abstimmung mit der dortigen Zivilgesellschaft - das ist ja der entscheidende Punkt - eine Armutsreduzierungsstrategie erstellt. Bei der Umsetzung dieser Strategie soll vor allem durch eine weit gehende Dezentralisierung, die die kommunale Ebene stärkt, und durch Kontrollmechanismen der Zivilgesellschaft gerade auch die Korruption eingedämmt werden. Wir werden Bolivien darin unterstützen. Es wäre völlig falsch, sich jetzt aus der Zusammenarbeit zurückzuziehen, da sich Regierung und Zivilgesellschaft auf eine Antikorruptionsstrategie geeinigt haben. Ich komme zu Uganda. Die Bundesregierung hat die Korruptionsproblematik während der deutsch-ugandischen Regierungsverhandlungen im April 2001 als einen wesentlichen Bestandteil des Politikdialogs thematisiert und konkrete Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung angemahnt. Darüber hinaus und in Abstimmung mit Deutschland und den übrigen Mitgliedstaaten hat die Europäische Union auf dem im Mai 2001 in Kampala stattgefundenen Weltbank-Konsultativgruppentreffen die Bedeutung überzeugender Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung für die Fortsetzung der von Europäischer Union und einzelnen Mitgliedstaaten gewährten Budgethilfe hervorgehoben. Die anstehende Umsetzung des von der ugandischen Regierung ausgearbeiteten umfassenden Antikorruptionsplans wird von der internationalen Gebergemeinschaft begleitet werden. Erhöhte Transparenz und Rechenschaftspflichtigkeit werden auch von der geplanten umfassenden Reform des Justizwesens erwartet, an deren Umsetzung sich die Bundesregierung im Rahmen der Gemeinschaftsfinanzierung beteiligen wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich danke der Frau Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen. Die übrigen Fragen dieses Geschäftsbereiches, also die Fragen 9 und 10, werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Hier werden alle Fragen - das sind die Fragen 11, 12, 13 und 14 - schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung. Die Fragen 15, 16, 17 und 18 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Rainer Brüderle auf: Teilt die Bundesregierung die Ansicht des EU-Kommissars für Wirtschaft und Währungsangelegenheiten, Pedro Solbes Mira, dass Deutschland zusammen mit Italien oder Portugal die Chance verpasst hat, das zuletzt vorteilhafte Wachstum für eine gründliche Haushaltskonsolidierung zu nutzen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Brüderle, die Bundesregierung hat in den letzten drei Jahren alle Chancen zur Haushaltskonsolidierung genutzt, gleichzeitig aber auch durch Steuersenkungen nachhaltig in Wachstum und Beschäftigung investiert und so einer noch stärkeren Konjunkturabschwächung vorgebeugt. Die mittelfristige Entwicklung des öffentlichen Gesamthaushalts ist von der Fortsetzung des Konsolidierungskurses auf allen Ebenen geprägt. Bund, Länder und Gemeinden bleiben - zum Teil deutlich - unter der im Finanzplanungsrat vereinbarten Begrenzung des Ausgabenzuwachses von 2 Prozent. Das Defizit des öffentlichen Gesamthaushalts sinkt nach der neuesten mittelfristigen Finanzprojektion von rund 37,5 Milliarden Euro im Jahr 2001 auf rund 7,5 Milliarden Euro im Jahr 2005. Damit sind die Defizitziele erreichbar, auf die sich Deutschland im Stabilitätsprogramm festgelegt hat. Die Einnahmen aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Höhe von knapp 51 Milliarden Euro sind vollständig zur Schuldentilgung eingesetzt worden. Das alles sind deutlich sichtbare Elemente der Konsolidierungsstrategie der Bundesregierung. Die vorübergehende Verlangsamung des Wachstumstempos stellt diese Strategie nicht infrage. Allerdings wäre es auch kontraproduktiv, den Sparkurs als Reaktion auf unvorhergesehene Einbußen zu verschärfen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage Nummer eins, Herr Kollege.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, sind Sie nicht der Meinung, man hätte sich insbesondere bemühen müssen, die Steinkohlesubventionen stärker zurückzuführen und auf diese Weise Mittel für eine weiter gehende Konsolidierung oder für stärkere Steuersenkungen freizusetzen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Brüderle, wie Sie wissen, sind die Steinkohlesubventionen degressiv ausgestaltet worden, und zwar noch in der Verantwortung der alten Bundesregierung. Diese Degressivität setzt die Bundesregierung fort. Es gibt keinen Subventionstatbestand in der Bundesrepublik Deutschland, der vergleichbar degressiv ausgestaltet ist. Wir wären froh, wenn wir das auch bei anderen Subventionstatbeständen so hätten. Im Übrigen sind dies, selbst wenn man sich die Steinkohlesubventionen ganz wegdenkt, Größenordnungen, die sich bei einer Steuersenkung im Verhältnis zu dem, was wir an Steuersenkungen ohnehin vorgesehen haben, nicht spürbar auswirken würden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage zwei, Herr Kollege.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ein paar Milliarden wären es schon und ein paar Milliarden würden auch der wirtschaftlichen Entwicklung gut tun.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ein paar Milliarden, 5 Milliarden DM, wären 0,3 Prozentpunkte Umsatzsteuer, um Ihnen das einmal deutlich zu machen. ({0}) - Nein, natürlich will ich sie nicht erhöhen, Herr Kollege Niebel, sondern ich wollte dem Herrn Kollegen Brüderle am Beispiel der Umsatzsteuer deutlich machen, welchen Umfang eine Steuersenkung in der Größenordnung von 5 Milliarden DM haben kann. Klar, wir können mit 5 Milliarden DM das Familienpaket schnüren; diesen Zusatzbereich kann man damit abdecken. Aber im Einkommensteuerbereich kann man mit 5 Milliarden DM nichts Wesentliches anfangen. ({1}) Was man damit bewegen könnte, läge im Promillebereich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Schwaetzer eine Zusatzfrage.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, in der Frage war der EU-Kommissar Pedro Solbes zitiert worden, der die Konsolidierungsbemühungen der Bundesregierung nicht so hoch einschätzt, wie Sie das hier gerade getan haben. Teilen Sie denn diese Einschätzung oder nehmen Sie diese internationale Einschätzung von renommierten und Ihrer Partei nahe stehenden Politikern wenigstens ernst, dass Sie hier deutlich mehr hätten konsolidieren können und dass Sie diese Chance nicht wahrgenommen haben?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Schwaetzer, wie Sie wissen, hat sich die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission für das laufende Jahr, das Jahr 2001, die Genehmigung geholt, ein gesamtstaatliches Defizit von nicht, wie eigentlich vorgesehen, 1 Prozentpunkt, sondern von 1,5 Prozentpunkten im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zu erreichen. ({0}) - Ich antworte Ihnen etwas ausführlicher, Frau Kollegin; das darf ich. Ich darf so antworten, wie ich will, solange ich nicht lüge, und ich lüge nicht. Die Bundesregierung hat also von der Europäischen Kommission - ich wiederhole mich - die Erlaubnis bekommen, in diesem Jahr statt 1 Prozent gesamtstaatliches Defizit 1,5 Prozent zu erreichen, und zwar im Hinblick auf die Steuerreform, die wir gemacht haben, die in diesem Jahr mit Steuereinnahmeausfällen von 45 Milliarden DM zu Buche schlägt. Dies ist die Kehrseite der Medaille. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie - wenn auch vielleicht nicht Sie persönlich, so doch mindestens eine große Reihe von Fraktionskollegen von Ihnen und auch von Mitgliedern des Hauses, die sich in den Reihen neben Ihnen befinden - ein immer weiteres Vorziehen von Steuerentlastungsschritten gefordert haben. Dies würde den Konsolidierungskurs in der Tat ad absurdum führen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Kopp das Wort für eine Zwischenfrage.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der Aufforderung von EZB-Präsident Duisenberg zu folgen, den Arbeitsmarkt zu deregulieren und Deregulierung aus gesamtwirtschaftlichem Interesse überhaupt voranzutreiben? Was gibt es da für Pläne?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Kopp, mir ist diese Äußerung von Herrn Duisenberg nicht bekannt. Deswegen möchte ich sie so auch nicht kommentieren.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Niebel das Wort zu einer Frage.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, unabhängig davon, ob Ihnen die Aussage des Herrn Duisenberg bekannt ist oder nicht, möchte ich daran erinnern, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Göteborg der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik schlechte Noten ausgestellt haben. Das hat etwas mit Überregulierung zu tun. Abgesehen von der Äußerung des EZB-Chefs frage ich Sie daher: Was hat die Bundesregierung insgesamt vor, um die Überregulierung des Arbeitsmarktes in der Wirtschafts- und Finanzpolitik und überhaupt im Bereich der öffentlichen Hand allmählich abzubauen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Niebel, zunächst weise ich Ihre Aussage zurück, dass der Europäische Rat in Göteborg der Bundesregierung schlechte Noten ausgestellt hätte. Das ist nicht der Fall. Das ist eine Behauptung, die ich so nicht stehen lassen kann. Das ist nicht richtig. ({0}) Wenn Sie mich nach Deregulierung im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Bezug auf den Arbeitsmarkt fragen, so möchte ich sagen, dass die Finanzpolitik relativ wenig zur Deregulierung im Bereich des Arbeitsmarktes beitragen kann. Ich wüsste nicht, wo da der Ansatzpunkt der Finanzpolitik wäre. ({1}) - Das ist nun wirklich sehr um die Ecke gedacht. ({2}) Ich muss das den Kolleginnen und Kollegen erklären. Es geht Herrn Niebel um eine Deregulierung des Steuerrechts zur Förderung des Arbeitsmarktes. Das ist eine Fragestellung, die so nicht formuliert war. Wenn Sie davon ausgehen, dass ein dereguliertes Steuerrecht positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, so ist dies eine Annahme, die nicht vollständig zu bestreiten ist. Andererseits können Sie in keiner Weise sagen, dass das Steuerrecht dazu beitrüge, dass es in der Arbeitswelt verkrustete Strukturen gäbe. Ich glaube nicht, dass Sie in der Lage sind, dazu auch nur ein Beispiel zu nennen; vielmehr behaupten Sie einfach, dass es so etwas gäbe. Das gibt es aber nicht. Ich glaube, Sie sind nicht in der Lage, auch nur ein Beispiel zu nennen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe nun die Frage 20 des Abgeordneten Rainer Brüderle auf. Wie ist es zu erklären, dass Deutschland bei einem Wachstumsvergleich in der EU auf einem der letzten Plätze liegt, wenn die weltwirtschaftliche Abschwächung alle EU-Staaten im Ergebnis gleichmäßig trifft? Frau Staatssekretärin.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die in der Frage aufgestellte Behauptung, dass „die weltwirtschaftliche Abschwächung alle EU-Staaten im Ergebnis gleichermaßen trifft“, ist falsch. Die direkten Effekte aus der Abschwächung der Weltwirtschaft sind für Deutschland erheblich stärker als in den anderen EU-Mitgliedstaaten. Der Extra-Handelsanteil, also die Exporte Deutschlands in Nicht-EU-Länder, beträgt, bezogen auf den gesamten Außenhandel Deutschlands, 44 Prozent und ist damit spürbar höher als im Durchschnitt der restlichen EU-Länder, der bei circa 36 Prozent liegt. Die deutsche Exportindustrie ist im amerikanischen Raum, in Asien sowie in den mittel- und osteuropäischen Staaten viel stärker vertreten als die Exportindustrie der übrigen EU-Staaten. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produkte in Verbindung mit absatzbegleitender Markterschließung, zum Beispiel durch Direktinvestitionen, hat zu deutlichen Marktanteilsgewinnen Deutschlands auch außerhalb der Europäischen Union geführt. Folglich konnten die deutschen Exporteure in den vergangenen Jahren von der lebhaften Entwicklung des Welthandels und dem robusten Wachstum der Weltwirtschaft, insbesondere der USA, überproportional profitieren. In diesem Jahr - wie auch schon während der Asien-, Lateinamerika- oder Russlandkrise - wird Deutschland von der weltwirtschaftlichen Abschwächung daher stärker betroffen als der Durchschnitt der anderen EU-Länder. Inzwischen haben die USA Maßnahmen beschlossen, die auf eine schnelle Rückgewinnung der dortigen gesamtwirtschaftlichen Dynamik gerichtet sind, wie zum Beispiel die mehrfachen Zinssenkungen der Federal Reserve Bank sowie - ein Jahr nach uns - das Steuersenkungsprogramm der US-Administration. In dem Maße, wie diese Schritte die Binnennachfrage in den USA stärken, dürfte die wirtschaftliche Belebung in Deutschland davon dann auch wieder überdurchschnittlich profitieren.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, Herr Brüderle.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, es ist ja nicht zu bestreiten, dass Deutschland mit seiner Wachstumsrate inzwischen auf dem letzten Platz der EU-Länder angelangt ist. Das ist kein Zufall; das hat Ursachen. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass eine der Kernursachen - das zeigen die Diagnosen von OECD, Bundesbank und allen Wirtschaftsforschungsinstituten - in der Tat die ausstehende Deregulierung des Arbeitsmarkts ist? ({0}) - Herr Baron, wenn Sie zuhören, bekommen Sie es auch mit. - Könnte die fehlende Flexibilität des Arbeitsmarkts der Grund dafür sein, dass die deutsche Wirtschaft auf dem letzten Platz der europäischen Entwicklung angelangt ist, während sie früher die Lokomotive war? ({1})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege Brüderle, ich kann Ihre Auffassung nicht bestätigen, sondern ich nenne Ihnen einen weiteren wesentlichen Faktor für das etwas ungünstigere Wirtschaftswachstum in Deutschland im europäischen Vergleich. Wir haben seit 1995 eine Baurezession zu beklagen. Hier weist Deutschland im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern einen deutlich anderen Zyklus auf, der sich im Wesentlichen durch die Auswirkungen der Wiedervereinigung erklären lässt. Durch steuerliche Anreize, die so genannten Sonderabschreibungen Ost, wurde vor allem in den neuen Bundesländern Anfang bis Mitte der 90er-Jahre ein ausgeprägter Bauboom mit Zuwachsraten von real zum Teil über 40 Prozent forciert. Dabei wurden erhebliche Überkapazitäten geschaffen, die die Nachfrage bei weitem überschritten. Sie wissen, wir haben in den neuen Ländern 1 Million leer stehende Wohnungen und Leerstandsquoten bei den Gewerbeimmobilien von zum Teil über 30 Prozent. Die seit Mitte der 90er-Jahre einsetzende Baurezession hat das gesamtwirtschaftliche Wachstum erheblich belastet: Die Baurezession hat allein im Jahre 2000 das Wachstumsergebnis beim Bruttoinlandsprodukt um rund 0,75 Prozentpunkte nach unten gedrückt. Ohne den negativen Beitrag des Bausektors hätte das BIP-Wachstum real bei rund 3,75 Prozent gelegen und wäre damit höher als etwa die französische Rate gewesen. ({0}) Zugleich entwickelt sich dagegen die Baukonjunktur in den europäischen Ländern exakt gegenläufig: Einer Baurezession Anfang bis Mitte der 90er-Jahre folgten seit 1996 eine Erholung und zuletzt sogar ein überproportionaler Anstieg. Dies ist nicht zuletzt auf staatliche Förderprogramme in diesem Bereich in einzelnen Ländern, zum Beispiel in Frankreich, zurückzuführen, die zu entsprechend günstigeren gesamtwirtschaftlichen Ergebnissen führten. Auf der anderen Seite entwickeln sich in den neuen Bundesländern das verarbeitende Gewerbe und der Dienstleistungssektor weiterhin dynamisch. Mit dem Auslaufen der Baurezession werden diese positiven Elemente in den Wachstumsraten für ganz Deutschland stärker sichtbar werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Frage des Kollegen Brüderle.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Ihre monokausalen Erklärungsversuche geben mir Anlass, Sie zu fragen, ob Sie angesichts der aktuellen Situation nicht meinen, dass die Regierung dringend mit zusätzlichen steuerlichen Entlastungen handeln müsste. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf Ausführungen Ihres früheren Kollegen Claus Noé, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, der darauf hinwies, dass wir im Mai zum ersten Mal seit langem saisonbereinigt eine Zunahme der Arbeitslosigkeit hatten, was, wie er sagte, ein klassischer Frühindikator einer Rezession sei. Ich ziehe daraus nicht dieselben Schlussfolgerungen wie Claus Noé, frage Sie aber, ob Sie keinen Anlass dazu sehen, dass die Bundesregierung durch vorgezogene steuerliche Entlastungen dieser drohenden Entwicklung entgegenwirkt.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Brüderle, Sie sagten, ich hätte eine monokausale Erklärung vorgetragen. Ich hatte Ihnen aber in zwei aufeinander folgenden Vorträgen zum einen die Bedingungen der internationalen Wirtschaft und zum anderen die Bedingungen dargestellt, die durch die Besonderheiten der Baurezession in der Bundesrepublik Deutschland bestehen. Das war also nicht monokausal, sondern ich habe Ihnen zwei Gründe genannt. Bis jetzt hatten Sie aber in Ihrer Frage - ganz im Gegensatz zu mir - monokausal auf die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts abgehoben und sie als einzigen Grund für die Wachstumsschwäche angenommen. Nun nehmen Sie einen zweiten Grund an und fragen, ob es nicht notwendig sei, die geplanten Steuersenkungen vorzuziehen. Ich darf auf die von Ihnen zunächst gestellte Frage, die ich soeben beantwortet habe, zurückkommen: Dort haben Sie uns immanent vorgeworfen, wir hätten die Möglichkeiten der Haushaltskonsolidierung nicht vollkommen ausgeschöpft. Ich darf Ihnen keine Rückfragen stellen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Um Gottes willen, dann antwortet er auch noch!

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Aber ich möchte Ihnen sagen, dass Sie sich in den beiden Fragestellungen, die Sie hier in weniger als zehn Minuten abgegeben haben, durchaus widersprüchlich verhalten. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Niebel eine Nachfrage.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Auch auf die Gefahr hin, von der Bundesregierung im Nachhinein schulmeisterlich belehrt zu werden, möchte ich gerne wissen, ob die Bundesregierung an ihrer Wachstumsprognose von 2 Prozent für 2001 festhält und, wenn ja, wie diese mit den Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers Müller in Einklang zu bringen ist, der für das zweite Quartal ein Nullwachstum vermutet.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an diesen wöchentlichen Wasserstandsmeldungen, die von den Prognostikern im Wettlauf abgegeben werden. Sie wird im Herbst dieses Jahres, wie geplant, die gesamtwirtschaftliche Projektion und die Steuerschätzung überprüfen und dann entscheiden, wie die vorgegebenen Konsolidierungsziele weiter erreicht werden können. Wir machen jetzt keine neue Prognose. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Kollegin Schwaetzer eine Nachfrage.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben jetzt wortreich und minutenlang Erklärungen dafür abgegeben, weshalb die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die Wachstumserwartungen Schlusslicht in Europa ist. Meine Frage an Sie lautet: Beunruhigt es Sie eigentlich überhaupt nicht, dass im Zusammenhang mit diesen schlechten Wachstumsprognosen der Abbau der Arbeitslosigkeit nicht vorankommt, sondern saisonbereinigt sogar ein Anstieg zu verzeichnen ist? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Schwaetzer, selbstverständlich ist das der Bundesregierung nicht gleichgültig. Aber wenn Sie jetzt behaupten, es sei ein Anstieg der Arbeitslosigkeit zu erwarten, so ist das wirklich nur eine Behauptung. ({0}) - Darf ich hier antworten? ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Niebel, die Kollegin Staatssekretärin hat das Wort. Sie haben eine Frage gestellt und nun haben Sie eigentlich gar nichts mehr zu sagen. Sie dürfen aber gerne zuhören. ({0}) - Richtig, jetzt wird die Frage der Kollegin Schwaetzer beantwortet. Die Kollegin steht ja noch, wie das üblich ist, wenn man auf die Beantwortung seiner Frage wartet. ({1}) Nun hat Kollege Brandner Gelegenheit zu einer Frage. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wenn Sie wollen, dann antworten Sie.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Bisher bin ich nicht dazu gekommen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun haben Sie das Wort.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Selbstverständlich ist der Bundesregierung eine solche Entwicklung nicht gleichgültig. Aber nach allen uns vorliegenden Prognosen gehen wir weiterhin davon aus - das sagen sogar die zurückgenommenen Wachstumserwartungen nicht anders aus -, dass wir im nächsten Jahr auf eine Arbeitslosenzahl von 3,5 Millionen kommen werden. Zurzeit besteht eine Wachstumsdelle. Für das zweite Halbjahr erwarten wir positivere Tendenzen. Dies wird sich wiederum - so hoffen wir jedenfalls und dies ist in allen Prognosen bestätigt worden - auf dem Arbeitsmarkt positiv auswirken. Auch im Hinblick auf die zurzeit etwas gestiegene Inflationsrate erwarten wir eine entsprechende Entwicklung, also einen Rückgang. Ich darf im Übrigen auf Folgendes hinweisen: In den 90er-Jahren gab es inklusive des Vereinigungsbooms eine Wachstumsrate von im Durchschnitt 1,4 Prozent. Ich bitte Sie daher, nicht zu sehr schwarz zu malen, damit wir nicht in die Gefahr einer „self-fulfilling prophecy“ geraten, nämlich dass sich durch Äußerungen negativer Art tatsächlich eine Spirale nach unten ergibt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Brandner das Wort.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade die Wachstumsrate angesprochen. Ich möchte Sie konkret fragen, ob Sie bestätigen können, dass das durchschnittliche Wachstum in den Jahren 1990 bis 1998 unter dem der Jahre 1999 bis 2000 lag und dass dieses verbesserte Wachstum mit der Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik der jetzigen Bundesregierung in Zusammenhang zu bringen ist.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Selbstverständlich, Herr Kollege Brandner. Wir haben ja im vergangenen Jahr ein reales Wachstum von 3 Prozent gehabt. Ein so hohes Wachstum - ich sagte ja schon, dass das Wachstum der 90er-Jahre bei durchschnittlich 1,4 Prozent lag - gab es, soweit ich mich erinnere, nur Anfang der 90er-Jahre, was aber natürlich mit dem vereinigungsbedingten Boom zu tun hatte. Das war auch im Vergleich mit den Wachstumsraten im europäischen Bereich eine Sonderentwicklung und hat sich im weiteren Verlauf der 90er-Jahre natürlich nicht fortgesetzt. Wir hatten in diesem Jahrzehnt vielmehr trotz des Booms zu Beginn der 90er-Jahre nur eine Wachstumsrate von im Durchschnitt 1,4 Prozent zu verzeichnen. Zu dem deutlichen Wachstum von 3 Prozent im Jahr 2000 ist natürlich das Wachstum dieses Jahres hinzuzurechnen. Dieses verbesserte Wachstum hat selbstverständlich mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung zu tun.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Kopp eine Frage.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, bei der Frage eben, die Sie beantwortet haben, ging es darum, dass Deutschland im Augenblick bei den Wachstumszahlen im europäischen Vergleich das Schlusslicht bildet. In den Jahren davor jedoch waren wir beim Wirtschaftswachstum topp. Dies ist etwas, was man nachtragen muss. ({0}) Hinsichtlich der Wachstumsprognose, die Herr Kollege Niebel angesprochen hat, haben wir mit einer gewissen Besorgnis zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie den Bundeswirtschaftsminister für seine Äußerung geohrfeigt haben. Meine Frage - denn Sie müssen sich auch mit den Realitäten beschäftigen - lautet: Welche Auswirkungen hätte ein Wachstumsminus von 0,5 Prozent auf unseren derzeitigen Bundeshaushalt? Diese Überlegungen müssen Sie wenigstens intern angestellt haben. Darüber hätten wir gerne Auskunft.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Zum Ersten: Frau Kollegin, ich habe den Bundeswirtschaftsminister nicht geohrfeigt. Im Gegenteil, ich schätze ihn sehr. Wir sitzen hier auch immer sehr freundschaftlich und kollegial nebeneinander. ({0}) Zum Zweiten: Dazu, dass Sie mit der Prämisse „Sie müssen sich auch mit den Realitäten beschäftigen“ beginnen und dann konjunktivisch mit der Frage fortfahren, was wir denn tun würden, wenn wir ein Minuswachstum von 0,5 Prozent hätten, muss ich rein von der Sprachlogik her sagen: Es kann sich nicht um die Realität handeln, sonst würden Sie nicht konjunktivisch reden. Da wir dies auch nicht erwarten, müssen wir uns mit einem irgendwie gedachten „worst case“ - man könnte auch sagen: vielleicht werden es minus 5 oder 10 Prozent - nicht auseinander setzen, auch nicht in der Haushaltsplanung. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt der Kollege Dreßen mit einer Zusatzfrage.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, es ist unbestritten, dass wir alle gerne eine höhere Wachstumsrate hätten. Die Opposition macht aber nun Vorschläge, um diese Wachstumsdelle zu beseitigen. Einerseits fordert sie zum Beispiel Steuererleichterungen in einem Umfang von circa 50 Milliarden DM, andererseits verlangt sie Steuermehrausgaben - hierbei denke ich zum Beispiel an Familien oder den Verteidigungshaushalt - auch in einem Umfang von etwa 50 Milliarden DM.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie sollen eine Frage stellen, Herr Kollege.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte Sie fragen, Frau Staatssekretärin: Welche haushaltstechnischen Auswirkungen hätte es, wenn wir diese Forderungen der Opposition in einer Größenordnung von insgesamt über 120 Milliarden DM erfüllen würden? Wie ließe sich so etwas überhaupt finanzieren?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Das ließe sich außer über erhöhte Schulden, und zwar nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Ebene der Länder und Gemeinden, natürlich gar nicht finanzieren. Denn ein Vorziehen der nächsten Steuerreformstufe würde im Wesentlichen auch die Einkommensteuer umfassen. Dies würde - jetzt rede ich auch konjunktivisch - zu entsprechenden Mindereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden führen und deswegen sicherlich keine Zustimmung im Bundesrat finden. Insofern ist es ein typischer Oppositionsantrag, für den man keine Verantwortung übernehmen muss.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Kollegin Wolf eine Frage. ({0})

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin Hendricks, ich habe eine Frage zur finanz- und wirtschaftspolitischen Kompetenz der F.D.P.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, Sie müssen natürlich anders fragen, denn wir sind immer noch bei Frage 20. Dazu haben Sie eine Zusatzfrage. Bitte sehr.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Okay. Meine Zusatzfrage lautet, ob Ihnen bekannt ist, dass sich unter der F.D.P.-Regierung die Arbeitslosenzahl von 1983 bis 1998 verdreifacht hat, dass die Wachstumsraten bis auf die schon angesprochenen vereinigungsbedingten Wachstumsraten im Durchschnitt unter 1 Prozent lagen und dass sich die Lohnnebenkosten fast verdoppelt haben, nicht zu sprechen von der Haushaltsverschuldung, die um 35 Prozent zugenommen hat. ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, selbstverständlich ist mir das bekannt. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie die Zahlen, die ich nicht alle so präsent gehabt hätte, dem geneigten Auditorium noch einmal haben zur Kenntnis geben können, insbesondere den Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. Ich darf die Gelegenheit nutzen, um noch darauf hinzuweisen, dass die Bemerkung von Ihnen, Frau Kopp, die Sie vorhin gemacht haben, Sie seien beim Wirtschaftswachstum immer Spitze gewesen, natürlich - ich bitte den unparlamentarischen Ausdruck zu entschuldigen - barer Unsinn war. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die letzte Frage dazu kommt vom Kollegen Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Ausgangspunkt war die Frage nach dem Wirtschaftswachstum in Deutschland im europäischen Vergleich. Sie haben darauf hingewiesen, dass der Export dabei eine Rolle spiele. Nun ist es so, dass der deutschen Exportwirtschaft der niedrige Stand des Euro ein ganzes Stück hilft. Das bedeutet auch, dass er im Augenblick in Deutschland Arbeitsplätze sichert. Wie wirkt es sich aus, wenn die Bemühungen, die die Bundesregierung hoffentlich anstellt, den Euro zu stärken, durchgreifen? Wie wirkt sich das auf die Arbeitsplätze und auf die Wirtschaft in Deutschland im Verhältnis zu den anderen europäischen Staaten aus? Oder wollen Sie etwa auf einen stärkeren Euro verzichten?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Wir werden selbstverständlich nicht auf einen stärkeren Euro verzichten; die Bundesregierung strebt eine Stärkung des Euro an. Es dürfte aber in der Logik liegen: Wenn der Euro gestärkt wird, wird er nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich gestärkt, sodass sich in Bezug auf den Arbeitsmarkt keine Unterschiede in den einzelnen Ländern ergeben werden. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die nicht beantworteten Fragen werden nicht mehr aufgerufen, sondern schriftlich beantwortet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der F.D.P. Zur Ablehnung der IG Metall, bei VW 5 000 Arbeitsplätze mit einem Lohn von 5 000 DM zu schaffen Ich eröffne die Aussprache und erteile für die F.D.P.Fraktion dem Kollegen Dr. Heinrich Kolb das Wort.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es muss wirklich eine starke Zumutung für Klaus Zwickel, den Vorsitzenden der IG Metall, sein: Tausende von Menschen in unserem Lande wollen sich nicht länger seinem Arbeitszeitdiktat beugen und wagen eine Majestätsbeleidigung, indem sie ihre Bereitschaft erklären, mehr als 35 Stunden zu arbeiten, weil sie nicht länger auf Arbeitslosengeld angewiesen sein oder von Sozialhilfe leben wollen. Aber Klaus Zwickel sagt Nein, weil für ihn nicht sein kann, was nicht sein darf. ({0}) Dabei sind die Bedingungen, die VW in Abstimmung mit dem Betriebsrat offeriert, durchaus nicht unzumutbar: Das Gehalt ist attraktiv, Eigenverantwortung wird gefordert und gefördert und Weiterbildung - in Sonntagsreden, Herr Dreßen, ein Lieblingsthema der Gewerkschaften ist ein wichtiger Teil dieses Konzeptes. Eine neue Form der Qualitätssicherung soll sogar Nachtschichten überflüssig machen. Als Sahnehäubchen gibt es schließlich noch eine Beteiligung am Unternehmensergebnis. Ich kann nur sagen: Das ist wahrlich ein modernes Paket, das hier geschnürt wurde. Nur Herr Zwickel will das nicht wahrhaben. ({1}) Das zwickelsche Veto, das nach letzten Tickermeldungen beim Appell in Frankfurt auch gegenüber dem VWBetriebsrat durchgedrückt wurde, ist nach Auffassung der F.D.P. eine nicht zu akzeptierende Bevormundung der Menschen, die sich beworben haben. ({2}) Es ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeitslosen in unserem Land, wenn ein Gewerkschaftsvorsitzender, der materielle Not persönlich nicht mehr kennt, anderen den Weg zu einer besseren Lebenssituation verbaut. ({3}) Hier stellt sich, Herr Dreßen, die Frage nach der Wahrnehmung der politischen Verantwortung. ({4}) Wir leben - das ist in der Fragestunde noch einmal gesagt worden - in einem Land mit aktuell rund 3,7 Millionen Arbeitslosen - Tendenz bestenfalls gleich bleibend. Wir leben in einem Land mit dem derzeit schwächsten Wirtschaftswachstum in der EU und können es uns daher nicht erlauben, auf solche Angebote wie das von VW zu verzichten. Wir müssen handeln, und zwar schnell. ({5}) Was geschieht, wenn die Vereinbarung nicht zustande kommt? VW, Herr Weiermann, wird wohl kaum auf die Produktion des Minivans verzichten; die 5 000 Arbeitsplätze werden dann nicht in Deutschland, sondern im Ausland - in Portugal oder Tschechien - geschaffen. ({6}) Selbst wenn zur Gesichtswahrung der Minivan am Standort Wolfsburg produziert werden sollte, wird dafür die Fertigung anderer Modelle ins Ausland verlagert. Der Beschäftigungseffekt ist und bleibt in beiden Fällen gleich Null. ({7}) Was uns empört, ist das Signal, das von Herrn Zwickel - offensichtlich mit Billigung des Bundeskanzlers - auch an Investoren aus dem Ausland gegeben wird: Wir wollen eure Investitionen, aber nur zu unseren Bedingungen, basta! - Das ist für uns nicht akzeptabel. ({8}) Wir finden, es ist empörend, dass im Kanzleramt zu diesem Thema absolute Funkstille herrscht. Es ist überfällig, dass die ruhige Hand des Kanzlers endlich einmal auf den Tisch haut und diesem Trauerspiel ein Ende macht. ({9}) Vorrang für Arbeitsplätze, das ist das Gebot der Stunde. Der Machtwortkanzler aber wird regelmäßig zum Kuscheltier, wenn es um die Interessen des DGB und erst recht um die einer seiner mächtigsten Einzelgewerkschaften, der IG Metall, geht. ({10}) Das war beim Betriebsverfassungsgesetz so. Das ist auch beim Thema betriebliche Bündnisse für Arbeit nicht anders. ({11}) An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Mahnungen des Sachverständigenrates - ich sage: Ihres Sachverständigenrates - mehr als berechtigt sind. Er schreibt in seinem aktuellen Gutachten, das in diesen Fällen - es geht um das betriebliche Bündnis für Arbeit - herrschende Einvernehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der gemeinsamen Anstrengung, Arbeitsplätze zu sichern, lasse die bestehende Gesetzeslage, die sich diesen Bemühungen in den Weg stelle, überholt erscheinen und erfordere eine Antwort des Gesetzgebers. ({12}) Lassen Sie uns endlich handeln! Wir brauchen die Möglichkeit, betriebliche Bündnisse für Arbeit auch ohne die Zustimmung der Tarifverbände, auch ohne die Zustimmung von Herrn Zwickel und seiner Gewerkschaft zu ermöglichen. ({13}) Vizepräsidentin Anke Fuchs Man hört immer wieder - auch aus den Reihen der Koalition, vorzugsweise aus den Reihen der Grünen - entsprechende Töne, hier müsse etwas geschehen. Herr Schlauch, Frau Wolf, Frau Scheel, Frau Hustedt und Frau Dückert äußern sich regelmäßig und werden ebenso regelmäßig zurückgepfiffen. Frau Wolf, Sie werden heute zwar nicht als Staatssekretärin, aber als Abgeordnete in dieser Debatte reden. Ich bin sehr gespannt, wie Sie die Position Ihrer Partei in dieser Frage begründen werden. Die Stunde der Wahrheit naht. Wir werden am Freitag eine Änderung des Tarifvertragsgesetzes in den Deutschen Bundestag einbringen, die sich ganz auf das Günstigkeitsprinzip - um diese Frage geht es hier - konzentriert. Spielraum für Ausreden wird es dann nicht mehr geben. ({14})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Wir sind in der Aktuellen Stunde.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Wir als F.D.P. werden in dieser Frage nicht locker lassen, weil wir glauben, dass die Menschen in den Betrieben sehr wohl selbst für sich entscheiden können. ({0}) Wir wollen mehr betriebliche Bündnisse für Arbeit. Dies ist ein aussichtsreicher Weg, vielleicht der aussichtsreichste Weg, mehr Arbeitsplätze in unserem Land zu schaffen. Vielen Dank. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Redezeit in der Aktuellen Stunde fünf Minuten beträgt. Eine Ausnahme gilt für die Bundesregierung. Ich sage das, damit wir uns ein bisschen daran halten. Jetzt hat das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst sagen: Die Bundesregierung bedauert, dass es bei VW nicht zu einem Tarifabschluss gekommen ist. ({0}) Ich sage Ihnen aber: Die Bundesregierung geht auch davon aus, dass dieses Projekt in absehbarer Zeit zu einem Abschluss kommen wird. Bei allem Feldgeschrei, Herr Kolb, das Sie hier angestimmt haben, darf ich Ihnen sagen: Ich bin mir relativ sicher, dass bei VW neue Arbeitsplätze entstehen werden. Ich bin mir auch sicher, dass bei VW Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Ich bin mir deshalb sicher, weil das auch in der Vergangenheit der Fall war. Man kann am Beispiel VW deutlich machen, wie sehr sich die Tarifautonomie und andere Regelungsinstrumente, die wir in diesem Sektor haben, bewährt haben. ({1}) Ich empfehle Ihnen ausdrücklich, sich mit der Sache vertraut zu machen ({2}) und sich damit auseinander zu setzen, statt hier ein Feldgeschrei anzustimmen. Dann werden Sie nämlich feststellen, dass es um außerordentlich komplexe und komplizierte Zusammenhänge geht, die man nicht einfach mit so einer marktschreierischen Debatte beenden kann, wie Sie das hier versucht haben. ({3}) Ich vertraue auf die Zukunft des deutschen Tarifsystems. Tarifverhandlungen sind ein Geschäft, das in Deutschland seit mehr als 120 Jahren von den Tarifvertragsparteien betrieben wird, die unabhängig vom Staat, vom Parlament und von der jeweiligen Bundesregierung sind. Das Grundgesetz sieht ganz bewusst vor, dass es den beteiligten Sozialpartnern überlassen bleibt, ihre Belange selbst zu regeln. ({4}) Das ist auch gut so; denn wer kann das besser als die Beteiligten selber? Wer ist dichter an den konkreten Fragen dran als die Betroffenen? Der durch die Sozialpartner frei ausgehandelte Tarifvertrag ist ein Garant des sozialen Friedens. Er ist eine tragende Säule der deutschen Wirtschaftsordnung. Der durch die Sozialpartner frei ausgehandelte Tarifvertrag hat in den vergangenen Jahrzehnten wichtige Funktionen gehabt; diese wird er meiner Auffassung nach auch behalten. Die Tarifautonomie hat uns wesentlich größere Stabilität und größeren Arbeitsfrieden gebracht als den meisten Ländern, in denen es keine Tarifautonomie nach unserem Muster gibt. Wir sollten uns, auch wenn uns die Opposition dies gern einreden möchte, von den Tarifauseinandersetzungen bei VW in dieser Stunde nicht zu sehr beeindrucken lassen. Die Verhandlungen - das wissen Sie und es hätte Ihnen gut angestanden, sich das einmal genauer anzuschauen - laufen noch und sind noch nicht zu Ende. Natürlich - das habe ich eingangs schon gesagt und das gestehe ich gern zu - hätte es die Bundesregierung gern gesehen, wenn die Verhandlungspartner schon zu einem Ergebnis gekommen wären. Ganz besonders hätten wir uns über die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze gefreut; denn für uns ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kein Lippenbekenntnis. Für uns bleibt diese Aufgabe der Drehund Angelpunkt unseres politischen Handelns. ({5}) - Warten wir ab, wer gescheitert ist! Natürlich begrüße ich es, wenn die Tarifparteien neue Wege zur Schaffung neuer Jobs beschreiten, und natürlich begrüße ich grundsätzlich das Projekt „5 000 x 5 000“ von VW, wenn es gelingt, unbürokratisch und im Konsens neue Beschäftigungen anzustoßen. Aber ich begrüße es auch, wenn die Beschäftigung der zusätzlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Tarifvertrag geregelt wird. ({6}) Das mag manch einem von der Opposition nicht schmecken, der den Tarifvertrag am liebsten ad acta legen möchte. Wie sehr, das konnten wir eben bei Ihnen hören. ({7}) Aber ich bin mir recht sicher: Der Tarifvertrag hat Bestand. Sie alle wissen, dass die Tarifvertragsparteien mit ihren beschäftigungsfördernden Abschlüssen im vorigen und auch in diesem Jahr den Vereinbarungen im Bündnis für Arbeit, Wettbewerbsfähigkeit und Ausbildung Rechnung getragen haben. Vielleicht hilft das Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, ein bisschen auf die Sprünge - denn auch dies steht in einem engen Zusammenhang -: Das Bündnis für Arbeit hat, was die letzten beiden Jahre angeht, tarifpolitisch Außerordentliches bewirkt. Auch das ist - das sage ich Ihnen ausdrücklich meiner Auffassung nach gut so. Tarifverträge abzuschließen ist ein hartes Brot, braucht Geduld und Kompromissbereitschaft. So begrüßenswert das Angebot des Unternehmens auch ist, neue Arbeitsplätze zu schaffen, so schwierig ist die Situation für die IG Metall, einem Vorschlag zuzustimmen, der von den bisher üblichen Tarifstandards wesentlich abweicht. Das Angebot, wie es zunächst von VW auf den Tisch gelegt wurde, bleibt weit unter den Bedingungen des VW-Haustarifvertrags zurück. ({8}) Es unterschreitet auch den Flächentarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Niedersachsen. Ich will mich an dieser Stelle nicht auf rechnerische Einzelheiten einlassen. Dies ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, sondern ureigene Angelegenheit der Tarifvertragsparteien. Auch in diesem Falle bin ich allerdings guten Mutes, dass die Verhandlungspartner eine Lösung finden werden, die den Interessen des Unternehmens, den Belangen der künftig Beschäftigten und dem Arbeitsmarkt gerecht wird. Diesen Prozess befördern wir jedoch nicht durch Aktuelle Stunden. Die F.D.P. hat uns diese Debatte doch nur deshalb aufgenötigt, um Druck auf die handelnden Akteure auszuüben. ({9}) Das ist - ich sage das ausdrücklich - der Sache nicht dienlich. ({10}) Meine Damen und Herren Liberalen, Ihre Absicht ist doch sehr durchsichtig. Sie wollen hier Zwist schüren und dabei nehmen Sie in Kauf, dass es zu einer Verhärtung der Verhandlungspositionen kommt. ({11}) Ich appelliere an die Unternehmensleitung von VW und an die IG Metall, sich nicht von der F.D.P. irritieren zu lassen und auf wechselseitige Schuldzuweisungen zu verzichten. Sie sollten bei allen gegensätzlichen Verhandlungspositionen die gemeinsame Einsicht und den Mut haben, sich am Verhandlungstisch neuen Lösungen zuzuwenden. Ich bin zuversichtlich, dass es bei der Volkswagen AG bald zu einer Lösung kommen wird, und ich bin sicher, die Tarifautonomie wird sich auch in diesem Fall bewähren. Da können Sie von der Opposition ganz unbesorgt sein. Noch hat es die Sozialpartnerschaft in den letzten 120 Jahren immer wieder geschafft, den Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herzustellen. Ich denke, in diesem Fall wird das ebenfalls gelingen. Herzlichen Dank. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile dem Kollegen Dr. Bernd Protzner, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Dr. Bernd Protzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001756, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Andres, Bedauern ist etwas zu wenig für die Bundesregierung angesichts der Lage, in der wir uns in Deutschland befinden. Wir haben einen dramatischen, einen drastischen Wachstumseinbruch, wir haben eine Stagnation auf dem Arbeitsmarkt und wir haben das Scheitern des Konzepts des zweiten Arbeitsmarktes so deutlich wie nie vor Augen. Wir geben dort seit Jahren Milliarden von Mark aus, ohne dass wir etwas bewegen. - Herr Kollege, Sie schütteln den Kopf. Wir haben 1 200 Milliarden DM für die neuen Länder ausgegeben. Dort hat sich etwas bewegt, dort ist etwas vorangekommen. Wir haben seit 1990 in den zweiten Arbeitsmarkt die gleiche Summe hineingesteckt. Wir haben jedoch auf dem Arbeitsmarkt nichts bewegt, nichts ist vorangekommen. Es ist die größte Fehlinvestition in der Weltgeschichte, die auf dem zweiten Arbeitsmarkt stattgefunden hat. ({0}) - Warten Sie doch ab! Jetzt haben wir die Gelegenheit - das ist das Interessante am Fall VW, an „5 000 x 5 000“ -, dass wir endlich einen Ansatz für den ersten Arbeitsmarkt haben, nämlich 5 000 Menschen wieder in den ersten Arbeitsmarkt hineinzubekommen. Es ist gut, dass sich 10 000 Menschen beworben haben und hier ihre Chance sehen. Man muss nachfragen, ob es in unserem Land gerecht und vertretbar ist, dass fern von Wolfsburg, in Frankfurt, von einem Fremden zentral gesteuert, Widerspruch eingelegt werden kann und dadurch die Verhandlungen abgebrochen werden. Das ist ein Skandal, der nicht hinnehmbar ist. ({1}) Der Bundeskanzler hat die falsche Diskussion geführt. Es geht bei uns in Deutschland nicht um das Recht auf Faulheit. Offensichtlich will Bundeskanzler Schröder eine Pflicht zur Faulheit in unserem Land, indem er verhindert, dass 5 000 Menschen heute oder morgen in Arbeit kommen. ({2}) - Ihre Aufregung bestätigt mir, dass Sie nichts dabei finden, dass Menschen in unserem Land ausgegrenzt werden, nicht nur materiell, sondern auch immateriell in Form von Arbeitsplätzen. Arbeitsplatzbesitzer und ihre Funktionäre können darüber entscheiden, ob jemand bei uns im Land Arbeit finden kann. ({3}) Soziale Marktwirtschaft bedeutet Arbeit für alle. Jeder bei uns im Land muss die Chance bekommen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, wenn er zur Verfügung steht. Daran darf er nicht gehindert werden. ({4}) Die Menschen sind mündig. Lassen Sie doch die Menschen ein Stück mehr entscheiden! Es ist doch der Fehler unserer Arbeitsmarktpolitik, wie uns alle Gutachten und internationalen Organisationen bestätigen: Wir setzen zu wenig auf betriebsnahe Lösungen und bevormunden die Betroffenen zu viel. Herr Andres, Sie hören nicht auf die Betroffenen. Sie bevormunden die 10 000 Menschen, die sich um diese Arbeitsplätze beworben haben. Das ist der Fehler. Die Bundesregierung schaut bei dieser Bevormundung zu. Das ist nicht tragbar. ({5}) - Wir wollen keine falschen Diskussionen, die Sie herbeiführen. Wir als Union stehen zu Tarifverträgen und zur Tarifautonomie. ({6}) Aber wir wollen betriebsnähere Entscheidungen haben, die Sie verhindern. Das Schlimme ist, dass dies nicht das erste Mal ist. Wir haben schon den Fall Viessmann in Hessen und auch andere Fälle gehabt, bei denen verhindert worden ist, dass es schnell zu einer Entscheidung kam. Deshalb ist es notwendig, dass diese Bundesregierung mit ihrer emotionalen Attitüde des Bedauerns aufhört und das macht, was ihre Aufgabe ist, nämlich zu regieren und zu handeln. Sie müssen das Tarifvertragsrecht so ändern, dass es - das betone ich noch einmal - zu betriebsnäheren Lösungen kommt. ({7}) Lesen Sie nach, was Professor Berthold gestern in der Parlamentarischen Gesellschaft vorgeschlagen hat. Dann werden Sie erfahren, dass Tarifautonomie und Mitbestimmung der Betroffenen mit betriebsnäheren Lösungen durchaus vereinbar sind. Öffnen Sie sich der Zukunft! Sorgen Sie dafür, dass Menschen in unserem Land in Arbeit und Lohn kommen! Das würde Ihnen als Sozialdemokraten gut anstehen. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Margareta Wolf für das Bündnis 90/Die Grünen das Wort. ({0})

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Protzner, die Fälle Viessmann und Burda lagen in der letzten Legislaturperiode. Mit den Betriebsräten von Viessmann und Burda hat die jetzige Regierung diskutiert. So viel zur Regierungsfähigkeit. Herr Kollege Kolb, ich habe mich schon den ganzen Tag gefragt, warum es heute diese Aktuelle Stunde gibt. ({0}) - Jetzt weiß ich es: Sie haben sich in den letzten Tagen trotz des vielfältigen Angebotes an Zeitungen in diesem Lande nicht darum bemüht, auch nur in eine zu schauen. Wenn Sie das getan hätten, dann hätten Sie und Herr Protzner zur Kenntnis genommen, dass sich der Bundeskanzler durchaus eingemischt hat. ({1}) Sie hätten dann vielleicht auch zur Kenntnis nehmen können, dass die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Konzernführung bei VW weiterlaufen und dass sie auf einem sehr guten Wege sind. Ich freue mich insbesondere darüber, dass sich 10 000 Menschen bei VW beworben haben. ({2}) Wir alle wissen, dass sich die industriellen Beziehungen seit den 80er-Jahren immer mehr verändert haben. Das bedeutet auch, dass sich die Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verändert haben. Das liegt unter anderem an dem Druck zur Steigerung der globalen Wettbewerbsfähigkeit, von dem natürlich auch die Automobilindustrie in Deutschland betroffen ist. Das liegt auch an dem Zwang zur Effizienzsteigerung und Reorganisation, daran, Entlassungen und Ausgründungen vorzunehmen, und an der Tatsache ({3}) - haben Sie ein bisschen Geduld -, dass zunehmend Betriebe übernommen werden. Vor diesem Hintergrund muss man sagen, dass in den letzten Jahren der soziale Konsens über die Mitbestimmung hergestellt worden ist. Er bedeutet heute mehr denn je einen verlässlichen Rahmen. ({4}) Da Sie nunmehr die betrieblichen Bündnisse für Arbeit entdecken, möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Es gibt nach einer WSI-Studie, die in den letzten Jahren durchgeführt und die mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden ist, 800 betriebliche Bündnisse für Arbeit, vornehmlich im Osten, aber auch im Westen. Sie sind ausgesprochen erfolgreich. ({5}) Solche Bündnisse gibt es bei Opel, Mercedes und Debis. Den dort geltenden Haustarifvertrag halte ich für vorbildlich. Diese Firmen werden auch dem Anspruch nach mehr Qualifikation gerecht und bieten ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit des lebenslangen Lernens. Dazu fühlen sich diese Firmen verpflichtet. ({6}) Nichtsdestotrotz kann man an dem Verhalten von Herrn Zwickel beispielhaft sehen, dass die deutschen Gewerkschaften im Moment - leider - an einem Prozess der Auszehrung leiden, da sich immer weniger junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - mit sinkender Tendenz - für eine gewerkschaftliche Mitarbeit interessieren. ({7}) - Halten Sie doch einmal den Mund. - Meiner Fraktion ist sehr daran gelegen, dass die Gewerkschaften nicht zu Altersorganisationen werden, die die Zukunftschancen der Mitbestimmung schwächen. Wir brauchen gerade im Zeitalter der Globalisierung eine funktionierende Mitbestimmung. Dem strukturellen Wandel müssen sich auch die Gewerkschaften stellen. Ich möchte an dieser Stelle etwas sagen, was überhaupt kein Geheimnis ist. Ich bin der Meinung, die Gewerkschaften täten gut daran - vielleicht lernen sie das jetzt aus dem Fall VW -, einzusehen, dass die direkte Beschäftigungspartizipation, das heißt die Bündnisse für Arbeit das habe ich übrigens schon immer gefordert -, aus der Nische herausgeholt werden muss, weil die Bündnisse für Arbeit der Beschäftigungssicherung dienen. Diese Bündnisse erfordern eine hohe soziale Verantwortung und unternehmerischen Geist seitens der Betriebsräte. Beides haben die Betriebsräte in Deutschland offensichtlich; denn sonst gäbe es nicht so viele Bündnisse für Arbeit. ({8}) - Es wird doch gemacht. Jetzt nutzen Sie die Gelegenheit und sagen: Der Kanzler hat nicht auf den Tisch gehauen. Dann müssen wir das Günstigkeitsprinzip verändern, verehrter Herr Kollege Kolb. Ich war auch einmal dieser Meinung, weil ich dachte, dass dies ein Instrument der Beschäftigungssicherung wäre und dass es die Beschäftigungsautonomie in diesem Lande stärken würde. Dieser Meinung bin ich inzwischen nicht mehr, nachdem ich mit vielen Gewerkschaftern und Arbeitsrechtlern geredet habe. Zu dem Fall Burda - das wissen Sie genau - hat der damalige BAGPräsident gesagt: Die Politik muss die rechtlichen Voraussetzungen des Günstigkeitsprinzips neu definieren. Ich bin nicht mehr dieser Meinung, weil ich glaube, dass man in Zeiten des Strukturwandels nicht an der Tarifautonomie rütteln sollte. Wenn die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer wie auch die CDU/CSU-Fraktion eine Neudefinition des Günstigkeitsprinzips so verstehen, dann muss man anmerken, dass es kein geeignetes Instrument zur Stärkung des Flächentarifvertrags ist. ({9}) Zusammenfassend möchte ich feststellen: Das Beispiel VW macht deutlich, dass der alte Streit innerhalb der Gewerkschaften, welche Macht und Autonomie Betriebsräte haben dürfen und welche Rolle die Funktionäre spielen dürfen, jetzt geklärt werden muss. Das ist auch im Fall Burda eines der Kernprobleme gewesen,

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, Sie müssen dringend zum Schluss kommen.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- wenngleich ich glaube, dass auch Herrn Zwickel sehr an der Beschäftigungssicherung gelegen ist. Danke schön. ({0}) Margareta Wolf ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Meine lieben Herren Kollegen, ich beobachte schon - darauf möchte ich hinweisen -, dass die Zwischenrufe lauter sind, wenn eine Kollegin spricht. ({0}) - Mit Ausnahme von Herrn Niebel. Er ist immer laut; das ist in Ordnung. ({1}) Nun hat das Wort die Kollegin Dr. Heidi Knake-Werner für die PDS-Fraktion.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Niebel übertrifft immer alle. Frau Präsidentin! Lieben Kolleginnen und Kollegen! Die IG Metall und insbesondere ihr Vorsitzender Klaus Zwickel stehen seit Tagen in der Schusslinie als angebliche Arbeitsplatzblockierer, als Anwälte der Arbeitsplatzbesitzenden - wie das so neumodisch immer heißt und als Traditionalisten, die sich scheinbar der Modernisierung der Automobilproduktion in den Weg stellen. 5 000 VW-Arbeitsplätze werden angeblich durch Betonköpfigkeit in den Wind geschlagen und die Interessen der Arbeitslosen schmählich verraten, heißt es. Die F.D.P. schießt aus vollen Rohren - wir konnten das heute hören - und die Bündnisgrünen, so ihr Parteichef Kuhn, blasen ins gleiche Horn. Sie werden verwechselbar, liebe Kolleginnen und Kollegen. Natürlich wäre es für viele Arbeitssuchende eine große Chance, einen der tatsächlich 3 500 neuen Jobs bei VW zu bekommen. ({0}) - Nein, 3 500. ({1}) - Die stehen in den Sternen. - Ich kann verstehen, dass sich viele Hoffnungen darauf richten. Mancher, der inzwischen in der Arbeitslosenhilfe gelandet ist, würde sich über einen dieser 5 000-DM-Jobs freuen. Aber was für den Einzelnen erstrebenswert ist, muss für die Gesamtentwicklung noch lange nicht gut sein. ({2}) Das wissen auch die meisten Erwerbslosen. Sie sollten sich mit denen einmal ein bisschen beschäftigen. ({3}) Was von der F.D.P. hier inszeniert wird, ist ein zynischer Umgang mit den Menschen, die keine bezahlte Arbeit haben. Die wollen sich nämlich weder gegen die Gewerkschaften instrumentalisieren lassen, noch wollen sie sich dazu hergeben, soziale und tarifliche Standards zu unterlaufen. Aber genau das wollen Sie mit dieser Aktuellen Stunde. ({4}) Was ist das Problem beim VW-Modell? Am Standort Wolfsburg und später vielleicht einmal in Hannover soll ein neues Produktionskonzept im Automobilbau erprobt werden. Zweifellos ist damit eine Menge an industriepolitischer Innovation verbunden, und möglicherweise ist das für die Herstellung von Autos eine wirkliche Revolution. Die Krux ist nur: Diese Revolution wird auf dem Rücken der abhängig Beschäftigten ausgetragen. Und genau das wollen wir nicht. ({5}) Ich will jetzt nicht im Einzelnen auf das eingehen, was in diesem Modell vorgesehen ist; ich will nur ein Ergebnis nennen, das die Beschäftigten und die Menschen, die Ihnen ja so sehr am Herzen liegen, betrifft: In dem neuen Werk würden die Beschäftigten 40 Prozent weniger verdienen, als der Flächentarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie vorsieht. Das ist das Ergebnis und genau dieses Ergebnis wollen wir nicht. ({6}) Dazu kann keine Gewerkschaft guten Gewissens Ja sagen. Sie würde damit nämlich den Startschuss geben für einen gnadenlosen Unterbietungswettlauf um Lohnkosten und Arbeitszeit in der gesamten Automobilindustrie. Das wissen Sie ganz genau. Das ist auch Ihr erklärtes Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass in Rüsselsheim oder Zuffenhausen die Löhne zu halten sind, wenn die Lohnkosten in Wolfsburg so drastisch sinken! Nein, natürlich glauben Sie das nicht. Sie wollen ja ausdrücklich, dass genau dieser Prozess einsetzt. ({7}) Das weiß natürlich auch die VW-Vorstandsetage. Sie hat mit dem „5 000 x 5 000“-Vorschlag ein Pilotprojekt geplant, das nicht nur den Haustarif bei VW aushebelt, sondern das gesamte Tarifwerk der Metall- und Elektroindustrie unterbietet. ({8}) Das in Jahrzehnten erstrittene Lohn- und Arbeitszeitniveau soll dabei mir nichts, dir nichts nach unten gedrückt werden, um nach dem Erreichen der höchsten Arbeitsproduktivität - die haben wir bei VW - nun auch noch die höchste Kapitalrendite einzufahren. Für eine Gewerkschaft ist es völlig inakzeptabel, dabei zuzusehen, zumal es um einen Betrieb geht, der wirklich nicht in wirtschaftlicher Not steckt. ({9}) Gerade in einem Unternehmen wie VW mit einem hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad wäre der Verzicht auf die Mindeststandards des Flächentarifvertrages gegenüber den Beschäftigten und gegenüber den Arbeitslosen verantwortungslos. Damit es eindeutig klar ist: Es ist im Interesse der Erwerbslosen, wenn sie zu vernünftigen und erkämpften Tarifbedingungen beschäftigt und nicht zu deren Unterbietung missbraucht werden. Ich stimme dem IG-Metall-Chef Klaus Zwickel voll und ganz zu, wenn er sagt: Am Ende einer solchen Lohnabwärts- und Arbeitszeitaufwärtsspirale stehen nicht Tausende Arbeitslose weniger, sondern Hunderttausende Arbeitslose mehr. ({10}) - Nein, das ist bei Herrn Zwickel völlig richtig. ({11}) Ich sage ausdrücklich: Die PDS wird genau diejenigen unterstützen, die sich diesem Trend in den Weg stellen. Genau das tut die IG Metall in diesem Fall und das ist gut so. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Bodo Seidenthal für die SPD-Fraktion das Wort.

Bodo Seidenthal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002151, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die von der F.D.P.-Fraktion beantragte Aktuelle Stunde beweist einmal mehr, dass die F.D.P. Politik auf dem Rücken von Menschen machen will, die auch ohne Sie, meine Damen und Herren, genug Probleme haben. ({0}) Herr Hirche, Sie wollen den Menschen doch gar nicht helfen; vielmehr geht es Ihnen darum, Tarifrecht und Tarifautonomie abzuschaffen. Das sind Ihre wahren Motive. ({1}) Meine Damen und Herren von der F.D.P. und von der CDU, wo waren Sie eigentlich, als am 25. Februar 1988 ein Entschließungsantrag der SPD, die geplante Privatisierung von Anteilen des Bundes an der VW AG abzulehnen, zur namentlichen Abstimmung stand? Sie haben diesen Antrag abgelehnt! ({2}) Wo waren Sie eigentlich, als es in den 90er-Jahren um die Einführung der Viertagewoche ging, mit der über 30 000 Arbeitsplätze in Wolfsburg gesichert wurden? Wo waren Sie da, Herr Hirche? ({3}) Wo waren Sie eigentlich in den letzten Wochen, als es um das neue Betriebsverfassungsgesetz - es verbessert die Situation der Betriebsräte - ging? Wenn wir Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., bei all diesen Entscheidungen an unserer Seite gehabt hätten, dann wären Sie heute viel glaubwürdiger. ({4}) Meine Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., als Vertreter einer liberalen Partei meinen Sie doch, dass eine Wirtschaftsordnung umso erfolgreicher sei, je mehr sich der Staat zurückhalte und dem Einzelnen seine Freiheit lasse. Warum sollen wir dann heute eigentlich diskutieren? Warum soll sich der Deutsche Bundestag eigentlich in diese Diskussion - ({5}) - Herr Niebel und Herr Kolb, seien Sie doch ganz ruhig. - Warum soll sich der Bundestag einmischen? Die Tarifparteien funktionieren und dabei soll es bleiben. ({6}) Das Projekt „5000x5000“ benötigt unsere Diskussion nicht. ({7}) - Frau Schwaetzer, auch Sie waren doch damals schon dabei und haben dagegen gestimmt. ({8}) Eines steht fest: Die Verhandlungsparteien haben sich auch ohne uns für einen Verhandlungserfolg intensiv eingesetzt; ({9}) denn sie wollten mit diesem Projekt zeigen, dass in Deutschland ein Wachstum anArbeitsplätzen auf dem Gebiet der industriellen Produktion möglich ist. Sie wollten vor allen Dingen zeigen, dass wir auch für diejenigen Menschen, die nicht über das Privileg einer akademischenAusbildung verfügen, Beschäftigungswachstum brauchen. ({10}) Herr Niebel, deshalb ist es richtig, dass die Verhandlungsteilnehmer das neue System nach Wolfsburg holen und vor allem den Standort sichern wollten. Sie wollten Beschäftigungsverhältnisse für 5 000 Arbeitslose schaffen. ({11}) - Herr Niebel, Herr Zwickel hat es mit Sicherheit nicht verhindert. ({12}) Jetzt zitiere ich Ihnen das einmal, damit das ein für alle Mal bei den Folgerednern vom Tisch ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Niebel, ich will jetzt hier keinen Ordnungsruf erteilen. Ich finde es aber schon ziemlich unerträglich, dass Sie den Redner dauernd unterbrechen. Meine Bitte ist, einmal ein bisschen zuzuhören. Der Kollege Seidenthal hat das Wort. ({0})

Bodo Seidenthal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002151, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung zitiere ich aus einem Brief von Klaus Zwickel an den niedersächsischen Ministerpräsidenten: Zuvor will ich aber festhalten, dass die Tarifverhandlungen am 25. Juni bereits faktisch gescheitert waren, als ich gegen 18.30 Uhr in Hannover ankam. Das hatte sich nämlich schon ab 15 Uhr abgezeichnet. Die Tarifverhandlungen waren gescheitert, bevor Klaus Zwickel überhaupt in Hannover eintraf. ({0}) Das müssen Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen. ({1}) Nach den gescheiterten Verhandlungen müssen wir aber leider feststellen: Die Hürden zur Erreichung eines Verhandlungserfolges waren definitiv zu hoch. Die Annahme des Vorschlages des Unternehmens hätte nämlich faktisch die Festschreibung einer Arbeitszeit von über 40 Stunden in der Woche zur Folge gehabt. Das wäre ein eindeutiges Signal für eine Verlängerung der tariflichen Arbeitszeiten in ganz Deutschland gewesen. Sagen Sie doch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern draußen, dass Sie das so wollen. Dies können und werden die IG Metall, der Betriebsrat und die SPD nicht akzeptieren, weil wir nicht 50 Jahre erfolgreicher Tarifpolitik der Arbeitszeitverkürzung einfach auf den Müllhaufen der Geschichte schmeißen wollen. ({2}) Erkundigen Sie sich doch einmal in Wolfsburg beim Betriebsrat: Bei Volkswagen gibt es mittlerweile über 100 Arbeitszeitmodelle, sodass wir Ihren Kommentar gar nicht brauchen. ({3}) Meine Damen und Herren, zum ersten Mal ist man bei Volkswagen ohne gemeinsames Ergebnis auseinander gegangen. Das bedaure ich persönlich sehr. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Beteiligten im nächsten Anlauf einen guten tarifvertraglichen Kompromiss erreichen werden. ({4}) Volkswagen und der Betriebsrat stehen vor einer Bewährungsprobe der besonderen Mitbestimmung. Vorstand und Gesamtbetriebsrat stellen sich dieser Bewährungsprobe. Ich gehe davon aus, dass sie sie aus eigener Kraft bestehen. Wir brauchen nicht den Rat der F.D.P. ({5})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat das Wort der Kollege Karl-Josef Laumann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

So ist es! ({0}) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren in diesem Hause aus gutem Grund oft über die Arbeitsmarktpolitik im Allgemeinen. Heute diskutieren wir einmal über Arbeitsplätze im Konkreten, nämlich über 5 000 Arbeitsplätze bei VW und darüber, dass es viele Menschen im dortigen Raum gibt - sonst hätten sich ja nicht 10 000 beworben -, die zurzeit arbeitslos sind, vielleicht Familie haben und hier eine neue Lebensperspektive sowie ein vernünftiges finanzielles Fundament für ihr persönliches Leben bekommen könnten. Das ist eine ganz konkrete Sache. ({1}) Ich kann mir schon vorstellen, dass diese Menschen ziemlich erstaunt sind über das, was da bei VW passiert. ({2}) Ich möchte es mir nicht so einfach machen und festlegen, ob nun die Gewerkschaften oder der Vorstand von VW schuldig ist. Für die Menschen, die diese Arbeitsplätze haben wollten, ist diese Frage auch relativ unerheblich. Sie erwarten zu Recht, dass es eine Entscheidung gibt und diese Arbeitsplätze in Deutschland - genauer: in der Region Wolfsburg - entstehen. So einfach ist das. ({3}) In der letzten Wahlperiode hat mein Kollege HeinrichWilhelm Ronsöhr einen Angriff der F.D.P. auf das VWGesetz abgewehrt. Wir von der CDU/CSU haben die Liberalen davon überzeugt, das besser sein zu lassen. In diesem VW-Gesetz ist festgelegt, dass VW seinen Standort in Wolfsburg hat. Damals sind der Herr Ronsöhr und die Union auch von der IG Metall dafür gefeiert worden, dass sie diese Angriffe vereitelt haben. ({4}) Wenn aber die IG Metall es damals so gefeiert hat, dass VW in Wolfsburg bleibt und die Entscheidungen von VW weiterhin in Wolfsburg fallen, dann sollte sie sich bitte auch daran halten und nicht von Frankfurt aus EntscheiBodo Seidenthal dungen in Wolfsburg beeinflussen. Man kann nicht beides haben. ({5}) Wir müssen auch einmal darüber reden, dass der Betriebsratsvorsitzende, mein Kollege von der IG Metall, gesagt hat, dass diese Arbeitsplätze für VW in Wolfsburg große Bedeutung haben, auch über diese 5 000 hinaus. ({6}) Wir wissen ja, dass an einem Arbeitsplatz bei VW auch Zulieferungen hängen, dass auch Infrastruktur daran hängt. Es gibt Leute, die sagen, man könne einen Arbeitsplatz in der Industrie etwa mal vier nehmen. ({7}) Also geht es hier um eine gewaltige Sache für die Region. Nun sind wir hier im Bundestag bei der Politik. Wir müssen uns natürlich schon überlegen, was wir tun können. Die Bundesregierung hat immer gesagt, sie wolle im Bündnis für Arbeit darüber reden, was wir tun können, um mehr Arbeitsplätze in Deutschland zu kriegen. ({8}) Warum ist eigentlich im Bündnis für Arbeit bis jetzt nicht über die Probleme, die wir bei VW haben, die mit dem Flächentarifvertrag zusammenhängen, geredet und eine Lösung geschaffen worden? ({9}) Denn das, was im Moment im Zusammenhang mit VW durch die Zeitungen geht, passiert doch wahrscheinlich Woche für Woche mit weniger Arbeitsplätzen an vielen hundert oder tausend Stellen in Deutschland. ({10}) Ich glaube, dass es, wenn dieses Bündnis überhaupt noch Sinn machen soll, dringend notwendig wäre, darüber zu reden. ({11}) Der Bundestag muss sich fragen, warum er nicht die rechtlichen Voraussetzungen schafft, für diesen Bereich auch zu anderen Lösungen zu kommen. Meine Partei hat im Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungsgesetz in unserem Antrag einen Vorschlag gemacht und gesagt, dass so etwas gehen muss, wenn der Betriebsrat, die Geschäftsleitung und die Belegschaft in geheimer Abstimmung mit einem hohen Quorum dafür sind und ein begründetes und zeitlich befristetes Einspruchsrecht der Tarifvertragsparteien gegeben ist. ({12}) Das muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Ich sage nur eines: Der Flächentarifvertrag hat eine beruhigende Wirkung und eine sehr positive Bedeutung. Dennoch ist es doch so, dass wir über solche Maßnahmen wie hier im Falle von VW, die doch eigentlich alle wollen, nachdenken müssen. Die Mitarbeiter von VW würden ja nicht Arbeitsbedingungen für die neuen Kollegen zustimmen, wenn die unmöglich wären. 5 000 DM Einkommen sind für viele Leute in diesem Lande Gott sei Dank noch eine Menge Geld. Unter diesen Voraussetzungen muss so etwas gehen. Ich finde, wir sollten die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Eigentlich gibt es auch eine Mehrheit im Parlament dafür; denn auch die Grünen, auch ihr Fraktionsvorsitzender, haben sich mehrfach eindeutig so geäußert, dass wir eine Regelung dafür brauchen. ({13}) Dann ist es auch einmal wichtig, dass Sie mit uns zusammen diese Regelung schaffen. Die Opposition steht dafür bis auf die PDS zur Verfügung. Sie dürfen eben nicht nur auf Parteitagen reden, aber dann in der Praxis so abstimmen, dass sich in dieser Frage einfach zu wenig tut. Ich hoffe nur, dass die Verantwortlichen bei VW und bei der IG Metall bald eine Lösung finden, damit diese Arbeitsplätze bei uns entstehen. Ansonsten geben sie alle sich der Lächerlichkeit preis ({14}) und kommen damit wieder an einen Punkt, an dem sich die Menschen zu Recht fragen: Was ist eigentlich in unserem Land los? Schönen Dank. ({15})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Kollegin Dr. Thea Dückert für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Projekt 5 000x5 000 ist sicherlich ein Projekt mit ungeheuer großen Chancen für die gesamte Region Wolfsburg, ({0}) für Hannover und, wie wir gehört haben, auch darüber hinaus. Das wird von niemandem bezweifelt. Die große Chance besteht auch in den vielen innovativen Elementen, die in diesem Paket insgesamt enthalten sind. Bei allem Ärger über den derzeitigen Abbruch der Verhandlungen, aber auch bei allem Verständnis dafür gibt es eine sehr gute Nachricht, nämlich: Es wird weiter verhandelt werden. Im August werden die Partner wieder zusammentreten. Sie arbeiten jetzt an weiteren Lösungen, und ich denke, das ist gut so. Ich muss dabei aber auch feststellen - das insbesondere an die Adresse von Herrn Kolb -, dass dies nun einmal Sache der Tarifparteien ist. Ich sage Ihnen: Auch das ist gut so! ({1}) Es ist nicht Sache des Bundeskanzlers, sich da einzumischen, und zum Glück auch nicht Sache des Herrn Protzner, hier irgendwelche Lösungen vorzuschlagen. ({2}) Herr Kolb, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie hier in großer Klarheit gesagt haben, worum es Ihnen eigentlich geht. Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie in diesem Fall die Tarifparteien gar nicht bräuchten. ({3}) Es geht Ihnen in dieser Aktuellen Stunde und in diesem Fall gar nicht um die Inhalte, ({4}) um die es noch zu streiten gilt, sondern es geht Ihnen darum, in einer verantwortungslosen Art und Weise den Flächentarifvertrag und die Tarifautonomie anzugreifen. ({5}) Beide Tarifparteien haben von Anfang an ihr großes Interesse an dem Projekt 5 000 x 5 000 deutlich gemacht. Die IG Metall hat Ideen eingebracht, wie dieses Projekt vorangetrieben werden muss. Zum Beispiel sollen Arbeitslose gezielt für schon vorhandene oder noch zu schaffende Arbeitsplätze qualifiziert werden. Damit kann für diese arbeitlosen Menschen eine Brücke zum Arbeitsmarkt geschlagen werden. Sie haben auch vorgeschlagen, Gruppenarbeit in eigener Verantwortung zu installieren ({6}) und flache Hierarchien in drei Stufen anstatt wie bisher in acht Stufen im Rahmen dieses Projekts festzuschreiben. Es war von Anfang an klar, dass die Regelungen, die gefunden werden müssen, zwischen Haustarifvertrag und Flächentarifvertrag liegen werden. Es wurde von keiner Seite behauptet - auch nicht von den Arbeitgebern -, dass man eine Lösung finden wollte, die unter den Regelungen des Flächentarifvertrags liegt. ({7}) Man kann sich zwar darüber streiten, ob dies der heutige Stand ist - ich werde noch darauf zurückkommen -, aber es ist einfach falsch und völlig deplatziert, hier eine Debatte um das Günstigkeitsprinzip zu entfachen. Selbst wenn man Ihren Vorschlägen folgen würde, würde das Günstigkeitsprinzip überhaupt nicht zur Debatte stehen. ({8}) Der Betriebsrat ist nicht zurückgepfiffen worden, wie Sie hier suggerieren wollen. Der Betriebsrat hat vielmehr in Übereinstimmung mit der IG Metall eindeutig gesagt, dass es in dem vorliegenden Paket noch Pferdefüsse gibt und dass somit noch die Gefahr besteht, dass der Tarifvertrag unterlaufen wird. In Wolfsburg wird im Moment um eine Lösung oberhalb des Flächentarifvertrages, aber eben auf Basis des Flächentarifvertrages gestritten. Die Arbeitgeber bieten im Moment einen Jahreslohn von 54 000 DM an. Diese Summe liegt nun einmal unterhalb der Summe von 61 000 DM, die im Flächentarifvertrag vereinbart worden ist. Ich sage aber auch: In dem Gesamtpaket gibt es Stellschrauben, um viele innovative Elemente bezüglich eines ergebnisorientierten Produktionsverfahrens oder zum Beispiel Beteiligungselemente bei der Bezahlung einzuführen. Es gibt viele flexible Elemente, die auf der einen Seite Pilotcharakter haben, die aber auf der anderen Seite auch Stellschrauben sind. Damit sind beide Seiten in der Zukunft in der Lage, auf der Basis der Tarifverträge für sie tragfähige Verabredungen zu treffen. Ich glaube, dass man in Wolfsburg aufgrund der vorhandenen Stellschrauben und Bewegungsmöglichkeiten noch eine gute Lösung finden kann. Ich bin fest davon überzeugt, dass die IG Metall und die Arbeitgeber in der Lage sein werden, eine Win-Win-Situation herzustellen, also eine Situation, in der in der Region alle - das heißt: das Unternehmen, die Arbeitslosen und die Gewerkschaften - gewinnen werden. Bis dahin wird es noch eine gewisse Zeit brauchen. Vor dem Hintergrund der Geschichte gerade von VW Wolfsburg und der Geschichte der unterschiedlichen Haustarifverträge bei VW Wolfsburg, die allesamt Pilotcharakter hatten, bin ich aber sehr positiv gestimmt, dass es VW auch diesmal wieder gelingen wird, eine Vorreiterrolle bezüglich neuer Tarifverträge und Haustarifverträge einzunehmen. Ich danke Ihnen. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Walter Hirche, F.D.P.-Fraktion.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich eine zutiefst politische Debatte, die wir haben, wenn in Deutschland der Vorschlag gemacht wird, auf einen Schlag 5 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, und dann die Gewerkschaft in der ersten Runde Nein dazu sagt. ({0}) - Genau so ist es. Herr Volkert, der Betriebsratsvorsitzende, hat das zu Anfang in aller Deutlichkeit gesagt. Es kann ja sein, dass er inzwischen durch Druck aus Frankfurt ({1}) eingefangen und auf eine andere Linie gebracht worden ist; das lasse ich mal dahingestellt sein. Ich hoffe mit Herrn Andres, um zu Beginn einmal aufzugreifen, dass es noch eine Lösung gibt; ({2}) denn 5 000 Arbeitsplätze plus entsprechende weitere Arbeitsplätze sind für die Region Wolfsburg und Hannover bitter notwendig. Aber Tatsache ist doch auch, dass man sich mit dem Vorgehen der IG Metall in dieser Situation beschäftigen muss. ({3}) Nicht die F.D.P. mit dieser Aktuellen Stunde, sondern das Verhalten der IG Metall im Zusammenhang mit neuen Arbeitsplätzen gefährdet die Tarifautonomie, nichts anderes! ({4}) Für uns als Liberale ist Tarifautonomie ein Bestandteil der Freiheitssicherung in der Gesellschaft. Da soll sich der Staat nicht reinmischen; ({5}) denn wir sind gegen einen zentralistischen Staat. ({6}) Aber Tatsache ist doch, dass Klaus Zwickel und die IG Metall die Einrichtung von 5 000 neuen Arbeitsplätzen bei VW sabotiert haben, ohne Rücksicht auf die betrieblichen Notwendigkeiten. ({7}) Das ist ein wirtschaftlicher Skandal. Tatsache ist: 10 000 Menschen haben sich schon um diese Arbeitsplätze beworben. Ihnen wird die Tür vor der Nase zugeknallt. Das ist ein sozialer Skandal! ({8}) Die Hoffnungen der Arbeit Suchenden werden blockiert, nur weil die IG Metall sagt: Wir haben mit den Tarifverträgen einmal ein Muster gefunden, und an dem wollen wir festhalten. In der Tat - das finde ich das Positive an den Gesprächen zwischen dem Betriebsrat und dem Unternehmen - hat auch der Betriebsrat gesagt: Lasst uns über flexible Arbeitszeiten nachdenken; ({9}) lasst uns darüber reden, dass es eine Gruppenverantwortung gibt. Aber genau das, Frau Dückert, wird heute in einer Tickermeldung der Gewerkschaften wieder infrage gestellt. ({10}) Man könne einem Arbeitnehmer nicht zumuten, heißt es dort, für das Ergebnis seiner Arbeit verantwortlich zu sein. Aber dem Kunden wird zugemutet, dass er mit dem Ergebnis der Arbeit zu einem festen Preis etwas anfängt. Dann muss aber ebenso im Betrieb, wie das bei jedem Mittelständler der Fall ist, der sich auch nicht an 35, 38 oder 42 Stunden festhalten kann, ({11}) ergebnisverantwortlich gehandelt werden. ({12}) Das, was die IG Metall hier bisher gemacht hat - völlig anders als etwa die IG Chemie oder andere Gewerkschaften -, ({13}) ist ein Dinosaurierverhalten, wie es in unserer Gesellschaft kein krasseres gibt: ({14}) das Kartell der Arbeitsplatzbesitzer gegen die Arbeitslosen in dieser Gesellschaft. Das Wichtigste in diesem Zusammenhang ist doch, dass wir uns überlegen, warum andere Länder um uns herum - ich nehme als Beispiel einmal die Schweiz mit ihrer Arbeitsmarktstruktur - in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit so viel erfolgreicher sind. In der Schweiz liegt die Arbeitslosigkeit unter 3 Prozent - bei einer durchaus höheren Wochenarbeitszeit; das ist richtig. ({15}) - Da können Sie sagen: „Aha“; ({16}) für mich ist aber der Arbeitsplatz das Wichtigste und nicht das Beharren auf formalen Regeln. ({17}) Ich sage Ihnen: Lieber drei oder fünf Stunden pro Woche mehr arbeiten und einen Arbeitsplatz haben, als arbeitslos in der Gegend herumzulaufen. ({18}) Das ist die eigentliche soziale Frage, der wir uns heute stellen müssen. Wenn Sie zu dieser Frage Nein sagen und die eine Gewerkschaft hier einfach machen lassen, dann ist das ein falscher Weg. Ich begrüße deshalb, dass in diesem Zusammenhang seitens der Bundesregierung durchaus differenzierte Meinungen geäußert worden sind. Ich will noch einmal verdeutlichen: Für uns ist bei dieser Debatte das Wichtigste, lieber Kollege Seidenthal, dass Arbeitsplätze entstehen. Sie würden das genauso sehen. Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass wir das damals bei der Betriebsversammlung von VW zusammen haben verfolgen können, als über die 28-Stunden-Woche geredet wurde; auch das Ergebnis haben wir gesehen. Ich bin nämlich durchaus in den Betrieben. ({19}) Deswegen sage ich als letzten Punkt dieses kurzen Beitrags: Wir haben hier einen Beweis dafür, dass es im Tarifrecht und im Betriebsverfassungsrecht - wir müssen alles miteinander diskutieren - notwendig ist, über eine neue Interpretation der Günstigkeitsklausel nachzudenken. ({20}) Es kann nicht sein, dass diese Günstigkeitsklausel nur mehr Lohn oder weniger Arbeitszeit beinhaltet. Vielmehr muss sie in Zukunft betriebliche Vereinbarungen auch dann zulassen, wenn es um mehr Arbeitsplätze geht. ({21}) Priorität in unserer Gesellschaft muss die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen haben. Das ist die Auffassung der F.D.P. ({22}) Ich verstehe gar nicht, warum Sie da so aufgeregt dazwischenrufen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Denn wir müssten uns auf dieses Ziel hin gemeinsam weiterbewegen. Das wollen wir mit dieser Aktuellen Stunde erreichen. Ich hoffe, dass die Einsicht bei Ihnen noch einkehrt, wie sie bei der Bundesregierung in Teilen offenbar vorhanden ist. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt spricht für die SPD-Fraktion der Kollege Klaus Brandner.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bei dem, was wir heute hier gehört haben, insbesondere von Herrn Kolb und von Herrn Protzner, ({0}) habe ich mir im Innern gesagt: Was an Inhalten fehlt, holt man an Lautstärke nach. Ich habe in meiner Kindheit gelernt: Wer schreit, hat Unrecht. Das, was Sie vorgetragen haben, waren wirklich nur „Lautnummern“. ({1}) Das hat keinem Arbeitslosen in dieser Gesellschaft geholfen. Das, was Sie vorgelegt haben, war in der Tat jämmerlich. ({2}) Ein Beitrag wie der von Herrn Hirche, der sich sogar dazu herabgelassen hat, von Sabotage bei Arbeitsplätzen zu sprechen, ({3}) und der damit das Vorgehen in die Nähe einer Straftat rückt, ist aus meiner Sicht eine Unverschämtheit. Ich sage das einmal so deutlich. ({4}) Ich will auch etwas zu dem Kollegen Laumann sagen, der in seinem Beitrag zuerst versucht hat, eine ausgewogene Position darzustellen, sich dann aber in Bezug auf das Tarifrecht und die Tarifautonomie völlig verirrt hat. Das, was er vorgetragen hat, hat nämlich zur Folge, dass Betriebräte zukünftig ein Streikrecht haben müssen; denn in diesem Fall bei VW geht es nicht um eine Sanierung, sondern darum, einen Haustarifvertrag für einen speziellen Unternehmenszweig abzuschließen. Wer will, dass Betriebsräte dort eine andere Funktion bekommen, als sie nach dem geltenden Betriebsverfassungsrecht haben, der muss ihnen auch das offizielle Streikrecht zubilligen. Wer das will, der schafft eine völlig andere Landschaft in diesem Land, der sorgt dafür, dass der Betriebsfrieden, der heute eines unserer höchsten Güter ist, dauerhaft zerstört wird, Kollege Laumann. ({5}) Meine Damen und Herren, die bisherige Debatte hat gezeigt, dass die F.D.P. mit dem Beispiel VW wieder einmal gegen die Tarifautonomie als solche vom Leder ziehen will. Ich stelle dagegen für die Sozialdemokraten klar: Die SPD steht zur Tarifautonomie, weil sie sich in unserem Land bewährt hat ({6}) und weil es richtig ist, dass mit Tarifabschlüssen Rechtsfrieden und soziale Sicherheit in diesem Land hergestellt worden sind. ({7}) Die F.D.P. beantragt eine Aktuelle Stunde zum Thema: „Zur Ablehnung der IG Metall, bei VW 5 000 Arbeitsplätze mit einem Lohn von 5 000 DM zu schaffen“. Dazu sage ich Ihnen ganz konkret: Die IG Metall lehnt die Schaffung von 5 000 Arbeitsplätzen mit einem Lohn von 5 000 DM nirgendwo ab. ({8}) Es geht nur darum, dass die Bedingungen, unter denen dieser Abschluss erfolgen soll, nicht annehmbar sind. Das muss man deutlich sagen. ({9}) Bei VW geht es also um einen besonderen Abschluss. Gerade bei VW hat sich die IG Metall in der Vergangenheit schon oft durch innovative Tarifpolitik zusammen mit dem Betriebsrat hervorgetan. Das wissen Sie. Ich erinnere in dem Zusammenhang nur an den Tarifvertrag über die 28,5-Stunden-Woche, durch den 30 000 Arbeitsplätze in einer Krisensituation gesichert wurden. Gerade bei VW haben Betriebsrat, IG Metall und Geschäftsleitung gezeigt, wie innovative Tarifpolitik funktionieren kann. ({10}) Deshalb sind wir - das sage ich sehr deutlich - gegen Schnellschüsse, durch die im Kern die IG-Metall-Zentrale als mutwilliger Bremser in der Tarifpolitik dargestellt wird. Ich sage auch ganz offen zu Frau Wolf: Die Gewerkschaften leiden in einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit unter Umständen an mangelndem Mitgliederzuwachs; dass sie aber ausgezehrt und nicht mehr innovativ seien und keine Ideen mehr hätten, das kann ich in der Tat nicht nachvollziehen. ({11}) Die IG Metall hat gerade in Baden-Württemberg einen Tarifvertrag zur Qualifizierung abgeschlossen und damit ein Beispiel dafür gesetzt, dass Zukunftsfragen wie die Arbeitsplatzsicherheit durch Tarifpolitik zu regeln seien. ({12}) Meine Damen und Herren, die Verhandlungskommissionen, die bei VW getagt haben, haben einstimmig ein Ergebnis abgelehnt, das der VW-Vorstand vorgelegt hat. Die Annahme, es gebe Differenzen zwischen Betriebsrat und IG Metall, ist völlig fehl am Platze; das wissen Sie. Im Übrigen setzt sich die Tarifkommission zu 80 Prozent aus ehrenamtlichen Betriebsräten von VW und nur zu 20 Prozent aus hauptamtlichen Metallern zusammen. Das macht deutlich, dass Sie völlig auf dem Holzwege sind, wenn Sie einen Keil zwischen Betriebsrat und IG Metall treiben wollen. ({13}) Es gibt keinen Kampf zwischen der angeblich sturen, betonköpfigen Zentrale der IG Metall und den beweglichen, flexiblen Betriebsräten vor Ort. ({14}) Meine Damen und Herren, es ist ganz einfach so: Die Arbeitnehmer sind sich in dieser Angelegenheit noch nicht einig geworden. Anstatt hier aber einen Spaltpilz zu säen, sollten wir angesichts der Komplexität - hier geht es ja um Neuerungen in einem Tarifvertrag, die ausgelotet werden müssen; es müssen Chancen ausgelotet und Risiken minimiert werden ({15}) den Parteien Zeit geben, sie fördern und ihnen sagen, dass wir einen solchen Prozess nicht stören wollen. Wir sollten loben, was gerade bei VW an innovativer Tarifpolitik entstanden ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. Diese Aktuelle Stunde ist in der von der F.D.P. verfolgten Zielrichtung so überflüssig wie ein Kropf. Ich bin davon überzeugt, dass es bei VW einen guten, modernen und innovativen Tarifvertrag auch zu diesem Gegenstand geben wird. Allerdings bin ich gespannt, ob Sie, meine Damen und Herren von der F.D.P., dann auch dazu eine Aktuelle Stunde beantragen werden, um die innovative Tarifpolitik, die vor Ort gemacht wird, zu feiern. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Meckelburg für die CDU/CSU-Fraktion.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Natürlich muss da etwas ausgelotet werden, Herr Brandner; das ist völlig klar. Die Frage ist, wo ausgelotet wird und wie lange dies dauert. Ich möchte nicht, dass das bis zum Wahltag dauert, auch wenn dies hilfreich wäre, wenn es zur Folge hätte, dass Sie dann nicht mehr gewählt werden, weil Sie bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht viel bewegt haben. Aber für die vielen Menschen, die bereit sind, dort zu arbeiten, wäre es keine Hilfe, sondern verlorene Zeit, wenn dort zu lange verhandelt wird. ({0}) Wir diskutieren hier ja auch nicht im luftleeren Raum, sondern in einer Situation, in der die Arbeitslosigkeit seit vier Monaten saisonbereinigt nicht mehr zurückgeht. Inzwischen sind es schon fünf Monate; denn morgen kommen ja neue Zahlen. Heute sagt Ihnen das Ifo-Institut, dass im Herbst die Arbeitslosigkeit erstmals wieder höher ausfallen werde als ein Jahr zuvor. ({1}) - Frau Rennebach, Sie sind doch gleich dran. Sparen Sie sich Ihre Kraft für den Redebeitrag auf! Das Ifo-Institut sagt auch, dass seit Mitte 2000 die Wirtschaft nicht mehr so gewachsen sei, dass es positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Der Wirtschaftsweise Horst Siebert sagt Ihnen heute in einer Zeitung, man habe seitens der Regierung nichts am Regelwerk getan, was Unternehmen zu einer stärkeren Nachfrage nach Arbeitskräften veranlassen könnte. In dieser Situation reden wir über die Frage, welchen Stellenwert ein Modell 5 000 Arbeitsplätze für 5 000 DM brutto hat. Es gibt eine Menge Gründe, die dafür sprechen, dass für dieses interessante Modell schnell eine Lösung gefunden wird. Der erste Grund wäre der deutliche Beitrag zur Senkung der Arbeitslosigkeit. Es wäre ein Beitrag für die Menschen, die arbeitslos sind und die unter diesen Konditionen arbeiten wollen, auf einen Arbeitsplatz zu kommen, um damit ihre Familien aus eigener Hände Kraft ernähren zu können, statt von Arbeitslosengeldzahlungen abhängig zu sein. ({2}) Es ist nach wie vor die größte soziale Ungerechtigkeit in diesem Lande, dass nicht genügend Arbeit vorhanden ist. Wir müssen in diesem Zusammenhang jedes Steinchen prüfen. Der zweite Grund wäre, dass es die Standortfrage mit einschließt, die Frage also, ob diese 5 000 Arbeitsplätze hier bei uns oder irgendwo sonst entstehen. Der dritte Grund wäre, dass wir der Beantwortung der Frage nahe kommen, ob dies nicht ein Modell dafür sein kann, zu mehr Flexibilität insgesamt zu kommen. ({3}) Wir leiden doch gerade unter einem zu umfangreichen Regelwerk. ({4}) Wir sehen an vielen Stellen, dass es offensichtlich durchaus möglich ist, auf Betriebsebene, also zwischen den Betriebsräten und den Unternehmen, und mit dem Einverständnis der Beteiligten zu etwas lockereren und flexibleren Regelungen zu kommen. Als Vertreter einer Partei, die hier in Deutschland die soziale Marktwirtschaft eingeführt hat, ({5}) sage ich Ihnen, dass wir natürlich zu den bestehenden Flächentarifverträgen und zur Tarifautonomie stehen. Was wir aber auch wollen, ist, dass es im Bündnis für Arbeit und auf Betriebsebene bzw. in den jeweiligen Unternehmen mehr Flexibilität gibt, entsprechende Regelungen festzulegen. Es geht nichts daran vorbei, in diese Richtung zu gehen. ({6}) Wir sprechen hier über etwas, dessen Regelung zurzeit nicht unbedingt ansteht. Bei der Änderung der Betriebsverfassung haben wir diese Chance gerade verpasst. ({7}) - Herr Kollege Brandner, ich sage es Ihnen einmal knallhart: Diesen möglichen 5 000 Arbeitsplätzen können wir nicht dadurch zur Geltung verhelfen und den 10 000 an diesen Arbeitsplätzen Interessierten können wir nicht dadurch helfen, dass die Schwellenwerte, wie es im Betriebsverfassungsgesetz festgelegt worden ist, gesenkt werden bzw. ein Betriebsrat mehr oder weniger eingerichtet worden ist. ({8}) Das hilft den nach den Arbeitsplätzen Nachfragenden überhaupt nichts. Das, was Sie getan haben, war keine Flexibilisierung, sondern reine Statistik. ({9}) - Frau Rennebach, was wir von Ihnen erwartet hätten, ist, dass Sie die Betriebsverfassung zu einem modernen Instrument der sozialen Partnerschaft gemacht, vor Ort unter Beibehaltung der Tarifhoheit Bündnisse für Arbeit zugelassen und Möglichkeiten geschaffen hätten, in den Betrieben flexibler zu sein, und somit einen wichtigen Beitrag geleistet hätten, wie man unter Beteiligung aller Betroffenen zu mehr Arbeitsplätzen kommt. Da werden keine Rechte und Möglichkeiten weggenommen. Wir wollen nur, dass alles etwas flexibler wird. ({10}) Diese Chance haben Sie im Rahmen der Änderung der Betriebsverfassung vertan, Herr Brandner. ({11}) Am Ende meiner Rede kann ich nur meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass die, die für das Zustandekommen des Modells von VW verantwortlich sind, sehen, welche Chance und welche Verantwortung sie haben, dass sie aber auch sehen, welchen Mut sie brauchen, sich einmal einen kleinen Schritt abzunabeln und in Wolfsburg etwas zu entscheiden, was nicht unbedingt von Frankfurt aus fremdbestimmt wird. Das wäre ein Schritt, der Signalwirkung haben könnte, und dann wären wir sicherlich ein wesentliches Stück weiter. Ich hoffe, dass die Beteiligten diesen Mut haben und dies möglichst zügig umsetzen. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat für die SPDFraktion die Kollegin Annette Kramme das Wort.

Anette Kramme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003162, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel. ({0}) Dies ist das ursprünglichste Ziel der Sozialdemokratischen Partei und selbstverständlich die maßgeblichste Zielvorgabe einer rot-grünen Koalition, weil wir wissen, was Arbeitslosigkeit bedeutet: Existenzsorgen, soziale Ausgrenzung und dauerhafter Qualifikationsverlust. Sozialpolitik bedeutet deshalb vor allen Dingen auch staatliche Arbeitsmarktpolitik. Wir werden daher zum 1. Januar 2001 das Recht der Arbeitsförderung novellieren. Sozialpolitik bedeutet aber auch, durch staatliches Handeln für angemessene Arbeitsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Wir sind deshalb mit dem Schlagwort „Recht und Ordnung für den Arbeitsmarkt“ in den Wahlkampf 1998 gezogen und haben die entsprechenden Gesetzesänderungen, beispielsweise zum Kündigungsschutz, veranlasst. ({1}) Aber staatliches Handeln hat immer auch den Grundsatz „Schuster, bleib bei deinem Leisten“ zu befolgen. ({2}) Deshalb sage ich, meine sehr geehrten Damen und Herren von der F.D.P.-Fraktion: Bleiben Sie bei Ihrem Leisten! ({3}) Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes erläutere. Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes gewährt die Koalitionsfreiheit und als Ausprägung derselben vor allen Dingen die Tarifautonomie. ({4}) Ein Grundrecht soll dabei - auch in diesem Fall - vor staatlichem Handeln schützen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung in Band 88, S. 114 formuliert: Mit der grundrechtlichen Garantie der Tarifautonomie wird ein Freiraum gewährleitstet, in dem die Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Interessengegensätze - jetzt hören Sie gut zu! in eigener Verantwortung austragen können. ({5}) Diese Freiheit findet ihren Grund in der historischen Erfahrung, dass auf diese Weise eher Ergebnisse erzielt werden, die den Interessen der widerstreitenden Gruppen und dem Gemeinwohl gerecht werden, als bei einer staatlichen Schlichtung. ({6}) Gerade bei der Lohnfestsetzung zeigt der Handlungsrahmen der Tarifautonomie besonders intensive Wirkung. Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von der F.D.P.-Fraktion, noch einmal: Bleiben Sie bei Ihrem Leisten! ({7}) Weshalb Sie dieses Thema dennoch zum Thema einer Aktuellen Stunde machen, ist klar: Es passt in den Gesamtkontext Ihrer Politik. Sie wollen Tarifverträgen nur noch den Charakter von unverbindlichen Meinungsäußerungen zukommen lassen. ({8}) Die von Ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe sprechen eine deutliche Sprache: Sie wollen § 77 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes und das Günstigkeitsprinzip abschaffen. Sie wollen den langjährigen Konsens der sozialen Marktwirtschaft aufgeben. Ich sage: Das ist ungehörig. Das ist unanständig. ({9}) Politik hat sich nicht in Tarifpolitik einzumischen. Politik darf aber durchaus Meinungsäußerungen vornehmen und das will ich an dieser Stelle tun. ({10}) Das Angebot von VW scheint verlockend: 5 000 Arbeitsplätze jeweils für 5 000 DM. Aber die Hürden sind hoch gesetzt. Tatsächlich stehen nur noch 3 500 Arbeitsplätze und Lohndumping im Raum. Dort wird eine Politik gegen die Arbeitslosen betrieben. Wer soll denn noch die Schwächsten, nämlich die Arbeitslosen, zu den gleichen Bedingungen, wie sie für Arbeitsplatzinhaber gelten, einstellen? ({11}) Ein Blick über die Unternehmensgrenzen hinaus zeigt, dass es auch bei anständigen Arbeitsvergütungen durchaus möglich ist, am Standort Deutschland konkurrenzfähig Automobile zu bauen und zu investieren. Ich verweise auf BMW und Chrysler. ({12}) Die IG Metall hat klar zum Ausdruck gebracht, dass sie bereit ist, in der Tarifpolitik neue Wege zu gehen. Sie hat Kompromisse angeboten, die ihr bestimmt nicht leicht gefallen sind. Sie hätte befristete Arbeitsverträge akzeptiert, sie hätte eine befristete Qualifizierung jenseits der 35-Stunden-Woche oder eine stärkere Einbeziehung des Samstags in die Arbeitszeit akzeptiert. Ich sage Ihnen: Es ist richtig, Nein zu sagen zu langen Arbeitszeiten, die zunächst vor Ort kurzfristig Arbeitsplätze schaffen, langfristig aber vor Ort und andernorts Arbeitsplätze bedrohen. ({13}) Es ist richtig, eine abwärts gerichtete Lohnspirale zu verhindern, sodass niemand mehr gehalten ist, Arbeitslose zu Tarifbedingungen einzustellen. Es ist richtig, einem Unterbietungswettlauf um Lohnkosten und Arbeitszeiten entgegenzuwirken. Es ist richtig, eine Präjudizierung dergestalt zu verhindern, dass die Arbeitsbedingungen einer gesamten Industrielandschaft unter das Flächentarifvertragsniveau sinken. Meine sehr geehrten Damen und Herren, statt über VW sollten wir uns als Parlamentarier über die staatlichen Handlungsmöglichkeiten zur Bekämpfung des Gräuels Arbeitslosigkeit unterhalten. ({14}) Aber das machen Sie natürlich nicht gerne. ({15}) Schließlich könnte es an das erinnern, was Sie uns als Erblast hinterlassen haben, nämlich eine Rekordarbeitslosigkeit. Vielen Dank. ({16})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile dem Kollegen Jochen-Konrad Fromme von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Andres, Frau Dückert, warum wollen Sie eigentlich eine zweitklassige Lösung, wenn es eine erstklassige Lösung gibt? ({0}) Wir würden uns natürlich freuen, wenn 5 000 oder auch 3 500 Menschen eine Arbeit finden würden. Aber zwischen der erstklassigen und der zweitklassigen Lösung liegen 1 500 Arbeitslose, die gern arbeiten möchten, aber auf der Straße stehen. ({1}) Der Sachverhalt ist nicht neu: Seit Jahren wird in Wolfsburg über dieses Projekt verhandelt. Peinlich ist natürlich, wenn am Ende der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende - Herr Zwickel hat einen Doppelhut - aus Gründen, die mit VW gar nichts zu tun haben, die Notbremse zieht. Für das formale Argument hinsichtlich des Tarifvertrages habe ich überhaupt kein Verständnis, denn VW selbst schließt die Tarifverträge ab. Das Unternehmen hat den Haustarifvertrag und den Tarifvertrag für VW-Coaching. Warum soll das nicht auch bei diesem Modellprojekt gehen? Frau Wolf, Sie haben gesagt, der Bundeskanzler habe das Thema zur Chefsache gemacht und sich darum gekümmert. Es scheint mir, als ginge es den üblichen Weg einer Chefsache. Was ist denn nun? Hat er sich in die Tarifautonomie eingemischt oder hat er sich gekümmert? ({2}) In 800 Modellprojekten darf von Tarifverträgen abgewichen werden; dies gilt zum Beispiel auch für das Konkurrenzunternehmen Opel. Warum soll das dann nicht bei VW gehen? ({3}) Diese Frage müssen Sie den 10 000 Leuten, die sich für eine der Arbeitsstellen interessieren, beantworten. Frau Wolf, Sie haben gesagt, dass die Gewerkschaften an einer Auszehrung leiden. Ich glaube, Sie haben das mit sich selbst verwechselt. Sie als Grüne sind doch so nervös, weil Ihre Umfragewerte so sehr gesunken sind. Ich sage Ihnen, worin die Ursache liegt: Sie liegt darin, dass Sie etwas anderes reden, als Sie tun. ({4}) Das, was ich Ihren Kollegen schon vor einigen Tagen gesagt habe, sage ich Ihnen noch einmal: Sie haben früher die Kröten über die Straße getragen und heute schlucken Sie die Kröten der SPD. Deswegen sinken die Umfragewerte Ihrer Partei so. ({5}) Kümmern Sie sich doch mal um das, was Sie versprechen. Meine Damen und Herren, wir reden heute über das wichtige Thema Arbeitsmarktpolitik. An dem Erfolg Ihrer Arbeitsmarktpolitik wollen Sie sich messen lassen. Sie werden ständig gewogen und für zu leicht befunden. Am Arbeitsmarkt haben wir zurzeit Stillstand und Rückgang, aber keinen Fortschritt. Es geht darum, Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und Standorte zu sichern. Bei VW in Wolfsburg gibt es dafür verschiedene Instrumente. Die F.D.P. tritt dafür ein, das VW-Gesetz abzuschaffen. Dies lehnen wir entschieden ab. Wir sind uns alle einig: Das VW-Gesetz muss bleiben, weil es richtig ist und den Standort sichert. ({6}) Die Koalition bzw. die Bundesregierung hat dies gefährdet. Sie hat, bezogen auf die Fusionsrichtlinie, ihren Standpunkt gewechselt. Die Kommission hat sich vor das Knie getreten gefühlt und sucht jetzt nach Möglichkeiten, wie sie dies mit Nadelstichen zurückzahlen kann. Dieser Konflikt wird auf dem Rücken der VW-Arbeiter ausgetragen. Das darf es nicht geben. ({7}) Es geht um Mitbestimmung. Wir wollen natürlich die Mitbestimmung vor Ort und nicht die irgendwelcher Zentralen erreichen. ({8}) Es geht auch um Flexibilisierung am Arbeitsmarkt. ({9}) Das Problem ist: Es ist lange verhandelt worden. Im letzten Augenblick hat die IG Metall - durch Herrn Zwickel Anette Kramme die Notbremse gezogen. Es ging möglicherweise nicht darum, dass er es in der Sache für falsch gehalten hat; er hat ja als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender daran mitverhandelt. Es ging vielleicht auch um Dinge, die mit VW gar nichts zu tun haben, sondern mit einer Auseinandersetzung im DGB. Es geht hier nicht um die Frage, ob eine bestimmte Arbeit gemacht oder nicht gemacht wird, sondern um die Frage, ob die Arbeit in Deutschland oder woanders gemacht wird. Das ist der Kernpunkt der Auseinandersetzung. ({10}) Meine Damen und Herren, Sie sorgen durch Ihre Politik dafür, dass die Arbeit möglicherweise woanders gemacht wird. Dies nützt keinem unserer Arbeitnehmer etwas und deswegen halte ich diesen Weg für falsch. Wir müssen durch Flexibilisierung - dies betrifft die wöchentliche Arbeitszeit, die Jahresarbeitszeit und ähnliche Dinge, die in diesem Modell enthalten waren, - ({11}) - Natürlich ist die Flexibilisierung der Jahresarbeitszeit in diesem Modell enthalten. Es soll doch eine Ergebnisverantwortung geben. Diese Ergebnisverantwortung bedeutet doch auch, dass man dann arbeitet, wenn Arbeit da ist, und dann nicht arbeitet - und auch nicht bezahlt wird -, wenn keine Arbeit da ist. Im Jahresdurchschnitt muss die Arbeitszeit der tariflichvertraglich vereinbarten Arbeitszeit entsprechen. Wir haben Verständnis für die Sorge der VW-Arbeiter, die jetzt in anderen Tarifen sind. Es kann aber doch keine Politik geben, bei der gesagt wird: Auf Deubel komm raus werden diejenigen verteidigt, die Arbeitsplätze haben, und diejenigen, die keine Arbeitsplätze haben, bleiben um jeden Preis außen vor. Das ist doch das Ergebnis Ihrer Politik. ({12}) Deswegen liegen Sie hier völlig falsch. Ich kann nur hoffen, dass es zu dem Kompromiss kommt. Dieser aber ist und bleibt zweitklassig. Ich sage es noch einmal: Es bleiben von vornherein 1 500 Menschen außen vor, die man in Arbeit und Beschäftigung hätte bringen können. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile das Wort der Kollegin Renate Rennebach für die SPD-Fraktion.

Renate Rennebach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001822, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selbst die „Bild“-Zeitung hat eher verstanden, wovon wir hier reden, als Sie. Die „Bild“-Zeitung hat eine Umfrage unter Arbeitslosen gemacht, die zu dem Ergebnis kommt: Die Arbeitslosen sind empört. ({0}) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Menschen, die keine Arbeit haben, sind empört über das Erpressungsangebot, das dem Betriebsrat von VW bzw. der sie vertretenden Gewerkschaft gemacht worden ist. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, VW, die Betriebsräte und die IG Metall haben Appelle von Ihrer Seite nicht nötig; ({2}) das sage ich hier ganz ausdrücklich. ({3}) Die IG Metall, VW und die Betriebsräte werden weiter verhandeln, einen neuen Weg in ihrem Tarifvertrag finden. Ich zitiere Klaus Zwickel: Wir lassen uns die Chance nicht entgehen, mehr als 5 000 Menschen aus der Arbeitslosigkeit zu holen. ({4}) Aber nicht zu jedem Preis. Wir sind nicht bereit, einen arbeitszeitpolitischen Rückschritt in Kauf zu nehmen, der letztlich Tausende von Arbeitsplätzen gefährden würde. Das, denke ich, kann der Fall sein. Nun etwas zu Ihrem Politikstil: Sie fordern von dieser Bundesregierung und von der Koalition politische Eingriffe in die Tarifautonomie. ({5}) Ist es liberal, wenn die F.D.P. den Deutschen Bundestag mit dem Gewerkschaftstag der IG Metall verwechselt? Dort wären Ihre Vorwürfe angebracht, dort wären Ihre Appelle angebracht - unter Umständen, wenn man auf Sie hört! ({6}) Aber weder hier noch dort hört man auf Sie. Seit einiger Zeit spielt die F.D.P. am Rande der Spaßgesellschaft und wir machen hier jeden Mittwoch Aktuelle Stunden, die „Stunk-Sitzungen“ in nichts nachstehen. ({7}) Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist kein guter Politikstil. Ich verstehe auch nicht, dass Sie auf einmal einen Paradigmenwechsel vollziehen. Was hat Ihre Fraktion, die damals in der Koalition mit regiert hat, gejubelt, als VW eiJochen-Konrad Fromme nen Haustarifvertrag zusammen mit der IG Metall erreicht hat! 28 Stunden - und das hat 30 000 Arbeitsplätze geschaffen. ({8}) Da hat jeder gesagt: leuchtendes Beispiel. Damals aber war von Arbeitszeitverkürzungen die Rede, auch zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nämlich einen großen Teil ihrer außertariflichen Leistungen für diesen Tarifvertrag gegeben haben. ({9}) Da haben Sie gejubelt. Nun wollen Sie genau das Gegenteil. Wir haben VW, ein Werk, das europaweit die längste Betriebsnutzungszeit und die kürzesten Arbeitszeiten hat. Sie haben Erfolg damit. Sie werden auch mit der neuen Vereinbarung, die im Übrigen von vielen Kolleginnen und Kollegen in der Gewerkschaft und auch von Klaus Zwickel als höchst spannend betrachtet wird, eine Vereinbarung zum Wohle der Beschäftigten und der Region finden. Ihre Einmischung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. und von der CDU/CSU, haben sie überhaupt nicht nötig. Die Menschen, die keine Arbeit haben, haben deutlich gesagt, dass sie es nicht zulassen werden, dass Sie den Zug der Gewerkschaften und den der Arbeitslosen aufeinander prallen lassen. Das schadet nämlich den Menschen, die keine Arbeit haben. ({10}) - Ach, hören Sie doch auf, Herr Hirche! Wo auch immer in der Republik die Menschen sich beworben haben: Ja, wir werden ihnen helfen. ({11}) Wissen Sie, warum ich jetzt „wir“ gesagt habe? - Ich bin stolz darauf, Mitglied der IG Metall zu sein. Das ist auch gut so. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 5. Juli 2001, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.