Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/27/1999

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung den Jahreswirtschaftsbericht 1999 und den Entwurf einer Novelle des Atomgesetzes mitgeteilt. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine.

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wichtigste Herausforderung in Deutschland, aber auch in Europa ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Daß dabei unterschiedliche ökonomische Konzepte angeboten werden, versteht sich von selbst. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine Neuorientierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik versucht werden muß. Diese Neuorientierung möchte ich so beschreiben, daß zwar angebotspolitische Strukturreformen nach wie vor notwendig sind, daß aber in stärkerer Form als in der Vergangenheit die Nachfrageseite der ökonomischen Entwicklung beachtet werden muß. Es geht bei dem Neuansatz also um ein ausgewogenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Wir erinnern hier immer an den Satz des Nestors der Nationalökonomie, Paul Samuelson, der sagte: Gott gab uns zwei Augen: eines für das Angebot und das andere für die Nachfrage. Wenn wir also über die Beschäftigungsentwicklung in diesem Jahr und in den nächsten Jahren diskutieren, ist nach unserer Auffassung eine Größe wieder stärker ins Zentrum der Betrachtung zu rücken, die in den vergangenen Jahren außerhalb der Diskussion war, nämlich die Entwicklung der wirtschaftlichen Gesamtnachfrage. Um diese Neuausrichtung durch praktische Politik vorzunehmen, haben wir zunächst das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit auf den Weg gebracht. Auf europäischer Ebene versuchen wir, zu einer gesamtwirtschaftlichen Koordinierung zu kommen, damit Finanz-, Lohn- und Geldpolitik konfliktfrei zusammenspielen. Ich weise darauf hin, daß immer dann, wenn die Arbeitslosigkeit in Deutschland dramatisch angestiegen ist, eine klassische Konfliktsituation insofern vorlag, als Haushalts-, Lohn- und Geldpolitik gegeneinander standen. Das letzte Mal war dies im Jahr 1992 der Fall: Eine expansive Haushaltspolitik mit hoher Kreditaufnahme und eine Lohnpolitik, die über den Produktivitätszuwachsraten abschloß, trafen auf eine Geldpolitik, die im kurzfristigen Bereich zu Nominalzinsen in Höhe von 10 Prozent und im langfristigen Bereich von 8 Prozent führte. Das ist die klassische Konstellation, die Arbeitslosigkeit aufbaut. Wir werden in Zukunft versuchen, solche Konstellationen, die auch in den zurückliegenden Jahren immer wieder auftraten, zu vermeiden. Wir ergänzen diese gesamtwirtschaftliche Koordinierung der Finanz-, Lohn- und Geldpolitik durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik und durch Strukturreformen, wie ich bereits ausführte. Die Weltwirtschaft ist seit einiger Zeit in Turbulenzen geraten, die bereits im Frühjahr vergangenen Jahres auf die deutsche ökonomische Entwicklung übergriffen. Seinerzeit war festzustellen, daß der Ifo-Index die ersten Zeichen einer zurückgehenden Entwicklung aufzeigte. Diese Entwicklung hat sich in den darauffolgenden Monaten verstärkt. Zwar wird darauf hingewiesen, daß die deutsche Exportwirtschaft mit den hauptsächlichen Krisenländern nur zu weniger als 10 Prozent verflochten ist. Dabei wird aber übersehen, daß die indirekten Auswirkungen dieser weltwirtschaftlichen Entwicklung alle Handelspartner Deutschlands betreffen und daher nicht nur die direkten, sondern auch die indirekten Auswirkungen zu sehen sind. Die konjunkturelle Dynamik hat sich im letzten halben Jahr überall in der Welt abgeschwächt; auch daher variieren die Prognosen in Deutschland von 1,4 bis 2,8 Prozent. Wir halten an einer Rate von 2 Prozent fest. Wir weisen allerdings auf die Ausgangsfaktoren hin, die dieser Prognose zugrunde liegen und sich im Laufe des Jahres natürlich verändern werden. Wenn die Exportwirtschaft zurückgeht, dann ist ein starkes Augenmerk der Binnenwirtschaft zu widmen. Das tut die Bundesregierung und richtet ihre Politik danach aus. Positiv an der Prognose ist, daß es in den neuen Ländern wieder stärkere Signale gibt. Das gilt für das verarbeitende Gewerbe. Insgesamt ist die Wachstumsprognose für die neuen Länder etwas stärker als die für die alten Länder. Für den Arbeitsmarkt ist eine Arbeitslosigkeit von 4,1 Millionen Menschen vorsichtig prognostiziert worden. Sie wissen: Die Beschäftigungsschwelle liegt bei 2 bis 2,5 Prozent. Je nach Institut wird das Wachstum aber in diesem Jahr nicht stärker, sondern sogar schwächer als 2 Prozent ausfallen. Auch diese Prognosen werden wieder in Frage gestellt werden. Die Preisentwicklung bei den Verbraucherpreisen wird auf 1 Prozent prognostiziert. Ich weise allerdings darauf hin, daß für die ökonomische Betrachtung nicht allein diese Entwicklung, sondern auch die Erzeugerpreise ausschlaggebend sind, die europaweit mittlerweile bei minus 2 Prozent liegen. Ich bitte, dies in die Debatte mit einzubeziehen. Die Wirtschaftspolitik braucht eine adäquate Mischung aus Angebots- und Nachfragepolitik. Die Haushaltspolitik versucht, dem Rechnung zu tragen. Ich wiederhole: Es wäre falsch gewesen, jetzt starke Konsolidierungsanstrengungen vorzunehmen, in einer Zeit, in der sich die Konjunktur nicht klar entwickelt und in der eine starke Konsolidierung - wie auch immer sie angelegt wäre - zu einer Schwächung der Gesamtnachfrage geführt hätte. Hinsichtlich der Lohnpolitik bleibt es bei unserer Aussage, daß die Lohnpolitik produktivitätsorientiert sein muß und das Preisstabilitätsziel mit einbeziehen muß; insofern verweise ich auf die Daten des Jahreswirtschaftsberichtes und gebe den Hinweis, ihn aufmerksam zu lesen. Die Geldpolitik kann, wie es auch im Vertrag über die europäische Einigung angedeutet ist, ihre Aufgabe, auch Wachstum zu unterstützen, dann erfüllen, wenn Preisstabilität gewährleistet ist und wenn weder von der Haushaltspolitik noch von der Lohnpolitik inflationärer Druck ausgeht. Dies ist im Ecofin-Rat mittlerweile die Meinung einer großen Mehrheit, auch wenn es da oder dort differenzierte Meinungen geben mag. Die aktive Arbeitsmarktpolitik beginnt bei der Bildungspolitik und setzt sich bei Strukturreformen fort, insbesondere im Niedriglohnbereich. Die Strukturreformen begrenzen sich aber nicht nur auf die Arbeitsmarktpolitik, sondern sind auch Aufgabe der Steuerpolitik. Die Diskussionen sind Ihnen bekannt. Ich möchte sie nicht wiederholen. Ein neuer Ansatz ist, daß wir bewußt die europäische Zusammenarbeit suchen, also nicht den Satz unterschreiben: Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause. Wir sagen: Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause und in Europa. So ist unsere Politik angelegt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Bundesminister. Als erstem Fragesteller gebe ich das Wort dem Kollegen Koppelin von der F.D.P.-Fraktion. Ich bitte, zunächst den angesprochenen Themenbereich zu behandeln.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, Sie sind in Ihren Ausführungen dankenswerterweise gleich auf die Arbeitslosenzahlen eingegangen. Da sich die Bundesregierung auch an den Arbeitslosenzahlen messen lassen will, darf ich Sie fragen, wie Sie es beurteilen, wenn es im Jahreswirtschaftsbericht heißt, daß 1999 mit einem Jahresdurchschnitt von 4,1 Millionen Arbeitslosen gerechnet werden muß. Da Sie Ostdeutschland ansprachen, möchte ich Sie fragen, was Sie zu dem Satz auf der gleichen Seite des Jahreswirtschaftsberichts sagen: „In Ostdeutschland kann für dieses Jahr kein Beschäftigungszuwachs erwartet werden.“ Ich bitte um eine etwas ausführlichere Stellungnahme von Ihnen.

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Wir möchten keine Zahlen als Prognosen in die Welt setzen, die dann nachher nicht eingehalten werden können. Das gilt für das gesamte Datenwerk. Ein solches Vorgehen würde sich sofort negativ auf die Haushaltspolitik auswirken, da wir oft festgestellt haben, daß Prognosen mit der tatsächlichen Entwicklung nicht in Übereinstimmung waren. Wir glauben, daß es auch ein Akt der Vertrauensbildung ist, wenn wir bei nüchterner Analyse der Daten versuchen, Prognosen zu geben, die eben nicht zu optimistisch, aber selbstverständlich auch nicht zu pessimistisch sind; insofern trägt die Prognose, die Sie zu Recht, was die Entwicklung des Arbeitsmarktes angeht, als nicht optimistisch bezeichnet haben - so habe ich Ihre Frage verstanden -, den ökonomischen Rahmendaten Rechnung. Daß beispielsweise der Export in den Jahren 1997 und 1998 sehr stark die wirtschaftliche Entwicklung bestimmt hat, wissen Sie. Aber wir können bei der Prognose nicht so tun, als wären wir 1999 weltwirtschaftlich nicht mehr in einer Lage, die diese Entwicklung des Exports nicht mehr erwarten ließe. Bei der Binnennachfrage muß man von daher, wenn man einen Beschäftigungsaufwuchs prognostizieren will, begründen, wie dieser zustande kommen soll. Über die Haushaltspolitik haben wir einiges gesagt. Die Entwicklung bei der Lohnpolitik müssen wir abwarten. Insofern meine ich, daß es zwar wünschenswert wäre, hier günstigere Zahlen zu nennen, daß wir aber realistisch vorgegangen sind und damit zur Vertrauensbildung beitragen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Bundesminister. Der nächste Fragesteller ist der Kollege Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben die Aussage getroffen, es sei mit einer Mehrung der Arbeitsplätze um 1 Million bis zum Jahr 2002 zu rechnen. Sie wollen dies, wie Sie auch heute wieder ausführen, insbesondere durch eine Mischung von Nachfrage- und Angebotspolitik erreichen. Ist es nicht so, Herr Bundesminister, daß Sie die Angebotspolitik belasten, wenn Sie die Arbeitsplätze in der Wirtschaft - insbesondere im investiven Bereich - dadurch belasten, daß Sie eine Veränderung bei der Gewinnermittlung im sogenannten Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 in Höhe von 40 Milliarden DM vornehmen? Ist es nicht so, Herr Bundesminister, daß Sie die Nachfragepolitik durch die Ökosteuer zusätzlich belasten? Es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß ein vierköpfiger Haushalt durch die Ökosteuer Kosten von 340 DM und eine Entlastung von lediglich etwa 200 DM bei den Lohnnebenkosten hat. Ebenso ist Ihnen sicherlich bekannt, daß ein Rentner pro Monat 20 DM für die Ökosteuer mehr aufwenden muß. Das ist etwa doppelt soviel, wie er durch die Rentenreform jemals hätte begleichen müssen. Das heißt also, daß unter dem Strich nicht von mehr Nachfrage geredet werden kann.

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Zunächst zu der Prognose von 3 Millionen Arbeitslosen im Jahre 2002: Ich will hier nur einmal klarstellen, daß ich auf die entsprechende Frage eines Journalisten gesagt habe, es wäre sehr wünschenswert, wenn wir solche Zahlen erreichen könnten. Das wäre ein schöner Erfolg. Dann kam die Anschlußfrage: Wenn das Absenken der Arbeitslosigkeit nicht gelingt, ist dann nicht die Regierung gescheitert? Das habe ich bejaht. Ich möchte nur klarstellen: Ich sehe mich außerstande, für das Jahr 2002 eine exakte Prognose zur Entwicklung des Arbeitsmarktes abzugeben. Wer das kann, den bewundere ich. Ich kann das nicht. Zu Ihren konkreten Fragen: Sie sagen, die Wirtschaft werde durch 40 Milliarden DM belastet. Diese Zahl muß ich schlicht und einfach bestreiten; denn es hat keinen Sinn, auf der einen Seite die Verschlechterung bei der Gewinnermittlung, das Wegfallen von Steuersubventionen und andere Kürzungen in Rechnung zu stellen, auf der anderen Seite aber nicht etwa das Absenken der Steuersätze usw. gegenzurechnen. Das ist eine unseriöse Vorgehensweise. Die Diskussion, die wir führen, ist eine Diskussion, die die Wirtschaft vom Zaun gebrochen hat, indem sie unter Hinweis auf die nominalen Steuersätze in konkurrierenden Staaten gesagt hat: Wir wünschen niedrigere nominale Steuersätze und sind im Gegenzug bereit, der Streichung einer ganzen Reihe von Steuersubventionen zuzustimmen. - Jetzt erleben wir, daß die Wirtschaft sagt: Wir wünschen nominale Steuersätze, die etwa denen in den Vereinigten Staaten entsprechen, sind aber nicht bereit, die Situation bei Steuersubventionen und Gewinnermittlungsvorschriften etwa dem englischen oder amerikanischen Recht anzupassen. - Das geht nicht. Insofern ist diese Diskussion unredlich. Ich habe deshalb auch klare Gespräche mit den Wirtschaftsverbänden geführt. Wenn die Wirtschaftsverbände sich etwa zur ökologischen Steuer- und Abgabenreform äußern, ist es ebenfalls nicht zulässig, nur die Belastungen zu erwähnen, die mit den Lohnnebenkostensenkungen verbundenen Entlastungen jedoch nicht zu erwähnen. Ein größeres Unternehmen hat solche Rechnungen aufgestellt und die Belastungen praktisch über den vollen Satz, der für die Wirtschaft überhaupt nicht in Ansatz gebracht wird, berechnet - also nicht etwa über einen reduzierten Satz und hat dann die Gegenrechnung der niedrigeren Lohnnebenkosten unterlassen. Solche Diskussionsbeiträge führen nicht weiter. Die Salden kann ich Ihnen nennen. Über die ökologische Steuer- und Abgabenreform haben wir im Saldo keine Schwächung der Nachfrage, weil 1 Milliarde DM fehlen. Das hat sich ja auch bei Ihnen herumgesprochen. Insofern ist es eher eine moderate Entlastung. Natürlich ist es bei allen Strukturreformmaßnahmen so, daß einzelne etwas stärker und andere weniger stark belastet werden. Das ist nun einmal so. Wenn wir das vermeiden wollen, dann müssen wir Strukturreformen ganz ausschließen. Es gibt immer Gewinner und Verlierer. Wir haben bewußt ein Modell ins Auge gefaßt, bei dem diejenigen, die bei Gegenrechnung der Lohnnebenkosten überproportional belastet werden, Erstattungsmöglichkeiten erhalten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Michelbach, Sie wollen eine Zusatzfrage stellen.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, ich habe eine kurze Zusatzfrage: Sind Sie mit mir darüber einig, daß in Ihrem Konzept der Steuerentlastung für die Wirtschaft keine Nettoentlastung vorgesehen ist, die für eine Angebots- und Nachfragepolitik sicher sinnvoll wäre, und sehen Sie nicht, daß bei der Ökosteuer unter dem Strich auch für die Firmen und Bürger keine Nettoentlastung vorhanden ist?

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Noch einmal: Man kann bei der Wirtschaft nicht sagen: Für d i e Wirtschaft gibt es keine Nettoentlastung. - Das ist grundfalsch. Es ist bedauerlich, daß die Diskussion so geführt wird. Es ist dennoch grundfalsch. Es gibt Betriebe, die nicht entlastet werden, und es gibt Betriebe, die entlastet werden. Das muß man zumindest unterscheiden. Auch im Petersberger Konzept der Vorgängerregierung war es so, daß die Körperschaften langfristig belastet werden sollten. Falls Sie das nicht nachgelesen haben, verweise ich auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage, die, wenn ich mich recht erinnere, von Staatssekretär Hauser beantwortet worden ist. Die Anfrage ist jederzeit abrufbar. Für die Körperschaften hatten Sie Belastungen vorgesehen. Das war sogar vertretbar, weil die Körperschaften durch die betriebliche Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer überproportional entlastet worden sind. Wir machen die Steuerpolitik schließlich nicht von einem Tag auf den anderen, sondern man muß sie insgesamt sehen. Was die Körperschaften angeht, weist der Bericht der Europäischen Gemeinschaft aus, daß die Körperschaften in Deutschland realiter mit den niedrigsten Steuern belastet werden. Sie sind niedriger als in Großbritannien, in Italien und in Frankreich. Das muß man zumindest zur Kenntnis nehmen. Wenn man die Datenbasis einfach ignoriert, dann ist keine rationale ökonomische Debatte möglich. Ich habe auf die Statistik der Europäischen Gemeinschaft verwiesen. Bei den kleineren Unternehmen gibt es ebenfalls ein differenziertes Bild. Bei dem bisherigen Konzept wird der sogenannte Mittelstand im Saldo um 3 Milliarden DM entlastet. Es ist richtig, daß die Körperschaften belastet werden. Das ist nicht bestreitbar, und es wäre von der Sache her auch nicht gerechtfertigt, wenn es anders wäre. Insgesamt haben wir eine Nettoentlastung - das gilt nicht für jeden einzelnen, sondern für die Summe - von 15 Milliarden DM in unserem Steuerreformkonzept geplant. Wir haben keine größere Nettoentlastung versprochen, weil die Staatshaushalte das nicht hergeben. Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat nicht nur unser Steuerkonzept, zumindest von der Einnahmenund Ausgabenseite, sondern es hätte auch das Ihrige überarbeitungsbedürftig gemacht. Insofern glaube ich, daß wir behutsam vorgegangen sind. Wir haben strukturell natürlich dort angesetzt, wo nach unserer Auffassung angesetzt werden mußte, nämlich bei der Entlastung der Familien und der Arbeitnehmer.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Henke von der CDU/CSUFraktion.

Hans Jochen Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003146, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich habe Ihnen intensiv zugehört, als Sie einer kooperativen Lohn- und Geldpolitik im Zusammenhang mit der Umsetzung der Erkenntnisse aus dem Jahreswirtschaftsbericht das Wort redeten. Genauso aufmerksam habe ich auch verfolgt, wie Sie im letzten Jahr vor der Bundestagswahl nachhaltig, nach der Bundestagswahl nicht mehr so intensiv und in diesem Jahr gar nicht mehr die Gewerkschaften und Tarifpartner zu hohen Forderungen und möglichst hohen Abschlüssen aufgefordert haben. Sie haben dies erst relativiert und in der letzten Runde für den öffentlichen Dienst ausdrücklich zurückgenommen. Ich vermag nun nicht so recht zu erkennen, wo die kooperative Linie Ihres Hauses und Ihrer Person zu erkennen ist: in den ursprünglichen Forderungen, in der jetzigen Einschätzung, insbesondere für den öffentlichen Dienst, oder wo auch immer. Immerhin sind in den nächsten Wochen, beginnend bei der IG Metall, Warnstreiks zu befürchten. Wenn ich richtig gehört habe, hat der ÖTV-Vorsitzende Mai gestern noch einmal mit allem Nachdruck die von Ihnen ursprünglich empfohlene und jetzt geforderte 5,5prozentige Erhöhung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Bereich nachhaltig unterstützt und begründet. Erlauben Sie mir eine zweite Feststellung: Im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht stellt der Haushalt 1999, so wie er jetzt vorliegt und soweit mir die Informationen vorliegen, für mich als durchschnittlich Empfindenden ({0}) ebenfalls ein schwieriges Thema dar. Ich sehe und erkenne aus den mir bisher vorliegenden Informationen, daß erstens der Anteil des von Ihnen vorgelegten Haushalts am Bruttoinlandsprodukt, zweitens die Staatsquote und drittens die Verschuldungsquote steigt sowie viertens die reale Investitionsquote - gemessen am Gesamtvolumen Ihres Haushaltes - rückläufig ist. Ich vermag dies im Zusammenhang mit den Eckdaten, die sich auf Grund einer abschwächenden Konjunktur abzeichnen, nicht auf eine Reihe zu bringen.

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Ich will zunächst auf Ihre Feststellung eingehen, ich hätte 5 Prozent Lohnerhöhung empfohlen. Diese Äußerung muß Sie während eines Traumes oder sonst irgendwann im Schlaf befallen haben. ({0}) - Sehen Sie, Herr Kollege Repnik, Sie müssen zitieren und zuhören lernen. Ich kann Ihnen zwar Ihre Vorurteile nicht nehmen, aber ich lasse mich davon auch nicht beeindrucken. Wenn Sie den Ausspruch von der Bescheidenheit zitieren, der mir oft zugeschrieben wird, dann wissen Sie, so wie ich Sie kenne, daß das eine Formulierung des Vorsitzenden der IG-Metall ist. Es mag ja sein, daß Sie sie für falsch halten. Aber es ist schlicht und einfach unredlich, damit gegenüber dem Bundesfinanzminister zu operieren. Da ich in der Regel frei rede, weiß ich auch, was ich sage. Ich setze auch keine Aufsätze in die Welt, die andere für mich geschrieben haben. Daher weiß ich, was da drinsteht. Im Zusammenhang mit der Lohnpolitik gebrauche ich immer eine Formel, die Sie ja angreifen können. Diese steht auch in ungezählten Aufsätzen von mir. Es handelt sich um die produktivitätsorientierte Lohnpolitik; manchmal weise ich noch darauf hin, daß die Inflationsrate mit einzubeziehen ist. Ich habe das vorhin wieder gesagt. Vielleicht machen Sie sich einmal die Mühe, das nachzulesen. Außerdem möchte ich Sie noch auf folgenden Sachverhalt hinweisen: Wenn in Gesamteuropa, aber auch in Deutschland, die Reallohnentwicklung in den letzten drei Jahren deutlich hinter dem Produktivitätsfortschritt zurückgeblieben ist, stellt sich natürlich für die Arbeitnehmer die Frage, woher denn die Beschäftigungsgewinne kommen sollen. Da kann es dann manchmal sein, daß stärkere Lohnforderungen in einem Jahr erhoben werden, in dem die Prognosen in bezug auf den Produktivitätsfortschritt anders als für die Jahre davor ausfallen. Das ist aber kein Problem der Bundesregierung. Ich weise nur auf den Zusammenhang hin. Wir haben in dieser Frage eine klare Haltung: Das Festhalten an einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik steht für uns nicht zur Debatte. Deshalb möchte ich Sie bitten, an dieser Stelle der Bundesregierung keine Parolen anzuheften, die von dieser nicht vertreten werden. Zum Haushalt haben Sie einige qualifizierende Bemerkungen gemacht. Wenn Sie es lieber anders hätten - ich habe bisher noch nichts gehört -, dann sagen Sie, an welcher Stelle. Wenn Sie beispielsweise der Auffassung sind, daß wir die Arbeitsmarktmittel zurückfahren sollen - es handelt sich um einen Betrag von 6 Milliarden DM -, dann sagen Sie das. Es besteht dann ein Dissens zwischen uns, den wir insbesondere gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern rechtfertigen müssen, die jetzt diese Mittel in Anspruch nehmen. Wenn Sie beispielsweise meinen, wir sollen das Programm, mit dem 100 000 Jugendlichen eine Lehrstelle oder ein Arbeitsplatz vermittelt werden soll - das kostet 2 Milliarden DM -, nicht auflegen, dann sagen Sie das. Dann hätten wir eben in diesem Punkt eine Meinungsverschiedenheit. Wenn Sie glauben, wir sollen die Forschungsmittel nicht aufstocken, dann sagen Sie das. Dann können wir darüber diskutieren. Wer allgemein mit irgendwelchen Daten jongliert, aber nicht sagt, was er will, der hat zumindest in einer Diskussion keine besonders starke Position, Herr Kollege. ({1}) Das möchte ich Ihnen sagen, würde ich aber auch innerparteilich und über Parteigrenzen hinweg sagen. ({2}) Ich kann also Ihrem Beitrag wenig entnehmen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort zu einer Frage hat jetzt der Kollege Brüderle von der F.D.P.-Fraktion.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesfinanzminister, erstens: Die Stimmung in der Wirtschaft hat sich ja deutlich verschlechtert. Ich verweise auf die Äußerungen des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks und auf den Ifo-Konjunkturtest der letzten Tage. Durchgängig ist eine Klimaverschlechterung feststellbar. ({0}) Muß das nicht für die Bundesregierung Anlaß sein, auch vor dem Hintergrund des Jahreswirtschaftsberichtes und des selbst eingeräumten Fehlstarts der neuen Regierung, Konsequenzen zu ziehen, indem sie bei der Steuerreform, deren Ansätze bisher nur andiskutiert wurden, eine klare Linie verfolgt und keine Verunsicherung entstehen läßt? Zweitens. Bei der Entwicklung der Lohnstückkosten sind zwar Fortschritte und Verbesserungen festzustellen, wir liegen aber international immer noch zu hoch. Müßte dies nicht stärker in den Dialog innerhalb des Bündnisses für Arbeit einbezogen werden? Es hieß ja zunächst, das sei völlig tabu, und dann, man könne es vielleicht doch machen. Meines Erachtens kann man nicht zusammensitzen und über diese Frage nicht reden. Drittens. Sie haben auch propagiert, daß man die Beschäftigungspolitiken auf europäischer Ebene stärker synchronisieren solle. Ist es aber, da unbestritten 80 Prozent bis 90 Prozent unserer Problemstellungen struktureller Natur sind und deshalb nur vor Ort gelöst werden können, nicht eine falsche Erwartung, daß dies auf europäischer Ebene angepackt werden kann? Letzte Anmerkung. Sie haben angekündigt, daß Sie die Beteiligungsveräußerung, die Privatisierung von Unternehmensanteilen fortsetzen werden. Das ist gut so. Aber ich habe nichts von der Aufgabenprivatisierung gehört. Auf diesem Feld könnte man gerade mittelständischen Kleinunternehmen neue Chancen eröffnen. Wie sehen die Vorstellungen zur Aufgabenprivatisierung aus, die vielleicht auch im Jahreswirtschaftsbericht stehen? ({1})

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Damit hätte ich keine Probleme, aber bitte. - Zunächst zum Handwerk. Es ist richtig, daß sehr kritische Stimmen vom Handwerk kommen. Das können wir nicht bestreiten. Beim Handwerk muß man zunächst einmal auf die relative Höhe der Lohnkosten hinweisen. Daher haben wir die Initiative ergriffen, die Lohnnebenkosten zu verringern. Dies ist ein erster Schritt. Wir würden dies gerne verstärken. Natürlich ist die Belastung aus der ökologischen Steuerreform dagegenzusetzen. Was Gewinne und Verluste angeht, stellt sich das im Einzelfall unterschiedlich dar. Aber aus unserer Sicht ist es wichtig, die Lohnnebenkosten zu senken. Dabei betone ich noch einmal, daß es mit Umfinanzierung alleine nicht getan ist. Bezüglich des Handwerks möchte ich Ihnen noch einen wichtigen Hinweis geben. Die Europäische Kommission diskutiert zum ersten Mal die Möglichkeit, Mehrwertsteuersätze für Dienstleister und Handwerker gesondert auszuweisen. Diese Neuerung haben Herr Monti und Herr Santer in der letzten Ecofin-Beratung vorgestellt. Ich will Ihnen aber auch gleich die Summe nennen: Etwa 36 Milliarden DM würde das für Deutschland ausmachen, würden wir diesen Weg gehen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Maastricht-Restriktionen und die Bestimmungen des Bundeshaushaltes. Wer sagt, diese Summe sollten wir sparen, den bitte ich um Hinweise, wo. Ich bin immer dankbar für Hinweise. Leider habe ich nicht sehr viele bekommen. ({0}) - Das ist auch einer, der immer vom Sparen redet, sich aber dann nicht die Mühe macht, zu sagen, wo gespart werden soll. Dies ist eine weit verbreitete Krankheit. Nun zum Ifo-Konjunkturtest. Auch dies ist nicht bestreitbar. Aber im Jahreswirtschaftsbericht können Sie nachlesen - das sage ich zur Versachlichung der Debatte -, daß das Abknicken im Ifo-Konjunkturtest auf das Frühjahr letzten Jahres zurückgeht. Insofern können Sie sich die Debatte des letzten Jahres in Erinnerung rufen. Wir können das gar nicht bestreiten: Wenn Sie, Herr Kollege Brüderle, mit den beiden Fragen intendieren, daß man hier einiges tun muß, um die Dinge zu verbessern, so ist dies völlig richtig. Ich komme gleich noch auf einzelne Punkte zurück. Nun zu den Lohnstückkosten. Sie haben - das ist für die Versachlichung der Debatte wichtig - dankenswerBundesminister Oskar Lafontaine terweise darauf hingewiesen, daß sie bei uns zurückgegangen sind. Verglichen mit Italien, Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten und dem europäischen Durchschnitt sind wir in den letzten drei Jahren das einzige Großindustrieland gewesen, in dem sie gesunken sind. Wenn Sie sagen, in anderen Ländern seien sie stärker gesunken, so gilt das nur für Holland. - Im Euroraum, wohlgemerkt. - Das sind die Zahlen, die ich im Kopf habe. Was Holland angeht, möchte ich darauf hinweisen, daß sich ein Land mit einem Exportanteil von etwa 55 Prozent in der Lohnpolitik, auch was die Lohnstückkostenentwicklung angeht, anders bewegen kann als ein Land, das so wie wir einen Exportanteil von etwa 25 Prozent aufweist. Bei einer solchen Verteilung gilt, daß Sie bei einem starken Forcieren der Senkung der Lohnstückkosten zwar beim Export gewinnen, aber im Binnenmarkt in einem gewissen Umfange verlieren müssen. Wir können das nicht zu Ende diskutieren. Insofern bin ich der Auffassung, daß diese Strategie einer forcierten Lohnstückkostensenkung, wie sie ein so kleines exportorientiertes Land wie Holland betrieben hat, für die deutsche Volkswirtschaft nicht zur Verfügung steht und daß diese Strategie insbesondere europäisch äußerst problematisch wäre. Sie haben auch gesagt, 80 Prozent bis 90 Prozent der Arbeitsmarktprobleme seien strukturell bedingt. ({1}) - Wirtschaftsprobleme. Sie haben gesagt, 80 Prozent bis 90 Prozent seien strukturell bedingt. Ich spreche in diesem Zusammenhang auch die Arbeitsmarktprobleme an. Diese Debatte führen wir seit fast 20 Jahren. Es gibt auch andere Untersuchungen, so etwa des Ifo-Instituts in München. Ich spreche dieses Institut an, damit es nicht heißt, ich orientierte mich ökonomisch nur an einer Seite. Dieses Institut hat einen konjunkturellen Anteil von 40 bis 45 Prozent ausgemacht, also nicht einen strukturellen Anteil in dieser Größenordnung. Dieser Streit zieht sich durch die gesamte Wirtschaftspolitik. Wir brauchen den Streit aber gar nicht zu vertiefen. Im Dialog mit einem anderen Partner haben wir gesagt: Selbst wenn es nur 10 oder 20 Prozent wären, die konjunkturell zu steuern sind, wären wir verpflichtet, das zu tun. Bei uns geht es dabei um immerhin 400 000 bis 800 000 Arbeitsplätze. Insofern brauchen wir uns darüber gar nicht großartig zu streiten. Das heißt nicht, daß wir keine strukturellen Reformen machen wollen. Die Frage ist nur, ob Sie bei ökologischen Strukturreformen mitgehen und in welcher Form der Niedriglohnbereich strukturell neugeordnet werden muß, wobei ich darauf hinweise, daß die jetzige Novelle nicht das Ende der Diskussion sein kann. Der Niedriglohnbereich bei uns muß in größerem Umfang neugeordnet werden. Der Bundeskanzler hat dies bereits angedeutet. Aber das läßt sich nicht alles innerhalb von zwei Monaten realisieren. Zu den Privatisierungsaufgaben: Was die großen Gesellschaften angeht - dazu haben Sie sich in kleinerem Umfang geäußert -, bräuchte man eine größere Debatte. Im Zusammenhang mit der Flexibilität der Gütermärkte beispielsweise verweise ich auf einen Bereich unseres Dienstleistungsangebotes, in dem wir normierte Preise haben. Ich will das nicht vertiefen, aber dort würde ich eine größere Flexibilität begrüßen. Wenn man versucht, staatliche Aufgaben zu übertragen, gibt es immer kontroverse Meinungen. Ich meine, daß jetzt im Detail diskutiert werden muß, was die Übertragung kleinerer Aufgaben angeht. Was die großen Gesellschaften angeht, ist unsere Politik klar, aber bei den Privatisierungen sogenannter kleinerer Staatsaufgaben müssen wir in einen Dialog eintreten. Ich stehe dem nicht ablehnend gegenüber. Ich habe aber schon bei meiner politischen Arbeit in der Gemeinde die Erfahrung gemacht, daß dann, wenn wir das gemacht haben, etwa im Versicherungsbereich, quer durch alle Parteien Widerspruch kam. Also lassen Sie uns das im Detail diskutieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Es verbleiben nur noch wenige Minuten. Deswegen bitte ich jetzt um kurze Fragen und kurze Antworten. ({0}) Die nächste Frage hat Herr Kollege Fuchtel von der CDU/CSU-Fraktion.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zurück auf Ihre Eingangsbemerkung zum Arbeitsmarkt, Herr Minister. Sie haben verkündet, daß es im nächsten Jahr im Durchschnitt 150 000 Arbeitslose weniger auf dem Arbeitsmarkt geben wird. Das ist nichts Neues; das hätten wir auch unter der Regierung Kohl gehabt. Aber was hier interessiert und der Öffentlichkeit gesagt werden sollte: Sie pumpen jetzt, wie Sie sagen, 6 Milliarden DM - wenn Sie den Rückgang um 150 000 Arbeitslose dazurechnen, sind es insgesamt 10,5 Milliarden DM für Ihre sogenannte aktive Arbeitsmarktpolitik in diesen Bereich. Wieviel Arbeitslose weniger wird es auf Grund dieser Maßnahme geben?

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Es kommt darauf an, wie diese Mittel eingesetzt werden. ({0}) - Moment! Ich will hier den Unterschied deutlich machen. Wir halten nichts davon, die Arbeitsmarktmittel entsprechend der Wahldaten hoch- und runterzufahren. Das haben wir vor den Wahlen versprochen. Deshalb haben wir direkt nach Regierungsantritt gesagt: Bei auf Grund Ihrer Entscheidungen - auslaufenden Verträgen wird jetzt die Möglichkeit eröffnet, diese zu verlängern. Aber im einzelnen müssen das die Arbeitsverwaltungen vor Ort aushandeln, denn wir glauben, daß eine gewisse Dezentralisierung der Entscheidungen hier durchaus vernünftig ist. Ich möchte zu den Arbeitsmarktmitteln grundsätzlich sagen, daß es nicht die Absicht der Bundesregierung ist, es dabei zu belassen, lediglich den zweiten Arbeitsmarkt zu finanzieren. Wir brauchen hier Strukturreformen. Daher ist im Bericht der Bundesregierung ausdrücklich auf die englische und auf die skandinavische Praxis verwiesen, wo es in stärkerer Form als bisher darum geht, eine Struktur der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu schaffen, die tatsächlich eine stärkere Verpflichtungskomponente beinhaltet, um den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Die genauen Zahlen liegen mir jetzt nicht vor. Wir werden sie aber gerne nachliefern, wenn Sie dies wünschen. Die Arbeitsverwaltungen können die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen auf Beschäftigungsverhältnisse umrechnen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Fragesteller hat der Kollege Friedhoff von der F.D.P.-Fraktion das Wort.

Paul K. Friedhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000588, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe eine Frage zu den neuen Bundesländern, Herr Finanzminister. Ist es erstens so, daß Sie das, was Sie hier niedergeschrieben haben, als Konzeption für die neuen Bundesländer ansehen? Können Sie zweitens vielleicht kurz die Schwerpunkte erläutern, die anders sind als in der Vergangenheit? Das würde mich sehr interessieren. Wo würde sich dieses möglicherweise im Bundeshaushalt niederschlagen?

Oskar Lafontaine (Minister:in)

Politiker ID: 11002715

Zunächst einmal ist im Saldo festgestellt worden, daß der Bundeshaushalt für die neuen Länder etwa 100 Milliarden DM ausweist; da sind alle Haushalte mit eingerechnet. Das ist eine deutliche Steigerung von etwa 8 Milliarden DM. Da sind eine ganze Reihe von Maßnahmen zusammengerechnet. Erstens zur Methode. Beginnen wir zunächst noch einmal bei der Lohnpolitik. Bei dieser Frage kann ich, soweit ich das recht in Erinnerung habe, Ihrer Partei keine größeren Vorwürfe machen. Die Plakate: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, prangten in Berlin schon im Jahre 1990 an den Wänden. Das geht teilweise auch weiter. Wer also den Menschen in den neuen Ländern ohne Betrachtung der Produktivität und des Beschäftigungsstandes pro Kopf der Bevölkerung - ich mache darauf aufmerksam, daß der Beschäftigungsstand pro Kopf der Bevölkerung dort teilweise höher ist als im Westen - sagt: Ihr habt innerhalb kürzester Frist auch die Westlöhne, der gibt völlig falsche Ratschläge. Das möchte die neue Regierung nicht tun. Deshalb halte ich es für sinnvoll, den Beschäftigungsstand pro Kopf der Bevölkerung immer in unsere Debatte mit einzubeziehen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an eine Aussage des ehemaligen Mitglieds des Sachverständigenrates, Pohl, der erklärt hat: Wer sagt „Westlöhne sofort“, der muß auch sagen: Beschäftigungsstand wie im Westen. Und dann kommt man gleich in eine Konfliktsituation. Ich nehme also in Anspruch, daß wir differenzierter und wahrhaftiger vorgehen und solche Versprechungen, die ich vorhin markiert habe und die immer noch gemacht werden, nicht in die Welt setzen. Zweitens. Wir haben gesagt, wir machen etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Das will ich nicht noch einmal wiederholen. Wir haben dort auch im Detail einen Schwerpunkt im Osten gesetzt. Drittens. Auch bei den Arbeitsmarktmitteln ist ein Schwerpunkt im Osten gesetzt. Das brauche ich ebenfalls nicht zu wiederholen. Das ergibt sich aus der Sache. Viertens haben wir gesagt: Wir konzentrieren die Mittel, die wir ausweisen, auf die gewerbliche Produktion. Im Jahreswirtschaftsbericht können Sie nachlesen, daß die gewerbliche Produktion den Produktivitätsrückstand mittlerweile aufgeholt hat. Das war beim Baugewerbe schon seit einiger Zeit der Fall und ist jetzt auch bei der übrigen gewerblichen Produktion so. Aber die gewerbliche Produktion insgesamt hat noch nicht die breite Basis wie im Westen und muß deshalb weiter ausgebaut werden. An dieser Stelle wollen wir auch die Förderwege konzentrieren. Das sind die vier Antworten, die ich kurzfristig geben möchte. Wenn ich lediglich darauf hinweisen würde, daß selbst bei Kultur und Sport gewisse Akzente gesetzt werden, würden Sie das nicht unbedingt als direkt zufriedenstellend ansehen. Aber diese vier Antworten sind, glaube ich, auch von der Summe her nachvollziehbar. Ich habe erklärt: Wir werden die Mittel verstetigen. Wir haben nicht die Aussage gemacht: Wir werden gewaltig aufstocken. Das ist zu belegen; ich habe Ihnen die Zahlen genannt.

Paul K. Friedhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000588, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich noch etwas fragen?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nein, ich muß jetzt leider zum Ende kommen. Ich beende den Themenbereich der heutigen Kabinettssitzung. Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen? Das ist nicht der Fall. Dann beende ich die Befragung der Bundesregierung. Vielen Dank, Herr Bundesminister. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 14/306 Zunächst kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 1 wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung. Als erstes wird die Frage 2 der Abgeordneten Ulrike Flach beantwortet. Kann die Bundesregierung die Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz ({0}) über die deutliche Steigerung des Anteils der kranken Waldbäume ({1}) bestätigen, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zur Verbesserung des Waldzustandes zu ergreifen?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Sehr geehrte Kollegin Flach, die aktuellen Ergebnisse der Waldschadenserhebung 1998 deuten im Vergleich zum Vorjahr auf einen leichten Aufwärtstrend bei der Waldgesundheit hin. Allerdings verläuft die Entwicklung nicht einheitlich. Zuverlässigere Aussagen erlaubt allerdings eine Betrachtung der langjährigen Zeitreihe. Spürbar zurückgegangen sind die sogenannten deutlichen Schäden von 30 Prozent 1991 auf einen Anteil von 21 Prozent 1998. Nach den Auswertungen der Waldschadenserhebung 1998 nehmen bei der Kiefer die deutlichen Schäden seit 1991 kontinuierlich ab. Kiefern haben unter allen Baumarten den niedrigsten Anteil geschädigter Bäume. Aufwärts geht es langsam auch bei der Eiche. Nachdem die Schäden bis 1995 noch angestiegen waren, stagnierte zunächst 1996 und 1997 der Anteil kranker Bäume. In diesem Jahr konnte eine auffallende Bestandserholung registriert werden. Der Kronenzustand der Buchen hatte sich zwischen 1990 und 1992 erheblich verschlechtert. Seitdem werden keine zusätzlichen Schäden mehr beobachtet. Buche und Eiche sind aber nach wie vor die am stärksten geschädigten Baumarten. Bei Fichten dünnen die Baumkronen seit zwei Jahren wieder etwas stärker aus. Die Angaben des BUND zum Waldzustand können insofern nicht bestätigt werden. Die unterschiedlichen Aussagen zum Waldzustand sind wie folgt zu begründen: Der Bericht des Bundesernährungsministeriums über den Zustand des Waldes 1998 beruht in diesem Jahr erstmals auf einer länderübergreifenden Auswertung im sogenannten 16-mal-16-km-Erhebungsnetz. Auf dieser Basis berichtet auch die Europäische Union über den Waldzustand in Europa. In früheren Jahren waren die Ergebnisse der Bundesländer flächengewichtet zu einem Bundesergebnis zusammengeführt worden. Mit der Umstellung wird eine weitere, überfällige Angleichung an die europäische Ebene durchgeführt. Die Umstellung ermöglicht sichere Aussagen zu Veränderungen des Waldzustandes, da immer dieselben Bäume verrechnet werden. In früheren Berichten änderte sich die Baumbestandszahl wegen wechselnder Erhebungsdichten in den Ländern stark. Damit die Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen früherer Jahre gewährleistet ist, wurden diese nach der 1998 angewandten Methode neu berechnet. Der BUND aber hat bei seiner Darstellung des Waldzustandes die BML-Ergebnisse 1998 mit den für die vergangenen Jahre bereits veröffentlichten Zahlen aus dem Waldzustandsbericht 1997 verglichen. Auf diesen methodischen Bruch hat der BUND allerdings nicht hingewiesen. Weiterhin unterscheidet der BUND im Gegensatz zum BML nicht zwischen Bäumen der Warnstufe, also Bäumen mit einer Kronenverlichtung von über 10 Prozent bis 25 Prozent, und denen der Schadstufen 2 bis 4, also Bäumen mit einer Kronenverlichtung von über 25 Prozent. Die sogenannte Warnstufe umfaßt Bäume, deren Kronenverlichtung sich noch in einem natürlichen Schwankungsbereich befindet und die daher nicht zu den geschädigten Bäumen gezählt werden. Dies geht auf eine Empfehlung im 3. Bericht des Forschungsbeirates Waldschäden aus dem Jahre 1989 zurück. Die Zusammenfassung der beiden Schadstufen durch den BUND führt zu dem hohen Schadniveau, wie es in der Frage genannt wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage? - Bitte schön.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gehen Sie davon aus, daß der BUND in Zukunft Ihrem Berechnungsmodus folgen wird? Oder müssen wir damit rechnen, daß auch in Zukunft ganz unterschiedlich argumentiert wird und damit ganz bewußt eine gewisse Verunsicherung in der Bevölkerung hervorgerufen wird?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Verehrte Kollegin, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es sich nicht um unsere Berechnung handelt. Es handelt sich vielmehr um eine Berechnung gemäß einer EU-Verordnung -, um die Ergebnisse hinsichtlich der Schadensbelastungen der Wälder in Europa am Ende vergleichen zu können. Natürlich kann ich Sie in Ihrer Meinung nur unterstützen, daß es hilfreich wäre, wenn der BUND die gleiche Berechnungsmethode anwenden würde, damit am Ende die Ergebnisse vergleichbar sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, bitte schön.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehen Sie, ähnlich wie die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, ein großes Problem in der Versauerung der Böden? Welche Maßnahmen von Ihrer Seite her sehen Sie in diesem Bereich vor?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Die sogenannten neuen Waldschäden haben eine ganze Reihe von Ursachen. Eine Ursache ist natürlich die Versauerung der Böden. Die Versauerung - das muß man an dieser Stelle ganz offen sagen - ist die Folge von jahrzehntelangen Emissionen, vor allen Dingen eine Folge von Stickstoffemissionen. Die Maßnahmen, die Versauerung zu beseitigen - zum Beispiel die Kalkung des Waldes -, werden auch in Zukunft in erheblichem Umfang durchgeführt. Wir hoffen, daß die Waldschäden dadurch Stück für Stück zurückgehen. Der Bericht sagt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ja aus, daß an dieser Stelle am Ende gewisse Erfolge erzielt werden. Auf den Punkt gebracht: Auf diesem Gebiet wird weitergearbeitet. Aber die lange Zeit, innerhalb deren die Schäden entstanden sind, werden wir auch brauchen, um diese Schäden zurückzuführen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Sie haben nur das Recht auf zwei Zusatzfragen, Frau Kollegin. ({0}) Gibt es weitere Fragen von anderen Kollegen? - Das ist nicht der Fall. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Walter Hirche auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Betriebsratsvorsitzenden des Kernkraftwerks Stade, daß das KKW Stade ,,sicher und betriebswirtschaftlich erfolgreich“ arbeitet und sich ,,jederzeit mit modernen Anlagen vergleichen“ kann, und hält die Bundesregierung seine Bewertung des angestrebten Ausstiegs aus der Atomenergie als ,,Arbeitsplatzvernichtung“ für nachvollziehbar?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Bundesregierung teilt nicht die hier angesprochene Auffassung des Betriebsratsvorsitzenden des Atomkraftwerkes Stade. Auch ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die Bewertung des angestrebten Ausstiegs als „Arbeitsplatzvernichtung“ nicht haltbar ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wie wollen Sie denn angesichts der vorgesehenen Politik des Plattmachens von Arbeitsplätzen eine Kompensation in der Region ermöglichen?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Bundesregierung hat in Anerkennung des Wählerwillens den Ausstieg beschlossen und wird deshalb die gesetzlichen Verfahren dazu einleiten. Die Befürchtungen des Betriebsrates des Atomkraftwerkes Stade und auch anderer Betriebsräte deutscher Atomkraftwerke in diesem Zusammenhang sind der Bundesregierung bekannt. Was die Arbeitsplätze in Stade angeht, ist grundsätzlich zu sagen: Durch den Ausstieg aus der Atomenergie und die Förderung regenerativer Energien, durch Verbesserung der Energieeffizienz und Maßnahmen zur Energieeinsparung werden neue Arbeitsplätze geschaffen. Alle relevanten Studien errechnen angesichts des Ausstiegs aus der Atomenergie einen Zuwachs an Arbeitsplätzen. Der Vorwurf der Arbeitsplatzvernichtung ist deshalb grundsätzlich nicht haltbar. Zu Stade kann ich Ihnen sagen, daß im Rahmen der Stillegung des Atomkraftwerkes seit Jahren als Ersatz ein modernes Gas-Dampf-Turbinenkraftwerk mit hoher Energieeffizienz in Planung ist, das vor Ort einen großen Teil der langfristig wegfallenden Arbeitsplätze kompensieren könnte. Die letzte Diskussion dazu hat es 1997 gegeben. Damals war dieses Gaskraftwerk von der Dow Chemical zusammen mit einem amerikanischen Investor geplant. Aus Sicht der Bundesregierung empfiehlt es sich, in Anknüpfung an die bereits seit Beginn der 90er Jahre geführte Diskussion die Planung wieder aufzugreifen, einschließlich der Ansiedlung neuer Betriebe.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Habe ich Sie richtig verstanden, Frau Staatssekretärin, daß aus Ihrer Sicht weder sicherheitstechnische noch betriebswirtschaftliche, noch volkswirtschaftliche Belange im Zusammenhang mit der Schließung von Kernkraftwerken eine Rolle spielen, obwohl die Interpretation der Öffentlichkeit hinsichtlich der Entscheidungen des Bundeskanzlers in diesen Tagen eine völlig andere ist? Welche Meinung gilt? Bleiben Sie bei Ihrer Meinung im Unterschied zu dem, was in den Begründungen des Bundeskanzlers durchgeschienen ist?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Hirche, ich habe meinen vorherigen Ausführungen nichts hinzuzufügen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, gibt es bereits Termine von Ihnen persönlich, bei denen Sie den Betriebsräten und den Mitarbeitern des Kernkraftwerkes Stade die Auffassung darlegen wollen, die Sie hier soeben gegenüber dem Kollegen Hirche vertreten haben?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Koppelin, ich kann den Zusammenhang mit der Frage 3 nicht erkennen. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es wurde in dieser Frage nach der Auffassung des Betriebsrates gefragt. Sie haben dazu eine bestimmte Stellungnahme abgegeben, und ich habe gefragt, wann Sie dem Betriebsrat diese Auffassung, die Sie hier dargelegt haben, persönlich überbringen werden. Der Zusammenhang ist wohl klar, Frau Staatssekretärin.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte, Frau Staatssekretärin, Ihre Beantwortung.

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Es steht Ihnen natürlich frei, sich in meinem Büro meinen Terminplan zur Kenntnis geben zu lassen. ({0}) Nichtsdestotrotz sehe ich noch immer keinen Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen zu diesem Punkt? - Das ist nicht der Fall. ({0}) Wir kommen dann zur Frage 4 des Abgeordneten Dr. Jürgen Gehb: Wie schätzt die Bundesregierung die Dauer der behördlichen Genehmigungsverfahren für und der sich regelmäßig anschließenden verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren gegen die Errichtung und den Betrieb von Zwischenlagern für abgebrannte Brennelemente am jeweiligen Standort deutscher Kernkraftwerke ein?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Genehmigungsverfahren nach § 6 oder § 7 Atomgesetz zur Aufbewahrung von abgebrannten Brennelementen können nach Einschätzung der Bundesregierung innerhalb von ein bis drei Jahren durchgeführt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Kollege Gehb.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nach dieser erschöpfenden Antwort stelle ich meine erste Zusatzfrage. Ich habe heute in der „Süddeutschen Zeitung“ gelesen, daß die Kollegin Heyne nicht damit leben könnte, wenn die Verfahren vier bis fünf Jahre dauerten. Nun kenne ich mich aus meiner Tätigkeit als Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof bei den Verfahrensdauern sehr gut aus, und ich stelle erneut die Frage: Was passiert, wenn alle Träger öffentlicher Belange - vom Ornithologischen Verband bis hin zum Verband zur Rettung der Kreuzspinne - angehört und mehr als ein Jahr oder drei Jahre ins Land gegangen sind? Heißt das, daß Sie dann nach derselben Strategie vorgehen wie jetzt, also die Gefahr in Kauf nehmen, daß die Wiederaufbereitung verboten wird, aber alternative Zwischenlagerungsmöglichkeiten nicht bestehen?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Antwort bezieht sich auf den grundsätzlichen Verfahrensablauf, der auf Erfahrungswerten der Bundesregierung beruht. Die Abwicklung der Genehmigungsverfahren ist zum einen davon abhängig, ob der Antragsteller vollständige Unterlagen eingereicht hat, und zum anderen davon, ob zum Beispiel die Behälter, deren Zwischenlagerung beantragt wird, geeignet sind. Für den Fall, daß das unwiderruflich feststeht, geht man von einer Verfahrensdauer von ein bis drei Jahren aus. Da das Thema Streitverfahren die nächste Frage betrifft, wäre meine Frage, ob ich die Antwort darauf mit einbeziehen kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Gehb, es könnte gleich die nächste Frage beantwortet werden, und Sie könnten anschließend Zusatzfragen stellen.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen also zur Frage 5 des Abgeordneten Dr. Gehb: Sieht die Bundesregierung die Gefahr und nimmt sie diese billigend in Kauf, daß nach einem Ausstieg aus der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente im Ausland die beabsichtigte Zwischenlagerung des ,,Atommülls“ am Standort der jeweiligen deutschen Kernkraftwerke durch die zu erwartende Dauer der behördlichen Genehmigungsverfahren und der sich regelmäßig anschließenden verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren faktisch verhindert und damit der vorzeitige Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie herbeigeführt wird? Frau Staatssekretärin, bitte schön.

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Bundesregierung strebt die geordnete Beendigung der Nutzung der Atomenergie an. Sie sieht in diesem Kontext weder die Gefahr noch würde sie billigend in Kauf nehmen, daß sich nach einem Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente im Ausland durch die Dauer der behördlichen Genehmigungsverfahren und der sich möglicherweise daran anschließenden Streitverfahren eine vorzeitige Stillegung von Atomkraftwerken ergeben würde.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Gehb, bitte schön.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Ihnen Fälle bekannt, in denen rotgrüne Landesregierungen bei von ihnen selbst erteilten Genehmigungsbescheiden in Verwaltungsstreitverfahren nicht nur keinen Klageabweisungsantrag gestellt haben, sondern nachgerade das klägerische Petitum gestreichelt haben?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Diese Frage muß ich in diesem Zusammenhang mit Nein beantworten, weil Sie sich nicht direkt auf die Frage beziehen. Aber ich würde Ihnen die Antwort gerne schriftlich nachreichen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Gehb. Herr Kollege Gehb hat insgesamt vier Zusatzfragen, weil er zwei Fragen gestellt hat.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie sich für den Fall, daß so etwas in einem Verwaltungsstreitverfahren wieder passierte, daß also das beklagte Land den eigenen Bescheid aus durchsichtigen Gründen nicht unterstützt, vorstellen, daß Sie den zuständigen Landesatombehörden durch bundesaufsichtliche Weisung mit auf den Weg geben, wie sie sich im Verwaltungsstreitverfahren einzulassen haben?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Kollege, ich möchte Sie zum einen darauf hinweisen, daß konkrete gesetzliche Regelungen in den derzeit laufenden Konsensgesprächen erarbeitet werden, denen ich nicht vorgreifen möchte. Zum anderen wären solche Einzelfälle dann auch in Einzelverfahren zu regeln.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen? - Bitte schön, Kollege Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Altmann, sind Sie sich bewußt, daß Sie mit Ihrer Kernenergiepolitik viele Mitbürger verunsichern und insbesondere im Tourismusbereich bleibende Schäden verursachen? Das beziehe ich darauf, daß zwischenzeitlich zum Beispiel Fremdenverkehrsorte wie Saldenburg als Standorte für Endlagerungsstätten genannt werden. Weiter möchte ich fragen: Wie wollen Sie diesem Problem begegnen?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Auch bezüglich dieser Frage möchte ich Sie bitten, die Konsensgespräche abzuwarten. Es ist verfrüht, jetzt dazu Stellung zu nehmen. Ich bitte um Verständnis.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Man muß warten, bis das Mikrophon Strom bekommt. Wir brauchen ja Strom. ({0}) Er kommt ja nicht aus der Steckdose; deshalb meine Nachfrage. Frau Kollegin Altmann, ich möchte Sie nochmals fragen: Können Sie definitiv ausschließen, daß Saldenburg als Standort einer Endlagerstätte für abgebrannte Kernbrennelemente in Frage kommt? ({1})

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Kollege, ich muß leider darauf verweisen, daß das nicht Gegenstand der ursprünglichen Frage ist. Sie können das gern als schriftliche Frage einreichen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Fragen? - Kollege Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Altmann, können Sie bestätigen, daß der Standort Saldenburger Granit durch die alte Bundesregierung und nicht durch die jetzige ins Gespräch gebracht wurde?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Ich vermag mich dunkel daran zu erinnern. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall. Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur Verfügung. ({0}) Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Cornelia Pieper auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkung der Nichtauslieferung von Abdullah Öcalan auf die demokratischen Kräfte innerhalb der Kurden? Herr Staatsminister, bitte schön.

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Die Auswirkung der Nichtauslieferung bzw. der Ausreise aus Italien von Abdullah Öcalan, dem Vorsitzenden der in Deutschland als terroristische Organisation verbotenen PKK, auf die Kräfteverhältnisse zwischen verschiedenen kurdischen Gruppen kann zu diesem Zeitpunkt von der Bundesregierung noch nicht abschließend beurteilt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Pieper, keine Zusatzfrage? - Gibt es weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe jetzt die Frage 7 des Kollegen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig auf: Welche Fortschritte sind bei dem von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, angekündigten Unterfangen erreicht worden, Abdullah Öcalan vor ein internationales Gericht zu stellen, oder sind die Überlegungen hierzu auf Grund der Ausreise von Abdullah Öcalan aus Italien eingestellt worden?

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Die Bundesregierung hat in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages ausführlich die Möglichkeiten und Probleme dargelegt, die mit den verschiedenen Modellen für die Schaffung eines internationalen Gerichts für ein Strafverfahren gegen Öcalan verbunden sind. Die Tatsache, daß Herr Öcalan Italien nun verlassen hat, ist für uns kein Grund, von diesen Bemühungen abzulassen. Allerdings ist die Lösung des Problems durch seine Abreise nicht leichter geworden. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Kollege Schmidt-Jortzig.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich schicke voraus, daß die Bundesregierung eben nicht alle Gelegenheiten wahrgenommen hat, die Parlamentarier in den Ausschüssen zu unterrichten - im Innenausschuß ist das jedenfalls bisher verweigert worden - , und frage, ob es denn überhaupt solche Anstrengungen gegeben hat.

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Es hat auf der internationalen Ebene intensive Anstrengungen gegeben, mit all den Ländern, die in diesen Fall involviert waren, zu einer internationalen Lösung zu kommen. Das setzt allerdings den Kooperationswillen der beteiligten Länder voraus. Er war leider nicht gegeben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidt-Jortzig.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn ich davon ausgehe, daß es ein Ad-hoc-Gerichtshof hätte sein müssen und der UN-Sicherheitsrat dafür zuständig gewesen wäre, möchte ich fragen: Mit welchem Sicherheitsratsmitglied sind denn Gespräche geführt worden? ({0})

Not found (Gast)

Es sind mit all den Ländern Gespräche geführt worden, die von Öcalan, seiner Ausreise oder den Anklagen gegen ihn unmittelbar betroffen waren. Einbezogen waren auch die USA, obwohl sie in dem von mir genannten unmittelbaren Sinne nicht betroffen waren. Ich kann nur wiederholen, was ich gerade sagte, nämlich daß es bei anderen Ländern an der Bereitschaft mangelte, zu einer Übereinstimmung in bezug auf ein internationales Verfahren zu kommen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer weiteren Frage die Kollegin Ulla Jelpke.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, man mag zu Herrn Öcalan stehen, wie man will. Aber nach Italien zu gehen war ein Versuch, den friedlichen Dialog nach Westeuropa zu tragen. Wie wird sich die Bundesregierung jetzt verhalten, nachdem Herr Öcalan nicht mehr in Italien ist? Wird es eine Konzeption geben, was den Frieden im Zusammenhang Türkei, Kurdistan angeht?

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Die Beurteilung der Politik von Herrn Öcalan, die Sie gerade dargelegt haben, teilt die Bundesregierung nicht. Die Bundesregierung wird sicherlich mit der türkischen Regierung und mit allen anderen europäischen Regierungen darüber einen intensiven Dialog führen, wie erstens die Türkei langsam an die Europäische Union herangeführt werden kann und wie zweitens die Türkei in diesem Zuge die Menschenrechtssituation in ihrem Land verbessern kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer weiteren Frage der Kollege van Essen.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, welche Logik steckt hinter der Politik der Bundesregierung, zunächst sehr frühzeitig auf eine endgültige Auslieferung Öcalans aus Italien zu verzichten und nunmehr für ein internationales Gericht zu plädieren, das seiner habhaft werden und ihn verurteilen soll?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung hat nicht endgültig auf die Auslieferung verzichtet. Sie hat das Auslieferungsbegehren zurückgestellt, um zu einer internationalen Einigung zu kommen. Die Lage ist durch die Ausreise von Herrn Öcalan eher noch komplizierter geworden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich Frage 8 des Kollegen Dr. Max Stadler auf: Hat die Bundesregierung nähere Erkenntnisse, um welchen Verdachtssachverhalt es sich bei dem von Staatsminister Günter Verheugen am 20. Januar 1999 im Fernsehsender „Phoenix“ angedeuteten EU-Korruptionsfall unter angeblicher Beteiligung einer deutschen Landesregierung handelt? Bitte, Herr Staatsminister. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

Not found (Gast)

Mit Ihrer Zustimmung, Herr Stadler, würde ich Ihre beiden Fragen zusammen beantworten, weil sie in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann rufe ich auch die Frage 9 des Kollegen Dr. Stadler auf: Auf welche Landesregierung hat sich die Äußerung von Herrn Staatsminister Günter Verheugen bezogen?

Not found (Gast)

Staatsminister Verheugen hat am 20. Januar 1999 im Fernsehsender „Phoenix“ darauf hingewiesen, daß 80 Prozent der Mittel, über die die Kommission verfügt, in den Mitgliedstaaten ausgegeben werden und daß deshalb der ganz überwiegende Teil der jetzt untersuchten Betrugs- und Korruptionsfälle zwangsläufig auch in die Verantwortung der Mitgliedstaaten fällt. Der in diesem Zusammenhang erwähnte Personalfall - damit komme ich zu Ihrer zweiten Frage - steht in keinerlei Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen. Ob sich dieser Fall tatsächlich finanziell zum Nachteil der Steuerzahler auswirken wird, ist Gegenstand einer eingehenden Überprüfung. Da es sich um einen Personalfall handelt, kann die Bundesregierung keine näheren Angaben machen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Stadler.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, Sie haben Frage 9, um welche Landesregierung es sich handelt, noch nicht beantwortet. Ich bitte um die Beantwortung auch dieser Frage.

Not found (Gast)

Mein Kollege Verheugen hatte nicht die Absicht - dies hat er auch nicht getan -, eine bestimmte Landesregierung zu beschuldigen oder in Mißkredit zu bringen. Er hat vielmehr darauf hingewiesen, daß all die Fälle, die vom Europäischen Parlament beklagt worden sind, nicht nur die Kommission im engeren Sinne betreffen, sondern auch die gesamte Beamtenschaft, für deren Entsendung Mitgliedstaaten und, was die Bundesrepublik angeht, einzelne Länder mitverantwortlich sind. Ein spezifisches Land ist nicht gemeint.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Stadler.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es ist schwer nachzuvollziehen, daß, wenn man von einem bestimmten Land spricht, kein spezifisches Land gemeint sein soll. Deswegen frage ich Sie, ob Sie die Darstellung in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Montag zu diesem Vorgang bestätigen können.

Not found (Gast)

Die Darstellung ist mir persönlich nicht bekannt. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dann möchte ich Sie schließlich noch fragen, ob Sie meine Auffassung teilen, daß es ein eigenartiger politischer Stil ist, einen Verdacht öffentlich in die Welt zu setzen, dann aber nicht bereit zu sein, klar zu antworten, um was genau und um wen es sich handelt. ({0})

Not found (Gast)

Die Bundesregierung unterstützt auf der Basis des Vorschlages, den unter anderem der Bundeskanzler unterbreitet hat, die Bemühungen der Europäischen Kommission, die Vorwürfe rückhaltlos aufzuklären. Wenn es daneben auch noch Personalfragen gibt, die geklärt werden müssen, dann ist auch dies zu tun. Man muß aber zwischen diesen beiden Ebenen nicht zwingend einen Zusammenhang herstellen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Keine Zusatzfrage, Herr Stadler? - Eine Frage des Kollegin Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, sind Sie, nachdem Sie eingestanden haben, daß Ihnen der Artikel nicht bekannt ist, bereit, ihn nachzulesen und dann dem Kollegen Stadler auf seine Frage schriftlich zu antworten?

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Ich bin bereit, jeden Zeitungsartikel zu lesen, den Sie mir vorschlagen, und mit jedem darüber zu diskutieren. ({0}) - Schriftlich zu antworten selbstverständlich auch.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall. Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Die Frage 10 des Abgeordneten Benno Zierer soll schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf: Wie wird gemäß der Ankündigung des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen ({0}) die Zahl der in die Bundesrepublik Deutschland kommenden Aussiedler begrenzt, und wie begründet sich dessen Vorwurf, die vorherige Bundesregierung habe ,,unbegrenzt neue Aussiedler“ ins Land gelassen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich beantworte die Frage des Kollegen Koschyk wie folgt: Die Vereinbarungen sind klar und eindeutig und Ihnen auch bekannt. Im Jahre 1991 wurde die jährliche Aufnahme von 220 000 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern plus/minus 10 Prozent beschlossen; das ist unstreitig. Die Aussagen des Aussiedlerbeauftragten, Jochen Welt, bezogen sich auf die aktuellen Zugangszahlen der zurückliegenden Jahre, die von diesen Zahlen abweichen. In diesem Zusammenhang ist auch die Zahl 100 000 gefallen und zu verstehen. Wenn Kollege Welt zitiert wird, sollte dies vollständig getan werden. Sein Vorwurf in dem besagten Zeitungsartikel, die alte Bundesregierung habe „unbegrenzt neue Aussiedler ohne Rücksicht auf Integrationsprobleme nach Deutschland gelassen“, zeigt, worum es ihm gegangen ist, nämlich darum, daß das Problem im Bereich der Aussiedlerpolitik in der unbefriedigenden Integration besteht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stehen die Vorwürfe und die Ankündigung des Herrn Kollegen Welt als Aussiedlerbeauftragten, man wolle den weiteren Zuzug begrenzen, im Hinblick auf die angepeilte Zahl von 100 000 pro Jahr überhaupt mit der Wirklichkeit in Einklang, nachdem wir durch die von Ihnen genannten Maßnahmen im Zuge des Asylkompromisses, aber auch durch Sprachtests in den Herkunftsgebieten vor Eröffnung des Zugangs zur Bundesrepublik Deutschland seit 1995 einen Rückgang der Aussiedlerzahlen von damals 217 000 auf 103 080 im Jahr 1998 gehabt haben, also deshalb keine weiteren Maßnahmen erforderlich sind? Was die Integrationsanstrengungen der alten Bundesregierung anbelangt: Teilen Sie nicht die Auffassung, daß das im Konsens auch mit der damaligen Opposition zustande gekommene Wohnortzuweisungsgesetz zu einer besseren Verteilung und zu Entspannungen in Ballungsgebieten geführt hat und daß gerade von der alten Bundesregierung im letzten Jahr ein Integrationsfonds beim Bundesverwaltungsamt geschaffen wurde, aus dem 30 Millionen DM für 1 500 Projekte an 600 Orten der Bundesrepublik Deutschland ausgegeben worden sind, wobei 35 Prozent der Fördersumme für Projekte mit jungen Menschen bestimmt waren? Wenn Herr Kollege Welt als Aussiedlerbeauftragter hier Kritik übt: Was sind die Maßnahmen der jetzigen Bundesregierung, um diese Integrationsanstrengungen der alten Bundesregierung weiter zu verstärken?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Vereinbarung aus dem Jahre 1991 in irgendeiner Form beiseite zu schieben. Das von Ihnen angesprochene Wohnortzuweisungsgesetz hat deutlich gemacht, daß wir in der Tat Integrationsprobleme hatten und haben; sonst hätten wir ein solches Gesetz nicht beschlossen. Was will die neue Bundesregierung tun? Wir sind der Auffassung, daß insbesondere dem Thema „Sprache und Sprachförderung“ ein sehr großes Augenmerk geschenkt werden muß; denn ohne die Beherrschung der deutschen Sprache ist eine Integration nur schwer möglich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Heißt das, Herr Staatssekretär, daß Sie anstreben, die Dauer der Sprachförderung für Aussiedler, die aus Haushaltszwängen auch zu meinem Bedauern von der alten Bundesregierung gekürzt werden mußte, ({0}) zu erhöhen? Heißt der erste Teil Ihrer Antwort, daß Sie den Konsens im Kriegsfolgenbereinigungsgesetz nicht in Frage stellen wollen, daß die neue Bundesregierung nicht auf Überlegungen zurückgreifen will, die das Land Rheinland-Pfalz zur weiteren Begrenzung des Aussiedlerzuzugs in den Bundesrat eingebracht hat und die der Bundesrat mit Mehrheit angenommen hat?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, was das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz anbelangt, haben wir überhaupt nicht die Absicht, den Konsens aufzugeben. Das wissen Sie ganz genau; Sie kennen auch die Haltung der Bundesregierung und der SPD-Bundestagsfraktion zu der Initiative des Landes Rheinland-Pfalz. Was die Notwendigkeit einer Verbesserung der Sprachförderung anbelangt, kann ich Ihnen nur soviel sagen, daß wir im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel versuchen, die Förderung zu intensivieren und effektiver zu machen. Da sind ein bißchen Kreativität und Phantasie gefragt. Jedenfalls wird deutlich, daß derjenige, der wirkliche Integration will, der Sprache einen sehr hohen Stellenwert beimessen muß.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt rufe ich die Frage 12 des Kollegen Koschyk auf: Verfügt die Bundesregierung über Daten, die über die amtliche Repräsentativstatistik ({0}) für das Jahr 1997 hinausgehen, über die Zahl und herkunftsmäßige Zusammensetzung von in Deutschland lebenden deutschen Staatsangehörigen, die eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, und, wenn ja, über welche? Bitte, Herr Staatssekretär, zur Beantwortung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundesregierung stehen über die Daten der amtlichen Repräsentativstatistik aus dem Jahre 1997 hinaus keine weiteren Zahlen zur Verfügung. Ich möchte aber noch ein paar Hinweise geben, weil ich annehme, daß Sie aus einem bestimmten Grund gefragt haben. Insbesondere in zwei Fallgruppen, bei denen in großer Zahl Mehrstaatigkeit entstehen kann, läßt sich nicht feststellen, inwieweit Mehrstaatigkeit tatsächlich entstanden ist. Es handelt sich hierbei zum einen um die eheliche Abstammung von einem deutschen und einem ausländischen Elternteil und zum anderen um die Einbürgerung als Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Hier geht es um den Bereich der Aussiedler oder Spätaussiedler. Daher liegt kein aussagefähiges statistisches Material vor. Eine weitere Information: Nach der vom Statistischen Bundesamt zusammengestellten Einbürgerungsstatistik wurden von 1981 bis 1997 insgesamt 158 010 Ausländerinnen und Ausländer unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert. Dieses Kriterium hat vor 1981 keine Rolle gespielt. Deshalb liegen aus dem Zeitraum vor 1981 keine Zahlen vor. Eine Aufschlüsselung nach Herkunftsstaaten ist nicht sinnvoll, da es in der Vergangenheit im Hinblick auf die Hinnahme bzw. Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei einzelnen Herkunftsstaaten zu Fehlerfassungen in beträchtlicher Größenordnung gekommen ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben ja mit Ihrer Antwort eingeräumt, daß der Bundesregierung keine anderen Zahlen von deutschen Staatsangehörigen, die daneben eine andere Staatsangehörigkeit innehaben, vorliegen als die, die das Statistische Bundesamt über den Mikrozensus zur Verfügung stellen kann. Den zweiten Teil Ihrer Antwort habe ich zur Kenntnis genommen, möchte mir aber trotzdem die Nachfrage erlauben: Wenn im Mikrozensus-Bericht des Statistischen Bundesamtes für 1997 für Deutsche, die neben ihrer deutschen Staatsangehörigkeit über eine andere Staatsangehörigkeit verfügen, insgesamt die Zahl 544 000 ausgewiesen worden ist, wenn Sie sagen, daß sich im Hinblick auf Anspruchseinbürgerungen nach Art. 116 eine größere Zahl ergeben kann und wenn im Mikrozensus-Bericht für 1997 für Menschen in Deutschland, die neben ihrer deutschen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit eines GUS-Staates haben, die Zahl 88 000 und für Menschen aus den Staaten Mittel- und Osteuropas die Zahl 23 000 genannt wird, dann frage ich mich doch, ob der von Ihnen genannte Beurteilungsspielraum so weit geht, daß man zu einer Zahl von 2 Millionen deutschen Doppelstaatlern, die auf die Anspruchseinbürgerung nach Art. 116 zurückgegriffen haben, kommen kann, wie sie in der politischen Diskussion auch gestern von der Vorsitzenden des Landesverbandes Bayern einer großen Regierungspartei in Anwesenheit eines stellvertretenden Vorsitzenden einer großen Regierungsfraktion genannt worden ist.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Wenn man in diesem Zusammenhang Zahlen nennt, dann sollte man der Fairneß halber immer von Schätzungen ausgehen. Ich kann Ihnen jetzt nicht genau sagen, welche Schätzung an welcher Stelle korrekt ist. Wichtig ist aber der Hinweis, daß es Mehrstaatigkeit in Deutschland gibt. Sie wissen auch, daß sich gerade im Verfahren für Aussiedlerinnen und Aussiedler nach 1981 einiges, was die Hinnahme von Mehrstaatigkeit anbelangt, verändert hat - das hängt nicht so sehr mit der Bundesrepublik Deutschland, sondern mit den Entsendestaaten zusammen -, so daß die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß wir mehr Fälle von Mehrstaatigkeit haben, als man allenthalben nachweist. Sie haben recht: Statistisch exakt ist dies nicht nachzuweisen. Deswegen habe ich der Fairneß halber an den zwei Fallgruppen deutlich gemacht, wie schwer es ist, mit solchen Zahlen zu argumentieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß trotz dieses, wie Sie sagen, erschwerten Verfahrens für Deutsche, die als Aussiedler aus den GUS-Staaten zu uns kommen, aus der Staatsangehörigkeit ihres Herkunftslandes entlassen zu werden, sehr viele Deutsche dieses Verfahren auf sich nehmen und dafür Kosten in Höhe von 700 DM bis weit über 1 000 DM in Kauf nehmen? Wäre es deshalb nicht sinnvoll und richtig, wenn die Bundesregierung, nachdem Sie selbst, Herr Staatssekretär, davon gesprochen haben, daß bis in die 80er und 90er Jahre hinein von der damaligen Sowjetunion und den MOE-Staaten ein anderes Verfahren praktiziert wurde - bei Verlassen des Herkunftslandes war der automatische Verlust der fremden Staatsangehörigkeit der Fall -, außenpolitische Anstrengungen unternehmen würde, um mit diesen Staaten wieder zu einem pauschalisierten Entlassungsverfahren ohne Kosten für die Betroffenen und ohne bürokratischen Aufwand, wie es von den betreffenden Staaten bis Ende der 80er Jahre praktiziert worden ist, zu kommen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Koschyk, ich wäre froh gewesen, wenn Sie sich einmal unseren ersten Entwurf zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts angeschaut hätten. Darin steht unter anderem, daß wir das Verfahren der Einbürgerung im Aussiedlerbereich vereinfachen und auch verkürzen wollen. Das wäre im übrigen auch ein Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung. Ich würde mich freuen, wenn Sie zumindest dies an diesem Reformentwurf positiv würdigten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Ernst Hinsken auf: Was will die Bundesregierung dagegen tun, den verstärkt steigenden Wechsel von illegal in die Bundesrepublik Deutschland Einreisenden an der deutsch-tschechischen Grenze einzudämmen?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatssekretär, bitte schön.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hinsken, die Bundesregierung wird verstärkt Personal, aber auch Material an den deutschen Ostgrenzen, insbesondere an der deutsch-tschechischen Grenze einsetzen. Der besonders sensible Abschnitt des Bundesgrenzschutzamtes Chemnitz - ich weiß nicht, ob er Sie interessiert - wird derzeit mit vier zusätzlichen Einsatzzügen aus den BGSVerbänden verstärkt. Zur Bekämpfung der unerlaubten Einreise an der grünen Grenze im Lande Bayern im Zuständigkeitsbereich des Bundesgrenzschutzamtes Schwandorf wird neben den Regelkräften zusätzlich ein Einsatzzug der BGS-Verbände für Lageverschärfungen ständig bereitgehalten. Darüber hinaus erfolgt die Bekämpfung der unerlaubten Einreise und der Schleusungskriminalität - darauf legen wir sehr viel wert - in enger Abstimmung mit den Polizeien der Länder, den Einsatzkräften der Bundeszollverwaltung sowie den Bediensteten der tschechischen Grenzbehörden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, mit Ihrer Aussage befinden Sie sich auf dem richtigen Weg. Allerdings würde mich natürlich schon interessieren - ich bin unmittelbar betroffen; mein Wahlkreis befindet sich dort -, wie viele zusätzliche Stellen z. B. in Bayerisch Eisenstein, in Schwandorf - das haben Sie eben genannt - oder in Deggendorf gegebenenfalls neu geschaffen werden könnten, um den Problemen, die augenscheinlich auftreten, begegnen zu können.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Hinsken, Sie müssen hierbei zwischen der Verstärkung des Einzeldienstes und der Unterstützung des Einzeldienstes durch Verbandskräfte unterscheiden; denn es ist beabsichtigt, daß wir in bestimmten Fällen flexibel reagieren können. Was die Zahlen bezüglich der Personalsituation anbelangt: Ich werde Ihnen die Zahlen zu jeder Stelle, die Sie genannt haben, gerne im einzelnen nachreichen. Ich denke, daß Sie dann auch zufrieden sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Hinsken, bitte schön.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, befindet sich die Bundesregierung auf Grund dieser Angelegenheit mit der tschechischen Regierung in Kontakt? Und wenn ja: Ist bei diesbezüglichen Gesprächen schon etwas herausgekommen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Der Kontakt besteht. Sie haben mit Ihrer Frage insofern einen wichtigen Punkt getroffen, als wir zur Zeit die größten Probleme an dem betreffenden Grenzabschnitt haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage der Kollegin Ulla Jelpke.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär Körper, Sie werden mir sicherlich bestätigen, daß - wie heute in den Medien zu lesen ist - von den rund 40 000 illegal einwandernden Menschen - das betrifft gerade die deutschtschechische Grenze - viele Flüchtlinge aus dem Kosovo kommen. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Flüchtlingen aus dem Kosovo einen anderen Status zu geben? Sie wissen wahrscheinlich genauso gut wie ich, daß diese Flüchtlinge wieder abgeschoben werden. Meines Erachtens besteht ein Regelungsbedarf, um diesen Menschen einen legalen Aufenthaltsstatus zu ermöglichen. Gibt es dazu irgendwelche Planungen seitens der Bundesregierung?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Liebe Frau Kollegin Jelpke, erstens ist festzuhalten, daß die Bundesregierung kein Interesse daran hat, mit irgendeiner Maßnahme illegale Einreisen in die Bundesrepublik Deutschland zu fördern. Es ist unsere Zielsetzung, illegale Einreisen einzudämmen. Deswegen haben wir beispielsweise auch bestimmte Konzeptionen geändert, was das Thema Bundesgrenzschutz und dessen Tätigkeit an der Grenze anbelangt. Was das Problem der Flüchtlinge aus dem Kosovo anbelangt, so ist, wie ich denke, nicht nur die Bundesregierung gefragt. Vielmehr ist auch auf europäischer Ebene die Frage zu stellen, wie man mit diesem Flüchtlingsproblem umgehen soll und welche Entscheidungen man zu treffen hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage vom Kollegen Rose.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, auf Grund Ihrer freundlichen Zusage an den Kollegen Hinsken, Zahlen zu nennen, darf ich Sie fragen, ob Sie auch so freundlich wären, dem Kollegen Kalb, der dafür ebenfalls zuständig ist, und mir selber die entsprechenden Zahlen zum Grenzübergang Philippsreut zu nennen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Rose, Sie haben schon die Erfahrung gemacht, daß ich, wenn ich hier die Zusage gegeben habe, eine detaillierte schriftliche Antwort zu geben, dies auch tue. Sie waren mit meiner Antwort auch zufrieden. Ich hoffe, auch diese Anfrage befriedigend beantworten zu können; Sie bekommen die Antwort umgehend. Sie sollten mir nur gemeinsam mit dem Kollegen Hinsken aufschreiben, um welche Grenzübergänge und -abschnitte es sich genau handelt. Dann bekommen Sie auch - „in alter Manier“, möchte ich fast sagen - ordentliches Zahlenmaterial.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welche Rolle wird denn die Nähe zur deutschtschechischen Grenze und das Problem der illegalen Einwanderung bei den Überlegungen der Bundesregierung zur BGS-Strukturreform spielen, und wann wird die Bundesregierung ihre diesbezüglichen Überlegungen abgeschlossen haben und die Gremien des Deutschen Bundestages umfassend unterrichten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Koschyk, diese Frage habe ich erwartet. Die neue Bundesregierung hatte im Wahlkampf zugesagt, das BGS-Konzept zu überprüfen. Deswegen haben wir beispielsweise alle Personalentscheidungen ausgesetzt. Sie wissen, daß das Personalkonzept in fünf Schritten hätte erfolgen sollen. Die ersten zwei Schritte waren getan, als das sogenannte Moratorium erfolgte. Sie haben mich heute morgen schon einmal danach gefragt. Ich werde Ihnen auch an dieser Stelle nichts Genaues zum Standort Bayreuth sagen; denn die Bundesregierung wird ihr Ergebnis in der Woche nach dem 8. Februar ordnungsgemäß bekanntgeben. Ich lade Sie heute schon ein, sich an diesen Informationen zu beteiligen. Sie werden von mir alle Informationen bekommen, und ich werde versuchen, Ihnen jede Frage ordnungsgemäß und objektiv zu beantworten. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Der Kollege Zeitlmann bittet, die Frage 14 schriftlich zu beantworten. Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Pieper auf. Wie viele Kurden halten sich in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig auf? Herr Staatssekretär, bitte schön.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Liebe Frau Pieper, ich antworte wie folgt: Die Herkunftsländer der in Deutschland lebenden Kurden sind im wesentlichen fünf: Türkei, Syrien, Irak, Iran und Armenien. Im Ausländerzentralregister werden Ausländer aber nur mit ihrer Staatsangehörigkeit und nicht mit ihrer Volkszugehörigkeit erfaßt. Aus diesem Grunde ist eine genaue Aussage über die Zahl der in Deutschland lebenden Kurden nicht möglich. Wollten Sie diese haben, müßten Sie die gesetzliche Grundlage zum Ausländerzentralregister ändern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Frau Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Trotzdem, Herr Staatssekretär, möchte ich die Bundesregierung gern fragen, ob ihr die Zahl der sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden Kurden, die als militant eingestuft werden, bekannt ist.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Präsident, ich habe jetzt ein Problem.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage habe ich gestellt. Ich bitte Sie, sie gleichwohl zu beantworten. Ich werde keine Zusatzfragen stellen. Ich rufe also die Frage 16 auf. Wie viele Kurden schätzt die Bundesregierung als militant ein?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich schließe die Frage des Herrn Präsidenten, der sie wortwörtlich so gestellt hat, ein. Wir sind eine gut vorbereitete Bundesregierung, deshalb kann ich Ihnen auch diese Antwort geben. ({0}) - Ich hoffe, daß Sie überhaupt keine Klagen darüber haben, was unsere Vorbereitung anbelangt. Der Kollege Koschyk ist, glaube ich, jedenfalls ganz zufrieden. ({1}) Frau Kollegin Pieper, die PKK verfügt in Deutschland zur Zeit über einen Mitgliederbestand - das sind natürlich Schätzungen, das sind keine objektiven Zahlen, die statistisch erfaßt sind - von zirka. 11 500 Personen. Aus den europäischen Nachbarländern - Skandinavien, Benelux, Frankreich, Großbritannien, Österreich und Schweiz - kommen nochmals ungefähr 5 000 Personen hinzu. Eine Aufgliederung dieser Zahl in militante und nicht gewaltbereite Personen ist schlichtweg nicht möglich; allerdings ist davon auszugehen, daß die fest in die Organisation der PKK eingebundenen Personen auf Anweisung - Sie kennen die Strukturen - auch zu Gewalttaten bereit sind. Soweit meine Antwort; konkreter ist sie nicht zu fassen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Kollegin Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele von den militanten Kurden Mitglied in der PKK sind?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich möchte sagen, daß der größte Teil dieses Personenkreises auch Verbindungen zur PKK hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Ramsauer.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihre vorletzte Antwort so zu interpretieren, daß die 11 500 in Deutschland plus die 5 000 in den Anrainerländern lebenden Kurden als potentiell militant einzuschätzen sind?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich habe ja eben schon in meiner Antwort deutlich gemacht, daß es sehr schwierig ist, diesen Personenkreis in diejenigen, die potentiell gewalttätig sind, und in diejenigen, die es nicht sind, einzuteilen. Das hängt natürlich auch von dem Grade ab, inwieweit jemand in die Strukturen der PKK eingebunden ist. Im Anschluß an die Frage von vorhin könnte ich sagen: Nicht jeder Kurde unterrichtet die Bundesregierung über die Mitgliedschaft in der PKK. Das macht es so schwierig, in dieser Frage eine Beurteilung vorzunehmen. Es gibt aber einen engen Zusammenhang zwischen der Einbindung in die Strukturen der PKK und der Bereitschaft, zur Durchsetzung bestimmter politischer Ziele Gewalt anzuwenden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen dazu? - Das ist nicht der Fall. Damit ist die Frage 16 ebenfalls beantwortet. Wir kommen zur Frage 17 des Abgeordneten Dr. Edzard Schmidt-Jortzig: Wie beurteilt die Bundesregierung die jüngsten Äußerungen Abdullah Öcalans im Hinblick auf mögliche gewalttätige Aktionen der PKK im Ausland sowie insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland und gegen sonstige deutsche Einrichtungen, vor allem durch die Empfehlung Abdullah Öcalans an die PKK, den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schmidt-Jortzig, eine Ausweitung des bewaffneten Kampfes in der Türkei erscheint insbesondere mit Blick auf die weiterhin gegensätzlichen Positionen zwischen der PKK einerseits und der türkischen Regierung andererseits nicht ausgeschlossen. Es gibt derzeit aber keine Erkenntnisse, die Anlaß zu der Vermutung geben, daß eine Wiederaufnahme von personen- oder objektbezogenen Anschlägen in Westeuropa, besonders aber in der Bundesrepublik Deutschland, zu erwarten ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage? - Bitte.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, das mag so sein. Ich möchte aber doch noch auf die Person Öcalan zurückkommen. Sie kennen die Äußerung, die er von außerhalb, nicht auf die Bundesrepublik gemünzt, getan hat. Muß nach dieser Äußerung die von ihm ausgehende Gefahr für den Rechtsfrieden anders als bis dato eingeschätzt werden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schmidt-Jortzig, ich habe die Antwort vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation gegeben; darin waren auch die Aussagen von Herrn Öcalan berücksichtigt. Ich kann hier nicht mehr als eine Einschätzung der derzeitigen Lage kundtun. Danach haben Sie gefragt; dazu habe ich Ihnen eine Antwort gegeben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Schmidt-Jortzig.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich würde gerne noch einmal nachhaken: Es geht ja bei den Fragen der F.D.P., die leider etwas auseinandergerissen wurden, weil sie unterschiedlichen Ressorts zugeordnet wurden, um den Komplex der Auslieferung Öcalans wegen der ihm vorgeworfenen Rechtsbrüche. Die Art und Weise, wie man da reagiert hat, war, wie wir finden, unzulänglich. Danach ist ein neuer Sachverhalt eingetreten, weil er nach seiner Ausreise aus Italien Äußerungen von sich gegeben hat, die jedenfalls nicht der Stärkung des Rechtsfriedens gedient haben. Könnten Sie sich dazu äußern, ob man bei Kenntnis der Äußerungen, die er nach seiner Ausreise aus Italien - wahrscheinlich Richtung Nordosten - getan hat, seine Gefährlichkeit anders eingeschätzt hätte als zu den Zeiten, als man darauf verzichtete, einen Auslieferungsantrag zu stellen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich will jetzt anderen Fragen nicht vorgreifen, aber ich glaube, daß man bei einer Einschätzung Öcalans vor und nach seiner Ausreise aus Italien nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Ich glaube auch nicht, daß es im Hinblick auf die Sicherheitssituation der Bundesrepublik Deutschland große Unterschiede zwischen vorher und nachher gibt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen dazu? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Frage 18 des Kollegen Detlef Parr: Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerung des Bundesministers des Innern, Otto Schily, wonach die Auslieferung Abdullah Öcalans an die Bundesrepublik Deutschland den „Rechtsfrieden“ gefährdet hätte?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Bundesminister Otto Schily führte am 25. November 1998 im ZDF zum Fall Öcalan wörtlich folgendes aus: … da haben wir zunächst einmal gesagt, wir stellen das Auslieferungsersuchen zurück, und man muß prüfen, in welchem Rahmen Herr Öcalan vor Gericht gestellt werden kann. Da gibt es ja verschiedene Möglichkeiten. Sie werden verstehen, daß das Dinge sind, die einer sehr sorgfältigen Prüfung bedürfen, und auch die Tatsache berücksichtigt werden muß, ob der Rechtsfrieden in Deutschland gefährdet wäre, ich bitte, den Konjunktiv zu beachten wenn das Verfahren hier stattfindet. Dieses Zitat zeigt, daß die in der Frage enthaltene Unterstellung so nicht zutrifft. Ich möchte aber noch ein paar Bemerkungen darüber hinaus machen: Die Gesamtzahl der Kurden in der Bundesrepublik Deutschland beträgt derzeit etwa 500 000. Aber - darüber haben wir ja vorhin geredet - dies ist eine Schätzung. Es wird davon ausgegangen, daß etwa 10 Prozent der kurdischen Bevölkerung in Deutschland bereit sind, sich für Belange der PKK in Demonstrationen einzusetzen. Der Mitgliederbestand der PKK in Deutschland beträgt zur Zeit 11 500 Personen. Hinzu kommen - das habe ich vorhin auch schon einmal gesagt - noch einmal 5 000 Personen aus den europäischen Nachbarländern. Ich würde mich wiederholen, wenn ich noch einmal etwas zu der Aufteilung in militante und nicht gewaltbereite Personen sagen würde. Aber vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Bundesregierung zu beurteilen, von einem Auslieferungsersuchen abzusehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Parr? - Das ist nicht der Fall. Gibt es weitere Fragen? - Bitte sehr, Herr Professor Schmidt-Jortzig.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Kollege Körper, könnten Sie nicht doch noch einmal erläutern, weshalb es den Rechtsfrieden - ich betone ausdrücklich: den Rechtsfrieden - in Deutschland beeinträchtigen sollte, wenn ein ordnungsgemäß angeklagter Straftäter, dessen Haftbefehl die zuständige Staatsanwaltschaft noch einmal ausdrücklich bestätigt und aktualisiert hat, tatsächlich vor Gericht gestellt würde?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege SchmidtJortzig, erstens ist es mir bei der Antwort darum gegangen, Herrn Bundesminister Otto Schily korrekt zu zitieren. Das war in der Frage nicht der Fall. Im zweiten Teil meiner Antwort habe ich versucht, noch einmal deutlich zu machen, vor welchem Hintergrund sich die Situation dargestellt hat und mit welchen Motiven beispielsweise auf das Auslieferungsbegehren verzichtet worden ist. Im übrigen gehe ich davon aus, daß auf diese Rechtsfragen bei der Beantwortung weiterer Fragen noch ausführlich eingegangen werden wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gibt es weitere Fragen? - Bitte sehr, Herr Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gehen Sie denn davon aus, daß die alte, die vergangene Bundesregierung unter dem ehemaligen Justizminister und dem ehemaligen Innenminister eine Auslieferung beantragt hätte, oder gehen Sie davon aus - vielleicht wissen Sie es sogar -, daß die alte Regierung genauso gehandelt hätte wie die neue und dem Opportunitätsprinzip den Vorrang gegeben hätte, um den Rechtsfrieden zu sichern?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Gilges, Sie wissen, daß ich mich von Berufs wegen im Alten Testament ganz gut auskenne. Aber ich muß Ihnen sagen: Trotzdem besitze ich nicht die prophetische Gabe, darüber zu entscheiden, ob der Fragesteller in seiner alten Funktion als Justizminister diese Frage genauso angegangen wäre, wie er es heute tut. Das müssen Sie ihn wohl selbst fragen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Körper. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Verfügung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Eckhart Pick. Ich rufe die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer auf: Billigt die Bundesregierung das Inkasso der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte ({0}), insbesondere der Bezirksdirektion München, für Musik anläßlich von Hochzeitsfeiern, und wenn nicht, was gedenkt sie dagegen zu unternehmen? Auf welcher Rechtsgrundlage kann die GEMA in Deutschland Gebühren für derartige Veranstaltungen erheben, gerade auch vor dem Hintergrund der grundlegenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Österreichs vom 27. Januar 1998 - 4 Ob 347/97 a - zu Musikaufführungen bei Hochzeiten?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Präsident, Herr Kollege Dr. Ramsauer, die Wiedergabe von Musikwerken Dritter durch Aufführungen oder mit Hilfe von Tonträgern ist generell nur erlaubnis- bzw. vergütungspflichtig, wenn sie öffentlich erfolgt. Eine Gruppe von Zuhörern ist jedoch nicht öffentlich im Sinne des Urheberrechts, wenn der Personenkreis abgegrenzt ist und die Zuhörer „durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden sind“; so § 15 Abs. 3 des Urheberrechtsgesetzes. In der Regel ist davon auszugehen, daß bei Hochzeitsgesellschaften derartige persönliche Beziehungen zwischen Gästen und Veranstaltern bestehen. Die Wiedergabe von Musikwerken auf Hochzeitsveranstaltungen ist daher regelmäßig nicht öffentlich. Im Einzelfall ist es allerdings denkbar, daß eine Hochzeit bewußt öffentlich veranstaltet wird, zum Beispiel um eine gewisse Werbewirkung zu erreichen. Der Bundesregierung sind die Umstände des der Frage offenbar zugrunde liegenden Einzelfalles nicht bekannt, so daß zu dem in Ihrer Frage angesprochenen Inkasso der GEMA nicht näher Stellung genommen werden kann. Sie haben dann nach dem Urteil des österreichischen Obersten Gerichtshofs gefragt. Wir haben uns bemüht, dieses Urteil zu erhalten. Es ist heute morgen eingegangen. Nach einer ersten Durchsicht scheint sich auch der Oberste Gerichtshof in die Richtung zu bewegen, die Sie mit Ihrer Fragestellung angestoßen haben. Auch hier ging es um den Fall einer Hochzeit, allerdings mit 120 geladenen Gästen. Davon waren rund 40 Personen Verwandte und rund 80 Personen Berufskollegen, Nachbarn oder Bekannte des Brautpaares. Die Hochzeitsfeier hat in einer Gaststätte stattgefunden, die auch öffentlich zugänglich war; sie war also nicht hermetisch abgeschlossen. Der Oberste Gerichtshof hat auch in diesem Fall die Öffentlichkeit verneint. Insofern ist er zu dem Ergebnis gekommen, daß hier keine Zahlungsverpflichtung der betreffenden Personen bestehe. Ich darf mit Ihrer Erlaubnis aus dem Urteil zitieren, in dem es sehr markante Sätze gibt, die auf unsere Situation übertragbar sind: Eine Hochzeitsfeier ist typischerweise auf einen in sich geschlossenen, nach außen abgegrenzten Personenkreis abgestellt. Auch im vorliegenden Fall waren sämtliche Gäste eingeladen worden und daher mit dem einladenden Brautpaar verbunden. Weiter heißt es: Eine Hochzeitsfeier dient typischerweise ideellen Zwecken. ({0}) Das deckt sich, Herr Kollege, völlig mit unserer Auffassung. Ich denke, daß diese Entscheidung in die Richtung geht, die wir für richtig halten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Kollege Ramsauer.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, angesichts der besonderen Hochzeitsgepflogenheiten im Freistaat Bayern möchte ich nachfragen, ob nach dem, was Sie dargelegt haben - auch bei Hochzeiten mit 500 oder in Einzelfällen sogar mehr Gästen, die in Bayern durchaus üblich sind, von einer GEMAGebührenfreiheit auszugehen ist?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Dr. Ramsauer, ich sagte Ihnen schon: Es kommt immer auf den Einzelfall an. Das ist sicher die typische Antwort eines Juristen. Es kommt darauf an, ob eine solche Hochzeitsfeier auf den Bereich der Familie und der Freunde gerichtet ist oder ob darüber hinaus, zum Beispiel zu Werbezwecken, die Öffentlichkeit mit einbezogen wird. Man kann dabei natürlich keine zahlenmäßige Begrenzung nennen. Ich denke, daß bei der Entscheidung auch die Ortsüblichkeit eine gewisse Rolle spielen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das heißt, die landesüblichen Gepflogenheiten müßten auch in die Rechtsfindung mit einbezogen werden?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich gehe davon aus, daß nicht nur die GEMA, sondern auch die Gerichte diese Gesichtspunkte mit würdigen werden.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann möchte ich noch eine zusätzliche Frage stellen. Sehen Sie eigentlich das faktische Monopol der GEMA durch das Kartellamt im Sinne des Verbraucherschutzes noch hinreichend kontrolliert?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Sie wissen, daß die GEMA wie andere Gesellschaften, die die Interessen von Urhebern wahrzunehmen haben, dies natürlich auch im Interesse der Betroffenen machen, die nicht in der Lage sind, im Einzelfall zu kontrollieren, ob ihre Werke - zum Beispiel musikalischer Art - öffentlich wiedergegeben werden oder nicht. Insofern haben wir diese Konstruktion, die ja auf gesetzlicher Basis besteht, hinzunehmen. Wir werden die Entwicklung beobachten. Im Moment sehen wir keine Veranlassung - wenn das Ihre Frage intendiert -, hier gesetzgeberisch einzugreifen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Brähmig.

Klaus Brähmig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000240, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, zwei Zusatzfragen, die nicht den Freistaat Bayern betreffen, sondern das gesamte Bundesgebiet: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Hochzeitsfeiern und andere Familienfeiern nicht öffentlich im Sinne des § 15 Abs. 3 des Urheberrechtsgesetzes sind - Sie sprachen davon - und daß die GEMA diese Vermutung widerlegen muß?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Wenn die GEMA Gebühren einfordert, muß sie natürlich nachweisen, daß eine öffentliche Veranstaltung stattgefunden hat. Insofern, denke ich, habe ich die Frage vorhin schon beantwortet. Es kommt auf den Einzelfall an. Es kommt insbesondere bei Hochzeitsfeierlichkeiten darauf an, daß es den familiären und den Freundeskreis betrifft und daß andere Gesichtspunkte - wie gesagt, zum Beispiel der Werbung keine Rolle spielen.

Klaus Brähmig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000240, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Beabsichtigt die Bundesregierung, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes und der Familienförderung, Hochzeitsfeiern und sonstige Familienfeiern, wie nach dem genannten Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 27. Januar 1998 in Österreich bereits praktiziert, von urheberrechtlichen Vergütungsansprüchen, insbesondere der GEMA, freizustellen bzw. auf die Verwertungsgesellschaften insoweit einzuwirken?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Österreich ist eine parallele Entscheidung, die hier nicht unmittelbar Bindungswirkung entfaltet. Sie ist allerdings ein Hinweis, wie man diese Bestimmung auch in Deutschland auslegen könnte. Ansonsten ist es zunächst Sache der GEMA und im Streitfall der zuständigen Gerichte, über die Grundlage und die Angemessenheit des Begehrens der GEMA zu entscheiden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage des Kollegen Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gilt das, was Sie ausgeführt haben, jeweils nur für die erste Hochzeit? Oder wie ist es, wenn jemand - ein Kollege aus dem Bundestag zum Beispiel - das fünfte Mal heiratet? Können wir dann alle geladen werden? Wird es dann doch nicht als offizielle Veranstaltung deklariert? ({0})

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Hinsken, bei der Auslegung des § 15 Abs. 3 des Urheberrechtsgesetzes um diese Bestimmung geht es ja - kommt es nicht darauf an, ob es sich um die erste, die zweite oder im Einzelfall die nachfolgenden Hochzeiten handelt. Entscheidend ist, ob diese Hochzeitsfeier so, wie vorhin beschrieben, im Freundeskreis stattfindet. Wenn ein Ehepaar dann den gesamten Bundestag einlädt, kann das durchaus noch eine private Feier sein, ohne daß Vergütungen fällig werden. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall, so reizvoll diese Fragestellung ist. Wir kommen zur Frage 21 des Kollegen Dr. Martin Mayer ({0}): Welche Regelungen hinsichtlich des sogenannten elektronischen Pressespiegels strebt die Bundesregierung im Rahmen der vorgesehenen Novellierung des Urheberrechtsgesetzes an? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Zur Beantwortung Ihrer Frage, Herr Dr. Mayer, möchte ich zunächst auf den vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Diskussionsentwurf eines fünften Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes verweisen, welcher den Bundestagsfraktionen bereits im Juli 1998 übersandt wurde. Nach der derzeitigen Rechtslage dürfen Sprachwerke wie Rundfunkkommentare und Zeitungsartikel in Zeitungen und in anderen den Tagesinteressen dienenden Informationsblättern vervielfältigt und öffentlich wiedergegeben werden, soweit sie politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen betreffen; § 49 des Urheberrechtsgesetzes. Vervielfältigen bedeutet dabei allerdings die Herstellung von Papierkopien. Dies betrifft darüber hinaus nur Beiträge mit einem eigenen, individuell schöpferischen Gehalt. Bloße Nachrichten und Informationen genießen ohnehin keinen urheberrechtlichen Schutz, da sie keine Werke im Sinne von § 2 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes sind. Zum Ausgleich für diese Nutzungen der Beiträge haben die Rechteinhaber grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Vergütung. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung soll im wesentlichen zusätzlich der sogenannte elektronische Pressespiegel ermöglicht werden, das heißt die Weiterverbreitung der betreffenden Sprachwerke mit Hilfe von elektronischen Datenträgern und Datennetzen. Zum Schutz der Interessen der Rechteinhaber ist jedoch vorgesehen, daß die Online-Übertragung elektronischer Pressespiegel nur gegenüber der sogenannten kleinen Öffentlichkeit zulässig sein wird, das heißt nur gegenüber einem bestimmten abgegrenzten Personenkreis. In diesem Zusammenhang nenne ich das Stichwort „Inhouse-Pressespiegel“. Die Rechteinhaber können außerdem die Nutzung ihrer Beiträge auch künftig durch Anbringung eines entsprechenden Rechtevorbehaltes vermeiden. Insoweit soll die schon derzeit geltende Rechtslage unverändert bleiben. Die Einführung dieses elektronischen Pressespiegels ist nach Auffassung der Bundesregierung erforderlich, da es angesichts der Fülle der schon jetzt online angebotenen Informationen nicht mehr ausreicht, wenn sich Nutzer im Wege von Online-Abfragen selbst Inhalte zu bestimmten Themen heraussuchen können. Der elektronische Pressespiegel entspricht damit auch den Forderungen der Industrie, der Banken und der öffentlichen Verwaltung. Er wird auch von Journalistenverbänden akzeptiert.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Kollege Mayer.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die gegenwärtige Rechtslage - oder vielleicht besser ausgedrückt: die gegenwärtige Rechtsunsicherheit - hinsichtlich der elektronischen Pressespiegel dazu führt, daß deren Entwicklung in Deutschland wesentlich behindert wird?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Es ist richtig, daß im Moment Unsicherheit über die Rechtslage besteht. Deswegen sieht dieser Entwurf eine entsprechende Regelung vor, die ich angedeutet habe. Wir wollen mit dieser Regelung für Rechtsklarheit sorgen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Herr Mayer.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß auch die Wiedergabe in öffentlichen Bibliotheken - also nicht nur die Wiedergabe in Behörden, öffentlichen Einrichtungen und Betrieben - einer öffentlichen Regelung bedarf? Diese Rechtssicherheit ist eine wichtige Voraussetzung dafür, daß die Information für den einzelnen Bürger zugänglich wird.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Dr. Mayer, ich stimme Ihnen zu: Es ist an der Zeit, daß Rechtsklarheit geschaffen wird. Der Entwurf, von dem ich sprach, versucht, einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen herzustellen. Er stammt ja bekanntlich von der vorherigen Bundesregierung. In diesem Zusammenhang wird natürlich auch die Frage zu klären sein, inwieweit besondere Interessen öffentlicher Einrichtungen, insbesondere Interessen der Bibliotheken, zu berücksichtigen sind. Die Diskussion über den entsprechenden Gesetzentwurf wird dies zeigen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Frage 22 des Kollegen Andreas Schmidt ({0}): In welcher Weise und wann war die Bundesregierung mitder angestrebten Auslieferung des im September 1998 in Frankreich gefaßten, in den Medien als Exterrorist bezeichneten HansJoachim Klein befaßt? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Schmidt, das Ersuchen um Auslieferung von Hans-Joachim Klein aus Frankreich ist zuständigkeitshalber vom hessischen Ministerium der Justiz gestellt worden. Die Bundesregierung hat auf der Grundlage von § 74 Abs. 2 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen die Ausübung ihrer Befugnis zur Entscheidung über die Stellung von Auslieferungsersuchen an bestimmte andere Staaten auf die Landesregierungen übertragen. Nach der Zuständigkeitsvereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder vom 1. Juli 1993 war daher für die Stellung des Auslieferungsersuchens an Frankreich die Hessische Landesregierung zuständig, da der Fahndungsausschreibung im Schengener Informationssystem ein Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 1995 zugrunde lag. Die Bundesregierung ist von der Festnahme und dem Auslieferungsersuchen nach Maßgabe von Nr. 7 der Zuständigkeitsvereinbarung unterrichtet worden, die vorsieht, daß sich die Landesregierungen in Fällen besonderer politischer Bedeutung mit der Bundesregierung ins Benehmen zu setzen haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege.

Andreas Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001999, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, wann die Hessische Landesregierung zum erstenmal mit dem Auslieferungsbegehren befaßt war?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Darüber kann ich Ihnen im Moment keine Auskunft geben. Ich sage Ihnen aber zu, daß ich versuche, diese Zusatzfrage schriftlich zu beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es eine weitere Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Frage 23 des Kollegen Schmidt ({0}) auf: Weshalb ist Hans-Joachim Klein bisher nicht nach Deutschland ausgeliefert worden, obwohl seine Festnahme über vier Monate zurückliegt?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Die französischen Justizbehörden haben die Erteilung einer Auslieferungsbewilligung nach ihrem innerstaatlichen Recht zu prüfen. Eine Sachstandsanfrage des hessischen Justizministeriums hat ergeben, daß das zuständige Gericht in Frankreich voraussichtlich in Kürze eine Entscheidung fällen werde. Die mehrmonatige Verfahrensdauer ist im Hinblick auf Frankreich nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Gibt es weitere Fragen dazu? - Auch das ist nicht der Fall. Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Norbert Geis auf: Hat die Bundesregierung ein Interesse an einer schnellen Auslieferung von Hans-Joachim Klein nach Deutschland? Herr Staatssekretär, bitte schön.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Martin Mayer ({0}) Geis, die Bundesregierung ist an einer zügigen Abwicklung des Auslieferungsverfahrens mit Frankreich und an einer Überstellung des Verfolgten nach Deutschland interessiert. Die französischen Justizbehörden und Gerichte haben über die Erteilung einer Auslieferungsbewilligung nach innerstaatlichem Recht zu entscheiden. Dies kann sich erfahrungsgemäß über mehrere Monate hinziehen. Von hier aus sind die Möglichkeiten, auf die Dauer des Verfahrens in Frankreich einzuwirken, begrenzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Geis? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Frage 25 des Kollegen Geis auf: Erwartet die Bundesregierung von der Vernehmung von Hans-Joachim Klein nach seiner Auslieferung nach Deutschland eine Aufklärung des Mordes an dem hessischen Wirtschaftsminister Heinz-Herbert Karry?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Welche konkreten Erkenntnisse von einer Vernehmung Hans-Joachim Kleins erwartet werden können, kann erst nach der Überstellung des Verfolgten an die dortigen Justizbehörden beurteilt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Geis, bitte.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Zusatzfrage: Aus den Medien geht hervor, daß auch Österreich ein Auslieferungsverlangen gestellt hat. Gibt es insoweit Gespräche seitens unserer Regierung mit den zuständigen Stellen der österreichischen Regierung und, wenn ja, seit wann?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Geis, mir sind keine Gespräche mit der österreichischen Regierung bekannt. Es ist ja, wie ich soeben ausgeführt habe, das hessische Justizministerium zuständig. Die Bundesregierung ist insoweit im Moment nicht am Zuge, um mit den österreichischen Behörden oder auch anderen in Kontakt zu treten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen dazu? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Frage 26 des Kollegen Jörg van Essen auf: Welche Begründung gibt es dafür, daß die Bundesrepublik Deutschland auf Konsultationen mit den Mitgliedstaaten des VN-Sicherheitsrates verzichtet hat, die über ein Ad-hoc-Tribunal im Falle von Abdullah Öcalan hätten entscheiden können?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege van Essen, die Errichtung eines Ad-hoc-Tribunals durch den VNSicherheitsrat ausschließlich für ein Strafverfahren gegen Abdullah Öcalan erschien nach eingehender Untersuchung und Gesprächen mit der italienischen Regierung aus zeitlichen, rechtlichen und politischen Gründen nicht als eine durchführbare Option für ein Strafverfahren gegen Abdullah Öcalan. ({0})

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, hat es - außer mit der italienischen Regierung, die Sie gerade erwähnt haben - überhaupt mit einer ausländischen Regierung Konsultationen über die Lösung des Falles gegeben?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Es hat nicht nur mit der italienischen Regierung, sondern auch auf der Ebene des Europarats Gespräche gegeben. Insofern sind auch die Mitglieder des Europarats in diesen Prozeß einbezogen worden, als es darum ging zu überprüfen, ob ein Gerichtshof verfügbar ist, der in einer überschaubaren Zeit ein Verfahren gegen Herrn Öcalan betreiben könnte. Es sind also sehr viele Gespräche mit unseren europäischen Nachbarn geführt worden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Weitere Zusatzfrage? - Bitte, Herr Kollege van Essen.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung von Staatsminister Volmer, der vorhin in dieser Fragestunde kundgetan hat, daß die Bundesregierung nicht endgültig auf die Auslieferung verzichtet hat? Sind damit die Pressemitteilungen und auch die entsprechenden Pressemeldungen falsch, nach denen der, Bundeskanzler dem italienischen Ministerpräsidenten Ende des letzten Jahres mitgeteilt hat, daß die Bundesregierung auf die Auslieferung verzichte?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Zu Ihrer Frage möchte ich sagen, daß der Bundeskanzler gegenüber dem italienischen Ministerpräsidenten - nach meiner Erinnerung war es am 27. November letzten Jahres - die Aussage gemacht hat, daß Deutschland auf ein Auslieferungsersuchen gegenüber Italien verzichte.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bedeutet Ihre Aussage, daß Sie die Aussage, die Staatsminister Volmer hier vor wenigen Minuten gemacht hat, korrigieren?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Die Bundesregierung spricht mit einer Stimme. Das, was ich gesagt habe, entspricht meinem Kenntnisstand und übrigens auch meinem Gewissen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das provoziert eine weitere Frage. Bitte sehr.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die Aussagen zumindest als unterschiedlich aufgefaßt werden könnten, wenn der Staatsminister Volmer behauptet, die Bundesregierung habe nicht endgültig auf eine Auslieferung verzichtet, Sie aber behaupten, die Bundesregierung habe dies getan? Stimmen Sie mir zu, daß man das mißverstehen kann?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege, ich habe ausgeführt, daß der Bundeskanzler - und damit die Bundesregierung - gegenüber seinem italienischen Kollegen die Aussage getroffen hat, daß das Auslieferungsersuchen gegenüber Italien nicht mehr relevant ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 27 des Kollegen van Essen: Welche gegenwärtigen Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um doch noch eine rechtsstaatliche strafrechtliche Verfolgung der gegen Abdullah Öcalan erhobenen Vorwürfe zu erreichen? Herr Staatssekretär, bitte sehr.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege van Essen, die Bundesregierung hat sich bis zur Ausreise Abdullah Öcalans aus Italien darum bemüht, ein Forum für ein Strafverfahren gegen Herrn Öcalan zu finden. Im Rahmen des Europarats wird derzeit im zuständigen Fachausschuß an Regelungsmechanismen gearbeitet, die für derartige Fälle Lösungen anbieten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte sehr, Herr van Essen.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, mit welchen Vorschlägen nimmt die Bundesregierung an diesen Beratungen teil?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Wie Sie wissen, gibt es im Rahmen des Europarats einen Ausschuß, der sich mit internationalem Strafrecht beschäftigt. Dort wurde in mehreren Runden - nach meiner Erinnerung zuletzt am 22. Dezember - die Frage erörtert, ob es im Rahmen des Europarats eine Möglichkeit gibt, Herrn Öcalan vor Gericht zu stellen. Das ist nach den bisherigen Eruierungen nicht der Fall.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr van Essen, eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, welches der denkbaren Modelle, zu einer rechtsstaatlichen strafrechtlichen Verfolgung Öcalans zu kommen, präferiert die Bundesregierung im Augenblick?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Die Bundesregierung überprüfte verschiedene Modelle. Sie wissen, daß es unterschiedliche Möglichkeiten gibt. Vorhin ist schon die Möglichkeit angesprochen worden, daß auf Grund einer Entschließung der Vereinten Nationen oder wenigstens des Sicherheitsrats ein internationaler Gerichtshof eingesetzt wird. Das hat aber die bekannten Schwierigkeiten. Im übrigen müßten die betroffenen Länder auch entsprechende völkerrechtliche Vereinbarungen treffen. Es gibt ferner das sogenannte Lockerbie-Modell, das besagt, daß sich ein Staat bereit erklärt, auf Grund einer Beschlußfassung der Vereinten Nationen einen solchen Gerichtshof einzusetzen. Die Bundesregierung hat sich auch in dieser Richtung bemüht. Eine weitere Option ist - diese Möglichkeit haben wir eben diskutiert -, daß man unter dem Dach des Europarates einen Gerichtshof - nicht nur für Herrn Öcalan; denn das wäre vermutlich ein Sondergericht und mit dem Grundgesetz sehr schwer zu vereinbaren - einrichtet, der künftig für solche Fälle zuständig wäre. In diese Richtung gehen im Moment unsere besonderen Bemühungen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage. Herr Schmidt-Jortzig, bitte.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wenn es so schwierig ist - darin stimme ich Ihnen ausdrücklich zu -, einen solchen internationalen Strafgerichtshof für Herrn Öcalan zu finden - sei es, daß man ihn ad hoc bildet, dafür aber vorweg alle möglichen Sicherheitsratsmitglieder konsultieren müßte; sei es, daß man ein entsprechendes Übereinkommen zu einer Errichtung schließt; sei es, daß erst entsprechende Verhandlungen seitens des Europarates geführt werden -: Ist es dann nicht von vornherein ein wenig blauäugig oder zumindest unrealistisch gewesen, auf diese Karte zu setzen, wo doch die Frist für eine Auslieferung auf Grund des deutschen Haftbefehls Ende September ablief? War es überhaupt möglich, in dieser Zeitspanne die Errichtung eines für Öcalan zuständigen Gerichts zu erreichen?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich glaube, ausschlaggebend war nicht so sehr der Ablauf der Frist. Diese Frist hätte von italienischer Seite nach innerstaatlichem Recht Italiens durchaus verlängert werden können. Man hatte die Hoffnung - auch die italienischen Behörden hatten sie -, daß es in einer überschaubaren Zeitspanne gelänge, einen solchen Gerichtshof zu finden. Dann wäre es natürlich auch für die italienischen Behörden leichter gewesen - auch für die Gerichte -, Herrn Öcalan weiter in Haft zu behalten, und man hätte ihn nicht in eine Art lockeren Vollzug entlassen müssen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe nun Frage 28 des Kollegen Walter Hirche auf: Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß der internationale Haftbefehl gegen den PKK-Führer Abdullah Öcalan aufrechterhalten bleiben soll? Herr Staatssekretär, bitte.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Hirche, gegen Herrn Abdullah Öcalan besteht ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof wegen verschiedener Tötungsdelikte. Dieser Haftbefehl ist nicht international zur Fahndung ausgeschrieben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage. Herr Hirche, bitte.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Welche rechtsstaatliche Konsequenz ziehen Sie, Herr Staatssekretär, daraus, daß die Bundesregierung, solange Herr Öcalan greifbar war, auf eine Auslieferung verzichtete und in dem Moment, in dem er nicht mehr greifbar war, sagte: „Jetzt wollen wir ihn vor Gericht stellen und möchten darauf bestehen, daß er hier verurteilt wird“?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich glaube, es ist schon ein Unterschied, ob eine Person auf Grund eines internationalen Haftbefehls zur Fahndung ausgeschrieben ist oder ob es einen nationalen Haftbefehl gibt, sofern der Gesuchte sich wieder in dem Land aufhält. Es handelt sich um eine grundsätzliche Entscheidung, ob man nur mit einem nationalen Haftbefehl arbeitet oder ob man den Gesuchten international zur Fahndung ausschreibt. Im übrigen, Herr Hirche, war es ja nicht so, daß Öcalan auf Grund des internationalen Haftbefehls weltweit zur Fahndung ausgeschrieben war; das hat auch unsere Vorgängerregierung nicht gemacht. Vielmehr beschränkte sich der Haftbefehl zunächst auf bestimmte Staaten. Er ist dann in das Informationssystem von Schengen eingestellt worden, beschränkte sich also auch von daher auf bestimmte Länder. Ich entnehme diesem Vorgang, daß auch die Vorgängerregierung den internationalen Haftbefehl ganz bewußt auf bestimmte Staaten beschränkt hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Hirche, Ihre zweite Zusatzfrage.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hat sich bei der Behandlung des Falles Öcalan in der Vergangenheit immer auf das Stichwort „Rechtsfrieden“ berufen und deswegen auf einen Auslieferungsantrag verzichtet. Sind Sie mit mir der Meinung, daß nachträglich das Bestehen auf Rechtsverfolgung in Sachen Mykonos genauso hätte in Frage gestellt werden können?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich denke, daß es durchaus sachlich begründbar ist, einen Haftbefehl nur national wirksam werden zu lassen; denn es gibt außenpolitische und auch andere Gründe, die dafür sprechen, daß man einen Haftbefehl nicht international verankert, sondern auf den Bereich der Bundesrepublik beschränkt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Funke zu einer Zusatzfrage. - Bitte sehr.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Pick, ich teile Ihre Auffassung, daß man dieses Opportunitätsprinzip anwenden sollte. Warum aber haben Sie diesen Haftbefehl nach der Konkretisierung - schon unter Ihrer Regie - nicht international erweitert? Er war bereits international ausgeschrieben, beschränkte sich aber auf einige Länder. Wenn auch die Frage des Rechtsfriedens vielleicht nicht die Rolle spielt wie im Fall Mykonos, so sind hier in Deutschland doch eine ganze Reihe von Straftaten begangen worden. Hier leben Kurden, die von der PKK ganz besonders bedroht sind.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Der deutsche Haftbefehl ist am 19. November auf Antrag des Generalbundesanwalts vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs erweitert worden. Er ist unter anderem auf weitere Tötungsdelikte erstreckt worden. Schon damals ist die Diskussion um die Person Öcalans zwischen Italien und Deutschland sehr intensiv geführt worden und die Entscheidung gefallen, ihn noch nicht in das internationale Fahndungssystem einzustellen. Diese Auffassung hat sich auch durch die acht Tage später erfolgte Erklärung der Bundesregierung gegenüber Italien bestätigt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie haben noch eine Zusatzfrage? - Bitte sehr, Herr Schmidt-Jortzig.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Pick, ich komme noch einmal auf die Frist zurück. War es nicht wenig realistisch, darauf zu setzen, daß die Italiener mit eigenen Mitteln eine Verhaftung Öcalans betreiben würden, da Öcalan in Italien auf Grund des deutschen Haftbefehls verhaftet worden ist und er in Italien keine Straftaten begangen hat, also keine Vorwürfe ihm gegenüber existierten? War es nicht realistischer, weil nur der deutsche Haftbefehl die Verhaftung ausgelöst hat, daß mit Ablauf dieser Frist auch die Freilassung erfolgen würde?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Schmidt-Jortzig, es bestand von Anfang an Einigkeit zwischen den italienischen und den deutschen Behörden, eine internationale Lösung zu suchen. Auf Grund dieser gemeinsamen Auffassung sind die unterschiedlichsten Überlegungen vorgenommen worden. Im übrigen hätte aus unserer Sicht auch nach dem innerstaatlichen Recht Italiens die Möglichkeit bestanden, Herrn Öcalan vor ein italienisches Gericht zu stellen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir kommen nun zu Frage 29 des Kollegen Rainer Funke: Trifft es zu, daß die Bundesregierung auf ein Auslieferungsersuchen gegenüber Italien verzichtet hat, weil der PKK-Führer Abdullah Öcalan in keinem Falle einer Strafverfolgung entgehen werde? Herr Staatssekretär, bitte.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Funke, die Bundesregierung hat auf ein Auslieferungsersuchen an die italienische Regierung aus einer Reihe von Gründen verzichtet. Insbesondere sollte der türkischen Regierung der Vortritt gelassen werden, eine rechtsstaatliche Strafverfolgung Öcalans zu gewährleisten, weil ihm in der Türkei die schwersten Straftaten vorgeworfen werden. Darüber hinaus waren Belange der inneren Sicherheit in Deutschland zu berücksichtigen. Außerdem hat sich die Bundesregierung gemeinsam mit der italienischen Regierung darum bemüht, eine internationale Lösung zu finden, um Herrn Öcalan umfassend zur Rechenschaft zu ziehen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage, Herr Kollege Funke.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin ausgeführt, daß es keine realistischen Möglichkeiten gibt, hier einen internationalen Strafgerichtshof einzusetzen. Man ist sich darüber im klaren, daß eine Auslieferung in die Türkei wegen der möglichen Verhängung der Todesstrafe nur schwer möglich ist. Insoweit verstehe ich nicht ganz die Auffassung der Bundesregierung, daß Herr Öcalan in keinem Fall einer Strafverfolgung entgehen würde. War es von der Bundesregierung realistisch, zu glauben, daß in irgendeinem Land der Welt eine Strafverfolgung möglich ist?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Funke, ich sagte Ihnen schon vorhin, daß in den vergangenen Monaten unterschiedlichste Optionen geprüft worden sind. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß es in solchen Fällen eine Möglichkeit geben muß, in welcher Frist auch immer, Personen zur Rechenschaft zu ziehen. Insofern gehen unsere Bemühungen weiter. Es ist nicht auszuschließen, daß Herr Öcalan eines Tages etwa vor einen Gerichtshof zitiert wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Funke. Bitte sehr.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie formulieren sehr hübsch: Es „muß“ solch eine Möglichkeit der Strafverfolgung geben. Vielleicht sollte es besser heißen: „müßte“; denn es gibt noch keine. Die Bundesregierung ist noch im Dezember davon ausgegangen, daß eine Strafverfolgungsmöglichkeit besteht. Das war auch die Erklärung gegenüber dem italienischen Ministerpräsidenten. Welche konkreten Strafverfolgungsmöglichkeiten hat der Bundeskanzler damals gesehen?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich weiß nicht, was der Bundeskanzler ansonsten gesagt hat. Er hat für die Bundesregierung gegenüber der italienischen Regierung zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesrepublik Deutschland auf ein Auslieferungsersuchen derzeit verzichtet.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage. Der Kollege von Klaeden, bitte sehr.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, für die Bundesregierung hat in der Debatte zu diesem Thema Kanzleramtsminister Hombach hier im Plenum erklärt, daß sich die Alternative „Freilassung oder Auslieferung“ im Falle Öcalan nicht mehr gestellt habe. Das ist dem Protokoll zu entnehmen. Deswegen möchte ich die Frage stellen: Auf welche Annahme hat sich diese Aussage gestützt, und wie ist es dann doch zur Freilassung gekommen?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Aus der Sicht der Bundesregierung hätte der Verzicht der Bundesrepublik auf das Auslieferungsbegehren nicht automatisch die Folge haben müssen, daß die italienischen Behörden Herrn Öcalan freilassen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage. Der Kollege Schmidt-Jortzig, bitte sehr.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Da Sie, sehr verehrter Herr Kollege, einräumen mußten, daß es in der Tat keine andere realistische Möglichkeit der Strafverfolgung von Herrn Öcalan gab, als die Auslieferung nach dem deutschen Haftbefehl zu beantragen: Stimmen Sie mir zu, daß bei der dann sehr schnellen Rücknahme aller Strafverfolgungsanstrengungen der Bundesrepublik Deutschland ein Schatten auf Deutschland hätte fallen können, obwohl wir im Zusammenhang mit dem ständigen internationalen Strafgerichtshof in Rom eine Haltung an den Tag gelegt haben, mit der Deutschland auch im internationalen Kreise viel Anerkennung gefunden hat: alles zu tun, um strafbar gewordene Politiker einer strafrechtlichen Verantwortung zuzuführen?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Schmidt-Jortzig, die Bundesregierung befindet sich im Einklang mit ihren Partnern, daß der Terrorismus international geächtet werden muß und daß entsprechende Straftaten verfolgt und die Täter verurteilt werden müssen. Insofern sehe ich nicht, daß ein Schatten auf unser Verhältnis zu den ausländischen Partnern gefallen wäre. Wir bemühen uns nach wie vor - diese Bemühungen laufen noch, insbesondere, wie ich sagte, auf der Ebene des Europarates, weil es uns in dieser Richtung am sinnvollsten erscheint -, hier einen Mechanismus zu installieren, der künftig für solche Fälle zuständig ist. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß sich Herr Öcalan in einiger Zeit einem Forum stellen muß. Im übrigen weise ich noch einmal darauf hin, daß die Einstellung eines nationalen Haftbefehls in ein internationales System keinen Anspruch darstellt, daß dieses Auslieferungsersuchen später auch wirklich geltend gemacht wird. Das ergibt sich aus allen Regeln des Völkerrechts. Es hängt immer von der rechtlichen und politischen Entscheidung der Regierungen ab, ob sie von einem Auslieferungsersuchen dann auch tatsächlich Gebrauch machen. Es ist also eine eigenständige Entscheidung, ob im Einzelfall an dem Auslieferungsersuchen festgehalten wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage. - Herr Kollege, bitte sehr.

Rüdiger Veit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie mir zustimmen, Herr Staatssekretär, daß die von Ihnen eben geschilderte, sowohl von der deutschen als auch von der italienischen Regierung beabsichtigte Befassung der europäischen Ebene mit der politischen Problematik überfällig war, weil es auch um die Frage geht, wie die türkische Regierung mit Minderheiten umgeht, und daß es hier erhebliche Versäumnisse in der deutschen Politik zu beklagen gibt, es sei denn, man betrachtete in diesem Zusammenhang die Lieferung von Waffen in die Türkei als einen politischen Segen?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege, ich mache noch einmal deutlich, daß die Bundesregierung - wie übrigens auch ihre Vorgängerregierung - auch angetreten ist, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Insofern stehen wir sicher in einer Kontinuität. Wir werden uns weiter bemühen, den Konflikt, um den es ja hinter der Person des Herrn Öcalan geht, auch dort zum Gegenstand zu machen, wo er eigentlich hingehört, nämlich vor einen international bestimmten Gerichtshof. Es besteht Einigkeit mit den italienischen Partnern, daß das zumindest hinsichtlich der Person Öcalans die sinnvollste Lösung des Problems wäre.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir kommen nun zur Frage 30 des Kollegen Rainer Funke: Sieht die Bundesregierung weiterhin die Voraussetzung für einen internationalen Haftbefehl gegen Abdullah Öcalan als gegeben an? Herr Staatssekretär, bitte.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Funke, gegen Abdullah Öcalan besteht ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof wegen verschiedener Tötungsdelikte. Dieser Haftbefehl ist, wie ich schon gesagt habe, nicht international zur Fahndung ausgeschrieben. Nachdem die Bundesregierung nach reiflicher Erwägung des Für und Wider eines Auslieferungsersuchens an Italien der italienischen Regierung mitgeteilt hatte, auf eine Auslieferung Abdullah Öcalans nach Deutschland zu verzichten, war die Aufrechterhaltung der internationalen Fahndungsausschreibung nicht mehr sachgerecht. Eine internationale Ausschreibung zur Festnahme ist nur dann zweckmäßig, wenn der ausschreibende Staat die Absicht hat, um die Auslieferung des Verfolgten zu ersuchen. Mit der Entscheidung, von einem Auslieferungsersuchen in diesem Fall abzusehen, hat sich insoweit die internationale Fahndungsausschreibung zur Festnahme erübrigt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Für den Fall, daß - aus welchen Gründen auch immer - Herr Öcalan in die Bundesrepublik Deutschland kommt, wäre der Haftbefehl in Deutschland nach wie vor gültig. Würde er hier vollstreckt werden?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Wir haben hier einen nationalen Haftbefehl. Es wäre Sache der zuständigen Justizbehörden, der Staatsanwaltschaft und des zuständigen Gerichts, Herrn Öcalan hier vorläufig festzunehmen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege. Bitte.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Warum würde die Bundesregierung, falls Herr Öcalan in einem befreundeten ausländischen Staat gefaßt würde, beispielsweise in Italien, nicht die Überstellung in die Bundesrepublik Deutschland verlangen, um diesen nationalen Haftbefehl hier zu vollstrecken?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Funke, dann würde sich dieselbe Situation ergeben, wie sie jetzt gegenüber unserem Partner Italien besteht. Auch in diesem Falle müßte die Bundesregierung entscheiden, ob sie ein Auslieferungsersuchen stellt. Im Moment besteht, wie ich schon gesagt habe, kein internationaler Haftbefehl. Es müßte gefragt werden, ob dieser Haftbefehl wieder international eingestellt würde. Es wäre dann wieder eine Entscheidung der Bundesregierung, ob sie von einem Auslieferungsersuchen Gebrauch macht oder nicht.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine zweite Zusatzfrage. Bitte sehr.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Warum würde die Bundesregierung bei einer Überstellung, zum Beispiel aus Frankreich, von der Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland keinen Gebrauch machen wollen? Ich sehe keinen Unterschied zwischen der Überstellung aus dem Ausland in die Bundesrepublik, der Verhaftung in der Bundesrepublik Deutschland und der anschließenden Vollstreckung. Wo ist der Unterschied?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Funke, ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß einer der wesentlichen Gründe dafür, den internationalen Haftbefehl zu löschen, war, daß wir der Auffassung waren, daß eine internationale Lösung angemessen ist, daß etwa ein internationaler Gerichtshof die richtige Instanz wäre, um über Herrn Öcalan, der nach wie vor die Unschuldsvermutung für sich beanspruchen darf, zu urteilen. Insofern ist die Situation ähnlich wie die im Falle Italiens zu beurteilen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommen wir zur Frage 31 des Kollegen Detlef Parr. Der Kollege Parr ist nicht da. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen zu Frage 32 des Abgeordneten Dr. Westerwelle: Seit wann ist die Bundesregierung darüber informiert, daß Abdullah Öcalan Italien verlassen würde bzw. verlassen hat? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Westerwelle, zu Ihrer ersten Frage: Der Bundesregierung ist auf Anfrage in der Nacht des 16. Januar 1999 von der italienischen Regierung bestätigt worden, daß Abdullah Öcalan Italien verlassen hat. Zuvor wurde die Bundesregierung von der italienischen Regierung nicht unterrichtet.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, Herr Dr. Westerwelle. Bitte.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn die deutsche Bundesregierung nicht darüber unterrichtet wurde, daß Herr Öcalan Italien verläßt: Ist es richtig, daß sich ein Beauftragter der Bundesregierung am Tag der Ausreise von Herrn Öcalan in Rom zu Gesprächen mit der italienischen Regierung aufgehalten hat?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Westerwelle, diese Frage kann ich nicht beantworten; ich kann das nicht bestätigen. Ich weiß nur, daß die Bundesregierung in der Nacht - möglicherweise von der von Ihnen angesprochenen Person - unterrichtet wurde. Ich sage noch einmal: Die Bundesregierung hat diese Frage an die italienische Regierung gestellt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, Herr Dr. Westerwelle.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn Sie sagen, Sie könnten es nicht bestätigen, sagen Sie das dann deshalb, weil Sie es aus eigener Anschauung nicht wissen? Aber es stimmt, daß Sie es auch nicht ausschließen können? Sie haben darüber also keinen eigenen Erkenntnisstand?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Richtig.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Westerwelle auf: Werden Abdullah Öcalan auch in anderen europäischen Ländern Morde oder andere schwere Straftaten vorgeworfen, ohne daß diese Länder PKK-Chef Abdullah Öcalan international zur Festnahme ausgeschrieben hätten? Zur Beantwortung steht wiederum der Parlamentarische Staatssekretär Pick zur Verfügung. Herr Staatssekretär, bitte.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Dr. Westerwelle, der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob Abdullah Öcalan außer in der Türkei in anderen europäischen Ländern Morde oder andere schwere Straftaten vorgeworfen werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die erste Zusatzfrage, Herr Dr. Westerwelle.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn die Bundesregierung einen eigenen internationalen Haftbefehl ausgeschrieben hat und ihn auch vollstrecken möchte - bislang wollte sie ihn vollstrecken -, wie kann es dann sein, daß der Bundesregierung keine Erkenntnisse über entsprechende Strafverfolgungsvorhaben in anderen Ländern vorliegen?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Der Bundesregierung wäre es natürlich ein leichtes, diese Dinge zu klären, wenn solche internationalen Haftbefehle zum Beispiel in das Schengener System eingestellt oder über Interpol bekannt geworden wären. Der Bundesregierung ist bis heute nichts bekannt geworden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Westerwelle.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wann wird denn der Bundesregierung voraussichtlich bekannt sein, ob Herrn Öcalan auch in anderen Ländern - vor allen Dingen in anderen europäischen Ländern - Straftaten vorgeworfen werden? Es ist doch eine außerordentlich relevante Frage, ob man sich mit anderen Ländern abstimmen muß. Ich bin, offen gestanden, ein wenig geplättet, daß Sie sagen, Sie wüßten nicht, ob Herrn Öcalan auch in anderen Ländern relevante Straftaten vorgeworfen werden. Das wäre doch eigentlich das erste, was man klären müßte.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Dr. Westerwelle, für die Türkei ist das zweifellos zutreffend. Der Bundesregierung ist im Rahmen ihrer Beratungen, die mit Italien und, wie schon gesagt, mit der Türkei geführt wurden, nicht bekannt geworden, daß Herrn Öcalan auch in anderen europäischen Ländern entsprechende schwere Vorwürfe gemacht wurden. ({0}) Das schließt nicht aus, daß die Bundesregierung solche Informationen in Zukunft erhält. Bisher ist das jedenfalls nicht geschehen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt kommt eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Schmidt-Jortzig. Bitte sehr.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wenn es richtig ist, daß der Bundesregierung kein anderer Staat bekannt ist, der eigene strafrechtliche Vorwürfe gegen Öcalan erhebt, wie kann dann der feste Glaube der Bundesregierung begründet werden, daß es eine internationale Strafverfolgung von Öcalan geben wird?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Schmidt-Jortzig, die Frage Ihres Kollegen Westerwelle bezog sich auf Morde und andere schwere Straftaten. Dazu habe ich ausgeführt, daß der Bundesregierung Begehren anderer Staaten, außer der Türkei, nicht bekannt sind. Das schließt nicht aus, daß es diese gibt. Der Regierung sind sie aber nicht bekannt. Unabhängig von dieser Frage bemühe sich die Bundesregierung, ein internationales Forum zu schaffen. Bei einem solchen internationalen Forum würden sich dann auch die entsprechenden Staaten melden. Bisher sind der Bundesregierung keine Initiativen in dieser Richtung bekannt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, hat denn die Bundesregierung im Hinblick auf die Rechtssituation nicht nachgeforscht oder andere Staaten gefragt, ob Haftbefehle vorliegen und wie die juristische Auffassung zu diesem Fall ist?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Hirche, mir ist nicht bekannt, ob eine solche Frage in irgendeinem Gremium gestellt worden ist. Ich gehe davon aus, daß in Anbetracht der vielfältigen Bemühungen der Bundesregierung, zum Beispiel auf der Ebene des Europarats, bekannt geworden wäre, wenn es auch von anderen Staaten entsprechende Haftbefehle geben würde. Ich bin mir eigentlich sicher, Herr Hirche, daß uns das im Rahmen unserer Konsultationen bekannt geworden wäre.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe die Frage 34 der Kollegin Ulrike Flach auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den gegenwärtigen Aufenthaltsort von PKK-Führer Abdullah Öcalan? Auch zu deren Beantwortung steht Herr Staatssekretär Pick zur Verfügung. Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Frau Kollegin Flach, die Bundesregierung hat keine gesicherten Erkenntnisse über den gegenwärtigen Aufenthaltsort von Herrn Abdullah Öcalan.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, erlauben Sie mir als Nichtjuristin die Frage: Warum hat es keinerlei Beschattung gegeben, so daß Herr Öcalan einfach über Nacht verschwinden konnte?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Frau Kollegin, dafür sind nach dem Völkerrecht zunächst einmal die italienischen Behörden zuständig. Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an entsprechenden Spekulationen darüber, wer wen wie überwacht.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Habe ich Sie richtig verstanden, daß es in diesem Falle auch keine Bitte um Amtshilfe gegeben hat?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wo sich Herr Öcalan aufhält. Das schließt auch die Quellen ein, die Sie offensichtlich gemeint haben. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Vielen Dank. Die Frage 35 des Kollegen Otto Solms soll schriftlich beantwortet werden. Ich rufe jetzt die Frage 36 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Bis wann wird nach der Planung der Bundesregierung das Gesetzgebungsverfahren zu der von der Bundesministerin der Justiz auf der Justizministerkonferenz am 5. November 1998 erfolgten Ankündigung, durch die unverzügliche Änderung der bisher entgegenstehenden Vorschriften des Gesetzes über das Bundeszentralregister für die alsbaldige Übermittlung der für die Erfassung verurteilter Schwerstkrimineller erforderlichen Daten für den Aufbau der Gen-Datei beim Bundeskriminalamt zu sorgen, abgeschlossen sein, d. h. bis wann sollen neben Wissenschaftlern auch Landespolizeien bzw. Staatsanwaltschaften beim Bundeszentralregister einen Suchlauf beantragen können? Zur Beantwortung steht der Staatssekretär Pick zur Verfügung. Herr Staatssekretär, bitte.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr von Klaeden, die Bundesregierung hat den Entwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Änderung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes am 20. Januar 1999 beschlossen. Die Bundesregierung wird alles daransetzen, daß dieser Entwurf so schnell wie möglich beraten und verabschiedet wird. Angesichts der bestehenden Termine im Bundesrat und im Bundestag sowie in den zu beteiligenden Ausschüssen gehe ich derzeit davon aus, daß eine Verkündung des Gesetzes etwa um die Jahresmitte erfolgen kann. Dies setzt allerdings eine zügige Beratung - vor allem in den Ausschüssen - voraus.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Es gibt keine Zusatzfragen. Vielen Dank. Ich rufe die Frage 37 des Kollegen von Klaeden auf: Wie viele Einzelanfragen insgesamt müßten schätzungsweise von den Länderpolizeibehörden bzw. Staatsanwaltschaften beim Bundeszentralregister zur Erfassung der sog. „Altfälle“ zum Aufbau der DNA-Analyse-Datei gestellt werden, um abzuklären, ob im Zusammenhang mit Straftaten von erheblicher Bedeutung die Möglichkeit und Notwendigkeit einer molekulargenetischen Untersuchung besteht, wenn der Suchlauf im Bundeszentralregister nicht möglich wird? Auch zur Beantwortung dieser Frage steht Herr Staatssekretär Pick zur Verfügung. Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr von Klaeden, die Möglichkeit, daß der Suchlauf im Bundeszentralregister nicht ermöglicht wird, sehe ich derzeit nicht. Der Frage kommt deshalb eine rein theoretische Bedeutung zu. Eine überschlägige Ermittlung des Bundeszentralregisters derjenigen Personen, die mindestens eine Eintragung nach dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Katalog aufweisen, hat ergeben, daß mehrere hunderttausend Datensätze vorhanden sind. In diesem Umfang müßten nach der derzeitigen Rechtslage in dem von Ihnen unterstellten Fall Einzelanfragen unter Angabe der Namen gestellt werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Es gibt keine Zusatzfragen.Vielen Dank. Ich darf mich sicher in Ihrer aller Namen bei Herrn Staatssekretär Pick für die Mühe bedanken, die er sich mit der Beantwortung der Fragen gemacht hat. Das ist ja ein schwerer Job. Herzlichen Dank dafür. ({0}) Ich darf noch hinzufügen, daß die Frage 14 schriftlich beantwortet wird. Wahrscheinlich ist das schon akten- kundig, aber ich erwähne es noch einmal.*) Die Fragestunde ist damit beendet. -------- *) Die nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der F.D.P. Haltung der Bundesregierung zum Notenwechsel mit Frankreich und Großbritannien zur friedlichen Nutzung der Kernenergie und zu seiner rechtlichen Bindungswirkung Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Rexrodt. Bitte sehr.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über den außenpolitischen und europapolitischen Schaden, den die Bundesregierung mit ihrem unkoordinierten und unverantwortlichen Vorgehen in Sachen Atomausstieg angerichtet hat, ist in diesem Haus und vor allem bei unseren europäischen Partnern schon viel gesagt worden. Da ist ein Flurschaden ersten Ranges entstanden. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich aber zunächst noch einmal die innenpolitische Dimension darstellen. Dabei geht es nicht um die Frage „Ausstieg ja oder nein“. Ich halte den Ausstieg, wie er jetzt angelegt ist, sowieso für einen Fehler; da die Kernenergie 31 Prozent Anteil an der Stromerzeugung hat, ist das so gar nicht machbar. Aber Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, können ja sagen: Wir haben ein Mandat. ({0}) Ich sage hier allerdings mit aller Deutlichkeit: Sie haben kein Mandat für die Szenarien, die Sie hier abgeliefert haben. ({1}) Da kommt der Bundeskanzler und erhebt den Anspruch, der Architekt des Ausstiegs zu sein. Er will die Auseinandersetzung um die Castor-Transporte beenden, die Verteuerung des Stroms abwenden und einen Konsens mit den Beteiligten erzielen. Währenddessen will Herr Trittin, unbeeindruckt von all dem, zunächst einmal die Zusammensetzung der Reaktorsicherheitskommission verändern und Atomkraftgegner dort hereinbringen. ({2}) Während das verkündet wird, bereitet Herr Trittin einen vorbereiteten Gesetzentwurf vor, nach dem der Ausstieg in einem Jahr stattzufinden habe. Das ist ein Crashkurs, ein Kurs des Ausstieges um jeden Preis. Da sollen die Zwischenlager vollaufen, da wird die sogenannte Verstopfungstheorie gepflegt. So will man ganz schnell die grüne Klientel im fundamentalistischen Lager bedienen. So geht das aber nicht. Zur gleichen Zeit sagt der Bundeskanzler im ZDF: Was der Herr Trittin da erarbeitet, ist so okay. Während dieses gesendet wird, erhält Herr Schröder per Fax den Gesetzentwurf und stellt auf einmal fest: So geht das nicht. Ja, meine Damen und Herren, wo leben wir denn? ({3}) Was tut denn diese Regierung? Daß hier jeder tun kann, was er will, haben wir bei den Gesetzentwürfen zu den 630-Mark-Jobs und zur Ökosteuer sowie bei den Stellungnahmen zur NATO-Doktrin und zum Bundeswehreinsatz im Kosovo und sonstwo erlebt. Es kann das sage ich in Richtung des Bundeskanzlers - ja seiner Seelenlage entsprechen, daß er die Dinge laufen lassen will, um sie dann als der große Matador wieder einzufangen. Das geht einmal, zweimal und am Anfang auch dreimal, aber dann geht das nicht mehr. Dieses Land verlangt nach Berechenbarkeit und Kontinuität. ({4}) - Herr Schlauch, wir sitzen hier nicht in irgendeiner Basisversammlung der Grünen. ({5}) Von unserer Regierungsbank wird das wichtigste Land Europas regiert. Dort werden Entscheidungen getroffen, auf die unsere Nachbarn schauen, mit denen wir auf vielfältigste Weise verbunden sind. Da können Sie hier keine Basisversammlung veranstalten. Man kann auch nicht, wie das möglicherweise bei Ihnen auf dem Parteitag üblich ist, sagen: Nun haue ich einmal drauf, und wenn es gutgeht, ist es gut, und wenn es schiefgeht, habe ich Pech gehabt. - So geht das nicht auf einer Regierungsbank und in der Regierungsverantwortung, meine Damen und Herren! ({6}) Wie soll denn dieser Atomausstieg überhaupt funktionieren? Die Atomenergie hat einen Anteil von 31 Prozent an der Stromerzeugung. Ich sage ganz ruhig: Sicherlich gibt es erhebliche Sparpotentiale. Wir können auch mit regenerativen Energien eine Menge tun. ({7}) Möglicherweise werden wir von jetzt 3 Prozent auf 6 Prozent oder 7 Prozent kommen; aber niemals wird über einen Ausstieg die Situation entstehen, daß wir auf den Zubau oder darauf verzichten können, Atomstrom oder welchen Strom auch immer anderswo zu kaufen. Da ist es nichts mit Arbeitsplätzen aus deutscher Kohle. Da ist es auch nichts mit dem Import von Gas. Ich sage auch zu Ihnen, den Grünen: Gas ist eine Ressource, ein Brennstoff viel zu schade, um daraus Strom zu erzeugen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, die fünf Minuten sind um.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das müßten Sie wissen, meine Damen und Herren. Wir brauchen es für die chemische Industrie. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Fünf Minuten sind um, Herr Kollege. Wir sind in der Aktuellen Stunde.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluß. - Ich will Ihnen nur sagen: Das, was von der Debatte der letzten Tage bleibt, ist nicht die Frage: Atomausstieg ja oder Atomausstieg nicht so? Das ist vielmehr die Unzuverlässigkeit, das ist die Unsicherheit, die Sie gegenüber den Verbrauchern, gegenüber unserer Industrie und gegenüber unseren Partnern in Europa haben entstehen lassen. ({0}) So kann man keine Regierungspolitik machen. So kann man nicht verantwortlich arbeiten. Lassen Sie deshalb ab von solchem Tun! Das ist im Interesse dieses Landes und der Arbeitsplätze in Deutschland. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir uns in der Aktuellen Stunde befinden. Ich unterbreche Sie nur ungern, aber ich werde es tun, damit sich alle gleichbehandelt fühlen. Jetzt hat Monika Griefahn das Wort.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Notenwechsel mit Frankreich und England stellt eine Verwaltungsvereinbarung mit beiden Ländern dar. ({0}) Alle Staaten haben durch die Wahl der Form des Verwaltungsabkommens zu erkennen gegeben, daß sie den innerstaatlichen Gesetzgeber gerade nicht binden wollen. Schon 1993 wurde in einem Gutachten, das ich in Vorbereitung auf die ersten Konsensgespräche in Auftrag gegeben habe, festgestellt, daß die Verträge die Bundesregierung nicht hindern, „Gesetzesinitiativen zur Änderung des Atomgesetzes zu ergreifen“. ({1}) Das hat die Niedersächsische Landesregierung damals auch in die Beratungen des Bundesrates zur Atomgesetznovelle eingebracht. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die Rechtsfolgen im Ergebnis den Verträgen zuwiderlaufen. Die innerstaatliche Gesetzesinitiative ist „völkerrechtlich nicht relevant“. Die Koalitionspartner der Bundesregierung haben sich, wie Sie alle wissen, in den Koalitionsvereinbarungen auf einen Ausstieg aus der Kernenergie festgelegt ({2}) und sind im übrigen auch von den Wählerinnen und Wählern beauftragt worden, dieses politische Ziel zu verfolgen. Die Forderungen auf Schadenersatz unserer französischen und britischen Nachbarn müssen natürlich in der Diskussion aufgearbeitet werden. Wir sind dennoch ein souveränes Staatswesen und müssen in der Lage sein, unsere Politikziele erstens zu formulieren und zweitens natürlich auch umzusetzen. Beschlüsse unserer gesetzgebenden Organe sind durch die bilateralen Vereinbarungen eben ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Natürlich spielen bei diesen Fragen zwei Komponenten eine wichtige Rolle. Das eine ist der Faktor Zeit, und das andere ist der Stil. Außerdem: In den Verträgen mit den EVUs und den Wiederaufarbeitungsanlagen wird dem Recht der Regierungen ausdrücklich zugestimmt. Akte von Regierungen und anderen Organen mit Gesetzeskraft, also auch eines Parlamentes, werden in dem Abkommen als „force majeure“ - teilweise ungenau mit „höhere Gewalt“ übersetzt - definiert, die zu einer Unterbrechung des Abkommens führen. Keine der Parteien ist dann für finanzielle oder andere Konsequenzen verantwortlich. Ich habe in diesem Zusammenhang bereits mit dem französischen Botschafter die Frage erörtert, wie das in der Praxis tatsächlich aussieht. Das heißt, daß in ordentlichen Gesprächen zwischen Frankreich und Deutschland in einem Zeitraum, der länger sein muß als ein Jahr, einvernehmliche Lösungen gefunden werden können. Ähnliches, denke ich, wird mit England möglich sein. Der Bundeskanzler hat bereits in dieser Woche erneut Gespräche mit den Energieversorgungsunternehmen geführt. Gestern haben die Konsensgespräche begonnen. Dort haben die Energieversorgungsunternehmen signalisiert, daß sie erstens den Ausstieg akzeptieren und zweitens selbst die Vertragsveränderungen auf den Weg bringen werden. Das ist ein entscheidender Punkt. Wenn sich diejenigen, die Verträge miteinander geschlossen haben, darum bemühen, daß die Verträge geändert werden, dann kann man sie auch ändern. ({3}) Es kommt jetzt darauf an, den Verträgen entsprechend Lösungsmöglichkeiten zu finden. Denn eines ist klar: Der Ausstieg muß sein, und der Stopp der Wiederaufarbeitung ist zwingend. Alleine durch die Wiederaufarbeitung des Atommülls versechsundzwanzigfacht sich die Menge des radioaktiven Mülls. Außerdem gibt es, wie es früher angedacht war, keine Verwertungsmöglichkeiten mehr für die Produkte aus den WAAs. Schnelle Brüter existieren nämlich weder in Frankreich noch in Deutschland. Dort wurde früher Plutonium eingesetzt. Auch MOX-Elemente wird es bei einem Auslaufen der Kernenergie nicht mehr geben. Außerdem wird durch die Wiederaufarbeitung die Zahl der Atomtransporte erhöht. Wir wollen sie aber möglichst niedrig halten. ({4}) Wenn wir uns also das politische Ziel des Atomausstiegs gesetzt haben, dann müssen wir bei der Umsetzung die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen beachten. Dabei ist eine ganze Kette von Dingen zu berücksichtigen, und das werden wir auch tun. Natürlich ist es nicht so, daß Verträge und Vereinbarungen einseitig außer Kraft gesetzt werden können und sollen. Wichtig ist, daß wir uns mit unseren französischen und britischen Partnern an einen Tisch setzen, das Problem offen ansprechen und die neuen Bedingungen in Ruhe verhandeln. Das geht; das ist Ihre Erfahrung mit den Franzosen und den Engländern, und das wird auch unsere Erfahrung mit ihnen sein. Ich denke, daß innenpolitisch in den Gesprächen mit den EVUs Lösungen gefunden werden. Außenpolitisch werden wir mit Frankreich und Großbritannien weiterhin die guten Beziehungen pflegen. ({5}) - Nein, das ist nicht wahr. Ich habe das selber nachgeprüft. ({6}) Die Abkommen sprechen eine klare Sprache. Auf deren Grundlage wird verhandelt. Es besteht auch kein Grund, dies in Zweifel zu ziehen. Die USA, die immer als großes Beispiel hingestellt werden, haben schon lange kein neues AKW mehr gebaut, weil die Energieform nicht wirtschaftlich ist. England hat aus denselben Gründen Probleme mit der Privatisierung. Die neue Wiederaufarbeitungsanlage THORPE ist 1994/95 gegen den Widerstand aller Anliegergemeinden gebaut worden, aber sie ist mit Mitteln der Bundesrepublik finanziert worden. Sie arbeitet technisch nicht zufriedenstellend und trägt zur Belastung der Irischen See bei; Leukämiefälle sind dort an der Tagesordnung. Die Folgerung ist: Wir müssen schnellstens zum Konsens mit den EVUs kommen. ({7}) - Hören Sie einmal zu; das gehört alles dazu. - Wir brauchen schnelle Anträge sowie die Genehmigung für die Zwischenlager an den AKWs

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Denken Sie an die Redezeit.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- ich bin gleich am Ende -, um die Transporte zu vermeiden. Der Rücktransport sowie die Einzelheiten der Änderungen der Verträge mit den WAAs und den Ländern werden im einzelnen besprochen werden. Ich bin mir ganz sicher, daß wir nach den ersten Aufgeregtheiten in Ruhe, aber auch mit Bestimmtheit zu einer befriedigenden Lösung für alle Beteiligten kommen werden. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat das Wort Herr Dr. Ruck, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen „politischen SuperGAU“ hat gestern abend ein bekannter Radiosender aus dieser Region das genannt, was die rotgrüne Bundesregierung mit ihrem Wiederaufbereitungs- und Ausstiegschaos im In- und Ausland angerichtet hat. ({0}) Zwar ist sie erst einmal auf dem Bauch gelandet, aber da helfen auch keine Beschönigungen von Frau Griefahn - es ist viel Porzellan zerschlagen worden. Sie hätten mit den Franzosen und Engländern vorher sprechen müssen und nicht hinterher, wenn die Scherben am Boden liegen. Es ist traurig genug, daß Sie, Herr Trittin, für die Erreichung Ihrer Ziele nationales Recht und unsere Verfassung ignorieren. Sie haben aber leider der Welt auch vor Augen geführt, daß in der neuen Bundesregierung Politiker sitzen, die zur Verfolgung ihrer irrationalen Ideologien ({1}) auch den Bruch internationaler Verträge und des Europarechts billigend in Kauf nehmen. ({2}) Sie, Herr Trittin, haben der Bundesrepublik Deutschland fahrlässig und inkompetent außenpolitischen Schaden zugefügt. Dies gilt leider auch für den Bundeskanzler Schröder. Diesmal ging des Kanzlers doppeltes Spiel als Knecht Ruprecht und Heiliger Nikolaus daneben. Herr Schröder hat zu lange Däumchen gedreht, seinen Umweltminister gewähren lassen und den Unsinn nachgeplappert, trotz der erheblichen Bedenken, die das Justizministerium längst geäußert hatte. Der Scherbenhaufen, den Trittin hinterläßt, ist auch der Scherbenhaufen des Kanzlers. Er kann diese Scherben nicht mehr so schnell kitten; denn die außenpolitischen Irritationen bleiben nicht auf Frankreich oder Großbritannien beschränkt. Rotgrün hat uns den Argwohn all unserer Nachbarn und Freunde in Europa zugezogen. Sie sehen, daß die traditionellen deutschen Tugenden der letzten Jahrzehnte, wie Vertragstreue und Berechenbarkeit, nun wieder von politischen Abenteurern und Glücksrittern aufs Spiel gesetzt werden. ({3}) Ihr Eiertanz um die Kernenergie ist aber nicht nur außenpolitisch, sondern auch umweltpolitisch aberwitzig. Sie sind von einem schlüssigen umweltverträglichen Energiekonzept nach wie vor Lichtjahre entfernt. Sie wollen die sicheren deutschen Kernkraftwerke stillegen, mit der Folge, daß wir dann in einem liberalisierten europäischen Energiemarkt einen großen Anteil unseres Stroms aus Kernkraftwerken des Auslands beziehen, und zwar ohne unsere Sicherheitsstandards. Das ist eine umweltpolitische Heuchelei. ({4}) Hinzu kommt, daß wir auch keine Chance mehr hätten, zum Beispiel unseren Nachbarn im Osten unsere deutschen Sicherheitsstandards abzuverlangen. Wir werden außerdem nicht mehr in der Lage sein, unsere ehrgeizigen, aber richtigen Klimaschutzziele zu erreichen. Allein die bayerischen Kernkraftwerke ersparen uns jährlich 740 Millionen Tonnen CO2. Um dies anderweitig einzusparen, müßten Sie beispielsweise den gesamten bayerischen Straßenverkehr für zwei Jahre stillegen. Es ist ebenfalls Heuchelei, den Menschen weiszumachen, daß wir Kernenergie durch regenerative Energien ersetzen könnten. Dazu bräuchten wir zum Beispiel mehr als fünfzigmal soviel Windkraftanlagen wie bisher. Wo in Deutschland wollen Sie die denn hinstellen? Wie weit bei Ihnen Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, zeigt ein Blick auf Ihren Haushalt für 1999. Für das vollmundig angekündigte 100 000Dächer-Programm haben Sie dabei die stolze Summe von 1 Million DM ausgegeben. Für die Kohleförderung aber werden allein für dieses Jahr zusätzlich 700 Millionen DM bereitgestellt. Damit ist Ihr Klimaschutz, meine Damen und Herren von der rotgrünen Koalition, zur Farce geworden, ({5}) ebenso wie Ihr Naturschutz, mit dem Sie sich laut Trittin überhaupt erst im nächsten Jahr befassen wollen, oder die Ökosteuer, die sich zu einem echten Torpedo gegen den Umweltschutz entwickelt. Es ist an der Zeit, daß auch manche Umweltverbände ihre Neutralität wiederfinden und ihren automatischen Kniefall vor Rotgrün einstellen. ({6}) Denn was Rotgrün hier vollführt, ist nicht nur eine außenpolitische Irrfahrt und ein ökonomischer Irrsinn; es ist auch eine Bankrotterklärung gegenüber dem nationalen und internationalen Umweltschutz. ({7})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun die Kollegin Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen.

Michaele Hustedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002685, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Bundestagswahl haben die Wähler und Wählerinnen mit der Entscheidung für die rotgrüne Bundesregierung auch dem Ausstieg aus der Atomkraft eine Mehrheit gegeben. Aber das ist ein sehr schwieriger Auftrag. Der Atomausstieg ist juristisch, technisch und politisch außerordentlich kompliziert. Wenn wir einen ganzen Technologiebereich beenden wollen, ist das in einer außerordentlich komplexen Gesellschaft auch ein sehr komplexes Unterfangen. Die Angriffe und die Schadenfreude der Opposition sind hier völlig fehl am Platze. Wer 16 Jahre die Probleme in diesem Lande nur ausgesessen hat und wer die Republik unter dem Motto: Weiter so und nichts ändern! regiert hat, der hat nur einen einzigen Fehler macht. Dieser war aber um so gravierender. Er hat unser Land in einen beispiellosen Reformstau geführt und unser Land zurückgeworfen. ({0}) Wir wollen diesen Reformstau überwinden. Fehler im Detail machen wir vielleicht, aber Ihre Politik, der Stillstand, das Weiter-so, war insgesamt ein einziger Fehler. ({1}) Die Presse hat über die stattgefundenen Konsensgespräche geschrieben, Gewinner seien die Stromkonzerne. Ich sehe das anders. Sicherlich: Die Wiederaufbereitung wird nicht punktgenau zum Jahre 2000 beendet werden, aber sie wird beendet werden. Wenn man den Blick ein bißchen weiter faßt, dann kann man feststellen, daß es gestern auch etwas ganz Neues gegeben hat: Der gestrige Tag war ein Wendepunkt in der Geschichte der Energiepolitik in Deutschland; der gestrige Tag war der erste Tag des Einstiegs in den Ausstieg. Nach 40 Jahren Anti-AKW-Bewegung in Wyhl, Brockdorf, Grohnde, Gorleben, Wackersdorf, Kalkar und Hanau haben die Stromkonzerne anerkennen müssen, daß es ab sofort um den Ausstieg geht, weil es dafür eine Mehrheit gibt. ({2}) Jahrelang haben sie behauptet, ohne Atomkraft sei die Energieversorgung in Deutschland nicht sichergestellt. Jetzt müssen sie das Primat der Politik, das heißt: die Mehrheitsmeinung, akzeptieren. Es geht ab jetzt um das Wie und nicht mehr um das Ob. ({3}) Der Kern unserer rotgrünen Ausstiegsstrategie ist dabei der Kompromiß. Er beinhaltet akzeptable Restlaufzeiten für das Betreiben der AKWs. Wir sind einer Einigung und damit auch dem Atomausstieg ein Stück nähergekommen. Wir müssen in der Wahl des Weges - das haben wir gestern bewiesen - flexibel sein. Aber das Ziel, den Atomausstieg in diesem Lande durchzusetzen, werden wir nicht aus den Augen verlieren. Diesem Ziel sind wir - wie gesagt - gestern ein Stück nähergekommen. ({4}) Ich sage auch in Richtung Umweltbewegung ganz deutlich: Konsens ist aus meiner Sicht kein Nonsens. Konsens ist auf Grund der Komplexität der Materie wahrscheinlich der erfolgversprechendste Weg, den Atomausstieg zu verwirklichen. Im Gegensatz zur alten Bundesregierung - auch Sie, Herr Rexrodt, haben immer wieder Öl ins Feuer gegossen -, die das Thema Atomkraft benutzte, die Gesellschaft immer weiter zu spalten und die Gräben immer weiter zu vertiefen, polarisieren wir nicht, wie Sie das mit Unterschriftenlisten gegen die doppelte Staatsbürgerschaft tun. ({5}) Wir wollen die Gesellschaft zu einem Konsens hinsichtlich einer zukunftsfähigen Energiepolitik führen. Wir könnten auch anders handeln, wie die Debatte über die Wiederaufbereitung sehr deutlich gezeigt hat. Wir könnten den Ausstieg auch im Dissens durchsetzen, ({6}) weil das Fehlen eines soliden Entsorgungskonzeptes die Achillesferse der Stromkonzerne ist. Die Wiederaufbereitung ist eine jahrzehntelang von Ihnen kaschierte Zwischenlagerung im Ausland. ({7}) Ich sage ganz deutlich: Die Wiederaufbereitung liegt in einer rechtlichen Grauzone. Wenn wir die Wiederaufbereitung sofort verbieten würden, dann würde das bedeuten, daß wir auf Grund des fehlenden Entsorgungsnachweises entschädigungslos aus der Wiederaufbereitung aussteigen könnten. Wir wollen das nicht tun; wir haben uns vielmehr dafür entschieden, den Ausstieg im Konsens durchzuführen, weil wir der festen Überzeugung sind, daß sowohl für die Bundesregierung als auch für die Stromkonzerne der geordnete Ausstieg im Konsens ein besserer Weg ist als der ungeordnete Ausstieg im Dissens. Deswegen sage ich: Gestern hat keiner verloren, sondern alle, die Stromkonzerne und die Bundesregierung, haben gewonnen. ({8}) Gewinner ist auch die Gesellschaft, weil sie auf dem Weg ist, die Spaltung in der Zukunft zu überwinden. ({9}) Wenn wir die Spaltung überwunden haben, dann können wir uns gemeinsam der großen Herausforderung des Klimaschutzes stellen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Michaele Hustedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002685, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ein letzter Punkt: Gestern haben die Grünen, auch Jürgen Trittin, durch flexibles Handeln gezeigt, ({0}) daß sie bereit sind, auf eine „Verstopfungsstrategie“ zu verzichten und voll und ganz auf den Konsens zu setzen. Wir haben den Stromkonzernen die Hand gereicht. Jetzt ist es an der Zeit, daß die Stromkonzerne diese Chance ergreifen. Es ist wahrscheinlich die letzte Chance, in diesem Lande zu einem Energiekonsens zu kommen. Ich danke. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun die Frau Kollegin Marquardt, PDS-Fraktion.

Angela Marquardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003191, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für gewöhnlich erwartet man von der Opposition bzw. von uns kritische Worte. Doch lassen Sie mich an dieser Stelle einfach einmal feststellen: Ich glaube, die Grünen brauchen sich für große Teile des Gesetzentwurfes ihres Umweltministers nicht zu schämen. Ich bin zwar nicht mit allen Regelungen dieses Entwurfes einverstanden. Aber es ist schon deutlich geworden, daß hier ein ernsthafter Versuch eines schnellen Atomausstieges unternommen wurde. Das sollte man auch einmal anerkennen. ({0}) Doch ich sage ganz deutlich: Das, was jetzt als Kompromiß verkauft wird, ist ein Desaster! Einzig auf der falschen Seite herrscht Freude. An den Aktienmärkten werden die Energiekonzerne schon als klare Sieger gefeiert. Schön, daß der Bundeskanzler wenigstens diese glücklich machen konnte. Für alle anderen war das gestern ein schwarzer Tag. Das Ende der Wiederaufarbeitung ist nicht in Sichtweite gerückt. Auf Akzeptanz seitens der Anti-AKWBewegung zu hoffen ist meines Erachtens illusionär. Daß die Menschen gestern hier in Bonn mit großem Einsatz für die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen demonstriert haben - ich habe mich mit einigen unterhalten -, zeigt: Dieser Widerstand wird weiter wachsen. Und, Frau Hustedt: Konsens ist Nonsens, wenn es nur darum geht, die Profitinteressen der Atomlobby zu berücksichtigen, und wenn damit für viele Menschen das Risiko, Opfer von Strahlenerkrankungen zu werden, auf lange Sicht weiter in Kauf genommen wird. Ich komme zu der Frage der Entschädigungsforderungen. Bei den Noten, die 1990 zwischen der deutschen Bundesregierung sowie der französischen und der britischen Regierung ausgetauscht wurden, handelt es sich um Verwaltungsabkommen, an deren Zustandekommen der Deutsche Bundestag nicht beteiligt war. Solche Verwaltungsabkommen entfalten gegenüber dem Gesetzgeber keine Bindungswirkung. So sieht es übrigens auch die Atomindustrie. Einen Teil des Wortlautes der Wiederaufarbeitungsverträge durften wir ja letzte Woche der Presse entnehmen. Ich zitiere einmal: Wenn die Wiederaufarbeitungsfirma durch deutsche Gesetze, Verordnungen oder politische Entscheidungen an der Wiederaufarbeitung gehindert ist, werden dem Vertragskunden die noch nicht wiederaufgearbeiteten Brennelemente auf dessen Kosten zurückgeschickt. Die Wiederaufarbeitungsfirma wird dem Vertragskunden alle bereits angezahlten Beträge für noch nicht erbrachte Dienstleistungen dann zurückzahlen. Ich denke, das macht deutlich, daß die nähere Untersuchung dieser Dokumente offenbar ganz aufschlußreich sein könnte. Ich fordere daher die Bundesregierung auf, dem Umweltausschuß unverzüglich Abschriften der ihr vorliegenden Wiederaufarbeitungsverträge zukommen zu lassen. ({1}) Auf dieser Grundlage - und nur auf dieser - läßt sich dann qualifiziert diskutieren. Zu guter Letzt bleibt natürlich die Frage: Was tun? In einem Rechtsgutachten wird die Befürchtung geäußert, daß die Einbringung einer Gesetzesinitiative zum Verbot der Wiederaufarbeitung durch die Bundesregierung selbst als Verstoß gegen die Verwaltungsabkommen ihrer Vorgängerin interpretiert werden könnte. Möglicherweise würden dann Schadensersatzforderungen berechtigt sein. Das, denke ich, wollen wir alle nicht. Die Situation wäre aber eine andere, wenn die Initiative aus dem Bundestag selbst käme, wobei alles zu vermeiden wäre, was wie eine indirekte Initiative der Bundesregierung aussähe. Mit anderen Worten: Wir Abgeordneten sind gefragt. - Das lasse ich einfach einmal so im Raume stehen. Danke. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Gehb, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Schröder und Umweltminister Trittin seien nach 92 Tagen aus der Traumwelt in die Wirklichkeit zurückgekehrt, ist heute im „Algemeen Dagblad“ zu lesen. Aber, zu welchem Preis? Ich konzediere der Bundesregierung - auch wenn ich es für sachlich falsch halte -, aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie aussteigen zu wollen - aber nicht unter Mißachtung völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher, gemeinschaftsrechtlicher und einfachgesetzlicher Vorgaben und natürlich nur unter Einhaltung diplomatischen Fingerspitzengefühls. Genau das scheint bei der gegenwärtigen Bundesregierung nicht selbstverständlich zu sein. Das ist festzustellen, wenn man sich die Äußerungen des Umweltministers Trittin, aber auch die des Bundeskanzlers Schröder anhört, die im Zusammenhang mit dem noch bis gestern für Ende dieses Jahres geplanten Verbots der Wiederaufbereitung abgebrannter Kernbrennelemente allenthalben - leider auch im benachbarten Ausland gemacht worden sind. ({0}) Die Wiederaufbereitung, die nach geltendem Atomrecht - und nicht rechtswidrig - als gleichberechtigter Entsorgungspfad neben der direkten Endlagerung steht, beruht auf bilateralen zivilrechtlichen Verträgen zwischen den einzelnen deutschen Energieversorgungsunternehmen einerseits und der französischen Firma Cogema bzw. der britischen BNFL andererseits. ({1}) Diese zivilrechtlichen Verträge werden durch völkerrechtliche Vereinbarungen und nicht durch irgendwelche Verwaltungsvereinbarungen - mit dieser Auffassung befinde ich mich in bester Gesellschaft mit einem Rechtsgutachten der Bundesjustizministerin vom 15. Januar dieses Jahres - abgesichert. In diese vertraglichen und völkerrechtlichen Abmachungen, die auch die Rücknahme des Abfalls durch die deutschen Betreiber umfassen, kann nicht, jedenfalls nicht folgenlos, durch staatliche Akte eingegriffen werden. Lassen Sie mich die Konsequenzen eines solchen Eingriffs kurz darstellen. Entweder löst eine vorzeitige Kündigung der zivilrechtlichen Verträge eine Schadenersatzpflicht der Energieversorgungsunternehmen aus sei es aus vertraglich vereinbarter Pönale, sei es nach den Regeln des Zivilrechts wegen Nichterfüllung eines Vertrages. Dafür könnten sich die Energieversorgungsunternehmen an der Bundesrepublik Deutschland unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs im Sinne des Art. 14 GG schadlos halten. ({2}) Oder die deutschen Firmen können aus zivilrechtlichen Verträgen ohne Schadenersatzpflicht heraus, wenn sie ein Fall der in den Neuverträgen geregelten Force majeure vorliegt. Aber in diesem Falle müßte die Bundesregierung aus völkerrechtlicher Verantwortlichkeit Wiedergutmachung an Frankreich und Großbritannien leisten. ({3}) Jenseits dieser auf Entschädigungsfragen verdichteten Frage müssen natürlich auch die gemeinschaftsrechtlichen Grundsatznormen des EURATOM-Vertrages eingehalten werden. Nun, meine Damen und Herren, die Rechtslage ist das eine, die außenpolitischen Auswirkungen des deutschen Vorpreschens das andere. Vor allem durch die Auftritte des auch in Deutschland wegen seiner - ich sage einmal: etwas arroganten - Art bei vielen unbeliebten Umweltministers Trittin in Paris und London ist nun wirklich einiges Porzellan zerschlagen worden. Aber auch der Kanzler ging auf Vorbehalte Frankreichs und Großbritanniens nicht ein und stellte den geplanten raschen Ausstieg aus der Wiederaufbereitung als alleinige Angelegenheit der souveränen und autonomen Bundesrepublik dar. Also: Selbst wenn sich die Verträge rechtlich einwandfrei beenden ließen, stellt sich doch die Frage nach der Verläßlichkeit deutscher Politik. Das hinter dem schroffen Bonner Vorgehen stehende außenpolitische Kalkül bleibt mir unverständlich. ({4}) Immerhin ist Deutschland nicht nur wegen seiner EURatspräsidentschaft und der bis zum Sommer anstehenden Reformprojekte der Gemeinschaft auf gute Beziehungen angewiesen. So wie Sie, Herr Umweltminister Trittin, auftreten, mit selbstsicherer Attitüde bei völliger Ahnungslosigkeit in der Sache, mit vollmundigen juristischen Äußerungen, ohne auch nur den Unterschied zwischen einem Notenschlüssel und einem Paragraphenschlüssel zu kennen, ({5}) können Sie vielleicht in der Treibhausatmosphäre Ihrer Parteitage und Ihrer Wahlveranstaltungen noch Beifall erhaschen, aber nicht in der harten Realität. Dem Herrn Bundeskanzler werden wir auch nicht gestatten, sich in seiner Lieblingsrolle zu sonnen, nämlich erst sein Enfant terrible sozusagen als Minensucher voranzuschicken, um dann sich selbst in der ihm eigenen selbstgefälligen Manier am Ende als Architekt eines historisch-konsensualen Atomausstiegs zu gerieren. Die Koalition hat sich selbst ein Armutszeugnis ausgestellt und steht nun sowohl vor den Kernkraftgegnern als auch vor den Stromerzeugern gleichermaßen blamiert da. Auf die Frage, die mir neulich jemand gestellt hat, warum Herr Trittin Herrn Schröder nicht so mag, habe ich die Antwort gehört, er strahle ihm zu viel. ({6})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Dr. Gehb, das war Ihre erste Rede. Ich gratuliere Ihnen dazu, und zwar auch deshalb, weil Sie die Redezeit eingehalten haben. ({0}) Davon können sich ältere Kollegen noch etwas abschneiden. Nun hat das Wort die Frau Kollegin Lambrecht, SPDFraktion.

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Offensichtlich führen wir hier nun wöchentlich eine Generaldebatte über den Ausstieg aus der Atomenergie. Das ist auch gut so und dem Thema angemessen. Sie von der Opposition scheinen aber nichts als klammheimliche Freude zu empfinden, wenn Sie von angeblichen Schadenersatzforderungen aus Frankreich oder England hören. Wir werden in dieser Frage eine rechtliche Klärung herbeiführen, und wir werden einen juristisch wasserdichten Entwurf für eine Änderung des Atomgesetzes vorlegen. ({0}) Als Rechtspolitikerin bin ich froh, daß nun genügend Zeit vorhanden ist, die schwierigen privat- und völkerrechtlichen Fragen eingehend zu prüfen. Bevor wir einen konkreten Gesetzentwurf vorlegen, müssen wir aber wissen, welche der öffentlich vorgetragenen Rechtsprobleme tatsächlich bestehen und welche Argumente nur vorgeschoben wurden, um das politische Ziel zu verhindern. Aber es ist schon ein starkes Stück, wenn Sie der Auffassung sind, daß das, was eine Bundesregierung Anfang der 90er Jahre festgelegt hat, auf Dauer bindend sein soll. Meine Damen und Herren, hinsichtlich der Wiederaufbereitung gibt es lediglich einen Austausch von Noten auf der Ebene von Staatssekretären und Botschaftern - und zwar ohne Kündigungsklauseln. Diese wurden zu einem Zeitpunkt ausgetauscht, als die SPD bereits ein Verbot der Wiederaufbereitung ausgesprochen hatte und klar war, daß dieses Ziel im Falle einer Regierungsübernahme in Angriff genommen werden würde. Da muß schon die Frage erlaubt sein, ob solche Notenwechsel spätere Regierungen auf Dauer binden können oder ob nicht nach einer bestimmten Zeit der Anspruch auf Anpassung oder Aufhebung der Vereinbarung besteht. Falls tatsächlich eine völkerrechtliche Bindung bestehen sollte, muß die Frage erlaubt sein, meine Damen und Herren von der Opposition - es gibt ja entsprechenden juristischen Sachverstand -, ob die damalige Bundesregierung durch das Eingehen von so weitreichenden Bindungen ohne Einschaltung des Gesetzgebers nicht Verfassungsrecht verletzt hat. Sie gerieren sich doch immer als Hüter der Verfassung. ({1}) Fragen Sie sich das doch einmal! Ich frage Sie, warum Sie diese Vereinbarungen damals nicht ratifiziert haben. Dann hätte es nämlich hier eine Debatte gegeben, und damit hätten Sie die öffentliche Meinung gegen sich aufgebracht. Wenn Sie damals ratifiziert hätten, dann erst hätten Sie die Verfassung beachtet. Dem Kollegen Grill, der letzte Woche ein Demokratiedefizit festgestellt haben will, weil der Ausstieg aus der Atomenergie von der neuen Regierung unumkehrbar gemacht werden soll, kann ich nur entgegnen: In bezug auf die Ratifizierung haben Sie ein Demokratiedefizit bewiesen. Bei dieser Frage hätten Sie zeigen können, daß Sie gute Demokraten sind. ({2}) Es muß auch die Frage erlaubt sein, warum es denn in den letzten zehn Jahren zu einer solchen Zunahme von Transporten in die Wiederaufbereitungsanlagen von La Hague und Sellafield gekommen ist. Das liegt doch daran, daß die damalige Bundesregierung 1989 in Wackersdorf gescheitert ist und so der Wiederaufbereitung in der Bundesrepublik ein Ende gesetzt wurde. Nach dem Sankt-Florians-Prinzip haben Sie gefährliche Wiederaufbereitung, die Sie zu Hause nicht durchsetzen konnten, in Frankreich und England durchführen lassen. ({3}) Als der Kollege Kubatschka in der Debatte am letzten Donnerstag darauf verwies, daß im Jahr 1997 um die französische Wiederaufbereitungsanlage in La Hague herum eine dreifach erhöhte Leukämierate bei Kindern und Jugendlichen festgestellt wurde, verzeichnet das Protokoll den Zwischenruf des Kollegen Schockenhoff von der CDU/CSU - jetzt zitiere ich -: „Das sind Belehrungen!“ Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und F.D.P., aber ganz besonders von der CSU, ich möchte einmal wissen, ob Sie, wenn die Anlage in Wakkersdorf in Betrieb gegangen wäre und man heute von Schwandorf bis Regensburg ähnlich hohe Leukäumiewerte bei Kindern und jungen Menschen zu verzeichnen hätte, ({4}) sich dann noch einen solch zynischen Zwischenruf erlauben würden. Ich glaube, nicht. ({5}) Aber dieser Zwischenruf zeigt die Unbelehrbarkeit, mit der Sie an der Kerntechnologie festhalten. Sie haben die Gegnerinnen und Gegner der Atomkraft als „Steinzeitmenschen“ und „technologiefeindlich“ gebrandmarkt. Dieser Vorwurf fällt jetzt voll auf Sie zurück. Sie vertreten eine energiepolitische Steinzeitideologie; ({6}) an Ihnen sind 30 Jahre gesellschaftliche Diskussion spurlos vorbeigegangen. ({7}) - Danke für das Kompliment; ich stecke es mir an den Hut. Selbst der Sprecher der Kraftwerksbetreiber, Herr Manfred Timm, hat gestern in der ARD versichert, daß die Kraftwerksbetreiber das Primat der Politik respektieren und den Ausstieg aus der Atomenergie mittragen werden. Alle Achtung! Weiterhin hat Herr Timm die Solarenergie als die Energieform der Zukunft bezeichnet, meine Damen und Herren von der Opposition. ({8}) Sie hingegen haben bis heute nicht begriffen oder begreifen wollen, welche enormen Entwicklungspotentiale in der Solarenergie liegen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Zeit.

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Von einer richtigen Förderung dieser Energie - leider haben Sie dies in den letzten 16 Jahren nicht betrieben ({0}) könnte ein positiver Einfluß auf Unternehmensgründungen und Beschäftigungsentwicklungen ausgehen. Das 100 000-Dächer-Programm ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte kommen Sie zum Schluß.

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir werden gemeinsam mit den Betreibern, den Beschäftigten, der betroffenen Wohnbevölkerung vor Ort und unseren europäischen Nachbarn einen Weg finden, der in absehbarer Zeit einen Ausstieg aus der Atomenergie ermöglicht und eine Wende in der Energiepolitik einleitet. Ich weiß, daß das nicht leicht ist. Ich komme aus dem Wahlkreis, in dem das Kraftwerk Biblis steht. Ich weiß aber auch, daß man dort auf ein offenes Ohr für zukunftsfähige Konzepte stößt, und diese werden wir vorlegen. Vielen Dank. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Auch die Kollegin Lambrecht hat, etwas die Zeit überschreitend, ihre erste Rede gehalten. Herzlichen Glückwunsch! ({0}) Nun erteile ich Herrn Bundesminister Trittin das Wort. Bitte sehr.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der gestrige Auftakt der Konsensgespräche hat gezeigt: Der Ausstieg aus der Atomenergie wird auch von den Betreibern der Anlagen, anders als von einigen Ewiggestrigen auf den Oppositionsbänken, als eine politische Entscheidung der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in diesem Lande akzeptiert. ({0}) Darum verhandeln wir seit gestern - falls Sie das noch nicht gemerkt haben sollten - nicht mehr über das Ob, sondern über das Wie des Ausstiegs aus der Atomenergie und des Einstiegs in eine andere Energiepolitik. ({1}) Ebenfalls akzeptiert haben die Betreiber das Ende der Wiederaufarbeitung und damit das Ende der Plutoniumwirtschaft. ({2}) Dies ist notwendig, wenn wir ein weiteres Anwachsen des Plutoniumbergs verhindern wollen. Das Verbot der Wiederaufarbeitung soll wirksam werden, ohne daß der Entsorgungsnachweis - dieser beinhaltet immer die Sicherheit der Entsorgung - für die Restlaufzeit der Atomkraftwerke willkürlich in Frage gestellt wird. Hierüber besteht Einvernehmen. Die Umsetzung muß nun in einer Arbeitsgruppe geklärt werden. Ich bin sehr zuversichtlich, daß uns dies gelingt. ({3}) Ich habe gerade gehört, daß manche mit den Paragraphen nicht klarkommen. Ich rate dringend, einen Blick in § 9a des Atomgesetzes zu werfen, werte Kolleginnen und Kollegen. Darin werden Sie nicht finden, daß die Wiederaufarbeitung eine sichere Form der Entsorgung ist. Die Wiederaufarbeitung ist nur dann eine sichere Form der Entsorgung, wenn tatsächlich die Verwertung des dabei angefallenen Materials gewährleistet ist. ({4}) Genau dies ist weder in Frankreich noch in Großbritannien der Fall. Deswegen rate ich Ihnen, ganz still zu sein, wenn es um die Frage des Rechts, des internationalen wie des nationalen, geht. Wer jahrelang illegale Zwischenlagerungen im Ausland geduldet hat, der sollte jetzt bei der Frage von Rechtsbrüchen still sein. ({5}) Zu den - ich hätte fast gesagt: von Ihnen angesprochenen - Notenwechseln: Herr Rexrodt hat es fertiggebracht, eine Aktuelle Stunde zu beantragen und fünf Minuten lang kein Wort zu dem von ihm selbst gestellten Thema zu sagen. Sie müssen vielleicht doch einmal einen Blick in den sogenannten Notenwechsel werfen. Ich rate dazu. Sämtliche dieser Notenwechsel beziehen sich auf Musterverträge, die bereits vor dem Austausch der Noten vorlagen. Auch wenn es sich nicht, wie hier vielfach zu Recht angeführt, auch von der Kollegin Lambrecht, um rein technische Verwaltungsabkommen handelte davon ist allerdings nach unserer Auffassung auszugehen -, können selbst diese Verträge nur absichern, was in den Musterverträgen vereinbart worden ist. Wenn wir uns ansehen, was darin steht, dann stellen wir fest, daß auch die Betreiber der Wiederaufbereitungsanlagen offensichtlich mit einem höheren Maß an Realitätssinn ausgestattet waren, als Sie es sind. ({6}) Sie haben nämlich Vorsorge für den Fall getroffen, daß es einmal andere politische Entscheidungen gibt. Deswegen ist in diesen Musterverträgen - das ist keine Erfindung eines Bundesumweltministers - selber das definiert, was „höhere Gewalt“, „Force majeure“, im Sinne dieser Verträge ist. ({7}) Wenn Sie etwa Ziffer 9.1.2.1 des Mustervertrages mit Cogema lesen, dann werden Sie feststellen, daß die Kollegin Marquardt dies korrekt aus dem Englischen übersetzt hat: Wenn der Wiederaufarbeiter an der Wiederaufarbeitung durch deutsches Gesetz, durch Verwaltung oder auch nur durch politische Willenserklärung gehindert wird, dann hat der deutsche Versorger das Material auf eigene Kosten zurückzunehmen. Die Wiederaufarbeitungsanlage hat ihm aber alle Kosten zu erstatten, die er vorab schon gezahlt hat. - Deswegen führen der Ausstieg aus der Wiederaufbereitung und der Wechsel zur direkten Endlagerung für die deutschen Energieversorgungsunternehmen und die deutschen Stromkunden in keinem Falle zu Mehrkosten. Vielmehr ist dies kostengünstiger. ({8}) Im übrigen, meine Damen und Herren, sollten Sie mit der Infragestellung der völkerrechtlichen Reichweite dieser Verträge sehr vorsichtig sein. Denn hier geht es nicht nur um die Frage des Miteinanders von Staaten; hier geht es auch darum, wie ernst Sie in Ihrer Regierungszeit den Grundsatz der Gewaltenteilung genommen haben. Wenn das zutrifft, was Sie heute en passant behaupten, dann haben Sie über Jahre hinweg einen verfassungswidrigen Zustand geduldet, indem Sie dieses Haus gebunden haben, ohne es vorher gefragt zu haben. Wie Sie das mit Ihrem Verständnis von Verfassung in Einklang bringen können, sehe ich nicht. ({9}) Meine Damen und Herren, es ist richtig, daß die Debatte über den Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland - Deutschland ist eben nicht Österreich; Deutschland ist nicht die Schweiz - auch in anderen Ländern eine Reihe von Diskussionen ausgelöst hat. ({10}) Manche Selbstgewißheiten sind auch dort in Frage gestellt worden. Das kann nicht verwundern. Aber ich will Ihnen eines sagen: Wir legen Wert darauf, daß wir möglichst im Konsens mit den Betreibern aus dieser Energieform aussteigen. ({11}) Wir streben deswegen an, daß die Betreiber von ihren zivilrechtlichen Möglichkeiten der Kündigung der Wiederaufarbeitungsverträge so schnell wie möglich Gebrauch machen. Daß die Betreiber dann nicht auf den Begriff „höhere Gewalt“ zurückgreifen müssen, bedeutet nicht, daß es sie nicht gibt. ({12}) - Moment! Ich komme ganz ruhig zum Schluß. - Diese höhere Gewalt existiert weiterhin. ({13}) In ihr drückt sich, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union und von der F.D.P., nichts anderes aus als die in Wahlen gefundene Mehrheit der Bevölkerung dieses Landes. ({14}) Letztendlich materialisiert sich die höhere Gewalt ({15}) in den Gesetzen, die Sie in diesem Hause verabschieden. ({16}) Ich habe letzte Woche gehört, daß der Kollege Grill das ist auch so ein Erfahrungsjurist - unter Rückgriff auf ein Lexikon „höhere Gewalt“ als Unglück definiert hat. Werter Kollege Grill, Sie mögen sich selbst für ein Unglück halten. Aber Sie sollten das nicht auf alle anderen Mitglieder dieses Hohen Hauses übertragen. ({17})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Haussmann, F.D.P.-Fraktion.

Prof. Dr. Helmut Haussmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000836, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, Rotgrün hat die Bundestagswahl gewonnen, und Unternehmer akzeptieren das Primat der Politik. Aber sie akzeptieren nicht die neue Energiepolitik; das ist ein großer Unterschied. ({0}) Richtig ist auch, Herr Trittin - das sage ich Ihnen vor weiteren Wahlen -, daß Ihr Stil, Ihre Arroganz, Ihre nationalen Alleingänge nicht von der Mehrheit in Deutschland getragen werden. Das wird zwischen uns ausgetragen. ({1}) Wer heute den Vorwurf erhebt, daß die frühere Bundesregierung verfassungswidrig gehandelt habe, Herr Trittin, wird es mit einer weiteren Aktuellen Stunde zu tun haben; denn darüber muß geredet werden. Es ist ja auch erstaunlich, daß sich die SPD-Kollegen sehr zurückhalten. Es ist mehr eine Grünen-Veranstaltung. Herr Fischer ist bezeichnenderweise überhaupt nicht da. Wir hören von seiner Hundertstundenwoche. Wenn einem nachts eine dunkle Gestalt mit Rotlicht begegnet, dann ist es der Außenminister. ({2}) Es wäre gut, wenn der vielbeschäftigte Außenminister trotz Joggings - ich begrüße, daß er sich fit hält - einmal die Zeit fände ({3}) - Herr Schlauch, regen Sie sich ruhig auf -, mit seinem Umweltminister über die europäischen und internationalen Auswirkungen seiner Arroganz und seiner Alleingänge zu reden. ({4}) Herr Schlauch, es ist doch bezeichnend, daß Sie in der Euro-Stadt Frankfurt am Main einen Europatag abhalten, auf dem der Herr Fischer gar nicht auftritt. ({5}) Dominiert wird dieser Europatag von der innenpolitischen Diskussion, die Herr Trittin führt, und von folgender europapolitischer Programmatik: Forderungen der Regierung gegen die Zentralbank, Verschiebung der Osterweiterung. Schließlich benutzt Herr Trittin den Europatag der Grünen, um seine nationalen Alleingänge zu rechtfertigen. So sieht derzeit grüne Europapolitik in der Praxis aus! ({6}) Meine Damen und Herren, man muß schon die Frage stellen, welche Bundesregierung hier am Werk ist. Zunächst geht Herr Trittin ins Ausland, und anschließend wird juristisch geprüft. Hier inszeniert die Regierung die Chaostage selbst. Früher fanden sie auf der Straße statt, heute werden sie live von der Bundesregierung inszeniert. ({7}) Was Herr Trittin hier verteidigt, verstößt nach vielfältiger Aussage von Fachleuten gegen Europarecht, gegen völkerrechtlich verbindliche Erklärungen früherer Regierungen. Der Amoklauf von Herrn Trittin ist längst keine innenpolitische Affäre. Es ist nicht mehr hinzunehmen, daß die rotgrüne Bundesregierung im Stile von Selbsterfahrungsgruppen von Fehler zu Fehler rast und dabei die Beziehungen zu unseren wichtigsten Partnern Frankreich und Großbritannien beschädigt. Hören Sie sich einmal an, was ein wichtiger Sozialist, der frühere Kulturminister Jacques Lang, über Ihre Alleingänge sagt: Frankreich kann es nicht mehr hinnehmen, daß „internationale Verträge brutal in Frage gestellt“ werden. Lesen Sie, Herr Trittin, nicht nur deutsche Zeitungen, sondern ruhig auch die „Neue Zürcher Zeitung“, eine der international angesehensten Zeitungen: Aus der Sicht der westeuropäischen Nachbarstaaten geht es nach dem Fauxpas des Außenministers mit der Ersteinsatzdiskussion der NATO erneut um Berechenbarkeit und Verläßlichkeit deutscher Politik. ({8}) Der eigentliche Skandal ist, daß durch diese Alleingänge im Jahr der EU-Präsidentschaft unsere bewährte, vertrauensvolle Europapolitik in Frage gestellt wird. ({9}) Das Regierungschaos, die Alleingänge von Herrn Trittin, die Aussage des Bundeskanzlers, der ja nicht nur SPD-Mann, sondern auch EU-Ratspräsident ist, man müsse jetzt mit der deutschen Scheckbuchpolitik aufhören, und die Tatsache, daß Herr Lafontaine lieber Ferien macht, als bei der Einführung des Euro in Brüssel dabeizusein, all dies läßt Schlimmes für die EU-Präsidentschaft erwarten. An die Adresse der Bundesregierung kann ich nur sagen: Verfolgen Sie eine klare Linie und reden Sie mit einer Stimme nach außen! Herr Trittin, treten Sie entweder in die Kabinettsdisziplin oder treten Sie zurück! Europa ist für Ihre Eskapaden zu schade. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun die Kollegin Margot von Renesse.

Margot Renesse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001820, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich Ihnen, Herr Haussmann, zuhörte, konnte ich wirklich kaum glauben, daß Sie sich auf einen völkerrechtlichen Zustand berufen, der noch nicht endgültig geprüft ist, während Sie sich gleichzeitig auf eine völkerrechtliche Bindung beziehen, die, falls sie existieren sollte, von Ihrer damaligen Regierung in einer unglaublichen, in einer verantwortungslosen Weise festgelegt worden sein könnte. Das kommt mir so vor, wie wenn jemand, der Vater und Mutter umgebracht hat, anschließend sagt: Ich bin doch eine Vollwaise, bestraft mich billiger. ({0}) Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß sich derjenige, der Unrecht tut, zu seinem Vorteil darauf auch noch beruft. ({1}) - Wir reden von einem ganz bestimmten Notenwechsel. - Warum sage ich „Unrecht“? Es ist anerkanntes Recht - ich rede von formalem Verfassungsrecht -, daß es zwar möglich ist, sich unter Umständen auch durch Notenwechsel völkerrechtlich zu binden, nicht nur eine Regierung, sondern auch ein Volk, ein Land - unser Land. Aber je stärker man damit die Möglichkeit des Gesetzgebers ausschließt, sich anders zu entscheiden, um so dringender ist die Ratifizierung in diesem Parlament notwendig. ({2}) In diesem Punkt habe ich nichts erfunden. Das ist anerkanntes Verfassungsrecht. Wenn es darüber hinaus um einen Sachverhalt geht, der in diesem Lande hochgradig umstritten ist, ({3}) bei dem jede Regierung, die auf diesem Gebiet handelt, weiß, daß sie Macht auf Zeit hat, eine Prokura auf Zeit - ({4}) - Wir alle haben das nur. - Wenn eine solche Regierung eine solche Entscheidung mit einem völkerrechtlichen Dornengestrüpp umgibt, so daß sich derjenige, der sich aus diesen Fesseln befreit, nur selbst verletzen kann, dann handelt sie verfassungswidrig, nach dem Prinzip: Nach mir die Sintflut. ({5}) Laßt doch unsere Kinder, vielleicht unsere Enkelkinder sich mit dem herumschlagen, was wir ihnen ins Nest legen. - Ich kenne eine solche Haltung bei verantwortlichen Menschen nicht. Schon gar nicht kenne ich bei verantwortlichen Menschen eine solche Haltung, die sie anschließend nicht schamrot werden läßt; ({6}) vielmehr erlebe ich hier eine Haltung, deren Vertreter sich auch noch auf diesen Standpunkt berufen. Das ist nun wahrlich die Höhe. Es ist richtig, daß diese Bundesregierung, wie gesagt worden ist, nicht mehr das Ob zweifelhaft sein läßt. Das ist ihr gutes Recht. ({7}) Vielmehr redet diese Bundesregierung nur noch über das Wie - und das im Konsens. Wie haben Sie Ihr Ja zur Atomenergie umgesetzt? Sie haben bürgerkriegsähnliche Zustände und Glaubenskriege herbeigeführt. Wir reden im Konsens. Das ist ein großer Unterschied. Wir werden auch mit denjenigen, die für die Atomenergie sind, einen friedlichen Ausstieg auf den Weg bringen; denn diese Leute sind viel vernünftiger als Sie. ({8}) Sie kämpfen hier nur noch um eine Restgröße, von der niemand mehr wünscht, daß sie bleibt. Weil wir auch was die Entsorgung angeht - vor dem Scherbenhaufen, den Sie geschaffen haben, stehen, werden wir unseren Kindern, unsern Enkeln und unseren Freunden sagen müssen: Es ist Ihr Müll, den wir jetzt transportieren, nicht unserer. ({9}) Sie haben dafür gesorgt, daß er transportiert werden muß. Die Lebenslüge der Atomenergie ist aufgedeckt. Es ist vorbei mit Ihrem Selbstbetrügen und möglicherweise auch mit Ihren lange geglaubten Erklärungen gegenüber anderen. Dem Himmel sei Dank. Das Ob steht fest, über das Wie reden wir im Konsens. Danke sehr. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile das Wort dem Kollegen Vaatz, CDU/CSU-Fraktion.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man sieht jetzt ab und zu ein Foto, das Herrn Trittin hinter den Rotorblättern eines Windgenerators darstellt. Das zeigt, daß sich in Europa etwas geändert hat: Die Don Quichottes haben nämlich im Laufe der Jahrhunderte gelernt, die Windkraft nicht mehr mit Mißtrauen zu betrachten. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist: Die neuen Windmühlen sind die Atomanlagen. Damit müssen wir uns nun herumschlagen. Ich gebe zu - wie auch schon viele Vorredner -, daß sich eine Regierung natürlich ohne weiteres zum Ausstieg aus der Kernkraft entscheiden kann, wenn sie das will. Das wäre aber eine kapitale Fehlorientierung. Es wäre ein ziemlich billiger Triumph über den naturwissenschaftlichen Sachverstand. Es wäre ein Schritt gegen Forschung und Entwicklung und gegen die Stabilität des Klimas. Aber als Demokrat muß man eine solche Regierung - wenn sie demokratisch zustande gekommen ist natürlich hinnehmen. Man muß aber nicht hinnehmen, daß diese Regierung das geltende Recht ignoriert. Wenn eine Regierung etwas tun will, das geltendem Recht widerspricht, dann ist der erste Schritt, daß sie das geltende Recht ändert, und der zweite Schritt, daß sie das geänderte Recht vollzieht. Aber den Anschein zu erwecken, man wolle es ignorieren, stellt in der Tat einen eklatanten Bruch mit demokratischen Prinzipien dar. ({0}) Im übrigen darf ich die sozialdemokratischen Kollegen daran erinnern, daß die Verträge, über die wir hier reden, Fortsetzungen der Verträge sind, die 1979 von der Regierung Schmidt vereinbart wurden. ({1}) Die Scherbenhaufen, von denen der Kollege Ruck gesprochen hat, gibt es im Tagestakt. Herr Trittin schafft sich erst einmal lästigen naturwissenschaftlichen Sachverstand vom Hals und löst nach Gutsherrenart die Kommission für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz auf. Dann erzählt er seinen Kollegen in Frankreich und in Großbritannien von seinen Plänen. Dabei meinen Sie, Herr Trittin, Ihre Kollegen müßten in rotgrüner Solidarität sagen: „Prima!“ und müßten hinnehmen, daß Deutschland zum Nulltarif internationale Rechtsnormen ignoriert. Unsere französischen und britischen Freunde sind aber seriöse Partner und keine Komplizen von deutschen Hasardeuren. ({2}) Sie denken über die Kernkraft nicht in den Kategorien der K-Gruppen. ({3}) Sie staunen höchstens über den wilhelminischen Gestus, mit dem höhere Gewalt aus Deutschland in Europa Ordnung schaffen will. ({4}) Sogar der französische Kommunistenchef sagt, Daniel Cohn-Bendit müsse sich ein für allemal klarmachen, daß die Franzosen nicht für die Atompolitik des deutschen Kanzlers gestimmt hätten. ({5}) Ich bin der Auffassung, daß Sie den Eindruck vermitteln wollen, Deutschland sei eine Insel der Weisen. Sie haben doch selbst gesehen, wie beispielsweise die japanische Regierung auf die Konferenz in Kioto reagiert hat. Sie hat erklärt, Japan werde als Beitrag zum Schutz des Weltklimas 20 neue Reaktoren bauen. So sieht die dortige Meinung aus. Sie wissen, was in Japan geschehen ist. Das Schlimmste, was Sie tun, ist: Sie machen den guten Ruf der deutschen Umweltpolitik in der Welt zunichte. ({6}) Wir haben unsere Entscheidungen immer auf Verläßlichkeit gegründet. ({7}) Wir haben enorme Erfolge vorzuweisen, begonnen von Friedrich Zimmermann über Wallmann und Töpfer bis hin zu Merkel. Die deutsche Umweltpolitik hat große internationale Kongresse über den Klimaschutz - in Rio und in Berlin - zu Erfolgen geführt. Daran gilt es anzuknüpfen. Das geht aber mit Ihnen nicht, Herr Trittin. Das größte Risiko für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist nicht die Kernenergie. Das größte Risiko ist das verspielte Ansehen in der Umweltpolitik. Dafür tragen Sie die Verantwortung. ({8}) Das größte Risiko trägt Ihren Namen, Herr Trittin. Wenn Sie wirklich noch etwas für den Umweltschutz tun wollen, rate ich Ihnen: Sie sollten die 100 Tage noch abwarten, dann aber gehen. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Vaatz hat mit Verve und Energie versucht, einen deutschen Sonderweg zu zeichnen. Von einem solchen kann natürlich überhaupt nicht die Rede sein. Wir befinden uns europäisch und international in bester Gesellschaft, wenn wir umlenken wollen. Das ist doch offenkundig. Die Beharrungskräfte, die für Sklerose stehen, sind Sie - nicht wir. ({0}) Zunächst einmal muß man sagen: Wenn sich das drittgrößte Industrieland der Welt entschließt, seine Energieversorgung schrittweise auf eine neue Basis zu stellen, dann ist das zwangsläufig - ob wir wollen oder nicht - ein internationales Ereignis. Ich bin wirklich erstaunt, daß sich darüber jemand wundert. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit: Wenn wir umsteuern, werden andere das mit besonderer Aufmerksamkeit beobachten. Das Ziel der neuen Regierung, der neuen Mehrheit, ist klar: Wir wollen eine zukunftsfähige Energieversorgung, die unseren Kindern weder Strahlenrisiken noch menschgemachte Klimaveränderungen hinterläßt. Bauen Sie also bitte keinen Popanz auf! Die Energieversorgung soll umweltverträglich, wettbewerbsfähig und sicher sein. Die Schlüsselbegriffe des neuen Energiekonzepts sind: Energieeffizienz, Kraft-Wärme-Kopplung, Energieeinsparung, erneuerbare Energien und neue Märkte für Energiedienstleistungen. Herr Rexrodt, wenn ich höre, wie Sie jetzt die Energiesparpotentiale preisen, und das mit Ihrer realen Regierungspraxis vergleiche, dann muß ich feststellen, daß das bitter und dramatisch auseinander fällt. Das wollte ich gesagt haben. ({1}) In einem solchen Konzept ist für die Atomenergie auf Dauer kein Platz, und zwar vor allem aus einem Grund: Sie blockiert neue Märkte und neue Technologien, die zukunftsfähig sind. ({2}) - Genauso ist es. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen - denn das ist interessant -: Die Hälfte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist schon heute kernenergiefrei. ({3}) Ich sagte das bereits: Wir befinden uns mit unserer Strategie keineswegs auf einem deutschen Sonderweg Herr Haussmann, das war doch Ihre These; Sie sprachen vom deutschen Alleingang -, sondern wir befinden uns in guter europäischer Gesellschaft. Man muß schon wirklich vor der Realität die Augen verschließen, wenn man das als Sonderweg bezeichnet. ({4}) - Ja, wir werden ja sehen, wie lange das dauert. Auch in anderen großen Industriestaaten - blicken wir auf Amerika - hat die Atomenergie ihre Zukunft bereits hinter sich. Wo immer im Strommarkt Wettbewerb zugelassen worden ist, hat die Atomkraft keine Chance gehabt. Herr Rexrodt, natürlich wird das Erdgas eine Rolle spielen. Das wissen Sie ganz genau. Das Erdgas ist eine ganz wichtige Energieform für den Übergangszeitraum, wenn wir aus dem fossilen Energiezeitalter in das Solarzeitalter gehen. Wir brauchen das Erdgas nicht nur für die Chemieindustrie, sondern wir brauchen es für die gesamte Energiepolitik. Sie wissen das ganz genau. Es erstaunt auch überhaupt nicht, daß die Auftragsbücher fast aller Atomkraftwerksbauer leer sind. Die Leute haben nämlich begriffen, daß dort die Musik ganz sicher nicht spielen wird. Die letzten, die das noch nicht begriffen haben, sind Sie. Sie haben es nicht verstanden. ({5}) Ich möchte jetzt noch einmal zu den Vereinbarungen zwischen der deutschen Atomwirtschaft und der Cogema und der British Nuclear Fuels eingehen. Einiges ist dazu bereits gesagt worden. Der Minister und die Kollegin von Renesse haben das Notwendige zur juristischen Seite gesagt. ({6}) Trotzdem glaube ich, daß man die juristische und die politische Ebene trennen muß. Es ist vollkommen richtig, daß die politische Ebene gesondert zu betrachten ist. Wir müssen mit unseren britischen und französischen Freunden Arrangements treffen; denn wir brauchen einander in vielen Politikfeldern: bei der Agenda 2000 und bei der einheitlichen Besteuerung von Energie. Insofern können wir nicht einfach nur sagen: Das ist das juristische Problem, es gibt keine Schadensersatzansprüche. Denn das ist nur die eine Wahrheit. Die andere Wahrheit lautet: Wir müssen versuchen, uns so gütlich wie eben möglich zu einigen. Der Schlüssel könnte vielleicht in dem Vorschlag des bereits zitierten Kollegen Daniel Cohn-Bendit liegen. Es war übrigens interessant, daß Sie ausgerechnet Herrn Hue als denjenigen anführen, der Cohn-Bendit in die Pfanne haut. Studieren Sie einmal seine Motive, dann kommen Sie vielleicht zu einem anderen Ergebnis. ({7}) Cohn-Bendit hat einen vernünftigen Vorschlag gemacht. Er hat das „industrielle Kompensation“ genannt. Es muß ja nicht so sein, daß in La Hague der deutsche Atommüll wieder aufbereitet wird, er könnte ja auch konditioniert, für die Endlagerung vorbereitet werden. Man könnte das auch „Abarbeiten statt Wiederaufbereitung“ nennen. Das wäre die richtige Devise. ({8}) Auch in einem Europa des zügigen Atomausstiegs, für das wir streiten, wird es noch Arbeit für die Cogema geben. Was unsere angelsächsischen Freunde betrifft, so hängen sie mit ihrer Seele weit weniger an der Atomkraft als unsere französischen Nachbarn. Ich glaube, hier sollte eine einvernehmliche Lösung möglich sein. Danach strebt die Regierung auch. Ich will zum Schluß noch zu zwei Punkten kommen, die mir wichtig sind und die bereits angesprochen wurden, die aber umweltpolitisch noch einmal hervorgehoben werden müssen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Lieber nur einen, Herr Kollege.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich verbinde die beiden Punkte durch einen Gedanken. - Der erste ist: Durch La Hague und Sellafield haben wir eine erhebliche nukleare Strahlenbelastung der Irischen See und des Ärmelkanals. Weil wir hier von Völkerrecht reden, darf ich darauf hinweisen, daß die Schließung von Sellafield ein Hauptstreitpunkt zwischen der Republik Irland und dem Vereinigten Königreich ist. Es ist also keineswegs irgend etwas Irrationales, was hier gefordert wird. Ich komme jetzt zu meinem allerletzten Punkt und damit zum Ende: Der Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Atomenergie ist nur dann einer, wenn wir alle Atomkraftwerke ausschalten würden und sie durch Kohlekraftwerke ersetzen würden. Die Wahrheit ist aber, daß wir im Laufe der Zeit neue Strategien entwikkeln müssen. Ich nenne Verbesserung der Effizienz und Einstieg in das Solarzeitalter. Dafür müssen wir kämpfen und dürfen nicht Scheingefechte von gestern führen. Danke schön. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Grill, CDU/CSU-Fraktion.

Kurt Dieter Grill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002665, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem „Stader Tageblatt“ entnehme ich eine bemerkenswerte Presseerklärung der Kollegin Wetzel, dort steht: „Bundesweit ist das alles richtig“, meint Wetzel zum Atomausstieg. Sinngemäß heißt es weiter: Wetzel unterstützt aber natürlich den Stader Verwaltungsausschuß, der mit Stimmen von CDU und SPD das Ende des Atommeilers in Stade für das Jahr 2012 fordert. Meine Damen und Herren, da, wo Sie mit den Arbeitnehmern, die unter Ihrer Politik leiden müssen, konDr. Reinhard Loske frontiert werden, gehen Ihnen die Mitglieder Ihrer eigenen Fraktion auf Grund einer seltsamen Definition von Moral und richtiger Politik von der Fahne, weil sie Angst vor den Folgen Ihrer Politik vor Ort haben. ({0}) Frau von Renesse, ich habe ja mit Interesse gehört, was Sie über das Verfassungsrecht gesagt haben. Was Sie aber über den Atommüll gesagt haben, ist an Unverfrorenheit nicht mehr zu überbieten. Jemand, der weiß, daß die Kernenergie in diesem Lande unter einer SPDRegierung entstanden ist, der kann sich hier nicht hinstellen und sagen, es gehe um den Kernenergieabfall der CDU/CSU-Fraktion. ({1}) Die Mehrheit der Kernkraftwerke sind von einer SPD-Regierung genehmigt worden. Die Wiederaufbereitung, über die wir heute reden, ist ein Produkt der SPD-geführten Regierungen der 70er Jahre. Ich darf Sie nur daran erinnern, daß Ihre Vorgänger in Gorleben eine 1 400-Tonnen-Anlage bauen wollten. Als Folge davon organisierten sich diejenigen, die heute mit Ihnen in dieser Koalition sitzen. Sie versuchen sich im Grunde genommen von dem Erbe freizusprechen und beschimpfen den Erblasser, der in 16 Jahren versucht hat, aus dieser Politik etwas Vernünftiges zu machen. ({2}) Es geht um zentrale Fragen der Energiepolitik, aber der Wirtschaftsminister nimmt an der Debatte nicht teil. Herr Trittin, wenn ich das sagen darf: Ich habe nur das BGB herangezogen und mich ausdrücklich von Juristen beraten lassen. Das tun Sie ja nicht. Deswegen bleibe ich bei meiner Behauptung, daß nach dem BGB eine höhere Gewalt, die Sie für sich in Anspruch genommen haben, nur eine Katastrophe ist. ({3}) Ich wiederhole: Die Katastrophe steht außerhalb des Rechts wie auch Sie. Man könnte auch sagen: Seit Montag oder Dienstag ist aus der Force majeure Trittin eine Quantité négligeable geworden. Man könnte sich, Frau Hustedt, sicherlich darüber verständigen, daß der Wählerauftrag da ist. Aber durch den Wählerauftrag haben Sie doch keinen Freibrief für Rechtsbruch, Arbeitsplatzvernichtung und unglaubwürdige Klimapolitik. ({4}) Ihre Moral, Herr Loske, reicht gerade bis zur deutschen Grenze. Sie und Ihre Parteifreunde bekämpfen die Konditionierungsanlage in Gorleben. Gleichzeitig besitzen Sie die Unverfrorenheit, zu sagen: Wenn die Franzosen konditionieren, dann ist das richtig. - Was sollen eigentlich französische Bürger über deutsche Politiker denken, wenn diese sagen: „Bei uns ist das fürchterlich und gefährlich und die Menschen leiden darunter, aber wenn das in Frankreich passiert, dann ist das alles wohlgelitten, weil dort Arbeitsplätze erhalten werden“? ({5}) Die gesellschaftlichen Konflikte, die Sie durch die Art und Weise, wie Sie vorgehen, hervorrufen, ({6}) sind ein Beispiel dafür, daß Sie nicht gesellschaftlichen Konsens herbeiführen wollen, sondern den Unternehmen diktieren wollen, was in diesem Lande zu geschehen hat. Ihnen, Frau Lambrecht, empfehle ich dringend, sich zu all dem, was Sie hier zur Wiederaufbereitung vorgetragen haben, einmal die Entscheidungen anzuschauen. Sie werden feststellen, daß sich das Atomrecht in einer Zeit einseitig auf die Wiederaufbereitung festgelegt hat, in der Sie die Regierungsverantwortung trugen. Ich füge hinzu: Die Verträge, die Sie hier kritisiert haben, und der Notenwechsel sind eine Konsequenz aus dem, was schon die Regierung Schmidt in die Wege geleitet hat. Deswegen stehen wir an dieser Stelle in einer guten Tradition. Außerdem haben alle SPD-regierten Länder gewußt, daß es diesen Notenwechsel gibt. Frau Griefahn, die im Aufsichtsrat der PreussenElektra gesessen hat, hat nicht ein einziges Mal protestiert, als die Castor-Transporte nach La Hague und Sellafield gingen, aber sie hätte protestiert, wenn sie nach Gorleben gegangen wären. Das ist ihre Moral. ({7}) Außerdem, meine Damen und Herren, haben wir niemals behauptet, daß die Wiederaufarbeitung ein Entsorgungsweg sei. Sie ist unter einer Reihe von Gesichtspunkten ein Schritt in die Entsorgung hinein. Ich schließe mit zwei Bemerkungen. Erstens. Das, was Sie, Herr Loske, als Energiewende ankündigen, sind plus 2 Millionen DM gegenüber dem Etat von Herrn Rexrodt zur Markteinführung, 1 Million DM für Solarstudien, und den Titel „Weltmeister in Windenergie“ hat Herr Trittin von Frau Merkel übernommen. Zweitens hat Herr Trittin am Donnerstag letzter Woche gesagt: Wir wollen eine Verdoppelung der erneuerbaren Energien bis 2010. Exakt dies steht im Zukunftsprogramm von Wolfgang Schäuble. Sie machen keine neue Politik. Sie verursachen nur Schaden für dieses Land. Die Energiewende jedenfalls haben Sie diesem Land noch nicht belegbar und nachvollziehbar vorgestellt. Eines sollten Sie sich im Zusammenhang mit der Kernenergie abschminken.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Gleichwohl müssen Sie zum Schluß kommen.

Kurt Dieter Grill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002665, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Wenn Sie hier an diesem Pult Amerika als Beispiel für die Nutzung der Kernenergie anführen, dann frage ich Sie, warum wir eigentlich bisher gemeinsam mit großem Ärger zur Kenntnis genommen haben, daß sich auf den internationalen Konferenzen ausgerechnet die Amerikaner der Konsequenz aus der CO2-Politik verweigern. Wenn Sie Amerika hier an diesem Pult als Vorbild zitieren, dann sollten Sie vorher die Fakten prüfen. Ich sage Ihnen und damit schließe ich -: In dem Gutachten des BMJ steht, daß die völkerrechtlichen Verbindlichkeiten dieser Regierung ordnungsgemäß zustande gekommen sind und daß Sie diese Rechtssituation zu berücksichtigen haben. In Wahrheit ist die späte Einsicht des Bundeskanzlers in diese Rechtssituation die Ursache dafür, daß Sie am Dienstag noch rechtzeitig die Kurve gekriegt haben. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich dem Kollegen Arne Fuhrmann von der SPD-Fraktion das Wort.

Arne Fuhrmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe einmal versucht, festzuhalten, wie oft mein Kollege Grill in seiner Rede das Wort „unverfroren“ benutzt hat. Ich habe es nicht zählen können; denn es geht immer alles so schnell. Außerdem hat er in seiner Rede dem Umweltminister vorgeworfen, er stehe außerhalb des Rechts, und er hat Mitglieder dieses Hohen Hauses des Rechtsbruchs, der Arbeitsplatzvernichtung und anderer Dinge bezichtigt. Ich kann gar nicht alles aufzählen. Das kann jeder nachher im Protokoll nachlesen. ({0}) Mich wundert, daß er nicht sagt, es sei unverfroren von den Wählern, daß sie uns beauftragt haben, auch in der Energiepolitik neue Wege zu gehen. Darüber habe ich gestaunt. In der Chronologie seiner Rede wäre dies eigentlich logische Konsequenz gewesen. ({1}) - Wissen Sie, Herr Hirche, wenn wir anfangen, uns darüber zu unterhalten, sollten wir uns auch über Ihre Einwürfe unterhalten, die Sie pausenlos machen. Es gibt grundsätzlich unterschiedliche Vertragslagen. Im Jahre 1979 gab es Verträge, die die Klausel beinhalteten, daß wir jederzeit aussteigen können. In den Jahren 1990/91 gab es dann Notenwechsel, mit denen das, was meine Kollegin von Renesse vorhin ausgeführt hat, eingetreten ist, nämlich ein Dickicht um all das herum, was innen- und außenpolitisch von der damaligen und von der jetzigen Regierung hätte gemacht werden können, aber immer unter dem Damoklesschwert eines möglichen Bruchs völkerrechtlicher Art. Sie sollten also stillschweigen, sich ein bißchen zurückhalten ({2}) und ansonsten auf das achten, was geschrieben wurde und was in diesem Hohen Hause beredet wird. ({3}) Das Erstaunliche ist ja, daß die Diskussion, die heute aufbricht und gerade von Ihrer Seite mit großer Vehemenz geführt wird - Sie sind ja geradezu ({4}) - Danke. - Diese Diskussion ist in den vergangenen 16 Jahren von Ihrer Seite nicht ein einziges Mal so geführt worden, daß die Menschen, die sich davon betroffen fühlen, und die Mehrheit in diesem Lande, die seit Jahrzehnten den Ausstieg aus der Kernenergie wünscht, das Gefühl gehabt hätten: Hier sind wir an der richtigen Stelle und werden auch zur Kenntnis genommen. - Nun passiert das Ihrer Meinung nach viel zu schnell, viel zu flott. Ja, hol's der Geier! Was hätte denn passieren sollen, als daß der Umweltminister als erstes all das in Gang setzt, was, nachdem das Kabinett darüber gesprochen hat, in kontinuierlicher Reihenfolge diesem Hohen Hause in Gesetzesform vorgelegt wird? Wir haben dann die Möglichkeit, gemeinsam darüber zu beraten und gemeinsam in das Gesetzgebungsverfahren einzutreten. ({5}) - Wie hätten Sie es denn gern? Hätten Sie gerne, daß es genauso bleibt, wie es unter Ihrer Ägide war, daß der Kanzler eine Entscheidung trifft ({6}) und alle, die da sitzen, dazu nicken, während die Opposition nur gelegentlich eine Chance hat, sich an der Beratung über einen Gesetzentwurf oder einen Antrag, den sie auf den Tisch bekommt, zu beteiligen? ({7}) - Ach, Herr Grill, wissen Sie: Die EVUs, die Engländer und die Franzosen haben alle ihre durchaus legitimen und nachvollziehbaren Wünsche. ({8}) - Sie haben Interessen. Mit diesen Interessen kann man sich identifizieren; man kann das Ganze aber auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland und der Menschen, die hier leben, sowie im Interesse eines vernünftigen und geregelten Ausstiegs aus der Kernenergie zu den Akten legen und sagen: Das ist nicht so wichtig; wichtiger ist das, was wir in den nächsten Jahren zielorientiert hier erreichen werden. ({9}) Wenn das in Ihren Köpfen ist, werden Sie sich auch dem nicht verweigern und entziehen, was innerhalb der nächsten Wochen und Monate auch auf Sie zukommt, nämlich eine konstruktive Mitarbeit, und sich nicht im1244 merfort zurücklehnen und sagen: „Ja, aber in den letzten Jahren haben wir…“ und „Ja, aber da könnte dieses oder jenes Risiko entstehen“. Ich denke, daß wir alle die Risiken der Atomenergie einzuschätzen vermögen. Das Risiko eines Ausstieges aus dieser Energie ist in der Zwischenzeit von der Mehrheit der europäischen Staaten erkannt worden. Den Nachweis der Risikolosigkeit einer weiteren Energienutzung von den EVUs über die AKWs müßten Sie, Herr Hirche, und die gesamte Opposition hier erbringen, damit wir uns dann damit auseinandersetzen können. Aber ich denke, diesen Schritt haben wir gemeinsam schon hinter uns. ({10}) - Herr Rexrodt, die Menschen haben dafür gesorgt, daß das Theater von Ihrer Seite dadurch zumindest etwas gedämpft wird, daß Sie nun aus der Opposition heraus reagieren und nicht mehr in der Regierung sitzen. ({11}) Das Theater, das Sie veranstaltet haben, solange Sie auf der Regierungsbank saßen, ist allen noch immer in guter Erinnerung. Ich komme zum Schluß, Frau Präsidentin. - Worüber wir hier noch nicht gesprochen haben, was aber dringend in die Köpfe der Beteiligten gebracht werden muß, sind die Bedürfnisse und die Wunschvorstellungen der betroffenen Menschen. ({12}) Es geht nicht darum, einen Stecker in die Steckdose zu stecken, sondern es geht um das Gefühl für eine zukunftsorientierte, sichere Energiepolitik. Wenn Sie einmal hinterfragen, warum so viele junge Leute in diesem Land heute in Zukunftsängsten leben, werden Sie feststellen, daß das nicht ausschließlich mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt zu tun hat, sondern auch damit, daß die Perspektiven einer Zukunft, einer zukunftsorientierten Umweltpolitik und damit das Gefühl von Sicherheit für die Betroffenen eine Rolle spielen. ({13}) Umweltpolitik und Energiepolitik sind nicht nur Aufgabe von Wirtschaftsfachleuten, sondern eine Querschnittsaufgabe, die ebenso etwas mit Familienpolitik und Sozialpolitik zu tun hat. Wenn dieser Bundestag das endlich begreift, kommen wir gemeinsam einen Schritt weiter. Schönen Dank. ({14})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 28. Januar 1999, 9 Uhr ein. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Abend. Die Sitzung ist geschlossen.