Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich lasse trotz der
außergewöhnlichen Situation formell über den Antrag abstimmen: Wer dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig
angenommen.
Ich rufe nun Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/6387 Zu Beginn der Fragestunde kommen wir gemäß Ziffer 11 der Richtlinien für die Fragestunde zu den Fragen 28 bis 31 der Fragestunde vom 20. Juni 2001,
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes, auf Drucksache 14/6272. Alle diese Fragen werden auf Bitten der Fragestellerinnen und Fragesteller schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zu den Fragen der heutigen Fragestunde auf Drucksache 14/6387, die ich in der üblichen
Reihenfolge aufrufe.
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Die dazu vorliegenden Fragen 1 und 2
werden schriftlich beantwortet.
Dann gehen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes über. Da im Augenblick kein Vertreter des Auswärtigen Amtes zur Verfügung steht, schlage ich Ihnen
vor, aufgrund der außergewöhnlichen Situation die
Behandlung dieses Bereichs zu verschieben. Ich gehe davon aus, dass Staatsminister Dr. Ludger Volmer im Anmarsch ist. Er konnte nicht wissen, dass die Regierungsbefragung gestrichen wurde. - Ich sehe, dass im
gesamten Hause Einverständnis herrscht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schlage vor, die
Sitzung so lange zu unterbrechen, bis die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, die jetzt anwesend sein müssten, hier sind. Haben Sie dafür bitte Verständnis. Es wird
sich sicherlich nur um wenige Minuten handeln.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe jetzt im Rahmen der Fragestunde den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf. Zur Beantwortung steht Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dirk Niebel zum
Themenbereich „Besuch des syrischen Staatspräsidenten
Baschar al-Assad“ auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, beim Besuch des syrischen
Präsidenten Baschar al-Assad antisemitische Äußerungen beim
arabischen Gipfel in Amman persönlich anzusprechen, die im Zusammenhang mit Israel und den Juden anlässlich des Papstbesuches stehen, vor dem Hintergrund der Äußerung des Bundesministers des Äußeren, Joseph Fischer, bei der Einweihung der
israelischen Botschaft in Berlin, dass die Bundesregierung die
Aufrufe zu weiterem Terror verärgert zur Kenntnis genommen hat
und diese Haltung auf das Schärfste verurteilt?
Herr Kollege Niebel, Bundesminister Fischer hat
anlässlich der Eröffnung der neuen israelischen Botschaft
die Äußerungen des syrischen Staatspräsidenten Baschar
al-Assad beim Gipfel der Arabischen Liga und im Rahmen des Papstbesuchs in Syrien scharf kritisiert. Der deutsche Botschafter in Damaskus hat am 10. Mai gegenüber
dem syrischen Vizeaußenminister ebenfalls Protest erhoben.
Auch anlässlich des bevorstehenden Besuches Assads
in Deutschland wird die Haltung der Bundesregierung gegenüber dem syrischen Staatspräsidenten eindeutig sein.
In ihren Gesprächen wie auch in ihren öffentlichen Äußerungen tritt die Bundesregierung seit jeher für die Sicherheit und das Existenzrecht Israels in gesicherten Grenzen
ein. Diese Haltung ist und bleibt Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik.
Herr Kollege Niebel,
eine erste Nachfrage, bitte.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich habe bei der Eröffnung der israelischen Botschaft
die klaren Worte des Außenministers gehört und freue
mich sehr, dass sie auch gegenüber dem syrischen Präsidenten persönlich geäußert werden sollen.
Mich interessiert: Werden denn auch Äußerungen anderer Mitglieder der syrischen Regierung ebenso deutlich
angesprochen werden, zum Beispiel die Äußerung des syrischen Verteidigungsministers Moustafa Tlas anlässlich
des Papstbesuches, als er gegenüber dem Fernsehsender
LBC 6 erklärte:
Ich möchte auf der Stelle stehen und den Juden töten,
der mir gegenübersteht. Wenn jeder Araber einen Juden tötet, dann werden überhaupt keine Juden mehr
übrig bleiben. Wir werden kämpfen, wie die Hisbollah sie im Südlibanon bekämpft. Natürlich von
der Golan-Front aus ... an allen Fronten, an denen sie
- die Juden sich aufstellen.
Wird auch hierzu eine klare Äußerung des Bundesaußenministers gegenüber dem syrischen Präsidenten zu erwarten sein?
Ja, Herr Niebel. Solche Töne aus manchen Kreisen
der syrischen Politik halten wir für völlig inakzeptabel.
Sie stehen dem Friedensprozess im Nahen Osten, den wir
unterstützen, entgegen.
Vielen Dank.
Wilhelm Schmidt ({0})
Bevor ich die nächste
Frage aufrufe, möchte ich bekannt geben, dass die Fragestunde aufgrund der Vielzahl schriftlich zu beantwortender
Fragen voraussichtlich nicht so lange wie üblich dauern
wird. Wir haben uns mit den Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern interfraktionell darauf
verständigt, dass die Aktuelle Stunde vorfristig gegen
15 Uhr aufgerufen werden soll. Ich bitte, dies an die Kolleginnen und Kollegen in den Fraktionen weiterzuleiten.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Andreas
Schmidt ({0}) auf:
Hat der saarländische Geschäftsmann D. H., der am 21. Juni
2001 als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen
Bundestages geladen war, an einer Auslandsreise von Bundeskanzler Gerhard Schröder nach China teilgenommen und, falls ja,
auf wessen Veranlassung?
Herr Kollege Schmidt, der genannte Zeuge gehörte
den Delegationen, die den Bundeskanzler auf seiner Reise
nach China begleitet haben, nicht an.
Herr Kollege Schmidt
zu einer Nachfrage.
Herr
Staatsminister, ist Ihnen bekannt, ob die vorgenannte Person, der Geschäftsmann aus dem Saarland, Herrn Bundeskanzler Schröder auf seiner Reise durch China getroffen hat?
Die benannte Person gehörte weder der offiziellen
noch der inoffiziellen Delegation an. Es gab auch kein
Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und dieser Person. Dass sich diese Person aus eigenem Antrieb in der
Nähe der Delegation - vielleicht im gleichen Hotel - aufgehalten hat, mag sein. Aber das hat mit der Politik der
Bundesregierung nichts zu tun.
Eine zweite Nachfrage? - Bitte, Herr Kollege Schmidt.
Herr
Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, dass es bei
dieser Reise eine offizielle und eine inoffizielle Delegation gab?
In der Regel ist es so, dass es eine offizielle Delegation und begleitende Personen gibt, die als inoffizielle Delegation bezeichnet werden. Die von Ihnen benannte Person gehörte weder der einen noch der anderen Delegation
an.
Die Fragen 5 und 6
aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie
die Fragen 7 und 8 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.
Die Fragen 9 bis 14 betreffen die Ausschreitungen, die
im Zusammenhang mit dem EU-Gipfel in Göteborg stattfanden.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Wolfgang
Zeitlmann auf:
Welche deutschen Organisatoren haben nach Informationen
der Bundesregierung im Vorfeld des EU-Gipfels im Internet zur
Fahrt nach Göteborg und zur Beteiligung an Aktionen des „zivilen Ungehorsams“ aufgerufen?
Herr Kollege Zeitlmann, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Im Vorfeld des EU-Gipfels
wurden seitens der deutschen Sicherheitsbehörden fortlaufend Internetrecherchen durchgeführt. Dabei konnten
allgemein gehaltene Aufrufe zur Beteiligung deutscher
Globalisierungsgegner an Demonstrationen in Göteborg
festgestellt werden. Konkrete Aufrufe zur Beteiligung an
Straftaten fanden sich darunter jedoch nicht.
Die Internetrecherche hat folgende Angebote, nach
Göteborg mitzufahren, ergeben: Auf der Homepage der
„Sozialistischen Alternative Voran“ wurde angeboten, in
einem Bus der „Sozialistischen Alternative Voran“ und
der „Freien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Union Internationale Arbeiter Association“, FAU-IAA, nach Göteborg mitzufahren. Ein weiteres Angebot befand sich auf
der Szene-Homepage www.de.indymedia.org unter der
Rubrik „Kommentar“: „Ankündigung einer Busfahrt für
den 15.06.2001 nach Göteborg“ durch einen unbekannten Benutzer der Homepage. Die im Namen der Internetrecherche ermittelten Ergebnisse wurden den schwedischen Sicherheitsbehörden im Rahmen des fortlaufenden
Informationsaustausches zum EU-Gipfel zeitnah übermittelt.
Herr Kollege
Zeitlmann, haben Sie eine Nachfrage? - Nein.
Der Kollege Eckart von Klaeden hat eine Nachfrage
dazu. Bitte.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie konkret nach einer Meldung im
„Focus“ fragen, in der es heißt, dass der PDS-nahe Jugendverband Solid durch das Herstellen von Internetverbindungen die Attacken gegen den EU-Gipfel von Göteborg unterstützt habe. Ist Ihnen das bekannt?
Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand über Internetaktivitäten kann ich diese Meldung
nicht bestätigen. Ich gehe dem aber gerne nach.
Weitere Nachfragen
dazu gibt es nicht.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Zeitlmann - sie bezieht sich auf denselben Themenkomplex - auf:
Welche Hinweise hat die Bundesregierung, dass unter den
Drahtziehern der Krawalle von Göteborg auch deutsche Autonome waren?
Herr Kollege Zeitlmann, der Bundesregierung liegen dazu bislang keine konkreten Erkenntnisse vor. So können insbesondere bezüglich der
sieben Deutschen, die sich nach Angaben der schwedischen Behörden an gewalttätigen Auseinandersetzungen
beteiligt haben, nach dem bisherigem Stand der in Schweden anhängigen Ermittlungsverfahren noch keine Angaben über eine konkrete Tatbeteiligung und über mögliche ideologische Tathintergründe gemacht werden. Das
Bundeskriminalamt hat zwei Verbindungsbeamte in die
örtliche Einsatzzentrale nach Göteborg entsandt, um die
ermittelnden Behörden bei der Identifizierung von gewaltbereiten Aktivisten aus Deutschland zu unterstützen.
Eine Nachfrage des
Kollegen Eckart von Klaeden.
Meine Nachfrage
steht im Zusammenhang mit der ersten Frage des Kollegen Zeitlmann; es handelt sich um einen einzigen Komplex. Welche Maßnahmen - ich beziehe mich auf eine der
Fragen des Kollegen Ramsauer - ergreift die Bundesregierung, um dem Gewalttourismus in Form der zunehmenden Mobilisierung gewaltbereiter Demonstranten
durch das Internet entgegenzuwirken?
Herr Kollege von Klaeden, ich
werde nachher darauf eingehen, was wir diesbezüglich
bei der Vorbereitung dieser Ereignisse im Einzelnen gemacht haben. Was das Internet anbetrifft: Sie wissen genauso gut wie ich, dass es sehr schwierig ist, in diesem Bereich aktiv zu werden. Unsere derzeitige Haupttätigkeit ist
die Beobachtung. Der Kenntnisstand darüber, wie das Internet genutzt und wozu es missbraucht wird, ist relativ
gut. Das war auch im Vorfeld so.
Die Fragen 11 und 12
werden schriftlich beantwortet. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Frage 12 im Prinzip schon mündlich
beantwortet worden ist. Der Kollege Ramsauer kann vielleicht einschätzen, ob er noch eine schriftliche Antwort
bekommen möchte.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Hans-Peter
Uhl - es geht um die Ausschreitungen im Dresdner Stadtteil Neustadt - auf:
Kann die Bundesregierung Presseinformationen ({0}) bestätigen, wonach an
den Ausschreitungen im Dresdner Stadtteil Neustadt auch Randalierer vom EU-Gipfel in Göteborg beteiligt waren?
Herr Kollege Uhl, wenn Sie es
mir gestatten, beantworte ich Ihre beiden Fragen im Zusammenhang.
Das ist kein Problem;
anschließend darf der Kollege vier Nachfragen stellen.
Ich rufe also auch die Frage 14 des Abgeordneten
Dr. Hans-Peter Uhl auf:
Welche Hinweise auf Verbindungen zwischen den Krawallmachern in Dresden zu politischen Organisationen in Sachsen hat
die Bundesregierung?
Herr Kollege Uhl, wegen des unmittelbaren Sachzusammenhangs möchte ich Ihre Fragen,
wie gesagt, gemeinsam beantworten.
Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen im
Dresdner Stadtteil Neustadt wurden laut Bericht der örtlich zuständigen Landespolizeidienststellen 35 Personen
in Gewahrsam genommen. In 29 weiteren Fällen erfolgten Festnahmen. Die beim Bundeskriminalamt vorgenommene Abgleichung der in Dresden erhobenen Personaldaten ergab keine Übereinstimmung mit den in
Göteborg ermittelten deutschen Störern. Erkenntnisse
über Verbindungen der in Dresden ermittelten Personen
zu politischen Organisationen in Sachsen - auch danach
haben Sie gefragt - liegen uns ebenfalls nicht vor.
Herr Kollege Uhl ist
mit der Antwort bereits zufrieden.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Heidi Lippmann auf:
Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der
Bundesregierung über die Unterstützung der in Mazedonien operierenden UCK durch die albanische Diaspora in der Bundesrepublik Deutschland vor?
Frau Kollegin Lippmann, die extremistische Volksbewegung im Kosovo - nach unserer
Abkürzung: LPK - hat nach dem Kosovo-Krieg wiederholt erklärt, dass sie den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten
nunmehr in Mazedonien sehe. Dementsprechend rekrutieren sich nach vorliegenden Erkenntnissen die Führer
der in Mazedonien operierenden nationalen Befreiungsarmee - sie verwendet das Kürzel UCK und somit das gleiche Kürzel wie die ehemalige Befreiungsarmee Kosovo vornehmlich aus Anhängern dieser von mir soeben genannten LPK. Diese organisiert - so, wie während des
Kosovo-Krieges - wiederum Spendenaktionen primär für
die UCK in Mazedonien. Von Deutschland aus kann die
LPK wegen ihrer im Vergleich zu den vergangenen Jahren reduzierten Anhängerschaft, die das gleiche Ziel verfolgt, allerdings nur begrenzt tätig werden. Bei Veranstaltungen von Exil-Albanern wirbt sie zum Beispiel um
Spenden für den „Hilfsfonds Mazedonien“. Wie und für
welche Zwecke diese Gelder im Einzelnen verteilt und ob
damit auch Waffenkäufe finanziert werden, ist derzeit
Gegenstand von Ermittlungen der Sicherheitsbehörden.
Nach neueren Erkenntnissen haben sich in Deutschland ansässige Albaner für den Kampf in Mazedonien zur
Verfügung gestellt. Anders als während des Kosovo-Krieges konnte eine systematische Rekrutierungskampagne
der UCK von uns bisher jedoch nicht festgestellt werden.
Es gibt eine Nachfrage der Kollegin Lippmann. Bitte.
Inwieweit wird darüber
nachgedacht, die entsprechenden Organisationen mit einem Verbot der politischen Betätigung in Deutschland zu
belegen?
Ich bin mir nicht sicher, ob es
richtig wäre, momentan eine solche Verbotsfrage zu stellen. Die Sicherheitsbehörden - das habe ich auch in meiner Antwort gesagt - sind derzeit dabei, zu ermitteln. Ich
kann natürlich nicht in die laufenden Ermittlungen eingreifen und entsprechende Informationen kundtun. Wenn
die Ergebnisse vorliegen, werden wir über die weiteren
Schritte diskutieren.
Die Schweiz benennt Zahlen, wonach man davon ausgehen muss, dass 200 000 Personen albanischer Abstammung die UCK unterstützen.
Können Sie sagen, ob es Wanderungsbewegungen aus der
Schweiz in die Bundesrepublik gibt? Wie wird die Zahlensituation in der Bundesrepublik eingeschätzt?
Die Zahlen, die die Schweiz benennt, sind nicht unrealistisch. Es ist jedoch sehr schwierig, solche zu schätzen. Von einer Wanderungsbewegung
von der Schweiz nach Deutschland ist uns derzeit nichts
bekannt.
Ich rufe die Frage 16
der Kollegin Heidi Lippmann auf:
Welche Möglichkeiten bestehen aus der Sicht der Bundesregierung, um die finanzielle Unterstützung der mazedonisch-albanischen „Freischärler“ aus der Bundesrepublik Deutschland zu
unterbinden?
Frau Lippmann, wenn in Deutschland extremistische Gruppen ausländische Mutterorganisationen finanziell unterstützen, können die Bundesländer
dagegen grundsätzlich auf der Basis ihrer Sammlungsgesetze, aber auch mit individuellen politischen Betätigungsverboten - Rechtsgrundlage hierfür ist § 37 Abs. 1
Nr. 1 und 2 des Ausländergesetzes - einschreiten.
Eine Nachfrage der
Kollegin Lippmann. Bitte.
Vor gut zweieinhalb Jahren
hat es immer wieder Anfragen bzw. Berichterstattungen
bezüglich der Geldtransfers aus der Bundesrepublik in
den Kosovo gegeben. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen
diesbezüglich heute vor?
Ich habe ja gerade gesagt, dass wir
dabei sind zu ermitteln. Diese Ermittlungen beziehen sich
auch auf das, was mit dem Vorwurf der Sammlung und
Käufe von Waffen zusammenhängt. Die Schwierigkeit
heute ist, dass ich an dieser Stelle nicht in laufende Ermittlungsverfahren eingreifen kann. Das findet, wie ich glaube,
auch Ihr Verständnis. Das muss abgewartet werden.
Sie hatten mich in Ihrer Frage nach den gesetzlichen
Möglichkeiten gefragt. Deswegen lautete meine Antwort:
Die gesetzlichen Möglichkeiten sind unter den Gegebenheiten vorhanden, wie ich sie Ihnen geschildert habe.
Noch eine zweite
Nachfrage der Kollegin Lippmann.
Sind denn rückwirkend
Erkenntnisse gesammelt und in der Zwischenzeit veröffentlicht worden, die von der damaligen Aussage des Innenministers Schily ausgegangen sind, wonach die Geldflüsse der
UCK in den Kosovo hinein ganz verstärkt überprüft werden
müssen? Oder bezieht sich Ihre Aussage jetzt auf aktuelle
- eventuell auch rückwirkend angestellte - Ermittlungen?
Nein. Dass wir überprüfen, wurde
ja in meiner Antwort deutlich. Die Ermittlungsverfahren
laufen. Ich denke, das liegt in Kontinuität zu dem, was
auch in der Vergangenheit beobachtet wurde.
Hierzu gibt es eine
Nachfrage des Kollegen Jürgen Koppelin.
Herr Staatssekretär, teilen
Sie meine Auffassung, dass diese Zahlungen zwar ärgerlich sind, aber - so ist mein Eindruck - von den Betroffenen freiwillig, also nicht unter Zwang, geleistet werden?
Ich sage noch einmal: Ärgerlich sind diese Zahlungen und
ich kann sie nicht billigen. Meine Erkenntnis ist aber, dass
die Betroffenen diese Zahlungen freiwillig vornehmen.
Also, Herr Kollege Koppelin, wir
untersuchen und ermitteln ja in dem gesamten Komplex.
Zumindest ein bestimmter Teil der Zahlungen - das haben
Sie richtig wiedergegeben - ist freiwilliger Natur. Das hat
natürlich eine andere Qualität, als wenn es sich, so sage
ich es jetzt einmal, um erpresstes Geld handeln würde.
Auch das muss natürlich berücksichtigt werden. Insofern
bin ich Ihnen sogar dankbar für diese Frage; so konnte ich
das noch einmal klarstellen.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf.
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Ernst Burgbacher
auf:
Wie hat das Bundesministerium der Finanzen die geschätzten
Steuermindereinnahmen in Höhe von rund 300 Millionen DM im
Zusammenhang mit dem gemäß § 3 Nr. 51 Einkommensteuergesetz gewährten Freibetrag in Höhe von 2 400 DM für Trinkgelder,
die dem Arbeitnehmer von Dritten bezahlt werden, ohne dass ein
Rechtsanspruch darauf besteht, ermittelt?
Frau Präsidentin! Herr
Kollege Burgbacher, steuerstatistische Angaben hierüber
liegen dem Bundesministerium der Finanzen nicht vor. In
Dienstleistungsbereichen, in denen typischerweise Trinkgelder gezahlt werden, sind über 600 000 Personen beschäftigt. Unterstellt man, dass 500 000 der infrage kommenden Personen den Freibetrag lediglich in Höhe von
2 000 DM steuerwirksam in Anspruch nehmen, führt dies
bei einem unterstellten Grenzsteuersatz von 30 Prozent zu
Mindereinnahmen von rund 300 Millionen DM.
Herr Kollege
Burgbacher hat eine erste Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ist
Ihnen das Gutachten der NGG bekannt, in dem wirklich
plausibel nachgewiesen wird, dass die Zahl der Trinkgeldempfänger viel geringer ist? Man geht dort von 100 000
Trinkgeldempfängern aus. Wenn ich das mit dem Freibetrag multipliziere, komme ich auf insgesamt 240 Millionen DM. Dieses Geld ist nun nach dem entsprechenden
Steuersatz zu versteuern. Ihre Angaben, die Sie ja eigentlich nicht begründen können, sind also viel zu hoch. Die
NGG geht bei Wegfall der Trinkgeldbesteuerung von einem Gesamtsteuerausfall von 10 Millionen DM aus.
Herr Kollege Burgbacher,
wir gehen offenbar natürlich von unterschiedlichen Annahmen aus. Ich habe auch deutlich gemacht, dass ich bei
der Berechnung von Annahmen ausgehen muss. So hat die
NGG in ihrem Bereich auch nicht alle diejenigen organisiert, die infrage kommen bzw. in Dienstleistungsbranchen
arbeiten, in denen üblicherweise Trinkgelder bezahlt werden. Nur das Gastronomiegewerbe liegt im Organisationsbereich der NGG. Es gehören aber zum Beispiel auch das
Friseurhandwerk, Körperpflegedienste, Reiseservice sowie Bus-, Taxi- und Mietwagengewerbe usw. dazu, über
die die NGG keine vertieften Kenntnisse haben wird.
Eine zweite Nachfrage, bitte, Herr Kollege Burgbacher.
Frau Staatssekretärin, ist
Ihnen bekannt, dass eigentlich nur im Hotel- und Gaststättengewerbe kontrolliert wird? Die Zahl zur Höhe des
Steuerausfalls, die Sie genannt haben, ist also völlig realitätsfern.
Herr Kollege Burgbacher,
ich habe gesagt, von welchen Annahmen wir ausgehen. Ich
habe die Annahmen niedrig angesetzt. Über 600 000 Personen arbeiten in den Bereichen, in denen üblicherweise
Trinkgelder anfallen können - aber natürlich müssen diese
nicht unbedingt gegeben werden: Es gibt Menschen, die
sind großzügiger dabei, und es gibt Menschen, die weniger
großzügig sind. Deshalb habe ich gesagt, dass von den
600 000, die in diesen Bereichen arbeiten, etwa 500 000 in
den Genuss von Trinkgeldern kommen. Indem ich weiterhin davon ausgegangen bin, dass diese im Schnitt nicht
mehr als 2 000 DM im Jahr bekommen, also den Freibetrag
noch nicht einmal vollständig ausschöpfen, habe ich auch
hier die Annahme niedrig angesetzt. Insofern können wir
uns über die Annahmen streiten. Wir können natürlich nie
sicher sein, weil wir keine steuerstatistischen Aufzeichnungen haben.
Ich rufe die Frage 18 des
Kollegen Burgbacher zum gleichen Themenkomplex auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund verschiedener parlamentarischer Initiativen der Opposition zur Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung, Informationen über die
tatsächliche Höhe der Steuereinnahmen aus Trinkgeldern von den
Ländern einzufordern?
Eine neue statistische Erfassung von Trinkgeldern ist wegen des erforderlichen
hohen Aufwands für Wirtschaft und Verwaltung nicht beabsichtigt. Die Arbeitgeber müssten bei ihren Arbeitnehmern die Trinkgelder umfassend abfragen und gesondert
auf der Lohnsteuerkarte angeben. Die Finanzverwaltung
wäre bei der Bearbeitung der Einkommensteuer zusätzlich belastet, weil die Angaben für Trinkgelder stärker als
bisher zu überprüfen wären und gesondert in einem Eingabefeld erfasst werden müssten. Hinzu käme der notwendige Zusatzaufwand bei den statistischen Ämtern von
Bund und Ländern. Aus diesem Grunde beabsichtigten
wir nicht, eine neue statistische Erfassung einzuführen.
Erste Nachfrage bitte,
Herr Kollege.
Ich stimme Ihnen völlig
zu. Wir wollen das auch nicht. Ich habe aber noch eine
Frage, Frau Staatssekretärin: Ist Ihnen bekannt, dass außer
in Deutschland in kaum einem anderen Land Europas in
der Praxis Trinkgelder besteuert werden?
Herr Kollege Burgbacher,
das kann ich nicht bestätigen. Die Trinkgelder sind Teil
des Lohnes.
({0})
Trinkgelder werden ja nicht, was fälschlicherweise häufig
behauptet wird, speziell besteuert; erzielte Einkünfte
müssen eben versteuert werden. Die Trinkgelder haben
Vizepräsidentin Petra Bläss
den Vorteil, dass für sie ein spezieller Freibetrag gewährt
wird. In der öffentlichen Debatte wird meist genau das
Gegenteil behauptet. Es wird der Eindruck erweckt, als
würde Trinkgeld über Gebühr besteuert. Das Gegenteil ist
der Fall: Für Trinkgelder gibt es noch den speziellen Freibetrag in Höhe von 2 400 DM im Jahr. Das ist aus Vereinfachungsgründen und natürlich auch unter sozialen
Aspekten vertretbar. Darüber hinausgehende Freibeträge
würden aber in der Tat die Frage nach der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit ein verfassungsrechtliches Problem aufwerfen.
Die Fragen 19 und 20
des Kollegen Hans Michelbach werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Margareta Wolf zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Albrecht Feibel
auf:
Welche Ergebnisse kann die vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie und der Kreditanstalt für Wiederaufbau im letzten Jahr gegründete Deutsche Energie-Agentur
({0}) bis heute vorweisen?
Sehr geehrte
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Feibel, Sie haben gefragt, welche Ergebnisse die vom BMWi und der KfW im
letzten Jahr gegründete Deutsche Energie-Agentur bis
heute vorzuweisen hat.
Sie wissen, dass die Energie-Agentur im Herbst 2000
gegründet wurde und am 1. Januar 2001 ihre operative
Tätigkeit aufgenommen hat. Verschiedene Programmpunkte aus dem Ihnen wahrscheinlich bekannten
Aufgabenkatalog hat die DEnA bereits umgesetzt. Es gibt
eine beachtliche Zahl an Projekten, die bereits in Angriff
genommen wurden. Ihrem Wunsch entsprechend möchte
ich diese Aktivitäten kurz darstellen:
Die DEnA führt seit März 2001 ein Projekt zur
Energieeinsparung bei Druckluftanlagen bei Gewerbeund Industriepartnern mit verschiedenen Kooperationspartnern durch.
Die DEnA hat sich mit einem schriftlichen Vorschlag
in die Diskussion über die weitere Förderung der KWKAnlagen beratend eingeschaltet. Sie wissen, dass eine entsprechende KWK-Vereinbarung am vergangenen Montag
von Bundesregierung und Stromwirtschaft unterzeichnet
werden konnte.
({0})
- Ja, Herr Kollege, paraphiert!
Die DEnA hat darüber hinaus nach einer erfolgreich
abgeschlossenen Test- und Vorbereitungsphase im April
2001 in Leipzig ein Callcenter eingerichtet, das sich mit
Fragen der rationellen Energienutzung und der regenerativen Energiequellen beschäftigt.
Ferner hat die DEnA im Mai dieses Jahres in Zusammenarbeit unter anderem mit regionalen Energieagenturen eine Veranstaltungsreihe zur neuen Energieeinsparverordnung in Berlin aufgenommen. Diese Veranstaltung
wird in den nächsten Monaten in sieben weiteren Städten
fortgeführt.
Zum Einsatz von Wasserstoff im Verkehrsbereich hat
die DEnA in Kooperation mit acht Firmen aus der Automobil- und Erdölwirtschaft einen Projektvorschlag erarbeitet, der auch in den Beratungen der Staatssekretärsrunde „Nachhaltigkeit“ seinen Niederschlag findet.
Darüber hinaus hat sie weitere Projektvorschläge zum stationären Einsatz von Brennstoffzellen und zur Koordination der Offshore-Windplanungen vorgelegt.
Einige weitere Punkte möchte ich noch ansprechen:
Die DEnA bereitet eine bundesweite Informationskampagne zur Minderung energieverbrauchsrelevanter Standby-Verluste bei Geräten der Unterhaltungs-, Informations- und Kommunikationstechnik vor, die in Kooperation
mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt durchgeführt
werden soll.
Beim Projektantrag für sechs europäische Partner für
Vorhaben „Bankable Energy Efficiency Projects“ hat die
DEnA die Federführung.
In Kooperation mit dem Energieministerium der Russischen Föderation erarbeitet die DEnA einen Vorschlag
zur deutsch-russischen Zusammenarbeit im Kontext der
rationellen Energienutzung und zum Einsatz von regenerativen Energiequellen.
Für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit wird die DEnA die Klimakampagne weiterentwickeln und eine Umsetzungskonzeption
entwerfen.
Kollege Feibel, bitte
Ihre erste Nachfrage.
Was Sie aufgezählt haben, klingt natürlich so, als sei der Aufgabenbereich sehr
vielfältig. Aber vieles geschieht in Kooperation mit anderen, bereits bestehenden Einrichtungen. Meine Frage ist
eigentlich darauf gerichtet, was das Ergebnis des Wirkens
von DEnA war und ob es tatsächlich notwendig war, eine
solche Agentur, die ja viele Millionen kostet, einzurichten. Deshalb meine erste Nachfrage: Was ist denn nun
konkret daraus geworden, das heißt, welche Energieeinsparungen - darum geht es ja - sind bisher erzielt worden?
Lässt sich das in irgendeiner Zahl ausdrücken, entweder
in Geld oder in Mengen? Denn das Ergebnis dieser Agentur muss doch irgendwo gemessen werden.
Herr Kollege
Feibel, ich habe Ihnen hier umfänglich ganz konkrete Projekte und Aktivitäten der DEnA vorgestellt. Aber ich
könnte in diesem Zusammenhang Ihre zweite Frage beantworten.
Dann rufe ich
Frage 22 des Abgeordneten Albrecht Feibel auf:
Welche Personal- und Sachkosten sind bisher entstanden, insbesondere im Hinblick auf die bisherigen Kosten für die Geschäftsführung der DEnA?
Die Ausgaben
der DEnA belaufen sich bis heute auf insgesamt
1 102 000 DM. Davon sind 447 000 DM Sachausgaben
und 655 000 DM Personalausgaben. Sie werden verstehen, dass ich Ihnen nicht in Zahlen darstellen kann, wie
sich die Tätigkeit der Agentur auf die Emissionsminderungen ausgewirkt hat. Aber ich recherchiere gerne, ob es
weitergehendes Material gibt. Dann würde ich Ihnen das
schriftlich zur Verfügung stellen.
Ihre zweite Frage
bitte, Herr Kollege Feibel.
Wird die Deutsche
Energie-Agentur auch darauf hinwirken oder wird ihr
Wirken dazu führen, dass künftig keine Ökosteuer mehr
auf regenerative Energie erhoben wird?
Ich habe keine
Kenntnis darüber, ob die DEnA darauf hinwirken wird
oder nicht. Aber sicherlich wird sie die Bundesregierung
bei einer weiteren Ausgestaltung der Ökosteuer beraten.
Ihre Zusatzfrage bitte,
Herr Feibel.
Auf welchen Zeitraum
beziehen sich die Kosten, die Sie erwähnt haben? Gilt das
für die Zeit seit der Gründung von DEnA oder erstrecken
sich die Kosten zum Beispiel auf ein Jahr? Können Sie
diesen Zeitraum, für den die Personalkosten und die Sachkosten entstanden sind, präzisieren?
Die Kosten belaufen sich seit dem Beginn der Arbeit der Agentur, also
seit dem 1. Januar 2001, auf, wie dargestellt, insgesamt
1 102 000 DM. Hiervon entfallen - wie ich glaube, vorhin schon gesagt zu haben - 447 000 DM auf Sachausgaben und der Rest von 655 000 DM auf Personalausgaben.
In den Personalausgaben sind die Aufwendungen für die
Geschäftsführung enthalten. Ich bitte, zu verstehen, dass
ich von einer gesonderten Angabe des Personalaufwandes
für den Geschäftsführer, Herrn Kohler, absehen muss, da
personenbezogene Daten, wie Sie sicherlich wissen, der
Vertraulichkeit unterliegen.
Das verstehe ich ei-
gentlich nicht so ganz; denn jeder Bundesbürger kann bei-
spielsweise nachvollziehen, welche Diäten die Abgeord-
neten beziehen und welche sonstigen Einkünfte sie haben.
Insofern ist mir das ein bisschen fremd. Aber wenn Sie sa-
gen, es gebe eine rechtliche Begründung dafür, nehme ich
Ihnen das mal so ab.
Trotzdem noch eine Nachfrage: Wie viele Personen
sind denn inzwischen dort beschäftigt, a) wie viele Ge-
schäftsführer und b) an sonstigem Personal?
Der Status von
Herrn Kohler ist, glaube ich, nicht vergleichbar mit dem
eines Abgeordneten, der dem deutschen Volk verantwortlich ist, Herr Feibel.
({0})
- Das stimmt.
Bei der DEnA ist derzeit ein Geschäftsführer beschäftigt. Wie Sie wissen, ist beabsichtigt, eine zweite Geschäftsführerin zum 15. Juli einzustellen. Darüber hinaus
sind bisher zehn Personen beschäftigt. Es ist beabsichtigt,
das Personalkontingent auf 15 Personen zu erweitern.
({1})
Jetzt noch eine Nachfrage des Kollegen Hirche.
Frau Staatssekretärin, können
Sie mir einmal erläutern, was eigentlich dagegen spricht,
dass das BMWi die Aufgabe selbst wahrnimmt?
Sie wissen, dass
das BMWi zusammen mit Vertretern der Privatwirtschaft
- wie Herrn Breuer, dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank sowie Vertretern der KfW - einen Energieberaterkreis initiiert hat. Die Beratung dieses Kreises ist abgeschlossen. Man hat sich in der Beratung darauf
verständigt, eine Energie-Agentur unter Federführung des
BMWi einzurichten. - Ich glaube, dass das Ihre Frage hinlänglich beantwortet.
({0})
- Nein, Herr Kollege. Sie wissen alle, dass nicht zuletzt
vor dem Hintergrund der Klimaschutzproblematik - Erfüllung des Kioto-Protokolls - das Thema Energiepolitik
ganz oben auf der Agenda dieser Bundesregierung steht.
Die Bundesregierung und die uns beratenden Institutionen
hielten es aus politischen und übergeordneten Gründen für
durchaus notwendig, eine Agentur einzurichten, die dieses
umfangreiche Paket an Aufgaben und Projekten, das ich
Ihnen vorgestellt habe, wahrnimmt. Ich finde, dass das mit
einem relativ geringen Personalaufwand geschieht.
Es gibt eine weitere
Nachfrage, und zwar der Kollegin Dr. Barbara Höll.
Ich möchte gern zur Struktur
der Agentur nachfragen. Geplant sind also 15 Beschäftigte inklusive zwei Geschäftsführer. Dass zwei Geschäftsführer bei insgesamt 15 Beschäftigten notwendig
sein sollen - das ist dann für sechs bzw. sieben Beschäftigte ein Geschäftsführer -, erscheint mir bemerkenswert. Ich halte das für ein überaus günstiges Verhältnis.
Mich würde interessieren, wie die Struktur in der
Agentur ist: Wie viele von den restlichen 13 Beschäftigten sind beispielsweise mit Aufgaben befasst, die sich auf
Büroarbeiten beschränken? Wie viele der Mitarbeiter sind
vergleichsweise im höheren, mittleren und einfachen
Dienst?
Verehrte Frau Kollegin Höll, es ist so, dass zehn Mitarbeiterinnen im Rahmen von Projekten beschäftigt sind. Ich habe vorhin
versucht, darzustellen, dass die Energie-Agentur auch
„Energietage“ organisiert, wie sie kürzlich in Berlin stattgefunden haben, wo sie die Projekte präsentiert. Das
macht der Geschäftsführer. Ich gehe davon aus, dass der
Aufsichtsrat, der aus Bundeswirtschaftsminister Werner
Müller, Herrn Reich von der KfW, Herrn Bodewig, Herrn
Trittin und Herrn Leinberger, ebenfalls Vorstandsmitglied
der KfW sowie dem schon erwähnten Herrn Breuer besteht, seine Gründe hat, eine zweite Geschäftsführerin
einzustellen. Ich gehe davon aus, dass das etwas mit dem
Arbeitsanfall, den Verantwortlichkeiten und Anforderungen an die Agentur zu tun hat.
Jetzt kommen wir zur
Frage 23 des Kollegen Klaus Hofbauer.
Für welche Einzelprojekte bzw. Projektschwerpunkte und in
welchem finanziellen Umfang sind bisher Genehmigungsbescheide im Rahmen des EU-Programms Interreg III ({0}) ausgestellt worden?
Sehr geehrter Herr
Kollege Hofbauer, die EU-Kommission hat noch kein
Interreg-III-Programm mit deutscher Beteiligung genehmigt. Daher konnten noch keine Projekte bewilligt werden. Die Bundesregierung bedauert es außerordentlich,
dass gerade im Bereich der transeuropäischen Zusammenarbeit inzwischen - um es einmal so zu formulieren ein „Förderloch“ von anderthalb Jahren entstanden ist.
Wir haben von der EU-Kommission wiederholt eine
schnelle Bearbeitung der vorgelegten Programmentwürfe
gefordert. Die Kommission hat angekündigt, dass die ersten Programme noch im Juni genehmigt werden. Herr
Kollege, Sie wissen, die Kommission ist hier Herrin des
Verfahrens. Die Mitgliedstaaten sind quasi machtlos.
Sie hat Genehmigungen für folgende Länder in folgenden Zeiträumen in Aussicht gestellt: für Sachsen/
Tschechien Ende Juni, für Sachsen/Polen Ende Juni, für
Bayern/Tschechien Ende Juli, für Bayern/Österreich
Ende Juli, für Mecklenburg-Vorpommern/Polen Juli.
Da ich davon ausgehe, dass im Zentrum Ihres Interesses die Förderung an der bayerisch-tschechischen Grenze
liegt, kann ich Ihnen mitteilen, dass in diesen Bereich EUMittel in der Größenordnung von 60,1 Millionen Euro
fließen werden und dass in der Vorperiode von 1994 bis
1999 16,8 Millionen ECU geflossen sind.
Gehe ich recht in der
Annahme, dass Ihr Beitrag bereits die Beantwortung der
Frage 24 beinhaltete?
Nein.
Nein? - Dann kommt
jetzt die erste Nachfrage des Kollegen Hofbauer.
Frau Staatssekretärin,
teilen Sie meine Auffassung, dass es schon ein äußerst
problematischer Vorgang ist, wenn in einem Programm,
das von uns allen groß angekündigt wurde und auf das
sich die Kommunen - die Maßnahmenträger - eingestellt
haben, jetzt, nach eineinhalb Jahren, die Genehmigungen
noch nicht vorliegen?
Meine Frage lautet: Was möchte bzw. was kann die
Bundesregierung konkret tun, um hier eine Beschleunigung herbeizuführen? Denn dieser Bürokratismus bewirkt natürlich nicht gerade, dass die Stimmung gegenüber der EU positiv ist.
Herr Kollege
Hofbauer, ich teile Ihre Sorge. Sie wissen, dass die Kommission die Leitlinien erst am 23. Mai 2000 veröffentlicht
hat. Wir haben alle deutschen Programme fristgemäß eingereicht. Die Kommission hat sich für die Prüfung fünf
Monate Zeit eingeräumt und aufgrund von Arbeitsüberlastung, von langwierigen kommissionsinternen Abstimmungsprozessen und - wie ich finde - überaus penibler Prüfung die Frist nicht einhalten können.
Darauf, dass wir das bedauern, habe ich hingewiesen.
Wir haben die Kommission mehrfach um eine schnellere
Bearbeitung gebeten, und ich bin froh, dass nunmehr die
Genehmigungen für jene Zeiträume, die ich Ihnen vorgestellt habe, in Aussicht gestellt worden sind.
Herr Kollege
Hofbauer, Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
({0})
Dann rufe ich jetzt die Frage 24 des Kollegen Hofbauer
auf:
Wie erfolgt in der Praxis die Abstimmung der grenzüberschreitenden Projekte im Rahmen von Interreg III?
Herr Kollege
Hofbauer, bei dem Programm erfolgt die Abstimmung der
Projekte an den Binnengrenzen der EU in gemeinsamen
Lenkungsausschüssen, in denen in der Regel einvernehmlich entschieden wird. An den Außengrenzen der
EU, an denen unterschiedliche Programme - Interreg III
und SPHARE-CBS - zum Einsatz kommen, haben sich
die Partner auf Verfahren geeinigt, die innerhalb der Möglichkeiten beider Programme ein möglichst intensives Zusammenwirken bei der Umsetzung des Programms und
der Auswahl der Projekte zulassen. Einzelheiten regeln
die jeweiligen Geschäftsordnungen der Lenkungsausschüsse, die nach Genehmigung der Programme von den
Partnern beschlossen werden.
Auch hier ist die Bundesregierung sehr daran interessiert, dass sich diese Prozesse etwas mehr beschleunigen,
gerade auch vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung
und ihrer Akzeptanz in den Grenzregionen.
Frau Präsidentin, wenn
ich meine beiden Fragen gemeinsam stellen darf: Mich
würde interessieren, in welchem Stadium bzw. in welchem Umfang die Kommunen und die unteren Ebenen
- oder zum Beispiel auch die Euregios - in diesen Prozess mit eingeschaltet werden, weil sich gerade die Euregios in besonderem Maße um die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit bemühen.
Meine zweite Frage, Frau Staatssekretärin, geht dahin:
Gibt es Probleme bei der Abstimmung dieser grenzüberschreitenden Projekte? Denn die Herausforderungen sind
ja auf deutscher Seite vielleicht anders als auf tschechischer oder polnischer Seite. Theoretisch könnte es so sein,
dass auf bayerischer Seite ein Umweltthema im Vordergrund steht, während die tschechische Seite eine Straßenbaumaßnahme durchführen will. Sind der Bundesregierung in dieser Hinsicht Probleme bekannt? Möchte man
dies alles sehr großzügig handhaben, um nicht Verzögerungen zu verursachen?
Herr Kollege
Hofbauer, an den Binnengrenzen stehen auf beiden Seiten
Interreg-Mittel zur Verfügung. Die Finanzierung an den
Außengrenzen der EU erfolgt auf MOE-Seite mit Interreg-Mitteln und aufseiten der Drittländer mit einem Hilfsprogramm der EU, dessen Abwicklung und Finanzierungsregeln sich fundamental - und dies ist ein Problem von den Interreg-Regeln unterscheiden. Dennoch ist es
uns gelungen, an der polnischen und tschechischen Grenze grenzüberschreitende Programme zu erarbeiten, in denen die Projektauswahl gemeinsam, die Finanzierung
aber weiterhin getrennt erfolgt.
Mehr kann ich zu der von Ihnen gestellten Frage nicht
sagen. Ich hoffe aber, sie beantwortet zu haben.
Damit sind wir am
Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf. Sämtliche Fragen, also die Fragen
25 bis 30, werden schriftlich beantwortet.
Daher kommen wir nun zur mündlichen Beantwortung
der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Stephan Hilsberg zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 31 des Kollegen Dr. Klaus Rose
auf - ({0})
- Das ist mir nicht bekannt gewesen. Ich verkünde also
hiermit offiziell, dass die Fragen 31 und 32 schriftlich beantwortet werden.
Ich sehe den Kollegen Hartmut Koschyk im Saal und
rufe daher die Frage 33 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich gegenüber der Deutschen
Bahn AG ({1}) dafür einsetzen, dass die der DB AG zur Modernisierung von Bahnstrecken zur Verfügung gestellten Mittel
aus UMTS-Erlösen auch für die technische Instandsetzung von
Nebenstrecken, wie zum Beispiel der Bahnstrecke Bayreuth-Warmensteinach-Weidenberg, verwendet werden, damit die DB AG
ihrem auch auf dieser Strecke geltenden Infrastrukturauftrag
nachkommt?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege
Koschyk, die Bundesregierung hat mit Mitteln aus den
Zinsersparnissen der UMTS-Funkfrequenzversteigerung
das Zukunftsinvestitionsprogramm für Schienenwegeinvestitionen der Eisenbahnen des Bundes, ZIP, aufgelegt
und wird damit das bestehende Schienennetz entsprechend den Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger
und der Wirtschaft sanieren und modernisieren helfen.
Die Eigentümerin der Bundesschienenwege, die Deutsche Bahn AG, setzt die im Rahmen des ZIP zur Verfügung gestellten Mittel in Wahrnehmung ihrer unternehmerischen Aufgaben an den Stellen des Bestandsnetzes
ein, an denen sie regional und bundesweit die größten Effekte unter anderem hinsichtlich der zu verbessernden
Pünktlichkeit oder der Schnelligkeit des Bahnverkehrs
entfalten, sodass die Leistungsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene insbesondere durch Modernisierung der
Leit- und Sicherungstechnik, Beseitigung von Langsamfahrstellen und Einrichtung von elektronischen Stellwerken nachhaltig gesteigert wird.
Herr Kollege Koschyk
zu einer Zusatzfrage, bitte.
({0})
- Ich schlage vor, dass wir trotz des Stromausfalls mit der
Sitzung fortfahren, da die Mikrofone nach wie vor funktionieren.
Meine erste Nachfrage: Herr Kollege Schmidt vom Bündnis 90/Die Grünen
hat in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats der
Deutschen Bahn AG vor kurzem bei einem Besuch in Hof
ausweislich von Presseberichten darauf hingewiesen,
dass 800 Millionen DM für die Regionalnetze in Bayern
vorgesehen seien und dass die Strecke BayreuthWarmensteinach nach seiner Ansicht in den noch auszuverhandelnden Bereich der Region Hof einzubeziehen
sei. Meine Frage: Wie wird denn die Verteilung der
UMTS-Mittel in dem Bahnbereich erfolgen, den Sie gerade angesprochen haben; wie sieht die Absprache mit
den Ländern aus, wie sind die Länder - in diesem Falle
der Freistaat Bayern - in die Verteilung dieser Mittel eingebunden und wie wird das Ganze durch den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages begleitet werden?
Sehr geehrter Herr Kollege Koschyk, die Bahn hat diese Mittel
zur Wahrnehmung ihrer eigenverantwortlichen Tätigkeit,
also der Sanierung und Instandhaltung des Bestandsnetzes, bekommen und setzt sie in dieser Weise ein. Sie ist
mit den Ländern in ständigem Kontakt darüber, an welchen Stellen der jeweiligen Regionalnetze Investitionen
erforderlich sind, um eine Optimierung des gesamten
Fahrbetriebes zu erreichen.
Die Entscheidung über die Verwendung der Mittel trifft
die Bahn jedoch selbstständig. Das Parlament ist im Rahmen der ständigen Haushaltsberatungen einbezogen.
Herr Kollege Koschyk
zu einer zweiten Nachfrage, bitte.
Trifft es dann zu,
Herr Staatssekretär - ich beziehe mich noch einmal auf
die Aussage des Kollegen Schmidt in seiner Funktion als
Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG -,
dass in diesem Fall der Freistaat Bayern eine Berücksichtigung dieser Nebenstrecke aus dem Segment Regionalnetze beantragen müsste?
Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, die
Wortmeldungen von Kollegen aus dem Parlament zu
kommentieren. Die Antwort auf die Frage im Hinblick auf
die Mittelbereitstellung für die Regionalnetze Bayerns,
müsste ich Ihnen nachreichen.
({0})
- Ja.
Es gibt noch weitere
Nachfragen. Zunächst Herr Dr. Friedrich, bitte.
Herr
Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die
Deutsche Bahn AG die Strecke nach Warmensteinach
stillgelegt hat, ohne das Eisenbahnbundesamt zu beteiligen?
Nach
meiner Kenntnis hat die Deutsche Bahn AG das mit ihr
abgesprochene Streckenstilllegungsverfahren, das zur
Anwendung kommen soll, ordentlich durchgeführt. Das
Verfahren ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
Herr Kollege
Hofbauer, auch Sie haben eine Nachfrage.
Herr Staatssekretär,
sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen die
Bahn verpflichtet wurde, bei solchen sanierungsbedürftigen Strecken, die stillgelegt wurden, ohne dass das
Eisenbahnbundesamt eingeschaltet wurde, eine Sanierung vorzunehmen?
Es gibt
eine klare Verordnung bzw. eine Richtlinie, die festlegt,
wie in Fällen, in denen sich die Wirtschaftlichkeit einzelner Strecken als nicht mehr gegeben herausstellt, vorzugehen ist. Dazu gehört erstens der Versuch, die Kosten auf
dieser Strecke zu senken. Zweitens gehört dazu die Suche
nach entsprechenden Kooperationspartnern und drittens
der Versuch, einen Partner zu finden, der die Strecke übernimmt und in eigener Verantwortung weiterführt. Erst
dann wird sie stillgelegt. Dieses Verfahren ist abgesprochen, und es wird regelmäßig bei allen Strecken, die
möglicherweise zur Stilllegung anstehen, durchgeführt.
Ich rufe jetzt die
Frage 34 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf:
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus den Ergebnissen der am vergangenen Montag in Wunsiedel vorgestellten Machbarkeitsstudie für eine Ost-West-Verbindung zwischen
der Bundesautobahn A 9 und der deutsch-tschechischen Grenze
ziehen, und welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung zur Realisierung dieser Maßnahme ergreifen?
Herr Abgeordneter Koschyk, die Bundesregierung wird den von
der Bayerischen Staatsregierung aus den Ergebnissen der
verkehrswirtschaftlichen Untersuchung und aus denen der
am 25. Juni in Wunsiedel vorgestellten und von mir bereits
erwähnten Machbarkeitsstudie unter Berücksichtigung der
ihr vorliegenden Stellungnahmen aus der Region abgeleiteten Vorschlag für eine vierstreifige B 303 neu bewerten.
Weitere Entscheidungen zum Projekt - zum Beispiel die
Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan - sind von
diesem Bewertungsergebnis abhängig.
Über die Aufnahme in den künftigen Bedarfsplan für
die Bundesfernstraßen entscheidet abschließend der
Deutsche Bundestag im Rahmen der Novellierung des
Fernstraßenausbaugesetzes. Über konkrete Maßnahmen
zur Realisierung des Projektes - beispielsweise ob zweioder vierstreifig - wird die Bundesregierung entsprechend den Aussagen des künftigen Bedarfsplanes für die
Bundesfernstraßen zu gegebener Zeit entscheiden.
Eine Nachfrage des
Kollegen Koschyk, bitte.
Herr Staatssekretär,
Sie sind ausweislich eines Artikels in der „Frankenpost“
vom 23. Juni dieses Jahres mit der Sache insofern befasst
gewesen, als Sie Vertreter der Bürgerinitiative, die sich
gegen dieses Straßenprojekt wendet, empfangen haben.
Sie sollen gesagt haben, dass die schlechte Finanzsituation des Bundes und die nur herbeigeredete Notwendigkeit für die Fichtelgebirgsautobahn genau genommen
bedeuten würden, dass eine Realisierung dieses Projekts
in nächster Zukunft nicht zu erwarten sei. Ihr Gespräch
mit der Bürgerinitiative ist so wiedergegeben worden.
Fühlen Sie sich von der Presse richtig zitiert? Denn mich
wundert, dass die Bürgerinitiative durchs Land zieht und
aufgrund des Gespräches mit Ihnen eine Realisierbarkeit
dieser Strecke bezweifelt.
Herr
Koschyk, wir alle werden gelegentlich mit scheinbar in
Gesprächen gemachten mündlichen Aussagen konfrontiert, die man gegenüber den Betreffenden gar nicht
getätigt hat.
Ich kann dazu nur sagen: Es ist meine Aufgabe, mich
mit sämtlichen Facetten eines Verkehrsproblems von erheblicher Tragweite - dabei handelt es sich bei dieser
Straße - zu beschäftigen, um die Essenz der vorgetragenen Argumente zu prüfen. Eine abschließende Entscheidung zu Fragen, die die B 303 neu betreffen, ist nicht
gefällt worden. Umweltrechtliche Belange müssen
selbstverständlich geprüft werden. Natürlich werden bei
der Entscheidung im Zusammenhang mit der B 303 neu
auch die zur Verfügung stehenden Finanzmittel berücksichtigt werden müssen. Aber eine Vorentscheidung - ich
betone das noch einmal - wird es und kann es nicht geben.
Die wirtschaftlichen Argumente, insbesondere das Argument der verkehrlichen Entlastung der Region, sind mindestens genauso bedeutend - wenn nicht sogar höher einzuschätzen - wie die Frage der Umweltprüfung.
Insofern stelle ich noch einmal fest: Diese Gespräche
sind notwendig. Sie führen zu entsprechenden Konsequenzen. Außerdem ist man nicht für all das verantwortlich, was in Zitaten betreffend die eigene Person ausgeführt wird.
Kollege Koschyk hat
noch eine zweite Nachfrage.
Herr Staatssekretär,
meine Frage lautet: Wenn die Bundesregierung die Anmeldung für die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes betreffend diese Strecke in Bayern auf den
Tisch bekommen hat, wird dann die Bundesregierung dieses Projekt neben dem üblichen prozeduralen Vorgehen in
der Art und Weise, wie Sie es mir vorhin deutlich gemacht
haben, vorsorglich - um hier nichts zu versäumen - auch
im Hinblick auf die mögliche Gewährung europäischer
Mittel anmelden? In der vorigen Woche hat ja Frau Staatssekretärin Mertens in der Fragestunde ausgeführt, dass die
Bundesregierung als Ergebnis der Beratungen von Nizza
bei der Europäischen Union Eisenbahn- und Straßenverkehrsprojekte im Rahmen des Aktionsprogramms für die
Grenzregionen angemeldet hat. Frau Staatssekretärin
Mertens hat einzelne Straßenbauprojekte genannt. Diese
Strecke in Bayern war nicht dabei. Wird die Bundesregierung im Hinblick auf eine Förderung durch die EU diese
Strecke im Rahmen dieses Aktionsprogramms für die
Grenzregionen nachmelden?
Am
Sachstand dieser Problematik hat sich im Laufe der letzten Woche nichts geändert, sodass ich den Antworten von
Frau Mertens nichts hinzufügen kann.
Jetzt gibt es zwei weitere Nachfragen der Kollegen Dr. Friedrich und Heinz
Wiese.
Herr
Staatssekretär, es hat am Montag in Wunsiedel einige Irritationen gegeben, weil die Bayerische Staatsregierung
die bayerische oberste Baubehörde vor einigen Wochen
darauf hingewiesen hat, dass am 30. Juni dieses Jahres
alle Projektdaten für die Anmeldung zum Bundesverkehrswegeplan, also zum Beispiel diese Ost-West-Verbindung betreffend, in Berlin vorliegen müssen und dass
diese Fristsetzung aus Ihrem Hause erfolgt sei. Eine in
diesem Zusammenhang bestehende Bürgerinitiative hat
auf einer am Montag stattgefundenen Veranstaltung
mitgeteilt, aus dem Gespräch mit Ihnen habe sich ergeben,
dass es eine solche Frist nicht gebe. Könnten Sie diesen
Widerspruch bitte freundlicherweise aufklären?
Es gibt
ein ganz normales Regularium zur Feststellung eines
neuen Bundesverkehrswegeplanes, der ein ganz erhebliches Projekt ist. Ich kann das, was mir die Bürgerinitiative
da in den Mund gelegt hat, nicht kommentieren. Was die
Frage des 30. Juni betrifft, muss ich Konkretes nachreichen, weil ich dieses Datum so nicht bestätigen kann.
Herr Kollege Wiese,
bitte Ihre Nachfrage.
Herr Staatssekretär, was, so glauben Sie, kann Ihr Haus unternehmen,
um gerade die vorher erwähnten Verkehrsprojekte im
Rahmen der europäischen Osterweiterung voranzutreiben, und zwar einerseits bezüglich der Schiene, und andererseits der Autobahnprojekte im süddeutschen Raum,
vor allem das Projekt im Rahmen der genannten OstWest-Verbindung?
Herr
Wiese, in erster Linie sind wir dafür verantwortlich, dass,
was die Bundesverkehrswege betrifft, genügend Vorkehrungen getroffen werden, um das zu erwartendende Verkehrswachstum bewältigen zu können. Nach unseren Prognosen und Schätzungen wird es ein Wachstum von im
Durchschnitt 50 Prozent und in einzelnen Spitzenfällen
von bis zu 70 Prozent geben. Das ist nicht wenig. Aber es
ist keinesfalls so, dass der Zustand der Verkehrsinfrastruktur nicht in weitesten Fällen bereits so ist, dass dies
bewältigt werden kann.
Unsere Bemühungen gegenüber der Europäischen
Union betreffen nicht unsere Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Verkehrsinfrastruktur dieses Wachstum bewältigen kann. Es geht um die Verpflichtung, uns darum
zu bemühen, dass die Europäische Union gleichzeitig
Mitverantwortung für diese Verkehrsprojekte übernimmt.
Insofern spielt das für das Projekt der B 303 neu nur eine
untergeordnete Rolle.
Wir kommen jetzt zur
Frage 35 der Kollegin Christine Ostrowski:
Werden die von der Bundesregierung angekündigten 300 Millionen DM für ein Stadtumbauprogramm als eigener Titel zusätzlich in den Bundeshaushalt 2002 eingestellt oder wird dieses Programm durch Umschichtungen aus anderen Haushaltstiteln
gespeist werden?
Für deren Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung.
Frau
Kollegin Ostrowski, die für das Programm „Stadtumbau
Ost“ vorgesehenen 300 Millionen DM sind in dem Entwurf des Haushalts 2002 der Bundesregierung als Verpflichtungsrahmen bei Kap. 1225 Tit. 882 17 „Zuweisungen zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen in den
neuen Ländern ({0})“ ausgebracht worden.
Frau Kollegin
Ostrowski zu einer ersten Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär,
können Sie meine mir vorliegenden Informationen bestätigen, dass sich diese 300 Millionen DM aus 100 Millionen DM aus dem Städtebauförderungsprogramm Ost,
aus 100 Millionen DM aus der Gemeinschaftsaufgabe
und aus 100 Millionen DM aus allgemeinen Haushaltsmitteln zusammensetzen?
Frau
Kollegin Ostrowski, das kann ich so nicht bestätigen. Ich
weiß, dass wir dieses Programm mit 100 Millionen DM
aus dem Etat unseres Hauses, und zwar aus dem Städtebauförderungsprogramm Ost finanzieren. Das hängt damit zusammen, dass wir im laufenden Jahr bereits Umbau- und Rückbaumaßnahmen, die mit Abriss und mit
Wohnumfeldverbesserungen zu tun haben, aus diesen
Mitteln finanzieren. Es ergibt jedoch keinen Sinn, zwei
Töpfe für die gleiche Aufgabe zu haben. Deshalb haben
wir gesagt: 100 Millionen DM schichten wir um.
Die zusätzlichen 200 Millionen DM kommen neu in
unseren Etat. Das ist Geld, das wir nicht aus unserem Etat
gegenfinanzieren. Die Verantwortung für die Mittelverteilung innerhalb der Bundesregierung hat natürlich das
Finanzministerium, sodass ich Ihnen weder bestätigen
noch dementieren kann, ob das, was Sie gerade gesagt haben, zutrifft. Es fällt in die Verantwortung des BMF.
Frau Ostrowski hat
noch eine zweite Frage, bitte.
Sei es, wie es sei. Es stehen im Jahr also 300 Millionen DM zur Verfügung, und
das für drei Jahre, wenn ich es richtig verstanden habe.
Könnten Sie noch etwas zur Mitfinanzierung durch die
Länder und Kommunen und dazu sagen, ob die dann vorhandene Summe ausreicht, um die von der Expertenkommission Wohnungsleerstand angegebene Zahl von
350 000 abzureißenden Wohnungen zu finanzieren?
Diese
300 Millionen DM sollen ungefähr hälftig - das kann man
vorab nie genau wissen, wenn einem nicht bekannt ist,
wie viele Anträge zum Abrissprogramm und wie viele
Anträge zum Wohnumfeldprogramm kommen - in diese
beiden Programmteile einfließen. Mit den Ländern ist
besprochen worden, dass das Geld, das in das Abrissprogramm fließt, zu 50 Prozent vom Bund und zu 50 Prozent
vom Land finanziert wird. Die andere Hälfte finanziert
sich in Anlehnung an die normale Städtebauförderung.
Insgesamt ist das eine Drittelfinanzierung. Das wiederum
würde bedeuten, dass wir mit den 300 Millionen DM an
Bundesmitteln insgesamt 750 Millionen DM pro Jahr generieren, und das wiederum hätte zur Folge, dass wir in
den drei Jahren auf 2,25 Milliarden DM kämen.
Sie wissen, dass die Leerstandskommission - über den
Daumen gepeilt - die Summe von 3 Milliarden DM genannt hatte. Aber das, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, betrifft nur das Programm bis zum Jahre 2004, das heißt, es
ist der Einstieg. Sicherlich wird man, wenn man die Ergebnisse der Solidarpakt-II-Beratungen in den nächsten
Tagen Revue passieren lässt, sehen, dass die Länder genügend Möglichkeiten haben, dieses Programm auch in Zukunft zu finanzieren.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, wir haben nun die seltene Situation, dass
alle unsere Fragen schon beantwortet worden sind. Interfraktionell war vereinbart worden, dass wir jetzt eine
Pause machen. Die Sitzung ist bis 15 Uhr unterbrochen.
Dann rufe ich die Aktuelle Stunde auf.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der PDS
Haltung der Bundesregierung zur drohenden
Auszehrung der Bahnindustrie in Deutschland
vor dem Hintergrund einer existenziellen Gefährdung der Adtranz/Hennigsdorf
Für die Antragstellerin gebe ich zunächst dem Kollegen Dr. Winfried Wolf das Wort.
Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir hatten gestern in Hennigsdorf eine Belegschaftsversammlung, die
am heutigen Tag fortgesetzt wird.
({0})
- Wir, die Allgemeinheit.
Am heutigen Tag sind der SPD-Ministerpräsident
Stolpe, der PDS-Fraktionschef Christoffers und der PDSEuropaparlamentarier Marcov bei der Belegschaftsversammlung in Hennigsdorf.
({1})
Wir im Bundestag diskutieren heute über das Thema
Adtranz/Hennigsdorf. Ich glaube, dieses Thema ist es
wert, dass wir darüber in der Form, ohne uns lächerlich zu
machen, diskutieren.
({2})
Wir hören momentan jeden Tag Schreckensmeldungen
von der Bahn. Vor einigen Tagen, am 10. Juni, haben wir
den massiven Interregio-Abbau erlebt. Wir haben heute erfahren, dass die Bahninstandhaltung erheblich reduziert
wird. Wir haben es gestern erlebt und erleben es heute, dass
in Hennigsdorf bzw. in der gesamten Region 10 000 Jobs
bedroht sind.
Es ist festzustellen, dass die neuen Bundesländer dabei in besonderem Maße betroffen sind. Seit dem
10. Juni zum Beispiel sind Rostock und Magdeburg vom
Interregio, vom Bahnfernverkehr abgehängt. Mit dem
Kahlschlag bei der Instandhaltung der Bahn in
Leipzig-Engelsdorf, Neustrelitz, Delitzsch, Chemnitz
und Zwickau werden 4 000 industrielle Jobs zerstört. Im
Falle Hennigsdorf handelt es sich, wie einige wissen, um
den größten Industriestandort im Berliner Umfeld, der
eine sehr große Tradition gerade im Bereich Bahntechnik aufweist.
Ich möchte gerade als PDS-Abgeordneter dazu zwei
Zitate aus dem Jahre 1989 anführen. Erstes Zitat:
Die Waggon-Industrie in der DDR ist in der Welt
führend.
Zweites Zitat:
Das Werk VEB Lokomotivbau in Hennigsdorf bei
Berlin steht mit der Auslieferung der 500. elektrischen Serienlokomotive der Baureihe 243 an der
Spitze im europäischen Lokomotivbau.
Die beiden Zitate stammen nicht aus der FDJ-Zeitung
„Junge Welt“ oder einer Bezirkszeitung der SED. Das
erste Zitat stammt aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, das zweite aus der Zeitung „Blickpunkt“ der Bundesbahn aus dem Jahre 1989.
Seitdem hat sich viel getan. Das Werk ist sehr viel moderner geworden. Ich möchte auch ganz klar sagen, dass
eine wichtige Mitgift eingebracht wurde, die droht, verspielt zu werden.
Ich glaube, dass die Misere bei der Bahn in wirklich
krassem Widerspruch zu der offiziell bekundeten Politik
steht, und zwar der von allen Parteien hier im Deutschen
Bundestag, das heißt der Politik, wie sie von den Herren
Krause, Wissmann, Müntefering, Klimmt und Bodewig
vertreten wird. Sie sagen zwar, dass wir mit Blick auf die
Klimakatastrophe unbedingt eine Verkehrswende realisieren müssen, dass die Schiene unbedingt im Zentrum
stehen und Vorrang haben müsse.
({3})
Die wirkliche Entwicklung aber sieht so aus - das wissen wir alle -, dass die Anteile der Schiene in den letzten
zehn Jahren zurückgegangen sind. Wir wissen, dass die Belegschaft bei der Bahn in den letzten zehn Jahren um
250 000 abgebaut worden ist. Wir wissen, dass die Bahnindustrie allein in den letzten neun Jahren auf ein Drittel geschrumpft ist. Wir hatten im Jahre 1990 noch 100 000 Beschäftigte in der gesamtdeutschen Bahnindustrie. Heute
sind es noch ungefähr 35 000. Die Zahl der Beschäftigten
im Hennigsdorfer Werk wurde von 8 000 im Jahre 1990
auf jetzt noch 2 500 abgebaut.
Wir glauben, geschichtlich aufzeigen zu können, dass
ein enger Zusammenhang zwischen einer funktionierenden Bahntechnik und einem funktionierenden Schienenverkehr besteht. Man könnte es, wenn genügend Zeit vorhanden wäre, am Beispiel der USA und Großbritanniens
belegen. In diesen Ländern wurde die Bahntechnik vor
dem Niedergang des Schienenverkehrs abgebaut. Deswegen müssen die Bundesregierung und die Länder die
Bahntechnik als eine Schlüsselindustrie begreifen, wenn
sie wirklich die Zukunft der Schiene im Blick haben.
Wir stellen stattdessen fest, dass gerade im Bereich
der Bahntechnik eine extreme Kapitalkonzentration auf
Siemens und Bombardier stattgefunden hat, international
auf Siemens, Alstom und Bombardier. Wir glauben, dass
hierin - auch wenn man nicht Sozialist ist, sondern rein
marktwirtschaftlich diskutiert - eine unheimliche Gefährdung des Wettbewerbs liegt. Dabei spielen noch erhebliche
({4})
fremde Interessen hinein. Beispiel: Bombardier ist weltweit der größte Regionalflugzeughersteller und gleichzeitig weltweit der größte Hersteller von Bahntechnik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zum
Schluss sagen: Wir glauben, dass Land und Bund gefordert sind, und zwar der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn AG, über die Regionalisierungsmittel, in Bezug auf Art. 87 e des Grundgesetzes und in Bezug auf die
konkrete Bestellpolitik. Wir glauben, dass bei einer überzeugenden Politik für die Schiene alle Standorte in der
Bahntechnik gesichert werden können.
Mein Wahlkreis ist Mannheim. Ich bin mit Betriebsräten im Mannheimer Adtranz-Werk eng befreundet. Die
Adtranz-Kollegen in Mannheim wollen für den Erhalt
aller Standorte innerhalb der Bundesrepublik Deutschland kämpfen und glauben, dass eine richtige Bahnpolitik
das auch ermöglichen würde.
({5})
Ich erteile
das Wort dem Kollegen Dr. Ditmar Staffelt für die Fraktion der SPD.
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte
ich auf das Thema der Gefährdung des Standortes Hennigsdorf eingehen. Ich will hier nichts herunterspielen.
Aber ich möchte doch zunächst einmal festhalten, dass es
jedenfalls nach unserem Erkenntnisstand keinerlei unmittelbare Entscheidung in Bezug auf Hennigsdorf gibt. Dass
wir es bei Adtranz mit einem Unternehmen zu tun haben,
das in den letzten Jahren leider eine sehr schwierige
Geschichte aufweist, steht fest: von der AEG-Zeit über
die Zeit mit Daimler-Benz und ABB bis heute mit
Bombardier. Viele Fördermittel sind gerade im östlichen
Deutschland in Anspruch genommen worden. Dass wir
den Prozess, der im Moment innerhalb des Unternehmens
stattfindet, begleiten sollten, gegebenenfalls auch kritisch, steht außer Frage.
Ich bin aber sehr dagegen, hier von einer Krise zu sprechen, die jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt aus meiner
Sicht keine ist.
({0})
- Ich sage das nach Gesprächen mit Betriebsräten, mit
dem Unternehmen und mit Kundigen in dieser Frage. Ich
weiß sehr wohl, dass - wenn die Zahlen richtig sind Bombardier, europaweit und weltweit aufgestellt, im Moment ein Benchmarking innerhalb des Unternehmens
durchführt, das Ergebnisse zeitigen muss, weil es in einer
ganzen Reihe von Betrieben Produktüberschneidungen
gibt: Wagenkastenrohbau, Innenausbau, Achsgestelle.
Davon sind verschiedenste Unternehmensbereiche von
Adtranz in Deutschland betroffen, auch Hennigsdorf.
Ich bin mit Ihnen durchaus einer Meinung, dass wir alles
Mögliche dafür tun wollen, um möglichst alle Standorte
und viele Arbeitsplätze zu erhalten. Zu Hennigsdorf kann
ich nur sagen: Die brandenburgische Landesregierung
muss darüber nachdenken, was sie tun kann, um diesem
Standort zusätzliche Attraktivität zu verleihen. Da ist von
der bekannten Bahnteststrecke die Rede; ob das ausreichend sein wird oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber die brandenburgische Landesregierung kann
hier sicher etwas unternehmen.
Sehr wichtig erscheint mir, dass wir Meldungen zufolge ein Problem im Konzern Bombardier in Deutschland haben, dass nämlich der Umsatz je Mitarbeiter
bei 162 000 Euro liegt, während er beim Konkurrenten
Siemens offenbar bei 276 000 Euro pro Mitarbeiter oder
Mitarbeiterin liegt. Dass das betriebswirtschaftliche Maßnahmen auslöst, um wettbewerbsfähig zu bleiben, liegt
auf der Hand. Aber die Beantwortung der Frage, ob das
immer nur über den Abbau von Beschäftigung möglich ist
oder ob es nicht auch andere Formen der Rationalisierung
gibt, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu
steigern, müssen wir dem unternehmerischen Feld überlassen. Solche Entscheidungen können wir als Politiker
nur schwerlich unmittelbar beeinflussen.
Auf der gestrigen Sitzung des Wirtschaftsausschusses
bei der Deutschen Bahn AG hat Herr Mehdorn - das habe
ich selber gehört - ausdrücklich gesagt: Es ist Ziel der Unternehmenspolitik der Deutsche Bahn AG, insbesondere
in neue Bahnen und neue Waggons sowohl für den Nahund Regionalverkehr als auch für den ICE-Verkehr zu investieren. Auf meine Frage, was das für Adtranz und die
jetzige Diskussion bedeute, hat er uns ausdrücklich gesagt, dass jedenfalls die Deutsche Bahn AG Adtranz sehr
viele Aufträge erteilt habe und dass deren Auftragsbücher,
so seine Einschätzung, allein aufgrund der Aufträge der
Bahn für die nächsten zwei bis drei Jahre gefüllt seien. Ich
vermag nicht zu beurteilen, wie Bombardier Aufträge innerhalb des Gesamtunternehmens verteilt. Natürlich wird
dies auch nach Kostengesichtspunkten geschehen. Das
liegt auf der Hand; denn auch die Auftraggeber haben ein
Interesse daran, ein wettbewerbsfähiges, kostengünstiges
Produkt zu erhalten.
Deshalb, glaube ich, sollten wir mit Augenmaß Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen an allen Standorten von Bombardier in Deutschland führen und sollten
den Prozess begleiten. Allerdings sollten wir keine Panikmache betreiben. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die
wie Ministerpräsident Stolpe heute vor Ort sind, einen
Weg finden werden, um mit der Belegschaft und der Unternehmensleitung im Dialog zu bleiben, die, soweit ich
weiß, in zwei bis drei Monaten erste Entscheidungen treffen möchte. Ich meine, erst dann sollten wir weiterdiskutieren.
Wir müssen auch gegenüber der Unternehmensleitung
immer wieder darauf hinweisen, dass gerade die ostdeutschen Standorte aus unserer politischen Sicht eine besondere Priorität genießen müssen, weil dort die wenigen industriellen Kerne nicht auf dem Spiel stehen dürfen, und
dass viele Subventionen des Staates in den dort getätigten
Investitionen stecken. Ich glaube also, es gibt hier eine
Verpflichtung über das rein Unternehmerische hinaus.
Schönen Dank.
({1})
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Ulrich Klinkert.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Die Probleme von Adtranz und der
Deutschen Bahn fallen in eine Zeit von Inflation, Stagnation und steigender Arbeitslosigkeit insbesondere in den
neuen Bundesländern. Es vergeht kein Tag, an dem die
Wirtschaftsprognosen nicht gesenkt werden müssen oder
an dem man nicht von weiteren Betriebsschließungen lesen muss. Erstmals seit der Wiedervereinigung gibt es im
ersten Halbjahr 2001 mehr Firmenpleiten als Firmenneugründungen in den neuen Bundesländern. Dies ist kein
Zufall. Dies ist das Ergebnis Ihrer Politik.
({0})
Es ist auch kein Zufall, dass es die meisten Firmenpleiten in den rot-rot regierten Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gibt,
({1})
in denen das von der SPD favorisierte Modell für Berlin
oder für ganz Deutschland schon seit Jahren - aus Ihrer
Sicht: erfolgreich - praktiziert wird. In diese Zeit des
Abschwungs Ost platzt dann die Meldung, dass 2 500 Arbeitsplätze bei Adtranz in Hennigsdorf und weitere 5 000
bei Zulieferern gefährdet sind. Wenige Tage später gibt
der Chef der Deutschen Bahn, Herr Mehdorn, die Schließung von acht seiner 18 Instandhaltungswerke bekannt,
wodurch insgesamt 5 900 Arbeitskräfte freigesetzt werden.
({2})
- Um auf Ihren Zwischenruf, Herr Staffelt, einzugehen:
Ich habe Herrn Mehdorn gestern Abend gefragt, wie er begründet, dass die Mehrzahl der Schließungen in den neuen
Bundesländern zu verzeichnen ist. Er hat dort nicht die
volle Wahrheit gesagt. Er hat zum Beispiel nicht gesagt
- das verwundert und empört mich am meisten -, dass alle
vier Standorte in Sachsen geschlossen werden. Ich glaube,
wir sollten uns dies - das gilt fraktionsübergreifend nicht weiter gefallen lassen.
({3})
Von den 5 900 Arbeitskräftefreisetzungen werden allein
2 300 in Sachsen erfolgen.
Was mich dabei besonders verwundert, ist die Tatsache,
dass im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn mehrere Staatssekretäre der Bundesregierung und immerhin auch ein Abgeordneter der Grünen sitzen. So sehe ich in der Verabschiedung der Deutschen Bahn aus Sachsen und aus den neuen
Bundesländern insgesamt durchaus keinen Zufall, sondern
politischen Willen. Wenn der Bundeskanzler im Sommer
wieder durch die neuen Bundesländer tourt, dann sollte man
ihn schonungslos mit den Ergebnissen seiner verfehlten
Wirtschaftspolitik konfrontieren. Man muss dem Bundeskanzler sagen: Dieser Abschwung Ost ist sein Abschwung.
({4})
Zwar sitzt kein Mitglied der Bundesregierung im Aufsichtsrat von Adtranz; dennoch ist die Krise dieses Unternehmens als ein Ergebnis der rot-grünen Wirtschaftspolitik anzusehen.
Worum geht es? Wie wir wissen, ist Adtranz in ausländischem Besitz. Diese Bundesregierung tut alles, um ausländische Investoren aus Deutschland zu vergraulen.
({5})
Die Bundesregierung hat zum Beispiel als Gegengeschenk
für die Wahlkampfhilfe der Gewerkschaften für die SPD in
Höhe von 8 Millionen DM ein aufgeblähtes Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet, das insbesondere ausländische Investoren von deutschen Standorten abschreckt.
({6})
Als Entgegenkommen an die Grünen werden die Genehmigungsverfahren bis zur Unmöglichkeit verkompliziert.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich kann verstehen, dass Sie das innerlich aufwühlt. Aber Sie müssen
diese Wahrheiten ertragen; denn Sie haben sie schließlich
verursacht und zu verantworten.
({7})
Sie treiben die Energiepreise in astronomische Höhen.
Wie wir bei einer Anhörung heute von einigen Sachverständigen erfahren haben, sind weitere Preissteigerungen
im Bereich der Energie zu erwarten, nicht zuletzt durch
die KWK-Pläne, die die rot-grüne Bundesregierung
verabschiedet hat. Dies könnte zu weiteren Firmenschließungen, insbesondere bei energieintensiven Betrieben, zum Beispiel in der Aluminiumindustrie, führen.
Zurück zu Hennigsdorf. Wir sehen dennoch Chancen
für diesen Standort. Der brandenburgische Wirtschaftsminister Fürniß hat die finanzielle Unterstützung für den Bau
einer Teststrecke angekündigt. Ich glaube, dadurch würde
der Standort aufgewertet werden und kurze Wege zwischen Forschung, Erprobung und Produktion wären gewährleistet. Aber auch die Bundesregierung ist aufgefordert, sich für den Erhalt von Hennigsdorf einzusetzen. Was
den Beschäftigten im hessischen Betrieb Holzmann recht
ist, muss den ostdeutschen Mitarbeitern von Adtranz billig
sein.
({8})
Ich fordere die Bundesregierung auf, zu erklären, dass
sich die von ihr entsandten Mitglieder des Aufsichtsrates
der Deutschen Bahn gegen die Pläne von Herrn Mehdorn,
gegen den Kahlschlag Ost stellen und ihm nicht zustimmen werden.
Vielen Dank.
({9})
Für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege
Albert Schmidt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die allermeisten von uns in diesem Haus waren
sich 1993 und 1994 einig, dass mit der Organisationsprivatisierung des Systems Deutsche Bahn Aktiengesellschaft, zusammengeführt aus der ehemaligen Bundesbahn und der ehemaligen Reichsbahn, mehr als nur eine
Umorganisation, eine Umstrukturierung verbunden ist;
man ging davon aus, dass damit vielmehr der Auftrag und
der Wille des allergrößten Teils dieses Hauses einhergeht,
dieses System auf dem Markt konkurrenzfähig zu machen, es unternehmerisch zu führen und produktiver zu
werden.
In den letzten Jahren haben sowohl die Vorstände, und
zwar alle, als auch die Arbeitnehmervertretungen, die Betriebsräte, die Gewerkschaften, eindrucksvoll bewiesen,
dass sie sehr wohl in der Lage sind, durch die Mischung
von Konflikt und Kooperation, die nun einmal zum Zusammenwirken der Tarifpartner gehören, ungeheure Produktivitätsfortschritte zu erzielen und dabei schwierige
Einschnitte sozialverträglich und ohne betriebsbedingte
Kündigungen vorzunehmen.
Ich glaube, wir sind uns trotzdem einig, dass der Bund
auch heute noch eine doppelte Verantwortung für die
Marktchancen der Bahn hat: zum einen eine verkehrspolitische Verantwortung durch die Gestaltung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen,
({0})
die sich natürlich mittelbar auf die Unternehmen auswirken, und zum anderen eine besondere Verantwortung als
Eigentümer des Unternehmens Deutsche Bahn Aktiengesellschaft. Infolgedessen finde ich es angemessen, dass
wir über diese Frage heute diskutieren. Diese Diskussion
müssen wir in unserer mittelbaren Verantwortung für die
Bahnindustrie führen, denn die Auftragslage hängt natürlich auch ein Stück weit von dem ab, was wir hier tun oder
nicht tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich
möchte noch einmal die Situation der letzten Jahre in Erinnerung rufen. Von Jahr zu Jahr - ich habe dies sehr genau in Erinnerung - wurden weniger neue Züge bestellt
und von Jahr zu Jahr wurden Bestelloptionen zurückgenommen, weil die DB als Unternehmen das Geld nicht
mehr hatte, um die neuen Züge zu bestellen und zu kaufen.
({1})
- Herr Kollege Grund, es ist besser, das ist kein Witz. Zum ersten Mal seit langem hat die Bahn jetzt ihre beabsichtigten Bestellungen für neue Züge um 2 Milliarden DM auf 8,5 Milliarden DM in den nächsten fünf
Jahren gesteigert. Mit einer Zusage der Bundesregierung
von 27 Milliarden DM bestehen zum ersten Mal seit langem solide Investitionsgrundlagen für die nächsten drei
Jahre. Dies haben wir im Bundestag beschlossen und so
wird es auch im Haushaltsplan verankert werden. Wir haben die Regionalisierungsmittel zur Bestellung von Nahverkehrszügen durch die Länder auf 13,5 Milliarden DM
gesteigert und wir haben von 1994 bis einschließlich 2002
über 20 Milliarden DM für die soziale Abfederung - auch
von Personalanpassungen inklusive der aktuellen Verlängerung der Vorruhestandsregelung - eingesetzt. Hier wurde ein großes Stück Verantwortung wahrgenommen, und
das ist gut so.
Was können und müssen wir im Gegenzug vom Unternehmen Deutsche Bahn erwarten? Wenn wir als Gesetzgeber sehr viel Geld zur Verfügung stellen, müssen wir
auch Erwartungen an das Unternehmen formulieren.
Wir erwarten erstens - ich sage das ganz deutlich -,
dass die Aussagen der Verkehrsminister - das gilt für
Müntefering, für Klimmt und für Bodewig - ernst genommen werden, die besagten, dass keine betriebsbedingten Kündigungen in die Arbeitslosigkeit erfolgen
sollen.
Wir erwarten zweitens, dass sämtliche Auszubildenden
ihre Ausbildung ordnungsgemäß abschließen können und
vom Unternehmen übernommen werden.
Wir erwarten drittens, dass diejenigen zwei Drittel der
Arbeitnehmer, die von den drohenden Werksschließungen
betroffen sind, einen tarifvertraglichen Anspruch auf
gleichwertige Beschäftigung im Unternehmen haben. Sie
müssen diese Beschäftigungsmöglichkeit wirklich erhalten. Auch für das restliche Drittel der Arbeitnehmer müssen Ersatzarbeitsplätze - auch durch Anstrengungen der
Deutschen Bahn AG - geschaffen werden.
({2})
Zu den einzuholenden Arbeitsangeboten gehören auch
qualifizierende, beschäftigungsfördernde Maßnahmen,
die das Unternehmen in der jeweiligen Region unterstützen muss.
Wir erwarten viertens, dass die Bundesregierung das
Standortkonzept, das im Raum steht, mit aller Verantwortung prüft. Ich spreche in diesem Zusammenhang auch
das Bundeskanzleramt an. Bei einem Vorgang dieser Größenordnung muss es sich um ein Chefthema handeln und
im Bundeskanzleramt entsprechend geprüft werden. Ein
aktives Standortmanagement in den betroffenen Regionen - ob in Nürnberg, Sachsen oder sonst wo - ist nun im
Zusammenwirken zwischen der Landesebene, der kommunalen Ebene, dem Unternehmen selbst und auch der
Bundespolitik gefragt.
({3})
Ich habe es eingangs gesagt: Gefordert sind jetzt in erster Linie der Vorstand des Unternehmens und die Arbeitnehmervertretungen, nämlich die Betriebsräte und die
Gewerkschaften. Wir haben allen Anlass, ihnen zuzutrauen, dass diese mit der Situation sinnvoll und verantwortungsbewusst umgehen.
Ich sehe noch eine Menge offener Punkte und möchte
einen letzten nennen: Bei diesem Standortkonzept ist unterstellt worden, dass lediglich 3 Prozent aller Aufträge als
Fremdaufträge von außen in die Werke kommen. Das ist
eine völlig verfehlte Annahme angesichts dessen, dass wir
zunehmend mehr Verkehr von NE-Bahnen - nicht staatlichen Bahnen - haben. In den entsprechenden Fuhrparks
wird es - zum Teil besteht er schon - zu einem Restaurationsbedarf kommen.
Es gibt also noch eine Menge zu diskutieren. Wir sollten hier nicht mit klugen politischen Ratschlägen und parteipolitischem Gezänk vorgehen. Wir sollten unsere Verantwortung - also die des Bundes - ernst nehmen. Dafür
werden wir uns einsetzen.
({4})
Das Wort
hat der Kollege Horst Friedrich für die Fraktion der F.D.P.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hätte ich gedacht, wir hätten eine Aktuelle Stunde zur problematischen Situation in Hennigsdorf. Bisher, gerade in der letzten Rede, habe ich eigentlich mehr über die Problematik
der Ausbesserungswerke der DB gehört. Diese haben
vielleicht auch ein wenig etwas damit zu tun, aber mit
Hennigsdorf nur ganz am Rande.
Ich schlage vor, uns auf Hennigsdorf zu konzentrieren.
Hiermit hängt grundlegend eine gewisse Problemstellung
zusammen, die der Kollege Schmidt schon angesprochen
hat, nämlich die Privatisierung der Bahn. Wie ist denn
die Situation? Wir hatten und wir haben im Wesentlichen
einen Nachfrager für Dienstleistungen und Fahrzeuge der
Bahnindustrie. Das ist nach wie vor die Deutsche Bahn.
Vorher war es im Westen die Deutsche Bundesbahn und
im Osten die Deutsche Reichsbahn; ihr arbeitete die Deutsche Waggonbau zu.
Mit der Privatisierung der Bahn 1994 hatte Herr Dürr
als Vorstandsvorsitzender seine Rechte genutzt, die Abschaffung des Umwegs und eine Umstellung bei Bestellungen von Fahrzeugen durchzusetzen. Er hat nicht mehr
in Abstimmung mit den ehemaligen Bundesbahn-Zentralämtern definiert, wie eine Lokomotive oder ein Waggon auszusehen haben - die Preise waren zufälligerweise
immer genau die, die man vorher angesetzt hatte -, sondern er hatte sich im Wege des Verhandlungsverfahrens
auch aus dem europäischen Raum Angebote machen lassen und hat die Unternehmen teilweise - Schuld daran
waren die selber - dazu gezwungen, zu Preisen unter den
Gestehungskosten abzuliefern, damit sie überhaupt im
Geschäft waren.
Es gab Siemens, Adtranz - vormals AEG -, Talbot,
Linke-Hofmann-Busch und kleinere Firmen wie Graf;
hinzu kam mit der Einigung die Deutsche Waggonbau.
Dann kam Bombardier aus Kanada und hat zunächst Talbot aufgekauft, sich bei der Deutschen Waggonbau engagiert und hat nun einen weiteren Konkurrenten durch Aufkauf vom Markt genommen, nämlich Adtranz. Dass das
Konsequenzen haben musste, war gerade im Hinblick auf
Adtranz eigentlich klar zu erkennen, denn Adtranz hatte
vorher schon in Nürnberg Werke geschlossen, ohne dass
deswegen der große Aufschrei durch die Republik gegangen wäre,
({0})
obwohl in Nürnberg durch Probleme bei Grundig und anderen Firmen ebenfalls eine relativ schwierige Situation
am Arbeitsmarkt herrscht.
Wo liegt eine Lösung des Problems? Die Bahn hat
heute erklärt, wenn ich der Wirtschaftsseite der „Welt“
glauben darf, dass Herr Mehdorn als Ausgleich für die
Schließung der Ausbesserungswerke für 8,5 Milliarden DM neue Fahrzeuge bestellt.
({1})
Das wäre ja eigentlich ein Signal an die Bahnindustrie zu
sagen: Donnerwetter, 8,5 Milliarden DM - daran können
wir uns ja beteiligen.
({2})
Man höre sich einmal in Deutschland um: Jetzige Wettbewerber der Deutschen Bahn sagen, sie würden mehr auf
die Schiene setzen und mehr anbieten. Es gibt Firmen, die
schon am Markt sind: Bei Düsseldorf zum Beispiel hatte
ein Unternehmen eine Strecke übernommen, auf der
800 Personen befördert wurden. Mittlerweile sind es
12 800 Fahrgäste. Dieses Unternehmen würde gerne das
Angebot noch weiter ausweiten, das Problem ist bloß,
dass sie keine Wagen und keine Lokomotiven bekommen,
weil die deutsche Waggonbauindustrie Lieferzeiten hat.
({3})
Bei mir vor Ort ist der neue Pendolino - Baureihe 612, gebaut von Adtranz - mit über einem Jahr Verspätung aufgrund von Lieferschwierigkeiten bei Adtranz, offensichtlich wegen Kapazitätsproblemen, ausgeliefert worden.
Das steht eigentlich in krassem Widerspruch zu den jetzt
aufgestellten Behauptungen, es gäbe keine Aufträge.
Das Problem werden wir auf Dauer nicht politisch lösen, zumindest nicht so, indem wir fordern, dass Hennigsdorf oder welcher Standort auch immer auf jeden Fall
erhalten bleiben müsse. In Bezug auf das, was nötig ist,
sind wir auf unserer Seite allerdings ziemlich eindeutig:
Wir brauchen eine moderne Eisenbahnpolitik,
({4})
wir brauchen die Trennung von Netz und Betrieb,
({5})
wir brauchen mehr Wettbewerb auf der Schiene,
({6})
dann gibt es wieder mehr Nachfrage nach entsprechenden
Leistungen, und wir brauchen, liebe Freunde von Rot und
Grün, endlich eine Standortpolitik, die die Lohnkosten
Albert Schmidt ({7})
und damit die Fertigungskosten in Deutschland so absenkt, dass deutsche Werke im Benchmarking, wie es so
schön neudeutsch heißt, gegenüber Anbietern außerhalb
Deutschlands - GEC Alstom und wie sie alle heißen mögen - konkurrenzfähig sind.
({8})
Da setzt politisch verantwortliches Handeln an. Darüber
hinaus muss man sich über bestimmte andere Punkte einigen.
Ich glaube nicht, dass es bei allem Engagement letztendlich gelingt - ich unterstütze jedes Engagement, das
hilft -, den Kollegen und den Arbeitern in Hennigsdorf
eine Chance auf Weiterarbeit zu geben. Wir müssen aber
losgelöst von der Ad-hoc-Debatte, der aktuellen Problemlage und der gegenseitigen Schuldzuweisungen schon
versuchen, eine Grundlage dafür zu schaffen, dass Arbeitsplätze in der Bahnindustrie langfristig und sinnvoll
erhalten bleiben können. Man muss da ansetzen, wo ich
geendet habe. Mit dem verbalkosmetischen Austausch,
den Sie vornehmen, kommen wir nicht weiter.
Danke sehr.
({9})
Für die Bundesregierung spricht der Parlamentarische Staatssekretär
im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, der Kollege Stephan Hilsberg.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Mein erstes Wort gilt den Hennigsdorfern. Die Proteste,
die sich aus den Sorgen um den Standort und die Arbeitsplätze herleiten, sind nicht nur verständlich, sondern in
meinen Augen auch berechtigt. Sorgen um den eigenen
Standort und um den Arbeitsplatz sind immer auch Sorgen um die persönliche und regionale Existenz. Da ist
es nur allzu richtig - in unserer Mediendemokratie erst
recht - wenn man mit öffentlichen Kundgebungen auf
diesen Umstand aufmerksam macht, um deutlich zu machen: Wir werden uns mit der Situation nicht abfinden.
Wir wollen, dass Politik und Wirtschaft sich um uns kümmern, damit für uns eine gute Existenzperspektive bleibt.
({0})
Natürlich - da hat Herr Staffelt völlig Recht - gibt es
überhaupt keinen Grund zur Panikmache, gerade weil
Angst der schlechteste aller Ratgeber ist. Man hat auch
nichts davon, wenn man Leute sozusagen wild macht.
Aber das tun die Hennigsdorfer auch nicht. Im Übrigen
sind die Schwierigkeiten in Hennigsdorf, von denen wir
schon lange wissen und die wir schon eine Weile begleiten - auch das ist deutlich geworden; Herr Friedrich, gut,
dass Sie das so angesprochen haben -, keineswegs ein
Symbol für einen vermeintlichen Abschwung in Ostdeutschland. Die übrigen Zahlen der wirtschaftlichen Entwicklung gerade im verarbeitenden Gewerbe in Ostdeutschland sind besser als die in den alten Bundesländern. Das muss man hier auch einmal sagen.
({1})
- Sie brauchen den entsprechenden Informationen aus
den eigenen Wirtschaftsforschungsinstituten bis hin zu
dem aus Halle, die auf diese Perspektiven hinweisen, keinen Glauben zu schenken; aber das sind schlicht und einfach Fakten.
({2})
Wie Sie damit politisch umgehen, steht in Ihrer Verantwortung. Aber was vor Ort wirtschaftlich passiert,
({3})
das hat man zur Kenntnis zu nehmen, übrigens gerade in
Verantwortung für die regionale Perspektive in vielen
Ländern Ostdeutschlands.
In Henningsdorf werden wir Zeuge eines Konsolidierungsprozesses in der Bahnindustrie, der nicht erst in diesem Jahr angefangen hat, sondern der schon eine ganze
Weile zurückgreift. Dieser Konsolidierungsprozess führt
zu schwierigen Entscheidungen und natürlich zu sozialen
Härten. Weil er zu sozialen Härten führt, ist er nicht allein
eine Frage der Wirtschaft, sondern hat eine enorme politische Dimension. Das ist ein politischer Vorgang und wir
alle müssten hier so darüber diskutieren, dass deutlich
wird, dass wir uns der politischen Verantwortung für diesen Vorgang bewusst werden, und zwar in einer Art und
Weise, dass die Leute vor Ort uns verstehen und dass sie
das Gefühl haben, wir nehmen sie ernst.
Wir brauchen geeignete politische Instrumente, mit
denen die Situation vor Ort gelindert werden kann, mit
denen dort, wo es möglich ist, eine Perspektive wieder
hergestellt werden kann. Und wir brauchen begleitende
Maßnahmen.
({4})
In Bezug auf den Standort Hennigsdorf ist zum Beispiel
darüber zu reden, dass mit der Teststrecke ein gutes Angebot unterbreitet worden ist. Die Teststrecke kann die
Zukunft dieses Standortes mit garantieren. Das Unternehmen muss selbst entscheiden, ob es diese Option annehmen will. Wir machen dieses Angebot und ich kann hier
vonseiten der Bundesregierung sagen: Wir haben nach
Prüfung der Fördermöglichkeiten grünes Licht für die Infrastruktur der Teststrecke gegeben und es ist Sache des
Landes Brandenburg und des Unternehmens, die entsprechenden Mittel dafür einzusetzen. Die GA-Mittel für die
Finanzierung solcher Fördermöglichkeiten werden zur
Hälfte vom Bund gegeben; daran liegt es nicht. In puncto
Teststrecke kann man eine Menge machen. Außerdem verfolgen wir noch eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten.
Wir haben die Situation, dass die Deutsche Bahn selbst
ein Problemfall ist, der saniert werden muss; darüber
Horst Friedrich ({5})
haben wir heute lange geredet. Aber ohne die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für die Netzertüchtigung wird das
nicht gehen. Wir haben für die Sanierung und Instandsetzung Mittel zur Verfügung gestellt: 2 Milliarden DM in
diesem Jahr, insgesamt 6 Milliarden DM in den nächsten
drei Jahren. Damit schaffen wir die Möglichkeit, dass zusätzliches Material in höheren Geschwindigkeiten fahren
kann.
Die Bahn hat einen großen Bedarf an Hightech-Produkten bei Waggons, Triebwagen usw. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Anlass, sich auf Dauer um die Zukunft der Bahnindustrie Sorgen zu machen.
({6})
Es sind aber auch andere Prozesse zu berücksichtigen,
insbesondere auf dem Weltmarkt in diesem Bereich.
Wenn sich die Bahn nicht nur auf Anbieter in Deutschland
beschränkt, sondern sich auf Anbieter in Europa und in
anderen Teilen der Welt umorientiert, muss sich auch die
Bahnindustrie auf andere Kunden umorientieren. Sie darf
sich nicht auf die DB AG und nicht auf die im Bundesbesitz befindlichen Bahnen in Deutschland beschränken,
sondern muss sich auf Bahnunternehmen in anderen Ländern umorientieren.
Vor diesem Hintergrund sind auch die neuen wirtschaftlichen Verbindungen zu sehen. Es ist ja schließlich
nicht nur Bombardier, das sich um deutsche Unternehmen
bemüht. Eine Sache muss ich Ihnen, nicht nur vor dem
Hintergrund unseres Binnenmarktes, ganz klar sagen: Wir
bekennen uns zu einer internationalen Wirtschaft. Anders
lassen sich unsere Probleme doch gar nicht lösen.
({7})
Sie können hier doch nicht versuchen, nationale Ressentiments zu mobilisieren, wenn wir gleichzeitig für
Deutschland als Wirtschaftsstandort für Investitionen aus
vielen anderen Ländern werben. Wer so mit dem Problem
umgeht, der macht den Wirtschaftsstandort Deutschland
schlecht. Das, meine ich, kann sich nicht einmal eine
CDU leisten.
({8})
Ich will noch einige weitere Punkte nennen. Wir sind
uns auch bewusst, dass es nicht nur um den Standort Hennigsdorf geht; es gibt viele andere Standorte, die sich
ebenfalls Sorgen machen. Wir haben auch Sorge dafür zu
tragen, dass die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort in einer Art und Weise stattfinden kann, dass diese Regionen
ihre Zukunft behalten. Es wird darauf ankommen, aus
diesen Bedingungen insgesamt eine optimale Entscheidung zu treffen. Dass so etwas möglich ist, zeigt beispielsweise die Perspektive des Ausbesserungswerkes
Stendal, wo es offenbar gelingen kann, eine Lösung zu
finden, die zum Erhalt dieses Standortes führt. So sehe ich
Möglichkeiten auch in verschiedenen anderen Bereichen.
Natürlich reicht es nicht aus, als Bundesregierung vor
dem Parlament Stellung zu nehmen. Es ist nötig und richtig, dass wir uns darüber unterhalten; aber ich werde mir
persönlich vor Ort ein Bild von der Lage machen und mit
den betroffenen Mitarbeitern, dem Betriebsrat und der
Geschäftsführung darüber reden, was man zusätzlich tun
kann.
({9})
- Wir haben uns noch nie zurückgehalten, wenn es um die
Sorgen einzelner Standorte ging. Das werden Sie uns
nicht vorwerfen können, Herr Klinkert.
({10})
Wir werden überall dort vor Ort sein, wo es nötig ist,
wo diskutiert werden kann, wo Chancen bestehen und wo
mit politischen Maßnahmen geholfen werden kann. Dies
ist keine Frage des Standorts. Wir sind für alle Standorte
zuständig und für die gesamte Bahnindustrie gleichzeitig
mitverantwortlich.
({11})
Aber es gibt noch einen anderen Punkt. Das sage ich
ganz bewusst an die Hennigsdorfer gerichtet: Ich wünsche Ihnen bei Ihren Bemühungen um den Standort viel
Glück; diese Bemühungen sind nicht falsch.
({12})
Aber ich wünsche Ihnen auch das notwendige Augenmaß
dafür, dass Sie die richtigen Maßnahmen treffen. Lassen
Sie sich nicht politisch instrumentalisieren! Es gibt verschiedene Akteure, die das Problem Hennigsdorf/Adtranz/
Bombardier mit ihren eigenen politischen Wünschen aufladen; aber das Schicksal der anderen ist ihnen an dieser
Stelle gleichgültig. Lassen Sie sich nicht instrumentalisieren! Wir wissen, wie die politischen Geschicke vor Ort gelegentlich behandelt werden.
Wir haben ein Augenmerk auf den Standort Hennigsdorf wie auf die gesamte Situation in der Bahnindustrie.
Wir werden uns für eine verantwortbare Handlungsweise
entscheiden. Ich habe dafür bereits einige Beispiele genannt.
({13})
Das, was für die Vergangenheit gilt, wird an dieser Stelle
auch für die Zukunft gelten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({14})
Ich erteile
nunmehr dem Kollegen Friedhelm Ost das Wort; er
spricht für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Staatssekretär Hilsberg
wünscht den Menschen in Hennigsdorf viel Glück. Das ist
schon viel wert; aber Sie haben uns nicht verraten, was Sie
diesen Menschen bei der Ortsbesichtigung konkret anbieten wollen.
({0})
Natürlich haben wir alle - deswegen sprechen wir hier
und heute darüber - Verständnis für die Sorgen der Menschen in Hennigsdorf. Es genügt allerdings nicht, seitens
der Bundesregierung zu erklären, dass sie sich nicht damit
abfinden wird, wie Sie es getan haben. Das ist, glaube ich,
zu wenig. Auch der Besuch alleine bringt es nicht. Überlegen Sie sich vorher, was Sie da wirklich konkret tun
können, damit Sie nicht nur einen Informationsbesuch
machen und vielleicht noch liebe Verwandte treffen, wie
das andere machen, das Ganze dann zur Chefsache erklärt
wird und die Sache damit erledigt ist.
({1})
- Lieber Herr Kollege Staffelt, ich bin ja mit Ihnen einverstanden, dass es hier in der Tat auch um eine Frage des
Benchmarking geht. Da müssen Standortfaktoren hart geprüft werden; es dürfen nicht nur irgendwelche guten
Wünsche seitens der Bundesregierung ausgesprochen
werden. Wenn Sie mit Unternehmensleitungen und auch
ausländischen Investoren sprechen, die den Sprung mit
Kapital in die neuen Bundesländer gewagt haben, stellen
Sie fest, dass sie übereinstimmend sagen, dass sich die
Bedingungen in den letzten zwei Jahren deutlich verschlechtert und nicht verbessert haben.
Es ist schon darauf hingewiesen worden: Sie haben
eine große Wachstumspolitik angekündigt. Hier werden
auch bezüglich der Bahn - das Aufsichtsratsmitglied hat
ja vorhin großartige Zahlen genannt - große Dinge verkündet; aber sie werden nicht eingehalten. Sie sehen das
beim gesamtwirtschaftlichen Wachstum. Sie sind mit der
Erwartung von rund 3 Prozent gestartet. Sie sind jetzt - wir
haben Mitte des Jahres - bei 1,2 Prozent angelangt und am
Ende landen Sie in der Stagflation.
Wenn hier gesagt wird, auch von Herrn Hilsberg, das
produzierende Gewerbe floriere geradezu in den neuen
Bundesländern, dann ist das auch nur ein Teil der Wahrheit. Zum einen ist der Anteil viel zu klein, um die neuen
Bundesländer wirklich im Wachstum voranzubringen.
Zum anderen tun Sie alles, damit auch das verarbeitende
Gewerbe sozusagen Schwung verliert.
Sie werden am Ende eine Stagflation haben. Sie haben
heute gelesen: Die Zahl der Pleiten erreicht neue Rekorde.
So ist aus dem Kanzler des Aufschwungs, den er für sich
reklamiert hat, der Kanzler des Abschwungs, der Pleiten,
der Arbeitslosigkeit, der hohen Inflation geworden.
({2})
Natürlich hängt das alles auch mit Hennigsdorf zusammen. Sie haben die Standortfaktoren überhaupt nicht
verbessert. Der Kollege Staffelt hat ja Recht: Es geht um
Benchmarking; es geht darum, zu schauen, mit welchen
Faktoren, vor allen Dingen mit welchen Kostenfaktoren
Produkte optimal hergestellt werden können. Das gilt
auch für Hennigsdorf.
Natürlich müssen wir auch gemeinsam überlegen, was
getan werden kann. Wir haben Ihnen ja konkrete Vorschläge gemacht, die Sie teilweise als Konjunkturprogramm, als Schnellschuss abtun. Schauen Sie sich die
Punkte genau an, insbesondere auch hinsichtlich der Auswirkungen auf die neuen Bundesländer, auf Firmen, die
dort investiert haben, die dort noch investieren. Ich halte
überhaupt nichts davon, wenn wir hier zusammenkommen
und das Totenglöcklein läuten und schon von sozial verträglichen Lösungen sprechen. Erstens sind sie teuer und
zweitens bringen sie für die Menschen keine Perspektive.
Sie geben ihnen vielleicht ein Stück Gewissheit, dass sie
einige Wochen oder Monate finanziell über die Runden
kommen; aber dann landen sie in der Arbeitslosigkeit.
In der Verkehrspolitik des Bundes gab es nur beim
Wechsel der Verkehrsminister Tempo. Auf allen anderen
Feldern gab es überhaupt kein Tempo, keine vernünftige
Veränderung.
({3})
Beim Adtranz-Werk handelt es sich um eine typische
Wachstumstechnologie.
({4})
- Vielleicht hören Sie mal zu; Sie können gut davon lernen.
({5})
Sie lernen doch schon in der Schule, dass Sie nur etwas
sagen sollen, wenn Sie gefragt werden.
({6})
Sie haben mit der Bahnindustrie eine deutsche Zukunftsindustrie begraben. Selbst die modernste Technologie, Transrapid, haben Sie begraben.
({7})
Jetzt müssen wir aufpassen, dass wir dank Ihrer Politik
nicht auch noch die Reste beerdigen. Deshalb sollten wir
in der Verkehrspolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Finanz- und in der Steuerpolitik die Weichen neu stellen,
besser jedenfalls, als Sie das tun.
Herzlichen Dank.
({8})
Der Kollege
Reinhard Weis spricht nun für die SPD.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Fokussierung auf den Adtranz-Standort Hennigsdorf, die uns
durch den Titel der Aktuellen Stunde von der PDS vorgegeben wurde, etwas aufbrechen.
({0})
Meine Vorredner, der Kollege Staffelt und auch Herr
Staatssekretär Hilsberg, haben beschrieben, wie begrenzt
die Handlungsoptionen der Bundespolitik in das Unternehmen Adtranz/Bombardier hinein sind. Das ist anders
als bei einem anderen Problem, das gestern und heute
auch die Zeitungen bestimmt, bei dem wir tatsächlich
bundespolitisch einen direkten Bezug zwischen unserer
Eigentümerrolle und Standortfragen haben.
Ich will deshalb auf den gestrigen Vorstandsbeschluss
der Bahn AG eingehen, der ja auch Werksschließungen
betrifft, der vor Ort ähnlich wie im Fall Hennigsdorf
Schrecken bei Belegschaften und bei den Kommunen
ausgelöst hat. Da ich aus einem Ort komme, in dem auch
ein Werk zur Disposition steht, für das ich mich in der
Vergangenheit eingesetzt habe, weiß ich, wovon ich rede.
Ich weiß deshalb aber auch, dass der gestrige Beschluss
nicht aus heiterem Himmel fiel. Er hat eine Vorgeschichte.
Eigentlich sollte er schon am Ende des vergangenen Jahres wirksam sein. Die Bundesregierung und betroffene
Landesregierungen hatten einen Aufschub erwirkt, um
sich den Beschluss der Bahn AG besser belegen zu lassen
und Alternativen zur Standorterhaltung zu prüfen und umzusetzen. Tatsächlich konnten in der Zwischenzeit - zum
Beispiel an drei Standorten in Sachsen-Anhalt - Perspektiven gesichert werden.
Aber irgendwann ist bei Problemen eine Entscheidung
fällig. Wir dürfen an dieser Stelle nicht vergessen, dass
nicht zuletzt durch den parlamentarischen Willen bei der
Gesetzgebung zur Bahnreform der Bahnvorstand den Auftrag erhalten hat, das Unternehmen BahnAG wirtschaftlich
zu führen und zu sanieren. Diese Aufgabe unterstützt der
Bund in seiner Rolle als Eigentümer. Auch wir wissen: Nur
mit einer wirtschaftlich gesunden und leistungsfähigen
BahnAG wird der Verkehrsträger Schiene eine Zukunft haben und damit indirekt auch die Bahnindustrie als Auftragnehmer dieses „main operators“ in Deutschland.
Aber der Bund - ich beziehe hier uns als Bundestag
und speziell meine Fraktion ausdrücklich ein - fühlt sich
natürlich auch für die Beschäftigten und für die strukturpolitischen Auswirkungen des Sanierungskonzepts verantwortlich. Für die soziale Abfederung der notwendigen
Personalanpassungen stellt der Bund der Bahn AG bis
zum Jahre 2002 20,6 Milliarden DM zur Verfügung. Wir
erwarten deshalb von der Bahn AG - und können dies von
ihr auch erwarten - ein sozial verträgliches Vorgehen bei
der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen. Das umfasst auch die Einbeziehung der Tarifpartner in Verhandlungen über die Ausgestaltung der Sanierungsschritte und
die Einhaltung des Tarifvertrags.
({1})
Deshalb unterstützen wir die Forderung von Bundesminister Bodewig, dass alle Auszubildenden ihre Ausbildung beenden können und von der DB AG übernommen
werden, dass der tarifvertragliche Anspruch von zwei
Dritteln der Belegschaft auf Weiterbeschäftigung im Konzern eingehalten wird und dass den übrigen Beschäftigten
Ersatzarbeitsplätze angeboten werden.
({2})
Dazu hat die Bahn AG mit Unternehmen in den Regionen Kontakt aufzunehmen und notwendige Qualifizierungsmaßnahmen sowie Mobilitätsanforderungen auch
finanziell zu unterstützen.
({3})
Die Bundesregierung hat außerdem zugesagt, das Konzept der Bahn AG auch unter strukturpolitischen Gesichtspunkten zu prüfen. Das erwarten wir auch. Wo es
Chancen zum Erhalt eines Standorts zum Beispiel über
Privatisierungsverhandlungen gibt, müssen diese Verhandlungen zielorientiert und auch mit organisatorischer,
finanzieller und Know-how-Unterstützung durch die
Bahn AG geführt werden.
Ich habe eingangs gesagt, dass es aus dem zurückliegenden halben Jahr drei praktische Beispiele gibt, in denen dies funktioniert, und ich als Stendaler habe natürlich
die Hoffnung, dass die laufenden Privatisierungsverhandlungen dazu führen, den Standort Stendal zu erhalten
und dass ebenso für die verbleibenden acht Werke Standortsicherungsmöglichkeiten gefunden werden.
Wenn wir also unter verkehrspolitischen Aspekten den
Schienenverkehr entwickeln wollen, dann müssen wir
dafür sorgen, dass der Hauptschienenverkehrsanbieter
wirtschaftlich stark wird. Ich bin davon überzeugt, dass
das mit der oben genannten Begleitung auch verantwortlich umzusetzen ist.
Danke.
({4})
Ich gebe dem
Kollegen Roland Claus für die Fraktion der PDS das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beschäftigten von Bombardier in Hennigsdorf erwarten von uns, den verschiedenen Fraktionen im Deutschen Bundestag - wie ich finde,
zu Recht -, dass wir uns für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze
einsetzen.
({0})
Ich finde es bemerkenswert, dass das in dieser Aktuellen
Stunde durchaus möglich ist, dass das von allen Fraktionen mitgetragen wird - und dies, obwohl die Aktuelle
Stunde von der PDS-Fraktion beantragt wurde. Das ist ein
Novum, meine Damen und Herren; das muss hier einmal
festgestellt werden.
({1})
Reinhard Weis ({2})
Wenn Herr Hilsberg feststellt, dass es in dieser Gesellschaft womöglich auch Kräfte gibt, denen das Schicksal
der Beschäftigten in Hennigsdorf egal ist, die auf der Wut
der Beschäftigten ihr politisches Süppchen kochen wollen, so kann er nicht Kräfte meinen, die in diesem Bundestag zu finden sind. Das ist meine Annahme hierbei.
({3})
Deshalb unterstützen wir alle Anstrengungen, die es gibt,
beispielsweise die des brandenburgischen Ministerpräsidenten Stolpe. Das eigentliche Problem aber, das wir haben, liegt darin, dass wir immer nur nachsorgende Maßnahmen betreiben können und Sie uns heute ja erneut
gesagt haben: Nein, nein, eine Krise ist das nicht; wir sind
auf dem richtigen Weg.
Wir haben dazu eine andere Auffassung: Wir brauchen
ein anderes Verkehrskonzept. Gegenwärtig aber erleben
wir eine Kaputtsanierung der Bahn, die so nicht hingenommen werden kann.
({4})
Wir fordern ja nichts Unmögliches, wenn wir Wettbewerbsgleichheit von Straße und Schiene wollen. Sie wissen doch selbst, dass sehr viele Wählerinnen und Wähler
1998 Hoffnungen auf Rot-Grün gesetzt haben, weil sie
auch auf eine Verkehrswende gesetzt haben. Diese Hoffnungen, meine Damen und Herren von der Koalition, haben Sie leider enttäuscht. Herr Kollege Schmidt von der
grünen Fraktion bekommt das sehr wohl mit. Deshalb redet er hier in einer Aktuellen Stunde ganz anders als dann,
wenn ein Antrag vorliegt, über den wir anschließend abstimmen müssen. Heute hat er uns sozusagen den Schmidt
von früher gegeben; das muss man beachten.
({5})
Deswegen sagen wir erneut: Es war eine krasse Fehlentscheidung, den Interregio schrittweise vom Netz zu
nehmen. Wir haben im April mit einer Konferenz bei der
Bahn dagegen protestiert und die Unterstützung von
Transnet gefunden.
Wir hoffen, dass es in dieser schwierigen Frage zu einem Zusammengehen aller Bundesländer kommt und
nicht die Standortkonkurrenz die Bundesländer auseinander treibt. Ich sage das nach vielen Begegnungen mit Arbeitnehmern und konkreter Kenntnis eines BombardierBetriebs in meinem Wahlkreis, dem Waggonbau in Halle.
Dasselbe trifft natürlich auch für den Erhalt der Bahnbetriebswerke zu.
Nun neigen Sie gerade dann, wenn unsere Fraktion
solche wirtschaftspolitischen Themen hier anspricht, mitunter zu Belehrungen in Sachen Marktwirtschaft. Daher
mache ich zu dem in Rede stehenden Thema die Rechnung auf: Siemens und Bombardier sind im Produktionsprofil in der Tat nicht so einfach zu vergleichen, wie Sie
es hier getan haben. Ich habe mir die Zahlen genau angeschaut. Es gibt nur einen Umsatzunterschied pro Beschäftigten in Höhe von 18 000 Euro. Nimmt man hinzu,
wie verschieden die Produktionsprofile sind - Siemens
macht im Hightechbereich sehr viel mehr Umsatz -, dann
spricht das nicht gegen, sondern für Bombardier, und
zwar auch in Hennigsdorf.
({6})
- Ich freue mich doch auch darüber, dass wir viel mehr
Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Nur auf diesen
Grundkonflikt wollte ich aufmerksam machen.
Was hat es mit Marktwirtschaft zu tun, mit Regulierung
des Wirtschaftsgeschehens über Angebot und Nachfrage,
wenn Bombardier inzwischen als absoluter Monopolist
agiert? Hier gibt es keine Auswahl, keinen Markt. Daher
müssen an manchen Stellen marktwirtschaftliche Verhältnisse wieder herbeigeführt werden.
Sie sagten, wir hätten es nicht mit einer aktuellen Entscheidung zu tun. Angesichts dessen unterstütze ich die
betroffene Belegschaft. Sollen sich denn diejenigen, die
von solchen Entscheidungen betroffen sind und deren
Arbeitsplätze in Gefahr sind, immer erst dann in der Öffentlichkeit zu Wort melden, wenn es zu spät ist? Ich freue
mich, dass unsere Auffassung hier im Bundestag über
Fraktionsgrenzen hinweg eine andere ist und dass wir uns
dafür einsetzen wollen, dass diese Arbeitsplätze erhalten
werden.
({7})
Für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen spricht der Kollege Helmut Wilhelm.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist wohl selbstverständlich, dass der Bundesregierung,
der SPD und den Grünen das Schicksal von Arbeitsplätzen am Herzen liegt. Populismus ist das gute Recht der
Opposition, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der
PDS, verehrter Herr Kollege Klinkert; aber er hilft uns
hier wohl nicht sehr viel weiter.
({0})
Faktum ist - das ist auch der PDS bekannt -, dass sämtliche Unternehmen der Bahnindustrie private Unternehmen sind. Das war immer so und das ist auch heute noch
so. Ergo hat der Bund wirklich keine Möglichkeit der Einflussnahme:
({1})
nicht in Hennigsdorf, nicht in Nürnberg, in der Nähe meiner Heimat, und auch sonst nirgendwo. In Nürnberg hätte
es übrigens einen privaten Übernahmeinteressenten gegeben. Der Freistaat Bayern wollte ihn unterstützen. In
Nürnberg sollte nämlich der Zug „Integral“ weitergebaut
werden. Bombardier, der heutige Konzerneigner von
Adtranz, sagte jedenfalls bisher aber Nein, und das war’s.
Das wissen Sie doch selbst nur allzu gut, liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS-Fraktion. Obendrein
ist das Thema auch so nicht richtig. Richtig ist: Es gab eine
Flaute in der Bahnindustrie. Es ist aber zwischenzeitlich
deutlich frischer Wind hineingekommen. Die spanische
Bahn hat ICEs bestellt, ein britisches Unternehmen eine
große Serie von Nahverkehrstriebwagen des Typs „Lind“,
und nicht zuletzt bestellt die DB AG bis zum Jahr 2005
neue Fahrzeuge im Wert von 8,5 Milliarden DM.
({2})
- Das hat auch er gesagt, und das wissen Sie auch.
Sollten Sie sich vielleicht in der Wahl des Themas Hennigsdorf geirrt haben und sollte vielmehr die angekündigte
Werkeschließung der DB AG gemeint sein? Hierzu ist eigentlich schon genügend gesagt. In einer ebenfalls von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde am 27. Oktober 2000
habe ich hierzu bereits Ausführungen gemacht, die Sie im
Interesse der zeitlichen Kürze nachlesen können. Ich erhalte
das von mir Gesagte jedenfalls inhaltlich voll aufrecht.
Die Bundesregierung hat bereits gehandelt. Sie wissen,
dass Herr Minister Bodewig bereits gestern die DB AG zu
sozial- und raumordnungspolitisch verantwortlichem
Handeln aufgefordert hat. Er hat angemahnt, keine betriebsbedingten Kündigungen durchzuführen sowie die
Ausbildung von Lehrlingen und qualifizierende Beschäftigungsförderungen zu verstärken.
({3})
Allerdings möchte auch ich Herrn Mehdorn eine etwas
offensivere Geschäftspolitik als immer nur Konzepte namens „MORA“ empfehlen, was im Lateinischen übrigens
Rückschritt und Stillstand heißt. Ich weiß nicht, ob Herr
Mehdorn das weiß. Vielleicht sollte er einmal daran denken.
Zwar wird sich die Bundesregierung weiterhin für die
Bahnindustrie einsetzen, aber es gilt der Grundsatz der
Bahnreform. Unternehmerische Entscheidungen sollen
im Interesse einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Tätigkeit allein dem Unternehmen überlassen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSUFraktion, das haben Sie doch damals bei der Bahnreform
1994 selber so gewollt. Warum wollen Sie das nun wegwischen?
({4})
Die Finanzausstattung haben Sie damals dramatisch heruntergefahren. Das haben wir korrigiert: Die Investitionsmittel wurden deutlich erhöht.
({5})
Die Regionalisierungsmittel wurden erhöht, wodurch die
Länder in die Lage versetzt worden sind, neue Fahrzeuge
zu kaufen. Das wird so lange so bleiben, solange wir hierfür die Verantwortung tragen.
Danke schön.
({6})
Ich erteile
dem Kollegen Ulf Fink von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme gerade von einem
Treffen mit dem Bürgermeister von Hennigsdorf, dem
Ministerpräsidenten und vielen anderen, darunter die Kollegen Wobst und Graffenberger. Sie alle haben große
Hoffnung auf die heutige Aktuelle Stunde gesetzt. Ich
muss sagen: Die Kolleginnen und Kollegen müssen von
dieser Debatte und den Äußerungen der Regierungskoalition zutiefst enttäuscht sein.
({0})
Herr Staffelt sagt, es bestehe keine unmittelbare Gefahr. Es gebe auch noch viele andere Standorte;
({1})
wir müssten alles bedenken, mal schauen. Herr Schmidt
von der Fraktion der Grünen sagt, der Betriebsrat und die
Geschäftsleitung sollten sich Mühe geben, um die Dinge
sozusagen zusammenzubekommen.
({2})
Nun wünscht der zuständige Parlamentarische Staatssekretär, der auch noch Brandenburger Abgeordneter ist,
Herr Hilsberger,
({3})
den Leuten sage und schreibe: Viel Glück! - Meine Damen und Herren, Hilfestellung brauchen die Menschen in
Hennigsdorf,
({4})
aber keine Glückwünsche. Das ist doch eine unmögliche
Haltung!
({5})
In Hennigsdorf ist eine der bedeutendsten und wichtigsten der im Osten Deutschlands verbliebenen Schlüsseltechnologien. Es geht nicht darum zu sagen, man
müsse denen etwas geben, weil sie sonst nicht allein existieren könnten. Die Menschen in Hennigsdorf haben eine
hervorragende Systemkompetenz. Was die Menschen
dort leisten, ist allerbeste Klasse. Woran es ihnen mangelt,
ist, dass ihnen die notwendige Unterstützung zuteil wird.
Wer vergibt denn die Aufträge an die Bahnindustrie? Der
größte Auftraggeber ist nun einmal die Deutsche Bahn.
({6})
Helmut Wilhelm ({7})
Wer ist denn Eigentümer der Deutschen Bahn? Das ist
nun einmal der Bund. Er ist der Eigentümer der Deutschen
Bahn. Deshalb können die Menschen in Hennigsdorf
doch erwarten, dass die Bundesregierung, wenn eine solche Bedrohung besteht, klar, eindeutig und unmissverständlich sagt: Ja, wir stehen ohne Wenn und Aber zum
Standort Hennigsdorf. Wann kommt diese Aussage von
Ihnen?
({8})
In diesem Zusammenhang muss man feststellen: 2 500
wichtige Arbeitsplätze sind betroffen. Etwa 10 000 weitere Arbeitsplätze hängen von dem Werk in Hennigsdorf
ab. Dies betrifft vier weitere Zulieferunternehmen und erstreckt sich bis hin zu den Universitäten in Berlin, dem
kompetenten Regionalverkehr Berlin-Brandenburg und
der großen Messe Innotrans. All diese Bereiche hängen
doch davon ab, dass der Hennigsdorfer Standort erhalten
bleibt.
An den Menschen und an dem, was dort geleistet wird,
liegt es nicht. Zur Frage des Standortvorteils gehört vielmehr, wie eine verantwortliche Regierung zu dem jeweiligen Standort steht. Die Probleme in Hennigsdorf sind
doch nicht zuletzt deshalb entstanden. Die Schweiz beispielsweise hat klar erklärt: Der ICN, der in Hennigsdorf
gebaut werden soll, wird nur dann in Auftrag gegeben,
wenn die Werke in der Schweiz erhalten bleiben. Ich
nenne das Stichwort „local content“; jeder weiß, worüber
wir sprechen. Dort wird so gehandelt.
Aber was sagt unsere Bundesregierung? Der wichtigste Standortvorteil, den man im Bereich der Bahnindustrie
haben kann, ist eine verantwortliche Regierung. Wenn unsere Regierung hier keine klare und deutliche Position bezieht und nur die anderen dies tun, dann braucht man sich
nicht zu wundern, warum es in Hennigsdorf einen sehr
großen Standortnachteil gibt, nämlich den, dass wir eine
solche Bundesregierung haben.
({9})
Zum Schluss möchte ich noch eines sagen: Man stelle
sich einmal vor, wir hätten eine andere Regierungskoalition und Sie wären nicht an der Regierung.
({10})
Was würden Sie denn dann sagen, Herr Staffelt und Herr
Schmidt, wenn vor dem Hintergrund des großen Problems, dass der Osten Deutschlands in Gefahr steht, nicht
mehr mitzukommen, eine solche Situation entstanden
wäre? Wenn dann eine solche Tartarennachricht hinzukommt, dann muss man doch mit allem Nachdruck sagen:
Wenn hier nicht Entscheidendes getan wird und nicht klar
Flagge gezeigt wird, dann droht einer der letzten Leuchttürme im Osten Deutschlands auszugehen. Deshalb sage
ich Ihnen: Ermannen Sie sich! Tun Sie etwas und lassen
Sie die Menschen nicht allein!
({11})
Für die
SPD-Fraktion spricht die Kollegin Dr. Margrit Wetzel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ängste der Beschäftigten in
Hennigsdorf sind absolut real und verständlich, weil sie in
der Vergangenheit, in den letzten Jahren einen dramatischen Personalabbau erleben mussten. Viele der Hennigsdorfer sind von diesen Umstrukturierungen, die sich über
Jahre hingezogen haben, ganz konkret betroffen gewesen.
Dass sie deshalb vor jeder Veränderung, die den Standort
bedroht, Angst haben, ist völlig klar.
({0})
Wir müssen uns auch fragen, ob es von der „FAZ“ verantwortlich war, den diesbezüglichen Bericht zu veröffentlichen. Denn alle unsere Recherchen haben keine der
dort aufgestellten Behauptungen bestätigt. Insofern muss
man an dieser Stelle auch einmal die Verantwortung der
Medien hinterfragen,
({1})
manchmal auch die Art und Weise der parteipolitischen
Diskussion, nämlich ob hier nicht auch ein Stück weit die
Ängste der Betroffenen instrumentalisiert werden. Das
wäre absolut unredlich.
({2})
- Ich habe das Wort, Herr Fink, und Sie halten jetzt bitte
den Mund.
({3})
Wir nehmen die Sorgen der Betroffenen absolut ernst.
Wir wollen nicht, dass mit ihnen gespielt wird. Deshalb ist
es außerordentlich beruhigend, dass der Geschäftsführer
von Bombardier sofort auf die von den Betroffenen geäußerten Sorgen reagiert und bestätigt hat, dass zurzeit
keinerlei Entscheidungen getroffen werden. Ich kann nur
daran erinnern - Herr Kutzmutz,
({4})
komisch, dass Sie nicht reden durften; Herr Staffelt, Sie
wissen es auch -: Wir haben in Montreal mit der
Geschäftsführung von Bombardier über den Kauf von
Adtranz diskutiert und die haben uns klargemacht, was sie
wollen. Sie wollen, dass der Sitz ihrer Europaaktivitäten
in Berlin liegt, und zwar deshalb, weil Berlin gerade nach
der Osterweiterung - die gucken ja nun wirklich über den
Tellerrand hinaus - das Herz Europas ist. Sie wollen diese
geographische Präsenz. Sie wollen die neue Antriebstechnik nicht mehr kaufen, sondern sie wollen sie hier selbst
produzieren. Sie haben also ein nachdrückliches Interesse
daran, den Markt von hier aus zu erobern, Marktanteile zu
gewinnen. Kostenreduzierungen beabsichtigen sie nicht,
sind nicht ihr erstes Ziel gewesen. Das ist uns mehrfach
bestätigt worden.
Die Zukunft der Schienentechnik liegt in Europa.
Wir wissen, dass die Weltauslandsmärkte - Asien, Australien - hochinteressante Exportmärkte sind, die von
Bombardier sehr wohl gesehen werden.
Deshalb glaube ich, dass wir uns diese Perspektive anschauen und vor allem diese Aktuelle Stunde als Chance
nutzen sollten, den Kanadiern zu zeigen, wie stark der
Standort Hennigsdorf ist. Das wäre ein positives Signal.
({5})
Wie engagiert der Betriebsrat ist - die Kanadier sind in der
Lage, mit Mitarbeitern zusammenzuarbeiten, zusammen
zu planen, wie sie uns überzeugend klargemacht haben -,
wie motiviert die Belegschaft ist, die zu Recht für ihre Interessen auf die Straße geht, das, denke ich, wird die Kanadier überzeugen. Sie sehen auch die deutliche politische
Unterstützung.
({6})
Alle Namen sind komischerweise schon von jeder Partei erwähnt worden. Gestatten Sie bitte, dass ich erwähne,
dass zurzeit an Ort und Stelle neben Herrn Stolpe die örtliche Wahlkreisabgeordnete der SPD, Frau KrügerLeißner, weilt.
({7})
- Machen Sie sich doch nicht lustig darüber. Ich denke, es
ist wichtig, diese politische Überzeugung zu dokumentieren, die von Ihnen doch eingefordert worden ist.
Die Kanadier können mit ihrer Neuerwerbung zufrieden sein. Die Umstrukturierung hat mit erheblichen Investitionen ein hochmodernes Werk geschaffen. Es gibt
dort vollständige Wertschöpfungsketten mit hoher Effektivität. Berlin-Brandenburg hat dort ein für die neuen
Bundesländer außerordentlich wichtiges Kompetenzzentrum für Schienenverkehrstechnik entwickelt und die
Bahnindustrie mit ihren Zulieferern und Dienstleistungen
ist für die nördlichen neuen Bundesländer unverzichtbar.
({8})
Wenn wir uns die Auftragslage bei Adtranz und gerade
in Hennigsdorf anschauen, dann sehen wir, dass sie für
zwei Jahre komplett ausgelastet sind. Sie arbeiten jetzt
noch die Großaufträge der DB ab, die dazu führen, dass
die DB ihre Werkstätten schließt, weil sie Neubauaufträge
platziert hat. Also auch hier ist die Aufforderung an die
Bahn eigentlich überflüssig; denn sie investiert seit Mitte
der 90er-Jahre mehr als 17 Milliarden DM für Schienenfahrzeuge und viele weitere Milliarden sind in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen.
Bei Konzernen dieser Größenordnung, wie wir sie bei
Bombardier haben - noch dazu, weil dieses Unternehmen
aus dem Flugzeugbau kommt -, müssen wir selbstverständlich davon ausgehen, dass bei Neubauaufträgen Arbeitspakete zwischen Standorten ausgehandelt werden.
Es wird in Zukunft nicht mehr so sein - das kennen wir
aus dem Flugzeugbau -, dass ein kompletter Auftrag an
einen Standort geht. Verschiedene Standorte in der Bundesrepublik kann man vielmehr nur halten, wenn man sich
auch über Arbeitspakete verständigt. Das wird die Zukunft sein. Damit muss man sich abfinden. Aber das ist
auch eine Perspektive. Es gibt nicht nur die DB als Auftraggeber, sondern durch die Regionalisierung auch neue
Nachfrager. Diese neuen Nachfrager müssen eingeworben werden.
Wir sollten mit dieser Debatte klarstellen, dass Bombardier sicher sein kann, in Hennigsdorf einen ganz starken Standort mit großer politischer Unterstützung zu haben. Ich hoffe, dass dieses Signal von dieser Aktuellen
Stunde ausgeht.
({9})
Die Kollegin Renate Blank spricht nun für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich hoffe nicht, dass der Besuch der
Kollegin Wetzel und des Kollegen Kutzmutz der Firma
Bombardier die Freude genommen hat, in Hennigsdorf zu
investieren. Der Verkehrsminister scheint beim Bundeskanzler sehr schlechte Karten zu haben; denn wenn ich
höre, Herr Staatssekretär Hilsberg, dass Sie in Hennigsdorf nur „Viel Glück!“ wünschen und nicht, wie bei
Philipp Holzmann, etwas Geld auf den Tisch legen,
({0})
dann kann ich mich nur wundern über diese schlechten
Karten, die der Verkehrsminister hat.
({1})
Wir haben für Hennigsdorf Kompetenz aus Nürnberg
abgegeben, um Hennigsdorf zu stützen und weiter auszubauen. Nürnberg hat das gut verkraftet, weil wir in Bayern eine CSU-Regierung haben.
({2})
Deswegen ist bei uns in andere Bereiche investiert worden, während in Brandenburg vielleicht weniger investiert wird.
Kollegen von der PDS: Ihnen sollte der Kollege
Schmidt von den Grünen sagen, dass Herr Mehdorn beabsichtigt, 8,5 Milliarden DM in das rollende Material zu
stecken. Wenn Sie davon gewusst hätten, hätten Sie Ihre
Aktuelle Stunde vielleicht gar nicht beantragt, denn
mit diesem Betrag kann im Grunde genommen auch
Hennigsdorf - unter Umständen auch andere Bereiche der
Bahnindustrie - ausgelastet werden. Allerdings meint
Herr Mehdorn, es sei besser, weniger Ausbesserungswerke in Deutschland zu haben. Diese Meinung ist aus
unserer Sicht falsch, denn es ist ein wichtiges Argument,
dass auch neue Fahrzeuge mit längeren Laufzeiten auf
ihre Sicherheit überprüft werden müssen.
Lassen Sie mich einige Anmerkungen zur Schließung
der Ausbesserungswerke in Bayern machen. Die betroffenen Mitarbeiter und die Politiker sind von dem Beschluss
des Bahnvorstands und von Herrn Mehdorn total überrascht worden.
({3})
- Nein, Herr Kollege Schmidt, in Nürnberg und München
sind alle von den Schließungen überrascht worden.
({4})
Ich höre, es gebe keine Kündigungen, da vereinbart
wurde, betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahre 2004
auszuschließen. Was machen wir dann zum Beispiel mit
den Mitarbeitern, die jünger als 43 Jahre sind, vielleicht
drei Jahre in einer Auffang- oder Transfergesellschaft beschäftigt worden sind und danach arbeitslos werden? Es
ist doch Heuchelei, wenn Sie sich zum Thema Arbeitsplätze äußern.
Der Stilllegungsbeschluss ist aus meiner Sicht das Produkt rot-grüner Kungelei und eine unerträgliche Benachteiligung von Bayern und Sachsen. Sollen vielleicht die
CDU- oder CSU-geführten Länder ein bisschen benachteiligt werden? Liegt eine solche Absicht in Ihrer Politik?
({5})
Der Verkehrsminister drängt in seinem Schreiben nur
auf Sozialpläne. Ich glaube, er hat darüber hinaus zu diesem Thema keine Meinung. Im Übrigen wird er zwischen
den Stühlen von Schröder und Mehdorn total aufgerieben;
wir merken das auch in allen anderen Bereichen.
({6})
Die Schließung des Werks in Nürnberg ist ein Skandal,
weil über Tausend Arbeitsplätze in Bayern betroffen werden. Außerdem geht in Nürnberg - ein alter Eisenbahnknotenpunkt; zur Erinnerung: erste Eisenbahn
Nürnberg-Fürth 1835; vielleicht haben Sie das schon
vergessen - das Know-how verloren. Es sind auch engagierte Mitarbeiter betroffen, die nach dem Bahnunglück
von Eschede bei den notwendigen Kontrollen, nicht zuletzt durch Überstunden, hervorragende Leistungen erbracht haben.
Das Werk Nürnberg ist bis Ende 2002 ausgelastet und
erwirtschaftet, auch nach Aussagen von Herrn Mehdorn,
seine Kosten, sogar ein bisschen mehr. Das sind die Tatsachen, die meine Aussage untermauern, dass sowohl der
Bahnchef als auch die Bundesregierung Politik gegen den
Süden machen.
({7})
Es gibt kein weiteres Ausbesserungswerk mehr im Süden,
weder in Bayern noch in Baden-Württemberg und auch
nicht in Sachsen, obwohl von Bayern und BadenWürttemberg circa 28 Prozent des bundesdeutschen
Schienenpersonennahverkehrs gestellt werden. Merken
Sie sich das bitte.
Jetzt kommt noch ein kleines Bonmot: Neben den
Schließungen gibt es auch eine interessante Erweiterung
eines Ausbesserungswerkes. Ausgerechnet in Kassel wird
ein Werk erweitert. Wenn man sich vor Augen führt, dass
Kassel die Heimat des Bundesfinanzministers ist, ist diese
Tatsache durchaus interessant.
({8})
Ein letztes Wort zur SPD: Warum behandeln Sie in Ihrer Fraktion die Abgeordneten aus Bayern eigentlich so
schlecht? Sie stellen sich hin und sagen, Sie seien über
den Beschluss traurig, dass in Bayern Ausbesserungswerke geschlossen würden. Sie kommen Ihren Kollegen
aus Bayern überhaupt nicht entgegen. Ich finde, es
ist schon ein bisschen beschämend, dass Sie die SPD in
Bayern im Regen stehen lassen.
({9})
Ich wiederhole: Es ist ein strammer Kurs gegen Bayern
und Sachsen, der zur Benachteiligung von Bayern und
Sachsen führt.
({10})
Als letzter
Redner dieser Aktuellen Stunde erhält der Kollege
Werner Labsch für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lokomotivbau Hennigsdorf, Schienentechnik Hennigsdorf - nach der Wende eine Geschichte der
Ungewissheit, aber auch eine Geschichte des High-tech,
des weltweit führenden Know-hows. Wir sprechen heute
nicht über diese beiden Dinge, aber über den Standort.
({0})
Sie können davon ausgehen, dass sich die Bundesregierung, vor allem aber die betroffenen Länder Berlin und
Brandenburg sehr wohl der Bedeutung und der Tragweite
des bestehenden Problems Hennigsdorf bewusst sind.
({1})
Sie sind sich dessen nicht nur bewusst, sondern sind auch
aktiv und tun etwas. Ich komme darauf noch zurück.
({2})
Eine öffentliche Debatte zu führen, halte ich persönlich
nicht immer für ratsam. Was kommt am Ende meistens
heraus? Herzliche Ratlosigkeit oder heiße Luft sowie
- dies habe ich nicht nur heute, aber heute in besonderer
Weise festgestellt - hässliche Verleumdungen, Falschdarstellungen, Panikmache.
({3})
Ich will diese Aktuelle Stunde nutzen, um von diesem
Pult aus der Belegschaft in Hennigsdorf die Solidarität der
SPD-Bundestagsfraktion und die Unterstützung bei der
Sicherung ihrer Arbeitsplätze auszusprechen.
({4})
Ich möchte Ihnen kurz die augenblickliche Lage, wie
ich sie kenne, darlegen.
({5})
- Ich komme noch darauf zurück. - Wir haben zurzeit eine
unbefriedigende und sorgenvolle Situation. In der Gewerkschaft ist Kampf angesagt, aber keine Panik. Die
verbreiten Sie hier; dafür sind Sie zuständig.
({6})
Bei der Genehmigung durch die Europäische Kommission zur Übernahme von Adtranz durch Bombardier
hat Bombardier umfangreiche Zusagen abgegeben. Darunter sind zwei wesentliche Zusagen - damit werden
weniger wir uns, sondern mehr die handelnden Personen
sich befassen müssen -, nämlich die Veräußerung von
Anteilen aus dem Gesamtgeschäft sowie die Abnahmegarantien für die Zulieferer. Die Zusagen sind insbesondere gegenüber der Firma Stadler gemacht worden.
Sie sind für den Standort Hennigsdorf von großer Bedeutung. Betroffen sind die beiden Produktionslinien Regioshuttle, also die Gelenktriebwagen, und Variotram, die
beide an Stadler gehen. Mit der Abgabe wird wahrscheinlich ein Stück Zukunftstechnologie von Hennigsdorf
weggehen. Das bedauern wir sehr.
({7})
Bisher hat sich Bombardier nicht zur Zukunft der
deutschen Standorte, also auch nicht zu Hennigsdorf
geäußert. In einem Gespräch mit dem brandenburgischen
Wirtschaftsminister Dr. Fürniß hat der Präsident von
Bombardier Transportation, Herr Lortie, jedoch betont,
dass das Werk Hennigsdorf nicht geschlossen werde, weil
das dort vorhandene Know-how für das Unternehmen
unverzichtbar sei. Recht hat er. An welchen Standorten
allerdings und in welchem Umfang die Produktionskapazitäten aufrechterhalten werden, werde er im zweiten
Quartal verkünden.
({8})
Das zweite Quartal dauert noch knapp eine Woche. Aus
diesem Grund hat die Belegschaft Recht, wenn sie sich
meldet und diese Entscheidung einklagt. Das ist legitim
und richtig. Wenn der Betriebsrat verlangt, dass sie das
gleiche Recht wie Aachen und auch eine Standortgarantie
haben möchten, dann ist das in Ordnung.
({9})
Das Unternehmen hat weiterhin mitgeteilt, dass es
weltweit unter dem Namen „Bombardier Transportation“
agieren werde, und zwar in sieben Geschäftsbereichen mit
klar definierter geographischer und produktionsbezogener Gliederung. Der Hauptsitz von Bombardier Transportation sei nach wie vor Montreal; die Europazentrale
allerdings werde in Berlin sein.
({10})
- Ich sage das, um Ihren chaotischen Zustand endlich zu
beheben. Dass Bombardier Zukunft hat, dafür setzen wir
uns ein.
({11})
Nun könnten wir wie Sie in Spekulationen verfallen.
Ich tue das nicht. Richtig ist, dass sich in erster Linie die
brandenburgische Landesregierung um den Erhalt der
Arbeitsplätze bemüht. Es ist sichtbar, dass neben dem Ministerpräsidenten Stolpe und Wirtschaftsminister Fürniß
auch unsere Kollegin Leisler Kiep - ({12})
- Angelika Krüger-Leißner. Ein Trauma!
({13})
Ich gebe
Ihnen eine Minute länger.
Herr Fink, jetzt werde ich
konkret. Ich habe nämlich zwei Funksprüche empfangen:
Herr Fink ist überhaupt nicht gesehen worden und Herr
Eppelmann hat eine traurige Rede gehalten, die nur Widerwillen erzeugt hat.
({0})
Der Ministerpräsident Brandenburgs hat ein Angebot
gemacht. Wenn Sie da gewesen wären, wie Sie behaupten,
dann hätten Sie das gehört. Er hat vor 1 000 Mitarbeitern
das Angebot gemacht, dass das Land Brandenburg - es ist
eigentlich arm genug - zum Erhalt des Standortes und zur
Fortführung der Produktion an diesem Standort den
Testring - ({1})
- Den Testring bezahlen! Das darf doch nicht wahr sein.
({2})
Herr Kollege, Sie müssen jetzt aber langsam zum Ende Ihrer Rede
kommen.
Dies, Herr Fink, ist praktizierte Hilfe. Dies ist tätige Solidarität.
({0})
Die Entscheidungen allerdings - das wissen auch Sie werden letztlich im Unternehmen getroffen. Wir mahnen
mit der Belegschaft die Entscheidungen an, die in diesem
Quartal zu treffen der Präsident von Bombardier sich
selbst verpflichtet hat.
Ich wiederhole, Herr Fink, für Sie: Die Brandenburger
Regierung finanziert den Testring. Das ist eine konkrete
Aussage - wahrscheinlich zu hoch für Sie.
({1})
Mit diesem
Beitrag ist die Aktuelle Stunde beendet. Es war fast ein
doppelter Beitrag; aber Sie waren ja durch die Opposition
herausgefordert.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 28. Juni, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.