Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Vielen
Dank, Herr Bundesminister.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, der eben angesprochen worden ist. - Als erster hat
der Kollege Hans Michelbach von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Sehr
geehrter Herr Bundesfinanzminister! Wir haben heute auf
der Titelseite der „FAZ“ die Meldung:
Nur stabiles Geld ist gutes Geld. Geld kann seine
Funktion, als allgemein akzeptiertes Tauschmedium
den Handel zu erleichtern, nicht erfüllen, wenn die
Bürger dem Wertversprechen ihrer Währung nicht
trauen. Vertrauen aber wächst langsam.
Bei Umfragen unter den Bürgern und der Wirtschaft
hat sich durch die Inflationsrate und den Wachstumseinbruch im Ergebnis ein Verlust an Vertrauen in den Euro
ergeben. Durch die fehlenden strukturellen Reformen haben wir eine Euro-Schwäche. Die Europäische Zentralbank handelt intransparent; die Frage nach der Stabilitätsverpflichtung stellt sich.
Was gedenken Sie gegen den zunehmenden Verlust an
Vertrauen in den Euro bei der Bevölkerung und der Wirtschaft zu tun? Was wird gegen die anhaltende EuroSchwäche, die steigende Inflationsrate, das Abschwächen
der Konjunktur getan? Bedarf es nicht struktureller Veränderungen, um den Euro nachhaltig zu stärken? Müssen
nicht Wettbewerbshemmnisse aufgehoben und die Arbeitsmärkte stärker flexibilisiert werden? Ist dies nicht
dringend erforderlich, um die Produktivität und das
Wachstumstempo wieder deutlich zu steigern?
Bitte
schön, Herr Bundesminister.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich es
richtig verstanden habe, gäbe das, was Sie soeben in eine
Bandwurmfrage gekleidet haben, die Grundlage für eine
mehrstündige Debatte.
Weil wir über die Einführung des Euro-Bargeldes reden - den Euro haben wir ja bereits -, will ich zunächst
nur auf ein paar Dinge hinweisen:
Erstens. Das Wachstum in der Euro-Zone ist, wenn es
sich auch zurzeit außerordentlich abflacht - das ist gar
keine Frage -, in den letzten drei Jahren deutlich höher gewesen als in den Jahren zuvor. Seit wir den Euro haben,
haben wir in der Euro-Zone ein höheres Wachstum als im
Durchschnitt der 90er-Jahre.
Zweitens. Die Inflationsrate in der Euro-Zone ist niedriger. Seit der Einführung des Euro lag sie durchschnittlich bei 1,9 Prozent. Es ist zwar richtig, dass sie im Moment ein Stück gestiegen ist. Aber von 1970 bis 1999, also
in Zeiten der D-Mark, betrug die durchschnittliche Inflationsrate 3,3 Prozent. Das bedeutet, dass die gegenwärtige
Inflationsrate zwar nicht erfreulich ist, sich aber im Rahmen dessen bewegt, was von 1970 bis 1999 üblich war.
({0})
- Richtig, das war Helmut Schmidt. In dem 30-jährigen
Zeitraum, den ich eben angesprochen habe, haben Sie
16 Jahre regiert.
({1})
- Wenn ich mir das Außenverhältnis der D-Mark anschaue - das ist ganz spannend; ich weiß, dass Sie das
nicht gerne hören -, dann stelle ich fest, dass der Wert der
D-Mark gegenüber 1 Dollar zwischen 3,47 DM - das war
1985 - und 1,36 DM schwankte. Gegenwärtig beträgt der
Wert 1 Dollars 2,25 DM. Ich weise darauf hin, dass der
Euro nicht besonders, jedenfalls nicht negativ von dem
abweicht, was in den Zeiten der D-Mark üblich war. Im
Gegenteil: In den letzten drei Jahren gab es eher positive
Abweichungen.
Alle Beteiligten, auch die Europäische Zentralbank,
gehen davon aus, dass die gegenwärtige hohe Inflationsrate zwei Sonderentwicklungen geschuldet ist.
Erstens. Der hohe Ölpreis macht sich erst jetzt bemerkbar,
weil die Heizkostenabrechnungen, die überwiegend im
April gekommen sind, nun den großen Teil der Verbraucher erreicht haben. Zweitens. Der Gaspreis steigt aufgrund der vertraglichen Bindung an den Heizölpreis mit
einem halben Jahr Verspätung an. Des Weiteren sind die
Nahrungsmittelpreise als Folge von BSE- und Maul- und
Klauenseuchenkrise kurzfristig angestiegen. Die Verbraucher sind auf andere Produkte als Rindfleisch ausgewichen, was die Preise steigen ließ. Aber der Höhepunkt ist
bereits überschritten und die Preisentwicklung ist rückläufig.
Auf die Frage, wie die Einführung des Euro-Bargeldes
im nächsten Jahr gestaltet werden soll und wie Vertrauen
in den Euro geschaffen werden kann, antworte ich, dass
keine negativen, sondern eher positive Abweichungen
seit der Einführung des Euro am 1. Januar 1999 im Vergleich zu den Zeiten der D-Mark zu verzeichnen sind. Es
wäre gut - da der Euro von einer Regierung eingeführt
worden ist, die Sie gestellt haben; wir haben das ja nicht
kritisiert, sondern, wie Sie wissen, dem zugestimmt -,
wenn sich alle in der Verantwortung fühlten und sich für
die Akzeptanz der gemeinsamen europäischen Währung
einsetzten.
Ich möchte Ihnen noch einen schlichten Grundsatz sagen. Manches in der Debatte ist ein bisschen merkwürdig.
Wir haben im 19. Jahrhundert eine ähnliche Entwicklung
erlebt, als die deutsche Kleinstaaterei aufgegeben wurde
und die deutsche Einheit mit einer gemeinsamen
Währung hergestellt wurde. Nichts anderes erleben wir
am Anfang des 21. Jahrhunderts in Europa. Deswegen
rate ich dazu, die künftigen Herausforderungen vor dem
Hintergrund dieser historischen Entwicklung anzugehen
und das, was ökonomisch vernünftig ist, auch umzusetzen.
Möchten
Sie eine weitere Frage stellen, Herr Michelbach? - Bitte
schön.
Herr Bundesminister, hinkt Ihr Vergleich mit den 90er-Jahren nicht sehr und
ist die damalige Situation mit der derzeitigen schwierigen
wirtschaftlichen Situation, in der sich die Preissteigerungsraten nach oben entwickeln, überhaupt vergleichbar? Es ist zwar richtig, dass das Wachstum in den
90er-Jahren niedriger war. Aber damals herrschte
gewissermaßen Preisstabilität; denn die Inflationsrate lag
bei nur 0,6 Prozent. Bestand damals nicht tiefes Vertrauen
in die D-Mark? Muss nicht zunächst das Vertrauen der
Bevölkerung und der Wirtschaft in den Euro gestärkt werden? Gehen Sie in der Stabilitätsfrage im Hinblick auf die
Vorbildfunktion nicht zu offensiv vor, wenn Sie den Sonderausgabenpauschbetrag im Steuer-Euroglättungsgesetz
von 108 DM auf letztlich 70,41 DM kürzen, wodurch die
Arbeitnehmer mit 115 Millionen DM belastet werden?
Das heißt, in diesem Punkt haben Sie nicht das Vertrauenssignal gesetzt, das Sie vom Handel gerade heute eingefordert haben. Wie wollen Sie insgesamt Vertrauen
schaffen?
Herr
Michelbach, es tut mir Leid, Sie fragen zu müssen, ob Sie
nicht gehört haben, was ich vorgetragen habe.
({0})
Übrigens: Da Sie an der Gesetzgebung mitgewirkt haben,
konnten auch Sie Änderungsanträge stellen.
({1})
Der Übergang zum Euro bedeutet für Bund, Länder
und Gemeinden Steuereinnahmeausfälle in Höhe von
358 Millionen DM. Mir ist nicht bekannt, dass jemand
mehr beantragt hat. Ich darf insbesondere darauf hinweisen, dass die Länder nicht bereit gewesen sind, höhere
Einnahmeausfälle in Kauf zu nehmen. Wir haben den
Übergang für den Staat nicht aufkommensneutral gestaltet. Wenn wir nur nach unten abgerundet hätten, dann
hätte das für den Staat Einnahmeausfälle in Höhe von
mehreren Milliarden DM bedeutet. Das hätte in der Tat
kein öffentlicher Haushalt verkraften können und kein
Land wollte das.
Bei der Umrechnung haben wir Einnahmeausfälle in
Höhe von 358 Millionen DM ausdrücklich in Kauf genommen. Wenn sich der Handel so verhalten würde, wie
sich der Staat verhalten hat, dann wäre das insgesamt ein
Geschäft zugunsten der Verbraucher und der Steuerzahler.
Im Einzelfall geht es an der einen Stelle ein Stück herauf
und an einer anderen Stelle ein Stück herunter. Unbestreitbar ist aber, dass die Bürger im Ergebnis 358 Millionen DM weniger zahlen.
Nächster
Fragesteller ist der Kollege Jochen-Konrad Fromme von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Minister, aus Ihrer Antwort schließe ich, dass Sie in der augenblicklichen Situation keine vertrauensbildenden Maßnahmen für erforderlich halten. Meinen Sie nicht, dass Sie
diese Haltung überdenken müssen? Denn der Bürger
denkt nicht in Zehnjahresabschnitten; vielmehr richtet
sich sein Empfinden auf die Gegenwart. Erst jetzt, da der
Euro sozusagen physisch greifbar wird, befasst sich der
Bürger mit diesem Thema. Gerade jetzt ist der Wechselkurs extrem niedrig und die Inflationsrate relativ hoch.
Der Wirtschaftsminister hat gestern von „Nullwachstum“
gesprochen. Man kann also nicht von einer langfristig
durchschnittlich guten Wachstumsrate ausgehen. Glauben
Sie nicht, dass vor diesem aktuellen Hintergrund eine Änderung Ihres Vorgehens notwendig ist?
Wir haben all das, was Sie einfordern, getan. Wir haben zum
1. Januar dieses Jahres eine Steuerreform in Kraft gesetzt,
die Einnahmeausfälle in Höhe von 45 Milliarden DM mit
sich bringt. Sie wissen ganz genau, dass kein Land weitere Einnahmeausfälle verkraften kann. Diese Steuerreform erstreckt sich auf zwei Wahlperioden und beinhaltet
drei Steuersenkungsstufen. An dieser Stelle hat der Staat
also alles getan, was er überhaupt tun konnte.
Eine wesentliche Voraussetzung für Preisstabilität in
diesem Land ist darüber hinaus, dass der Staat seinen
Konsolidierungskurs konsequent fortführt, um - das ist
der andere Teil dessen, was wir tun - aus der Schuldenfalle herauszukommen. Die vorliegenden Daten - zu Ihrer Regierungszeit gab es wesentlich schlechtere - sind
nicht negativ. Aber es ist in der Tat so, dass das Wirtschaftswachstum dieses Jahres deutlich schwächer als das
des vorigen Jahres ist. Das ist unbestreitbar.
Eine weitere Frage des Kollegen Fromme.
Herr Minister, ich sage noch einmal: Es kommt nicht darauf an, was
im langfristigen Durchschnitt in der Vergangenheit geschehen ist; vielmehr geht es um die jetzige Situation. Hat
die Bundesregierung im Hinblick auf das, was für den
Bürger besonders wichtig ist, zum Beispiel die Entfernungspauschale, vorgesehen, eine Rundung zugunsten
des Bürgers vorzunehmen? Durch die Ökosteuer und
durch die gestiegenen Benzinpreise gibt es gerade an dieser Stelle besondere Probleme. Hier zugunsten des Bürgers zu runden hätte im besonderen Maße eine vertrauensbildende Maßnahme sein können.
Mir ist
nicht bekannt, dass Sie einen entsprechenden Antrag eingebracht haben. Die Einnahmeausfälle, die durch ein solches Vorgehen zusätzlich entstanden wären, hätte, wenn
ich es richtig sehe, keiner in Kauf nehmen wollen.
Außerdem weise ich darauf hin, dass wir mit Wirkung
ab 1. Januar 2001 die Entfernungspauschale erhöht haben.
Darüber hinaus gewähren wir aufgrund der überproportional gestiegenen Heizölkosten - Ökosteuer ist in diesem
Bereich nicht zu zahlen - einkommensschwächeren
Haushalten eine Pauschale.
Herr Minister, Sie fragen immer wieder nach Anträgen der Opposition. Haben Sie nicht das Gefühl, dass die Regierung aus
eigenem Antrieb an denjenigen Stellen tätig werden muss,
wo es den Bürger besonders kneift?
Das hat
die Regierung ja getan. Sie hat die Entfernungspauschale
zum 1. Januar 2001 erhöht.
Wir kommen zur Frage der Kollegin Ursula Heinen.
Herr Minister, wir alle
hier sind uns sicherlich darüber einig, dass die Euro-Bargeldeinführung zum 1. Januar 2002 möglichst bürgerfreundlich erfolgen soll. Das heißt, dass es für die Bürgerinnen und Bürger einfach sein soll, ihre D-Mark in Euro
umzutauschen.
Sie erwähnten ja im Zusammenhang mit dem Handel
bereits die doppelte Preisauszeichnung und den Versuch,
auf glatte Beträge zu kommen. Wissen Sie denn, wie es
zurzeit in den Kommunen aussieht? Wie weit sind die
Kommunen mit den Vorarbeiten zur Euro-Einführung?
Wie weit sind sie mit der Umrüstung ihrer Automaten und
Ähnlichem, zum Beispiel bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben? Sind dort im Zuge der Umstellung auf den
Euro Preiserhöhungstendenzen zu erwarten?
Darüber hinaus würde mich interessieren, wie Sie die
Tatsache beurteilen, dass die Bürgerinnen und Bürger vor
der Euro-Umstellung nur sehr wenig Zeit haben werden,
Euro-Beträge am Geldautomaten abzuheben. Es wird
wohl geplant, einen Teil der Geldautomaten schon vor der
Nacht des Jahreswechsels umzustellen. Auf diese Weise
könnte es im Vorfeld schwierig werden, entweder an
D-Mark oder an Euro zu kommen, weil das Netz der
Geldautomaten nicht in vollem Umfang zur Verfügung
steht.
Der Bericht, den ich gegeben habe, schließt die Kommunen ausdrücklich ein. Über die Preisgestaltung bei Verkehrsbetrieben oder Versorgungsbetrieben der Kommunen kann
ich keine Aussage machen - ich habe eine Feststellung für
den Bund getroffen -, weil das nicht Gegenstand der Beratung der Arbeitsgruppe ist. Ich kann aber nur appellieren, das zu tun, was der Bundesgesetzgeber bei der
Steuergesetzgebung gemacht hat und wozu sich auch der
Einzelhandel in einer Selbstverpflichtung ausdrücklich
bekannt hat.
Zu Ihrer Frage hinsichtlich der Geldautomaten: Es
kann sein, dass es in der Nacht des Jahreswechsels bzw.
zwei Tage vor oder nach diesem Zeitpunkt da und dort ein
Versorgungsproblem gibt. Aber nach wenigen Tagen werden wir den vollen Geldumlauf haben; das ist gesichert.
Es war der ausdrückliche Wunsch des Handels, den Zeitpunkt der Bargeldeinführung nicht vorzuziehen, um es im
Weihnachtsgeschäft nicht zu einer chaotischen Situation
kommen zu lassen. Deswegen halte ich übrigens auch
nichts von den wiederholten Vorstößen seitens des Europäischen Parlaments, den Zeitplan infrage zu stellen. Das
macht überhaupt keinen Sinn.
Als
Nächster hat der Kollege Jürgen Koppelin von der F.D.P.Fraktion eine Frage.
Herr Minister, Sie haben
die Empfehlung ausgesprochen, größere Bargeldbeträge,
die man zu Hause hat, zu einem bestimmten Zeitpunkt
umzutauschen. Gibt es Schätzungen der Bundesregierung, wie hoch die Bargeldbeträge von Privatpersonen in
Deutschland sind und wie hoch die Summe der DM-Barbeträge, die im Ausland vorhanden sind, ist?
Ich muss
Ihnen zugeben, dass mir dazu im Augenblick die entsprechenden Zahlen fehlen. Ich müsste Ihnen diese Frage
schriftlich beantworten.
Einverstanden. - Jetzt
komme ich auf einen Punkt, der nicht ganz unwichtig
ist: Nehmen wir an, jemand hat im Laufe vieler Jahre
30 000 DM angespart, die er zu Hause verwahrt. Ich halte
so etwas zwar nicht für richtig, weil ich es für besser halte,
das Geld zur Bank zu geben, aber man liest immer wieder, dass es solche Fälle gibt. Wie ist der konkrete Ablauf,
wenn der Betroffene mit seinem Geld zur Bank kommt
und nicht nachweisen kann, woher er es hat? Es könnte
sich dabei um eine Oma handeln, die das Geld in ihrem
Sparstrumpf hatte. Wie geht die Bank mit einem solchen
Fall um?
In diesem Zusammenhang muss ich auch das Thema
DM-Schwarzgeld, das im Ausland liegt, ansprechen. Haben Sie Überlegungen angestellt, dem Personenkreis, der
solche Bestände hat, zum Beispiel bei einer Selbstanzeige, auf irgendeine Weise entgegenzukommen, um auf
diesem Wege nachträglich Einnahmen realisieren zu können? Welche Möglichkeiten sehen Sie als Finanzminister
bei diesem Problem?
Wir haben das Geldwäschegesetz, das bei Bareinzahlungen von
mehr als 30 000 DM eine Identifizierungspflicht vorschreibt. Wenn es sich um Omas Bargeld handelt, wird
kein Problem auftreten; ich denke, ein derart seltener Fall
wird ohne Schwierigkeiten zu regeln sein. Wenn es sich
nicht um Omas Bargeld handelt, könnte ein Problem auftreten. Ich vermute, dass es deswegen, ebenso wie auch in
der Vergangenheit, viele Versuche geben wird, um dieses
Problem herumzukommen. Die gesetzlichen Regelungen
werden aber deswegen nicht verändert. Das heißt: Wir gehen natürlich gegen Geldwäsche vor und es gibt anlässlich der Währungsumstellung keine Amnestie. Einen solchen Weg würde ich für das Rechtsempfinden als extrem
schädlich ansehen.
({0})
- Nein, auch dafür nicht. Aber es gibt eine Möglichkeit:
Das Steuerrecht sieht - Sie wissen das - bei Selbstanzeige
Straffreiheit vor. Dies hat nur die unangenehme Konsequenz, dass man nicht nur ab diesem Zeitpunkt Steuern
zahlen muss, sondern auch die in der Vergangenheit nicht
entrichteten Steuern nachentrichten muss.
Ich sehe aber nicht, wie man davon jemanden ausnehmen kann. Wenn Sie es versuchten - das ist ja das eigentliche Thema, nicht die Amnestie -, setzten Sie eine
Prämie auf lange, erfolgreiche Steuerhinterziehung aus.
Jeder kann sich vorstellen, was dies für das Rechtsbewusstsein der Steuer zahlenden Bürgerinnen und Bürger
bedeutete. Daher sage ich: Diese Menschen müssen mit
dem Risiko leben, entdeckt zu werden. Wir verschärfen
international den Kampf gegen die Geldwäsche durch die
Zusammenarbeit der Staaten in der OECD ganz massiv.
Ich hoffe, dass wir dabei einen ordentlichen Schritt vorankommen.
Eine weitere Frage, Herr Kollege?
Ja, bitte. - Können Sie
mich noch darüber aufklären, ob ich die Herkunft des Geldes auch dann nachweisen muss, wenn ich im Ausland
- etwa bei einer Bank in Dänemark - 30 000 DM einzahle?
Es
kommt darauf an, wie die Richtlinien gegen die Geldwäsche dort aussehen. Im Prinzip dürften die Regelungen
dort aber ähnlich scharf wie bei uns sein.
Der
nächste Fragesteller ist der Kollege Bernd Protzner von
der CDU/CSU.
Herr Bundesminister, Sie haben mit großer Selbstsicherheit erklärt, dass Sie
bei der Euro-Bargeldeinführung im Plan lägen. Derzeit
haben wir aber - darauf haben die Kollegen schon hingewiesen - sehr hohe Inflationsraten, also eine beträchtliche
Entwertung des Euro. Liegen Sie auch hier in Ihrem Plan?
Immerhin sind Sie so selbstverständlich und kurz darüber
hinweggegangen. Spekulieren Sie gar auf heimliche
Steuererhöhungen, indem durch eine hohe Inflationsrate
die Bemessungsgrundlage für Ihre Steuerschöpfung verbreitert wird? Wollen Sie schließlich zur Kenntnis nehmen, dass Sie zu den hohen Inflationsraten vor allem
durch administrative Preise beigetragen haben, nämlich
durch Ihre Steuererhöhungen?
Das ist ja
nicht richtig. Wir haben eine Steuersenkung massiver Art.
Ich akzeptiere Ihr Argument, dass wir im Zusammenhang
mit der Ökosteuer eine Steuererhöhung hatten; sie macht
5 Milliarden DM aus. Die Steuerentlastung über die Steuerreform zum 1. Januar dieses Jahres macht aber 45 Milliarden DM aus. Im Übrigen werden die 5 Milliarden DM,
die über die Ökosteuer hereinkommen, über die Senkung
der Lohnnebenkosten, der Rentenversicherungsbeiträge,
vollständig zurückgegeben, sodass sich aus dieser Operation per saldo keine Belastung für die Gesamtheit der
Bürgerinnen und Bürger - natürlich gibt es Umschichtungen - ergibt und mit der Steuerreform eine massive Entlastung der privaten Haushalte wie der Unternehmen erfolgt. So sieht der Sachverhalt aus, mit dem wir es zu tun
haben.
Eine weitere Frage, Kollege Protzner.
Herr Bundesminister, als Leser der von Ihnen monatlich veröffentlichten
Kassenberichte kann ich nicht feststellen, dass eine Steuerentlastung in dem von Ihnen vorhergesagten Umfange
eingetreten ist. Sie ist wesentlich geringer und bewegt
sich allenfalls im einstelligen Milliardenbereich. Es tut
mir Leid, Ihre Kassenzahlen weisen das Gegenteil dessen
aus, was Sie sagen. Sind Sie bereit, zuzugeben, dass Ihre
Steuerentlastung hoch- und schöngerechnet ist?
Alles,
was Sie sagen, ist falsch. Die Steuerreform hat sich in den
ersten Monaten noch nicht so ausgewirkt. Im April und
- wachsend - im Mai liegen wir deutlich unter den Steuereinnahmen des vergangenen Jahres. Im Moment sind wir
genau in den Planzahlen. Sie müssen sehen, dass das Steueraufkommen von einem höheren Bruttoinlandsprodukt
kommt.
Was das Thema „heimliche Steuererhöhungen“ angeht,
sage ich Ihnen: Wir haben jetzt zum ersten Mal eine Situation, in der im Laufe von sieben Jahren, nämlich von
1998, als wir Ihr Steuerrecht vorgefunden hatten, bis
2005, die Lohnsteuerbelastung der Bevölkerung deutlich
zurückgeht. Das heißt, dass die heimliche Steuererhöhung
und die kalte Progression, die wir mehr als 50 Jahre gehabt haben - davon haben Sie 35 Jahre lang den Bundesfinanzminister gestellt -, in diesen sieben Jahren und darüber hinaus nicht wirksam werden, weil wir die Lohnund Einkommensteuer so massiv gesenkt haben, wie es
vorher nie der Fall gewesen ist.
Nächste
Frage, Kollege Hans Michelbach.
Herr Bundesminister, zeigt nicht der Konjunktureinbruch in aller Deutlichkeit, dass Ihre Steuerreform verpufft ist, was im Übrigen
darauf hindeutet, dass die Euro-Schwäche zum Teil hausgemacht ist? Warum wollen Sie nicht angesichts der Tatsache, dass die reale Kaufkraft von Löhnen, Gehältern
und Sparguthaben durch die hohe Inflationsrate sinkt, die
Steuerreformstufen 2003 und 2005 vorziehen und so für
eine bessere konjunkturelle Entwicklung sorgen? Können
Sie die aus der Inflation resultierenden Mehreinnahmen,
also die heimlichen Steuererhöhungen, nicht dafür verwenden?
Ich verfüge über keine Steuermehreinnahmen. Vielmehr habe
ich im Mai gegenüber dem Vorjahr Steuermindereinnahmen von etwa 10 Prozent gehabt. Wir liegen bei den Einnahmen genau innerhalb der Schätzung - hoffentlich
bleibt es dabei -, die wir der Steuerreform zugrunde gelegt haben.
Im Übrigen, Herr Kollege Michelbach, rate ich Ihnen,
sich einmal bei Ihrem bayerischen Parteifreund und dortigen Finanzminister zu erkundigen, ob er denn ein Vorziehen der Steuerreformstufen, die für die Jahre 2003 oder
2005 vorgesehen sind, mit seinem Etat vereinbaren kann.
Ich weiß nur, dass der bayerische Ministerpräsident bei
mir über die Finanzlage des Freistaats Bayern sehr geklagt hat.
({0})
Das drückt sich übrigens auch in den wesentlich geringeren Einzahlungen Bayerns in den Länderfinanzausgleich aus. Ich glaube nicht, dass Sie in Deutschland ein
einziges Bundesland finden werden, das einem solchen
Antrag zustimmen würde. Nebenbei gesagt, kann es auch
der Bundeshaushalt nicht verkraften.
Im Übrigen können Sie über den öffentlichen Haushalt
keine Konjunktursteuerung betreiben. Das ist in der Zeit
der offenen Märkte nicht mehr möglich. Das konnte
in den 60er- und vielleicht noch in den 70er-Jahren gelingen.
Wer ein schönes Beispiel dafür haben will, was passiert, wenn der Staat versucht, Konjunktursteuerung - sogar mit umfangreichen Programmen - vorzunehmen, der
sollte nach Japan sehen, wo das nun seit fünf oder sechs
Jahren mit riesigen Summen versucht wird. Der Erfolg ist:
Japan ist in der Rezession; seine Staatsverschuldung ist
zweieinhalbmal so hoch wie bei uns. Es hat keinen Sinn,
mit Rezepten, die vielleicht vor Jahrzehnten funktioniert
haben, heute noch Politik machen zu wollen.
({1})
Letzte
Frage, Kollege Jochen-Konrad Fromme.
Herr Minister, Sie haben eben gesagt, die Mehreinnahmen der Ökosteuer würden vollständig zur Absenkung der Rentenbeiträge eingesetzt werden. Sie erzeugen damit den
Eindruck, dass das eins zu eins erfolge. Können Sie mir
vor diesem Hintergrund erklären, warum der Rentenbeitrag nur um 0,1 Prozent gesenkt wird, obwohl die 8 Milliarden DM doch für wesentlich mehr ausreichen?
Erstens
sind es nicht 8 Milliarden DM, sondern 5 Milliarden DM.
Zweitens haben wir auch die Situation, dass wegen
des Alterungsprozesses die Kosten ständig steigen. Sie
haben übrigens - wenn ich Sie diesbezüglich an die Geschichte Ihrer eigenen Regierung erinnern darf - 16 Milliarden DM Einnahmen aus der Mehrwertsteuer in die
Rentenversicherung gepumpt; Sie haben - mit unserer
Zustimmung - 1998 die Mehrwertsteuer um einen ganzen
Prozentpunkt erhöht. Sie haben damit bei der Rentenversicherung nichts abgesenkt, sondern gerade einmal erreicht, dass der Rentenversicherungsbeitrag stabil bei
20,3 Prozent blieb. Weil dies hier dieselbe Geschichte ist,
rate ich Ihnen, diese Debatte nicht in der Form weiterzuführen. Der Unterschied besteht nur darin, dass Sie die
Rentenversicherung aus der Mehrwertsteuer, also aus
einer allgemeinen Verbrauchsteuer, bedient haben und wir
sie aus der Mineralöl- und Stromsteuer bedienen, das
heißt aus einer speziellen Verbrauchsteuer. Über diesen
Unterschied können Sie trefflich streiten; dagegen habe
ich nichts. Darauf reduziert sich der Unterschied, mit dem
wir es zu tun haben.
({0})
- Der Bürger bekommt das vollständig zurück, denn
anderenfalls müssten wir eine Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrags um 0,2 oder 0,3 Punkte zusätzlich
machen.
({1})
Vielen
Dank. - Ich beende nun die Befragung zum Themenbereich der heutigen Kabinettssitzung. Gibt es noch Fragen
zu anderen Themen? - Das ist nicht der Fall. Dann beende
ich die Befragung der Bundesregierung. Ich bedanke
mich bei Ihnen, Herr Bundesminister Eichel.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/6272 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Professor Dr. Eckhart Pick
zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 1 des Abgeordneten Andreas
Schmidt ({0}) von der CDU/CSU-Fraktion:
Kann die Bundesregierung Vermutungen bestätigen, dass
SPD-Parteispenden der Bundesministerin der Justiz, Professor
Dr. Herta Däubler-Gmelin, über circa 63 000 DM ({1}) und
104 000 DM ({2}), aus ihrem Verdienst als
Anwältin der Berliner Kanzlei Knauthe, Riebschläger herrühren,
und steht dieser Verdienst im Zusammenhang mit einem Honorar
dieser Kanzlei in Höhe von rund 890 000 DM für ein Treuhändermandat für den sanierungsbedürftigen Aubis-Konzern und eine
weitere Berliner Immobilienfirma ({3})?
Herr Professor Pick, bitte schön.
Herr Kollege, die Frage ist mit Nein
zu beantworten. Die Bundesregierung kann Ihre Vermutungen nicht bestätigen.
Zusatzfrage, Kollege Schmidt.
Herr Kollege Pick, soll ich daraus schließen, die Regierung habe
positive Kenntnisse, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Spende der Bundesjustizministerin an die SPD
und ihren Verdienst in der Kanzlei gibt?
Die Bundesregierung hat dafür
keine Anhaltspunkte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Hat
die Bundesregierung Kenntnis, ob es gegen Herrn
Riebschläger, der ebenfalls Sozius dieser Kanzlei ist, ein
Ermittlungsverfahren wegen angeblichen Parteiverrats
gibt?
Die Bundesregierung hat davon
keine Kenntnis.
({0})
Eine Zusatzfrage von Herrn Friedrich, bitte schön.
Herr
Staatssekretär, Frau Ministerin Däubler-Gmelin hat 1998
nachgemeldet, 104 000 DM für die SPD gespendet zu haben. Ich unterstelle einmal, dass dieses Geld nicht aus
anonymen Spenden kommt, sondern dass es aus ihrem eigenen Einkommen stammt. Wir können das nicht nachprüfen, weil im Untersuchungsausschuss alle Anträge
dazu von der rot-grünen Mehrheit als unzulässig abgelehnt worden sind. Die Ministerin hat das damit begründet, dass sie 1998 hohe Einkommen aus ihrer Kanzleitätigkeit hatte. Sie hat aber 1999, also in der Zeit, als sie
bereits Ministerin war, ebenfalls wieder gespendet, und
zwar nachgemeldet 63 000 DM. Muss man daraus
schließen, dass sie auch 1999 noch Einkünfte aus ihrer
Kanzleitätigkeit hatte?
Herr Kollege, die Bundesministerin der Justiz hat, wie es den Vorgaben des Bundesministergesetzes und übrigens auch der Bundesrechtsanwaltsordnung entspricht, ihre Tätigkeit in dieser
Kanzlei mit Ernennung zur Bundesministerin der Justiz
eingestellt.
Eine weitere Frage des Kollegen Fromme.
Herr Staatssekretär, da Sie ja auf die erste Frage einfach nur mit Nein
geantwortet haben, möchte ich fragen: Hat die Bundesregierung wenigstens darüber Kenntnis, ob die Kanzlei, in
der die Ministerin gearbeitet hat, das Mandat zugunsten
des Aubis-Konzerns wahrgenommen hat, oder hat sie
auch darüber keine Kenntnisse?
Die Bundesregierung hat darüber
Kenntnis, dass die Frau Bundesministerin nie in Sachen
der Firma Aubis tätig geworden ist. Mit anderen Worten:
Sie hatte nie ein Mandat.
Aber die
Kanzlei hatte ein Mandat?
Das möchte ich nicht ausschließen.
Ich habe aber keine positive Kenntnis davon, ob und in
welcher Form das so war.
Eine weitere Frage, diesmal des Kollegen Siemann.
Herr Staatssekretär,
Sie haben vorgetragen, Frau Däubler-Gmelin sei mit Ernennung zur Ministerin aus der Kanzlei ausgetreten. Wie
beurteilen Sie dann den Sachverhalt, dass sie nach wie vor
im Briefbogen der Kanzlei als Sozia aufgeführt ist? Vorhin haben Sie auf das Standesrecht hingewiesen. Bedeutet die Aufnahme in den Briefbogen nicht, dass sie
tatsächlich noch für diese Kanzlei tätig ist oder zumindest
noch Werbung für sie macht?
Ich denke, es ist nicht unzulässig
- auch nicht nach den standesrechtlichen Vorschriften -,
weiterhin in der entsprechenden Kanzlei genannt zu werden. Es gibt auch Vorgängerinnen und Vorgänger der Ministerin, bei denen das so war. Jeder weiß, dass die Frau
Bundesministerin - aus den genannten gesetzlichen
Gründen - nicht mehr für diese Kanzlei tätig ist.
Vielen
Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Siegmar Mosdorf zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Klaus Grehn
auf:
War der Bundesregierung bei der durch den Staatsminister
beim Bundeskanzler, Rolf Schwanitz, vorgetragenen Position zur
Situation in den neuen Bundesländern ({0}) die Einschätzung der Handwerkskammer
Chemnitz zur Konjunkturentwicklung bekannt und wie bewertet
sie die Unterschiede zwischen beiden Einschätzungen?
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Frage
wie folgt beantworten: Das innerhalb der Bundesregierung für das Handwerk zuständige Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie wertet die Berichte und
Stellungnahmen der Handwerkskammern aus. Das trifft
auch für die Konjunkturumfrage der Handwerkskammer
Chemnitz für das erste Quartal 2001 zu. Der
Bundesregierung ist damit die Einschätzung der Handwerkskammer Chemnitz zur wirtschaftlichen Lage des
Handwerks in dieser Region bekannt. Sie beruht auf einer
Umfrage bei 4 500 Handwerksbetrieben im Kammerbezirk. Nach den Umfrageergebnissen hat sich die Geschäftslage des Chemnitzer Handwerks gegenüber dem
Vorjahreszeitraum verschlechtert. Auch die Erwartungen
für das zweite Quartal 2001 im Vergleich zu denen des
Jahres 2000 sind in der Umfrage pessimistischer.
Staatsminister Schwanitz hat in seiner Rede vor dem
Deutschen Bundestag am 13. Mai 2001 eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung für alle neuen Bundesländer vorgenommen. Dabei hat er ausdrücklich auf die differenzierte Entwicklung der Wirtschaft in den neuen
Bundesländern hingewiesen und dies einerseits an der
starken Dynamik des verarbeitenden Gewerbes und andererseits am Schrumpfungsprozess der Bauwirtschaft
deutlich gemacht.
Die Bundesregierung hält es generell nicht für sinnvoll, gesamtwirtschaftliche Aussagen mit Entwicklungen
eines Sektors in einer ausgewählten Region zu vergleichen. Im konkreten Fall bestätigt der Vergleich aber die
von Herrn Staatsminister Schwanitz herausgestellte Differenzierung zwischen dem verarbeitenden Gewerbe auf
der einen Seite und vor allem der Bauwirtschaft auf der
anderen Seite. Handwerk und Industrie sind unterschiedliche Sektoren, in denen unterschiedliche Unternehmen
tätig sind, die unterschiedlichen Einflüssen unterliegen.
So erklärt sich auch das von Herrn Staatsminister
Schwanitz grundsätzlich aufgegriffene Phänomen, dass
sich die Industrie in den neuen Bundesländern günstig
entwickelt - im Übrigen auch in der Region Chemnitz und sich das Handwerk in den neuen Bundesländern
gleichzeitig in einer verhältnismäßig schwierigen Situation befindet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Grehn.
Herr Staatssekretär, Herr
Schwanitz hat sich ja - Sie haben darauf Bezug genommen - auf die Information des Ifo-Instituts bezogen. Sie
haben die 13 Prozent noch einmal genannt und auf die
gesamtwirtschaftliche Entwicklung verwiesen.
Ich habe die Handwerkskammer nur als ein Beispiel
genannt. In derselben Information steht, dass der Geschäftsklimaindex erneut gesunken ist, und darin steht
auch, dass die Umfrageteilnehmer der Gesamtentwicklung in den nächsten sechs Monaten erstmals seit Oktober
1999 wieder mit Skepsis entgegensehen. Was bedeutet
das für die Gesamteinschätzung und für das Produktionswachstum, wenn Sie dann noch den gegenwärtigen und
weiter vorhergesagten Konjunktureinbruch in die Betrachtung einbeziehen?
Herr Kollege,
ich darf Sie darauf hinweisen, dass es sich bei dem Ifo-Index stets um makroökonomische Betrachtungen handelt
und dass es bei der Umfrage, die die Handwerkskammer
durchgeführt hat, um eine spezielle Betrachtung des
Handwerks in der Region Chemnitz geht.
Gerade weil Sie die Frage in Bezug auf Chemnitz stellen, möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen - das
kann Ihnen auch die Kollegin Jelena Hoffmann, die aus
Chemnitz kommt, bestätigen -: Chemnitz hat, was die
Industrie angeht, eine außergewöhnlich positive Entwicklung genommen. Das kann man an einzelnen Unternehmen - zum Beispiel auch Unternehmen des traditionellen
Werkzeugmaschinenbaus - nachvollziehen, die sehr gute
Daten aufweisen und die - übrigens auch international sehr gut dastehen. Chemnitz hat als Region eine Exportrate von 33 Prozent. Das ist für die neuen Bundesländer
sehr, sehr hoch. Das heißt, Sie müssen diese Differenzierung zwischen den speziellen Entwicklungen vor allem in
der Bauwirtschaft und denen in den industriellen Bereichen vornehmen.
Die Kollegen waren gerade heute Morgen mit mir zusammen im Wirtschaftsausschuss, um die wirtschaftliche
Situation in den neuen Bundesländern mit Experten zu betrachten. In der Baubranche haben wir eine deutliche
Überkapazität, die leider zu lange hochgehalten wurde
und jetzt langsam abgesenkt wird. Deswegen stellt sich
jetzt natürlich ein Basiseffekt ein, der auch positive Entwicklungen, die es zum Beispiel beim verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie gibt, in der makroökonomischen Gesamtwirkung verdrängt. Deshalb muss man
zwischen den Branchen sehr genau differenzieren, wenn
man eine zielgenaue Einschätzung finden will. Darauf bezog sich das, was Herr Staatsminister Schwanitz gesagt
hat.
Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Grehn.
Herr Staatssekretär, so ist das
eben. Ich habe wohlweislich die Region Chemnitz genommen, wissend, dass dies eine Region ist, die auf den
vorderen Rängen der Entwicklung liegt, um mir nicht vorwerfen zu lassen, eine schlechte Region ausgewählt und
damit einen gesamtwirtschaftlichen Vergleich angestellt
zu haben. Ich hätte genauso gut - und auch viel lieber meinen eigenen Wahlkreis nehmen können, Hoyerswerda-Riesa-Großenhain-Kamenz; dann wäre der Vergleich sicherlich schlechter ausgefallen. Dies nur als Vorbemerkung. Wir sind also darin einer Meinung, dass
Chemnitz angesichts der schlechten Entwicklung eigentlich ein positives Beispiel ist.
Daran knüpft nun meine Frage an: Herr Staatsminister
Schwanitz hat in seiner damaligen Rede angemahnt, die
Entwicklung in den neuen Bundesländern differenziert zu
sehen. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass seine Ausführungen die von ihm erhobenen Forderungen nicht
berücksichtigen? Ich meine Ihren Aussagen entnehmen zu
können, dass Sie versucht haben, in diesem Punkt zu
differenzieren.
Ich habe nicht
mehr jedes Detail im Kopf; ich weiß aber, dass wir damals
die Debatte gemeinsam geführt haben. Ich meine mich daran zu erinnern, dass er, ausgehend von seiner makroökonomischen Betrachtung, für die einzelnen Branchen eine
Detaillierung vorgenommen hat. Er hat sehr wohl beispielsweise zwischen der Entwicklung der Bauwirtschaft
in den neuen Bundesländern und der Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe unterschieden.
Es hilft uns nicht weiter, wenn versucht wird, aus der
gegebenen Situation, in der wir Kapazitäten reduzieren
und gleichzeitig diese Reduktion durch besondere Anstrengungen im Bereich der Wachstumskerne kompensieren, politisch Kapital zu schlagen
Wir kommen zur Frage 3 des Kollegen Dr. Klaus Grehn:
Ist der Bundesregierung bewusst, dass auch in anderen Regierungsbezirken der neuen Bundesländer die Konjunktureinschätzungen ähnlich wie in Chemnitz ausfallen, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Der Bundesregierung ist bewusst, dass die Konjunkturumfragen anderer
Handwerkskammern in den neuen Bundesländern ähnlich
wie in Chemnitz ausfallen. Sie zieht daraus die Schlussfolgerung, dass die wirtschaftliche Lage des Handwerks in
den neuen Bundesländern derzeit insgesamt als schlecht
bewertet werden muss. Das trifft insbesondere auf die
Bauwirtschaft zu. Dies beruht überwiegend auf der anhaltenden Strukturanpassung in der Bauwirtschaft, die einen
sehr hohen Anteil am Handwerk in den neuen Bundesländern hat.
In den anderen Gewerken ist die wirtschaftliche Lage
im Vergleich zu der Bauwirtschaft deutlich günstiger. Auf
die gute Entwicklung der ostdeutschen Industrie habe ich
bereits hingewiesen.
Zusatzfrage, Kollege Grehn?
Herr Staatssekretär, liegen
der Bundesregierung genauere Angaben zu den Insolvenzen in den neuen Bundesländern, getrennt nach Industriebereichen und Gewerken im Bereich des Handwerks, vor?
Liegen Angaben über Wandlungsprozesse innerhalb der
verschiedenen Bereiche vor? Es ist beispielsweise nicht
allein der Baubereich - über diesen Kernbereich haben
Sie schon gesprochen -, sondern es sind auch andere
Branchen betroffen, was durch die schlechte Einschätzung der Handwerkskammer bestätigt wird, sodass man
sie auf die gesamte Industrie in den neuen Bundesländern
ausdehnen kann.
Nein, solche Daten liegen uns nicht vor.
Gibt es
eine weitere Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Vielen
Dank, Herr Staatssekretär Mosdorf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 4 der Kollegin Gudrun Kopp
von der F.D.P.-Fraktion:
Ist es zutreffend, dass in den Kantinen der Bundesministerien,
insbesondere derjenigen des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, trotz der bereits im Januar 2001 angekündigten und geforderten so genannten Agrarwende und des damit verbundenen Leitbilds des organischen
Landbaus bislang keine Produkte dieser Anbauform angeboten
werden?
Es trifft nicht zu, dass im Rahmen der
Agrarwende, was die Umstellung der Kantinen angeht,
ein halbes Jahr geschlafen wurde, im Gegenteil: Es wurden innerhalb der gesamten Bundesregierung verstärkte
Anstrengungen unternommen, die Kantinenbewirtschaftung so umzustellen, dass die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter die Möglichkeit haben, auch ökologische Produkte auf ihrem Speiseplan zu finden. Des Weiteren
wurde im Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, etwa die Umstellung im gesamten Catering-Bereich, beispielsweise bei Getränken, die bei Konferenzen
angeboten werden.
Dieser Prozess ist jetzt angelaufen. Wir haben ihn von
Anfang an, also gleich in den ersten Wochen, in Gang gesetzt. Man muss dabei natürlich berücksichtigen, dass es
eine Reihe langfristiger Liefer- und Pachtverträge gibt.
Ich denke, dass dies als Beispiel für andere Kantinen dienen kann.
Bei der Frage von ökologischen Produkten oder Produkten aus ökologischem Anbau ist festzustellen, dass
nicht nur im Einzelhandelsbereich ein großes Defizit existiert, sondern auch im Bereich der Kantinen und der
Gastronomie. Die Bundesregierung wird hier weitere Anstrengungen unternehmen, um das Ziel zu erreichen, den
Anteil ökologischen Landbaus in den nächsten fünf Jahren auf 10 Prozent und in den nächsten zehn Jahren auf
20 Prozent zu erhöhen.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Kopp?
Herr Staatssekretär, es gibt
keinen Grund, nervös zu reagieren und zu sagen, das Ministerium habe nicht geschlafen. Das habe ich nicht unterstellt. Meine Frage habe ich vor dem Hintergrund gestellt, wieweit Sie auch im eigenen Umfeld diese Produkte
anbieten. Das ist eine sehr wichtige Frage
Sie haben gesagt, dass Sie den Einstieg jetzt vorbereiten. Geben Sie denn auch gleichzeitig Informationsmaterial heraus? Darüber hinaus haben Sie gesagt, dass das
auch ein Beispiel für andere Kantinen sein soll. Wissen
Sie, ob zumindest in Berlin, zum Beispiel in Mensen von
Universitäten oder in Kindergärten und anderen Einrichtungen, ähnliche Informationen herausgegeben werden?
Wie ist dort der Sachstand?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Frau Kollegin, mir liegen in Bezug auf
die Mensen in Berlin keine Erkenntnisse vor. Ich weiß
aber aufgrund meiner früheren Tätigkeit, dass im Hochschulbereich einige Studentenwerke Vorreiter sind. Ich
habe Informationen in Bezug auf die Bundesressorts. Ich
möchte ein Beispiel nennen: Das Auswärtige Amt bietet
in Berlin schon seit längerer Zeit ein Ökoessen an. Auch
Kindertagesstätten von Bundesbehörden werden komplett mit Produkten des ökologischen Landbaus versorgt.
Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hat ja keine eigene Kantine in
Berlin, sodass wir dort keine Umstellung vornehmen können. Wir haben aber in Bonn sehr schnell damit angefangen. Das erste Produkt, weil das sehr einfach war, war die
Kartoffel. Nun bieten wir dort komplette Essen an. Im
Rahmen von Aktionstagen wird natürlich geprüft, was auf
der Nachfragerseite gewünscht ist. Es ist völlig klar, dass
auch die ökologischen Produkte im Wettbewerb mit anderen Essen stehen, und das ist auch gut so.
Gibt es
eine weitere Zusatzfrage?
Ich habe noch eine Zusatzfrage.
Das sind sehr gute Ansätze. Stimmen Sie mit mir überein, Herr Staatssekretär, dass ein Quotenanteil von Bioprodukten an den Nahrungsmitteln eher einer planwirtschaftlichen Vorgabe entspricht und dass es sinnvoller
wäre, mit mehr Marktvertrauen heranzugehen und zu sagen, dass Sie die Strukturen schaffen, vorbereiten, dass
aber die letzte Entscheidung beim Verbraucher und damit
beim Markt bleibt? Warum setzen Sie so wenig auf die
marktwirtschaftlichen Kräfte, die in Deutschland schon
einige positive Beispiele hervorgebracht haben?
({0})
Frau Kollegin, ich kann nicht erkennen,
dass wir hier auf planwirtschaftliche Instrumente setzen.
Richtig ist, dass die Bundesregierung klare Ziele hat. Es
erschien uns nicht einsichtig, dass das, was in anderen
Ländern schon längst gängig ist, nämlich dass die Verbraucherinnen und Verbraucher eine Auswahl an Bioprodukten haben, in Deutschland nicht stattfinden sollte.
Deutschland ist vergleichbar mit Österreich, hat aber
höchstens ein Fünftel der Ökoprodukte im Angebot. Ich
glaube, dass der Markt hier nicht ausreichend funktioniert
hat und die Verbraucher keine ausreichende Wahlfreiheit
hatten. Das Gleiche trifft im Alltag für die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen zu, die ihr
Mittagessen in Kantinen zu sich nehmen. Wir werden eine
ganze Reihe von Maßnahmen ergreifen, die Attraktivität
zu steigern. Die letzten Monate haben gezeigt, dass die
Agrarwende längst begonnen hat. Es gibt sehr viele
Unternehmen, die im Begriff sind, umzustellen oder die
bereits umgestellt haben. Es gibt eine Reihe von Verbänden, mit denen gemeinsam wir dieses Thema angehen und
die nötige Beratung bereitstellen. In unserem ZuständigVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
keitsbereich ist das beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die ein Kooperationspartner ist.
Aber auch die Verbände für ökologischen Landbau haben
ein großes Know-how und sind sicherlich gute Ansprechpartner.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär Berninger.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf. Die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting sollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Fragen 7 und 8 der Abgeordneten Ina Lenke sollen ebenfalls
schriftlich beantwortet werden.
Jetzt rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
auf. Die Frage 9 des Abgeordneten Ernst Hinsken soll
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Werner
Siemann auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Humanistische Union ({0}) eine Gruppe von Personen mit dem FritzBauer-Preis auszeichnete, die 1999 während der NATO-Luftschläge im Kosovo-Konflikt die Angehörigen der Bundeswehr in
einer halbseitigen Anzeige in der Tageszeitung „taz“ dazu aufforderten, die Einsatzbefehle zu verweigern, sich von der Truppe zu
entfernen und sich gegen diesen „Krieg“ aufzulehnen, vor dem
Hintergrund, dass die Bundesministerin für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, und die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Heidemarie Wieczorek-Zeul, im Beirat der HU und die Bundesministerin der Justiz, Professor Dr. Herta Däubler-Gmelin, einfaches Mitglied der HU sind und die Ministerin Heidemarie
Wieczorek-Zeul sowie die Ministerin Professor Dr. Herta
Däubler-Gmelin sowohl der Entsendung deutscher Soldaten in
das Kosovo am 16. Oktober 1998 ({1}) als
auch der „Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo“ am 1. Juli 2001 zugestimmt und alle drei genannten Ministerinnen die so genannte
Mandatsverlängerung im Bundeskabinett am 9. Mai 2001 mitgetragen haben?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.
Herr Kollege Siemann, ich beantworte Ihnen die Frage wie folgt: Die drei genannten Bundesministerinnen gehören der Humanistischen Union
nicht in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Bundesregierung an. Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung keinen Anlass, die Aktivitäten der Humanistischen
Union zu bewerten.
Eine Zusatzfrage, Kollege Siemann.
Halten Sie es für
möglich, dass man gerade bei der Mitgliedschaft in solchen Vereinigungen die natürliche Person von dem Kabinettsmitglied trennen kann?
Herr Kollege Siemann, das kann
man tun. Deswegen habe ich Ihnen diese Antwort gegeben. Im Übrigen glaube ich, dass sich die Mitgliedschaften auf einen Zeitraum erstrecken, als die Betroffenen
noch nicht daran gedacht haben, Mitglieder der Bundesregierung zu werden.
Weitere
Zusatzfrage, Herr Kollege Siemann?
Aber die Preisverleihung ist ja erst jetzt geschehen, wo sie schon Mitglied der
Bundesregierung sind. Hätten Sie es nicht für vernünftig
gehalten, wenn man Einfluss darauf genommen hätte, dass
ein solches Verhalten gerade nicht als auszeichnungswürdig angesehen wird?
Das ist eine Frage, die jedes Mitglied in diesem Zusammenhang selbst zu entscheiden hat.
Deswegen habe ich auch die Unterscheidung vorgenommen, wie ich sie Ihnen in unserer Antwort gegeben habe.
Ich glaube, das ist auch richtig und gut so.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär Körper.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur
Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 11 des Abgeordneten
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr auf:
Warum hat die Bundesregierung in einer Stellungnahme vom
25. Juli 2000 meine Vorschläge bezüglich der Regelung und Bestandteile eines Übernahmegesetzes sowohl auf nationaler wie
auch auf europäischer Ebene abgelehnt, obwohl sie diese Inhalte
zu diesem Zeitpunkt noch ohne Probleme in der EU hätte durchsetzen können, heute aber genau meine damaligen Vorschläge zur
Begründung ihrer Ablehnung der EU-Übernahmerichtlinie anführt?
Herr Kollege Ronsöhr, die
Bundesregierung hat sich stets für die Schaffung eines
„level playing fields“ im Übernahmerecht auf internationaler Ebene eingesetzt. Ein Bestandteil dieses Konzepts
sind einheitliche Spielregeln bei Unternehmensübernahmen. Auf europäischer Ebene werden diese für den Bereich des Kapitalmarktrechts durch die Übernahmerichtlinie geregelt.
In den Monaten nach Verabschiedung des Gemeinsamen Standpunktes zur Übernahmerichtlinie im Juni 2000
bzw. auch nach Ihrem Schreiben im Juli 2000 an den
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie hat
sich jedoch gezeigt, dass andere Mitgliedstaaten weiterhin an Regelungen zu Stimmrechtsbegrenzungen und
Mehrstimmrechten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts festhalten und deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich dadurch benachteiligt werden. Die
Bundesregierung hat sich deshalb bei den weiteren Verhandlungen auf europäischer Ebene für Abwehrmöglichkeiten des Managements einer Gesellschaft eingesetzt.
Auf nationaler Ebene wird die Bundesregierung die
Vorgaben der Richtlinie durch das Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz umsetzen und dabei die ihr von der
Richtlinie eingeräumten Spielräume im Hinblick auf die
Verhaltenspflichten der Leitungsorgane der Zielgesellschaft - einschließlich der Möglichkeiten von Vorratsbeschlüssen - nutzen.
Zusatzfrage, Kollege Ronsöhr.
Frau
Staatssekretärin, können Sie mir bestätigen, dass die Bundesregierung im letzten Jahr zur europäischen Richtlinie,
was die Übernahme von Unternehmen anbetrifft, eine
ganz andere Stellungnahme abgegeben hat, als sie das
jetzt tut? Die Bundesregierung hat mir durch Herrn
Mosdorf geschrieben:
Sowohl die europäische Richtlinie wie auch der
Referentenentwurf sind grundsätzlich neutrale Regelungen, die feindliche Übernahmen weder fördern
noch behindern sollen.
Jetzt hat der Bundeskanzler eine ganz andere Stellung
bezogen. Können Sie begründen, warum Sie im letzten
Jahr den Standpunkt eingenommen haben, wie er in der
Antwort von Herrn Mosdorf zum Ausdruck kommt?
Ich habe Sie ja in meiner
Antwort schon darauf hingewiesen, dass sich in der Tat
nach der Erarbeitung der ersten Vorentwürfe auch unseres
Gesetzentwurfes - natürlich war die europäische Richtlinie zu der Zeit im Entwurf schon bekannt - mehr und
mehr herausgestellt hat, dass zwar, wie ich Ihnen schon
sagte, im Bereich des Kapitalmarktrechts in den anderen
europäischen Ländern alle Hindernisse abgebaut werden
sollen, aber im Bereich des Gesellschaftsrechts Hindernisse bestehen, was zu einer gleichen Startposition bei
Unternehmensübernahmen innerhalb der Europäischen
Union nicht beiträgt.
Weil sich herausgestellt hat, dass solche gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen in anderen wesentlichen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiterhin bestehen, hat die Bundesregierung in der Tat ihre Auffassung
geändert. Deswegen kommt es dazu, dass die Auffassung
vom Juli des vergangenen Jahres und die jetzt vertretene
unterschiedlich sind. Es ist ja nicht vorzuwerfen, dass die
Bundesregierung innerhalb eines Jahres aufgrund neuer,
sich verstärkender Erkenntnisse eine Position bezieht, die
Sie vielleicht schon im vergangenen Jahr für richtig gehalten haben. Freuen Sie sich doch darüber, dass die Bundesregierung jetzt Ihre Auffassung teilt.
Weitere
Zusatzfrage, Kollege Ronsöhr.
Frau
Staatssekretärin, können Sie sich vorstellen, dass meine
Freude nicht allzu groß ist, weil die europäische Richtlinie von einer anderen Übernahmeregelung ausgeht, als
ich sie damals gefordert habe?
Können Sie mir bestätigen, dass sich die Bundesregierung zu spät mit den Vorstellungen der europäischen
Richtlinie auseinander gesetzt hat, die im Grunde genommen eine feindliche Übernahme von Unternehmen geradezu befördern?
Herr Kollege Ronsöhr,
zum einen kann ich den Umfang Ihrer nicht ausreichenden Freude nicht beurteilen.
({0})
Zum anderen kann ich mir nicht vorstellen, dass sich die
Bundesregierung zu spät eingeschaltet hat.
Damit
kommen wir zur Frage 12 des Kollegen Peter Weiß
({0}):
Trifft es zu, dass das für die beiden Bundesabteilungen der
Oberfinanzdirektion Karlsruhe zuständige Service-Center in
Freiburg geschlossen und nach Saarbrücken verlegt werden soll?
Herr Kollege Weiß, im
Rahmen des Projektes „Strukturentwicklung Bundesfinanzverwaltung“ gibt sich die Bundesfinanzverwaltung
derzeit eine neue, gestraffte und zukunftsfähige Struktur.
Sie bereitet sich damit auf die Aufgabenänderungen insbesondere durch die EU-Osterweiterung vor und leistet
dadurch gleichzeitig einen spürbaren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Die grundsätzlichen Entscheidungen zur Strukturreform sind im vergangenen Jahr in einem
umfassenden Abstimmungsprozess vorbereitet und im
Januar dieses Jahres veröffentlicht worden. Teil der
seinerzeitigen Organisationsentscheidungen ist eine Verringerung der Zahl der Service-Center von acht auf vier
sowie unter anderem die Verlagerung der Aufgaben des
Service-Centers Freiburg nach Saarbrücken.
Zusatzfrage, Kollege Weiß.
Frau
Staatssekretärin, trifft es zu, dass die Verlagerung des für
die OFD Karlsruhe zuständigen Service-Centers in der
Außenstelle Freiburg nach Saarbrücken ursprünglich für
die Jahre 2004/2005 vorgesehen war und Sie jetzt eine
schnellere Umsetzung planen, möglicherweise die Verwirklichung dieser Verlagerung schon im kommenden
Jahr?
Herr Weiß, ich bin überfragt, wann die Verlagerung stattfinden soll. Ich kann Ihnen allerdings versichern, dass es zu einer sozialverträglichen Verlagerung kommen wird und dass nach jetzigem
Kenntnisstand eine Versetzung von Bediensteten des Service-Centers mit Sitz in Freiburg nach Saarbrücken nicht
notwendig sein wird.
Zusatzfrage, Kollege Weiß.
Frau
Staatssekretärin, was hat denn angesichts der räumlichen
Zuständigkeit dieses Service-Centers für eine Verlagerung nach Saarbrücken und gegen eine Konzentration der
Service-Center am Standort Freiburg gesprochen?
Herr Kollege Weiß, die
räumliche Zuständigkeit ist angesichts der Aufgabenstellung relativ irrelevant. Diese Service-Center sind insbesondere für die internen dienstlichen Belange der Mitarbeiter der Bundesfinanzverwaltung zuständig, wie zum
Beispiel Beihilfeabrechnungen, Dienstreiseabrechnungen
und Ähnliches. Dieses läuft natürlich auf dem schriftlichen oder elektronischen Wege. Deswegen ist es völlig
irrelevant, an welchem Ort die Aufgaben erledigt werden.
Natürlich hat die Bundesregierung in gewisser Weise
auch immer strukturelle Gründe zu beachten. Im Lande
Saarbrücken ist dies die dann neben einem Hauptzollamt
einzig noch verbleibende - ich formuliere einmal so Einheit der Bundesfinanzverwaltung von nennenswertem
Gewicht.
Wir kommen zur Frage 13 des Kollegen Weiß ({0}):
Werden mit der Verlagerung des Service-Centers bereits Vorentscheidungen getroffen, dass die beiden für das gesamte Land
Baden-Württemberg zuständigen Bundesabteilungen der Oberfinanzdirektion Karlsruhe ({1}) in den kommenden Jahren ebenfalls aufgehoben und verlegt werden?
Frau Staatssekretärin.
Service-Center müssen
nicht am Standort der jeweiligen Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung angesiedelt sein. So befinden sich drei der
bisherigen acht Service-Center nicht am Standort der
Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung, darunter auch das
Service-Center Saarbrücken. Die dazugehörige Oberfinanzdirektion befindet sich in Koblenz. Eine Vorentscheidung für eine weitere Straffung der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen, die derzeit ohnehin nicht beabsichtigt
ist, kann den Standortentscheidungen für die ServiceCenter daher nicht entnommen werden.
Zusatzfrage, Kollege Weiß.
Frau
Staatssekretärin, da bei den ersten Überlegungen Ihrer
Bundesregierung zu einer Strukturreform im Bereich der
Finanz- und Zollverwaltungen auch zur Diskussion stand,
die Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen an den Oberfinanzdirektionen möglicherweise ebenfalls auf bundesweit vier Standorte zu konzentrieren, sie aber zunächst davon Abstand genommen hat, liegt doch die Vermutung
nahe, dass die Konzentration auf vier Service-Center irgendwann auch die Konzentration auf vier Standorte für
Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen nach sich zieht.
Bedeutet Ihre Aussage, dass von der Bundesregierung
eine Konzentration der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen auf weniger als die bisher acht Standorte nicht
mehr weiterverfolgt wird?
Eine weitere Konzentration der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen von derzeit
acht auf vier wird zurzeit nicht weiterverfolgt, sondern es
wird erst der Prozess der EU-Osterweiterung mit den damit verbundenen Umstrukturierungen im Zollaufgabenbereich abgewartet werden. Aber nach vollzogener EUOsterweiterung und damit einem neuen Zuschnitt der
Zollaufgaben wird dieses Thema wieder auf die Tagesordnung kommen.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Weiß.
Frau
Staatssekretärin, in der letzten Legislaturperiode des
Deutschen Bundestages, also unter der Verantwortung
Ihrer Vorgängerregierung, ist die Entscheidung gefällt
worden, die Bundesvermögensabteilungen und die Zollund Verbrauchsteuerabteilungen mit Zuständigkeit für
das gesamte Land Baden-Württemberg am Standort
Freiburg zu konzentrieren, weil auch die bisher in Karlsruhe
und Freiburg angesiedelten Oberfinanzdirektionen zusammengelegt werden sollten. Zusätzlich ist vereinbart
worden, dass der Sitz der Oberfinanzdirektion in Karlsruhe
ist, aber die beiden Bundesabteilungen in Freiburg angesiedelt werden. Nachdem damals Grundlage der Entscheidungen war, Freiburg auch künftig als Standort von
Abteilungen von Oberfinanzdirektionen beizubehalten
und zu sichern, möchte ich Sie fragen, ob die derzeitige
Bundesregierung aus diesen Entscheidungen eine Bestandsgarantie für diese beiden Bundesabteilungen am
Standort Freiburg ableitet oder ob sie den Standort eventuell infrage stellt.
Herr Kollege Weiß, ich
bitte, meine Antwort jetzt nicht auf den Standort Freiburg zu beziehen; aber es wäre nicht redlich, wenn ich
für irgendeinen Standort eine Bestandsgarantie geben
würde. Wie, auf welche Art und Weise und bis in welche
Zukunft sollte denn die Bundesregierung solche Garantien geben können? Sie wissen genau, dass Garantien bis
in alle Ewigkeit durch keine Bundesregierung und auch
durch keinen Haushaltsgesetzgeber gegeben werden
können. Selbstverständlich ist es so, dass, wenn wir nach
der EU-Osterweiterung nicht mehr acht Standorte von
Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen, sondern nur noch
vier haben werden, naturgemäß vier Standorte wegfallen. Welche das dann sein werden, weiß ich noch nicht;
das kann ich noch nicht sagen. Insofern kann ich für
überhaupt keinen der Standorte eine Bestandsgarantie
geben.
Wir kommen zur Frage 14 des Kollegen Werner Siemann:
Gibt es Bestrebungen, die Leistungen, die die Soldaten im
Rahmen der freien Heilfürsorge erhalten, künftig als geldwerte
Vorteile von den Soldaten versteuern zu lassen?
Herr Kollege Siemann,
derzeit sind für Angehörige der Bundeswehr einschließlich der Wehrpflichtigen die Vorteile steuerfrei, die sich
aus der nach gesetzlichen Vorschriften gewährten
Heilfürsorge ergeben. Basis sind § 3 Nr. 4 d und § 3 Nr. 5
des Einkommensteuergesetzes. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, diese Rechtslage zu ändern.
Zusatzfrage, Herr Kollege Siemann?
Frau Staatssekretärin,
gibt es denn Bestrebungen, unabhängig von einer Versteuerung, die Sie jetzt verneint haben, irgendwelche Änderungen an diesen Regelungen vorzunehmen?
Sie haben mich aber doch
gerade nach der Versteuerung gefragt. An welche anderen
Änderungen denken Sie?
Ich möchte wissen,
ob generelle Änderungen im Rahmen der freien Heilfürsorge für Soldaten beabsichtigt sind.
Da bin ich, ehrlich gesagt,
überfragt, denn das ist eine ganz andere Frage als die, die
vorher an mich gerichtet worden ist. Aber vielleicht kann
ich sie an Frau Kollegin Schulte weitergeben.
({0})
Frau Kollegin Schulte, ich habe Verständnis dafür, dass
Sie sich jetzt nicht konzentriert hatten. Die Frage lautet,
ob es beabsichtigt ist, am Prinzip der freien Heilfürsorge
für Soldaten etwas zu ändern. Dass wir in Richtung
Besteuerung nichts ändern wollen, habe ich dem Herrn
Kollegen schon gesagt.
Frau
Staatssekretärin Schulte, bitte.
Herr Kollege Siemann, Sie und
ich wollen ausdrücklich an der freien Heilfürsorge festhalten. Sie wissen, dass es natürlich unter den Soldaten,
besonders den Berufssoldaten, in der Vergangenheit immer den Wunsch gab, eine andere Regelung zu finden, die
ihnen auch die Möglichkeit einer privaten Versicherung
für sie und ihre Familien gibt. Aber wir haben aufgrund
der langen Erfahrung festgestellt, dass es sinnvoll ist - ich
denke, Sie als Vertreter der großen Oppositionspartei
stimmen mit mir überein -, das auf keinen Fall zu verändern. Dass der Finanzminister keine bösen Taten vorhat,
ist sehr schön.
({0})
Dann
kommen wir zur Frage 15 des Abgeordneten Eckart von
Klaeden:
Treffen Ankündigungen bzw. „Signale“ aus der Bundesregierung zu, dass die Bundesregierung „unter Umständen“ zu finanziellen Hilfen für Berlin bereit ist, vorausgesetzt, dass nach dem
Ende der großen Koalition ein Bündnis der SPD mit anderen
Fraktionen zustande kommt, vergleiche „Berliner Morgenpost“
vom 13. Juni 2001?
Herr Kollege von Klaeden,
Berlin erhält derzeit bereits finanzielle Hilfen in erheblichem Umfang. Im Jahr 2000 beliefen sich die Leistungen des Bundes für Berlin auf knapp 8 Milliarden DM. Im
Einzelnen waren dies insbesondere:
Leistungen für Hochschulbau, Verbesserung regionaler Wirtschaftsstruktur, Wissenschaft und Forschung,
kommunaler Straßenbau, Städtebau, sozialer Wohnungsbau usw.: rund 1,7 Milliarden DM.
Hilfen im Rahmen des Solidarpakts, FehlbetragsBundesergänzungszuweisungen, Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, Bundesergänzungszuweisungen
für Kosten politischer Führung: insgesamt rund 5 Milliarden DM.
Im Zusammenhang mit der Sonderstellung als Hauptstadt fließen Berlin jährlich 664 Millionen DM zu. Außerdem wird Berlin durch den soeben unterzeichneten
Hauptstadt-Kulturvertrag jährlich zusätzlich unterstützt.
Abgesehen hiervon gibt der Umzug der Bundesregierung nach Berlin der Stadt dauerhaft starke wirtschaftliche Impulse; derzeit wird von 40 000 zusätzlichen Arbeitplätzen in der Hauptstadt ausgegangen.
In den jetzigen Verhandlungen zum Finanzausgleich
vertritt der Bund die Position, den finanziellen Status quo
der Stadt zu wahren. Es gibt für die Bundesregierung daher keinen Grund, anzunehmen, dass das Land Berlin
seine aktuellen Finanzprobleme nicht mithilfe des bereits
hohen Niveaus der Leistungen des Bundes und der Länder bewältigen wird.
Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Kann ich davon
ausgehen, Frau Staatssekretärin, dass die Bundesregierung die Anregung des sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Höppner, Berlin weitere Forschungsmittel
zur Verfügung zu stellen, nicht unterstützt? Das geht aus
einer dpa-Meldung von vorgestern hervor.
Herr Kollege von Klaeden,
ich kann dies nicht abschließend beurteilen, weil mir diese
dpa-Meldung nicht bekannt war. Allerdings beabsichtigt
die Bundesregierung ganz allgemein, ihre Forschungsförderung in den neuen Bundesländern zu konzentrieren
bzw. zu intensivieren, weil dies zu Impulsen für die wirtschaftliche Entwicklung führt. Insofern wird Berlin wie
die anderen fünf neuen Bundesländer behandelt. Bitte legen Sie mich jetzt nicht auf Zahlen fest.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Frau Staatssekretärin, Sie selbst haben schon den Hauptstadt-Kulturvertrag angesprochen. Der Staatsminister für Kultur beim
Bundeskanzler, Herr Nida-Rümelin, hat angekündigt, er
wolle die Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zumindest aber den Wiederaufbau der Museumsinsel, vom
Bund finanzieren lassen. Die Kosten liegen bei etwa
1 Milliarde DM, die über den Hauptstadt-Kulturvertrag
hinausgehen. Wie stehen Sie zu dieser Ankündigung von
Herrn Nida-Rümelin?
Die Ankündigung ist selbstverständlich mit Herrn Bundesfinanzminister Eichel abgesprochen worden. Bisher ist es so, dass in die Renovierung der Museumsinsel jährlich 100 Millionen DM vom
Bund und 100 Millionen DM von Berlin fließen sollen.
Soweit ich weiß, hatte Berlin bereits vor der aktuellen Finanzkrise seine Zahlungen ausgesetzt oder zumindest eingeschränkt, sodass die 100 Millionen DM vom Land nicht
zur Verfügung standen.
Am ehesten ist bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz festzustellen, dass es im Sinne der Kulturförderung
eine besondere Aufgabe des Bundes sein mag, gerade hier
tätig zu werden. Bedauerlicherweise beteiligen sich nicht
alle Länder an den Kosten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das Land Bayern weigert sich bis heute, seinen
Beitrag zu zahlen.
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd
Andres zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Jürgen Koppelin
von der F.D.P.-Fraktion auf:
Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob Veröffentlichungen zutreffen, dass in Hamburg ABM-Kräfte des „Vereins
zur Betreuung von Arbeitslosen“ nicht nur für politische Aktionen
missbraucht wurden, sondern auch ein Ferienheim des Deutschen Gewerkschaftsbundes renovieren mussten ({0})?
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach einer von
der Bundesregierung eingeholten Stellungnahme waren
dem Arbeitsamt Hamburg die Vorwürfe hinsichtlich eines
zeitweilig maßnahmefremden Einsatzes von ABM-Kräften bereits bekannt und Gegenstand von Ermittlungen des
Arbeitsamtes. Die Ermittlungen führten zu einer Rückforderung in Höhe von 31 500 DM, die inzwischen von
dem Verein beglichen wurden.
Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.
Herr Staatssekretär, ist der
Bundesregierung bekannt, dass dieser Betrag selbst von
der Hamburger Sozialbehörde als viel zu niedrig angesehen wird? Können Sie uns bei dieser Gelegenheit auch
sagen, wie hoch der Zuschuss insgesamt war, der vom Arbeitsamt an diesen Verein geflossen ist? Der Geschäftsführer dieses Vereins war schon einmal wegen Untreue
vorbestraft und ist jetzt beurlaubt worden.
Nein, dies ist der
Bundesregierung nicht bekannt. Zum zweiten Teil Ihrer
Frage: Nach Stellungnahme der Bundesanstalt für Arbeit
hat der Verein seit 1998 eine Reihe von unterschiedlichen
Fördermaßnahmen erhalten. Es handelt sich dabei um Zuschüsse zu den Lohnkosten bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Höhe von insgesamt 2,7 Millionen DM,
um Zuschüsse zu den Strukturanpassungsmaßnahmen in
Höhe von etwa 100 000 DM und Zuschüsse zu Eingliederungshilfen in Höhe von rund 150 000 DM.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen aufgefallen, dass Sie meine Frage überhaupt nicht beantwortet haben? Ich lese sie Ihnen deswegen noch einmal vor. Meine Frage lautet:
Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob Veröffentlichungen zutreffen, dass in Hamburg ABMKräfte des „Vereins zur Betreuung von Arbeitslosen“
nicht nur für politische Aktionen missbraucht wurden, sondern auch ein Ferienheim des Deutschen
Gewerkschaftsbundes renovieren mussten?
Auf diese Frage haben Sie bisher keine Antwort gegeben.
Da Sie, wie ich merke, ausweichen, darf ich Sie in diesem Zusammenhang dann fragen, ob man die Tatsache,
dass dieser Verein im selben Haus wie der DGB sitzt, dass
führende Leute dieses Vereins und des DGB in Gremien
des Arbeitsamtes sitzen und der Hamburger Senat von all
diesen Vorgängen wusste, als Filz bezeichnen darf?
Wenn ich das richtig verstanden habe, waren das ungefähr zehn Fragen in
einer.
({0})
Da Sie der Meinung waren, ich hätte Ihre Frage nicht beantwortet,
({1})
beantworte ich sie erneut wie folgt:
Nach einer von der Bundesregierung eingeholten Stellungnahme waren dem Arbeitsamt Hamburg die Vorwürfe
hinsichtlich eines zeitweiligen maßnahmefremden Einsatzes von ABM-Arbeitnehmern bereits bekannt und
Gegenstand von Ermittlungen des Arbeitsamtes. Die Ermittlungen führten zu einer Rückforderung in Höhe von
31 500 DM, die inzwischen von dem Verein beglichen
wurde.
({2})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dirk Niebel.
Herr Staatssekretär, ich habe
mich frühzeitig gemeldet, da mir klar war, dass Sie die
Frage nicht würden beantworten wollen. Die Klemmtechnik, die Sie angewendet haben, kennen wir alle. Deswegen möchte ich die Frage des Kollegen Koppelin gerne
noch einmal wiederholen.
Können Sie unter den Voraussetzungen, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund nicht nur Nutznießer dieser
rechtswidrig eingesetzten Mittel der Bundesanstalt für Arbeit war, sondern auch noch den Selbstverwaltungsorganen
des Arbeitsamtes, unter anderem auch dem ABM-Ausschuss, angehört und dass der DGB-Kreisvorsitzende darüber hinaus auch noch Abgeordneter der Hamburgischen
Bürgerschaft für die SPD-Fraktion ist, davon ausgehen,
dass es sich hier um Filz oder etwas Ähnliches handelt?
({0})
Herr Abgeordneter, Ihnen ist sicherlich bekannt, dass Ihre Fraktion eine Kleine
Anfrage mit insgesamt 19 Fragen eingereicht hat.
({0})
Da die Bundesregierung dazu verpflichtet ist, nach bestem Wissen und Gewissen und dem Sachstand, der ihr
vorliegt, zu antworten, bemühe ich mich genau um diesen
Tatbestand. Wir als zuständige Behörde haben die
Bundesanstalt für Arbeit gebeten, alle Fragen, die in diesem Zusammenhang stehen, zu beantworten. Soweit ich
dazu in der Lage bin, antworte ich auf der Grundlage dieses Sachstandes.
Auf alle Spekulationen - wie Sie was bezeichnen, wer
wo in welchen Gremien saß - gehe ich in diesem Zusammenhang nicht ein. Spekulationen überlasse ich gerne
Ihnen.
({1})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Rainer Brüderle.
Herr Staatssekretär, es
ist doch ein ungeheuerlicher Vorgang, dass hier
ABM-Mittel eingesetzt werden, um Lachsbrötchen für
Gewerkschaftsfunktionäre anzufertigen oder um Demonstrationen für den DGB und die SPD in Hamburg
durchzuführen. Da wäre es schon angemessen, wenn die
Bundesregierung, auch wenn es unangenehm ist, dazu
klare Worte fände.
Es ist ein ungeheurer Schaden für die Politik insgesamt, aber auch für Instrumente der Arbeitsmarktpolitik
entstanden, über den Sie mit einer läppischen, formellen
Beantwortung von derartigen Fragen hinweggehen.
Sie erwecken den Eindruck, als ob es in Deutschland normal wäre, dass Arbeitslose mithilfe staatlicher Subventionen zur Bewirtung von Gewerkschaftsfunktionären
oder zur Durchführung von Parteiveranstaltungen und
Demonstrationen eingesetzt werden. Dies ist doch keine
Bananenrepublik. Haben Sie nicht wenigstens die Fähigkeit - ({0})
- Die kommt schon, auch wenn es Ihnen unangenehm ist.
Ich formuliere die Fragen, wie ich will.
({1})
- Noch können wir hier im Parlament frei reden.
({2})
Ich werde mir nicht von Ihnen vorschreiben lassen, wie
wir nach Ihren Gewerkschaftsbrötchen zu fragen haben.
({3})
Wo sind wir denn hier? Noch können wir in diesem Land
frei reden. Sie schreiben uns nicht vor, was wir fragen.
Herr Kollege Brüderle, kommen Sie bitte zur Frage!
Die Frage an den Herrn
Staatssekretär: Müssen Sie als Vertreter der Bundesregierung dazu nicht klare Worte finden, wenn solcher Missbrauch in Deutschland stattfindet, anstatt sich formell hinter einem Satz zu verschanzen?
({0})
Herr Brüderle, Sie haben in Ihrer Frage gesagt, es seien Lachsbrötchen serviert
worden. Darüber ist mir nichts bekannt.
({0})
- Entschuldigen Sie, darf ich das noch einmal beantworten? Ich halte das für einen schwierigen Vorgang. Die
Bundesregierung ist nicht dazu da, Presseartikel zu kommentieren, zu bestätigen oder zurückzuweisen.
({1})
Herr Koppelin, ich sage Ihnen und auch Herrn
Brüderle noch einmal: Wenn Sie eine Kleine Anfrage stellen, werden Ihre Fragen präzise und vor dem Hintergrund
von Recherchen der Bundesregierung ordentlich beantwortet.
({2})
Die Vorgänge in Zusammenhang mit den Lieferungen
des Partyservice standen das erste Mal am 11. Juni in den
Zeitungen. Ich wiederhole: am 11. Juni. Sowohl die Bundesanstalt für Arbeit und das Arbeitsamt Hamburg als
auch die Staatsanwaltschaft gehen diesen Vorgängen
nach. Wenn mir dazu sach- und fachgerechte Informationen vorliegen, werde ich Ihre Fragen beantworten. Aber
ich werde Ihnen nicht den Gefallen tun, Zeitungsartikel zu
kommentieren. Die erste Frage, die Sie mir gestellt haben,
habe ich gemäß meinem Informationsstand beantwortet.
Ich weise ansonsten alle Verdächtigungen, die Sie mir
gegenüber geäußert haben, entschieden zurück. Das, was
ich weiß, habe ich Ihnen gesagt. Die von Ihnen in der Kleinen Anfrage gestellten 19 Fragen werden fristgerecht bis
Freitag beantwortet sein. Auch Ihre Fragen, die Sie zu den
Vorgängen gestellt haben, die am 11. Juni bekannt geworden sind, wird die Bundesregierung sach- und fachgerecht
beantworten. Ich betone das, damit das völlig klar ist.
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatssekretär, da Sie sich trotz der auch von Ihnen bestätigten Fakten, die in den Zeitungsartikeln erwähnt werden, standhaft
weigern, von Filz zu sprechen und unsere Fragen zu
beantworten, möchte ich die aus Hamburg stammende
Staatssekretärin Mertens fragen, ob sie in dieser Angelegenheit zu einer anderen Einschätzung kommt. Vielleicht
ist sie über die Vorgänge, über die Sie, Herr Andres, offenbar nicht Bescheid wissen, besser informiert.
({0})
Herr
von Klaeden, ich beantworte alle Fragen, die meinen Bereich betreffen. Aber ich beantworte Ihnen nicht die
Frage, die Sie eben gestellt haben, weil ich als Vertreterin
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen dafür nicht zuständig bin. Mit dieser Frage
werden Sie bei mir nicht landen können.
Zur Geschäftsordnung, Herr Koppelin.
Herr Präsident, da der
Parlamentarische Staatssekretär nur ausweichend antwortet oder überhaupt keine Antworten gibt und da es zu Ausfällen des Kollegen Geschäftsführers der SPD-Fraktion
gegenüber meinem Kollegen Brüderle gekommen ist, beantrage ich die Herbeirufung des Arbeitsministers.
({0})
Über diesen Antrag muss abgestimmt werden.
({0})
Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Die Mehrheit - das ist angesichts der wenigen anwesenden Abgeordneten leicht festzustellen befürwortet die Herbeirufung.
({1})
Deswegen bitte ich, den Herrn Bundesminister herbeizurufen, und unterbreche die Sitzung.
({2})
Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Ich begrüße zunächst
Herrn Bundesminister Walter Riester.
({0})
Wie Sie wahrscheinlich gehört haben, Herr Minister, befinden wir uns in der Fragestunde bei der Beantwortung
der Frage 16 des Herrn Abgeordneten Koppelin. Diese
Frage ist neben einigen Zusatzfragen noch nicht endgültig beantwortet worden; es gibt noch weitere Wortmeldungen zu Zusatzfragen.
Deswegen gebe ich jetzt dem Kollegen Dr. Grehn das
Wort.
({1})
Ich richte meine Frage an
den Herrn Staatssekretär.
({0})
Herr Kollege Grehn, darf ich Sie darüber informieren, dass es
Sache der Bundesregierung ist, wer diese Frage beantwortet?
Okay, ja; ich habe es
verstanden.
({0})
Also, ich überlasse es selbstverständlich der Bundesregierung. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass
ich meine Frage ebenso gut an den Staatssekretär hätte
richten können.
Meine Frage ist schlicht und einfach - es ist eine Sachfrage -: Ist das Verfahren bereits abgeschlossen oder reden wir über Dinge, die noch im Verfahren sind, über die
wir noch gar nicht richtig Bescheid wissen?
({1})
Der erste Teil ist - das
habe ich in der Antwort auf die Frage von Herrn Koppelin
schon ausgeführt - insoweit abgeschlossen, als eine
Nachforderung des Arbeitsamtes von etwas über
31 000 DM erfolgte. Dies geschah zum einen wegen der
Gewährung so genannter Arbeitszeitverkürzungstage, die
tarifvertraglich nicht vereinbart waren, und zum anderen
wegen der Teilnahme an Demonstrationen.
Was jetzt neu in der Diskussion ist und nach dem
11. Juni bekannt geworden ist, hat dazu geführt, dass das
Arbeitsamt erneut ermittelt, dass die Staatsanwaltschaft
eingeschaltet worden ist und dass es eine Reihe von Folgen gibt, die jetzt erneut untersucht werden.
Das Verfahren ist insofern also nicht abgeschlossen.
Einige
weitere Kollegen haben sich inzwischen zu Wort gemeldet. Zunächst geht das Fragerecht an Frau Kollegin
Schnieber-Jastram.
Herr Minister, wir haben es hier mit einem seltenen Fall von Personenidentität - auch Filz genannt - zu tun.
({0})
Ich würde gerne von Ihnen wissen: Beabsichtigt die Bundesregierung nach den Erfahrungen aus diesem Hamburger Fall, bei der angekündigten Novellierung des SGB III
auch Regelungen einzuführen, die in Zukunft verhindern,
dass eine Person sowohl im Verwaltungsrat als auch in
dem Ausschuss, der die Mittel vergibt, sitzt und gleichzeitig Empfänger dieser Mittel ist?
({1})
Nein, das beabsichtigen wir bisher nicht. Sie
wissen, dass wir dieser Tage die Eckpunkte vorgelegt haben. Gerade ist gesagt worden, dass das Verfahren noch
nicht abgeschlossen wurde. Ich möchte, dass es insgesamt
bewertet werden kann. Wenn sich daraus die Konsequenz
ergeben sollte, notwendige Entscheidungen zu treffen,
werde ich mich für eine solche Regelung auch innerhalb
des SGB III einsetzen.
Das Fragerecht geht an den Kollegen Funke von der F.D.P.-Fraktion.
Herr Minister, es geht hier um
Vorgänge aus den Jahren 1998 und 1999. Wie kommt es,
dass man zwei bzw. drei Jahre benötigt, um Ermittlungen
durchzuführen und somit der Aufsichtspflicht nachzukommen?
Wir haben die Bundesanstalt für Arbeit sofort aufgefordert zu ermitteln. Der Staatssekretär hat
schon in seiner Antwort darauf hingewiesen, dass das Arbeitsamt Hamburg von sich aus ermittelt und erste Konsequenzen eingefordert hat.
({0})
Ich kann Ihnen zusichern, dass wir unmittelbar handeln,
wenn uns entsprechende Sachverhalte bekannt werden.
Eine weitere Frage des Kollegen Schockenhoff.
({0})
- Ich kann es nicht ändern. Sie haben nur eine Frage.
({1})
Herr
Minister, nach Darstellung in der Presse wurden die aus
Ihrem Etat über ABM finanzierten Kräfte nicht nur zur
Durchführung politischer Demonstrationen von DGB und
SPD, sondern auch zu hausinternen ÖTV-Umzügen eingesetzt. Ich berufe mich noch einmal auf die Darstellung
in der Presse: Dazu habe der Verein Rechnungen gestellt
und im Gegenzug Spenden von den Gewerkschaften erhalten. Ist Ihnen bekannt, ob für diese Spenden Spendenbescheinigungen ausgestellt wurden?
Nein, das ist mir nicht bekannt. Ich kommentiere auch keine Pressemeldungen. Wenn die Ermittlungen zu der Erkenntnis führen - sie sind noch nicht abgeschlossen -, dass es Unregelmäßigkeiten gab, werde
ich mich dafür einsetzen, dass diese Dinge geklärt und
entsprechende Konsequenzen gezogen werden.
Eine weitere Frage des Kollegen Uldall.
Herr Minister, wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass es hier eine
sehr enge personelle Verflechtung zwischen dem Vorsitz
des Vereins, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der
führenden politischen Kraft
({0})
- der derzeit führenden Kraft - in Hamburg gegeben hat?
({1})
Zuerst einmal spricht nichts dagegen, dass
Personen mehrere Funktionen einnehmen. Es spricht nur
etwas dagegen, wenn sich daraus Unregelmäßigkeiten
oder auch strafrechtliche Handlungen ergeben. Genau das
wird geklärt.
Wir kommen zur Frage 17 des Kollegen Jürgen Koppelin:
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob Veröffentlichungen zutreffen, dass ABM-Kräfte des Hamburger „Vereins
zur Betreuung von Arbeitslosen“ in der vereinseigenen Küche
Verpflegung für Gewerkschaftsfunktionäre zubereiten mussten
und im „Arbeitslosencafé“ des Vereins Gewerkschafter Feste
gefeiert haben, sodass das „Arbeitslosencafé“ für diesen Zweck
geschlossen werden musste ({0})?
Die genannten Vorwürfe sind dem Arbeitsamt Hamburg erst durch Presseveröffentlichungen vom
11. Juni 2001 bekannt geworden. Eine Aussage dazu, inwieweit die Vorwürfe zutreffen, ist erst nach einer Prüfung durch das Arbeitsamt Hamburg möglich, die unverzüglich eingeleitet wurde.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.
Herr Minister, zum Vorwurf des Filzes in Hamburg: Wie ist es möglich, dass lediglich 31 000 DM zurückgefordert werden, obwohl nach
Pressedarstellung - Sie werden konkrete Zahlen haben,
die Sie uns sicherlich nennen können - dieser Verein im
Zusammenhang mit ABM-Kräften mit 660 000 DM gefördert wurde? Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass der
Hamburger Senat, dessen Sozialsenatorin eine ehemalige
DGB-Chefin ist, sämtliche Mittel für den Verein gestrichen hat? Welche Konsequenzen haben Sie daraus bis
jetzt gezogen?
Ich habe schon vorhin gesagt, dass ich Presseberichte nicht bewerte und dazu auch keine Stellungnahmen abgebe.
({0})
Für mich - ich nehme an, auch für Sie - ist wichtig, was
in dem noch nicht abgeschlossenen Verfahren tatsächlich
herauskommt. Anschließend werden die Konsequenzen
gezogen. Dass die Senatorin in Hamburg sofort gehandelt
hat, halte ich für richtig.
({1})
Der Kollege Koppelin stellt seine zweite Zusatzfrage.
Da ich merke, dass Sie
ausweichen - ({0})
- Herr Minister, Sie weichen immer auf das Verfahren
aus. - Herr Präsident, ich bitte, dafür zu sorgen, dass bei
den Sozialdemokraten etwas Ruhe eintritt; aufgrund des
Themas und des Filzes kann ich ja die Unruhe verstehen.
({1})
Herr Minister, wenn aus dem Parlament heraus Fragen
dieser Art gestellt werden, dann werden - Sie sagen, es
gibt nur Presseberichte - Sie sich doch wahrscheinlich
vorher in Hamburg bei der Sozialsenatorin kundig gemacht haben. Oder wollen Sie mir erzählen, dass Sie sich
bei diesen wirklich markanten Dingen, die es in Hamburg
gibt, bei der Sozialsenatorin Roth - sie war bis 1998
DGB-Chefin - nicht kundig gemacht haben?
({2})
Ich möchte wissen, ob Sie sich zur Beantwortung meiner
Fragen in Hamburg kundig gemacht haben oder ob Sie
das einfach haben laufen lassen?
Ich sage Ihnen noch einmal: Wir warten ab,
bis der Sachverhalt geklärt ist. Vorher werden wir keine
Wertungen vornehmen. Anschließend werden wir Ihnen
jede Frage beantworten. Ich werde nicht aufgrund von
Presseberichten Bewertungen vornehmen.
({0})
Ich habe Ihnen schon gesagt, dass dieses Thema noch
nicht abgeschlossen ist. Wenn die Sachverhalte vorliegen,
werden wir eine entsprechende Konsequenz ziehen und
Sie auch informieren.
({1})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.
Herr Arbeitsminister, die Sozialsenatorin in Hamburg hat die Mittel offenkundig gestrichen. Vermutlich handelt es sich hier um eine Kofinanzierung des Landes Hamburg und der Bundesanstalt für
Arbeit. Hat die Bundesanstalt für Arbeit entsprechende
Konsequenzen aus dem Streichen der Kofinanzierung des
Landes Hamburg gezogen, und wenn nicht, wann ist damit zu rechnen?
Sie wird Konsequenzen dann ziehen, wenn
der Sachverhalt klar ist. Ich sage noch einmal: Der Sachverhalt ist noch nicht abschließend geklärt. Wir haben der
Bundesanstalt den Auftrag gegeben, dies abzuklären. Das
Arbeitsamt Hamburg ist unmittelbar tätig geworden. Der
Sachverhalt ist noch nicht ganz geklärt. Die Bundesanstalt
wird aber die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Schnieber-Jastram.
Herr Minister, halten Sie es wirklich für möglich, dass die zuständige
Senatorin im Hamburger Senat, die jahrelang DGB-Vorsitzende in Norddeutschland gewesen ist, über diesen Fall
nicht informiert war? Der Kollege Uldall hat vorhin geschildert, dass dieser Fall Jahre alt ist, bereits im letzten
Jahr durch die Presse gegangen ist und sie nicht gehandelt
hat. Halten Sie es für möglich, dass die zuständige Senatorin wirklich nicht informiert war?
Frau Schnieber-Jastram, ich bewerte nicht,
was möglich oder nicht möglich ist. Das müssten Sie im
Zweifelsfall die Kollegin Roth fragen. Ich kann nicht beurteilen, inwieweit der Sachverhalt bekannt war oder
nicht.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Uldall.
Herr Minister, auch
wenn Sie noch weiter zuwarten wollen, bis irgendwelche
weiteren Sachverhalte noch klarer sind, stellt sich doch
die Frage, ob es nicht klüger wäre, um ähnliche Skandale
zu verhindern, wenn bereits heute vonseiten der zuständigen Stellen darauf geachtet würde, dass bei der Gewährung von entsprechenden Mitteln eine personelle Verflechtung nicht vorliegt.
Herr Uldall, ich sage noch einmal: Wir haben nicht erst heute, sondern unmittelbar gehandelt, indem wir unmittelbar die Bundesanstalt für Arbeit beauftragt haben, eine Klärung herbeizuführen.
({0})
Das Arbeitsamt Hamburg hat schon vorher ermittelt.
Wir sind also nicht im Zeitverzug, sondern wir haben unmittelbar gehandelt.
({1})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Brüderle.
Herr Minister, Sie werden
mir sicherlich zustimmen, dass die angesprochenen Veröffentlichungen in der Presse in absolut seriösen Zeitungen erfolgt sind. Wenn sich jetzt herausstellt, dass die
Veröffentlichungen in den Zeitungen der Wahrheit entsprechen - das hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, weil
das Organe sind, die nicht etwas frei erfinden -, werden
Sie dann Konsequenzen im Regelwerk ziehen, damit
zukünftig solche Verfilzungen, wie sie in Hamburg
augenscheinlich geworden sind, nicht mehr stattfinden
können?
Wenn das über eine Veränderung des Regelwerks möglich ist, werden wir das tun.
({0})
- Entschuldigung! Das habe ich nicht gesagt. Ich habe genau gesagt, dass wir die Sache abwarten.
({1})
- Nein, Entschuldigung! Das werde ich Ihnen auch gleich
beantworten.
({2})
- Dann lesen Sie es anschließend nach!
Eine Zusatzfrage der Kollegin Hartnagel.
Herr Minister, ich bin mit Ihnen der Meinung, dass aus der Presse nicht unbedingt immer die Wahrheit hervorgeht.
Meine Frage geht dahin: Gehen alle Vorkommnisse aus
dem gesamten Bundesgebiet, die möglicherweise nicht
ganz korrekt abgelaufen sind, über Ihren Schreibtisch?
Das würde mich etwas wundern, und deshalb wundert
mich natürlich auch die Aufregung hier bei der CDU, dies
als Wahlkampfthema in den Bundestag zu bringen. Anders kann ich das ja wohl nicht sehen.
({0})
Ihre Frage war, ob alle diese Maßnahmen
über meinen Schreibtisch gehen. Sie gehen in der Tat
nicht alle über meinen Schreibtisch,
({0})
weil es auch nicht meine Aufgabe ist, sie unmittelbar zu
bearbeiten. Dafür haben wir Fachbeamte, die das aber,
wenn solche Dinge auftreten, sofort bereinigen. Nicht alle
diese Dinge haben allerdings die Publizität, die wir im
Moment im Parlament bei dieser Frage haben.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Funke.
Herr Minister, das Arbeitsamt
hat ja inzwischen einen Rückforderungsbescheid erlassen, also einen Verwaltungsakt vorgenommen. Gehen Sie
davon aus, dass das Arbeitsamt einen Verwaltungsakt vornimmt, nachdem die Vorwürfe geprüft worden sind? Und
wie erklären Sie sich, dass Sie jetzt gerade gesagt haben,
der Vorgang müsse noch geprüft werden? Da scheint mir
doch ein gewisser Widerspruch zu sein.
Weil er offensichtlich noch nicht abgeschlossen ist. Darauf hat Staatssekretär Andres schon geantwortet. Wenn er abgeschlossen ist, werden wir zu
entsprechenden Schlüssen kommen.
Ich greife nochmals auf, was gerade angesprochen
worden ist: Wenn sich im Regelwerk etwas ändern lässt,
um dem vorzubeugen, werden wir auch im Regelwerk
Veränderungen vornehmen.
({0})
Eine Zusatzfrage der Kollegin Barnett.
Herr Minister, mit Sicherheit
gibt es ziemlich viele Maßnahmen, die die BA im Laufe
des Jahres in allen Bundesländern durchführt. Davon gehe
ich aus. Haben Sie eine Übersicht darüber, wie viele Maßnahmen das sind? Haben Sie eine Übersicht darüber, bei
wie vielen Maßnahmen es möglicherweise zu Rückforderungen kommt, weil es vielleicht nicht ganz so zugeht,
wie das Gesetz es vorschreibt?
({0})
In wie vielen dieser Fälle sind Sie persönlich auch davon
betroffen, und haben Sie die selbst aufzuklären?
Zunächst einmal kann ich nicht die Zahl der
einzelnen Maßnahmen nennen. Aber ich kann Ihnen sagen: Für die aktive Arbeitsmarktpolitik setzen wir in diesem Jahr fast 43 Milliarden DM ein. Das mag Ihnen etwas
aufzeigen, in welchem Umfang wir Maßnahmen durchführen.
Wenn Missstände auftreten - es treten immer wieder
einzelne Missstände auf -, dann gehen die nicht alle über
meinen Schreibtisch. Die kann ich also nicht im Einzelnen beantworten.
({0})
- Entschuldigung! „So viele waren das?“ Das ist ein eigenartiger Vorwurf. Ich habe nicht gesagt, dass es viele
sind. - Aber wenn einzelne Vorwürfe kommen, dann werden sie unmittelbar bearbeitet.
({1})
Ich würde
Ihnen gern das Wort geben, aber die Geschäftsordnung
lässt das nicht zu. Deswegen gebe ich jetzt das Wort zu einer Zusatzfrage dem Kollegen von Klaeden.
Zunächst darf ich
mich bei der Kollegin von der SPD für ihre Zwischenfragen bedanken, weil sie zeigen, wie es um das Aufklärungsinteresse der SPD tatsächlich bestellt ist.
({0})
Jetzt meine Frage an den Herrn Minister.
({1})
Bitte stellen Sie Ihre Frage.
Herr Minister, Sie
haben festgestellt, dass die Sozialbehörde in Hamburg die
Zahlung der Mittel eingestellt hat, und haben gleichzeitig
gesagt, dass Sie, weil der Sachverhalt noch nicht aufgeklärt sei, eine entsprechende Maßnahme der Bundesanstalt für Arbeit noch nicht eingeleitet haben.
Daraus leite ich die Frage ab: Haben Sie es unterlassen,
die Sozialbehörde bei der Aufklärung um Amtshilfe zu
bitten - nur daraus würde sich erklären, dass es einen unterschiedlichen Aufklärungsstand gibt -, oder bewerten
Sie die Entscheidung der Hamburger Sozialbehörde, vor
dem Hintergrund eines nicht aufgeklärten Sachverhalts
die Zahlung der Mittel einzustellen, als rechtswidrig?
Nein, ich bewerte das nicht als rechtswidrig.
Wir haben gesagt, dass dieser gesamte Vorgang noch weiter geklärt wird. Er ist in sich noch nicht abgeschlossen,
und diesen Abschluss möchte ich abwarten.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Polenz.
Müssen wir aus dieser Antwort schließen, dass die Bundesanstalt für Arbeit
bis auf weiteres weiter zahlt und dass die Rückforderungen dann möglicherweise recht schwierig einzutreiben
sein könnten?
Nein, das müssen Sie nicht daraus schließen.
({0})
Eine Zusatzfrage der Kollegin Rennebach.
({0})
Herr Minister, sind Sie
mit mir einer Meinung, dass wir überall dort, wo in dieser
Republik Fehlverhalten auftaucht, aufklären müssen und
dafür sorgen müssen, dass so etwas nicht mehr vorkommt? Finden Sie es, zweitens, nicht sehr gut, dass wir
in dieser Demokratie eine Teilung der Aufgaben zwischen
Ländern und Bund haben - dies spiegelt sich auch bei der
Bundesanstalt für Arbeit wider - und dass alle Vorkommnisse, die die Bundesanstalt für Arbeit betreffen, von
Herrn Jagoda aufgeklärt werden müssen? Und sind Sie
mit mir der Meinung,
({0})
dass man im laufenden Vermittlungsverfahren mit Spekulationen mehr Schaden anrichten kann, als man helfen
kann, Schaden richtig aufzuklären?
Ich teile Ihre Auffassung völlig. Sie haben an
meiner Beantwortung gewiss gesehen, dass ich nicht auf
Dinge eingehe und diese bewerte, bevor sie - und zwar
nicht allein durch die Presse vermittelt und bewertet, sondern aus den Sachverhalten heraus - klar und richtig dastehen. Ich kann Ihnen aber auch sagen: Allen Einzelfällen muss nachgegangen werden. Das wird auch in Zukunft der Fall sein. Ich wünsche mir durchaus, dass wir in
spektakulären Einzelfällen einmal eine parlamentarische
Debatte führen, allerdings nicht nur im Vorfeld von Wahlkämpfen.
({0})
Eine Zusatzfrage der Kollegin Homburger.
Herr Minister, Sie betonen fortlaufend, dass die Klärung des Sachverhaltes noch
nicht abgeschlossen sei. Gleichzeitig haben Sie der Feststellung mehrerer Kollegen hier, dass das Arbeitsamt
Hamburg die Zahlungen eingestellt und damit einen Verwaltungsakt erlassen habe, nicht widersprochen. Ich frage
Sie deshalb: Können Sie sich vorstellen, dass das Arbeitsamt Hamburg vor Klärung der gesamten Sachlage, also
bevor das alles klar war, einen solchen Verwaltungsakt erlässt?
Das kann ich mir vorstellen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schockenhoff.
Herr
Minister, Sie haben gerade gesagt, sobald Sie Kenntnis
von dem Verdacht bekämen, Gelder aus Ihrem Haushalt
seien rechtswidrig verwendet worden, würden Sie das unmittelbar bearbeiten und aufklären. Nun liegt genau zu
dem Sachverhalt, über den wir heute reden, eine schriftliche Kleine Anfrage mit Datum 9. Juni 2000 an die Hamburger Bürgerschaft vor. Das ist mehr als ein Jahr her.
Wann haben Sie die Bundesanstalt für Arbeit beauftragt,
das unmittelbar und sofort aufzuklären? Und haben Sie,
etwa nach Ablauf eines Jahres, einmal nachgefragt, ob das
denn aufgeklärt sei?
({0})
Wir haben Ihnen schon mitgeteilt, dass es einen Rückforderungsbescheid der Bundesanstalt für Arbeit
über 31 500 DM gegeben hat.
({0})
- Ich sage Ihnen ja, 31 500 DM sind zurückgefordert worden.
({1})
Herr Kollege Schockenhoff, es ist einfach so, dass Kollegen, die
keine Fragen für die Fragestunde gestellt haben, bei einer
Frage immer nur eine Zusatzfrage haben. Man muss sich
also schon ein bisschen verständigen, und vielleicht eine
Kollegin oder einen Kollegen bitten, mit seiner Frage zu
kommen.
({0})
- Aber der amtierende Präsident hat nicht das Recht, Fragen und Antworten zu bewerten.
Deswegen gebe ich das Wort zu einer Zusatzfrage jetzt
dem Kollegen Laumann.
Herr Minister,
welche Maßnahmen haben Sie denn bis jetzt ergriffen, um
den Regressanspruch, den die Bundesanstalt für Arbeit
gegen diesen Verein möglicherweise hat, zu sichern?
Können Sie sich darüber hinaus auch vorstellen, dass Sie
zur Regresssicherung auch die Nutznießer dieses Vereins,
nämlich die SPD und den DGB, mit heranziehen?
({0})
Wir haben entsprechend der Zuständigkeit
und Verantwortung zuerst einmal die Bundesanstalt für
Arbeit beauftragt,
({0})
unmittelbar Klärung herbeizuführen, und wir haben Ihnen
mitgeteilt, dass das Arbeitsamt Hamburg 31 500 DM eingefordert hat. So ist auch die Verteilung der Zuständigkeiten.
({1})
Ich habe Ihnen gesagt: Wir werden abwarten, bis die vollständige Information vorliegt. Dann werden wir im Lichte
der vorliegenden Information die Entscheidungen treffen.
({2})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Friedrich.
Herr
Minister, es gab wohl vor einiger Zeit in Hamburg schon
einen ähnlichen Fall. Damals wurden ABM-Kräfte für die
Renovierung von Privathäusern eingesetzt. Der Drahtzieher dieser Aktion war der SPD-Kreisvorsitzende Pape.
Meine Frage: War Ihnen das bekannt und fürchten Sie
nicht, dass wir es hier mit der Spitze eines Eisberges von
Genossenfilz in Hamburg zu tun haben?
({0})
Was Sie jetzt bringen, ist eine Information,
die Sie offensichtlich aus der Zeitung haben. Mir persönlich ist dieser Vorgang nicht bekannt.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Protzner.
Herr Minister,
der Sachverhalt ist in der Hamburger Bürgerschaft am
9. Juni 2000 bekannt geworden. Wir haben heute den
20. Juni 2001. Wenden Sie immer die Jahresfrist an, bevor Sie mit der Aufklärung von so schwierigen Sachverhalten beginnen?
({0})
Es sind zwei unterschiedliche Tatbestände,
die Sie hier zitieren.
({0})
- Doch.
({1})
Es gibt
keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 18 und 19 der Kollegin Schnieber-Jastram
werden schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich
danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Angelika Mertens zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 20 des Kollegen Hartmut
Koschyk:
Welche verkehrspolitischen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Ankündigung der Tschechischen Republik, bis
zum Jahre 2006 eine vierspurige Straßenverbindung von Prag
über Karlsbad und Eger bis zur deutsch-tschechischen Grenze fertig zu stellen?
Herr
Kollege Koschyk, bereits im Rahmen des 1999 abgeschlossenen TINA-Prozesses - TINA ist die Ermittlung
des wirtschaftlich notwendigen Verkehrsinfrastrukturbedarfes in den assoziierten Staaten - zwischen den Mitgliedstaaten der EU und den zehn assoziierten Staaten zur
Erweiterung der transeuropäischen Netze hat sich die
Bundesregierung bereit erklärt, bei der Überarbeitung des
Bundesverkehrswegeplans zu prüfen, ob im Falle eines
vierstreifigen autobahnähnlichen Ausbaus der E 48 in
Tschechien zwischen Prag und der deutschen Grenze
westlich Eger auf deutscher Seite anstelle der vorgesehenen zweistreifigen B 303 n der Bedarf für eine vierstreifige Autobahnverbindung bis zur A 9 nachgewiesen werden kann. In diesem Fall könnte eine durchgehende
grenzüberschreitende Autobahnverbindung Bestandteil
eines künftigen transeuropäischen Straßennetzes werden.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.
Frau Staatssekretärin, hat es denn im Hinblick auf diese Verkehrsmaßnahme
von tschechischer Seite einen bilateralen Abstimmungsprozess mit der Bundesregierung gegeben und hat die
Bundesregierung unabhängig von Maßnahmen auf der
Ebene der Europäischen Union auch eine bilaterale
deutsch-tschechische Verkehrskonzeption für diesen
Grenzraum entwickelt und wie sieht die aus?
Ich
kann Ihnen auf jeden Fall sagen, dass die Voraussetzung
für eine Aufnahme in ein künftiges transeuropäisches
Straßennetz das Vorliegen eines Konzeptes einer durchgehenden grenzüberschreitenden Autobahn mit Anschluss an das deutsche Autobahnnetz sein muss. Die
Bundesregierung hat zugesagt, im Rahmen der Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes zu prüfen, ob der
Bedarf für eine solche Autobahnverbindung bis zur A 9
existiert. Ich kann Ihnen - das beantwortet vielleicht
schon die nächste Frage - über den Stand der Arbeiten berichten.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über das
von tschechischer Seite prognostizierte Verkehrsaufkommen auf der Strecke von Prag über Karlsbad und Eger vor,
damit die Bundesregierung abschätzen kann, welches
Verkehrsaufkommen sich bei einer Weiterführung der
Strecke ab der tschechisch-deutschen Grenze in Deutschland ergibt?
Ich
gehe davon aus - ich habe diese Zahlen nicht vorliegen -,
dass das, was uns die Tschechen mitgeteilt haben, zu unseren Bewertungen geführt hat. Ich kann Ihnen vielleicht
sagen, dass die Tschechen ihren Zeithorizont ein wenig
erweitert haben, indem sie davon ausgehen, dass die
durchgehende Fertigstellung dieser Strecke nicht im
Jahre 2006, sondern wahrscheinlich erst Mitte des folgenden Jahrzehnts, also ungefähr 2015, erfolgt sein wird.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Friedrich.
Frau
Staatssekretärin, ich bin über Ihre Antwort etwas überrascht; denn der tschechische Verkehrsminister hat erst
vor wenigen Wochen verlauten lassen, dass 2006 weiterhin als Ziel der Fertigstellung gilt.
Meine Frage ist: Hält es die Bundesregierung, wenn
diese vierspurige Verkehrsverbindung von Prag nach Eger
an die deutsche Landesgrenze gebaut wird - ich knüpfe an
Ihre allererste Antwort an -, dann für sinnvoll, den Verkehr gebündelt weiterzuführen? Oder gibt es Überlegungen, den Verkehr im Fichtelgebirge zerfleddern zu lassen?
Ich
kann Ihnen zum Stand der Arbeiten sagen, dass die Ergebnisse der 1998 - übrigens mit maßgeblicher finanzieller Beteiligung des Bundes - in Auftrag gegebenen verkehrswirtschaftlichen Untersuchung jetzt vorliegen.
Danach bietet eine vierstreifige Lösung für die B 303 n
verkehrliche und raumordnerische Vorteile gegenüber einer zweistreifigen Lösung.
Die Ergebnisse der zusätzlich in Auftrag gegebenen
Machbarkeitsstudie werden am 25. Juni dieses Jahres,
also in einigen Tagen, in Wunsiedel den Mandatsträgern
und den Trägern öffentlicher Belange vorgestellt. Unverzüglich im Anschluss daran erhält dann der BMVBW die
entsprechenden zur Bewertung erforderlichen Projektunterlagen. Ich hoffe, dass ich Ihnen damit eine gute Mitteilung mache.
Herr Kollege Protzner.
Wie will das
Bundesverkehrsministerium, Frau Staatssekretärin, auf
die Beschlüsse von Göteborg reagieren, nach denen den
Nachbarstaaten, also auch der Tschechoslowakei, der Beitritt bis 2004 angeboten worden ist? Es dauert doch sehr
lange, wenn erst 2015 mit dem Straßenbau begonnen werden sollte. Die europäische Einigung soll doch vorwärts
gehen und nicht aufgehalten werden.
Ich
stimme Ihnen zu, dass die europäische Einigung vorwärts
gehen soll. Wir haben am 15. Juni 2001 eine Anfrage an
das tschechische Verkehrsministerium gestellt und nach
dem Konzept des vierstreifigen Ausbaus der E 48 gefragt.
Dieser wurde uns bestätigt. Uns wurde aber gesagt, dass
der Zeithorizont für die durchgehende Fertigstellung eben
nicht das Jahr 2006, sondern wahrscheinlich das
Jahr 2015 ist. Dies haben nicht wir zu bestimmen, sondern
das ist das, was uns das tschechische Verkehrsministerium
übermittelt hat.
Ich rufe die
Frage 21 des Kollegen Hartmut Koschyk auf:
Welche Planungen sind für den Lückenschluss zwischen der
Bundesautobahn A 93 und der A 9 vorgesehen, die der tatsächlichen Verkehrsentwicklung der letzten Jahre und der Prognosen für
Güter- und Pendlerströme Rechnung tragen?
Der
geltende Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen sieht mit
Abschnitten unterschiedlicher Dringlichkeit den durchgehenden zweistreifigen Neubau der B 303 n zwischen
der deutsch-tschechischen Grenze östlich Schirnding und
der A 9 vor. Davon ist bereits seit Ende 1995 die Umgehung Schirnding in Verkehr.
Ich glaube, ich habe eben schon dokumentiert, wie
auch wir uns das vorstellen könnten.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, das verkehrswirtschaftliche Gutachten, das dankenswerterweise mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung zustande gekommen ist, liegt doch schon länger
vor. Ist die Bundesregierung bereit, aus diesem Gutachten, das einen vierstreifigen Ausbau in einem bestimmten
Korridor empfiehlt, im Hinblick auf ihre weitere Verkehrsplanung die Konsequenz zu ziehen, von einer höheren Dringlichkeitsstufe des Bedarfs für diese Strecke auszugehen, als es im aktuellen Verkehrswegeplan der Fall
ist?
Wir
können uns im Moment nur auf den geltenden Verkehrswegeplan und den geltenden Bedarfsplan beziehen. Also
werden wir die Entscheidungen erst treffen können, wenn
der neue Bundesverkehrswegeplan vorliegt. Dann wird
das Parlament entscheiden.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf das zu sprechen kommen,
was der Kollege Protzner zu Recht gesagt hat: Auch durch
Mitwirkung der Bundesregierung hat der EU-Rat in Göteborg der Beitrittsperspektive für Tschechien eine zeitliche
Bestimmung gegeben. Von tschechischer Seite bestehen
konkrete Planungen für die Strecke Prag-Karlsbad-Eger.
Müssen Sie nicht im Hinblick darauf - eventuell durch ein
Sonderprogramm - dafür Sorge tragen, dass die Schaffung einer Anschlussstrecke auf deutscher Seite mit höherer Dringlichkeit verfolgt wird?
Ich
habe nachher die Möglichkeit, darauf einzugehen, weil
eine der nächsten Fragen genau darauf abzielt. Ich denke,
dass Sie das abwarten sollten.
Dann gebe
ich das Wort zu einer Zusatzfrage dem Kollegen
Dr. Friedrich.
Frau
Staatssekretärin, am Montag hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über einen Vortrag der EU-Verkehrskommissarin, Frau de Palacio, berichtet. Darin heißt es, man
wolle eine stärkere Verlagerung des Güterverkehrs von
der Straße auf die Schiene. Ein Punkt in diesem Vortrag
war, dass wir die Schweiz als Vorbild für den Straßenverkehr nehmen sollten, die sehr viel mit Tunnellösungen arbeitet. Würden Sie bei Straßenbauten gerade
durch Mittelgebirge, die ökologisch sehr sensibel sind,
Tunnellösungen grundsätzlich ausschließen, auch für das
Fichtelgebirge? Oder wäre das eine denkbare Lösung?
Sie
wissen, dass Tunnellösungen immer sehr problematisch
und sehr teuer sind. Insofern kann man das weder ausschließen, noch könnte man die Forderung begrüßen, besonders viele Tunnel zu bauen. Das wird immer davon abhängen, welche Alternativen es gibt. Man wird sehen, ob
eine Maßnahme nur durch einen Tunnel zu verwirklichen
ist, oder ob es nicht auch Alternativen gibt, die sich preislich besser darstellen, die aber auch einen hohen verkehrlichen Nutzen haben.
Sie können
gleich stehen bleiben, Herr Kollege Friedrich. Denn jetzt
kommen wir zu Ihrer Frage 22:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die im Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans vorgesehene
vierspurige Verbindung Schirnding/Landesgrenze zur Bundesautobahn A 93 unverzüglich in Angriff genommen werden
muss?
Auch da geht es um den Bundesverkehrswegeplan. - Frau
Staatssekretärin.
Der
geltende Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen enthält
die B 303 n zwischen der deutsch-tschechischen Grenze
und der A 93 als zwei zweistreifige Projekte mit insgesamt rund elf Kilometern Länge, und zwar die „Ortsumgehung Schirnding“ und die „Verlegung zwischen westlich Schirnding und der A 93“, im Vordringlichen
Bedarf.
Mit der seit Ende 1995 in Verkehr befindlichen Umgehung Schirnding ist die vorhandene B 303 ortsdurchfahrtsfrei. Die Belastung der B 303 weist zwar einen überproportional hohen LKW-Anteil auf, liegt jedoch mit rund
7 500 Kfz innerhalb von 24 Stunden deutlich unterhalb
der durchschnittlichen Belastung von Bundesstraßen in
Höhe von rund 10 000 Kfz in 24 Stunden.
Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, wir haben momentan in Schirnding eine
verkehrlich sehr gefährliche Situation, weil es vor dem
Grenzübergang kilometerlange Staus auf dieser zweistreifigen Bundesstraße gibt. Die PKW-Fahrer, die an LKWs
vorbeifahren wollen, müssen sozusagen immer auf Lücke
fahren. Das ist vor allem in der Nacht außerordentlich gefährlich. Es ist im Grunde nur eine Frage der Zeit, wann
dort ein schwerer Verkehrsunfall passieren wird.
Nun hat das Straßenbauamt die Lösung in Erwägung
gezogen, die bisherige zweistreifige Straße vor dem Grenzübergang auf vier Streifen auszubauen und die Kosten für
einen solchen Ausbau auf 700 000 DM geschätzt. Gleichzeitig stehen dem Zoll über die Oberfinanzdirektionen
- das ist ein anderer Titel des Bundeshaushalts - Gelder
zur Verfügung, um am Grenzübergang eventuell einen
Parkplatz als Ausweichmöglichkeit für die wartenden
LKWs anzulegen. Die Frage, die sich nun stellt, ist: Sehen Sie eine Möglichkeit, dass man die Straße von zwei
auf vier Streifen für 700 000 DM ausbaut, anstatt 2 Millionen DM für einen Parkplatz auszugeben?
Das
kann ich jetzt von hier aus nicht beurteilen. Wir sollten
noch einmal darüber sprechen. Autohöfe sind sehr wichtig. Nach meinen Informationen wird die Straße unterschiedlich stark belastet, mal mehr und mal weniger. Ein
vierstreifiger Ausbau der B 303 n bietet - darauf habe ich
in meiner Antwort schon hingewiesen - verkehrliche und
raumordnerische Vorteile gegenüber einer zweistreifigen
Lösung. Vielleicht sollte man sich das noch einmal genau
anschauen.
Ich rufe die
Frage 23 des Kollegen Dr. Hans-Peter Friedrich ({0}) auf:
Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um den Verkehrsträger
Schiene im West-Verkehr nach der EU-Osterweiterung insbesondere von Prag, Karlsbad, Eger in Richtung Nürnberg, Schweinfurt, Würzburg und Frankfurt zu ertüchtigen?
Die
Bundesregierung beabsichtigt, der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung
vorzuschlagen, Fördermittel für den Ausbau der Strecke
von Nürnberg über Marktredwitz bis zur deutsch-tschechischen Grenze bereitzustellen. Gefördert werden sollen
die Anpassung der Strecke für Neigetechnikfahrzeuge
und die Elektrifizierung des Abschnittes Marktredwitz bis
zur deutsch-tschechischen Grenze.
Eine Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, ich möchte an den vorhin zitierten Artikel von Frau de Palacio anknüpfen, in dem sie festgestellt
hat, dass sich der LKW-Verkehr in Europa in den nächsten zehn Jahren verdoppeln werde. Der Verkehrsfluss
wird sich in besonderem Maße dort verstärken, wo durch
die EU-Osterweiterung eine völlig neue Wirtschafts- und
Verkehrssituation geschaffen werden wird, wie eben im
Bereich entlang der Grenze zwischen Tschechien und
Deutschland.
Meine Frage ist: Wäre es nicht sinnvoll, angesichts der
bevorstehenden EU-Osterweiterung und der Tatsache,
dass die dortigen Straßen aufgrund des lange bestehenden
Eisernen Vorhangs noch etwas unterentwickelt sind, im
Sinne von Frau de Palacio ein Vorzeigeprojekt, ein Pilotprojekt, zwischen Marktredwitz und Nürnberg auf die
Beine zu stellen, sodass mehr Güter zwischen Prag und
Frankfurt auf die Schiene gebracht werden können?
Sie
nehmen die Frage des neben Ihnen sitzenden Kollegen
Dr. Protzner quasi vorweg. Ich werde darauf später zu
sprechen kommen.
Die von Ihnen angesprochene Strecke ist sicherlich
ganz wichtig. Aber wir haben festgestellt, dass weder der
gänzliche noch der teilweise Neubau der Strecke, um sie
an die Erfordernisse des Hochgeschwindigkeitsverkehrs
anzupassen, wirtschaftlich ist. Trotzdem muss die Fahrzeit schrittweise reduziert werden. Dafür müssen entsprechende Gelder bereitgestellt werden. Für die Elektrifizierung des Abschnittes von Marktredwitz bis zur
deutsch-tschechischen Grenze stehen 15 Millionen DM
zur Verfügung. Tschechien beteiligt sich mit 85 Millionen DM.
Angesichts der Tatsache, dass die Elektrifizierung sehr
teuer ist und dass auf der Strecke Nürnberg-Hof zahlreiche Tunnel und Querungen notwendig wären, gehen wir
davon aus, dass Fahrzeuge mit Neigetechnik im Dieselbetrieb eingesetzt werden und dass dadurch die Fahrzeit
von Nürnberg nach Prag um 1 Stunde und 21 Minuten auf
3 Stunden und 46 Minuten reduziert werden kann.
Eine letzte
Zusatzfrage.
Haben
Sie schon einmal geprüft, ob es möglicherweise Privatunternehmer gibt, die bereit sind, in Prag, in Marktredwitz,
in Nürnberg oder in Frankfurt KV-Terminals selbst zu
finanzieren und zu betreiben?
Ich
kann Ihnen diese Frage nicht im Detail beantworten. Ich
werde gerne überprüfen lassen, ob ein Privatunternehmer
schon Interesse an einem KV-Terminal geäußert hat oder
ob sich in dieser Hinsicht etwas machen lässt. Ich kann
nur sagen: Wir unterstützen alle KV-Vorhaben, sofern sie
förderungswürdig sind. Ich möchte darauf verweisen,
dass wir in diesem Jahr die finanziellen Mittel zur
KV-Förderung von 90 Millionen DM auf 120 Millionen DM erhöht haben.
Ich rufe die
Frage 24 des Kollegen Dr. Protzner auf:
Wird die Bundesregierung im Hinblick auf die EU-Osterweiterung ein darauf ausgerichtetes, umfassendes Verkehrskonzept
vorlegen?
Die
Bundesregierung hat in ihrem Konzept einer integrierten
Verkehrspolitik, das mit dem Verkehrsbericht 2000 vorgestellt wurde, ein auch auf die EU-Osterweiterung ausgerichtetes, umfassendes Verkehrskonzept vorgelegt.
Frau Staatssekretärin, es gibt eine interministerielle Arbeitsgruppe, die ein
Ergebnispapier erstellt hat. Bislang war in diesem Papier
Dr. Hans-Peter Friedrich ({0})
die Europastraße 48 nicht enthalten. Was dieses Papier angeht, ist das Bundeswirtschaftsministerium federführend.
Ist dieses Papier, das etwa vier Wochen alt ist, aufgrund
Ihrer Aussagen mittlerweile überholt?
Das
muss ich prüfen lassen. Ich will dem Bundeswirtschaftsministerium nicht zuvorkommen.
Ich rufe die
Frage 25 des Kollegen Protzner auf:
Gibt es Pläne der Bundesregierung, vergleichbar dem Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ im Zuge der deutschen Wiedervereinigung, gesonderte Infrastrukturmittel für Verkehrsprojekte
„Europäische Osterweiterung“ im Bundeshaushalt vorzusehen?
Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass Sie eine Nachfrage zu möglichen Plänen zur Aufnahme von Verkehrswegeprojekten in Grenzförderprogramme stellen. Es ist
schade, dass Sie das nicht getan haben. Eine solche Frage
hätte ich gerne beantwortet.
({0})
Herr Protzner, die für die Bewältigung der prognostizierten Verkehrsentwicklung wichtigen Verkehrsprojekte
im Eisenbahn-, im Bundesfernstraßen- und im Bundeswasserstraßengesetz sind im Investitionsprogramm 1999
bis 2002, im EFRE-Bundesprogramm 2000 bis 2006 und
im Zukunftsinvestitionsprogramm enthalten.
Frau Staatssekretärin, die E 48 ist in keinem dieser Programme enthalten.
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Lückenschluss der
Europastraße Würzburg-Prag in ein weiteres Programm
aufzunehmen?
Diese Frage kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten. Vielleicht werden sich entsprechende Pläne im neuen
Bundesverkehrswegeplan wiederfinden. Auch im Hinblick auf das, worauf sich Ihre vorherige Frage bezog
- anscheinend ist das Wirtschaftsministerium involviert -,
will ich mich gerne erkundigen, ob es entsprechende Planungen gibt. In meinen Unterlagen liegt jetzt nichts vor.
Frau Staatssekretärin, Sie verweisen immer auf den Bundesverkehrswegeplan von 1992. Nach dem Bundesfernstraßengesetz gibt
es die Möglichkeit der ausnahmsweisen Aufnahme von
Verkehrsprojekten in das Bauprogramm. Will die Bundesregierung im Hinblick auf die Europastraße 48 in diesem Fall davon Gebrauch machen?
Eine
solche Frage richtet sich immer an das Parlament und
nicht an die Regierung.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Friedrich.
Frau Staatssekretärin, derzeit überqueren jährlich
470 000 LKWs den Grenzübergang Schirnding. Sie kommen von Tschechien und fahren auf einer zweispurigen
Bundesstraße über das Fichtelgebirge.
Herr Kollege Friedrich, stellen Sie bitte eine Frage.
Uns
liegt die Prognose der dortigen Polizei vor, dass sich dieser Verkehr in den nächsten zehn Jahren verdoppeln wird.
Uns liegt auch die Prognose vor, dass nach der EU-Osterweiterung die Pendlerströme in den bayerischen Grenzraum einen Umfang von 50 000 Personen haben werden.
Frage: Liegen Ihnen ähnliche Prognosen vor oder haben
Sie aktuellere Prognosen, die Sie uns dazu nennen
können?
Insgesamt - das steht auch im Verkehrsbericht 2000 - gehen
wir davon aus, dass in dieser Republik bis 2015 der Güterverkehr um 64 Prozent und der Personenverkehr um
20 Prozent zunehmen werden. Wir müssen aber sehen,
dass der Verkehrsumfang an den Grenzen durchschnittlich eher geringer ist; dort ist von einem niedrigeren Niveau auszugehen. Wahrscheinlich wird es zu einer Verdreifachung kommen; das ist schon eine ganze Menge.
Insofern haben wir logischerweise bei allen Planungen
die grenzüberschreitenden Projekte im Kopf.
Nur muss ich sagen: Wir würden gerne mehr finanzieren, wenn es um die Finanzen besser bestellt wäre. Wir haben es nicht zu verantworten, dass in den letzten Jahren
- vor allem in Ihrer Regierungszeit - sicherlich sinnvolle
Projekte begonnen wurden, deren Fertigstellung sich dahinschleppt. Wir müssen die Versäumnisse zuerst einmal
aufarbeiten. Sie wissen aber, dass wir alle Probleme hinsichtlich grenzüberschreitender Projekte, sei es bei der
Straße, der Schiene oder der Wasserstraße, mit besonderer
Aufmerksamkeit betrachten werden. Das Verkehrsaufkommen bei den einzelnen Projekten muss dabei aber so stark
sein, dass es sich rechnet, dort viel Geld zu investieren.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.
Frau Staatssekretärin, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung im Hinblick auf die Tatsache, dass vor allem die Grenzräume zu
den Beitrittstaaten im Zuge der Erweiterung die Hauptverkehrslast in Deutschland zu tragen haben werden,
unternommen, um für den Ausbau der Verkehrswege in
diesen Grenzbereichen zu den Erweiterungsländern europäische Mittel zu bekommen, und mit welchem Erfolg ist
die Bundesregierung gegenüber der Europäischen Union
hier tätig geworden?
Ich
danke Ihnen für diese Frage, weil ich nun endlich meine
Ausführungen anbringen kann. Als Ergebnis der Beratungen von Nizza im Dezember 2000 erwarten wir, dass die
EU-Kommission nach der Analyse der Auswirkungen der
EU-Erweiterung auf die Grenzregionen ein Aktionsprogramm für die betroffenen Mitgliedstaaten vorlegen wird
und dass es dabei unter anderem auch um zusätzliche Fördermittel für ausgewählte Verkehrsprojekte gehen wird,
die wir angemeldet und begründet haben. Das sind bei den
Schienenprojekten die Ausbaustrecke Berlin-Frankfurt
({0}) mit einer Förderung von 395 Millionen DM,
die Ausbaustrecke Knappenrode-Horka - also Grenze
Deutschland-Polen - mit einer Förderung von 170 Millionen DM und die ABS Nürnberg-Marktredwitz-Grenze
mit einer Förderung von 20 Millionen DM. Bei den
Straßenprojekten sind es die A 11 von Berlin nach Stettin,
die A 6/D 5 von Nürnberg nach Prag, der Neubau der
B 178 von der A 4 bei Weißenberg bis zur Grenze und der
Ausbau der Bundesstraßen im Zusammenhang mit
Grenzübergangsstellen.
Die
Frage 26 des Kollegen Dietrich Austermann wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Eckart von Klaeden
auf:
Haben Mitglieder der Bundesregierung, zum Beispiel der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen, Stephan Hilsberg, den Aufruf des
SPD-Gesprächskreises „Neue Mitte“ gegen ein Bündnis der Berliner Sozialdemokraten mit der PDS unterstützt, und wenn ja, ist
dies geschehen, weil die PDS nach Ansicht der Mitglieder der
„Neuen Mitte“ kein Bekenntnis zum Grundgesetz abgegeben und
sich bis heute nicht konsequent mit der DDR-Vergangenheit auseinander gesetzt habe?
Die
Bundesregierung hat keine Veranlassung, Informationen
darüber einzuholen, welche Positionen ihre Mitglieder
gegenüber Erklärungen und Aufrufen von Gruppierungen
innerhalb der einzelnen Parteien einnehmen.
Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, teilt die Bundesregierung die Ansicht von Generalsekretär Müntefering, die SPD respektiere die PDS als
eine Partei, die in dieser Demokratie angekommen sei,
oder ist sie der Ansicht, dass die PDS bislang kein vernünftiges Bekenntnis zum Grundgesetz abgegeben habe,
wie es zum Beispiel der Kollege Robbe sagte und wie es
auch im Verfassungsschutzbericht zum Ausdruck kommt?
Ich
kommentiere auch nicht die Aussagen einzelner Politiker.
Mit dieser Antwort müssen Sie sich begnügen.
Eine zweite
Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass es sich beim Bundesrat um
ein föderales Bundesorgan handelt, und sind Sie daher der
Ansicht, dass eine Zusammenarbeit mit der PDS in diesem Gremium eine Zusammenarbeit auf Bundesebene
bedeutet?
Der
Bundesrat ist ebenso autonom wie auch die Wähler autonom sind. Insofern können Sie Ihre Frage leicht selbst beantworten. Ich verstehe bei allem Respekt nicht, wie sich
Ihre Frage beantworten lässt.
({0})
Wir sind am
Ende der Fragen zu diesem Geschäftsbereich angelangt.
Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes
auf. Staatsminister Dr. Volmer war anwesend. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, zu akzeptieren, dass
er aus Termingründen jetzt nicht mehr da sein kann. Wir
machen also von der Geschäftsordnung Gebrauch, sodass
die Fragen, die zu diesem Geschäftsbereich gestellt werden, in der nächsten Sitzungswoche zu Beginn der Fragestunde aufgerufen werden.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. Juni 2001,
9.00 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.