Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich bitte, zunächst
Fragen zu dem aufgerufenen Themenbereich zu stellen.
Als Erste hat sich die Kollegin Ingrid Becker-Inglau zu
Wort gemeldet.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal
möchte ich der Ministerin für diesen Aktionsplan, der in
dieser Form, so glaube ich, zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik aufgestellt worden ist, ganz
herzlich danken.
({0})
Ich glaube, dieser Plan macht deutlich, dass die bestehenden Probleme nicht allein durch unser Land zu lösen sind,
sondern global, also auf internationaler Ebene und auf
EU-Ebene, gelöst werden müssen. Ich beglückwünsche
Sie dazu, dass Sie es geschafft haben, uns hier nicht nur
einen Aktionsplan Ihres eigenen Hauses vorzustellen,
sondern einen Plan der Bundesregierung.
Ich möchte Sie fragen: Sehen Sie auf der Grundlage
dieses Plans die Möglichkeit, die Ziele der 20/20-Initiative, die seit mehreren Jahren besteht, besser umzusetzen?
Ich glaube, dass man zur Umsetzung der Ziele erst entsprechende Partnerschaften mit den Entwicklungsländern
eingehen muss.
Zur
Frage der Umsetzung will ich Folgendes sagen: Bei all
den von uns definierten Aktionen, die teilweise auch andere Ressorts betreffen, werden wir sehr sorgfältig - jeweils, bezogen auf die konkreten äußeren Anlässe - unsere jeweiligen Schritte zur Umsetzung der Pläne
formulieren. Wenn es Rückfragen hierzu gibt, kann ich Ihnen das im Zusammenhang mit den einzelnen Bereichen
ausführlicher darstellen.
Das Wichtige ist, dass wir bezogen auf die bilaterale
Entwicklungszusammenarbeit - diese haben Sie ja angesprochen - über die 20/20-Initiative eigentlich hinausgehen und versuchen, alle Aspekte einzubeziehen, wobei
wir den Partnerländern, die sich auf diese 20/20-Initiative
hin orientieren, Unterstützung anbieten. Wir wollen auch
einzelne Entwicklungsländer, die sich bei der Armutsbekämpfung besonders engagiert haben, in starkem Maße
unterstützen. Auch das kann ich im Detail darstellen,
wenn Sie es möchten.
Das fast noch Wichtigere aber ist - ich gebe einige Beispiele -, dass wir nicht nur die Fragen der sozialen Sicherung, der Gesundheit und der Bildung im Sinne der betroffenen Länder lösen wollen, sondern dass wir auch
dazu beitragen wollen, dass die betroffenen Länder eine
Chance haben, ihre verarbeiteten Produkte in die Industrieländer zu exportieren;
({0})
denn sonst bleibt ihnen nur die Rolle der Rohstoffexporteure. Wir haben in unserem Armutsbekämpfungsprogramm ausdrücklich verankert, dass wir erstens den
Agrarprotektionismus abbauen wollen - das ist ganz
wichtig; wir wissen, dass es früher große Konflikte in diesem Bereich gab - und dass wir zweitens dafür sorgen
wollen, dass die Entwicklungsländer auch verarbeitete
Produkte absetzen und dass die Zollhemmnisse in diesem
Bereich abgebaut werden. Das schafft Voraussetzungen
für wirtschaftliche Entwicklung in den betroffenen Ländern selbst, die die Basis für die Finanzierung sozialer
Programme ist, die wir gemeinsam mit den Partnerländern verankern wollen.
({1})
Herr Kollege Peter
Weiß, Ihre Frage, bitte.
Erstens.
Frau Bundesministerin, nachdem über den erweiterten
Armutsbegriff, den Sie vorgetragen haben, in der entwicklungspolitischen Debatte seit Jahren Einigkeit besteht, und nachdem die Armutsbekämpfung, also die Orientierung an den Bedürfnissen der Armen, als ein
wichtiges zentrales Ziel der Entwicklungszusammenarbeit Allgemeingut geworden ist, stellt sich die
Frage: Was möchten Sie mit dem heute von der Bundesregierung beschlossenen Aktionsprogramm eigentlich zusätzlich erreichen? Schon das Wort verwundert, Frau
Bundesministerin. Sie haben in Ihrem Vortrag - vielleicht
ist es Ihnen aufgefallen - das Wort Aktionsplan verBundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
wandt. Dieses Wort ließ sich in den Überschriften aller Ihrer bisherigen Entwürfe finden. Heute hat die Bundesregierung nur ein Aktionsprogramm verabschiedet. Warum
keinen Aktionsplan?
Zweitens. Warum gibt es zu diesem Aktionsprogramm
keinen Umsetzungs- und Finanzierungsplan? Uns interessiert, was denn ab jetzt konkret passiert. Haben Sie heute
zum Beispiel die mittelfristige Finanzplanung, die uns
vorliegt und die nach wie vor ein weiteres Sinken der
Ausgaben und des Anteils der Entwicklungshilfe am Bundeshaushalt vorsieht, korrigiert bzw. eine Absichtserklärung abgegeben, dass Sie dies in den nächsten Jahren
korrigieren wollen, um tatsächlich ein Programm und einen Umsetzungsplan, unterlegt mit einem entsprechenden
Finanzierungsplan, in Gang zu setzen, mit dem Sie eine
neue Qualität in die Armutsbekämpfung hineinbringen?
Herr
Kollege Weiß, zunächst möchte ich daran erinnern - in
der Zeit, in der wir in der Opposition waren, war ich selber für den Bereich der Europapolitik zuständig -, dass
zum Beispiel die Kohärenz von agrarpolitischen und entwicklungspolitischen Positionen, die Sie als normal bezeichnet haben, niemals zur Position der alten Bundesregierung gehörte.
({0})
Dass wir das jetzt so verankert haben, dass die Ressorts
mitziehen, halte ich für einen Riesenfortschritt. Das ist
das qualitativ Neue.
({1})
Entwicklungsarbeit ist nicht nur das, was wir alle, die wir
in entwicklungspolitischen Fragen engagiert sind, für
richtig halten. Viele Industrieländer - ich wage zu behaupten: zumal die alte Bundesregierung - haben die Widersprüche zwischen den einzelnen Ressorts in die internationalen Beziehungen exportiert. Wir machen damit
Schluss und sagen: Es gibt eine gemeinsame Verpflichtung. Das ist etwas qualitativ Neues.
Es ist auch etwas qualitativ Neues, wenn wir sagen:
Wir wollen dafür sorgen - das haben wir übrigens schon
in Gang gesetzt -, dass nicht nur die 36 ärmsten Entwicklungsländer, sondern die große Gruppe der 70 Entwicklungsländer, die von der Weltbank verbilligte Kredite bekommt, Armutsbekämpfungsstrategien im eigenen Land
verfolgen. Wir wollen das auch als Konzept in die
Schwellenländer tragen; denn dort lebt ein Drittel der
Ärmsten der Welt. Insofern ist ersichtlich, dass wir diesen
Aspekt besonders betonen müssen.
Sie haben zweitens nach der Finanzierung gefragt. Die
Formulierung lautet sowohl in der Kurz- als auch in der
Langfassung folgendermaßen:
Die Bundesregierung hält daran fest, mit dem Anteil
der Entwicklungszusammenarbeit am Bruttosozialprodukt dem international vereinbarten 0,7-ProzentZiel näher zu kommen. Dies erfolgt im Einklang mit
den Konsolidierungsmaßnahmen im Rahmen des
Zukunftsprogramms der Bundesregierung.
Ich will an dieser Stelle sagen: 1982 lag der Anteil am
Bruttosozialprodukt bei 0,48 Prozent. Während Ihrer Regierungszeit ist er bis auf 0,26 Prozent reduziert worden.
({2})
Wir wollen - das sage ich ausdrücklich -, wenn wir die
Verschuldung unseres Haushalts, die Sie mit zu verantworten haben, um einen Teil zurückgeführt haben, die
Leistungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit
dauerhaft steigern. Dies entspricht auch unserer internationalen Verpflichtung. Das heißt natürlich, dass wir bei
jedem Haushalt darüber debattieren müssen. Bei dem
Haushalt, der vor uns steht, wird es natürlich schon eine
erste Diskussion zu diesem Thema geben. Aber ohne Engagement, ohne Kampf für mehr Mittel in diesem Bereich
ist eben nichts durchzusetzen. Wir haben daher das Ziel
0,7 Prozent noch einmal ausdrücklich verankert.
Nächste Fragestellerin
ist die Kollegin Adelheid Tröscher.
Das ist ein ehrgeiziges
Programm. Ich höre gern und habe auch gern gelesen,
dass das 0,7-Prozent-Ziel weiterhin das Ziel bleibt. Es
stellt sich noch die Frage nach weiteren Ressourcen, die
zu erschließen wären. Ich denke da an die Privatwirtschaft
- vielleicht können Sie noch etwas dazu sagen -; denn
Entwicklungspolitik kann nicht nur staatliche Aufgabe
sein.
Was mich noch interessiert: Sie haben gesagt, alle Ressorts seien beteiligt. - Ich finde, dass der Bundeskanzler
und die gesamte Bundesregierung dahinter stehen, ist ein
großartiger Erfolg. Das hätten wir uns vor Jahren nicht
träumen lassen. Das sage ich mit Blick auf die von mir aus
gesehen linke Seite, also die rechte Seite des Hauses. - Ich
könnte mir aber vorstellen, dass es schwierig sein wird,
Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe zu betreiben. Entwicklungspolitikerinnen und -politiker haben
Entwicklungspolitik ja immer als Querschnittsaufgabe
verstanden; wir müssten dies nur langsam den anderen
beibringen. Wie kann man sicherstellen, dass da im Laufe
der Zeit eine Verzahnung stattfindet? Soll es Gremien geben oder wie kann man das regeln?
Ich
kann jetzt natürlich nicht auf alle Aktionen im Detail eingehen. Aber ich bin froh, dass mir Gelegenheit gegeben
wird, deutlich zu machen, welche weiteren finanziellen
Möglichkeiten es gibt, die wir auch in konkrete Aktionen
eingebracht haben.
Zunächst einmal möchte ich an dieser Stelle sagen
- auch das ist Entwicklungszusammenarbeit; das muss
man so deutlich sagen -: Wir wollen mit unserer Entwicklungszusammenarbeit dazu beitragen, dass die betroffenen Partnerländer eigene Finanzmittel mobilisieren, dass sie eigene Steuersysteme aufbauen; denn es gibt
in den beteiligten Ländern sehr wohl Gruppen der
Peter Weiß ({0})
Bevölkerung, die Steuern zahlen können. Die Mobilisierung der einheimischen Mittel ist ein ganz wichtiger
Punkt.
({1})
Das ist etwas, was wir der Bevölkerung in den Partnerländern, aber auch unserer Bevölkerung zu sagen schuldig sind.
Darüber hinaus haben wir uns Aktionen vorgenommen - ich greife jetzt als Beispiel die Förderung erneuerbarer Energien heraus -, die wir sinnvollerweise immer in
Verbindung mit dem privaten Sektor, mit privaten Investitionen leisten müssen und leisten wollen. Das, was ohnehin im Programm Entwicklungspartnerschaft mit der
Wirtschaft steht - Zusammenarbeit zwecks Mobilisierung privater Ressourcen -, haben wir auch in diesem Programm sehr deutlich gemacht.
Eines der Hauptprobleme im Zusammenhang mit
Armut und Benachteiligung ist der fehlende Zugang mancher Entwicklungsländer zu den Möglichkeiten, die mit
Informations- und Kommunikationstechnologien verbunden sind. Wir bringen in unserem Programm zum Ausdruck: Wir werden die Entwicklungsländer dabei unterstützen, einen Zugang zu diesen Technologien zu
bekommen.
Auch an diesem Punkt ist ersichtlich, dass Entwicklungszusammenarbeit nur einen Teil ausmacht und dass
der private Sektor, die Unternehmen, den anderen Teil
beitragen muss. Es geht darum, dass wir auf diese Art und
Weise zusätzliche Mittel mobilisieren können. Damit
wollen wir Chancen eröffnen, dass in den armen Ländern
Direktinvestitionen getätigt werden können. Wir wissen
genau: Die heute fließenden Direktinvestitionen - ihre
Höhe hat sich in den letzten Jahren verzehnfacht - dürfen
nicht nur einigen Schwellenländern, sondern müssen auch
den ärmsten Entwicklungsländern zugute kommen. Dazu
können wir einen Beitrag leisten.
Was den gesamten Bereich der Entschuldung angeht:
Sie kennen unsere entsprechende Initiative. Ich erinnere
an den Schuldenerlass von 70 Milliarden US-Dollar. Zur
Frage der Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit gehört sehr viel mehr als nur die bilaterale Finanzierung.
Ich verweise darauf,
dass mir acht Fragewünsche vorliegen. Die Zeit könnte
etwas knapp werden. Vielleicht können im Sinne der beteiligten Kolleginnen und Kollegen Frage und Antwort etwas kürzer gefasst werden.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Klaus-Jürgen
Hedrich.
Frau Präsidentin, Ihrem Wunsch nachzukommen ist natürlich nicht immer ganz einfach.
Frau Ministerin, es wird Ihnen wahrscheinlich nicht
völlig verborgen geblieben sein, dass bereits Ihr Vorgänger vor nunmehr über zehn Jahren die Armutsbekämpfung zu einer der Schwerpunkttätigkeiten des jetzt von Ihnen geführten Hauses gemacht hat. Auch für die Vorgängerregierung war Armutsbekämpfung also selbstverständlich; insofern ist das, was Sie vorhaben, überhaupt
keine Neuigkeit.
Da Sie von einem Aktionsprogramm gesprochen haben, möchte ich Ihnen - Ihre schwammigen Zitate sind
mir nicht präzise genug - konkret einige Fragen stellen.
Erstens. Haben Sie - Sie haben darauf abgehoben, dass
Sie alle verpflichtet hätten, sodass alle mitmachen müssten - eine konkrete Zusage des Bundesfinanzministers für
eine Verbesserung der mittelfristigen Finanzplanung, was
die Ausstattung des Einzelplans 23 betrifft?
Zweitens. Haben Sie eine Zusage des Bundeswirtschaftsministers, dass er in den nächsten ein bis
anderthalb Jahren darüber entscheidet, ob verarbeitete
Produkte aus den Entwicklungsländern ohne Zollbeschränkungen nach Deutschland importiert werden dürfen?
Drittens. Haben Sie eine konkrete Zusage des Landwirtschaftsministers, dass in absehbarer Zukunft sämtliche
Agrarprodukte ohne Zollbeschränkungen nach Deutschland importiert werden dürfen?
Vielleicht können Sie uns Ihre konkreten Verabredungen mit den anderen Ministern nennen und darüber den
Bundestag in Kenntnis setzen.
({0})
Zunächst einmal möchte ich ausdrücklich sagen, dass die
Orientierung auf Armutsbekämpfung - Sie selbst waren
einmal Parlamentarischer Staatssekretär - bisher in einem
eingeschränkteren Rahmen, mit Bezug auf die soziale Sicherung der Armen, stattgefunden hat. Qualitativ neu ist
unser Schwerpunkt der Schaffung von wirtschaftlichen
Chancen.
Ich bin Ihnen für Ihre Frage dankbar. Das heute von der
Bundesregierung beschlossene Aktionsprogramm enthält
die ausdrückliche Festlegung, dass die Bundesregierung
bei der nächsten WTO-Runde die Interessen der Entwicklungsländer berücksichtigt und einem Teil ihrer Forderungen entgegenkommt.
({0})
- Sie haben während Ihrer Regierungszeit im Rahmen der
Uruguay-Runde Verabredungen getroffen, die die Entwicklungsländer zum Teil knebeln. Es ist also etwas
Neues, wenn wir jetzt dazu beitragen wollen, ihre Chancen zu verbessern.
({1})
Sie sollten sich daran erinnern, welche Verabredungen damals getroffen wurden. Sie haben sich offensichtlich, was
die Uruguay-Runde betrifft, gegen den damaligen Wirtschaftsminister nicht durchsetzen können. Über diesen
Punkt können wir gerne ausführlich diskutieren.
Die einzelnen Punkte dieses Aktionsprogramms sind
aufeinander abgestimmt. Wir haben allerdings keine vorgezogenen Haushaltsberatungen durchgeführt. Über die
Finanzierung wird also bei der Beratung der jeweiligen
Haushalte diskutiert werden. Dann werden wir die entsprechenden Forderungen einbringen.
Wir haben die Schritte für die Erreichung der Ziele angegeben. Über die dazu notwendige Finanzierung wird,
wie schon gesagt, in den jeweiligen Haushaltsberatungen
entschieden. Sonst hätten wir vorgezogene Haushaltsberatungen durchführen müssen, was aber nicht Sinn der
Sache war.
({2})
Herr Kollege Hübner,
Ihre Frage bitte.
Nach der Antwort auf die
Frage des Kollegen Hedrich habe auch ich leider das Gefühl, dass dieses Programm - zumindest bis jetzt - auf
sehr wackligen Beinen steht. Deshalb möchte ich meine
Frage zu dem Bereich stellen, der in der Diskussion über
die Finanzierung immer wieder sozusagen als Ausweichterrain angesehen wird, nämlich zu dem Bereich der Public Private Partnership.
Ich möchte mit Blick auf die Basisgesundheitsversorgung und auf die Basisarmutsbekämpfung gerne etwas
über die Vorstellung der Bundesregierung erfahren, wie
mit privaten Mitteln, deren Einsatz sich für die beteiligten
Unternehmen mittel- oder langfristig rechnen muss, eine
nachhaltige Strukturentwicklung möglich sein soll. Aus
meiner Sicht gibt es in diesem Punkt erhebliche Widersprüche zwischen den Eigeninteressen der Wirtschaftsunternehmen und den Interessen der Entwicklungsländer. Es
müsste eine Neuorientierung der wirtschaftlichen Aktivitäten vieler Unternehmen geben, damit eine entsprechende Entwicklung mit privaten Mitteln angestoßen
werden kann.
Ich möchte gerne wissen, nach welchen Kriterien die
Umsetzung erfolgen soll und welche Erfahrungen bisher
gemacht worden sind.
Wenn
wir mit Zustimmung der Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin weniger Agrarsubventionen und vor
allen Dingen weniger Exportsubventionen durchsetzen
und wenn wir dazu beitragen, einen Teil des Agrarprotektionismus zu beseitigen, dann hätten die Entwicklungsländer die Möglichkeit - das sage ich an die Adresse
derjenigen, die ausschließlich von einer öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit sprechen -, eigene Einnahmen in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar zu erzielen.
Die Kohärenz zwischen wirtschaftspolitischen, landwirtschaftspolitischen und entwicklungspolitischen Maßnahmen ist ein Beispiel dafür, dass mehr Möglichkeiten ergriffen und mehr Mittel mobilisiert werden können.
Herr Hübner, wir haben im Rahmen der Regierungsbefragung nicht die Zeit - darüber wird in jeder entwicklungspolitischen Debatte diskutiert -, die Frage der Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft im Detail zu
behandeln. Ich möchte aber an dieser Stelle einen Irrtum
ausräumen: Die Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft beruht darauf, dass das geschäftliche Interesse von
Unternehmen mit dem Interesse von Entwicklungsländern übereinstimmt. Ist dies der Fall, erfolgt ein gemeinsames Vorgehen bei der Umsetzung. Es geht dabei nicht
um Exportförderung, sondern darum, die Bedürfnisse,
zum Beispiel bei der Wasserversorgung, in den Partnerländern zu befriedigen.
Es ist von vornherein klar, dass wir verstärkt öffentliche Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit einsetzen, zum Beispiel im Bildungssektor. Aber ich will an dieser Stelle sagen: Es muss auch möglich sein, eine
gemeinsame Initiative - zum Beispiel mit Boehringer - zu
ergreifen, bei der dieses Unternehmen Medikamente gegen die Übertragung von Aids von der infizierten Mutter
auf das Kind kostenlos zur Verfügung stellt. Die Entwicklung auf dem Gesundheitssektor in Zusammenarbeit
mit Unternehmen ist ein Beispiel dafür, dass sich für die
betroffenen Entwicklungsländer ein größerer Vorteil ergeben kann, als dies im Falle einer ausschließlich auf öffentliche Mittel angelegten Entwicklungszusammenarbeit möglich ist. Das ist das Denken in Bezug auf den
PPP-Ansatz in unserem Ministerium.
Die nächste Frage
kommt vom Kollegen Dr. Christian Ruck.
Frau Ministerin,
eine Nachfrage zu den Finanzen. Erstens. Haben Sie eine
konkrete Zusage Ihres Kollegen Eichel aus der Kabinettssitzung mitgebracht, die Finanzmittel für das BMZ in den
nächsten Jahren zumindest stufenweise zu erhöhen?
Zweitens. Armutsbekämpfung hat auch etwas mit den
internen Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern zu tun, Stichwort: good governance. Gibt es von
Ihrer Seite neue Impulse, in den Entwicklungsländern auf
good governance hinzuwirken, und werden diese Impulse auch von Ihrem Kollegen Fischer mitgetragen?
Zur
Frage der Finanzen habe ich vorhin das gesagt, was zu sagen war. Wir haben keine vorgezogenen Haushaltsverhandlungen. Dazu werden wir noch genug Gelegenheit
haben.
Zu Ihrer Frage zu good governance: Das ist ein Aktionsprogramm der ganzen Regierung und infolgedessen
ist auch der Außenminister darauf verpflichtet. Wir haben
im Übrigen bei den Verhandlungen über das Folgeabkommen des Lomé-Abkommens, das Cotonou-Abkommen, gezeigt, dass wir das Thema ernst nehmen.
Ich will an dieser Stelle sagen: Wir werden gezielt vier
Entwicklungsländer unterstützen, weil das, was sie selbst
in Bezug auf Armutsminderung machen, beispielhaft ist.
Mit unserer Unterstützung wollen wir zeigen, dass diese
Länder anderen Entwicklungsländern als positive Beispiele dienen können. Diese Länder können, wenn sie
ähnliche Initiativen entwickeln, diese ebenfalls finanziell
unterstützt und belohnt sehen.
Nächste Fragestellerin
ist die Kollegin Dagmar Schmidt.
Frau Ministerin, der Aktionsplan der Bundesregierung
({0})
unter Ihrer Federführung zeigt sehr deutlich, dass im eigenen Hause neue Allianzen verwirklicht werden, die,
viel stärker als früher, auf die Partnerschaft mit der Wirtschaft und anderen Akteuren ausgedehnt werden. Ich
möchte Sie bitten, ein wenig konkreter etwas zu den Kodizes, zu den Selbstverpflichtungen und möglicherweise
zu den Zertifikatslösungen zu sagen,
({1})
die Sie durch diese intensive Partnerschaft mit der Wirtschaft anstreben, und dazu, inwieweit die Gruppe der
Frauen, die gerade uns Entwicklungspolitikerinnen besonders am Herzen liegt, davon profitiert.
Zunächst einmal will ich darauf hinweisen, dass wir ein Dialogforum einberufen werden, auf dem sowohl die politische Ebene als auch die Zivilgesellschaft vertreten sein
werden und das in gewissen zeitlichen Abständen Überprüfungen durchführen, aber gleichzeitig auch gemeinsame Verabredungen zur konkreten Umsetzung von gemeinsamen Aktionen treffen wird.
Ferner möchte ich ausdrücklich bestätigen: Unser
Haus diskutiert zusammen mit Unternehmen, wie wir sozial und ökologisch sinnvolles und richtiges Wirtschaften
von Unternehmen entsprechend unterstützen können und
wie wir, um auch andere Unternehmen dazu anzuregen,
eine Zertifizierung verwirklichen können. Ich möchte das,
was dort diskutiert wird, auf eine weitere Ebene stellen:
Ich habe vor, ähnlich wie beim global compact von Kofi
Annan, eine große Runde von beteiligten Unternehmen
einzuladen, die eine entsprechende gemeinsame Verpflichtung übernehmen. Diese Aktion ist insbesondere im
Interesse der sozialen und ökologischen Situation in den
Partnerländern und damit auch entwicklungspolitisch
sinnvoll und richtig.
Die nächste und, wie
ich fürchte, letzte Fragestellerin ist die Kollegin Erika
Reinhardt.
Mit den Parlamentarischen Geschäftsführern hatten
wir uns auf eine Verlängerung der Befragung der Bundesregierung um fünf Minuten verständigt. Dann müssen wir
aber auch Schluss machen.
Frau Ministerin, Sie
sagten zu Beginn, Deutschland sei das erste Land, das einen solchen Aktionsplan vorlege. Ich muss Sie enttäuschen: Die deutsche Regierung steht damit an zweiter
Stelle; England hat ihr das bereits im vorigen Jahr vorgemacht.
Sie sagten außerdem, dass verschiedene Ministerien
damit befasst sind. Das ist gut, aber es stellt sich zugleich
immer die Frage, wie kohärent das Ganze gestaltet wird.
Liegt die Federführung beim BMZ? Der ganze Aktionsplan sagt ja nichts über die Form der Durchführung und
darüber aus, wo Prioritäten gesetzt werden. Es wurde einfach nur einmal zusammengestellt, was es alles gibt. Hat
die Regierung vor, einen konkreten Plan zur Durchführung mit einer Prioritätenliste vorzulegen? Wie stellen
Sie sich die Abstimmung mit der EU vor?
Zunächst einmal lassen Sie mich sagen, dass ich die Kollegin Clare Short außerordentlich schätze. Ich finde die Vorschläge, die sie vorgelegt hat, sehr gut. Ihr Programm ist
aber kein Programm der gesamten Regierung zur Erreichung des 2015-Ziels. Hier liegt der Unterschied. Es ist
wichtig, dass Sie dies vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen.
Zur Frage der Durchführung sage ich: Aus den von uns
festgelegten Aktionen ergeben sich die Anlässe, wo diese
konkret angegangen werden. In dem Moment, in dem die
WTO-Runde zustande kommt, ist unsere Verhandlungsposition entsprechend festgelegt. Auch bezüglich der Abstimmung mit der EU geben die äußeren Anlässe den Rahmen vor. Ich erinnere Sie daran, dass wir maßgeblich mit
dazu beigetragen haben - auch wenn es leider etwas längere Übergangsfristen gegeben hat - dass die Initiative
des EU-Kommissars Lamy, den ärmsten Entwicklungsländern völlig freien Zugang zu den Märkten der EU zu
gewähren, verwirklicht werden konnte. In dieser Weise
werden wir uns auch bei den anstehenden Verhandlungen
über den Marktzugang verhalten. Damit gibt es jetzt
schon Orientierungspunkte, um die entsprechenden Vorgaben des Aktionsprogramms anzugehen.
Weitere Schritte zur Umsetzung oder Durchführung
werden jeweils die beteiligten Referate in Abstimmung
mit den anderen Ressorts - wo es notwendig ist - entwickeln. Im Übrigen haben wir einen großen Teil dieser
Dinge schon vorbereitet und sie hier jetzt nur so weit zusammengeführt, dass ersichtlich werden konnte, dass dahinter ein Gesamtkonzept steht, dessen Fokus wirklich
auf Armutsbekämpfung gerichtet ist. Über diese Vorhaben
werden wir sowohl bilateral - das kann jeder überprüfen,
wenn entsprechende Verhandlungen anstehen - als auch
international und auf EU-Ebene verhandeln.
Die äußeren Anlässe hatte ich ja schon vorher genannt,
nämlich Ende des Monats das OECD-Treffen, das Weltbank- und das Währungsfondstreffen und im Mai das
Treffen des EU-Entwicklungsministerrates.
({0})
- Es ist doch klar, dass wir federführend sind.
({1})
Ich beende jetzt die
Befragung zu diesem Themenbereich der heutigen Kabinettssitzung.
Der Kollege Eckart von Klaeden hat bereits eine Frage
an die Bundesregierung zu einem freien Thema angemeldet.
Ich möchte zum
Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes fragen, Herr
Staatsminister, und zwar aufgrund einer Meldung der
Deutschen Presse-Agentur vom heutigen Tag über das
Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bonn zu
angeblich rechtswidrig vernichteten Akten. In einem Vermerk stellt die Staatsanwaltschaft fest:
Der vom so genannten Sonderermittler Hirsch gezogene Schluss einer zentral erfolgten Löschung von
2/3 des Datenbestandes im Zusammenhang mit dem
Regierungswechsel ist nicht tragfähig. Es sind vielmehr befugte Löschungen ... ohne strafrechtliche
Relevanz durchgeführt worden.
Weiter heißt es dort:
Die Abläufe sprechen sogar ... gegen eine Berechtigung des ... Tatvorwurfs.
Bezug genommen wird darin auf eine Strafanzeige des
Chefs des Kanzleramtes, Herrn Steinmeier, gegen einen
früheren Mitarbeiter des Kanzleramtes.
Meine Fragen sind:
Erstens: Welche Schritte werden im Kanzleramt unternommen, um diese von Anfang an fragwürdigen Ermittlungen in Zukunft zu vermeiden?
Zweitens und vor allem: Welche Schritte unternehmen
Sie zur Rehabilitierung des von Ihnen so beschuldigten
Mitarbeiters?
({0})
Herr von Klaeden, zunächst weise ich darauf hin, dass die
Bundesregierung - auch das Bundeskanzleramt - natürlich keine unnötigen Ermittlungen initiiert. Ich bitte um
Nachsicht: Ich habe diese Meldung nicht vor mir liegen
und kann deswegen dazu jetzt inhaltlich auch nicht Stellung beziehen.
({0})
Wir haben innerhalb des Kabinetts heute über diesen
Vorgang auch nicht gesprochen. Das hat keine Rolle in der
Kabinettssitzung gespielt.
Eine kurze Nachfrage,
bitte.
Kann ich aber,
Herr Staatsminister, davon ausgehen, dass Sie Schritte zur
Rehabilitierung dieses Mitarbeiters unternehmen, wenn
der von mir geschilderte Sachverhalt so zutrifft?
({0})
Herr von Klaeden, ich bitte noch einmal um Nachsicht,
dass selbstverständlich zunächst einmal Ihre Einlassungen, die Sie hier in der Regierungsbefragung vorgetragen
haben, von meiner Seite überprüft werden müssen und
dem nachgegangen werden muss. Die Schritte, die sich
daraus ergeben, können natürlich erst bewertet werden,
nachdem das Ergebnis dieser Prüfung vorliegt.
Noch eine Frage der
Kollegin Reinhardt, bitte. Danach beende ich definitiv die
Regierungsbefragung.
Ich habe eine
grundsätzliche Frage an die Bundesregierung: Ich habe
am 9. März eine Frage an den Bundesaußenminister gerichtet, die auf eine Äußerung zurückgeht, in der er auf
eine Rede am 5. März in Ludwigshafen Bezug nimmt. Darauf erhielt ich von der Bundesregierung diese Antwort:
Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, Wahlkampfreden zu kommentieren.
Das veranlasst mich, folgende Frage der Bundesregierung zu stellen: Ist die Bundesregierung neuerdings der
Ansicht, dass bei Äußerungen oder politischen Positionsbestimmungen von einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung in Wahlkampfveranstaltungen die Ministerverantwortung gegenüber dem Parlament nicht mehr
besteht?
Falls ja: Wie begründet die Bundesregierung dieses
neues Verfassungsverständnis?
Frau Kollegin
Reinhardt, nicht noch eine Nachfrage. Wir hatten ausgemacht: eine Frage.
({0})
Die Frage beantwortet Herr Staatsminister Schwanitz,
bitte.
({1})
Frau Abgeordnete, zu Ihrer Vermutung besteht kein
Anlass. Selbstverständlich kann allerdings nicht vermieden werden, dass auch Mitglieder der Bundesregierung in
anderer Funktion Äußerungen tun.
Die Regierungsbefragung ist beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/5724
Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes werden schriftlich beantwortet.
Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung
steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun
Schaich-Walch zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des
Abgeordneten Klaus Holetschek auf:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung, inwieweit deutsche Patienten Reha-Einrichtungen im Ausland in Anspruch nehmen und welche Kosten dabei für die deutschen Versicherungsträger entstehen?
Herr Kollege, in
der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung können
Versicherte Reha-Einrichtungen im EU-Ausland zum einen in bestimmten Ausnahmefällen nach § 18 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen. Voraussetzung ist, dass eine dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist.
Zum anderen ist denkbar, dass Versicherte ausnahmsweise Reha-Leistungen mit Genehmigung ihrer Krankenkasse aufgrund der EU-Verordnung 1408/71 im europäischen Ausland im Wege der Sachleistungsaushilfe durch
einen ausländischen Versicherungsträger erhalten. In diesem Fall kann der Versicherte eine Reha-Leistung nach
Maßgabe und im Umfang der für den ausländischen Träger geltenden Rechtsvorschriften in Anspruch nehmen.
Schließlich kommt auch noch in Betracht, dass Versicherte, die nach § 13 SGB V das Recht auf Kostenerstattung haben, sich bei Vorliegen der Voraussetzungen für
den Bezug einer Reha-Leistung im Inland diese Leistung
auch im EU-Ausland zunächst auf eigene Kosten beschaffen und dann Anspruch auf Kostenerstattung höchstens in Höhe der Vergütung haben, die ihre Krankenkasse
bei Erbringung im Inland leisten müsste.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Der Bundesregierung ist
nicht bekannt, in welchem Ausmaß Versicherte von dieser
Möglichkeit Gebrauch machen. Die Höhe der entstehenden Kosten kann also nicht benannt werden.
Herr Kollege
Holetschek zu einer Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, halten Sie es nicht für sinnvoll, feststellen zu lassen,
um welche Größenordnungen es sich handelt? Wenn Sie
mit den entsprechenden Kostenträgern Kontakt aufnehmen, müsste das doch einfach zu ermitteln sein.
Wir stehen in ständigem Kontakt mit den Kostenträgern der Krankenversicherung. Für diesen Bereich gehen wir davon aus, dass die
Zahl relativ gering ist. Deswegen besteht keine Notwendigkeit, auf die Entscheidung der Versicherten und insbesondere auf die Entscheidungen der Ärzte und des Medizinischen Dienstes Einfluss zu nehmen. Zu dem Bereich
der Kostenträger der Bundesversicherungsanstalt kann
ich keine Aussage machen. Dort fällt der weitaus größere
Teil der Reha-Maßnahmen an.
Ich rufe die Frage 4
des Kollegen Klaus Holetschek auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Benachteiligung deutscher Reha-Einrichtungen, nach der andere EU-Staaten
Reha-Maßnahmen in Deutschland nicht unterstützen, zu beseitigen, und sind die jetzigen Regelungen diesbezüglich überhaupt
EU-konform?
Die Bundesregierung sieht keine rechtliche Benachteiligung deutscher
Reha-Einrichtungen. Das europäische Koordinierungsrecht nach der EU-Verordnung wie auch die wirtschaftlichen Grundfreiheiten nach dem EG-Vertrag in der Interpretation des Europäischen Gerichtshofes gelten für alle
Mitgliedstaaten gleichermaßen. Gründe, die die EU-Konformität des sekundären EU-Koordinierungsrechtes nach
der EU-Verordnung oder die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen im Ausland nach § 18 SGB V als
zweifelhaft erscheinen ließen, sind nicht erkennbar.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bauund Wohnungswesen auf. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann zur
Verfügung.
Wir kommen zunächst zu Frage 5 des Abgeordneten
Max Straubinger:
In welchem Ausmaß wirken sich die Verschlechterungen der
Abschreibungsbedingungen für Gebäude sowie die Verlängerung
der Spekulationsfrist für die Besteuerung von Immobilienveräußerungen auf die Wohnungsbautätigkeit in Deutschland aus?
Lieber
Herr Kollege, der Rückgang der Wohnungsbautätigkeit ist
angesichts der weitgehend entspannten Situation auf den
Wohnungsmärkten eine normale Marktreaktion. Ein Zusammenhang mit den von Ihnen genannten Rechtsänderungen lässt sich daher nicht belegen.
Herr Kollege
Straubinger, eine Nachfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär,
wie erklären Sie es sich dann, dass in Gebieten, in denen
Wohnungsmangel herrscht - ich nenne als Beispiel den
Ballungsraum München -, trotzdem keine Mietwohnungen errichtet werden?
Herr
Straubinger, anlässlich der bauma hatte ich vorgestern
die Möglichkeit, mit Herrn Oberbürgermeister Ude zu
sprechen. Er hat deutlich gemacht, dass die Stadt München derzeit in erheblichem Umfang in den Wohnungsbau
investiert. Es werden sehr viele Flächen zur Bebauung
freigegeben. Allerdings ist bekannt, dass gerade München
aufgrund der Baulandknappheit besondere Probleme hat,
die weniger mit den Fördermitteln für den Wohnungsbau
zusammenhängen.
Es gibt eine zweite
Nachfrage des Kollegen Straubinger, bitte.
Herr Staatssekretär,
Sie werden mir wohl Recht geben, dass es nicht nur öffentlich-rechtliche Investoren geben sollte; vielmehr sind
auch private Investoren die Grundlage dafür, dass Wohnungsbau in großem Umfang getätigt wird. Sind Sie nicht
der Meinung, dass durch den Wegfall der degressiven Abschreibung bzw. die Verschärfungen der Verlustverrechnungen im Einkommensteuerrecht weniger Wohnungsbau getätigt wird, weil es für diejenigen, die in
Mietwohnungen investieren wollen, nicht mehr interessant ist?
Herr
Kollege Straubinger, der Rückgang im Geschosswohnungsbau lässt sich bis zum Jahr 1996 zurückverfolgen.
Es handelt sich hierbei also nicht um eine Entwicklung,
die erst im Jahre 1999 aufgrund der dort erfolgten Steuergesetzgebung eingetreten ist.
Ich darf Ihnen einmal die Zahlen nennen: In den alten
Bundesländern ist 1996 die Zahl der fertig gestellten
Wohnungen in neu errichteten Mehrfamilienhäusern um
fast 20 Prozent zurückgegangen.
Sie haben allerdings mit Ihrem Verweis auf die Verschlechterung der degressiven AfA Recht. Nur, die ist
1996 unter der alten Regierung von Kanzler Kohl erfolgt.
({0})
Ich rufe die Frage 6
des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Friedrich ({0}) auf:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Wohnungswirtschaft, wonach die Mietrechtsreform aufgrund ihrer nachteiligen Tendenz für Vermieter, zum Beispiel der Einführung asymmetrischer Kündigungsfristen, zu einem weiteren Rückgang des
Mietwohnungsbaues führen wird?
Herr
Friedrich, die Bundesregierung teilt diese Auffassung
nicht. Die derzeit noch rückläufige Entwicklung des
Mietwohnungsbaus ist Folge der Entspannung der Wohnungsmärkte vor dem Hintergrund der hohen Fertigstellungsergebnisse im Mietwohnungsbau der letzten Jahre.
Die Auswirkungen der Mietrechtsreform auf die weitere Entwicklung können nicht anhand einzelner Regelungen, sondern nur im Gesamtzusammenhang beurteilt
werden. Die Mietrechtsreform enthält Verbesserungen für
Mieter und Vermieter und ist insgesamt ausgewogen. Vermieter und Investoren werden von den klaren und verständlichen Regelungen profitieren,
({0})
die weniger streitanfällig sind und eine sichere Kalkulationsgrundlage bieten.
({1})
Herr Kollege
Friedrich zu einer Nachfrage, bitte.
Herr
Staatssekretär, sind Sie denn bereit, zu akzeptieren, dass
der Grundsatz gilt: Je mehr Angebot an Mietwohnungen
vorhanden ist, umso besser ist dies für den Mieter? Sind
Sie zudem der Auffassung, dass den Investoren durch Gewährung wirtschaftlicher Freiheit der Anreiz gegeben
werden muss, mehr zu investieren, und sind Sie der Meinung, dass Sie, wenn Sie diese Mietrechtsreform durchführen, die wirtschaftlichen Spielräume und die Handlungsfreiheit der Investoren verringern und damit genau
das Gegenteil von dem erreichen, was Sie erreichen wollen?
Die
Grundannahme, die Sie zuerst geäußert haben, kann ich
uneingeschränkt teilen und akzeptieren. Nur, wenn Sie
dies auf die aktuelle Mietrechtsreform beziehen, dann
kann ich Ihnen nicht mehr folgen.
Ich nenne Ihnen einmal kurz, welche Verbesserungen
wir zugunsten der Vermieter eingeführt haben: erstens die
erleichterte Kündigung gegenüber dem Erben - das betrifft § 564 BGB -, zweitens den Wegfall der zeitlichen
Beschränkungen bei Zeitmietverträgen, bei Index- und
Staffelmiete, drittens die Erweiterung der berücksichtigungsfähigen laufenden Aufwendungen für Altbauten
- das betrifft § 5 Wirtschaftsstrafgesetz -, viertens die
Lockerung bei den Anforderungen für Modernisierungsankündigungen, fünftens die Erweiterung der Modernisierungsumlage auf alle Energieeinsparmaßnahmen,
sechstens die ausdrückliche Festlegung der Vorfälligkeit
der Miete, siebtens die Verkürzung der Kündigungsfrist
für Vermieter von bis zu zwölf auf höchstens neun
Monate, achtens den Ausschluss von Einwendungen des
Mieters gegen Betriebskostenabrechnungen nach einem
Jahr, neuntens die Möglichkeit zur einseitigen Erhöhung
der Betriebskostenvorauszahlung - das betrifft § 560
BGB - und zehntens Übergangsregelungen für Altbruttomietverträge mit einem Erhöhungsvorbehalt.
An dieser noch nicht einmal kompletten Auflistung
dessen, was wir für die Vermieter in das Gesetz eingebaut
haben, sehen Sie, dass ich Ihrer letzten Einschätzung leider nicht folgen kann.
Herr Kollege
Friedrich zu einer zweiten Nachfrage, bitte.
Herr
Staatssekretär, der Wohnungsbau geht in diesem Jahr voraussichtlich um 3,5 Prozent zurück. Wie erklären Sie
sich, dass die meisten Mietrechtsexperten der Auffassung
sind, dass ein Gutteil dieses Rückgangs darauf zurückzuführen ist, dass diese Mietrechtsreform am Horizont erschienen und jetzt von Ihnen verabschiedet worden ist?
Im ersten Stadium der Mietrechtsreform haben wir von den
größeren Verbänden durchaus Kritik gehört. Bei den letzten Anhörungen im entsprechenden Ausschuss hat nur
noch der Verband Haus und Grund grundsätzliche Kritik
geäußert. Selbst der Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen, ein großer Investor im privaten Wohnungsbau, hat nicht mehr Kritik in dem Umfange geäußert, wie
er es vorher getan hat. Er hat sich sogar bei uns dafür bedankt, dass wir bei der Umlage der Modernisierungskosten bei 11 Prozent geblieben sind und sie nicht
auf 9 Prozent gesenkt haben.
Es gibt eine Zusatzfrage des Kollegen Straubinger, bitte.
Herr Staatssekretär,
wenn die angesprochene Mietrechtsreform so erfolgreich
ist, wieso nimmt der Mietwohnungsbau dann nicht zu?
Herr
Straubinger, Sie wissen, dass das neue Mietrecht noch
nicht im Gesetzblatt steht. In Ihrer Unterstellung können
Sie also nur von möglichen Auswirkungen sprechen.
Ferner ist es so, dass wir im letzten Jahr bei einem vom
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung angenommenen notwendigen Ersatzbaubestand von etwa
380 000/390 000 Wohnungen Baufertigstellungen von
422 000 Wohnungen hatten. In den neuen Bundesländern
zum Beispiel gibt es bei den Baugenehmigungen im Geschosswohnungsbau einen dramatischen Rückgang um
fast 50 Prozent. In diesem Bereich stehen allerdings
1 Million Wohnungen leer.
({0})
Jetzt nennen Sie mir einmal einen Investor, der völlig unabhängig von den Gesetzen, die wir erlassen, angesichts
dieser Marktsituation baut.
({1})
Die Frage 7 des Kollegen Singhammer wird schriftlich beantwortet.
Deshalb rufe ich jetzt die Frage 8 des Abgeordneten
Albert Deß auf:
Trifft es zu, dass bei der vom Bund zu finanzierenden Infrastruktur derzeit der Substanzverlust größer ist als das Neubauvolumen, und, wenn ja, teilt die Bundesregierung die Auffassung,
dass ein derartiges Leben von der Substanz den Bundeshaushalt
langfristig wesentlich teurer zu stehen kommt, als wenn die Infrastruktur gleichmäßig und bedarfsgerecht unterhalten und ausgebaut wird?
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Angelika Mertens zur Verfügung.
Nach
den dem Ministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vorliegenden Zahlen liegen die Bruttoanlageinvestitionen des Bundes in die Infrastruktur der Bundesfernstraßen über den ermittelten Abschreibungen bzw.
Abgängen. Das jährliche Investitionsvolumen ist also
höher als der zeitgleiche Substanzverzehr. Dies drückt
sich auch in dem steigenden Nettoanlagevermögen der
Bundesfernstraßen aus.
Herr Kollege Deß,
bitte, eine Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, auf
gesamtdeutscher Ebene kann ja diese Zahl stimmen, aber
stimmt sie auch, wenn sie sich auf die westdeutschen
Bundesländer bezieht? Nachdem ja große Teile der Investitionen in den neuen Bundesländern stattfinden,
könnte es durchaus sein, dass im Westen die erforderlichen Ersatzinvestitionen nicht durchgeführt werden.
Ich
beziehe mich auf Zahlen, deren Quelle die Anlagevermögensrechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin ist. Die vorliegenden Ergebnisse stammen aus einer im Auftrag unseres Ministeriums im Jahre
2000 durchgeführten Untersuchung. Das sind die Gesamtzahlen, die Sie bekommen können.
Herr Kollege Deß, die
zweite Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, wäre
es trotzdem angesichts der schlechten Lage der Bauwirtschaft nicht sinnvoll, dass man mehr Investitionen bzw.
Ersatzinvestitionen in die Infrastruktur, besonders beim
Ausbau der Verkehrswege, vornimmt, um auch Arbeitsplätze im Baubereich zu sichern?
Ich
glaube, da haben Sie Recht. Bei einem Blick in den Haushalt dieses Jahres werden Sie sehen, dass wir dem Rechnung getragen haben.
({0})
Die Frage 9 des Kollegen Girisch wird schriftlich beantwortet, ebenso die
Fragen 10 und 11 der Kollegen Wolf und Hofbauer.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Bartholomäus
Kalb auf. - Der Kollege ist nicht da, deshalb müssen wir
hier gemäß Geschäftsordnung verfahren.
Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Dietmar Kansy auf:
Welche in dem zwischen Bundesregierung und Bauwirtschaft
im September 2000 vereinbarten Zehnpunkteprogramm zur Förderung und Verstetigung beschäftigungswirksamer Bautätigkeit
angekündigten Maßnahmen sind zwischenzeitlich von der Bundesregierung umgesetzt oder in Angriff genommen worden?
Sehr geehrter Herr Kollege Kansy, zu den wesentlichen Vereinbarungen im Zehnpunkteprogramm ist gegenwärtig
Folgendes festzuhalten: Das Kabinett hat, wie Sie wissen,
am 14. März 2001 den Entwurf eines Gesetzes zur Reform
des Wohnungsbaurechts beschlossen. Wir haben begonnen, stärker als das vorher der Fall war, durch eine
Informationsinitiative auf bestehende Fördermaßnahmen
für den Wohnungsbau aufmerksam zu machen.
Der Bundesbauminister bereitet gemeinsam mit den
Verbänden und der IG BAU eine Initiative Preiswertes
und ökologisches Bauen vor. Es ist zudem vorgesehen,
ein Kompetenzzentrum für preiswertes und ökologisches
Bauen beim Institut für Erhaltung und Modernisierung
von Bauwerken in Berlin aufzubauen.
Die Bundesregierung hat zugesagt, die Ursachen der
unterdurchschnittlichen Auftragsvergabe seitens öffentlicher Auftraggeber in den Wintermonaten und deren Auswirkungen auf die saisonale Beschäftigung untersuchen
zu lassen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen bereitet derzeit - dazu sind noch Rücksprachen mit der Bauwirtschaft und mit der Gewerkschaft
notwendig, die wir für morgen vorgesehen haben - die
Vergabe eines entsprechenden Auftrages in allernächster
Zeit vor.
Das Kabinett hat am 7. März 2001 den Entwurf der
Energieeinsparverordnung beschlossen. Gemeinsam wollen wir an einem neuen Leitbild der modernen Bauwirtschaft im 21. Jahrhundert arbeiten. Die Verbände der Bauwirtschaft und die IG BAU werden dazu Vorstellungen
vorlegen und anschließend werden wir hierzu in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Bauverbänden, der IG
BAU sowie dem BMWi und dem BMBF über dieses Leitbild diskutieren. Wir haben dazu ja auch ein sehr hoch dotiertes Forschungsvorhaben im Bundesministerium für
Bildung und Forschung aufgelegt, bei dem es um die Zukunft des Bauens geht.
Die Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung werden forciert. Zwischen der Bundesanstalt
für Arbeit und dem BMF wurde bereits im letzten Jahr
eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Leistungsmissbrauch geschlossen. BMA und BMWi erarbeiten Entwürfe zum Gesetz zur Bekämpfung illegaler Praktiken bei
der öffentlichen Auftragsvergabe und zum Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung
und Schwarzarbeit.
Durch eine Informationskampagne soll in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass
illegale Beschäftigung erhebliche die Gesellschaft schädigende Konsequenzen hat. Zur Vermeidung von Winterarbeitslosigkeit und zur Entwicklung von Anreizinstrumenten zur Förderung der Winterbautätigkeit hat das
BMBF die Rationalisierungsgruppe Bau beim Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft beauftragt, auf der Basis deutscher und internationaler Erfahrungen einen Instrumenten- und Maßnahmenkatalog zur
gleichmäßigen Auslastung der Kapazitäten zu entwickeln.
Kollege Kansy, Ihre
erste Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, könnte es sein, dass Sie das Zehnpunkteprogramm
zur Förderung und Verstetigung beschäftigungswirksamer Bautätigkeit deswegen etwas zurückhaltend beurteilen, weil in Ihrer Regierungszeit nicht nur bereits
100 000 Arbeitnehmer im Bauhauptgewerbe verschwunden sind, sondern nach Aussagen der Bauindustrie und
des Deutschen Gewerkschaftsbundes in diesem Jahr mit
weiteren 50 000 Abgängen auf dem Arbeitsmarkt zu rechnen ist? Liegt dies auch daran, dass Sie zwar Ihre Reformprogramme immer wieder in den Vordergrund stellen, sie
aber zum Beispiel im sozialen Wohnungsbau so mies dotieren - heute steht dafür im Haushaltsplan nur noch ein
Drittel dessen, was noch bei Helmut Kohl im Haushalt
stand -, dass de facto überhaupt keine Substanz mehr vorhanden ist, um die Beschäftigungssituation zu verbessern?
Ich
glaube, einen solchen Zusammenhang kann man nicht
herstellen, Herr Kollege Kansy. Ich habe eben die Situation der Märkte in Deutschland geschildert. In Ballungsgebieten ist die Wohnungsnachfrage unverändert hoch,
dort müssen wir bauen, während es in anderen Bereichen
ausgeglichene Wohnungsteilmärkte und in wiederum anderen Bereichen Wohnungsleerstände gibt.
Wenn Sie sich zum Beispiel die Förderzahlen in CDUgeführten Bundesländern ansehen, dann werden Sie feststellen, dass Baden-Württemberg die Mittel für den
sozialen Wohnungsbau von 1999 auf 2000 um 60 Prozent,
Thüringen von 2000 auf 2001 um 60 Prozent und das
Saarland von 1999 auf 2000 um 50 Prozent gekürzt hat.
Sie müssen also feststellen, dass wir uns in einem Geleitzug befinden. Wir können nicht Wohnungen gegen den
Markt bauen; wir können nicht Wohnungen bauen, die anschließend leer stehen.
Den Abbau der Beschäftigung im Baugewerbe nimmt
die Bundesregierung sehr ernst. Das Maßnahmenpaket,
das wir morgen beim Bundeskanzler zusammen mit der
Bauwirtschaft und der IG BAU besprechen, ist ja ein Beleg dafür, dass wir dagegenhalten wollen und dass wir die
Bereiche, in denen die Deregulierung am Markt völlig aus
dem Ruder gelaufen ist, einfangen wollen. Ich spreche
hier vor allen Dingen die illegale Beschäftigung und die
Schwarzarbeit an.
Herr Kollege Kansy,
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
So bedauerlich
- teilweise ist es auch verständlich - es ist, dass einige
Bundesländer ihre Wohnungsbaumittel um bis zu 50 Prozent gekürzt haben
({0})
- um 60 Prozent; Frau Kollegin, ich gebe Ihnen die
10 Prozent noch dazu -, umso entsetzlicher ist es geradezu, dass der Bund in den Jahren Ihrer Regierungszeit
die Mittel auf ein Drittel gekürzt hat. Wie erklären Sie sich
denn, Herr Staatssekretär, dass wegen des Widerstands
des Bundesfinanzministers eine Initiative Bayerns, Baden-Württembergs und Hessens, die ohne jede zusätzliche Mark aus Haushaltskassen auskäme, weil sie nämlich
die Schwarzarbeit auf dem Bau durch Änderungen im Bereich des Steuerrechts bekämpfen will, seit September in
den Ausschüssen dieses Parlaments schmort?
({1})
Herr
Kansy, ich kann Ihre Beurteilung überhaupt nicht teilen.
Diese Bundesregierung hat im Gegensatz zur alten Bundesregierung unmittelbar nach der Wahl über den § 50 a
Abs. 7 eine steuerliche Regelung eingeführt, die den Unternehmen helfen sollte. Da wir dies im Ausschuss schon
diskutiert haben, wissen Sie, dass diese Regelung nicht EUkompatibel war, weil sie nicht nur die Baubranche betraf
und in ihr nicht eindeutig hätte festgelegt werden können,
ob aus- und inländische Bauunternehmen von der Regelung erfasst sind. Dasselbe Problem haben wir bei der Bundesratsinitiative der Länder, die Sie beschrieben haben.
Dort wird zwar nicht zwischen inländisch und ausländisch unterschieden. Aber es könnte sein, dass wir mit den
Regelungen, die die Bauunternehmen betreffen, wieder
auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen. Deshalb ist
es, glaube ich, sinnvoll, dass die Bundesregierung und das
Parlament diese Initiative, die der Bundesrat ergriffen hat,
seriös und solide prüfen. Sie wissen, dass dazu in der letzten Woche eine Anhörung stattgefunden hat. Ich habe das
Gefühl, dass wir jetzt auf dem Wege sind, viele Fragen,
die noch offen waren, zu klären.
Zu dieser Frage gibt es
mehrere Nachfragen. Zuerst rufe ich die Kollegin Iris
Gleicke auf.
Herr Staatssekretär, welche Auswirkungen verspricht sich die Bundesregierung davon,
dass der soziale Wohnungsbau jetzt für die Bestandsförderung geöffnet wird, gerade unter dem Aspekt des Leerstandes im Osten und der regionalen Bauwirtschaft?
Frau
Abgeordnete Gleicke, wir haben in einem aus meiner
Sicht sehr innovativen und modernen Gesetzentwurf
festgelegt, dass wir die Gelder für den sozialen Wohnungsbau in Zukunft wesentlich flexibler einsetzen können, um damit das Negativimage des sozialen Wohnungsbaus, das sich gerade in den letzten Jahren aufgebaut hat,
zu bekämpfen.
Wir wissen, dass der soziale Wohnungsbau nach dem
Krieg unbedingt erforderlich war und eine Erfolgsstory
darstellte. Die Bedingungen am Wohnungsmarkt haben
sich aber grundlegend geändert. Deshalb schlagen wir in
dem Gesetzentwurf vor, dass wir die Gelder auch in den
Bestand geben können. Das ist ganz wichtig hinsichtlich
der Verstetigung. Bis jetzt war es so, dass bei Wohnungsknappheiten die Mittel aufgestockt wurden - es war ein
Neubauprogramm -, und wenn der Wohnungsmarkt geglättet war, wurden die Kapazitäten, auch finanzielle Ressourcen, wieder abgebaut. Wenn wir die Mittel flexibel
einsetzbar machen, und zwar nicht nur für den Neubau,
sondern auch für den großen Bestand an Wohnungen, den
wir in unserem Land haben und der teilweise dringend modernisiert und instand gesetzt werden muss, dann trägt das
deutlich zu einer Verstetigung in der Bauwirtschaft bei.
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Singhammer.
Herr Staatssekretär, die Kürzung im sozialen Wohnungsbau mit dem Rasenmäher führt natürlich zu unterschiedlichen Wirkungen
in Gebieten mit einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt,
mit einem Überangebot an Wohnraum und mit einem katastrophalen Mangel an Wohnraum - was zwischen allen Parteien völlig unstrittig ist. Denkt die Bundesregierung daran,
für Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf, beispielsweise
in Süddeutschland, in München, ein besonderes Programm
aufzulegen, oder in welcher anderen Weise will man speziell dem Mangel an preisgünstigem Wohnraum in diesen
Verdichtungsräumen begegnen?
Ich darf
Sie, Herr Kollege Singhammer, daran erinnern, dass nach
dem Grundgesetz die Wohnungsbauförderung zunächst in
den Ländern geregelt werden muss. Der Bund schafft
Rahmenbedingungen, auch finanzieller Art, und hat dadurch die Möglichkeit, ausgleichend zu wirken. Zudem
kann er mit entsprechenden Programmen Länderprogramme anregen. Es war in der Vergangenheit schon immer so, dass die Länder über die Bundesmittel hinaus ein
Plus an Mitteln zur Verfügung stellten, also nicht nur fiftyfifty die Kofinanzierung übernahmen. Die Länder sind
mit diesen Mitteln in der Art und Weise der Wohnungsbauförderung völlig frei, sodass auch das Land Bayern,
dass ebenfalls mehr Mittel zur Verfügung stellt als nur im
Rahmen der Kofinanzierung der Bundesmittel, durchaus
in der Lage ist, für München ein Sonderprogramm aufzulegen.
Frau Kollegin
Christine Ostrowski, bitte Ihre Nachfrage.
Herr Staatssekretär, in
dem Zehnpunkteprogramm zwischen Bundesregierung
und den Tarifvertragsparteien wurde auch vereinbart, dass
bei der Reform des sozialen Wohnungsbaus die gesamtwirtschaftlichen Effekte und die Belange der Bauindustrie
berücksichtigt werden sollen. Können Sie mir bitte sagen,
wie die gesamtwirtschaftlichen Effekte und die Belange
der Bauindustrie in Ihrem Gesetzentwurf berücksichtigt
wurden?
Wir diskutieren zurzeit über den Gesetzentwurf. Sie haben die
Möglichkeit, sich damit auch im Parlament intensiv zu beschäftigen. In der Verbändeanhörung haben wir den Gesetzentwurf ein erstes Mal mit den Verbänden besprochen. Wir sind auch weiterhin mit den Verbänden im
Gespräch. Was die Konsequenzen für die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen betrifft, so wird unser Gesetz
dazu führen, dass wir Gelder für den sozialen Wohnungsbau wesentlich effizienter einsetzen können, als das in der
Vergangenheit der Fall war.
Herr Kollege
Wolfgang Weiermann, Ihre Nachfrage bitte.
Herr Staatssekretär,
können Sie bestätigen, dass der Beschäftigungsrückgang
im deutschen Baugewerbe, der auch im Zehnpunkteprogramm zur Eindämmung der illegalen Beschäftigung beschrieben wurde, auch damit zusammenhängen kann,
dass die Unternehmen, die sich an Tarifverträge und Gesetze halten, durch jene Unternehmen, die an den Gesetzen vorbei tätig werden, sozusagen in die Insolvenz getrieben werden und dadurch die Zahl der Arbeitslosen im
Baugewerbe stark beeinflusst wird?
({0})
Herr
Kollege Weiermann, ich kann Ihnen das bestätigen. Die illegale Beschäftigung von Arbeitskräften durch Subunternehmer, die aus dem Ausland kommen und wieder verschwinden, ist eines der Hauptprobleme, die von der
Bauwirtschaft an uns herangetragen werden. Wir versuchen - wie ich das gerade zu erläutern versucht habe -,
das in den Griff zu bekommen. Aber auch darüber hinaus,
nämlich bei dem Konkurrenzkampf zwischen Unternehmen aus den neuen und den alten Bundesländern, spielt es
eine große Rolle, ob Tariflohn gezahlt wird oder eben
nicht.
Die nächste Nachfrage kommt vom Kollegen Hans-Michael Goldmann.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, dass die Mittel, die Sie jetzt für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen, für ein größeres
Aufgabenpaket und einen größeren Personenkreis zur
Verfügung stehen müssen und sich dadurch für den einzelnen Berechtigten ein Jahresbetrag von 60 DM ergibt?
Den
letzten Teil Ihrer Frage - das muss ich ehrlich zugeben habe ich nicht verstanden, da nicht klar geworden ist, wie
Sie auf diesen Betrag von 60 DM kommen. Ihre Rechnung müssten Sie vielleicht einmal offen legen.
Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf enthält in dieser
Hinsicht nichts anderes als das, was schon jetzt im Gesetz
steht. Wir haben eine Mindestausstattung von 230 Millionen Euro vorgesehen. Dies entspricht den 450 Millionen DM, die schon 1994 - unter der alten Regierung im Zweiten Wohnungsbaugesetz im Rahmen des Wohnungsbauförderungsgesetzes eingesetzt worden sind. Die
Mindestausstattung haben wir überhaupt nicht verändert.
Weiterhin haben wir die Rückflussbindung der Mittel,
die aus den Darlehen zurückfließen, gesichert. Wir haben
allerdings die Verwendung der Mittel - das betrifft auch
das Thema Stetigkeit - insofern geöffnet, als Gelder, die
aus den Darlehen zurückfließen, im Rahmen von Städtebaufördermitteln, die konkret in das Schaffen von Wohnraum fließen, ausgegeben werden können. Es bleibt also
beim Einsatz dieser Mittel für den Wohnungsbau. Ich
glaube, das ist die richtige Zielrichtung.
({0})
Herr Kollege
Goldmann, Sie können keine weitere Nachfrage mehr
stellen.
Die offensichtlich letzte Nachfrage kommt von der
Kollegin Dagmar Wöhrl.
Herr Staatssekretär, wie
stehen Sie zu der Aussage Ihrer Partei im Wahlkampf,
dass wir zu der Zeit, als wir an der Regierung waren, angesichts von 1,2 Milliarden DM für den sozialen Wohnungsbau soziale Kälte hätten walten lassen, während
jetzt unter Ihrer Verantwortung die Mittel für den sozialen
Wohnungsbau auf 450 Millionen DM gesunken sind? Wie
wollen Sie bei diesem geringen Betrag von 450 Millionen DM eine Bestandsförderung in Angriff nehmen?
Frau
Wöhrl, Sie haben zu gewärtigen, dass wir den sozialen
Wohnungsbau nicht unabhängig von der finanziellen Situation unseres Landes fördern können.
({0})
Weil wir eine ziemlich marode Finanzsituation vorgefunden haben,
({1})
haben wir einen Konsolidierungskurs einschlagen müssen.
({2})
Deshalb haben wir uns - zusammen mit den Bundesländern, die ihre Mittel ebenfalls dramatisch gesenkt haben hinsichtlich des Einsatzes der Mittel für den sozialen
Wohnungsbau der Marktlage angepasst. Im letzten Jahr
sind in den einzelnen Bundesländern die Gelder, die für
den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung standen, nicht
zu 100 Prozent abgerufen worden. Das ist ein Hinweis darauf, dass es im Moment nicht darum geht, real mehr einzustellen. Man muss vielmehr überlegen, ob tatsächlich
mehr notwendig ist. Wenn wir jetzt das Gesetz auf Förderungen im Bestand ausweiten, dann eröffnet sich eine
ganz neue Zielrichtung, über die wir auch mit den Länderfinanzministern und dem Bundesfinanzminister diskutieren werden.
Es sieht ganz so aus,
als ob wir doch noch ein Weilchen bei dieser Frage bleiben. Eine Nachfrage hat nun die Kollegin Gudrun Kopp.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie das Urteil der Bauverbände hinsichtlich der Ursachen der negativen Entwicklung im mehrgeschossigen
Wohnungsbau? Die Bauverbände klagen über eine
Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen.
Wie beurteilen Sie diese Einschätzung? Was gedenkt die
Bundesregierung diesbezüglich zu tun?
Frau
Kopp, ich möchte an meine Antwort anschließen, die ich
eben schon gegeben habe: Schauen Sie sich die wirklichen Zahlen am Markt an. Sie werden dann feststellen,
dass die tiefen Einschnitte bei den Baufertigstellungen
und bei den Baugenehmigungen im Geschosswohnungsbau in den alten Bundesländern von 1995 auf 1996 und in
den neuen Bundesländern von 1998 auf 1999 stattgefunden haben.
({0})
Ich habe die Zahlen hier; ich kann sie Ihnen gern im
Einzelnen zur Kenntnis geben.
({1})
1996 ist die degressive AfA - unter Bundeskanzler Kohl,
unter Beteiligung der F.D.P. - gesenkt worden. Das hat zu
Einschnitten im Wohnungsbau geführt. Von 1998 auf
1999 ist das Fördergebietsgesetz geändert worden. Es ist
durch das Investitionszulagengesetz geändert worden.
Das hat dazu geführt, dass in den neuen Bundesländern
die Zahlen um knapp 50 Prozent zurückgegangen sind.
Das heißt, es gab durchaus Reaktionen auf steuerliche Änderungen. Diese fanden aber in den 90er-Jahren statt.
Dagegen haben die jetzigen steuerlichen Änderungen
im Geschosswohnungsbau kaum Unterschiede bewirkt.
Das, was am Markt stattfindet, ist ein Marktanpassungsprozess. In vielen Regionen ist der Markt gesättigt, in den
neuen Bundesländern ist gar ein hoher Leerstand zu verzeichnen, sodass die Investoren in der Beurteilung ihrer
Investitionen sehr vorsichtig sind.
Was wir bei der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeit geändert haben, ist eine leichte Einschränkung der
Verlustverrechnung. Das hat dazu geführt, dass beispielsweise Immobilienfachzeitschriften geschrieben haben,
dass das Bauen mit Steuerkick endlich zurückgeht und
man sich jetzt bemüht, nachhaltig wirtschaftliches Bauen
am Markt durchzusetzen.
Die nächste Nachfrage kommt von der Kollegin Gabriele Iwersen.
Herr Staatssekretär, sieht
die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen
dem Rückgang der Neubautätigkeit im Geschosswohnungsbau und der vergleichsweise guten Auslastung des
Ausbaugewerbes?
({0})
- Im Vergleich zum Rohbaugewerbe ist die Situation dort
gut. Sie haben es vermutlich noch nicht mitbekommen. Es
ist nämlich ein erheblicher Rückgang an Neubauten zu
verzeichnen, während der Ausbau im Bestand weiterhin
gut läuft. Kann die Bundesregierung die Ansicht teilen,
dass zwar eine Verlagerung der einzelnen Gewerbe innerhalb des Baugewerbes stattfindet, dies aber kein Hinweis
darauf ist, dass weniger fertiger Wohnraum in Zukunft zur
Verfügung steht?
Als Gesamtbild ist dies schlecht zu beurteilen. Es mag sein, dass
dies in einzelnen Regionen deutlich zu Buche schlägt.
Aber als Bundesregierung haben wir bei den neu aufDagmar Wöhrl
gelegten Programmen die Grundphilosophie, dass wir
stärkere Anreize für Investitionen in den Bestand setzen
wollen. Ich erinnere nur daran, dass wir das KfW-IIModernisierungsprogramm in den neuen Ländern von
zunächst 70 auf 79 Milliarden DM aufgestockt haben und
wir dann zusammen mit den Ländern weitere 10 Milliarden DM zur Verfügung gestellt haben.
Ich erinnere Sie daran, dass wir seit Januar dieses Jahres ein sehr umfangreiches und sehr gut angelaufenes
KfW-Gebäudesanierungsprogramm aufgelegt haben, bei
dem die Bundesregierung 2 Milliarden DM mit dem Ziel
zur Verfügung stellt, dass damit Kredite von 10 Milliarden DM abgerufen werden. Hinzu kommt das einzusetzende Eigenkapital. Damit werden etwa 350 000 Wohnungen energetisch modernisiert. Das wird erhebliche
Auswirkungen auf die Bautätigkeit haben; denn das sind
Maßnahmen im Gebäudebestand, die im Wesentlichen
vom Handwerk und von kleinen Unternehmen durchgeführt werden.
({0})
Ich rufe die Frage 14
des Abgeordneten Dr. Hermann Kues auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass
der Wohnungsbau einschließlich des privaten Mietwohnungsbaus
nach wie vor die wichtigste Sparte des Bauvolumens in Deutschland darstellt, die Auswirkungen der von ihr betriebenen Veränderung von Investitionsrahmenbedingungen unter anderem durch
Eingriffe in das Steuerrecht und Mietrecht, durch Abbau der Eigenheimförderung und der sozialen Wohnungsbauförderung sowie durch Ausgrenzung aus der zusätzlichen Altersvorsorge?
Herr
Kues, ich will Ihnen Ihre Frage so beantworten, wie ich es
vorgesehen hatte, obwohl ich in meinen vorigen Ausführungen bereits Teilaspekte Ihrer Frage beantwortet
habe:
Der Wohnungsbau ist seit 1995 rückläufig. 1994 wurden noch etwa 710 000 Wohnungen zum Bau genehmigt;
1998 waren es nur noch 475 000. Mit der Einschränkung
der Verlustverrechnung wurde ein wichtiger Beitrag zur
Steuergerechtigkeit geleistet und dafür gesorgt, dass bei
Investitionsentscheidungen wieder die Marktverhältnisse
im Vordergrund stehen. Die wichtigste Steuerentlastung
im Zusammenhang mit Investitionen in Mietwohnungen,
die degressive AfA, wurde bei der Steuerreform beibehalten. Ein Gesetzentwurf der CDU/CSU sah dagegen die
Streichung der degressiven AfA vor.
Die Mietrechtsreform enthält Verbesserungen für Mieter und Vermieter; sie ist insgesamt ausgewogen. Auch die
Vermieter und Investoren werden von den klaren und verständlichen Regelungen, die weniger streitanfällig sind
und eine sichere Kalkulationsgrundlage bieten, profitieren.
Die Eigenheimzulage wurde zielgenauer auf Familien
mit Kindern ausgerichtet, die die wichtigste Zielgruppe
bei der Wohneigentumsförderung darstellt. So wurden
zum Beispiel bei Familien mit drei Kindern die Einkommensgrenzen sogar angehoben. Damit wurde zugleich die
Inanspruchnahme von Fördermitteln durch Haushalte, die
auch ohne Förderung Eigentum erwerben können, eingeschränkt.
Bei der Altersvorsorge ist das selbst genutzte Wohneigentum ausdrücklich in den Förderkatalog aufgenommen
worden. Die Einzelheiten werden im Zertifizierungsverfahren geregelt.
Zur Reform des sozialen Wohnungsbaus hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine
zielgenauere und effizientere Verwendung der öffentlichen Mittel des sozialen Wohnungsbaus gewährleistet.
Herr Kollege Kues,
Sie haben eine Nachfrage? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
wie erklären Sie sich, dass bundesweit Abgeordnete von
Innungen angeschrieben werden, welche sich große Sorgen hinsichtlich der Situation auf dem Wohnungsbaumarkt und der Baukonjunktur machen? Ich glaube, sie haben uns alle den offenen Brief an den Bundeskanzler
zugeschickt, in dem sie ihre Hoffnung zum Ausdruck
bringen, der Bundeskanzler werde auf ihre Sorgen eingehen, weil er sich für den Mittelstand interessiere. Darf
man Ihre Antwort so verstehen, dass sie sich keine Hoffnung machen dürfen, weil die Regierung keine Initiative
ergreifen wird, um der Bauwirtschaft zu helfen?
Herr
Kues, Sie geben mir Gelegenheit, die Maßnahmen zusammenzufassen, die die Bundesregierung bereits angestoßen hat: Wir haben die Kaufkraft dadurch erhöht, dass
wir das Wohngeld aufgestockt haben. Das ist ein ganz
wichtiges Element. Wir haben für Familien mit geringer
Kaufkraft 1,4 Milliarden DM mehr zur Verfügung gestellt, weil solche Familien häufig in renovierungsbedürftigen Wohnungen leben und es vielfach besser ist, deren
Kaufkraft zu erhöhen, als darauf zu warten, dass der Vermieter die Wohnung renoviert. Wir haben mit den Programmen, die ich eben schon angedeutet habe, für erheblich mehr Beschäftigung gesorgt und werden dies
weiterhin tun.
Durch das Gebäudesanierungsprogramm werden Bundesmittel im Umfang von 2 Milliarden DM zur Verfügung
gestellt; ein 10-Milliarden-DM-Kreditprogramm wurde
angestoßen, mit erheblichen Auswirkungen auf den Baumarkt. Wir haben in den neuen Bundesländern durch den
Verzicht auf Teilentschuldungsnachzahlungen nach Restitutionen die Wohnungsunternehmen im Umfang von
ungefähr 500 Millionen DM entlastet. Das sind Entlastungen, die dazu führen werden, dass Wohnungsunternehmen wieder am Markt operieren können. Wir haben
mit § 6 a des Altschuldenhilfe-Gesetzes Teilschuldentlastungen im Umfang von weiteren 700 Millionen DM für
die Wohnungsunternehmen vorgenommen. Die Länder
kofinanzieren dieses Programm mit weiteren 700 Millionen DM. Die zur Verfügung gestellten Mittel fließen in
das Wohnumfeld, in den Rückbau, die Modernisierung
und die Zukunft der Städte in den neuen Bundesländern.
Wir haben die Mittel für die Städtebauförderung in diesem Jahr um 100 Millionen DM aufgestockt. Sie dagegen
haben immer nur davon gesprochen, sie aufzustocken.
Wir haben ein neues Programm Soziale Stadt aufgelegt
und dieses in diesem Jahr um 50 Prozent von 100 Millionen auf 150 Millionen DM aufgestockt. Wir haben in
diesem Jahr Investitionsmöglichkeiten in die Verkehrsinfrastruktur von 10,8 Milliarden DM geschaffen. Das ist
eine Rekordsumme. Wir haben mit der Bahn eine trilaterale Vereinbarung getroffen, die der Bahn Sicherheiten für
Investitionen im Umfang von 26 Milliarden DM für die
nächsten drei Jahre gibt.
Ich weiß nicht, wie wir die Rahmenbedingungen sonst
noch verbessern können. Wir haben auch die mittelbaren
Rahmenbedingungen dadurch verbessert, dass wir für
mehr Beschäftigung und höhere Einkommen gesorgt haben. Diese Entwicklung wird dazu führen, dass die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen zunimmt. Ich hebe
mir in diesem Zusammenhang noch ein paar Zahlen und
Fakten für die nächsten Fragen auf und bitte Sie dafür um
Verständnis. Sie werden richtig Freude haben, wenn ich
Ihnen gleich noch ein paar Zitate bringe.
({0})
Dazu kommen wir
dann gleich. Zunächst hat der Kollege Kues eine zweite
Zusatzfrage. Bitte sehr.
Erste Frage: Herr
Staatssekretär, darf ich dem entnehmen, dass die Innungen - nach deren Initiative hatte ich konkret gefragt keine Antwort und keine Reaktion von der Bundesregierung auf ihren Brief bekommen werden?
Zweite Frage: Wie wollen Sie das, was Sie uns eben als
Antwort auf meine Frage mit vielen Zahlen zu verdeutlichen versucht haben - ich habe das nicht verstanden -,
den Innungen vermitteln? Glauben Sie, dass diese aufgrund dessen, was Sie eben gesagt haben, zu einer anderen Einschätzung der Situation kommen werden?
Herr
Kues, wir sind eine hochkommunikative Bundesregierung.
({0})
Sie glauben gar nicht, wie viele Gespräche wir mit Vertretern der Innungen, des Handwerks, der Bauindustrie,
der Bauwirtschaft und der Gewerkschaften führen. Ich
war noch gestern bei der Landesgruppe der SPD Niedersachsen.
({1})
- Herr Hinsken, lassen Sie mich ausreden! Sie wissen
doch gar nicht, wer bei diesem Gespräch anwesend war.
Dort waren Vertreter des Handwerks, der IHK, der Bauindustrie und des Baugewerbes sowie einzelne Unternehmer und Handwerker anwesend. Rufen Sie also in Zukunft erst dann dazwischen, wenn ich mit meiner Antwort
fertig bin!
Wir haben mit denen natürlich darüber gesprochen, wo
es brennt und wo es wehtut. Alle haben uns gesagt: Natürlich könnt ihr keine Programme zur Förderung des Wohnungsbaus auflegen, wenn die Wohnungen anschließend
leer stehen. Das scheint sich offenbar noch nicht bis auf
die Oppositionsbänke des Bundestages herumgesprochen
zu haben.
Der Erste, der eine
Nachfrage stellt, ist der Kollege Singhammer.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, durch Verbesserung
der Investitionsrahmenbedingungen dafür zu sorgen, dass
in Gebieten mit stark erhöhtem Wohnungsbedarf und katastrophalem Wohnungsmangel - wie beispielsweise
München, wo der soziale Wohnungsbau dringend einer
Finanzspritze bedarf, die Oberbürgermeister Ude von der
Bundesregierung erbittet - mehr preiswerte Wohnungen
gebaut werden können?
({0})
Herr
Singhammer, ich habe Ihnen schon eben gesagt, dass wir
auf dem Weg sind, das Wohnungsbaugesetz zu novellieren und es wirklich innovativ und modern zu gestalten,
und dass ich dann die Möglichkeit sehe, auch über die finanzielle Ausstattung zu sprechen. Ich möchte Ihnen allerdings nicht verhehlen, dass das CDU-geführte Land
Hessen gestern einen Antrag in den Bundesrat eingebracht hat, in dem der Bund aufgefordert wird, den sozialen Wohnungsbau einzustellen.
({0})
- Ja, in Berlin.
({1})
- Natürlich angemeldet.
Ich glaube, das gehört
nicht in die Fragestunde.
Liebe Kollegin Ostrowski, Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie
hatten vorhin die Härtefallhilfen für existenzbedrohte Unternehmen in Ostdeutschland genannt und hatten ausgeführt, dass der Bund über einen gewissen Zeitraum
700 Millionen DM für diese Hilfen zur Verfügung stelle.
In Ostdeutschland gibt es 1 Million leer stehende Wohnungen. Ich hätte gerne von Ihnen gewusst, für wie viele
Wohnungen diese 700 Millionen DM reichen sollen.
Sie kennen die Zahl, Frau Ostrowski. Aber ich bin gerne bereit,
sie zu wiederholen; denn je öfter man die Zahl hört, desto
einprägsamer ist sie. Das ist ein Lernprozess. Wir rechnen
damit, dass sich mit den von uns zur Verfügung gestellten
Mitteln 85 000 bis 90 000 Wohnungen entschulden lassen,
die anschließend abgerissen werden.
Die Frage 15 des Kollegen Klaus-Peter Willsch wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 16 des Kollegen Karl-Heinz Scherhag
auf:
Wird Bundeskanzler Gerhard Schröder bei dem zweiten
Bündnisgespräch Bau am 5. April 2001 seine Vorstellungen zu
einem neuen Leitbild der modernen Bauwirtschaft im 21. Jahrhundert einbringen und welche Bundesressorts waren an der Erarbeitung beteiligt?
Herr
Kollege Scherhag, Ihre Frage habe ich mit meiner Antwort auf die Frage von Herrn Kansy zumindest teilweise
beantwortet. Trotzdem haben Sie Anspruch auf eine vollständige Antwort.
Die Anregung zur Entwicklung eines neuen Leitbildes
der modernen, zukunftsorientierten Bauwirtschaft im
21. Jahrhundert richtet sich in erster Linie an die Verbände
der Bauwirtschaft und die Vertreter der in der Bauwirtschaft Beschäftigten. Die im Vorfeld von den Sozialpartnern einzubringenden Überlegungen zur Aktualisierung
bzw. Neuregelung der Fortbildungsordnungen werden anschließend in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Bundesregierung mit den Sozialpartnern weiterentwickelt und
in enger Abstimmung in geeigneter Weise umgesetzt. Die
Arbeitsgruppe kann sich auf das Programm Bauen und
Wohnen im 21. Jahrhundert stützen, ein neues, am Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung ausgerichtetes Forschungsprogramm. Die Bundesregierung wird die Ergebnisse der Arbeitsgruppe im Deutschen Bundestag gerne
zur Diskussion stellen.
Herr Kollege
Scherhag, Ihre erste Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, was an dem, was Sie vorgelesen haben, neu ist?
Neu ist,
dass wir mit den Partnern - mit der Bauwirtschaft und mit
der IG BAU - verabredet haben, dass wir gemeinsam dieses Leitbild entwickeln. Das ist im Zehnpunkteprogramm
zugrunde gelegt worden, und wir müssen es umsetzen.
Wir haben ja nicht vereinbart, dass wir in drei oder vier
Monaten diese zehn Punkte abarbeiten können. Das ist
völlig unmöglich. Wir werden in dem morgen stattfindenden Überprüfungsgespräch festhalten, was wir abgearbeitet haben und was noch abgearbeitet werden muss. Die
Entwicklung des Leitbildes zählt zu den Punkten, die
noch abgearbeitet werden müssen. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass wir auf die Vorarbeit der Bauwirtschaft und der
IG BAU angewiesen sind. Vorher können wir die Projektgruppe nicht einrichten.
Herr Kollege
Scherhag, Ihre zweite Frage.
Die zweite Frage
lautet: Was nutzt das der Bauwirtschaft zurzeit? Wie kommen die Aufträge für die Bauwirtschaft möglichst schnell
herbei? Ich frage dies vor dem Hintergrund, dass Sie noch
Monate brauchen, um mit der Kommission ein Leitbild zu
schaffen.
Ich
glaube, Sie stellen einen völlig falschen Zusammenhang
her. Es geht einerseits um praktische Arbeit, um Programme und um Rahmenbedingungen, die gesetzt werden
müssen; diese habe ich schon ausführlich erläutert. Es
geht andererseits darum, dass wir der Bauwirtschaft helfen, auch über den Tag hinaus am Markt bestehen zu können. Der Wunsch, ein Leitbild zu entwickeln, ist aus der
Bauwirtschaft gekommen. Dazu gehört, dass wir uns zusammensetzen und überlegen: Wie sehen Qualifizierungsstrukturen aus, wie sehen zukünftige Berufsbilder
aus, wie sieht die Ordnung am Baumarkt aus, was müssen
wir da - natürlich immer im Benchmarking mit den Entwicklungen anderer europäischer Länder - verändern?
Das ist ein Prozess, den man nicht in drei, vier Wochen zu
Ende bringen kann und der mit der aktuellen Situation und
mit dem, was wir schon jetzt durch unser Handeln bewegen, unmittelbar nichts zu tun hat.
Eine Nachfrage des
Kollegen Protzner, bitte.
Herr Staatssekretär,
die Runde Bau hat im September des letzten Jahres getagt.
Seitdem ist die Zahl der Bauaufträge gesunken und die
Beschäftigungssituation im Bauhandwerk und im Baunebengewerbe ist schlechter geworden. Seit September ist
inzwischen ein halbes Jahr vergangen. Müsste die Bundesregierung deshalb nicht schnell zu Entscheidungen
kommen, statt wieder neue Kommissionen einzuberufen?
Herr
Protzner, das ist ja keine neue Kommission. Ich habe Ihnen gesagt, das Ganze ist eine Entwicklung, die über den
Tag hinausgeht und die etwas mit Innovationen in unserer
Gesellschaft zu tun hat. Denen kann man sich nicht verschließen und die Vorhaben kann man auch nicht in wenigen Wochen abarbeiten.
Dass die Bauwirtschaft ausgerechnet nach dem September 2000 eingebrochen sein soll, käme mir überhaupt
nicht in den Sinn. Sie wissen ganz genau, dass die Minuszahlen der Bauindustrie in den letzten Jahren zurückgegangen sind und dass wir in diesem Jahr nur noch mit
einem kleinen Minus rechnen, mit einem Minus von
0,5 Prozent, und dass die Minuszahlen der Bauwirtschaft
in den neuen Bundesländern von 8 Prozent auf 4 Prozent
gesunken sind und wir in diesem Jahr mit minus 2,5 Prozent rechnen. Das heißt, wir sind fast am Ende des
schmerzlichen Anpassungsprozesses, der ganz unterschiedliche Ursachen hat und der zu Ihrer Regierungszeit
und nicht 1998 begonnen hat.
({0})
Jetzt rufe ich die Frage 17 des Kollegen Karl-Heinz Scherhag auf:
Ist die Bundesregierung bereit, ihre Vorstellungen auch im
Deutschen Bundestag zur Diskussion zu stellen?
Die Antwort habe ich bereits gegeben: Die Bundesregierung wird
die Ergebnisse der Arbeitsgruppe im Deutschen Bundestag gerne zur Diskussion stellen.
({0})
Jetzt rufe ich die Frage 18 des Abgeordneten Ernst Hinsken auf:
Wie hoch ist der Anteil ausländischer Bauunternehmen an den
in Berlin zurzeit in Bau befindlichen Großprojekten des Bundes
und worauf ist dieser Anteil zurückzuführen?
Herr
Hinsken, die Regierungsbauten in Berlin sind überwiegend fertig gestellt. Bei diesen Baumaßnahmen sind derzeit keine ausländischen Bauunternehmen tätig. Gleiches
trifft für die Bauten des Deutschen Bundestages zu.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege Hinsken.
Herr Staatssekretär
Großmann, welche Vorschläge und auch Forderungen haben Sie in dieser Angelegenheit seitens der Bauwirtschaft
einerseits und seitens des DGB andererseits bekommen?
Ich höre immer wieder Klagen, dass man nicht ohne weiteres mit dem einverstanden sein kann, was an Bauleistungen in erster Linie von ausländischen Firmen in Berlin
erbracht wird.
Herr
Hinsken, die Situation sieht so aus, dass die Bundesregierung zwar teilweise Bauherr ist, dass sie die Verantwortung für die Bauleistungen aber an eine Gesellschaft delegiert hat, die extra gegründet worden ist. Was die
Regierungsbauten angeht, so ist dies die Bundesbaugesellschaft.
({0})
Andere Baumaßnahmen werden von der OFD und von
dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, also
von der früheren Bundesbaudirektion, geleitet.
Wir gehen allen konkreten Hinweisen nach. Auch in
der Vergangenheit haben wir von den Abgeordneten eine
Fülle von Hinweisen bekommen, denen wir im Einzelfall
immer nachgegangen sind. Haben Sie deshalb bitte Verständnis dafür, dass ich auf allgemeine Fragen nicht antworte. Wir haben nämlich festgestellt, dass diese allgemeinen Fragen sehr oft auf Vorurteilen beruhen und dass
es viel besser ist, nach konkreten Fällen zu fragen. Wenn
das geschieht, gehen wir der Sache nach. Bis jetzt haben
wir jeder und jedem Abgeordneten eine Antwort zukommen lassen.
({1})
Herr Kollege Hinsken
möchte eine weitere Zusatzfrage stellen. Bitte.
Herr Staatssekretär
Großmann, ich stelle eine weitere Zusatzfrage, weil Sie
auf meine Frage, wie hoch der Anteil an ausländischen
Bauunternehmen an den in Berlin zurzeit in Bau befindlichen Großprojekten des Bundes ist, überhaupt nicht eingegangen sind. Können Sie diese Frage beantworten? Sie
haben einen großen Apparat im Rücken, der das eruieren
kann. Man hat ein großes Interesse an einer Antwort.
Herr
Hinsken, ich lese die Antwort noch einmal vor, die ich
eben vorgelesen habe.
({0})
- Natürlich, wenn kein ausländisches Bauunternehmen
dort tätig ist, dann kann ich nichts anderes sagen.
Ich wiederhole: Die Regierungsbauten in Berlin sind
überwiegend fertig gestellt. Bei diesen Baumaßnahmen
sind derzeit keine ausländischen Bauunternehmen tätig. Null lautet die Zahl. - Gleiches trifft für die Bauten des
Deutschen Bundestages zu.
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Rauen.
Herr Staatssekretär
Großmann, Sie haben eben gesagt, dass der Anteil ausParl. Staatssekretär Achim Großmann
ländischer Bauunternehmen an den in Berlin zurzeit in
Bau befindlichen Großprojekten des Bundes gleich null
ist. Das heißt, dass nur deutsche Unternehmen dort tätig
sind. Hat die Regierung also keine Erkenntnisse darüber,
mit welchen Subunternehmern die deutschen Firmen, die
diese Bauten erstellen, zusammenarbeiten? Gibt es im
Bauministerium keine Erkenntnisse darüber - man kann
sie bekommen, wenn man über die Baustellen geht -, dass
auf den Baustellen fast überhaupt kein Deutsch mehr gesprochen wird?
({0})
Meine
Antwort bezog sich zunächst einmal auf die Frage, die
Herr Hinsken konkret gestellt hat. Er hat nach der derzeitigen Situation gefragt und ich habe gesagt, dass dort zurzeit keine ausländischen Bauunternehmen tätig sind. Des
Weiteren habe ich versucht, zu erläutern, dass wir mit den
Firmen nicht unmittelbar Kontakt haben, sondern dass wir
die konkrete Bauabwicklung an die Bundesbaugesellschaft, in Einzelfällen - was die Ministerien betrifft - an
das BBR und an die OFD delegiert haben.
Ich bin gerne bereit, dieser Frage in unserem Hause
nachzugehen. Haben Sie bitte dafür Verständnis, dass ich
zu diesen Zahlen auf Anhieb nichts sagen kann; denn nach
ihnen ist ursprünglich nicht gefragt worden und wir tragen in diesem Bereich nicht unmittelbar Verantwortung.
({0})
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Rauen - Herr Kollege, Sie können gleich stehen bleiben - auf:
Wie hat sich die zum 1. Januar 2000 vorgenommene Senkung
der Einkunftsgrenzen für die Eigenheimzulage - von 120 000/
240 000 DM auf 80 000/160 000 DM - auf den Neubau von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen ausgewirkt?
Herr
Abgeordneter Rauen, durch eine kinderbezogene Aufstockung der Einkommensgrenze um 30 000 DM pro
Kind wurde die Eigenheimzulage stärker auf Familien mit
Kindern zugeschnitten. Sie sind die wichtigste Zielgruppe
der Wohneigentumsförderung. Die Absenkung der Einkommengrenze betrifft rein rechnerisch nur circa 8 Prozent der Steuerzahler, die in der Regel - es handelt sich
um gut verdienende Haushalte - nicht auf die Förderung
angewiesen sind. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung das kostengünstige Bauen und verbessert damit
die Chancen des Wohneigentumserwerbs für die weniger
gut verdienenden Haushalte, die sich an der Schwelle des
Erwerbs von Wohneigentum befinden.
Meine Bemerkung rein rechnerisch nur circa
8 Prozent ist ein Hinweis darauf, dass man durch eine
entsprechende Gestaltung seines Einkommens und seiner
Steuerzahlungen diese Zahl unterschreiten kann.
({0})
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Rauen, bitte.
Bei der Anhörung zum
Gesetz über die Absenkung der Einkommensgrenzen bei
der Wohnungsbauförderung wurde von den Eigenheimverbänden davon ausgegangen, dass dadurch 20 000 Eigenheime in Deutschland weniger gebaut würden. Können Sie diese Zahl bestätigen?
Nach
unseren Erkenntnissen lässt sich diese Zahl nicht bestätigen, weil der Rückgang der Zahl der Baugenehmigungen
für Einfamilienhäuser - dies sagen auch die wissenschaftlichen Institute - andere Ursachen hat.
Herr Kollege Rauen,
Ihre zweite Zusatzfrage.
Es gibt Hinweise von
Baufinanzierungsgesellschaften, dass zum einen viele
Bürger den Bau eines Eigenheims nicht mehr finanzieren
können und dass zum anderen viele Bauherren mit der
von ihnen eingegangenen Finanzierung Probleme bekommen, weil ihr Nettoeinkommen durch die Umstellung der
630-Mark-Gesetzgebung erheblich zurückgegangen ist.
Gibt es darüber Erkenntnisse?
Erkenntnisse darüber liegen mir im Moment nicht vor. Weil
es eine sehr spezifische Frage ist, haben Sie sicherlich
Verständnis dafür, dass ich erst in meinem Hause nachfragen muss. Ich werde Ihnen dann die Antwort schriftlich
nachreichen.
Herr Kollege Kansy,
Ihre Zusatzfrage bitte.
Herr Staatssekretär, ich unterstelle, dass Sie wissen, dass der Verband
der privaten Bausparkassen sehr wohl einen Zusammenhang zwischen der Änderung der Einkommensgrenzen
und der Zahl der neu gebauten Eigenheime festgestellt hat.
Meine Frage in diesem Zusammenhang lautet: Könnte
der rapide Einbruch im Bereich des Eigenheimbaus nicht
nur mit der Senkung der Einkommensobergrenzen, sondern auch mit Änderungen im Steuerrecht, nämlich mit
der während ihrer Regierungszeit durchgeführten Streichung der Vorkostenpauschale, und mit Ihren Vorstellungen im Rentenrecht bezüglich der Eigenheime als private
Altersvorsorge zusammenhängen? Sie wollen das Eigenheim in einer Weise für die private Altersvorsorge berücksichtigen, über die die Fachleute nur den Kopf schütteln
können. Herr Staatssekretär, auch Ihr Haus hat fieberhaft
versucht, den Bundesarbeitsminister von dieser Regelung
abzubringen. Könnte der Einbruch beim Eigenheimbau
nicht vor diesem Hintergrund erklärt werden?
Diesen
Zusammenhang sehe ich überhaupt nicht. Die Zahl der
Baugenehmigungen für Eigenheime ist nämlich schon im
Mai/Juni des letzten Jahres problematisch gesunken, als
über die Rentenreform in der Öffentlichkeit noch nicht
diskutiert wurde. Man kann also einen entsprechenden
Zusammenhang nicht herstellen. In vertraulichen Gesprächen mit den Bausparkassen habe ich in den letzten
Wochen erfahren, dass die Senkung der Einkommensgrenzen so gut wie keine Rolle spielt. Die Auswirkungen
sind auf die Stellen hinter dem Komma beschränkt.
Wir haben dafür gesorgt - Sie haben eben nur die
steuerliche Einschränkung erwähnt -, dass der Spielraum
der Verbraucher für Entscheidungen viel breiter geworden
ist. Anstelle der Vorkostenpauschale, die nur beim Bau
eines Eigenheims in Anspruch genommen werden konnte,
gab es Änderungen im Rahmen der Steuerreform, die zu
einer deutlichen Entlastung und damit zu einem Anstieg
des Nettoeinkommens geführt haben. Ich darf Ihnen einen
entsprechenden Satz aus dem Gutachten des Sachverständigenrates vorlesen:
Im Wohnungsbau werden Nachfrage und Produktion
aufgrund deutlicher Einkommenszuwächse bei den
privaten Haushalten und bei weiterhin niedrigen
Hypothekenzinsen im Laufe des Jahres wohl leicht
anziehen.
Wir rechnen also damit, dass beim Eigenheimbau die Talsohle schon durchschritten ist.
({0})
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Peter Rauen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, in wie vielen Fällen Unternehmen der Bauwirtschaft dadurch insolvent geworden sind, dass
der Betriebsausgabenabzug von und der Vorsteuerabzug aus Zahlungen an Subunternehmer von der Finanzverwaltung mit der Begründung versagt worden ist, es handele sich bei den Subunternehmen um Scheinfirmen?
Herr
Rauen, der Bundesregierung liegen hierüber keine Angaben vor.
Erste Zusatzfrage des
Kollegen Rauen, bitte.
Herr Großmann, Ihre Antwort verwundert mich. In Rheinland-Pfalz haben viele
Unternehmen, die Subunternehmen beschäftigt hatten,
Probleme bekommen - viele sind in Konkurs geraten -,
weil sie sowohl den Betriebsausgabenabzug über die
Höhe des Subunternehmerauftrages als auch den Vorsteuerabzug nicht mehr gewährt bekamen, obwohl entsprechende Bescheinigungen der Finanzämter und der
Sozialversicherungsträger vorlagen, die sich allerdings
im Nachhinein als Fälschungen erwiesen.
Ich wäre sehr dankbar, wenn über solche wichtigen Zusammenhänge Klarheit geschaffen würde. Es ist auch von
großer Bedeutung, in diesem Zusammenhang den Antrag,
den Bayern jetzt gestellt hat, dass künftig ein Pauschalabzug gewährt werden soll, damit die Dinge zumindest im
steuerlichen Bereich geglättet werden, richtig zu beurteilen. Die Fälle in Rheinland-Pfalz sind evident. Ich weiß,
dass andere Bundesländer mittlerweile auf gleiche Art
und Weise vorgehen und deshalb Firmen, die in gutem
Glauben waren, Subunternehmer beschäftigt zu haben,
und die Steuern und Abgaben ordentlich abgeführt haben,
nachher in große Bedrängnis kamen, weil die Finanzämter rigoros verfahren sind.
Herr
Rauen, Sie kennen die Zuständigkeiten und die Situation,
was die statistischen Grundlagen betrifft. Sie hatten gefragt, ob die Zahlen der Bundesregierung bekannt sind.
Ich kann Ihnen nur sagen: Die Zahlen sind uns nicht bekannt. - Es mag sein, dass auf Länderebene Zahlen bekannt sind, vielleicht in jedem Land in unterschiedlicher
Qualität. Da müsste man eventuell einmal nachfragen.
Auf jeden Fall waren uns die Zahlen zu dem Zeitpunkt, als
Sie die Frage gestellt haben, nicht bekannt.
Herr Kollege Rauen
hat noch eine zweite Frage.
Dann will ich mit meiner
Frage einen Hinweis auf die Brisanz gegeben haben. Die
Briefe von Innungen in Ost- und Südhessen können möglicherweise diese Ursache haben, ohne dass das explizit
genannt wird; denn auch das Land Hessen hat jetzt offenbar die Praxis des Landes Rheinland-Pfalz übernommen.
Ich rufe die Frage 21
des Kollegen Dr. Bernd Protzner auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge, die Verdingungsordnung für Bauleistungen, VOB, überall dort zwingend
vorzuschreiben, wo öffentliche Mittel, zum Beispiel in Form von
Steuerzuschüssen, gewährt werden?
Herr
Kollege Protzner, öffentliche Mittel werden bei Vergaben
von Bauleistungen durch öffentliche Auftraggeber bei Zuwendungen und Steuervergünstigungen für Bauleistungen eingesetzt. Werden öffentliche Mittel von öffentlichen Auftraggebern unmittelbar für Bauleistungen
eingesetzt, gilt bei Vergaben oberhalb der EU-SchwellenDr.-Ing. Dietmar Kansy
werte § 6 der Vergabeverordnung, VgV. Nach dieser Vorschrift haben öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe
von Bauleistungen mit einem Auftragsvolumen oberhalb
der EU-Schwellenwerte die VOB/A zwingend anzuwenden. Unterhalb der EU-Schwellenwerte gilt dies für
Bundesbaumaßnahmen aufgrund der Bundeshaushaltsordnung und der vorläufigen Verwaltungsvorschriften zur
Bundeshaushaltsordnung. Da geht es um die Ziffer 2.1.1
der vorläufigen VV zu § 55 der Bundeshaushaltsordnung.
Für die Länder und Kommunen gilt Letzteres in der
Regel aufgrund der Landeshaushaltsordnungen und der
Gemeindehaushaltsordnungen. Werden öffentliche Mittel
in Form von Zuwendungen gegeben, damit der Zuwendungsempfänger Bauleistungen vergibt, wird die Vergabe
der Bauleistungen nach der VOB/A regelmäßig im Zuwendungsbescheid vorgeschrieben. Handelt es sich um
Bauvergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte, ist die
Vergabe nach VOB/A für Teilbereiche, zum Beispiel
Krankenhausbau, Bau von Sport- und Freizeiteinrichtungen, zwingend vorgeschrieben - dazu zitiere ich § 98
Nr. 5 GWB und § 6 VgV -, wenn diese Vorhaben zu mehr
als 50 Prozent aus Zuwendungen finanziert werden.
Werden für Bauvorhaben öffentliche Mittel in Form
von Steuervergünstigungen gewährt, wären bei einer
zwingenden Anwendung der VOB/A Privatunternehmen
und Privatpersonen an das für die öffentliche Hand entwickelte Bauvergaberecht gebunden. Jeder Private, der
eine steuerbegünstigte Baumaßnahme durchführt, müsste
die nach VOB/A vorgeschriebenen Ausschreibungsverfahren durchführen.
Außerdem müsste dies nach Gleichbehandlungsgrundsätzen auch auf solche Personen angewandt werden,
die Gegenstände anschaffen, die als Werbungskosten
steuerlich geltend gemacht werden können. Dies würde
zu einer nicht gerechtfertigten und deshalb unnötigen
Überreglementierung führen. Deshalb wird ein solcher
Vorschlag von der Bundesregierung abgelehnt.
Herr Kollege
Protzner, Ihre Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär,
gibt es Überlegungen, die Anwendung der VOB auch
dann zwingend vorzuschreiben, wenn es sich bei den
bauauftragsvergebenden Firmen um Beteiligungsfirmen
des Bundes handelt? Der Bund hat ja laut Beteiligungsbericht eine ganze Reihe von Beteiligungen. Wie steht die
Bundesregierung dazu?
Ich habe
Ihnen eben die Situation dargestellt. Der Bund verfährt
entsprechend der Bundeshaushaltsordnung. Darüber hinaus haben wir dort, wo wir Gesellschafter sind - ich
nenne als Beispiel die Bundesbaugesellschaft -, sichergestellt, dass die VOB angewandt wird. Die Antwort auf die
Frage, ob dies für alle Beteiligungen, also auch für unter
50-prozentige, gilt, muss ich Ihnen schuldig bleiben. Dies
muss ich im Einzelnen nachprüfen.
({0})
Herr Kollege Protzner
hat keine Nachfrage mehr. - Herr Kollege Girisch, Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
sieht die Bundesregierung in der Tatsache, dass öffentliche Bauaufträge in den letzten Jahren fast ausschließlich
an den billigsten Bieter vergeben wurden, der aber nicht
immer der kostengünstigste gewesen ist, woraus unter anderen immer höhere Nachforderungen resultieren, ein
Problem und sind Sie der Auffassung, dass das billigste
Angebot nicht immer das wirtschaftlichste ist?
Herr
Kollege Girisch, ich bin froh, dass Sie Ihre Abwesenheit
beim Aufruf Ihrer Frage 9 dadurch wettmachen können,
dass Sie diese jetzt als Zusatzfrage stellen. Ich bin deshalb
gerne bereit, die Antwort darauf nachzuholen.
Nach nationalem Vergaberecht darf der Zuschlag
grundsätzlich nicht allein auf das günstigste, sondern
muss auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen.
({0})
In Deutschland wird an das nach den Verdingungsordnungen traditionell geltende Zuschlagskriterium der
Wirtschaftlichkeit angeknüpft. Nach dem Vergaberechtsänderungsgesetz ist der Zuschlag gemäß § 97 Abs. 5
GWB auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.
Für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte ist der
öffentliche Auftraggeber aufgrund des Haushaltsrechts
verpflichtet, auch die Verdingungsordnungen nach
VOB/A einzuhalten. Nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A kommen bei Vergaben für Bauleistungen nur solche Angebote
in die engere Wahl, die unter Berücksichtigung eines rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung
eine einwandfreie Ausführung einschließlich der Gewährleistung erwarten lassen. Unter diesen Angeboten
soll das Angebot ausgewählt und den Zuschlag erhalten,
das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie
zum Beispiel Preis, Ausführung, Betriebs- und Folgekosten, Gestaltung, Rentabilität und technischer Wert, als das
wirtschaftlichste erscheint. In § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3
VOB/A ist festgeschrieben, dass der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist.
({1})
Ich rufe die Frage 22
des Kollegen Protzner auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Hinweis mittelständischer Bauunternehmer auf das seit dem 1. Mai 2000 geltende
Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen von säumigen - öffentlichen - Auftraggebern mit der Berufung auf die VOB beantwortet wird, die spezielle Zahlungsfristen enthalte, was die Fristen
des neuen Gesetzes außer Kraft setze?
Herr
Kollege Protzner, der Bundesregierung sind solche Hinweise nicht bekannt. Der mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen neu geschaffene § 284 Abs. 3
BGB schreibt vor, dass der Schuldner einer Geldforderung spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang einer
Rechnung in Verzug gerät. Diese Vorschrift kann durch
die für die Bauunternehmen günstigere Regelung der
VOB/B ergänzt werden. Nach § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B
kann der Gläubiger auch vor Ablauf der 30-Tage-Frist den
Schuldner in Verzug setzen, indem er nach Fälligkeit eine
angemessene Nachfrist zur Zahlung setzt. Die Nachfrist
kann dabei deutlich weniger als 30 Tage betragen.
Außerdem schreibt der § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B im
Gegensatz zum § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB im Falle des Verzugs des Schuldners zusätzlich einen höheren Verzugszinssatz vor, nämlich 5 Prozentpunkte über dem Spitzenrefinanzierungssatz der EZB; im Moment sind dies
10,75 Prozent. Demgegenüber läge eine um 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegende Verzinsung bei
9,26 Prozent.
Die erste Nachfrage
des Kollegen Protzner, bitte.
Herr Staatssekretär,
es kommen immer wieder Klagen über ausbleibende Zahlungen vonseiten der öffentlichen Hand. Welche sonstigen Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um
dafür zu sorgen, dass der große Auftraggeber im Baubereich, nämlich die öffentliche Hand, fristgerecht seinen
Zahlungsverpflichtungen nachkommt?
Herr
Protzner, Sie wissen, dass die öffentliche Hand in Wirklichkeit aus Tausenden von öffentlichen Händen besteht.
62 Prozent der öffentlichen Bauleistungen werden von
den Kommunen abgewickelt. Sie werden Verständnis
dafür haben, wenn ich darauf hinweise, dass die Bundesregierung keine andere Möglichkeit hat, als in Gesprächen darauf hinzuweisen, dass man tätig werden
möge. Weitere 19 Prozent werden vom Bund abgewickelt,
der Rest wird von den Ländern abgewickelt.
Wir haben aber im Rahmen des Zehnpunkteprogramms vereinbart, die Effizienz des Gesetzes im Auge zu
behalten. Wenn sich Hinweise von erheblicher Relevanz
ergäben, müsste man sicherlich darüber nachdenken, ob
man an irgendeiner Stelle etwas verbessern muss. Im Moment sind uns derartige Hinweise auf gravierende Fälle
nicht bekannt.
Könnte sich die
Bundesregierung vorstellen, dass über eine Neuregelung
der Haushaltsvorschriften, bei denen für alle öffentlichen
Körperschaften der Bundesgesetzgeber maßgeblich ist,
eine Verbesserung erzielt werden kann, nachdem eine solche Beschleunigung durch das entsprechende Gesetz eben
nicht erzielt worden ist, dieses Gesetz in diesem Falle also
nur weiße Salbe war?
Ich kann
Ihnen vorschlagen, dass wir Ihren Hinweis aufnehmen
und ihn prüfen werden. Ich blicke auf meine Kollegin
Frau Hendricks. Sie könnte Ihnen hierauf eine etwas kompetentere Antwort geben als ich. Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich Ihnen ausweichend antworte.
Es gibt noch eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Dagmar Wöhrl.
Herr Staatssekretär, ist
die Bundesregierung bereit, die Schaffung eines speziellen KfW-Programms zu unterstützen, bei dem die KfW
mittelständischen Baubetrieben ihre Forderungen an säumige öffentliche Auftraggeber abkauft, also eine Art Factoring betreibt, um existenzbedrohende Liquiditätsengpässe bei diesen Firmen zu vermeiden?
Ich
glaube, dass man, wenn es Probleme in diesem Bereich
gibt, diese Probleme an der Wurzel packen muss und man
letztlich nicht über eine Umwegfinanzierung Tatbestände
sanktionieren kann, die wir lieber abschaffen würden. Von
daher halte ich den Vorschlag nicht für geeignet, Fehlverhalten, wenn es solches geben sollte, abzustellen.
({0})
Ich rufe jetzt die
Frage 23 des Abgeordneten Hansjürgen Doss auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass durch Vertragserfüllungsbürgschaften - 10 Prozent -, Gewährleistungsbürgschaften
- 5 Prozent - und Gewährleistungsfristen - in der Regel 5 Jahre für Bauunternehmen ein beträchtliches Bürgschaftssvolumen entsteht, das die Liquidität der Bauunternehmen erheblich strapaziert, und dass die dadurch verschärften Kredit- und Bonitätsprobleme die Kapitalbeschaffung extrem erschweren?
Ich
möchte Ihre Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die
Frage 24 des Abgeordneten Hansjürgen Doss auf:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen, um
mit verringerten Bürgschaftsvolumina die mittelständische Bauwirtschaft an dieser Stelle beispielsweise durch eine Senkung der
Sicherheitsforderungen von öffentlichen Auftraggebern auf 3 Prozent zu entlasten?
Vizepräsidentin Petra Bläss
Nach
der Verdingungsordnung für Bauleistungen, VOB, bei deren Gestaltung die Spitzenverbände der deutschen Bauwirtschaft mitwirken, soll auf Sicherheitsleistungen ganz
oder teilweise verzichtet werden, wenn Mängel der Leistungen voraussichtlich nicht eintreten. Sie sollen im Bedarfsfalle, um das unverzichtbare Sicherungsinteresse der
Auftraggeberseite zu gewährleisten, für die Erfüllung
sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag 5 Prozent der
Auftragssumme und für die Gewährleistung 3 Prozent der
Auftragssumme nicht überschreiten. An diese Regelungen sind alle zur Anwendung der VOB Verpflichteten, das
heißt die öffentlichen Hände, gebunden.
Mit der Zielstellung, die Belastung des Kreditrahmens
insbesondere kleinerer und mittlerer Unternehmen durch
Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften
weiter zu verringern und ihre Liquidität zu verbessern,
sind diese Regelungen mit der seit dem 1. Februar 2001
geltenden VOB 2000 im Einvernehmen mit der Bauwirtschaft verbessert worden: Bei beschränkter Ausschreibung, freihändiger Vergabe und den entsprechenden
EG-Verfahren sollen für die Vertragserfüllung Sicherheitsleistungen in der Regel nicht verlangt werden.
Zusätzlich ist durch Erlass festgelegt, dass für die vertragsgeleistete Erfüllung der Bauleistungen bei öffentlicher Ausschreibung und dem entsprechenden EG-Verfahren Sicherheitsleistungen in der Regel erst ab einer
voraussichtlichen Auftragshöhe von 500 000 DM zu verlangen sind und dass für die Erfüllung der Verpflichtung
aus der Gewährleistung Sicherheitsleistungen in der Regel erst ab einer Auftragssumme einschließlich aller
Nachträge bzw. Abrechnungssumme von 500 000 DM zu
fördern sind.
Im Bereich des Bundesstraßenbaus, also bei den Autobahnen und Bundesstraßen, gilt eine analoge Regelung.
Erste Nachfrage des
Kollegen Doss, bitte.
Sie wissen, dass ein
großer Teil der Insolvenzen, die wir gerade bei mittelständischen Bauunternehmen erleben, damit zu tun haben, dass Liquiditätsenge besteht, weil eine geringe Eigenkapitalausstattung vorhanden ist, und dass die
Spielräume, die die Banken den mittelständischen Unternehmen gewähren, die natürlich einen sehr hohen Kapitalbedarf haben, eng gesteckt sind. Deswegen sind diese
Vorschläge, die aus der Bauwirtschaft kommen, mit Sicherheit zu begrüßen. Die Praxis sieht im Augenblick allerdings noch anders aus. Dort gibt es Ausführungs- und
Gewährleistungsbürgschaften von bis zu 10 Prozent auch
bei den öffentlichen Händen.
Die Frage ist, ob man nicht vor dem Hintergrund der
dramatischen Entwicklung auf dem Baumarkt diese Entlastungen in einer umfänglichen Form mit den Mitteln,
die Sie zur Verfügung haben, jetzt aktuell nach vorn treiben müsste.
Herr
Doss, ich habe Ihnen bei der Beantwortung der Frage gesagt, dass das in die VOB 2000 eingearbeitet worden ist,
die seit 1. Februar 2001 gilt, also erst seit kurzer Zeit. Ich
könnte mir vorstellen, dass die Schwierigkeiten, die Sie
schildern, aus der Zeit vor dieser neuen VOB resultieren
und dass es hoffentlich um eine Restabwicklung schon
bestehender Vertragsbeziehungen geht.
Da wir das zusammen mit der Bauwirtschaft, also mit
den Betroffenen, entwickelt haben, gehe ich zunächst einmal davon aus, dass die ab 1. Februar 2001 geltende Regelung Ihre Fragestellung aufnimmt und hoffentlich zum
Guten wendet. Ich bin sicher, dass wir das im Auge behalten werden.
Herr Rauen hat noch
eine Nachfrage.
Wegen der Bedeutung dieses Themas frage ich nach. Es ist leider Praxis geworden,
dass die Banken Aval-Bürgschaften, die in der Summe bis
zu fünf Jahre gelten, weil Gewährleistungs- und Durchgriffsbürgschaften oft zusammenkommen, mit 100 Prozent auf den Kreditrahmen anrechnen. Sie sollten eigentlich nur zu 50 Prozent angerechnet werden. Aber wenn die
Bank befürchtet, dass der Schuldner einmal nicht zahlen
kann und die Bürgschaft gezogen werden müsste, rechnet
sie diese mit 100 Prozent an. Das engt die Firmen stark
ein. Sehen Sie Chancen, auf die Kreditwirtschaft dahin
gehend einzuwirken, dass sie, solange ein Betrieb besteht,
davon ausgeht, dass dieser die Gewährleistung durchführt, wenn sie geltend gemacht wird, sodass die Bürgschaft nicht gezogen werden muss? Dadurch würde eine
unglaubliche Belastung, ein starker Druck von Zehntausenden von Firmen genommen. Sehen Sie eine Chance,
auf die Kreditwirtschaft insgesamt einzuwirken, dass sie
diese nicht durch Gesetz, sondern durch die Praxis eingekehrte Handhabung verändert?
Herr
Rauen, wir haben von verschiedenen Seiten Hinweise darauf, dass es bei einigen Banken - auch wegen des von mir
gar nicht zu kritisierenden Shareholder Value - in der Art
und Weise, wie sie Kredite ausreichen, wie sie für Bürgschaften stehen und wie sie Kredite und Bürgschaften zusammenbringen, nicht immer so läuft, wie das früher der
Fall gewesen ist. Ich denke, dass es eines ständigen Dialoges mit der Kreditwirtschaft bedarf, um ein Stück Offenheit herzustellen.
Wenn Wohnungsunternehmen im Rahmen des Altschuldenhilfe-Gesetzes entschuldet werden, dann müssen
diese ihre Schulden bei Banken ablösen. Dabei geht es
zum Beispiel darum: Schaffen wir es, dass die Banken auf
Vorfälligkeitszinsen verzichten? Das ist ein ähnliches
Problemgebiet.
Ich nehme Ihren Hinweis gerne auf und werde ihn im
Dialog mit der Kreditwirtschaft aufgreifen. Dies werden
sicherlich auch die anderen Mitglieder der Bundesregierung tun. - Ich sehe gerade, dass sich meine Kollegin Wolf
meldet. Unter Umständen gibt es beim BMWi über das,
was ich Ihnen antworten konnte, hinausgehende Erkenntnisse.
Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Wolf, bitte schön.
Herr Kollege
Rauen, der Sachverhalt, den Sie angesprochen haben, ist
in der Tat branchenbedingt und wurde durch die 5. KWGNovelle aus dem Jahr 1995 verschärft. Sie haben auf die
Anrechnung der Aval-Bürgschaften zu 100 Prozent hingewiesen.
({0})
Ergänzend zu dem, was der Kollege Großmann gesagt
hat, möchte ich Ihnen Folgendes zur Kenntnis geben: Das
Wirtschaftsministerium hat mit den Bürgschaftsbanken
wegen der besonderen Finanzierungsprobleme der Bauwirtschaft eine Vereinbarung getroffen, durch die ein zusätzliches Bürgschaftsvolumen von 100 Millionen DM
für Aval-Kredite bereitgestellt werden. Ich denke, damit
ist dem Anliegen, das Sie hier vorgetragen haben, in gewisser Weise Rechnung getragen worden. Aber wie gesagt: Der gesamte Sachverhalt, den Sie hier vorgetragen
haben, geht auf die 5. KWG-Novelle aus dem Jahr 1995
zurück. Wir haben jetzt versucht, das Problem durch eine
freiwillige Vereinbarung, die die Bürgschaftsbanken mit
uns geschlossen haben, zu entschärfen.
Bevor ich Frage 25
des Abgeordnete Peter Weiß aufrufe, gebe ich bekannt,
dass die CDU/CSU-Fraktion zu dem Themenkomplex
Aktuelle Lage der Bauwirtschaft eine Aktuelle Stunde
beantragt hat. Diese wird nach Beendigung der Fragestunde aufgerufen.
An dieser Stelle danke ich dem Parlamentarischen
Staatssekretär Achim Großmann für das Mammutprogramm, das er bei der Beantwortung der Fragen absolviert
hat.
({0})
Ich rufe nun die Frage 25 des Kollegen Peter Weiß auf:
Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass das dritte
und vierte Gleis der Rheintalbahn zwischen Offenburg und Basel
zeitgleich mit der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale ({1}) in
der Schweiz im Jahr 2012 betriebsbereit ist, wenn bis heute die
Planungen für die Streckenabschnitte zwischen Offenburg und
Schliengen immer noch nicht vergeben sind, deren Einleitung laut
Ankündigungen der Bundesregierung und der Deutschen Bahn
AG für das Jahr 2001 vorgesehen war?
Zur Beantwortung steht jetzt die Parlamentarische
Staatssekretärin Angelika Mertens zur Verfügung.
Herr
Weiß, im Lenkungsausschuss Neue Eisenbahn-Alpentransversale, NEAT, in dem das Bundesministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, das Bundesamt für
Verkehr der Schweiz, die Deutsche Bahn AG und die
Schweizerischen Bundesbahnen vertreten sind, wurde
eine weitgehende Fertigstellung des viergleisigen Ausbaus des Streckenabschnittes Offenburg-Basel der Rheintalbahn bis 2012 festgeschrieben. Damit wird zeitgerecht
zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels die notwendige Kapazitätserweiterung auf der Zulaufstrecke Karlsruhe-Basel bereitgestellt.
({0})
Eine Ausnahme bildet die neue Güterumgehungsbahn
in der Freiburger Bucht zwischen Kenzingen und Buggingen. Hier ist wegen der schwierigen Planrechtsverfahren erst im Jahre 2014 eine Inbetriebnahme möglich. Dies
wird für unkritisch gehalten, da die prognostizierte volle
Belastung im Güterverkehr, die für den NEAT-Zu- und
-Ablauf auf der Strecke zugrunde gelegt wurde, nicht sofort, sondern erst nach einer Anlaufphase eintreten wird.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Weiß.
Frau
Staatssekretärin, zunächst muss ich sagen, dass ich mit einiger Verwunderung zur Kenntnis nehme, dass Sie nun für
die Güterbahnumgehungsstrecke in der Region Freiburg
das Jahr 2014 als Fertigstellungsdatum angeben. Das ist
neu und entspricht nicht dem, was die Bundesregierung
bislang zu dem Bahnprojekt Anschluss der deutschen
Seite an das NEAT-System bekannt gegeben hat.
Ich möchte Ihnen noch eine Frage zum Fertigstellungsdatum 2012 stellen. Sie haben bis auf diese eine
Ausnahme den mir bekannten Sachstand wiedergegeben.
Der Regierungspräsident von Freiburg hat in der vergangenen Woche einen Brief - einen Brief, den ich als Brandbrief bezeichnen möchte -, an den Vorstandsvorsitzenden
der Deutschen Bahn AG, Herrn Mehdorn, geschrieben, in
dem er Folgendes ausgesagt hat:
Aktueller Stand ist nun allerdings, dass wir aufgrund
eines faktischen Planungsstopps bereits deutlich hinter die bisherigen Zeitziele unseres gemeinsamen
Projektplans gefallen sind.
Deswegen möchte ich Sie noch einmal fragen: Ist angesichts der Tatsache, dass der Regierungspräsident, bei
dem das Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist,
bereits heute gegenüber dem Chef der Deutschen Bahn
AG in einer solchen Weise vorstellig werden muss, der
Zeitplan 2012 einhaltbar oder nicht?
Das
Ziel ist eindeutig 2012. Keiner von uns kann sagen, ob es
nicht irgendwelche unvorhergesehenen Ereignisse gibt,
sodass dieses Ziel nicht erreicht werden kann. Das Ziel
2012 ist in der diesbezüglichen Vereinbarung niedergeschrieben.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, in der Tat ist 2012 das Ziel. Aber ich
muss Sie noch einmal fragen: Ist dieses Ziel noch einhaltbar angesichts dessen, dass die Planrechtsverfahren, die in
diesem Jahr, in 2001, eingeleitet werden sollen, bis heute
- wir haben jetzt April 2001 - nicht eingeleitet worden
sind, nachdem uns die für die Durchführung zuständige
DB Bauprojektgruppe Pläne mit der Vorgabe Voraussetzung ist: Freigabe der Entwurfsplanung 01. 2001, also
Januar 2001, vorgelegt hat? Wir haben jetzt April 2001.
Jetzt
muss ich Sie zurückfragen, ob wir über dasselbe Projekt
sprechen, also über die Strecke Offenburg-Basel.
({0})
- Ich habe keine anderen Informationen - auch nicht von
der DB AG -, die besagen würden, dass dieses Ziel nicht
erreicht werden kann. Ich gehe weiterhin davon aus, dass
es möglich ist.
Dann rufe
ich die Frage 26 des Kollegen Weiß ({0}) auf:
Trifft es zu, dass die Planungen für das dritte und vierte Gleis
zwischen Offenburg und Schliengen bislang deshalb nicht vergeben werden, weil der Bund die notwendigen Planungsmittel nicht
bereitgestellt hat?
Das
ist eine ganz kurze Antwort: Nein. Die Planungsmittel
sind verfügbar.
Eine Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, in der Badischen Zeitung vom 3. April
2001 hat der Chefplaner für die Bahnstrecke zwischen Offenburg und Basel, Herr Samaras, auf die Frage Wann
kommt endlich das Geld für die Planung des dritten und
vierten Gleises? geantwortet:
Ich rechne damit, dass die letzten Entscheidungen in
dieser Sache ... in den nächsten Wochen getroffen
werden.
Da Sie jetzt sagen, die Mittel würden bereitstehen,
frage ich Sie: Wann wird denn die Entscheidung, dass
diese Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen, getroffen?
Die
Mittel sind verfügbar. Insofern sollten Sie diese Frage
eigentlich an den richten, der gesagt hat, sie würden nicht
zur Verfügung stehen.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, Ihre Antwort bestätigt ein wenig die Befürchtungen in unserer Region, dass da zwischen Bund
und Deutscher Bahn AG ein Schwarzer-Peter-Spiel stattfindet. Jeder sagt, der andere muss es entscheiden. Deshalb möchte ich Sie fragen: Wann stehen die Planungsmittel tatsächlich zur Verfügung? Das ist ja nicht nur eine
Frage der Deutschen Bahn AG, sondern auch eine Frage
des Bundes. Der Bund ist die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Schweiz eingegangen, also muss er
auch dafür sorgen, dass gemäß diesem Vertrag 2012 eingehalten wird und dass jetzt endlich die Planungsmittel
zur Verfügung stehen und die Planung eingeleitet werden
kann, was bis zum heutigen Tag nicht der Fall ist.
Jetzt
sage ich noch einmal: Die Planungsmittel sind verfügbar.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern auf. Die Fragen werden durch den Parlamentarischen Staatssekretär Fritz Rudolf Körper beantwortet.
Die erste aufzurufende Frage, die Frage 27, stammt
vom Kollegen Jochen-Konrad Fromme:
In welchem Zeitraum war der heutige Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Claus Henning Schapper, Vorsitzender des Aufsichtsrats der staatlichen landeseigenen niedersächsischen Spielbankgesellschaft mbH und zugleich Staatssekretär des
für die Spielbankenaufsicht zuständigen niedersächsischen Innenministeriums?
Herr Kollege Fromme, Ihre Frage
beantworte ich wie folgt: Staatssekretär Schapper war
vom 20. Juni 1990 bis zum 29. Oktober 1998 Staatssekretär im niedersächsischen Innenministerium. Ab
1991 hat die Spielbank Niedersachsen GmbH einen Aufsichtsrat. Staatssekretär Schapper wurde Aufsichtsratsvorsitzender und blieb es bis zu seinem Wechsel in das
Bundesinnenministerium.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fromme.
Herr Staatssekretär, sehen Sie ganz generelle Probleme, wenn die an
sich gegenläufigen Interessen einer Aufsichtsbehörde und
einer Funktion im Aufsichtsrat in einer Person zusammenfallen?
Herr Kollege Fromme, diese Konstruktion, die gewählt worden ist und die Sie jetzt
befragen, ist keine Erfindung von Herrn Schapper, sondern das Grundstrukturmuster wurde im Jahre 1989 gelegt. Zu dieser Zeit wurde bekanntlich die Landesregierung anderweitig geführt. Dieser Aufsichtsrat musste
gebildet werden, weil die Zahl der Mitarbeiter aller Spielbanken im Lande Niedersachsen 500 überschritten hatte.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass sich dieses Modell
an Toto und Lotto orientiert hat, wo man in gleicher Art
und Weise verfahren ist. Wie gesagt, war das auch keine
Erfindung der niedersächsischen SPD-Landesregierung.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie die beiden Regierungszeiten vergleichen, ist Ihnen dann bekannt, dass es in der Zeit vor 1990
Probleme durch diese Interessenkollision gegeben hat?
Die Frage, ob es Probleme durch
diese Konstruktion gegeben hat, werde ich Ihnen nachher
noch beantworten. Es gibt ja noch ein paar Anfragen dazu.
Ich kann dies so nicht bejahen.
Ich rufe die
Frage 28 des Kollegen Werner Siemann auf.
Seit wann hatte der Staatssekretär im Bundesministerium des
Innern, Claus Henning Schapper, als Aufsichtsratsvorsitzender
und für die Aufsicht zuständiger Innenstaatssekretär Kenntnis davon, dass durch betrügerisches Zusammenspiel einzelner Spielbankenmitarbeiter und von Gästen der Spielbank Hittfeld
unter anderem mittels Manipulationen an Spielgeräten ein Schaden zulasten des Landes Niedersachsen hat angerichtet werden
können, der bei 10 Millionen DM liegen soll ({0})?
Herr Kollege Siemann, wenn es
mir gestattet ist, darf ich Ihre beiden Fragen im Zusammenhang beantworten. Es wird auch ein bisschen länger
dauern, das will ich jetzt schon sagen.
({0})
Dann rufe
ich außerdem die Frage 29 des Abgeordneten Werner
Siemann auf.
Was hat der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern,
Claus Henning Schapper, unternommen, diese kriminellen Aktivitäten aufzuklären und die kriminellen Handlungen durch die zuständigen Behörden verfolgen zu lassen, um weitere zu verhindern?
Folgende Vorbemerkung: Die
Fragen beziehen sich im Wesentlichen auf Behauptungen,
die bereits von der Zeitschrift stern in der Ausgabe vom
29. März 2001 erhoben worden sind. Herr Staatssekretär
Schapper hat gegen die Zeitschrift stern beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung erwirkt, die
folgenden Inhalt hat - ich zitiere aus dem Gerichtsbeschluss vom 3. April 2001 -:
Der Zeitschrift wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu
sechs Monaten verboten zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen oder sonst zu verbreiten oder
verbreiten zu lassen,
1. ist einer der höchsten Beamten, Claus Henning
Schapper aus dem Innenministerium, in kriminelle
Machenschaften um das Spielcasino Hittfeld verstrickt? und/oder
2. hat Otto Schilys Staatssekretär die Ermittlungen
in Sachen Spielcasino Hittfeld behindert? und/oder
3. in Bezug auf Staatssekretär Schapper in Fällen, in
denen die mit Erlass für Kontrollen der Spielbanken
zuständigen Beamten uneinsichtig waren, wurden
gemeinsame Studienjahre des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Geschäftsführers bemüht.
Nun zu Ihren Fragen: Zur Höhe der Einbußen, die
durch kriminelle Eingriffe verursacht sein könnten, zitieren Sie den stern. 10 Millionen DM ist eine vollkommen aus der Luft gegriffene Zahl. Nach Schätzungen des
niedersächsischen Innenministeriums lässt sich allenfalls
von einer belegbaren Schadenssumme von 2,3 Millionen DM ausgehen. An einer anderen Stelle des Berichts
wird von einer maximalen Schadenssumme von 2,5 bis
3,5 Millionen DM gesprochen, die auf statistischen Berechnungen beruhe. Aber das ist Ihnen ja auch bekannt.
Im Jahre 1997 sprach die Geschäftsführung vier Kündigungen aus und erstattete zugleich zwei Strafanzeigen.
Die Strafverfahren sind eingestellt worden. Dies betraf
nach meinen Informationen zwei Saalchefs und zwei
Croupiers. Die Mitarbeiter haben ihre Kündigungsschutzklagen gewonnen. Allerdings verstarb ein Mitarbeiter
während des Gerichtsverfahrens. Hierbei handelt es sich
um Vorgänge, über die der Aufsichtsratsvorsitzende nicht
informiert wurde.
Ein größerer Manipulationskomplex ist in den Vorgängen am amerikanischen Roulettetisch im Jahre 1997 zu
sehen, der zum Einsatz von verdeckten Spielkontrolleuren durch die Spielbankgesellschaft in Hittfeld führte. Ab
Mai 1997 erhielt die zuständige Bezirksregierung vermehrt anonyme Hinweise auf fortlaufende Diebstähle
durch das Personal. Bereits aufgrund dieser Hinweise
wurde mit dem Unternehmen vereinbart, dass eine geheime Spielbankkontrolle veranlasst wird. Diese geheime
Kontrolle durch das Holland Casino am amerikanischen
Roulette hat ergeben, dass Annoncen angenommen wurden, die zumindest unverständlich waren. Beweise für
Unregelmäßigkeiten konnten aber nicht vorgelegt werden. Staatssekretär Schapper ist über die Vorgänge durch
sein Aufsichtsreferat unterrichtet worden. Ihm ist zugleich mitgeteilt worden, dass ausreichende Beweise für
Unregelmäßigkeiten aber nicht vorgelegt werden könnten.
Einen zweiten Manipulationskomplex stellt eine so genannte Kesselmanipulation beim französischen Roulette
dar. Hierbei handelt es sich um den Kessel 412, der im
Sommer 1998 in Reserve für eine spätere Auswechselung
eingelagert war. Dieser Kessel 412 war ordnungsgemäß
von TÜV abgenommen worden. Er wurde ab September
1998 eingesetzt und die an ihm vorgenommenen Manipulationen wurden im Januar 1999 entdeckt. Die Entdeckung des manipulierten Kessels fällt nicht mehr in die
Zeit, in der Herr Schapper Staatssekretär im niedersächsischen Innenministerium war.
Dem Aufsichtsratsvorsitzenden sind keinerlei Vorwürfe zu machen. Erst recht wird deutlich, dass der Vorwurf der Strafvereitelung gegenüber Staatssekretär
Schapper unsinnig und haltlos ist. Insoweit weise ich noch
einmal auf den bereits zitierten Beschluss des Landgerichts Hamburg vom gestrigen Tage hin.
Meine Damen und Herren, ich möchte auch noch auf
den Vorwurf eingehen, Herr Staatssekretär Schapper habe
die Vorwürfe in der Spielbank Hittfeld verharmlost. Dieser Vorwurf ist absolut unberechtigt. Das Zitat im stern
ist erstens nicht korrekt und zweitens in einen falschen
Zusammenhang gestellt. Staatssekretär Schapper wies in
der Tat darauf hin, dass Unregelmäßigkeiten im Spielbetrieb nicht nur in Hittfeld aufgedeckt worden seien. Als
Beispiele nannte er die Spielbanken in Hannover, wo sich
die Gesellschaft im Jahre 1992 von fünf Croupiers
trennte, und in Bad Zwischenahn, wo im Jahre 1994
gleich zehn Mitarbeiter im Automatensaal überführt werden konnten. Diese Hinweise hat Staatssekretär Schapper
gegeben, um zu begründen, warum er ein Sicherheitskonzept nicht nur für Hittfeld, sondern für alle niedersächsischen Spielbanken habe erarbeiten lassen.
Herr Kollege Siemann, da Herr Staatssekretär Körper Ihre beiden
Fragen beantwortet hat, haben Sie jetzt bis zu vier Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär,
Sie haben nun sehr lange geantwortet. Das ist manchmal
schon sehr verdächtig. Aber es wäre gut gewesen, wenn
Sie meine Frage beantwortet hätten, die zunächst einmal
dahin ging, seit wann konkret Staatssekretär Schapper als
Aufsichtsratsvorsitzender und für die Aufsicht zuständiger Innenstaatssekretär Kenntnis davon hatte, dass durch
strafrechtlich relevante Manipulationen ein Schaden für
das Land Niedersachsen angerichtet worden ist.
Sie müssen wissen, dass sich
diese Schadensschätzung auf diesen manipulierten Kessel
bezieht. Dieser manipulierte Kessel ist im Januar 1999
entdeckt worden, also zu einem Zeitpunkt, als Staatssekretär Schapper den Aufsichtsratsvorsitz schon nicht
mehr innehatte.
Wollen Sie damit sagen - ich hätte dann Ihre Antwort vorhin falsch verstanden -, dass Herr Staatssekretär Schapper in den Jahren
vorher nichts von kriminellen Manipulationen in der
Spielbank Hittfeld wusste?
Herr Kollege Siemann, Sie müssen die Komplexe auseinander halten. Ich habe etwas
ausführlicher geantwortet, um die Sachverhalte zu erschließen und um beispielsweise deutlich zu machen, wer
zu welchem Zeitpunkt wie informiert war. Die Manipulationen - Sie beziehen sich auf den Schaden, der dadurch
entstanden ist - sind in der Tat im Januar 1999 entdeckt
worden. Ich habe schon gesagt, dass Herr Schapper zu
diesem Zeitpunkt bereits ins Bundesinnenministerium gewechselt ist.
Ich mache es andersherum, Herr Staatssekretär, und ich möchte nicht von der
Höhe des Schadens ausgehen. Zu welchem Zeitpunkt
wusste Staatssekretär Schapper in seiner Funktion als
Aufsichtsratsvorsitzender von ersten strafrechtlich zu
sanktionierenden Handlungen in der Spielbank Hittfeld?
Herr Kollege Schapper ist zu den
Vorgängen informiert worden, die sich an dem einen Roulettetisch vollzogen haben, woraufhin die Geschäftsleitung Ermittlungen durch Holland Casino veranlasst hat,
bei denen sich allerdings keine Beweise ergeben haben.
Daraufhin hat man die Information gegeben - allerdings
mit dem Hinweis, dass es keine konkreten Beweise gibt.
({0})
Ich finde es mit Ihnen
heute verdammt schwierig. Wann war das genau?
Das war meines Erachtens im
Sommer 1998.
({0})
- Lieber Herr Kollege Goldmann, zu Ihrem Aha möchte
ich sagen: Es ist eindeutig so, dass man die Komplexe
auseinander halten muss. Die Manipulationen sind,
glaube ich, sehr deutlich und darum geht es in erster
Linie. Sie wissen, dass sich darum auch noch andere Fragen ranken.
({1})
Man kann
einen Sachverhalt auch als schwierig bezeichnen, ohne
das Wort verdammt zu gebrauchen, Herr Kollege
Siemann.
Jetzt stellt der Kollege Fromme eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben sich offensichtlich umfangreich über
den Sachverhalt informiert. Deswegen ist mir die Angabe
Sommer zu vage. Können Sie das bitte datumsmäßig
beziffern?
Nein.
Eine weitere
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie haben eben formuliert, dass nach Ihrer Erkenntnis der
Sommer 1998 das Datum gewesen sei. Gibt es andere Begründungen, die außerhalb Ihrer Erkenntnis liegen, die
ein Datum festlegen, an welchem Herr Schapper informiert worden ist?
Ich kann nur von meinen Erkenntnissen ausgehen. Ich habe hierzu bereits vorhin
deutlich Antwort gegeben. Ich bleibe bei meiner bisherigen Formulierung.
Frau Kollegin Bonitz, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es
zutreffend, dass die Bezirksregierung bereits im Jahre
1997 Hinweise auf Manipulationen erhielt,
({0})
und können Sie ausschließen, dass diese nicht schon 1997
Herrn Schapper zur Kenntnis gelangt sind?
Frau Kollegin Bonitz, es gibt in
der Tat verschiedene Vorgänge, die sich im Bereich der
Spielbank Niedersachsens vollzogen haben und von denen der Aufsichtsratsvorsitzende keine Kenntnis hatte.
Dann rufe
ich nunmehr die Frage 30 des Kollegen Eckart von
Klaeden auf:
Was unternimmt die Bundesregierung zur Aufklärung des gegen den Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Claus
Henning Schapper, im Magazin stern vom 29. März 2001 erhobenen Vorwurfs eines Polizeibeamten des Landeskriminalamtes
Niedersachsen, der lautet: In den Fällen, in denen die mit Erlass
von Kontrollen der Spielbanken zuständigen Beamten ,uneinsichtig waren, wurden gemeinsame Studienjahre des Aufsichtsratsvorsitzenden Staatssekretär Claus Henning Schapper und des Geschäftsführers bemüht. Dieses Beziehungsgeflecht endete erst mit
Weggang des ehemaligen Staatssekretärs des Bundesministeriums des Innern nach Bonn?
Herr Kollege von Klaeden, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Sie zitieren aus einem - ich
sage: so genannten - Bericht, der sich weder in den Akten
des niedersächsischen Innenministeriums noch in denen
der Bezirksregierung Hannover befand und auch den Vorgesetzten des Verfassers im Landeskriminalamt nicht bekannt war. Er befand sich aber offensichtlich in Händen
von Oppositionsabgeordneten und kursierte in Journalistenkreisen, wo er völlig haltlose Spekulationen auslöste.
Das niedersächsische Innenministerium hat inzwischen von einem Journalisten eine Kopie erhalten und
jetzt auch den Verfasser, einen Ende 1999 pensionierten
Beamten, durch das LKA befragen lassen. Er weiß nicht
mehr, wann und aus welchem Anlass der Bericht geschrieben worden sein könnte. Er kann auch nicht sagen,
wohin der Bericht gegebenenfalls gegangen ist und ob er
überhaupt irgendwohin gegangen ist.
Von ihm stammt offensichtlich auch der in der Presse
zitierte Vorwurf, Staatssekretär Schapper habe noch von
Bonn aus versucht, die Strafverfolgung zu behindern. Er
habe Minister Bartling angerufen, um die Beschlagnahme
eines manipulierten Kessels zu verhindern. Dies habe der
betreffende Sachbearbeiter aus dem für die Spielbankaufsicht zuständigen Referat des niedersächsischen Innenministeriums dem damals noch nicht pensionierten
Kriminalbeamten mitgeteilt.
Minister Bartling und der betreffende Sachbearbeiter
haben inzwischen klargestellt, dass dies alles nicht der
Wahrheit entspricht. Gerade hieraus aber hat der Verfasser des von den Medien als Beweismittel verwendeten
Dokuments geschlossen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende sinngemäß seine schützende Hand über den Geschäftsführer der Spielbankgesellschaft gehalten habe.
Konkrete Anhaltspunkte für dieses Beziehungsgeflecht
habe er nicht.
Staatssekretär Schapper hat mehrfach klargestellt, dass
er in keinem Fall an Einzelmaßnahmen im Zusammenhang mit der Spielbank Hittfeld beteiligt war und dass er
in keinem Fall von dem Geschäftsführer Wöstmann
bemüht wurde, um uneinsichtigen Beamten ein Einschreiten zu erschweren. Gemeinsame Studienjahre der
beiden hat es im Übrigen nicht gegeben.
Nach Auffassung der Bundesregierung bedarf der von
Ihnen zitierte Vorwurf keiner weiteren Aufklärung. Sie
schließt sich der Beurteilung des niedersächsischen Innenministeriums an, das in diesem Zusammenhang von
pauschalen und vagen Vorwürfen und einer absurden
Schlussfolgerung spricht.
Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, dass dieser Beamte zu einer dienstlichen
Erklärung aufgefordert worden ist?
Meines Wissens ja.
Wissen Sie, ob
diese dienstliche Erklärung von Staatssekretär Schapper
veranlasst worden ist und ob auf diese Weise versucht
worden ist, Druck auf diesen Beamten des niedersächsischen Landeskriminalamtes auszuüben?
Herr Kollege von Klaeden, von
wem die dienstliche Erklärung initiiert wurde, weiß ich
nicht. Jedenfalls ist richtig, dass dies nur bestimmte Leute
machen können. Sie wissen, dass es diese Vorwürfe gegeben hat. Denen ist man nachgegangen. Der Bericht, aus
dem ich Ihnen zitiert habe, liegt Ihnen vor. Dort heißt es
beispielsweise: Konkrete Anhaltspunkte für diese meine
Einschätzung habe ich nicht. Dies zeigt die Relevanz
dieser Aussage. Ich denke, das muss hier einmal gesagt
werden.
({0})
Ich rufe die
Frage 31 des Kollegen Reinhard Freiherr von Schorlemer
auf:
Was unternimmt die Bundesregierung zur Aufklärung des gegen den Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Claus
Henning Schapper, im stern vom 29. März 2001 erhobenen Vorwurfs, er habe Kenntnis gehabt, dass der von der Spielbankaufsicht im Dezember 1997 angewiesene Einbau einer Videoüberwachungsanlage in der Spielbank Hittfeld absichtlich nicht
befolgt wurde, und er, Staatssekretär Claus Henning Schapper,
habe in voller Kenntnis der Vorgänge nichts unternommen und
erst nach seinem Weggang im Herbst 1999 sei eine erneute
Verpflichtung zum Einbau der Überwachungsanlage erlassen
worden?
Herr Kollege von Schorlemer, die
Bundesregierung hält die gegen Staatssekretär Schapper
gerichteten Vorwürfe, er habe die von der Bezirksregierung Hannover angeordnete Installation von zusätzlicher
Videotechnik in der Spielbank Hittfeld behindert und verzögert, für absolut unberechtigt.
Mit Verfügung vom 5. Dezember 1997 ordnete die Bezirksregierung Hannover insgesamt sechs zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen in der Spielbank Hittfeld an. Die
Geschäftsführung kündigte an, dass sie hiergegen Widerspruch einlegen wolle, und teilte mit, dass sie einen entsprechenden Widerspruch bereits vorbereitet hatte. Dazu
wäre die Zustimmung des Aufsichtsrates erforderlich gewesen. Hätte Staatssekretär Schapper die Zustimmung erteilt - darauf lege ich Wert -, wäre ein zeitaufwendiges
Widerspruchs- und verwaltungsgerichtliches Verfahren in
Gang gekommen. Stattdessen hat Staatssekretär Schapper
mehrere Gespräche mit den Beteiligten geführt und eine
von allen mitgetragene Lösung herbeigeführt.
Die Gespräche erbrachten nämlich folgendes Ergebnis:
Vier von sechs angeordneten Maßnahmen wurden unverzüglich umgesetzt. Wegen der Installation zusätzlicher
Videotechnik wurde vereinbart, dass die Spielbankaufsicht und Geschäftsführung ein gemeinsames Konzept für
alle Spielbanken und nicht nur für Hittfeld erarbeiten sollten. Dies sollte innerhalb von drei Monaten geschehen.
Unter Teilnahme von Herrn Staatssekretär Schapper
wurde das letzte Gespräch in dieser Angelegenheit Ende
Februar 1998 geführt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, von Herrn Schapper ist laut stern
die Äußerung überliefert, dass die Installation ein wenig
Zeit gekostet habe. Ist der Zeitraum, den Sie geschildert
haben, ein bisschen Zeit oder nicht vielmehr ein langer
Zeitraum?
Nein, Herr Kollege von Schorlemer.
Das Problem bestand darin, dass Bezirksregierung auf der
einen Seite und Geschäftsleitung auf der anderen Seite relativ schnell in eine formale Diskussion darüber geraten
sind, bei wem die Anordnungsberechtigung liegt.
Deswegen ist Herr Kollege Schapper folgendermaßen
vorgegangen: Die sechs Verfügungen wurden zur Kenntnis genommen, vier sofort umgesetzt und die anderen
durch Gespräche auf den Weg gebracht; denn es mussten
einige Fragen abgeklärt werden. Es war nämlich gleichzeitig ein neues Sicherungssystem für den Automatensaal
im Gespräch. Dies wurde beispielsweise in der Spielbank
Borkum erprobt; es war aber wohl nicht eins zu eins übertragbar. Deswegen, denke ich, war der Weg sinnvoll und
richtig und hat vor allen Dingen das Ganze nicht verzögert, sondern beschleunigt.
Eine zweite
Zusatzfrage des Kollegen von Schorlemer.
Herr Staatssekretär, wie kommt es, dass von den sechs
Fällen vier sehr schnell erledigt werden konnten - in Hannover wurden entsprechende Betrügereien in wenigen Tagen aufgeklärt - und die Aufklärung gerade in Hittfeld so
lange gedauert hat?
Herr Kollege von Schorlemer, Sie
müssen wissen, es gab auch in der Spielbank Hittfeld
schon eine Teilvideoüberwachung. Die Frage stellte
sich - dafür gab es im gesamten Bereich der Spielbanken
keine Erfahrungen -, wie sich eine - ich möchte mich einmal so ausdrücken - flächendeckende Videoüberwachung auswirkt, insbesondere im Zusammenhang mit
dem angesprochenen Sicherungssystem. Deswegen muss
man hier genau unterscheiden. Entsprechende Maßnahmen wurden sofort angeordnet. Andererseits stellte sich
die Frage, wie eine solche Konzeption vernünftigerweise
aussehen könnte. Dies ist, wie die Ergebnisse gezeigt haben, gut auf den Weg gebracht worden.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fromme.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben die Frage des Kollegen von
Schorlemer nicht beantwortet. Können Sie uns noch einmal erklären, warum es in einigen Fällen zu einem schnellen Erfolg kam und in den anderen Fällen nicht?
Dies lag daran, weil es in vier Fällen keinen Streit zwischen Bezirksregierung und Geschäftsführung gegeben hat. In den anderen beiden Fällen
gab es einen gewissen Diskussionsbedarf um den richtigen Weg, zum Beispiel wie man die Sicherungsmaßnahmen durchführt. Dies war ein ganz normaler Vorgang.
Deswegen ist das unterschiedliche und stufige Verfahren
gewählt worden.
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade von einer vernünftigen Teilvideoüberwachung gesprochen. Stimmen Sie mir zu, dass man
bei der Videoüberwachung in einer Spielbank, die erstens
mit einer sichtbar und nicht versteckt angebrachten Kamera vorgenommen wird und die zweitens nur den Spieltisch, aber nicht gleichzeitig die Spieler aufnimmt, nicht
von einer vernünftigen Teilvideoüberwachung sprechen
kann?
Herr Kollege von Klaeden, damit
Sie mich nicht missverstehen: Ich habe lediglich gesagt,
dass es eine Teilvideoüberwachung gegeben hat. Die von
Ihnen skizzierte Frage, wie die Videoüberwachung in einer Spielbank aussehen muss, hat im Grunde genommen
die Diskussion im Zusammenhang mit anderen Sicherheitssystemen geprägt. Dies war Gegenstand der Erörterung, die ich für richtig und gut halte.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Bonitz.
Herr Staatssekretär, Sie
haben eben geschildert - vielleicht habe ich nicht richtig
zugehört -, Herr Schapper hätte damals die Gelegenheit
gehabt, dadurch zu einer zeitlichen Verzögerung beizutragen, dass er zum Beispiel zu einem Widerspruch
hätte auffordern können. Also muss er doch offensichtlich
nach dem Hinweis der Bezirksregierung aus dem Jahre
1997, die an die Geschäftsführung herangetreten ist, über
die Geschäftsführung von den Unregelmäßigkeiten
Kenntnis gehabt haben. Sie haben aber eingangs gesagt,
Herr Schapper habe erst im Sommer 1998 von diesen Tatsachen erfahren.
Sie halten die Komplexe nicht
auseinander. Es geht hier um die Frage der Einführung eines Videosystems. Bei den Ausführungen im Zusammenhang mit dem Zeitraum vom Sommer 1998 geht es um
den so genannten manipulierten Kessel, so weit ich das
richtig weiß. Was die Einführung der Videosysteme anbelangt, überlegte die Bezirksregierung Ende 1997, welche
Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden sollten. Sie ist
daher mit der Geschäftsleitung in Kontakt getreten.
Es bestand die Gefahr - das habe ich deutlich gemacht -,
dass bei Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes
Widerspruch eingelegt worden wäre, der große Verzögerungen mit sich gebracht hätte. Deswegen hat sich Herr
Schapper im Februar 1998 der Sache angenommen; er hat
die Beteiligten an einen Tisch geholt und die Sache mit ihnen besprochen. Er ist dabei so vorgegangen, wie ich es
geschildert habe. Daraus geht deutlich hervor, dass Herr
Schapper zur Beschleunigung der geplanten Maßnahmen
und nicht zu einer Verzögerung beigetragen hat. Darauf
lege ich großen Wert. Ihm sind in diesem Punkt absolut
keine Vorwürfe zu machen.
Sie können
gleich stehen bleiben, Frau Kollegin Bonitz. Denn ich
rufe Ihre Frage 32 auf:
Kann die Bundesregierung den Inhalt eines Vermerkes über
eine Besprechung der Spielbankaufsicht mit dem Staatssekretär
im Bundesministerium des Innern, Claus Henning Schapper, vom
4. März 1998 bestätigen, in dem zur Überwachung des Spielkasinos durch Videokameras die Auffassung des Staatssekretärs Claus
Henning Schapper dazu mit den Worten festgehalten worden sein
soll: Insbesondere das Moment der Notwendigkeit sieht Staatssekretär Schapper nicht ohne weiteres. ({0})?
Frau Kollegin Bonitz, zwischen
dem Aufsichtsratsvorsitzenden, der Bezirksregierung und
der Geschäftsführung bestand über die Notwendigkeit zusätzlicher Sicherheitssysteme, insbesondere einer zusätzlichen Videotechnik in allen Spielbanken des Landes Niedersachsen - damit auch in der Spielbank Hittfeld -, eine
grundsätzliche Übereinstimmung. Allerdings gab es zum
damaligen Zeitpunkt kein geeignetes Videoüberwachungssystem, das die Gewähr geboten hätte, die Probleme der Spielbank Hittfeld ausreichend zu lösen.
Eine Zusatzfrage, Frau Bonitz, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass es zunächst einen Prüfauftrag an
eine Arbeitsgruppe gegeben hat, um möglicherweise andere, zum damaligen Zeitpunkt geeigneter erscheinende
Überwachungssysteme einzuführen? Falls ja: Ist in diesem Zusammenhang eine Frist für die Vorlage des Prüfergebnisses gesetzt worden?
Frau Kollegin Bonitz, es ist beispielsweise das Sicherungssystem geprüft worden, das in
der Spielbank Borkum modellhaft eingesetzt worden ist.
Es ist geprüft worden, ob das dort eingesetzte Sicherungssystem auch für Hittfeld geeignet ist. Das Gleiche galt für
die angesprochenen Videoüberwachungssysteme. Herr
von Klaeden hat dieses Problem bereits geschildert. Man
hat lange Diskussionen geführt, weil man nicht von Anfang an einen idealen Lösungsweg parat hatte, um konkret
eine bestimmte Anlage sinnvoll installieren zu können.
Eine letzte
Zusatzfrage.
Wenn nicht von vornherein der Einbau einer Videoüberwachung für sinnvoll gehalten wurde - damit meine ich jetzt nicht die Teilüberwachung - und Staatssekretär Schapper in seiner
Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender diese im Grunde
genommen für ein unverhältnismäßiges Mittel hielt, frage
ich Sie: Zu welchem Zeitpunkt wollte man denn prüfen,
ob ein bestimmtes Mittel verhältnismäßig ist, weil alle anderen zuvor eingesetzten - Sie sagten: teilweise umgehend eingesetzten - Mittel zu keinem Erfolg versprechenden Ergebnis geführt hatten?
Frau Kollegin Bonitz, die Diskussion über diese Fragen ist im Februar 1998 geführt
worden. Es wäre falsch zu sagen, es habe eine generelle
Skepsis gegenüber Videoüberwachungssystemen gegeben. Das war nicht der Fall. Nur über die Frage, wie und
in welchem Zusammenhang mit anderen Sicherungssystemen sie vernünftigerweise installiert werden können, wurde diskutiert. Ich denke, in diesem Zusammenhang war der beschrittene Weg richtig, weil es - ich will
das ausdrücklich sagen - keine vergleichbaren Erfahrungen aus anderen Spielbanken in der Bundesrepublik
Deutschland gegeben hat. Deswegen halte ich die eingeschlagene Vorgehensweise für absolut richtig.
Die Zeit für
die Fragestunde ist abgelaufen. Ich danke Ihnen, Herr
Staatssekretär Körper, sowie den übrigen anwesenden
Parlamentarischen Staatssekretärinnen und Staatssekretären.
Die noch offenen Fragen aus diesem Geschäftsbereich
und aus den Geschäftsbereichen des Bundesministeriums
für Finanzen, des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie, des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung und des Bundesministeriums für Verteidigung werden schriftlich beantwortet.
Die Fraktion der CDU/CSU - das Parlament ist darüber bereits informiert worden - hat zu den Antworten
der Bundesregierung auf die Fragen 5 bis 24 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bauund Wohnungswesen, soweit diese mündlich beantwortet
worden sind, entsprechend I 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse
eine Aktuelle Stunde verlangt.
Ich rufe daher auf:
Aktuelle Stunde
Aktuelle Lage der Bauwirtschaft
Ich eröffne die Aussprache und gebe für den Antragsteller das Wort dem Kollegen Karl-Heinz Scherhag,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Wahlkampf 1998 hat
Wir wollen nicht alles
anders machen, aber vieles besser.
({0})
Die heutige katastrophale Situation in der Bauwirtschaft zeigt in der Tat, was es für Sie heißt, vieles besser
zu machen.
Von der Schlüsselbranche Bau hängen direkt oder indirekt mehr als 3 Millionen Arbeitsplätze ab. Die dort beschäftigten 3 Millionen Menschen müssen für insgesamt
10 Millionen Menschen sorgen. Die Bauwirtschaft befindet sich in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten, und zwar
durch die falsche Gesetzgebung und die falschen Rahmenbedingungen dieser Regierung.
({1})
Ihr eigener Konjunkturbericht vom 2. April 2001 über die
Lage der Bauwirtschaft im Jahr 2000 zeigt, dass seit Übernahme der Regierung durch Rot-Grün im Jahr 1998 ein
beschleunigter Abwärtstrend in der Bauwirtschaft zu verzeichnen ist. Gleich zu Beginn Ihrer Regierungszeit wurden noch unter Finanzminister Lafontaine die Änderungen beim Kündigungsschutz und bei der Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall zurückgenommen.
({2})
Die neue Schlechtwetterregelung führt zu weiteren Belastungen, sodass sich die Krise in der Bauwirtschaft beschleunigen muss.
({3})
Die Steuerreform hat den Mittelstand und auch die
Bauwirtschaft keineswegs entlastet, sondern - im Gegenteil - belastet.
({4})
Es ist sehr fraglich, ob es 2005 - ich betone: 2005 tatsächlich zu einer echten Entlastung kommen wird. Die
Regierung Schröder ist ein Klotz am Bein der mittelständischen Betriebe.
({5})
Mit Bestürzung habe ich die vielen Briefe meiner Kollegen an den Herrn Bundeskanzler Schröder gelesen. Der
Hilferuf der Bauwirtschaft muss Sie doch endlich aufrütteln. Sie ruinieren mit Ihrer Politik die mittleren und kleinen Betriebe. Sie zeigen keinerlei Perspektiven für eine
Besserung auf. Aber dafür wird die Firma Holzmann als
Vorzeigekonzern mit Millionen gestützt.
({6})
Die Bauwirtschaft spürt zunehmend, wie die Belastungsgesetze der Regierung Schröder sie wirtschaftlich
unter Druck setzen. Runde-Tisch-Gespräche und Versprechungen helfen den Betrieben nicht. Es ist geradezu eine
Katastrophe, dass die Auftragslage im Frühjahr 2001 für
die meisten Unternehmen so schlecht ist, wie sie sich
schon seit Jahrzehnten nicht mehr dargestellt hat. Die
Bauindustrie spricht vom niedrigsten Umsatz seit 1991.
({7})
Schuld an dieser Misere sind die Ökosteuer, die steuerlichen Nachteile für den freien Wohnungsbau, das neue
Mietrecht und die neuen AfA-Tabellen, die realitätsfremd
und konjunkturfeindlich sind. Verlängerte Abschreibungsfristen sind lebensfremd, weil mit der durchschnittlichen
Verlängerung der Fristen für die Nutzungsdauer von Baufahrzeugen und -geräten der hohe Verschleiß am Bau völlig verkannt wird.
Weitere Gründe für die schlechte Lage in der Bauwirtschaft sind das Zurückfahren der öffentlichen Haushalte
und das übermäßige Sparen der Länder und Kommunen
bei Investitionen im Baubereich und besonders im sozialen Wohnungsbau. 1992 wurden noch 2,5 Milliarden DM
für Baumaßnahmen ausgegeben; im vergangenen Jahr
waren es nur noch 36,9 Milliarden DM.
({8})
Die dringend notwendigen Investitionen im Kanalbau,
beim Ausbau der Schienenwege, beim Flughafenbau sowie beim Bundesfernstraßenbau stagnieren. Wenn man
den Ausbau des Schienennetzes mit einer hohen Priorität
versieht, muss festgestellt werden, dass die hierfür zur
Verfügung gestellten Beträge gar nicht verbaut werden
können. Es gibt bisher für dieses Verbauen überhaupt
keine fertigen Planungen.
({9})
Alles, was bisher die Regierung Schröder vorgelegt hat,
ist Stückwerk.
Meine Damen und Herren, wir brauchen für die Bauwirtschaft klare und faire gesetzliche Rahmenbedingungen, konzertierte Infrastrukturplanungen,
({10})
damit die Länder und Kommunen im Kanal- und Straßenbau, aber auch beim Bau von Schulen wieder investieren.
Wir brauchen privatwirtschaftliche Finanzierung beim
Bau und Unterhalt des gesamten Straßennetzes - nicht nur
bei Einzelprojekten - sowie steuerliche Entlastungen
auch bei Sanierungen.
Ich fordere die Regierung auf, den Hilferuf der Betriebe ernst zu nehmen und so schnell wie möglich die geforderten Rahmenbedingungen zu schaffen - zum Wohle
der Betriebe, aber auch zum Wohle der Arbeitnehmer.
({11})
Für die
SPD-Fraktion spricht der Kollege Dieter Maaß ({0}).
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Zur Lage der Bauindustrie gehört,
über illegale Beschäftigung zu reden.
({0})
Dieses Thema hat der Deutsche Bundestag wiederholt behandelt, und ich möchte hierüber als Schwerpunkt meines
Beitrages reden. Dieses Thema ist bisher ohne greifbares
Ergebnis behandelt worden. In den vergangenen zehn Jahren hat es einen dramatischen Anstieg der illegalen Beschäftigung und der Schwarzarbeit gegeben.
({1})
Die illegale Beschäftigung boomt.
Was erwartet eigentlich ein Bauarbeiter, der durch illegale Beschäftigung seinen Arbeitsplatz verloren hat und
heute diese Debatte verfolgt? - Er erwartet, dass wir das
Problem lösen. Das sollte einfach sein; denn keiner will
Schwarzarbeit, keiner will illegale Beschäftigung ({2})
die Bauwirtschaft nicht, die Gewerkschaften nicht, die
Regierung nicht, dieses Parlament nicht. Es gibt praktisch
niemanden, der sie will.
Wir wissen, 100 000 durch illegal Beschäftigte vernichtete Arbeitsplätze führen zu Steuer- und Beitragsverlusten von 3 Milliarden DM. Wir wissen, 100 000 verhinderte illegale Beschäftigungsverhältnisse könnten zu
mehr als 60 000 legalen Beschäftigungsverhältnissen
führen und damit zu Mehreinnahmen für den Staat und die
Sozialversicherung von mehr als 2 Milliarden DM.
Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Kohl hat
mehrere Versuche unternommen, illegale Beschäftigung
und Schwarzarbeit einzudämmen. So ist am 1. März 1996
das Arbeitnehmer-Entsendegesetz in Kraft getreten. Ziel
dieses Gesetzes war gleicher Lohn, gleiche Arbeitsbedingungen, gleiche rechtliche Verpflichtungen für deutsche
und ausländische Arbeitnehmer auf den Baustellen. Ein
Jahr später hat das Bundesministerium für Raumordnung,
Bauwesen und Städtebau diese gesetzliche Regelung mit
einem Erlass ergänzt: die Tariftreueerklärung. Diese Maßnahmen haben nicht zum Erfolg geführt.
Die neue Bundesregierung hat bereits auf den Anstieg
illegaler Beschäftigung reagiert.
({3})
Um legale Beschäftigungsverhältnisse weiter zu sichern,
wurde das Arbeitnehmer-Entsendegesetz entfristet und
die Arbeitgeberhaftung für den Mindestlohn gesetzlich
verankert.
Meine Damen und Herren, wir dürfen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit nicht als den unvermeidlichen Normalfall hinnehmen,
({4})
ganz egal, ob Schwarzarbeit beim Bau von Eigenheimen
als Nachbarschaftshilfe getarnt oder ob in kriminellen
Strukturen die Ausbeutung von Menschen organisiert
wird. Wir müssen uns alle gemeinsam die Frage stellen:
Wer sind die Nutznießer illegaler Beschäftigung? Ganz sicher sind es die Firmen, die mit krimineller Energie
Steuer- und Sozialbeiträge hinterziehen. Was ist von der
Moral eines seriösen Bauherren zu halten, der ganz genau
weiß, dass sein Auftrag auch durch illegal Beschäftigte
ausgeführt wurde?
Ich sage selbstkritisch: Auch wir im Deutschen Bundestag sollten uns verantwortlich fühlen, wenn wir erfahren, dass bei Arbeiten an Bundesbauten in Bonn und
Berlin Menschen illegal beschäftigt werden. Der Nachweis illegaler Beschäftigung wird immer schwieriger,
weil die Täter ihre Verschleierungs- und Umgehungsmethoden immer weiter verfeinern. Aber mit klarem
Blick erkennen wir neue Formen illegaler Beschäftigung. Eine Entlohnung unter geltenden Tarifverträgen
würde ich als illegal bezeichnen; Lohndumping heißt
das wohl.
Die Bauinnung der Region Bayreuth schreibt uns, dass
es Betriebe gibt, die ihre Mitarbeiter zu fest vereinbarten
Monatslöhnen einstellen. Eine Kontrolle auf Einhaltung
des Mindestlohns und der gearbeiteten Stunden zum Mindestlohn ist nicht mehr möglich.
Wir müssen die illegale Beschäftigung radikaler
bekämpfen. Deshalb fordern wir in unserem Antrag an die
Bundesregierung vom 8. Februar 2001: Erstens. Wir müssen Abschreckungswirkungen erhöhen, um Vollzugsdefizite auszuräumen. Dabei müssen wir nicht nur Bußgelder
und Strafrahmen anheben, sondern auch neue Tatbestände
einführen.
Zweitens. Ganz wichtig ist: Die Effizienz der Arbeit
der Verfolgungsbehörden muss verbessert werden.
Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung gehen häufig
einher mit anderen Vergehen, wie Steuerhinterziehung
oder Verstößen gegen das Ausländerrecht. Wechselseitiger Informationsaustausch zwischen den Behörden ist daher unbedingt notwendig.
Drittens. Wir müssen Firmen, die sich der illegalen Beschäftigung schuldig gemacht haben, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausschließen.
({5})
Alle am Wirtschafts- und Arbeitsleben Beteiligten sind
gefordert, illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit
zurückzudrängen. Hierbei kommt der öffentlichen Hand
eine Vorbildfunktion zu.
({6})
Als Gesetzgeber und als Bauherr muss der Staat besonders auf die Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Bestimmungen achten.
Wenn alle, die dies intensiv wollen, gemeinsam an Lösungen arbeiten, werden wir zum Erfolg kommen und
Schwarzarbeit sowie illegale Beschäftigung wirksam
zurückdrängen können. Auch der arbeitslose Bauarbeiter,
der auf uns schaut, kann dann wieder Hoffnung schöpfen.
({7})
Ich gebe das
Wort nunmehr dem Kollegen Hans-Michael Goldmann.
Er spricht für die Fraktion der F.D.P.
Sehr geehrter
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
finde es gut, dass wir diese Dinge noch einmal in einer
Aktuellen Stunde ansprechen; denn wir sind uns wohl einig, dass die Problematik in der Bauwirtschaft sehr aktuell und sehr brennend ist. Sie unterscheidet sich von den
Problemen in anderen Branchen sehr wohl. Im Laufe dieses Jahres werden sie uns wahrscheinlich noch mehr beschäftigen müssen. Aber in der Bauwirtschaft sieht es generell schlecht aus; speziell regional sieht es zum Teil
dramatisch aus. Ich selbst komme aus dem Emsland, aus
einer Region im Nordwesten Niedersachsens, wo gerade
in diesem Bereich sehr viele Menschen beschäftigt sind.
Dort herrscht wirklich große Sorge darüber, wie es weitergeht.
Kollege Maaß, hier ist sicherlich die illegale Beschäftigung anzusprechen. Wir sollten uns in solchen Fragen
nicht auseinander dividieren lassen. Wir sollten hier wirklich versuchen, Gemeinsamkeit herzustellen.
Auf die Frage des Kollegen Hinsken - er hat sie vorhin
in der Fragestunde gestellt -, wie hoch der Anteil ausländischer Bauunternehmer an den in Berlin zurzeit in Bau
befindlichen Großprojekten des Bundes sei, wurde geantwortet, es gebe keine ausländischen Bauunternehmen.
Wenn das stimmt und wenn gleichzeitig wahr ist - Sie
deuteten das an -, dass in diesem Bereich sehr viele Menschen illegal beschäftigt sind, dann müssen dort Unternehmen tätig sein, die Mitglieder derjenigen Verbände
und Organisationen sind, die Fürsprecher in diesem Parlament haben. Wenn ich zum Beispiel an die IG BAU
Dieter Maaß ({0})
denke, dann frage ich mich natürlich: Was ist ihr Beitrag
zur Lösung dieses dramatischen Problems?
({1})
Wir sollten hier gemeinsam über eine Lösung nachdenken.
({2})
- Es ist mir schon klar, dass Sie der Meinung sind, ich
hätte keine Ahnung und Sie seien der Einzige, der Ahnung
hat.
Ihre Bemühungen in dieser Sache sind geradezu großartig.
({3})
Wenn Ihr Kollege Maaß vorhin auf der einen Seite erklärt,
es sei schon einiges unternommen worden, sich aber auf
der anderen Seite darüber beklagt, dass es so viel illegale
Beschäftigung gibt, dann frage ich mich: Was haben Sie
eigentlich in den letzten drei Jahren gemacht?
({4})
Tun Sie doch nicht so, als ob es sich um Probleme von
1998 handele!
({5})
Nehmen Sie doch zur Kenntnis, dass wir hier in der Aktuellen Stunde ein aktuelles Thema ansprechen!
({6})
- Ihr Zwischenruf zeugt von einem Ausmaß an Intelligenz, das nur schwer zu ertragen ist, Herr Kollege.
({7})
Ich möchte über Ihre Lösungsansätze sprechen. Es ist
völlig unbestritten, dass Sie das eine oder andere gemacht
haben. Die Frage ist nur, ob Sie das Richtige gemacht haben. Wenn ich mir die Gesamtheit der Missstände anschaue, die wir in der Bauwirtschaft zu beklagen haben,
dann komme ich zu dem Schluss, dass Ihre Maßnahmen
nicht so wirksam sind, wie Sie es nach außen hin immer
darstellen. Was Sie bisher auf den Weg gebracht haben
- ich erwähne in diesem Zusammenhang die Investitionskürzungen, die Steueränderungen, die neuen Regelungen
beim Wohngeld und bei der Eigenheimzulage, das, was
Sie bisher im Zusammengang mit der Problematik Leerstand Ost getan haben -, scheint nicht so wahnsinnig
wirksam zu sein. Warum sonst sollte die Bauwirtschaft
vom letzten Jahr als dem schlimmsten Jahr der Nachkriegszeit sprechen? Das passt doch nicht zusammen.
({8})
Ihr Problem ist, dass Sie nicht in der Lage sind, intelligente und zukunftsfähige Lösungen auf den Weg zu bringen. Beispielsweise halten Sie beim sozialen Wohnungsbau an Ihrer traditionellen Auffassung fest, die Initiative
müsse von oben, also vom Bund ausgehen. Diese Überlegungen sind falsch.
Ich will Ihnen einmal ein typisches Beispiel nennen
- wir haben heute schon im Ausschuss darüber geredet -:
Der Tagesspiegel aus Berlin hat heute einen Artikel mit
der Überschrift Privatwirtschaft will den öffentlichen
Investitionsstau auflösen veröffentlicht. In diesem Artikel wird vom so genannten BOT-Modell, Build Operate
Transfer, gesprochen. Dieses Modell der privatwirtschaftlichen Finanzierung läuft auf Leasing hinaus. Damit
werden Investitionen getätigt und Arbeitsplätze geschaffen.
({9})
- Nein, dieses Modell hat nichts mit den so genannten
Vorfinanzierungsmodellen zu tun. Sie müssen sich schon
einmal mit dieser Thematik beschäftigen. - Dieses Modell beinhaltet intelligente Lösungen für bestehende Probleme und wird der Aktualität dieses Themas gerecht.
In dem erwähnten Artikel heißt es:
Von politischer Seite wird aber kein Diskussionsbedarf in Bezug auf die geltende Vergabeverordnung
gesehen: Die bisherigen Instrumente sind ausreichend, sagt der Sprecher des Bauministeriums.
Ich kann dazu nur sagen: Nein, die bisherigen Instrumente
sind eben nicht ausreichend. Wir müssen neue und intelligentere Wege gehen. Wir müssen die Maßnahmen bündeln, so wie wir es in unserem Antrag zum Wohnungsproblem in den neuen Ländern zum Ausdruck gebracht
haben.
Wir müssen den Weg gehen, der vorhin schon angesprochen wurde und den Herr Pällmann im Verkehrs- und
Bauausschuss angesprochen hat, nämlich weg von der öffentlichen Finanzierung und hin zur Nutzerfinanzierung.
Aber wenn wir Anträge stellen, in denen eine auch nur
modellhafte Erprobung gefordert wird, dann blockieren
Sie. Deswegen kann man Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie für einen Großteil der Probleme, die wir in
der Bauwirtschaft haben und die schlimme Auswirkungen
für die Menschen haben, verantwortlich sind.
({10})
- Frau Gleicke, das ist so. Sie sind dafür verantwortlich,
dass so viele Menschen in diesem Bereich Arbeit verlieren und dass die Mittelständler enorme Schwierigkeiten
haben, in diesem Bereich konkurrenzfähig zu sein.
({11})
Ich kann Sie nur bitten, zu versuchen, einvernehmliche
Lösungen in diesem Haus zu erreichen.
({12})
Für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen spricht die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Goldmann, ich finde es sehr gut,
dass wir über die Situation in der Bauwirtschaft reden. Ich
finde es aber etwas zu kurz gegriffen, wenn man der Meinung ist, dass die Politik massiv eingreifen muss, um die
Probleme der Marktwirtschaft zu lösen.
({0})
Ich werbe daher dafür, erst einmal zu analysieren, welche
Probleme wir überhaupt haben. Dann können wir über
Lösungen diskutieren.
Das Erste: Die Bauinvestitionen in Westdeutschland
sind seit 1996 im Prinzip stabil; sie sind sogar ein wenig
gestiegen, und zwar von 345,7 in 1996 auf 353,1 in 2000;
die Einheit weiß ich jetzt nicht genau.
({1})
Das Problem liegt vielmehr in Ostdeutschland. In Ostdeutschland sind die Bauinvestitionen seit 1996 von
145,8 auf 116,6 gesunken.
({2})
Die Steigerung in Westdeutschland ist zwar nur gering,
aber man sollte hier hinsichtlich der Auftragslage nicht
dramatisieren.
({3})
Die erste These ist also, dass wir in der Bauwirtschaft
in Ostdeutschland ein großes Problem haben.
({4})
Dieses Problem muss man spezifisch analysieren.
({5})
Es hängt damit zusammen, dass die Bauwirtschaft in den
vergangenen zehn Jahren insbesondere durch die Sonderabschreibungen Ost in einer unangemessenen Form aufgebläht worden ist,
({6})
dass wir nun Wohnungsleerstand und Büroleerstand haben und beleuchtete Äcker, die praktisch als leere Gewerbeflächen auf Investoren warten.
({7})
Jetzt haben wir nicht nur mit diesem Leerstand Probleme,
sondern auch mit einer Bauwirtschaft, die wieder auf ein
angemessenes, normales Maß zurückgeführt werden
muss. Das ist eine Aufgabe, um die wir uns bemühen, die
aber die Politik nicht einfach lösen kann, da sie auch ein
marktwirtschaftliches Problem ist.
Das zweite Problem ist die wohnungswirtschaftliche
Bauwirtschaft. Auch da müssen wir unterscheiden. Wir
haben - das steht auch heute in den Zeitungen - einen eindeutigen Rückgang beim Wohnungsneubau. Gerade im
letzten Jahr gab es mit 423 000 Wohnungen einen Rückgang um 11 Prozent. Aber die Hauptaufgabe im Wohnungsbau ist in Zukunft nicht mehr der Neubau; denn wir
haben in den meisten Regionen überwiegend ausgeglichene Wohnungsmärkte, in Ostdeutschland sogar enorme
Überangebote und damit das Leerstandsproblem.
Von daher verschieben sich die Investitionen im Wohnungsbau schrittweise in den Bestand. 50 Prozent der
wohnungswirtschaftlichen Investitionen gehen inzwischen in den Bestand. Damit wir nicht an falscher Stelle
Panik machen: Die Investitionen der Wohnungsbauwirtschaft West sind seit 1996 von 207,9 Milliarden DM auf
216,1 Milliarden DM angestiegen, während sie im Osten
von 69,3 Milliarden DM auf 54,4 Milliarden DM gesunken sind. Auch da haben wir also ein Ost-West-Gefälle.
Ich bitte dringend, die Bauinvestitionen nicht immer
am Neubauvolumen und an der Entwicklung der Neubautätigkeit zu messen. Wir wissen alle sehr wohl, dass
wir diese Verschiebung vom Neubau auf den Bestand
dringend brauchen. Das ist die Aufgabe der Zukunft.
({8})
Natürlich erfordert diese Aufgabe auch Verschiebungen in der Bauwirtschaft; denn es ist eine kleinteilige
Bauwirtschaft, eine Bauwirtschaft, die insbesondere die
kleinen und mittleren Unternehmen fordert, die mehr Arbeitskräfte erfordert, weil sie arbeitsintensiv ist. Von daher sollten wir diesen Prozess konstruktiv nehmen.
({9})
Lassen Sie mich noch eines deutlich sagen. Wenn Sie
meinen, mehr Wohnungsbau
({10})
durch eine Reform des Mietrechts, durch noch mehr Eigenheimförderung, durch noch mehr Steuerentlastung
oder sonst was zu erreichen, dann argumentieren Sie völlig falsch.
({11})
Ein Marktwirtschaftler sollte wissen: Da, wo es einen gesättigten Markt gibt, kann man ihn nicht ständig weiter
aufblähen, bis er wie ein Luftballon platzt.
({12})
- Herr Kollege Goldmann, ich habe langsam den Eindruck, Sie wollen, dass wir in zehn Jahren in Westdeutschland die gleiche Situation haben wie jetzt in Ostdeutschland; denn Sie wollen überhaupt nicht mehr
marktmäßig bauen und investieren,
({13})
sondern nur noch nach Ideologie. Das halte ich wirklich
für absolut falsch, für eine Fehlentwicklung, die wir nicht
unterstützen werden.
({14})
Gestatten Sie, dass ich, bevor meine Redezeit zu Ende
ist, noch einen Satz zu einem entscheidenden Problem
sage, das der Kollege Maaß schon deutlich angesprochen
hat, nämlich dass wir in der Bauwirtschaft eine wirklich
harte Konkurrenz mit einem Lohn- und Preisdumping haben, das uns allen große Sorge macht. Auch da ist es besser, eine ehrliche Diskussion zu führen, als hier Pingpong
zu spielen.
({15})
Wir wissen ganz genau, dass der Einsatz von staatlichen
Instrumenten zur Steuerung der Wirtschaftsprozesse in einer Marktwirtschaft sehr schwierig ist.
({16})
Der Kollege Maaß hat schon darauf hingewiesen, was alles getan worden ist, gerade unter der rot-grünen Regierung. Wir haben das Entsendegesetz novelliert, um die
Regelungen zu verschärfen,
({17})
um insbesondere die Generalunternehmer mit in Haftung
nehmen zu können.
({18})
Wir haben das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen auf den Weg gebracht. Die Regierung hat mit den
Gewerkschaften und der Bauwirtschaft das Zehnpunkteprogramm auf den Weg gebracht.
({19})
Wir sind jetzt dabei, das vom Bundesrat eingebrachte Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe zu beraten. Bei all diesen Punkten versuchen wir
Schritt für Schritt, wieder mehr Boden unter die Füße zu
bekommen.
Wir erwarten aber auch - das stört mich an dieser Diskussion - von der Bauwirtschaft, von den Verbänden, von
den Unternehmen, dass sie auf ihrer Seite alles tun, um
den Sumpf illegaler Strukturen, die in ihren Bereichen
Einzug gehalten haben, wieder trockenzulegen, damit
wir wieder eine solide Baukultur und -wirtschaft bekommen.
({20})
Diese Aufforderung richtet sich nicht nur an den Staat,
sondern auch an die Gesellschaft und die Wirtschaftsunternehmen selbst. Ich finde es gut, wenn wir in diesem
Sinne gemeinsam diskutieren und nicht billige Polemik
üben.
Danke schön.
({21})
Nun spricht
für die Fraktion der PDS die Kollegin Christine
Ostrowski.
Ich finde erstens, liebe
Kollegen von der CDU/CSU, dass Sie sich bisher mit Initiativen zur Wohnungs- und Baupolitik nicht gerade hervorgetan haben.
({0})
Insofern verstehe ich nicht, warum Sie sich jetzt hier so
große Sorgen machen. Ich schließe daraus, dass Ihre Behauptung, Sie machten sich große Sorgen, nur eine Hälfte
der Wahrheit ist und Sie mit dieser Aktuellen Stunde noch
etwas anderes bezwecken.
({1})
Zweitens muss ich Ihnen sagen, dass eine Wohnung
gebaut wird, damit jemand darin wohnen kann, und nicht,
damit die Bauwirtschaft beschäftigt wird. Das klingt so
selbstverständlich, doch während Ihrer Regierungszeit
wurden die Prioritäten genau andersherum gesetzt. Im
Osten wurden Hunderttausende Wohnungen am Bedarf
vorbeigebaut.
({2})
Sie sind vorrangig aufgrund von Steuerersparnissen und
nicht, weil sie gebraucht wurden, gebaut worden. Die ostdeutsche Bauwirtschaft erlebte so kurzzeitig eine künstliche Hochkonjunktur und fiel danach umso tiefer in ein
Loch, mit all den negativen Folgen wie Insolvenzen, KonFranziska Eichstädt-Bohlig
kursen, hohe Arbeitslosigkeit, Niedriglohn, Überschuldung usw.
({3})
Wer im Glashaus sitzt, meine Damen und Herren, sollte
nicht so stark mit Steinen werfen;
({4})
denn vieles, was Sie jetzt beklagen, haben Sie selber verursacht.
({5})
Drittens. Liebe Kollegen von der Koalition, nun zu Ihnen: Natürlich braucht die Bauwirtschaft verlässliche Bedingungen; das ist klar. Dies gilt umso mehr, da 85 Prozent der Betriebe Kleinunternehmen sind. Dass die
wichtigste Bedingung für das Gedeihen der Bauwirtschaft
ein verstetigtes, kontinuierliches Bauen, insbesondere im
Mietwohnungsbereich - der Säule der Bauwirtschaft
schlechthin - ist, ist auch klar.
({6})
Dies ist im Übrigen auch wichtig für 50 Millionen Mieter.
Viertens. Von dieser Stetigkeit sehen wir allerdings im
Moment nicht viel. Die Bauinvestitionen sind rasant eingebrochen, die Mietwohnungsnachfrage zieht wieder an.
Mietwohnungen werden in allen südlichen Regionen in
Westdeutschland wieder knapp. Der Mietwohnungsbau
fiel ingesamt unter die Ersatzrate. Frau Eichstädt-Bohlig,
auch wenn wir uns noch ewig darüber streiten, sage ich
Ihnen: Man wird eine Ersatzrate von mindestens 1 Prozent im Jahr gewährleisten müssen. Dieses Volumen, das
sind 380 000 Wohnungen im Neubau bzw. in der Wiederherstellung, muss erbracht werden. Das besagt im Übrigen auch Ihre eigene Wohnungsprognose. Diese Ersatzrate gewährleisten Sie nicht. Der Mietwohnungsbau ist
eingebrochen. Selbst beim Eigenheimbau ist eine Flaute
festzustellen.
Auch die öffentlichen Investitionen gehen zurück, und
zwar in einer Größenordnung, dass einem angst wird.
({7})
In einigen Kommunen sind nicht einmal mehr die Ersatzinvestitionen an öffentlichen Gebäuden und Plätzen gewährleistet. Dies gilt besonders für Ostdeutschland. Es ist
wirklich eine hanebüchene Situation, wenn einerseits in
der Vergangenheit - gefördert durch Ihre Politik - große
Einkaufszentren etc. gebaut wurden,
({8})
andererseits, da die Kommunen sich übernommen haben,
Schulen, öffentliche Plätze und Straßen verfallen. Das
kann ja wohl nicht sein.
({9})
Wir haben es mit einer hohen Arbeitslosigkeit im
Baubereich zu tun. Die Zahlen sind genannt worden,
100 000 Menschen sind in diesem Bereich im vergangenen Jahr arbeitslos geworden. Liebe Kollegen von der
CDU/CSU, tun Sie aber bitte nicht so, als würde dies nur
an der rot-grünen Regierung liegen. Die Beschäftigtenzahlen im Baugewerbe sind seit 1992 stetig - in einer
wunderschön gleichmäßigen Kurve - gesunken.
({10})
Sie haben die Beschäftigtenzahlen trotz Ihrer Steuerabschreibungen auch nicht halten können. Unter Rot-Grün
geht die Beschäftigtenzahl im Baugewerbe leider weiter
nach unten.
Was die illegale Beschäftigung anbelangt, meine Damen und Herren, hat zweifellos die neue Bundesregierung
eine ganze Menge neu auf den Weg gebracht. Trotzdem
muss ich Ihnen sagen, liebe Kollegen - ich denke, das
wissen Sie auch; das können Sie auch in Ihrem eigenen
Bericht nachlesen, den wir gerade behandeln -: Wir können noch nicht zufrieden sein.
({11})
Wir können doch nicht allen Ernstes behaupten - das
tun Sie ja hoffentlich auch nicht -, dass irgendetwas in
dem gesamten Komplex der illegalen Beschäftigung
wirklich richtig eingedämmt worden wäre.
({12})
Da wundert mich natürlich schon, dass die Bundesregierung so resistent ist und die umfangreichen Vorschläge
der IG BAU und des DGB, die nahezu oder zumindest in
wichtigen Punkten gleich lautend sind mit Vorschlägen
der Länder, des Bundesrates oder auch anderer Institutionen, überhaupt nicht aufgreift.
({13})
Offensichtlich muss man, wenn sich die Situation nicht in
einem neuen qualitativen Sprung zum Positiven verändert
hat, die bisherigen Instrumente hinterfragen. Das ist doch
wohl völlig klar!
Dass die Frage der illegalen Beschäftigung sehr ernst
ist, zeigt mir auch der Antrag der Koalitionsfraktionen.
Meines Erachtens haben die sich erstmalig öffentlich gegen ihre eigene Regierung gestellt.
({14})
Das ist mir sonst noch nie vorgekommen. Sie sagen
nämlich richtigerweise, die Regierung müsse Vorbildwirkung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge haben. Wir
haben danach vorhin in der Fragestunde gefragt. Da haben Sie, Herr Großmann, im Prinzip die Vergabeordnung
vorgelesen. Aber das ist die graue Theorie! In der Praxis
ist es allgemeine Tendenz, dass öffentliche Aufträge an
den billigsten und mitnichten an den wirtschaftlichsten
Anbieter gehen.
({15})
Wenn man solch ein Gesetz einfach im Wortlaut vorliest, dann muss ich sagen: Das kann nicht ausreichen,
weil damit sogar die öffentliche Hand - gewollt oder ungewollt - illegale Beschäftigung fördert.
({16})
Das ist doch wohl die Wahrheit!
({17})
Das heißt also, meine Damen und Herren von der
CDU: Sie haben in Ihrer Regierungszeit eine ganze
Menge Ursachen gelegt. Sie von der SPD haben die Probleme nicht etwa zum Positiven gewendet,
({18})
sondern die Situation in der Bauwirtschaft ist heute
schlechter - auch das ist die Wahrheit -, als sie noch
während Ihrer Regierungszeit war.
Sie machen folgenden Fehler: Es hat mit Ihrem Regierungsantritt einen finanziellen Sturz gegeben - der war ja
nun wirklich rasant -, einen ganz steilen Sturz in der Finanzierungsverantwortung, die Sie eigentlich haben. Sie
haben Steuervergünstigungen und die direkte Förderung
gestrichen. Das hat mit einer Verstetigung nichts zu tun.
Sie hätten diese Mehreinnahmen, die Sie aus der Streichung steuerlicher Vergünstigungen bekommen haben,
bitte schön in die direkte Förderung geben können.
({19})
Dann hätten Sie das Baugewerbe verstetigt, dann hätten Sie den Wohnungsbau verstetigt. Das haben Sie versäumt.
({20})
Nun gebe
ich das Wort für die SPD-Fraktion dem Kollegen
Wolfgang Weiermann.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns einig, dass
der Mittelstand der Motor der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland ist.
({0})
- Da können Sie alle klatschen!
({1})
Wenn das nicht so wäre, dann könnten wir unsere Debatte
gleich beenden. Das wollen wir ja alle nicht.
Das Baugewerbe gehört natürlich dazu. Damit der Motor dort nicht stottert, muss man vernünftige politische
Ideen entwickeln. Das ist doch gar keine Frage!
({2})
Es gehört sich eigentlich in der Sache, dass dieses Haus
das feststellt. Ich weiß gar nicht, was Sie daran stört. Aber
Sie müssen in der Debatte ehrlich sein und auch einmal
deutlich machen, dass Sie jahrelang die Möglichkeit hatten - ich will zu dem Thema keine weiteren Ausführungen machen -, in der Frage der illegalen Beschäftigung
durchaus Zeichen zu setzen und diese Entwicklung aufzuhalten. Das haben Sie nicht getan. Das muss man eindeutig feststellen.
({3})
Das ist, meine Damen und Herren, ein Teil der Misere, die
wir heute auch im Baugewerbe haben. Das müssen wir
doch deutlich festhalten.
({4})
Im Bereich des Mittelstandes sind - das will ich positiv hervorheben - in den letzten Jahren rund 45 Prozent
aller Investitionen erfolgt. Hier wurden rund 46 Prozent
der steuerpflichtigen Umsätze und mehr als die Hälfte der
Bruttowertschöpfung, das heißt der gesamten Wirtschaftsleistung erbracht. Bei mittelständischen Unternehmen waren zwei Drittel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, und circa vier Fünftel aller
Ausbildungsplätze, die angeboten wurden, waren hier zu
finden. Das ist eine Leistung, die wir respektieren. Deswegen wollen wir alle Kräfte mobilisieren, um zu erreichen, dass dies auch so bleibt.
Sie haben gesagt, diese Regierung, die etwas mehr als
zwei Jahre im Amt ist, wäre an manchen Dingen, die sich
gegenwärtig ereignen, schuld. Betrachtet man aber die
Bilanz der letzten Jahre Ihrer Regierungsarbeit, so ist festzustellen, dass der aus den jährlichen Insolvenzen resultierende Schaden damals jährlich 60 Milliarden DM betragen hat. Fast eine halbe Million Menschen haben
dadurch in diesem Bereich ihre Arbeit verloren. Das
macht die Maßstäbe deutlich, mit denen wir umzugehen
haben.
Hier möchte ich auch das erwähnen, was vor einigen
Jahren mit Philipp Holzmann geschah. Die exemplarische
Unterstützung eines Unternehmens des Baugewerbes
durch die Bundesregierung war wichtig. Natürlich ging es
nicht um das Unternehmen allein. Mit der Rettung dieses
Unternehmens haben aber insgesamt immerhin
60 000 Menschen
({5})
ihren Arbeitsplatz in den Handwerksbereichen und in den
weiterführenden Bereichen behalten können. Das darf
man an dieser Stelle nicht unterschlagen.
({6})
Es ist heute festzustellen, dass Lohnzahlungen zum
Teil in einer Höhe von 6 DM gewährt werden. Dann frage
ich mich, wie sich normal arbeitende, sich an die Ordnung, an Gesetze und Tarifverträge haltender Unternehmen bewegen sollen. Diese Wettbewerbsverdrängung
können sie doch nicht überstehen. Der Konkurs und die
Insolvenz sind die Konsequenz.
({7})
An dieser Stelle möchte ich deutlich hervorheben, wie
wichtig es war, dass die IG Bauen-Agrar-Umwelt und der
Hauptverband der Deutschen Bauindustrie zusammen mit
dem Bundeskanzler innerhalb der Gespräche zum Bündnis für Arbeit zehn Eckpunkte entwickelt haben. Diese
sind: Erstens. Privates Bauen ist unverzichtbar. Deshalb
sollen bei der notwendigen Reform des sozialen Wohnungsbaus auch die gesamtwirtschaftlichen Belange der
Bauwirtschaft berücksichtigt werden. Zweitens. Ökologisches und preiswertes Bauen fördert die Nachfrage nach
Bauleistung.
({8})
Drittens. Öffentliches Bauen ist ein wichtiges Element
zur Verstetigung beschäftigungswirksamer Bautätigkeit.
Viertens. Die bestehenden Regalsysteme müssen verstärkt genutzt werden. Fünftens. Technischer Fortschritt
sichert Arbeitsplätze im Baugewerbe. Sechstens. Private
Infrastrukturfinanzierung kann Finanzierungsengpässe
überwinden helfen.
({9})
Siebentens. Qualifizierung: Kontinuierliche Fortbildung
sichert Beschäftigung. Achtens. Illegale Beschäftigung
muss wirksam bekämpft werden. Das halte ich persönlich
für eine ganz wichtige Aufgabe, die angegangen werden
muss. Neuntens. Die Zahlungsmoral muss verbessert
werden. Zehntens. Internationale Erfahrungen müssen für
die Winterbauförderung genutzt werden.
({10})
Wenn Sie sagen, es gebe zwischen den Verbänden, der
Gewerkschaft und der Politik keine sachliche Auseinandersetzung in der Frage, wie dem Baugewerbe zu helfen
ist, dann müssen Ihnen diese zehn Punkte zu denken geben. Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren
von der Opposition.
({11})
Ich habe das Gefühl, dass manche die freie Marktwirtschaft so verstehen, als sei sie ein Freibrief, sich an nichts
zu halten. Das kann es nicht sein. Ich könnte Ihnen aus der
Vergangenheit Präsidenten von Wirtschaftsverbänden
nennen, die insbesondere im Baugewerbe dazu aufgefordert haben, sich nicht an Gesetze zu halten und auch die
Tarifvertragstreue nicht so ernst zu nehmen. Sie können
sich doch nicht darüber wundern, dass Unternehmen bei
einem solchen ungleichen Wettbewerb, in dem wir uns
dadurch befanden und auch heute noch befinden, die Segel streichen müssen, weil sie unter diesem Wettbewerb
leiden und in der Konkurrenz nicht mithalten können. Das
ist doch eine Folge dieser Entwicklung! Die können wir
alle doch nicht wollen!
({12})
Deswegen sage ich an dieser Stelle: Das oberste Ziel muss
sein, dies so schnell wie möglich zu verändern.
Herr Kollege Weiermann, zwischen der vorgesehenen Redezeit
von fünf Minuten und den jetzt erreichten sieben Minuten
besteht ein Unterschied. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn
Sie jetzt zum Schluss kämen.
Wir werden alles dafür
tun, um die baugewerblichen Tätigkeiten mit der notwendigen politischen Unterstützung zu versehen, sodass wir
sagen können: Auch das Baugewerbe hat eine Zukunft.
Wir sind überzeugt, dass diese Zukunft sicher sein wird.
Herzlichen Dank.
({0})
Der Kollege
Ernst Hinsken spricht nun für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich hochinteressant, wenn ein Gewerkschaftsfunktionär, Herr Weiermann,
der auch von mir geschätzt wird, über den Mittelstand und
die soziale Marktwirtschaft spricht, wenn er dann das
Thema Holzmann, das uns in den letzten Jahren beschäftigt hat, anspricht und hier mit falschen Zahlen operiert.
Herr Kollege Weiermann, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass es bei der Firma Holzmann um 13 000 Arbeitsplätze geht - diese Zahl an Arbeitsplätzen hält sie
momentan vor - und nicht um 60 000, wie Sie das hier
hinausposaunt haben?
({0})
Zweite Bemerkung. Bei der Bauwirtschaft handelt es
sich um eine Schlüsselwirtschaft. Mehrere Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, wie wichtig die heutige
Debatte ist. Wie wichtig sie Ihnen ist, lässt sich an der Regierungsbank ablesen: Es sind nur zwei Staatssekretäre
anwesend. Nicht ein einziger Minister hält es für erforderlich, hierher zu kommen, und eine Staatssekretärin
musste sogar auf ihren Abgeordnetenplatz bei den Grünen
wechseln, damit die Rednerin der Grünen jemanden hat,
der Beifall klatscht, und es bei den Grünen nicht ganz so
leer aussieht. - Das gibt doch zu denken!
({1})
Ich möchte darauf verweisen, dass uns vor allen Dingen eine große Sorge bedrückt und umtreibt: In persönlichen Gesprächen vor allem mit Kommunalpolitikern,
aber auch mit kleinen und mittleren Bauunternehmern haben wir erfahren, dass sie sich momentan in einer katastrophalen Situation befinden. Der Landrat in meinem
Wahlkreis hat mir gesagt, dass allein im letzten Jahr die
Zahl der Bauanträge um 28 Prozent zurückgegangen ist.
Darüber hinaus hat uns ein Hilferuf von Bauinnungen aus
ganz Deutschland erreicht, die versuchen, uns zu sensibilisieren, weil es in der Bauwirtschaft leider sehr negative
Zahlen zu verzeichnen gibt. Viele Mitarbeiter von Baufirmen bangen um ihren Arbeitsplatz.
Herr Wiesehügel, das ist an Sie gerichtet. Ich bedauere
sehr, dass Sie heute nicht sprechen. Denn ich hätte erwartet, dass sich jemand, der im Gewerkschaftsbereich stark
ist, für die Arbeitnehmer, für seine Freunde, einsetzt, damit sie ihren Arbeitsplatz behalten können.
({2})
Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes läutet die Alarmglocken. Es sagt, dass die Auftragsbestände,
die Geräteauslastung und die Baupreise fallend sind. Gibt
es Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, nicht zu denken, dass laut Verband der Vereine Creditreform im Baubereich allein im vergangenen
Jahr über 8 000 Konkurse verzeichnet werden mussten?
Da müssen doch wirklich die Alarmglocken läuten! Leider lässt Sie das in gewisser Hinsicht kalt.
Noch ein weiterer Kronzeuge: Der Präsident des
Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Professor
Walter, sagt leider zu Recht, das Jahr 2000 sei für die Bauwirtschaft das schlimmste Jahr der Nachkriegsgeschichte
gewesen
({3})
und in diesem Jahr sei ein weiterer Abbau um
50 000 Arbeitsplätze zu befürchten. Da müsste es doch
auch bei Ihnen klingeln. Da müsste bei Ihnen, wie es in
meiner Region heißt, das Fünferl fallen, dass es höchste
Eisenbahn ist, etwas zu tun, damit es mit der Bauwirtschaft wieder aufwärts geht.
({4})
Denn es ist zu befürchten, dass die Zahl der Mitarbeiter
im Baugewerbe erstmals auf unter eine Million abrutschen wird. Mich bestürzt vor allen Dingen, wenn ich immer höre, dass Betriebe Arbeitsplätze abbauen oder sogar
die Betriebsaufgabe planen. Was tut die Bundesregierung? - So viel wie nichts.
Das, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen
und Kollegen, darf nicht unsere Zukunft sein. Herr Kollege Scherhag, Sie haben vorhin zu Recht darauf verwiesen. Uns treibt die Sorge, denn wir sind eben auch für diesen wichtigen Wirtschaftszweig da und haben deshalb
diese Aktuelle Stunde beantragt. Wir werden diese Verschlechterung der Lage nicht ohne Taten hinnehmen, sondern wir wollen hier Zeichen setzen und werden es nicht
allein bei dieser Aktuellen Stunde belassen.
({5})
Anstatt für positive Impulse für die heimische Bauwirtschaft zu sorgen, hat die Bundesregierung die Rahmenbedingungen verschlechtert. Die Investitionsquote
im Bundeshaushalt ist auf ein historisches Tief gesunken.
Bei der Verkehrsinfrastruktur
({6})
lebt unsere hoch entwickelte Industrienation inzwischen
von der Substanz. Die Investitionsbereitschaft im Wohnungsbau ist durch eine Reihe steuerlicher Verschlechterungen nachhaltig beschädigt worden. Die Mietrechtsreform weist eine eindeutige familienfeindliche Tendenz
auf und bringt dem Mietwohnungsbau nicht das, was er
braucht, sondern bringt ihn zum Erliegen.
Des Weiteren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, belastet natürlich die Schwarzarbeit. Diese kann - das soll
uns allen ins Gewissen geschrieben werden - nur durch
Senkung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bei
den regulären Arbeitsverhältnissen bekämpft und gesenkt
werden,
({7})
wobei ich auch bereit bin, dem zuzustimmen, was Kollege
Maaß zu Beginn seiner Rede gesagt hat, nämlich dass wir
alle gemeinsam Maßnahmen ergreifen müssen, um der
illegalen Beschäftigung verstärkt zu begegnen.
In der Bundesrepublik Deutschland haben wir schätzungsweise 250 000 illegale Beschäftigte. Deshalb verstehe ich nicht, dass zum Beispiel Bundesfinanzminister
Eichel dagegen ist, wenn die Bayerische Staatsregierung
über den Bundesrat versucht, endlich ein Gesetz durchzubringen, das unter dem Titel Eindämmung illegaler Beschäftigung läuft.
Die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand ist genauso
ein Schlag ins Wasser. Investitionshaushaltskürzungen,
die Sie vorgenommen haben, sind meines Erachtens rückgängig zu machen, damit es wieder läuft. Außerdem muss
es doch auch allen zu denken geben, wenn wir feststellen
müssen, dass in einigen Ländern der Bundesrepublik
Deutschland leider mehr Geld für ABM ausgegeben wird
als für den Investitionsbereich.
Deshalb lassen Sie uns antreten und auch den Kommunen wieder die Möglichkeit geben, kommunalfreundliche Politik zu machen und die Investitionen zu tätigen,
die sie dringend tätigen müssen, um über die Runden zu
kommen. Wir müssen auch gemeinsam dafür eintreten,
eine Infrastrukturinitiative zu erreichen. Eine Milliarde
bedeutet 13 000 Arbeitsplätze.
({8})
Herr Kollege Hinsken, ich bin überzeugt, dass Sie noch viel Material haben, das Sie vortragen könnten. Aber auch Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.
Herr Präsident, ich habe
gedacht, nachdem Sie dem Vorredner acht Minuten gegeben haben, dass ich wenigstens sieben Minuten reden
darf. Ich bedanke mich, dass ich die Möglichkeit bekommen habe.
In einem Abschlusssatz möchte ich noch den Wunsch
äußern, der Bundeskanzler möge sich jetzt wenigstens
halb so stark für die mittelständischen und kleinen Baubetriebe einsetzen, wie er das bei der Firma Holzmann getan hat.
Herzlichen Dank.
({0})
Nur der
Ordnung halber, Herr Kollege Hinsken, damit Sie nicht
das Gefühl haben, Sie seien benachteiligt worden: Es waren 7 Minuten und 25 Sekunden.
({0})
Nun gebe ich das Wort der Kollegin Leyla Onur für die
Fraktion der SPD.
({1})
Vielen Dank, Herr Präsident.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich war immer der
Ansicht, mich könne nicht mehr viel überraschen. Die
Dreistigkeit des Kollegen Goldmann hat mich allerdings
überrascht. Herr Kollege Goldmann, Sie waren noch nicht
im Deutschen Bundestag, das ist mir sehr wohl bekannt,
aber Sie sind trotzdem als Redner Ihrer Fraktion auch für
das verantwortlich, was Ihre Fraktion als Koalitionspartner in der alten Regierung getan oder nicht getan hat.
({0})
Ich werde Sie heute noch einmal darauf hinweisen, dass
Sie - die F.D.P. allen voran - sich vehement gegen das
Entsendegesetz gewandt haben,
({1})
weil Sie nicht wollten, dass in diesem wichtigen Bereich
die notwendigen Regeln eingeführt wurden.
In diesem Zusammenhang muss ich Herrn Blüm als
ehemaligen Arbeitsminister ausdrücklich in Schutz nehmen. Er hat sich darum bemüht, hatte aber riesengroße
Probleme mit dem Koalitionspartner F.D.P., die alles getan hat, um das Entsendegesetz zu verhindern.
({2})
Das Fehlen entsprechender Regelungen hat ganz viel
damit zu tun, dass es in der Baubranche über viele Jahre
Schwierigkeiten gegeben hat und leider immer noch gibt.
Das sollten wir nicht vergessen. Es hat sich nämlich
eingespielt, dass Unternehmen mit Subunternehmern
arbeiten, die aufgrund der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Raum erlaubt sind. Grundlage des Entsendegesetzes ist ja die europäische Entsenderichtlinie. Weil
Sie versucht haben, dieses Gesetz zu verhindern, und es
dann auch noch zeitlich befristet haben, konnten sich in
dieser Branche immer mehr Subunternehmer breit machen, was dazu führte, dass Bauunternehmer nur noch zusammen mit solchen Subunternehmern - das nennt man
Mischkalkulation - wettbewerbsfähig sein konnten. Da
liegen manche Wurzeln der heutigen Probleme.
({3})
Sie kritisieren diese Bundesregierung, haben selbst
aber nichts getan.
({4})
- Sind Sie hier der Redner oder habe ich zurzeit das
Wort? - Hier wird kritisiert, die Bundesregierung habe in
den letzten zwei Jahren keine ausreichenden Maßnahmen
ergriffen,
({5})
um ein Problem zu lösen, das seine Wurzeln vorrangig in
Ihrer Regierungszeit hat. Ich stelle fest, dass zahlreiche
Maßnahmen ergriffen worden sind.
({6})
- Sie waren erfolgreich.
({7})
Allerdings ist auch das, was gut ist, noch zu verbessern.
Aus diesem Grunde haben wir, die Koalitionsfraktionen,
jetzt Eckpunkte zur Verbesserung der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit vorgelegt. Es
sind sehr viele Maßnahmen ergriffen worden und aus den
Berichten sind auch Erfolge ablesbar.
({8})
Aber wir, meine Damen und Herren, sind einsichtig genug, um hier noch Defizite festzustellen und entsprechend
zu handeln, wenn bestimmte Dinge noch nicht ausreichen.
Mit diesen Eckpunkten fordern wir die Bundesregierung auf, sehr schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen,
um in all den Bereichen, die der Kollege Maaß bereits angesprochen hat, wirkungsvoller und erfolgreicher durchgreifen zu können.
({9})
- Wenn wir am Freitag dieser Woche einen solchen Antrag verabschieden, wird er zur Folge haben, dass sehr
schnell ein Gesetzentwurf vorgelegt werden wird. Es liegt
dann auch an Ihnen, dass wir ihn genauso schnell beraten
und über ihn entscheiden.
({10})
Ich erwarte mit großem Interesse Ihre konstruktiven Vorschläge;
({11})
denn wir behaupten nicht, die Weisheit für uns allein gepachtet zu haben, sondern sind für konstruktive Vorschläge jederzeit offen.
Allerdings würde ich Vorschläge, meine Damen und
Herren, wie sie auch von der BDA in der Anhörung wieder vorgetragen worden sind, nicht billigen. Sie besagen
nämlich schlicht und ergreifend: Steuern gegen null,
Löhne gegen null, dann gibt es keine Schwarzarbeit mehr.
Ich habe das jetzt verkürzt formuliert, das gebe ich zu.
Aber es trifft genau den Kern.
({12})
- Nein, das entspricht der Wahrnehmung einer bestimmten Argumentation, die insbesondere in Ihren Reihen zu
finden und wie folgt wiederzugeben ist: Wenn mein Nachbar sein Wohnzimmer für 300 DM schwarz und für 800
oder 1 000 DM vom Malermeister tapezieren lassen kann,
dann sei es nahe liegend, dass er sein Wohnzimmer für
300 DM tapezieren lässt. Also, meine Damen und Herren,
wenn das in Ihren Köpfen ist - und das ist es offensichtlich ({13})
und wenn das von Ihnen immer wieder so propagiert wird,
dann sollten wir uns nicht wundern, dass das Unrechtsbewusstsein der Bevölkerung
({14})
in solchen Fragen gen null geht.
({15})
Genau da müssen wir ansetzen. Der Gesellschaft und
dem Staat entsteht ein riesengroßer Schaden. Ich spreche hier nicht nur vom Sozialversicherungssystem und
vom Steuersäckel, sondern insbesondere davon, dass
aufgrund solcher Bedingungen, die wir einfach nicht
länger zulassen wollen und dürfen, reguläre Arbeitsplätze vernichtet und Unternehmer in den Ruin getrieben werden.
({16})
Deswegen fordere ich Sie nachdrücklich auf: Tragen
Sie dazu bei, dass wir illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit effizienter bekämpfen.
({17})
Das ist ein wesentlicher Baustein - es bedarf selbstverständlich noch weiterer Maßnahmen; das ist schon vielfach angesprochen worden -, um gerade der Not leidenden Baubranche - ich möchte es so nennen - zu helfen.
Dies ist gestern - Herr Staatssekretär Großmann hat das
vorhin schon erwähnt - in der Gesprächsrunde mit Vertretern der Bauwirtschaft Niedersachsen ausdrücklich bestätigt worden.
({18})
Die haben ausdrücklich gesagt: Solche Kavaliersdelikte
kann man nicht dulden, sondern - im Gegenteil - wir
müssen gemeinsam dagegen angehen.
Ich danke Ihnen.
({19})
Ich erteile
dem Kollegen Hansjürgen Doss für die Fraktion CDU/
CSU das Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen! Meine Herren! Die Bauwirtschaft ist in
einer krisenhaften Situation. Das ist eine abstrakte Feststellung, die Sie in dem Konjunkturbericht, den wir heute
im Wirtschaftsausschuss auf dem Tisch hatten, nachlesen
können. Besonders erwähnenswert ist jedoch die Tatsache, dass dieser Niedergang in der Bauwirtschaft gerade
in den vergangenen zwei Jahren erfolgt ist, also zu Ihrer
Regierungszeit.
({0})
Denjenigen, die sich hier mehr oder minder ahnungslos
und vielleicht mit einer gewissen Überheblichkeit geäußert haben, möchte ich sagen, dass hinter den KonkurLeyla Onur
sen und der Arbeitslosigkeit, die es zurzeit gibt, immer
menschliche Schicksale stehen.
({1})
Insofern reden wir keineswegs nur über einen abstrakten Vorgang, sondern über das Schicksal unserer Mitbürger.
({2})
Es wäre zu begrüßen, wenn wir zumindest bei Rot und
Grün eine bestimmte Betroffenheit über diese Entwicklung zur Kenntnis nehmen könnten. Stattdessen wird - ist
schwadronieren ein geziemender Ausdruck? ({3})
Sie finden
sicherlich einen anderen Ausdruck.
({0})
- über diese Fragen
herumschwadroniert,
({0})
ohne dass die Bundesregierung tätig wird und die Rahmenbedingungen verbessert. Ursächlich für die nun dramatische Situation in der Bauwirtschaft ist der Umstand,
dass das wirtschaftliche Handeln in Deutschland unter
Rot-Grün mit ihren gesamten Auflagen und Lasten in einem solchen Maße erschwert wurde.
({1})
Das hat Auswirkungen.
Ich weiß, wovon ich rede, weil ich selbst aus der Bauwirtschaft komme. Sie müssen sich einmal ansehen, wie
es bei den am Bau Tätigen im Bereich der freien Berufe
aussieht. Dort gab es dramatische Veränderungen. Viele
meiner Kollegen sind in der Zwischenzeit arbeitslos geworden. Das muss man auch einmal sehen.
Was geschieht? Es gibt einen Bau-Gipfel. Ich bin
gespannt, was dabei konkret herauskommen wird. Ich
vermute, dass es zu medienwirksamen Aussagen, Ankündigungen und Absichtserklärungen kommt. Die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist eine wichtige Facette; das ist
überhaupt keine Frage. Die Schwarzarbeit in Deutschland
führt - abgesehen von ihrer Illegalität - zu Steuermindereinnahmen in Höhe von mittlerweile 668 Milliarden DM.
Aber wer ist daran schuld? - Das sind im Grunde genommen jene, die legales Arbeiten so belastet haben, dass unsere Bürger ausweichen.
({2})
- Im Gegensatz zu Ihnen, verehrte gnädige Frau, weiß ich,
wovon ich rede; ich komme nämlich aus dieser Branche.
({3})
Ihre Ahnungslosigkeit eben war beeindruckend; das muss
ich wirklich sagen.
({4})
Ihr Gesetz zur Zahlungsbeschleunigung war wirklich
ein Flop. Helfen könnte hingegen ein spezifisches Bauvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch. Wir haben einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Er ist abgelehnt worden. Er war solide und gut.
({5})
- Sie würden viel dabei lernen. Es wäre gut für Sie und
Sie würden auf der Karriereleiter einen gewaltigen
Sprung nach oben machen.
({6})
- Meine Damen, meine Herren, beruhigen Sie sich doch!
Denken Sie an Ihren Adrenalinspiegel.
({7})
Weitere Tiefschläge gegen die Bauwirtschaft sind die
Schlechterstellung des Wohneigentums bei der Altersvorsorge und die Pläne zu massiven Erbschaftsteuererhöhungen. Das alles wirkt sich natürlich auch auf die Psyche
aus.
({8})
Die Bauwirtschaft ist keine Schlüsselindustrie, sondern
sie ist ein Seismograph für die Stimmung in Deutschland,
für Investitionen, für Zutrauen in die Zukunft. Ich muss
Ihnen sagen: Bei der derzeitigen Lage erteilt die Bauwirtschaft Ihrer Politik eine klare Absage.
Meine Damen, meine Herren, wo bleibt der medienwirksame Bundeskanzler? Er wartet offensichtlich noch
auf die Erleuchtung durch den Engel Aloisius und die
göttlichen Eingebungen und dann kommt sein medienwirksamer Auftritt.
({9})
Diese Erleuchtung ist ihm noch nicht widerfahren.
Die im Augenblick schon Not leidende Bauwirtschaft
wird in eine aussichtslose Situation geraten, wenn Sie
nicht anfangen zu handeln. Sie stellen die Bundesregierung. Wir als Opposition werden Sie nachdrücklich an
Ihre Pflichten erinnern.
({10})
Nach diesem lobenswert kurzen Beitrag folgt der Beitrag des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Achim Großmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wer geglaubt hat, die Opposition würde in der Fragestunde ein Feuerwerk mit kritischen
Fragen zur Bauwirtschaft veranstalten, sah sich enttäuscht.
Was als Orkan angekündigt war, kam als leises Säuseln.
({0})
Noch nicht einmal die Nachfragemöglichkeiten wurden
genutzt. Einige Kolleginnen und Kollegen hatten es sogar
vorgezogen, der Fragestunde fernzubleiben.
({1})
Nachdem ich hier die ersten Beiträge gehört habe,
frage ich mich, wer dafür verantwortlich ist, dass wir
heute diese Aktuelle Stunde durchführen. Eine solche Debatte hätte man vielleicht vor ein oder zwei Jahren führen
können.
({2})
Sie führen sie aber zu einem Zeitpunkt, in dem die Branche aus der Krise herauskommt. Sie kommen nun in den
Deutschen Bundestag und wollen diese Branche erneut in
die Krise reden. Das finde ich unverschämt.
({3})
Die Bauwirtschaft ist auf gutem Wege, die Durststrecke der letzten Jahre zu überwinden.
({4})
Viele Betriebe haben sich mit Innovationen, der Nutzung
neuer Technologien und marktorientierter Anpassung für
die Zukunft fit gemacht und die Bundesregierung hat gehandelt und eine Reihe von wesentlichen Rahmenbedingungen deutlich verbessert. Die dringend notwendige Kapazitätsanpassung ist noch nicht am Ende, aber die
Investitionsbedingungen für den Bau verbessern sich
deutlich.
({5})
Sie wissen genau, dass die Bundesregierung die Investitionen in Schiene und Straße deutlich erhöht hat. Die
Investitionen in den Straßenbau haben mit rund 11 Milliarden DM ein Rekordniveau erreicht.
({6})
Im Bereich Schiene haben wir mit der Bahn einen Vertrag
geschlossen, der Investitionssicherheit gibt und ein finanzielles Volumen von über 26 Milliarden DM in drei Jahren zur Verfügung stellt.
({7})
Herr Scherhag, ich darf Sie freundlicherweise daran erinnern, dass die letzte Bundesregierung die Investitionen
in die Schiene auf fast 6 Milliarden DM gekürzt hatte.
({8})
Wenn Sie heute beklagen, dass die Bahn nicht in der Lage
ist, alles direkt zu verbauen, dann frage ich Sie: Wer ist
denn daran schuld? Wer hat denn dafür gesorgt, dass die
Bahn nicht richtig planen konnte? Wer hat denn die
Planungsressourcen bei der Bahn abgebaut? Wer hat denn
das Schienennetz marode werden lassen? Wer hat denn
dafür in den letzten Jahren Verantwortung getragen? - Wir
korrigieren das. Wir schaffen die Möglichkeit für Investitionen in die Zukunft.
({9})
Ich zitiere den Vorsitzenden der Bundesfachgruppe
Straßen- und Tiefbau, Wolfgang Paul, der im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes vor wenigen Tagen
eine Pressemitteilung veröffentlicht hat, in der er sich lobend über die Investitionen des Bundes ausspricht. Dort
heißt es wörtlich:
Die Bundesregierung hat die Zeichen der Zeit klar erkannt und stellt mit steigender Tendenz Investitionsmittel für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung.
({10})
Auch die Bauwirtschaft lobt uns also dafür, dass wir endlich die Weichen umgestellt haben und dass wir mehr Mittel für Straße und Schiene bereitstellen.
({11})
Beim Wohnungsbau ist festzuhalten, dass Wohnungen
nicht gegen den Markt gebaut werden können; dies ist hier
schon zutreffend gesagt worden. Die Fertigstellungszahlen lagen im letzten Jahr bei 422 000 Wohnungen. Es
wird also in erheblichem Maße gebaut. Sogar in Ostdeutschland, wo wir einen hohen Leerstand zu verzeichnen haben, sind 86 000 neue Wohnungen fertiggestellt
worden. Mit 422 000 Wohnungen haben wir eine Zahl erreicht, die über dem Ersatzbaubedarf liegt. Für dieses Jahr
schätzt der Sachverständigenrat weitere Fertigstellungen
in Höhe von rund 400 000 Wohneinheiten. Auch diese
Zahl an Wohnungsfertigstellungen geht über den Bedarf
hinaus.
Natürlich haben wir noch nicht alle Probleme gelöst.
Trotzdem gibt es weitere positive Anzeichen, die man
nicht verschweigen sollte. So gibt es eine Pressemitteilung vom Zentralverband des Deutschen Handwerks von
gestern, in der Herr Philipp Folgendes sagt, das Handwerk gehe aber davon aus, dass die Talsohle in dieser
Branche erreicht und deshalb nicht mehr mit einem größeren Beschäftigungsabbau zu rechnen sei. Auch das Handwerk merkt allmählich, dass die Programme, die die
Bundesregierung aufgelegt hat, greifen und dass die Menschen wieder Zuversicht gewinnen und im Baubereich investieren.
({12})
Wenn Sie Herrn Philipp, der ein aktiver CDU-Stadtrat
in der Stadt Aachen war, nicht glauben, zitiere ich eine
weitere Pressemeldung vom heutigen Tage.
({13})
Morgen erscheint die neue Ausgabe der Zeitschrift Capital.
({14})
Capital hat die Renditeimmobilien auf dem deutschen
Wohnungsmarkt von einem Bad Homburger Wirtschaftsforschungsinstitut, Feri, prüfen lassen. Herr Rau von Feri
sagt: Der Markt ist an einem Wendepunkt. Dies stellte
der Immobilienexperte bei seinen Untersuchungen fest.
Alle Zeichen sprächen dafür, begründet Rau seine Prognose:
Die Steuern sinken, das Einkommen steigt, die Zahl
der Haushalte nimmt zu und enttäuschte Börsianer
kehren wieder zu Substanzwerten wie Wohneigentum zurück.
({15})
- Hören Sie doch einfach einmal zu!
Immobilien würden bis 2008 Renditen wie selten zuvor bieten; sie könnten sich wieder problemlos mit
anderen Kapitalanlagen messen und seien zudem der
beste Schutz gegen die Geldentwertung.
({16})
Die Rahmenbedingungen verbessern sich.
({17})
- Sie können sich nur noch dadurch wehren, dass Sie versuchen, mich durch laute Zwischenrufe zu stören. Sie haben offensichtlich keine Argumente.
({18})
Die Zahlen verbessern sich. Ich habe Ihnen heute in der
Fragestunde gesagt: Wir rechnen damit, dass die Bauwirtschaft in den alten Bundesländern nur mit einem kleinen Minus abschließen wird, nämlich mit minus 0,5 Prozent. In den neuen Bundesländern, wo die Bauwirtschaft
einen höheren Kapazitätsabbau durchführen muss, wird
dieser Prozess länger dauern. Dieser Kapazitätsabbau
kommt aber von einem ganz hohen Zyklus.
Herr Staatssekretär, ich darf Sie einen Augenblick unterbrechen. Ich
tue das ungern, aber auf der Besuchertribüne hat eben der
Präsident des Nationalrats der Slowakei, Jozef Migas, mit
seiner Delegation Platz genommen, der uns aber nun wieder verlassen muss.
Ich möchte Sie herzlich begrüßen
({0})
und Ihnen im Namen des ganzen Hauses sagen, dass wir
Ihren Weg in die Europäische Union mit großer Sympathie begleiten werden. Ich wünsche Ihnen noch einen
schönen Aufenthalt in Deutschland.
({1})
Ich denke, Herr Staatssekretär, Sie haben Verständnis
dafür, dass ich Sie unterbrochen habe.
Ja,
selbstverständlich.
Ich will an meine vorherigen Ausführungen anknüpfen: Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt
verläuft in Zyklen. Wir waren auf einer sehr hohen Amplitude, von der aus wir nun den notwendigen Kapazitätsabbau vornehmen müssen. Dieser ist notwendig,
weil die CDU/CSU Ende der 80er-Jahre nichts gegen die
Wohnungsnot getan hat und dann am Anfang der 90erJahre verzweifelt versuchen musste, die sich dramatisch
zuspitzende Wohnungsnot zu bekämpfen. Sie hat durch
eine nicht verstetigte Politik geradezu neue Kapazitäten
entstehen lassen, weil in zeitlicher Verzögerung zu dem
Bedarf Wohnungen errichtet wurden. Auf diese Weise
sind in der Wohnungs- und Bauwirtschaft schwierige
Strukturen entstanden, die überwunden werden müssen.
Im Zusammenhang mit dem Rückgang im Geschosswohnungsbau - auch in dieser Debatte wurde der Eindruck erweckt, der Rückgang hinge mit steuerlichen Beschlüssen aus dem Jahre 1999 zusammen - darf ich Ihnen
einige Zahlen nennen: In den alten Ländern gingen die
Baumaßnahmen im Geschosswohnungsbau 1995/96 um
19,2 Prozent, 1996/97 um 13 Prozent, 1997/98 um 16 Prozent und 1998/99 um 10,7 Prozent zurück. Das sind die
Fakten, die es bei diesem Thema zu nennen gilt.
({0})
Als das Fördergebietsgesetz, das Sie in den neuen Ländern zu lange angewandt haben, durch eine Förderung
mittels Investitionszulagen abgelöst wurde, hatte das zur
Folge, dass der Geschosswohnungsbau in den neuen
Ländern von 1997 bis 1998 um 46,4 Prozent und von
1998 bis 1999 um 47 Prozent zurückging. Das sind Fakten, die zeigen, dass in der Wohnungspolitik Fehler gemacht wurden. Wir mussten versuchen, Anpassungsprozesse in Gang zu setzen, indem wir damit begonnen
haben, die vorhandenen finanziellen Ressourcen in den
Bestand zu lenken. Auf diese Weise tragen wir zu einer
Verstetigung der Bauwirtschaft bei. Außerdem haben wir
mehr Beschäftigung erreicht und die Lohnnebenkosten
gesenkt.
({1})
Wenn sich Herr Doss hier aufbläst und behauptet, es sei
alles sehr teuer geworden, kann ich nur fragen: Wer hat
denn die Lohnnebenkosten gesenkt? - Das war diese Bundesregierung.
({2})
Unter der alten Bundesregierung sind die Lohnnebenkosten jedes Jahr gestiegen.
Wir haben durch eine Erhöhung der Einkommen mehr
Wohnkaufkraft geschaffen sowie innovative und moderne
Instrumente eingeführt. Beispielsweise haben wir für
Bestandsinvestitionen das Gebäudesanierungsprogramm
aufgelegt, von dem sowohl diejenigen, die in ihr selbst genutztes oder vermietetes Wohneigentum investieren, um
geringere Betriebskosten zu haben, als auch Umwelt und
Klima profitieren, weil durch das Programm der CO2Ausstoß gesenkt wird. Das ist eine Aufgabe, der Sie sich
in den letzten Jahren nicht so intensiv gewidmet haben.
({3})
Ich will meine Rede schließen, indem ich nur stichwortartig erwähne, mit welchen finanziellen Mitteln wir
der Bauwirtschaft deutlich helfen werden. Wir können nur
Rahmenbedingungen setzen, im Übrigen muss der Markt
die Bedingungen regeln; wir wissen das. Wir haben die
Energieeinsparverordnung verabschiedet, das KfW-Modernisierungsprogramm aufgestockt, das KfW-Gebäudesanierungsprogramm auf den Weg gebracht, das Altschuldenhilfe-Gesetz geschaffen, das durch seinen § 6 a
die Wohnungsunternehmen entlastet, und die Mittel für
die Städtebauförderung sowie für das Programm Soziale
Stadt aufgestockt.
({4})
Bei der Baumaschinenmesse in München haben Vertreter der Bauwirtschaft gesagt, sie seien es selber leid zu
jammern. Wir müssen ein optimales Klima erzeugen, damit die Menschen wieder Freude am Bauen bekommen.
Wir dürfen den Markt nicht kaputtreden, sondern müssen
helfen, damit der Markt wieder auf die Füße kommt. Die
Rahmenbedingungen für die Menschen, um Eigentum zu
bilden, sind nach wie vor hervorragend. Das Gleiche gilt
für den Bereich der Gebäudesanierung. Das ist das Ergebnis einer zweijährigen Arbeit und dieses kann sich sehen lassen.
({5})
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Gerhard Schulz.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Die Hilfen der Bundesregierung für die Bauwirtschaft sind so groß, dass sich
die Bauwirtschaft neue Feindbilder suchen muss, Ursache
und Wirkung verwechselt und Schwierigkeiten auf Feldern sieht, auf denen keine vorhanden sind.
Als Vertreter des Ausschusses für Angelegenheiten der
neuen Länder möchte ich mich für meine Fraktion kurz
auf ein anderes Thema beziehen; denn hier wird eine Diskussion geführt, die unnötig und des Problems unwürdig
ist, weil sie von dem eigentlichen Problem ablenkt.
Innungen und Kammern aus Hessen und Bayern haben
sich mit bitteren Klagebriefen an den Bundeskanzler gewandt, um ihrem Unmut über das Lohndumping Ost
Luft zu machen. Sie beschweren sich darüber, dass sie im
ehemaligen Zonenrandgebiet durch das Lohndumping in
Ostdeutschland in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten.
Ein Rückblick zur Sache: Nach der Öffnung des europäischen Binnenmarktes im Januar 1993 setzten westdeutsche Bauunternehmen - ich betone: Baukonzerne,
nicht die mittelständischen Baubetriebe - auf den ostdeutschen Baustellen billige Arbeitnehmer aus westeuropäischen EU-Ländern ein. Sie traten damit in Konkurrenz zur ostdeutschen Bauwirtschaft, die nach
Privatisierung und Reprivatisierung von der Treuhand
verpflichtet war, ostdeutsche Bauarbeiter zu beschäftigen,
natürlich zu regulären ostdeutschen Tarifen. Im Februar
1996 trat das Arbeitnehmer-Entsendegesetz mit der Regelung des Mindestlohns in Kraft. Zurzeit beträgt der Mindestlohn im Westen 18,87 DM und im Osten 16,60 DM.
Ich habe meine Zweifel, dass ein Lohnunterschied von
2,27 DM wirklich die Ursache für die Probleme ist, die die
Bauwirtschaft in den entsprechenden Gebieten in Westdeutschland hat.
Ich möchte ein plastisches Beispiel geben. In Leipzig
gibt es eine große GmbH, die sich zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Leipzig befindet. Diese GmbH ist in der
Region der größte Auftraggeber für Wohnungsbau und
Wohnungssanierung. Zwischen diesen Unternehmen und
westdeutschen Baukonzernen hatte sich ein Beziehungsgeflecht entwickelt, welches dazu führte, dass
über Jahre hinweg Bauaufträge in Höhe von Hunderten
Millionen DM nicht an die regionale Bauwirtschaft, sondern an diese großen westdeutschen Anbieter vergeben
wurden. Es hat drei Jahre gedauert, bis die örtliche Bauwirtschaft genügend Beweise gesammelt hatte, um zu belegen, dass dies so ist, und endlich dem Geschäftsführer
dieses Unternehmens - natürlich nach Zahlung einer ordentlichen Abfindung - gekündigt wurde.
Es sind westdeutsche Anbieter, die seit 1992/93 bei öffentlichen Ausschreibungen in Ostdeutschland Preise anbieten, die die Möglichkeiten der örtlichen Bauwirtschaft
übersteigen. Der vom Bundeskanzler so medienwirksam
gerettete Holzmann-Konzern war hierbei ein Vorreiter. Es
wurden und werden Preise und Abschläge angeboten, die
nur zu realisieren sind, wenn es gelingt, Subunternehmer
weit genug zu drücken. Ist dies nicht möglich, nehmen
diese Konzerne in Kauf, dass sie ihre Verluste im Osten
mit ihren noch vorhandenen Gewinnen im Westen ausgleichen. Die ostdeutsche Bauwirtschaft kann das nicht
tun; denn sie hat solche Gewinne nicht.
Zwischen 1995 und 1999 schrumpfte die Bauwirtschaft im Osten um 21,7 Prozent. Das ist das Doppelte
von dem, um das die Bauwirtschaft im Westen geschrumpft ist. Aus meiner Sicht haben die westdeutschen
Firmen - ich betone noch einmal: besonders die Großkonzerne - nur ein Ziel: Marktbereinigung.
Es ist nicht meine Absicht, diese Fakten, die einfach
einmal genannt werden müssen, wenn man über die Probleme der Bauwirtschaft redet, und die Beschwerden gegeneinander aufzurechnen. Ich verfahre wohlweislich
nicht nach dem Motto: Ihr habt es so gemacht und jetzt
machen wir es auch so. Aber ein Hinweis muss gestattet
sein. Kein einziger Auftragnehmer aus dem Westen hat
sich je Gedanken darüber gemacht, dass durch seine Auftragsübernahme die Mitarbeiter eines ostdeutschen Bauunternehmens in Schwierigkeiten geraten; ich betone:
niemand. Dabei rede ich nicht von den Verheerungen, die
durch die zumeist illegale Beschäftigung von super billigen Arbeitskräften aus Osteuropa entstehen, die nicht von
den mittelständischen Bauunternehmern im Osten und
nicht von denen im Westen, die in Ostdeutschland tätig
sind, initiiert wurden.
Die Aktivitäten westdeutscher Bauunternehmer im
Osten sind wesentlich stärker als die der ostdeutschen
Bauunternehmer im Westen. Es gibt in Sachsen den
Spruch - der kommt nicht von irgendwoher -: Bayern
bauen in Sachsen, aber Sachsen bauen nicht in Bayern!
Das kann nicht daran liegen, dass es beim Mindestlohn einen Unterschied zwischen Ost und West von 2,27 DM
gibt.
Die tarifgebundenen ostdeutschen Unternehmen haben
69,8 Prozent tarifliche Lohnzusatzkosten. Im Westen sind
es 96,8 Prozent. Dass es in den ostdeutschen Tarifverträgen kein 13. Monatseinkommen, keine vermögenswirksamen Leistungen, keine Alters- und Invalidenbeihilfen
und keine Ergänzungsbeihilfen für langjährige Betriebszugehörigkeit gibt, liegt am Realismus ostdeutscher Tarifpartner. Ich hoffe, dass sich in absehbarer Zeit hieran
nichts ändern wird. Das ist Wettbewerb. Wer sich angesichts einer Krise einen Wettbewerbsvorteil durch Verzicht und Einschränkung verschafft, wird von mir nicht
kritisiert, sondern gelobt.
({0})
Ich möchte kein West-Ost-Problem aufmachen. Ich
möchte nur ein paar Fakten nennen; denn wenn wir jetzt
ein Feld West-Ost aufmachen, dann lenken wir von den
eigentlichen Problemen ab. Diese sind woanders. Das,
was die Bauwirtschaft in Ost und West braucht, sind Aufträge, auskömmliche Preise und weniger Belastung durch
Steuern und Abgaben - und nichts anderes.
({1})
Wenn diese Regierung den Anteil der Investitionen im
Haushalt 2001 auf rund 11 Prozent reduziert - zur Information: in Sachsen beträgt er in diesem Jahr 26,5 Prozent -, wenn eine Mietrechtsnovelle durch dieses Haus
geprügelt wird, die zukünftige Investoren abschreckt,
wenn Straßen- und Schienenwegebau sich auf einem Niveau befinden, das deutlich unter dem notwendigen liegt,
wenn Abschreibungsbedingungen so verändert werden,
dass sich viele überlegen, ob eine vorgesehene Bauinvestition nicht doch noch verschoben werden sollte und
müsste, wenn eine Steuerreform beschlossen wird, die
Kapitalgesellschaften und dabei besonders die großen bevorteilt, aber Personengesellschaften und dabei besonders
die größeren mittelständischen benachteiligt, dann ist es
nicht verwunderlich, wenn die Bautätigkeit zurückgeht
und die Bauwirtschaft Probleme bekommt.
({2})
Denen, die sich beklagen, kann ich nur zurufen: Liebe
Leute, der Feind sitzt nicht im Osten. Der Feind sitzt auf
der Regierungsbank und auf der linken Seite dieses Hauses. Er behindert den Aufschwung bei der Beschäftigung.
Schönen Dank für Ihre Geduld.
({3})
Das Wort
hat nunmehr der Kollege Peter Rauen, ebenfalls für die
Fraktion der CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär
Großmann, Sie haben eben gesagt, wir hätten die Diskussion vor zwei Jahren führen sollen, weil die Branche jetzt
aus der Krise herauskomme. Sie wissen, dass ich Sie
schätze. Sie wissen auch, dass ich die Branche sehr genau
kenne. Ich bitte Sie, dies nicht mehr zu wiederholen, denn
die Krise der Bauwirtschaft war noch nie so dramatisch
wie jetzt.
({0})
Wovon sprechen wir? Wir haben zurzeit etwa 1 Million
Beschäftigte in der Bauwirtschaft. Davon sind 900 000 in
Betrieben mit weniger als 200 Mitarbeitern beschäftigt; es
handelt sich also um eine zutiefst mittelständisch geprägte
Wirtschaft. Wenn einer wie ich 35 Jahre in der Branche
tätig ist, dann hat er immer wieder erlebt, dass es Konjunkturhochs und -tiefs gegeben hat. Das stört einen nach
35 Jahren nicht mehr. Aber ich muss Ihnen sagen: Wir haben zurzeit eine Situation, die ausweglos erscheint.
({1})
Ich will Ihnen auch sagen, warum. Ich versuche schon seit
Monaten - um meine Stammmannschaft zu halten - unter
den Gestehungskosten anzubieten. Ich bekomme trotzdem nicht genügend Arbeit für die Mitarbeiter.
({2})
Das kann man auch nicht lange machen, denn dann geht
man ja Bankrott. Viele gehen Bankrott, die nicht das
Polster haben, um das noch machen zu können. Ich schaue
mir natürlich an, was meine Konkurrenten besser machen,
die billiger sind. Ich weiß, dass ich gute und hervorragende Mitarbeiter habe, die hoch produktiv sind. Was machen die anderen anders? Ich stelle plötzlich fest, dass Unternehmerkollegen, die ich seit 20, 30 Jahren kenne, einen
Weg gefunden haben, wie sie wirklich billiger anbieten
können. Sie haben ganz legal zum Beispiel im Süden Europas Firmen gegründet und arbeiten mit den Mitarbeitern
beispielsweise von der iberischen Halbinsel hier und
drücken ihren Mittellohn ganz legal auf 30 DM, während
ich meinen deutschen Mitarbeitern rund 59 DM Mittellohn zahlen muss. Da habe ich keine Chance mehr.
Bei diesem Thema muss uns klar werden - das hat sich
schon seit langem aufgebaut und in den letzten drei Jahren enorm beschleunigt -, wovon wir reden. Wenn ich
zum Beispiel in Portugal bin, erlebe ich, dass dort ein
Bauboom ohnegleichen herrscht: über 5 Prozent, wurde
uns gestern von der iberischen Halbinsel berichtet. Ich
habe einmal interessehalber dort die Baustellen besucht
und habe geschaut, wer denn da arbeitet. Die Portugiesen
arbeiten in Frankreich, Luxemburg und hier in Deutschland. Dort arbeiten Marokkaner auf den Baustellen. Das
ist Fakt. Schauen Sie sich einmal um, wer hier arbeitet,
Herr Großmann! Deshalb habe ich das genannt, nicht aus
chauvinistischen Gründen, wie irgend so ein Dummkopf
von der linken Seite gerufen hat,
({3})
sondern weil das die Fakten sind. Hier arbeiten unglaublich viele Leute aus Polen, aus Tschechien, aus der Slowakei, aus Ungarn, und zwar völlig legal. Ich spreche jetzt
nicht von den illegal Beschäftigten. Ich unterstreiche das,
was dazu gesagt wurde, insbesondere von dem Kollegen
Maaß.
Wir müssen begreifen, dass wir es mit einer Lohnwanderung in Europa zu tun haben.
({4})
Wir müssen begreifen, was es heißt, mit einer Herausforderung umzugehen, auf die wir alle noch keine Antwort
haben.
({5})
Wir Politiker halten kluge Reden und sagen: Europäischer
Markt bedeutet freien Verkehr von Waren, Kapital und Arbeit.
({6})
- Lassen Sie doch wirklich diesen dummen Zwischenruf,
wenn ich hier einmal einen Gedanken entwickeln will, der
Ihnen zu denken geben müsste. Es ist wirklich unverschämt, dass Sie hier einen so dummen Zwischenruf machen.
({7})
Wir Politiker sprechen in großen Tönen davon, dass
europäischer Markt den freien Verkehr von Waren, Kapital und Arbeit bedeutet. Wir sagen auch: Wenn wir in Europa den Frieden bewahren möchten, dann darf es kein
großes Wohlstandsgefälle geben. Jetzt wundern wir uns,
dass die Menschen das tun, was wir von ihnen erwarten:
Sie versuchen, durch Arbeit - in ganz Europa - zu mehr
Wohlstand zu kommen.
({8})
Das ist völlig normal. Wir Deutschen glauben, alles unter
besitzstandswahrerischen Gesichtspunkten diskutieren zu
können, als wenn wir noch eine Nationalökonomie hätten,
als wenn wir auf einer Insel lebten, auf der man sich soziale Dinge leisten kann, die sich kein anderer zu leisten
vermag.
Es ist wichtig - ich hoffe, der Präsident gestattet mir,
noch diesen Punkt anzusprechen -, dass Sie einmal im
Einzelnen begreifen, was eigentlich auf dem Bau los ist;
Herr Wiesehügel ist Gott sei Dank anwesend. Ab dem
1. April liegt der Lohn von Facharbeitern im Spezialbau
bei 27,35 DM. Wenn der Facharbeiter im Monat seine
normalen 169 Stunden schafft, dann erhält er
4 622,15 DM brutto. Davon bekommt ein Junggeselle
- Steuerklasse I - 2 760,45 DM ausbezahlt; das sind netto
16,33 DM pro Stunde. Eine verheiratete Person - Steuerklasse III - bekommt monatlich 3 351,63 DM ausbezahlt;
das sind 19,83 DM. So weit, so gut.
Zusätzlich zum Bruttolohn von 4 622,15 DM muss der
Arbeitgeber 19,85 Prozent Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherungskassen, 19,40 Prozent Arbeitgeberanteil
für die Zusatzversorgungskasse und 6,12 Prozent Arbeitgeberanteil für die Berufsgenossenschaft zahlen. Damit
liegen die Kosten für den Unternehmer bei 6 719,23 DM
im Monat. Das ist nichts anderes als die lohngebundenen
Kosten. Dieser Betrag macht mehr als das Doppelte dessen aus, was die Arbeitnehmer netto verdienen.
Dazu kommt der Zuschlag für die Soziallöhne in Höhe
von 39 Prozent; denn es gibt in keiner Branche so viel bezahlte Nichtarbeit wie in der Bauwirtschaft. Wer einen
Tag legal arbeitet, der hat ein Anrecht auf einen halben
Tag bezahlte Nichtarbeit. Ich muss meine Mitarbeiter für
etwa 280 Tage im Jahr bezahlen und bei einem entsprechenden Schlechtwetteranteil ist nur an 180 Tagen Arbeit
geleistet worden. So etwas gibt es auf der Welt kein zweites Mal. Berücksichtigt man zusätzlich den Soziallohn,
muss ein Unternehmer für einen Facharbeiter pro Tag
55,25 DM zahlen. Außerdem fallen allgemeine Geschäftskosten, Baustellengemeinkosten und die Mehrwertsteuer an. Ohne dass ein Pfennig Gewinn erzielt worden ist, kostet die Arbeitsstunde 83 DM.
({9})
Man muss vier bis sechs Stunden arbeiten, um sich eine
legale Arbeitsstunde leisten zu können. Wir dürfen uns
über die Bemühungen, in die Schwarzarbeit auszuweichen, oder darüber, dass man jede Chance nutzt, den Mittellohn durch die Beschäftigung von Subunternehmern zu
senken, nicht wundern.
Wenn wir die Kernaufgaben, das Steuersystem bzw.
die Sozialsysteme kräftig zu reformieren und den Arbeitsmarkt zu deregulieren, statt ihn zu regulieren - wie
Sie es jetzt in vielen Fällen tun -, nicht angehen, dann
werden wir die Herausforderungen der Zukunft nicht bewältigen. Wir werden erst recht mit der Osterweiterung im
Jahre 2004 und der damit verbundenen legalen Vergrößerung des Arbeitsmarktes in Schwierigkeiten geraten.
({10})
Das wollte ich in aller Ruhe sagen. Man wird diesem
Thema nicht gerecht, wenn man nur an der Oberfläche
kratzt. Deshalb habe ich die Bitte, dass wir darüber vertieft diskutieren.
Herr Kollege Rauen, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.
Ich denke, Sie haben Anregungen für die Fortsetzung der
Debatte in den Ausschüssen gegeben.
Lieber Herr Präsident, Sie
haben mir drei Minuten und sieben Sekunden zusätzlich
gewährt. Ich danke Ihnen herzlich, dass Sie mir zugehört
haben.
Danke schön.
({0})
Ich gebe
jetzt der Parlamentarischen Staatssekretärin Margareta
Wolf das Wort.
({0})
- Nein, das ist schon alles in Ordnung. Wenn Sie das einmal nachprüfen, dann werden Sie das feststellen. Die
CDU/CSU hat ihr Kontingent voll ausgeschöpft, die Regierung bzw. die Koalition nicht.
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr
Rauen, ich fand Ihren Beitrag nachdenklich. Die Bundesregierung denkt in die Richtung, die Sie angesprochen haben. Das ist unter anderem der Grund, warum der Kanzler morgen das zweite Branchengespräch führt. Ein
anderer Grund sind die hohen Lohnnebenkosten, über die
Sie ebenfalls gesprochen haben. Wir wollen Strategien
entwickeln, um von dem Höchststand, den wir 1998 hatten, herunterzukommen. Wir haben das Ziel, die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent zu senken. Herr Rauen,
Sie haben gesagt, wir müssen gemeinsam handeln und die
Situation in Europa zur Kenntnis nehmen. Die Senkung
der Lohnnebenkosten ist sicherlich eine wichtige Strategie in diesem Zusammenhang.
Ein weiterer wichtiger Punkt, über den wir mit Ihnen in
einen Diskurs eintreten wollen und über den wir mit der
Bauwirtschaft reden, ist die EU-Osterweiterung. Sie haben die Situation in Tschechien und Polen angesprochen;
der slowakische Präsident war hier. Natürlich gibt es gerade in der Bauwirtschaft die Befürchtung, dass durch die
EU-Osterweiterung der Lohndruck auf die Betriebe
größer wird. Es darf aber keinesfalls sein - Sie haben dies
zwar nicht getan; ich will es dennoch erwähnen -, dass
man die Freiheitschancen der Menschen in Osteuropa
vornehmlich unter dem Gesichtspunkt des Lohndumpings
diskutiert.
Die Bundesregierung wird in einen Dialog mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebern eintreten. Weil wir
die Befürchtungen der Menschen und des Handwerks in
den Grenzregionen ernst nehmen, hat der Bundeskanzler
in Nizza eine Übergangsregelung für die Einschränkung
der Arbeitnehmerfreizügigkeit bei der EU-Osterweiterung angeregt. Wir werden überprüfen, ob eine Übergangszeit von sieben Jahren ausreicht. Wir wollen die
Auslandsaktivitäten des Mittelstandes fördern, Herr
Kollege, um Europa ökonomisch weiter zusammenzubringen.
Gestern haben wir mit den Bürgschaftsbanken eine
Vereinbarung erreicht, um den Liquiditätsspielraum und
die Eigenkapitalbasis besonders der Bauunternehmer und
des Handwerks zu erweitern. Sie haben heute Nachmittag
in der Fragestunde schon darauf abgehoben, dass durch
die 5. KWG-Novelle aus dem Jahre 1995 die Situation der
kleinen und mittleren Unternehmen verschärft wurde. Ich
möchte Ihnen nicht unterstellen, dass Sie die Situation
verschärfen wollen. Aber ich würde mich freuen, wenn
nicht immer alles so schwarz gesehen werden würde,
wenn nicht immer so getan würde, als würden wir uns
kurz vor dem Untergang befinden. Angesichts der sehr
schwierigen Situation dieser Branche würde ich es für
sinnvoll halten, dass wir uns darüber unterhalten, was
schon erreicht wurde.
Herr Uldall hat heute im Ausschuss gelobt, dass wir einen Konjunkturbericht der Bauindustrie vorgelegt haben,
der ausgesprochen objektiv ist
({0})
- so wurde mir berichtet -,
({1})
der eine gute Grundlage für die weitere Arbeit bietet und
der die schlechte Situation der Bauwirtschaft zur Kenntnis nimmt.
({2})
- Mit Verlaub, so wurde mir berichtet.
({3})
- Staatssekretär Mosdorf war anwesend.
Es erreichen uns Anfragen von kleinen und mittleren
Unternehmen des Bau- und Baunebengewerbes, die durch
zu erbringende Sicherheitsleistungen - wie zum Beispiel
Vertragserfüllungsbürgschaften und Gewährleistungsbürgschaften - zunehmend in ihrem Liquiditätsspielraum
eingeschränkt werden. Wegen der besonderen Finanzierungsprobleme der Bauwirtschaft hat das BMWi mit den
Bürgschaftsbanken eine Vereinbarung getroffen, durch
die ein zusätzliches Bürgschaftsvolumen von 100 Millionen DM für die angesprochenen Avalkredite bereitgestellt wird.
Ich würde mir wünschen, dass Sie diese Tatsache einmal hervorheben und dass Sie daran mitarbeiten, das
Zehnpunkteprogramm, über das Sie sich heute Nachmittag nur lustig gemacht haben, weiterzuentwickeln. Ich
habe von Ihnen in dieser Debatte keinen einzigen konzeptionellen Vorschlag gehört.
({4})
- Sie haben vier Vorschläge gemacht?
({5})
- Entschuldigen Sie bitte, Herr Scherhag, bei Ihrem Beitrag hatte ich - ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen - den
Eindruck, dass das ein Besinnungsaufsatz war, den man
immer wieder vortragen kann.
({6})
Sie reden von der Steuerreform, der Scheinselbstständigkeit usw. - Das greift alles nicht. Das wird zwischen uns
immer streitig bleiben, aber selbst die Deutsche Bundesbank sagt, dass wir das Handwerk und den Mittelstand mit
der Steuerreform nachhaltig entlasten.
({7})
Sie können immer wieder behaupten, dass dem nicht so
sei; dadurch wird es auch nicht besser.
({8})
Ich würde Sie auch bitten, zur Kenntnis zu nehmen,
dass wir durch das KfW-Modernisierungs- und -Gebäudesanierungsprogramm Projekte und Forschungsvorhaben zum preiswerten ökologischen Bauen auf den Weg
gebracht haben.
Lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt ansprechen, Herr Scherhag, den wir auch zwischen den Ressorts
diskutieren, und zwar zur Verbesserung der Baunachfrage. Ich möchte Sie einladen, in diesen Diskurs mit einzusteigen.
Zur Bewältigung des steigenden Verkehrsaufkommens
diskutieren wir die Ausweitung der Verkehrsinfrastruktur durch private Finanzierungsmodelle. Der Kollege
Goldmann hat vorhin gesagt, dass wir völlig blind seien
und diese Debatten nicht führten.
({9})
- Wir führen Diskussionen zwischen den Ressorts über
die Schlussfolgerungen der Pällmann-Kommission, Herr
Kollege. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
({10})
- Wir haben hier eine Aktuelle Stunde, in der ich Ihnen gerade berichte, dass die Ressorts überlegen, wie man die
konzediert schlechte Situation in der Bauindustrie beheben kann. Für uns ist das keine Machtfrage, sondern eine
mittelstandspolitische und wirtschaftspolitische Frage.
({11})
Lassen Sie mich diesen Aspekt hier doch bitte einbringen.
Wir diskutieren über den Bau von Bildungseinrichtungen und anderen öffentlichen Hochbauten. Wir wissen,
dass dies zusätzliche Investitionen erfordert. Auch hier
könnte, Herr Kollege, private Finanzierung den Investitionsstau auflösen und die öffentlichen Haushalte entlasten.
Wir diskutieren darüber, wie man die kommunalen
Ausgaben für die maroden Abwassersysteme bewältigen
kann. Die hier notwendigen erhöhten Investitionsmittel
könnten ebenfalls über private Finanzierung beschafft
werden, zum Beispiel über zeitlich befristete Betreibermodelle.
Ich kann Sie nur einladen: Führen Sie diesen Diskurs
über die Situation der Bauwirtschaft mit uns. Ich denke,
der zweite Branchendialog, der morgen anfängt, ist unterstützenswert. Sie wissen alle, dass wir im Osten erst durch
die Abschreibungsmodelle in diese Situation gekommen
sind und dass wir uns jetzt in einer Marktklärungsphase
befinden, die wir politisch flankieren müssen.
Danke schön.
({12})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Redekontingent der CDU/
CSU - darauf habe ich hingewiesen - ist ausgeschöpft.
Aber die Fraktion beruft sich zu Recht auf Ziffer 6 der Anlage 5 der Geschäftsordnung zur Aktuellen Stunde, wo es
heißt:
Ergreift ein Mitglied der Bundesregierung, des
Bundesrates oder einer ihrer Beauftragten nach Ablauf der vorgeschriebenen Dauer der Aussprache oder
in der Aussprache so spät das Wort, dass eine Erwiderung von fünf Minuten nicht mehr möglich ist, so
erhält auf Verlangen einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages erneut je ein Sprecher der Fraktionen das Wort.
Bei einer Aussprache auf Verlangen erhält als erster
Redner eines der Mitglieder des Bundestages das
Wort, die die Aussprache verlangt haben ...
Dass ich das vorgelesen habe, muss nicht bedeuten,
dass jetzt alle Redner ihre fünf Minuten ausschöpfen, auf
keinen Fall sieben Minuten reden.
({0})
Es muss auch nicht bedeuten, dass sich jede Fraktion noch
zu Wort meldet. Aber ich weise darauf hin, dass die Fraktionen das Recht haben.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Gunnar Uldall.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
liegt mir fern, die Debatte jetzt unnötig zu verlängern.
Aber weil die Staatssekretärin mich persönlich angesprochen hat, muss ich jetzt doch erwidern.
Frau Staatssekretärin, Sie waren ja heute Morgen in der
Ausschusssitzung nicht dabei. Sie meinten aber, ich hätte
in dieser Ausschusssitzung den Bericht des Wirtschaftsministeriums zur Situation in der Bauwirtschaft und auch
die Regierungspolitik gelobt. Ich stelle ausdrücklich fest:
Dies ist nicht der Fall gewesen. Das werden Sie, Frau
Staatssekretärin, auch leicht erkennen, wenn Sie sich das
Protokoll ansehen.
Im Gegenteil, ich habe darauf hingewiesen, dass die
Bundesregierung in diesem Bericht sehr klar dargelegt
hat, wie ernst die Lage der Bauwirtschaft ist.
({0})
Ich möchte Ihnen jetzt noch einmal die Zahlen nennen, die
Ihr Haus selbst uns heute Morgen vorgetragen hat.
Wir hatten über mehrere Jahre Monat für Monat einen
Rückgang des Bauvolumens zu verzeichnen, Frau Staatssekretärin. Die Zahl der Beschäftigten ist nach Ihrer Aufstellung seit dem Jahre 1995 - weiter zurück reicht sie
nicht - von 1,4 über 1,3, 1,2 und 1,1 auf 1,0 Millionen
zurückgegangen. Das heißt, wir haben in den letzten Jahren einen Rückgang um etwa 40 Prozent zu verzeichnen
gehabt. Selbst wenn ich Regierungspolitiker wäre - das
wäre ich sehr gerne, Frau Staatssekretärin -, könnte ich
doch die Politik, die für diese Entwicklung gesorgt hat,
überhaupt nicht loben. Dies muss doch uns alle erschrocken machen. Wir müssen uns deshalb überlegen,
was wir besser machen können.
Wenn ich jetzt noch zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Bundesländern differenziere, dann
stelle ich fest,
({1})
dass die Bilanz für das frühere Bundesgebiet außerordentlich schlecht ausfällt und für die neuen Bundesländer
bereits einer Katastrophe nahe kommt. Ich kann deshalb
gar nicht verstehen, wieso Sie sagen können, dass ich so
etwas gelobt hätte.
({2})
Jetzt kommt das Wichtigste: Die Regierung schreibt in
Ihrem Bericht, zwischen den alten Ländern und den neuen
Ländern hätten sich in den letzten Jahren die Arbeitslosenzahlen in den Bauberufen nahezu gegensätzlich entwickelt. In den alten Ländern habe die Arbeitslosigkeit
auf dem Bausektor abgenommen und in den neuen Ländern habe sie zugenommen.
({3})
Nun traue ich den von der Regierung vorgelegten Zahlen
immer: Wenn also die Regierung zum einen sagt, dass die
Arbeitslosenzahl in den alten Bundesländern abgenommen habe, zum anderen zwei Seiten vorher feststellt, dass
das Auftragsvolumen von Jahr zu Jahr massiv zurückgegangen sei, dann kann ich dazu nur sagen, dass dieses unsere Aussage, die wir in den letzten zwei Jahren immer
wieder aufgestellt haben, bestätigt, nämlich dass der
Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland darauf
zurückzuführen ist, dass mehr Leute aus Altersgründen
aus dem Beruf ausscheiden, als junge Leute auf den Arbeitsmarkt kommen.
({4})
Deswegen bestätigt dieses Papier unsere politischen Aussagen. Ich könnte also vielmehr die Regierung loben, dass
sie endlich den Mut gefunden hat, diese für sie so unbequemen Dinge darzustellen und einzuräumen.
Wir müssen hieraus eine Konsequenz ziehen; diese
lautet: Wir dürfen Politik nicht mit dem Gestalten von
symbolhaften Handlungen verwechseln. Gerhard
Schröder ist ein Meister symbolhafter Handlungen. Irgendwann wird man aber von der Wirklichkeit eingeholt.
Wenn morgen die große Baurunde zusammentritt, dann
weiß ich schon jetzt, dass man, nachdem man anderthalb
Stunden lang miteinander Kaffee getrunken hat, vor die
Fernsehkameras treten und große Erklärungen abgeben
wird, sich aber in der Sache überhaupt nichts ändert. Dieses können wir uns angesichts der dramatischen Lage in
der Bauwirtschaft nicht länger erlauben.
({5})
Das Wort
hat die Kollegin Eichstädt-Bohlig für die Fraktion von
Bündnis 90/Die Grünen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte
nur eines richtig stellen: Wer vorhin bei dem Beitrag von
Frau Staatssekretärin Margareta Wolf zugehört hat,
konnte feststellen, dass sie weniger Sie zitiert hat, als vielmehr die kritische Präzision des Berichtes gelobt und für
richtig befunden hat. Sie hat nichts darüber gesagt, wie
Sie von der Opposition die Politik beurteilen oder zu sonstigen Dingen stehen. Insofern haben Sie mit Ihrem Redebeitrag eben nichts anderes getan, als die Ausführungen
der Frau Staatssekretärin zu bestätigen. Das muss hier
noch einmal klargestellt werden, damit keine Missverständnisse im Raum stehen bleiben.
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Danke schön.
({0})
Ich sehe
keine weiteren Wünsche nach Wortmeldungen mehr. Ich
bedanke mich und beende die Aktuelle Stunde.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 5. April 2001, 9 Uhr,
ein.
Ich wünsche Ihnen und auch den Besuchern auf den
Tribünen noch einen schönen Tag.
Die Sitzung ist geschlossen.