Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Danke, Herr Staatsminister.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den soeben berichtet wurde. Die ersten Wortmeldungen liegen bereits vor. Erster Fragesteller ist der
Kollege Dr. Norbert Lammert.
Herr Staatsminister, das Jüdische Museum Berlin liegt im gemeinsamen
Interesse des Deutschen Bundestages und des Abgeordnetenhauses von Berlin. Insofern sind Vorbereitungen, einen geeigneten Rechtsrahmen zu finden, gewiss nicht zu
beanstanden.
Nun gibt es aber doch ganz offenkundig - Sie haben die
beabsichtigte Änderung der Rechtsform und der Trägerschaft angesprochen - einen unmittelbaren und nicht auflösbaren Zusammenhang zwischen der jetzt vorgesehenen Stiftungsgründung und dem Hauptstadtkulturvertrag,
durch den erst der Übergang der Zuständigkeit vom Land
Berlin auf den Bund geregelt werden soll. Meine Frage:
Ist der Hauptstadtkulturvertrag eigentlich inzwischen
unterschrieben, und wenn nein, warum nicht? Sehen die
Planungen der Bundesregierung - Sie haben jetzt ausschließlich den Zeitplan für die Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfes vorgetragen, nicht aber den
Zeitplan für die Unterzeichnung des Hauptstadtkulturvertrages, der die Voraussetzung für das Gesetzgebungsverfahren ist - eigentlich vor, den Hauptstadtkulturvertrag noch vor Eröffnung des Jüdischen Museums
Berlin zu unterzeichnen?
({0})
Nein, die Frage ist nachvollziehbar. Ich hatte
auch schon öffentlich gesagt, dass der Hauptstadtkulturvertrag aus meiner Sicht ausgehandelt und inhaltlich
unterschriftsreif ist. Sie haben Recht: Er ist noch nicht unterzeichnet. Es gibt innerhalb der Bundesregierung in der
Tat noch Klärungsbedarf, der allerdings nur Detailpunkte
betrifft, nicht aber die Grundfrage, nämlich Übernahme
von vier Einrichtungen durch den Bund mit den daraus resultierenden Konsequenzen.
Ich möchte dringend davor warnen, dergestalt vorzugehen: Wir lassen das jetzige Gesetzesvorhaben erst einmal liegen und klären zuallererst die letzte Detailfrage
hinsichtlich des Hauptstadtkulturvertrags. Wenn wir das
tun, laufen wir Gefahr, dass wir das Jüdische Museum bis
zu seiner Eröffnung am 9. September noch nicht auf sicheren Grund gestellt haben. Es gibt keinen Dissens über
die Stiftung Jüdisches Museum Berlin. Wir sollten all das,
über das es keinen Dissens gibt, so rasch wie möglich abschließen.
Kollege Lammert hat
eine Zusatzfrage. - Bitte.
Herr Staatsminister, es wird Ihnen nicht entfallen sein, dass ich auch
nicht den Vorschlag gemacht habe, das Gesetzesvorhaben
liegen zu lassen. Genauso wenig haben wir den Vorschlag
gemacht, den Hauptstadtkulturvertrag liegen zu lassen,
bis die operativen Schlussfolgerungen aus demselben
schon aus Gründen der zeitlichen Abfolge dringend gezogen werden müssen.
Sie haben freundlicherweise unmittelbar vor Beginn
der Sitzung den heute im Kabinett beratenen Entwurf der
Stiftungssatzung zur Verfügung gestellt. Ich möchte gerne
auf einen Punkt näher eingehen, den Sie auch in Ihrem
Bericht erwähnt haben. In § 2 der Satzung, in dem der
Zweck der Stiftung geregelt wird, werden in Ziffer 5 als
Stiftungszweck unter anderem die Einrichtung und Unterhaltung eines Informationszentrums, einer Bibliothek,
eines Archivs, eines internationalen Bildungs- und Forschungsinstituts sowie sonstige Einrichtungen im Sinne
des Stiftungszwecks angekündigt. Diese Liste hat eine
auffällige Ähnlichkeit mit dem Katalog, der in Verbindung mit dem Mahnmal für die ermordeten Juden Europas steht, der von Ihrem Amtsvorgänger vorgeschlagen
wurde und der dann schließlich nach umfänglicher Beratung im Deutschen Bundestag - in Form der Ergänzung
des Mahnmals um einen Ort der Information - angenommen wurde. Ich finde in § 2 der Stiftungssatzung den Hinweis, dass der Zweck der Stiftung die Übernahme des Jüdischen Museums mit den genannten Funktionen sowie
die Schaffung eines Ortes der Begegnung sei.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den Zusammenhang
zwischen dem einen und dem anderen Projekt verdeutlichen könnten, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt eines möglichst effizienten Einsatzes der von Ihnen gerade
genannten und in der mittelfristigen Finanzplanung des
Bundes eingestellten Haushaltsmittel. Vielleicht können
Sie auch die Frage beantworten, welche sonstigen Einrichtungen die Bundesregierung neben den bereits präzise
benannten plant.
Es wird sicherlich im Laufe der nächsten
Jahre Entwicklungen geben. Die Bestimmung des
Zweckes soll Spielraum für diese Entwicklungen schaffen. Ein Beispiel kann ich konkret nennen: Es ist unter anderem die Einrichtung einer Blindenwerkstatt geplant,
also ein spezielles Angebot für blinde Besucherinnen und
Besucher. Ich kann Ihnen zwar jetzt keine Details nennen.
Aber Einrichtungen dieser Art sind im Rahmen des Konzeptes denkbar und sinnvoll.
Nächster Fragesteller
ist der Kollege Hans-Joachim Otto.
Herr Staatsminister, ich möchte zunächst einmal an die Frage des
Kollegen Dr. Lammert anknüpfen. Ich entnehme Ihrer
Antwort auf seine Frage, dass es der Bund ist, der noch
Klärungsbedarf hinsichtlich des Hauptstadtkulturvertrages hat. Deswegen richte ich an Sie die Frage: Wir dürfen
doch davon ausgehen, dass der Hauptstadtkulturvertrag
unterzeichnet sein wird, bevor im Parlament die letzte Lesung des Gesetzentwurfes stattfinden wird?
Ja.
Danke.
Dann komme ich zu meiner eigentlichen Frage. Wenn
die Landesstiftung aufgelöst wird, stellt sich doch die
Frage des Verbleibs des Vermögens dieser Stiftung. Gab
es eine Ausstattung dieser Landesstiftung mit Vermögen?
Wird das Vermögen - sofern die Landesstiftung über eines verfügte - auf das Land zurückübertragen oder wird
es auf die neue Bundesstiftung übertragen?
Meines Wissens hat es kein spezifisches Vermögen der Landesstiftung gegeben. Ich muss Ihnen das
aber schriftlich beantworten; ich will das überprüfen. Ein
eventuelles Vermögen würde jedenfalls nicht an das Land
zurückübertragen.
Nächster Fragesteller
ist der Kollege Hartmut Koschyk.
Herr Staatsminister,
ich bin leider der Auffassung, dass Sie die Frage des Kollegen Dr. Lammert nach einem gewissen Zusammenhang
und nach einer Abgrenzung zwischen dieser neuen bundesunmittelbaren Stiftung Jüdisches Museum und den
dort vorgesehenen Einrichtungen und den im Zusammenhang mit dem Holocaust-Mahnmal vorgesehenen Einrichtungen nicht hinreichend beantwortet haben. Ich
möchte in diesem Zusammenhang noch eine dritte Einrichtung nennen, weil wir durch Anträge und durch Sachvorträge im zuständigen Ausschuss, aber auch hier im
Parlament immer deutlich gemacht haben, dass wir noch
den Zusammenhang mit einer weiteren Einrichtung in
Berlin sehen. Ich möchte Sie daher fragen, ob auch die
Zukunft der Einrichtung „Topographie des Terrors“ bei
der Beratung im Bundeskabinett, vor allem bei der haushaltsmäßigen Unterlegung dieser Stiftungsneugründung,
eine Rolle gespielt hat.
Zweitens. Es fällt beim Blick in die Stiftungsgremien
auf, dass es bei einer bundesunmittelbaren Stiftung überhaupt keine parlamentarische Begleitung geben soll. Welchen Grund hat es, dass sowohl der Berliner Senat als
auch die Bundesregierung zu dem Schluss gelangt sind,
dass weder Vertreter des Berliner Abgeordnetenhauses
noch des Deutschen Bundestages in das Gremium der
Stiftung aufgenommen werden sollen? Ich stelle diese
Frage vor allem vor dem Hintergrund, dass es in der Satzung heißt, dass die Zahl der Stiftungsratsmitglieder von
sieben auf zwölf erhöht werden kann, dass aber dann das
Benennungsrecht für diese weiteren Mitglieder ausdrücklich bei der Bundesregierung liegen muss, wie es im
Gesetzentwurf heißt. Man könnte die etwas ironisch gemeinte Frage stellen, ob Bundesregierung und Berliner
Senat der Auffassung sind, dass sich eine parlamentarische Begleitung störend im Hinblick auf den Erfolg des
Vorhabens auswirken könnte.
Zunächst zur ersten Frage: Es steht ganz
außer Zweifel, dass es zwischen Mahnmal, Jüdischem
Museum und „Topographie des Terrors“ einen engen Zusammenhang gibt. Wir haben darüber sowohl im Ausschuss wie auch hier im Bundestag schon mehrfach gesprochen.
Hinsichtlich des Mahnmals ist die Entscheidung gefallen, dort auch einen Ort der Information zu schaffen. Nun
kann man sagen, das solle hauptsächlich der Inhalt des Jüdischen Museums sein. Das ist richtig; diese Debatte
brauchen wir nicht zu wiederholen. Die Überlegung war,
dass der Eindruck durch das Kunstwerk und die künstlerische Auseinandersetzung mit dieser Thematik durch
eine kognitive - übrigens nicht nur kognitive, sondern
durchaus auch emotionale - Komponente ergänzt werden
sollte, und zwar am Ort des Mahnmals. Das Konzept mit
seinen verschiedenen Inhalten, die vorgesehen sind - Sie
kennen es ja -, ist faszinierend.
Wir sind unterschiedlicher Meinung - ich nehme an,
dass Sie auf diesen Punkt anspielen wollten -, ob die 100prozentige Übernahme der finanziellen Verantwortung
für das Jüdische Museum und für das Mahnmal nicht auch
impliziert, dass der Bund die 100-prozentige finanzielle
Verantwortung für die „Topographie des Terrors“ übernimmt. Auch wenn ich mich wiederhole, möchte ich Folgendes ganz knapp sagen: Ich erkenne dieses Argument
an; der inhaltliche Zusammenhang ist ein wichtiger
Aspekt. Für mich ist aber in höherem Maße der Aspekt
ausschlaggebend, dass wir uns im Rahmen des Gedenkstättenkonzepts in Deutschland - es gibt Gedenkstätten
von zweifellos bundesweiter Bedeutung - darauf festgelegt haben, dass die Kommunen und die Länder in der
Verantwortung, auch in der finanziellen, bleiben und dass
die Förderung durch den Bund nur bei bis zu 50 Prozent
liegen sollte.
Wenn wir das bei der „Topographie des Terrors“ anders
machten, dann wäre das ein Signal in die falsche Richtung. Berlin ist in vieler Hinsicht zwar ein absoluter Sonderfall; das bedeutet aber nicht, dass nicht doch eine gemeinsame Verantwortung für die Gedenkstätten besteht.
Ein weiteres falsches Signal eines solchen Vorgehens
wäre, dass diese Verantwortungsteilung auch im Hinblick
auf andere Einrichtungen von bundesweiter Bedeutung
infrage gestellt wird. Deswegen bin ich nach Abwägung
der Argumente zu dem Ergebnis gekommen, dass der
zweite Grund in höherem Maße ausschlaggebend ist und
dass wir - vorausgesetzt, die Kosten explodieren nicht ins
Unermessliche - bei der 50-Prozent-Beteiligung des Bundes an der „Topographie des Terrors“ bleiben sollten.
Was die zweite Frage angeht: Die Satzung sieht vor,
dass dem siebenköpfigen - ich bleibe erst einmal bei der
Zahl sieben - Stiftungsrat zwei Vertreter der Bundesregierung und auf Vorschlag der Bundesregierung weitere
Sachverständige angehören. Die Intention ist sicherlich
nicht, dass die Beteiligung etwa von Parlamentariern am
Stiftungsrat eine Behinderung der Arbeit bedeutet. Die Intention war eher, die Größe des Stiftungsrats nicht zu sehr
auszudehnen, sondern klein zu halten. Rein formal wäre
es im Übrigen denkbar, dass Parlamentarier diesem Gremium angehören. Aber Sie haben Recht: Wir haben diesen Gedanken nicht als Kriterium in die Satzung aufgenommen.
Herr Kollege
Koschyk, eine Nachfrage, bitte.
Herr Staatsminister,
es ist mir im Zusammenhang mit diesem Stiftungsgesetz
nicht darum gegangen, die Regelung der hälftigen Finanzierung der „Topographie des Terrors“ durch den Bund
und das Land Berlin kritisch zu hinterfragen. Im Entwurf
eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung Jüdisches
Museum ist allgemein von der Einrichtung und Erhaltung eines Informationszentrums, einer Bibliothek, eines
Archivs, eines internationalen Bildungs- und Forschungsinstituts sowie sonstiger Einrichtungen im Sinne des Stiftungszwecks die Rede. Das ist doch eine sehr weitgehende Formulierung, die auch Sie leider Gottes nicht
präzisiert haben. Daher drängt sich nahezu die Frage der
Abgrenzung gegenüber Einrichtungen auf, die im Zusammenhang mit dem Holocaust-Mahnmal und auch der „Topographie des Terrors“ stehen. Wird die Bundesregierung
im Hinblick auf die weitere konzeptionelle Entwicklung
wirklich für eine Abgrenzung sorgen und wird sie auch
den Dialog mit anderen Einrichtungen suchen, damit - gerade vor dem Hintergrund des Aspektes der Finanzierung,
den Sie soeben angeschnitten haben - nicht die Gefahr einer Doppelgleisigkeit besteht?
In einem Punkt möchte ich sogar über das hinausgehen, was Ihnen zu Recht am Herzen liegt: Natürlich sollten die einzelnen Einrichtungen nicht isoliert
nebeneinander arbeiten - auf diese Weise würde es zu
Doppelarbeit kommen -; vielmehr sollte es eine Verknüpfung der inhaltlichen und der programmatischen Arbeit dieser Einrichtungen geben. Ich möchte aber insofern
noch einen Schritt weitergehen: Das Jüdische Museum
Berlin wird im Vergleich zu anderen, kleineren Einrichtungen in Deutschland zweifellos eine zentrale Rolle spielen. Mein Wunsch ist es daher, dass die Arbeit, die an jüdischen Zentren, in jüdischen Gemeinden und vor allem
auch in jüdischen Museen - sei es in Fürth, Frankfurt oder
München - geleistet wird, mit dieser zentralen Einrichtung verknüpft wird.
Man muss zwei Punkte unterscheiden: Zum einen geht
es darum, wie man den Stiftungszweck bestimmt. Man
darf nicht vergessen, dass wir uns mit der Bestimmung
des Stiftungszwecks - er hat ja sozusagen einen Ewigkeitscharakter - auf unabsehbare Zeit festlegen. Deswegen muss der Stiftungszweck so gefasst sein, dass wir
nicht in einigen Jahren oder Jahrzehnten bereuen müssen,
das eine oder andere nicht zugelassen zu haben.
Zum anderen geht es um die konkrete Form der Kooperation. Die Politik wird sich diesbezüglich im Hintergrund halten. Sie wird zwar eine Kooperation begrüßen
und auch anregen. Die Programmverantwortung liegt
aber bei den jeweiligen Einrichtungen. Wenn wir allerdings den Eindruck haben sollten, dass die Kooperation
zwischen den Einrichtungen in Berlin, aber auch die
Kooperation in Deutschland insgesamt, die ich mir wünsche, nicht gut genug ist, dann muss darüber im Stiftungsrat diskutiert werden und dann müssen für die LeiStaatsminister Dr. Julian Nida-Rümelin
tung der jeweiligen Häuser entsprechende Vorgaben gemacht werden.
Nächster Fragesteller
ist der Kollege Dr. Heinrich Fink.
Herr Staatsminister, ich
komme auf Ihre Antwort auf die Frage von Herrn
Koschyk zurück, in der Sie als Begründung geäußert haben, dass das Jüdische Museum von nationaler Bedeutung
sei. Aus diesem Grund kann es doch nicht angehen, dass
die „Topographie des Terrors“ auf die Gedenkstättenkonzeption - das soll nicht negativ gemeint sein - abgeschoben wird. Denn auch die „Topographie des Terrors“ ist
von nationaler Bedeutung; der Begriff „national“ ist aber
nicht steigerbar.
Es wird immer von einer Trias gesprochen, also von Jüdischem Museum, „Topographie des Terrors“ und Mahnmal für die ermordeten Juden Europas. Man kann doch in
diesem Zusammenhang der „Topographie des Terrors“
nicht eine geringere nationale Bedeutung beimessen;
denn sie war der Ausgangspunkt.
Herr Abgeordneter, ich empfehle, dass man
diese Thematik nicht übermäßig - ich würde fast sagen:
ideologisch - auflädt. Die Entscheidung, dass der Bund
Einrichtungen wie die „Topographie des Terrors“ oder das
Jüdische Museum wesentlich fördert, hängt mit der nationalen Bedeutung dieser Einrichtungen zusammen. Das
gilt auch für das Gedenkstättenkonzept; denn im Rahmen
dieses Konzeptes werden diejenigen Einrichtungen durch
den Bund besonders gefördert, die eine ähnlich große Bedeutung haben.
Für die Übernahme von vier Einrichtungen in die 100prozentige Verantwortung des Bundes gab es - das wissen
Sie so gut wie ich - sehr pragmatische Gründe. Einer
dieser Gründe war, dass die Förderung, die für die kulturellen Einrichtungen des Bundes in Berlin gedacht war,
oftmals nicht so effektiv war, wie es sich der Bund vorgestellt hat. An dieser Stelle wurde die Richtungsentscheidung getroffen - ich gebe zu, dass dieser damals erfolgte
Zuschnitt der Förderung nicht zwingend war -, dass der
Bund für einige Einrichtungen die 100-prozentige Verantwortung übernimmt und dass für andere Einrichtungen
die Verantwortung beim Land Berlin bleibt.
Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wenn die Bundesregierung der Meinung ist, dass die Verantwortung für die
„Topographie des Terrors“ nicht zu 100 Prozent vom
Bund übernommen werden sollte, dann wird damit nicht
zugleich ausgesagt, dass die „Topographie des Terrors“
von geringerer Bedeutung sei. Sie ist selbstverständlich in
gleicher Weise bundesweit bedeutsam. Deswegen ist der
Bund bereit, bis zu 50 Prozent der Förderung zu übernehmen.
Nächste Fragestellerin
ist die Kollegin Monika Griefahn.
Herr Staatsminister, es ging
um die Abgrenzung zwischen dem Jüdischen Museum
und dem Holocaustmahnmal und zwischen dem Ort der
Information und dem Ort der Begegnung. Habe ich das
richtig verstanden, dass das Museum selbst das gesamte
jüdische Leben, also nicht nur den Holocaust, darstellen
und auch ein Ort der Begegnung sein soll, während mit
dem Holocaustmahnmal der ermordeten Juden in Europa
gedacht und im Ort der Information dazu ein erster Hinweis auf die anderen, weiter gehenden Informationsstätten - sprich: die „Topographie des Terrors“, sprich: das
Jüdische Museum - gegeben werden soll, sodass die Abgrenzung eigentlich sehr deutlich und klar zum Ausdruck
kommt?
Ich habe das deswegen nicht ausdrücklich betont, weil es Ihnen allen bekannt ist. Ich hatte eingangs
auch gesagt, dass es als programmatischer Inhalt des Jüdischen Museums überwiegend um 2000 Jahre deutschjüdische Geschichte geht, während es beim Holocaustmahnmal um einen, den schrecklichsten Teil der
jüdischen Geschichte geht, nämlich die Verfolgung und
den Völkermord durch die Nazis an den Juden. Das ist der
Fokus. Insofern ist auch die Information beim Mahnmal
ganz anders fokussiert, als das beim Jüdischen Museum
der Fall ist.
Dennoch - so ist jetzt auch die Vorstellung beider Leitungen - soll beides möglichst eng miteinander vernetzt
sein und als wechselseitiger Hinweis verstanden werden.
Diejenigen, die beim Mahnmal waren und das Ganze in
einen größeren Kontext stellen wollen, werden sich nicht
mit dem Ort der Information beim Mahnmal begnügen,
sondern werden sich aufgefordert fühlen, das Jüdische
Museum zu besuchen, wenn sie es noch nicht getan haben.
Letzter Fragesteller zu
diesem Themenbereich ist der Kollege Hans-Joachim
Otto.
Herr Staatsminister, Sie haben eben davon gesprochen, dass das neue
Jüdische Museum in Berlin mit den bisherigen kommunalen jüdischen Museen in Fürth, München und Frankfurt
verknüpft werden solle. Ganz konkrete Frage: Meinen Sie
Kooperation oder mehr als Kooperation, auch tatsächliche Verknüpfung? Heißt Verknüpfung organisatorische
Eingliederung oder zumindest finanzielle Mitverantwortung des Bundes für diese drei Häuser?
Nein, das heißt es nicht. Sie haben ja zuvor
gehört, dass der Diskurs, zum Beispiel die Auseinandersetzung auch mit Forschungsergebnissen, ein wesentlicher Teil der Arbeit des Jüdischen Museums Berlin sein
wird. Das wird in kleinerem Umfang zum Teil auch in
anderen jüdischen Museen in Deutschland geleistet,
aber auch an Lehrstühlen, die es inzwischen gibt; der in
München konzentriert sich sogar ganz auf jüdische
Geschichte. Ich denke, dass das Jüdische Museum eine
Art Leitfunktion hat - bei allem Respekt vor der Arbeit,
die in einzelnen kleineren Museen und Einrichtungen dieser Art geleistet wird. Ich denke, dass wir - ich will jetzt
den Leitern des Hauses nicht vorgreifen - hier einen dauerhaften Gesprächskontakt, einen Diskurszusammenhang
am Jüdischen Museum in Berlin etablieren sollten. Das
bedeutet aber keine finanzielle Mitverantwortung, organisatorische Verbindung oder Ähnliches.
({0})
Es verbleiben jetzt
noch fünf Minuten für die Regierungsbefragung. Gibt es
weitere Fragen an die Bundesregierung? - Die erste Wortmeldung kommt von der Kollegin Ina Lenke.
Ich möchte zu dem Komplex
Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft fragen. Gestern
hat der Bundeskanzler mit den Spitzen der Wirtschaft
über ein Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft diskutiert. Ich habe dazu eine Frage: Will der Bundeskanzler
die Grundstrukturen des Gleichstellungsgesetzes für die
Wirtschaft so beibehalten, wie sie die Frauenministerin
Bergmann im September letzten Jahres vorgelegt hat?
Das hieße, die Betriebe hätten aufgrund des Forderungskataloges des Gesetzes, der etwa Frauenförderpläne in
den Betrieben, betriebliche Maßnahmen gegen sexuelle
Belästigung am Arbeitsplatz, die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen und die Bereitstellung organisierter Kinderbetreuung beinhaltet, Maßnahmen
durchzusetzen und es würde gleichzeitig die Vergabe öffentlicher Aufträge an Betriebe, die sich daran nicht halten, verboten sein. Hat der Bundeskanzler diese Position
in dem Gespräch vertreten?
Wer antwortet für die
Bundesregierung? Herr Staatsminister?
Ich denke, dass wir hier zwei kompetente Vertreterinnen haben, eine aus dem Frauenministerium und
eine aus dem Wirtschaftsministerium.
Dann antwortet die
Parlamentarische Staatssekretärin Margareta Wolf.
Sehr geehrte
Frau Kollegin, es hat ein Gespräch zwischen dem Bundeskanzler, dem Wirtschaftsminister, der Frauenministerin
und Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft stattgefunden. Die Diskussion verlief harmonisch. Man hat sich
ausgetauscht und wird bei einem weiteren Treffen in absehbarer Zeit das weitere Verfahren beraten.
Frau Lenke zu einer
Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, Ihre Ausführungen entsprechen dem Stil dieser Regierung, nämlich auf Fragen keine Antworten zu geben. Ich möchte
meine Frage noch einmal verdeutlichen. Ich hatte gefragt,
ob der Bundeskanzler dieselbe Position wie die Frauenministerin bei diesem Treffen vertreten hat. Ich möchte
meine Frage jetzt erweitern: Steht der Bundeskanzler dahinter, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge von der Einhaltung der Grundstrukturen dieses neuen Gesetzes abhängig gemacht wird? Hat sich der Bundeskanzler dazu
geäußert, ab welcher Betriebsgröße dieses Gesetz gelten
soll? Vom Frauenministerium ist diese ja bisher nicht festgelegt worden.
Verehrte Frau
Kollegin, ich habe gesagt, dass wir uns am Anfang der Debatte befinden. Ich kann Ihnen in der Tat bis jetzt noch nicht
über die von Ihnen angesprochenen Punkte Auskunft geben. Da müssen Sie sich, mit Verlaub, noch etwas gedulden.
Das hat nichts mit dem Stil dieser Bundesregierung zu
tun. Vielmehr führen wir erst die Diskussion mit allen Beteiligten, bevor wir am Ende oder im Laufe dieser Diskussion - gestern war, wie gesagt, das erste Gespräch eine abschließende Position der Bundesregierung respektive des Bundeskanzlers mitteilen.
Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Hirche.
Frau Staatssekretärin, darf ich
aus Ihrer Bemerkung, es sei ein harmonisches Gespräch
gewesen, und Ihrer anschließenden Antwort, es sei nicht
über Einzelheiten gesprochen worden, schließen, dass es
sich um ein Kaffeetrinken auf Staatskosten gehandelt hat,
bei dem keine Details erörtert wurden und bei dem der
Bundeskanzler keine konkrete Position bezogen hat?
Nein, verehrter
Herr Kollege. Wir neigen aber nicht dazu, Politik am grünen Tisch zu machen. Wir unterhalten uns in aller Regel
mit den Betroffenen, bevor wir Gesetze verfassen.
Ich lasse jetzt noch
eine Frage zu, nämlich die angemeldete Frage des Kollegen Eckart von Klaeden.
Die niedersächsische Landesvorsitzende der Grünen hat heute anlässlich der
Castortransporte an das Wahlversprechen des Bundeskanzlers aus dem Jahre 1998 erinnert, das wörtlich lautete: Das
Endlager mache ich euch weg. - Ich frage die Bundesregierung, ob sie sich an dieses Wahlversprechen noch erinnern
kann und welche Maßnahmen eingeleitet werden sollen, um
es zu erfüllen. Kann sich jemand erinnern?
({0})
Wer antwortet für die
Bundesregierung? - Ich erteile das Wort der Parlamentarischen Staatssekretärin Gila Altmann.
Auf den letzten Teil der Frage, ob sich die Bundesregierung an ihre Versprechen erinnert, kann ich mit einem eindeutigen Ja antworten. Dies schlägt sich letztendlich auch
in den Ergebnissen des Atomkonsenses mit der Wirtschaft
nieder.
({0})
Darüber hinaus wird dieses Thema in der Aktuellen
Stunde noch ausführlich behandelt werden. Ich denke,
dass dort Ihre Frage von Minister Trittin noch einmal sehr
differenziert beantwortet werden wird.
Ich beende die Regierungsbefragung und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/5637 Ich rufe zuerst den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Die Fragen
der Kollegin Elke Leonhard werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Ernst Hinsken auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass von im Ausland ansässigen Providern auch sadistische Darstellungen wie zum Beispiel
das Verzehren eines gebratenen und verstümmelten menschlichen
Babys im Internet gezeigt werden, und, wenn ja, was gedenkt sie
zu unternehmen, dass solche Gewalt verherrlichenden Seiten
nicht in deutsche Kinderzimmer gelangen?
Herr Kollege Hinsken, es trifft zu, dass insbesondere aus
dem Ausland extreme Gewaltdarstellungen in das Internet
eingestellt werden. Die Verbreitung von medialen Darstellungen, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen schildern, ist gemäß
§ 131 des Strafgesetzbuches strafbar. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 12. Dezember 2000
klargestellt, dass sich nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches auch strafbar macht, wer als Ausländer von
ihm verfasste Seiten auf einem ausländischen Server, der
Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, in das Internet einstellt, wenn die Inhalte konkret zur Friedensstörung im Inland geeignet sind. Nach diesen Grundsätzen ist von einer deutschen Strafgerichtsbarkeit auch in
den Fällen des § 131 Strafgesetzbuch auszugehen.
Gewalt verherrlichende Schriften sind des Weiteren
nach § 6 Nr. 1 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte kraft Gesetzes
indiziert. Darüber hinaus hat die Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften im Jahr 2000 insgesamt
136 Internetangebote auf die Liste der jugendgefährdenden Schriften gesetzt, also indiziert. Nach den §§ 3 bis 5
des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender
Schriften und Medieninhalte sind damit weit reichende
Vertriebs-, Werbe- und Weitergabeverbote verbunden.
Die Verfolgung von Verstößen gegen strafrechtliche Vorschriften obliegt den Strafverfolgungsbehörden. Die unbeschränkte Verbreitung indizierter Angebote ist nach
§ 21 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte strafbar und somit auch
von den Strafverfolgungsbehörden aufzugreifen.
Der Einsatz moderner Informationstechnik ist eine
Grundvoraussetzung für eine effektive Bekämpfung von
Kriminalität im Internet. Mit dem Ziel, die Fahndungsarbeit gezielter, schneller und damit effizienter zu gestalten,
entwickelt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ein Softwarepaket „Internet-Ermittlungstool“, kurz „Intermit“. „Intermit“ ermöglicht eine automatisierte Recherche im Internet. Neben den gesetzlichen
Vorschriften und der freiwilligen Selbstkontrolle der
Wirtschaft ist der Einsatz von Filtertechnologien für den
Kinder- und Jugendschutz insbesondere im Hinblick auf
ausländische Angebote besonders bedeutsam, um unter
anderem menschenverachtenden Inhalten im Internet zu
begegnen.
Gegenwärtig kann durch den Einsatz von Filtertechnologien die Verbreitung dieser Inhalte im Internet jedoch
nicht vollständig unterbunden werden. Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderte
Studie zu Filtertechnologien im Internet sowie die Studie
der länderübergreifenden Stelle „jugendschutz.net“ kommen zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass am Markt
zwar eine Reihe von Filtertechnologien zur Verfügung
steht, deren Treffsicherheit bzw. Manipulationsschutz
aber unzureichend sind. Die Bundesregierung wird die
technische Entwicklung weiterhin sorgfältig beobachten
und bei ihren weiteren Überlegungen zur Bekämpfung
von strafbaren Inhalten im Internet berücksichtigen.
Herr Kollege
Hinsken, bitte, eine Nachfrage.
Sie haben mir eine sehr
umfangreiche Antwort gegeben, Frau Staatssekretärin,
aber sie trifft den Kern der Sache nicht ganz. Deshalb
frage ich nach, was andere - und welche - Länder gegen
die negativen Auswüchse unternehmen, die wir auf dem
Gebiet, das Sie eben angesprochen haben, derzeit zu verzeichnen haben.
Herr Hinsken, die Strafverfolgungsbehörden aller Länder
arbeiten zusammen, weil hier zumeist internationale
Ringe tätig werden. Gerade heute wird in den Tageszeitungen - ich denke beispielsweise an die „FAZ“ - geschildert, dass es gelungen sei, einen internationalen Ring
von Händlern schlimmen pornographischen Materials
dingfest zu machen, der von Moskau über Europa bis in
die USA reicht. Hier findet also eine Zusammenarbeit der
Strafverfolgungsbehörden statt.
Eine zweite Frage,
bitte, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin,
wie bewerten Sie die bundesweiten Aktionen der Polizeigewerkschaft und des Richterbundes, um die bundesdeutsche Gesellschaft aufzurütteln, endlich aktiv zu werden?
Mir geschieht auf diesem Gebiet nämlich viel zu wenig. Wenn wir als Politiker nur den guten Vorsatz fassen,
etwas zu unternehmen, so ist das zu wenig, um weltweit
aufrüttelnd zu wirken. Deshalb frage ich nach der Bewertung dessen, was von diesen beiden Organisationen
unternommen wird.
Jede Initiative aus der Gesellschaft, hier für Aufklärung zu
sorgen, ist natürlich willkommen. Unser Ministerium hat
einige Schriften herausgegeben, die insbesondere der
Aufklärung der Jugendlichen dienen sollen. Denn, wie
Sie richtig sagen, gehört zu diesem Sachverhalt in erster
Linie Medienkompetenz. Wir werden noch so viel versuchen können, Straftäter dingfest zu machen - das Allererste, was wir in der Gesellschaft brauchen, ist Aufklärung; ferner brauchen wir Medienkompetenz.
Es gibt eine weitere
Nachfrage, diesmal des Kollegen Hans-Joachim Otto.
Frau Staatssekretärin, Sie haben eben in Ihrer Antwort gesagt, dass
bisher durch Filtertechnologien gesetzwidrige Inhalte von
der Art, über die wir hier reden, aus technologischen
Gründen noch nicht vollständig unterbunden werden können.
Meine Frage: Ist die Bundesregierung der Auffassung,
dass solche Filtertechnologien flächendeckend - also
nicht nur nutzerautonom am einzelnen PC - für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt werden
sollten, damit sie wirksam werden können?
Sie meinen, seitens der Provider sollten diese Filter
flächendeckend eingesetzt werden?
Nein, die
Bundesregierung war gefragt.
Bei der Anwendung von Filtertechnologien wird zunächst
einmal davon ausgegangen, dass sie vom Empfänger eingesetzt werden.
Nutzerautonom?
Ja, genau.
Diese Filtertechnologien werden noch nicht hinreichend genutzt. Wir sind allerdings - das wissen Sie sicherlich - nach der Vorlage des IuK-DG-Berichts dabei,
ein neues Jugendschutzgesetz zu erarbeiten. Dabei müssen wir dafür sorgen, dass bestimmte Inhalte nur
geschlossenen Benutzergruppen, etwa Erwachsenen, zugänglich gemacht werden dürfen.
Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Wolfgang Dehnel.
Frau Staatssekretärin, Sie wissen, dass wir vor einigen Wochen zu diesem
Thema eine Anhörung durchgeführt haben. Sie hatten da
als Bundesregierung versprochen, dass auch europaweit
die Kontrollen auf diesem Gebiet verbessert werden sollen.
Inwieweit sind jetzt entsprechende Schritte eingeleitet
worden? Inwieweit werden die Kontrollen jetzt europaweit verschärft?
Herr Dehnel, ich glaube, es ist sehr unüblich, dass die
Bundesregierung auf einer Anhörung des Deutschen Bundestages ein Versprechen abgibt. Insofern muss das nicht
richtig zugeordnet worden sein.
Dennoch ist es so, dass wir als Bundesregierung auf europäischer, aber darüber hinaus auch auf internationaler
Ebene in allen Gremien intensiv daran arbeiten, die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet und die Kontrolle zu
verbessern. Das ist ein fließender Prozess.
Wenn Sie jetzt gern hören möchten, dass wir gestern irgendwo angerufen haben und seither europaweit alles gelaufen ist, muss ich Ihnen sagen: So schnell geht es nicht.
Sie können aber sicher sein, dass dies für die Bundesregierung ein Thema ersten Ranges ist und wir unsere Möglichkeiten auf internationaler Ebene überall kräftig nutzen.
Ich rufe jetzt die
Frage 4 des Abgeordneten Ernst Hinsken auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich für ein weltweites Verbot
der Verbreitung solcher sadistischen Darstellungen einzusetzen,
und, wenn ja, was wird sie hierzu unternehmen?
Der Schutz der Jugend und die Bekämpfung von illegalen
und schädigenden Inhalten in den Netzen ist ein wichtiges
Thema der internationalen Zusammenarbeit; wir haben
aufgrund der Frage von Herrn Dehnel schon darüber geredet. Die mit der weltweiten Vernetzung von Informationssystemen verbundene Globalisierung wirkt sich auch
auf die Kontrolle Gewalt verherrlichender, rassistischer
und pornographischer Inhalte aus. Der Kinder- und Jugendschutz im Multimediazeitalter stellt daher neue, nationale und internationale Anforderungen.
Angesichts des grenzüberschreitenden Charakters des
Internets hält die Bundesregierung die Schaffung weltweiter Mindeststandards zur wirksamen Bekämpfung jugendgefährdender Netzinhalte für erforderlich. Sie hat im
Rahmen ihrer Zuständigkeit in der OECD, innerhalb der
G-8-Staaten, im Europarat und in der UNESCO wesentlich zur Begründung der internationalen Bemühungen
beigetragen.
Die Bundesregierung wird sich auf internationaler
Ebene auch in Zukunft nachdrücklich dafür einsetzen,
dass der Jugendschutz und die Würde des Menschen in
den Datennetzen den Schutz erfahren, dessen sie bedürfen. Einzelheiten zu den Maßnahmen der Bundesregierung können Sie, Herr Hinsken, der Antwort der Bundesregierung auf die Frage 22 der entsprechenden Großen
Anfrage der Fraktion der CDU/CSU - Drucksache
14/1866 - entnehmen.
Herr Kollege Hinsken
zu einer Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin,
selbstverständlich werde ich nachlesen, was dazu in der
Antwort auf die diesbezügliche Große Anfrage steht.
Trotzdem möchte ich Ihnen noch die Frage stellen, ob
Pressemeldungen zutreffen, wonach eine Zusammenarbeit mit den USA schwer ist, weil man dort zurzeit andere
Prioritäten setzt und man sich momentan auf die Bekämpfung der Kinderpornographie konzentriert.
Wer ist jetzt „man“, die USA oder wir?
Die USA.
Eine Zusammenarbeit mit den USA ist im Rahmen der internationalen Verhandlungen kein Problem. Sie müssen
immer bedenken, dass das, was auf nationaler Ebene
strafbewehrt ist, auch nur im nationalen Rahmen der
Wertmaßstab ist. Wie Sie wissen, haben wir, was rassistische oder rechtsextreme Inhalte im Internet anbetrifft, das
Problem, dass in anderen Ländern nicht solche scharfen
gesetzlichen Vorschriften existieren wie in der Bundesrepublik Deutschland. Das betrifft nicht nur die USA,
sondern auch andere Länder. Ich wäre sehr dankbar dafür,
wenn wir auf internationaler Ebene dazu kommen könnten, dass zumindest die Verbreitung von rassistischem und
rechtsextremem Gedankengut so strafbewehrt wäre, wie
das in Deutschland der Fall ist.
Herr Kollege Hinsken
zu einer zweiten Nachfrage, bitte.
Diese Frage möchte ich
stellen, weil sie unmittelbar an die gerade gegebene Antwort anschließt. Frau Staatssekretärin, wie gehen die
Strafverfolgungsbehörden in anderen Ländern gegen Provider vor, wenn Meldungen und Anzeigen wegen sadistischer Darstellungen vorliegen, und wie wollen Sie konkret verhindern, dass Schulhöfe und Pausenplätze eine
Börse für solche Internetadressen werden?
Wie ich etwas, was in den USA und zudem im Internet,
das global ist, stattfindet, von hier aus, von diesem kleinen Tisch aus, verhindern soll, ist mir nicht ganz klar. Ich
kann Ihnen nur immer wieder sagen - Sie wissen das -:
Hier bedarf es internationaler Verhandlungen. Die führen
wir, und zwar intensiv.
Als Zweites haben Sie gefragt, wie verhindert werden
kann, dass Schulhöfe bzw. Pausenplätze zu Börsen für
solche Internetadressen werden. In einer Antwort auf eine
vorhergehende Frage hatte ich gesagt, dass gerade unser
Haus intensiv darum bemüht ist, die Medienkompetenz
der Jugendlichen zu stärken. Wir haben eine Reihe von
Broschüren und Aufklärungsmaßnahmen vorgelegt. Darüber hinaus denke ich, dass Lehrerinnen und Lehrer den
Auftrag haben, ihrerseits die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu stärken.
({0})
Sie werden es beim Medium Internet nicht schaffen, alles zu kontrollieren. Sie werden sich bei diesem weltweit
wirkenden Medium zum Zwecke der Strafverfolgung immer wieder an solche Anbieter herantasten und versuchen
müssen, sie aufzufinden. Ich glaube nicht - so Leid es mir
tut -, dass wir angesichts der internationalen Erscheinungsformen dieses Mediums die Möglichkeit haben, solche Darstellungen vollständig zu verhindern.
Herr Kollege
Hinsken, Sie hatten bereits zwei Zusatzfragen gestellt; Sie
dürfen keine weitere stellen. Durch den Wechsel im Präsidium wäre es fast dazu gekommen, dass Sie eine weitere
gestellt hätten.
({0})
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Bei
den Fragen 5 und 6 ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Zur Beantwortung steht der Herr
Parlamentarische Staatssekretär Pick zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Wolfgang
Dehnel auf:
Wird die Bundesregierung angesichts der vergangenen Morde
und des neuerlichen Mordes mit sexuellem Hintergrund an einem
jungen Mädchen die Initiative von einigen Innenministern, insbesondere des Sächsischen Staatsministers des Innern, Klaus
Hardraht, einer Ausweitungsmöglichkeit zum freiwilligen Gentest unterstützen und ist sie gegebenenfalls auch bereit, die Möglichkeiten der zwangsweisen Anordnung zur Abnahme des genetischen Fingerabdrucks zu erweitern?
Herr Kollege, eine Initiative einiger
Innenminister zur Ausweitung freiwilliger Gentests ist
der Bundesregierung nicht bekannt. Sie beziehen sich mit
Ihrer Frage sicher auf eine Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministers des Innern, Herrn Hardraht.
Freiwillige Gentests sind heute schon zulässig. Deshalb würde eine Initiative zu ihrer Ausweitung wenig Sinn
machen. So wurden schon in der Vergangenheit in spektakulären Einzelfällen die Männer einer bestimmten Region zu freiwilligen Gentests aufgerufen. Damit hat man,
beispielsweise im Mordfall Christina Nytsch, eindrucksvolle Erfolge erzielt. Diese Ermittlungsmethode ist aber
sehr aufwendig und schon deshalb nur in Einzelfällen anwendbar. Ihr Erfolg wird außerdem ganz entscheidend
von der Bereitschaft der Bevölkerung zur Mitwirkung bestimmt. Die Teilnahme an einem freiwilligen Gentest lässt
sich nicht anordnen.
Das geltende Recht enthält aber auch bereits ausreichende Möglichkeiten zur Anordnung von zwangsweisen
Gentests.
Erstens. Nach § 81 a Abs. 1 und § 81 e der Strafprozessordnung können einem Beschuldigten Blut- und Körperzellen entnommen werden, um durch einen Gentest
festzustellen, ob aufgefundenes Spurenmaterial von dem
Beschuldigten stammt.
Zweitens. Gentests können nach § 81 g Abs. 1 der
Strafprozessordnung auch zum Zwecke der Identitätsfeststellung in zukünftigen Strafverfahren angeordnet werden, wenn der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher
Bedeutung verdächtigt wird und anzunehmen ist, dass
auch künftig wegen solcher Straftaten gegen den Beschuldigten ermittelt werden wird.
Drittens. Unter denselben Voraussetzungen können
Gentests auch bei bereits rechtskräftig verurteilten Tätern
oder Personen angeordnet werden, die wegen Schuldunfähigkeit oder Strafunmündigkeit nicht verurteilt worden
sind. Das ergibt sich aus § 2 des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes.
Die Bundesregierung sieht deshalb auch vor dem Hintergrund der schrecklichen Taten aus jüngster Zeit keinen
Anlass, die gesetzlichen Grundlagen auszuweiten.
Zusatzfrage des
Kollegen Dehnel, bitte.
Herr Staatssekretär,
Sie haben richtig gesehen, dass ich die Frage auf eine
Pressemitteilung des Herrn Staatsministers Hardraht hin
gestellt habe. Ich habe sie aber auch aus einem ganz anderen Grunde gestellt. Sie wissen, dass der Mord an der
kleinen Ulrike aus Eberswalde tiefe Betroffenheit und
Mitgefühl in der gesamten Bevölkerung nicht nur in
Eberswalde ausgelöst hat. Ich lese zwei Schlagzeilen vor:
„Fall Ulrike: Rechtsprechung hat aus vergangenen Morden nichts gelernt“ - „Nach dem Mord an Ulrike sollten
wir unsere Gesetze verbessern“. Das sind sehr große
Schlagzeilen, die die Meinungen sehr vieler Leser wiedergeben. Unter anderem fordern die Bürger, dass die
Rechtsprechung und der Strafvollzug verschärft werden.
Sie fordern, dass Mehrfachtäter in diesem Bereich nicht
schnell aus dem Gefängnis entlassen werden und keinen
vereinfachten Strafvollzug bekommen. Wie sehen Sie vor
diesem Hintergrund Ihre Aussage, es bestehe kein Handlungsbedarf?
Herr Kollege, ich habe mich natürlich auf Ihre Frage zum DNA-Identitätsfeststellungsgesetz
bezogen.
Wir haben eine lückenlose Strafbarkeit in all diesen
Fällen. Ich denke, die Diskussion in den letzten Monaten
hat gezeigt, dass es nicht an den Strafgesetzen liegt, dass
bestimmte Täter nicht so verurteilt worden sind, wie das
vielleicht von einem Teil der Bevölkerung erwartet wird.
Das ist Sache der unabhängigen Justiz. In sie wird sich
und darf sich die Bundesregierung nicht einmischen.
Grundsätzlich kann ich sagen: Die Gesetze reichen aus.
Der Strafvollzug ist, wie Sie wissen, eindeutig Sache
der Länder. Ich denke, dass die Behörden im Einzelfall
immer zwischen den Belangen der Allgemeinheit und ihres Schutzes vor weiteren Straftaten einerseits und der
Persönlichkeit des Täters andererseits abwägen müssen.
Zusatzfrage des
Kollegen Dehnel.
Sie haben zwar richtig gesagt, dass der Strafvollzug in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt. Aber wenn die Bundesregierung die
Innenministerkonferenz oder die Justizministerkonferenz
einberuft, kann sie doch darauf drängen - das ist ihr
Recht -, dass man gerade bei diesen sich strafverschärfend auswirkenden Tatmotiven wirksam handeln muss.
Das wäre doch sicher - schlussfolgernd aus diesen Fällen eine richtige Maßnahme.
Herr Kollege, Sie können davon
ausgehen, dass auch dieses Thema regelmäßig Gegenstand der Beratungen der Justizministerkonferenz und der
Innenministerkonferenz der Länder ist, an denen auch der
Bund teilnimmt, und über die Erfahrungen in den einzelnen Bundesländern gesprochen wird. Insofern steht dieses
Thema immer auf der Tagesordnung. Auch kann jedes
Bundesland beantragen, dass dies auf die Tagesordnung
gesetzt wird. In diesem Forum ist es immer möglich, solche Fragen konkret anzusprechen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Zusatzfrage des
Kollegen Otto.
Herr Staatssekretär, warum lehnen Sie eigentlich den Kompromissvorschlag ab, wonach Gentests über den bisher von Ihnen
geschilderten Umfang hinaus von allen zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Straftätern abgenommen werden
können, zumal es kriminologische Erkenntnisse gibt, dass
viele Sexualstraftäter durchaus auch in anderen Strafbarkeitsbereichen auffallen?
Herr Kollege, dieser Bundestag hat
1998 die Voraussetzungen bestimmt, unter denen solche
Gentests stattfinden dürfen. Wie Sie wissen, geht dies wegen der DNA-Problematik nur mit richterlicher Anordnung. Die damalige Mehrheit hat sich beim Gesetzeswortlaut ganz bewusst auf die Formulierung „Straftaten
von erheblicher Bedeutung“ verständigt. Hierunter fallen
zum Beispiel alle Verbrechen, herausgehoben insbesondere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung,
aber auch Erpressung und unter Umständen schwerer
Diebstahl. Von daher hat der Bundestag eine Wertung vorgenommen, die im Einzelfall entsprechend nachvollzogen werden muss. Damit ist es möglich, in den von Ihnen
genannten Fallvarianten zu einer entsprechenden Analyse
zu kommen. Es gibt also keinen abgeschlossenen Straftatenkatalog, sondern es ist ganz bewusst in dieser Offenheit formuliert worden, dass Straftaten von erheblicher
Bedeutung vorliegen müssen; diese Begrenzung ist schon
wegen des Aufwands notwendig, der sich ergeben würde,
wenn man alle Straftaten einbeziehen wollte.
Gibt es weitere
Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall. Dann danke ich
Herrn Staatssekretär Pick.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Die Fragen wird
der Parlamentarische Staatssekretär Andres beantworten.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Gottfried Haschke
auf:
Wer hat sich an der öffentlichen Ausschreibung für den Neubau des Arbeitsamtes in Zwickau beteiligt und welcher Bewerber
hat den Zuschlag bekommen?
Frau Präsidentin, wenn
der Abgeordnete Haschke einverstanden ist, würde ich
gern die Fragen 8 und 9 gemeinsam beantworten.
({0})
Da der Abgeordnete einverstanden ist, rufe ich auch die Frage 9 auf:
Welche Wirtschaftlichkeitsberechnungen waren für die Entscheidung maßgeblich und welche Kriterien waren für die Baukommission der Bundesanstalt für Arbeit entscheidend?
Ich beantworte zunächst
die Frage 8. Angebotsunterlagen für den Neubau des Arbeitsamtes Zwickau wurden von 19 Firmen angefordert.
Es wurden zehn Angebote abgegeben. Der Zuschlag
wurde noch nicht erteilt. Im Hinblick auf das noch nicht
abgeschlossene Verfahren ist es mir verwehrt, die Namen
der Unternehmen, die ein Angebot abgegeben haben, zu
nennen.
Die Frage 9 möchte ich wie folgt beantworten: Die Angebote werden nach der Barwertmethode für einen Betrachtungszeitraum von zehn Jahren untersucht sowie einer
baufachlichen Bewertung - dazu gehören die Wirtschaftlichkeit der Planung, die bauliche Umsetzung der Geschäftspolitik und die Funktionalität - unterzogen. Im Rahmen einer Nutzwertanalyse werden beide Bewertungen
zusammengeführt. Dabei erfolgt die Gewichtung der Kostenkriterien mit 60 Prozent und die der baufachlichen Kriterien mit 40 Prozent.
Haben Sie Zusatzfragen? - Der Kollege Haschke hat keine Zusatzfragen, aber der Kollege Luther, bitte.
Herr Staatssekretär,
stimmt es, dass in der letzten Woche die Entscheidung
über die Vergabe des Auftrags „Bau des Arbeitsamtes
Zwickau“ fallen sollte? Und wenn es stimmt, dass die
Entscheidung verschoben worden ist, möchte ich wissen,
warum sie verschoben worden ist?
Nach meinem Kenntnisstand sollte der Bauausschuss bei der Bundesanstalt für
Arbeit in der letzten Woche darüber entscheiden. Diese
Entscheidung ist nicht getroffen worden, weil es offensichtlich - Ihre Fragen müssen ja irgendwelche Hintergründe haben - öffentliche Auseinandersetzungen um die
Frage des Neubaus des Arbeitsamtes oder der Anmietung
gibt. Das soll zunächst geklärt werden. Erst dann erfolgt
ein Zuschlag.
Zusatzfrage des
Kollegen Fuchtel.
Herr Staatssekretär, können Sie etwas dazu sagen, ob die Firma Philipp
Holzmann bei der Projektierung des gesamten Ausschreibungsprojekts irgendeine Rolle gespielt hat und ob sie zu
den Firmen gehört hat, die ein Angebot abgegeben haben?
Nein.
({0})
- Ihre Frage, Herr Fuchtel, lautete: Können Sie etwas
dazu sagen? Diese Frage beantworte ich klar mit Nein.
Herr Fuchtel,
bitte.
Herr Staatssekretär, würden Sie uns dann bitte die Möglichkeit verschaffen, dass wir als Parlamentarier sämtliche Unterlagen zu dem Vorgang, die der Bundesregierung zugänglich
gemacht werden, ebenfalls erhalten? Denn die Bundesanstalt für Arbeit wird nach wie vor in starkem Maße vom
Bund gefördert.
Herr Kollege Fuchtel,
als Mitglied des Haushaltsausschusses kommen Sie - das
ist völlig klar -, wenn Sie es wollen, an alle Unterlagen
heran.
Ich weise noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass
ein Zuschlag noch nicht erfolgt ist und wir damit faktisch
noch im Vergabeverfahren sind. Nach den Vorschriften
der Verdingungsordnung für Leistungen können Unterlagen erst dann zur Verfügung gestellt werden, wenn das
Vergabeverfahren abgeschlossen ist. Aus genau diesem
Grund habe ich die Frage, die Sie zuvor gestellt haben, mit
Nein beantwortet.
Dann rufe ich
die Frage 10 des Abgeordneten Dr. Michael Luther auf:
Welche Kriterien waren für die Standortwahl des neuen Arbeitsamtes in Zwickau maßgeblich und warum erhielt der Standort Planitzer Straße ({0})
den Vorzug vor anderen Standorten, obwohl andere in Frage kommende Standorte mit öffentlichen Verkehrsmitteln - namentlich
dem Bus, der Straßenbahn und der Deutschen Bahn - sowie mit
dem PKW besser zu erreichen wären?
Auch an dieser Stelle
würde ich, da es um den gleichen Zusammenhang geht,
vorschlagen, dass ich die Fragen 10 und 11 gemeinsam
beantworte, wenn Herr Dr. Luther einverstanden ist.
({0})
- Selbstverständlich haben Sie zu jeder Frage zwei Zusatzfragen.
Dann rufe ich
auch die Frage 11 des Abgeordneten Dr. Michael Luther
auf:
Wie wurden die Planung und die Entscheidungsfindung des
Ausschreibungsverfahrens durchgeführt und sind einzelne Teile
der Planung den Bewerbern vorher bekannt gewesen?
Die Frage 10 möchte ich
wie folgt beantworten: Einziges Kriterium für die Standortwahl war eine gute Erreichbarkeit. Darunter verstehen
wir zentrale Lage, Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und Straßennetz. Dem entsprachen acht der zehn abgegebenen Angebote. Davon wurde ein Angebot wieder
zurückgezogen. Im weiteren Verfahren war die Standortfrage deshalb nicht relevant.
Die Frage 11 beantworte ich wie folgt: Zur Herstellung
der Markttransparenz erfolgte ein nicht auf den Allgemeinen Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen VOL/A - basierendes öffentliches Ausschreibungsverfahren. Die Angebote wurden nach der Barwertmethode für
einen Betrachtungszeitraum von zehn Jahren untersucht
sowie einer baufachlichen Bewertung - das habe ich eben
schon bei der Beantwortung der Frage des Kollegen
Haschke erläutert - unterzogen.
Im Rahmen einer Nutzwertanalyse wurden beide Bewertungen zusammengeführt. Dabei erfolgte die Gewichtung der Kostenkriterien mit 60 Prozent und der baufachlichen Kriterien mit 40 Prozent. Der bisherige Vermieter der
Räumlichkeiten des Arbeitsamtes Zwickau wurde bereits
im September 2000 zu einer Angebotsabgabe aufgefordert.
Daher war ihm ein Teil der späteren Ausschreibungsunterlagen bekannt. Sein Angebot machte das oben angeführte
Markterkundungsverfahren erforderlich.
Zusatzfragen? Bitte.
Herr Staatssekretär,
ich habe noch einmal eine Nachfrage zur Standortwahl.
Da das meiner Ansicht nach für die Stadt und für die Region Zwickau eine wichtige Entscheidung ist, möchte ich
Sie fragen: In welcher Weise wurde die Stadt Zwickau in
die Standortsuche, gerade hinsichtlich des Kriteriums verkehrsgünstiger Standort, als Beraterin einbezogen? Denn
der Standort, der jetzt im Gespräch ist, hat weder einen
Straßen- noch einen Regiosprinteranschluss noch gibt es
einen besonders günstigen Anschluss für den Busverkehr.
Auch für den Autoverkehr ist der Standort aus meiner
Sicht nicht besonders günstig.
Herr Abgeordneter
Dr. Luther, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass das Arbeitsamt Zwickau
gegenwärtig in drei unterschiedlichen Liegenschaften untergebracht ist, es also faktisch drei verschiedene Standorte
gibt. Das Arbeitsamt Zwickau ist in das Modellprojekt
„Arbeitsamt 2000“ einbezogen, in dessen Rahmen der
Versuch unternommen werden sollte, die unterschiedlichen Liegenschaften in einem geeigneten Objekt unterzubringen. Deswegen ist dieses Verfahren gewählt worden.
Inwieweit die Stadt in dieses Verfahren einbezogen
worden ist, kann ich Ihnen leider nicht sagen; darüber
habe ich keine Kenntnisse.
Weitere Zusatzfragen? - Bitte.
Dann stellt sich für
mich die Frage, ob diese Zusatzinformationen nachgereicht werden können.
Ja.
Ich denke, das wäre
für die Öffentlichkeit - auch angesichts der Kritik, die laut
geworden ist - sehr wichtig. In dieser Frage sollte ja letzte
Woche die Baukommission entscheiden. Offensichtlich
aber gab es Gründe, die Entscheidung zu vertagen.
Deshalb will ich die Frage nachschieben: Hat letztendlich die Kritik der Mitbewerber an dem Vergabeverfahren
bei der Standortsuche dazu geführt, dass diese Entscheidung vertagt worden ist?
Es gibt öffentlich
geäußerte Kritik. Aber das ist Angelegenheit derer, die
diese äußern. Die Bundesanstalt für Arbeit hat, wie ich das
schon eben geschildert habe, die Entscheidung vertagt
und lässt das Vergabeverfahren bzw. den Stand der Vergabe überprüfen.
Ich habe noch eine
Zusatzfrage: Wann ist mit der Entscheidung zu rechnen?
Das kann ich Ihnen
nicht sagen. Das hängt davon ab, wann das Prüfverfahren
abgeschlossen ist. Nach meinem Kenntnisstand besteht
einiger Zeitdruck, weil das neue Objekt bezogen werden
muss.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fuchtel.
Herr Staatssekretär, könnten Sie kurz die Historie des Prozesses aufzeigen und erklären, wieso im Zuge dieser Ausschreibung
- deren Frist sogar noch verlängert wurde - auf einmal ein
unerklärlicher Wechsel in den Auffassungen erfolgt ist
und wie man zu diesem Standort gekommen ist, obwohl
man schon einen anderen Standort vorgesehen hatte? Wie
ist man auf das Philipp-Holzmann-Gelände gekommen?
Herr Abgeordneter
Fuchtel, ich habe nicht von Philipp Holzmann gesprochen; das haben Sie getan. Ich kann auch die Historie
nicht aufzeigen, weil ich sie - offensichtlich im Gegensatz
zu Ihnen - nicht kenne. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es
ein Ausschreibungsverfahren gegeben hat, an dem sich
mehrere Bieter beteiligt haben. Die Namen der Bieter
kann ich nicht nennen; das habe ich vorhin schon erläutert. Ich kann Ihnen lediglich sagen, dass der Bauausschuss der Bundesanstalt in der letzten Woche eine Entscheidung treffen sollte. Diese Entscheidung ist wegen in
diesem Zusammenhang öffentlich geäußerter Kritik nicht
getroffen worden. Dieser Kritik wird nachgegangen und
dann wird ein Vergabebeschluss herbeigeführt.
Keine weiteren
Zusatzfragen. Die Frage 12 wird schriftlich beantwortet.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär Andres.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Parlamentarische
Staatssekretärin Brigitte Schulte wird die Fragen beantworten. Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Fuchtel
auf:
Ist die Bundesregierung bereit, aufgrund jüngster Interventionen auf die Reduzierung des Bundeswehrstandortes Horb zu verzichten?
Frau Präsidentin! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Fuchtel, mit
dem Entwurf des Ressortkonzeptes zur Feinausplanung
und Stationierung vom 29. Januar 2001 hat Bundesverteidigungsminister Scharping dem Verteidigungsausschuss
des Deutschen Bundestages, den Landesregierungen, der
Öffentlichkeit und den Angehörigen der Bundeswehr
seine Planungen für die zukünftige Stationierung der Bundeswehr vorgestellt.
Der Entwurf war Gegenstand einer Regierungserklärung. Er wurde im Deutschen Bundestag beraten und
in Gesprächen mit den Ministerpräsidenten der Länder
nochmals erörtert. Die abschließende Entscheidung zu
den Standorten hat Bundesminister Scharping am 16. Februar getroffen. In dem Zusammenhang hat er als Ergebnis festgehalten, dass der Standort Horb umgegliedert
wird.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, wie ist es zu verstehen, dass von einer SPD-Kollegin am 30. Januar dieses Jahres im „Schwarzwälder Boten“ berichtet wurde, die Zitterpartie sei zu Ende, das
Stationierungskonzept für die Neuausrichtung der Bundeswehr habe keine Auswirkungen auf die Standorte? Etwas weiter unten steht in dem Artikel, dass dort 1 000 Soldaten stationiert werden. Wie kommt es dazu, dass Sie
hier ganz andere Äußerungen machen?
Ob ich andere Äußerungen mache, will ich einmal dahingestellt sein lassen; denn jetzt
geben Sie mir durch Ihre Zusatzfrage die Gelegenheit, zu
sagen, was dort vor sich gegangen ist, Herr Kollege
Fuchtel.
Dieser Bundeswehrstandort beherbergte vorher ein Sanitätsregiment mit 930 militärischen und zivilen Dienstposten zuzüglich 463 Lehrgangsteilnehmern. Es wird in
Zukunft folgendermaßen sein: Das Sanitätsregiment 10
wird unter Heranziehung des Krisenreaktionslazaretts
Ulm in ein Lazarettregiment umgegliedert. Damit ist klar,
dass ein Schwerpunkt die internationalen Einsätze sein
werden.
Dabei bleiben Teile dieses Lazaretts, zum Beispiel
zwei Kompanien mit der Containerausstattung - auch aus
Platzgründen - am Standort Dornstadt. Aber hinsichtlich
der künftigen Ausbildung erfolgt eine Umgliederung.
Deshalb brauchen wir zwar nicht so viel Stammpersonal,
aber die Zahl der Lehrgangsteilnehmer wird sich nicht erheblich reduzieren. Wir gehen davon aus, dass bei 580 militärischen wie zivilen Dienstposten ein hoher Bedarf an
Ausbildung an dem Standort Horb besteht. Deshalb brauchen wir Kapazitäten für die Unterbringung von über tausend Soldaten. Damit haben wir eine Verringerung bei den
Ausbildungskapazitäten von vielleicht 10 Prozent. Das
hätte ich Ihnen sonst zu Ihrer nächsten Frage gesagt. Wir
können die vorhandenen Unterbringungskapazitäten auch
in Zukunft weiter nutzen.
Frau Staatssekretärin, ich verstehe, dass Sie nicht so recht mit der Sprache heraus wollen. Ich muss Sie aber doch noch einmal
fragen: Ist es nicht so, dass zunächst in Ihrem Konzept
stand, den Standort Horb ohne jegliche Einschränkung zu
erhalten, und anschließend diese Einschränkungen - sehr
zur Überraschung der gesamten Region - durch Staatssekretär Kolbow vor Ort bekannt gegeben wurden, was auf
einen Dissens in Ihren Planungen schließen lässt?
Lieber Herr Kollege Fuchtel,
Sie gehören dem Haushaltsausschuss des Deutschen
Bundestages an. Sie werden deshalb weniger als andere
Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion bestreiten können, dass die Bundeswehr für internationale Einsätze in
Teilen falsch strukturiert war. Sie wissen genau, dass wir
für diese internationalen Einsätze auch das Sanitätskonzept geändert haben. Zu Ihrer Regierungszeit haben Sie
eine Verteilungsaktion vorgenommen, wir gehen jetzt
nach Effizienzkriterien vor.
Die Bausubstanz und der Unterkunftsbedarf bleiben.
Auch die Zahl der Soldaten und zivilen Mitarbeiter wird
in einem beachtlichen Maße erhalten. Wir hoffen sogar,
dass wir bei der Feinplanung den einen oder anderen
Dienstposten möglicherweise von einem militärischen in
einen zivilen umwandeln können. Das wird sich ergeben.
Vielleicht kommt es auch durch die Kombination dieses
Krisenreaktionslazaretts und der Sanitätsausbildung zu
der einen oder anderen Einsparung. Es muss sehr in Ihrem
Sinne sein, dass wir so vorgehen.
Ich rufe jetzt die
Frage 14 des Kollegen Fuchtel auf:
Wie ist die räumliche Auslastung für den Fall der Reduzierung
angesichts der erst vor wenigen Jahren in der jetzigen Dimension
ausgebauten Kaserne künftig für den Fall vorgesehen, dass die Reduzierung tatsächlich stattfindet?
Die Hohenberg-Kaserne
wurde 1988, also vor der deutschen Einheit, instand gesetzt und verfügt über eine gute Bausubstanz. Das haben
mir zumindest meine Männer aufgeschrieben. Ich hoffe,
Sie können das bestätigen.
({0})
Sie hat 1 270 Unterkunftseinheiten.
Im Ressortkonzept Stationierung sind die Stationierungsumfänge ohne die zukünftige Zahl der Lehrgangsteilnehmer an Ausbildungseinrichtungen aufgeführt, da
diese noch der weiteren Feinausplanung bedürfen. Bei der
vorgesehenen Reduzierung des Stationierungsumfangs
am Standort Horb bleibt eine wirtschaftliche Auslastung
der Liegenschaften auch deshalb gegeben, weil sich die
Ausbildungskapazität für unterkunftspflichtige Lehrgangsteilnehmer nach den derzeitigen Planungen nur geringfügig, etwa um 10 Prozent, reduziert.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fuchtel, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie verwirren mich immer mehr, da mir aus Kreisen der Bundeswehr gesagt wurde, die Entscheidungsfindung für den von Ihnen jetzt vorgetragenen Weg beruhe
auf Unterlagen, die mehr als zwei Jahre alt seien. Ich
werde nur aus Gründen des Datenschutzes an dieser Stelle
nicht konkreter. Solange Sie die Ursachen für solche
Äußerungen aus der Bundeswehr nicht beseitigen, tun
Sie, egal, welches Konzept Sie verfolgen, der Sache keinen Gefallen. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die bestehenden Verwirrungen hinsichtlich der Frage, ob der
Standort im jetzigen Umfang erhalten bleibt, beseitigt
werden?
Herr Kollege Fuchtel, ich kann
Ihnen nur bestätigen: Aus dem Sanitätsregiment, das wir
in dieser Form nicht mehr benötigen, wird unter Heranziehung des Krisenreaktionslazaretts eine Ausbildungsstätte, um Kapazitäten für immer häufigere Einsätze im
Bereich von Krisen regulierenden Maßnahmen und internationalen Hilfsmaßnahmen zu schaffen. An dieser Ausbildungsstätte werden sowohl Ausbilder, teilweise ziviles
Personal, als auch vor allen Dingen Auszubildende, nämlich Soldaten, die für entsprechende Einsätze qualifiziert
werden, tätig sein. Deswegen sehe ich im Moment keine
Verwirrung. Der Bedarf an Auszubildenden wird bleiben,
während der Bedarf an dort ständig stationiertem Personal reduziert wird. Das ist deswegen richtig, weil uns in
vielen Bereichen militärisches Personal fehlt, was teilweise auf Entscheidungen der Vorgängerregierung
zurückgeht. Insoweit bin ich gerne bereit, Ihnen dazu einiges zu berichten, wenn Sie mir einen Brief schreiben.
Letzte Bemerkung: Dass diese Kaserne gut ausgebaut ist, rührt daher,
dass ein guter Abgeordneter daran gearbeitet hat.
({0})
Ich würde gerne noch etwas über den Zeithorizont erfahren, wann im konkreten Fall eine Neustrukturierung
mit Blick auf die künftigen Aufgaben durchgeführt werden soll.
Herr Kollege Fuchtel, mir ist
im Augenblick nicht bekannt, ob Sie 1988 schon im Parlament saßen. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass der Ausbau
bereits 1988 erfolgt ist. Ich werde mich im Übrigen hüten,
mich über Ihre Qualitäten auszulassen.
Ich rufe die
Frage 15 des Abgeordneten Koschyk auf:
Bis zu welchem Zeitpunkt soll nach dem Willen des Bundesministeriums der Verteidigung die Auflösung des II. Luftwaffenausbildungsbataillons 3 in Bayreuth vollzogen werden, und welche Nachfolgenutzung des Areals der Markgrafenkaserne in
Bayreuth strebt der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf
Scharping, an?
Herr Kollege Koschyk, die
Auflösung des II. Bataillons des Luftausbildungsregiments 3 in Bayreuth ist in dem Zeitraum von Oktober 2003 bis Dezember 2004 vorgesehen. Zurzeit wird
geprüft, ob ein begrenzter Bereich der Markgrafenkaserne
für eine Unterbringung des Verteidigungsbezirkskommandos benötigt wird. Die freizugebenden Teile der Kaserne werden dem allgemeinen Grundvermögen des Bundes zugeführt und von den dem Bundesministerium der
Finanzen nachgeordneten Behörden der Bundesvermögensverwaltung verwertet.
Frau Staatssekretärin, bevor ich zu einem anderen Punkt komme: Mich hat
überrascht, zu hören, dass der möglicherweise freizugebende Teil an das Finanzministerium zurückgegeben und
nach allgemeinen Gepflogenheiten verwertet wird.
Warum ist in diesem Zusammenhang nicht die extra gegründete Verwertungsgesellschaft GEBB zuständig?
Man muss ganz deutlich sehen,
dass es bezüglich der Liegenschaften unterschiedliche Interessenlagen gibt. Wir können nicht alle Liegenschaften
- wir haben noch eine ganze Reihe von Liegenschaften infolge von Schließungen durch die alte Regierung zu verwerten - durch die GEBB verwerten lassen. Der Bund, in
dieser Beziehung gewissermaßen ein Großgrundbesitzer,
muss Schwerpunkte setzen. Diese liegen in Bereichen,
von denen wir glauben, dass eine Nutzung wirtschaftlicher erfolgen kann, oder wo wir froh sind, dass, möglicherweise in Übereinstimmung zwischen Land, Bund und
den betreffenden Kommunen, überhaupt eine vernünftige
Nachnutzung erfolgt.
Der Bundeswehrstandort in Bayreuth - der Oberbürgermeister von Bayreuth war ja auch bei mir - gehört
wohl eher zu den Liegenschaften, bei denen der Bund
zunächst prüft, ob er sie selber behalten soll. Ich muss Ihnen natürlich nicht sagen, dass ein Verteidigungsbezirkskommando kleiner als das frühere Luftwaffenausbildungsregiment ist. Alles andere wird man sehen.
Möglicherweise gibt es noch Bedarf auf Bundes- oder
Landesseite. Aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.
Wir haben die Liegenschaften auf unterschiedliche
Weise geprüft. Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der
Liegenschaften weiterhin durch die Bundesvermögensverwaltung geordert werden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Sie haben im Hinblick auf die Auflösung einen zeitlichen Horizont von
2003 bis 2004 genannt. Wenn man sich die vom Bundesverteidigungsministerium veröffentlichten Entscheidungskriterien bezüglich der drastischen Reduzierung der Zahl
der Standorte - auch Bayreuth ist, wie gesagt, davon betroffen - in Erinnerung ruft, dann stellt man fest, dass sowohl Arbeitsmarkt- als auch Strukturdaten berücksichtigt
werden sollten. Nun gibt es in jüngster Zeit eine die Arbeitsmarkt- und Strukturdaten verschlechternde Entwicklung am Bundeswehrstandort Bayreuth. So hat ein großes
Unternehmen das Insolvenzverfahren beantragt und auch
die Firma Grundig hat angedeutet, dass sie ihr Werk in
Bayreuth möglicherweise schließen wird. Können Veränderungen der Arbeitsmarkt- und Strukturdaten in dem längerfristigen Zeitraum, den Sie genannt haben, dazu
führen, dass die Entscheidung, das Luftwaffenausbildungsbataillon 3 in Bayreuth zwischen 2003 und 2004 zu
schließen, im Lichte der neueren Entwicklung im Wirtschafts- und Arbeitsmarktbereich noch einmal geprüft
wird?
Herr Koschyk, die Luftwaffe
hat es bei ihren Planungen nicht ganz so schwer wie das
Heer mit seinen vielen Liegenschaften. Sie wissen, dass
wir ab dem Jahr 2002 die Zahl der Wehrpflichtigen reduzieren müssen. In Bayreuth handelt es sich ja um ein Ausbildungsregiment. Ich habe - ich war überrascht - deswegen nachgefragt, ob es tatsächlich erst 2003 bzw. 2004
aufgelöst werden wird. Auch die Luftwaffe muss schließlich die Zahl ihrer Standorte reduzieren und sich Gedanken machen, wie die Ausbildung in Zukunft angesichts
einer verringerten Zahl von Wehrpflichtigen aussehen
wird, wenn die Umstrukturierung abgeschlossen ist. Vor
diesem Hintergrund kann ich mir nicht vorstellen, dass die
Auflösung des Bundeswehrstandortes in Bayreuth über
das Jahr 2004 hinaus verschoben werden kann. Ich kann
Ihnen mit einer gewissen Sicherheit sagen, dass dieser
Termin eingehalten wird, weil die Zahl der Wehrpflichtigen erst langsam zurückgeführt wird. Ich sehe mit Interesse, dass die Planungen in anderen Bereichen manchmal
schneller vorankommen, weil die Soldaten an anderer
Stelle benötigt werden.
Ein zweites interessantes Moment ist für mich: Es gibt
erstaunlicherweise doch mehr Interessenten für die Liegenschaften der Bundeswehr, als ich mir das vorstellen
konnte, und zwar - ich sage das nicht nur ausdrücklich im
Hinblick auf Bayreuth - an verschiedenen Standorten. Ich
habe dem Oberbürgermeister von Bayreuth, der mir damals seine Sorgen vorgetragen hat, ausdrücklich gesagt:
Man muss einmal schauen; denn es handelt sich um gut
erschlossene Liegenschaften, die auch aufteilbar sind.
Unter realistischen Gesichtspunkten halte ich den Zeitpunkt 2003/2004, bis zu dem der Bundeswehrstandort in
Bayreuth aufgelöst werden soll, für den allerletzten Termin, gerade weil es sich um ein Luftwaffenausbildungsregiment handelt.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Wirtschaftskraft in
den von Bundeswehrstandortschließungen betroffenen
Regionen nicht wesentlich nachlassen wird. Es wird zwar
wirtschaftliche Veränderungen geben, von denen auch
Bayreuth betroffen sein wird. Aber ich glaube, dass Bayreuth durch die Förderung der mittelständischen Industrie
eine Chance haben wird, den Verlust an Wirtschaftskraft,
der durch die Schließung des Bundeswehrstandortes entsteht, zu kompensieren. Ich werbe ausdrücklich dafür,
dass sich gerade die kleinen und mittleren Städte darum
bemühen, die eigene mittelständische Industrie zu fördern. Ich bin realistisch genug, zu wissen, dass dies in
dem einen oder anderen Fall nicht funktionieren wird.
Aber das Schlimmste wäre, wenn die Liegenschaften über
Jahre hinweg leer stünden; denn dann würde die Substanz
der Liegenschaften kaputtgehen und dann wäre der Verlust am größten.
Ich rufe
Frage 16 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf:
Wie bewertet der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf
Scharping, die in dem Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt
Bayreuth vom 2. März 2001 an ihn geäußerte Auffassung, wonach
eine „Konversion der Kasernenanlage auf zivile, etwa gewerbliche Nutzung auf lange Zeit nicht gelingen wird“, und inwieweit
berücksichtigt der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf
Scharping, die Position der Stadt Bayreuth bei seinen Überlegungen im Hinblick auf die künftige Nutzung der Markgrafenkaserne?
Bei der Entscheidung über den
Standort Bayreuth stand natürlich der Aspekt des Abbaus
von Ausbildungskapazitäten im Vordergrund. Die Bundeswehr strebt eine Verwertung der Liegenschaft im Hinblick
auf eine zivile Anschlussnutzung an. Hierbei wurde die
erforderliche Kooperation mit der Stadt Bayreuth herbeigeführt bzw. gesucht. Auch hier bitte ich Sie und auch die
Kollegen der anderen Fraktionen, gemeinsam zu überlegen, wie das Land, die Kommune, aber auch der Bund bei
der Vermarktung der Liegenschaft helfen können. Möglicherweise kann auch eine Teilvermarktung erfolgen. Es
sollte nicht an uns scheitern, wenn man im Rahmen der
Kooperation zu dem Ergebnis kommt, dass es sinnvoll
wäre, die Auflösung entweder früher oder später vorzunehmen.
Frau Staatssekretärin, ich stelle fest, dass Sie den Teil meiner Frage nicht beantwortet haben, in dem ich ausdrücklich gefragt habe,
wie der Bundesminister der Verteidigung das Schreiben
des Oberbürgermeisters der Stadt Bayreuth bewertet, in
dem dieser darauf hingewiesen hat, dass er die Konversion der Kasernenanlage auf zivile, etwa gewerbliche,
Nutzung auf lange Zeit als nicht möglich ansieht. Er hat
in dem Schreiben an den Minister ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass er ein fehlendes ziviles und öffentliches Interesse gerade im Hinblick auf eine Konversion zu
Gewerbeflächen sieht, nachdem die Stadt Bayreuth gerade erst umfangreiche Gewerbegebiete ausgewiesen hat,
die sofort verwertbar sind. Auch aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ergibt sich momentan nur ein
bedingtes Interesse. Daher erlaube ich mir die Frage:
Kann denn der Bundesminister der Verteidigung hinsichtlich einer Verwertung nach außen hin Optimismus artikulieren, wenn der betroffene Oberbürgermeister sehr deutlich macht, dass er aufgrund der Situation vor Ort nicht
von einer Verwertung ausgehen kann?
Die Gemeinde Stadt Oldendorf, die zu meinem sehr schönen Bundestagswahlkreis
gehört, hat eine ähnliche Vorstellung gehabt; auch die
Klagen meines Bürgermeisters waren ähnlich. Er wurde
dabei natürlich durch die Beiträge der Unionskollegen aus
Landtag und Bundestag unterstützt. In Wirklichkeit haben
wir aber mit Erstaunen festgestellt, dass es eine Reihe von
mittelständischen Industriebetrieben gibt, die den Weg zu
größeren Kapazitäten suchen, wenn die nötigen finanziellen Bedingungen dafür gegeben sind. Ich würde einmal
schlichtweg sagen: Die Tatsache, dass bei unseren Hochbauten - ich kenne die Bayreuther Kasernenanlagen nicht eine völlig erschlossene Infrastruktur - nämlich Gas,
Warmwasser, Abwasser usw. - vorhanden ist, eröffnet erstaunliche Möglichkeiten. Ich war vor einigen Tagen in
Verden. Dort ist eine riesige Anlage der Briten umgearbeitet worden. Dort hat sich die Kommune zusammen mit
dem Landkreis sehr schnell dazu entschlossen, eine Nutzung, an die früher nicht gedacht war, vorzunehmen und
gleichzeitig einen Teil der Liegenschaften abzureißen, um
dort eine gemeinsame sinnvollere Neugestaltung in Angriff zu nehmen.
Ich bin also nicht so pessimistisch und bitte Sie sehr,
Herr Kollege Koschyk, ein bisschen mitzuhelfen, da es
schwierig ist, in Deutschland solche Liegenschaften zu
nutzen. Sie dürfen vor allen Dingen nicht leer stehen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, das möchte ich aufgreifen - ich muss das einfach vor
meine Frage stellen, Frau Präsidentin -: Das ist ein Areal,
das auf zwei Kampfbataillone der Bundeswehr ausgelegt
ist, mit sehr massiv in den Boden hineingebauten Luftschutzbunkern. Dort waren Panzer stationiert. Dort ist
viel Beton verarbeitet worden. Es gibt unterschiedliche
Aussagen über mögliche Altlasten. Wir haben bereits Erfahrungen mit der Konversion, nämlich der Konversion
eines von den Amerikanern zu Beginn der 90er-Jahre
zurückgelassenen Areals, auf dem ebenfalls ein Panzerbataillon stationiert war. Ich kann ein Lied von der Dauer
der Konversionen in diesem Bereich singen. Daher
möchte ich von Ihnen wissen: Wie können Sie sicherstellen, dass die optimistische Erwartung, die hier im Hinblick auf eine Konversion geäußert wird, obwohl Ihnen
der betroffene Oberbürgermeister sowohl im persönlichen Gespräch als auch noch einmal schriftlich eine andere Auffassung mitgeteilt hat, nicht an der örtlichen
Situation vorbeigeht? Gerät dadurch nicht das Verwertungskonzept des Bundesministeriums der Verteidigung
insgesamt ins Wanken?
Frau Staatssekretärin, ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass ich eine Anfrage an die Bundesregierung
gestellt habe, wie die Verwertungssituation bei den aufgegebenen Bundesgrenzschutzstandorten aussieht. Die
Bundesregierung hat sich leider außerstande gesehen, darüber Auskunft zu geben. Sie hat sich in die Ausrede geflüchtet, dass es darüber keine gesonderten Statistiken
gebe. Wenn sie darüber Auskunft geben würde, hätten wir
einen Erfahrungswert, wie es gelungen ist, durch die
BGS-Reform aufgegebene BGS-Liegenschaften zu verwerten. Ich befürchte, auch hierbei wird ein Optimismus
verbreitet, der nicht mit der Realität vereinbar ist.
Herr Koschyk, der Vorteil ist,
dass ich eine ganze Reihe von Jahren auch die kommunalpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion
war; ich habe mich nicht nur um Verteidigung gekümmert. Außerdem war ich lange Jahre Mitglied des Haushaltsausschusses.
Erstens. Wir müssen in einem so dicht besiedelten
Land wie der Bundesrepublik Deutschland - Deutschland
ist dicht besiedelt genug! - darauf achten, dass wir bereits
erschlossene Liegenschaften nutzen, anstatt ständig neue
Gebiete auf freiem Felde zu erschließen.
Zweitens. Es war natürlich ein Fehler - Sie haben das
zu Recht beschrieben; was ich jetzt sage, wollte ich Ihnen
eigentlich ersparen -, eine mit zwei Bataillonen besetzte,
viel zu große Kasernenanlage - das hat für den Bund ständig Folgekosten bedeutet - anschließend mit einem
Luftwaffenausbildungsregiment zu besetzen. Wahrscheinlich wäre es leichter gewesen, wenn das immer ein
typischer Luftwaffenplatz gewesen wäre. Das war es aber
nicht; Sie haben das freundlicherweise beschrieben.
Zu Beginn der 90er-Jahre hat der arme Herr Waigel zusammen mit den Ländern auf 2 Prozentpunkte der Mehrwertsteuer zurückgreifen müssen, damit die Länder ein
Konversionsprogramm durchführten. Einige haben das an
verschiedenen Stellen hervorragend gemacht - ich kenne
solche Beispiele aus Bayern - und andere haben gesagt:
Lasst doch bitte die Bundeswehr dort weiterhin stationiert. Die Situation in Bayreuth kann ich gut verstehen.
Da ist die Gemeinde gekommen und hat gesagt: Wir haben sonst zwei Bataillone gehabt und jetzt haben wir nur
noch ein Ausbildungsregiment. - Die Kosten für den Staat
Bundesrepublik Deutschland sind zu hoch gewesen.
Ich sage Ihnen ausdrücklich: Wir unterstützen Ihre
Auffassung, dass bei der Räumung der Liegenschaften
Möglichkeiten gefunden werden müssen. Wir sind deswegen aber nicht der Meinung, dass jede dieser Liegenschaften im Hinblick auf die durch ihren Verkauf erzielten Erlöse optimiert werden muss; vielmehr muss auch
auf die Region Rücksicht genommen werden. Deswegen
geschieht die Vermarktung durch die bundeseigene Vermögensverwaltung. Es kommt jetzt wirklich darauf an,
dass Sie alle mithelfen, schnell Möglichkeiten der Nachnutzung zu finden, damit die Standorte nicht leer stehen;
denn das wäre ein Substanzverlust.
Ich habe mir die Lösung der Probleme in Bayreuth ein
bisschen auf meine Fahne geschrieben. Ich wage vorauszusagen, dass es auch dort Nutzungsmöglichkeiten gibt.
Das ist kein Zweckoptimismus. Der Gedanke, der dahintersteht, lautet: Wir haben in Deutschland gar nicht so
viele geeignete Freiflächen, dass wir alles beliebig erschließen könnten. Gemeinden haben Gewerbegebiete erschlossen, die nie bebaut worden sind. In Bayreuth sind
die notwendige Infrastruktur und die notwendigen Anschlussmöglichkeiten vorhanden. Lassen Sie uns beide in
einem Jahr noch einmal darüber sprechen.
Ich rufe jetzt die
Frage 17 des Abgeordneten Spranger auf:
Welche Pläne verfolgt die Bundesregierung hinsichtlich der
Schließung des Bundeswehrstandortes Heidenheim in Westmittelfranken in Bezug auf den genauen Zeitpunkt der geplanten
Schließung, die infrastrukturellen Ausgleichsmaßnahmen für die
Region, die Weiterbeschäftigung von 80 zivilen Mitarbeitern sowie eine mögliche Weiterverwendung des Standortgeländes und
die damit eventuell verbundenen Investitionsförderungsmaßnahmen?
Herr Kollege Spranger, auch
für Sie gilt: Das Bundesministerium der Verteidigung hat
am 16. Februar 2001 die Aufgabe des Standortes Heidenheim beschlossen. Das Panzerbataillon wird wie andere
Panzerbataillone aufgelöst. Die Panzerpionierkompanie 300 wird nach Külsheim verlegt. Die Hahnenkamp-Kaserne wird in das allgemeine Grundvermögen
übergehen.
Ein genauer Zeitpunkt der Schließung des Standortes
Heidenheim kann zurzeit noch nicht genannt werden. Er
wird aber mit den Betroffenen zeitgerecht besprochen
werden. Die vom Umstrukturierungsprozess betroffenen
zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Soldatinnen und Soldaten können - das hat der Bundesverteidigungsminister im Parlament und in der Öffentlichkeit
oft betont - darauf vertrauen, dass die Umsetzung der Entscheidung in sozial verträglicher und verantwortbarer
Weise erfolgen wird.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Spranger, bitte schön.
Frau Staatssekretärin, ist der Bundesregierung bekannt, dass die Schließung dieses Standortes in dieser Region besonders
schwierige wirtschaftliche, soziale und strukturelle Probleme aufwirft? Ist die Bundesregierung gemäß dem Verursacherprinzip deshalb nicht besonders verpflichtet,
diese Probleme durch notwendige Ausgleichsmaßnahmen
zu lösen?
Herr Kollege Spranger, wie Sie
wissen, gehöre ich dem Parlament lange an: Ich habe eine
sozialliberale Bundesregierung miterlebt, ich habe eine
christdemokratisch geführte Bundesregierung miterlebt
und jetzt regieren wir das Land. Erfreulicherweise befinden wir uns jetzt in der Situation - das ist entscheidend -,
dass wir weniger Soldaten brauchen. Außerdem sind diese
Soldaten jetzt stärker als je zuvor im täglichen Einsatz gefordert. Darüber hinaus hat die alte Bundesregierung leider Panzerbataillone aufrechterhalten, die wir nicht gebraucht haben. Unsere jetzige Strukturpolitik vor diesem
Hintergrund in Zweifel zu ziehen halte ich geradezu für
hanebüchen.
Wir werden kaum Probleme haben - uns fehlen bereits
14 000 Zeit- und Berufssoldaten -, bestimmte Gruppen
von Soldaten unterzubringen. Ein Problem sind die 80 zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir müssen
schauen, ob ein Teil von ihnen an einer anderen Stelle der
Bundeswehr eine Aufgabe bekommt oder ob wir durch
Tarifverträge mit der neuen, großen Gewerkschaftsorganisation Verdi Lösungen finden.
Meine Sorge gilt den Teilzeitkräften und da vor allen
Dingen den Küchenkräften. Ich bin davon überzeugt, dass
alle anderen eine Chance haben, entweder bei der Bundeswehr weiter beschäftigt zu werden, weil sie an anderer
Stelle eingesetzt werden können, oder woanders einen
Arbeitsplatz zu finden, wenn sie jung genug sind.
Die Schließung eines Standortes mit nur 80 zivilen
Mitarbeitern bereitet mir nicht so große Sorgen wie die
Schließung von Standorten, an denen eine größere Zahl
von zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt
ist. Es kann nicht sein, dass wir einen Standort erhalten,
obwohl er nicht benötigt wird.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, nicht nur mir, sondern auch der Bevölkerung in
Westmittelfranken ist bewusst geworden, dass Sie - wie
Sie so schön sagen - das Land regieren. Die Menschen erwarten von Ihnen daher, dass Sie sich nicht nur in memoriam mit diesem Thema beschäftigten, sondern dass Sie
nach vorne schauen und ihnen mitteilen, welche Ausgleichsmaßnahmen Sie planen, um die durch Ihre Entscheidungen entstandenen Herausforderungen zu bewältigen.
Wir räumen das auf, was Sie
aufgrund Ihres Hochmuts nicht weggeräumt haben.
({0})
Wir haben Sie schon 1991 darum gebeten - ich war bereits damals in diesem Bereich tätig -, eine Strukturkommission des Bundestages einzusetzen, um gemeinsam
Pläne für eine auf die Zukunft ausgerichtete Struktur der
Bundeswehr zu entwickeln. Herr Kollege Spranger, das
haben Sie schlichtweg abgelehnt.
Das Stationierungskonzept von Herrn Stoltenberg, mit
dem Standorte erhalten wurden, war ein Kompromiss, um
keinen politischen Ärger vor Ort zu bekommen. Heute
fehlt uns aufgrund der hohen Staatsverschuldung, die wir
vorgefunden haben, aber auch aufgrund der mangelhaften
Struktur der Bundeswehr das Geld.
({1})
- Frau Kollegin, das müssen Sie sich schon anhören. Sie
waren damals ebenfalls dabei. - Das ist schlicht und einfach die Wahrheit.
Ich setze mich dafür ein - das gilt auch für die Kollegen im Verteidigungsausschuss -, bezüglich der Stationierung eine Sicherheit für die Standorte zu erreichen.
Weiterhin setze ich mich dafür ein, dass es mehr einsatzfähige Soldaten gibt. Wir haben heute noch nicht die
Struktur - wir müssen sie aber schnell erreichen -, um
Soldaten geschlossen in Kompanien und Verbänden in
Einsätze zu schicken.
Herr Spranger, ich möchte mich für meine heftige Antwort entschuldigen. Aber die Fakten sind leider so, wie
von mir geschildert. Ich kann deswegen bedauerlicherweise nur sagen: Es muss schnell gehandelt werden.
Verbände, die wir nicht mehr brauchen, müssen aufgelöst
werden.
Ich rufe die
Frage 18 des Kollegen Carl-Dieter Spranger auf:
Wie sieht konkret das Ausgleichsprogramm der Bundesregierung für den betroffenen Landkreis Weißenburg/Gunzenhausen
und die umliegenden Gemeinden aus?
Die Bundesregierung ist
bemüht - das will ich ausdrücklich zusagen -, zusammen
mit den betroffenen Kommunen und dem Land eine
Nachnutzung der Liegenschaften zu erreichen. Ein spezielles Ausgleichsprogramm des Bundes ist aber nicht geplant.
({0})
In diesem Zusammenhang weise ich auf die Tatsache
hin, dass der Bund 1993 im Rahmen des Finanzausgleichs
2 Prozentpunkte bei der Mehrwertsteuer abgegeben hat
und dass es ein Programm gibt, das jedem Standort gerecht wird.
Wir werden morgen über die Bundeswehrstandorte debattieren. Aber schon heute will ich darauf hinweisen,
dass wir bereits im Rahmen von Bundesprogrammen helfen, zum Beispiel bei der Stadtsanierung, bei der Verkehrsanbindung und bei der wirtschaftlichen Förderung.
Mit Mitteln aus diesen Programmen kann man ebenfalls
die jeweiligen Standorte unterstützen.
Frau Staatssekretärin, ich akzeptiere gerne Ihre Entschuldigung. Ich muss
aber feststellen, dass es absurd ist, die Schließung von
Standorten heute in Verbindung mit der Politik des ehemaligen Verteidigungsministers Stoltenberg zu bringen.
({0})
Das ist eine ähnlich absurde Vorstellung wie die, mit dem
Finanzausgleich des Jahres 1993 seien die Folgelasten
aufgrund der heutigen Standortschließungen abgegolten.
Diese Argumentation kann man wirklich nur als absurd
bezeichnen.
Sie haben noch nicht einmal angedeutet, wie Sie notwendige Infrastrukturmaßnahmen in dieser Region fördern wollen. Die Folgen eventueller Standortschließungen für die Infrastruktur und die Wirtschaft der Region
hätten eigentlich in die Überlegungen gemäß den Kriterien des Herrn Verteidigungsministers einbezogen werden
müssen. Gemäß dem Verursacherprinzip muss sich die
Bundesregierung an den Ausgleichsmaßnahmen beteiligen. Meine Zusatzfrage lautet daher: Mit welchen Maßnahmen können die Menschen und die Region rechnen?
Leider ist unsere Staatsverschuldung Realität und nicht Absurdität. Außerdem
brauchen wir eine Bundeswehr, die einsatzfähig ist.
Panzerbataillone haben wir zu viele, Herr Kollege.
({0})
Die hat nicht die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung eingerichtet, sondern die haben wir ab 1990 in der
vorhandenen Zahl nicht gebraucht.
({1})
Das ist schlichtweg unser Problem.
Zu Ihrer Frage. Wir werden dabei helfen, dass eine
Nachnutzung der Liegenschaften zügig erfolgen kann.
Jetzt sind die Ideen der Region gefragt. Gefragt ist in der
Tat natürlich auch das Land Bayern.
({2})
Bitte.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir wenigstens ansatzweise sagen, wie
Sie sich die Verwertung dieses Geländes vorstellen? Denn
das, was Sie gegenüber Herrn Kollegen Koschyk gesagt
haben, da solle jetzt der Mittelstand einsteigen, ist bei diesen 400 Hektar hügeligen Gelände im Grunde ausgeschlossen. Hier hätte ich gerne Tipps, auch für die dortigen Kommunalpolitiker, damit sie wissen, in welche
Richtung sie sich bewegen sollen, wenn sich schon die
Bundesregierung nicht bewegt.
Die Bundesregierung ist hier
Erbe von Liegenschaften, die auch in der Vergangenheit
nicht immer nach dem Konzept „Was braucht die Bundeswehr?“, sondern eher nach der Frage „Wie erhalte ich
Standorte, für die andere keine Ideen haben?“ betrieben
wurden.
({0})
Ich bin überzeugt, dass wir Ideen finden werden, Herr
Spranger. Ich bin ausdrücklich auch bereit, Ihnen und
Ihren Kommunen entsprechend behilflich zu sein. Das
will ich deutlich sagen, weil ich verstehe, welchen
Schrecken diese Umstände für jede Kommune hervorrufen. Aber Sie müssen dann auch so fair sein, wenige Jahre
später zu sagen: Es ging besser, als ich dachte.
({1})
- Das würde ich auch für richtig halten.
Herr Kollege
Spranger, wir möchten Ihnen gerne zum heutigen Geburtstag gratulieren, von dem ich gerade erfahren habe.
({0})
Das wollen wir doch bei allem Streit in einer Fragestunde
nicht vergessen.
Jetzt rufe ich die Frage 19 des Abgeordneten Christian
Schmidt auf:
Geht das Bundesministerium der Verteidigung trotz des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. Dezember 2000
von einer künftigen Weiternutzung des Truppenübungsplatzes
Wittstock/Brandenburg aus, und wenn ja, wie will die Bundesregierung die in dem Urteil geforderte Berücksichtigung der gemeindlichen Belange gewährleisten?
Auch ich möchte dem langjährigen Kollegen Spranger zum Geburtstag gratulieren.
Ich tue das besonders gern; das sage ich ausdrücklich.
Umso mehr werde ich dafür sorgen, dass die Wünsche bearbeitet werden.
Das Bundesministerium der Verteidigung, Herr Kollege Schmidt, möchte den Truppenübungsplatz Wittstock
in Brandenburg weiterhin nutzen. Die Nutzungsmöglichkeit von Wittstock für Herstellung und Erhalt der notwendigen Einsatzfähigkeit und damit insbesondere für
die Aufgabenerfüllung im erweiterten Aufgabenspektrum
für die deutschen und auch alliierten Luftstreitkräfte ist
von Bedeutung. Wie die gemeindlichen Belange berücksichtigt werden können, wird sich jetzt bei einem Anhörungsverfahren ergeben, das besser schon die alte Regierung zu Beginn der 90er-Jahre durchgeführt hätte.
Zusatzfrage,
bitte.
Frau Staatssekretärin, gestatten Sie mir vor meiner Frage die folgende
Bemerkung: Fast habe ich den Eindruck, Sie werden uns
bei weiteren Fragen noch vorwerfen, die Bundeswehr zu
unserer Regierungszeit nicht komplett abgeschafft, sondern das Ihnen überlassen zu haben. Den Eindruck, dass
Sie das meinen, hat man jedenfalls manchmal.
Ich frage Sie, wie die Bundesregierung die in diesem
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember
2000 formulierten Auflagen zur Berücksichtigung der gemeindlichen Belange bei einer künftigen Weiternutzung
des Truppenübungsplatzes Wittstock vor allem mit Blick
auf eine mögliche nennenswerte städtebauliche Weiterentwicklung, für die selbst die Wehrbereichsverwaltung VII in einer Stellungnahme vom 5. Januar 1996 zum
Flächennutzungs- und Landschaftsplanentwurf der betroffenen Gemeinde Schwierigkeiten besonders in Bezug
auf die Lärmentwicklung gesehen hat, erfüllen will. Das
ist eine verwaltungsrechtliche Frage, aber doch ein sehr
wichtiger Punkt, den man bei der zukünftigen Nutzung zu
berücksichtigen hat.
Im Übrigen darf ich ergänzen, dass ich bei Ihnen nicht
davon ausgehe, dass Sie die Bundeswehr abschaffen wollen, und deswegen sehr erfreut wäre, wenn es von Ihnen
einige positive Antworten - nicht diese etwas abwehrenden - und ein paar Hinweise, was man zu tun gedenkt,
gäbe.
Erstens. Ich habe vor einigen
Wochen eine Kleine Anfrage der PDS behandelt, die sich
sehr ausgiebig mit dem Luft-Boden-Schießplatz Wittstock beschäftigt, Herr Kollege Schmidt. Ich habe auch
nie versäumt, hier zu sagen, dass ich nicht nur die bisherigen Luft-Boden-Schießplätze, nämlich Nordhorn in
Niedersachsen und Siegenburg in Bayern, erhalten will,
sondern dass ich selbstverständlich immer auch die Vorstellung der alten Bundesregierung, nämlich den Übungsplatz Wittstock zu erhalten, geteilt habe. Es finden sowieso schon über 70 Prozent unserer Übungen außerhalb
Deutschlands statt. Dadurch wird unser fliegerisches Personal zu stark belastet.
Zweitens. Zu diesem Urteil hätte es meines Erachtens
nicht kommen müssen, wenn man sich vorher vernünftig
um eine einvernehmliche Lösung mit den Kommunen
bemüht hätte. Es lehnen ja nicht alle Kommunen diesen
Übungsplatz ab. Es gibt - das können Sie als Jurist besser
beurteilen als ich - hier ein paar Unwägbarkeiten. Der
Bund hat im Zuge der Herstellung der deutschen Einheit
schlichtweg nicht genau eruiert, was ihm gehört und was
nicht. Deswegen haben einige Kommunen ja mit der Berufung auf Wegerechte und andere Dinge mit ihrer Klage
Erfolg gehabt, während andere Kommunen darauf drängen, dass sich der Bund dort engagiert und eine militärische Einrichtung schafft. Hier hängt alles von den Verhandlungen ab.
Ich sage hier noch einmal sehr deutlich: Wir haben ein
Interesse daran, dass der Luft-Boden-Schießplatz Wittstock erhalten bleibt. Auf längere Sicht müsste das auch
im Interesse der Kommunen liegen. Die PDS hat ja gefragt, wie viel Munition dort von anderen Truppeneinheiten als der Bundeswehr vorhanden ist. Diese muss ja auch
noch beseitigt werden. Das machen wir, wenn wir ein
Stück dieses Platzes weiter nutzen können, ansonsten
müssen es die Brandenburger alleine tun. Es ist nur eine
Schwierigkeit von vielen, dass die Gemeinden, die gegen
den Übungsplatz angekämpft haben, zum Teil versäumt
haben, zu schauen, welche Altlasten dort noch vorhanden
sind.
Beim Übungsbetrieb kann durch Sommerpausen und
ähnliche Dinge - anders als die ehemaligen sowjetischen
Streitkräfte es gemacht haben - so viel Rücksicht genommen werden, dass ich mir vorstellen könnte, dass es zu einer Einigung mit den Kommunen kommt.
Keine weitere Zusatzfrage.
Keine weitere
Zusatzfrage. - Dann rufe ich die nächste Frage des Abgeordneten Schmidt, nämlich die Frage 20, auf:
Wird der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping,
bei anhaltenden rechtlichen Auseinandersetzungen und anhaltendem politischen Widerstand von einer Weiternutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock/Brandenburg und der mit einem Kostenvolumen von 214 Millionen DM verbundenen Stationierung
eines Luftwaffenausbildungsregiments in Wittstock Abstand nehmen?
Wie ich bereits gesagt habe,
wollen wir den Truppenübungsplatz Wittstock nutzen.
Weiterhin ist geplant, hier ein Luftwaffenausbildungsbataillon als Ausgleich für die Belastung und zur Stärkung
der Region zu stationieren.
Frau Staatssekretärin, welche Vorbereitungen trifft die Bundesregierung, um der Stellungnahme des Bundesrechnungshofes
zum Stationierungskonzept Ihres Ministeriums und zu
den Planungen bezüglich Wittstock/Dosse insgesamt
Rechnung zu tragen? Der Bundesrechnungshof hat ja, wie
ich gehört habe, aufgrund der erheblichen finanziellen
Auswirkungen ein besonderes Interesse an einer Prüfung
dieser Bereiche bekundet. Ihre Reform soll sich ja selber
tragen und finanzieren. Deswegen ist doch schon einmal
zu fragen, welche Zusatzkosten dadurch entstehen, dass
ein Luftwaffenausbildungsregiment aus der schönen
Stadt Bayreuth jetzt nach Wittstock/Dosse verlagert werden soll.
Es ist zauberhaft, was Sie da
fragen.
Ein Kollege aus Bayern fragte mich, ob Siegenburg
weiter genutzt werde, der nächste Kollege aus Niedersachsen fragte mich, ob Nordhorn weiter genutzt werde.
Ich sage dazu, dass wir Nordhorn, Siegenburg und Wittstock nutzen und nicht alles nach Wittstock legen wollen.
Angesichts der Tatsache, dass 70 Prozent der Ausbildung
unserer eigenen Streitkräfte außerhalb Deutschlands und
zum Teil außerhalb Europas durchgeführt werden, wollen
Christian Schmidt ({0})
wir auf diese Weise die Belastung der Soldaten durch Abwesenheit vermindern. Dafür müssen wir natürlich Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort haben. Übrigens soll die
Einrichtung auch vom Heer für bestimmte Übungen genutzt werden.
Ich halte es rechnerisch für möglich, dass sich Ausbildung in Deutschland bei einer Kosten-Nutzen-Rechnung
als vernünftige Regelung herausstellt. Ich habe in diesem
Fall deswegen keine Sorgen vor einer Prüfung durch den
Bundesrechnungshof. Ich hoffe nur - dabei zähle ich auf
Ihre Hilfe -, dass wir diesen Standort auch wirklich verwenden können.
Zusatzfrage? Nein, dann erteile ich dem Abgeordneten Koschyk zu einer Zusatzfrage das Wort.
Frau Staatssekretärin, der Bundesminister der Verteidigung scheint sich ja in
Sachen Wittstock sicher zu sein, da er für diesen im Stationierungskonzept vorgesehenen Standort im Parlament
so offensiv eintritt. Hier sollte man sich aber den Sachverhalt noch einmal genauer anschauen: Das Ausbildungsbataillon, das Sie von Holzdorf nach Wittstock verlegen
wollen, um ein Argument für die Weiterführung des dortigen Schießplatzes zu haben, wird in den Listen für das
entsprechende Bundesland nicht mehr als Standort aufgeführt. Bei Wittstock in Brandenburg findet sich kein
Sternchen, was sonst auf eine Fußnote „Standort im Aufwuchs“ hindeutet. Das heißt, nur durch Fragen hier im
Parlament erfährt die Öffentlichkeit, was Sie in Sachen
Holzdorf und Wittstock vorhaben. Wer in Ihr Stationierungskonzept hineinschaut, wird in Bezug auf Wittstock
bewusst ein bisschen irregeführt; denn Sie verschweigen
geflissentlich, dass das Ausbildungsbataillon überhaupt
erst dorthin soll, was einen Kostenaufwand von 214 Millionen DM verursachen wird. Wie erklären Sie sich das?
Wenn Sie bereit sind, zu sagen,
dass wirklich alle Übungen, die jetzt auch für Wittstock
geplant sind, in Siegenburg durchgeführt werden sollen,
dann könnten wir uns diese Kosten in der Tat sparen. Da
aber gerade aus dem bayerischen Bereich mit großer Hartnäckigkeit geäußert wird, man solle diesen Luft-BodenPlatz aufgeben, sagen wir, dass das nicht alles in die neuen
Bundesländer verlegt werden könne. Deswegen machen
wir eine Aufgabenteilung, womit ich nicht das
geringste Problem habe. Übrigens sind das auch Krokodilstränen; denn das Ausbildungsregiment, das dorthin
kommt, stammt in diesem Falle aus Wunstorf, nicht aus
Bayern. Es ist zum Teil noch in Wunstorf und soll nach
Holzdorf. Der Grund dafür ist, dass wir, um Kosten zu
sparen, die Ausbildung auf der Transall in Wunstorf auslaufen lassen. Das wird nach 2013 der Fall sein, wenn wir
das Transportflugzeug der Zukunft haben werden. Ein anderer Teil der Ausbildung wird sich in Wittstock befinden.
Ich finde das sehr spannend. Ich sage meinen Niedersachsen immer: Nordhorn, Siegenburg und Wittstock.
Das habe ich nie anders gesagt. Aber wenn Sie möchten,
dass wir alles in Siegenburg machen, könnten wir den
Freunden in Brandenburg vielleicht die Möglichkeit geben, den Standort Wittstock zu räumen.
({0})
- Aber natürlich. In Wunstorf bilden wir für die Transportflugzeuge aus.
({1})
- Die „Transporter“ bilden wir in Wunstorf aus, Herr Kollege. Da müssen Sie sich einmal erkundigen.
({2})
- Sie gehören zu dem Geschwader, bei dem die Ausbildung für die Transall stattfindet. Das ist schon spannend.
Herr Kollege
Gehrcke, bitte.
Frau Staatssekretärin,
es war ja unvermeidbar, dass wir über diese Frage wieder
ins Gespräch kommen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass
ich meinem CDU/CSU-Kollegen alles Gute für das
schöne Bayreuth wünsche. Ich möchte mit Ihnen kurz die
Rechnung abstimmen, damit die Fakten hier noch einmal
genannt werden. Nach Ihrer Antwort auf meine Kleine
Anfrage belaufen sich die Kosten, die dort für Munitionsräumung, Übungsplatz und Garnison investiert werden müssen, auf 500 Millionen DM. Ich frage Sie, ob Sie
diese Zahl bestätigen möchten und ob Sie auch den Zeitrahmen in Rechnung gestellt haben. Sie sind ja per Gerichtsurteil gehalten, eine Anhörung der Gemeinden
durchzuführen, die sehr lange dauern kann, wie jeder
weiß.
Die Aufgabe Wittstocks als
eine militärische Einrichtung, Herr Kollege Gehrcke, bedeutet, dass wir für das Räumen der Altmunition nicht
mehr verantwortlich sind. Das besagen die Verträge. Im
Gegensatz zur DDR haben wir hier hinsichtlich der Aufgabenverteilung sehr sorgfältig ausgearbeitete Verträge
zwischen dem Bund und den Ländern. Die Aufgabe Wittstocks würde bedeuten, dass das Räumen, was wir übrigens in großem Maße zum Beispiel in der Letzlinger
Heide gemacht haben, wofür die Menschen dort uns dankbar sind, von unserer Seite nicht erfolgen muss; denn
diese Liegenschaft hat die Bundesrepublik Deutschland
nicht so hinterlassen. Für die dort vorhandenen großen
Altlasten muss das Land Brandenburg eintreten; so ist die
Rechtsgrundlage.
Zum anderen ist das Gelände sehr groß. Ich habe mir
von den Brandenburgern sagen lassen, dass sie es sehr begrüßten, wenn neben der Nutzung des Schießplatzes in
Wittstock durch die Luftwaffe und das Heer nach Möglichkeit auch Verbündete aus Amerika, England oder
Skandinavien dorthin kämen, weil wir deren Einrichtungen ja auch nutzen. Daher halte ich es für richtig, diese
Ausbildungseinrichtungen dort zu schaffen. Ich habe
auch keine Probleme damit, was die Kosten anbetrifft.
Dies alles wird Zeit brauchen.
Ich habe Sorge, dass der Rechtsstreit darum - ich
glaube aber, hier gibt es ein Umdenken in den Kommunen
um Wittstock herum - längere Zeit in Anspruch nimmt
und wir dann in der Zwischenzeit Siegenburg noch stärker frequentieren müssen.
Ich rufe die
Frage 21 des Abgeordneten Hans-Peter Friedrich auf.
Ist bei dem in den Niederlanden gelegenen Bundeswehrstandort Budel an eine weitere Verstärkung gedacht, und wenn ja, in
welcher Größenordnung?
Herr Kollege Friedrich, es wird
nicht daran gedacht, eine weitere Verstärkung des Bundeswehrstandortes Budel in den Niederlanden vorzunehmen.
Bitte, Herr Kollege Friedrich.
Frau
Staatssekretärin, auf welchen Abkommen oder welchem
Vertrag beruht überhaupt die Stationierung in den Niederlanden? Sind Sie gezwungen, in der Größenordnung, in
der Sie es derzeit tun, zu stationieren, oder könnten Sie
auch verringern? Wenn ja, ist geprüft worden, ob man so
etwas möglicherweise vornehmen könnte?
Das, was jetzt stattfindet, finde
ich auch spannend: unsere Soldaten möglichst zurückzuholen. Wir haben aber Abkommen auf NATO-Ebene,
nach denen auch Niederländer, Belgier und andere auf
unseren Übungsplätzen tätig sind. Wenn ich Sie daran erinnern darf: Ein Großteil des niederländischen Heeres
steht auf deutschem Boden und ist da hochwillkommen.
Es steht im Norden von Deutschland. Wir haben nämlich
ein gemeinsames niederländisch-deutsches Korps mit
Sitz in Münster. Ähnliches gilt aber zum Beispiel auch für
Einrichtungen in meiner Heimat, in Niedersachsen.
({0})
Wenn wir umgekehrt wollen, dass Stationierungen von
niederländischen Soldaten in Deutschland stattfinden,
dann ist es meines Erachtens sinnvoll und richtig, dass wir
umgekehrt auch Standorte mit deutschen Soldaten in den
Niederlanden haben. Zwischen ihnen besteht die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und deswegen ist im Moment
nicht daran gedacht, die Bundeswehr von dort wegzuholen.
Sie haben noch eine
zweite Frage. Bitte, Herr Kollege.
Frau
Staatssekretärin, es gab einen Vorschlag - ich glaube, er
wurde auch Ihnen vom Oberbürgermeister von Bayreuth
vorgetragen -, statt des Kahlschlags in Bayreuth sozusagen eine Lastenverteilung vorzunehmen und unter anderem in Holland zwei Kompanien abzuziehen. Sind Sie
diesem Gedanken einmal näher getreten? Haben Sie diesen Vorschlag überhaupt einmal geprüft?
Herr Friedrich, wir haben vorhin darüber gesprochen, dass Bayreuth ein Standort für
zwei komplette Bataillone war. Die CDU/CSU hat in ihrer Regierungszeit ein Luftwaffenausbildungsregiment
dorthin verlegt, das früher nicht da war. Es waren zwei
Heeresbataillone.
Jetzt sollten wir eine Liegenschaft für zwei Bataillone
dieser Größenordnung sogar noch teilen, indem wir ein
Ausbildungsregiment aufteilen. Überlegen Sie einmal,
welche Ausbildungskapazitäten Sie dann an zwei verschiedenen Orten vorhalten müssen und welchen Kostenaufwand das bedeutet!
Wir werden noch genug Schwierigkeiten bekommen,
genügend Zeit- und Berufssoldaten zu haben. Wir haben
uns alle vorgenommen, ob die Weizsäcker-Kommission
oder wir, dass wir mindestens 200 000 Zeit- und Berufssoldaten brauchen. Ich sehe da keine Chance. Es wäre
auch im Hinblick auf die Kosten kontraproduktiv.
Mir tut es um Bayreuth Leid - das sage ich Ihnen ganz
offen -, aber es gibt manche Standorte, um die es mir Leid
tut. Hier geht es aber um eine moderne Bundeswehr.
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Koschyk zu Frage 21. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, ich muss einen Satz sagen, bevor ich zu meiner Frage
komme.
Ich finde es schon schade, dass Sie die 1994 getroffene
Entscheidung, den Bundeswehrstandort Bayreuth zu erhalten, die auch von den Kollegen aus der SPD in der
oberfränkischen Region wie auch von dem der SPD
angehörenden Oberbürgermeister mitgetragen und damals begrüßt worden ist, heute als Entscheidung einer
CDU-Regierung darstellen. Das war eine Entscheidung,
die damals überparteilich von der Region begrüßt worden
ist. Sicher hätten sich viele in der Region gewünscht, dass
die Sensibilität, die damals Volker Rühe für diese Region
gehabt hat, jetzt auch von seinem Nachfolger im Hinblick
auf den einzigen Regierungsbezirk in Bayern, der jetzt
bundeswehrfrei werden soll, bewiesen worden wäre.
Nun zu meiner Frage. Ich möchte im Anschluss an das,
was der Kollege Friedrich gefragt hat, Sie noch einmal
fragen. Der Oberbürgermeister von Bayreuth hat vorgeschlagen, zur Rettung des Standortes Bayreuth einen Lastenausgleich von den sieben Kompanien in Budel und von
einem Bataillon in Heide in Holstein - auch mit einer
Überzahl an Kompanien - vorzunehmen. Denn es ist so,
Frau Staatssekretärin, dass das Luftwaffenausbildungsregiment Goslar, das für den Nordbereich der BundesreParl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
publik zuständig ist, über vier Bataillone mit 22 Ausbildungskompanien verfügt und das Luftwaffenausbildungsregiment Roth, das für die Luftwaffenausbildung
im Südbereich der Bundesrepublik zuständig ist, über vier
Bataillone und 18 Ausbildungskompanien verfügt. Wenn
es wirklich darum geht, einen ganzen Regierungsbezirk
bundeswehrfrei, und zwar auch im Hinblick auf das Reservisten- und das als positiv anzusehende Freiwilligenaufkommen, zu machen - Sie haben sich ja das Ziel
gesetzt, das Freiwilligenaufkommen bei den Wehrpflichtigen zu verstärken -, dann wäre es, bevor man einen
Standort in Deutschland schleift, angesichts dieses Überhangs im Norden und in Budel eine Alternative gewesen,
über einen Lastenausgleich nachzudenken.
Ich lege großen Wert darauf:
Wir schleifen keinen Standort, sondern wir gestalten die
Bundeswehr endlich effizienter. Das ist der entscheidende
Punkt.
Ich verstehe, dass die Gemeinde Bayreuth alles tut, um
die Bundeswehr zu halten. Ich teile das Bedauern, dass
wir in einigen Regionen - wir in Südniedersachsen sind
zum Beispiel davon ähnlich betroffen - die Bundeswehrpräsenz reduzieren. Diese Reduzierung wird deshalb notwendig, weil dort umfangreiche Einheiten stationiert waren. Sowohl Bayern als auch Niedersachsen hatten
überproportional viele Bundeswehrstandorte. Das lag am
Ost-West-Konflikt. Jetzt müssen wir uns von diesen überzähligen Standorten trennen.
Herr Koschyk, eine solch hohe Zahl von Standorten ist
auch finanziell nicht tragbar. Wir müssen den Gemeinden
helfen, bei denen die Standortauflösungen zu schlimmen
Folgen führen. Wir sollten uns aber davon trennen, die
Bundeswehr weiterhin zu zerreißen.
Jetzt will der Kollege
Christian Schmidt eine Zusatzfrage stellen. - Bitte sehr.
Ich habe
eine Zusatzfrage zum Standort Bayreuth. Frau Staatssekretärin, sind Sie mit mir der Ansicht, dass es in einer
Wehrpflichtarmee, die wir erhalten wollen, nicht nur eine
strukturpolitische, sondern auch eine regionale Begründung für die Dislozierung der Bundeswehr gibt, um die
Bundeswehr für die Wehrpflichtigen möglichst attraktiv
zu gestalten und ihr über das Wehrpflichtigenpotenzial hinaus die Möglichkeit der Gewinnung von Zeit- und
Berufssoldaten zu geben? Deswegen war es auch sinnvoll, im Jahre 1994 einen Teil der Ausbildungsplätze für
Wehrpflichtige nach Bayreuth zu verlegen - davon war
die Bundesluftwaffe nur sehr begrenzt begeistert -, um
Wehrpflichtigen aus dem topographisch schwierigen
Oberfranken die Möglichkeit zu geben, in einigermaßen
erreichbarer Entfernung zwischen Heimatort und Bundeswehrstandort eingezogen zu werden.
Herr Kollege Schmidt, bei der
Luftwaffe wird eine so hohe Zahl an Wehrpflichtigen
nicht mehr benötigt; das ist unser Problem. Wir werden
deshalb in einigen wenigen Einrichtungen in Nord und
Süd - Goslar wurde schon genannt; Roth war schon früher
ein solcher Standort und ist es nicht erst geworden; dies
betrifft auch Budel - das abdecken, was wir in diesem Bereich an Wehrpflichtigen brauchen, und die Möglichkeit
geben, dass dort dann der Grundwehrdienst abgeleistet
werden kann. Wenn das nicht so wäre, hätte ich viel Sympathie dafür, in Oberfranken eine Einheit zu erhalten, wo
Wehrpflichtige tätig werden können. Aber die Kapazitäten der Luftwaffe, wie sie in Roth, in Budel oder in Goslar bestehen, sind voll ausreichend. Die Luftwaffe braucht
nicht mehr Kapazitäten; das ist der entscheidende Punkt.
Ich wurde soeben darauf hingewiesen, dass der Standort Bayreuth doch nichts
mit der ursprünglich gestellten Frage zu tun habe. Ich bin
jedoch der Meinung: Wenn es den Bundeswehrstandort
Budel nicht gäbe, dann ginge es Bayreuth gut. Insofern
haben die beiden Dinge miteinander zu tun. Ist das richtig?
({0})
Wunderbar.
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Dr. Hans-Peter
Friedrich ({1}) auf:
Auf welche Höhe belaufen sich die im Vergleich zu den in
Deutschland gelegenen Bundeswehrstandorten durch die Auslandsstationierung anfallenden zusätzlichen jährlichen Kosten am
Bundeswehrstandort Budel in den Niederlanden?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Zusätzliche Kosten durch die
Auslandsstationierung entstehen durch die Auslandszuschläge für Berufs- und Zeitsoldaten sowie durch eine
Verdoppelung des Wehrsoldes für Grundwehrdienst leistende Soldaten. Die Höhe der Auslandszuschläge hängt
von den persönlichen Lebensumständen der Soldaten ab.
Im Mittel liegt die Gesamtsumme der Auslandszuschläge
und des doppelten Wehrsolds am Standort Budel bei circa
12 Millionen DM jährlich.
Zusatzfrage, Herr
Kollege? - Bitte sehr.
Frau
Staatssekretärin, gibt es denn eine unmittelbare Vergleichsrechnung zwischen der Stationierung in den Niederlanden und der eventuellen Verlagerung nach Bayreuth?
Es gibt vor allem Vergleichsrechnungen, wie viele niederländische Zeit- und Berufssoldaten in höheren Rängen sich auf deutschem Boden
und wie viele deutsche Zeit- und Berufssoldaten sich in
den Niederlanden befinden. Ich lege großen Wert darauf,
dass wir das niederländisch-deutsche Korps behalten. Das
wäre sonst so, als ob wir bei Ihnen in Bayern die amerikanisch-deutsche Division auflösen würden. Auch das
wäre schade. Ich hoffe nicht, dass das passiert.
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Koschyk, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben vorhin in Ihrer Antwort auf die Frage,
warum das Bataillon in Bayreuth aufgelöst werden muss,
die Kostenfrage sehr in den Vordergrund gestellt. Sie haben gesagt, der Standort sei für zwei Bataillone ausgelegt,
aber mit nur einem Luftwaffenausbildungsbataillon belegt. Dass dort auch das Verteidigungsbezirkskommando
ist und die Liegenschaften zurzeit besetzt sind, haben Sie
nicht gesagt. Aber das macht nichts; ich schiebe das gerne
nach.
Sie lösen auch den unterfränkischen Standort Ebern
auf, der den jungen Männern in Oberfranken eine heimatnahe Erfüllung der Wehrpflicht ermöglichte. Jetzt gibt es
in Ober- und weiten Teilen Unterfrankens bis hin nach
Thüringen und an die Grenzen Sachsens einen weißen
Fleck ohne Möglichkeit der heimatnahen Erfüllung der
Wehrpflicht, wie auch der Oberbürgermeister dem Verteidigungsminister anhand einer Karte mitgeteilt hat. Sie
machen dafür Kostenargumente geltend. Bei einem überproportional bestückten Ort im Ausland, wo ebenfalls die
Luftwaffe ausgebildet wird, spielen Kosten hingegen
keine Rolle.
Frau Staatssekretärin, wie begründen Sie das vor den
Menschen in dieser Region, die im Zusammenhang mit
dieser Frage ihre Einstellung zur Bundeswehr neu definieren werden?
Erstens. Roth war der Luftwaffenausbildungsstandort. Bayreuth ist hinzugekommen
und war kein Luftwaffenstandort, sondern ein Heeresstandort mit zwei Bataillonen. Damit liegt eine andere
Kostensituation vor.
Zweitens. Auf Budel kann deswegen nicht verzichtet
werden, weil dort die Ausbildung der nordrhein-westfälischen Einheiten stattfindet. Bayern ist zwar groß; aber
Nordrhein-Westfalen hat 18 Millionen Einwohner. Insoweit ist es klar, dass wir einen Standort brauchen, der dem
Ruhrgebiet nahe liegt.
Drittens. Bedauerlich ist die Geschichte in Ebern. Die
Alternative wäre aber gewesen, Gotha aufzulösen. Das
wäre besonders bitter gewesen. Beide Standorte können
aber nicht erhalten werden. Wir haben dann - wie bei mir
in Stadtoldendorf - gesagt: Dann muss der ostdeutsche
Standort erhalten bleiben. Es ging in jenem Falle um Panzergrenadiere.
Ich gebe zu: Ebern ist ein sehr schöner Standort. Aber
auch er war eigentlich für zwei Bataillone vorgesehen.
Nur eines hat er in den letzten Jahren gehabt. Das ist die
Bitternis, in der wir uns befinden: Wir können nicht alle
Standorte erhalten. Die Situation ist gerade in Oberfranken mit Bayreuth und Ebern schmerzlich. Ähnliches haben wir aber auch an einigen anderen Stellen in der Bundesrepublik Deutschland. Der entscheidende Punkt war
hier Gotha.
Nun die letzte Zusatzfrage vom Kollegen Dreßen.
Dann möchte ich Sie alle bitten, darauf zu achten, dass
wir uns nicht unendlich - ich bin da als Präsidentin ganz
vorsichtig - in Fragen und Erwiderungen ergehen, weil
wir sonst mit den übrigen Fragen nicht zurechtkommen. Ich sehe, dass Sie alle nicken. Vielen Dank.
Herr Dreßen, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich habe
jetzt die ganzen Fragen der Unionsabgeordneten zu diesem Thema gehört. Hat es eigentlich von der Union oder
von der Opposition irgendeinen Vorschlag gegeben, wo
man einsparen könnte oder wie die Reform der Bundeswehr gestaltet werden sollte? Falls ja, würde ich ihn gerne
einmal hören.
Es wurde zum Beispiel vorgeschlagen, Wittstock nicht zu bauen und dafür an anderer
Stelle zu bleiben. Dieser Vorschlag war aber unrealistisch,
weil es sich um eine völlig andere Ausbildung handelte.
Herr Kollege Dreßen, es liegen viele Vorschläge vor,
die sich aber als unrealistisch herausstellen. Die Union ist
uns also eine vernünftige Konzeption der Bundeswehr
noch schuldig.
Die Fragen 23 und 24
werden schriftlich beantwortet. Das gilt auch für die Fragen 25 und 26.
Nun rufe ich die Frage 27 der Kollegin Christa
Reichard auf:
Inwieweit ist der vom Bundesministerium der Verteidigung
definierte und als unabdingbar betonte Betreuungsbedarf in Übereinstimmung zu bringen mit der 100-prozentigen Streichung der
Mittel für die Betreuungsarbeit in den Soldatenheimen in der
Bundesarbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung im Jahre
2001?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Reichard, die Begründung für die Streichung der Haushaltsmittel für die Betreuung in den Soldatenheimen im Jahr 2001 hätte ich
schon Ihrem Kollegen Ulrich Adam genannt, wenn seine
Fragen nicht schriftlich beantwortet würden. Er hatte ja
eine Frage zu demselben Bereich gestellt.
Für das Haushaltsjahr 2001 waren Betreuungsmittel in
Höhe von 2,426 Millionen DM vorgesehen. Zugewiesen
wurden 1,566 Millionen DM. Es musste dann, nach Abwägung aller Interessen, über die Verteilung dieser Mittel
entschieden werden. Dabei ist entschieden worden,
297 Millionen DM, die sonst für die Betreuung in den Soldatenheimen notwendig gewesen wären, für die offene
Betreuung vor allem in den neuen Bundesländern zu verwenden. Deshalb bekommen zurzeit die Soldatenheime in
den alten Bundesländern keine Betreuungsmittel.
Zusatzfrage, Frau
Kollegin.
Frau
Staatssekretärin, seit 15 Jahren sind die Betreuungsmittel
des Bundesministers der Verteidigung für die Bundesarbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung trotz der allgemein bekannten Kostensteigerungen nicht erhöht worden. Inwieweit ist es in Anbetracht des Fürsorgeauftrags
des Verteidigungsministers akzeptabel, dass jetzt die Betreuungsmaßnahmen in den Heimen auf null zurückgefahren werden? Kann man von der evangelischen und der
katholischen Kirche jetzt ernsthaft erwarten, dass sie die
Ausfälle voll übernehmen?
Der Hinweis darauf, dass wir
seit 15 Jahren die Mittel zurückführen, hat damit zu tun,
dass inzwischen die Soldatenheime nicht mehr nur Soldaten bewirten, sondern dass sich inzwischen viele dieser
Soldatenheime zu wirtschaftlich starken Betrieben entwickelt haben. Im Rahmen der Abgaben, die die Pächter
oder die Heimleiter zu leisten haben, stehen Mittel für Betreuung zur Verfügung. Daher haben wir es vorgezogen,
die Bundesmittel für die offene Betreuung in den neuen
Bundesländern zu verwenden. Das halte ich auch für gerechtfertigt.
Zweite Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, es ist Ihnen sicher auch bekannt, dass
mehr als tausend ehrenamtliche Kuratoren für die Vorbereitung all dieser Maßnahmen und Anträge zuständig waren und es im internationalen Jahr des Ehrenamtes vielleicht als besondere Brüskierung empfinden, dass diese
Streichung ohne Vorwarnung erfolgte, und ihre Arbeit auf
diese Weise entwertet sehen. Halten Sie das für gerechtfertigt?
Die Betreuung in den Soldatenheimen geschieht in der Regel durch ein Kuratorium,
das sich weitgehend aus Soldaten oder ehemaligen Soldaten zusammensetzt, die hier Aufgaben wahrnehmen.
Dafür haben wir auf der anderen Seite die Chance, dass
die Einrichtungen, die Räume dieser Soldatenheime
preiswerter genutzt werden können. Auch aus den in den
Soldatenheimen erwirtschafteten Mitteln ergeben sich
Spielräume. Darüber können die Kuratorien auch entscheiden. Aber das ist nicht mein Hauptproblem. In diesem Bereich werden wir uns mit ganz anderen Fragen zu
beschäftigen haben, nämlich mit den Betreuungskonzepten der Zukunft, mit der Tatsache, dass immer mehr von
den Zeit- und Berufssoldaten anders leben, als das bisher
der Fall ist. Diese Schwierigkeiten - ich bin selbst im Vorstand der evangelischen Soldatenbetreuung - sehe ich im
Moment nicht.
Nun rufe ich die
Frage 28 der Kollegin Christa Reichard auf.
Wie ist die Streichungsentscheidung mit den Betreuungsmittelrichtlinien VM Blatt 1984 S. 237 ff. unter der Rubrik A Allgemeine Bestimmungen Nr. 5 ({0}) - „Zur Förderung der kulturellen und musischen Betreuung der Soldaten in den Soldatenheimen
werden bei Kapitel 14 03 Titel 532 61 Haushaltsmittel als
Zuschüsse zur Verfügung gestellt“ - zu vereinbaren?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Wir haben festgesetzt, dass
diese Haushaltsmittel für das Jahr 2000 zur Verfügung
stehen. Es sind ursprünglich 2,42 Millionen DM gewesen,
die wir aber aufgrund der Haushaltssparmaßnahmen auf
1,566 Millionen DM begrenzt haben. In Abstimmung mit
allen militärischen Organisationsbereichen war zu entscheiden, wie die letztlich für „Sonstige Betreuungsmaßnahmen“ verfügbaren Mittel verwendet werden sollten.
Dazu war die Meinung des Führungsstabes der Streitkräfte, ganz besonders des deutschen Heeres, sie zugunsten der offenen Betreuung einzusetzen. Da wir in den
neuen Bundesländern fast nur Standorte ohne Soldatenheime haben - Torgelow ist eine der Ausnahmen -, war es
auch in unserem Interesse, dass dort die ehrenamtliche Arbeit, dass dort die Arbeit der Zeit- und Berufssoldaten erfolgen sollte. Es gibt nicht nur die katholische und die
evangelische, sondern auch eine allgemeine Soldatenbetreuung. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung ist davon unterrichtet worden. Dennoch würde
ich Sie, Frau Kollegin Reichard, und andere auffordern,
bei den Beratungen für das Jahr 2002 dieses Thema ausdrücklich wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Denn
es besteht die Notwendigkeit, über ein neues Betreuungskonzept nachzudenken.
Zusatzfrage? - Nicht
erwünscht. Danke schön. Damit haben wir den Bereich
des Bundesministeriums der Verteidigung erledigt, weil
die anderen Fragen schriftlich beantwortet werden. Ich
danke der Frau Staatssekretärin für die Beantwortung der
Fragen.
Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch steht zur Verfügung. Die Fragen 37 und 38 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 39 des Kollegen Detlef Parr von
der F.D.P. auf:
Glaubt die Bundesregierung, mit dem Festhalten an ärztlichen
Budgets eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige ärztliche
Versorgung der Patienten auch weiterhin sicherstellen zu können?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Herr Kollege Parr,
die Bundesministerin für Gesundheit wird über die
Grundsatzfragen der Weiterentwicklung des vertragsärztlichen Versorgungs- und Vergütungssystems in Kürze Gespräche mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und
den Spitzenverbänden der Krankenkassen führen. Die
von Ihnen angesprochenen Fragen werden Gegenstand
dieser Gespräche sein.
Zusatzfrage, Herr
Kollege? - Erste Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, bei der Bemessung der Budgets werden weder Altersstruktur- noch
Mobilitätsanalysen berücksichtigt. Diese weisen auf einen
wesentlich höheren Bedarf an gesundheitlicher Betreuung
in den neuen Bundesländern hin. Draußen vor der Tür am
Pariser Platz läuft zurzeit eine Ärztedemonstration. Wie
gedenken Sie die erhebliche Schlechterstellung der ostdeutschen Versicherten im Rahmen der Gespräche denn
nun auszugleichen?
Es sind verschiedene Maßnahmen in Vorbereitung, die regeln sollen, wie
wir mit der speziellen Situation in Ostdeutschland umgehen werden. Wir haben das Problem, dass es Menschen
gibt, die zwar in Ostdeutschland leben und arbeiten, deren
Krankenversicherung ihren Sitz aber in Westdeutschland
hat. Dort werden auch die Verhandlungen über die Budgets geführt. Das Geld wandert in die Kassenärztlichen
Vereinigungen im Westen. Wir werden beim Fremdkassenausgleich ein Wohnortprinzip einführen, sodass das
Geld tatsächlich dort hinkommt, wo die Menschen sind,
die die ärztliche Leistung in Anspruch nehmen wollen.
Eine weitere Zusatzfrage? - Nein. Dann rufe ich die Frage 40 des Kollegen
Detlef Parr auf:
Wird die Bundesregierung ein Gesetz auf den Weg bringen,
das die Kollektivhaftung im Bereich der Arzneimittel und Heilmittel für das letzte Jahr aussetzt und für die folgenden Jahre abschafft?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Die Umsetzung der
geltenden Regelungen zum Arznei- und Heilmittelbudget
sowie zur Kollektivhaftung ist - das ist uns bekannt - mit
erheblichen Problemen behaftet. In diesem Zusammenhang hat Frau Bundesministerin Schmidt angekündigt,
dass das Bundesministerium für Gesundheit eine Alternative zum so genannten Kollektivregress entwickeln
wird. Bei dieser alternativen Konzeption wird es auch darum gehen, die nach geltendem Recht spätestens bis zum
31. Dezember 2001 fällige Kürzung der Gesamtvergütung infolge der Budgetüberschreitungen 1999 zu vermeiden und die gesetzlich zwingend vorgegebenen Kürzungen bei der Gesamtvergütung aufgrund von
Budgetüberschreitungen für die Zukunft zu ersetzen.
Zusatzfrage, Herr
Dr. Thomae.
Frau Staatssekretärin, soviel ich weiß, hat die Ministerin gesagt, sie wolle daran
denken, die Kollektivhaftung aufzugeben; aber der finanzielle Spielraum, der dahinter steckt, würde nicht geändert. Können Sie diese Aussage der Ministerin bestätigen?
Im Augenblick
wird gemeinsam mit den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung an einem Alternativmodell gearbeitet. Dabei wird man sicherlich auch über den
Finanzrahmen in dieser Form diskutieren. Allerdings werden wir darauf achten, dass die Beitragssatzstabilität gewährleistet bleibt.
Nun rufe ich die
Frage 41 des Kollegen Jürgen Türk auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen der Bedarfsplanung auf die Altersstruktur der Ärzteschaft und die damit zusammenhängenden Nachwuchsprobleme?
Derzeit untersucht
ein vom Bundesministerium für Gesundheit beauftragtes
Forschungsinstitut die Bedarfssituation in der vertragsärztlichen Versorgung. In diesem Zusammenhang werden
auch die Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte und
deren Auswirkung auf die Niederlassungsmöglichkeit
jüngerer Ärzte und damit natürlich die Umstände im Zusammenhang mit eventuellen Nachwuchsproblemen untersucht. Nach Abschluss der Arbeiten am 31. Dezember
2001 wird geprüft, welche Folgerungen daraus zu ziehen
sind.
Zusatzfrage? - Herr
Kollege Parr, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, halten Sie
angesichts der Tatsache, dass die medizinische Versorgung auch zukünftig gesichert werden muss, die Rahmenbedingungen - angesichts der Altersstruktur der
Ärzte sowie der Zwänge aufgrund von Budgetierungen
und zusätzlichen Reglementierungen dieses Systems - für
geeignet, um dem medizinischen Nachwuchs, gerade
auch mit Blick auf die Länder im Osten, auch in Zukunft
genügend Anreiz zu geben, diesen Beruf zu ergreifen?
Im Augenblick sind
wir in der Bundesrepublik Deutschland in der komfortablen Situation, in den letzten Jahren einen erheblichen
Anstieg der Zahl von Ärzten verzeichnen zu können, von
1990 bis 1999 um fast 28 Prozent - in absoluten Zahlen:
um 24 370 auf 113 181 Vertragsärzte. Auch im europäischen Vergleich ist die Versorgungssituation in Deutschland sehr gut. Zusätzlich berücksichtigen muss man bei
diesen Zahlen, dass Ärztinnen und Ärzte in den nächsten
Jahren vermehrt in Pension gehen: Die Zahl der ausscheidenden Ärzte wird von 297 zum Ende des Jahres 1999 auf
926 im Jahre 2002 ansteigen.
Diese Zahlen, die uns jetzt schon zur Verfügung stehen,
werden natürlich in die Untersuchungen des Institutes
einbezogen werden und eine Grundlage für die notwendigen Entscheidungen bilden.
Nun rufe ich die
Frage 42 des Kollegen Jürgen Türk auf:
Welche Forderungen der Ärzte im zurzeit laufenden Streik hält
die Bundesregierung für berechtigt bzw. unberechtigt?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Ich gehe davon aus,
dass Sie sich auf die Forderungen des Aktionsrats der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten Ostdeutschlands beziehen. Soweit es um den Bereich der ärztlichen
Vergütung geht, fordert der Aktionsrat eine Angleichung
der für die ambulante medizinische Betreuung der Bevölkerung im Osten zur Verfügung stehenden Mittel an das
Niveau der alten Bundesländer.
Als Indiz für bestehende Versorgungsunterschiede
zwischen den alten und den neuen Ländern wird dabei der
in den neuen Ländern im Vergleich zu den alten Ländern
niedrigere Anteil der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für die vertragsärztliche Versorgung im Verhältnis zu den gesamten GKV-Leistungsausgaben genannt. Dieser Anteilswert ist jedoch kein geeigneter
Indikator für die Angemessenheit eines Ausgabenvolumens, zum Beispiel der entsprechenden Honorarsumme
der Ärzte, da es sich um einen relativen Wert handelt, der
stark von der Ausgabenentwicklung in anderen Leistungsbereichen beeinflusst wird.
Zudem wird gefordert, die Ausgaben je Versicherten
für die vertragsärztliche Versorgung in den neuen Ländern
auf das höhere Westniveau anzuheben. Für eine Beurteilung der Umsatz- bzw. Einkommenssituation der Ärzte
sind aber nicht die Ausgaben der Krankenkassen je Versicherten maßgeblich, sondern die Honorare der Ärzte.
Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Höhe
der Umsätze und Einkommen der Vertragsärzte in den
neuen Ländern in Relation zum Umsatz-/Einkommensniveau der Ärzte in den alten Ländern stellen, müssen auf
eine weitere, zu entwickelnde differenzierte Datengrundlage gestellt werden. Pauschale Forderungen, wie sie jetzt
erhoben werden, sind meiner Meinung nach nicht hinreichend begründet. Es gibt - wie im Westen - auch im
Osten erhebliche Unterschiede in regionaler Hinsicht.
Teilweise liegt das Einkommen der Ostärzte sogar höher
als das der Ärzte in bestimmten Regionen des Westens.
Soweit sich die hier bekannte Ankündigung von Aktionen der Ärzteschaft auf die Arznei- und Heilmittelbudgets
bezieht, verweise ich auf meine Antwort von vorhin, wo
ich sagte: Wir sind - gemeinsam mit Kassen und KBV dabei, neue Verfahrenswege für diesen Bereich der
Arzneimittelversorgung zu finden.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Türk.
Es ist ja zweifellos so, dass in
diesem Bereich im Osten mehr Leistung erbracht werden
muss als im Westen und dass das Honorar der Ärzte niedriger ist. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass es nach
zehn Jahren an der Zeit wäre, eine Angleichung vorzunehmen
({0})
- zumal sie auch versprochen wurde? Und wenn Sie das
auch so sehen: Wann soll dies der Fall sein?
Wir haben mit der
Angleichung bereits begonnen. Wir haben einen gemeinsamen Risikostrukturausgleich geschaffen. Das hat die
Vorgängerregierung nicht geleistet. Es werden erhebliche
Transfers von den Krankenkassen West zu den Krankenkassen Ost geleistet, um diesen Ausgleich herzustellen.
Auch haben wir eine gemeinsame Zuwachsrate der Krankenkassen festgelegt. Das hatten Sie früher ebenfalls uneinheitlich geregelt. Wir haben diese sozialen Barrieren
zwischen Ost und West abgebaut.
Wenn Sie jetzt nochmals auf die Vergütung der Vertragsärzte eingehen, dann möchte ich darauf hinweisen,
dass die Differenzen, die wir haben, meiner Meinung nach
in einer Größenordnung liegen, die, verglichen mit dem
Arbeitseinkommen anderer, durchaus vertretbar sind. Es
ist so, dass im Jahre 1998 die Leistungsabrechnung bei
der gesetzlichen Krankenversicherung in den alten Ländern bei 372 000 DM und in den neuen Ländern bei
327 000 DM lag. Das gibt eine Ost-West-Relation von
rund 88 zu 100.
Wenn ich jetzt allerdings die KBV-Statistik nehme,
stelle ich fest, dass sich zwischen den Arztgruppen deutliche Unterschiede im Honorarvolumen ergeben, wie ich
vorher schon sagte. Bei manchen Arztgruppen liegt der
Umsatz je Arzt in den neuen Ländern höher. Das ist zum
Beispiel bei den Radiologen und den Urologen so. In Zahlen stellt es sich bei den Radiologen so dar: Im Westen
sind das 815 993 DM, im Osten 847 092 DM. Im Osten
ist der Betrag eindeutig höher. Das Gleiche gilt für die
Urologen.
Wir haben - das wollen wir in keinem Fall verschweigen - bei den Kinderärzten eine schlechtere Situation. Bei
den Internisten ergibt sich bei der Vergütung eine Differenz von 3 000 DM. Man kann also sagen, dass das
Einkommen in etwa gleich ist. Bei über 400 000 DM, die
abgerechnet worden sind, halte ich 3 000 DM als Differenz für absolut verträglich. Dies gilt besonders vor dem
Hintergrund, dass die Praxiskosten im Osten nicht wesentlich höher liegen und die Personalkosten geringer als
im Westen sind. Dabei kommt man im Endergebnis zu der
Bewertung, dass der Schnitt bei 92 von 100 liegt. Das ist
ein deutlich besserer Schnitt als bei allen anderen Menschen, die in Ostdeutschland arbeiten.
Es muss das Ziel sein, dass wir diesen Unterschied über
die Zeit hinweg angleichen. Aber das wird nicht innerhalb
einer kurzen Frist geschehen und schon gar nicht dann,
wenn die anderen Bevölkerungsteile in Ostdeutschland
bei den Tarifabschlüssen nicht entsprechend behandelt
werden.
Nun hat Herr Niebel
das Wort zur Geschäftsordnung.
Frau Präsidentin, insbesondere
vor dem Hintergrund des andauernden Ärztestreiks war
die bisherige Beantwortung der Fragen außerordentlich
unbefriedigend. Daher beantrage ich im Namen der
F.D.P.-Bundestagsfraktion entsprechend I 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse eine Aktuelle Stunde zu den Bereichen
Budgetierung, Kollektivhaftung und ärztliche Gesamtvergütung sowie deren Auswirkungen auf die Qualität der
Gesundheitsversorgung.
Wenn Sie mir jetzt
noch die Nummer der Frage nennen, dann entsprechen Sie
voll und ganz der Geschäftsordnung.
Das war nach meinem Wissen
die Frage 42.
Dieser Antrag entspricht den genannten Richtlinien. Die Aussprache muss
unmittelbar nach Schluss der Fragestunde durchgeführt
werden.
Ich schlage Ihnen dazu Folgendes vor: Wir haben zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit noch drei Fragen zu beantworten. Diese werden wir
noch abhandeln, auch wenn das einige Minuten über die
normale Fragestunde hinaus geht. Wir hätten diesen Bereich dann abgearbeitet und könnten danach zur Aktuellen Stunde kommen. Ich bitte also alle Matadore, die zur
Aktuellen Stunde sprechen wollen, sich darauf einzurichten, dass diese in etwa zehn Minuten beginnen wird.
Sind Sie mit dieser Regelung einverstanden? - Das ist der
Fall.
Ich rufe die Frage 43 des Kollegen Klaus Haupt auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass es bereits heute Fälle
von Rationierung, insbesondere bei der Betreuung chronisch
Kranker, Dementer und Schwerstkranker, gibt und welche Konsequenzen gedenkt sie daraus zu ziehen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Es wird immer
wieder behauptet, es gebe Rationierungen von Leistungen, insbesondere bei chronisch und schwer Erkrankten.
Aus Sicht der Bundesregierung ist hierbei allerdings zwischen Vermutung und tatsächlicher Verordnungsverweigerung oder Vorenthaltung medizinisch notwendiger
Leistungen durch einzelne Vertragsärzte zu unterscheiden.
Soweit es sich hierbei um den Sachverhalt handelt,
dass bisher zu großzügig verordnete, medizinisch nicht
notwendige Leistungen auf das allgemeine Maß ausgerichtet werden, entspricht diese Entwicklung der Zielsetzung einer wirtschaftlichen Verordnungsweise, auch
wenn Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringer hierfür oftmals wenig Verständnis haben.
Der einzelne Vertragsarzt darf hingegen nicht unter
Hinweis auf Ausführungsregelungen der Kassenärztlichen Vereinigung zum Arznei- und Heilmittelbudget
oder zu den Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Verordnung
von medizinisch notwendigen Arznei- oder Heilmitteln
verweigern. Es gehört allerdings zu seiner vertragsärztlichen Pflicht, bei seinem Verordnungsverhalten in jedem
Einzelfall neben dem medizinisch Notwendigen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten.
Versicherte, die der Auffassung sind, dass ihnen für
medizinisch notwendige Arznei- und Heilmittel eine
Verordnung zulasten der Krankenkassen vorenthalten
wird, sollten sich an ihre Krankenkasse wenden. Die
Krankenkasse hat die Pflicht, einem Verdacht nachzugehen, dass einem Versicherten medizinisch notwendige
Präparate nicht auf Kassenrezept verordnet werden. Dazu
kann sie ihrerseits bei der Kassenärztlichen Vereinigung
im Einzelfall eine Überprüfung des Verordnungsverhaltens des Vertragsarztes veranlassen. Versicherte können
sich aber auch unmittelbar an die Aufsichtsbehörde der
jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung wenden.
Zur Behauptung einer budgetbedingten Rationierung
ist zudem auf das Ergebnis einer von der Bundesregierung bei den Aufsichtsbehörden der Länder
durchgeführten Abfrage für das Jahr 1999 zu verweisen neuere Zahlen liegen uns leider nicht vor -, nach der eine
konkrete Verweigerung der Verordnung medizinisch
notwendiger Leistungen aus Budgetgründen nicht
festzustellen war.
Sie haben eine
Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, die Frage
lautete, ob der Bundesregierung bekannt sei, dass es
schon Fälle von Budgetierungen gegeben habe. Ich
glaubte, Sie kommen gar nicht auf die Frage zu sprechen,
haben aber dann doch im letzten Satz die Antwort
gegeben, sodass ich auf Zusatzfragen verzichte.
Ich rufe die Frage 44
des Abgeordneten Klaus Haupt auf:
Was wird die Bundesregierung unternehmen, um die Benachteiligungen an Mittelaufwendungen pro Kopf der Bevölkerung
und bezüglich der Arztquote in Bezug auf die Bevölkerung im Osten gegenüber dem Westen zu beseitigen?
Sie können also gleich stehen bleiben. Frau
Staatssekretärin, bitte.
Die vom Bundesministerium für Gesundheit Anfang März 2001 vorgelegten Daten zur vorläufigen Finanzentwicklung der
GKV im Jahre 2000 zeigen, dass von einer generellen Benachteiligung bei einem Ost-West-Vergleich der Aufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherungen nicht
ausgegangen werden kann.
Die Leistungsausgaben je Versichertem lagen im Beitrittsgebiet im vergangenen Jahr bei 95,4 Prozent der entsprechenden Ausgaben im früheren Bundesgebiet. Dabei
lag der Anstieg der Leistungsausgaben je Mitglied mit einer Veränderungsrate von 2,9 Prozent in der GKV Ost
deutlich über der Veränderungsrate in den alten Bundesländern, wo ein Zuwachs von 1,8 Prozent festzustellen
war. Die in der Tabelle aufgeführten Veränderungsraten
und Ausgabenquoten ergeben für die einzelnen Leistungsbereiche ein sehr unterschiedliches Bild. Ich werde
mir ersparen, Ihnen diese Tabelle vorzutragen, zumal ich
auch nicht genau weiß, wie ich das tun soll. Wir werden
uns daher erlauben, Ihnen diese in schriftlicher Form zukommen zu lassen.
Es gibt aber noch einen anderen Indikator. Im Hinblick
auf die unterschiedliche Arztquote stellt sich die Situation
wie folgt dar: Auf einen niedergelassenen Arzt kamen in
den neuen Ländern im Jahre 1999 780 Einwohner,
während es im früheren Bundesgebiet 723 waren. Ob aufgrund dieses Unterschiedes von einer Unterversorgung in
den neuen Ländern oder einer Überversorgung im
früheren Bundesgebiet ausgegangen werden kann, wird
derzeit durch ein wissenschaftliches Gutachten geprüft.
Wir haben bisher für eine solche Annahme keine Anhaltspunkte. Insbesondere im internationalen Vergleich zeigt
sich, dass in Deutschland tendenziell von einer sehr hohen
Arztdichte auszugehen ist.
Haben Sie eine
Zusatzfrage, Herr Kollege Haupt? - Nein.
Dann rufe ich die Frage 45 der Kollegin Ina Albowitz
auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die zunehmenden Forderungen nach verschärften Kontrollen, verpflichtenden Leistungsberichten und ausufernden Datenerfassungen im Gesundheitswesen
vor dem Hintergrund des zeitlichen Aufwandes bei gleichzeitigem
Verlangen nach mehr Qualität?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Der Bundesregierung sind Forderungen nach verschärften Kontrollen, verpflichtenden Leistungsberichten und ausufernden Datenerfassungen im Gesundheitswesen in dieser
allgemeinen Form nicht bekannt. Sollte die Frage auf die
Kodierung der Daten abstellen, die für die Einführung
eines DRG-Fallpauschalensystems für voll- und teilstationäre Leistungen ab dem 1. Januar 2003 notwendig sind,
ist darauf hinzuweisen, dass die gesetzlichen Dokumentationsverpflichtungen durch die DRG-Einführung weitgehend unverändert bleiben. Da mit der DRG-Einführung
jedoch die Relevanz der Dokumentation nachhaltig
wächst, gewinnt die Leistungserfassung für die Krankenhäuser zukünftig erheblich an Gewicht. Eine genaue
Dokumentation ist somit unumgängliche Voraussetzung
für das leistungsorientierte Vergütungssystem im Krankenhausbereich.
Das neue DRG-Fallpauschalensystem bietet durch die
zukünftig erfolgende Aufbereitung von bereits heute in
den Krankenhäusern vorhandenen Daten zudem zusätzliche Ansatzpunkte für die einrichtungsinterne und
einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung. Die Leistungsqualität kann somit gleichzeitig besser verglichen,
optimiert und auch nach außen deutlich gemacht werden.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, die
Forderung nach gründlicherer Datenerfassung und verschärften Kontrollen - es mag sein, dass Sie das noch
nicht gelesen haben - sind zumindest in den bis jetzt vorliegenden zwei Bänden des neuen Sachverständigengutachtens enthalten. Ich möchte Sie bitten, darauf
später einzugehen bzw. in Ihrem Haus prüfen zu lassen,
ob das BMG darauf eingehen möchte. Ich frage Sie: Was
möchten Sie denn tun, um Ärzte und andere Angehörige
der Heilberufe von Bürokratie zu entlasten?
Das Gutachten des
Sachverständigenrates ist uns bekannt. Dazu gab es bis
15 Uhr eine Anhörung im Gesundheitsausschuss. Im
Gesundheitswesen sind an den verschiedensten Stellen
unterschiedliche Daten unterschiedlicher Qualität vorhanden. Es geht letztendlich darum, die Qualität der Daten zu beurteilen, die Daten dann, wenn sie entsprechend
den Vorschriften des Datenschutzes aufbereitet sind, zusammenzuführen, um eine Grundlage zu schaffen, auf der
man das Gesundheitssystem steuern kann, und mithilfe
dieser Daten transparent abrechnen zu können. Ich denke,
an mehr Transparenz im Gesundheitswesen ist allen gelegen. Aber die Bundesregierung hat kein Interesse daran,
Daten zu erheben, die nicht bereits irgendwo zur Verfügung stehen.
Eine Zusatzfrage? Es gibt keine Zusatzfragen mehr. Damit sind wir am Ende
der Fragestunde.
Wir kommen damit zu der von der F.D.P.-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde nach I 1 b gemäß unseren
Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem
aktuellen Interesse:
Budgetierung, Kollektivhaftung und ärztliche Gesamtvergütung sowie deren Auswirkungen auf die Qualität der Gesundheitsversorgung
Ich bitte alle Redner, daran zu denken, dass die Redezeit in der Aktuellen Stunde fünf Minuten beträgt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Thomae
für die F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat hat die neue
Bundesregierung den Risikostrukturausgleich neu organisiert. Es fließen zwar Gelder vom Westen in Richtung
Osten. Aber diese finanziellen Mittel können nicht für die
Verbesserung der Honorierung der ärztlichen Leistungen
in den neuen Bundesländern genutzt werden. Das muss
man eindeutig festhalten. Wir haben darüber sehr intensiv
diskutiert. Wir wollten dies in das Gesetz hineinschreiben.
Aber Rot-Grün hat dies strikt abgelehnt.
({0})
Jetzt gibt es in den neuen Bundesländern das Problem
({1})
- doch, das stimmt -, dass nach dem Arzneimittelbudget
auch die Budgetierung im ärztlichen Bereich langsam zu einer Katastrophe führt, besonders im fachärztlichen Bereich.
Wenn die Höhe der ärztlichen Durchschnittseinkommen
genannt wird, habe ich gelegentlich den Eindruck, dass die
Einkommen mit den Umsätzen verwechselt werden.
({2})
Das durchschnittliche ärztliche Einkommen vor Steuern
lag 1998 in den neuen Bundesländern im Durchschnitt bei
150 000 DM, wobei man bedenken muss, dass sich die
Einkommen nach 1998 gravierend nach unten entwickelt
haben. Davon müssen aber alle Altersvorsorgemaßnahmen und die Krankenversicherung abgezogen werden.
Wenn Sie die Zahl, die sich dann ergibt, einmal durch
zwölf dividieren, wissen Sie, was monatlich im Durchschnitt übrig bleibt: Das sind rund 4 500 bis 5 000 DM.
Das ist kein Einkommen, mit dem man eine erstklassige
fachärztliche Versorgung auf Dauer sichern kann.
({3})
Daher kann ich eindeutig sagen: Ich habe großes Verständnis für die Ärzte aus den neuen Bundesländern, die
diese Situation nicht mehr ertragen können; denn die Freiberuflichkeit geht wieder verloren. Sie haben sie vor
50 Jahren verloren. Jetzt sind wir dabei, sie wieder massiv zu gefährden.
({4})
Es gibt kein anderes Gesundheitssystem, das so günstig arbeitet wie ein System mit freiberuflichen, niedergelassenen Ärzten.
({5})
Das erkennen Sie in allen anderen europäischen Staaten,
in denen aus ideologischen Gründen die Freiberuflichkeit
abgeschafft und vieles ins Angestelltenverhältnis verlagert worden ist. Ich nenne als Beispiele nur Schweden und
England. In diesen Ländern ist das Gesundheitssystem
marode; ein solches System wollen wir nicht haben.
({6})
- Doch. Sie haben den Weg zu dieser Entwicklung durch
Ihre Reform eingeleitet.
({7})
Von daher ist die Situation in den neuen Bundesländern
nicht mehr hinnehmbar.
Die Ministerin hat darüber gesprochen und hat vieles
angekündigt, auch hinsichtlich der Kollektivhaftung. Es
wäre wunderbar, wenn sie abgeschafft wird. Wenn wir die
Kollektivhaftung in diesem Rahmen aufheben, müssen
wir aber auch darüber sprechen, ob noch eine vernünftige
Arzneimittelversorgung möglich ist, wenn man auch die
neuen Entwicklungen hinsichtlich Alzheimer, Parkinson,
Krebs und weiterer großer und gravierender Krankheitsbilder berücksichtigt. Angesichts des Ausmaßes dieser Entwicklungen können wir dies nicht mit dem heutigen Budget organisieren. Es müssen mehr Gelder in diese
Versorgung fließen.
({8})
Für die Honorierung der Ärzte wollen wir ein Regelleistungsvolumen einführen. Die floatenden Punktwerte können keine Lösung mehr sein. Ein Arzt muss heute wissen, zu
welchen Bedingungen er medizinische Leistungen erbringt.
({9})
Daher plädieren wir für ein Regelleistungsvolumen.
Ich sage auch sehr deutlich: Wir wollen das Sachleistungssystem beseitigen. Wir wollen ein Kostenerstattungssystem. Wir wollen, dass der Patient weiß, zu
welchen Bedingungen und zu welchen Preisen die medizinische Leistung erbracht wird.
({10})
Und wir wollen - im Gegensatz zu Ihnen - den sozial
Schwachen schützen.
({11})
Wenn die Budgetierung erschöpft ist, gewährt sie keinem
mehr, auch dem sozial Schwachen nicht, medizinische
Leistung.
({12})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
- Das Budget ist in vielen Ländern und Regionen schon
erschöpft.
Das ist das brutalste System, das Sie je in Deutschland
eingeführt haben. Dieses System wollen wir nicht. Daher
bekenne ich: Wir wollen eine prozentuale Selbstbeteiligung, aber mit einer Härtefallregelung und einer Überforderungsregel. Das heißt, der sozial Schwache wird von
uns - im Gegensatz zu Ihnen - immer geschützt.
({13})
Das ist eine zukunftsweisende Politik. Ihre Politik hängt
am Fliegenfänger.
({14})
Ich erteile das Wort
der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will
zugestehen, dass es diesmal wirklich eine Aktuelle Stunde
ist, die sich an einem aktuellen Thema orientiert;
({0})
denn derzeit demonstrieren die Ärzte und Ärztinnen aus
den neuen Bundesländern und aus Berlin hier in der Nähe,
am Brandenburger Tor. Nach Ende dieser Veranstaltung
werden sie bei mir im Gesundheitsministerium empfangen. Das ist alles abgemacht.
({1})
Ich glaube, dass es richtig ist, ein offenes Ohr für die
Sorgen und Nöte zu haben. Deshalb habe ich bereits am
Montagabend und auch im Vorfeld dieser Niederlegung
der Arbeit bzw. der Schließung der Praxen mit dem Aktionsrat gesprochen. Ich glaube, dass das Gespräch ganz
konstruktiv war, egal, worüber derzeit debattiert wird.
Kollege Thomae, Sie wissen doch, dass wir uns überlegen müssen, woher das Geld kommen soll. Niemand
sagt etwas dagegen, wenn behauptet wird, dass es Ungerechtigkeiten gibt. Wir sind aufgerufen, zu versuchen, sie
zu beseitigen.
Ich habe den Ärzten Folgendes zugesagt: Erstens. Wir
bringen die Reform des Fremdkassenausgleichs auf den
Weg. Der Referentenentwurf in meinem Haus ist jetzt fertig. Wenn Sie sagen: „Sie haben viel angekündigt, es muss
aber auch etwas geschehen“, dann entgegne ich Ihnen:
Erst muss die notwendige Arbeit geleistet worden sein,
damit Gesetze hieb- und stichfest sind.
({2})
Die Unterschiede zwischen dem ärztlichen Einkommen Ost und dem ärztlichen Einkommen West entstehen
teilweise dadurch, dass die Ärztehonorare nicht den KVen
zufließen, die in den Bundesländern ansässig sind, wo die
Patientinnen und Patienten leben; vielmehr fließen sie
dorthin, wo die Krankenkassen ihren Sitz haben. Dieses
Geld fließt nach Bayern, nach Nordrhein-Westfalen oder
nach Hessen, also in andere Bundesländer. Das führt dazu,
dass weniger Geld zur Verfügung steht.
({3})
Das möchte ich am Beispiel Sachsen erläutern. In
Sachsen haben die BKKen weit über 300 000 Mitglieder;
aber nur für rund 5 000 werden dort Honorarverhandlungen geführt. Dies werde ich ändern. Ich hoffe, dabei Ihre
Unterstützung zu bekommen, weil ich will, dass das Geld
dahin fließt, wo die Leistung erbracht wird.
({4})
Das wird die Situation der Ärztinnen und Ärzte etwas
verbessern. Wir müssen dafür sorgen, dass regional immer für die vor Ort ansässigen Patientinnen und Patienten
verhandelt wird. Wenn das erfolgreich geschieht, dann bekommen die Ärzte zumindest das Geld, das ihnen zusteht,
da es nicht wie bisher in den Westen fließt.
({5})
Zweitens. Abschaffung des Kollektivregresses. Ich
habe hier und in der Öffentlichkeit erklärt: Wir werden
den Kollektivregress abschaffen.
({6})
Ich halte es für ungerecht, dass Ärztinnen und Ärzte selbst
dann für etwas haften müssen, wenn sie sparsam verschreiben und verordnen, nur weil andere das nicht machen. Wir arbeiten derzeit an einer Lösung. Sie wissen,
dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung einen Vorschlag gemacht hat, wie wir - statt durch Kollektivregress
und Arzneimittelbudget - über Richtgrößen für die einzelnen Praxen einen Fortschritt erzielen können. Sie wissen auch, dass eine Richtgröße allein nicht ausreicht, um
sicherzustellen, dass wirtschaftlich verantwortungsvoll
verschrieben wird.
Wir haben einen Kriterienkatalog entwickelt, über den
mit den Ärzten und mit den Spitzenverbänden der Kassen
zurzeit diskutiert wird. Wir sind der Auffassung, dass sich
die Zustände nur dann verbessern, wenn auf der einen
Seite die Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit ihren
Selbstverwaltungsorganen - ich denke da vor allem an die
Kassenärztliche Bundesvereinigung - und auf der anderen Seite die Krankenkassen wirklich dafür haften, dass
mit dem, was therapeutisch notwendig ist, vor Ort sparsam umgegangen wird. Darüber wird in den kommenden
Wochen im Bundestag gesprochen werden. Auch in diesem Punkt hoffe ich auf eine gemeinsame Basis; denn niemand kann ernsthaft das Ziel der Beitragssatzstabilität
oder unser Bemühen um eine Begrenzung der Ausgaben
infrage stellen. Es geht nicht darum, den Deckel anzuheben, sondern darum, das Geld zielgenauer einzusetzen,
damit es dort ankommt, wo es hin muss. Ziel ist immer
eine Qualitätsverbesserung im Gesundheitswesen.
({7})
Drittens. Ich kann die Honorare im Osten nicht einfach
erhöhen. Ich habe den Ärztinnen und Ärzten zugesagt,
auch mit einer anderen Ungerechtigkeit Schluss zu
machen. Sie wissen, dass die Angleichung der Gebührenordnung für Privatpatientinnen und Privatpatienten noch
nicht vollzogen ist. Obwohl 100 Prozent in die privaten
Versicherungen eingezahlt wird, wird nur 84 Prozent ersetzt. Wir werden - die entsprechende Vorlage aus meinem Haus ist so weit fertig und wir können sie auf den
Weg bringen - für die Anhebung auf 90 Prozent, auf
95 Prozent und schließlich für die Angleichung auf
100 Prozent sorgen. Auf diese Weise entsteht eine Perspektive und zumindest bei der privatärztlichen Vergütung findet dann eine Anpassung von Ost und West statt.
({8})
Zu diesen drei Aspekten sage ich: Da können wir gemeinsam handeln. Wenn ich Ihr Verlangen nach dieser
Debatte richtig verstehe, dann sind Sie bereit, dabei mitzumachen. Das entlastet die Ärzte im Osten.
({9})
Auf andere Forderungen der Ärzte kann ich nicht
eingehen. Eine Forderung lautet, dass der Risikostrukturausgleich nicht mehr zur Entschuldung der Ostkassen
eingesetzt wird, sondern dass das Geld aus dem
Risikostrukturausgleich für die Ärztehonorare verwendet
wird. Sie wissen doch selbst, dass es einen Transfer von
West nach Ost gibt, damit die Kassen dort auf eine gesunde finanzielle Basis gestellt werden und es zu einer
Beitragsangleichung kommt. Dies muss das vorrangige
Ziel sein. Das Geld darf aber nicht in die Ärztehonorare
sozusagen umgelenkt werden, wodurch die Kassen auf
Dauer in einer prekären finanziellen Situation bleiben
würden.
({10})
Im Jahre 2000 sind von West nach Ost 2,8 Milliarden DM geflossen; im Jahre 2001 werden es 3,53 Milliarden DM sein. Aus dem Risikostrukturausgleich werden zusätzlich 1,6 Milliarden DM fließen. Dieses Geld
muss vorrangig dafür ausgegeben werden, die Verschuldung - sie liegt zurzeit bei rund 700 Millionen DM; wir
haben sie zum Teil mit Ihnen gemeinsam abbauen können - weiter zu verringern. Die Menschen im Westen
werden erkennen, dass das Geld gut angelegt ist. Die
Kassen werden dann nämlich in der Lage sein, die Leistungen zu finanzieren, die die Patientinnen und Patienten
benötigen.
Ein weiterer Punkt ist die Forderung nach einem
600-Millionen-DM-Sofortprogramm, das von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden soll. Damit soll die
Hälfte der 1,2 Milliarden DM an Krankenkassenbeiträgen
gezahlt werden. Die Frage ist aber: Sollen deswegen die
Maßnahmen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik gekürzt werden? Ich glaube, auf die Politik, junge Menschen in Arbeit
zu bringen, können wir nicht verzichten, auch nicht im
Osten.
({11})
Es geht doch darum, Arbeitsplätze zu schaffen.
Ich komme zum Kern des Problems. Tatsache ist doch,
dass die Angleichung von Ost und West nicht vollendet ist.
({12})
Wir wissen das und arbeiten gemeinsam daran, diese Angleichung zu erreichen. In den letzten zehn Jahren - das
kann man nicht bestreiten - ist vieles geschehen. Bedauerlicherweise ist im Osten die Situation immer noch so,
dass nur 86 Prozent im Vergleich zum Westen gezahlt
wird. Es kann daher niemand ernsthaft verlangen, dass die
Angleichung der Honorare der Ärzte und Ärztinnen
schneller erfolgt als die Angleichung der Gehälter.
({13})
Ich sehe zwar die Ungerechtigkeiten ganz klar, Herr Kollege Thomae. Dennoch muss ich sagen - auch wenn die Berechnung des Durchschnittseinkommens beinhaltet, dass es
sowohl höhere als auch niedrigere Einkommen gibt -: Viele
Menschen in den neuen Bundesländern hätten gerne ein
Durchschnittseinkommen von 150 000 DM im Jahr, auch
wenn davon noch Steuern und Beiträge für die Krankenversicherung und die Altersvorsorge zu zahlen sind.
({14})
Ich würde es ihnen gerne gönnen.
Vielen Dank.
({15})
Nun erteile ich der
Kollegin Dr. Sabine Bergmann-Pohl das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich finde es sehr lobenswert, dass Sie nachher die
Ärzte empfangen. Offensichtlich nehmen Sie die Probleme der Ärzte ernst.
({0})
Gleichwohl fehlt mir der Glaube, dass dieses Gespräch etwas bringt. Seitdem Sie im Amt sind, haben Sie zwar viele
Vorschläge gemacht. Doch wenn ich einige Vorschläge
aufgreife, dann komme ich zu dem Schluss, dass diese
kaum zu einer Verbesserung der Lage der Ärzte in den
neuen Bundesländern führen werden.
Der Fremdkassenausgleich ist nur ein kleiner Schritt.
Die Anhebung der Vergütung für die Behandlung von Patienten der PKV haben wir damals auf den Weg gebracht.
Sie haben sie aber zunächst kassiert. Jetzt holen Sie sie
aus der Mottenkiste wieder heraus. Sie wissen aber ganz
genau, dass es in den neuen Bundesländern nur eine geringe Zahl von Privatpatienten gibt.
({1})
Sie erreichen also damit keine Verbesserung der Situation
in den neuen Bundesländern.
Ich finde es lobenswert, dass Sie jetzt sagen, die Budgetierung sei kein Allheilmittel. In der Vergangenheit
hatte ich immer den Eindruck, dass für die SPD-Fraktion
nur die Budgetierung das Allheilmittel sei und dass nur
ein billiger Patient ein guter Patient sei.
({2})
Sie wissen genau, dass diese Budgetierung zur Folge hat,
dass chronisch Kranke schlecht versorgt werden und dass
das Morbiditätsrisiko allein auf die Ärzte übertragen wird.
({3})
- Natürlich.
Die Budgetierung funktioniert nicht; denn bei 18 von
23 Kassenärztlichen Vereinigungen ist das Budget überschritten worden. Wissen Sie, warum? - Weil die Ärzte es
für ethisch nicht vertretbar hielten, den Patienten die notwendige medizinische Versorgung zu versagen.
({4})
Sie sprechen von Qualitätssteigerung. Aber zum Beispiel Ihr Antrag bezüglich der Diabeteskranken vermittelt
einen anderen Eindruck.
({5})
- Dann haben Sie aber in der Anhörung nicht zugehört,
Frau Schmidt-Zadel.
({6})
Herr Professor Lauterbach hat als Experte gesagt, dass
bei einem 32-jährigen Diabetiker die für Arzneimittel aufzuwendenden Kosten im Vergleich zum Durchschnitt der
Patienten das 14fache betragen. Das heißt, wenn alle Diabetiker fachgerecht behandelt würden, würde das 40 Milliarden DM mehr kosten. Das ist ein Sechstel aller GKVAusgaben.
Wenn Sie von Qualitätssicherung sprechen, Frau Ministerin - vielleicht hören Sie mir einmal einen Moment
zu -: Experten haben berechnet, dass zwar durch den Generikaeinsatz und den Wegfall umstrittener Arzneimittel
bei der Versorgung circa 6,19 Milliarden DM gespart werden könnten.
({7})
Dem steht aber ein erheblicher Mehrbedarf durch die
fachgerechte Versorgung schwerer chronischer Erkrankungen wie Arthritis, Hepatitis, Sklerose, Schizophrenie,
degenerative Gelenkserkrankungen und Transplantationsnachsorge von 8,59 Milliarden DM gegenüber. Dabei sind noch gar nicht die Versorgungslücken bei Diabetes, Herzinsuffizienz, Hypertonie, Hyperlipidämie und
Asthma bronchiale eingerechnet.
Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens dem von Ihnen eingesetzten Sachverständigenrat;
denn der hat es Ihnen schriftlich gegeben. Er schreibt
nämlich: Eine Barriere für Qualitätssicherungsmaßnahmen sind erhöhte finanzielle Belastungen.
({8})
Ich finde es bezeichnend, dass Sie zum Beispiel die
von Ihnen kassierten Richtgrößen, die von uns gesetzlich
auf den Weg gebracht worden waren, wieder hervorzaubern.
({9})
Das heißt, Sie holen alles das, was Sie 1998, nachdem Sie
die Wahl gewonnen haben, praktisch in der Versenkung
haben verschwinden lassen, jetzt wieder heraus und verkaufen unsere Konzepte als Ihre Konzepte.
({10})
Das finde ich einfach unwürdig.
({11})
Wenn Sie mir schon nicht glauben, dann lassen Sie
mich doch bitte zum Schluss ein Zitat der Deutschen
Rheuma-Liga - sind Sie da nicht Vorsitzende, Frau
Schmidt-Zadel?
({12})
- dann war es Frau Schaich-Walch - vortragen, das sich
auf das Ergebnis einer Befragung der Betroffenen zu Versorgungseinschränkungen bezieht:
Für uns verdeutlichen die Antworten, dass das Ringen um Einsparungen zurzeit auf dem Rücken der
chronisch kranken Patienten ausgetragen und auf
diese Weise das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt
und Patient zerstört wird.
Ich glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
({13})
Nun hat das Wort die
Kollegin Katrin Dagmar Göring-Eckardt.
({0})
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Ministerin hat hier dargestellt, an welchen Punkten die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen
({0})
die Probleme, die es zwischen Ost und West tatsächlich
gibt, aufnimmt, und zwar an den Stellen, an denen wirklich etwas zu machen ist. Ich sage es noch einmal stichwortartig: Die Frage des Fremdkassenausgleiches ist hier
wichtig, ebenso die Frage der PKV.
Frau Bergmann-Pohl, wir können natürlich mal
schauen, ob wir dafür sorgen können, dass es in den ostdeutschen Ländern noch mehr privat Versicherte gibt, damit sich das Einkommen der Ärzte erhöht.
({1})
Aber ich glaube, das wäre nicht der richtige Weg.
Ich möchte noch einmal die Zahlen in Bezug auf den
Transfer von West nach Ost in Erinnerung rufen
({2})
- das ist gut, wenn Sie das im Kopf haben; ich sage es hier
trotzdem noch einmal, aus Ihrem Kopf zitiert, Herr
Thomae -: 2002 2,8 Milliarden DM, 2001 3,1 Milliarden DM plus RSA.
Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Arztgruppen. Diese sollte man sich aber genau anschauen. Die Radiologen in Ostdeutschland verdienen mehr als die in
Westdeutschland.
({3})
Wir haben in der Tat ein großes Problem bei den Hausärzten und insbesondere bei den Kinderärzten. Wir sollten
gemeinsam dafür sorgen, dass die Hausärzte und die Kinderärzte bei der Verteilung zwischen den Arztgruppen gestärkt werden. Ich glaube, das wäre bei diesem Problem
eine vernünftige Herangehensweise.
({4})
Natürlich haben wir auch bei anderen Punkten Unterschiede, zum Beispiel bei den Betriebsausgaben. In Ostdeutschland betragen sie 76 Prozent des westdeutschen
Wertes. Auch dieses Argument muss berücksichtigt werden. Wenn man sich die Einkommen anschaut, dann stellt
man zwar Unterschiede fest: 165 000 DM im Jahre 1998
im Osten und 194 000 DM im Westen. Diese Differenz ist
aber überhaupt nicht signifikant anders gegenüber der, die
man in anderen Berufsgruppen feststellen kann.
Es fällt mir schon auf - das will ich auch zu der Motivation für diese Aktuelle Stunde sagen -, dass sich besonders zwei Parteien dieses Problems annehmen: Das sind
F.D.P. und PDS. Mich wundert das ein wenig. Wir können
bei der Angleichung der Lebensverhältnisse doch nicht
bei denen anfangen, die relativ gut verdienen, deren Einkommen sich also am oberen Ende der Leiter bewegen,
({5})
und diejenigen, die wenig verdienen, diese Angleichung
bezahlen lassen. Es geht sehr wohl um die Patientinnen
und Patienten, es geht sehr wohl um die Versicherten. Es
geht nämlich um die Frage: Woher holen wir das Geld?
({6})
Sollen wir denn die Beiträge erhöhen und von den Versicherten das Geld holen? Ich glaube, dass das nicht der
richtige Weg sein kann. Wir können nicht die Versicherten und diejenigen, die wenig verdienen, höhere Beiträge
bezahlen lassen, damit die Einkommen der Ärzte steigen.
Es kann nicht der richtige Weg sein, das Pferd von hinten
aufzuzäumen.
Eine Angleichung der Lebensverhältnisse ist nötig,
({7})
aber sie muss schrittweise gemäß den Möglichkeiten erfolgen. Sie haben während Ihrer Regierungszeit erfahren
müssen - und auch wir wissen das -, dass das nicht von
einem Tag auf den anderen geht,
({8})
auch nicht von einem Jahr zum anderen,
({9})
sondern dafür benötigt man mehr Zeit, als Sie immer angenommen haben. Die Zeit, die wir dafür brauchen, muss
sich die Gesellschaft nehmen. Sie sollten nicht leere Versprechungen machen und in großen Parolen verkünden, es
ginge hier um das Wohl der Patientinnen und Patienten.
({10})
Das wäre in der Tat geheuchelt. Es geht hier um die Einkommenssituation der Ärzteschaft, es geht nicht um die
Patientinnen und Patienten.
({11})
- Es geht in der Tat um die Zusammenhänge. Wir dürfen
aber nicht auf dem Rücken der Versicherten dafür sorgen,
dass die Einkommen in einem Bereich sehr viel höher liegen als im Durchschnitt der Bevölkerung. Das wäre nicht
der richtige Weg.
({12})
Ich rufe Sie noch einmal auf: Unterstützen Sie uns bei
den Maßnahmen, die wir richtigerweise ergreifen. Unterstützen Sie uns, da, wo es tatsächlich Ungerechtigkeiten
bei den Einkommensverhältnissen gibt, diese zu beseitigen. Unterstützen Sie uns, die Rolle der Hausärzte und der
Kinderärzte im Osten zu stärken; diese befinden sich
nämlich ungerechtfertigterweise am unteren Ende der
Einkommensskala der Ärzteschaft.
({13})
Hier muss in der Tat eine Umverteilung stattfinden. Die
macht dann auch Sinn.
Vielen Dank.
({14})
Jetzt hat das Wort die
Kollegin Dr. Ruth Fuchs, PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist Realität geworden: Ein zunehmender Teil der Ärztinnen und Ärzte in Ostdeutschland
verfügt nicht mehr über ein angemessenes Einkommen.
Auch ich betone hier das Wort „Einkommen“, lieber Kollege Thomae. Dieses Problem gibt es aus meiner Sicht aber
nicht erst seit heute. Schon häufig standen Vorschläge zur
Verbesserung der Finanzgrundlagen des Gesundheitswesens in den neuen Ländern auf der Tagesordnung. Ich kann
mich erinnern, dass alle Parteien dafür gestimmt hatten,
die Finanzgrundlage für das Gesundheitswesen in den
neuen Bundesländern zu verbessern.
({0})
Umso unverständlicher ist es für mich, dass Ende 1999
eine große Chance verpasst wurde:
({1})
Die in dem Gesetz zur Rechtsangleichung in der GKV
zunächst vorgesehene Sonderentschuldung der Ostkassen
in Höhe von 1,3 Milliarden DM wurde ersatzlos gestrichen. Dies blieb - wie wir jetzt sehen - nicht ganz ohne
Folgen.
({2})
Liebe Frau Ministerin Schmidt, ich glaube Ihnen, dass
Sie das heute vielleicht nicht mehr korrigieren können.
Das kann ich nicht beurteilen. Ich denke aber, dass damals
wirklich eine Chance vertan wurde. In diesem Zusammenhang begrüßen wir natürlich Ihre Ankündigung,
dass Sie sich den Problemen im Osten besonders widmen
wollen. Wir sagen aber ganz klar und deutlich: Den Worten müssen auch Taten folgen.
({3})
Meine Damen und Herren, man kann Zahlenvergleiche
bringen, wie man will. Für uns steht außer Frage, dass im
Osten angesichts der stärker überalterten Bevölkerung
von einem insgesamt höheren Bedarf an medizinischer
Versorgung ausgegangen werden muss, zugleich aber
dem Arzt je Versichertem weniger finanzielle Mittel zur
Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass ein Arzt in Ostdeutschland im Durchschnitt viel mehr Behandlungsfälle
als ein Arzt in den alten Bundesländern hat, die Vergütung
jedoch hinter der in den alten Bundesländern zurückbleibt. Da aber - meine Kollegin hat es gerade gesagt die Behandlung von Privatversicherten in den neuen Bundesländern so gut wie aussichtslos ist, lässt sich auch damit das Einkommen nicht verbessern.
Der wichtigste Punkt für uns ist neben dem Streben
nach angemessener Vergütung, dass diese Situation früher
oder später die Qualität der möglichen medizinischen
Leistungen beeinträchtigen muss. Schon heute betreiben
die Ärzte im Osten ihre Praxen mit deutlich weniger Personal als ihre Kollegen im Westen
({4})
und es fehlt ihnen häufig auch die Fähigkeit zu Investitionen und Innovationen. Hier besteht wirklich die Gefahr
- noch ist es nicht so weit - eines West-Ost-Gefälles in der
Qualität der Versorgung der Bevölkerung.
({5})
Meine Damen und Herren, wenn man es zuließ oder
bewusst wollte, dass die Strukturen des Gesundheitswesens der DDR völlig unkritisch über Bord geworfen wurden und die Ärzte unter Versprechen blühender Landschaften fast vollständig in Freiberuflichkeit und private
Niederlassung gebracht wurden, dann geht es nicht an, ihnen die elementaren Voraussetzungen ihrer Arbeit vorzuenthalten.
({6})
Aus diesen Gründen halten wir die Aktion der Ärzte und
Psychotherapeuten für berechtigt. Fragwürdig bleibt aber,
dass sie auf dem Rücken der Patienten ausgetragen wird.
Allerdings stellt sich die Frage, ob man das den Ärzten allein zuschieben soll.
In aller Deutlichkeit zeigt diese Aktion, dass sich die
Bundesregierung den besonderen Finanzierungsproblemen des Gesundheitswesens in Ostdeutschland stellen
muss. So wichtig es ist, dass der gesamtdeutsche Risikostrukturausgleich ab 2001 schrittweise zu einem erhöhten
Mitteltransfer von West nach Ost führt, ist es dennoch unmöglich, dass sich an der finanziellen Ungleichbehandlung der Ärzte und aller Beschäftigten in ostdeutschen
Gesundheitseinrichtungen nichts ändern soll.
Liebe Frau Kollegin Göring-Eckardt, erinnern Sie sich
bitte einmal an Ihre Oppositionszeit. Sie können heute
nicht sagen, die PDS oder die F.D.P. mache Blödsinn,
wenn Sie damals selbst den Einigungsvertrag ganz kritisch eingefordert und gesagt haben, es sei - egal, wer regiert - eine politische Aufgabe, die Angleichung der
Lebens- und Arbeitsbedingungen in Ost und West voranzutreiben. Man kann eine soziale Ungerechtigkeit nicht
gegen eine andere ausspielen.
({7})
Es ist wirklich an der Zeit, mit diesen Ausreden aufzuhören. Dann soll man lieber sagen, man wolle es nicht
finanzieren und die Menschen müssten hier so arbeiten;
das wäre ehrlicher.
({8})
Wir fordern die Bundesregierung auf, ein verlässliches
Konzept vorzulegen, damit diese Angleichung schrittweise erfolgen kann, sodass die Menschen erkennen, dass
irgendwann die Ungleichbehandlung beendet sein wird
und sie dieselben Chancen in der Arbeits- und Lebenswelt
wie die Menschen in den alten Bundesländern haben. Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Schluss.
Wir haben uns hier schon oft zum Budget geäußert und
erklärt, es stelle nur vorübergehend eine Möglichkeit dar,
bestimmte Sparziele im Gesundheitswesen zu erreichen.
Die Abschaffung der Kollektivhaftung halten wir für richtig. Im Gegensatz zu CDU/CSU und F.D.P. teilen wir dennoch Ihre Meinung, dass die Ärzte nicht aus der Verantwortung entlassen werden dürfen. Trotzdem ist zu
überlegen, wie man die Finanzsituation des Gesundheitswesens in den neuen Bundesländern ohne Beitragssatzerhöhung verbessert. Es gibt genügend Einsparpotenziale;
als Stichworte nenne ich zum Schluss die Gewährleistung
notwendiger Arztinformationen, herstellerunabhängige
Weiter- und Fortbildung - Sie wissen, auf wen ich hinaus
will -, wirksamere Preisbegrenzungen bei Arzneimitteln
und Senkung der Mehrwertsteuer. Ich wiederhole, dass es
kaum zu begreifen ist, dass man für verschreibungspflichtige Medikamente auch noch Mehrwertsteuer zahlen muss und die Krankenkassenbeiträge so für die Haushaltssanierung des Bundes herangezogen werden. Kurz
gesagt: Es gibt Vorschläge, packen wir es an!
({9})
Ich weise zur Redezeit noch einmal darauf hin, dass wir in der Aktuellen
Stunde sind, und erteile nun dem Kollegen Eckart
Lewering für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bedeutung
der heutigen Aktuellen Stunde reicht über deren eigentliches Thema hinaus.
({0})
Die Ärztinnen und Ärzte stehen hier nur stellvertretend
für die Bürger der neuen Bundesländer, die zehn Jahre
nach Herstellung der staatlichen Einheit zu Recht die Angleichung der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland
anmahnen.
({1})
Die Sorgen der Ärzte und des medizinischen Personals
sind die gleichen Sorgen, die viele andere Beschäftigte in
den neuen Bundesländern ebenfalls haben.
Die neue Bundesgesundheitsministerin hat ihren Amtsantritt mit mehr als einem Schritt des Entgegenkommens
begleitet und zu verstehen gegeben, dass sie diese Sorgen
sehr ernst nimmt.
({2})
Zum einen wurden Ärzten die vorgesehenen Zahlungen
für das Überschreiten des Arzneimittelbudgets erlassen,
zum anderen wurde die Aufhebung des Kollektivregresses angekündigt.
({3})
Die Einkommensstatistik der Mediziner - zumindest
für einige Ärztegruppen - zeigt eine nicht allzu negative
Entwicklung in den vergangenen Jahren. Die Ost-WestUnterschiede zwischen den aus vertragsärztlicher Tätigkeit resultierenden Einkommen je Arztgruppe reichen
nämlich von circa 73 Prozent für HNO-Ärzte bis zu mehr
als 110 Prozent für Radiologen. Diese Gruppe ist hier
schon mehrmals angesprochen worden.
({4})
Demgegenüber lagen aber die durchschnittlichen beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder der Krankenkassen in den neuen Bundesländern im zugrunde liegenden Jahr 1998 bei circa 79 Prozent des entsprechenden
Wertes der GKV West.
Die Einnahmesituation der Ärzte in den neuen Bundesländern ist also durchaus differenziert zu betrachten.
Es gibt den gut verdienenden Facharzt mit Praxis in zentraler Lage und einer größeren Anzahl von Privatpatienten in Ballungsgebieten. Dem steht aber der Kollege in einer anderen Region gegenüber, dessen Praxis einen viel
geringeren Ertrag abwirft. Allein die Tatsache, dass ein
Arzt im Westen mehr verdient als ein Arzt im Osten, begründet aber noch keine Verpflichtung der Beitragszahler
der gesetzlichen Krankenkassen, diesen Unterschied auszugleichen.
Wie Sie wissen, ist die deutsche Wiedervereinigung
mit enormen finanziellen Belastungen der Menschen in
Westdeutschland verbunden. Dennoch hat die Sozialdemokratie sowohl während der Zeit der Opposition als
auch seit der letzten Bundestagswahl als Regierungspartei die Notwendigkeit solcher Umverteilungen immer
wieder verteidigt.
({5})
Die jetzige Bundesregierung hat immer wieder Maßnahmen ergriffen, um die Lebensverhältnisse in ganz
Deutschland zu vereinheitlichen. Für den Bereich der Gesundheitspolitik will ich jetzt nur noch kurz einige Beispiele nennen:
Erstens. Im Zuge der Gesundheitsreform wurde eine
bundeseinheitliche Steigerung der Grundlohnsumme als
Maßstab für die Gesamtvergütung eingeführt.
Zweitens. Mit der Einbeziehung der Geringverdiener
in die Sozialversicherung haben wir dem Gesundheitswesen bereits dringend benötigte finanzielle Mittel zugeführt.
({6})
Drittens. Um gleiche Lebensverhältnisse in allen Bundesländern zu schaffen, hat die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung vor einem Jahr die Einführung
eines gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs beschlossen, der nun auch schrittweise eingeführt wird.
Hierdurch verbessert sich auch die Lage der Krankenkassen in den neuen Bundesländern.
({7})
Viertens. Zudem hat die SPD-Bundestagsfraktion, wie
Sie wissen, einen Antrag zum Fremdkassenausgleich in
den Bundestag eingebracht, der ebenfalls zum Ziel hat,
die finanzielle Situation der niedergelassenen Ärztinnen
und Ärzte in den neuen Bundesländern zu verbessern.
Durch die Einführung des Wohnortprinzips für alle
Krankenkassen wollen wir den Fremdkassenausgleich
wirksamer machen und für eine größere Verteilungsgerechtigkeit bei kassenärztlichen Honoraren sorgen. In
Zukunft werden ärztliche Leistungen und die Vorhaltekosten dort vergütet, wo sie anfallen.
Von der Einführung des Wohnortprinzips profitieren
vor allem auch Ärzte in den neuen Bundesländern, da
viele ihrer Patienten bei Krankenkassen versichert sind,
die ihren Sitz in den alten Bundesländern haben. Hierzu
ein Beispiel: Durch diesen jetzt beabsichtigten Schritt
wird der Anteil der ambulant tätigen Ärzte in Ostdeutschland an den Gesamtausgaben der GKV um circa 2 Prozent
anwachsen. Das bedeutet zum Beispiel für Sachsen, dass
etwa 10 000 DM mehr pro Praxis zur Verfügung stehen
werden. Mit dieser Regelung sorgt die SPD für mehr Gerechtigkeit und für die Sicherung der ambulanten Versorgung auch in den neuen Bundesländern.
({8})
Ich hoffe, Sie erkennen, dass die Sozialdemokratie bestrebt ist, gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland zu
verwirklichen, und entsprechende Beschlüsse in den entscheidenden Gremien vorantreibt. Ich darf Ihnen hier
versichern, dass wir weiterhin alles tun werden, um in
ganz Deutschland vergleichbare Lebensverhältnisse zu
schaffen.
Ich danke Ihnen.
({9})
Nun hat das Wort der
Kollege Wolfgang Zöller, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube,
Rot-Grün hat ein ganz großes Problem:
({0})
Es beschließt ein Gesetz und dann setzt es sich mit den
Beteiligten zusammen. - Könnte man es nicht einmal herumgedreht machen, dass man sich also erst mit den Beteiligten zusammensetzt und dann ein Gesetz macht?
({1})
Ein weiterer Punkt: Frau Ministerin, Sie haben gesagt,
durch den RSA, den gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich, seien Milliarden in die neuen Länder geflossen
und das helfe dort sehr.
({2})
Ein gravierender Fehler ist doch gemacht worden: Hätten wir nicht erst die Ungereimtheiten beim Risikostrukturausgleich beseitigen müssen, bevor wir ihn auf ganz
Deutschland ausdehnen? Folgendes wird jetzt nämlich
geschehen: Die Kassen im Westen werden Milliardenbeträge für den Risikostrukturausgleich zahlen und die Kassen im Osten werden dann einen niedrigeren Beitragssatz
erheben als die im Westen. Wie wollen Sie das den Versicherten klarmachen? Das kann wohl nicht funktionieren.
Deshalb wäre es sinnvoller gewesen, den Risikostrukturausgleich vorher richtig zu strukturieren.
({3})
Da wir heute über die Budgetierung und die Kollektivhaftung sprechen, gestatten Sie mir folgenden flapsigen
Hinweis: Was würde die SPD sagen, wenn einer wegen
Trunkenheit am Steuer den Führerschein genommen bekommt und man den Antrag stellen würde, allen SPD-Abgeordneten müsse der Führerschein entzogen werden?
({4})
- So machen Sie es aber mit den Ärzten! Ich habe ja gehofft, dass Sie diesen Zuruf machen.
({5})
Wenn ein Arzt das Budget überschreitet, werden alle
Ärzte in Haftung genommen.
Die Kollektivhaftung und die Budgetierung sind erstens rechtlich, zweitens medizinisch und drittens strukturpolitisch widersinnig.
({6})
- Ja, eben! Die Ministerin hat sich hier an dieses Pult gestellt und gesagt: Die Kollektivhaftung kommt weg.
({7})
Wir haben in der letzten Woche einen entsprechenden Antrag eingebracht und Sie haben ihn abgelehnt. Sie sollten
endlich einmal Ankündigungen und Handeln in Übereinstimmung bringen.
({8})
Sie können den Ärzten nicht sagen: „Die Kollektivhaftung wird abgeschafft“ und dann, wenn wir Ihnen eine
entsprechende Steilvorlage geben - Sie bräuchten nur zuzustimmen -, diese ablehnen.
({9})
So funktioniert das nicht! Zwischen Ankündigungen und
Handeln liegen bei der SPD Welten.
({10})
Nun dazu, dass das Arzneimittelbudget medizinisch
widersinnig ist: Rot-Grün hält aus überwiegend ideologischen Gründen daran fest. Ich habe die Hoffnung nicht
aufgegeben, dass Sie vielleicht auch noch zu der Erkenntnis kommen, dass man mit Arzneimitteln - und nicht nur
am Arzneimittel - sehr viel Geld sparen kann. Nehmen
Sie einmal bitte Folgendes zur Kenntnis: Deutschland
liegt bei den Ausgaben für Arzneimittel an der letzten
Stelle in Europa. Andere Länder geben mehr für Arzneimittel, insgesamt aber weniger für Gesundheit aus.
({11})
Die SPD sagt auch immer: Wir sind für Primärprävention. - Auch hier könnte man mit Arzneimitteln das eine
oder andere erreichen.
Nun dazu, dass das Arzneimittelbudget strukturpolitisch widersinnig ist: Seit 1992 sind die Ausgaben im
Arzneimittelbereich jährlich um rund 2,8 Prozent gestiegen. Aber sie sind nicht aufgrund der Mengenausweitung und auch nicht aufgrund von Preiserhöhungen
gestiegen. Diese Steigerung ist vielmehr mit Strukturkomponenten zu begründen: mit der Einführung von
teuren Innovationen - dies wollten wir alle -, mit der
Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich
- auch dies wollten wir alle - und mit dem Ersatz von so
genannten billigen „umstrittenen“ Arzneimitteln. Bei
Letzterem hat mich folgende Zahl etwas überrascht:
1990 haben wir für „umstrittene“ Arzneimittel pro Verordnung im Durchschnitt 26 DM gezahlt. Hier gab es
eine Verlagerung zu „unstrittigen“ Arzneimitteln, allerdings mit 51 DM pro Verordnung. - Jetzt frage ich mich:
Wem hat das genützt?
Wohin Budgetierung und Staatsmedizin führen, konnte
ich gestern in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ lesen; wenn es gestattet ist, Frau Präsidentin, möchte ich
dies zitieren.
Sie brauchen dazu
nicht meine Genehmigung.
Danke schön. - Da
heißt es:
Wer ein Klinikbett ergattert hat, findet sich dann oft
in einem renovierungsbedürftigen Krankensaal mit
zwölf oder mehr Leidensgenossen wieder.
„Mir ist egal, mit wie vielen Patienten ich das Zimmer teile, wenn ich nur endlich operiert werde“, sagt
Jim Kennedy. Seit einer Herzattacke im vergangenen
Juli wartet der bis dahin kerngesunde 39 Jahre alte
Mann auf den rettenden Eingriff eines Belfaster
Herzchirurgen-Teams.
({0})
Elfmal wurde Kennedy seither als Notfall-Patient ins
Krankenhaus eingeliefert;
Ein weiteres Zitat:
Andere kommentieren ihren langen Marsch durch das
Gesundheitswesen mit Galgenhumor; fast sprichwörtlich ist der Schwangerschaftstest
- in England -,
auf den man neuerdings zehn Monate warten müsse.
({1})
Ich hoffe nicht, dass Rot-Grün demnächst in Deutschland
beschließt, dass wir deshalb die Schwangerschaft auf
zwölf Monate ausdehnen müssen.
({2})
Nun hat die Kollegin
Monika Knoche für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Kollege Zöller, Ihr Abgangssatz hat mir gefallen. Er
war humorvoll und witzig. Sie wissen allerdings, dass er
in der Sache - nicht was die Schwangerschaft, sondern
was den Bezug angeht - nicht zutrifft.
Es wundert mich immer wieder, dass Sie sehr gerne
von Staatsmedizin sprechen. In der Bundesrepublik
Deutschland, in der ich lebe, gibt es keine Staatsmedizin,
sondern ein solidarisches Sicherungssystem.
({0})
Es gibt die GKV. Es gibt die freie Arztwahl. Es gibt die
Therapievielfalt. Wir haben also keine staatlich vorgegebene Gesundheitsversorgung,
({1})
sondern ein sehr freiheitliches und bürgerrechtliches System. Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist geschützt und vom
Staat immer zu wahren. Das zeichnet die Bundesrepublik
Deutschland aus.
({2})
Ich glaube, dass die Bürger und Bürgerinnen in den
neuen Bundesländern diesen Unterschied sehr genau kennen und auch sehr schätzen. Ich gehe aber nicht davon aus
- das richte ich an Herrn Kollegen Dr. Thomae -, dass die
Kassenärzte in den neuen Bundesländern ihre gesamte
Sozialisation abschütteln wollen und sich als Freiberufler
definieren.
Arzt in sozialer Verantwortung - das ist ein sehr hohes
berufliches Selbstverständnis. Ich habe den Eindruck,
dass die Kassenärzte und -ärztinnen in den neuen Bundesländern sehr wohl wissen, welche Verantwortung sie
als Ärzte und Ärztinnen in einem solidarisch finanzierten
System haben. Sie konnten aber nicht wissen, dass sie
heute mit einer finanziellen Situation konfrontiert sein
würden, deren Ursachen zehn Jahre zurückliegen.
({3})
- Doch. Ich will Ihnen auch sagen, welche Ursachen das
sind. Viele hier im Parlament haben diese gesamte Zeit
verfolgt und politisch begleitet. Wir haben im Bundestag
dringend davor gewarnt, alle Strukturen, die auf Integration orientiert sind, zu zerschlagen.
({4})
Selbst den kirchlichen Trägern haben Sie nicht erlaubt,
Ambulatorien zu unterhalten, die wir heute mit politischen Instrumenten mühsam wieder einführen müssen,
weil sie eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten gewährleisten.
({5})
Die Ärztinnen und Ärzte waren damals gezwungen,
sich niederzulassen, weil ihnen - nennen wir es doch einmal beim Namen - auf die Beratung der Kassenärztlichen
Vereinigungen hin die bisherigen Strukturen gekappt wurden. Es kam zu einer Ausdifferenzierung und Spezialisierung von Fachärzten im ambulanten Bereich, sodass sie in
einem hohen Lebensalter hohe Investitionen tätigen
mussten.
({6})
Heute, nach zehn Jahren, kommen sie - Sie, Frau
Bergmann-Pohl, haben es in einem Zwischenruf gesagt in die Schuldentilgungsphase, was für viele ein wirklich
existenzielles Problem ist, das ich überhaupt nicht in Abrede stellen will. Aber über Erhöhungen der Beitragssätze
können und wollen wir es nicht lösen.
({7})
Es sind in der Tat hohe Anforderungen an die niedergelassenen Ärzte, an die Kassenärztlichen Vereinigungen
gestellt, das, was sie an Kapazitäten im fachärztlichen Bereich haben, auf die Versorgungsnotwendigkeit hin zu
überprüfen. Nicht alle Fachärztinnen und Fachärzte sind
gleichermaßen von der Honorierungsfrage betroffen. Es
gibt viele in den neuen Bundesländern, die besser verdienen als ihre Fachkolleginnen und -kollegen im Westen.
({8})
Es ist so, dass die niedergelassene Ärzteschaft sogar
„Honorartransfers“ an ihre Kollegen im Osten leistet. Darüber hinaus haben die großen Krankenkassen Finanztransfers von West nach Ost geleitet, um höhere Beitragssätze zu vermeiden, was eine ganz wichtige politische
Mitteilung war.
Weil gerade der RSA angesprochen wurde, Herr Zöller
- manchmal bin ich froh, dass ich schon länger im Parlament bin -:
({9})
In der Zeit, als die Notwendigkeit einer RSA-Reform offenkundig wurde und in Mecklenburg-Vorpommern Beitragssätze von 20 Prozent drohten, kam innerhalb der
CDU/CSU die Debatte auf, die Gesamtsolidarleistung
zurückzufahren und regionalisierte Beitragssätze einzuführen. Das wäre die Aufkündigung des gesamtdeutschen
Solidarprinzips gewesen.
({10})
Was wir jetzt neu im RSA bewegen wollen - Hochrisikopool, Chroniker-Versorgung, Disease-Management usw. -,
wird dazu beitragen, dass auch die unterschiedlichen Versorgungsbedarfe in den neuen Bundesländern durch eine
vernünftige Struktur ausgeglichen werden können.
({11})
Ich hoffe, dass wir den Risikostrukturausgleich so reformieren, dass sich die Ärztinnen und Ärzte vordringlich
den Patienten widmen können und nicht mehr innerärztlichen Verteilungskämpfen anheim fallen.
({12})
Nunmehr hat das
Wort der Kollege Detlef Parr für die F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Liebe Frau Knoche, ich habe das Gefühl, Sie
haben lange nicht mehr mit niedergelassenen Ärzten und
Krankenhausärzten geredet.
({0})
Die werden Ihnen bestätigen: Ihre Politik ist dirigistisch,
überreglementiert, rückwärts gewandt und leistungsfeindlich. Das sind Tatsachen.
({1})
Die positive Aufbruchstimmung, die wir vor zehn Jahren in den neuen Bundesländern vorgefunden haben, ist
der knallharten Realität des Alltags gewichen. Sie haben
die Hoffnungen im Osten zerstört.
({2})
Für die Menschen von Mecklenburg-Vorpommern bis
Sachsen stehen, verglichen mit den alten Bundesländern,
nur 77 Prozent der finanziellen Mittel pro Patient zur Verfügung, ein Viertel weniger Arzthelferinnen betreuen die
Patientinnen und Patienten in den Praxen und die vor zehn
Jahren angeschafften fremdfinanzierten Geräte veralten.
Wenn man für die Patienten mehr Qualität will, bedarf es
neuer Investitionen. Die im Osten abgeschlossenen Verträge schaffen allerdings unter den verschlechterten Bedingungen nur zusätzliche Finanznot. Viele Ärztinnen
und Ärzte scheiden aus Altersgründen aus dem Erwerbsleben aus. Die Erhebungen zeigen eine bedrohliche Entwicklung.
Frau Ministerin, Sie haben eben von 150 000 DM Jahreseinkommen brutto gesprochen. Ich, muss Sie einmal
fragen, von welchem Nettoeinkommen Sie nach Abzug
der Personalkosten, der Schuldentilgung, der Miete usw.
ausgehen. Die „Rheinische Post“ hat vor kurzem eine entsprechende Erhebungen durchgeführt. Danach bleiben
5 000 DM netto monatlich übrig. Da muss ich mich schon
fragen, ob es für junge Menschen attraktiv ist, diesen Beruf zu wählen und sich niederzulassen.
({3})
Meinen Sie, unter den gegebenen Voraussetzungen lässt
sich ausreichend Nachwuchs für die Übernahme von Praxen finden? Ich glaube das nicht.
Sie werfen uns angesichts unserer Reformvorstellungen - Dieter Thomae hat sie noch einmal vorgetragen die Einführung einer Zwei-Klassen-Medizin vor. Sie haben bereits für eine Mehr-Klassen-Medizin gesorgt. Moderate Zuzahlungen sind in vielen Fällen zu Vollzahlungen geworden. Es ist keine Frage mehr: In den neuen
Bundesländern sind erhebliche Qualitätsmängel und eine
schlechtere Betreuung für die Bürger an der Tagesordnung. Diese fühlen sich als Patienten zweiter Klasse.
Jede erbrachte Leistung kostet eben Geld. Sie begrenzen nach wie vor willkürlich den Umfang der bezahlten
Leistungen. Sie lassen Patienten und Ärzte im Osten in
besonderer Weise im Stich. Sie zwingen dazu, nicht kostendeckende Leistungen einzuschränken, um Kosten zu
sparen. Sie zwingen dazu, die verbleibenden Helferinnen
unter dem Wert ihrer Arbeit zu bezahlen. Sie zwingen
dazu, Arztpraxen unter Bedingungen weiterzuführen, die
für die Versicherten dort alles andere als beste medizinische Qualität ermöglichen.
({4})
Ich habe heute in meinen Kalender geschaut - ich
schaue jeden Tag in meinen Kalender - und habe da einen
Aphorismus gefunden, Frau Ministerin, der mich an die
Haltung Ihrer Amtsvorgängerin mit ihrem selektierten
Dialog erinnert hat - sie hat den Dialog nicht so offen geführt, wie Sie es tun, sondern sie hat ihn selektiv geführt -:
Schwärme von Deinen Fehlern. Du wirst Fans finden.
Frau Ministerin, ich will das wie folgt umformulieren:
Stellen Sie sich den Realitäten! Schaffen Sie die Budgetierung ab und gleichen Sie die Finanzierung der ambulanten Betreuung der GKV-Versicherten an das Niveau
der alten Bundesländer an!
Sie haben auf den Weg hingewiesen, den Sie beim
Fremdkassenausgleich gehen wollen. Er entspricht einem
Antrag der F.D.P.-Fraktion. Diesen Weg gehen wir gerne
mit.
Im Hinblick auf den Verschiebebahnhof aber kann ich
Ihnen nicht zustimmen. Ihre Vorgängerin hat dem Bundesarbeitsminister Hunderte von Millionen Versichertenbeiträge ohne nennenswerten Widerstand zur Deckung
seines Haushalts hinübergeschoben.
({5})
- Frau Schmidt-Zadel, Sie versuchen mit Ihren Zwischenrufen, Verständnis dafür zu wecken. Ich sage Ihnen:
Der Arbeitsminister soll seinen Haushalt selbst in Ordnung halten.
({6})
Der tiefe Griff in die Taschen der Krankenversicherung ist
und bleibt unanständig.
({7})
Ich möchte Sie abschließend noch einmal bitten, Frau
Ministerin: Denken Sie darüber nach, Teile dieser Entscheidungen zurückzunehmen! Sorgen Sie dafür, dass
mehr Orientierung an den Patienten möglich ist, wie es
der Sachverständigenrat fordert, und dass die ärztlichen
Leistungen aufwandsgerecht honoriert werden, im Westen wie im Osten!
({8})
Jetzt hat der Kollege
Götz-Peter Lohmann, SPD-Fraktion, das Wort.
Sehr
geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Da mein schönes Bundesland Mecklenburg-Vorpommern
in Sachen Versorgung leider mehrfach negativ erwähnt
wurde, ist es an der Zeit, dass jemand aus MecklenburgVorpommern einmal die Versorgungssituation
({0})
darstellt. Ich habe überhaupt kein Problem damit, auch einige kritische Äußerungen zu machen.
({1})
Ich habe nämlich den Vorteil, dass ich insgesamt mehr als
25 Jahre im Gesundheitswesen gearbeitet habe, logischerweise zunächst und die überwiegende Zahl an Jahren im
DDR-Gesundheitswesen und dann später im gesamtdeutschen.
Es gab, denke ich, niemals so viele widersprüchliche
Zahlen und Aussagen, wenn es um die Gehälter und um
andere Zahlenwerte ging. Ich bin mir ziemlich sicher, dass
es einem Außenstehenden nicht gelingen wird - wenn es
uns, die ich einmal als Insider bezeichnen darf, überhaupt
gelingt -, die objektive Wahrheit zu finden. Das ist sicherlich ohnehin schwierig.
Ich habe ferner den Vorzug, dass ich in meiner Region
jeden Arzt und auch jeden Psychotherapeuten persönlich
kenne. In dieser Lage kann man natürlich differenzieren;
denn man weiß, wie die wahre Verdienstsituation ist. Es
gibt natürlich einige, die - „krakeelen“ wäre übertrieben doch etwas übertreiben. Aber ich muss bestätigen, dass die
Verdienstsituation sehr unterschiedlich ist. Das wurde
schon mehrfach geäußert; ich möchte es nicht wiederholen.
Bei den Aussagen und Zahlen ist viel Subjektivität und
es gibt viele Täuschungen; das möchte ich nicht verschweigen. Aber einige Zahlen sind einfach nicht umzudeuten. Dazu gehört zum Beispiel der Verbrauch an bestimmten Arzneimitteln je Versicherten. Dieser ist - wenn
die Zahlen stimmen - im Osten um 20 bis 25 Prozent
höher als im Westen. Der höhere Arzneimittelverbrauch
korreliert mit der größeren Mobilität in den entsprechenden Krankheitsgruppen. Dafür gibt es vielfältige
Gründe. Es wäre töricht zu leugnen, dass die geringere
Arztdichte im Osten die Gefahr von Versorgungsproblemen in sich birgt. Es ist auch nicht zu leugnen, dass es
beim Assistenzpersonal in den Arztpraxen Probleme gibt.
Das ist so, jedenfalls in einigen Regionen meines Bundeslandes.
Dennoch sehe ich die Gesamtproblematik nicht so pessimistisch wie zum Beispiel der von mir hoch geschätzte
Kollege Dr. Thomae. Ich sehe das mit etwas mehr Optimismus und bin relativ zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, ja, gelingen muss, die Gefahr von Versorgungsdefiziten - diese Gefahr sehe ich durchaus - in den Griff
zu bekommen. Die Äußerungen der Frau Ministerin haben mich in meinen Hoffnungen, dass etwas geschieht,
um diese Gefahr zu bannen, wieder bestärkt.
Ich möchte nur kurz wiederholen, was hier angeführt
wurde: Es geht um die Rücknahme des Kollektivregresses - das aber ist mehr eine psychologische Sache, da
spielen Finanzen eigentlich keine Rolle;
({2})
nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass auch hier etwas geschieht -, darüber hinaus um das Wohnortprinzip bzw.
den Fremdkassenausgleich sowie um die Reform des
RSA, von der ich mir einiges verspreche. Auch ich bin der
Auffassung, dass alles unter der Ägide der Beitragssatzstabilität vonstatten gehen muss. Dennoch muss die medizinische Versorgung natürlich gesichert bleiben.
Bei den Forderungen der Ostärzte geht es, wenn ich die
Zahl richtig registriert habe, um etwa 600 Millionen DM.
Für mich heißt die Frage: Wie kann man den Wünschen
nachkommen, ohne die Beitragssatzneutralität zu gefährden? Es gibt durchaus interessante Ideen, wie man das in
den Griff bekommen könnte. Ich habe von einem Arzt aus
meiner Region zum Beispiel gehört: Wenn nur etwa
0,5 Prozent der jährlich zur Verfügung stehenden 40 Milliarden DM transferiert würden - ähnlich wie seinerzeit
bei der Unterstützung der Westärzte -, dann käme man
auch auf diese 600 Millionen DM. Aber ich befürchte,
dass es eine solche Solidarität, eine derartige freiwillige
Leistung nicht geben wird. Das ist ja auch nur die eine
Seite des Problems. Ich habe nicht die Hoffnung, dass dieser Vorschlag - vielleicht ist er ja auch nicht ernst gemeint - umgesetzt wird.
Eine ganz gefährliche Idee ist die, dass man doch vielleicht bei den Medikamenten einsparen könnte. Ich jedenfalls sehe noch große Reserven insofern, als es - darauf hat auch der Sachverständigenrat hingewiesen; Sie
alle kennen das Gutachten - erhebliche Schwächen in der
Struktur, der derzeitigen Mittelallokation im deutschen
Gesundheitswesen gibt. Hier liegen Ansatzpunkte für die
Nutzung erheblicher Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsreserven.
({3})
Weshalb bin ich so optimistisch? Es muss uns gelingen,
intelligentere Lösungen zu finden - Durchsetzung des
Wohnortprinzips, RSA-Reform -, als es das Budget darstellt.
({4})
Meine größte Hoffnung liegt allerdings auf dem Gebiet
der Prävention. Hier sehe ich viele Reserven. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Frau Ministerin, dass Sie versprochen
haben, sich in diesem Bereich zu engagieren.
Es muss uns gelingen - ich bin überzeugt davon, dass
es uns auch gelingen wird -, die anstehenden Probleme
auf diesem Gebiet in den ostdeutschen Ländern in den
Griff zu bekommen.
Herzlichen Dank.
({5})
Nun hat das Wort der
Kollege Dr. Hans Georg Faust, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau
Ministerin, die Botschaft hör´ ich wohl, allein mir fehlt
der Glaube. Wir warten gespannt auf den Gesetzentwurf,
der die budgetablösenden Richtgrößen im Arzneimittelbereich bringt. Wir warten auf die Einlösung der Ankündigung, dass der Kollektivregress fällt.
Wenn ich sehe, mit welch spitzen Fingern die SPD den
Gesetzentwurf zur Abschaffung der Budgets und zur Einführung neuer Steuerungsinstrumente angefasst hat, den
wir im Gesundheitsausschuss vorgestellt haben, dann
kommen mir jedoch arge Bedenken. Ich denke, dass die
Götz-Peter Lohmann ({0})
Ministerin erst einmal die gestandenen Gesundheitspolitiker in der eigenen Fraktion - mein Kollege Lohmann redet
immer von den „Betonfacharbeitern“ - überzeugen muss.
({1})
Wir sind gerne bereit, der Ministerin bei der Durchsetzung ihrer Vorhaben zu helfen.
Was die Kollektivhaftung betrifft, so war dies zwar ein
Signal an die Ärzte, aber ein wohlfeiles Signal! Wir wissen doch, dass die Kollektivhaftung rechtlich auf ganz,
ganz tönernen Füßen steht. Was machen Sie denn mit einem Arzt, bei dem eine Richtgrößenüberprüfung ergeben
hat, dass er wirtschaftlich verordnet hat? Diesen Arzt
können Sie doch nicht im Nachhinein dafür noch bestrafen. Das wäre - Sie wissen das so gut wie wir - verfassungswidrig. Es hat sich ja auch überhaupt niemand getraut, jemals den Kollektivregress zu vollstrecken. Das
heißt, das war lediglich wohlfeiles Signal an die Ärzte.
Die Ärzte aber wollen - wie auch wir - Taten sehen.
Der Kollektivregress ist das eine; die untauglichen
Budgets sind das andere. Die Budgets haben in den KVen,
in denen sie unterdimensioniert waren - das waren die
meisten -, aufgrund ihrer Langzeitwirkung zu erheblichem Flurschaden geführt. Wir wollen, dass sich dieser
Zustand sofort bessert. Deswegen sind wir dafür, dass die
Patienten die Versorgung bekommen, die sie unbedingt
brauchen. Wir wollen, dass die Alzheimer-Patienten ihre
Cholinesterasehemmer und die Asthma-Patienten ihre inhalativen Steroide bekommen.
({2})
- Ja, davon habe ich gehört. Wer einmal Praxisbesonderheiten geltend gemacht hat, der weiß um das Verfahren,
das dann bei den KVen abläuft.
({3})
- Ja, natürlich. Die Ärzte müssen die Praxisbesonderheiten am Ende geltend machen. Dieses Verfahren mit der
KV sollte jeder einmal als Erfahrung kennen lernen.
({4})
Es ist doch vom System her aberwitzig, dass den Krankenhauspatienten bei ihrer Entlassung teure Medikamente
im Arztbrief verschrieben werden und sich dann die
Hausärzte in langen Gesprächen mit den Patienten damit
auseinander setzen müssen, dass auf ein preiswertes Generikum umgestellt werden muss. Das ist die ständige
Diskussion in den Arztpraxen. Natürlich will der Hausarzt
den Patienten nicht verlieren. Deshalb wird er ihm das erklären. Aber in der Zeit, die aufgewendet wird - die viel
beschworene sprechende Medizin -, soll dem Patienten
geholfen werden. Diese Zeit darf nicht dazu verwendet
werden, in zigtausend deutschen Arztpraxen die Fehler
rot-grüner Gesundheitspolitik zu erklären.
({5})
Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Wir sind gespannt, welche Instrumente von der Regierung in dem
neuen Gesetz aufgenommen werden.
({6})
In den Krankenhäusern soll das neue Entgeltsystem im
Jahre 2003 budgetneutral - auch dort sind noch Budgets;
daran sollten wir heute denken - umgesetzt werden. Der
Anreiz bei festen Preisen ist klar - wir haben es heute
von den Sachverständigen gehört -: Die Krankenhäuser werden ihre Patienten nach kürzestmöglicher Behandlungszeit entlassen, um Kosten zu sparen. Aber die
Patienten werden mit Einführung der DRGs im
Jahre 2003 nicht pflichtgemäß gesünder sein. Spätestens
bei dieser Erkenntnis sieht man den Zusammenhang zwischen Budgets und Richtgrößen in der ambulanten Vergütung und der Einführung eines einheitlichen Entgeltsystems.
Wer trägt denn die Kostenverantwortung für aus dem
Krankenhaus entlassene Patienten, die nach der Operation
eines Knochenbruchs noch liegen müssen und jeden Tag,
Antithrombosemittel wie Heparinspritzen benötigen?
Wer kommt denn für die krankengymnastische Behandlung nach Bandscheibenoperationen auf, wenn der Patient
zu Hause ist? Die nachbehandelnden Hausärzte werden
begeistert sein, wenn ihnen die Einsparungen im Krankenhaussektor über das Budget zur Last gelegt werden.
Sie werden Mittel und Wege finden, dies zu verhindern.
({7})
Wenn Sie hier auf die integrierte Versorgung nach
§ 140 a bis § 140 h im SGB V hinweisen, dann kann ich
Ihnen dazu nur sagen, dass diese vollkommen untauglich
ist. Schauen Sie einmal, wie viele Krankenhäuser sich in
der Bundesrepublik mit anderen Leistungserbringern zusammengeschlossen und zu einer vernünftigen Position
gefunden haben! Das können Sie an den fünf Fingern Ihrer Hand abzählen. Das funktioniert einfach nicht.
({8})
- Natürlich liegt das an dem überreglementierten Gesetz,
Frau Schmidt-Zadel. Es liegt daran, dass Sie die Budgets
der niedergelassenen Ärzte und der Krankenhäuser zusammenlegen und sauber herausrändeln wollen.
({9})
Ein derart überreguliertes und kompliziertes Gesetz ist
praktisch nicht umsetzbar.
Der Kollektivregress muss weg. Weg mit den Arzneiund Heilmittelbudgets! Weg mit den Budgets für ärztliche
Vergütungen und die Krankenhäuser! Die entscheidenden
Weichenstellungen für die Überwindung der sektoralen
Abgrenzungen müssen jetzt vorgenommen werden. Das
geht nicht unter Beibehaltung der Budgets. Ansonsten
können wir die finanziellen Probleme der Zukunft nicht
lösen.
Wir erwarten eine schnelle Hilfe für Ärzte im niedergelassenen Bereich. Wir erwarten vor allem das dringend
notwendige Reformkonzept zur Reparatur des rot-grünen
Gesundheitsreformgesetzes aus dem Jahr 2000.
Ich danke Ihnen.
({10})
Nun hat die Kollegin
Dr. Margrit Spielmann, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Wenn in dieser Woche die ostdeutschen Kassenärzte Protestaktionen starten, wollen sie
auf eine tatsächlich schwierige Situation in ihren Praxen
aufmerksam machen
({0})
und die Politik auffordern, Veränderungen herbeizuführen. Ihre schlichte Botschaft: mehr Geld gleich bessere
Versorgung.
Aber ein bloßes Mehr zum Beispiel an Röntgenuntersuchungen oder in ihrer Wirksamkeit umstrittenen Medikamenten bedeutet eben nicht mehr Qualität und mehr
Versorgung für die Menschen.
({1})
Diese Tatsache wurde soeben sehr eindrucksvoll durch
die Ergebnisse des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen bewiesen. Die Pro-Kopf-Ausgaben in
Deutschland liegen - das haben die Sachverständigen
festgestellt - im weltweiten Vergleich auf Platz 3 hinter
den USA und der Schweiz, die erzielten Ergebnisse, gemessen an der Entwicklung der Lebenserwartung, aber
nur auf einem Mittelplatz.
Ich denke, die zurzeit streikenden Ärzte müssen sich
die Frage gefallen lassen, wofür oder gegen was sie eigentlich streiken.
({2})
Das machen wir auch. Wir gehen zu den Medizinern, wir
sind mit ihnen verabredet. Jetzt aber befinden wir uns in
einer Aktuellen Stunde.
Sie könnten gegen die Krankenkassen streiken. Würden die Kassen für die derzeitigen Leistungen mehr bezahlen, hätten die Versicherten für die ohnehin nicht optimale Versorgung noch mehr Geld von ihrem Verdienst
abzugeben. Das führt zu Beitragserhöhungen. Wer will
das guten Gewissens vertreten? Wir von Rot-Grün können das jedenfalls nicht.
({3})
Sie könnten gegen die Patienten streiken, welche ihnen, den Ärzten, zu wenig Geld für ihre medizinische Versorgung bezahlen. Es muss aber immer wieder gesagt
werden: Die Krankenkasse verwaltet das Geld der Versicherten. Jede doppelt oder mangelhaft ausgeführte Leistung kostet den Versicherten und damit die Solidargemeinschaft Geld, und zwar unser aller Geld.
({4})
Nun ist die Politik aufgerufen - deshalb auch die Aktuelle Stunde -, Antworten auf die Frage zu geben: Was
können wir tun? Ich möchte weiter fragen: Was haben wir
getan? Zu diesem Thema wurde heute schon vieles gesagt, es wurden Zahlen genannt und viele Behauptungen
bewiesen.
Ich beschränke mich auf einige Fakten:
Erstens. Eine deutlich bessere Beschäftigungslage in
Ostdeutschland würde mehr Spielräume für höhere Einkommenszuwächse bei den Ärzten schaffen,
({5})
da das aus Krankenkassenbeiträgen finanzierte Einkommen nicht schneller wachsen kann als das der Beitragszahler. Das ist eine alte Regel. Die Beitragszahler der Kassen in den alten Bundesländern bewiesen bereits durch
Milliardentransfers in die neuen Länder Solidarität.
({6})
Die Honorare der Ärzte in den neuen Ländern sind aufgrund gesetzlicher Transferregelungen - wir hatten diese
im Bundestag so beschlossen - bereits deutlich aufgebessert worden. Wir hoffen, mit dem Fremdkassenausgleich
- die Ministerin hat es angesprochen - und dem RSA die
Situation der Ärzte wesentlich zu verbessern.
({7})
Zweitens. In der Gesundheitsreform 2000 hatten wir
wichtige Felder zur Erschließung von Reserven aufgezeigt. Daran muss einmal erinnert werden,
({8})
da diese Möglichkeiten intensiv genutzt und die Pläne
umgesetzt werden müssen.
({9})
Ich möchte nur einige Stichworte nennen: die Möglichkeiten der integrierten Versorgung, die Vernetzung von
Arztpraxen und die Stärkung des Hausarztes als Lotse
durch das Gesundheitswesen. Wir fordern in unserem Gesetzentwurf zum Beispiel eine Intensivierung der Prävention - dazu wird Frau Kühn-Mengel noch einiges sagen -,
die Qualitätssicherung und mit Nachdruck mehr Transparenz für erbrachte Leistungen.
({10})
Ich denke, die Politik hat mit den Reformvorschlägen
ihre Hausaufgaben gemacht - ich gebe unumwunden zu,
dass sie noch nicht alle Hausaufgaben erledigt hat -, was
aber fehlt, ist eine Umsetzung der Pläne.
({11})
Hier sind die Ärzte und Krankenkassen aufgefordert, mit
uns gemeinsam die Vorhaben umzusetzen und die deutlich erweiterten Möglichkeiten zu nutzen. Ich bin davon
überzeugt, dass in dem vorhandenen System große Potenziale liegen, die sich aber - ich sagte es schon einmal - nicht von selbst erschließen. Deshalb ist jetzt unser
aller Handeln gefragt.
Wir nehmen die Belange der Ärzte, wir nehmen vor allen Dingen aber auch die Belange der Versicherten und
der kranken Menschen ernst.
Vielen Dank.
({12})
Jetzt hat der Kollege
Ulf Fink für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Frau Spielmann, Sie haben
gesagt, im deutschen Gesundheitswesen, das so schrecklich sei, steckten große Rationalisierungsreserven.
23 Millionen Menschen - ich hatte früher von nur 10 Millionen gesprochen - haben in Deutschland eine Versicherung abgeschlossen, die allein den Zweck hat, sie im Falle
einer Erkrankung im Ausland nach Deutschland zurückzubringen. Ist das etwa ein Beweis dafür, dass die Deutschen ihr Gesundheitswesen so schlecht einschätzen? Ich
meine: Es ist genau das Gegenteil!
Rationalisierungsreserven zu mobilisieren und für
mehr Wirtschaftlichkeit zu sorgen ist eine Daueraufgabe
für jede Gesundheitspolitik und für jede Selbstverwaltung
im Gesundheitswesen; das ist klar. Aber Sie müssen doch
erkennen, dass die Budgetierung nicht der richtige Weg
ist, Wirtschaftlichkeitsreserven zu mobilisieren. Im Gegenteil: Es entwickelt sich eine Budgetlogik im Gesundheitssystem, die dazu führt, dass man nicht mehr darauf
achtet, wo der Patient am besten und am effektivsten versorgt werden kann. Jeder schaut nur noch darauf, dass das
eigene Budget geschont wird und eventuelle Kosten in ein
anderes Budget verschoben werden, egal, ob es Sinn
macht oder nicht, ob es teurer ist oder nicht. So entwickelt
sich doch keine Wirtschaftlichkeits- und Effizienzlogik,
sondern nur eine reine Budgetlogik. Budgetierung bedeutet das Gegenteil von Verbesserung der Wirtschaftlichkeit.
({0})
Ich sage ganz bewusst - ich glaube, das müssen gerade
Sie von der SPD besonders ernst nehmen -: Budgetierung
ist die brutalste und unsozialste Form der Selbstbeteiligung, die man sich überhaupt vorstellen kann.
({1})
Sie behaupten immer, dass Sie keine Selbstbeteiligung
wollen, und haben im Wahlkampf versprochen, die
Selbstbeteiligung zu verringern. Das haben Sie zwar zum
Teil getan. Aber die Wahrheit ist doch - weil dann Mittel
im Gesundheitssystem fehlen -, dass die Menschen heutzutage nicht die notwendigen Medikamente bekommen,
dass beispielsweise psychisch Kranke keine modernen,
sondern nur noch Medikamente der alten Generation bekommen. Das gilt auch - man kann schauen, wohin man
will - für die Diabetiker- und Rheumakrankenversorgung.
Bei der Budgetierung gibt es keine Härtefallklausel. Immerhin sind fast 50 Prozent der Patienten durch die Härtefall- und Überforderungsklausel von Zuzahlung befreit.
Hier wird also auf die soziale Komponente geachtet. Aber
bei der Budgetierung wird darauf überhaupt nicht geachtet. Dem Einzelnen werden ohne Rücksicht auf seinen
Geldbeutel und ohne, dass er es vorher absehen kann, die
notwendigen medizinischen Leistungen vorenthalten. Ich
sage gerade an die Adresse der Sozialdemokraten: Wie
können Sie, die Sie doch immer den Anspruch erheben,
sozial zu sein, eine solch unsoziale Politik betreiben?
({2})
Herr Kollege Lewering, Sie haben im Kern gesagt:
Weil in Ostdeutschland noch nicht die gleichen Lebensverhältnisse wie in Westdeutschland herrschen und weil
die Probleme dort so groß sind, machen wir gar nichts.
({3})
Ich weiß offen gestanden nicht, ob das die richtige Politik
ist. Ich glaube, es ist die falsche Politik. Ich möchte Ihnen
in dem Zusammenhang ein paar Zahlen vor Augen führen,
auch wenn schon genug Zahlen in diesem Bereich herumschwirren. Die Kassen müssen den Kassenärztlichen Vereinigungen in den neuen Bundesländern pro Arzt nur etwa
77 Prozent dessen für ambulante Versorgung zur Verfügung stellen, was sie in Westdeutschland zur Verfügung
stellen müssen. Wenn Sie diese Zahl bestreiten wollen,
dann tun Sie es bitte. Aber diese Zahl ist unbestritten.
Was bekommt ein Arzt in Ostdeutschland, der nicht
niedergelassen ist, sondern im Krankenhaus beschäftigt
ist? Er bekommt seit dem 1. Januar dieses Jahres eine Vergütung in Höhe von 88,5 Prozent des Westgehaltes. Ab
dem nächsten Jahr steigt seine Vergütung auf 90 Prozent
des Westniveaus.
Ich wiederhole: Ein niedergelassener Arzt in Ostdeutschland, der eine verantwortungsbewusste Aufgabe
erfüllt, bekommt 77 Prozent des Westgehaltes und der
Arzt, der in einem ostdeutschen Krankenhaus angestellt
ist, bekommt im Moment 88,5 Prozent bzw. ab dem
nächsten Jahr 90 Prozent. Wenn man wirklich nach dem
Motto „ambulant vor stationär“ handeln möchte, dann
muss man dringend etwas verändern.
({4})
Jetzt hat das Wort die
Kollegin Helga Kühn-Mengel, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten kurz vor dieser Aktuellen Stunde ein Gespräch mit den Sachverständigen der
Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen. Ich vermute,
dass einige Herren der Opposition da nicht gut zugehört
haben.
({0}): Ich kann doch nicht überall
sein!)
Ihre schlichte Botschaft „Mehr Geld gleich bessere Medizin“ ist ein Kurzschluss. Mehr Geld bedeutet nicht bessere
Qualität. Das haben wir auch im Gespräch mit den Sachverständigen ganz deutlich dargestellt bekommen. Die
polemische Aussage, Frau Dr. Bergmann-Pohl, nur ein
billiger Patient sei ein guter Patient, geht an unserer
tatsächlichen Versorgungssituation und an unserer Gesundheitsreform vorbei. Sie ist genauso polemisch oder
schlicht wie die Aussage „Nur ein reicher Arzt ist ein guter
Arzt“.
Nach Angaben des Sachverständigenrates, mit dessen
Vertretern wir vorhin gesprochen haben, liegt die Bundesrepublik Deutschland, gemessen an der Dollar-Kaufkraft - also bei wohlwollender Auslegung, Kollegin
Spielmann hat das gesagt -, weltweit auf dem dritten Platz
bei den Pro-Kopf-Ausgaben. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind wir weltweit auf dem zweiten Platz. Im Vergleich der europäischen Länder sind wir an erster Stelle,
haben also die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben. Sie nennen
immer das Beispiel England und verbinden das mit der
Forderung „Freier Markt für freie Ärzte“. Die Sachverständigen haben es vorhin deutlich gesagt: Wir haben
doppelt so viele Linksherzkatheter in Deutschland,
verglichen mit dem europäischen Ausland. - Aber die Lebenserwartung ist in Deutschland nicht höher. Misst man
die verlorenen Jahre nach Ausbruch einer Krankheit - das
alles können Sie im Gutachten nachlesen -, liegen wir
eben nur im Mittelfeld. Wir haben einfach an der Qualität
noch sehr viel zu arbeiten.
({1})
Es ist unsere Aufgabe, die Gelder in Richtung von Qualität zu verschieben. Wir müssen nicht mehr Geld ins System pumpen. Wir zahlen in einigen Bereichen sehr viel,
ohne dass eine entsprechende Qualität und Effizienz erreicht werden. Ich habe das Beispiel Linksherzkatheter
schon genannt. Ich könnte weitere anfügen.
Lassen Sie mich nur mit Blick auf die Nachbarländer
- da können Sie nach England oder nach Holland schauen noch einmal den Brustkrebs erwähnen. Obwohl hier viel
Geld in die Mammographie fließt, ist die Sterberate bei den
deutschen Frauen über die letzten zehn oder 15 Jahre nicht
nur nicht gesunken, sondern sie ist gestiegen.
({2})
Mit solchen Aussagen müssen wir uns doch beschäftigen.
Das Geld ist im System, wir müssen es aber - ich sage es
noch einmal - in Richtung Qualität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit steuern.
({3})
Denn trotz des hohen Mittelaufwands in Deutschland sind
wir, gemessen an der Entwicklung der Lebenserwartung
- ich sagte es schon -, nur im Mittelfeld. Es werden Milliarden für Unsinn, für nicht zielsicher eingesetzte Diagnostik und Therapie, für nicht notwendige und damit
auch für nicht solidarisch zu finanzierende Leistungen
ausgegeben. Das ist einfach ein Fakt. Wohin wir auch
schauen: Doppelstrukturen und Überkapazitäten. Damit
müssen wir uns doch auseinander setzen. Deswegen sagen wir: Wir pumpen nicht mehr Geld ins System, bevor
nicht eindeutig geklärt ist, wie wir Qualitätssteigerungen
erzielen können.
Grund zu Protesten haben in Wahrheit die Patientinnen
und die Patienten; denn unser Gesundheitssystem leistet
nicht das, was es wirklich leisten könnte. Wir haben - das
ist von meinen Kollegen und von der Kollegin schon mehrere Male dargestellt worden - mit der Gesundheitsreform
die richtigen Weichen gestellt:
({4})
evidenzbasierte Medizin, Entwicklung von Leitlinien,
Koordinierungsausschuss.
({5})
Wenn manches in der Umsetzung noch nicht funktioniert,
müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, warum es
nicht klappt und warum es denn diese Widerstände in einem hierarchisch aufgebauten, sehr mächtigen System
gibt.
({6})
Damit müssen wir uns doch auseinander setzen.
Wir wollen mehr Leistungsgerechtigkeit, wir wollen
mehr Qualität unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und
wir wollen auch eine Honorierung der effizienten Leistungen. Außerdem wollen wir - das ist ganz klar Einsparpotenziale, die unser System noch bietet, effizient
nutzen. Nach dem Hinweis auf die oft erwähnten Einsparmöglichkeiten im Medikamentenbereich möchte ich
hier auf die Deutsche Röntgengesellschaft verweisen, die
die Ausgaben für die nicht notwendigen Röntgenaufnahmen auf 800 Millionen DM pro Jahr beziffert.
({7})
Aus dieser spektakulären Zahl müssen wir doch etwas ableiten. Wir können doch nicht die Forderung aufstellen,
mehr Geld für Röntgenaufnahmen zu investieren. Ich will
gar nicht Herrn Seehofer anführen - er ist vielfach zitiert
worden -, der von einem Einsparpotenzial in Höhe von
25 Milliarden DM sprach.
({8})
Die Sachverständigen haben jedenfalls deutlich gesagt,
dass es Einsparmöglichkeiten gibt. In den verschiedenen
Bereichen sind sie sicherlich unterschiedlich. Wir können
davon ausgehen, dass 25 bis 30 Prozent der heutigen
Gesundheitsausgaben in Deutschland durch langfristige
Prävention, also durch Gesundheitsförderung, durch vorbeugende Maßnahmen, zu vermeiden sind.
({9})
Das ist doch wirklich ein Fakt.
Es ist gut, dass durch uns die Diskussion über Gesundheitsziele in Gang gesetzt worden ist. Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt. Ich denke, dass wir damit nicht
nur die Lebensqualität der Menschen erhöhen, sondern
auch - ich denke vor allem an die Prävention - eine Entlastung in Bezug auf die Finanzierung des Systems erreichen.
Frau Kollegin, Sie
sprechen schon recht lange.
Ist das wahr?
Ja. Es blinkt schon;
aber das hat bis jetzt nichts geholfen. Natürlich dürfen Sie
noch einen Schlusssatz sprechen.
Ganz kurz: Gibt es den
Ostarzt überhaupt?
Nun müssen Sie wirklich Schluss machen. Es tut mir Leid.
Ich muss Schluss machen; das tut mir aber wirklich Leid. Ich denke, das, was
ich gesagt habe, war wichtig genug.
({0})
Die Aktuelle Stunde
ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 29. März 2001, 9 Uhr,
ein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Nachmittag und einen schönen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.