Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/16/2001

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erstens möchte ich die Besucher darauf hinweisen, dass es nicht gestattet ist, zu klatschen oder Missfallensbekundungen von sich zu geben. Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass wir noch in der Geschäftsordnungsdebatte sind, bei der jeder Redner fünf Minuten Redezeit hat. Die andere Debatte würde sich anschließen. Unter dem noch immer anhaltenden Beifall hat nun der Kollege Wilhelm Schmidt für die SPD-Fraktion das Wort.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank für den Beifall. - Herr Kollege Merz, ich will zunächst bekräftigen, dass es natürlich die gemeinsame Arbeit dieses Hauses ist und bleibt, die Radikalen in diesem Lande zu bekämpfen. ({0}) Nur hat dieser Vorgang, den Sie hier heute auf die Tagesordnung zu setzen versuchen, damit überhaupt nichts zu tun. ({1}) Wenn Sie uns über das Plakat aus alten Wahlkampfzeiten mit dem Spruch von Willy Brandt klarzumachen versuchen, dass auch wir in der SPD immer wieder betont hätten, dass wir auf dieses Land stolz sind und dass alle Deutschen stolz auf dieses Land sein sollten, dann weisen Sie ja auf etwas völlig Richtiges hin. Aber Sie müssen auch die Zusammenhänge beachten, ({2}) die bei Willy Brandt eine Rolle gespielt haben - er wollte auf die neue Friedenspolitik hinweisen und dazu auffordern, auf die Friedenspolitik Deutschlands stolz zu sein -, und dürfen nicht falsche Verbindungen zu bestimmten Personen und Personengruppen herstellen. ({3}) Insofern bleibt es dabei: Auch wir sind stolz darauf, Deutsche zu sein, und fordern alle Deutschen auf, stolz zu sein. ({4}) Aber die Art und Weise des Zusammenhangs muss dabei auch immer wieder klar sein. Meine Damen und Herren, worum geht es hier? Es geht um Äußerungen des Bundesumweltministers, zu denen ich für mich und meine Fraktion sage: Herr Trittin, mit Verlaub, so hätten wir sie nicht gemacht. ({5}) Ich füge hinzu: nicht nur aus Überzeugung in der Sache, sondern schon allein, um Plakat-Meyer nicht Gelegenheit zu geben, mit seinen schmutzigen Fingern auf andere zu zeigen. ({6}) Nun hat sich Herr Trittin in der Öffentlichkeit und mit allem Nachdruck für diese Äußerung entschuldigt. ({7}) - Wenn Sie keine Fernsehsendungen sehen, kann ich Ihnen auch nicht helfen. Das Entscheidende ist, dass er es getan und seine Entschuldigung noch einmal bekräftigt hat. ({8}) Friedrich Merz - Frau Präsidentin, darf ich vielleicht weiterreden? Die Tatsache, dass er sich entschuldigt hat, muss doch auch bei einem verbalen Missgriff die Möglichkeit bieten, nun wieder die gemeinsame Grundlage der Demokraten, wenn Sie sie schon in dieser Weise strapazieren, zurückgewonnen zu haben. ({9}) Das stellen wir für uns jedenfalls mit Nachdruck fest: Herr Trittin ist an der Stelle wieder auf den Boden der Gemeinsamkeit zurückgekehrt, wenn er ihn denn durch seine Äußerung verlassen haben sollte. ({10}) Nun sage ich Ihnen eines: Herr Trittin hat sich entschuldigt. Ich will jetzt gar nicht die ganze Latte der Äußerungen und Vorgänge hier vorlesen, für die sich Vertreter der CDU/CSU noch immer entschuldigen müssen und es bis heute nicht getan haben. ({11}) Aber es gehört schon in diesen Zusammenhang, festzuhalten, dass sich weder Frau Merkel noch Herr Meyer selbst für dieses unsägliche Wahlkampfplakat entschuldigt haben, das dann zurückgezogen worden ist. ({12}) Auch hat sich Herr Meyer nicht dafür entschuldigt, dass er folgende Äußerung gegenüber dem Bundesaußenminister gemacht hat: Wir wissen nicht, wie man Hooligans erklären soll, wo der Unterschied liegen soll zu Menschen wie Joschka Fischer. ({13}) - So habe ich Sie eingeschätzt: mit genau dieser unterschiedlichen Wahrnehmung von Wahrheit. ({14}) Dies ist das Unerträgliche an Ihrem Vorgehen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, und das machen wir nicht mit. ({15}) Wenn der Kollege Repnik in diesen Tagen Bundeskanzler Schröder einen „Häuserdieb“ nennt - ({16}) - Ja, genau, wieder der typische Zwischenruf von Ihrer Seite! So sind Sie: Moralapostel nur an der Stelle, an der Sie es für richtig halten. ({17}) Das machen wir nicht mit. Ich will Ihnen in Erinnerung rufen, dass Plakat-Meyer auch die Gesundheitsministerin persönlich diskriminiert und beleidigt hat. ({18}) Ich will Ihnen in Erinnerung rufen, dass Herr Hollerith gestern in einer Sitzung dieses Parlaments den Bundeskanzler in seiner Rede zweimal als Lügenkanzler bezeichnet hat. ({19}) Vor diesem Hintergrund blasen Sie sich bitte nicht erneut in einer Weise auf, die ich für unerträglich halte. ({20}) Herr Trittin hat sich entschuldigt. Wir akzeptieren diese Entschuldigung ({21}) und lehnen deswegen die Debatte darüber und erst recht die Entlassung von Bundesminister Trittin ab. ({22})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Für die F.D.P. erteile ich Dr. Guido Westerwelle das Wort.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten unterstützt den Antrag, den Bundesumweltminister zu entlassen. ({0}) Es wird immer so sein, dass in politischen Debatten hart gekämpft wird. Es wird nicht immer nur mit dem Florett gefochten, sondern oftmals auch mit dem Säbel. Aber seinen politischen Gegner als Skinhead zu bezeichnen, das ist eine unvergleichliche Verrohung der deutschen Politik, die dem Ansehen des ganzen Parlamentes schadet. ({1}) Es geht doch nicht nur um die Entgleisung; es geht auch um den Geist, der hinter dieser Einschätzung steht. ({2}) Man wird in die rechtsradikale Ecke geschickt, nur weil man ein Stück Patriotismus empfindet. Deswegen sage ich hier jedenfalls für mich: Auch ich bin stolz auf unser Land; aber ich verbitte mir, deswegen in die Nähe irgendwelcher rechtsradikaler Schläger gebracht zu werden. ({3}) Wilhelm Schmidt ({4}) Nur weil es einige Minister der Bundesregierung bis heute noch nicht einmal fertig bringen, die Nationalhymne zu singen, ({5}) bin ich nicht bereit, mir auch eine gehörige Portion eigener Einstellung zu unserem Vaterland nehmen zu lassen. ({6}) Ich bin stolz auf die Deutschen, die vor elf Jahren friedlich, mit der Kerze in der Hand, die Einheit Deutschlands geschaffen haben. ({7}) Ich bin stolz auf die Deutschen, die unser Land als Bundeswehrsoldaten bei Friedenseinsätzen der Vereinten Nationen vertreten. ({8}) Es ist nicht zulässig, dass jemand, der hier Verfassungspatriotismus und Stolz auf das eigene Land artikuliert, in einer solchen Weise diffamiert wird. In Amerika, in Frankreich, in Belgien, in Italien, in Spanien, in England würden solche Politiker nicht einmal auf die Regierungsbank kommen. Sie müssen deswegen hier auch endlich entlassen werden. ({9}) Kolleginnen und Kollegen von der SPD, man merkt Ihnen doch geradezu das körperliche Unwohlsein an, ({10}) wenn es um Herrn Trittin geht. Sie haben völlig Recht dabei; denn dieses Plakat, das hier gerade gezeigt worden ist und bei dem es um Willy Brandt und seine Zeit geht, ist Ausdruck einer Politik, die jedenfalls ich als Liberaler auch im Nachhinein noch als richtig empfinde. Dass Sie sich heute davon distanzieren, ist bedauerlich. ({11}) Das sage ich als jemand, der, als dieses Plakat von Herrn Meyer geklebt worden ist, noch in der selben Stunde erklärt hat, dass dieses Plakat aus der Welt geschaffen werden muss. ({12}) Ich sage Ihnen dazu: Es ist nicht in Ordnung, wenn wir in der Politik uns mit Skinheads vergleichen oder auf Plakaten zur Fahndung ausschreiben oder wenn aus Bayern irgendwelche Nazi-Analogien gezogen werden. ({13}) Ich sage Ihnen: Es schlägt nicht nur auf die Partei und den Politiker zurück, der das tut, sondern schadet auch der Politik und dem Ansehen der Demokratie insgesamt, wenn solche Entgleisungen stattfinden. ({14}) Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es um das Ansehen von uns allen in der Welt geht. Deswegen möchte ich hier klar betonen: Dies ist weit mehr als eine Stilfrage. Es geht um das Selbstverständnis von Demokraten und Demokratien. Es wäre zumindest angebracht, über diesen Antrag eine ordentliche Debatte zu führen. Dass Sie diese Debatte abwürgen, zeigt in Wahrheit nur, dass Sie sich ihr nicht stellen wollen, und zwar aus Ängstlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit. Deswegen wollen Sie hier eine solche Debatte verhindern. ({15}) Zum Schluss möchte ich Sie, Herr Kollege Metzger, zitieren. Sie haben vor einiger Zeit über Herrn Trittin gesagt, die Grünen würden einen Befreiungsschlag erleben, wenn Jürgen Trittin selbst den Hut nähme. Herr Kollege Metzger, Sie haben Recht, Sie haben ausdrücklich Recht! Aber nicht nur Sie als Grüne würden einen Befreiungsschlag erleben. ({16}) Wir insgesamt in Deutschland wären froh, wenn wir nicht von einem Mann repräsentiert würden, der aus lauter Verklemmtheit nicht einmal den Satz hinbringt: „Wir sind stolz auf unser eigenes Land.“ - Wir sind stolz auf unser Land! ({17})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Für das Bündnis 90/Die Grünen erteile ich der Kollegin Katrin GöringEckardt das Wort.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es hier heute? ({0}) Es geht erstens um die politische Kultur in diesem Land. Dazu gehören nicht Doppelzüngigkeit und scheinheilige Moral. ({1}) Zweitens geht es um mittelenglische Umgangsformen, falls Sie das als Teil deutscher Anstandskultur akzeptieren können. Wir leben natürlich in einer Mediengesellschaft. Aber das darf uns nicht Anlass geben zu einer Hau-drauf-RheDr. Guido Westerwelle torik, wie sie in den letzten Monaten besonders von Ihnen von der CDU/CSU praktiziert worden ist. ({2}) Nun sagt Herr Meyer, dass man mit Inhalten keine Wahlen gewinnen könne und vor allem an den Stammtischen verstanden werden müsse. Dass die Union seit Monaten nicht in der Lage ist, einen einzigen inhaltlichen Angriff gegen die Regierung zu formulieren, das ist für uns erst einmal ein Lob. Wie Sie allerdings versuchen, Hoheit über die Stammtische zu gewinnen, das bereitet nicht nur mir ernsthaft Sorge. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten trotz dieser etwas aufgeregten Stimmung in diesem Hause einen Moment in uns gehen: Wenn Sie den Satz „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ hören und ehrlich sind, woran denken Sie? ({3}) Denken Sie wirklich an die Heimatliebe von Laurenz Meyer oder denken Sie vielleicht auch an diejenigen in diesem Land, die diesen Satz immer wieder missbrauchen? ({4}) Sicher, wir sollten den Stolz auf unsere Heimat nicht den Rechten und den Deutschtümelanten überlassen. Heimat, das ist mehr, als sich an Parolen anzuschließen. Heimat, das sind Orte und Gegenden, die wir lieben, das sind Menschen, bei denen wir uns zu Hause fühlen. Wenn aber ein solcher Satz im Sinne von „Andere gehören nicht dazu; die wollen wir nicht hier haben und die wollen wir ausschließen“ gebraucht wird, dann ist das ein Fehler. Das kritisieren wir. ({5}) Da wir alle über die rasante Zunahme von rechtsextremen Straftaten und von rechtem Gedankengut bis hinein in die Mitte der Gesellschaft, bis in die Wohn- und Klassenzimmer, besorgt sind, müssen wir in unserem Sprachgebrauch sorgfältig und genau sein. Das sollten wir voneinander verlangen können. ({6}) Wir brauchen einen Umgang miteinander, der das gewährleistet. Daher hat sich Jürgen Trittin entschuldigt. Denn auf einen so groben Klotz wie Laurenz Meyer gehört kein grober Keil. Er hat eingestanden, dass er einen Fehler gemacht hat. Er hat seine Äußerung zurückgenommen, und er hat sich bei Laurenz Meyer auch ganz persönlich entschuldigt. Damit sind wir dann bei den mittelenglischen Umgangsformen: Wenn sich jemand entschuldigt, wer entscheidet dann darüber, ob eine Entschuldigung gilt? Wenn sich jemand entschuldigt, wenn jemand sagt, er habe einen Fehler gemacht, dann, so denke ich, ist klar: Damit ist der persönliche Angriff erledigt. ({7}) Wilhelm Schmidt hat hier eine ganze Reihe von Äußerungen vorgetragen, für die sich bis heute niemand entschuldigt hat. Dass Edmund Stoiber gestern nach der Debatte, die wir hier hatten, Renate Künast Agrarnationalismus und Reichsnährstandspolitikvorgeworfen hat, ({8}) ist so unterirdisch, dass es einer Entschuldigung bedarf, und die wollen wir von Ihnen verlangen. Oder sagen Sie, Edmund Stoiber muss entlassen werden? ({9}) Dabei geht es ausdrücklich nicht um Aufrechnen, sondern es geht um eine Abwärtsspirale der politischen Kultur, die Sie in Gang gesetzt haben und von der wir sagen müssen: Diese Abwärtsspirale der politischen Kultur muss endlich ein Ende haben! Wenn wir für unsere Demokratie werben wollen, wenn wir dieser Demokratie würdig sein wollen und wenn wir die Politikverdrossenheit in diesem Lande bekämpfen wollen. dann bedeutet das: Wir brauchen einen vernünftigen Umgang miteinander. Wir brauchen dabei Anstand, keine doppelte Moral. Dafür ist eine Debatte über eine Entlassungsforderung der völlig falsche Ort. Ich kann Sie nur auffordern, diese Diskussion mit uns an einem vernünftigen Ort und auf vernünftige Art und Weise zu führen. Vielen Dank. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Für die PDS erteile ich der Kollegin Dr. Heidi Knake-Werner das Wort.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich persönlich - und ich denke, viele meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen werden mir darin zustimmen - halte die Angriffe von Umweltminister Trittin auf den Generalsekretär der CDU, Laurenz Meyer, für eine sprachliche Entgleisung. ({0}) Das kann einem passieren und der politische Anstand gebietet eine Entschuldigung. Jürgen Trittin hat sich im Gegensatz zu vielen, die sich heute so entrüsten, entschuldigt. Diese Art der politischen Auseinandersetzung trägt mit dazu bei, dass die politische Kultur in diesem Lande und auch in diesem Hause verhunzt wird. ({1}) Ich glaube aber, dass gerade Politiker, insbesondere Regierungsmitglieder, ({2}) hier eine besondere Verantwortung tragen, und davon ist bei Jürgen Trittin häufig leider wenig zu spüren. ({3}) Anders geht es uns mit der inhaltlichen Zuspitzung in Trittins Äußerungen. Wir denken, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, dass das eigentliche Problem für Sie nicht Umweltminister Trittin ist. Ihr Problem ist Laurenz Meyer, Ihr Generalsekretär! ({4}) Die Äußerungen von Laurenz Meyer aus dem KonradAdenauer-Haus sind doch kein Betriebsunfall. ({5}) Es ist nicht das erste Mal, dass sich Ihr Generalsekretär als Stichwortgeber deutschtümelnden rechten Gedankenguts betätigt. ({6}) Wer vor einigen Monaten die Debatte um deutsche Leitkultur angestoßen hat und in diesem Kontext heute erklärt, dass er stolz ist, ein Deutscher zu sein - und diese Parole ist nun wirklich besetzt -, der präzisiert doch noch im Nachhinein die Richtung seiner Leitkulturdebatte unmissverständlich. ({7}) Wer das macht, der zielt natürlich auf die Lufthoheit über den Stammtischen. Wer das macht, der bedient dabei genau den rechten Sumpf, den wir gemeinsam trockenlegen wollten. Es ist eben immer wieder Laurenz Meyer, der diese Gemeinsamkeit auf eine harte Probe stellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jemand, der von sich sagt, dass er in der politischen Auseinandersetzung den Säbel dem Florett vorzieht, der muss auch mit scharfem Klingenkreuzen rechnen. ({8}) Kollege Glos, man muss die Äußerungen von Laurenz Meyer in Zeit und Raum sehen, und deswegen tut es mir Leid: Das offenbar aus Ihrem Wohnzimmer mitgebrachte Plakat ist heute einfach völlig fehl am Platz. ({9}) Wir, die PDS, werfen Jürgen Trittin vor, dass er es mit seinen unqualifizierten Angriffen der CDU/CSU leicht macht, sich aus dem Bemühen um einem breiten gesellschaftlichen Konsens gegen Rechtsextremismus zu verabschieden. ({10}) Warum unterzeichnen Sie denn nicht den Antrag, den wir in der nächsten Sitzungswoche gemeinsam diskutieren werden? Warum ziehen Sie sich aus diesem Konsens heraus? Trittin schadet mit seinen Äußerungen allen, die mit großem Engagement gegen rechtsextremistische Entwicklungen kämpfen. Das ist das eigentlich Ärgerliche. ({11}) Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Ich bin mir, ehrlich gesagt, völlig unsicher, ob Sie Ihren Antrag wirklich ernst meinen. Denn ich glaube nicht, dass Sie daran interessiert sein können, Jürgen Trittin als Minister loszuwerden. ({12}) Mit seiner Politik, mit der es ihm auf erstaunliche Weise gelingt, die Kernkraftindustrie und die Kernkraftgegner gleichzeitig zu bekämpfen, sind Sie offensichtlich so unzufrieden nicht - jedenfalls nicht so wie mit seiner Person. Jemand wie Trittin ist doch für Sie immer ein willkommener Anlass, über Regierungsmitglieder statt über Regierungspolitik zu streiten. ({13}) Das hilft eben einer Oppositionspartei, die so konzeptionslos agiert wie die CDU/CSU. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Vielen Dank. ({14})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Aufsetzungsantrag der Fraktion der CDU/CSU. Wer stimmt für diesen Aufsetzungsantrag? ({0}) Wer stimmt dagegen? ({1}) Der Sitzungsvorstand ist sich nicht einig. Deswegen wiederholen wir die Abstimmung. Wer ist für den Aufsetzungsantrag? - Wer stimmt dagegen? ({2}) Der Sitzungsvorstand ist sich nicht einig. Damit kommen wir zum Hammelsprung. Ich fordere die Mitglieder des Bundestages auf, den Sitzungssaal zu verlassen, und bitte, die Türen zu schließen, sobald das geschehen ist. Ich eröffne den Hammelsprung und bitte, die Türen zu öffnen. - Ich hoffe, dass das draußen in der Lobby verstanden wird. - Gut. Dann ist die Auszählung eröffnet. Ich frage jetzt nach, ob noch weiter gezählt wird, ob also noch Kolleginnen und Kollegen kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich hinsetzen, wird die Sache übersichtlicher. Ich habe die Auszählung noch nicht abgeschlossen. Wir warten, bis der letzte Abgeordnete hereingekommen ist. Ich frage noch einmal in die Lobby hinein: Sind alle Abgeordneten nun wieder im Saal? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Auszählung. Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich zu Herrn Reuter nach vorn. ({3}) Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. Für den Antrag haben 235, gegen den Antrag haben 320 Abgeordnete gestimmt. Damit ist der Antrag abgelehnt. ({4}) Zur Geschäftsordnung hat der Kollege Wilhelm Schmidt das Wort.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sehr deutliche Mehrheit für die Ablehnung des Aufsetzungsantrags der CDU/CSU zeigt mir, dass der von der CDU/CSU eingesetzte Schriftführer sein Amt ({0}) gravierend missbraucht hat. ({1}) Schon zur Zeit der offenen Abstimmung war klar, welche Mehrheitsverhältnisse hier herrschen. ({2}) Deswegen beantrage ich jetzt eine Sondersitzung des Ältestenrates. ({3})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Schmidt, ich nehme den Kollegen ausdrücklich in Schutz. ({0}) Das Präsidium war sich uneinig. Vor dem Hintergrund, wie viele Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU auf der rechten Seite saßen und dass die andere Seite etwas dünner besetzt war, ({1}) war der Kollege berechtigt, Zweifel zu haben. Ich glaube, es ist besser, dass wir das Sitzungspräsidium souverän entscheiden lassen. Ein Hammelsprung schadet dem Parlament nicht. ({2}) Es stellt sich nun die Frage, ob wir jetzt dem Antrag der CDU/CSU, die eine Unterbrechung für eine Fraktionssitzung möchte, folgen. Am besten, wir machen beides: Wir unterbrechen diese Sitzung und führen zugleich eine Sitzung des Ältestenrates durch. Ich unterbreche jetzt die Sitzung des Deutschen Bundestages für eine Fraktionssitzung der CDU/CSU und wir beginnen in fünf Minuten eine Sitzung des Ältestenrates. ({3}) - Dann findet erst die Sitzung der CDU/CSU-Fraktion statt und dann tagt der Ältestenrat. ({4}) - Gut, der Ältestenrat geht vor. Da der Kollege Schmidt etwas zur Geschäftsordnung sagen durfte, dürfen nun auch Sie, Herr Kollege Repnik, etwas zur Geschäftsordnung sagen. Bitte sehr.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag des Kollegen Schmidt hat gezeigt, wie schwach die Nerven der Koalition sind. ({0}) Ich darf auf Folgendes aufmerksam machen: Zu Beginn des Eintritts in die Abstimmung war die linke Seite des Hauses - ich meine die SPD - ganz offensichtlich nicht so besetzt, wie es danach beim Hammelsprung der Fall war. Sie haben die Leute herbeigerufen und deshalb war der Hammelsprung gerechtfertigt. ({1}) Wir haben eine Unterbrechung der Sitzung zur Abhaltung einer Fraktionssitzung beantragt. Der Vorgang ist so gravierend, dass wir uns in der Fraktionssitzung damit noch einmal befassen müssen. Frau Präsidentin, da unser Antrag rechtzeitig eingebracht worden ist, beantrage ich, dass unsere Fraktionssitzung zuerst stattfindet. Wir sehen uns jetzt nicht in der Lage, an einer Sitzung des Ältestenrates teilzunehmen. Im Anschluss an die Fraktionssitzung Vizepräsidentin Anke Fuchs sind wir selbstverständlich bereit, der Sitzung des Ältestenrates beizuwohnen. Ich darf Sie darum bitten, bei der Einladung zur Sitzung des Ältestenrates auf dieses Minderheitsrecht Rücksicht zu nehmen. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich fasse die Wünsche jetzt einmal zusammen: Auch für einen Teil des Vorstandes war klar, wie die Mehrheitsverhältnisse sind. Aber ich glaube, es ist richtig, dass ein Mitglied des Sitzungsvorstands sagen kann: Ich zweifle das an. Insofern hat der Kollege richtig gehandelt. ({0}) Nun ist eine Fraktionssitzung der CDU/CSU beantragt worden und auch die SPD will eine Fraktionssitzung durchführen. Ich bitte die Geschäftsführer, sich zu überlegen, ob und wann der Ältestenrat tagen soll. Ihnen wird bekannt gegeben, wann der Deutsche Bundestag seine Sitzung fortsetzt. Die Sitzung ist unterbrochen. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 a bis 16 c auf: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts - Drucksache 14/5538 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({0}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder Haushaltsausschuss b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und anderer wohnungsrechtlicher Gesetze - Drucksache 14/627 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({1}) Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({2}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Spanier, Dieter Maaß ({3}), Angelika Mertens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Winfried Hermann, Albert Schmidt ({4}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Den sozialen Wohnungsbau erhalten und reformieren - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Dirk Fischer ({5}), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Soziale Wohnraumförderung - Reform im Einklang mit einer kohärenten Wohnungsund Städtebaupolitik - zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich ({6}), Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. Wohngeld erhöhen, Bürokratie abbauen, Länderkompetenzen stärken: Reformchancen beim sozialen Wohnungsbau konsequent nutzen - Drucksachen 14/3664, 14/3668, 14/3676, 14/4668 Berichterstattung: Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig Norbert Otto ({7}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Damit sind Sie einverstanden. Das ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion dem Kollegen Wolfgang Spanier das Wort.

Wolfgang Spanier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002803, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Man kann ja sicherlich unterschiedlicher Meinung über die Bedeutung von politischen Themen sein. Ich will mich auch nicht zu dem äußern, was heute Vormittag schon abgelaufen ist. Das Thema, was wir jetzt besprechen, hat sicherlich eine große Bedeutung, ({0}) und zwar nicht nur eine wohnungspolitische, sondern auch eine sozialpolitische. Wir freuen uns, dass der dritte große wohnungspolitische Reformschritt dieser Koalition hiermit in die parlamentarische Diskussion eingebracht wird: nach der Wohngeldnovelle und der Reform des Mietrechts nun die Reform des Wohnungsbaurechts. Alle drei Reformen haben Sie in der letzten Legislaturperiode zwar anzupacken versucht, aber eben nicht umgesetzt. Wir sind schon ein wenig stolz, ({1}) dass wir all das in den Jahren nach 1998 unter Dach und Fach gebracht haben bzw. bringen. ({2}) Die Situation auf den Wohnungsmärkten sei entspannt, heißt es. Das ist in weiten Teilen richtig, es gibt aber nach wie vor einen Engpass im preiswerten Segment. Es gibt ein weiteres Problem, das in einer Studie des GdW zutreffend „die überforderten Nachbarschaften“ genannt worden ist. Die Bilanz des sozialen Wohnungsbaus ist eine stolze Bilanz: Seit Kriegsende wurden 9 Millionen Sozialwohnungen gebaut. Derzeit bestehen davon aber nur noch 1,9 Millionen; jährlich nimmt die Zahl der Sozialwohnungen um 100 000 ab, weil sie aus der Bindung herausfallen. Ich will aber gleich an dieser Stelle, vor allen Dingen in Richtung CDU/CSU, sagen: Wir sollten uns von dem alten Denken trennen, das den Erfolg der Wohnungspolitik nur an den Fertigstellungszahlen maß. Mittel- und ganz besonders langfristig sollten wir Wohnungspolitik nicht unter dem Aspekt der Quantität, sondern sehr viel stärker unter dem Aspekt der Qualität betrachten. ({3}) Wir sollten bei der Wohnungspolitik nicht nur die geschaffenen Wohneinheiten berücksichtigen, sondern sie im Kontext mit der Stadtentwicklungspolitik sehen. ({4}) Die guten Erfahrungen, die wir hoffentlich mit vernünftigen Lösungen bei der Bewältigung der Leerstandsproblematik in den neuen Bundesländern machen werden, werden sicherlich genauso wichtig und bedeutsam für die alten Bundesländer sein, ({5}) weil auch dort die Städte zunehmend schrumpfen werden. ({6}) Es ist gut, Herr Staatssekretär, dass diese Reform im Einvernehmen und in enger Zusammenarbeit mit den Ländern vorbereitet wurde. Es war wichtig, von vornherein die Länder mit im Boot zu haben. Deswegen können wir heute einen Gesetzentwurf vorlegen, der intensiv diskutiert und gründlich vorbereitet wurde. ({7}) Zwei grundsätzliche Dinge sind wichtig: Zum einen bekennt sich der Bund zur Gemeinschaftsaufgabe, dass Bund und Länder gemeinsam den sozialen Wohnungsbau zu betreiben haben. Zum anderen bleibt - das ist der finanztechnische Gesichtspunkt - die Rückflussbindung erhalten. Das Entscheidende ist aber, dass wir sozialen Wohnungsbau nicht mehr auf den Neubau konzentrieren, sondern die Modernisierung des Bestandes mit in die Förderung aufnehmen. Das ist ein wichtiger Schritt. ({8}) Mindestens ebenso wichtig ist: Der Bund setzt nur noch den Rahmen, er regelt weniger. Rund 200 Vorschriften fallen weg. ({9}) Das kann man an Folgendem sehen: Beispiel Förderwege: Wir gehen weg von der Kostenmiete und eröffnen die Möglichkeit, sozusagen vor Ort eine maßgeschneiderte Förderung zu gewähren. Beispiel Einkommensgrenzen: Der Bund gibt nur noch Basisgrenzen vor; die Länder haben die Möglichkeit, regional oder lokal davon abzuweichen. Wir werden sicherlich gerade über die Einkommensgrenzen noch sprechen und diskutieren müssen, aber vom Prinzip her ist das eine wichtige und bedeutsame Richtungsentscheidung. Beispiel Belegungsrechte: Diese werden nicht mehr starr an die einzelne Wohneinheit gebunden, sondern sind übertragbar. Auch gibt es die Möglichkeit, Belegungsrechte zu erwerben. Letztes Beispiel, Fehlbelegungsabgabe: Es besteht die Möglichkeit deutlich freierer Gestaltung; der Unterschied liegt nicht nur darin, dass es statt „Fehlbelegungsabgabe“ künftig „Ausgleichszahlung“ heißen wird. Insgesamt - das ist das entscheidend Neue an diesem Gesetz - wird der Gestaltungsspielraum von Ländern und Kommunen deutlich größer. ({10}) Das ist wichtig und notwendig. Dies werden wir künftig auch bei anderen Förderprogrammen und Gesetzen sehr viel stärker berücksichtigen müssen. Der Entwicklung hin zu regional höchst unterschiedlichen Wohnungsmärkten müssen wir als Gesetzgeber mit einschlägigen Gesetzen Rechnung tragen. In diesem Punkt ist dieses Gesetz ein deutlicher Fortschritt. ({11}) Diese deutlich flexibleren Instrumente versetzen die Kommunen und die Wohnungsunternehmen endlich in die Lage, in Bezug auf diese „Überforderung der Nachbarschaften“ wirksam gegenzusteuern. Das ist in unserem Land von hoher sozialpolitischer Bedeutung. ({12}) Denn die Situation in manchen Stadtquartieren - und nur in großen Städten - ist mittlerweile schon fast als explosiv zu bezeichnen. Das können wir nicht verantworten. Deswegen geben wir den Kommunen durch dieses Gesetz die notwendigen Möglichkeiten und Instrumente, um wirksam gegensteuern zu können. ({13}) Mehr Gestaltungsspielraum vor allen Dingen für die Kommunen bedeutet für diese natürlich auch höhere Verantwortung. Auch die kleinen und mittleren Kommunen werden sich unter dem Dach der Überlegungen zur Stadtentwicklung wieder sehr viel stärker mit der Wohnungssituation der einzelnen Kommune und den künftigen Entwicklungen auseinander zu setzen haben, weil sie hier neue Entscheidungsspielräume haben. Dies ist ein wichtiger Schritt. Ich als langjähriger Kommunalpolitiker bin davon überzeugt, dass man den Bedarf vor Ort sehr viel besser einschätzen kann. ({14}) Deswegen halte ich das Gesetz für ({15}) eine ganz wichtige Sache. Das hier im Entwurf vorgesehene Instrument des Kooperationsvertrages ist mit dem städtebaulichen Vertrag im Baurecht vergleichbar. Ich kann nur hoffen, dass sich die Kommunen sehr schnell vorbereiten und mit den Wohnungsunternehmen vor Ort maßgeschneiderte Lösungen finden werden. Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu den Finanzen sagen, denn ich bin fest davon überzeugt, Herr Dr. Kansy, dass dies von Ihnen angesprochen werden wird. ({16}) 450 Millionen DM sind sicherlich eine ansehnliche Summe, aber daraus, dass ich mir - und mit mir sicherlich viele meiner politischen Freunde - mehr wünsche, mache ich keinen Hehl. Aber wir müssen dies im Gesamtzusammenhang der Finanzen des Bundes sehen. ({17}) Auch wir haben letztlich einen Konsolidierungsbeitrag zu leisten. Ich bin davon überzeugt, dass es durch diese Reform vielleicht wieder etwas leichter werden wird, mehr Mittel zu bekommen. Denn die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass viele Städte die für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehenden Mittel überhaupt nicht mehr abgerufen haben, weil die Regelungen viel zu starr und eng waren. In Richtung CDU/CSU muss ich sagen: ({18}) Wenn man einmal Revue passieren lässt, welche Haushaltsforderungen Sie in den letzten Monaten gestellt haben, ({19}) und diese addiert, kommt man auf die erkleckliche Summe von nicht 240 Millionen, sondern Milliarden DM. ({20}) - Nein, mit den Nullen kenne ich mich aus. Damit kann ich gut umgehen, gerade, wenn es um Geld geht. So geht es nicht. Ich weiß, dass die Oppositionsrolle dazu verführt, zu sagen „Mehr Geld!“, um damit bei bestimmten Wählergruppen Eindruck zu schinden. Aber durch die Gesamtsumme werden Sie entlarvt. Das ist absolut unseriös. Hier zeigen Sie ein bisschen Zockermentalität à la Las Vegas. ({21}) Dennoch glaube ich, dass wir in der Sache, was das Wohnungsbaurecht betrifft, nicht weit auseinander sind. Deswegen - das ist jetzt keine Floskel - freue ich mich auf die Diskussion in den nächsten Wochen und Monaten. Ich glaube, dass wir dieses Gesetz nicht nur zügig beraten, sondern auch im Parlament verabschieden werden. Dann haben wir endlich den dritten großen wohnungspolitischen Reformschritt nach vorne getan. Herzlichen Dank. ({22})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Aktuelle Stunde, die von der F.D.P. beantragt war, entfällt. Ob es Veränderungen bei den anderen Tagesordnungspunkten gibt, kann ich jetzt noch nicht genau sagen. Ich erteile nun dem Kollegen Eduard Oswald für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Eduard Oswald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001663, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wohnungspolitische Fragen lange Zeit keine politischen Themen in der Öffentlichkeit waren, sind wieder Schlagzeilen wie „Mietanstieg“ und „Wohnungsmangel“ zu lesen. Ohne Zweifel haben wir in unserem Land eine sehr differenzierte wohnungspolitische Situation. Wir haben die Sondersituation in den neuen Ländern, die Situation in den Ballungsräumen mit den Problemen des Stadtumlandes und die Herausforderungen des ländlichen Raumes. Wohnungspolitik ist nicht eine isolierte Politik für einige wenige, sondern Wohnungspolitik gestaltet ganz entscheidend die Zukunft unseres Landes mit. Tatsache ist, dass die Bundesregierung ohne Rücksicht auf nachteilige Wirkungen die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau fortlaufend verschlechtert hat. Ihre Politik führt dazu, dass gerade in Ballungsräumen im westlichen Teil unserer Republik wieder spürbare Versorgungsengpässe entstanden sind. ({0}) Auffallend dabei ist, dass sich der Versorgungsengpass in Ballungsgebieten vor allem bei den Mietwohnungen zeigt und dass nicht nur Einkommensschwächere, sondern nahezu alle Gesellschaftsschichten Probleme bei der Wohnungssuche haben. ({1}) Tatsache ist - dies wird von Experten nicht bestritten -, dass die Regierung Dr. Helmut Kohl einen geordneten Wohnungsmarkt geschaffen hat. ({2}) Tatsache ist aber auch, dass wir trotz einer guten Wohnungsversorgung für eine große Mehrheit unserer Bürger in Regionen mit Wohnungsmangel wieder einen Konkurrenzkampf um die relativ wenig frei werdenden oder zuwachsenden preiswerten Sozialwohnungen haben. Wir haben einen massiven Rückgang der Bautätigkeit im frei finanzierten Mietwohnungsbau und auch einen Einbruch beim Eigenheimbau. Das im März 1999 überhastet beschlossene Steuerentlastungsgesetz hat verheerende Auswirkungen auf den Wohnungsbau. ({3}) Ob durch die Verlängerung der Spekulationsfrist beim Weiterverkauf privater Immobilien oder ob durch die investitionsfeindlichen Beschränkungen des Verlustabzugs: Mit diesen Maßnahmen haben Sie die private Kapitalanlage in Mietwohnungen massiv belastet. ({4}) Warum merken Sie eigentlich nicht, dass man damit die private Kapitalanlage in Mietwohnungen kaputtgemacht hat? Die Konsequenzen sind doch für jedermann sichtbar: Neue Eigentumswohnungen werden nur noch für Selbstbezieher gebaut und nicht mehr als Anlageobjekt zum Vermieten. ({5}) Was Sie im Bereich der Mietrechtsänderung vorhaben, geht in die gleiche Richtung. Noch nie haben Vermieter und Mieter gleichermaßen so vehement Mietrechtsänderungen abgelehnt, wie dies jetzt der Fall ist. ({6}) Wenn Sie bei Ihren Vorschlägen bleiben, wird die bisherige Balance zwischen Mieter- und Vermieterinteressen einseitig zulasten der Vermieter verschoben. ({7}) Es ist doch klar: Wird Vermieten uninteressant, so unterbleiben Investitionen und steigen die Mieten. ({8}) Die scheinbare Stärkung der Mieterrechte schlägt in Nachteile für Mieter um. Das ist doch die Situation. ({9}) Auch die Diskussion beim Altersvermögensgesetz zeugt nicht gerade von der Bereitschaft, den Wohnungsbau in angemessener Weise zu unterstützen. Was bringt denn im Alter eine höhere Nettoentlastung als das Wohnen in den eigenen vier Wänden? ({10}) Mietfreies Wohnen im Alter ist die Wunschvorstellung von vier Fünfteln aller Bundesbürger. Im Alter mietfrei wohnen ist die beste Sozialpolitik. ({11}) Ich hoffe sehr, dass sich im Vermittlungsverfahren hier noch wesentliche Verbesserungen ergeben werden, damit die Wohnimmobilie bei der Altersvorsorge eine zentrale Rolle spielt. Man muss jetzt die Initiativen ergreifen, um zu verhindern, dass man morgen auf dem Wohnungsmarkt vor schwer lösbaren Aufgaben steht. Ihre Politik bewirkt zwischenzeitlich auch einen deutlichen Rückgang beim Bau von Eigenheimen. Seit Ihrer Übernahme der Regierungsverantwortung ist der durch die Eigenheimzulage ausgelöste Aufwärtstrend im Eigenheimbau gestoppt. Mit dem Hinweis auf den vermeintlichen Reformstau versuchen Sie nur, von Ihren Fehlleistungen abzulenken. ({12}) Wer sagt, er löse den Reformstau auf, muss auch sagen, wer in der vergangenen Legislaturperiode Blockadepolitik betrieben hat. ({13}) Sie haben einen Zusammenhang zwischen der Wohngeldreform und der Reform des Wohnungsbaurechts hergestellt und gleichzeitig bei der Wohngeldreform blockiert, ({14}) sodass Sie das Wohnungsbaurecht nicht mittragen mussten. Ihr politisches Ziel war damals in der Opposition - wie bei der Steuerreform -, der Regierung Dr. Helmut Kohl keinen Erfolg zu überlassen. Sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen, Sie hätten den Stau aufgelöst, ist eben nur ein Teil der Wahrheit. ({15}) Wenn ich mir jetzt genau anschaue, welche Forderungen Sie in Ihrer Oppositionszeit beim Wohnungsbaureformgesetz gestellt haben, muss ich feststellen, dass vieles davon heute nicht mehr auftaucht. Tatsache ist, dass Sie sich auf Positionen der CDU/CSU zubewegt haben, ({16}) die Sie in der vergangenen Legislaturperiode noch blockiert haben. Herr Kollege Spanier, wir erkennen Ihre Bemühungen zur Abstimmung mit den Ländern durchaus an. Ich möchte ausdrücklich die Arbeit des Parlamentarischen Staatssekretärs Achim Großmann würdigen, der sich hier ganz persönlich engagiert eingesetzt hat. ({17}) Wir sind bereit, an der Reform des Wohnungsbaurechts konstruktiv mitzuwirken. ({18}) Wir brauchen auch künftig den sozialen Wohnungsbau. Er ist die Antwort auf bestimmte Defizite im Wohnungsmarkt. Erst durch die gezielte Förderung von Mietwohnungen und von Eigenwohnraum können Wohnungen für die Haushalte geschaffen und vorgehalten werden, die Marktzugangsprobleme haben oder sich aus anderen Gründen nicht selbst mit ausreichendem und für sie bezahlbarem Wohnraum versorgen können. Wir werden Ihren Gesetzesvorschlag zur Reform des Wohnungsbaurechts eingehend beraten und an unseren Leitlinien messen. Wir wollen einen sozialen Wohnungsbau, der auch in Zukunft Bestand hat. Wir wollen die Förderung der Schaffung individuellen Wohneigentums, insbesondere für Familien mit Kindern, und die Vorsorge für das Alter. ({19}) Wir wollen auch jungen Ehepaaren in der Familiengründungsphase bei der Suche nach Wohnraum helfen. Es geht um eine familienfreundliche Wohnungsbaupolitik. Wir wollen die stärkere Förderung des Erwerbs von vorhandenem Wohnraum und von Belegungsrechten im Wohnungsbestand. Wir wollen die Gewährleistung ausgewogener Bewohnerstrukturen im Interesse der Bewahrung des sozialen Friedens. Wir wollen ausreichende Flexibilisierung wohnungspolitischer Regelungen für eine effiziente Wohnungspolitik in den Ländern, in den Regionen und im örtlichen Bereich. Herr Kollege Spanier, Sie haben völlig Recht: Baupolitik ist eine Politik des Bundes, der Länder und der Kommunen. Wir wollen die Förderung und Unterstützung ökologischer Belange und Bauweisen, ({20}) auch im Sinne einer Vorreiterfunktion für Innovationen und Entwicklungen in Bereichen in- und außerhalb der Wohnraumförderung. Wir wollen die Abstimmung der verschiedenen wohnungspolitischen Instrumente im Interesse einer effizienten Wohnungspolitik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wohnungsbau braucht eine Verbesserung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Ich nenne sechs Punkte: erstens die Anhebung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau; zweitens die Wahrung der sozialen Balance zwischen Mieter- und Investoreninteressen bei der Mietrechtsreform; drittens die Rücknahme der restriktiven Steuergesetzgebung der letzten Jahre; viertens Bauland aktivierende Maßnahmen; fünftens die Verbesserung der Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz für den Bestandserwerb; sechstens die Einführung einer siebten Stufe im Wohngeldrecht bzw. die Anhebung der Wohngeldleistungen in Gemeinden der Wohngeldstufe sechs. Wir wollen, dass die Reform eine flexiblere und der jeweiligen örtlichen Situation angepasste Lösung bringt. Ihre Aussage „Wir fördern künftig zielgenauer“ darf aber nicht heißen: „Wir kürzen die Mittel“. ({21}) Wenn Sie das Mindestmaß der Beteiligung des Bundes an der Wohnraumförderung auf 230 Millionen Euro festlegen, was dem bisherigen Mindestmaß von 450 Millionen DM entspricht, und Sie die Rückflüsse nicht mehr voll für die soziale Wohnraumversorgung einsetzen, erschweren Sie damit nicht nur unsere parlamentarische Zustimmung, sondern gefährden auch das Projekt insgesamt. ({22}) Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen: Ein Reformgesetz, das für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte Gültigkeit haben und eine Art Grundgesetz für die soziale Wohnraumversorgung sein soll, muss auch der Rolle der Wohnungsunternehmen angemessen Rechnung tragen. Nur dann kann die Wohnungswirtschaft den sozialen Auftrag erfüllen und einen wirksamen Beitrag zur Bewältigung der Probleme im Bestand, in der Belegung und bei der Integration von Mietern mit Marktzugangsschwierigkeiten leisten. Die Reform darf deshalb keine Schlechterstellung der Wohnungsunternehmen bringen. ({23}) Meine Damen, meine Herren, da wir im Wohnungsmarkt in Deutschland keine einheitliche Situation haben, muss das Gesetz auch in der Lage sein, die strukturellen Unterschiede und auch die besondere Situation der neuen Länder ebenso wie die Probleme in den alten Ländern zu bewältigen. Wir haben im Laufe der parlamentarischen Arbeit eine große Chance. Viele der geltenden Rechtsgrundlagen stammen im Wesentlichen aus der Nachkriegszeit. Es muss jetzt ein Gesetz geschaffen werden, das viele Vorschriften vereinfacht, das für alle verständlich ist und in dem sich nicht nur Experten zurechtfinden. ({24}) Wohnungspolitische Verantwortung zu übernehmen heißt, sich den jeweils aktuellen Problemen zu stellen und Lösungen nicht nur für heute, sondern für kommende Generationen zu entwickeln und umzusetzen. Wir fordern Sie auf: Stellen Sie wieder verbesserte Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau her und setzen Sie mit der Erhöhung der Bundesmittel im sozialen Wohnungsbau ein Signal für Investoren, Bauherren und Bauwirtschaft und damit für die Wohnungsbaupolitik insgesamt. ({25})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile dem Minister für Städtebau und Wohnen des Landes NordrheinWestfalen, Dr. Michael Vesper, das Wort. Dr. Michael Vesper, Minister ({0}): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Oswald, Sie haben hier einen beachtlichen Katalog dessen vorgetragen, was Sie wollen: Wir wollen dieses, wir wollen jenes, wir wollen drittens usw. ({1}) Fakt ist: In Ihrer Regierungszeit - Sie gehören ja auch zu den vielen Bundesbauministern, die hier unter uns sind ({2}) haben Sie nichts von dem erreicht, was Sie hier vorgetragen haben. ({3}) Insofern freue ich mich über Ihre Selbsterkenntnis. Sie haben es eben selber gesagt. Der Regierung Kohl und ihren zahlreichen Bundesbauministern ({4}) ist ein Erfolg in diesem Politikfeld jedenfalls nicht gelungen. Sie haben die Wohngeldreform und die Reform des Wohnungsbaurechtes nicht erreicht. Wenn Sie über die Finanzierung reden, dann ist das wirklich witzig: Sie haben damals nur auf einer Seite Eckwerte vorgelegt, in denen „450 Millionen DM“ standen. ({5}) Insofern sollten Sie hier nicht wie ein Blinder von der Farbe reden. ({6}) Wir debattieren heute über ein ganzes Paket. Der älteste Teil dieses Pakets stammt aus dem Jahr 1997. Das ist ein Gesetzentwurf des Bundesrates, und zwar ein konkreter Vorschlag, wie das Wohnungsbaurecht den gesellschaftlichen Wandel mit neuen Formen des Zusammenlebens berücksichtigen kann. Ziel des Bundesrates war es, Partner einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft rechtlich den Familienangehörigen gleichzustellen, damit auch solche Lebensgemeinschaften eine Sozialwohnung beziehen können, wenn die sonstigen Voraussetzungen stimmen. ({7}) Bundesregierung und Koalitionsfraktionen greifen mit ihrem Gesetzentwurf dieses Anliegen auf. ({8}) Deshalb lassen Sie mich wenigstens der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen dafür danken, dass sie es getan haben. Das ist ein wichtiger Bestandteil der Reform. ({9}) Im Übrigen debattieren wir heute in der Tat ein großes Reformwerk. Nach zehn Jahren Diskussion sehen wir endlich Licht am Ende des Tunnels. Deshalb freue ich mich sehr, dass uns heute dieser Gesetzentwurf vorliegt. Eine Reform des Wohnungsbaurechts braucht klare Antworten auf vier Fragen: Erstens. Was soll gefördert werden? Zweitens. Wer soll gefördert werden? Drittens. Wie soll gefördert werden? Viertens. Was passiert mit dem Sozialwohnungsbestand? Ich möchte kurz auf diese vier Fragen eingehen. Zur ersten Frage: Was soll gefördert werden? Zunächst einmal muss man sich vergegenwärtigen - ich begrüße, was Herr Oswald zu diesem Aspekt gesagt hat -, dass die Wohnungsbauförderung nicht erledigt ist. Sie ist kein Relikt aus den Anfängen der Bundesrepublik, sondern sie hat auch heute noch eine wichtige Funktion. Mit den Bau- und Förderleistungen der vergangenen Jahrzehnte ist es gelungen, auch einkommensschwache Haushalte besser unterzubringen, aber es gibt nach wie vor einen großen Bestand an wohnungssuchenden Haushalten. Deswegen bleibt soziale Wohnraumförderung eine Daueraufgabe, allerdings unter anderen Bedingungen als in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Darum ist diese Reform in der Tat überfällig. Staatliche Wohnungspolitik kann nicht mehr vorrangig auf eine Ausweitung des Wohnungsbestandes abzielen. Nicht nur der Neubau, sondern auch die bereits vorhandenen Wohnungsbestände müssen verstärkt genutzt werden, um einkommensschwache Haushalte zu versorgen. Darum heißt soziale Wohnraumförderung heute nicht nur Neubau, sondern eben auch Modernisierung, auch Erwerb von Belegungsrechten oder Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum aus dem Bestand. ({10}) Diese Orientierung auf den Bestand ist sinnvoll, auch ökologisch sinnvoll. Sie darf aber auf der anderen Seite auch nicht missverstanden werden. Stärkere Bestandsorientierung, das heißt für mich die Förderung von Sozialwohnungen im Wohnungsbestand und nicht die Verlagerung von Bewirtschaftungsrisiken des Bestandes auf die öffentliche Hand. ({11}) Zweite Frage: Wer wird gefördert? Das geltende Recht geht davon aus, dass der soziale Wohnungsbau breiten Schichten der Bevölkerung zugute kommt. Das war in der Nachkriegszeit plausibel, solange Wohnraum fehlte. Heute stehen Mengenprobleme nicht mehr im Vordergrund. Zu Recht nennt deshalb der Gesetzentwurf als Zielgruppe die Haushalte, die sich am Markt ohne öffentliche Hilfe nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können. ({12}) In der Lyrik ist der Gesetzentwurf also richtig; über die konkrete Ausformung müsste noch ein wenig diskutiert werden, meine ich, denn die konkrete Abgrenzung dieser Zielgruppe bleibt mir jedenfalls noch ein wenig zu unverbindlich. Festgelegt werden lediglich Basiseinkommensgrenzen, von denen die Länder dann unbegrenzt nach oben abweichen können. Hier hätte ich mir doch mehr Klarheit gewünscht, die angestrebte Zielgruppenorientierung auch tatsächlich durchzusetzen. Man muss sich eines klar machen, meine Damen und Herren: Die Basiseinkommensgrenzen umfassen bereits mehr als ein Drittel aller Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland. Von daher ist es für mich nicht ganz nachvollziehbar, warum Minister Dr. Michael Vesper ({13}) eine Reform, die eine stärkere Konzentration der Förderung auf die Bedürftigen bezweckt, ({14}) unbegrenzt Abweichungen von diesen Basiseinkommensgrenzen zulassen will. Ich sage aber auch eines klar, meine Damen und Herren: Es wird vielfach das Problem von Fehlförderungen beklagt. Gleichzeitig darf man dann aber auch nicht darauf verzichten, die Möglichkeiten voll auszuschöpfen, Fehlsubventionierungen tatsächlich abzubauen. Wir in Nordrhein-Westfalen haben in der Vergangenheit die bundesrechtlichen Handlungsspielräume zu einer konsequenten Abschöpfung nicht mehr benötigter Fördervorteile genutzt. Im Interesse dieser Praxis wünsche ich mir noch etwas mehr Spielräume, um beispielsweise auch soziale Komponenten bei der Ausgleichsabgabe berücksichtigen zu können. ({15}) Wir müssen uns eines klar machen: Wenn wir nicht darauf achten, dass Subventionen gerecht und effizient eingesetzt werden, dann laufen wir Gefahr, dem sozialen Wohnungsbau langfristig seine Legitimation zu entziehen. Darum ist es wichtig, die Zielgruppenorientierung auch klar umzusetzen. Die dritte Frage lautet: Wie soll künftig gefördert werden? Wir sind keine Gralshüter des Kostenmietrechts. Es kommt mir aber darauf an, dass es in der Wohnungsbauförderung klarere Regelungen für die Verwaltungspraxis gibt, wie Preis- und Belegungsbindungen durchgesetzt werden sollen. Hier geht der Gesetzentwurf einen durch und durch vernünftigen Weg. Auf die bisherige Unterscheidung zwischen 1., 2. und 3. Förderweg mit all ihren Facetten verzichtet er. Er verbindet die Flexibilität des 3. Förderweges mit den Vorteilen des traditionellen 1. Förderweges, der die soziale Verantwortung deutlich macht, nämlich mit klaren Regelungen über Preis- und Belegungsbindungen. ({16}) Dadurch wird die vereinbarte Förderung besser praktikabel, wenn langfristige Bindungen zugunsten der Zielgruppe erreicht werden sollen. Zum Abschluss noch ein Wort zum Sozialwohnungsbestand: In Nordrhein-Westfalen haben wir, wie Sie wissen, mit etwa 1 Million preis- und belegungsgebundenen Wohnungen noch die Hälfte des bundesweiten Bestandes an Sozialwohnungen. Die Regelungen für den Wohnungsbestand und das Überleitungsrecht sind deshalb gerade für unser Land von essenzieller Bedeutung. Den vorhandenen Sozialbindungen stehen frühere Förderleistungen der öffentlichen Hand gegenüber. Auf die Gegenleistung für diese einmal eingesetzten öffentlichen Mittel kann und will ich nicht verzichten. Die gescheiterten Versuche der vergangenen Legislaturperiode haben gezeigt, dass eine Übertragung der Kostenmietbindungen im Bestand auf das System einer vereinbarten Miete die Dinge nur unnötig komplizieren würde. Die Investoren sind unter den Bedingungen des Kostenmietrechts angetreten. Im Nachhinein kann man ihnen weder die Möglichkeit verwehren, ihre laufenden Aufwendungen auf die Miete umzulegen, noch sollte man ihnen gestatten, teuer erkaufte Mietvorteile zulasten der Sozialmieter abzubauen. Darum unterstütze ich die Haltung der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen, diese vorhandenen Sozialbindungen in vollem Umfang beizubehalten. ({17}) Dies hat einen weiteren Aspekt: Wer die überfällige Reform jetzt wirklich durchsetzen will, der darf sie nicht durch eine Verunsicherung der Mieter in den bestehenden Sozialwohnungen, zum Beispiel durch Mieterhöhungsdiskussionen, belasten. Darum ist der jetzt eingeschlagene Weg der richtige. Meine Damen und Herren, endlich ist die Reform da. Ich beglückwünsche die beiden Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung. Wir werden konstruktiv an der weiteren Arbeit mitwirken. Ich glaube, dass wir diese Reform, die wir so dringend für die Weiterführung des sozialen Wohnungsbaus brauchen, jetzt endlich erreichen. Herzlichen Dank. ({18})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Für die F.D.P.-Fraktion erteile ich dem Kollegen Hans-Michael Goldmann das Wort.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich vorweg zu sagen: Auch wir freuen uns auf die Diskussion über den Entwurf dieses neuen Gesetzes. Aber ich denke, wir brauchen noch mehr richtige Antworten auf die neuen Herausforderungen, vor denen wir stehen. ({0}) Ich will dies zunächst ein bisschen historisch betrachten: Wie wir wissen, sind sehr viele wohnungsbaurechtliche Dinge Erbgut der Nachkriegszeit. Gerade gestern haben wir wieder einen 50. Geburtstag gefeiert, und zwar den des Wohneigentumsrechtes. Damals war die Situation völlig anders: In Deutschland fehlten 5 Millionen Wohnungen; die Menschen hatten im wahrsten Sinne des Wortes kein Dach über dem Kopf. Damals ist die Einrichtung eines Bauministeriums auf den Weg gebracht worden. Das war damals richtig. Denn man war der Meinung, dass die Wohnungsnot zu groß ist und dass einheitliches Handeln aus der Bundesebene heraus die Lösung bringt. Die F.D.P. - ich glaube, da sind wir über jeden Zweifel erhaben - steht in einer langen und erfolgreichen Tradition, wenn es um den Wohnungsbau geht. Wir haben immer Reformimpulse gegeben, die ein Stück über das hinausgingen, was man meinte im Moment tun zu müssen. Eine solche Anregung wollen wir auch heute wieder geben. ({1}) Minister Dr. Michael Vesper ({2}) Lassen Sie uns nicht zu lange über das streiten, was einmal war. Richtig ist, dass wir uns immer gegen Kürzungen im investiven Bereich, in dem der Baubereitstellung, gewandt haben. ({3}) - Das stimmt schon, Herr Spanier. - 1998 hat sich der heute geschätzte Staatssekretär Großmann bitter darüber beklagt, dass für diesen Bereich nur noch 1,2 Milliarden DM zur Verfügung gestellt würden. ({4}) - Nein, langsam. - Von „Zusammenstreichen“ war die Rede. Auch wenn Sie sich, Herr Spanier, nun darüber freuen, dass wir dann doch, wie Sie behaupten, gekürzt haben, sollten Sie sich eigentlich ein wenig schämen. Denn im Moment werden im Haushalt für diesen Bereich nur noch 450 Millionen DM bereitgestellt. ({5}) Um es einmal umgangssprachlich zu formulieren: Das ist nun wirklich nur noch ein kleines Schissle. Wir sollten einmal darüber nachdenken, wie viel Aufwand wir betreiben, um dieses Schissle an die Länder zu verteilen. ({6}) Herr Minister Vesper hat soeben schon angesprochen, wo noch der eine oder andere Veränderungsbedarf besteht. Das heißt in der Folge: Bürokratie, Bürokratie, Bürokratie. Dafür braucht man von den 450 Millionen DM wieder jede Menge Geld. Das ist der falsche Weg. Nein, Herr Spanier, liebe Kollegen von Rot-Grün, Ihre Leistungen in diesem Bereich sind schlecht. Sie haben die Mittel für den sozialen Wohnungsbau innerhalb von zwei Jahren auf ein Drittel zurückgeführt. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Vor diesem Hintergrund, geschätzter Kollege Maaß, stehen in dem Gesetz natürlich auch einige Dinge, über die man sich nur wundern kann. ({7}) Ich will Ihnen das einmal vorrechnen. Sie müssen in der Bundesrepublik Deutschland von 42 Millionen Haushalten ausgehen. Sie propagieren, dass 37 Prozent davon Berechtigungsempfänger für die Bereiche des sozialen Wohnungsbaus sind. ({8}) Das sind 15 Millionen Haushalte, Frau Eichstädt-Bohlig. So weit sollten Sie auch rechnen können. 450 Millionen durch 15 Millionen macht pro Haushalt 30 Märkelchen. Sie sollten also bitte nicht so tun, als ob darin ein Reformansatz enthalten wäre, der substanzielle Kraft hätte. Das ist nun wirklich nicht der Fall. Die ehrlichen Zahlen zeigen, welches Nichtengagement Sie in diesem Bereich an den Tag legen. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Spanier?

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, das gestatte ich leider nicht. Der heute hier im Parlament zu beratende Gesetzentwurf steht eben - deswegen lasse ich auch die Zwischenfrage nicht zu - in einem krassen Missverhältnis zum finanziellen Aufwand. Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass in den Vorstellungen, die hier zur Diskussion anstehen, richtige Schritte enthalten sind. ({0}) Natürlich ist von Flexibilisierung, Entbürokratisierung und Liberalisierung die Rede. Ich bin sicher, Herr Maaß, dass, wenn Frau Dr. Schwaetzer Ihnen ein solches Gesetz vorgelegt hätte, Sie gegen dieses Gesetz auf den Barrikaden gestanden hätten, ({1}) weil es finanziell nicht ausgestaltet ist und weil Sie scharf kritisiert hätten, dass der Bund seine Kompetenzen an die Länder abgibt. Nein, richtig ist die Vorstellung, die Kompetenzen an die Länder abzugeben. Neue Zeiten - neue Vorschläge. Allerdings muss man dann auch konsequent sein. ({2}) Leiten wir doch gemeinsam einen Prozess ein, ({3}) der wirklich denjenigen die Verantwortung überträgt, die sie sowieso schon haben! Vor dem Hintergrund, was die Länder tun, sind doch unsere/Ihre 450 Millionen DM geradezu eine lachhafte Nummer! ({4}) Gerade wenn ich an die Leistungen des Landes Nordrhein-Westfalen denke, dann ist doch das, was hier auf den Weg gebracht wird, im Grunde genommen die Arbeit gar nicht wert, die wir leisten. Sie macht doch nur dann Sinn, wenn sie punktgenau dort ankommt, wohin sie gehört. Deswegen sagen wir: Weg mit dem ganzen Drumherum, hin zum Wohngeld, hin zur Subjektförderung! ({5}) - Können Sie einmal Luft holen, damit ich wieder dazwischen komme? Frau Gleicke, eben haben Sie sich darüber beschwert, dass in den neuen Ländern 1 Million Wohnungen leer stehen. Jetzt beschweren Sie sich darüber, dass wir denen helfen wollen, die in der Mietsituation sind. Das ist punktgenau. Das bringt das Geld an die Stelle, an der sich die Menschen den Mietraum leisten können, ihren individuell ausgestalteten Mietraum, der sie dann in die Lage versetzt, dafür zu sorgen, dass ihre persönliche Wohnsituation angemessen ist. ({6}) Ich bleibe dabei: „Menschen fördern statt Mauern fördern“ ist die Antwort zu dieser Zeit und in dieser Situation. Lassen wir uns doch einmal auf der Zunge zergehen, was das bedeutet: Sie haben keine Fehlbelegungsabgabe mehr. Sie haben keine Reibungsverluste. Sie haben natürlich auch keine Luxusförderung mehr. Sie haben keine Abgrenzungsprobleme mehr, Herr Vesper. Das ist alles das, was Sie hier auch kritisch angemerkt haben; denn Sie haben uns ja ein ganzes Auftragspaket an die Hand gegeben, das bei der Diskussion jetzt noch nachgebessert werden müsste. ({7}) Ich denke, in dieser Frage können wir uns voll und ganz auf die Kompetenzen der Länder verlassen. In dieser Frage sollten wir uns auf die Gesamtregie der Länder in Verbindung mit den Gemeinden, die wissen, wo die Probleme liegen, verlassen. Diese Richtung sollten wir einschlagen und in diese Richtung geht unser Antrag. Wir sollten uns, Frau Gleicke, auf das konzentrieren, was wir zwingend bundespolitisch lösen müssen. ({8}) Das sind zum Beispiel die Probleme in den Innenstädten. Das ist so etwas wie „Die soziale Stadt“. Ich bin ganz begeistert davon! Ich war bei S.T.E.R.N. in Berlin und habe mich informieren lassen. Ich habe denen zu ihrer Auszeichnung gratuliert. Das ist eine Supersache. Was wir natürlich auch tun müssen, ist, uns sehr konzentriert der Situation des Leerstandes in den neuen Ländern zuzuwenden. Das ist überhaupt keine Frage. „Die soziale Stadt“, Leerstand in den neuen Ländern - das sind Bundesaufgaben. Aber den sozialen Wohnungsbau in der heutigen Ausgestaltung können die Länder selbst übernehmen. Wir können den Ländern helfen, indem wir den Bürgerinnen und Bürgern, indem wir dem einzelnen Mieter ein bisschen mehr Geld geben, damit er sich in seiner Bedrängnis ein bisschen mehr Wohnraum leisten kann. Das ist die richtige Antwort! Herzlichen Dank. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich für die PDS-Fraktion der Kollegin Christine Ostrowski das Wort.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bekomme um die 150 000 DM an Diäten im Jahr. Für mich wird es nie ein Problem sein, eine Wohnung zu bekommen und sie zu bezahlen. Für einen, der 24 000 DM im Jahr hat, sieht das schon ganz anders aus. ({0}) - Jawohl, Herr Goldmann. - Es sind in dieser reichen Bundesrepublik 15 Millionen Haushalte, die allein wegen geringer Einkommen zu staatlicher Wohnungsfürsorge berechtigt sind. Dieser Gruppe und niemand anderem gilt die Reform. Die Frage ist nur, ob sie ihr auch hilft. Wenn ich den Gesetzentwurf, den ich vor 48 Stunden bekommen habe und der 146 Seiten umfasst, richtig verstanden habe, so muss ich die Frage mit Nein beantworten. Die genannte Gruppe war nicht Ausgangspunkt Ihrer Überlegungen; ich begründe das. Erstens. Ihnen liegt der Haushalt ganz eindeutig mehr am Herzen als diejenigen, die es auf dem Wohnungsmarkt schwer haben. Das Motto lautet ungefähr wie folgt: Ich habe noch eine Mark übrig; mal sehen, wie wir damit reformieren können. Mehr als 450 Millionen DM gibt der Bund nicht, aber 2 Milliarden DM wären nötig. Damit ist Ihre Reform natürlich der Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau; wir brauchen nicht darum herumzureden. 1997 hieß es bei den Grünen noch, der Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau sei sozialpolitisch unverantwortlich und finanzpolitisch riskant. Dem ist auch heute nichts hinzuzufügen ({1}) außer, dass ich denke, dass Sie Ihre Prinzipien aufgegeben haben. Ihren Rückzug können Sie nicht mit dem Hinweis auf den momentan insgesamt entspannten Wohnungsmarkt entschuldigen, weil ein Gesetz nicht nur auf einen bestimmten Moment, sondern auch auf die zukünftige Wohnungsmarktsituation hin abgestimmt sein muss. Zweitens. In München stehen die Menschen vor preiswerten Wohnungen schon wieder Schlange. Gibt es solche preiswerten Wohnungen nicht, nützt ihnen auch das schönste Reformpapier nichts, weil nur ein ausgeglichener Wohnungsmarkt Mieter vor Mietausschlägen schützt und gerade diskriminierten Gruppen eine Chance gibt. Ihre Reform ist eben nicht darauf gerichtet, die ewigen Wellen zwischen zu vielen und zu wenigen freien Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt zu verhindern. Sie schaffen den klassischen Sozialwohnungsbau ab, der als gesondertes Marktsegment zur Stabilisierung des ungebundenen Wohnungsmarktes beitragen könnte. Auch haben Sie kein Interesse an Bedarfsprognosen. Jedenfalls haben Sie uns in der Antwort auf eine Kleine Anfrage mitgeteilt, solche Bedarfsprognosen zur Abschätzung eines zukünftigen Steuerungsverhaltens seien keine Voraussetzung für eine Reform. Ich staune darüber sehr. Damit passt Ihre Reform wahrscheinlich für die momentane Schönwetterlage; sie müsste aber, wie gesagt, langfristig gelten und auf jede Situation auf dem Wohnungsmarkt reagieren können. Drittens. Sie begründen Ihre Reform mit den gravierenden Veränderungen, die sich am Wohnungsmarkt vollzogen haben. Grundsätzlich haben Sie damit Recht. Aber fällt Ihnen denn nicht auf, dass Sie diese Veränderungen für Ihre Reform und Ihre Maßnahmen ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen, dass Sie allerdings, wenn es um die Einkommensgrenzen geht, schlicht sagen: Das war es dann. Die Einkommensgrenzen können auf dem Stand von 1994 stehen bleiben. - Doch letzten Endes sind gerade diese Grenzen entscheidend dafür, ob ein Mensch berechtigt ist oder nicht. ({2}) Wenn Sie glauben, dass 24 000 DM im Jahr heute so viel wert sind wie gestern, dann irren Sie. Herr Spanier, Sie können sich auch nicht darauf verlassen, dass alle Länder die Einkommensgrenzen erhöhen. ({3}) Dass Sie sich darauf verlassen, heißt doch nichts anderes, als dass Sie Ihrer eigenen Verantwortung ausweichen. ({4}) Viertens. Sie drücken sich vor der Aussage, wie viel an Wohnkosten den Betroffenen zuzumuten ist. Die Miete wird sich schon irgendwie - nach Größe, Einkommen, örtlichem Mietniveau, Wohngeld usw. - in der Verantwortung der Länder regeln. Doch auf diese Weise kann es dazu kommen, dass ein Betroffener beispielsweise in Hamburg mehr als in Kiel oder in Stuttgart mehr als in Suhl zahlt. Für uns muss die Prämisse aber immer lauten: Gleiche Miete bei gleichem Wohnwert und gleichem Einkommen. Wir sagen: Höher als ein Viertel des Einkommens darf die Wohnkostenbelastung nicht sein, egal ob in Rostock, Stuttgart, Hamburg, Kiel oder sonst wo. ({5}) Damit hätten Sie die gewünschte Treffsicherheit. Sie machen stattdessen hunderttausend verschiedene Regeln, um eine entsprechende Treffsicherheit zu erzielen. Wären Sie von der Wohnkostenbelastung der Betroffenen ausgegangen, hätten Sie das Problem im Griff. Dass Sie die Bedürfnisse der Zielgruppe nicht als Ausgangspunkt Ihrer Überlegungen genommen haben, schreiben Sie sogar. Lesen Sie Ihren Gesetzentwurf: Sozialwohnungen werden knapp, das Geld geht aus, verteilen wir den Rest unter den bedürftigen Haushaltsgruppen. Hätten Sie nicht zuerst fragen müssen: Wie groß ist die Gruppe der Bedürftigen? Wie wird sie sich mittel- und langfristig entwickeln? Was passiert, wenn der Kreis größer wird, was ich nicht hoffe? Ich nenne hier nur Alterung und Rentenentwicklung. Wollen Sie die Grenzen dann noch enger ziehen - Herr Vesper hat so etwas angedeutet -, weil keine Finanzen mehr da sind, und damit die Sozialwohnungen ganz abschaffen? Sie haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass alle, die sich am Wohnungsmarkt nicht eigenständig versorgen können, angemessen wohnen können. Man kann nicht erst zwei Pflöcke einschlagen und sich dann anschauen, was noch übrig bleibt. ({6}) Ich komme zum Schluss. Ihre stadtentwicklerisch, ökologisch und sozial an sich richtige Schwerpunktsetzung, den Bestand zu fördern und die Belegungsmöglichkeiten zu verbessern, hat für mich den unangenehmen Beigeschmack, dass es Ihnen eben weniger um Stadtentwicklung, Ökologie und soziale Durchmischung als vielmehr doch nur ums Sparen geht. Wegen des größeren Freiraums für die Kommunen und die Länder habe ich den Verdacht, dass Sie keine Verantwortung übernehmen wollen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Ostrowski, Sie müssen zum Ende kommen.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Alles in allem: Ein großer Wurf sollte diese Reform werden, aber sie ist nur ein kleiner geworden. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Achim Großmann das Wort.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit einem modernen und hochinnovativen Gesetz passen wir den traditionellen sozialen Wohnungsbau endlich den heutigen Anforderungen an. ({0}) Erneut lösen wir ein Stück des Reformstaus auf, den die alte Regierung auch in der Wohnungs- und Städtebaupolitik hinterlassen hat. ({1}) Wir sorgen auch in Zukunft dafür, dass Familien, die sich nicht aus eigener Kraft am Wohnungsmarkt versorgen können, genügend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht. Aber wir tun dies mit deutlich weniger Bürokratie und viel treffsicherer, effizienter und flexibler, als das bisher der Fall war. ({2}) Mit dieser Reform setzen wir konsequent unseren Weg fort, politische Konzepte integrativer anzulegen. Die Wohnungs- und Städtebaupolitik wird wie nie zuvor verzahnt. Mit dem neuen Gesetz stärken wir die Städte, die Lebensqualität und die soziale Stabilität in den Städten. Wir gehen weg von der früheren Gießkannenmentalität hin zu gezielteren Lösungen, die die jeweilige Problematik vor Ort oder in der Region aufnehmen und den Ländern die Möglichkeit geben, mit einem Höchstmaß an Flexibilität die jeweils notwendigen Maßnahmen zu fördern. Über die Neubestimmung der Zielgruppe ist bereits gesprochen worden. Aber das, was Frau Ostrowski hier gesagt hat, muss bei dieser Gelegenheit klargestellt werden. Frau Ostrowski, den Fraktionen ist bereits Anfang Februar der Gesetzentwurf zugestellt worden. Es tut mir Leid, wenn Sie erst in den letzten Tagen die Zeit gefunden haben, ihn zu lesen. Aufgrund der Basiseinkommensgrenzen und der Möglichkeit, dass Länder regional und örtlich begrenzt diese Einkommensgrenzen anheben können, können eben nicht nur Familien, die unter die Basiseinkommensgrenze fallen, gefördert werden. Auch dort, wo es nötig ist, zum Beispiel in Ballungsgebieten, in denen der Mietwohnungsmarkt viel enger ist, kann gezielter geholfen werden. ({3}) Flexibler kann man nicht mehr vorgehen. Wenn Herr Minister Vesper kritisiert, dass wir keine Obergrenze gesetzt haben, dann nehmen wir das zur Kenntnis. Aber es war in erster Linie der Wunsch der Länder - wir haben über mögliche Grenzen, die man ziehen könnte, gesprochen -, dies nicht zu machen, ({4}) weil ein Land unter Umständen gerne 30 Prozent und ein anderes Land vielleicht 40 oder 50 Prozent als obere Grenze beim Einkommen festlegen wollte. ({5}) Wir wollten den Ländern den nötigen Spielraum überlassen. Zur Bestandsorientierung. Wir legen großen Wert darauf, dass der vorliegende Gesetzentwurf zum sozialen Wohnungsbau kein Neubaugesetz - wie sein Vorgänger ist, sondern er ist ein Gesetzentwurf für den sozialen Wohnraum im Neubau und im Bestand. ({6}) Es ist für diejenigen, die sich am Wohnungsmarkt ein bisschen auskennen und das zur Kenntnis nehmen, was dort passiert, völlig klar, dass in Frankfurt am Main ganz andere Probleme als in Frankfurt an der Oder herrschen. Den unterschiedlichen Bedingungen an den Wohnungsmärkten werden wir mit diesem Gesetz Rechnung tragen: Dort, wo neu gebaut werden soll, kann neu gebaut werden und dort, wo der Bestand gefördert werden soll, kann der Bestand gefördert werden. ({7}) Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir ein ganz flexibles Fördersystem schaffen wollen. Wir schaffen den, man möchte fast sagen: ganzen Rattenschwanz von Fördersystemen ab und führen eine einzige Fördermöglichkeit ein, die, ähnlich einem Baukastenprinzip, hochflexibel ist. Das heißt, vor Ort kann mit den Investoren darüber gesprochen werden, was nötig ist. Braucht man Wohnungen, die längerfristig, also 20, 30 oder 40 Jahre, gebunden sind - bei solchen muss der Mietpreis anders fixiert werden -, oder handelt es sich um Wohnraum in Regionen, in denen keine Mietpreisbindungen notwendig sind, in denen die Miete langsam wachsen kann und in denen man nur eine Belegungsbindung von zehn oder 15 Jahren braucht? Das alles kann vor Ort mit den Investoren - auch im Investorenwettbewerb - vereinbart werden. Das Gesetz gibt nun endlich die Möglichkeit, zu berücksichtigen, ob jemand nur eine direkte Förderung bekommt oder ob er gleichzeitig steuerlich abschreiben kann; dann soll er weniger Geld vom Staat bekommen. ({8}) Wir ziehen in diesem Punkt die bisherige Situation glatt, indem wir ein flexibles und effizientes Fördersystem schaffen. Über den Beitrag des sozialen Wohnungsbaus für die Städtebauförderung ist schon gesprochen worden. Demnächst gibt es kein Geld mehr für den sozialen Wohnungsbau, wenn nicht klar gemacht wird, dass das Geld, das entsprechend investiert wird, in städtebauliche Konzepte passt, die vor Ort notwendig sind, zum Beispiel zur Stabilisierung der Bewohnerstruktur in den Stadtteilen. ({9}) Das heißt, wir werden mit einer Fülle von Möglichkeiten - Kooperationsverträge, mittelbare Belegung, verbundene Förderung und andere flankierende Maßnahmen sicherstellen, dass Wohnungsbau städtebaulich integriert stattfindet und wir sozial stabile Wohnquartiere bekommen. Das ist ein ganz wichtiges Ziel dieser Reform. ({10}) Ich spreche bei vielen Gelegenheiten von einer urbanen Trias, die wir unseren Konzepten zugrunde legen müssen. Dazu gehört die ökonomische, ökologische und die soziokulturelle Situation. Wir werden der Nachhaltigkeit im Bauen dadurch einen neuen Schub geben, dass wir die Nachhaltigkeit im Gesetz festschreiben. ({11}) Wir müssen in Übereinstimmung mit den ökonomischen Gegebenheiten, treffsicher, effizient und nachhaltig bauen. Es müssen auch die ökologischen Grundbedingungen durch kosten- und flächensparendes Bauen erfüllt werden. Wir werden schließlich - das ist schon gesagt worden ungefähr 200 bis 250 bürokratische Regelungen abschaffen, die nach dem bisherigen Gesetzesstand befolgt werden müssen, um im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus Gelder in Anspruch zu nehmen. Wir werden also das Gesetz entbürokratisieren, wir werden es schlanker machen. Das ist ein Beitrag zur Vereinfachung und ein Bemühen, das Gesetz besser anwendbar zu machen. Ein paar Worte zu dem, was meine Vorredner gesagt haben: Herr Oswald, vielen Dank für die Blumen. Es tut gut, zu wissen, dass die eigene Arbeit gewürdigt wird. Achim Großmann, Parl. Staatssekretär Trotzdem darf das nicht dazu führen, dass ich zu zahm mit Ihnen umgehe. ({12}) - Die von mir geäußerte Kritik ist schon etwas abgemildert und entspricht dem Lob, das ich bekommen habe. Das ist völlig klar. Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass der ehemalige Bauminister Oswald für den sozialen Wohnungsbau im Bundeshaushalt 2 Milliarden DM vorgefunden hat und es zum Zeitpunkt des Regierungswechsels nur noch 1,3 Milliarden DM waren. Das heißt, in Ihrer Amtszeit sind Bundesmittel im Umfang von 700 Millionen DM verloren gegangen. Deshalb sollte man sich nicht gegenseitig Vorwürfe machen. Ich erinnere nur daran, dass im letzten Jahr in vielen Ländern die für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellten Mittel nicht abgerufen wurden, weil die bisherige Förderung des sozialen Wohnungsbaus als Neubaugesetz konzipiert ist. Wir brauchen die Reform auch, um bei den Finanzministern wieder antreten zu können und zu sagen: Wir haben nun ein hochmodernes, innovatives Gesetz, das nicht nur beim Neubau greift, sondern auch den Bestand fördert. Wir schaffen mit dieser Reform die Vorurteile, die gegen den sozialen Wohnungsbau bestehen, aus der Welt und machen damit den Wohnungsbau wieder finanzierbar. Auf diese Weise schaffen wir es, neue Gelder zu bekommen. ({13}) Herr Goldmann, ich bin Ihnen für Ihre offenen Worte dankbar. Es ist auch für die Wählerinnen und Wähler in Baden-Württemberg wichtig zu wissen, wie die F.D.P. zum sozialen Wohnungsbau steht. Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Döring, der auch für den Wohnungsbau zuständig ist, hat uns geschrieben: Die Objektförderung im Mietwohnungsbau ist kontraproduktiv. Der Mietwohnungsmarkt muss deshalb privatisiert werden und auf staatliche Mietpreisvorgaben muss verzichtet werden. Im Klartext heißt das: Wer in Baden-Württemberg F.D.P. wählt, wählt die nächste Mieterhöhung, und zwar eine drastische Mieterhöhung. ({14}) Ich finde, das gehört zu der Wahrheit, die wir hier offen aussprechen sollten. Es geht nicht darum, mit einer Subjektförderung das Problem aus der Welt zu räumen. Es gibt viele Investoren, die nicht bereit sind, für bestimmte Familien Wohnungen zu bauen. Wenn wir keine Objektförderung hätten, würden wir für viele Familien keinen Wohnraum schaffen können. Das muss auch in Ihren Kopf gehen. ({15}) Ich möchte zusammenfassend feststellen: Wir schaffen mit diesem hochmodernen und hochinnovativen Gesetz die Möglichkeit, den neuen Herausforderungen, die sich uns stellen, gerecht zu werden. Wir sorgen für mehr Flexibilität und Effizienz. Wir sorgen auch am Wohnungsmarkt für mehr soziale Gerechtigkeit. Ich wünsche mir, dass wir in den zukünftigen Diskussionen das, was noch kritikwürdig ist und was noch nachjustiert werden muss, klären können. Dazu werden sicherlich auch die Vorwürfe gehören, die Herr Kansy gleich in seiner Rede erheben wird, zum Beispiel den der Mieterhöhungen. Ihre Pressemitteilung dazu war allerdings etwas schwach. ({16}) Über die Tatsache, dass wir die Verwaltungskostenpauschale indexieren möchten, während die Wohnungswirtschaft jetzt eine deutlich höhere fordert, werden wir in den Ausschussberatungen sicherlich außergewöhnlich intensiv diskutieren. Ich bin sicher, dass wir auch dafür eine für alle vernünftige Regelung finden werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({17})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bevor ich dem Kollegen Dr.-Ing. Dietmar Kansy das Wort erteile, gebe ich dem Kollegen Goldmann das Wort zu einer Kurzintervention. - Bitte schön. ({0})

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer gut, wenn man die Unterlagen, aus denen zitiert wird, griffbereit hat. Herr Großmann, Sie haben gerade aus einem Brief von Herrn Döring an Sie zitiert, der immerhin fünf Seiten umfasst. Insofern ist es unfair, wenn Sie nur aus einem Abschnitt dieses Briefes zitieren. Das ist kein vernünftiger Umgang mit einem Landesminister. ({0}) - Sie sollen nicht den ganzen Brief vorlesen. Aber Sie sollten den Geist, in dem der Brief gehalten ist, einigermaßen fair wiedergeben. Das haben Sie nicht gemacht. Herr Döring hat Ihnen unter anderem - das ist der erste Punkt; das haben Sie nicht zitiert - geschrieben: Die Ziele im sozialen Wohnungsbau sind nicht zu erreichen. In der Begründung zum Gesetzentwurf findet sich die Aussage, rund 37 % aller Haushalte in den alten Ländern erfüllten die Einkommensgrenzen Achim Großmann, Parl. Staatssekretär und seien damit potentiell berechtigt, eine öffentlich geförderte Sozialwohnung zu belegen. Für BadenWürttemberg schätzen wir diesen Anteil auf ein Drittel - dieses Drittel wurde schon vorhin erwähnt der 4,70 Mio. Haushalte, also auf rund 1,6 Mio. potentiell berechtigte Haushalte. Der Bestand an Sozialwohnungen belief sich hier Ende 2000 auf 177.000 sozial gebundene Wohnungen oder auf 11 % der potentiell berechtigten Haushalte; er wird sich bis zum Jahr 2010 auf 46 000 Wohnungen verringern und damit jährlich im Schnitt um etwa 13 000 Wohnungen abnehmen. Allein um diesen Sozialwohnungsbestand zu sichern und die Abgänge durch neue Mietwohnungen und durch gefördertes Wohneigentum zu ersetzen, müsste unser Landeswohnungsbauprogramm jährlich mindestens 580 Mio. DM umfassen. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Sie kritisieren die Aussagen von Herrn Döring und verlangen gleichzeitig von einem Land wie Baden-Württemberg, dass es mehr Mittel für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus in seinen Landeshaushalt einstellt als der Bund für 16 Bundesländer. Vor diesem Hintergrund ist es ein Skandal, wenn Sie Herrn Döring hier so kritisieren, wie Sie es getan haben. Das finde ich auf keinen Fall in Ordnung. Herr Döring hat in seinem Brief an Sie auch auf den Punkt hingewiesen, dass man mit Mietpreisbindungen in den Wettbewerb auf dem freien Wohnungsmarkt eingreift. Auch das haben Sie nicht erwähnt. Herr Döring hat außerdem gesagt, dass mit Ihrem Gesetzentwurf große soziale Ungerechtigkeiten verbunden seien. Auch das haben Sie nicht erwähnt. Sie haben auch nicht erwähnt, dass Herr Döring in seinem Brief darauf hingewiesen hat, dass die Erhaltung des Bestandes wichtiger als die Förderung von Neubauten sei. Das ist, nebenbei bemerkt, eine Aussage, die Sinn macht. Herr Großmann, ich finde, dass das, was Sie hier gemacht haben, nicht korrekt ist. Es widerspricht auch dem Geist, den Sie vorhin heraufbeschworen haben, als Sie darauf hingewiesen haben, dass Sie zusammen mit den Ländern eine zukunftsorientierte Lösung gefunden hätten. Ich muss Ihnen energisch widersprechen: Ihre Vorschläge sind nicht geeignet, die Lösung der Probleme im sozialen Wohnungsbau auf den richtigen Weg zu bringen. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Großmann, Sie haben das Wort zur Erwiderung.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Goldmann, das, was Sie vorgelesen haben, war ziemlich entlarvend, ({0}) weil Sie die Systematik, die in diesem Brief steckt, anscheinend nicht erkannt haben. Sie können doch den Bund nicht dafür verantwortlich machen, dass es in BadenWürttemberg anscheinend nie einen vernünftigen sozialen Wohnungsbau gegeben hat. Der Bund ist doch wohl die falsche Adresse. ({1}) - Herr Goldmann, den sozialen Wohnungsbau in BadenWürttemberg kann man im Moment noch nicht einmal mit der Lupe finden. Das ist doch das Problem. ({2}) Herr Döring wollte sich noch nicht einmal an dem Programm „Die soziale Stadt“ beteiligen. Ich möchte Folgendes festhalten: Es gibt nicht die Notwendigkeit, dass jeder Familie, die einen Wohnberechtigungsschein hat, eine Sozialwohnung zur Verfügung steht. Das hat es in diesem Land noch nie gegeben. ({3}) - Nein, das steht nicht in der Begründung des Entwurfs. Dann müssen Sie das noch einmal lesen. Lassen Sie mich doch einfach einmal ausreden. Es steht nicht im Entwurf. Sie haben ihn nur überflogen oder gar nicht verstanden. Wir haben, damit die soziale Ungerechtigkeit aus der Welt geschafft wird, dass nicht jede Familie, die einen Wohnberechtigungsschein hat, eine Sozialwohnung findet, als erste Reformmaßnahme dieser Bundesregierung im wohnungspolitischen Bereich das Wohngeld erhöht. ({4}) Zehn Jahre lang hat das die Regierung, an der Sie beteiligt waren, nicht geschafft. Das heißt, wir haben denen, die keine Chance haben, eine Wohnung im sozialen Wohnungsbau zu bekommen, deutlich mehr Wohnkaufkraft durch ein höheres Wohngeld, das sie seit dem 1. Januar dieses Jahres bekommen, gegeben. Jetzt machen wir den zweiten Schritt. Wir schaffen die Möglichkeit, dass Familien Wohnraum finden, und das nicht nur durch Neubaumaßnahmen. Herr Döring bezieht sich in seinem Brief nur auf den Neubau. Wir machen aber ein Gesetz für Neubau und Bestand, mit dem man mit deutlich weniger Geld aus dem Bestand Belegungsbindungen kaufen und mit Modernisierungsmitteln Bindungen schaffen kann. Das heißt, wir helfen Herrn Döring sogar, seine Nachlässigkeiten aus den letzten Jahren zu korrigieren, ({5}) weil er mit dem Geld, das er bekommt, jetzt deutlich mehr Wohnungsbindungen schaffen kann. ({6}) Lesen Sie sich den Entwurf noch einmal in Ruhe durch und machen Sie sich noch einmal klar, Herr Goldmann, dass auch das Land Baden-Württemberg zu den Ländern gehört - es waren alle 16 am Tisch -, die diesen Gesetzentwurf erarbeitet haben. Mich würde interessieren, was die Fachabteilung des Wirtschaftsministeriums, die an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet hat, zu diesem Brief sagen würde. Ich weiß, was sie dazu sagt. Ich will das aber der Fairness halber hier nicht aussprechen. Vielen Dank. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat tatsächlich Kollege Dietmar Kansy das Wort. ({0})

Dr. - Ing. Dietmar Kansy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren, die Sie uns hier zuhören! Herr Kollege Spanier, vielleicht fragen sich die Leute tatsächlich, warum wir ausgerechnet heute Morgen, sozusagen zwischen Trittin und BSE-Krise, das Thema sozialer Wohnungsbau diskutieren. ({0}) Einen Grund haben wir eben gehört: Es ist auch ein bisschen Wahlkampf dabei. Aber, Herr Kollege Großmann, wenn Sie schon Baden-Württemberg erwähnen, muss ich Ihnen entgegenhalten: Es ist neben dem Saarland das Flächenland mit der höchsten Eigentumsrate, der niedrigsten Arbeitslosenquote und den besten Zukunftserwartungen. Daher hat Baden-Württemberg eine gute Regierung. ({1}) Aber warum zu einer Zeit, in der die Wohnungsmärkte anscheinend ausgeglichen sind, eine Wohnungsdebatte? Man hört und liest von 1 Million leer stehender Wohnungen im Osten, von einer Forderung nach Abrissprogrammen und von Prognosen, die eine abnehmende Bevölkerungszahl vorhersagen. Daher ist tatsächlich die Versuchung groß, das Thema Wohnungsbau als abgehakt zu betrachten. Ich will Ihnen, meine Kollegen von der Koalition, insbesondere von der Bundesregierung, ganz ehrlich sagen: Sie haben einen erheblichen Teil dazu beigetragen, dass dieses Thema als abgehakt betrachtet wird. Der Herr Kollege Oswald und auch der Herr Kollege Goldmann haben es schon gesagt: Wir hatten - da beißt die Maus keinen Faden ab - am Ende der vergangenen Regierungszeit einen so ausgeglichen Wohnungsmarkt, wie wir ihn über Jahrzehnte nicht gehabt haben. ({2}) Wir hatten mit 1,1 Prozent die niedrigsten Mietsteigerungen, solange es überhaupt Statistiken darüber in Deutschland gibt. Wenn Sie das zusammenfassen, Herr Staatssekretär, erkennen Sie, dass - mit oder ohne Mietrechtsreform - nach wie vor die Faustregel gilt: Der beste Mieterschutz ist ein ausreichendes Wohnungsangebot. ({3}) Das haben wir Ihnen hinterlassen. ({4}) Aber Sie haben jetzt eine Politik begonnen, mit der Sie in allen Bereichen der Wohnungspolitik durch massive Kürzungen bei der direkten Förderung, durch systematische Verschlechterung der Rahmenbedingungen im frei finanzierten Wohnungsbau und durch ständige Abstriche bei der Förderung des selbst genutzten Wohneigentums die Investitionen so gedrosselt haben, dass wir dieses Jahr - Herr Spanier, das wissen Sie - erstmals die so genannte Ersatzbaurate unterschreiten. Das heißt im Klartext: Es werden weniger Wohnungen gebaut oder grundlegend saniert, als abgängig sind. Da diesem Parlament auch der Vorsitzende der IG BAU, Kollege Wiesehügel, angehört, sei gesagt: 100 000 Wohnungen weniger pro Jahr - das ist das Ergebnis Ihrer Politik -, das sind auch 120 000 Arbeitsplätze weniger auf dem Bau in diesem Land. ({5}) - Frau Gleicke, der Hinweis auf die leer stehenden Wohnungen in Leipzig hilft uns überhaupt nichts, wenn wir in westdeutschen Ballungsräumen schon wieder erste Knappheitserscheinungen haben. ({6}) So weit, so schlecht. Dennoch bleibt die Frage: Weiter so im sozialen Wohnungsbau, neue Ansätze oder neue Schwerpunkte? Diese Frage haben vor vier Jahren der damalige Wohnungsbauminister Klaus Töpfer und vor zwei Jahren der damalige Minister Oswald beantwortet: Nicht „Weiter so“! Einigkeit, Reform, aber kein Kahlschlag. - In welcher Form der Kahlschlag erfolgt, das ist für die Mieter relativ uninteressant. Ob der Kahlschlag, wie die F.D.P. vorschlägt, durch eine formelle Aufgabe der Bundesverantwortung erfolgt, ob er, wie es die Koalition tatsächlich macht, durch finanzielles Aushungern erfolgt oder ob er durch Sprüche wie „Wohnungsbau ist Zubetonierung der Landschaft“ begleitet wird - dies alles hat nichts mit Reform zu tun. Wir gehen an diese Aufgabe mit dem Ziel, den sozialen Wohnungsbau zu erhalten und nicht nur zu reformieren. Das kann man nicht - der Kollege Goldmann ist gerade nicht anwesend -, wenn man vorschlägt, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau quasi dem Wohngeld zuzuschlagen und zu sagen: Der Markt wird es schon richten. - Alle Erfahrungen der letzten Jahrzehnte sprechen dagegen. Für bestimmte Bevölkerungsgruppen und für bestimmte Regionen reicht selbst eine ausreichende Wohnkaufkraft nicht, meine verehrten Kollegen von der F.D.P., um eine Wohnung zu finden. Wenn wir uns aus der Mischfinanzierung zurückziehen würden, dann würden wir das Problem nur auf die Länder und Gemeinden verschieben. ({7}) - Vielen Dank. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, man kann den sozialen Wohnungsbau natürlich auch nicht aufrechterhalten, wenn man, wie Sie, Reformgesetze vorlegt, aber deren Finanzierung im Bundeshaushalt so zusammenstreicht, dass das groß angekündigte Reformprogramm de facto heiße Luft wird. Dazu kommt - das übersieht bestenfalls die Fachwelt -, dass der Bund durch die sehr großzügige Neuinterpretation der Rückflussregelung zusätzlich kassiert und unterm Strich mehr Rückflussmittel für den Wohnungsbau einnimmt, als er für den sozialen Wohnungsbau ausgibt. Meine sehr verehrte Kollegin Eichstädt-Bohlig, vor dem Wahlkampf habe ich Sie von „mindestens 1 Milliarde DM Fördermittel“ reden hören. ({8}) Inklusive aller Rückflüsse wären das in diesem Jahr insgesamt 2,5 Milliarden DM an Mitteln. In Ihrem Haushalt ist kaum ein Viertel mehr von dem vorgesehen, was Sie Ihren Wählern - ich erinnere an Ihre Forderungen - vor der Wahl versprochen haben. ({9}) Herr Großmann und Herr Spanier, da können Sie natürlich sagen: Man darf nicht nur über das Geld reden. - Hören Sie einmal auf den Volksmund, der schon immer gesagt hat: Uns ist ein Onkel lieber, der etwas mitbringt, als eine Tante, die nur Klavier spielt. - Genau das machen Sie im Wohnungsbau: Sie kündigen eine Reform groß an und verfügen über die minimalste Finanzierung überhaupt. Herr Großmann, Sie haben den Exminister Oswald angesprochen: Ich war dabei, als er mit seinem Finanzminister gekämpft hat. Die Untergrenze seiner Forderungen im Hinblick auf Haushaltsmittel für den sozialen Wohnungsbau lag bei 1,3 Milliarden DM. In diesem Haushalt ist dafür noch nicht einmal ein Drittel dieser Summe vorgesehen, von den zusätzlich vorhandenen Milliarden, die Sie forderten, ganz zu schweigen. ({10}) In dieser Gemengelage von richtigen Reformansätzen und finanzieller Beerdigung des sozialen Wohnungsbaus wird die CDU/CSU den Gesetzentwurf konstruktiv beraten, und zwar in der Hoffnung, dass vielleicht etwas Vernünftiges dabei herauskommt. Ich sage Ihnen schon jetzt voraus: Wenn Sie dem Bundesrat im finanziellen Bereich nicht mehr als die Brosamen bieten, die nicht nur Teil Ihres Haushaltes, sondern auch Ihrer mittelfristigen Finanzplanung sind, dann können Sie das ganze Reformgesetz vergessen. ({11}) - Die Länder sehen das genauso, Herr Kollege Spanier. Was wollen Sie denn? Genauso wie der Staatssekretär haben Sie die Herausforderungen im Bestand angesprochen. Wie wollen Sie die Herausforderungen im Bestand bewältigen? Es geht um mehr als um den Teilabriss von Plattensiedlungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Der viel größere Teil der Leerstände betrifft verfallene Altbauten aus der Gründerzeit. Sie stellen bei dieser Dotierung Sachsen-Anhalt oder Brandenburg etwa 30 Millionen DM pro Jahr zur Verfügung, wollen gleichzeitig das Problem soziale Stadt angehen - das ist auch völlig unterdotiert; dafür bekommen Sachsen-Anhalt oder Brandenburg noch einmal vielleicht 10 Millionen DM - und glauben dann, dass Sie den Leuten sagen könnten: Wunderbar, jetzt habt ihr die Mittel, damit ihr mit diesen Problemen endlich fertig werdet. ({12}) Wer in seinem Gesetz davon spricht, dass soziale Wohnungsbauförderung in Zukunft mehr Bestandsförderung sein soll, der muss das natürlich auch im Haushalt sichtbar machen und darf die Mittel für den sozialen Wohnungsbau nicht auf ein Minimum zurückführen. ({13}) Es ist ja alles richtig, was Sie hier so schön vorgetragen haben. Ich frage aber: Wie wollen Sie denn die Siedlungen, die zu sozialen Brennpunkten geworden sind, Herr Vesper, durch eine ausgeglichene Belegung wieder zukunftsfähig machen, wenn Sie die Einkommensgrenzen nicht sichtbar erhöhen und wenn Sie die Fehlbelegungsabgabe als flächendeckendes Instrument belassen, ({14}) mit der Möglichkeit, sich auf Landesebene gegebenenfalls mit viel Bürokratie zurückzuziehen? Diese beiden Instrumente sind nicht Teil der Lösung; sie sind das Problem, nämlich dass wir in unseren Ballungsräumen keine vernünftige Durchmischung haben. ({15}) Dafür muss man, wenn man das politisch ankündigt, im Haushalt etwas tun und darf nicht nur Reformgesetze machen und Mindestforderungen aufstellen. Gestatten Sie mir zum Schluss noch folgenden Hinweis: Wie wollen Sie den Menschen eigentlich noch in die Augen schauen, die Sie vor gut zwei Jahren gewählt haben und denen Sie, der Bundeskanzler, und der Kollege Großmann mit seiner Forderung nach 2 Milliarden versprochen haben, mehr für den sozialen Wohnungsbau zu tun? Jetzt haben Sie weniger als ein Drittel dessen, was im letzten Regierungsjahr von Helmut Kohl aufgewendet wurde, dort vorgesehen. Das müssen Sie Ihren Wählern erst einmal erläutern. ({16}) Im Übrigen tricksen Sie schon wieder. Sie haben gesagt: Wir schaffen die Kostenmiete nicht ab; ihr Mieter im Bestand könnt ruhig bleiben. - Wunderbar! Aber Sie sehen eine Lösung vor, die ein Nicht-Fachmann fast überhaupt nicht versteht. Sie machen eine Mieterhöhung von bis zu 50 DM monatlich über den Umweg über geänderte Pauschalen für Verwaltung und Instandsetzung. Das ist Feigheit. Sie könnten Mut beweisen, indem Sie sagten: Wir stellen auch die Kostenmiete im Bestand infrage. Sie sagen aber: „Mit uns nicht“ und erhöhen die Mieten über Umwege und verkaufen das Ganze als soziale Politik. ({17}) Kurzum, meine Damen und Herren: Wir haben viel zu diskutieren. Ich will das Thema Mietrecht jetzt nur wie folgt ansprechen, Herr Großmann: Ich hoffe, dass die Beratung des Mietrechts im Parlament, diese unseriöse Beratung ohne Zeit für Details, nicht das Beispiel für die Beratung des sozialen Wohnungsbaus abgibt, nach dem Motto, nach dem Sie verfahren sind: Mehrheit ist Mehrheit; eure Meinung interessiert uns nicht. - Dann, Herr Spanier, wäre der angestrebte Konsens in Gefahr. Aber ich hoffe, dass dies nicht der Fall sein wird. ({18}) Vielleicht gelingt es ja wieder. Ich erwarte vernünftige Beratungen in den nächsten Wochen und Monaten. ({19})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dieter Maaß, SPD-Fraktion.

Dieter Maaß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben 1998 den klaren Wählerauftrag bekommen, das Aussitzen und den Stillstand in der Bundespolitik zu beenden, den Reformstau aufzulösen und Innovationskräfte in unserer Gesellschaft zu mobilisieren. ({0}) Unsere Zwischenbilanz der politischen Gestaltung im Sinne dieses Wählerauftrages kann sich sehen lassen. Diese Koalition hat unter anderem dafür gesorgt, dass mit dem Wohngeld ein wirksames wohnungspolitisches Instrument erhalten bleibt, und sie geht jetzt einen wichtigen Reformschritt weiter. Wir entwickeln den sozialen Wohnungsbau weiter zu einer sozialen Wohnraumförderung. Obwohl wir gegenwärtig eine entspannte Versorgungslage haben, müssen wir weiterhin die Menschen unterstützen, die nur sehr schwer Zugang zum Wohnungsmarkt finden. Diesen Familien helfen wir durch die Förderung von preiswertem Mietwohnraum und durch die Förderung der Bildung von Wohneigentum. Wir reagieren bei der politischen Gestaltung der Wohnungspolitik auf die veränderte Wirklichkeit und die Bedürfnisse der Menschen. Dabei richten wir ein besonderes Augenmerk auf das genossenschaftliche Wohnen. ({1}) Wohnungsgenossenschaften haben sich stets in starkem Maße für den sozialen Wohnungsbau und die entsprechende Zielgruppe eingesetzt. Unser Gesetz unterstützt deshalb den genossenschaftlichen Gedanken, durch die Mobilisierung von Selbsthilfe für die Bereitstellung von Wohnraum zu sorgen. Im Gesetzentwurf wird diese Rolle der Genossenschaften dann auch besonders gewürdigt und unterstützt: Die Zielgruppe der Förderung deckt sich in weiten Teilen mit den Zielgruppen der Wohnungsgenossenschaften. Die Bestandsorientierung der Förderung, die durchgehend im Gesetz ihren Ausdruck findet, wird für Wohnungsgenossenschaften von besonderer Bedeutung sein. ({2}) Alle Vorteile, die mit der Neuausrichtung der Förderung von Mietwohnungen und selbst genutztem Wohneigentum vorgesehen sind, kommen auch den Wohnungsgenossenschaften zugute. Besondere Aufmerksamkeit möchte ich jedoch auf § 12 des Gesetzentwurfs lenken. Den Genossenschaften wird hier ein sehr innovatives Angebot gemacht. Förderungswürdig sind künftig Arbeitsleistungen von Mietern - die so genannte Muskelhypothek - sowie Sachleistungen von Mietern und erbrachte Finanzierungsanteile, aber auch - und das ist neu - zusätzlich gezeichnete Anteile von Genossenschaftsmitgliedern. Diese zu fördern, wenn das zusätzlich bereitgestellte Kapital nachweisbar für Wohnbaumaßnahmen investiert wird, ist sinnvoll, wenn erstens der Mietpreis reduziert wird, zweitens eine Modernisierung oder Sanierung im Bestand geschieht und drittens das Wohnumfeld verbessert wird. Das ist, meine ich, aus der Sicht eines Wohnungspolitikers, dem die Idee genossenschaftlichen Wohnens am Herzen liegt, eine wichtige Leistung des Gesetzgebers. ({3}) Im Abs. 2 des § 12 ist ein weiteres klassisches Instrument der Genossenschaften Gegenstand der Förderung: Die organisierte Gruppenselbsthilfe bei der Vorbereitung und Durchführung von Baumaßnahmen kann erstmalig im Rahmen des Gesetzes erfolgen. In einem weiteren Abschnitt unseres Gesetzentwurfs, dem § 14, bieten wir den Genossenschaften erweiterte Handlungsspielräume: Wohnungsgenossenschaften können sich künftig auch im Rahmen von Kooperationsverträgen mit den Kommunen zu ihren Gunsten engagieren. Damit stellt diese Bundesregierung ein Rahmengesetz, ein neues Instrument für Genossenschaften zur Verfügung, das sich in der Praxis bewähren wird. ({4}) Genossenschaften und Kommunen entscheiden vor Ort, ob und wie diese Möglichkeit zur Kooperation genutzt wird. Wenn die Kommunen diese Chancen erkennen und auch entsprechend handeln, ist dies ein wirksames wohnungspolitisches Instrument. Wir wissen, dass die Wohnungsmärkte regional unterschiedlich sind - in München sicher anders als im Ruhrgebiet oder in den neuen Bundesländern - und oft stellen wir fest: Ganze Mietwohnquartiere werden privatisiert. In den meisten Fällen wird den Mietern die Wohnung zum Kauf angeboten; oft fehlt den Mietern aber das Geld für den Erwerb. Hier können sich Genossenschaften neu gründen. Aber auch Altgenossenschaften können zukünftig Angebote machen, die Wohnungsnutzern helfen und Wohnquartiere erhalten. Meine Damen und Herren, heute bringen wir das Gesetz zur Reform des Wohnbaurechtes ein. Ich erwarte konstruktive Vorschläge der Opposition in den Ausschusssberatungen. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 14/5538 und 14/627 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-empfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf Drucksache 14/4668. Der Ausschuss empfiehlt die Annahme des Antrages der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Den sozialen Wohnungsbau erhalten und reformieren“ auf Drucksache 14/3664. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der PDS angenommen. Weiterhin empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der CDU/CSU mit dem Titel „Soziale Wohnraumförderung - Reform im Einklang mit einer kohärenten Wohnungs- und Städtebaupolitik“, Drucksache 14/3668. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU bei Enthaltung von F.D.P. und PDS angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen auf Drucksache 14/4668 die Ablehnung des Antrags der F.D.P. mit dem Titel „Wohngeld erhöhen, Bürokratie abbauen, Länderkompetenzen stärken: Reformchancen beim sozialen Wohnungsbau konsequent nutzen“, Drucksache 14/3676. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen der F.D.P. bei Stimmenthaltung der CDU/CSU angenommen. Ich rufe denTagesordnungspunkt 17 auf: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Wolfgang Bosbach und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes -Drucksache 14/4754 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({0}) Rechtsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Wolfgang Bosbach, CDU/CSU-Fraktion.

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein kurzer Blick zurück: Am 29. Januar 2000 marschierten Neonazis mit schwarz-weiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor. Anlass der Demo: Protest gegen das geplante Holocaust-Mahnmal, das in unmittelbarer Nähe errichtet werden wird. Datum und Ort waren bewusst gewählt. Der 27. Januar erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und am 30. Januar 1933 marschierte die SA anlässlich Hitlers Machtergreifung ebenfalls durch das Brandenburger Tor. In gleicher Weise unappetitlich war die Neonazi-Demonstration am 12. März dieses Jahres an gleicher Stelle, diesmal zur Erinnerung an den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland im Jahre 1938. Die Bilder von diesen Aufzügen gingen um die ganze Welt. Solche Demonstrationen blamieren und diskreditieren nicht nur die Hauptstadt Berlin, sondern unser ganzes Land. ({0}) Sie sind eine Zumutung für unsere Bürger. Vor allen Dingen sind sie eine Zumutung für unsere Mitbürger jüdischen Glaubens. Sie sind gleichzeitig eine Herausforderung für eine wirklich wehrhafte Demokratie und damit für alle, denen das Ansehen unseres Landes nicht gleichgültig ist und die von einem entschlossenen Kampf gegen politische Extremisten jeder Schattierung nicht nur reden, sondern ihn auch tatsächlich ernst meinen. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass das Brandenburger Tor und demnächst auch noch das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas zum Aufmarschplatz für extremistische Aufzüge und zur medienwirksamen Kulisse für verfassungsfeindliche Aufzüge und Parolen werden. ({1}) Dieter Maaß ({2}) Gelegentlich ist zu hören, eine in sich gefestigte Demokratie müsse solche Demonstrationen aushalten und solange die NPD nicht verboten sei, könne sie grundsätzlich Ort und Zeit ihrer Demonstrationen frei bestimmen. Wenn sie nicht am Brandenburger Tor oder am Holocaust-Mahnmal demonstriere, dann eben woanders. Diese Argumentation überzeugt nicht. Richtig ist, dass wir Aufzüge extremistischer Organisationen nicht allein wegen ihrer extremen politischen Ausrichtung verbieten können. Aber das kann nicht bedeuten, dass wir rechtlich verpflichtet sind, auch besonders bedeutsame und daher besonders sensible Orte als Kulisse für diese Demonstrationen zur Verfügung zu stellen. Diese Orte werden nicht zufällig, sondern absichtlich - wegen der damit verbundenen Provokation - als Aufmarschplätze gewählt. Einen verfassungsrechtlich garantierten Rechtsanspruch auf eine extremistische Demonstration ausgerechnet am Holocaust-Mahnmal, vor der Neuen Wache oder am Brandenburger Tor dürfte es wohl nicht geben. Am 14. September 2000 hat Bundeskanzler Schröder anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Gewerkschaft der Polizei in Hamburg gesagt, er könne im Ausland niemandem erklären, dass wir solche Demonstrationen dulden würden; hier müsse unbedingt etwas geschehen. Seitdem sind über sechs Monate vergangen, ohne dass die Bundesregierung oder die Koalitionsfraktionen auch nur andeutungsweise mitgeteilt hätten, was denn nun konkret geschehen soll. Wir erwarten von der Koalition eine klare Aussage darüber, ob dieses Kanzlerwort nur ein typischer „Schröder“ war oder ob sich dahinter ein ernsthaftes politisches Anliegen verbirgt. Es ist ja keineswegs so, dass nur meine Fraktion Handlungsbedarf sieht. Die Innenministerkonferenz hat bereits am 24. November den Bundesminister des Innern aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Versammlungsrechtes vorzulegen. Da dies bis zur Stunde nicht geschehen ist, bringen wir heute in Abstimmung mit dem Berliner Innensenator Werthebach einen eigenen Gesetzentwurf ein. Dieser enthält neben der Ausgestaltung der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Kooperationspflichten zwischen dem Veranstalter der Demonstration und der Genehmigungsbehörde im Wesentlichen zwei Punkte: die Konkretisierung der Verbotsnorm des § 15 des Versammlungsgesetzes und die erweiterte Möglichkeit zur Schaffung so genannter befriedeter Bezirke in § 16. Nach geltender Rechtslage kann eine Versammlung grundsätzlich nur dann verboten werden, wenn bei Durchführung der Versammlung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erkennbar gefährdet ist. Rechtsprechung dazu ist, dass nur das vorhersehbare Begehen von Straftaten aus der Demonstration heraus, nicht aber schon die Äußerung verfassungsfeindlicher Inhalte eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung darstellt, mithin ein Versammlungsverbot rechtfertigen kann. Das wollen wir ändern. Ein Verbot soll schon bei der Gefahr einer nachhaltigen Beeinträchtigung erheblicher, insbesondere außenpolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland möglich sein, wenn gleichzeitig auch Verfassungsgrundsätze im Sinne von § 92 Abs. 2 des Strafgesetzbuches missachtet werden. Diese Vorschrift nennt die wesentlichen Prinzipien unserer verfassungsgemäßen Ordnung, vor allem das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip sowie den Ausschluss jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist ein hohes Rechtsgut, das niemand leichtfertig aufs Spiel setzen will und das auch von unserem Gesetzentwurf nicht beschädigt, sondern ausdrücklich beachtet wird. Aber das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit ist kein schrankenloses Recht, hinter das alle anderen Rechte zwangsläufig zurücktreten müssten. Schon jetzt sind diesem Grundrecht unter Berücksichtigung anderer wichtiger Gemeinschaftsgüter Schranken gesetzt. Die zweite wesentliche Änderung betrifft die Möglichkeit, die Einrichtung von befriedeten Bezirken zu erweitern. Nach geltendem Recht bestehen solche befriedeten Bezirke nur für die Gesetzgebungsorgane des Bundes und der Länder sowie für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Künftig sollen vergleichbare befriedete Bezirke auch für solche Einrichtungen und Örtlichkeiten ausgewiesen werden können, „die von herausragender nationaler und historischer Bedeutung sind“. Auch die Innenminister und Innensenatoren der Länder denken in die gleiche Richtung. In dem bereits erwähnten Beschluss vom 24. November heißt es unter anderem wörtlich, dass Versammlungen an historisch oder kulturell bedeutsamen Einrichtungen und Örtlichkeiten wie dem Brandenburger Tor, dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas, der zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft und ehemaligen Konzentrationslagern der NS-Diktatur nur nach besonderer Gestattung zulässig sein sollten. Aus den Reihen der verehrten politischen Konkurrenz ist zu hören, dass man über einen „befriedeten Bezirk“ ausschließlich für das Holocaust-Denkmal reden könne, nicht aber für irgendeinen anderen politisch oder historisch bedeutsamen Ort. Diese Argumentation ist schlichtweg nicht nachvollziehbar. ({3}) Die zentrale nationale Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ist die Neue Wache. Wieso soll nur das Holocaust-Denkmal durch einen befriedeten Bezirk vor extremistischen Demonstrationen geschützt werden, nicht jedoch gleichzeitig auch die Neue Wache? Entscheidender Unterschied kann ja nicht sein, dass die Neue Wache nicht nur, sondern auch den jüdischen Opfern der NS-Gewaltherrschaft gewidmet ist. Wieso soll am Holocaust-Denkmal nicht demonstriert werden dürfen, wohl aber in unmittelbarer Nachbarschaft ehemaliger Konzentrationslager, in denen jene Grausamkeiten begangen wurden, an die das Denkmal erinnern soll? ({4}) Im Übrigen können und werden Ausnahmeregelungen, nach denen unter bestimmten Voraussetzungen auch innerhalb der befriedeten Bezirke Versammlungen zulässig sind, dafür sorgen, dass die Versammlungsfreiheit nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Ich hoffe, dass es uns gelingt, diese wichtige und ernste Thematik sachlich und ohne Parteipolemik zu erörtern. Vielleicht gelingt uns im Laufe der Gesetzgebungsarbeit tatsächlich ein parteiübergreifender parlamentarischer Konsens. Wir sind es uns in diesem Lande schuldig, dass wir über die hier in Rede stehenden Demonstrationen nicht nur unsere Empörung zum Ausdruck bringen, sondern dass wir sie auch durch Entschlossenheit bekämpfen. Danke fürs Zuhören. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dieter Wiefelspütz, SPD-Fraktion.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure vorab, dass sich die besonderen Ereignisse des heutigen Tages so auswirken, dass wir diese Debatte nicht mit der Aufmerksamkeit führen können, wie das sonst der Fall gewesen wäre. Es ist in der Tat - in dem Punkte stimme ich Herrn Bosbach ausdrücklich zu - eine wichtige Fragestellung: Wie geht wehrhafte Demokratie mit den Feinden von Demokratie, mit den Gegnern von Recht und Gesetz, mit den Feinden von Toleranz und Menschlichkeit um? Diese Frage müssen wir uns immer wieder stellen. Es ist richtig, wenn Sie von wehrhafter Demokratie sprechen. Die Frage ist nur: Mit welchen Instrumenten wehren wir uns? Diese Instrumente müssen immer die Instrumente des Rechtsstaates sein, müssen sich immer an der Messlatte des Grundgesetzes und an nichts anderem ausrichten. Im Zusammenhang mit NPD-Veranstaltungen war die Rede davon, dass es nicht nur Worte geben darf, sondern auch Taten geben muss. Ich darf daran erinnern, dass wir - die Koalition, aber insbesondere die SPD, auch ich persönlich - uns mit Leidenschaft für einen eigenständigen Verbotsantrag in Richtung NPD durch den Deutschen Bundestag eingesetzt haben. Diese Auffassung ist von der CDU/CSU-Fraktion nicht geteilt worden. Der Kollege Bosbach - der jetzt einen anderen Termin hat, was in Ordnung ist, und die Debatte hier nicht verfolgen kann; aber er kann es ja nachlesen - hat hier eine Haltung eingenommen - Herr Marschewski, jetzt müssen Sie das ertragen -, die den Worten keine Taten hat folgen lassen. Auch der Innensenator des Landes Berlin hat es nicht zustande gebracht, dass das Land Berlin in Sachen NPD-Verbotsantrag im Bundesrat eine klare und eindeutige Haltung eingenommen hat. Es hat eine kraftvolle konsequente Enthaltung ausgesprochen. Ich finde es sehr traurig, dass das geschehen ist. Sie haben meine besondere Anteilnahme dafür, dass diejenigen, die hier von wehrhafter Demokratie sprechen und über NPD-Veranstaltungen am Brandenburger Tor die Fahne ganz hoch halten, ({0}) nicht einmal imstande sind, das voranzutreiben, was wirklich konsequent ist, nämlich den Verbotsantrag. ({1}) Ich freue mich auf die Beratungen im Innenausschuss und auch im Rechtsausschuss. Ich höre, dass eine Anhörung angedacht ist, Herr Marschewski. ({2}) Diesem Ansinnen werden wir ausdrücklich zustimmen, weil wir dieses Thema in der Tat auf den Prüfstand stellen wollen. Ich bin auch der Auffassung, dass wir in diese Debatte ergebnisoffen hineingehen sollten. Ich will Ihnen meine Meinung zu diesem Gesetzentwurf aus heutiger Sicht allerdings nicht vorenthalten. Ich halte diesen Gesetzentwurf in Teilen für verfassungswidrig. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern diese Meinung ist inzwischen auch in der verfassungsrechtswissenschaftlichen Literatur mehrfach zu lesen. Wenn Sie bei den besten Kommentatoren zu Art. 8, der die Messlatte ist, nachgelesen hätten - bei Herrn Benda oder bei Herrn Herzog, ehemalige christdemokratische Politiker, hochrangige Verfassungsrechtler, Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes -, dann hätten Sie dort ähnliche Testate gefunden. Außenpolitische Belange als Messlatte für Demonstrationen heranzuziehen ist nach meiner festen Überzeugung verfassungswidrig. Deswegen wird der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf in dieser Form keinesfalls Gesetz werden. Die CDU/CSU-Fraktion steht mit dieser Position ganz alleine. Sie haben die große Mehrheit des Hauses gegen sich, wenn Sie meinen, außenpolitische Belange könnten als Messlatte für Demonstrationen in Deutschland herangezogen werden. Ich bitte Sie, wer definiert denn außenpolitische Belange? Das Auswärtige Amt? Der Polizeipräsident von Berlin? Die Gerichte? Soll es nicht mehr möglich sein, dass hier Demonstrationen gegen Menschenrechtsverletzungen in Tibet stattfinden, wenn gleichzeitig ein deutscher Außenminister selbstverständlich Gespräche mit der chinesischen Regierung darüber führen muss? Dieses Spannungsverhältnis muss doch ausgehalten werden. Zensur findet nicht statt. Ich sage an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich, was ich an anderer Stelle schon betont habe: Die Ausübung von Grundrechten in Deutschland kann nicht davon abhängig gemacht werden, was im Ausland in der Zeitung steht. Ich sage das in voller Kenntnis der Konsequenzen, obwohl auch ich weiß, dass NaziDemonstrationen in Deutschland dem Ansehen Deutschlands im Ausland schaden, und ich es genauso gerne wie jeder andere von uns habe, dass im Ausland gut über uns gesprochen wird. Aber es ist nun wirklich nicht möglich - wie sollte es auch möglich sein? -, dass in Deutschland die Ausübung von Grundrechten davon abhängig gemacht wird, was in einem anderen Land an Kritischem oder Unkritischem geschrieben wird. Es ist verfassungsrechtlich völlig abwegig, zu glauben, dass dies zulässig wäre. Dies ist evident verfassungswidrig, genauso verfassungswidrig übrigens, Herr Innensenator Werthebach, wie Ihr Vorschlag - das gehört jetzt allerdings nicht unbedingt zur Sache -, einen genetischen Fingerabdruck für alle Männer verpflichtend einzuführen. ({3}) - So war es jedenfalls zu lesen. Sollte das nicht der Fall sein, dann bitte ich um Nachsicht und korrigiere das. ({4}) - Aber es könnte stimmen, Herr Werthebach; es liegt auf Ihrer Linie.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Wiefelspütz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Marschewski?

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich. - Sehr gerne, Herr Marschewski.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wiefelspütz, sind Sie mit mir der Auffassung, dass der Vergleich einer Demonstration von Nazis am Brandenburger Tor mit einer Demonstration für ein autonomes Tibet ziemlich absurd ist, ({0}) dass es dann, wenn erhebliche schutzwürdige Belange der Bundesrepublik - das ist der Obersatz - beeinträchtigt werden, durchaus richtig wäre, dass wir zu Nazi-Demonstrationen am Brandenburger Tor Nein sagen, und dass es neben dem Reichstagsbereich und dem Bereich in Karlsruhe weitere Bereiche in Deutschland geben muss - Kollege Bosbach hat dies ausgeführt und Rheinland-Pfalz hat dazu einen Antrag in den Bundesrat eingebracht -, in denen eine Nazi-Demonstration nicht stattfinden darf? ({1})

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Marschewski, ich bedanke mich für diese Frage, weil ich glaube, dass Sie von mir nur differenzierte Antworten bekommen. Ich sage Ihnen noch einmal sehr deutlich: Ich bin strikt dagegen, dass außenpolitische Belange für die Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob ein Grundrecht in Deutschland ausgeübt werden darf oder nicht. Dies ist verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Ich habe genauso wie Sie etwas gegen rechtsextremistische Veranstaltungen. Übrigens habe ich vermutlich genauso wie Sie auch etwas gegen linksextremistische Veranstaltungen. Das ist ja keine Frage von rechts oder links, sondern da muss eine gemeinsame Messlatte angelegt werden. Diese Messlatte ist Art. 8 des Grundgesetzes. Da hier vom 29. Januar die Rede war, sage ich auch noch Folgendes sehr deutlich: Hier sitzt ein Herr aus der Verwaltung des Innensenators, der, was ich positiv finde, neulich auf einem Kolloquium erstmals anerkannt hat, dass die Verbotsverfügung des Polizeipräsidenten von Berlin vom 29. Januar des vergangenen Jahres vielleicht etwas besser hätte begründet werden können. Da hat man offenbar handwerklich nicht sauber gearbeitet. ({0}) Ich finde es ja in Ordnung, wenn man das zugibt. Herr Marschewski, ich bitte Sie, auch einmal Folgendes zu würdigen: Ein Gesetz muss auch das leisten, was es leisten soll. Ich habe verfassungsrechtlich erhebliche Bedenken gegen diesen Aspekt der außenpolitischen Belange. Über die befriedeten Bezirke kann und muss man reden. Dagegen gibt es nicht diese elementaren verfassungsrechtlichen Bedenken, verfassungspolitische Bedenken aber schon. Ich frage Sie, wo man anfangen und wo man aufhören soll. Wie viele Orte mit historisch-symbolischer Bedeutung gibt es in Deutschland? Wie viele gibt es allein in Berlin? ({1}) Was haben wir davon, wenn wir die Nazis nicht mehr auf der Straße Unter den Linden haben, sondern am Kurfürstendamm? Was bringt uns das weiter? Das Problem sind doch nicht die Veranstaltungen, bei denen Gesetzesbrüche stattfinden. Die können wir mit dem gegenwärtigen Recht verbieten. Deswegen ist auch meine Botschaft: Das gegenwärtige Versammlungsrecht ist in aller Regel völlig ausreichend, um das, was Sie, Herr Marschewski, und ich für unerwünscht halten, auch in den Griff zu bekommen. Aber wenn - darüber bitte ich wirklich einmal nachzudenken - und soweit Extremisten friedlich - ich betone, friedlich - und ohne Waffen und gesetzeskonform demonstrieren, werden wir solche Veranstaltungen vor dem Hintergrund des Art. 8 akzeptieren müssen. Das ist genau der Punkt. ({2}) Im Übrigen ist alles, was erkennbar Rassismus ist, was Fremdenfeindlichkeit ist, zum Beispiel die Parole „Ausländer raus!“, völlig ausreichend, um eine solche Veranstaltung sofort aufzulösen und die Leute strafrechtlich zu verfolgen. Das ist alles völlig ausreichend! Aber wenn und solange die Leute gesetzeskonform - und sei es auch nur wie der Wolf im Schafspelz demonstrieren, werden wir es ertragen müssen. Ich wiederhole: Dies wird und muss eine reife Demokratie aushalten. Wir sollten nicht den Fehler machen - das ist meine Hauptbotschaft -, dass wir im Kampf gegen Extremismus unsere eigenen Maßstäbe von Recht und Gesetz verletzen - in allerbester Absicht, aber verletzen. ({3}) Das zahlt sich nicht aus, dieser Schuss geht nach hinten los. Diese Leute, die wir gemeinsam bekämpfen sollten, sind es auch nicht wert, dass wir ihretwegen unsere Verfassungsordnung verbiegen. Ich erlebe in der letzten Zeit häufiger - ich habe mich auch wirklich darum bemüht, die Polizei bei ihrer Arbeit zu begleiten - Demonstrationen, bei denen auf der einen Seite 300 Rechtsextremisten und auf der anderen Seite 5 000, 10 000, 15 000 Bürger, Demokraten demonstrieren. Das ist das Ermutigende. Das funktioniert doch viel besser als Repression mit dem Risiko, das eigene Recht zu verbiegen. Es gibt einige Bestandteile an dem Gesetzentwurf, über die man diskutieren kann, zum Beispiel Fragen der Kooperation von Versammlungsveranstaltern und Versammlungsbehörden. Man kann vernünftig darüber reden, ob wir da Verbesserungen erzielen. In Bezug auf die befriedeten Bezirke - ich sage es noch einmal - habe ich erhebliche Probleme, denn ich frage Sie, Herr Marschewski: Wo anfangen? Wo aufhören? ({4}) [SPD]: Ja!) Bei der Feldherrenhalle in München? Bei dem Platz davor? Beim Obersalzberg? Sonst irgendwo? Deutschland ist doch voll von Geschichte, auch von Stätten, die mit nationalsozialistischer Geschichte verbunden sind. Ich bitte sehr darum, darüber nachzudenken, ob das, was Sie - ich unterstelle einmal, in guter Absicht wollen, im Grunde nichts anderes als weiße Salbe ist, um den Eindruck zu vermitteln, wir seien ein starker, handlungsfähiger Staat, während sich in Wirklichkeit die Probleme verschieben. Selbst dann, wenn wir ein solches Gesetz, wie Sie es hier vorschlagen, hätten, würde es uns in der Praxis substanziell nicht weiterbringen. Wir als Gesetzgeber sollten nicht Gesetze erlassen, deren Verfassungsmäßigkeit sehr fragwürdig ist oder die solche Bestandteile haben, die uns bestenfalls weiße Salbe bieten. Das sollten wir nicht machen. ({5}) Die Debatte wird fortgesetzt. Ich freue mich auf die Anhörung. Ich kann Ihnen allerdings heute schon zusichern, dass dieser Gesetzentwurf in diesem Hohen Hause nicht den Hauch einer Chance hat. ({6}) Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. ({7})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die F.D.P.-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Edzard Schmidt-Jortzig.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Fast am Ende dieser Plenarwoche und, wie ich höre, als letzter Punkt vor dem ganz großen Break-up geht es um etwas wirklich Grundsätzliches, um die Frage der Änderung des Versammlungsgesetzes. Das Versammlungsgesetz, das in seiner ursprünglichen Form aus dem Jahre 1953 stammt, ist sicherlich eines der am wenigsten geänderten Gesetze. Immerhin ist die letzte Neubekanntmachung bereits 22 Jahre alt. In dieser Zeit hat es nur drei Änderungen gegeben. Diese Behutsamkeit, mit der der Gesetzgeber das Versammlungsrecht behandelt hat, hat ihren guten Grund: Neben der Meinungsfreiheit wird die Versammlungsfreiheit als - da kann man die Worte des Bundesverfassungsgerichts nur wiederholen - schlechthin konstituierend für unsere freiheitliche Demokratie angesehen. Das Versammlungsrecht ist das Recht kollektiver Meinungsäußerung. Es soll die offene argumentative Auseinandersetzung auch und gerade in politischen Angelegenheiten ermöglichen. Deshalb ist die Versammlungsfreiheit von besonderer Bedeutung auch und gerade für Minderheiten, die auf diese Weise öffentlichkeitswirksam ihre Meinung dartun können. Über diese Grundsätze besteht - davon gehe jedenfalls ich aus - parteiübergreifende Einigkeit. Über den heute zu beratenden Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion, das Versammlungsrecht über die bestehenden Möglichkeiten hinaus einzuschränken, werden wir allerdings sprechen müssen. Denn das, was die Union vorschlägt, ist eine Einschränkung, auch wenn in der Begründung des Entwurfs beschwichtigend von Präzisierung bzw. Ergänzung gesprochen wird. Ausgelöst hat den Entwurf, der im Übrigen deutlich Ihre Handschrift, verehrter Herr Werthebach, trägt, das Ereignis vom 29. Januar letzten Jahres; darauf wurde schon hingewiesen. Ich kann darauf verzichten, das noch einmal darzustellen. Aber ich möchte schon Zweifel an der These, dass solchen Dingen mit der nach dem geltenden Versammlungsrecht bestehenden Rechtslage nicht hinreichend begegnet werden könne, anmelden. Das geltende Versammlungsrecht bietet den Behörden eine Vielzahl von Möglichkeiten, bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowohl vorbeugend als auch repressiv mit Verboten und Beschränkungen einzugreifen. ({0}) Unsere Demokratie ist also auch auf diesem Feld keineswegs wehrlos. So ist zum Beispiel das Tragen von Uniformen und uniformartigen Kleidungsstücken, also das Tragen von Springerstiefeln, Bomberjacken pp. - vom Mitführen von Waffen will ich gar nicht sprechen -, verboten. Das Gleiche gilt für die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. In der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeichnet sich auch ab, dass es zulässig sein kann, eine Demonstration an bestimmten symbolträchtigen Tagen zu unterbinden. Auch über die Wahl des Versammlungsortes entscheidet keineswegs allein der Veranstalter. Es gibt hinreichend gerichtsfeste Beispiele dafür, dass es gelungen ist, im Wege von Auflagen die angemeldeten Demonstrationsrouten zu verändern oder die Demonstration an einen anderen Ort zu verlegen. Natürlich muss dies sorgfältig begründet werden, zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter geboten und im Übrigen nicht nur schlüssig, sondern auch überzeugend sein.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schmidt-Jortzig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wiefelspütz?

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe schon eine entsprechende Pause gemacht. - Gerne.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich habe es registriert. - Bitte.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mich interessiert einfach einmal Ihre fachliche Meinung, Herr Kollege SchmidtJortzig. Ist es für Sie eigentlich zwingend, dass man eine Demonstration von 300 Personen, Neonazis, über die Straße Unter den Linden führt? Wie würden Sie das fachlich sehen?

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Der Jurist sagt immer: „Es kommt darauf an“ und will sich natürlich nicht an die Stelle der hier besonders entscheidungsträchtigen Gerichtsbarkeit - ich will nichts zur Berliner Gerichtsbarkeit sagen ({0}) setzen. Aber ich könnte mir sehr wohl vorstellen, dass man mit entsprechenden Auflagen bestimmte Teile des Straßenzuges Unter den Linden - ob das nun der Kopfteil am Pariser Platz oder etwa die Stelle vor der Universität ist - für Demonstrationen rein faktisch dadurch sperren könnte, dass man per Auflage sagt: An diesen Stellen wäre es übermäßig, euer Demonstrationsanliegen gegen das Schutzbedürfnis allgemeiner Symbole durchzusetzen. - Das geht. Es muss nur entsprechend engagiert versucht werden. ({1}) Ich bleibe also dabei: Das geltende Recht lässt Möglichkeiten, mit diesen Erscheinungen, die wir alle natürlich nicht wollen, umzugehen. Wir sind uns - das scheint mir besonders wichtig zu sein - hoffentlich einig, dass es ein Sonderrecht für bestimmte Gruppen nicht geben darf. Die besonders unerfreulichen Versammlungen rechtsextremistischer Kräfte sollten uns - darin stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, Herr Wiefelspütz - nicht dazu veranlassen, neues Recht zu schaffen, das alle treffen kann, nicht nur die Rechtsextremisten. Das wäre, glaube ich, eine Kapitulation des Rechtsstaates, die wir gerade nicht wollen. Wir wollen den Rechtsstaat stärken. ({2}) Ich möchte noch auf ein oder zwei Einzelpunkte eingehen. Problematisch wird, wie ich finde, der Gesetzentwurf dann, wenn man im Rahmen einer so genannten Öffnungsklausel den Ländern die Möglichkeit einräumen will, für ihre öffentlichen Einrichtungen oder für Örtlichkeiten von herausragender nationaler und historischer Bedeutung durch Gesetz demonstrationsfreie Zonen oder Bezirke einzurichten. Wenn man überhaupt einer solchen Einschränkung näher tritt, worüber man ernsthaft nachdenken sollte - wir haben ja auch schon einmal im Innenausschuss in dieser Richtung diskutiert -, dann muss diese Regelungsbefugnis dem Bund verbleiben und von ihm wahrgenommen werden, damit diese Interessen nicht zum Spielball von regionalen Besonderheiten und Mehrheiten ausarten, sondern die grundsätzliche Bedeutung und die Einheitlichkeit der Regelung gewahrt bleibt. Als Letztes: Die Bundesrepublik ist mit ihrem bisherigen Versammlungsrecht, das vom Bundesverfassungsgericht, wie ich jedenfalls finde, vorbildlich konturiert worden ist, gut gefahren. Dieses Versammlungsrecht ist ein Markenzeichen unserer Verfassung und auch unseres freiheitlichen Rechtsstaates, das wir nicht beim ersten Wind, egal, aus welcher Richtung, gefährden sollten. Einer behutsamen Weiterentwicklung wird sich die F.D.P. nicht versperren; aber gravierende Einschnitte werden wir mit Sicherheit nicht mittragen. Danke sehr. ({3})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Cem Özdemir.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Auch meine Fraktion lehnt die Pläne der Unionsfraktion zur Einschränkung des Versammlungsrechtes ab. Wir glauben nicht, dass sie in der Debatte, um die es geht, sachdienlich sind. Man muss es in diesen Tagen vielleicht auch noch einmal sagen: Grundrechte sind nicht eine Loseblattsammlung oder ein Abreißkalender, sondern sie bewähren sich gerade dann, wenn sie in Anspruch genommen werden. Sie bewähren sich gerade dann, wenn es schwierig wird. Ich will in der Folge darauf eingehen. Wenn man den Antrag aufmerksam durchliest, erkennt man, dass sich der Vorschlag der Union in andere Vorschläge einreiht, die wir in letzter Zeit von der Union bekommen haben. Mal sollen die Bürger ins Röhrchen spucken, damit per Gen-Test festgestellt wird, ob sie mögliche Verbrecher sind. Kinder, die in Konflikt mit dem Gesetz geraten, sollen interniert werden, statt dass man sich um sie kümmert. Herr Merz meldet sich damit zu Wort - vielleicht auch das ein Beitrag zum Thema Leitkultur -, dass sich Nichtdeutsche politisch nicht mehr äußern sollen. ({0}) Jetzt muss das Versammlungsrecht daran glauben, das als neue Sau durchs Dorf gejagt werden soll. Das Versammlungsrecht in unserem Grundgesetz - darauf haben die Vorredner von F.D.P. und SPD bereits hingewiesen - ist ein hoher Wert des demokratischen Rechtsstaates, und es ist das falsche Instrument, um eine Debatte über die Bekämpfung des Rechtsradikalismus zu führen, die wir alle hier im Hause hoffentlich gemeinsam wollen. Die Freiheit, sich zu versammeln, ist wie die Meinungs- und die Pressefreiheit eines der grundlegenden Menschenund Bürgerrechte in unserer Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb folgerichtig geurteilt und Versammlungen als „wesentliches Element demokratischer Offenheit“ bezeichnet. Es hat herausgearbeitet: Sie bieten die Möglichkeit zur öffentlichen Einflussnahme auf den politischen Prozess, zur Entwicklung pluralistischer Initiativen ... oder auch zu Kritik und Protest ..., sie enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung und geschäftiger Routine zu bewahren. Dies hat uns das Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben, und wir als Gesetzgeber sollten das sehr ernst nehmen. Die Forderungen nach einem grundsätzlichen Versammlungsverbot an gesetzlich festgelegten Orten von herausragender nationaler und historischer Bedeutung sind rechtlich unbestimmt und beliebig. Darauf hat Kollege Wiefelspütz bereits hingewiesen. Das Brandenburger Tor - Sie sehen es ja gegenwärtig - steht seit Monaten als Werbefläche für die Telekom zur Verfügung, und Sie wollen jetzt die Aura der Unberührbarkeit durch eine Art Bannmeile gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit durchsetzen. Ich halte dies nicht für einen sachdienlichen Hinweis. Zum zweiten Vorschlag: Es gibt an vielen Orten und an vielen Stätten unseres Landes Orte von herausragender nationaler historischer Bedeutung. Ich glaube, wir kommen in Teufels Küche, wenn wir uns auf diesen Vorschlag einlassen. Wenn Sie so wollen, ist die ganze Republik ein schützenswertes Gut; trotzdem werden Sie mir hoffentlich zustimmen, dass wir die Republik nicht mit einem Demonstrationsverbot überziehen dürfen. ({1}) Schließlich zu Ihrem Vorschlag, dass Sie das Demonstrations- und Versammlungsrecht bei Beeinträchtigung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere bei Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen und völkerrechtlicher Verpflichtungen ebenfalls einschränken wollen. Man muss sich dann schon fragen, was das konkret heißt. Müssen wir zukünftig Demonstrationsanmeldungen mit den Botschaften der jeweiligen Länder abstimmen? Herr Wiefelspütz hat auf das Beispiel China und die Tibet-Politik hingewiesen. Ihnen fallen sicher noch weitere Beispiele ein, denn es gibt viele Länder, mit denen wir - vorsichtig formuliert - außenpolitische Dissonanzen haben. Sollen wir in all diesen Fällen künftig immer abwägen? Soll der Außenminister sein Veto einlegen? Sollen wir jeweils mit den Botschaften verhandeln? Das ist mit Sicherheit eine Situation, die wir niemandem wünschen - auch nicht denjenigen, die nachher über das Demonstrations- und Versammlungsrecht entscheiden müssen. Ich halte das für nicht praktikabel und sehe darin auch ein etwas verqueres Rechtsstaatsverständnis. Wir alle waren maßlos empört, als die Neonazis einen Tag vor dem Jahrestag des Machtantritts der Nazis quasi als Nachfolger im Denken und Handeln am 29. Januar 2000 mitten in Berlin aufmarschiert sind. Ich empfehle aber - darauf ist in der Debatte schon mehrfach hingewiesen worden; deshalb kann ich mich kurz fassen -, die geltende Rechtslage zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen, bevor man Gesetzesverschärfungen fordert. Es gab in Berlin - Herr Werthebach wird darauf wahrscheinlich eingehen - eine sehr lange Diskussion darüber, inwiefern die ergriffenen Maßnahmen tatsächlich sachdienlich waren. Niemand möchte solche makaberen Veranstaltungen. Gegenwärtig finden sie nicht mehr statt. Das ist gut so; dafür muss man sich bei unseren Bürgerinnen und Bürgern, die Gegendemonstrationen organisieren, bedanken. ({2}) Das ist wirklich ein Zeichen dafür, dass die Zivilgesellschaft funktioniert, und zwar parteiübergreifend. Als jemand, der den Innensenator in der vergangenen Zeit heftig kritisiert hat, muss ich dazu sagen, dass der Senat mittlerweile die notwendigen Maßnahmen ergreift, damit eine Wiederholung solcher Demonstrationen in dieser Form nicht möglich ist. Lassen Sie mich noch eines sagen, obwohl der Kollege Bosbach, der auf die jüdischen Mitbürger verwiesen hat, jetzt nicht mehr da ist. Ich finde es nicht ganz fair, dass man die Juden immer dann zitiert, wenn es einem gerade in den Kram passt. ({3}) Wir haben uns auch mit Herrn Nachama und mit der Jüdischen Gemeinde zusammengesetzt. ({4}) Wir haben es uns nicht leicht gemacht, zu einer Position zu kommen, denn uns ist natürlich klar, dass die Jüdische Gemeinde - ({5}) - Jetzt hören Sie doch erst einmal zu! Ich finde, als Vertreter einer Partei, die in Hessen mit angeblichen jüdischen Vermächtnissen Wahlkampf gemacht hat, sollte man sich in diesem Punkt ein bisschen zurückhalten. ({6}) Ich komme gleich noch zu meinem Argument. Es ist nicht okay, dass man dann, wenn es einem in den Kram passt, die Juden zitiert, doch dann, wenn sich Herr Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, zur Leitkulturdebatte zu Wort meldet, sagt, er sollte sich doch besser zurückhalten und sich zu anderen Themen äußern. ({7}) Das passt nicht ganz zusammen; das wundert mich auch ein wenig. Ich möchte Ihnen empfehlen, das Gespräch mit der Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland etwas intensiver zu führen. Aber lassen Sie mich, weil meine Redezeit gleich abgelaufen ist, ({8}) zu dem Thema übergehen, das Anlass für diese Debatte ist, nämlich der Aufmarsch von Rechtsradikalen, den - hoffentlich - niemand in diesem Hause möchte. Wir müssen uns alle gemeinsam überlegen, was wir gegen so etwas tun können, ohne Grundrechte abzubauen. Unsere Regierung hat dazu einiges an Maßnahmen vorgelegt. Lassen Sie uns in einen Wettbewerb darüber eintreten, wie wir Rechtsradikalismus in jeder Form am besten bekämpfen können! Wir haben dafür Mittel im Haushalt eingestellt. Wir haben den Antrag zum Verbot der NPD gestellt. Wir haben so genannte Nazimusik und andere nazistische Organisationen verboten. Auch heute wurde darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Verbot der NPD auch in diesem Haus sehr kontrovers diskutiert wurde. Herr Schmidt-Jortzig, der ja in der Kommission, die das jetzt begleitet, vertreten ist, wird mir nicht böse sein, wenn ich sage, dass die F.D.P., die nicht für diesen Antrag des Bundestages war, und mit ihr Herr Westerwelle die Ersten sein werden, die hinterher, wenn das Bundesverfassungsgericht zu dem Urteil kommt, dass es rechtens ist, die NPD zu verbieten, sagen werden, das Verfassungsgericht habe weise geurteilt und die F.D.P. sei schon immer dafür gewesen. ({9}) Aber wir gönnen Ihnen auch das. Wenn es der Sache dient, hilft es uns ja auch. Zum Schluss, meine Damen und Herren, möchte ich auf das Holocaust-Mahnmal zu sprechen kommen, weil ich glaube, dass es eine gesonderte Beurteilung verdient. Wir sind uns alle einig, dass das Holocaust-Mahnmal ein Ort des Gedenkens und der Aufklärung und damit nicht vergleichbar mit dem Reichstag oder der Neuen Wache ist. Es kann kein Zweifel daran aufkommen, dass dort ein Schutz in besonders sensibler Weise notwendig ist. Ich habe an das Kuratorium der Stiftung die Bitte, Vorschläge zu machen, wie ein umfassendes Sicherheitskonzept zum Schutz der Gedenkstätte entwickelt werden kann. Wir alle, die sich damit beschäftigen, sind uns wahrscheinlich darin einig. Das Problem ist weniger die Frage der Versammlungen, sondern die des Missbrauchs und die, was von Besuchern angerichtet werden kann. Wir sind für Vorschläge offen. Das scheint mir sachdienlicher zu sein, als Grundrechte zu ändern. Danke sehr. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt dem Kollegen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig das Wort.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich fühle mich zu dieser Kurzintervention herausgefordert, weil Sie sich eben, Herr Özdemir, in der Verve Ihrer schönen Einlassung gegen den Entwurf zu einer gewissen Entgleisung haben hinreißen lassen. ({0}) Wir haben, wie Sie genau wissen, nur deshalb dem NPD-Verbotsantrag nicht zugestimmt, weil wir die Sache, um die es geht, für viel zu ernst halten, als dass wir mit diesem Verbotsantrag Symbolpolitik betreiben dürften. ({1}) Deswegen ist es nicht nur falsch, sondern auch infam, wenn Sie dieses Votum dazu benutzen, uns nicht genügend Ernsthaftigkeit im Kampf gegen den Rechtsradikalismus zu unterstellen. Das durfte so nicht passieren. ({2}) Wir werden in der Tat sehr kritisch beobachten, ob diese Bundesregierung über den mit sehr großem Pomp ins Werk gesetzten Verbotsantrag hinaus ernsthaft etwas zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus tut. Das wird die entscheidende Elle sein, nicht dieser Verbotsantrag. Aber aus diesen Gründen - und wirklich nur aus diesen Gründen - haben wir gesagt: Wir machen bei diesem Verbotsantrag nicht mit. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. ({3})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bevor ich Ihnen das Wort zur Erwiderung erteile, Herr Özdemir, weise ich darauf hin, dass es eine zweite angemeldete Kurzintervention vom Kollegen Erwin Marschewski, CDU/CSU, gibt. Bitte schön, Herr Marschewski.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin in hohem Maße über das, was der Kollege Özdemir vorhin gesagt hat, erschüttert. Er hat ausgeführt, wir würden die Juden benutzen, wenn sie uns in den Kram passten. So habe zumindest ich es gehört. Herr Kollege Özdemir, dies ist ungeheuerlich. Hier steht jemand, der sich für deutsch-jüdische und christlichjüdische Zusammenarbeit einsetzt, der sein ganzes Leben diesem Feld gewidmet hat. Hier steht jemand, der eine christlich-demokratische Politik vertritt, die als Erstes durch Konrad Adenauer die Aussöhnung mit den Juden, den Israelis gesucht hat. ({0}) Hier steht jemand, der das Demonstrieren am Brandenburger Tor deswegen verhindern will, weil Nazis Berlin, Deutschland, unser Vaterland missbrauchen, was im Ausland einen außergewöhnlich negativen Eindruck hinterlässt und das Ansehen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und unserer Demokratie im Ausland in den Schmutz zieht. Ich habe mich gemeldet, um dies zu sagen. Ich bitte Sie ganz herzlich, sich von dem, was Sie, wie ich hoffe, sehr flapsig gesagt haben, zumindest zu distanzieren. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Erwiderung erteile ich jetzt dem Kollegen Cem Özdemir das Wort.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fange mit der Kurzintervention des Kollegen Schmidt-Jortzig an. Ich habe meine Rede noch relativ gut präsent. Wir können uns den Wortlaut gleich einmal anschauen. Herr Schmidt-Jortzig, ich habe keinen Zusammenhang zwischen der Bekämpfung des Rechtsradikalismus, bei der wir uns - das habe ich in meiner Rede mehrfach gesagt - in den Linien einig sind, und dem NPD-Verbotsantrag hergestellt. Ich habe darauf hingewiesen, dass es gelegentlich bei der F.D.P., insbesondere bei Herrn Westerwelle, vorkommt, dass man mal dieses und mal jenes hört. ({0}) Das NPD-Verbot wurde kontrovers beurteilt. Sie alle, auch die Union, arbeiten mit an der Begleitung des Verfahrens, was ich begrüße. Hier arbeiten wir sehr gut zusammen. Ihre Hinweise zur Sache werden alle umgesetzt. ({1}) Was ich damit andeuten wollte, ist, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass sich manche nach dem Verbot der NPD durch unseren Antrag, was wir, wie ich hoffe, alle wünschen - es wäre eine Katastrophe, wenn es nicht käme -, die am Anfang nicht so begeistert waren, hinterher zu den Vätern des Erfolges zählen werden. Aber das habe nicht ich, sondern das hat die Öffentlichkeit zu beurteilen. ({2}) Aber einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen der Haltung der F.D.P. zum NPD-Verbot und der Bekämpfung des Rechtsradikalismus habe ich weder hergestellt, noch wollte ich ihn herstellen, noch ist er aus Geist, Inhalt oder Buchstaben meiner Rede abzulesen. ({3}) Zu dem, was der Kollege Marschewski gesagt hat: Was Sie mir vorwerfen, muss ich in aller Deutlichkeit zurückweisen. Herr Marschewski, ich glaube, Sie verwechseln die Debatte von vorhin - wir können es gerne gleich nachlesen - mit der Debatte von heute Morgen. ({4}) Das scheint mir die Ursache für Ihre Kurzintervention zu sein. ({5}) Ich wiederhole einfach meine Ausführungen; vielleicht trägt das zur Aufklärung bei. ({6}) - Vielleicht darf ich zu Ende reden, Herr Marschewksi. Ich habe gesagt, dass es nicht in Ordnung ist, wenn man den Zentralrat der Juden in Deutschland immer dann zitiert, wenn es einem gefällt. Das kann man nicht machen. ({7}) - Das habe ich gesagt, also, ich bitte Sie! ({8}) - Sie müssen mir schon die Chance geben, zu antworten. Sie können nicht hergehen und sagen, nur wenn es um die Frage geht, das Demonstrations- und Versammlungsrecht zu ändern, zitiere ich den Zentralrat. Es wäre übrigens auch einmal ganz interessant, zu belegen, wo sich der Zentralrat öffentlich geäußert hat bzw. welche jüdische Gemeinde öffentlich gesagt hat, das Versammlungsrecht müsse geändert werden. Wir haben uns mit Herrn Nachama und dem Zentralrat zusammengesetzt, weil wir das Thema ernst nehmen, und ausdrücklich gefragt: Wie seht ihr die Situation? Ich muss Ihnen sagen, dass die Meinung des Zentralrats in der Frage des Holocaust-Mahnmals nicht mit der Position meiner Fraktion identisch war. Es gibt aber keinen Zweifel: Weder in Bezug auf das Brandenburger Tor noch in Bezug auf andere Orte von herausragender nationaler Bedeutung hat Herr Nachama bzw. haben andere jüdische Gemeinden gefordert, das Versammlungsrecht zu ändern. Darauf, auf nichts anderes, habe ich mich bezogen. Dass CDU und CSU, dass die Union - ({9}) - Jetzt muss ich Sie wirklich bitten: Bleiben Sie auf dem Teppich! Das ist nun wirklich eine Art und Weise, die dem Parlament nicht angemessen ist. Man braucht mich nicht darüber zu belehren, dass die Union - genauso wie die SPD und alle anderen Fraktionen dieses Hauses - zum christlich-jüdischen sowie zum christlich-muslimischen Dialog beiträgt. Das hoffe ich nicht nur, ich weiß, dass es so ist, weil ich diesen Dialog mit vielen Kollegen gemeinsam führe. Ich bitte Sie daher, fair zu bleiben. Danke sehr. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund dieses Streits mache ich den Vorschlag, den Stenographischen Bericht abzuwarten und auf dieser Grundlage die Auseinandersetzung zu führen. Ich möchte nur angesichts der jetzigen Auseinandersetzung an Sie appellieren, dass gerade bei diesem hochsensiblen politischen Thema der Stil des Hohen Hauses gewahrt wird. Dies gilt auch für Auseinandersetzungen, Vorwürfe und Unterstellungen. Wie gesagt: Ich bin dafür, dass man den Streit klärt, wenn man die Äußerungen schwarz auf weiß nachlesen kann. Ich erteile jetzt der Kollegin Petra Pau, PDS-Fraktion, das Wort.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst auf meine Vorredner beziehen: Wir haben ein gemeinsames Problem, nämlich einen grassierenden Rechtsextremismus, der nicht nur demonstrativ, sondern auch tödlich ist. Ihm gilt es zu wehren, und das sollte unser gemeinsames Anliegen sein. ({0}) Allerdings beantwortet das prinzipielle Wollen noch nicht die Frage nach dem Wie. Das Grundgesetz der Bundesrepublik setzt Normen - als Reaktion auf die Lehren des Faschismus formuliert -, die sich ganz bewusst gegen die Praktiken des NS-Regimes wenden. Dazu gehört das Versammlungs- und Demonstrationsrecht. ({1}) Als vor einem Jahr alte und neue Nazis durch das Brandenburger Tor marschierten, gehörte ich zu jenen, die vor Ort dagegen protestierten und somit demonstrierten: So nicht, so nicht mit uns! Wir wollen ein demokratisches, tolerantes und ausländerfreundliches Land. Das, was dort stattfand, war ziviler Ungehorsam, den ich gern, gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden, Gewerkschaften, Künstlern, jedermann und jeder Frau, begehe. Im Übrigen war damals in den Nachfolgeveranstaltungen der christdemokratische Parlamentspräsident Berlins genauso wie der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende vertreten. Ich denke, wir müssen uns in einer solchen Einheit auf der Straße zivil gegen so etwas auflehnen. ({2}) Ich kenne die Frage - ich stelle sie mir auch immer wieder -: Dürfen alte und neue Nazis ihre Meinung frei äußern und überall demonstrieren? Nur, was bringt es uns, wenn wir diese Frage mit Nein beantworten? Es gibt kein Sonderrecht. Wird das Recht auf freie Meinungsäußerung und Demonstration einmal eingeschränkt, hat dieses Recht niemand mehr. Das ist das Problem, über das wir heute reden. Natürlich empfinde ich Scham und Abscheu, wenn Neonazis durch das Brandenburger Tor marschieren. Mit dem vorliegenden Antrag soll das verhindert werden. Aber meine Abscheu und Scham sind keinen Deut geringer, wenn Neonazis durch Berlin-Hellersdorf, Lübeck oder Passau marschieren. ({3}) Der Versuch, national bedeutende Areale wie das Brandenburger Tor „sauber zu halten“, ist aus meiner Sicht nur Kosmetik. Er löst nichts, sondern blendet das Problem und seine Ursachen aus. ({4}) Wer die Ideologie und die Strategie neofaschistischer Parteien oder Kameradschaften halbwegs kennt, der weiß: Sie kämpfen gegen die humanistische Substanz des Grundgesetzes. Aber der CDU/CSU-Antrag läuft darauf hinaus, die rechtsstaatliche Substanz des Grundgesetzes zu beschneiden. Das kann doch nicht ernsthaft gewollt sein. ({5}) Wir können doch den Deibel nicht mit dem Beelzebub austreiben. ({6}) Gefragt sind Zivilcourage, staatliche Unterstützung und komplexe Programme gegen rechts - von mir aus auch die Bibel, Kollege Marschewski. Ich finde dort vieles, was uns auffordert, gemeinsam Zivilcourage zu zeigen. Aber gerade daran mangelt es in unserer Gesellschaft nach wie vor. Wie in jedem Gesetzentwurf, der in das Parlament eingebracht wird, steht auch in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes der Fraktion der CDU/CSU der formale Satz: „Alternativen - Keine.“ Ich denke, es gibt eine Alternative zu diesem Gesetzentwurf. Nur heißt sie nicht Bürgerrechte einschränken, sondern Bürgerrechte ausbauen. ({7})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt der Innensenator des Landes Berlin, Dr. Eckart Werthebach.

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einige Vorbemerkungen zu dem machen, was vor mir gesagt würde. Herr Özdemir, viele Passagen Ihrer Rede sind anfechtbar. Ich drücke das sehr höflich aus, weil ich hier Gast bin. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Herr Nachama, hat sich - darauf möchte ich Sie hinweisen - ausdrücklich für ein Verbot von Demonstrationen am Holocaust-Denkmal und - wenn ich mich richtig erinnere - auch am Brandenburger Tor ausgesprochen. ({0}) Sie, Herr Özdemir, haben gesagt, Sie wüssten noch nicht einmal, ob sich Herr Nachama für ein solches Demonstrationsverbot aussprechen würde. Ich kann Ihnen nur sagen: Er hat sich ausdrücklich dafür ausgesprochen. ({1}) Verehrter Herr Wiefelspütz, ich finde es gut, dass Sie in einen Denkprozess eingetreten sind, der Sie offenbar ein Stück weitergebracht hat, jedenfalls im Vergleich zu den Äußerungen, die ich seinerzeit im Innenausschuss des Deutschen Bundestages von Ihnen gehört habe. ({2}) - Ich bin immer bereit, über alles nachzudenken. Wenn wir hier zu einem gemeinsamen Ergebnis kämen, wäre ich froh und dankbar; ({3}) schließlich habe ich als Innensenator die alltäglichen Probleme mit den Demonstrationen. Herr Wiefelspütz, ich muss Ihnen doch keinen Nachhilfeunterricht erteilen und Ihnen sagen, in wie vielen Bundesgesetzen der Begriff „erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland“ verwandt wird, zum Beispiel in § 37 des Ausländergesetzes. Wer bestimmt denn diesen Begriff? Das zu tun ist doch die tagtägliche Praxis der Verwaltung und der Gerichte; denn dieser Begriff ist justiziabel. Sie haben Herrn Bosbach offensichtlich völlig missverstanden. Er hat nicht gesagt: außenpolitische Belange, sondern: erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland, ({4}) insbesondere außenpolitische Interessen, wenn dadurch zugleich - den dann folgenden Gesetzestext scheinen Sie, Herr Wiefelspütz, nicht mehr gelesen zu haben -, wenn dadurch zugleich einer der Verfassungsgrundsätze im Sinne des § 92 Abs. 2 Strafgesetzbuch missachtet wird. Ich gestehe Ihnen zu, dass das ein enger Rahmen ist. Man wird bei der Anhörung darüber diskutieren müssen, ob dieser Rahmen nicht zu eng gefasst ist. Aber insgesamt - auf diese Feststellung lege ich großen Wert - bedeutet der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion nach meiner Überzeugung keine Verschärfung des Demonstrationsrechts. Vielmehr bedeutet er eine maßvolle Erweiterung der Verbotsmöglichkeit im Sinne einer Präzisierung. Es ist hier und heute erneut angedeutet worden - niemand hat es deutlich ausgesprochen; Herr SchmidtJortzig hat das auf sehr vornehme Art und Weise getan -, dass die Versammlungsbehörde Berlins - das ist der Polizeipräsident - das Verbot der Versammlung am 29. Januar - angeblich - nicht hinreichend begründet habe. Es standen zwar nur wenige Stunden zur Verfügung, aber als das Oberverwaltungsgericht im Eilverfahren entscheiden musste, lagen alle entscheidungserheblichen Akten mit Begründungen vor. Darauf lege ich großen Wert. ({5}) - Ich weiß nicht, was mein Senatsdirigent gesagt hat. Jedenfalls kann er sich auf die Entscheidung des Polizeipräsidenten beziehen. Wir sind ja noch im Gerichtsverfahren gewesen. Sie sind doch Verwaltungsrichter, Herr Wiefelspütz. ({6}) - Gewesen. Das will ich gar nicht bestreiten. Meine Damen und Herren, mir liegt sehr viel an diesem Gesetzesvorhaben. Ich bin der CDU/CSU-Fraktion sehr dankbar dafür, dass sie diesen Entwurf eingebracht hat. Das ist nicht nur der Dank des Innensenators von Berlin. Ich glaube, sehr viele Innenminister der Länder werden der CDU/CSU-Fraktion dafür sehr dankbar sein. Berlin bietet wie kein anderer Ort in Deutschland steinerne Zeugen als historische Kulissen für die Wiederbelebung einer unseligen Vergangenheit. Gleichwohl handelt es sich nicht nur um ein Berliner Problem, wie ähnliche Erscheinungen in anderen Bundesländern zeigen. Auch andernorts führt die geltende Rechtslage, nach der Versammlungen nur dann verboten werden dürfen und können, wenn mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist, zu unerträglichen Ergebnissen. Die Versammlungsbehörde und die Polizisten, die verbotswürdige Versammlungen vor gewaltbereiten Gegendemonstranten zu schützen haben, müssen sich regelmäßig als „Beschützer von Neonazis“ verhöhnen lassen. Der Rechtsstaat lässt sich hier mit seinen eigenen Instrumenten bekämpfen. Grundrechte werden für verfassungsfeindliche Zwecke missbraucht. ({7}) Wie sagte Goebbels 1929? Wir gehen in den Reichstag - in dieses Gebäude! um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. ({8}) Genau das stößt bei den Bürgern auf Kopfschütteln und Unverständnis und irritiert im Übrigen unsere europäischen und transatlantischen Partner. ({9}) Eine angemessene Reaktion des Staates darf sich doch nicht darin erschöpfen, die Bürger zu Lichterketten und Gegendemonstrationen aufzurufen. ({10}) Der sachlich falsche, aber gleichwohl gebetsmühlenartig wiederholte Einwand, die geltende Fassung des Versammlungsgesetzes genüge, um extremistische Auswüchse zu unterbinden, dient der Ablenkung und der Abwälzung von Verantwortung. Übrigens: Das Verbotsverfahren gegen die NPD macht, unabhängig von seinem Ausgang, die vorgeschlagenen Änderungen des Versammlungsgesetzes keineswegs entbehrlich. Wie Sie wissen, war es nicht nur die NPD, die hier demonstriert hat; es waren viele Gruppierungen von Neonazis. Es ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel doch schlechthin unvereinbar - das sage ich noch einmal insbesondere in Ihre Richtung, Herr Wiefelspütz -, mit dem Parteiverbotsverfahren eine der schärfsten Waffen des Rechtsstaates einzusetzen, zugleich aber die Möglichkeit einfachgesetzlicher Rechtsänderungen ungenutzt zu lassen, um öffentliche Angriffe auf die Verfassung zu unterbinden. Das sage ich auch in Ihre Richtung, Herr Schmidt-Jortzig. Wenn unsere Demokratie vor neue Herausforderungen gestellt wird, muss sie abwehrbereit sein. Sie darf nicht zurückweichen. Denken Sie an das Goebbels-Zitat! Der von der CDU/CSU-Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf liefert den Rahmen dafür, wie ein Missbrauch des Versammlungsrechts durch Einzelne künftig verhindert werden kann, ohne dass das Versammlungsrecht für alle eingeschränkt wird. Herr Bosbach hat die wesentlichen Punkte genannt. Lassen Sie mich als Verfassungssenator von Berlin erläutern, warum aus meiner Sicht die folgenden drei Orte - das war immer wieder die Frage in der heutigen Diskussion - zu befriedeten Bezirken erklärt werden müssen. Dass das Denkmal für die ermordeten Juden Europas eines besonderen Schutzes bedarf, ist leider evident. Wir dürfen doch nicht zulassen, dass das Gedenken an die ermordeten Juden Europas von Verfassungsfeinden verunglimpft wird! Wenn aber, Herr Özdemir, am Holocaust-Mahnmal ein befriedeter Bezirk geschaffen werden muss, an dem Versammlungen nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig sind, dann muss das selbstverständlich auch für die Neue Wache gelten, ({11}) da die Neue Wache die zentrale nationale Gedenkstätte für alle Opfer von sämtlichen Kriegen sowie jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft ist. ({12}) Es wäre fatal, in dieser Frage eine Hierarchie der Opfergruppen zu schaffen, mit der eine Unterscheidung zwischen besonders schutzbedürftigen und sonstigen Opfern getroffen wird. Schließlich liegt uns allen das Brandenburger Tor - nicht nur wegen seiner zentralen Lage - am Herzen. Das Brandenburger Tor ist nicht nur das Symbol des neuen Berlins; vielmehr ist es zwischenzeitlich auch das Symbol des wieder vereinten Deutschlands geworden. Kein anderes Bauwerk erinnert gleichermaßen an die gewaltsame Teilung ebenso wie an die friedliche Wiedererlangung von Freiheit und Einheit. Dieser Symbolgehalt des Brandenburger Tores ist weit über die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus bekannt. Frau Präsidentin, das Lämpchen leuchtet schon auf. Das bedeutet wohl, dass meine Redezeit abgelaufen ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Senator, als Mitglied des Bundesrates haben Sie selbstverständlich weiterhin das Rederecht. Ich glaube, dass es aber ein flächendeckendes Interesse gibt, die Debatte nicht übermäßig auszudehnen. Ich bin schon recht großzügig. Wenn Sie Ihre Rede fortsetzen, hat die Gegenseite das Recht, die Debatte zu verlängern.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin, ich habe gesehen, dass Sie auch bei meinen Vorrednern sehr großzügig gewesen sind. Ich werde mich beeilen. Ich will an Sie appellieren: Es darf nicht bei der bloßen Empörung über extremistische Demonstrationen bleiben. Der Gesetzgeber, also Sie meine Damen und Herren Abgeordneten, sind gefordert, hier eine Gesetzesänderung herbeizuführen. Die CDU/CSU-Fraktion hat ihren Beitrag geleistet. Obwohl ich das eigentlich gern tun würde, kann ich nicht mehr auf die Kammergerichtsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingehen. Ich will dazu nur sagen: Nichts gegen richterliche Rechtsfortbildung, meine Damen und Herren Abgeordnete; aber die Rechtssetzung ist Ihre Aufgabe. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar kann als Einzelfallentscheidung nicht ausschlaggebend sein. Wenn die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes die jüngsten Aufzüge der Neonazis am Brandenburger Tor erlebten, dann wären sie fassungslos. Daran haben sie bei der Formulierung von Art. 8 GG gewiss nicht gedacht, genauso wenig wie die Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Versammlungsgesetzes 1953 und das Bundesverfassungsgericht bei seiner Brokdorf-Entscheidung 1985. Für die Weiterentwicklung des Versammlungsrechts im Sinne einer wert- und wehrhaften Demokratie ist es in der Tat höchste Zeit. Hören Sie auf Carlo Schmid, der bei der Einbringung des Grundgesetzes sagte: Wenn man an die Würde des Menschen als etwas Notwendiges glaubt, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber haben, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen. Senator Dr. Eckart Werthebach Haben Sie Mut, meine Damen und Herren Abgeordnete! ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern ({0}): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe hier keine Ratschläge zu erteilen. Aber ich möchte vorab eine Bitte äußern: Dieses für unser Land und die politische Diskussion sehr sensible Thema ist meiner Ansicht nach für einen platten parteipolitischen Streit absolut ungeeignet. ({1}) Herr Schmidt-Jortzig hat im Zusammenhang mit dem Thema Versammlungsrecht - ich persönlich kann mich daran leider nicht erinnern - das Jahr 1953 erwähnt, in dem dieses Recht entstanden ist. Er hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Versammlungsrecht eigentlich ganz behutsam angepackt worden ist. Man muss ein weiteres Jahr hinzufügen: Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit diesem Thema im Jahr 1985 im Rahmen seines Brokdorf-Beschlusses sehr grundsätzlich auseinander gesetzt und uns eine verfassungskonforme Auslegung präsentiert. Es hat die Versammlungsfreiheit zu Recht als eines der vornehmsten Grundrechte überhaupt bezeichnet. Es wurde klar festgelegt, dass ein Versammlungsverbot nur die Ultima Ratio sein darf. Meine Damen und Herren, in diesen Tagen reden wir ja viel über das, worauf wir stolz sein können. Ich glaube, dass wir gerade darauf stolz sein können, dass die Versammlungsfreiheit ein wesentliches Kennzeichen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist. ({2}) Leider muss man natürlich hinzufügen, dass die Versammlungsfreiheit von Leuten missbraucht wird, die extremistisches Gedankengut vertreten. Die Diskussion zum Versammlungsrecht heute und im Vorfeld wurde ja durch das schon erwähnte auslösende Ereignis im Januar 2000 hier in Berlin geprägt. Dieses Ereignis löste Empörung aus, da auf dieser Veranstaltung Ideen propagiert wurden, die in der Geschichte unter anderem Krieg und Völkermord heraufbeschworen haben. Ich will heute an dieser Stelle zu der Frage der Bewertung des NPD-Verbotsantrags nicht Stellung nehmen. Ich will aber dazu aufrufen, dass wir heute alles daransetzen müssen, dass sich das, was sich in unserem Land von 1933 bis 1945 abgespielt hat, nie wiederholt. ({3}) - Lieber Erwin Marschewski, ich hoffe, dass wir deutlich machen können, dass wir in der Frage des Ergebnisses überhaupt nicht weit auseinander liegen. Denn wer will das schon, was sich da am Brandenburger Tor abgespielt hat? Vielmehr geht es um den Weg und die Instrumente. CDU/CSU begründen ihren Gesetzentwurf zunächst damit, dass sich Bilder von mit Fahnen und Trommeln durch das Brandenburger Tor marschierenden Rechtsextremisten nicht wiederholen sollen. Ich verstehe den Unmut und frage noch einmal: Wer will das schon? ({4}) Ich weise allerdings darauf hin, dass die Verwaltungsgerichte in der letzten Zeit gezeigt haben, wie man auch auf der Grundlage des geltenden Rechtes solchen Aufzügen die Spitze der Provokation nehmen kann. ({5}) Für das Versammlungsrecht ist gerade typisch, dass sich Bevölkerungsgruppen mit sehr unterschiedlichen Interessenlagen gegenüberstehen: Versammlungsteilnehmer, eventuell Gegendemonstranten, Anlieger, Gewerbetreibende, einkaufswillige Passanten, allgemeine Verkehrsteilnehmer. Die Versammlungsbehörde und die Polizei haben nun zwischen all diesen Gruppen einen Interessenausgleich herbeizuführen. Um dies zu erreichen, kann die Versammlungsbehörde Auflagen erlassen. Hierzu zählt beispielsweise in Berlin die Auflage, nicht durch das Brandenburger Tor zu marschieren ({6}) und das Mitführen von Trommeln und Fahnen zu unterlassen. Ich denke, Herr Kollege Werthebach, dass man damit auch eine Wiederholung solcher Szenen wie der vom Januar 2000 vermeiden kann. Der Schutz geschichtlich symbolträchtiger Orte vor der missbräuchlichen Nutzung zur Verherrlichung oder Verharmlosung von Gewalt- und Willkürherrschaft, der Verunglimpfung von deren Opfern sowie zur verfassungsfeindlichen Propaganda ist der Bundesregierung ein großes Anliegen. Ich betone hierbei, dass wir die Diskussion um die Verhinderung von Demonstrationen mit extremistischem Hintergrund, deren Ziel allein Provokation und Einschüchterung und nicht die politische Auseinandersetzung ist, nicht in erster Linie wegen des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland im Ausland führen dürfen. In erster Linie muss es darum gehen, die Opfer von Diktatur und Völkermord sowie deren Hinterbliebene vor Verunglimpfung zu schützen und unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung vor aushöhlender Verhöhnung zu bewahren. ({7}) Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich ja im November vergangenen Jahres mit dem Thema befasst. Die Innenministerkonferenz hat beschlossen, Versammlungen, die Gewalt und Willkürherrschaft verherrliSenator Dr. Eckart Werthebach chen und gegen die Grundlagen der menschlichen Gemeinschaft gerichtet sind, zu verhindern. Demonstrationen an historisch oder kulturell bedeutsamen Orten sollten nur in Ausnahmefällen zulässig sein, so der Beschluss vom November 2000. Der Bundesinnenminister wurde gebeten, entsprechend tätig zu werden. Darüber hat er mit den Innenministern der Länder einen guten Dialog geführt. Auch auf Beamtenebene - das werden Sie bestätigen, Herr Werthebach - gab es zahlreiche Gespräche zwischen dem Bundesinnenministerium und der Berliner Senatsverwaltung für Inneres. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine kurze Einschätzung des vorliegenden Gesetzentwurfes der CDU/CSU geben: Der Entwurf stellt eine Diskussionsgrundlage dar. Ich möchte nicht in die Einzelkritik einsteigen, sondern mich auf zwei Gesichtspunkte beschränken. In § 16 des Versammlungsgesetzes sollen Bund und Länder ermächtigt werden, öffentliche Einrichtungen oder Örtlichkeiten, die von herausragender nationaler und historischer Bedeutung sind, per Gesetz als befriedete Bezirke zu schützen. Die Einrichtung befriedeter Bezirke mit dem Ziel, symbolträchtige Orte nicht länger als Kulisse für extremistische Aufmärsche missbrauchen zu lassen, ist ein Ansatzpunkt. Der Vorschlag, die Länder zu ermächtigen, eigene befriedete Bezirke um Orte von herausragender Bedeutung einzurichten, löst bei mir große Skepsis aus. Würde man sich entschließen, so eine Regelung zu treffen, müsste festgeschrieben werden, dass der Bundesgesetzgeber die schutzwürdigen und schutzbedürftigen Orte selbst festlegt. Dabei muss es sich um Orte handeln, die gesamtstaatlich eine herausragende Bedeutung haben. Dies darf nicht von regionalen Zufälligkeiten abhängen. Dies ist ein ganz wichtiger Punkt. ({8}) Ich möchte auch noch etwas zu der Verpflichtung, an einem Kooperationsgespräch mitzuwirken, sagen, welche ja auch in diesem Vorschlag enthalten ist. Hierdurch könnte das Gesetz behutsam weiterentwickelt werden. Ich stimme mit Sicherheit mit vielen hier im Hause überein, dass die im CDU/CSU-Entwurf vorgesehene Regelung zu einseitig ist und sie deshalb nicht sinnvoll ist. Das muss an dieser Stelle auch noch einmal kurz gesagt werden. ({9}) Der Innenminister hat auch zugesagt - ich denke, das wird dem Thema gerecht -, die verfassungsrechtliche Problematik durch einen externen Gutachter prüfen zu lassen. Ich glaube, dass dies eine sinnvolle Maßnahme ist. Wir sollten unsere jeweiligen Vorstellungen in der Diskussion darlegen. Das Bundesinnenministerium wird sich konstruktiv und ernsthaft in die Diskussionen bei der Anhörung einbringen. Ich denke, dass dies ein guter Weg ist. Unser Land braucht diese Diskussion. Herzlichen Dank. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bevor ich die Aussprache schließe, erteile ich zu einer Kurzintervention Cem Özdemir das Wort.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Körper hat zu Beginn seiner Rede - wir alle haben dabei applaudiert - an uns appelliert, das Thema mit der gebotenen Sensibilität anzugehen. So will auch ich meinen Beitrag dazu leisten. Mir liegt das Wortprotokoll noch nicht vor. Sollte aber - entgegen dem, was ich in der Kurzintervention gesagt habe - bei meiner Rede vor diesem Hohen Hause der Eindruck entstanden sein, dass ich mich in Zusammenhang mit der Jüdischen Gemeinde missverständlich ausgedrückt habe, so nehme ich das ausdrücklich zurück und korrigiere das. Es gibt unterschiedliche Äußerungen. Natürlich ist klar, dass sich die Union - genauso wie alle anderen Fraktionen dieses Hauses - aktiv bemüht, den Dialog in dieser Gesellschaft voranzubringen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Danke für die Klarstellung. - Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 14/4754 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung ({0}) - Drucksache 14/5082 ({1}) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung ({2}) - Drucksache 14/5396 ({3}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ({4}) - Drucksache 14/5567 Berichterstattung: Abgeordneter Horst Schmidbauer ({5}) Die Kolleginnen und Kollegen Dr. Martin Pfaff, Dr. Hans Georg Faust, Monika Knoche, Detlef Parr sowie Dr. Ruth Fuchs haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1) - Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper 1) Anlage 4 Ich sehe Einverständnis im gesamten Hause. Deshalb kommen wir sofort zu den Abstimmungen. Wir kommen zum Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Bundes- pflegesatzverordnung. Es handelt sich um die Drucksa- chen 14/5082 und 14/5567. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol- len, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Ent- haltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Be- ratung gegen die Stimmen der F.D.P.1) und bei Enthaltung der PDS angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit gegen die Stimmen der F.D.P.2) und bei Enthaltung der PDS-Fraktion angenommen. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung, Drucksache 14/5567. Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/5396 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Abschreibungsbedingungen - Drucksache 14/5135 ({6}) a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({7}) - Drucksache 14/5562 - Berichterstattung: Abgeordnete Klaus Lennartz Hans Michelbach b) Bericht des Haushaltsausschusses ({8}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 14/5566 - Berichterstattung: Abgeordnete Hans Georg Wagner Hans Jochen Henke Oswald Metzger Dr. Günter Rexrodt Dr. Uwe-Jens Rössel Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. vor. Die Kolleginnen und Kollegen Klaus Lennartz, Elke Wülfing, Christine Scheel, Gerhard Schüßler und Heidemarie Ehlert haben ihre Reden zu Protokoll gege- ben.3) - Auch hier sehe ich keinen Widerspruch im Hause. Deshalb kommen wir auch hier sogleich zu den Abstimmungen. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU zur Verbesserung der Abschreibungsbedingungen auf Drucksache 14/5135. Der Finanzausschuss empfiehlt auf Drucksache 14/5562, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. ({9}) Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/5571. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? ({10}) Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der F.D.P. bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt. Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({11}) - zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Unterglasgartenbau in Deutschland sichern - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Marita Sehn, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. Anpassungsbeihilfen für Unterglasbetriebe im Gartenbau - zu dem Antrag der Abgeordneten Kersten Naumann, Rolf Kutzmutz, Dr. Ruth Fuchs, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der PDS Schaffung eines Nothilfefonds für existenzbe- drohte Unterglasgartenbaubetriebe - Drucksachen 14/4243, 14/4257, 14/4291, 14/4444 - Berichterstattung: Abgeordneter Karsten Schönfeld Die Kolleginnen und Kollegen Heidemarie Wright, Waltraud Wolff, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Ulrike Höfken, Marita Sehn und Kersten Naumann haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.4) - Auch hier sehe ich Ein- verständnis im ganzen Hause. Vizepräsidentin Petra Bläss 1) Anlage 2 2) Anlage 2 3) Anlage 3 4) Anlage 5 Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Druck- sache 14/4444, und zwar zunächst zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Unterglasgarten- bau in Deutschland sichern“, Drucksache 14/4243. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthal- tungen? - Die Beschlussempfehlung ist gegen die Stim- men von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen. Weiterhin empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der F.D.P. zu Anpassungsbeihilfen für Unterglasbetriebe im Gartenbau, Drucksache 14/4257. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegen- probe! - Enthaltungen? - Auch diese Beschlussempfeh- lung ist gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss, den Antrag der Fraktion der PDS zur Schaffung eines Nothilfefonds für existenzbedrohte Unterglasgartenbaubetriebe auf Druck- sache 14/4291 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung von F.D.P. und PDS angenom- men.1) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({12}) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidi Lippmann, Carsten Hübner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS Einstufung des irakischen Giftgasangriffs am 16. März 1988 auf Halabja als Völkermord - Hu- manitäre Hilfe für die Opfer des Angriffs - Drucksachen 14/2916, 14/4946 - Berichterstattung: Abgeordnete Christoph Moosbauer Ruprecht Polenz Christian Sterzing Walter Hirche Dr. Gregor Gysi Die Kolleginnen und Kollegen Christoph Moosbauer, Joachim Hörster, Gudrun Kopp, Ulla Jelpke sowie der Staatsminister Dr. Ludger Volmer haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.2) - Auch hier sehe ich Einverständnis im ganzen Hause. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der PDS mit dem Titel „Einstufung des irakischen Giftgasangriffs am 16. März 1988 auf Halabja als Völkermord - Humanitäre Hilfe für die Opfer des Angriffs“ auf Drucksache 14/4946. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/2916 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 28. März 2001, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.