Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Vielen
Dank, Frau Bundesministerin.
Ich bitte, zunächst Fragen zu stellen, die sich auf den
angesprochenen Bereich beziehen. Als erster Fragesteller
hat sich der Kollege Gerhard Friedrich gemeldet.
Frau
Bundesministerin, dieses Aktionsprogramm enthält einige Maßnahmen, die schon lange angekündigt worden
sind. Wenn ich mit Vertretern der Universität in meiner
Heimat spreche, merke ich, dass diese dringend auf die
Einschränkung des Hochschullehrerprivilegs im Bereich
des Patentrechts warten.
Deshalb möchte ich Sie fragen: Was wollen Sie tun, damit Ihre Gesetzesinitiative möglichst schnell beraten und
umgesetzt wird? Ist die Bundesregierung bereit, eine von
den Ländern Niedersachsen und Baden-Württemberg initiierte Gesetzesinitiative des Bundesrates, die dieser bereits beschlossen hat, zu unterstützen? Haben Sie vor, Ihre
angestrebte Gesetzesänderung in das Hochschullehrerdienstrecht einzubinden? Oder besteht die Absicht, die
Maßnahme zu verschieben, bis das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen insgesamt novelliert wird? Ich hätte
dagegen große Bedenken, weil ein solches Vorgehen doch
sehr viel Zeit kostet.
({0})
Herr Friedrich, wir haben vor, die Novellierung des Hochschullehrerprivilegs gegenüber der generellen Novellierung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vorzuziehen. Ich teile Ihre Auffassung, dass
dies notwendig ist, weil in diesem Bereich ein dringender
Handlungsbedarf besteht.
Im Übrigen hatten wir uns in der Bund-Länder-Kommission auf Eckpunkte verständigt, bevor der Bundesrat
initiativ geworden ist. Das heißt, die Bundesregierung ist
auf diesem Feld bereits in Vorleistung getreten. Wir haben
diese Eckpunkte jetzt in Gesprächen mit den Ressorts,
aber auch durch Anhörungen verschiedener Organisationen verbessert und weiterentwickelt. Ich gehe davon aus,
dass wir in Kürze das Hochschullehrerprivileg im Deutschen Bundestag beraten können und freue mich, im Parlament so viel Unterstützung für diese wichtige Novellierung zu finden.
({0})
Eine
Frage des Kollegen Dr. Martin Mayer von der CDU/CSUFraktion.
Frau
Bundesministerin, darf ich die Überschrift des Punktes 10
„Ausgründungen aufwerten - Gründungsbeteiligungen
unterstützen“, in dem es um die finanzielle Beteiligung an
Start-ups geht, so interpretieren, dass Sie eine Änderung,
die von Rot-Grün im Steuerrecht vorgenommen worden
ist, rückgängig machen wollen? Diese Änderung, die den
Start-ups besonders geschadet hat, betraf das Senken der
Beteiligungsgrenze, ab der Veräußerungsgewinne von
Privatpersonen einkommensteuerpflichtig sind, von
10 Prozent auf 1 Prozent. Dadurch wurden viele Privatleute und auch Businessangels daran gehindert, sich in
stärkerem Maße an Start-ups zu beteiligen.
Ich möchte zunächst darauf hinweisen,
Herr Mayer, dass diese Bundesregierung eine Steuerreform durchgeführt hat, durch die zum ersten Mal seit vielen Jahren sowohl normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch Unternehmen erheblich entlastet
worden sind. Damit wurde die in den jahrelang dauernden
Diskussionen immer wieder erhobene Forderung umgesetzt, die steuerliche Belastung deutlich zu verringern.
Genau das haben wir gemacht.
Die Änderung, die Sie angesprochen haben, ist von den
Ländern durchgesetzt worden. Wie Sie als Mitglied des
Deutschen Bundestages sehr wohl wissen, sind bestimmte
gesetzliche Regelungen zustimmungspflichtig. Die Bundesregierung hatte einen anderen Vorschlag als die Länder gemacht. Die von Ihnen angesprochene Änderung des
Steuerrechts war also das Ergebnis, nachdem unsere Vorschläge den Bundesrat passiert hatten. Diese Änderung
sah in der Tat so aus, wie Sie sie geschildert haben.
({0})
Eine Zusatzfrage, Kollege Mayer.
Frau
Bundesministerin, ich möchte fragen, welche konkreten
steuerlichen Maßnahmen die Bundesregierung bisher im
Rahmen der Steuerreform zur Förderung der Start-ups ergriffen hat und welche sie künftig ergreifen möchte.
Es gibt mehrere Programme, die jeweils
auf einen Abschnitt des Innovationsprozesses abzielen. Es
gibt zum einen die Programme, die ich schon vorhin genannt habe und mit denen wir die Existenzausgründungen, also Start-ups aus Forschungseinrichtungen, aber
auch aus Hochschulen, unterstützen. Diese Programme
zeitigen inzwischen einen sehr guten Erfolg. Sie wissen,
dass sich die Zahl der Ausgründungen aus den Forschungseinrichtungen erheblich erhöht hat. Wir wollen
durch das Beteiligungsmodell, das ich genannt habe, auch
erreichen, dass in noch stärkerem Maße privates Kapital
in der Start-up-Phase eingesetzt wird. Diese Programme
entwickeln wir gemeinsam mit der KfW, um das vorhandene Know-how entsprechend zu nutzen.
Zum anderen gibt es seitens des Wirtschaftsministeriums das Programm BTU. Das Volumen dessen, was im
Rahmen dieses Programms für die Start-ups bzw. Neugründungen eingesetzt wird, hat sich in den letzten zwei
Jahren verdreifacht. Auch hier gibt es eine Mischfinanzierung aus privatem und öffentlichem Kapital. Ich persönlich glaube, dass es der richtige Weg ist, beide Finanzierungsarten zu nutzen.
Des Weiteren gibt es eine Reihe von Beratungsunterstützungsmaßnahmen, mit deren Hilfe das Wissen,
das man braucht, um einem Start-up erfolgreich helfen zu
können, mobilisiert werden soll. Diese Bundesregierung
- diese Bilanz kann ich nach zwei Jahren wirklich ziehen hat inzwischen durch ihre konkreten Entscheidungen,
durch ihre Programme, aber auch durch den Ausbau der
Forschungsförderung im Bereich der Biotechnologie, in
dem wir zum Beispiel durch das Programm „Bio-Profile“
Existenzgründungen unterstützen, in den wichtigen
Hightech-Branchen eine Gründungsdynamik erreicht, die
sich wirklich sehen lassen kann. Ich möchte nur auf ein
Beispiel hinweisen: Deutschland liegt inzwischen bezüglich der Zahl der Unternehmensgründungen in der Biotechnologiebranche europaweit an der Spitze. Das ist das
Ergebnis einer ganz klar auf Ausgründung sowie auf Anwendung und Verwertung der Forschungsergebnisse zielenden Politik.
({0})
Herr Kollege Mayer, ich möchte erst die anderen Abgeordneten,
die sich ebenfalls gemeldet haben, aufrufen. Ich nehme
Ihren Namen am Ende der Rednerliste noch einmal auf.
Der nächste Fragesteller ist der Kollege Norbert
Hauser von der CDU/CSU-Fraktion.
Frau Bundesministerin, Sie haben die Frage des Kollegen Mayer nicht
beantwortet. Sie sind in keiner Weise auf die Frage nach
den zukünftigen Änderungen durch die Steuerreform
eingegangen. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie die
Frage beantworteten. Ich bin gerne bereit, mein Fragerecht dafür zu nutzen, um die Frage des Kollegen Mayer
zu wiederholen. Aber Sie sollten sich schon bemühen,
statt den Erfolg von Bio-Regio hier noch einmal darzustellen - wir wissen, dass das ein sehr gutes Programm
war -, auf die Fragen der Kollegen zu antworten, denn es
heißt „Regierungsbefragung“ und nicht „Regierungsvortrag“.
({0})
Herr Hauser, ich hatte die Frage von
Herrn Mayer bereits beantwortet. Ich habe darauf hingewiesen, dass diese Bundesregierung zum ersten Mal seit
vielen Jahren über eine deutliche steuerliche Entlastung
von Unternehmen nicht nur diskutiert, sondern sie wirklich durchgeführt hat.
({0})
- Ja, durch die Senkung des Eingangssteuersatzes, der
Körperschaftssteuer etc.- Das, was Herr Mayer angesprochen hat, ist von den Bundesländern so festgelegt
worden.
Normalerweise pflege ich nicht, Fragen in derselben
Fragestunde zweimal zu beantworten, aber ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass meines Erachtens beides
Dr. Martin Mayer ({1})
zusammenkommen muss, also auch die besseren steuerlichen Rahmenbedingungen, die diese Bundesregierung
geschaffen hat, um konkret Unternehmensneugründungen aus dem Wissenschaftsbereich heraus zu unterstützen. Private und öffentliche Finanzierung, beides gehört
zusammen.
({2})
Herr
Hauser, Sie dürfen gern eine Zusatzfrage stellen.
Ich versuche
dann einmal herauszufinden, ob es an einer anderen Stelle
konkreter wird.
Sie haben vorgeschlagen, Patent- und Verwertungsinfrastrukturen zu schaffen. Können Sie uns in etwa darstellen, wann ein solches Netzwerk, von dem Sie sprechen, geschaffen sein soll, welche Mittel dafür eingesetzt
werden, wann sie bereitgestellt werden und wo sie im
Haushalt eingestellt sind?
Wir wollen dieses Programm in diesem
Jahr starten. Es soll drei Jahre lang laufen. Wir haben die
Mittel dafür im Haushalt im Rahmen der „Zukunftsinitiative Hochschule“ eingesetzt.
Was die dafür vorgesehenen Mittel angeht: Für dieses
Jahr sind 35 Millionen DM veranschlagt, in den darauf
folgenden Jahren sind es dann zunächst wiederum 35 Millionen DM und danach 45 Millionen DM.
Die
nächste Frage hat die Kollegin Ulrike Flach von der
F.D.P.-Fraktion.
Frau Ministerin, die F.D.P. ist
natürlich sehr davon angetan, dass etwas getan wird, um
die Zahl der Patente in diesem Lande zu steigern.
({0})
Damit haben wir auch gar keine Probleme, obwohl wir es
natürlich begrüßen würden, wenn Sie endlich auch das damit eng verbandelte Hochschuldienstrecht auf die
Schiene bekämen, sodass Sie nicht in die unglückselige
Lage geraten müssten, jetzt das Hochschullehrerprivileg
vorziehen zu müssen, weil das andere Vorhaben immer
noch nicht in den Startlöchern steckt.
Aber meine Frage geht in eine ganz andere Richtung.
Auf der einen Seite fördern Sie Patente; das ist ja durchaus richtig. Aber was tun Sie denn auf der anderen Seite?
Sprechen Sie ab und zu auch einmal mit Ihrer Mitministerin Däubler-Gmelin über die unselige Situation beim
Deutschen Patentamt, in dem derzeit 90 000 Patentanmeldungen vor sich hin schlummern und auf ihre Bearbeitung
warten, gleichzeitig das Patentamt aber mit der merkwürdigen Situation fertig werden muss, dass dort in diesem
Jahr zum ersten Mal Computer eingeführt wurden?
Deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie mir darstellten, was Sie auf diesem Gebiet tun.
({1})
Zunächst freue ich mich natürlich, wenn
Sie ungeduldig sind. Ich bitte dann allerdings doch, auch
die richtigen Vergleiche durchzuführen.
Ich habe den Vorschlag für die Neuordnung des Dienstrechts von Bundesseite aus im Herbst des letzten Jahres
vorgestellt, nachdem ich vorher eine Kommission mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen eingesetzt hatte,
die die Vorschläge für die Erneuerung und Modernisierung des Dienstrechts aus ihrer Sicht vorbereiten sollte.
Das ist auch geschehen. Diese Expertenkommission hat
sehr gute Arbeit geleistet. Die Bundesregierung hat im
Gegensatz zu der alten Bundesregierung, die mindestens
fünf bis sechs Jahre lang über das bisherige Dienstrecht
diskutiert hat, ohne einen Vorschlag zu unterbreiten,
knapp ein Vierteljahr gebraucht, um einen Vorschlag vorzulegen.
Ich habe jetzt drei Verhandlungsrunden mit den Ländern durchgeführt. Wir sind - das kann ich für meinen Bereich sagen - so weit fertig. Das Dienstrecht enthält ja
zwei Bestandteile: einmal die Personalstruktur und zum
anderen das Besoldungsrecht. Auch bezogen auf das Besoldungsrecht haben wir die drei Verhandlungsrunden
durchgeführt - da sind noch einige Fragen zu klären; dies
sind aber Fragen, die zügig geklärt werden können, keine
grundsätzlichen Fragen mehr -, sodass Sie ganz sicher davon ausgehen können, dass das neue Dienstrecht, wie ich
es immer angekündigt habe, in dieser Legislaturperiode
beschlossen wird. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel, weil die Übereinstimmung mit den Ländern in fast allen Punkten so hoch ist, dass wir dies auch in dieser Legislaturperiode entscheiden können.
Ich wundere mich - das sage ich ganz offen - über das,
was Sie in Ihrem zweiten Punkt angesprochen haben. Ich
stimme Ihnen nämlich völlig zu, dass es ein Unding ist,
dass das Patentamt erst jetzt mit modernen Computern
ausgestattet wird. Ich erinnere nur daran, dass es die alte
Bundesregierung offensichtlich über viele Jahre hinweg
- denn Computer sind seit mindestens Mitte der 80erJahre in Gebrauch - nicht daran gedacht hat, im Patentamt
eine entsprechende technische Infrastruktur aufzubauen.
Ich stimme Ihnen durchaus zu, dass dies dringend notwendig ist.
({0})
Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass dies schon Ende
der 80er- bzw. Anfang der 90er-Jahre realisiert worden
wäre. Viele Probleme, die wir in den 90er-Jahren gehabt
haben, wären uns dann nämlich erspart geblieben. Zu dieser Zeit hätten Patente zügiger bearbeitet werden können.
Ich bin sehr froh, dass die Justizministerin - übrigens mit
meiner Unterstützung - dies nicht nur eingesehen, sondern von vornherein gesagt hat, dass dies ein wichtiges
Ziel sei, das erreicht werden müsse, damit die Bearbeitungszeit für Patente verkürzt wird.
Lassen Sie mich in dem Zusammenhang noch ein Drittes sagen: Ich bin sehr froh, dass diese Bundesjustizministerin sehr engagiert für die Einführung einer Neuheitsschonfrist auf Europa-Ebene eintritt. Auch dort gibt es ein
erhebliches Defizit. Sie sehen: Diese Bundesregierung
lehnt sich nicht zurück, sondern arbeitet.
({1})
Eine Zusatzfrage, Kollegin Flach.
Ich möchte trotzdem um Beantwortung meiner Frage bitten.
({0})
Die habe ich beantwortet.
Wie beabsichtigen Sie, die
Zahl der 90 000 auf Bearbeitung wartenden Patente zu
verringern, und was machen Sie, wenn - so Ihre Meinung viele neue Anträge hinzukommen?
Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass
diese Bundesregierung dabei ist, die technische Infrastruktur, das heißt die Ausstattung des Patentamtes, zu
modernisieren. Dies wird zu einer deutlichen Verkürzung
der Bearbeitungszeiten führen. Gleichzeitig werden zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt. Das
heißt, diese Bundesregierung hat die Ausgangsbasis für
die Bearbeitung von Patenten sehr deutlich verbessert.
Dies wird im Ergebnis zu einer Verkürzung der Bearbeitungszeiten führen.
Parallel dazu kann ich Ihnen noch darstellen, was ich
aufseiten des Forschungs- und Bildungsministeriums tue,
um die Patentberatung zu verbessern. Ich habe vorhin auf
den Aufbau der Patent- und Verwertungsagenturen hingewiesen. Durch unsere Patentberatungsstelle bei der
Fraunhofer-Gesellschaft haben wir inzwischen auch eine
deutliche Verbesserung erreicht. Wir arbeiten also auf allen dafür notwendigen Ebenen.
Als nächstem Fragesteller erteile ich dem Kollegen Rainer Jork von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Bundesministerin, ich möchte Sie gern zu Punkt 8 des vorgelegten Papiers befragen. Mich interessiert die dort beschriebene
Ausgründungsinitiative. Sie haben vorhin auch ältere Programme genannt und ein neues Förderprogramm angekündigt. Ich frage: Wann wird das angekündigte Förderprogramm zur Unterstützung ausgründungswilliger
Wissenschaftler vorliegen? Wie viele Fördermittel werden bereitgestellt? Warum kündigt die Bundesregierung
das Förderprogramm nur an und stellt die Maßnahme
nicht konkret vor?
In Ergänzung zu Ihrem Hinweis, dass es spezielle Initiativen für die neuen Bundesländer gibt, möchte ich fragen, ob die dortige Situation - besonders hohe Arbeitslosigkeit und damit einhergehend ein besonderer Bedarf an
Ausgründung - berücksichtigt worden ist bzw. wird.
Herr Jork, ich möchte Sie zunächst korrigieren: Ich habe auf das Programm „Bio-Profile“ hingewiesen, das - ich bitte zu entschuldigen, wenn ich es nicht
ganz genau sagen kann -, vor etwas mehr als einem Jahr
aufgelegt worden ist. Auf die Ausgründungsoffensive bezogen möchte ich sagen: Das Programm EXIST-SEED
- auf das ich mich eben bezogen habe - wurde im letzten
Jahr gestartet. Das Programm EXIST läuft ebenfalls bereits. Darüber hinaus werden wir dieses Programm, das
zunächst regional angelegt war, bundesweit anbieten. Die
Bekanntmachung der neuen Förderrichtlinie ist für das
zweite Quartal 2001 vorgesehen.
Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahr mit den
neuen Formen der Beteiligung von privatem Kapital an
Ausgründungen aus den HGF-Zentren starten können.
Zu Ihrer Frage, ob wir ein spezielles Programm für die
neuen Bundesländer vorgesehen haben: Ja, es handelt sich
um das von mir vorhin genannte Programm „Regionale
Wachstumskerne in den neuen Bundesländern“. Damit
wollen wir dort, auf den vorhandenen - auch wirtschaftlichen - Kompetenzen aufbauend, Neugründungen unterstützen. Wir haben also ein Programm speziell für die
neuen Bundesländer vorgesehen.
Herr Hauser, in Bezug auf Ihre Frage möchte ich eine
Korrektur vornehmen. Die korrekten Summen für die
Patent- und Verwertungsagenturen liegen bei 30 Millionen DM, 30 Millionen DM und 45 Millionen DM.
({0})
- Leider ist es nicht so. Aber ich sage Ihnen ganz offen:
Dieses Geld ist sinnvoll investiert.
Kollege
Jork, eine Zusatzfrage.
Unter Bezugnahme auf meine vorherige Frage möchte ich ergänzend
Folgendes sagen: Ich entnehme Ihrer Antwort, dass - das
ist sehr begrüßenswert - eine Fortführung von Programmen wie EXIST vorgesehen ist. Nun ist ein neues Programm angekündigt. Welche neuen Fördermittel sind
dafür vorgesehen? Werden da - eine Antwort darauf
wollte ich mit meiner Frage erreichen - besonders die
neuen Bundesländer bedacht? Oder sind die neuen Bundesländer „bloß“ - ich sage das in Anführungsstrichen Teil des von Ihnen eben genannten Programms?
Herr Jork, das von mir zuletzt genannte
Programm gilt speziell für die neuen Bundesländer. Das
Programm EXIST wird für ganz Deutschland infrage
kommen. Die entsprechende Ausschreibung wird im
zweiten Quartal des Jahres 2001 durchgeführt werden.
Über die Förderung wird dann in einem Wettbewerbsverfahren entschieden, wie es von der Sache her sinnvoll ist.
({0})
Das Programm „Regionale Wachstumskerne“ gilt nur
für die neuen Bundesländer. Es hat in diesem Jahr, im
nächsten Jahr und im übernächsten Jahr ein Volumen von
50 Millionen DM.
Das Recht
zu einer Frage hat jetzt der Kollege Dr. Ernst Rossmann
von der SPD-Fraktion.
Frau Ministerin,
Sie sprachen die Initiative für Patent- und Verwertungsagenturen positiv an. Aus Berichten weiß man, dass es so
etwas schon gibt. In Baden-Württemberg spricht man teilweise von Anlaufzeiten bis zu zehn Jahren. Sie fassen eine
Anschubförderung über drei Jahre ins Auge. Mit welcher
Struktur wollen Sie sicherstellen, dass die Patent- und
Verwertungsagenturen nach drei Jahren finanziell auf eigenen Füßen stehen? Was ist der Unterschied zwischen
Ihrem Modell und den schon in der Praxis befindlichen
Modellen? Gibt es so etwas wie einen Länderschlüssel,
um die unterschiedlichen Initiativen der Länder - sie sind
bereits jetzt vorhanden - auszugleichen?
Unter den Ziffern 25 und 26 des vorgelegten Papiers
sprechen Sie die akademische Weiterbildung an, speziell
den Qualifizierungsverbund. Können Sie etwas zu dem
Finanzvolumen sagen, mit dem Sie in diesem Bereich einsteigen wollen?
Zu Ihrer ersten Frage. Wir haben aus den
Erfahrungen mit regionalen Strukturen durchaus Konsequenzen gezogen. Man kann auch sagen: Wir haben daraus gelernt. Ein Problem der bisherigen Ansätze besteht
darin, dass die an vielen Hochschulen vorhandenen Technologietransferstellen für das gesamte - breite - Spektrum von unterschiedlichen Technologien zuständig sind,
obwohl ihre personelle Ausstattung dafür nicht entsprechend groß ist. Es macht einen großen Unterschied, ob
man ein Forschungsergebnis aus dem Bereich Biotechnologie bzw. Genomforschung - man hat ganz andere Ansprechpartner - oder ein Forschungsergebnis aus dem Bereich Maschinenbau verwertet. Das ist von einer einzigen
Technologietransferstelle schwer zu bewältigen.
Deshalb haben wir unseren Ansatz so gewählt, dass
sich unterschiedliche Universitäten zusammenschließen
können, um zum Beispiel für ein bestimmtes Technologiefeld eine Verwertungsagentur aufzubauen, sodass sich
unterschiedliche Hochschulen, aber auch unterschiedliche Forschungsinstitutionen zusammenschließen können,
um - ich sage auch das beispielhaft - für das Feld der Biotechnologie Verwertung zu betreiben.
Wir wollen allerdings eine leichte Öffnung vornehmen.
Wir wollen unser Vorgehen nicht nur auf branchenbezogene oder forschungsbereichbezogene Alternativen
einschränken; vielmehr wollen wir auch die Möglichkeit regionaler Verwertungsstrukturen schaffen.Wir wollen ferner anbieten, dass dieses auch in Kooperation beispielsweise mit privaten Verwertungsagenturen möglich
ist. Unsere Zielsetzung ist nämlich, durch diese Anschubfinanzierung mittelfristig zu erreichen, dass Agenturen
entstehen, die sich aus ihren eigenen Einnahmen selber
refinanzieren können, weil sie an dem Ertrag aus Lizenzen beteiligt werden. Dieser Ansatz hat sich in anderen
Ländern durchaus als erfolgversprechend gezeigt. Deshalb haben auch wir ihn gewählt.
Die Mittel im Rahmen dieses Programms werden in einem Wettbewerbsverfahren vergeben werden. Es ist kein
Bund-Länder-Programm, sondern ein reines Bundesprogramm. Demzufolge gibt es auch keinen Bund-LänderSchlüssel. Die Verbünde müssen vielmehr durch die Qualität ihres Antrages, in dem sie ihre Zielsetzung erläutern,
und durch eine Beschreibung, wie man zu einer dauerhaften Implementierung dieser Strukturen kommen kann,
überzeugen. Auf dieser Basis wird entschieden. Die
besten Anträge werden ausgewählt und entsprechend gefördert.
Zum Innovationsmanagement und zur Qualifikation:
Wir richten uns zum einen an diejenigen, die im Rahmen
der beruflichen Ausbildung ausgebildet werden. Zum
Beispiel sollte Innovationsmanagement in Zukunft ein
Bestandteil der Meisterausbildung sein und auch innerhalb der Meisterförderung finanziert werden. Mir ist aber
genauso wichtig, dass es zum anderen auch an den Hochschulen entsprechende Angebote gibt.
Ich kann als Bundesministerin die Hochschulen nicht
dazu zwingen, entsprechende Studienangebote anzubieten. Aber ich denke, dass man die Zielsetzung eines solchen Programms deutlich beschreiben sollte. Die Zielsetzung ist, durch die Bündelung von verschiedenen
Initiativen, Maßnahmen und Programmen, die wir haben,
eine schnellere Anwendung der Forschungsergebnisse zu
erreichen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass unser Wissen und unsere hervorragenden Forschungsergebnisse genutzt werden, damit sowohl Arbeitsplätze entstehen und
gesichert werden, als auch unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird.
Aus Zeitgründen kann ich nur noch eine Frage zulassen. Das Fragerecht hat die Kollegin Maritta Böttcher von der PDSFraktion.
Frau Ministerin, ich möchte
an Ihre letzte Bemerkung anknüpfen. Wir sind uns sicherlich einig, dass die Beziehung zwischen Wissenschaft und
Wirtschaft sehr notwendig und wichtig ist. Es stellt sich mir
aber die Frage, welchen Stellenwert die Öffnung der Wissenschaft für die Gesamtgesellschaft, also auch jenseits von
unmittelbaren Verwertungs- und Profitinteressen, hat. Ich
möchte Sie deshalb fragen: Sollte nicht die Zusammenarbeit mit den nicht kommerziellen Nachfragern wissenschaftlicher Erkenntnisse intensiviert werden? Ich meine
hier vor allem Kommunen, Verbände, Gewerkschaften, soziale Bewegungen und gemeinnützige Projekte.
Vorweg möchte ich einen Aspekt deutlich
machen: Die Kompetenzoffensive, in die wir jährlich
35 Millionen DM investieren, ist ein Programm, das in einem sehr hohen Maße gerade Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern - unabhängig davon, ob sie in einer Forschungseinrichtung oder in einem Unternehmen tätig
sind - zugute kommt. Damit unterstützen wir die Qualifikation von Mitarbeitern, die sie gerade heute benötigen
und die zu einer verbesserten Innovationsfähigkeit führt.
Zu Ihrer generellen Frage: Das Programm „Wissen
schafft Märkte“ ist ein Programm, das von BMWi und
BMBF gemeinsam erarbeitet wurde und das ich Ihnen
heute vorgestellt habe. Wir haben seitens dieser Bundesregierung insgesamt die Ausgaben für Forschung und
Entwicklung für ganz unterschiedliche Anwendungsbereiche in den letzten zwei Jahren erheblich gesteigert, nämlich um rund 2,5 Milliarden DM. Wir haben zum Beispiel
auch die Ausgaben für die Förderung der Grundlagenforschung und für die Förderung im Bereich der Vorsorgeforschung gesteigert. Ich will in diesem Zusammenhang nur auf das Programm Gesundheitsforschung
hinweisen, das ich im letzten Winter vorgestellt habe.
Wir setzen diese Mittel ein, um zu erreichen, dass sich
die Lebensqualität insgesamt durch Forschung verbessert.
Dazu gehören alle Bereiche, sowohl der Bereich der Vorsorgeforschung als auch jener der Gesundheitsforschung
oder jener der Umweltforschung. Dazu gehört ebenso die
Grundlagenforschung; denn ohne eine exzellente Grundlagenforschung können wir keine neuen Produkte entwickeln.
Dazu gehört aber eben auch, dafür Sorge zu tragen, dass eine
bessere Verwertung von Forschungsergebnissen möglich
wird und diese wiederum zu einer schnelleren Verbesserung
von Lebensqualität führt. Dazu gehört sicherlich ebenfalls
- auch das ist ein Punkt, der eine hohe gesamtgesellschaftliche Verantwortung beinhaltet -, dass wir durch diese Maßnahmen erreichen wollen, dass in diesem Land Arbeitsplätze gesichert und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Vielen
Dank, Frau Bundesministerin. - Ich kann jetzt keine
Frage mehr zulassen, denn wir haben die Zeit schon überschritten.
Ich beende den Bereich der Themen der heutigen Kabinettssitzung.
Zu einer Frage, die über diesen Themenbereich hinausgeht, hat sich der Kollege Jürgen Koppelin gemeldet. - Herr Koppelin, bitte schön.
Ich hätte es natürlich gern
gesehen, wenn ein Vertreter des Gesundheitsministeriums
anwesend gewesen wäre, den man hätte direkt fragen können. Nun muss ich Herrn Staatsminister Bury fragen.
Herr Staatsminister, da wir in diesen Tagen und gerade
heute wieder lesen, dass im Gesundheitsministerium mehrere Spitzenbeamte entlassen worden sind, darf ich fragen:
Hat das in der Bundesregierung inzwischen eine Rolle gespielt, zumal der Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen sogar von Säuberungen in diesem Ministerium gesprochen hat? Ich kann mir nur vorstellen, dass jemand
entlassen wird, der für seinen Job nicht qualifiziert ist.
Oder gibt es auch noch andere Gründe, warum jemand
entlassen werden könnte? Gibt es bereits Nachfolger der
Entlassenen im Gesundheitsministerium?
Herr
Staatsminister Bury, bitte.
Herr Kollege Koppelin, das Thema hat in der heutigen
Kabinettssitzung keine Rolle gespielt. Ich kann Ihnen deshalb auch zu einzelnen Personalentscheidungen im
Bundesministerium für Gesundheit keine Auskunft geben.
Zusatzfrage, Herr Kollege Koppelin.
Herr Staatsminister, es
kann Sie doch nicht zufrieden stellen, wenn der Koalitionspartner von Säuberungen in einem Ministerium
spricht. Das muss im Kanzleramt eine Rolle spielen. Es
sind doch Verstimmungen aufgetreten.
({0})
Ich will Ihnen jetzt nicht alles vorlesen, was ich in diversen Zeitungen gelesen habe. Ich frage Sie als Staatsminister dieser Bundesregierung also noch einmal, wie das
aussieht: Kann auch jemand entlassen werden, der sehr
qualifiziert ist - wie zum Beispiel Bündnis 90/Die Grünen
sagen -, und welche anderen Gründe außer mangelnder
Qualifikation gibt es, warum jemand entlassen wird? Das
müssten Sie als Staatsminister doch wissen.
Die Äußerungen, auf die Sie sich beziehen, Herr Kollege Koppelin, sind mir nicht bekannt.
({0})
Wie Sie wissen - wir hatten das Spiel verschiedentlich -,
pflege ich an dieser Stelle auch nicht Presseveröffentlichungen zu kommentieren.
({1})
Gibt es
eine weitere Frage an die Bundesregierung, die über den
Themenbereich der Kabinettssitzung hinausgeht? - Das
ist nicht der Fall. Dann beende ich die Befragung der
Bundesregierung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/5500 Zunächst haben wir zwei Fragen zu behandeln, die in
der Fragestunde der letzten Woche nicht beantwortet werden konnten, weil die Staatssekretärin Margareta Wolf
nicht mehr anwesend sein konnte.Die Fragen 26 und 27
({0}) wurden als Anlage 2 des Stenographischen Berichts der 156. Sitzung abgedruckt. Sie ist
aber jetzt anwesend.
Ich rufe Frage 28 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer
({1}) auf:
Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Flat Rate,
das heisst einer Monatspauschale für den Internetzugang einschließlich Telefongebühren, für die Förderung der Internetnutzung durch junge Leute mit schmalem Geldbeutel bei?
Bitte, Frau Wolf.
Herr Mayer,
vorab möchte ich mich bei Ihnen für die Geduld bedanken, die Sie in der letzten Sitzungswoche aufgebracht haben. Ich musste zum Flieger; die Debatte hatte sich ja etwas verzögert. Aber wir haben darüber telefoniert.
Ich beantworte Ihre Frage 28 wie folgt: Sie wissen,
dass die Bundesregierung im vergangenen Sommer ein
umfangreiches Aktionsprogramm für Wachstum und Beschäftigung im Informationszeitalter verabschiedet hat.
Die Förderung des Internets und insbesondere die Nutzung dieses Mediums durch junge Menschen sind für die
Bundesregierung - das kann man auch diesem Programm
entnehmen - ein Anliegen von absolut höchster Priorität.
Mit der Initiative „Schulen ans Netz“ leistet die Bundesregierung einen weiteren wichtigen Beitrag, um Schüler
und Jugendliche an die Nutzung des Internets heranzuführen. Mittlerweile verfügen 33 000 der insgesamt
36 000 Schulen in Deutschland über einen Internetanschluss.
Wir teilen auch die Auffassung, die Sie in Ihrer Frage
insinuieren, dass gerade mit Blick auf die begrenzten
Budgets jugendlicher Internetnutzer preisgünstigen Angeboten eine wichtige Rolle bei der weiteren Durchdringung dieser Nutzerschicht zukommt.
Schon heute - so glauben wir - können Jugendliche auf
mehrere attraktive Alternativen zurückgreifen. So weist
beispielsweise der deutsche Markt die niedrigsten minutengetakteten Internetzugangstarife aus. Konkret bedeutet
dies, dass hierzulande 30 bis 40 Stunden Internetnutzung - das ist die durchschnittliche Nutzungszeit von
Flat-Rate-Nutzern in den Vereinigten Staaten oder in
Großbritannien - günstiger als in diesen Ländern ist. Minutenbasierte Tarife sind im vergangenen Jahr um bis zu
60 Prozent gesunken und zählen heute europaweit zu den
niedrigsten. Darüber hinaus bestehen für Schüler spezielle Angebote, die beispielsweise 80 Stunden Internetnutzung für monatlich 20 DM ermöglichen.
Mittlerweile - das ist ebenfalls bekannt - gibt es in
Deutschland auch zahlreiche Flat-Rate-Angebote. Ein
bundesweit tätiger Anbieter ermöglicht den zeitlich unbegrenzten Internetzugang für monatlich unter 80 DM, andere Anbieter bieten sogar noch günstigere Pauschaltarife
an. Des Weiteren sind DSL-Angebote am Markt, die nach
einer für den britischen Regulierer erstellten Studie in
Deutschland günstiger als etwa in Frankreich, dem Vereinigten Königreich oder den Vereinigten Staaten sind. Insbesondere für so genannte Power User, die das Internet
täglich zu verschiedenen Tageszeiten für mehrere Stunden
nutzen wollen, stellen DSL-Angebote eine Alternative zur
Schmalband-Flat-Rate dar. Allerdings ist zu konstatieren,
dass DSL-Angebote derzeit noch nicht überall verfügbar
sind. Die Bundesregierung erwartet aber einen raschen
Ausbau der DSL-Angebote der verschiedenen Anbieter
und nach dem angekündigten vollständigen Verkauf der
Breitbandkabelnetze durch die Deutsche Telekom in absehbarer Zeit weitere bundesweite Angebote für den
Hochgeschwindigkeitsinternetzugang auf Flat-Rate-Basis.
Zusatzfrage, Kollege Mayer.
Frau
Staatssekretärin, teilen Sie die Auffassung, dass eine echte
Flat Rate, also eine echte Monatspauschale, für den Internetzugang in Deutschland nur in ganz wenigen Ausnahmefällen zu einem kostengünstigen Preis verfügbar ist
und dass die Tatsache, dass die Bundesregierung der Regulierungsbehörde im Falle der Post eine Anweisung erteilt hat, im Falle der Telekommunikation aber bisher
untätig geblieben ist, darauf schließen lässt, dass die Flat
Rate für die Bundesregierung doch kein so großes Anliegen ist?
Herr Kollege
Mayer, ich teile Ihre Einschätzung nicht. Sie wissen, dass
die Regulierungsbehörde am 15. November 2000 eine
Entscheidung getroffen hat, wonach die Deutsche Telekom
verpflichtet ist, bis Anfang Februar den Wettbewerbern
eine Vorleistungs-Flat-Rate zu gewähren. Online-DiensteAnbieter erhalten eine verbesserte Kalkulationsgrundlage
für das Angebot preiswerter monatlicher Pauschaltarife an
Kunden mit schmalbandigem Internetzugang. Die Bundesregierung hat die Entscheidung der Regulierungsbehörde
begrüßt. Sie hat sie für notwendig gehalten, um die hohe
Wettbewerbsintensität am deutschen Internetmarkt zu sichern. Wir glauben auch, dass diese Entscheidung dazu beitragen wird, dass die große Wachstumsdynamik - das zeigen auch die Zahlenvergleiche mit anderen Ländern - bei
der Internetnutzung weiter verstärkt wird, die führende
Position Deutschlands in Europa ausgebaut und der Abstand zu den USA rasch aufgeholt wird.
Weitere
Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass die Deutsche
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Telekom AG kurz nach dem Angebot der GroßhandelsFlat-Rate ihr eigenes echtes Flat-Rate-Angebot zurückgezogen hat, und teilen Sie meine Auffassung, dass damit
die Aussage des Bundeskanzlers vom 11. Februar vorigen
Jahres, es werde eine Full Flat Rate unter 100 DM geben,
desavouiert ist?
Herr Kollege,
ich teile Ihre Einschätzung nicht. Ich glaube, dass die bisherige Entwicklung nahe legt, dass wir auch zukünftig der
Wettbewerbsdynamik in diesem Markt vertrauen können.
Sollte sich herausstellen, dass das nicht der Fall ist, werden wir uns mit der Regulierungsbehörde ins Benehmen
setzen.
({0})
Sie haben
nur zwei Zusatzfragen.
({0})
- Nein, nur auf Frage 28. Die Frage 29 kommt noch.
Herr Kollege Tauss hat eine weitere Frage.
Eine Zusatzfrage in dem Zusammenhang, Frau Staatssekretärin. Würden Sie mir, nachdem diese Woche aller Voraussicht nach das Oberverwaltungsgericht die Klage der Telekom bescheiden wird,
nochmals bestätigen, dass zu erwarten ist, nicht nur dass
die Bundesregierung an ihrem Ziel festhält, auch künftig
ihren Beitrag zu einer preiswerten Zugangsmöglichkeit
zum Internet zu leisten, sondern dass sie im Lichte dieser
Ereignisse und dieser Urteile nochmals prüfen wird, welche Möglichkeiten es gibt, das Ziel eines preiswerten Internetzugangs auch in Deutschland zu realisieren, sofern
die Telekom nicht von sich aus die geeigneten Schritte
dazu ergreifen sollte?
Herr Kollege
Tauss, ich stimme Ihnen von Anfang bis Ende Ihres Redebeitrages zu, möchte dazu aber noch Folgendes sagen:
Ich finde es erstaunlich, in welchem Maße sich der Grad
der Durchdringung mit Internetzugängen in den letzten
zwei Jahren entwickelt hat, sodass der Unterton, der in Ihrer Frage mitschwang, von mir nicht in vollem Umfang
geteilt werden kann.
({0})
- Untertöne sind immer klasse.
Dann
kommen wir zu der in der letzten Woche offen gebliebenen Frage 29 des Kollegen Martin Mayer ({0}).
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, damit in Deutschland bald flächendeckend eine erschwingliche
echte Flat Rate, das heißt eine Monatspauschale für den Internetzugang einschließlich Telefongebühren, angeboten wird?
Herr Kollege
Mayer, ich beantworte im Namen der Bundesregierung
Ihre Frage wie folgt:
Die Regulierungsbehörde hat am 15. November 2000
die Deutsche Telekom verpflichtet - ich habe vorhin
schon darauf hingewiesen -, Online-Dienste-Anbietern
eine so genannte Vorleistungs-Flat-Rate anzubieten, die
diesen wiederum die Ein- bzw. Weiterführung von Endkunden-Flat-Rates ermöglicht. Die Bundesregierung hat
diese Entscheidung begrüßt und geht davon aus, dass sich
die Deutsche Telekom und Wettbewerber auf der Basis
dieser Vorgabe einigen werden. Sollte dies nicht der Fall
sein - auch darauf habe ich schon hingewiesen -, muss
sich die Regulierungsbehörde für Telekommunikation
und Post gegebenenfalls ein weiteres Mal einschalten.
Es gibt in Deutschland flächendeckend Flat-Rate-Angebote für die Internetnutzung. Insoweit sind weitere
Maßnahmen seitens der Bundesregierung im Moment
nicht geplant. Insbesondere ist nicht an direkte oder indirekte Subventionsmaßnahmen für schmalbandige Internetzugänge gedacht, zumal hierdurch der oben beschriebene Aufbau von zum traditionellen Telefonnetz
alternativen Infrastrukturen wie DSL oder Breitbandkabel
konterkariert werden könnte.
Zusatzfrage, Kollege Mayer.
Frau
Staatssekretärin, darf ich aus der Tatsache, dass die Bundesregierung die Flat Rate, also die Monatspauschale für
den Internetzugang, sowohl durch den Bundeskanzler
- wie schon erwähnt - als auch durch den Staatsminister
im Bundeskanzleramt Bury ankündigen ließ, und daraus,
dass es in Deutschland noch lange keine flächendeckende
Flat Rate geben wird, schließen, dass die Bundesregierung dieses Ziel nicht mit Nachdruck verfolgt oder erfolglos ist?
Herr Kollege
Mayer, das können Sie daraus nicht schließen. Ich möchte
Sie bitten, sich an die Frage des Kollegen Tauss zu erinnern. Er hat auf das zu erwartende Urteil hingewiesen.
Ich glaube, man kann der Bundesregierung mitnichten
unterstellen, dass sie kein Interesse daran hätte, eine
flächendeckende Internetdurchdringung nicht nur bei jungen Leuten, sondern auch in der Wirtschaft zu erreichen.
Wir werden vielmehr alles in unserer Macht Stehende tun,
damit dieses auch geschieht.
Weitere
Zusatzfrage, Kollege Mayer.
Dr. Martin Mayer ({0})
Frau
Staatssekretärin, darf ich aus einer Agenturmeldung über
eine Aussage des Bundeskanzlers anlässlich des Gipfels
in Lissabon, es sei eines seiner Ziele, in der Union möglichst rasch zu sehr preisgünstigen, gegen null gehenden
Gebühren beim Internetanschluss zu kommen, und aus
der gegenwärtigen Lage in Deutschland, dass dies eben
noch nicht verwirklicht ist, schließen, dass man auf die
Aussagen des Herrn Bundeskanzlers keine allzu hohen
Wetten abschließen sollte?
({0})
Verehrter Herr
Kollege Mayer, das würde ich daraus nie und nimmer
schließen.
Ich habe Ihnen vorhin in den Antworten auf die beiden
an mich gerichteten Fragen die Ländervergleiche verdeutlicht. Wir liegen europaweit vorn, nicht nur was die
niedrigen Kosten angeht. Wir haben erstens die niedrigste
Flat Rate. Wir haben zweitens in Deutschland die umfassendste Durchdringung mit Internetzugängen. Wir haben
in den letzten zwei Jahren sehr aufgeholt, sodass man vor
dem Hintergrund der verschiedensten Initiativen der Bundesregierung und auch des Kanzleramtes, zum Beispiel
von D 21, sagen kann: Diese Bundesregierung kümmert
sich wirklich darum, dass wir für die Informationsgesellschaft fit werden. Wir sind schon heute auf dem besten
Wege.
Erlauben Sie mir eine Zusatzbemerkung, die vielleicht
nicht besonders sachlich ist, aber sehr viel aussagt über
das, was versäumt worden ist: In der Vergangenheit hat
man Datenautobahnen eher in die Zuständigkeit des Verkehrsministers verwiesen; Sie werden sich noch an die
legendäre Talkshow von 1997 erinnern. Wenn man den
Debattenstand von damals mit unserem Debatten- und
Sachstand von heute vergleicht, kann man mit Fug und
Recht sagen, dass wir auf einem sehr guten Wege sind und
sehr viel aufgeholt haben.
Gibt es in
diesem Zusammenhang weitere Zusatzfragen? - Das ist
nicht der Fall.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Bitte bleiben Sie
aber hier; denn Ihr Geschäftsbereich wird noch einmal
aufgerufen.
Wir kommen jetzt zu den Fragen dieser Woche und beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael
Catenhusen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Norbert Hauser
({0}) auf:
Trifft es zu, dass die Gesellschafteranteile der GMD Forschungszentrum Informationstechnik GmbH Anfang April 2001
auf die Fraunhofer-Gesellschaft e. V. ({1}) übertragen werden
sollen, und plant die Bundesregierung, diesbezüglich gemäß § 65
Abs. 7 Bundeshaushaltsordnung die Einwilligung von Bundestag
und Bundesrat einzuholen?
Herr
Kollege Hauser, auf Ihre erste Frage möchte ich Ihnen
antworten, dass es bei diesem Übergang der Gesellschaftsanteile einer gesonderten Einwilligung nach § 65
Abs. 7 Bundeshaushaltsordnung nicht bedarf. Denn im
Haushaltsplan 2001 wurde in Einzelplan 30 ein Leertitel
mit einem Haushaltsvermerk aufgenommen, der die
Übertragung der Gesellschaftsanteile des Bundes an der
GMD auf die FhG zulässt. § 65 Abs. 7 Bundeshaushaltsordnung sieht eine gesonderte Einwilligung des Bundestages und des Bundesrates nur für den Fall vor, dass die
Veräußerung eines Unternehmens nicht im Haushaltsplan
vorgesehen ist.
Die Vertragsverhandlungen für die Übertragung der
Gesellschaftsanteile der GMD Forschungszentrum Informationstechnik GmbH auf die Fraunhofer-Gesellschaft,
FhG, sind abgeschlossen. In seiner Sitzung am 25. Januar
2001 hat der zuständige Bund-Länder-Ausschuss Fraunhofer-Gesellschaft der Zusammenführung der Einrichtungen zugestimmt und die finanziellen Rahmenbedingungen hierfür geschaffen. Die Gesellschafter der GMD
und die FhG haben sich darauf verständigt, den Übertragungsvertrag im April zu unterzeichnen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hauser? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, dass die Projektträger „Fachinformation“, Darmstadt, und „Neue Medien in der Bildung“ in Sankt Augustin-Birlinghoven in das DLR
eingegliedert werden sollen?
Das
kann ich Ihnen heute nicht bestätigen. Aber es gibt darüber Gespräche.
Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, dass das Hahn-Meitner-Institut
ebenfalls in den IuK-Verbund der FhG eingegliedert werden soll und wie soll, wenn das so ist, die Finanzierung
aussehen? Denn dann wären ja zusätzliche Mittel notwendig, weil ein weiteres Institut in den Verbund hineinkäme.
Das
kann ich auf jeden Fall dementieren. Denn das HahnMeitner-Institut betreibt einen Forschungsreaktor. Einen
sachlichen Zusammenhang zwischen einer Forschungseinrichtung, die einen Forschungsreaktor betreibt, und der
GMD sehen wir nun weiß Gott nicht. Aber vielleicht hatten Sie ja auch etwas anderes gemeint.
Gibt es
Zusatzfragen von anderen Kollegen? - Das ist nicht der
Fall.
Dann kommen wir zur Frage 2 des Kollegen Norbert
Hauser ({0}):
Wurden im Zuge der Fusion Verhandlungen zum Interessenausgleich mit den zuständigen Betriebsräten der GMD geführt
und welche arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren sind wegen der
Fusion von GMD und FhG anhängig?
Auf
Ihre Frage möchte ich Ihnen wie folgt antworten: Im Januar 2001 haben Gespräche des Vorstands der GMD mit
den Betriebsräten der GMD stattgefunden. Die Betriebsräte forderten einen Interessenausgleich nach §§ 111 ff.
Betriebsverfassungsgesetz. Sie legten zur Vereinbarung
eines Interessenausgleichs einen Entwurf vor.
Die Geschäftsführung der GMD hat Verhandlungen
zum Interessenausgleich im Rahmen der Zusammenführung von GMD und FhG zu Recht abgelehnt. In den
Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, in denen ein Interessenausgleich geregelt wird, wird vorausgesetzt, dass die Geschäftsführung des betroffenen Betriebes eine Betriebsänderung konkret plant. Nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts löst allein der
Betriebsübergang der GMD auf die FhG noch keine Beteiligungsrechte der GMD-Betriebsräte nach §§ 111 ff.
Betriebsverfassungsgesetz aus.
Über den Betriebsinhaberwechsel hinausgehende Betriebsänderungen, die Rechte der GMD-Betriebsräte nach
§§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz auslösen könnten,
sind aktuell bei der GMD nicht geplant. Ein entsprechender Antrag des Berliner GMD-Betriebsrates auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht Berlin
wurde zurückgewiesen.
Zurzeit läuft zwischen dem GMD-Betriebsrat und dem
GMD-Vorstand noch ein Einigungsstellenverfahren. Dort
hat man sich auf den Vorsitzenden der Einigungsstelle verständigt. Die Einigungsstelle wird in Kürze zusammentreten und erst dann über ihre Zuständigkeit entscheiden.
Der Gesamtbetriebsrat der GMD hat beim Arbeitsgericht einen Antrag eingereicht mit dem Ziel, Betriebsänderungen vor Durchführung eines Interessenausgleichs zu
untersagen. Sie wissen, dass dazu - ich glaube, heute eine Verhandlung vor dem Arbeitsgericht stattfindet.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hauser.
Herr Staatssekretär, ist es so, dass die Geschäftsführung den Interessenausgleich abgelehnt hat, oder ist die Geschäftsführung
von Ihrem Hause angewiesen worden, den Interessenausgleich abzulehnen?
Ich
denke, dass es zu solchen Fragen Gespräche zwischen der
Geschäftsführung und dem Zuwendungsgeber, dem
BMBF, gegeben hat. Sie wissen aber auch, dass die Geschäftsführung diese Frage entschieden hat.
Zweite
Zusatzfrage, Herr Kollege Hauser.
Herr Staatssekretär, wie darf ich dann das Schreiben Ihres Hauses vom
25. Januar 2001 - unterschrieben von Herrn Hocks - an die
Geschäftsführung der GMD, an Herrn Dr. Sundermann,
verstehen? Im letzten Absatz dieses Schreibens heißt es:
Ich gehe deshalb davon aus, dass Sie die Bildung von
Einigungsstellen verhindern und dem Abschluss eines Interessenausgleiches mit den von den Betriebsräten der GMD gewünschten Inhalten - wie bisher auch weiterhin nicht zustimmen werden.
Ich
gehe davon aus, dass das Haus damit seine Rechtsauffassung der Geschäftsführung der GMD mitgeteilt hat.
Gibt es
eine weitere Zusatzfrage dazu? - Das ist nicht der Fall. Ich
bedanke mich bei Herrn Staatssekretär Catenhusen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Es ist die schriftliche Beantwortung der
Frage 3 des Kollegen Koschyk beantragt worden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Auch
beide Fragen zu diesem Bereich, die Fragen 4 und 5, sollen schriftlich beantwortet werden. Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin Wolf. So entgehen Sie der Pflicht, die
Frage jetzt mündlich zu beantworten.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Peter Harry
Carstensen auf:
Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, den modernen
deutschen Schweinemastbetrieb mit einem 3 000er-Stall mit automatischer Fütterung und allen Schikanen zur effizienten Mast sowie einem 30er-Schweinestall mit Auslauf, artgerechter Haltung
und Fütterung, dessen Tiere der Ernährung des Landwirtes und
seiner Freunde dienen, den sie im ersten Kapitel ihrer Vorschläge
für eine verbraucherorientierte Neuausrichtung der Agrarpolitik
und für eine andere Landwirtschaft vorstellt, namentlich zu benennen, damit erfragt werden kann, warum diese Form der geteilten Schweineproduktion in diesem Betrieb praktiziert wird und
was gegen die Qualität der im 3 000er-Stall gemästeten Schweine
spricht?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Kollege Peter Harry Carstensen, die
Bundesregierung sieht grundsätzlich keine Veranlassung,
interne Arbeitspapiere zum Gegenstand öffentlicher Erörterung zu machen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Carstensen.
Herr
Staatssekretär, können Sie als Gerald Thalheim, als ein ordentlicher Kerl aus Sachsen, mir versichern, dass es diesen Betrieb gibt?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Kollege Carstensen, ich darf wiederholen: Ich habe als ehemaliges Mitglied des Untersuchungsausschusses „Treuhandanstalt“ gelernt, dass die
interne Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung
zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zählt.
Das heißt, wir müssen nicht öffentlich nachvollziehbar
machen, über welche Schritte es zur internen Meinungsbildung kommt.
Unabhängig davon, Herr Kollege Carstensen, gehe ich
davon aus, dass es einen solchen Betrieb gibt. Es ist in der
Tat die Frage zu stellen - leider geht das aus dem Papier
nicht ausreichend hervor -, was die Beweggründe des
Landwirts sein mögen, in seinem Betrieb in sehr unterschiedlicher Weise Schweine zu halten und dem Markt
zuzuführen.
Zweite
Zusatzfrage, Herr Kollege Carstensen.
Herr
Staatssekretär, wenn Sie der Meinung sind, dass es diesen
Betrieb gibt, können Sie sich vorstellen, dass wir beide
- Sie und ich - ein gemeinsames Interesse daran haben
könnten, im Sinne der Fortführung der Agrarpolitik dort
einmal ein Gespräch mit dem Betriebsleiter zu führen, um
die Gründe für seine Betriebsaufteilung zu erfahren, und
sind Sie bereit - ich darf darauf hinweisen, dass ich eine
Konferenzbescheinigung der NATO habe; das heißt, dass
die Leute davon ausgehen können, dass ich nicht alles
weitererzähle -, dann mit mir zu diesem Betrieb zu fahren?
({0})
- Ein Semester.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Kollege, ich bin gern bereit, zu diesem Betrieb oder anderen Betrieben zu fahren.
({1})
Ich habe aus den Gesprächen in den letzten Tagen erfahren, dass eine derartige Praxis durchaus nicht unüblich ist.
Viel notwendiger ist es, wirklich über die Beweggründe
nachzudenken.
Ich glaube, ohne dass ich Detailkenntnisse habe, dass
dies eine Frage der Segmentierung der Märkte ist. Der
Teil der Schweine, der mit höherem Standard gehalten
wird - Auslauf, möglicherweise Strohaufstallung -, verursacht natürlich höhere Kosten. Das Problem ist, dass der
Markt in der Vergangenheit nicht bereit war, dieses Mehr
an Leistung in dem Umfang zu honorieren, in dem zusätzliche Kosten entstehen. Ich gehe davon aus, dass die
öffentliche Diskussion um eine Agrarwende, und die Entscheidungen der Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Bereitschaft in der Öffentlichkeit fördern werden, dieses Mehr an Leistung der Landwirtschaft künftig
auch über die Verbraucherpreise zu honorieren.
Vielen
Dank. - Wir kommen zur Frage 7 der Abgeordneten
Gudrun Kopp:
Wie beurteilt die Bundesregierung mögliche Klagen auf
Staatshaftung im Rahmen der BSE-Krise?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Sehr geehrte Frau Kollegin Kopp, ich
verweise auf meine Antwort auf Ihre Frage in der Fragestunde vom 24. Januar dieses Jahres: Schadensersatzoder Entschädigungsansprüche gegen die Bundesrepublik
Deutschland können aus Sicht der Bundesregierung nicht
mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden.
Zusatzfrage, Kollegin Kopp.
Herr Staatssekretär, wer trägt
zum Beispiel für Fehlproduktionen bei der Herstellung
von Futtermitteln die Verantwortung? Sehen Sie im Bereich der Verletzung von Amtspflichten vielleicht doch
irgendwelche Schadensersatzforderungen auf den Staat
zukommen?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Frau Kollegin Kopp, Sie müssten exakter
definieren, wo eine Verletzung der Amtspflicht anzusiedeln wäre. Ich habe bei der Beantwortung der eben
angesprochenen Frage deutlich gemacht, dass ich als
Nichtjurist im besagten Untersuchungsausschuss - ich
sehe den ehemaligen Vorsitzenden, Herrn Friedrich, hier
sitzen - entsprechend Rechtskenntnis und Wissen erlangt
habe.
Bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen
geht es um den Kausalitätsnachweis. Haftungsansprüche
ergeben sich nicht automatisch dadurch, dass Behörden
der Vorwurf zu laxer Kontrollen gemacht werden kann.
Bei BSE ist das Problem eindeutig der Nachweis der Kausalität. Das dürfte sich sowohl im zivilrechtlichen Bereich
als Hindernis für die Durchsetzung von Haftungsansprüchen erweisen als auch im Bereich der Haftung
gegenüber dem Staat, also der Bundesrepublik.
Weitere
Zusatzfrage? - Bitte schön, Frau Kopp.
Meine weitere Zusatzfrage
betrifft die Produkthaftung. Es hat ja dazu ein Grünbuch
der EU mit Empfehlungen zur Weiterentwicklung von
Produkthaftungsfragen gegeben. Plant die Bundesregierung in diesem Zusammenhang einen weiteren Vorstoß, einen Gesetzentwurf, eine weitere Vorlage oder sehen Sie keinerlei Handlungsbedarf?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Wir haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode, wenn ich mich richtig erinnere, die
Produkthaftung auf die landwirtschaftliche Urproduktion
ausgedehnt. Das war lange strittig; aber auch hier wirkt die
Produkthaftung nur in den Fällen, in denen die Kausalität
wirklich nachgewiesen werden kann. Die Schädigung
muss also an einem wissentlichen oder unwissentlichen
Fehlverhalten des Erzeugers, bei landwirtschaftlichen Produkten also des Landwirts, festgemacht werden können.
Das ist generell das Problem bei der Produkthaftung für
landwirtschaftliche Erzeugnisse. Erst recht dürfte es im
Falle von BSE schwer fallen, diesen Kausalitätsnachweis
zu führen.
({0})
- Nein, wir haben die Produkthaftung auf die landwirtschaftliche Urproduktion ausgedehnt. Das heißt: Auch der
landwirtschaftliche Erzeuger haftet für sein Produkt im
Sinne der Produkthaftung. Das war in der Vergangenheit
nicht der Fall.
Eine weitere Frage des Kollegen Carstensen.
Ich
will den Herrn Staatssekretär nicht berichtigen. Aber mit
der Gefährdungshaftung hat das gerade nichts zu tun. Es
geht um Produkthaftung, wenn ich das richtig sehe. Aber
ich habe ja, wie gesagt, nur ein Semester Jura studiert.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Da haben Sie mir etwas voraus.
Kurz bevor man mir das Rechtsbewusstsein nehmen
wollte, habe ich aufgehört.
Können Sie mir bitte sagen, wie viele Klagen auf
Staatshaftung inzwischen eingegangen oder angekündigt
worden sind?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Die Antwort würde ich gerne schriftlich
nachreichen. Im Vorfeld der Fragestunde haben wir an
dieser Stelle nicht recherchiert. Bis jetzt sind mir allerdings nur die öffentlichen Ankündigungen bekannt.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär Thalheim.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike
Mascher zur Verfügung.
Als Erstes die Frage 8 des Abgeordneten Wolfgang
Dehnel:
Beabsichtigt die Bundesregierung, in absehbarer Zeit auch
Facharbeitern - beispielsweise aus Tschechien - die Möglichkeit
einzuräumen, eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr statt bisher vierteljährlich zu genehmigen, wenn für
Unternehmen in Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern keine
deutschen Facharbeiter zur Verfügung stehen?
Als Ausnahme
von dem seit 1973 bestehenden Anwerbestopp kann ausländischen Arbeitnehmern, soweit es sich nicht um
Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes handelt,
grundsätzlich nur für die in der Anwerbestoppausnahmeverordnung aufgeführten Beschäftigungen eine Arbeitserlaubnis erteilt werden. Eine allgemeine Erteilung der
Arbeitserlaubnis an Fachkräfte aus einem Drittausland für
die Beschäftigung bei deutschen Unternehmen ist nicht
zulässig.
Allerdings kann im Rahmen der nach § 6 Anwerbestoppausnahmeverordnung bestehenden Ausnahmeregelungen für Grenzgänger aus Polen und Tschechien Fachkräften eine Arbeitserlaubnis für Beschäftigungen
innerhalb der Grenzzone erteilt werden. Voraussetzung
dafür ist nach § 285 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, dass den Arbeitsämtern für diese Tätigkeit keine inländischen Arbeitssuchenden zur Verfügung stehen und
die Arbeitsbedingungen der Grenzgänger nicht ungünstiger als die vergleichbarer deutscher Beschäftigter sind.
Die Grenzgängerregelung sieht keine Höchstgrenze
für die Dauer der Beschäftigung vor. Die Beschäftigten
erhalten zum Nachweis des erlaubten Aufenthaltes eine
Grenzgängerkarte nach § 19 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes. Eine zusätzliche Aufenthaltsgenehmigung ist nicht erforderlich.
Zusatzfrage, Kollege Dehnel.
Herr Präsident, ich
glaube es wäre sinnvoll, gleich auch die zweite Frage zu
beantworten. Das gehört zusammen.
Gerne.
Dann rufe
ich auch die Frage 9 des Abgeordneten Dehnel auf:
Sieht die Bundesregierung im Vorfeld der EU-Osterweiterung
solch einen Schritt eher als Stärkung von Unternehmen in den
Grenzregionen oder als Schwächung des Arbeitsmarktes an?
Die Grenzgängerregelung wurde bereits Anfang der 90er-Jahre mit
dem Ziel eingeführt, mit der Möglichkeit der Beschäftigung bei den auf deutscher Seite im grenznahen Raum ansässigen Betrieben einen Beitrag zum Entstehen einheitlicher Wirtschaftsräume und Arbeitsmarktregionen über
die Grenzen von Polen und Tschechien hinweg zu leisten.
Dabei kann die Besetzung offener Arbeitsplätze mit
Fachkräften im Rahmen der Regelung sicher gleichzeitig
auch zur Stärkung der Unternehmen in den Grenzregionen beitragen, wenn dadurch anders nicht auszufüllende Arbeitskräftelücken geschlossen werden können.
Zusatzfrage, Kollege Dehnel.
Frau Staatssekretärin, Sie haben mir gerade erläutert, dass es nicht
erforderlich sei, die Verlängerung der Arbeitserlaubnis
anzustrengen. Sie sagten, eine vierteljährliche Beschränkung sei nicht vorgesehen. Wie erklären Sie sich
dann, dass vor Ort solche Beschränkungen ausgegeben
werden?
Ich war auf Hinweis Ihres Kollegen, des Herrn Staatssekretärs Mosdorf, in einem Unternehmen, das den Deutschen Musikinstrumentenpreis gewonnen hat, worüber
ich mich sehr gefreut habe. Ich habe dorthin auch die
Grüße und Wünsche des Staatssekretärs überbracht. Dort
sagte mir ein Unternehmer, er sei nicht damit zufrieden,
dass die tschechischen Arbeitnehmer, die dringend erforderlich sind, weil dieses Unternehmen expandiert hat, der
Beschränkung auf vierteljährliche Arbeitserlaubnisse unterlägen. Wie sehen Sie das? Ist das in der Praxis anders
als in der Theorie?
Wenn Sie es so beschreiben, scheint es so zu sein. Herr Abgeordneter
Dehnel, ich will mich gerne darum kümmern und mich
erkundigen, warum die Arbeitserlaubnis in diesem Fall
nur befristet erteilt wurde. Ausdrücklich sieht die Regelung keine Befristung vor.
({0})
Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Dr. Ilja Seifert sollen schriftlich beantwortet werden. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur
Verfügung.
Die Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Friedrich
Nolting sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden.
Damit kommen wir zur Frage 14 des Kollegen Werner
Siemann:
Ist es zutreffend, dass die Zusatzkosten für die vom Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, im Rahmen der
Feinausplanung entschiedene Aufstockung des Anteils an freiwillig Längerdienenden 60 Millionen DM betragen werden, und falls
nein, wie hoch sind die Zusatzkosten?
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege
Siemann, die Ausplanung der Streitkräfte für die von
Grund auf zu erneuernde Bundeswehr erfordert eine
Anpassung an die Aufgaben der kommenden zehn bis
15 Jahre. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Struktur und die Ausrüstung, sondern - wie Sie mit Recht gefragt haben - auch auf das Personal. In diesem Zusammenhang soll die Zahl der freiwilligen zusätzlichen
Wehrdienst Leistenden, also der FWDLer - für die, die
sich nicht ständig mit der Bundeswehr beschäftigen -,
schrittweise von geplanten 23 500 auf insgesamt 27 000
im Jahr 2003 erhöht werden.
Zusatzfrage, Kollege Siemann?
Frau Staatssekretärin,
ich hatte nach den Aufwendungen für die höhere Anzahl
an FWDLern gefragt und die konkrete Zahl von 60 Millionen DM in den Raum gestellt. Ist diese Zahl richtig oder
falsch?
Wie Sie mit Recht gesagt haben, haben Sie diese Zahl „in den Raum gestellt“. Wenn
Sie in den Haushaltsplan schauen, lieber Herr Kollege
Siemann, werden Sie feststellen, dass in Kapitel 14 03 die
Personalausgaben für die Wehrpflichtigen und die Wehrdienstleistenden zusammengefasst werden. Der Mittelabfluss in den letzten Jahren war sehr unterschiedlich. Die
Kosten hängen entscheidend davon ab, wie viele Wehrpflichtige mit normaler Dienstzeit und wie viele freiwillige zusätzliche Wehrdienst Leistende wir haben. Diese
sind unter einem Haushaltstitel zusammengefasst. Wir gehen davon aus, dass die zur Verfügung stehenden Mittel
auf jeden Fall ausreichen, weil wir gleichzeitig mit der Erhöhung der Anzahl der freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst Leistenden die Anzahl derjenigen senken, die den
normalen Wehrdienst leisten. Insoweit kann ich diese
Zahl von 60 Millionen DM nicht bestätigen.
Zweite
Zusatzfrage, Kollege Siemann?
Frau Staatssekretärin,
bedeutet Ihre Auskunft, dass durch die FWDLer generell
keine Zusatzkosten auf den Haushalt zukommen?
Wir werden sehen, wie sich die
Personallage in den nächsten Jahren entwickelt. Ich will
gar nicht leugnen, Herr Kollege Siemann, dass wir von den
geplanten Zahlen noch ein Stück weit entfernt sind. Wir
haben zurzeit 21120 freiwillige zusätzliche Wehrdienst
Leistende sowie immerhin 98 991 Grundwehrdienst Leistende. Das sind zusammen 120 111. Gemessen an diesen
Zahlen reichen die Haushaltsmittel in diesem Jahr und
auch in den nächsten Jahren aus. Das ist klar.
Die Frage wird aber sein, wie viele Leute wir in den
nächsten Jahren für beide Funktionen gewinnen können.
Es geht nicht in erster Linie um die Haushaltsmittel, sondern darum, genügend freiwillige zusätzliche Wehrdienst
Leistende zu bekommen.
Damit
kommen wir zur Frage 15 des Kollegen Siemann:
Aus welchen Titeln und Titelgruppen im Kapitel 14 03 des
Einzelplans 14 ({0}) soll die
durch den Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping,
eingeräumte Deckungslücke in Höhe von 378 Millionen DM bei
der Materialerhaltung von Heer, Luftwaffe und Marine im Laufe
des Haushaltsvollzuges des Jahres 2001 erwirtschaftet werden?
Herr Kollege Siemann, von einer Deckungslücke im Sinne des Haushaltsrechts kann
nicht gesprochen werden. Alle Zahlungen, zu denen die
Bundeswehr gesetzlich oder vertraglich verpflichtet ist,
können aus dem Haushalt geleistet werden. Wo ein zwingend notwendiger Mehrbedarf gegeben ist, wie teilweise
bei den Materialerhaltungstiteln, wird er im Rahmen der
haushaltsrechtlich zulässigen Möglichkeiten im Haushaltsvollzug erwirtschaftet werden müssen. Primär sind allerdings zunächst alle für die Zwecke der Materialerhaltung im Einzelplan 14 veranschlagten Ausgabentitel zu
bewirtschaften.
Im Kapitel 14 03, das Sie ansprechen, sind in den Titeln 553 02, 553 04 und 553 05 - für sie gelten flexibilisierte Bewirtschaftungsregeln entsprechend dem Haushaltsgesetz 2001 - Ansätze dafür veranschlagt. Die
Ansätze in Titel 553 81 sind auch durch den in der Titelgruppe 08 ausgebrachten ersten und dritten Haushaltsvermerk gegenseitig sowohl deckungs- als auch aus dem Einzelplan verstärkungsfähig, und zwar aus anderen Titeln
des Einzelplans, nicht nur aus Kapitel 14 03, soweit die
Zweckbestimmung der Titelgruppe 08 „Maßnahmen der
Bundeswehr im Zusammenhang mit internationalen - humanitären und sonstigen - Einsätzen“ dies zulässt.
Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde darüber
- ich war zu dieser Zeit leider in einer anderen Sitzung auch im Verteidigungsausschuss diskutiert. In der Tat
können wir für den Titel „Internationale Einsätze“, den
wir verstärken, die Mittel insgesamt aus dem Einzelplan 14 zur Verfügung stellen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
Sie wollen also damit sagen, dass die 2 Milliarden DM,
die wir vom Einzelplan 60 in den Einzelplan 14 überführt
haben und die für Auslandseinsätze verwandt werden sollen, nun auch für die Finanzierung von Deckungslücken
herangezogen werden sollen, die sich aus Materialerhaltungskosten im Inland ergeben? Ist das richtig?
Herr Kollege, wir haben die
2 Milliarden DM aus dem Einzelplan 60 das erste Mal im
Einzelplan des Verteidigungsministeriums angesiedelt,
weil es sich um eine sich wiederholende Aufgabe handelt.
Dieses Geld, die 2 Milliarden DM, ist aber nicht in einer Summe, sondern in mehreren Titeln untergebracht,
Herr Kollege Siemann. Zu einem großen Teil ist das Geld
auch in dem Kapitel 14 03 eingestellt. Deswegen sind
zum Teil auch die Materialerhaltungstitel erhöht worden.
Dies geschah im Hinblick darauf, dass das Material zur
Vorbereitung und in den Einsätzen stärker belastet wird.
Wie gesagt sind nicht die ganzen 2 Milliarden DM in dem
Kapitel 14 03 enthalten, sodass man in der Tat die Möglichkeit hat, die Ansätze aus anderen Titeln, die verstärkt
worden sind - hinzu kommen noch die Mittel, die wir zusätzlich erwirtschaften wollen -, zu erhöhen.
Zweite
Zusatzfrage des Kollegen Siemann.
Sie haben eingeräumt, dass die Deckungslücke zum großen Teil aus dem
Kapitel 14 03 erwirtschaftet werden soll. Bedeutet dies,
dass zukünftig weniger Wehrpflichtige, Berufssoldaten
oder Soldaten auf Zeit eingezogen werden können?
Nein, das bedeutet dies nicht.
Im Gegenteil: Wir bemühen uns, mehr Zeitsoldaten zu bekommen. Das Phänomen ist nicht neu, sondern das Ganze
hat mit den verstärkten Einsätzen im internationalen Bereich und der guten Wirtschaftslage zu tun, die wir allgemein haben.
Ich sage noch einmal: In diesem Kapitel 14 03 sind
nicht nur Mittel für Personal enthalten. Vielmehr stehen
diese Gelder auch für Sachmittel wie den Erhalt von
Wehrmaterial zur Verfügung, das zum Beispiel im Einsatz
genutzt wird, sowie für Beschaffungen von militärischen
Anlagen - das ist die Titelgruppe 08 -, aber auch für Personalausgaben für diejenigen, die im Ausland die Auslandsverwendungszuschläge bekommen. Im Moment
kann keine Rede davon sein, dass wir Geld aus dem Titel
für Personal herausnehmen und es für andere Zwecke verwenden.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Rauber.
Frau Staatssekretärin,
können Sie erklären, wie sich die so genannten Überkipper aus dem letzten Jahr auf Vorhaben der Materialverwaltung für Heer, Luftwaffe, Marine und Streitkräftebasis
auswirken?
Ein anderes Thema, das genau in diesen Zusammenhang passt: Das Heer macht geltend, dass der unabdingbare Bedarf um 110 Millionen DM höher liegt als im
Haushalt unter Kapitel 03 ausgewiesen. Wie wollen Sie
diese 110 Millionen DM erwirtschaften?
Das passt sehr gut. Ich danke
Ihnen ausdrücklich für diese Frage. Auf diese Weise können wir die Sache mit den Überkippern endlich einmal
klären und mit den Gerüchten aufräumen. Sie sehen, dass
ich mit dieser Frage gerechnet habe.
Herr Kollege Rauber, damit der Öffentlichkeit deutlich
wird: Es ist immer üblich gewesen, dass Maßnahmen für
Instandsetzung und Beschaffung sowie Material und Forschungseinrichtungen am Ende eines Jahres nicht voll bezahlt sind, weil in der Regel Rechnungen vom Vorjahr
übernommen werden. Diese Bundesregierung, die bekanntermaßen erst Ende 1998 die Regierungsverantwortung übernommen hat, hat geprüft, was an Vorbelastungen
aus den Vorjahren getragen werden muss. So mussten
Kosten in Höhe von 608 Millionen DM für Materialerhaltung getragen werden, die in das Jahr 1997 fielen. In
einer ähnlichen Situation sind wir auch jetzt. Das bedeutet nicht, dass wir nicht im Laufe des Jahres für andere,
neue Beauftragungen Mittel ausgeben können. Vielmehr
stehen wir in Bezug auf die so genannten Überkipper in
einer gewissen Kontinuität.
Betrachten wir die Jahre 1990 bis 1997 - auch im Jahre
1997 ist die Summe hinsichtlich der Beschaffungen besonders groß gewesen -, so muss man feststellen, dass es
jetzt darauf ankommt, die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen vorzunehmen, wobei die planbaren
Maßnahmen bereits eingerechnet worden sind. Wenn
durch Verschleiß - das Gerät, das wir übernommen haben,
ist ja ziemlich alt, Herr Kollege Rauber - jetzt unvorhergesehene Instandsetzungsmaßnahmen notwendig werden, weil durch eine starke Belastung des Materials im
Zuge der Ausbildung von Truppenteilen, die anschließend
in den Einsatz gehen, bzw. durch eine Belastung vor Ort
ein erhöhtes Ausmaß an Instandsetzung notwendig ist,
werden wir diese Mittel zu erwirtschaften haben. Das ist
einfach notwendig.
Das Thema Überkipper würde ich gerne einmal mit Ihnen sehr intensiv diskutieren, weil Sie mit diesem Thema
zurzeit die Leute verunsichern.
({0})
Nein, Sie
dürfen nur eine Frage stellen. Ich bedauere das, das gibt
aber die Geschäftsordnung so vor. - Die Frage 16 des Kollegen Hofbauer wird schriftlich beantwortet. Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Angelika Mertens zur Verfügung. Die Fragen 17, 18
und 19 sollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Peter Harry
Carstensen auf:
Trifft die Information zu, dass bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Kiel eine Entscheidung des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zur Bundesbeteiligung an
der dringend notwendigen Ausbaggerung der Bundeswasserstraße
„Amrumer Fahrwasser“ vorliegt und diese vor den Bürgern auf
den nordfriesischen Inseln und der Öffentlichkeit an der schleswig-holsteinischen Westküste zurückgehalten wird?
Herr
Carstensen, der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord in
Kiel wurde mit Schreiben vom 20. Februar 2001 die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen mitgeteilt, dass der Bund als Eigentümer der Bundeswasserstraßen nach den bisher vorliegenden Daten und Fakten eine Baggerung zulasten des Bundes im „Amrumer Fahrwasser“ wirtschaftlich nicht
vertreten kann. Dieses Ergebnis wird der interessierten
Öffentlichkeit selbstverständlich mitgeteilt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Carstensen?
Frau
Staatssekretärin, können Sie mir sagen, welche zusätzlichen Informationen Sie noch brauchen, um zu einer positiven Entscheidung zu kommen? Können Sie mir weiter
erklären, warum es einer Frage im Deutschen Bundestag
bedurfte, um das genannte Schreiben vom 20. Februar
2001 zu veröffentlichen?
Herr
Carstensen, sowohl Sie als auch Herr Kollege Opel haben
mir zu diesem Thema mehrfach geschrieben. Ein
Antwortschreiben an Sie beide liegt noch auf meinem
Schreibtisch. Ich möchte gerne alle Möglichkeiten ausloten. Sie wissen, dass ich anders entscheiden möchte; ich
muss das aber auch dürfen. Ansonsten wirft mir Ihr Kollege Austermann vor: „So gehen Sozialdemokraten mit
Steuergeldern um!“
Also: Ich brauche ein wenig Zeit, um zu prüfen, ob es
Möglichkeiten gibt, über das hinauszugehen, was festgestellt wurde, um auf diese Weise zu einer anderen Entscheidungsgrundlage zu kommen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Carstensen?
Frau
Staatssekretärin, ich biete Ihnen gerne an, das Gespräch
mit Herrn Austermann zu führen. Ich empfehle Ihnen,
eine ähnliche Lösung, wie sie die Bundesregierung beim
Busetief vor Norddeich gefunden hat, bei der der Reederei
in einem außergerichtlichen Vergleich 150 000 DM pro
Jahr zur Unterhaltung des Fahrwassers zur Verfügung gestellt werden, anzustreben. In diesem angesprochenen
Fall geht es um eine wesentlich geringere Summe.
Ich möchte Sie fragen, ob es möglich wäre, nach meinem Gespräch mit Herrn Austermann und Ihren Gesprächen in der Fachabteilung bis spätestens Anfang April
zu einer endgültigen Entscheidung zu kommen? Eine solche Entscheidung - die möglichst positiv sein sollte sollte uns dann sofort mitgeteilt werden und nicht für
mehrere Wochen bei einer Wasser- und Schifffahrtsdirektion liegen.
Zunächst einmal bedanke ich mich für Ihre Bereitschaft,
mit Herrn Austermann ein Gespräch zu führen. Ich verspreche Ihnen, dass wir so schnell wie möglich arbeiten
werden. Ob wir es bis Anfang April schaffen, kann ich
nicht sagen. Ich weiß aber, dass die Zeit drängt, und insofern versichere ich Ihnen, dass die notwendigen Gespräche so schnell wie möglich geführt werden.
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Hinsken sollen
ebenso schriftlich beantwortet werden.
Wir kämen jetzt eigentlich zum Geschäftsbereich
des Auswärtigen Amtes. Der Kollege Staatsminister
Dr. Ludger Volmer ist aber gegenwärtig noch im Menschenrechtsausschuss, um dort Rede und Antwort zu stehen. Deswegen schlage ich vor, den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen vorzuziehen; denn die
Fragesteller wie die Frau Staatssekretärin Dr. Hendricks
sind anwesend. Sind Sie damit einverstanden? - Dann
machen wir das so.
({0})
- Nein, das kommt noch. Aber im Moment sehe ich den
Kollegen, der die Frage gestellt hat, noch nicht. Es könnte
allerdings sein, dass er in der Zwischenzeit kommt. Deswegen müssen wir warten.
({1})
Zur Beantwortung steht jetzt die Parlamentarische
Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.
Ich rufe Frage 33 des Abgeordneten Georg Girisch auf:
Wie will die Bundesregierung bei der geplanten Neustrukturierung des Zolls beim Grenzaufsichtsdienst mittels der mobilen
Kontrollgruppen eine Zunahme von illegaler Einwanderung, des
Mädchenhandels, des Schmuggels, des Drogenhandels, des Handels mit gefälschten Markenwaren und anderen einfuhrverbotenen Waren verhindern, wenn sie beispielsweise im Bereich Waldsassen, der gegenüber einem Verbrechensschwerpunkt wie Eger
({2}) liegt, auf einer Grenzlänge von 80 Kilometer, also zwischen den Grenzaufsichtsstellen Selb und Waidhaus, keine weitere Grenzaufsichtsstelle einrichtet?
Herr Kollege Girisch, im
grenznahen Raum zu Tschechien und Polen ist die Einrichtung von 15 mobilen Grenzaufsichtsstellen vorgesehen. Diese sollen nach der EU-Osterweiterung in mobile
Kontrollgruppen umgewandelt werden. Die Einsatzräume wurden insbesondere nach den zu erwartenden überwachungspflichtigen Warenströmen sowie den regionalen
und örtlichen Verhältnissen ausgewählt. Sie liegen relativ
dicht beieinander und werden über eine Personalausstattung verfügen, die annähernd doppelt so stark ist wie die
der im übrigen Bundesgebiet bereits bestehenden Einheiten.
Damit sind ausreichende Hinterlandkontrollen im
Dreischichtbetrieb im Grenzgebiet möglich, sodass der
bestehende Sicherheitsstandard auch künftig aufrechterhalten werden kann. Im Übrigen stünde eine weitere Verdichtung der Hinterlandkontrollen mit noch mehr Einheiten und Personal im Widerspruch zum EU-Recht, wonach
Kontrollen durch mobile Kontrollgruppen nur zeitlich befristet und örtlich begrenzt zulässig sind.
Eine Zusatzfrage, Kollege Girisch? - Bitte schön.
Frau Staatssekretärin,
die Situation am Grenzübergang Waldsassen ist etwas anders, und zwar deshalb, weil die nächsten mobilen Einsatzgruppen in Selb und Waidhaus sind. Dazwischen liegen 80 Kilometer. Ich möchte Sie - aufgrund der
besonderen Situation in der Stadt Eger, wo die Kriminalität am höchsten ist - bitten, in Ihrem Hause prüfen zu
lassen, ob man nicht aus Gründen der Sicherheit auch in
Waldsassen eine mobile Einsatzgruppe stationieren kann.
Herr Kollege Girisch, wir
sind selbstverständlich bereit, dies noch einmal zu prüfen.
Ich hatte Ihnen bereits gesagt, dass wir die Einrichtung
von 15 mobilen Kontrolleinheiten an der gesamten
Grenze zu Tschechien und Polen vorsehen. Bis zur EUOsterweiterung wird der stationäre Grenzaufsichtsdienst
weiterhin tätig sein. Die 15 mobilen Grenzaufsichtsstellen
werden parallel dazu eingerichtet. Die in diesen Dienststellen eingesetzten Grenzaufsichtsbeamten verstärken
also den Grenzaufsichtsdienst und werden, wie der Name
sagt, auch mobil tätig sein.
Es ist nicht entscheidend, von wo aus die Beamten der
mobilen Grenzaufsichtsstellen ihren Dienst verrichten;
denn sie sind, wie der Name sagt, mobil, sind also unterwegs und jeweils für einen kompletten Bezirk zuständig.
Die Entfernung zwischen den Standorten von zwei mobilen Kontrollgruppen, die Sie gerade angeführt haben, ist
also nicht so relevant, weil die Grenze zwischen diesen
Standorten natürlich auch überwacht wird. Ansonsten
hätte man beim System des stationären Grenzaufsichtsdienstes bleiben können und hätte kein mobiles Element
einführen müssen.
Im Übrigen ist über die Standorte der 15 mobilen
Grenzaufsichtsdienststellen noch nicht abschließend entschieden worden.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Girisch.
Peter H. Carstensen ({0})
Frau Staatssekretärin,
ich möchte Sie trotz der von Ihnen angeführten Flexibilität der Einsätze in diesem grenznahen Raum noch einmal bitten, die ganze Angelegenheit prüfen zu lassen und
dabei dem Grenzbereich zwischen Waldsassen und Eger
ein besonderes Augenmerk zu schenken.
Ich hatte Ihnen ja bereits
eine nochmalige Prüfung zugesagt. Ich sagte Ihnen auch,
dass wir noch keine endgültige Entscheidung über die
Standorte der mobilen Grenzaufsichtsdienste gefällt haben.
Bis zur EU-Osterweiterung bleibt der Grenzübergang
Waldsassen in das Kontrollsystem des stationären Grenzaufsichtsdienstes einbezogen. Die Entscheidung, wie
nach der EU-Osterweiterung die stationären Grenzaufsichtsdienste in mobile Kontrollgruppen - die praktisch
dieselbe Personalstärke haben - umgewandelt werden
sollen, etwa so, wie das bereits an den Westgrenzen geschehen ist, kann noch der Zukunft überlassen werden. Es
ist natürlich auch für die Bediensteten wichtig, ihren Einsatzort zu kennen, obwohl es sich, wie ich schon sagte, um
eine Region handelt, in der sie mobil tätig sind - weswegen sie nicht unbedingt an dem Ort wohnen müssen, wo
der Standort ihrer Dienststelle ist.
Wir kommen dann zur Frage 34 des Kollegen Girisch:
Wie lautet die Position der Bundesregierung für diese und ähnliche Regionen zu Vorschlägen, den sich abzeichnenden Kontrolldefiziten dadurch zu begegnen, dass eine Grenzaufsichtsstelle mit
der Stärke von zwei Arbeitskräften des gehobenen und 24 des
mittleren Dienstes an zwei Standorten, zum Beispiel im angesprochenen Raum in Selb und Waldsassen, unter einer Leitung geschaffen und dadurch nicht nur fachlichen Gesichtspunkten, sondern auch der beabsichtigten Haushaltskonsolidierung durch
Verringerung un-nötiger großer Wegstrecken und das Ausnutzen
bereits vorhandener Liegenschaften Rechnung getragen wird?
Die vorgesehene personelle Ausstattung der mobilen Kontrollgruppen gewährleistet eine wirtschaftliche und zweckmäßige Aufgabenerfüllung. Von der Teilung einer mobilen Kontrollgruppe
und ihrer Unterbringung an zwei verschiedenen Standorten ist aus Gründen der zu gewährleistenden Eigensicherung, der Arbeitsfähigkeit der Gruppe sowie der
Auslastung der eingesetzten Technik abzusehen.
Dies gilt grundsätzlich auch für die aus den mobilen
Grenzaufsichtsstellen entstehenden mobilen Kontrollgruppen. Für den effektiven Einsatz der mobilen Kontrollgruppen ist es unerheblich, von welchem Standort aus
die flexiblen, örtlich und zeitlich begrenzten Kontrollen
im gesamten Bezirk der mobilen Kontrollgruppen durchgeführt werden.
Sie haben
eine Zusatzfrage, Herr Kollege Girisch?
Frau Staatssekretärin,
ich komme noch einmal auf meine vorherige Frage
zurück. Ich teile Ihre Meinung nicht, ich bitte Sie nur, dies
nochmals zu prüfen, und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn
es zu einer positiven Entscheidung für eine zusätzliche
mobile Einsatzgruppe in Waldsassen, Selb und Waidhaus
kommen würde.
Wir werden das im Rahmen
der vorgesehenen 15 Kontrollgruppen prüfen müssen. Die
Oberfinanzdirektionen sind beauftragt, bis Ende April dieses Jahres Vorschläge für die Standorte der vorgesehenen
15 mobilen Grenzaufsichtsstellen unter Berücksichtigung
der späteren Einsatzräume der mobilen Kontrollgruppen
zu erarbeiten. Entscheidungen werden im Bundesfinanzministerium bis Mitte dieses Jahres fallen.
({0})
Wir kommen zur Frage 35 der Kollegin Erika Lotz:
Ist es richtig, dass das Zollamt Wetzlar im Rahmen der Neustrukturierung der Bundesfinanzverwaltung erhalten bleibt?
Frau Kollegin Lotz, das
Grobkonzept zur Neustrukturierung der Bundesfinanzverwaltung sieht unter anderem vor, das Zollamt Wetzlar
mit der Abfertigungsstelle des Hauptzollamts Gießen und
den Zollämtern Limburg und Marburg am Standort
Gießen zusammenzulegen. Dieses Grobkonzept datiert
vom Oktober des vergangenen Jahres.
Hierbei handelt es sich jedoch um erste Vorschläge, die
derzeit mit den zuständigen Industrie- und Handelskammern und den Wirtschaftsbeteiligten durch die Oberfinanzdirektion Koblenz eingehend erörtert werden. Nach
Mitteilung der Oberfinanzdirektion Koblenz ist dabei
auch eine Alternative im Gespräch, die den Erhalt des
Zollamts Wetzlar vorsieht. Die Ergebnisse der Gespräche
bleiben allerdings abzuwarten.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Lotz.
Ich denke, bei der Entscheidung
über das Zollamt und damit auch über die Frage, wo der
Schwerpunkt in Mittelhessen liegt, wird doch sicherlich
auch eine Rolle spielen - dies ist meine Frage -, wie hoch
der Exportumsatz im Bereich der einzelnen Zollämter ist.
Ist Ihnen, Frau Kollegin Hendricks, bekannt, dass Wetzlar
fast denselben Exportumsatz aus dem Bereich des verarbeitenden Gewerbes bearbeitet wie die anderen Zollämter zusammen, also etwa knapp 5 Milliarden DM im
Jahr 2000?
Frau Kollegin, selbstverständlich werden die Standorte der Zollverwaltung nach
den Indikatoren der Wirtschaftsbeteiligung und natürlich
auch nach der Import- und Exportabhängigkeit untersucht
werden. Dies ist auch Gegenstand der Verhandlungen mit
den Wirtschaftsbeteiligten vor Ort, namentlich den Industrie- und Handelskammern, aber auch anderen Beteiligten
der Wirtschaft. Dies geht selbstverständlich in unsere
Überlegungen mit ein.
Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass zum
Beispiel ein größeres Unternehmen, das regelmäßig wiederkehrende gleichartige Exportvorgänge im vereinfachten Verfahren zu bewältigen hat, diese Vorgänge mittlerweile leichter abwickeln kann, sodass dann die örtliche
Anwesenheit des Vertreters eines Zollamtes nicht unbedingt notwendig ist.
Dies ist jetzt keine Aussage zum Zollamt Wetzlar, sondern eine allgemeine Aussage. Der Umfang der Exporttätigkeit ist zwar ein wichtiger Indikator, aber nicht der alleinige Indikator, weil es eben auch sehr darauf ankommt,
welche vereinfachten Verfahren durch die Wirtschaftsbeteiligten in Anspruch genommen werden können.
Weitere
Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Frage 36 der Kollegin Lotz:
Wie weit sind die Überlegungen gediehen, das Zollamt Wetzlar wegen seiner immensen Im- und Exportumsätze zu einem leistungsstarken Zollamt auszubauen und aufgrund des sich daraus
ergebenden Arbeitsaufkommens das Zollamt Wetzlar personell zu
verstärken?
Die Situation der importierenden und exportierenden Betriebe wird in die weiteren
Überlegungen und Gespräche mit den Industrie- und
Handelskammern zur Neustrukturierung der Zollverwaltung einbezogen, wie Sie eben bereits hörten.
Die Oberfinanzdirektion Koblenz ist - wie im Übrigen
alle Oberfinanzdirektionen im Bundesgebiet - aufgefordert, Feinkonzepte mit Vorschlägen für die Neustrukturierung der Zollverwaltung in ihrem Bezirk bis Ende April
vorzulegen. Sie haben dies eben auch schon in meiner
Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Girisch gehört.
Auch hier werden Entscheidungen bis zur Mitte des Jahres gefällt werden.
Zusatzfrage der Kollegin Lotz.
Kann ich Ihrem letzten Satz entnehmen, dass bis zur Mitte des Jahres die Entscheidungen
getroffen werden? Ich denke, vor Ort ist man daran sehr
stark interessiert.
Ja, Sie können davon ausgehen, dass bis zur Mitte des Jahres die Entscheidungen
getroffen werden. In allen die so genannte Feinplanung
der Zollverwaltung, also die Standortplanung für die
Zollämter betreffenden Fällen, werden die Oberfinanzdirektionen - die Standortfestlegungen für die Hauptzollämter haben wir bereits getroffen - bis Ende April 2001
berichten. Anhand eines Abgleichs, der bundesweit nach
den gleichen Parametern vorgenommen wird, wird im
Bundesfinanzministerium bis Mitte des Jahres eine Entscheidung vorbereitet.
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kehren nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes zurück. Der Staatsminister Ludger Volmer ist
inzwischen eingetroffen.
Wir kommen zur Frage 23 des Abgeordneten Johannes
Singhammer:
Hat sich der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
seit seinen Auskünften in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 17. Januar 2001 bei dem von ihm im Rahmen seiner
in den 70er-Jahren begangenen linksextremistischen Taten verletzten Polizeibeamten zwischenzeitlich persönlich entschuldigt,
und wenn ja, wann war dies?
Zunächst möchte ich mich für das Zu-Spät-Kommen entschuldigen. Ich war im Menschenrechtsausschuss
gerade mitten in der eigenen Berichterstattung begriffen;
diese konnte ich schlecht unterbrechen.
Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, würde ich die Fragen 23 und 24 des Kollegen Singhammer gerne gemeinsam beantworten.
Bitte
schön. Dann rufe ich auch die Frage 24 des Kollegen
Singhammer auf:
Wenn dies noch nicht geschehen ist, beabsichtigt dies der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, noch zu tun und
wann?
Herr Singhammer, die Antwort lautet Ja, und
zwar zweimal: telefonisch am 7. Januar 2001 sowie bei einem persönlichen Zusammentreffen nochmals am 7. Februar 2001.
Zusatzfrage, Herr Kollege Singhammer.
Herr Staatsminister, vor dem Hintergrund, dass seit den Vorfällen im
Jahre 1976 bis zur Entschuldigung im Januar bzw. Februar dieses Jahres 25 Jahre verstrichen sind und diese
Vorfälle ja bekannt waren, möchte ich fragen: Warum hat
sich denn der Minister des Auswärtigen erst jetzt entschuldigt und nicht zumindest im Laufe der vergangenen
25 Jahre, also zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt?
Der Minister hat sich bei dem betroffenen Polizeibeamten ein oder zwei Tage später entschuldigt, nachdem
der Name des Beamten dadurch bekannt wurde, dass sich
dieser auf dem in den Zeitungen abgedruckten Bild dieser
Szene erkannt und dann mit Namen gemeldet hatte.
Weitere
Zusatzfrage? - Bitte schön.
Herr Staatsminister, gab es große Schwierigkeiten, oder wie ist es zu
erklären, dass es einem Minister des Auswärtigen der
Bundesrepublik Deutschland erst dann möglich war, diesen Polizeibeamten zu identifizieren, als in den Zeitungen
im Januar noch einmal neu berichtet worden ist? Wäre es
nicht für den Minister des Auswärtigen ein Leichtes und
vor allem auch ein Akt der Glaubwürdigkeit gewesen,
dass es ihm ernst ist mit seiner Entschuldigung, die Identität herauszufinden und sich zu einem früheren Zeitpunkt
zu entschuldigen?
Herr Singhammer, das Ganze wurde erst durch die
Veröffentlichung des Bildes in den Zeitungen zu einem
Thema. Erst ab diesem Zeitpunkt entstand neu ein Anlass,
sich damit zu befassen. Der Bundesminister hat sofort so
reagiert, wie ich es gerade geschildert habe. Ich denke
auch, dass seine Entschuldigung sehr ernsthaft war. Sie ist
zumindest von dem Beamten nicht in Zweifel gezogen
worden.
Weitere
Zusatzfrage, Kollege Singhammer.
Herr Staatsminister, woher wissen Sie, dass diese Entschuldigung
von dem Beamten nicht in Zweifel gezogen worden ist?
Hat er sich über diese Entschuldigung gefreut, hat er sie
angenommen oder welche Reaktion ist darauf erfolgt?
Die erste Entschuldigung lief telefonisch. Bei diesem Telefonkontakt haben sich die beiden verabredet,
auch noch einmal unter vier Augen miteinander zu sprechen. Ein Treffen kam zustande. Was dort im Einzelnen
besprochen worden ist, darüber kann ich keine Auskunft
geben, weil ich es nicht weiß. Ich denke auch, dass die
beiden Vertraulichkeit vereinbart haben.
Letzte
Zusatzfrage, Kollege Singhammer.
Herr Staatsminister, ich hatte eine ähnliche Frage schon Anfang Februar schriftlich gestellt. Wenn diese Entschuldigung, wie
Sie jetzt sagen, im Januar zunächst mündlich und später
auch persönlich erfolgt ist, stellt sich für mich angesichts
dieses Sachverhaltes die Frage, warum das Auswärtige
Amt auf meine schriftliche Frage hin ausweichend geantwortet und mir keine diesbezügliche Auskunft gegeben
hat.
({0})
Herr Singhammer, ich erinnere mich im Moment
weder genau an die Frage noch an die Antwort. Ich gehe
dem aber gern nach.
({0})
Wir kommen jetzt zur Frage 25 der Kollegin Ina Lenke:
Welche konkreten Initiativen zur Verbesserung der in vielen
Teilen der Welt desolaten Situation der Frauen hat das Auswärtige
Amt neben dem vom Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, in seiner Erklärung zum Weltfrauentag am 8. März 2001
erwähnten „Forum Globale Fragen“ durchgeführt?
Frau Kollegin Lenke, das Auswärtige Amt hat im
Jahre 2000 eine Reihe konkreter Initiativen durchgeführt
oder gefördert. Es sind zu nennen:
Erstens: die viertägige Sondertagung des Ausschusses
zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau der Vereinten Nationen im November 2000 in Berlin. Bei dieser Tagung wurden die Verfahrensregeln für das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur
Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau erarbeitet, zur so genannten CEDAW-Konvention. Das
Auswärtige Amt hat durch diese Einladung gemeinsam
mit dem kofinanzierenden BMFSFJ sehr wesentlich dazu
beigetragen, dass das Individualbeschwerdeverfahren
nunmehr in der Praxis angewendet werden kann, das betroffenen, das heißt in ihren Rechten verletzten Frauen
nach dem neuen Zusatzprotokoll zusteht.
Zweitens: Vorhaben gegen die weibliche Genitalverstümmelung und gegen den Frauenhandel, durchgeführt
mit bzw. von örtlichen Partnern. Dazu gehören Aufklärungs- und Medienkampagnen.
Drittens: Untersuchungen über Gewalt an Frauen oder
die Situation und die Rolle der Frauen in überwiegend traditionellen Gesellschaften, zum Beispiel im Jemen.
Viertens: eine VN-Studie zu „Mainstreaming a Gender
perspective in Peacekeeping“ - so lautet der englische Titel nun einmal - sowie eine Konferenz des „Lessons
Learnt Unit“ des UN-Department for Peace keeping operations in Namibia zum gleichen Thema. Das von der
Bundesregierung unterstützte Ziel dieser Maßnahmen ist
die stärkere Beteiligung von Frauen am VN-Peacekeeping und die Berücksichtigung der Belange von
Frauen in Konfliktgebieten durch VN-Missionen.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Lenke.
In welcher Art und Weise hat Herr
Fischer die Ergebnisse dieser von ihm einberufenen Konferenzen auch bei seinen Auslandsreisen eingesetzt und
umgesetzt?
Nicht nur Herr Fischer, sondern auch die beiden
Staatsminister führen zahlreiche Auslandsreisen durch.
Ich bin über die Gesprächsinhalte im Einzelnen, die der
Minister im Gepäck hat, nicht orientiert. Ich kann nur aufgrund meiner eigenen Reisen sagen, dass die Situation der
Frauen in den betreffenden Ländern und die Möglichkeit,
diese Situation zu verbessern bzw. für ihre Verbesserung
auf multilateraler Ebene zu sorgen, immer wieder Gesprächsthema waren.
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Lenke.
Mich interessiert ganz besonders,
welche Erfolge der Außenminister persönlich im Bereich
Menschenrechte/Frauenrechte vorweisen kann. Ich finde
es schon sehr erstaunlich, Herr Staatsminister, dass Sie
nicht wissen, welche konkreten Erfolge Außenminister
Fischer von seinen Reisen mitgebracht hat.
Frau Lenke, der Außenminister reist sehr viel und
spricht im Grunde über alle politischen Themen.
({0})
Konkrete Nachfragen, wann er frauenpolitische oder benachbarte Themen wo und in welcher Form angesprochen
hat, kann ich in der Tat nicht aus dem Stand beantworten.
Dazu müsste man in seinen Reiseplanungen nachschauen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.
Herr Staatsminister, Ihre Antwort
verleitet mich zu einer Zusatzfrage - die Fragen der Kollegin Lenke sind frühzeitig eingereicht worden -: Bereiten Sie sich auf die konkrete Beantwortung frühzeitig eingereichter Fragen nicht vor?
Herr Kollege, ich habe die Frage beantwortet, indem
ich Ihnen vier Initiativen, die das Auswärtige Amt ergriffen hat - genau danach ist gefragt worden -, dargestellt
habe. Ich lese Ihnen die Frage vor:
Welche konkreten Initiativen zur Verbesserung der in
vielen Teilen der Welt desolaten Situation der Frauen
hat das Auswärtige Amt neben dem vom Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, in seiner Erklärung zum Weltfrauentag am 8. März 2001 erwähnten „Forum Globale Fragen“ durchgeführt?
Sie fragen also nach den Initiativen des Auswärtigen Amtes. Ich habe Ihnen in diesem Zusammenhang vier Initiativen dargestellt.
Gibt es
weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Frage 26 der Kollegin Ina Lenke:
In welcher Weise wurden die Frauenrechte anlässlich der
Indienreise des Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer,
im September 2000 thematisiert, und welche Konsequenzen zieht
die Bundesregierung aus den nach wie vor in weiten Teilen Indiens verbreiteten alltäglichen Misshandlungen von Frauen für die
konkrete Umsetzung der von ihr angekündigten Menschenrechtspolitik als zentralem Pfeiler deutscher Außenpolitik?
Frau Kollegin Lenke, der Bundesminister des Auswärtigen ist im vergangenen Jahr zweimal nach Indien gereist. Die Menschenrechte von Frauen, insbesondere im
sozialen und wirtschaftlichen Bereich, waren einer der
Themenschwerpunkte der Reise im Mai 2000.
Der Bundesminister besichtigte ein auch mit Mitteln
der Carl-Duisberg-Gesellschaft gefördertes Projekt zur
Ausbildung und Qualifizierung von Seidenspinnerinnen
in der Nähe von Bangalore. Er hat sich ausführlich über
die in diesem Projekt verfolgten Ansätze zur Linderung
der Not insbesondere junger Frauen unterrichten lassen,
die in die Lage versetzt werden, durch eigene, vermarktungsfähige Produkte ein eigenes Einkommen zu erzielen und dadurch ihr Selbstwertgefühl zu steigern.
Im bilateralen Verhältnis sind die Beachtung der Menschenrechte und die Situationen der Frauen Gegenstand
der Länderbewertung und Kriterium für die Ausgestaltung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Das
betrifft etwa die Instrumente und die Höhe der Mittel. Der
Mobilisierung und Förderung von Frauen wird in der
deutsch-indischen Entwicklungszusammenarbeit ein hoher Stellenwert beigemessen. In zahlreiche Vorhaben sind
Frauenförderungskomponenten einbezogen. Andere Vorhaben verfolgen überwiegend oder sogar ausschließlich
frauenspezifische Anliegen.
Zusatzfrage, Kollegin Lenke.
Herr Staatsminister, Sie müssen
zugeben, dass das, was Sie vorgelesen haben, unkonkret
ist. Ich betrachte meine Frage deshalb als nicht beantwortet. Ich möchte aber meine Frage ganz konkret beantwortet haben, weil der Außenminister in seiner Oppositionszeit immer von Menschenrechten gesprochen hat und der
alten Regierung vorgeworfen hat, sie würde sich nicht um
diese Rechte kümmern.
({0})
Der Außenminister unternimmt Reisen in alle Welt; das
wissen Sie selbst. Es müsste ein Gender-MainstreamingPrinzip geben. Sie als Staatsminister müssten mir aus dem
Stand heraus sagen können, welche Fragen hinsichtlich
der Frauen- und Menschenrechte mit den Regierungsvertretern der vom Außenminister besuchten Länder besprochen wurden, um auf diesem Gebiet Erfolge zu erzielen.
Ich frage Sie noch einmal: Welche persönlichen Erfolge - außer der Besichtigung eines Projektes in Indien hat der Außenminister Fischer auf seinen Reisen, zum
Beispiel nach Indien, erzielt, über die er hier berichten
kann? Im Übrigen gab es zwei Reisen nach Indien und
nicht nur eine.
Frau Lenke, Sie haben in der Tat in Ihrer schriftlichen Frage nach der Indienreise gefragt. Deshalb bin ich
auch darauf eingegangen. Wenn Sie Ihre Frage nun dahin
gehend ausweiten wollen, bei welchen Reisen insgesamt
der Minister dieses Thema angesprochen hat, so will ich
das gerne recherchieren. Aber Sie werden mir nachsehen,
dass ich das nicht auf Anhieb beantworten kann.
Ich kann Ihnen aber sagen, dass diese Fragen ständig
auf der Gesprächsagenda stehen. Da ich von den Reisen
des Ministers aus dem Stand wenig sagen kann, will ich
Ihnen aber hinsichtlich meiner Reisen sagen, dass die
Agenda immer umgesetzt wurde.
Mit dem Besichtigen von Projekten - das wissen Sie
selbst - ist auch immer die Absicht verbunden, die Wertigkeit des jeweiligen Projektes besonders hervorzuheben,
um das Thema, mit dem sich das Projekt befasst, stärker in
das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Dass sich Erfolge
in der Frauenpolitik nicht von heute auf morgen einstellen
und dass deren Einfluss auf die internationale Politik nicht
sofort feststellbar ist, wissen Sie so gut wie ich.
Zweite
Zusatzfrage, Kollegin Lenke.
Herr Staatsminister, was ich heute
aus der Fragestunde mitnehme, ist sehr dürftig. Ich bitte
Sie, die Fragen, die ich jetzt gestellt habe, zu recherchieren und mir schriftlich zu beantworten. Ich habe ein starkes Interesse daran, zu erfahren, welche Erfolge der
Außenminister Fischer nach mehr als der Hälfte der Legislaturperiode vorweisen kann.
({0})
Es ist meine Pflicht als Oppositionsabgeordnete, Sie zu
fragen, welchen Erfolg die vielen Auslandsreisen gebracht haben. Ich glaube, Sie würden die diplomatischen
Gepflogenheiten nicht missachten, wenn Sie konkret Auskunft geben würden.
({1})
Frau Kollegin, ich habe jetzt ein Plädoyer gehört
und keine Frage. Ich verstehe den Hintergrund, vor dem
Sie das Plädoyer abgegeben haben, und auch die politischen Normen, die Sie dabei im Kopf haben. Ich teile sie
auch. Aber ich kann hier nur auf Fragen antworten
({0})
und nicht Appelle kommentieren.
Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege van Essen.
Herr Staatsminister, die
Kollegin Lenke hat gerade im Zusammenhang mit Misshandlungen von Frauen danach gefragt, ob dieses Thema
konkret Gegenstand von Gesprächen des Bundesaußenministers war. Sie hat nicht nach Besuchen gefragt.
Deswegen möchte ich diese Frage gerne wiederholen: Mit
wem hat der Bundesaußenminister diese Fragen bei seinen Besuchen in Indien konkret besprochen, und trifft es
zu, was Sie gerade gesagt haben, dass dieses Thema nur
bei einem Besuch Gegenstand war, oder war es bei beiden
Besuchen Gegenstand?
Herr Kollege van Essen, ich kann Ihnen über die
Indienreise nur das sagen, was ich gerade schon gesagt
habe. Über sonstige Reisen kann ich aus dem Stand leider
keine Auskunft geben. Ich kann nur wiederholen, dass
dieses Thema bei Reisen der gesamten Spitze des Auswärtigen Amtes ständiger Gegenstand ist. Dabei geht es
um alle Aspekte von Gewalt gegen Frauen. Sie wissen,
dass es in Indien spezifische Aspekte gibt. In manchen islamischen Staaten gibt es andere spezifische Aspekte. In
Subsahara-Staaten gibt es die Beschneidung, die wir immer wieder als Menschenrechtsfrage ansprechen und
nicht als Thema, das man im Rahmen von kultureller Autonomie akzeptieren kann.
Vielen
Dank, Herr Staatsminister. - Die weiteren Fragen sollen
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 30 des Abgeordneten
Albrecht Feibel auf:
Wie hoch war die Zahl der Todesopfer durch rechtsextreme
Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen
zehn Jahren und wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die
diesbezüglichen fachlichen Erkenntnisse und die Angaben in der
öffentlichen Diskussion sehr weit, nämlich zwischen 36 und 93
Fällen, divergieren?
Herr Kollege Feibel, für den Zeitraum von 1990 bis Juli 2000 waren auf der Grundlage der
entsprechenden Ländermeldungen - das ist ganz wichtig;
die Statistiken kommen immer aufgrund von Ländermeldungen zustande - im Rahmen des kriminalpolizeilichen
Meldedienstes „Staatsschutz“ zunächst 25 Todesopfer
rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalt registriert. Die am 14. September 2000 im
Berliner „Tagesspiegel“ und der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlichte Opferliste des Journalisten Jansen
weist für denselben Zeitraum 93 Todesopfer rechtsextremer Gewalt aus.
Angesichts der erheblichen Zahlendiskrepanz hat der
Bundesminister des Innern noch am gleichen Tage eine
Überprüfung aller in der Liste genannten Todesfälle durch
die zuständigen Polizeidienststellen der Länder veranlasst. Infolge der erneuten Überprüfung der einzelnen
Sachverhalte und unter Berücksichtigung in einzelnen
Fällen zwischenzeitlich ergangener Gerichtsentscheidungen - auch das zu berücksichtigen ist ganz wichtig - erhöhte sich die Zahl der Todesopfer rechtsextremistischer,
fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalt von 1990
bis Juli 2000 auf insgesamt 36 Personen. In den übrigen
57 Fällen haben die Länder einen rechtsextremistischen,
fremdenfeindlichen oder antisemitischen Tathintergrund
auf der Grundlage der aktuell vorliegenden Erkenntnisse
auch nach erneuter Überprüfung nicht festgestellt.
Für den Zeitraum nach Juli 2000 hat das Land Schleswig-Holstein im Rahmen des kriminalpolizeilichen
Meldedienstes „Staatsschutz“ mittlerweile ein weiteres
rechtsextremistisches Tötungsdelikt gemeldet. Es handelt
sich dabei um die Tötung eines Obdachlosen am 13. September 2000 in Schleswig. Damit beläuft sich die Zahl der
Todesopfer rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und
antisemitischer Gewalt in Deutschland seit 1990 nach den
hierzu vorliegenden Meldungen der Länder derzeit auf
insgesamt 37 Personen.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Schönen Dank, Herr
Staatssekretär. Es stellt sich natürlich die Frage, was der
Bundesinnenminister seit Bekanntwerden der sehr stark,
nämlich zwischen 36 und 93, divergierenden Zahlen getan hat, um einen seriösen Umgang mit diesem Tatbestand
in der Öffentlichkeit zu garantieren. Ich nehme an, Sie
stimmen mir zu, dass Seriosität angebracht ist, wenn wir
die Angelegenheit gemeinsam vernünftig angehen wollen. Was wurde in diesem Zusammenhang zur Aufklärung
getan?
Herr Kollege Feibel, lassen Sie
mich eine Vorbemerkung machen: Diese Bundesregierung hat überhaupt keine Veranlassung, mit irgendetwas
hinter dem Berg zu halten. Ich habe schon in meine Antwort einfließen lassen, dass die Bundesregierung im
Grunde genommen nur das Zahlenmaterial zur Verfügung
hat und auswerten kann, das ihr von den Ländern zugänglich gemacht worden ist. Daraufhin haben wir dies
überprüft und kamen zu den in meiner Antwort vorgetragenen Erkenntnissen und Zahlen. Wir haben darüber hinaus mit den Ländern sofort einen Dialog mit der Maßgabe begonnen, dass wegen der im Rahmen des
bisherigen kriminalpolizeilichen Meldedienstes „Staatsschutz“ teilweise aufgetretenen Schwachstellen künftig
alle politisch motivierten Straftaten mit Wirkung vom
1. Januar 2001 in einem neuen Meldesystem erfasst und
bewertet werden.
Wenn es Sie interessiert, kann ich Ihnen jetzt im Einzelnen sehr detailliert vortragen, was hierzu gilt.
({0})
Ich kann es Ihnen auch schriftlich nachreichen, wenn Sie
dies lieber wollen. Daran wird übrigens auch deutlich,
wie schwierig diese statistische Erfassung ist. Jedenfalls
bemühen wir uns, mit dieser Problematik so umzugehen,
wie Sie es zu Recht gefordert haben, nämlich seriös und
objektiv. Darum hat sich auch der Bundesinnenminister
auf vielfältige Art und Weise bemüht. Das Ergebnis, das
ich Ihnen hier vortragen kann, unterstreicht dies.
Weitere
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
eine zweite Zusatzfrage: Was Sie gesagt haben, befriedigt
mich nicht ganz, weil ich gefragt habe, was der Bundesinnenminister getan hat, um die Öffentlichkeit aufzuklären. Immerhin wurde am 24. Januar dieses Thema im
Innenausschuss ausführlich behandelt. Es wurde auch darauf eingegangen, dass die Zahl 93 durch Pressemeldungen in die Öffentlichkeit lanciert wurde. Angesichts
dessen wäre es doch sicherlich die Aufgabe des Innenministers gewesen, dies auch in aller Öffentlichkeit richtig
zu stellen. Deshalb meine Frage: Was hat er konkret getan, um in der Öffentlichkeit die richtige Zahl darzustellen?
(Eckardt Barthel [Berlin] [SPD]: Das hat er
sogar hier gemacht!
Herr Kollege Feibel, ich gehe davon aus, dass wir uns nicht missverstehen. Ich habe in
meiner Antwort sehr konkret dargelegt, wie sich der Sachverhalt darstellt. Dieser Sachverhalt musste zuerst einmal
überprüft werden. Ich könnte Ihnen die gesamten Listen
vorlegen, die der Statistik seit 1990 zugrunde liegen. Dazu
sage ich Ihnen ganz deutlich, dass der wesentlich geringere Teil dieses Zeitraums in die Regierungszeit der neuen
Bundesregierung fällt; der Teil der alten Bundesregierung
ist viel größer. Wir haben sehr sorgfältig daran gearbeitet
- das haben wir dargestellt - und wir werden auch weiterhin mit den Ländern an diesem Thema arbeiten. Auch
die IMK, die im Mai dieses Jahres wieder tagen wird, hat
sich diesen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt.
Da Sie gefragt haben, was getan worden ist, möchte ich
Ihnen jetzt einmal vortragen, was wir beispielsweise getan haben, um künftig besser überprüfbares statistisches
Material zu bekommen. Ich glaube, es ist deutlich gemacht worden, dass der Versuch unternommen wurde,
diese Diskrepanzen für die Zukunft aufzulösen. Ich
denke, das hat der Bundesinnenminister hervorragend getan.
Daran sind natürlich auch andere zu beteiligen, denn
allein kann man das nicht erreichen. Es sind auch die Länder gefragt. Dazu will ich Ihnen hier nur andeutungsweise
sagen: Es gibt aufgrund der neu gefassten Kriterien bestimmte Schwierigkeiten und Kritikpunkte aus dem Bereich der Länder, über die man miteinander diskutieren
muss. An einer bestimmten Stelle ist diese Diskussion allerdings für die Öffentlichkeit nicht geeignet.
Damit
kommen wir zu der Frage 31 des Kollegen Feibel:
Auf welche Datenbasis stützt sich das entsprechende Zahlenmaterial?
Herr Kollege Feibel, ich antworte
Ihnen auf Ihre Frage wie folgt: Rechts motivierte Straftaten, darunter auch rechts motivierte Tötungsdelikte, wurden bis Ende des vergangenen Jahres als rechtsextremistische, fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten
im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes
„Staatsschutz“ beim Bundeskriminalamt statistisch erfasst. Mit Wirkung vom 1. Januar 2001 soll dieser durch
den neuen kriminalpolizeilichen Meldedienst „Politisch
motivierte Kriminalität“ ersetzt werden.
Hierdurch sollen die im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes „Staatsschutz“ teilweise aufgetretenen Schwachstellen beseitigt und eine bundeseinheitliche
und realitätskonforme Erfassung und Bewertung von
rechts orientierten Straftaten in Deutschland sichergestellt
werden. Die Erfassung beruht - von wenigen Ausnahmefällen eigener Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes
abgesehen - auf einer entsprechenden Bewertung und
Meldung einer Straftat durch die jeweils sachlich und örtlich zuständige Landespolizeidienststelle. Dies gilt gleichermaßen sowohl für den bisherigen kriminalpolizeilichen Meldedienst „Staatsschutz“ als auch für das neue
Meldesystem „Politisch motivierte Kriminalität“.
Zusatzfrage, Kollege Feibel.
Das heißt, wir können
davon ausgehen, dass die Zahlen seriös ermittelt wurden,
({0})
dass die von Ihnen genannte Zahl von 36 plus eins, was
sich jetzt noch ergeben hat, ebenso seriös ermittelt wurde.
Trotzdem stellt sich mir die Frage, wie es möglich ist,
dass in einem Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und PDS vom 6. März dieses
Jahres ausgeführt wird, es handele sich um 93 Menschen,
die durch rechtsextremistische Gewalt ums Leben kamen.
Kann ich daraus schließen, dass die Bemühungen des Bundesinnenministers bedauerlicherweise unwirksam waren?
Nein, dies können Sie daraus
nicht schließen. Wenn ich es richtig weiß und es aus dem
Kopf richtig zitieren kann, wird die Zahl 93 in Zusammenhang mit Pressemeldungen gebracht; es wird Bezug
auf Presseveröffentlichungen genommen. Deswegen bin
ich noch einmal auf die Meldungen im „Tagesspiegel“
und in der „Frankfurter Rundschau“ eingegangen. Das ist
ein Vorgang, der bekannt gewesen ist.
Im Übrigen führen wir das Gespräch auch mit den entsprechenden Journalisten. Ich denke, das ist sachbezogen
und richtig. Wir haben da überhaupt nichts zu verbergen.
Ich habe Ihnen hier die Ergebnisse unserer Ermittlungen deutlich gemacht. Das hat nichts mit Seriosität oder
Nichtseriosität zu tun, sondern so ist die Lage. Es gab diesen Vorgang und ich denke, diesen braucht man nicht zu
verbergen.
Zweite
Zusatzfrage, Herr Kollege Feibel.
Ich habe ja ebenfalls
unterstrichen, dass ich davon ausgehe, dass die Zahlen,
wie Sie sie vorgetragen haben, auf einer seriösen Grund-
lage ermittelt wurden. Da gibt es keine Divergenzen.
Meine abschließende Frage: Werden Sie diese Frage
heute Nachmittag zum Anlass nehmen, noch einmal da-
rauf hinzuweisen, welche Zahlen richtig und welche Zah-
len falsch sind?
Herr Kollege Feibel, ich glaube,
es ist nicht so entscheidend, zu sagen, was falsch und was
richtig ist. Man muss vielmehr immer hinterfragen, wie
statistische Erhebungen zustande gekommen sind, was
deren Grundlage ist und wie sich dies auf die Ergebnisse
ausgewirkt hat. Das, denke ich, ist der entscheidende
Punkt.
Wir haben in dieser Sache nichts zu verbergen und se-
hen überhaupt keine Veranlassung, irgendetwas anderes
darzustellen. Es gab diesen Vorgang. Aus diesem Vorgang
heraus hat sich eine sehr gute Diskussion entwickelt, wie
man dem Phänomen einer rechtsextremistisch motivier-
ten Straftat statistisch ein Stück weit besser gerecht wer-
den kann. Deswegen gibt es ja seit dem 1. Januar 2001
Veränderungen bei der statistischen Erfassung. Ich kann
Ihnen leider noch keine Ergebnisse vorlegen, weil diese
Änderung noch nicht lange genug besteht.
In diesem Zusammenhang wird übrigens ebenso deut-
lich, dass dieses Problem nicht nur zu öffentlichen Dis-
kussionen geführt hat, sondern dass auch praktisches
politisches Handeln die Folge war. Die Innenminister-
konferenz wird sich im Mai dieses Jahres dieses Themas
noch einmal annehmen, wobei es insbesondere darum ge-
hen wird, wie die Länder im Einzelnen reagiert und ihr
statistisches Material zusammengestellt haben. Ich denke,
dieser Vorgang hat somit eine vernünftige Behandlung er-
fahren.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.
Wir sind am Ende der Fragestunde.1)
Der Beginn der Aktuellen Stunde ist von den Fraktionen für 15.35 Uhr vereinbart worden.
Ich unterbreche bis dahin die Sitzung.
({0})
1) Antwort zur Frage 32 siehe Anlage 13
Meine Damen und
Herren! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Zukunft des Unternehmens Bahn angesichts
der gegensätzlichen Auffassungen von Bahnvorstand und Bundesregierung
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner für die
CDU/CSU-Fraktion ist Herr Kollege Dirk Fischer.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Minister Bodewig schien ein
mutiger, nicht aber überzeugender Krisenmanager in dieser besonders kritischen Phase der Bahnreform zu sein.
Am Wochenende erklärte er markig: Die Frage der Trennung von Netz und Betrieb ist entschieden. Es geht nur
noch um das Wann und das Wie. - Ein mutiger Krisenmanager deswegen, weil er endlich die Verweigerungshaltung seiner Vorgänger Müntefering und Klimmt aufgegeben und sich der Trennung von Netz und Betrieb
geöffnet hat.
({0})
Er nutzte den Parteitag der Grünen, um dort den Widerstand der SPD und ihrer Minister gegen die Trennung von
Netz und Betrieb offiziell aufzugeben. Aber auch ein
schwacher Krisenmanager, weil unklar geblieben ist, ob
sein Vorstoß mit Bahnchef Mehdorn und Kanzler
Schröder abgesprochen war.
({1})
Bodewig: Die Trennung ist mit Mehdorn ausführlich
diskutiert worden und ich sehe keinen Widerstand der
DB AG. So meldeten die Agenturen am Wochenende.
Mehdorn fühlt sich aber ganz offenbar übergangen und
drohte bereits mit Rücktritt. Er behauptet nämlich genau
das Gegenteil.
({2})
Schröder will hingegen nichts von Streitigkeiten zwischen seinem Minister und Mehdorn wissen und zeigt
sich überzeugt, dass beide zu einer gemeinsamen Position
kommen werden.
Gelegentlich interessieren sich die Bürger und die Abgeordneten auch dafür, was Schröder eigentlich in der Sache will. Oder läuft hier wieder die Masche: Er wartet erst
einmal ab, um am Ende für das gefundene Ergebnis schon
immer gewesen zu sein? Das haben wir ja bei anderen politischen Fragen auch erlebt.
Der Rücktritt von Aufsichtsratschef Vogel ist besonders kurios gewesen, da der Hauptgrund seines Ausscheidens bislang die Kontroverse mit Mehdorn über die
Trennung von Netz und Betrieb als unabdingbare Voraussetzung für Wettbewerb auf der Schiene zu sein schien.
Man fragt sich also jetzt: Ist eigentlich der Richtige in die
Wüste geschickt worden?
({3})
Ich fasse zusammen: statt klarer Aussagen ein völliges
Durcheinander! Es herrscht in dieser Regierung ein einziger Erklärungswirrwarr.
({4})
Festzuhalten bleibt: Wir brauchen die zügige Trennung
von Netz und Betrieb für den dringend erforderlichen
Wettbewerb, damit der Verkehrsträger Schiene im Markt
nicht immer weiter zurückfällt.
({5})
Insoweit, Herr Minister Bodewig, biete ich Ihnen für
Ihre Ankündigungen ausdrücklich die Mithilfe der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion an. Sie sind durch den
Verlauf unserer Ausschusssitzung mit Herrn Pällmann
heute Vormittag in dieser Richtung überzeugend gestärkt
worden.
({6})
Ich habe das heute Morgen so wahrgenommen, dass alle
Fraktionen dafür sind, dass so schnell und so gut wie möglich die Trennung von Netz und Betrieb erfolgt. Nur durch
diese Trennung ist es möglich, zwischen der staatlichen
Verantwortung für eine ordnungspolitisch überzeugende
Schienenverkehrspolitik und dem Sanierungsfall DB AG
zu unterscheiden.
({7})
Das Netz muss möglichst schon 2003, spätestens aber,
wie in der Bahnreform vorgesehen, zum 1. Januar 2004
verselbstständigt werden. Eine Verzögerung auf den Zeitpunkt 2005 oder sogar später wäre das falsche Signal.
Die CDU/CSU-Fraktion fordert deshalb von dieser Regierung ein schlüssiges Gesamtkonzept zum System
Schiene, welches neben der Trennung von Netz und Betrieb insbesondere die Handlungsschwerpunkte für die
Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die verlässliche
Investitionsperspektive für eine mittelfristige Planungssicherheit, die europäische Dimension dieses europäischen
Bündelungsverkehrssystems, die Wettbewerbsneutralität
der fiskalischen Belastung, die Fahrplankoordination, die
Netzorganisation und die Regionalisierung, beinhalten
muss. Über diese staatliche Politik muss debattiert werden. Das ist die Verantwortung dieser Bundesregierung.
({8})
Ich bitte Sie, Herr Minister, etwas zu der AP-Meldung
zu sagen, die heute über die Ticker läuft, dass die Trennung von Netz und Betrieb nach einem Gespräch
Bodewig/Mehdorn „vom Tisch“ sei und dass nunmehr
„von einer unabhängigen Organisation im Bereich der
Holding bis zu einer vollständigen Herauslösung“ alles
möglich sei. Dann heißt es dort: Bodewig schloss den Verbleib des Netzes in der Holding nicht aus.
Dazu kann ich nur sagen: Dann sind Sie aber ein ziemlich fröhlicher Rheinländer: heute dies, morgen das. Auf
dem Parteitag der Grünen lassen Sie sich für die Trennung
feiern. Die deutsche Öffentlichkeit wird am ganzen Wochenende für die Trennung begeistert. Aber nach ein paar
Tagen ist das angeblich wieder „vom Tisch“.
Herr Minister Bodewig, sorgen Sie dafür, dass alle Entscheidungsträger Ihrer Regierung und alle Entscheidungsträger der DB AG das gemeinsame Ziel verfolgen,
welches Trennung von Netz und Betrieb heißt! Legen Sie
dafür einen detaillierten Zeitplan vor! Handeln Sie rasch!
Die Zeit drängt.
({9})
Der Verkehrsträger Schiene ist für eine erfolgreiche Verkehrspolitik unverzichtbar. Er darf im Markt nicht immer
weiter zurückfallen.
({10})
Das Wort hat der Herr
Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
Kurt Bodewig.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Bei Ihrem Verlangen nach einer Aktuellen
Stunde sind Sie einer Zeitungsente aufgesessen. Sie bedauern das jetzt. Eigentlich könnten Sie sich diese Aktuelle Stunde sparen; denn alle Ergebnisse liegen auf dem
Tisch.
({0})
Das gilt umso mehr, Herr Fischer, wenn Sie sich auf die
Bahnreform beziehen. Das finde ich wirklich einen Hammer. Sie haben doch eine wichtige und notwendige Bahnreform angepackt, dann aber das Unternehmen Bahn über
Jahre finanziell verhungern lassen.
({1})
Sie haben die Investitionen von 9 Milliarden DM auf
6 Milliarden DM heruntergefahren und sprechen von der
„Zukunft des wichtigsten Verkehrsträgers“. Sie handeln
doch völlig irreal!
Jetzt haben Sie ein paar Fragen gestellt, die ich gerne
beantworten möchte. Ich möchte die Zeitungsente, der Sie
aufgesessen sind,
({2})
gerne zum Anlass nehmen, etwas über die Zukunft des
Unternehmens Bahn zu sagen.
Mit der Verkehrsreform, die wir anpacken werden,
werden wir das Unternehmen Bahn, das System Schiene
fördern. Das geht nur in einer systematischen Schrittfolge. Trennung darf kein ideologisches Prinzip sein, wie
Sie es gerade propagiert haben. Vielmehr gehört sie zur
politischen Gestaltung.
Ich habe einige Elemente vorgesehen, die Sie alle einmal zur Kenntnis nehmen sollten.
Das erste Systemelement ist die LKW-Maut. Sie wird
zu einer Verlagerung des wachsenden Verkehrs führen.
Das ist richtig. Das ist ein mutiger Schritt, zu dem Sie nie
die Kraft gehabt haben. Das will ich einmal sehr deutlich
machen.
({3})
Das zweite Element ist: Die Mehreinnahmen aus der
LKW-Maut fließen in die Verkehrsinfrastruktur. Das führt
zu einer Nutzerorientierung. Auch das ist wichtig. Denn
wenn wir das enorme Verkehrswachstum bewältigen wollen, müssen wir alle Gestaltungsmaßnahmen in Angriff
nehmen.
Der dritte Punkt und ein zentraler Bestandteil unseres
Reformkonzepts ist - auch das habe ich sehr deutlich gemacht - die Erhöhung des Anteils des Verkehrs auf der
Schiene. Wettbewerb muss durch garantierte Unabhängigkeit des Netzes hergestellt werden.
Über dieses Ziel haben Sie heute im Ausschuss mit
Herrn Pällmann diskutiert. Ich beziehe mich auf die Anhörung zur Bahnreform. Ich beziehe mich auf den
Pällmann-Bericht. Sie lagen uns immer in den Ohren: Setzen Sie Pällmann um! - Jetzt tun wir dies. Wir prüfen den
Pällmann-Bericht sehr intensiv und entnehmen ihm die
uns geeignet erscheinenden Elemente. Jetzt höre ich so etwas von Ihnen! Irgendwann müssen Sie sich einmal entscheiden.
({4})
Deswegen habe ich gesagt: Die Unabhängigkeit des
Netzes ist keine Frage des Ob, sondern des Wie. Das wissen alle. Auch die Bahn hat das heute noch einmal bestätigt. Das Eisenbahninfrastrukturpaket der EU, das mit
einer grundsätzlichen Entscheidung für einen liberalisierten Güterverkehrsmarkt verbunden ist, liegt auf dem
Tisch. Bis 2007 muss dies gewährleistet sein. Wir fangen
früher an, weil es uns auch darum geht, das Unternehmen
Bahn gut aufzustellen.
Wir werden eine konkrete Prüfung vornehmen. Nicht
Ideologie, sondern systematische Schrittfolge: Das ist der
entscheidende Punkt. Ich habe dies angekündigt und das
machen wir. Wir beginnen nächste Woche mit der Taskforce.
({5})
In der Taskforce werden die unterschiedlichen Organisationsmodelle darauf untersucht, wie die Unabhängigkeit
des Netzes hergestellt werden kann. Dazu gehört eine
große Variantenbreite von der unabhängigen Organisation
Dirk Fischer ({6})
in Form einer Holding, von einer Herauslösung des Netzes bis zur Einrichtung einer Regulierungsbehörde.
({7})
Ich denke, es ist richtig, alle Maßnahmen sehr genau zu
prüfen.
({8})
Es geht hier nicht um eine Chaosentscheidung à la Großbritannien - konservative Kollegen von Ihnen -, sondern
es geht um eine verantwortliche Politik, die wir zu gewährleisten haben. Dies mache ich.
({9})
Ich sage: Ein solches Netz muss weisungsgebunden
und kundenneutral sein und es muss zu dem Ziel führen,
das wir im Verkehrsbericht 2000 aufgeführt haben: mehr
Verkehr auf die Schiene, Verdoppelung des Schienengüterverkehrs bis 2015. Dies ist ein ehrgeiziges Ziel, aber wir
werden mit aller Macht daran arbeiten, es zu erreichen.
({10})
Unter Ihrer Regierungszeit ging die Kapazität im Güterverkehr zurück. Im letzten Jahr gab es erstmalig eine
Steigerung. Ich gehe davon aus, dass wir diesen Prozess
systematisch fortsetzen.
Ich freue mich auch, dass Herr Mehdorn in der Taskforce mitarbeitet. Sie versuchen hier, einen Gegensatz zu
konstruieren: Mehdorn auf der einen und Bodewig auf der
anderen Seite. Wir haben bewiesen, dass es diesen Gegensatz nicht gibt. Es geht darum, das Unternehmen Bahn
aufzustellen, den Sanierungsprozess fortzusetzen.
({11})
Ihre Politik ist der Grund dafür, dass wir sanieren müssen. Sie sind diejenigen, die den Sanierungsprozess notwendig gemacht haben.
({12})
Wir lösen das Problem, das Sie uns hinterlassen haben.
Wir gestalten Politik.
({13})
Ich mache dies zusammen mit der DB AG und auch mit
den Beschäftigten der DB AG. Das ist mir sehr wichtig.
Die Bahn hat mit ihren Beschäftigten nach dem Zusammenschluss von Deutscher Reichsbahn und Deutscher
Bundesbahn einen ungeheuren Integrationsakt geleistet.
Sie wissen auch, dass dieser Prozess weitergeht. Dieses
Unternehmen Bahn wird ein Unternehmen Zukunft.
Ich sage auch: Unsere Maßnahmen werden dazu beitragen, die Verkehrsinfrastruktur systematisch auszubauen, die Neutralität des Netzes herzustellen, Unabhängigkeit zu schaffen, mehr Verkehr auf die Schiene zu
bringen, eine LKW-Maut einzuführen, die eine Nutzerfinanzierung darstellt. Ich denke, es ist gut, wenn dies alle
gemeinsam machen; auch mit dem Bahnvorstand und
dem Aufsichtsrat.
Ich bin gegen Streit in der Politik. Ich bin für gemeinsames Handeln bei der Gestaltung. In diesem Sinne hat
sich Ihre Aktuelle Stunde erledigt. Sie haben versucht, einen Keil zu treiben. Das ist misslungen. Mich freut dies.
Mich freut dies auch im Interesse des Unternehmens
Bahn.
({14})
Ihre Frage betraf die Zukunft der Bahn in Deutschland.
Die Zukunft der Schiene sieht durch unsere Gestaltungsmaßnahmen besser aus und die Zukunft des Unternehmens Bahn wird durch einen kontrollierten Sanierungsprozess erfolgreich vorangetrieben. Dazu werden wir
hinterher in diesem Hohen Hause gemeinsam sagen:
Prima, es hat sich gelohnt, Probleme anzupacken sowie
Lösungen öffentlich breit zu diskutieren und dann gestalterisch durchzusetzen.
({15})
Dies ist etwas, was wir bei Ihnen in den Jahren des Stillstandes zutiefst vermisst haben.
Herzlichen Dank.
({16})
Für die F.D.P.-Fraktion spricht der Kollege Horst Friedrich.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr
Minister Bodewig, die Aktuelle Stunde hat sich wahrscheinlich in gewisser Weise überholt, aber nicht in der
Weise, wie Sie es dargestellt haben, sondern dadurch, dass
Herr Mehdorn Sie offensichtlich kassiert hat.
({0})
Nach Ihrer vollmundigen Aussage vom Sonntag war
ich kurzfristig in dem Glauben, dass bei Ihnen die Hoffnung, dass es der Bahn besser gehen könnte, endlich
durch Wissen dessen, wie es geht, ersetzt worden ist. Da
haben Sie endlich das umgesetzt, was viele vorher für
richtig befunden haben und welches der letzte entsprechende Schritt sein musste, um mehr Wettbewerb und dadurch mehr Güter auf die Schiene zu bringen.
({1})
Nun kommt Ihre heutige Rede; sie klingt wie das verschüchterte Pfeifen im Wald. Dass Sie Herrn Mehdorn mit
in die Taskforce nehmen, ehrt Sie, aber das ist ungefähr
so, als wenn Sie die Frösche damit beauftragen, den
Sumpf trockenzulegen. Das kann doch nichts werden, lieber Herr Bodewig. Herr Mehdorn hat deutlich erklärt,
dass die Bahn für ihn inklusive der Netz AG funktionieren wird. Dafür habe ich volles Verständnis.
({2})
Eine Monopolrendite würde ich mir auch gerne genehmigen. Welchen Anlass hat denn Herr Mehdorn, von diesem bequemen Monopolsockel herunterzusteigen? Er
nennt immer die Zahl von angeblich 150 Mitbewerbern
auf der Schiene. Wir haben heute Morgen die eigentliche
Zahl gehört, nämlich den tatsächlichen prozentualen Anteil der Wettbewerber auf der Schiene. Nein, das sind für
die Bahn keine Wettbewerber. Das sind geduldete Zulieferer, damit der große Monopolist Bahn für einige
Strecken, die er von sich aus nicht mehr bedienen will,
seine Zulieferer hat. Das ist aber kein Wettbewerb.
({3})
Jetzt lesen wir zu unserer großen Freude in einer heutigen Tickermeldung:
Die definitive Herauslösung des Schienennetzes aus
der BahnAG ist vorerst vom Tisch ... Der Kompromiss
zwischen Bodewig und Mehdorn besteht offenbar
darin, dass der Minister erstmals betonte, dass auch ein
Verbleib in der Holding nicht ausgeschlossen sei.
Nun, Herr Minister Bodewig, das ist ziemlich genau
das Gegenteil von dem, was Sie am Sonntag erklärt haben.
({4})
An diesem Tag haben Sie erklärt, es gehe nicht um das Ob,
sondern nur um das Wie und um den Zeitpunkt der Trennung. Darin sind wir uns einig. Wir sind einer Meinung
darüber, dass man über das Wie und den Zeitpunkt diskutieren kann, aber nicht mehr über das Ob.
({5})
Nun ist die Frage: Was gilt denn jetzt tatsächlich? Heißt
der neue Verkehrsminister in Zukunft Kurt Mehdorn oder
Hartmut Bodewig?
({6})
Wie halten Sie es denn? Von wem möchten Sie Eisenbahnpolitik gestalten lassen, wenn Sie tatsächlich der
Meinung sind, dass Eisenbahnpolitik von der Politik noch
gestaltet werden muss? Ein bisschen politischer Einfluss
sollte noch vorhanden sein. Schließlich ist der Bund noch
zu 100 Prozent Eigentümer. Man kann darüber diskutieren, was man macht, aber doch nicht mehr darüber, wo an
den entsprechenden Stellschrauben gedreht werden muss.
Eines will ich noch ansprechen: Die Koalition aus
CDU/CSU und F.D.P. hat mit der Bahnreform das Thema
auf das richtige Gleis gebracht.
({7})
Zu Beginn der Bahnreform haben wir damals bewusst auf
die Trennung von Netz und Betrieb verzichtet, weil wir
gemerkt haben, dass die gleichzeitige Vereinigung von
Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn mit
der Bahnreform und der Trennung von Netz und Betrieb
nicht zu schultern sein wird.
({8})
Das war schon damals offensichtlich.
Es ist und bleibt eine Behauptung, wir hätten die Bahn
nicht mit den entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet.
({9})
Ich habe es Ihnen schon einmal nachgewiesen und Herr
Mehdorn hat im Ausschuss sogar zugeben müssen, dass
das Geld nicht verbaut werden konnte. Er hat die Begründung angeführt, 1994 sei man von der Bahnreform überrascht worden.
({10})
Man habe nicht gewusst, dass die Bahnreform komme
und habe deswegen die Gelder nicht verbauen können.
Die Bahnreform kam ja auch von heute auf morgen, sozusagen über Nacht. Das war damals ein entsprechender
Managementfehler. Er zieht sich durch das Thema wie ein
roter Faden.
Auch jetzt liest man zwischen den Zeilen, dass von den
angeblich so großen Summen, die zugesagt worden sind,
über eine Milliarde wieder nicht verbaut werden kann.
Damit man aber einem entsprechenden Vorwurf entgegentreten kann, liest man jetzt schon, es sei nicht das Unvermögen der Bahn, es nicht verbauen zu können, sondern dies liege an dem Fakt, dass man das Ganze unter
dem rollenden Rad machen müsse. An Baustellen dürfe
also nicht so viel Geld ausgegeben werden, wie zur Verfügung stehe. - Das ist die blödeste Begründung, die ich
jemals gehört habe, um Geld nicht auszugeben. Auf der
einen Seite kommt das große Jammern nach mehr Geld,
auf der anderen Seite kommt sofort der Nachsatz, man
könne nicht alles ausgeben.
({11})
Entweder kann man das Geld ausgeben, dann braucht man
es auch. Oder man kann das Geld nicht ausgeben, dann
braucht man kein großes Geschrei zu erheben, es werde
nicht genügend Geld zur Verfügung gestellt.
In diesem Sinne, Herr Minister Bodewig, waren Ihre
Worte eine große Enttäuschung. Ich bin gespannt, wie Sie
sich in den nächsten Runden bei diesem Thema herauslavieren werden. Schauen wir einmal, was dabei herauskommt. Ich befürchte, dass es nichts Gescheites sein wird.
Danke.
({12})
Das Wort hat der Kollege Albert Schmidt für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
({0})
Ich glaube gern, dass euch das stinkt. Wenn
es um die Bahn geht, ist Schmidt immer überall. Darüber
braucht ihr euch keine Sorgen zu machen.
({0})
Horst Friedrich ({1})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Seit Hartmut Mehdorn als Chef der Deutschen Bahn Aktiengesellschaft seinerzeit gesagt hat: „Den Unfug mit
dem Transrapid zwischen Hamburg und Berlin machen
wir nicht“, explodiert Dirk Fischer wie eine Rakete an Silvester, wenn nur der Name Mehdorn fällt.
({2})
Sie, Herr Kollege Fischer, haben damals anscheinend
ein Trauma erlitten und müssen jetzt bei jeder Gelegenheit
- wenn es keine gibt, versuchen Sie, eine zu konstruieren diesem Manager - er ist einer der erfolgreichsten Manager dieses Landes - ans Bein pinkeln. Dafür habe ich sogar ein gewisses Verständnis. Aber glauben Sie ja nicht,
dass dies eine Basis für Politik ist. Und glauben Sie ja
nicht, dass Sie mit der heutigen Aktuellen Stunde angesichts des überwältigenden positiven Presseechos der
letzten Tage nur einen einzigen Punkt gewinnen werden.
({3})
Wenn Sie einmal einen Moment nachdenken würden
und sich überlegten, wie die Bilanz der ersten 100 Tage
dieses Ministers aussieht, müssten Sie unvoreingenommen sagen: Die trilaterale Vereinbarung - zwischen Finanzministerium, Verkehrsministerium und Bahn - ist
unter Dach und Fach und schafft berechenbare Finanzzusagen für die nächsten drei Jahre. - Das ist ein Ergebnis, das Sie nie angestrebt und schon gar nicht zustande
gebracht haben. - Das ist der erste Punkt.
({4})
Zweitens. Wir haben den Branchentarifvertrag unter
Dach und Fach. Es ist schwierig gewesen, diesen Vertrag
zwischen den Beschäftigten und der Unternehmensführung auszuhandeln. Der Vertrag schafft wichtige Voraussetzungen und hat der Unterstützung durch die Politik bedurft, die den Beschäftigten gesagt hat: Ihr werdet
nicht auf die Straße geschickt, ihr werdet nicht entlassen,
sondern wir nehmen unsere Verantwortung wahr, sei es
durch Vorruhestandsregelungen oder andere Rahmenregelungen, die wir für euer Unternehmen schaffen.
({5})
Drittens - das ist das, was euch ärgert -: Der Verkehrsminister sagt: Wir machen in verschiedenen Punkten mit
den Vorschlägen der Pällmann-Kommission Ernst.
({6})
Er will in den Fragen einer Finanzierungsgesellschaft, einer schrittweisen Umsteuerung in der Verkehrswegefinanzierung, von einer Steuer- zu einer Nutzerfinanzierung, beginnend bei der Bahn und beim LKW, und mit
einer Taskforce, das heißt mit einer Arbeitsgruppe, die dezidiert eine Entscheidung, die uns durch die Europäische
Union vorgegeben ist, vorbereitet, nämlich das Netz für
alle Verkehrsunternehmen, die die Schiene nutzen, unabhängig zu stellen, Ernst machen. Das ist doch eine hervorragende Bilanz nach 100 Tagen und dass Sie das ärgert, kann ich sogar verstehen.
({7})
Nun ist, lieber Kollege Friedrich, die Frage nach der
Unabhängigkeit des Netzes keine Glaubensfrage, wie das
von manchen überstilisiert wird.
({8})
- Du musst meine Rede nachlesen. - Sie ist eine nüchterne Frage nach der Effizienz. Wenn die rechte Seite dieses Hauses schon immer ein so großes Herz für den Wettbewerb auf der Schiene gehabt haben will, wenn sie denn
so sehr für die Weiterentwicklung der Bahnreform und die
Trennung von Netz und Betrieb ist, muss ich Sie fragen:
Warum haben Sie denn in all den Jahren nichts dafür getan? Warum haben wir denn heute diese Situation?
({9})
- Ja, nachdem ihr in der Opposition wart, habt ihr den Antrag vorgelegt und nicht vorher!
Es geht jetzt schlicht und einfach darum, in einem verantwortlich organisierten Prozess die Organisationsform
und den zeitlichen Verlauf, in dem die Unabhängigkeit
des Netzes zu bewerkstelligen ist, sicherzustellen. Das
setzt selbstverständlich voraus, dass auch der Vorstand
des Unternehmens aufs Engste mit einbezogen ist. Die
Tatsache, dass heute noch einmal erklärt worden ist, dass
Hartmut Mehdorn in dieser Taskforce produktiv mitarbeiten wird, widerlegt doch den Anlass der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde.
({10})
Wir werden diesen Prozess in Ruhe vorantreiben; es
wird nicht aus der Hüfte geschossen, da es in dieser Frage
auch um Beschäftigte geht. Sie werden sich noch öfter ärgern müssen, weil wir diesen Prozess beharrlich betreiben
werden.
Abschließend will ich Ihnen noch sagen: Die Umstrukturierung im Unternehmen ersetzt in gar keiner
Weise die Sanierung des Netzes durch ordentliche Finanzzusagen. Darin liegt die eigentliche Unverschämtheit Ihres Auftretens hier.
({11})
Sie wollen nur verdecken, dass Sie der Bahn über Jahre
hinweg Gelder vorenthalten haben, die sie dringend
Albert Schmidt ({12})
gebraucht hätte. Wir müssen jetzt beides bewältigen,
nämlich die Strukturreform durch mehr Innovation und
mehr Investitionen. Diese Aufgabe haben Sie uns hinterlassen und Sie können sicher sein: Wir werden sie verantwortlich, konsequent, beharrlich und erfolgreich lösen.
({13})
Für die PDS-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Dr. Winfried Wolf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen fest,
dass jetzt alle Fraktionen im Bundestag für die Trennung
von Fahrweg und Betrieb eintreten. Wir stellen weiter
fest, dass diese Trennung eine alte Forderung der Umweltbewegung ist, die seit Mitte der 80er-Jahre erhoben
wird, um eine Chancengleichheit für alle Verkehrsträger,
in diesem Falle zugunsten der Bahn, zu realisieren. Wir
müssen aber auch feststellen, dass bei der Bahnreform im
Jahre 1994 explizit gesagt wurde, dass eine Trennung
nicht stattfinden solle und dass erst ungefähr seit Herbst
des letzten Jahres einzelne Anträge - nicht nur von der
F.D.P., sondern auch von der PDS - eingebracht wurden,
die dieses Thema konkret aufgreifen.
Ich möchte aber zunächst festhalten, dass die Ausführungen in dieser Debatte und die Erklärung von Herrn
Bodewig auf dem Grünen-Parteitag im Grunde der Feststellung eines Desasters in der gesamten Bahnpolitik und
auch in der Bahnreform gleichkommen. Immerhin regieren SPD und Grüne schon zweieinhalb Jahre. In der Zeit
hat sich der Zustand des Netzes weiterhin verschlechtert
und die Zahl der Langsamfahrstrecken auf real 3 000 vergrößert.
Die allgemeine Verwirrung ist ja auch dadurch zum
Ausdruck gekommen - was sehr seltsam ist -, dass der
Aufsichtsratschef Vogel die Trennung von Fahrweg und
Betrieb zuerst fordert und dann zurücktreten muss, dann
in Stuttgart bekannt gegeben wird, dass die Trennung
doch realisiert werden soll, daraufhin Mehdorn erklärt,
dass er zurücktreten wolle, und jetzt irgendetwas, was dazwischen liegt - die jetzt angestrebte Lösung ist mir auch
nicht klar geworden -, realisiert werden soll.
Wenn man generell für die Trennung von Fahrweg und
Betrieb eintritt, dann muss man auch bedenken, dass der
Teufel im Detail steckt. Ich möchte vier Teufelchen - darüber hat bisher kein Mensch geredet - aufzählen.
Erstens. Was für eine Art von Netzgesellschaft soll es
denn sein? Es wurde gesagt, es solle eine private Gesellschaft, eine Aktiengesellschaft, sein. Wir glauben dagegen, dass es, wenn es eine Trennung gibt, eine staatliche
Gesellschaft sein müsste, die die Grundversorgung im Bereich der Infrastruktur - wie bei den Wasserwegen - sicherstellen muss. Im Grunde würde man mit einer solchen
Gesellschaft dem Modell der erfolgreichsten europäischen Bahn, der Schweizer Bahn, nacheifern.
Zweitens. Es wurde bisher von keinem Menschen darauf hingewiesen, dass die Finanzierung der Fahrwege
auch nach der Trennung von Fahrweg und Betrieb garantiert werden muss und eine solche Garantie von vornherein integraler Bestandteil einer solchen Bahnreform sein
muss.
({0})
Drittens. Mehdorn hat Recht, wenn er darauf hinweist,
dass Betrieb und Unterhalt in einer Hand sein sollten. Hier
stehen zwei Modelle zur Auswahl: zum einen das Modell
Railtrack in Großbritannien, wo es eine vollkommene
Trennung gibt - mit katastrophalen Folgen - zum anderen
das Modell Reseau in Frankreich, wo das Netz zwar formal in der Hand des Staates ist, er direkten Zugriff hat,
aber der Betrieb weiterhin in der Hand der SNCF liegt,
das heißt, Betrieb und Unterhalt sind weiterhin in einer
Hand. Das französische Modell Frankreich wäre auch bei
uns realisierbar.
Viertens. Die Trennung von Fahrweg und Betrieb
müsste mit einer Neuordnung der Trassenpreise einhergehen, das heißt, es müssten Trassenpreise festgelegt werden, durch die der privat betriebene Schienenverkehr vor
allem auf Nebenstrecken nicht behindert wird. Die Reform müsste so durchgeführt werden, dass die Trassenpreise allgemein und speziell auf den bedrohten Nebenstrecken gesenkt werden, um zur Aufnahme des
Schienenbetriebs auch auf stillgelegten Nebenstrecken zu
ermuntern.
All diese vier Punkte wurden nicht konkretisiert. Herr
Bodewig, Sie haben dazu nichts gesagt und sogar für neue
Konfusion gesorgt. Es gibt damit zwei Möglichkeiten:
Entweder es kommt zu der angedeuteten Trennung - wie
sie auch von F.D.P. und Grünen vertreten worden ist -, das
heißt weitere Entstaatlichung und Fortsetzung des Weges
an die Börse und der Zerschlagung der Bahn. Oder es
kommt zu der Lösung, die Herr Bodewig angekündigt hat,
was weiteres Chaos bedeuten würde, ähnlich dem Chaos,
das in den letzten zwei Jahren in der Bahnpolitik mit drei
Verkehrsministern und mit der Ankündigung auf dem
Grünen-Parteitag und der halben Zurücknahme derselben
angerichtet wurde.
Der Charme der von der CDU/CSU beantragten Aktuellen Stunde liegt darin, dass die Diskussion über das
Thema dort hingeholt worden ist, wo sie hingehört, nämlich in das Parlament. Ich fordere, dass die Diskussion
auch nach der Aktuellen Stunde fortgesetzt wird und konkrete Konzepte auf den Tisch gelegt werden, in denen
mindestens die von mir angesprochenen „vier Teufelchen
im Detail“ berücksichtigt werden. Vielleicht gibt es noch
ein paar andere.
Danke schön.
({1})
Nächster Redner ist
der Kollege Dr. Wolfgang Bötsch für die CDU/CSU-Fraktion.
Albert Schmidt ({0})
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Es ist
ja interessant, dass der der SPD angehörende Minister
ausgerechnet einen Grünen-Parteitag für seinen Auftritt
wählte.
({0})
Ich gehe davon aus, dass er dieses Forum gewählt hat, um
etwas mehr als in der Vergangenheit zur Kenntnis genommen zu werden, also gewissermaßen zur Steigerung
des eigenen Bekanntheitsgrades. Ich gehe nicht davon
aus, dass er Fusionsverhandlungen zwischen den Grünen
und der SPD führen sollte.
Mit einer vernünftigen und in die Zukunft gerichteten
Verkehrspolitik war der Name Bodewig jedenfalls bisher
nicht verbunden. Herr Minister, Sie konnten die Flickschusterei nicht beseitigen, die die Bundesregierung mit
drei Bundesverkehrsministern in der Verkehrspolitik inzwischen angerichtet hat.
In der Sache selbst hat die CDU/CSU - das haben Sie
ja vielleicht gemerkt; Kollege Fischer hat das vorhin noch
einmal unterstrichen - Ihren Vorstoß nicht kritisiert. Im
Gegenteil: Mit dem, was Sie in Stuttgart gesagt haben,
möchte sie Sie durchaus unterstützen. Aber wir stellen
fest, dass spätestens seit heute offenbar wieder zurückgerudert wird.
({1})
Die Taskforce - das ist ja ein sehr ambitionierter Begriff in diesem Zusammenhang; das gebe ich zu ({2})
wird sich mit der Frage zu beschäftigen haben, inwieweit
mit welchen Liberalisierungsmaßnahmen endlich Wettbewerb auf die Schiene gebracht wird und somit zufriedenere Kunden für die Bahn gewonnen werden können.
Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung von vorhin geht es uns
nicht um Ideologie, nicht um Kunst um der Kunst willen,
nicht um Wettbewerb um des Wettbewerbs willen, sondern zufriedene Kunden sollen bleiben und andere Kunden sollen gewonnen werden.
({3})
Der beste Weg dahin ist ein funktionierender Wettbewerb. Dazu ist es schlicht und einfach erforderlich, dass
die Bahn pünktlich, schnell, flächendeckend und preiswert ist. Keine dieser Voraussetzungen erfüllt die
Bahn AG im Augenblick.
({4})
Deshalb ist es auch nicht mehr als hohles Gerede, wenn
immer wieder mit neuen Werbekampagnen Ankündigungen gemacht werden, denen aber keine Taten folgen.
Zur Pünktlichkeit: Sie sagen, es seien 97 Prozent. Ich
frage Sie, Herr Kollege Schmidt, warum an einem Sonntag, an dem fast kein Güterverkehr auf der Schiene rollt,
der ICE 10 bis 15 Minuten Verspätung hat. Wenn Sie dann
Ihren viel gepriesenen Verbund im Verkehr erreicht haben, dann haben Sie zwar große Flughafenbahnhöfe mit
Eventecken oder Eventbereichen, aber das Flugzeug verpassen Sie, weil der Zug Verspätung hat. Sie haben nur
dann eine Chance, das Flugzeug zu erreichen, wenn Sie
einen früheren Zug wählen, den Sie eigentlich nicht
wählen wollten.
({5})
Vieles dient nicht der Aufklärung, sondern der Verwirrung der Reisenden. Gehen Sie einmal zum Bahnhof Zoo
in Berlin und vergleichen Sie, was auf den gedruckten Abfahrtstafeln steht, den Wagenstandsanzeigern, auf dem
Display auf den Bahnsteigen, in den Fahrplänen zu den
Städteverbindungen und dem Faltblatt „Ihr Zugbegleiter“! - Sie finden nur Widersprüchliches; der Kunde wird
nur verwirrt.
({6})
Wenn man dann Herrn Mehdorn einen Brief schreibt,
dann antwortet irgendjemand in abwägenden Worten,
weil der Herr Mehdorn offenbar keine Zeit hat, einen
Brief an einen Abgeordneten wenigstens zu unterschreiben.
({7})
Warum die Information der Reisenden im Zeitalter des
Mobilfunks so schlecht ist, dass zum Beispiel bei geänderter Wagenfolge auf dem Bahnsteig erst in letzter Sekunde gesagt wird, die Wagen stehen an einer anderen
Stelle, ist nicht zu verstehen. Die Werbung im Fernsehen
ist keine Satire, sondern dargestellte Wirklichkeit: Die
Bahn ist nicht in der Lage, im Verlaufe einer Stunde auf
der Fahrt von Nürnberg nach Würzburg in Würzburg anzurufen, dass der Zug heute eine andere Wagenreihenfolge hat.
Ich kann Ihnen die Entschuldigungen der Reihenfolge
nach aufzählen: Oberleitungsschaden, Gleisschaden,
Weichenschaden,
({8})
Heizungsschaden, Schäden am Triebkopf, Toiletten verstopft, Kaffeemaschine kaputt. So ungefähr lautet die Reihenfolge dessen, was Sie täglich erleben, wenn Sie mit der
Bahn fahren. Dort liegen die Ursachen, warum Sie keine
neuen Kunden bekommen.
Meine Damen und Herren, gefragt ist zunächst das Management der Bahn, Herr Mehdorn. Ich denke, er sollte
Hinweise, die gut gemeint sind, nicht einfach abwiegeln,
sondern ihnen nachgehen.
Gefragt ist aber auch die Bundesregierung, gefragt sind
auch Sie, Herr Minister Bodewig. Kündigen Sie nicht nur
an, handeln Sie! Wenn Sie vernünftig handeln, haben Sie
unsere Unterstützung.
Vielen Dank.
({9})
Nächste Rednerin für
die SPD-Fraktion ist die Kollegin Karin RehbockZureich.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege
Bötsch, gefragt gewesen wären Sie und Ihre Fraktion in
den letzten Jahren, in denen Sie an der Regierung waren,
als es darum ging, die Investitionsmittel der Bahn nach
der Bahnreform auf dem Niveau zu halten, wie es einmal
in der Größenordnung von 9 bis 10 Milliarden DM festgelegt wurde.
({0})
Dies haben Sie nicht getan. Jetzt haben wir eine Aktuelle
Stunde, für die eine Zeitungsente der Anlass ist. Eines ist
doch ganz klar:
({1})
Es wird Ihnen nicht gelingen, einen Keil zwischen die
DB AG und uns hinsichtlich des gemeinsamen Ziels zu
treiben. Dieses gemeinsame Ziel heißt: mehr Verkehr auf
die Schiene. Wir werden dieses gemeinsame Ziel erreichen. Wir haben erste Schritte getan: Wir haben die Investitionsmittel von 6 Milliarden DM auf 9 Milliarden DM
erhöht, die Rahmenbedingungen insgesamt verbessert
und ein Konzept für die Unabhängigkeit des Netzes, was
Voraussetzung für mehr Wettbewerb in der Zukunft ist,
auf die Tagesordnung gebracht.
({2})
Sie haben über Wettbewerb immer als Selbstzweck diskutiert. Das war ein Stück Ideologie.
({3})
Der Maßstab, den Sie angelegt haben, ist nicht unser Maßstab.
({4})
Unsere zukünftige Verkehrspolitik wird darauf ausgerichtet sein, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Aus
diesem Grund werden die Chancen und Risiken zukünftiger Konzepte genau abgeklopft.
({5})
In der heutigen Diskussion im Verkehrsausschuss wurde
auch vonseiten Dr. Pällmanns ganz deutlich gesagt, dass es
nicht um einen Selbstzweck gehen dürfe, sondern vor dem
Hintergrund des Zieles, mehr Verkehr auf die Schiene zu
bringen, geschehen müsse. Es gibt ja nun ein schreckliches
Beispiel: England kann für uns kein Vorbild sein.
({6})
Ihr Verhalten finde ich insgesamt sehr seltsam. Sie treten einerseits für die Trennung von Netz und Betrieb ein.
Andererseits bringen Sie einen Antrag ein, mit dem Sie
die Anzahl der pro Jahr zu fahrenden Zugkilometer festlegen und garantieren wollen. Dazu muss ich Ihnen schon
sagen: Das Ansinnen, die Zugkilometer in der Republik
festzulegen, widerspricht Ihrem Anspruch, durch die
Trennung von Netz und Betrieb mehr Verkehr auf die
Schiene zu bringen.
({7})
Sie fordern hier eine Rückkehr zur alten Behördenbahn.
Sie müssen selbst sehen, wie Sie dies unter einen Hut
bringen wollen.
({8})
Die DB AG ist dabei, ihre Ziele zu erreichen. Sie erzielte im Güterverkehr ein Plus von 13 Prozent und im Bereich der Personenkilometer ein Plus von 4 Prozent. Dies
ist der erste Schritt in eine bessere Zukunft. Mit den richtigen Rahmenbedingungen vonseiten der Politik werden
wir gemeinsam mit der DB AG und den Fachleuten den
Weg in die richtige Richtung einschlagen.
({9})
Nächster Redner für
die CDU/CSU ist der Kollege Georg Brunnhuber.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass der
Herr Minister heute bei dieser Aktuellen Stunde anwesend
ist.
({0})
Herr Minister, ich habe mich gefreut - das habe ich vor
wenigen Tagen in einem Interview gelesen -, dass Sie
sinngemäß erklärten, dass Sie stolz sind, deutscher Verkehrsminister zu sein.
({1})
Ich freue mich darüber. Wenn das aber Ihr Kabinettskollege Trittin liest, verdächtigt er Sie bei Ihrer Frisur der
Deutschtümelei und bezeichnet Sie als Skinhead.
({2})
Wir nehmen Sie aber in Schutz. Hier im Parlament sitzen
ja noch mehr mit der gleichen Frisur.
({3})
Wir unterstützen Sie im Grunde genommen nicht nur
dort. Am Sonntag - als ich in den verschiedenen Fernsehnachrichten Ihre Äußerungen vernommen habe dachte ich mir: Jawohl, jetzt geht es mit der Bahn in die
richtige Richtung.
({4})
Es hat noch nicht einmal zwei ganze Tage gedauert,
({5})
da sind Sie schon wieder - kehrt, marsch! - umgekehrt.
Wiederum passiert das, was Herr Mehdorn schon mehrmals - auch mit Ihrem Vorgänger - gemacht hat: Er zieht
Sie schneller über den Tisch, als Sie denken können.
Als es um den Transrapid ging, hat Herr Mehdorn
Herrn Klimmt mit völlig falschen Daten, Zahlen und Fakten über den Tisch gezogen.
({6})
Ergebnis: Transrapid weg. Mit seinen Darstellungen der
großen Finanzdefizite hat er Ihren Vorgänger und auch Sie
dazu gebracht, dass man in den nächsten Jahren der Bahn
einen Schubkarren voll Geld nachschmeißt. Vor wenigen
Tagen ist herausgekommen: Das Defizit ist gar nicht so
groß; eigentlich ist es gar keins. Im Grunde genommen
handelt es sich nur um ein Berechnungsproblem.
({7})
Herr Bodewig, wenn Sie nicht aufpassen, dann zieht er
Sie in dieser Sache über den Tisch und die Verkehrspolitik von Rot-Grün ist endgültig gescheitert. Sie sind ja
nicht ohne Grund auf die 1994 beschlossene Trennung
von Netz und Betrieb gekommen. Ihre Devise im Wahlkampf 1998 „Mehr Güter auf die Schiene“ ist im
Jahre 2001 doch restlos gescheitert.
({8})
Nichts von alledem ist wahr geworden. Da Sie erst
100 Tage Verkehrsminister sind, nehme ich Ihnen ab, dass
Sie aus eigenem Erleben nicht wissen können, dass der
Zuwachs des letzten Jahres nicht durch die Bahn in
Deutschland erfolgt ist, sondern weil die Bahn AG in
Holland in einer Kooperation mit einem holländischen
Betrieb Tonnage zugekauft hat.
({9})
Im Gegenteil: Die Anzahl der auf der Schiene transportierten Güter und der Umfang des Güterverkehrs insgesamt sind zurückgegangen. Herr Minister, Ihre jetzige Politik wird scheitern.
Es ist gut, dass wir heute die Gelegenheit haben, über
dieses Thema zu sprechen. Die Arroganz, die Herr
Mehdorn selber an den Tag legt, ist im ganzen Unternehmen
zu spüren, vom Kopf bis hinunter in den kleinsten Bahnhof.
({10})
Sonst könnte es nicht sein, dass man 1 000 Anschlüsse
kündigt, ohne mit den dortigen Unternehmen zu sprechen.
Diese Unternehmen haben im September ein Schreiben
bekommen, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass sie ab
1. März nicht mehr bedient werden, entweder sie bauen
die Schiene selber ab oder man baut sie auf deren Kosten
ab - Feierabend! Darüber gab es kein weiteres Gespräch.
Ich nehme Ihnen ausdrücklich ab, dass Sie sich in meinem Wahlkreis Königsbronn sehr bemüht haben. Nachdem Sie Herrn Mehdorn angeschrieben hatten, hat er noch
nicht einmal richtig geantwortet. Er hat überhaupt nichts
gemacht. Die Unternehmen vor Ort haben keine Information. Die Bürgermeister vor Ort wurden noch nicht einmal
informiert. Durch das Schließen von drei Anschlüssen in
meiner Region sind 12 000 LKWs pro anno mehr nötig.
1 000 solcher Anschlüsse werden in der Bundesrepublik
Deutschland gestrichen. Hochgerechnet bedeutet das
100 000 LKWs mehr. Das ist das Ergebnis der Politik von
Rot-Grün. Trotzdem wollen Sie sich als Förderer der
Bahn feiern lassen.
({11})
Das Gleiche gilt auch für die Streichung von Interregioverbindungen. Im Verkehrsausschuss und im Plenum des
Deutschen Bundestages wird gar nicht mehr darüber diskutiert, dass die Bahn im Grunde genommen tut, was sie
will. Sie will nur eines: mehr Geld. Das schieben Sie rüber.
Aber Sie verlangen nicht, dass auch entsprechende Leistungen erbracht werden. Herr Minister, wann hat es das
schon einmal gegeben, dass - die SPD musste dabei etwas
geschoben werden - nicht nur die Regierungskoalition,
({12})
sondern die gesamte Opposition den Minister bei der
Trennung von Netz und Betrieb unterstützt? Sie sind umgefallen, bevor der Krieg überhaupt begonnen hat, bevor
man mit den Verantwortlichen der Bahn AG richtig ins
Gespräch gekommen ist.
({13})
Ich kann Ihnen nur versichern: Wenn Sie nicht schnell
handeln, wenn sie in den nächsten Wochen oder Monaten,
auf jeden Fall noch im Jahr 2001, nicht zu Ergebnissen
kommen, dann - das prophezeien wir Ihnen - ist diese
Legislaturperiode vorbei und Sie sind als Verkehrsminister gescheitert.
({14})
Wenn Sie etwas Vernünftiges machen wollen, dann gehen
Sie auf die Opposition zu; Sie haben unsere Unterstützung. Wir können gemeinsam die Trennung von Netz und
Betrieb angehen.
Herr Kollege
Brunnhuber, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Wenn das Herrn
Mehdorn nicht passt: Wir finden auch einen neuen Bahnchef. Das garantiere ich Ihnen.
({0})
Nächster Redner ist
der Kollege Helmut Wilhelm für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Wenn ich etwas nicht mehr verstehe, meine Damen und
Herren von der CDU/CSU, dann ist es der Anlass für die
heutige Aktuelle Stunde.
({0})
Ich weiß wirklich nicht, was an diesem Thema neu sein
soll. Die Rechtslage in dieser Frage ist altbekannt. Dass
die Trennung von Netz und Betrieb einer sorgfältigen Prüfung bedarf und dass es keine Schnellschüsse geben darf,
ist doch wohl offenkundig.
Zur rechtlichen Situation. In Art. 87 e des Grundgesetzes steht bereits:
Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt.
Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die
Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die
Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen
umfasst.
Gemeint ist also genau der Bereich des Netzes. Weiter
wird geregelt, dass eine Allgemeinwohlverpflichtung besteht und dass Aktienanteile nicht verkauft werden dürfen,
wenn die Aktienmehrheit dann nicht mehr beim Bund liegen würde.
({1})
All das ist altbekannt. Ich frage Sie deshalb, warum Sie
eine Aktuelle Stunde beantragt haben. Dieser Artikel zeigt
doch, dass in der während Ihrer Regierungszeit vorgenommenen Grundgesetzänderung, die für das Eisenbahnneuordnungsgesetz notwendig war, eine Trennung von
Netz und Betrieb ausdrücklich vorgesehen wurde.
({2})
Dies ist sinnvoll, weil es ebenso wie beim Verkehrsweg
Straße eine Gemeinwohlverpflichtung des Staates gibt.
Im Klartext: Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über
eine spätere Ausgliederung des Netzes von Anfang an offen gelassen. Es gibt also in dieser Frage nichts Aktuelles.
Wir stehen fest auf dem Boden des Grundgesetzes.
({3})
Angesichts Ihres Verlangens nach einer Aktuellen Stunde
muss ich aber fragen: Haben Sie eigentlich vergessen,
dass während Ihrer Regierungszeit mit breiter Zustimmung des Hauses dieser Weg im Grundgesetz verankert
worden ist? Warum fragen Sie angesichts angeblicher gegensätzlicher Auffassungen von Bahnvorstand und Bundesregierung nach der Zukunft des Unternehmens Bahn?
Unterstellen Sie etwa Herrn Mehdorn, ihm sei die Rechtslage bis heute nicht bekannt gewesen?
({4})
Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.
Die Koalitionsfraktionen haben volles Vertrauen in die
Fähigkeit des Bahnvorstandes, das Unternehmen DB AG
zu sanieren.
({5})
Bisher war ich der sicheren Überzeugung - insbesondere
auch nach der Expertenanhörung im Verkehrsausschuss -,
auch Ihre Fraktion befürworte die unternehmerische Trennung von Netz und Betrieb. Das haben Sie auch heute
wieder ausdrücklich bestätigt.
({6})
Dass wir die Vorgehensweise bei der Trennung von
Netz und Betrieb sorgfältig überlegen werden und dass
mit Sicherheit verschiedene Modelle geprüft werden
müssen, ist doch wohl selbstverständlich. Auch Sie konnten doch nicht erwarten, dass dies von heute auf morgen
passiert. Herr Dr. Wolf von der PDS hat es richtig gesagt:
Der Teufel steckt im Detail. Wir werden uns mit diesem
Thema sorgfältig auseinander setzen.
({7})
Sehen Sie die Situation doch einmal folgendermaßen:
Nachdem Ihre Bundesregierung dem neu gegründeten
Unternehmen DB AG nur noch in stark reduziertem Umfang Mittel gewährt hat, ist gerade beim Netz der
Nachholbedarf besonders groß. Diese Entwicklung geht
doch auf Ihr Konto. Gerade in diesem Punkt steuert die
neue Bundesregierung entschieden gegen.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, lassen
Sie doch bitte solche Scherze und kleinkarierten Verdächtigungen, indem Sie von einem Kleinkrieg zwischen Regierung und Bahnvorstand sprechen!
({8})
Machen Sie bitte endlich eine konstruktive Oppositionspolitik und helfen Sie mit, dieses uns doch allen wichtige
System Bahn auf ein sicheres Gleis zu setzen!
Danke.
({9})
Das Wort hat der Kollege Klaus Hasenfratz für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte die Aktuelle
Stunde nutzen, um einige an der Sache orientierte Sätze
zu sagen.
({0})
Die Aktuelle Stunde ist deshalb deplatziert, weil sie nur
darauf angelegt ist, aufgrund einer Zeitungsente - das ist
schon mehrfach gesagt worden ({1})
einen Keil zwischen Bundesverkehrsminister Kurt
Bodewig und den Bahnvorstand zu treiben.
({2})
Es ist wohl bei allen Rednern der Opposition unverkennbar, dass man sich Herrn Mehdorn seit einiger Zeit - den
Zeitpunkt hat der Kollege Schmidt genannt - als Feindbild auserkoren hat.
({3})
Dass Herr Mehdorn eine unternehmerische Führungsposition hat und die Bahn nach vorne bringen muss, ist
doch ganz logisch. Aber, wie der Kollege Wilhelm es hier
ausgeführt hat, auch der Staat hat hier eine Aufgabe, die
wir sehr ernst nehmen. Ich glaube, es kann nicht widersprochen werden, wenn ich feststelle: Schon bei der Regierungsübernahme haben wir gezeigt, dass wir diese
Aufgabe in Angriff nehmen.
Der erste Schritt des Verkehrsministers Müntefering
war,
({4})
die Pällmann-Kommission ins Leben zu rufen.
({5})
Der Endbericht liegt seit einem halben Jahr vor. Ich war
erfreut, heute Morgen in der Ausschussberatung feststellen zu können, dass es zu wesentlichen Teilen dieses Endberichtes, vorgetragen von Herrn Pällmann, über die
Fraktionsgrenzen hinweg eine große Übereinstimmung
gibt. Offen bleibt, wie wir mit den Vorschlägen der
Pällmann-Kommission nachher im Detail umgehen.
({6})
Jetzt wird, Herr Goldmann, Eile eingefordert mit dem
Hilfsargument des Kollegen Friedrich, dass man diese offen gelassene Option der Trennung von Netz und Betrieb
nur deshalb nicht auf den Weg habe bringen können, weil
die Zusammenführung der Deutschen Reichsbahn und
der Bundesbahn dem im Wege gestanden habe.
({7})
Da kann ich nur lachen.
({8})
Selbst in dem Antrag der CDU/CSU vom 13. Februar
2000 wird die Bundesregierung nicht aufgefordert, eine
Trennung von Netz und Betrieb vorzunehmen.
({9})
- Die F.D.P. wusste ja schon immer alles. Sie sind sicherlich im Besitz der Glaskugel und können die nächsten
zehn Jahre schon im Voraus sehen.
({10})
Soweit ich mich erinnern kann - bis 1987, seitdem ich
dem Bundestag angehöre -, war die F.D.P. in der Regierungskoalition.
({11})
Wo war denn da Ihr Antrag?
({12})
Jetzt kommen Sie im Jahre 2001.
({13})
Da kann ich nur sagen: Guten Morgen! Ausgeschlafen?
Wenn Sie immer sagen, Sie hätten schon alles gewusst,
dann hätten Sie als Fraktion oder als Arbeitsgruppe Verkehr seit 1994 Gelegenheit gehabt, entsprechend dieser
weit reichenden Voraussicht - da Sie ja über hellseherische
Fähigkeiten verfügen -, Ihre Vorstellungen umzusetzen.
({14})
Ich werde Sie demnächst fragen, was im Jahre 2012 ist,
damit wir die Weichen richtig stellen können.
({15})
Helmut Wilhelm ({16})
Ich will Ihnen noch einmal sagen: Wir haben 1998
durch Minister Müntefering die Pällmann-Kommission
ins Leben gerufen. Wir haben für den Investitionsbedarf
der Schiene, den Sie in Grund und Boden gefahren haben,
für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002 und 2003 26 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Damit lässt sich wahrlich gut arbeiten.
Herr Bötsch, die verstopften Klos und die Verspätungen der Züge gibt es ja nicht erst seit dem 27. September
1998.
({17})
Auf der Schiene ist eine wesentliche Verbesserung deutlich erkennbar. Aber Sie waren nun einmal unglücklicherweise in einem Zug, der in einem Tunnel stecken geblieben ist. Auf die 1,5 Milliarden Menschen bezogen, die
die Bahn jährlich befördert, ist die Zahl der genannten
Verspätungen gering. Auch ich habe am Wochenende in
einem verspäteten Zug gesessen, weil ein LKW gegen ein
Brückenbauwerk gefahren ist. Das kann man natürlich
nicht der Bahn anlasten. Ich werbe also dafür, dass wir im
Interesse der Bahn gemeinsam den Abschlussbericht der
Pällmann-Kommission zur Grundlage machen.
Ich wiederhole, was ich von diesem Rednerpult aus bereits gesagt habe.
Das muss jetzt aber
der Schlusssatz sein, Herr Kollege Hasenfratz. Wir sind in
der Aktuellen Stunde.
Wenn das - ich sage es so
burschikos - in die Hose geht und wir die Bahn nicht für
die nächsten Jahre fit machen, dann wird es weder Gewinner bei der Opposition noch Gewinner bei der Regierungskoalition geben. Dann werden die Bahn und deren
Beschäftigte verloren haben, aber auch diejenigen, für die
die Bahn da sein soll, die Kunden. Deshalb appelliere ich
an Sie, dass wir das, was der Verkehrsminister jetzt im
wahrsten Sinne des Wortes auf die Schiene gesetzt hat,
gemeinsam konstruktiv begleiten.
Vielen Dank.
({0})
Jetzt spricht der Kollege Eduard Lintner für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr
Hasenfratz, Sie haben zu Recht betont, dass wir die Bahnpolitik dieser Bundesregierung natürlich unter anderem
daran messen werden, ob das, was der Minister angekündigt hat, ernst gemeint ist. Genau das ist auch Zweck der
Aktuellen Stunde: ihn auf seine öffentlichen Ankündigungen festzulegen.
({0})
Wie berechtigt die Aktuelle Stunde ist, zeigt die Tatsache, dass innerhalb von zwei Tagen wieder ernsthafte
Zweifel an dieser Ankündigung aufgekommen sind.
({1})
Diese Zweifel haben nicht wir von der Opposition
genährt, sondern der dritte Verkehrsminister dieser Bundesregierung innerhalb von zweieinhalb Jahren.
({2})
- Das ist doch wahr, Herr Hasenfratz. Sie lesen dieselben Zeitungen wie ich, nehme ich an, und haben auch
ansonsten dieselben Nachrichtenquellen. Dort ist eben
zu lesen und zu hören, dass Herr Mehdorn nach wie vor
an seiner Auffassung festhält und der Minister seitdem
nur zurückrudert. Er tut dies in zeitlicher Hinsicht, indem er sagt, man habe noch viel zu tun, und er setzt Arbeitskreise ein, für die bekanntlich das Sprichwort gilt:
Wenn einer nicht mehr weiter weiß, dann gründet er ’nen
Arbeitskreis. Genau nach dieser Methode wird hier verfahren.
({3})
Wir begrüßen ja seine Absicht; das haben wir bereits
zum Ausdruck gebracht. Sie entspricht auch unserer alten
Forderung, die schon bei Beginn der Bahnreform erhoben
worden war. Aber die Ankündigung allein reicht uns bei
weitem nicht aus - damit ist die Kuh nicht vom Eis -, sondern wir werden Sie an den Taten, an dem, was tatsächlich
umgesetzt wird, messen.
({4})
Dazu gehört, wie in den Kommentaren ebenfalls zu lesen war, viel Geld - viel mehr Geld, als Sie der Bahn zurzeit zugestehen wollen. Es werden für die Dauer von mindestens einem Jahrzehnt etwa 10 Milliarden DM pro Jahr
gebraucht, während Sie bisher nur für drei Jahre Finanzsicherheit über 9 Milliarden DM geschaffen haben. Hinzu
kommt, dass die Bahn bis heute noch nicht einmal in der
Lage ist, diesen Betrag zu investieren; denn sie hat im vorigen Jahr wieder 1,1 Milliarden DM zurückgegeben und
zugeben müssen, dass sie diese Mittel gar nicht für Investitionen ausgeben kann.
({5})
Uns ist der Zeitraum von vier bis fünf Jahren, den Sie,
Herr Bodewig, in Aussicht gestellt haben, viel zu lang;
denn er bedeutet, dass Sie die Trennung von Bahnbetrieb
und Schienennetz bis weit nach der nächsten Bundestagswahl und womöglich weit nach Ablauf der Amtszeit des
Herrn Mehdorn, der im Moment für vier Jahre verpflichtet ist, verschoben haben. Deshalb gibt es begründete
Zweifel daran, ob Sie das Ganze überhaupt ernst meinen,
ob das nicht ein Geschenk war, das Sie den Grünen gemacht haben. Ich will auch nicht ganz ausschließen, dass
es auch ein Instrument für Sie gewesen sein könnte, um
sich populär zu machen.
({6})
Meine Damen und Herren, eines fehlt noch: die solide
Finanzierung des Vorhabens. Weil Angaben dazu fehlen,
gibt es viel Raum für Spekulationen. Zwangsläufig muss
man deshalb all das, was hier erörtert worden ist, mit den
noch nicht präzisierten Einzelheiten zum Beispiel für die
Maut für LKWs verquicken. Sie haben nämlich etwa im
gleichen zeitlichen Zusammenhang auch verlauten lassen, dass deren Höhe noch nicht feststehe. Sie haben gesagt, dass es eventuell Möglichkeiten gäbe, etwa die Erhebung der Ökosteuer über das Jahr 2003 hinaus zu
verlängern. Ich füge hinzu - auch wenn Sie sich selbst anders äußern -, dass der eigentliche Hausherr in der Bundesregierung im Hinblick auf die Finanzen, Herr Eichel,
das keineswegs ausgeschlossen hat. Es ist auch denkbar,
dass vielleicht nach einer Anstandsfrist nach der Bundestagswahl die Maut von den LKWs noch auf die PKWs
ausgedehnt wird.
Ich habe ein wenig den Verdacht, dass Sie das dann alles mit dem ungeheuren Finanzbedarf begründen wollen,
der jetzt für die Eisenbahn entstanden ist. Deshalb werden
wir sehr darauf achten, dass dies nicht zum bloßen Einnahmenpool der Bundesregierung verkommt, der ihr
mehr Einnahmen verschafft, ohne dass - was unser Ziel
ist - tatsächlich für die Bahn etwas Zusätzliches hinsichtlich der Qualität herauskommt.
Der Plan muss also nach unserer Auffassung viel
schneller über die Bühne gehen, als dies von Ihnen angekündigt worden ist. Es sollte bis 2004 möglich sein, das
Projekt insgesamt abzuschließen. Es sollte vor allem
möglich sein - das fordern wir auch -, dass Sie noch vor
der Bundestagswahl die Finanzierungsquellen bekannt
geben, aus denen Sie diese Bahn-Netz AG ausstatten wollen, damit sie den Anforderungen des Art. 87 e Abs. 4 des
Grundgesetzes gerecht werden kann.
Die ausdrückliche Verpflichtung im Grundgesetz lautet, auf diesem intakten Netz ein Verkehrsangebot zu ermöglichen, das dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung
trägt. Sie, Herr Bodewig, und die Regierung darauf zu
verpflichten, ist Anliegen des vorhin genannten Gesetzentwurfes von Baden-Württemberg und Bayern, die dafür
Sorge tragen wollen, dass Sie sich nicht durch die Festlegung eines bestimmten Mindestangebots aus dieser
grundgesetzlich abgesicherten Verpflichtung davonstehlen.
({7})
Wir brauchen also eine Verstetigung und auch eine Erhöhung der verbindlichen Investitionszusagen des Bundes, wenn das Ganze überhaupt einen Sinn machen und
nachhaltig sein soll.
Im Übrigen begrüße ich den Plan auch aus der Sicht der
Belegschaft der Bahn. Lassen Sie mich das bitte noch sagen.
Herr Kollege Lintner,
aber bitte nur ganz kurz. Das ist eine Aktuelle Stunde.
Selbstverständlich,
Frau Präsidentin. Ich will nur darauf hinweisen: Mit dem
Netz hat die Bahn nie die Chance, in die schwarzen Zahlen zu kommen. Ich kann mir vorstellen, wie schwierig es
dann für eine Belegschaft ist, sich positiv zu motivieren.
Wie dringend die Bahn das braucht, hat Kollege Wolfgang
Bötsch hier dargelegt.
({0})
Ohne das Netz besteht eventuell die Chance. Deshalb begrüße ich Ihre Planung auch aus der Sicht der vielen hunderttausend Eisenbahner, die davon betroffen sind.
({1})
Sie haben jetzt die Möglichkeit, ihre Leistungen einzubringen. Sie können ihre Leistungen dann auch an einem
positiven Ergebnis messen. Das ist eine weitere Folge dieses Vorhabens. Ich kann Sie nur ermutigen, das tatsächlich
durchzusetzen. Wir werden Sie jedenfalls daran messen.
Vielen Dank.
({2})
Es spricht jetzt Kollege Reinhard Weis für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSU-Fraktion hat diese Aktuelle Stunde angemeldet - es ist schon
gesagt worden -, um einen Keil zwischen Bahn AG, Bundesregierung und Koalitionsfraktionen zu treiben.
({0})
Dieser Versuch ist gescheitert.
({1})
Nun versuchen Sie, aus der Not eine Tugend zu machen. Sie unterstellen, die offen gehaltene Beantwortung
der Frage, wie denn das Ziel, mehr Verkehr im Modal
Split auf die Schiene zu bekommen, zu erreichen ist, sei
als Einknicken des Ministers zu interpretieren. Auch dies
ist zum Scheitern verurteilt.
({2})
Sie verlangen doch wohl nicht im Ernst, dass diese
Schlüsselfrage ohne Prüfung zu entscheiden ist. Es
müsste auch bei Ihnen gelten, dass jede Prüfung auch ein
negatives Prüfergebnis haben kann. Sie wissen auch ganz
genau
({3})
- hören Sie zu, was ich Ihnen sage! -: Auf diesen Status
quo kann in dieser Entscheidungsfrage gar nicht zurückgefallen werden, weil die EU die bilanzielle und die
unternehmerische Trennung des Netzbetreibers von dem,
der den Verkehr auf der Schiene abwickeln soll, fordert.
({4})
- Na gut, dann behaupten Sie nicht, dass wir bei dem jetzigen Zustand bleiben wollten.
({5})
Koalitionsfraktionen, Bundesregierung und Bahn AG
haben seit dem Regierungswechsel einen guten Job gemacht. Ich wiederhole zwei, drei Zahlen: Die Produktivität der Bahn AG hat sich mehr als verdoppelt. Die Verkehrsleistungen konnten sowohl im Güterverkehr - um
9 Prozent - als auch im Personenverkehr - um 17 Prozent - gesteigert werden.
Vergessen Sie bei der Bewertung der Bahn AG nicht:
Sie ist in Europa mit Abstand diejenige Bahn, die die meisten Verkehrsleistungen erbringt. Das ist eine beachtliche
Leistung. Unser Dank gilt natürlich und ganz ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in diesem
Prozess die Leistungsträger sind.
({6})
Allerdings ist die Verschiebung innerhalb des Modal
Split noch nicht erreicht. Hier liegt unsere verkehrspolitische Verantwortung. Deshalb sage ich ganz deutlich: Unsere verkehrspolitische Verantwortung hat auch eine andere Seite. Wenn die Bahn AG im Zusammenhang mit
ihrem Sanierungskonzept ihre Leistungen vor allem im
Güterverkehr auf den Prüfstand stellt, dann sind wir verpflichtet, zu überlegen, wie eine eventuelle Reduzierung
des Leistungsangebots der Bahn AG kompensiert werden
kann.
Das reicht aber nicht. Denn unser Ziel ist mehr Schienenverkehr für Kunden in der Güter- und Personenbeförderung. Das heißt, wir müssen die Chancen für zusätzliche Anbieter im deutschen Schienenverkehr verbessern.
Bei den heutigen Strukturen und Organisationsformen ist
das so nicht optimal zu leisten.
Die Botschaft vom Wochenende ist - die gilt auch
heute noch und weiterhin, da die Mitarbeit von Herrn
Mehdorn in der Taskforce bekannt gegeben worden ist -,
dass für dieses Problem eine Lösung gesucht wird, die zu
mehr Leistungen auf der Schiene und im Ergebnis zu
mehr Wettbewerb führt.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Finanzierung des Schienennetzes in enger Verbindung mit der
Organisation des Bahnwesens insgesamt steht. Wir haben
heute Morgen mit Herrn Pällmann ausgiebig darüber diskutiert. Aber auch er hat heute Morgen festgestellt, dass
die Bandbreite dessen, was entschieden werden muss, von
der Neutralisierung bis zur Trennung reicht. Er kann deshalb nicht als Ihr Kronzeuge für die missglückte Beantragung der heutigen Aktuellen Stunde gelten.
({7})
Es spricht der Kollege
Klaus Lippold für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Minister Bodewig, vor gut 100 Tagen haben wir es
begrüßt, dass Sie nach zwei gescheiterten Ministern ins
Amt gekommen sind. Denn wir hatten gehofft, dass das
eine neue Chance bedeutet.
({0})
Wir haben uns in der Folgezeit, Herr Minister - denn Sie
haben damals gesagt, der Verkehrsbereich sei für Sie neu
und Sie kämen aus einem anderen Beritt -, in unserer Kritik zurückgehalten, weil wir jedem eine faire Chance geben, sich einzuarbeiten.
({1})
Am letzten Wochenende haben Sie sich, Herr Minister,
auf dem Parteitag der Grünen zum Reformer hochstilisieren
lassen. Ich habe den Parteitag im Fernsehen verfolgt. Sie haben den Delegierten, die gläubig auf Ihre Lippen geschaut
haben, gesagt: Wir werden Netz und Betrieb trennen.
({2})
Sie haben nicht gesagt, dass Sie ergebnisoffen prüfen
werden.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn Sie gesagt hätten:
„Ich werde ergebnisoffen prüfen“, hätten Sie dort nicht einen solch frenetischen Beifall erhalten. Sie haben Hunderte von Delegierten getäuscht. Albert Schmidt versucht
heute mühsam, darüber hinwegzugehen, dass die Erwartungen, die auch er dort geweckt hat, durch Sie jetzt wieder einkassiert worden sind.
({3})
Ich will nicht das Bild vom Tiger, der gesprungen ist
und als Bettvorleger gelandet ist, strapazieren.
({4})
Aber deutlich ist doch: Sie sind kein Reformer, Herr
Minister. Sie haben nicht die Kraft, dem gestandenen Unternehmer Mehdorn Paroli zu bieten. Der holt einmal tief
Luft, dann hängen Sie quer unter der Nase und aus Ihrem
Reformeifer wird nichts. Das ist der Punkt.
({5})
Herr Bodewig, das ist schade. Denn wir haben, nachdem wir sehr lange und sorgfältig geprüft hatten, ob die
Trennung von Netz und Betrieb der richtige Weg sei, und
zum Ergebnis gekommen sind, dass nur so wirklich eine
Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene möglich ist,
({6})
gedacht, dass Sie eingesehen haben, dass die Bahn mit
Ihrem bisherigen Kurs die Verlagerung des Verkehrs von
Reinhard Weis ({7})
der Straße auf die Schiene nicht schafft und dass Sie deshalb Ihren Kurs ändern müssen. Denn deutlich ist doch:
Ein Rückzug aus der Fläche und die Schließung von Anschlussstellen, Herr Bodewig, führen bei der Bahn zum
genauen Gegenteil. Das heißt, die Marschrichtung der
Bahn geht derzeit in eine völlig andere Richtung, als Sie
hier darzustellen versuchen.
({8})
Dazu sagt der verantwortliche Minister nichts. Er stellt
nur für die ferne Zukunft, nämlich für 2015, in Aussicht,
dass sich bis dahin der Verkehr auf der Schiene verdoppelt
haben könnte. Woher nehmen Sie eigentlich angesichts
dessen, dass die Bahn heute in die völlig falsche Richtung
marschiert, das Zutrauen, dass irgendwann einmal eine
Trendwende eintritt? Nein, Sie wollen jetzt Nebelkerzen
werfen, um von Ihrem Versagen abzulenken. Der gescheiterte Reformator Bodewig, der die Delegierten der
Grünen getäuscht hat,
({9})
ist nicht der Mann, der hier durchsetzt, was zwingend notwendig wäre: Reform bei der Bahn. Das ist der entscheidende Punkt.
({10})
Wir haben die Finanzierungsproblematik hier sehr
deutlich zum Ausdruck gebracht. Wir haben Bahnentschuldungsaktionen vorgenommen. Wir haben der Bahn
Mittel zur Verfügung gestellt, die von ihr nie investiv ausgegeben werden konnten; verschiedene Kollegen haben
das hier deutlich gemacht.
({11})
Es muss wirklich ein Umdenken einsetzen, damit wir zu
Ergebnissen kommen.
({12})
Ich freue mich, dass auf die Pällmann-Kommission
verwiesen worden ist. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion,
({13})
das Einsetzen einer Kommission ist das eine; das Liegenlassen ihrer Ergebnisse über ein Dreivierteljahr ist das andere; das Nichtumsetzen dieser Ergebnisse ist das Dritte.
Ihr Fehler ist, dass Sie nicht im Traum daran denken, das,
was die Pällmann-Kommission Ihnen aufgeschrieben hat,
umzusetzen.
({14})
Darin liegt das Scheitern der zukünftigen Verkehrspolitik
begründet. Sie haben keine Perspektive. Sie haben keinen
Bundesverkehrswegeplan, den Sie noch in dieser Legislaturperiode abschließen wollen.
({15})
Sie haben kein schlüssiges Konzept für den Straßenverkehr. Sie haben kein schlüssiges Konzept für die Wasserstraßen.
Mit einer so konzeptionslosen Politik, die noch dazu
von einem solchen Hickhack von Versprechungen,
Ankündigungen und sofortigen Zurücknahmen geprägt
ist, schaffen Sie nicht das Vertrauen, das die Bahn braucht.
Sie schaffen damit auch keine Zukunftsperspektive für die
Bahn. Ich bedaure das, Herr Minister. Es wäre besser, Sie
würden zu einem entschlossenen Reformkurs zurückkehren. Sie haben - das sage ich Ihnen ganz deutlich - vorläufig jede Menge Kredit verspielt.
({16})
Der letzte Redner in
dieser Aktuellen Stunde ist der Kollege Konrad Kunick,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Die Polemik des Kollegen,
die wir gerade gehört haben,
({0})
- ja, ich weiß -, kann über bestimmte Übereinstimmungen überhaupt nicht hinwegtäuschen. Die erste Übereinstimmung - ich will einmal feststellen, dass sie erfreulich
ist -: Niemand hier im Raume hat an der überproportionalen Finanzierung des Systems Schiene durch den Deutschen Bundestag für kommende Jahre Kritik geübt. Es ist
ja nicht selbstverständlich, dass ein Verkehrssystem, das
gegenwärtig 15 Prozent der Transportleistungen im Güterbereich und - wenn man den ÖPNV noch dazu nimmt 15 Prozent der Transportleistungen im Personenbereich
erbringt, mit 50 Prozent der Infrastrukturinvestitionen des
Verkehrshaushaltes und zusätzlich noch mit 13,5 Milliarden DM für den Regionalverkehr in den Ländern gefördert wird. Das Vorhandensein dieser Übereinstimmung
eröffnet die Chance, die Bahnreform zu ihren Zielen zu
bringen; denn die erste Voraussetzung ist, dass man viele
Jahre lang Finanzsicherheit hat.
Wir sehen zweitens eine Übereinstimmung in dem
Punkt, dass Neutralität bei der Handhabung des Netzes
eine Voraussetzung für die Bahnreform ist. Bei all dem
Pulverdampf, der hier entstanden ist, ging es lediglich um
die Frage, wie diese Neutralität zu gewährleisten ist. Es ist
nur vernünftig, darüber eine gründliche und natürlich
auch zeitlich eng begrenzte Debatte in Gang zu setzen, an
der auch die beteiligt werden, die das Hauptunternehmen
auf der Schiene bleiben werden.
({1})
Wir sagen als Sozialdemokraten aber ganz deutlich: Wir
wollen diese Neutralität. Es geht nicht an, dass der größte
Dr. Klaus W. Lippold ({2})
Konkurrent auf der Schiene darüber bestimmt, ob und zu
welchen Bedingungen andere am Verkehr teilnehmen
können.
({3})
Wenn darüber Einigkeit besteht, dann geht es nur ums Detail. Über dieses Detail werden wir reden.
Der vom Verkehrsminister gegangene Weg zeigt im
Übrigen, dass die Bahn sich umso stärker um ihre eigentlichen Zukunftsfragen kümmern muss. Die eigentliche
Zukunftsfrage, meine Damen und Herren, ist, wenn wir
die Prognosen für das kommende Jahrzehnt sehen, der
Güterverkehr. Der Gesamtgüterverkehr soll in einem
Jahrzehnt um 68 Prozent wachsen, der Personenverkehr,
die Personenmobilität um 20 Prozent.
Wenn also die Verlagerung auf die Schiene das Ziel
bleiben soll - und es kann ja nicht angehen, dass auf die
Dauer die Hälfte des Geldes für 15 Prozent der Transporte
ausgegeben wird -, dann bedeutet das eine gründliche
Umorganisation der Güterbahn, ihre Kooperation mit Privaten, ihre Konkurrenz mit anderen Transportkonzernen,
damit auf der Schiene endlich mehr zum Rollen kommt.
Es reicht nicht aus, Ganzzüge für die Automobilindustrie, die Chemieindustrie, für einige große Häfen zu organisieren. Unter den Bedingungen des europäischen Wettbewerbs, der kommen wird, werden auch andere mit
diesen Zügen fahren wollen. Es kommt schon darauf an,
sich intensiv um den kombinierten Ladungsverkehr zu
kümmern. Es kommt schon darauf an, mit Spediteuren zusammenzuarbeiten und nicht zu glauben, man könne es allein machen. Es kommt meines Erachtens im Interesse einer reformierten Güterbahn auch darauf an, im Umkreis
von 300 Kilometern auch LKW in Bewegung zu setzen;
denn nur die Zusammenarbeit von Schienenbahn als Güterbahn und LKW-Verkehr kann gewährleisten, dass wir
diese außerordentlichen Zuwächse, die politisch gewollt
sind, auch halbwegs erreichen können.
Vor diesem Hintergrund - das will ich noch einmal sagen - ist die Neutralisierung des Netzes dringend erforderlich.
({4})
Denn es muss, wenn es eng wird, entschieden werden, ob
der Personenzug den Vorrang hat oder auch einmal wichtige Güterzüge den Vorrang haben. Und es muss entschieden werden, ob und wie die Konkurrenten der Bahn in das
Ganze so hineinkommen, dass das System Schiene insgesamt im nächsten Jahrzehnt einen großen Aufbruch erlebt.
Was wir gegenwärtig erlebt haben, war ein ständiges
Zurückgehen im Modal Split. Die Produktivitätssteigerung des letzten Jahres ist ja zu einem Teil auch der Verringerung der Personalzahlen bei der Bahn geschuldet.
Das sind nicht alles großartige Erträge!
Es muss also vorangehen. Wir setzen die nötigen finanziellen Daten für die Bahnreform. Die Bahn muss sich
anstrengen. Voraussetzung ist auch, dass es zu einer guten
Zusammenarbeit zwischen Verkehrsministerium und
Bahn kommt, zwischen den Parteien dieses Hauses zumindest da, wo die Polemik nicht so wirksam ist wie hier
auf offener Bühne.
Das alles sollte die Gelegenheit geben, mit dem System
Bahn voranzukommen. Wir brauchen es ja, auch wenn es
nur minderheitlich unsere Bevölkerung und ihre Güter befördert.
Herr Kollege Kunick,
auch wenn Sie heute das Schlusswort haben: Es muss jetzt
ein Ende haben. Wir sind in der Aktuellen Stunde.
Ja, das Ende ist der Halbsatz:
Überhaupt nur im Überlauf von der Straße auf eine leistungsfähigere Schiene ist das zu bewältigen, was die
Volkswirtschaft an Transporten braucht.
Schönen Dank.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Schluss
unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste
Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. März 2001, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.