Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/9/2001

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Birgit Schnieber-Jastram. Franz Thönnes

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Thönnes, „die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“! ({0}) Nach knapp einem Jahr Schamfrist haben Sie Ihre Beratungsresistenz aufgegeben und endlich unseren Vorschlag zur Einführung eines Jobrotation-Programms aufgenommen. ({1}) Das sind erste Anzeichen von Lernfähigkeit, die uns hoffen lassen, und zwar darauf, dass die Regierungskoalition auch unsere anderen Vorschläge zur Qualifizierung und Beschäftigung älterer Menschen übernehmen wird. Wir haben diese ja vor kurzem im Plenum eingebracht und diskutiert. Vielleicht geht Ihre bessere Einsicht ja sogar so weit, dass die Vernunft auch bei der Rentenreform, der Neuregelung des Betriebsverfassungsgesetzes und anderen Vorhaben greift. Das würde uns ganz besonders freuen. Ich habe es gesagt: Sie haben unseren Vorschlag zum Jobrotation-Programm aufgegriffen. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen und auf gute Zeichen am Arbeitsmarkt warten derzeit ungefähr 5,2 Millionen, nach manchen Schätzungen sogar 5,7 Millionen Menschen; denn die Arbeitslosigkeit, die offizielle und die verdeckte, ist nun einmal so hoch. Diese Menschen haben am vergangenen Sonntag wieder einmal gewartet, aber vergebens. Denn es ist sehr deutlich geworden: Was in des Kanzlers Konsensrunde verabschiedet wurde, bedeutet „Stillstand statt Aufbruch“. „Nach achtmonatiger Vorbereitungszeit ist solch ein Ergebnis nur blamabel zu nennen.“ Dieses Resümee zieht die „Süddeutsche Zeitung“, die bekanntlich kein Organ der Opposition ist. ({2}) Schauen wir uns doch einmal an, was die Beteiligten des Treffens am Sonntag als Ergebnis festgehalten haben. Der Kanzler hat betont, dass es seine Rolle sei, den Versuch zu machen, „wirtschaftliche Vernunft zu realisieren“ und dann „für einen Ausgleich der Interessen zu sorgen“. Davon abgesehen, dass es an der wirtschaftlichen Vernunft der Regierung berechtigte Zweifel geben kann, ({3}) scheint ihm die Vermittlerrolle ja in der Tat hervorragend gelungen zu sein. Der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt spricht von einem „2:0-Erfolg für uns“, also für die Arbeitgeber. Anscheinend hat er Recht, denn Dieter Schulte, der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dem die meisten von Ihnen ja in besonderer Weise zugetan sind, hat laut „Frankfurter Rundschau“ eine Niederlage eingeräumt. ({4}) IG-Metall-Chef Klaus Zwickel - auch er ist für Sie alle kein Fremder - hat gesagt, das Bündnis fürArbeit sei unter dem Aspekt der Beschäftigung „kein ausreichender Erfolg“; er hat von „unverbindlichen Vereinbarungen“ gesprochen und hat mit einer „schwierigen, möglicherweise explosiven“ Tarifrunde gedroht. Das ist Ihr Verdienst. ({5}) Wenn der Kanzler schon glaubt, bei den Treffen der Tarifpartner ({6}) den Moderator geben zu müssen, dann sollte er, finde ich, jedenfalls für Ergebnisse sorgen, bei denen sich nicht eine Partei als Sieger und die andere Partei als Verlierer fühlt. Manches Gewerkschaftsmitglied wird sich wirklich fragen, wem man 1998 mit Millionen aus Beiträgen zur Kanzlerschaft verholfen hat. Was ist die Ernte? Was wird beim Bündnis für Arbeit vermittelt? ({7}) - Ihnen fällt wirklich nichts Besseres ein, Herr Thönnes. Welche konkreten Maßnahmen sind nun vereinbart worden? Die Antwort ist einfach: Keine. ({8}) Was wurde vereinbart, um die Millionen Erwerbslosen in Arbeit zu bringen? Nichts. ({9}) Was waren die zählbaren Ergebnisse des Treffens am Sonntag? Achteinhalb Seiten heiße Luft und Absichtserklärungen nach dem Motto: Wie schön, dass wir mal wieder darüber geredet haben! ({10}) Die Liste der Teilnehmer ist länger als alle Passagen der gemeinsamen Erklärung zu den wirklichen Problemgruppen des Arbeitsmarktes. Die Einzigen, denen das Treffen zusätzliche Beschäftigung gebracht hat, sind die Mitarbeiter, die für Organisation und Einladung sorgen mussten. ({11}) Wenn die Bundesregierung den Gesprächen mit den Tarifpartnern wirklich einen Sinn geben will, dann muss sie endlich die Themen in die Debatte einbringen, die der Schaffung neuer Arbeitsplätze in Deutschland entgegenstehen. Das sind folgende Fragen: Wie kann die fortschreitende Überregulierung des Arbeitsmarktes endlich gestoppt und wie können überflüssige Vorschriften endlich abgebaut werden? ({12}) Wie können die 43 Milliarden DM für aktive Arbeitsmarktpolitik sinnvoller und effektiver als bisher verwandt werden? Wie können Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe so verknüpft werden, dass Anreize zur Arbeit geschaffen werden? Wie können für Geringqualifizierte zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden? Zu all diesen Themen herrscht Schweigen, wenn die Tarifpartner mit dem Kanzler Tee trinken. Was mir beim besten Willen nicht einleuchten will, ist die Tatsache, dass die erschreckende Arbeitsmarktsituation in den neuen Ländern in der gemeinsamen Erklärung mit so gut wie keinem Wort angesprochen wird. ({13}) Ich hatte gehört - ich denke, Sie auch -, dass der Kanzler die Angelegenheiten der neuen Länder zur Chefsache machen wollte. ({14}) Sie scheinen ihm aber nicht so wichtig zu sein, um sie beim Bündnis für Arbeit zu diskutieren. Was hat der Kanzler in der Chefsache bisher erreicht? Ich zitiere in diesem Zusammenhang aus der Mitgliederzeitschrift der IG Metall: extrem hohe Arbeitslosigkeit, viel zu wenig Lehrstellen, Flucht von qualifizierten Arbeitnehmern in den Westen. Gestern stand in der „Bild“-Zeitung, der glücklichste Mann in der brandenburgischen Stadt Wittenberge sei der Umzugsunternehmer, da jedes Jahr durchschnittlich 1 400 Bürger ihre Koffer packen, um dem Schicksal der Arbeitslosigkeit - es gibt dort eine Arbeitslosenquote von 18 Prozent - zu entfliehen. Geht das so weiter, ist die Stadt in 20 Jahren ohne Einwohner. ({15}) Die Krönung ist: Das Bundesarbeitsministerium gönnt den neuen Bundesländern in seiner Kommentierung der neuesten Arbeitslosenzahlen nur einen Satz: In Ostdeutschland hat sich die Zahl der Arbeitslosen leicht auf 1,490 Millionen erhöht ({16}). Das war es. Es folgen weder Erklärungen noch Lösungsvorschläge; denn was Sie nicht mit Siegerlächeln verkünden können, wollen Sie unter den Teppich kehren. ({17}) Ich frage nochmals: Warum hat die Bundesregierung die neuen Länder nicht zum Hauptthema des Bündnisses für Arbeit gemacht? Ich vermute als Grund, die Bundesregierung hätte sonst eingestehen müssen, dass die tatsächliche Arbeitslosigkeit in vielen Arbeitsamtsbezirken Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsen-Anhalts und anderer neuer Bundesländer doppelt so hoch ist, wie die Daten der offiziellen Statistik es ausweisen. Wenn man die Arbeitsuchenden dazuzählt, die zeitlich befristet an öffentlich geförderten Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, dann ergibt sich, dass oftmals vier von zehn Erwerbstätigen nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt werden. Ich sage nur: Chefsache Ost. ({18}) Schauen wir uns doch einmal ein anderes Programm etwas näher an, auf das Sie auch sehr stolz sind. Da gibt es das legendäre JUMP-Programm für junge Menschen. Legenden haftet ja oftmals eine etwas freiere Auslegung der Wahrheit an; ({19}) aber ich sage Ihnen eins: Das JUMP-Programm ist schlichtweg eine Münchhausen-Geschichte. ({20}) Seit rund zwei Jahren fließen jährlich 800 Millionen DM aus diesem Programm in die neuen Länder. Jetzt sollen es jährlich 1 Milliarde DM werden. Das Ergebnis - Sie haben das immer noch nicht wahrgenommen -: Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in den neuen Ländern im letzten Jahr um sage und schreibe 13,1 Prozent! Das ist das Ergebnis dieses Münchhausen-Programms. ({21}) Sie machen hier - Sie wissen es in Wirklichkeit ganz genau, Herr Thönnes - Programme und Programme für zig Milliarden Mark und wissen noch nicht einmal, wem sie nutzen; Hauptsache, es werden wieder ein paar Erwerbslose aus der Statistik verschwinden. Das ist Ihre Intention. Das gilt auch für die älteren Arbeitslosen, für die die Bundesregierung sich ja jetzt angeblich so energisch einsetzen will. ({22}) - Jetzt hören Sie doch mal zu! Wir reden nun über die älteren Arbeitslosen. Ich will Ihnen meine Ausführungen anhand zweier Zahlen verdeutlichen, die uns die Bundesregierung selbst in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage übermittelt hat: Im Jahresdurchschnitt 2000 lag der Anteil der über 50-Jährigen an den durch die Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik geförderten Personen bei 20,3 ProBirgit Schnieber-Jastram zent; bei den Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung lag er gerade bei 7,3 Prozent. Diese Zahlen zeigen sehr deutlich, wo die Zielsetzung der Bundesregierung zu suchen ist: im Drehtüreffekt und nicht darin, ältere Menschen im ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. ({23}) Es gibt noch andere interessante Aussagen. Zum Beispiel: Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die tatsächlichen Erklärungsfaktoren für die Höhe der Erwerbstätigenquote älterer Menschen liegen der Bundesregierung nicht vor. So sagt die Bundesregierung. Stochern Sie denn wirklich überall nur im Nebel herum? Die Passage Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage, in der die „weit verbreitete Frühverrentung“ zu einer Maßnahme erklärt wird, die die „Zustimmung aller Betroffenen“ gefunden habe, halte ich sogar für zynisch. Ich bin mir nicht so sicher, dass wirklich alle Betroffenen unglaublich begeistert davon waren, mit 50 Jahren oder früher oder später in Frührente zu gehen. Ich erlebe etwas anderes. ({24}) Ich weiß nicht, wie ein Vater seinen erwachsenen Kindern erklären soll, dass er nun ohne Arbeit ist und mit knapp 55 Jahren in Frührente geht. ({25}) Wir sind im Gegensatz zu Ihnen der Meinung, dass Arbeit nicht nur Broterwerb ist, sondern auch viel mit Würde, Selbstbewusstsein und sozialer Teilhabe zu tun hat. ({26}) so- wie des Abg. Dirk Niebel [F.D.P.] - Franz Thönnes [SPD]: Wie viel Arbeitslose habt ihr denn hinterlassen?) Deshalb ist Erwerbstätigkeit auch und gerade für ältere Menschen in jedem Fall besser als die Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Liebe Kollegen, rufen Sie bitte nicht dauernd dazwischen! Ansonsten kann die Rednerin gar nicht Luft holen.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Insofern halte ich es für erstaunlich, dass Herr Ostertag in der letzten Woche in einer Debatte erklärt hat, dass er stolz sei, dass die Erwerbstätigenquote der 50- bis 65-Jährigen mit 48,2 Prozent nur knapp unter dem EU-Durchschnitt von 48,6 Prozent liege. Woran orientieren Sie sich eigentlich? Offenbar am unteren Mittelmaß. Es gibt Länder wie die Schweiz, wie Norwegen, Dänemark, Großbritannien - diese Länder sind gar nicht so weit entfernt - oder die USA, in denen die Erwerbstätigenquote älterer Menschen bei bis zu 70 Prozent liegt. Das ist das Ziel, das wir erreichen müssen. Aber davon sind Sie weit entfernt. ({0}) Sie haben keine konsequente Linie in der Arbeitsmarktpolitik und denken bestenfalls in Monatszeiträumen. ({1}) Zum Abschluss möchte ich noch etwas zu Ihrem Antrag „Eckpunkte zur Verbesserung der Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit“ sagen. Wir stimmen zwar der darin zum Ausdruck kommenden Grundintention durchaus zu. Aber wir sind natürlich mit der dort enthaltenen Passage über die erfolgreiche Wirtschafts- und Steuerpolitik der rot-grünen Regierungskoalition überhaupt nicht einverstanden. An dieser Stelle können wir den Antrag nicht mehr mittragen. ({2}) Herr Thönnes, es gibt viel zu tun, nicht nur für Sie und für alle Ihre Fraktionskollegen, sondern auch für die Regierung, die zwei Jahre lang nur untätig zugeschaut hat. Die Zahlen sind ein deutlicher Beleg dafür. ({3}) Machen Sie endlich was! Danke. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat die Abgeordnete Thea Dückert das Wort.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier - ich glaube, das muss ich in Erinnerung rufen - eigentlich über zwei Anträge, nämlich über den Antrag zur Jobrotation und über den Antrag zur Verbesserung der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung. Frau Schnieber-Jastram, Sie haben wirklich ein Kunststück vollbracht; ({0}) denn Sie haben von zehn Minuten Ihrer Redezeit - ich schätze einmal - jeweils nur zehn Sekunden zur Jobrotation und zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung gesprochen. ({1}) Die beiden Botschaften, die Sie uns übermitteln wollten, lassen sich in etwa wie folgt umreißen: Sie nehmen bei der Jobrotation das Urheberrecht in Anspruch und zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung sagen Sie: Dagegen wollten wir schon immer etwas tun. Wenn das Ihr ganzer beschäftigungspolitischer Ansatz ist, dann weiß ich, warum Sie von zehn Minuten nur 20 Sekunden zu den Themen der vorliegenden Anträge gesprochen haben. ({2}) Die CDU/CSU nimmt für sich in Anspruch, Erfinder der Jobrotation zu sein. Aber das Instrument der Jobrotation existiert bereits seit 1994 in Dänemark. Ich weise nur darauf hin, weil Sie sich auf unsere Nachbarländer berufen haben. ({3}) Die Jobrotation ist ein sehr erfolgreiches Instrument. Auch wir haben in rot-grün regierten Ländern wie Nordrhein-Westfalen sehr gute Erfahrungen mit diesem Instrument gemacht. Deswegen ist die Zeit jetzt reif, das Prinzip der Jobrotation in der ganzen Bundesrepublik Deutschland einzuführen. ({4}) Nur, was ich überhaupt nicht leiden kann, Frau Schnieber-Jastram, ist, wenn Sie hier in Krokodilstränen ausbrechen, obwohl doch ganz deutlich belegbar ist, dass Sie bereits seit 1994 einem guten Beispiel aus dem Ausland hätten nacheifern können, aber sage und schreibe erst im Frühjahr des Jahres 2001 einen sehr mageren Antrag zu diesem Thema vorlegen. Das hat mit einer Beschäftigungspolitik, die versucht, sich mit den Erfahrungen, mit dem, was um uns herum passiert, auseinander zu setzen und für Deutschland kreative neue Instrumente anzubieten, überhaupt nichts zu tun. ({5}) Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland ein großes Problem: Für uns als rot-grüne Koalition steht Beschäftigungspolitik auf der politischen Agenda ganz oben. Aber wir haben einen desolaten Arbeitsmarkt und eine desolate Beschäftigungspolitik übernommen und im Hinblick darauf müssen wir Schritt für Schritt eine Modernisierung einführen. Wir haben - das ist nachweisbar - seit Herbst 1999 einen stetigen Abbau der Arbeitslosigkeit und ein stetiges Ansteigen der Beschäftigung zu verzeichnen. ({6}) Das reicht nicht; das sage ich auch. Und im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern müssen wir noch einiges lernen. Warum ist das so? - Weil Ihre Regierung die Entwicklung um uns herum seit Anfang der 90er-Jahre systematisch verschlafen hat. Die Nachbarländer sind uns um Nasenlängen voraus. Mit dem, was wir heute vorschlagen - ich freue mich besonders darüber, weil meine Fraktion seit mehr als einem Jahr an diesem Projekt arbeitet -, ({7}) nämlich die Jobrotation in der Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen, machen wir endlich einen ersten, wenn auch kleinen Schritt in Richtung einer modernen Beschäftigungspolitik, der durch viele andere Maßnahmen ergänzt wird. ({8}) - Herr Laumann und Frau Schnieber-Jastram, ich kann Sie wirklich beruhigen. Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen. Wir werden im Sommer dieses Jahres eine Reform des SGB III in Gang bringen, die im Kern die beschäftigungspolitischen Instrumente zum Inhalt hat. ({9}) - Sie mögen im Sommer vielleicht nicht hier sein, Herr Laumann. Wir aber werden hier sein, ({10}) weil gerade im Sommer angesichts der entspannten Arbeitsmarktsituation eine gute Zeit ist, endlich die Reformprojekte anzugehen. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was Sie hier abgeliefert haben, bestätigt eigentlich wieder, dass Sie uns einen hohen Berg von Arbeitslosen hinterlassen haben. Es bestätigt, dass Sie in Ihrer Regierungszeit überhaupt kein Fünkchen Kreativität und Modernität in der Beschäftigungspolitik hatten. ({11}) Ich finde es gut, dass Sie nachträglich auf diesen Zug aufspringen wollen. Seien Sie herzlich begrüßt. Vielen Dank. ({12})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dirk Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute über zwei recht interessante und nicht ganz unwichtige Anträge. Dass dafür nur eine halbe Stunde zur Verfügung steht, zeigt den Stellenwert, den die Regierung diesen Anträgen zumisst. ({0}) Aber der Kanzler kümmert sich auch sonst nicht so sehr um Zahlen. Was sind denn 500 000 Arbeitslose mehr oder weniger? Überhaupt: Wenn sich jemand nach gerade einmal zwei Jahren Kanzlerschaft schon selbst als alten Zirkusgaul in der Manege bezeichnet, denkt man eigentlich eher an das Altenteil als an Regierungsfähigkeit. ({1}) Ich befürchte nur, wir werden auch diesen Klepper noch bis 2002 durchfüttern müssen. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder bekommt er eine Frischzellenkur oder er geht zum Pferdemetzger. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich glaube, das war jetzt ein bisschen an der Grenze, Herr Kollege.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Jawoll, Frau Präsidentin. ({0}) Das Thema Arbeitsplatzrotation ist nicht neu. Wir kennen das Ganze aus Dänemark. Wir müssen in Ruhe die Vor- und Nachteile abwägen. Wir müssen schauen, ob nicht womöglich der bürokratische Moloch, von dem wir befürchten, dass Sie ihn - wie bei anderen Gesetzen wieder aufbauen, dieses Instrument wegen des damit zusammenhängenden hohen organisatorischen und finanziellen Aufwands gerade für kleine und mittlere Betriebe ungeeignet macht. ({1}) Darüber hinaus möchte ich zu bedenken geben, dass es manchmal gar nicht so leicht sein wird, den passenden Stellvertreter zu finden. Schauen Sie nach Baden-Württemberg. Wir haben in manchen Regionen des Landes aufgrund der hervorragenden Wirtschaftpolitik von Walter Döring und den Freien Demokraten fast eine Situation der Vollbeschäftigung mit einer Drei vor dem Komma. ({2}) Sie müssen erst einmal gucken, wie Sie die passenden Stellvertreter in die Betriebe bekommen, die Sie mit einer weiteren Subvention ködern wollen. Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass man dieses Thema im Zusammenhang mit den Bereichen Flexibilisierung der Arbeitszeit, Lebensarbeitszeitkonten, Arbeitnehmerüberlassung und Zeitarbeit diskutieren muss. Im Grunde ist dieses Thema interessant. Besonders gut gefällt mir, dass Sie einen weiteren Schritt in Richtung Dezentralisierung gehen, dass Sie mehr Kompetenzen auf die örtliche Ebene verlagern und dass Sie eine regionalere Arbeitsmarktpolitik machen wollen. Das ist vernünftig; davon brauchen wir mehr. ({3}) Ich erinnere an meinen Vorschlag zu den Globalhaushalten für die Arbeitsämter. Darüber sollten wir noch einmal diskutieren. Was die Schwarzarbeit anbetrifft, möchte ich daran erinnern, dass die Freien Demokraten dazu bereits vor ungefähr einem Jahr, am 23. März letzten Jahres, einen Antrag eingebracht haben. Bisher hat man ihn noch nicht für so wichtig erachtet, dass man dieses Thema im Plenum hier behandelt. Angesichts eines geschätzten Volumens der Schwarzarbeit in Höhe von 658 Milliarden DM und angesichts von Bußgeldern in Höhe von 325 Millionen DM allein im letzten Jahr haben wir es mit einer wahren Boombranche zu tun. Ich würde mich freuen, wenn die Konjunktur in der regulären Wirtschaft genauso brummen würde; aber sie wird durch Ihre Gesetzgebungsverfahren bisher ja abgewürgt. ({4}) Um Schwarzarbeit bekämpfen zu können, muss das Lohnabstandsgebot durchgesetzt werden. Um das zu erreichen, müssen wir die Arbeitnehmereinkommen von Abgaben und Steuern wesentlich mehr entlasten, als es jetzt der Fall ist. Es muss sich lohnen zu arbeiten. Es muss zwischen staatlicher Transferleistung und Erwerbseinkommen eine deutliche Differenz erkennbar sein. Die Steuerreform darf nicht bei dem stehen bleiben, was bisher vorgelegt worden ist. Das kann nur ein erster kleiner Schritt in Richtung echter Entlastungen gewesen sein. Wir müssen auch die Lohnnebenkosten ins Auge fassen. Wir hätten seit über einem Jahr die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung um einen Prozentpunkt senken können. Sie wollten das nicht, weil Sie diese Senkung erst im nächsten Jahr vornehmen wollen. Wir alle wissen, warum: Da ist Bundestagswahl. So wird es nicht funktionieren; die Entlastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen wir früher. ({5}) Um Schwarzarbeit zu verhindern, brauchen wir Anreize, eine reguläre Arbeit anzunehmen. Wir brauchen ein eindeutig reformiertes Arbeitsgenehmigungsrecht. Wer sich in diesem Land aufhalten darf, der muss für die Dauer des erlaubten Aufenthaltes in die Lage versetzt werden, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen und nicht zwangsweise an den Tropf der Sozialkassen gehängt zu werden. Wenn jemand arbeiten möchte und arbeiten kann und auf der anderen Seite ein Arbeitgeber einen Arbeitsplatz nicht besetzen kann, dann finden sich andere Wege, ins Geschäft zu kommen. Solche Reformen haben Sie bisher verhindert. Selbst die kleinen Schritte, die Sie seit Januar dieses Jahres in die richtige Richtung gegangen sind, haben Sie nur auf Druck der Opposition eingeleitet. Kehren Sie um! ({6}) Wir brauchen mehr F.D.P. in diesem Land. Vielen Dank. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus Grehn.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren - Kollege Thönnes, Sie haben 1992 genannt - ist das Projekt Jobrotation bekannt. Zumindest seit 1993 besteht die Forderung, so etwas auch in Deutschland durchzuführen. Das heißt, dass Sie auf der rechten Seite fünf Jahre lang Gelegenheit hatten, das durchzuführen; Sie auf der linken Seite hatten zwei Jahre Zeit. In den vergangenen sieben Jahren hat man es also nicht geschafft. Nun steht dieses Thema auf der Tagesordnung. Wir halten Jobrotation für notwendig. Wir unterstützen jede Maßnahme, die einigermaßen vernünftig ist; aus diesem Grunde gilt unsere Unterstützung auch dem Prinzip der Jobrotation. ({0}) Die CDU hat zwar vor einem Jahr den Antrag 14/2909 eingebracht; aber wir haben ihm damals nicht zugestimmt, weil er einen wesentlichen Mangel hatte: Sie wollten, dass die Arbeitslosen zu nicht tariflichen Entgelten eingestellt werden können. Das ist sozial ungerecht und mit uns nicht zu machen. Dieser Mangel ist behoben; deshalb findet der Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen unsere Zustimmung. ({1}) Was die Lage der älteren Arbeitnehmer betrifft, kann ich Ihre Erwartungshaltung allerdings nicht teilen. Meine Erwartung ist eher gedämpft. Die Ursache für die hohe Anzahl arbeitsloser älterer Arbeitnehmer hat nicht so sehr etwas mit ihrer Qualifikation zu tun, sondern liegt in deren Alter. Das Jobrotation-Vorhaben müsste daher eigentlich um ein Programm erweitert werden, mit dem die Arbeitgeber davon überzeugt werden, dass die älteren Arbeitnehmer sinnvoll in den Arbeitsmarkt integriert werden können. ({2}) Solange Ihnen diese Überzeugungsarbeit nicht gelingt, wird Ihr Vorhaben nicht den von Ihnen erwarteten Erfolg haben. Trotzdem erkenne ich an, dass es eine Möglichkeit unter mehreren ist. Sie haben auf die Einigung im Bündnis für Arbeit verwiesen. Das ist für mich sehr interessant. In Bezug auf Jobrotation hat man im Bündnis für Arbeit eine Einigung gefunden, während das Thema Überstundenabbau - eine weitere Möglichkeit, die Arbeitslosigkeit abzubauen nicht behandelt worden ist; ({3}) deshalb ist dieses Thema in diesem Parlament auch nicht zur Diskussion gestellt worden. ({4}) Die Frage ist: Wer entscheidet wo und was? Ein Weiteres will und kann ich Ihnen nicht ersparen. Seit mehr als zwei Jahren bringt die PDS-Fraktion Anträge zur Veränderung des SGB III ein. ({5}) Sie haben alle Anträge rundherum mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um Einzelmaßnahmen handele, aber ein neues SGB III komme. Was ist denn nun Ihre Jobrotation-Maßnahme anderes als eine Einzelmaßnahme? Was wollen Sie denn nun eigentlich? Wollen Sie ein neues SGB III oder wollen Sie es nicht? ({6}) Ein paar Bemerkungen zur Schwarzarbeit: Wir haben uns mit dem Problem der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung erst vor zwei Monaten im Zusammenhang mit dem Bericht der Bundesregierung zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung befasst. Darin wurde deutlich, dass das Ausmaß der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung, über das niemand etwas Genaues weiß, da es keine genauen Zahlen gibt, über das aber alle reden, trotz verstärkter Maßnahmen bei der Bekämpfung und verschärfter Sanktionen gestiegen ist. In Ihrer jetzigen Vorlage ist nichts anderes vorgesehen, als die Sanktionen weiter zu verschärfen: Die Abschreckungswirkung soll erhöht und die Effizienz der Verfolgungsbehörden verbessert werden. Neben diesen kopflastigen Ansätzen steht ganz klein die Prävention. Ich meine, man sollte sich mehr auf Prävention stützen und dabei auch im Auge haben, dass Schwarzarbeit erst dadurch ermöglicht wird, dass gewisse Leute Schwarzarbeit anbieten ({7}) und andere sie annehmen, weil sie keine andere Möglichkeit haben, eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu finden, ihren Unterhalt zu verdienen und ihre Familien zu versorgen. ({8}) Setzen Sie dort an! Schützen Sie die Arbeitnehmerrechte! Auch das ist eine Möglichkeit, der Schwarzarbeit zu begegnen. So kommen wir ein Stückchen weiter. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus Wiesehügel.

Klaus Wiesehügel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003263, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin manchmal schon erstaunt, wenn ich Ihre Debattenbeiträge höre. Aber, Herr Niebel, das, was Sie eben über den Bundeskanzler gesagt haben, sollten Sie einmal nachlesen. ({0}) - Ich meine das mit dem Pferdemetzger. Sie sollten einmal selbst lesen, was Sie da gesagt haben. Ich weiß zwar, dass Sie eine schlechte Kinderstube hatten. Das habe ich schon an vielen Ihrer Äußerungen bemerkt. ({1}) Aber was Sie da gerade gesagt haben, entspricht nun wirklich nicht unserem Umgang miteinander. Das ist schon mehr als unterste Talsohle. ({2}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, über die Schwarzarbeit ist auch in der Vergangenheit viel geredet worden. Es gibt einige Dinge, die unbestritten sind. Unbestritten ist, dass 15 Prozent des Bruttosozialprodukts - das ist ungefähr ein Siebtel - in diesem Bereich erwirtschaftet werden. Es ist immer schwierig, bei der Illegalität genaue Zahlen zu benennen, aber nach Studien summieren sich die Erträge aus der Schwarzarbeit und der Illegalität auf wahrscheinlich über 600 Milliarden DM. Diese Summe ist für sich genommen schon schlimm genug. Wenn man aber bedenkt, dass nur ungefähr 70 Prozent in den normalen Wirtschaftskreislauf zurückfließen, bleiben 100 Milliarden DM, die dem Staat an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen entzogen werden. Wenn wir diese Summe im Haushalt zusätzlich zur Verfügung hätten, würde manch schwierige Debatte, die wir über das Sparen führen müssen, überflüssig. Von daher sollte man in diesem Bereich alle Anstrengungen unternehmen, um von diesen 100 Milliarden DM einen großen Teil wieder in die Legalität zu führen. ({3}) Hinzu kommt, dass Schwarzarbeit zu ordnungspolitisch unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen führt und sich bedrohlich auf die Seriosität und das öffentliche Ansehen ganzer Branchen auswirkt. Manche Branchen werden heute derart mit Illegalität und Schwarzarbeit in Verbindung gebracht, dass sie enorme Schwierigkeiten haben, sich öffentlich besser darzustellen. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wurden bereits vielfach genannt. Auch ich möchte sie noch einmal sehr deutlich machen: Wir wissen, dass durch 100 000 illegal Beschäftigte 60 000 legale Arbeitsplätze verdrängt werden. Für diese 60 000 müssen wir nicht nur Transferleistungen bezahlen, sondern sie bedeuten auch einen Verlust an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 3,1 Milliarden DM. Dies ist insgesamt ein Bereich, in dem wir wirklich etwas tun müssen. Darin sind sich ja auch alle einig. Über die Begriffe Schwarzarbeit und Illegalität ist die Einigkeit allerdings nicht mehr ganz so groß. Wir haben ja die Kampagne der alten Bundesregierung erlebt. Ich kann mich sehr lebhaft an die Kampagne von Norbert Blüm gegen Schwarzarbeit erinnern. Er hat Schwarzarbeit nur als Arbeitnehmerschwarzarbeit darzustellen versucht. Er hat versucht, Handwerker und Arbeitnehmer dafür öffentlich an den Pranger zu stellen. Dass es aber einen viel größeren Anteil von unternehmerischer Schwarzarbeit und damit von organisierter Kriminalität gibt, ist bei Ihnen nie wirklich angekommen. Diese Erkenntnis ist damit auch nie Bestandteil Ihrer Politik gewesen. Deswegen konnten Sie auch nicht erfolgreich sein. ({4}) - Das stimmt wohl. Schauen Sie sich doch einmal die alten Kampagnen an, Herr Niebel! Ihre Partei war ja mit dafür verantwortlich. ({5}) - Hören Sie doch damit auf, immer von „Gewerkschafter“ zu sprechen! ({6}) Ich möchte einmal erleben, dass Sie bei einer Rede von Frau Wöhrl dazwischenrufen: Ach, eine Vertreterin des deutschen Handels! - Sie protestieren ja auch nicht, wenn Lobbyisten aus anderen Bereichen sprechen, Herr Niebel. Hören Sie also auf, von „Gewerkschafter“ zu sprechen! ({7}) In dem vorliegenden Antrag der Regierungsfraktionen haben wir das Problem auf den Punkt gebracht und - diesmal ohne einseitige Schuldzuweisungen - in seiner ganzen Bandbreite als organisierte Kriminalität und unternehmerische Schwarzarbeit erfasst. Im Übrigen möchte ich feststellen: Wenn keine Handwerkerrechnung ausgestellt wird, weil die Mehrwertsteuer eingespart werden soll, dann gehört das für mich auch zur Schwarzarbeit und damit in den Bereich der Illegalität. ({8}) Man darf nicht sagen, dass das eine weniger schlimm ist als das andere. Man muss vielmehr die gesamte Bandbreite sehen. Dies tun wir mit unserem Antrag. Es gibt vielfältige Vorschläge, wie man in diesem Bereich erfolgreich sein kann. Sie sind dem Antrag zu entnehmen. Die Regierung kann diese Vorschläge umsetzen. Entsprechende Gesetze sind dringend erforderlich, was die Praxis ganz deutlich zeigt. Ich will einige wesentliche Punkte ansprechen. Wir brauchen Verbesserungen im Bereich der Abschreckung und des Vollzugs. Dabei geht es nicht nur um die Erhöhung des Strafrahmens oder um die Erhöhung der Bußgelder, sondern dazu gehört auch die Einbeziehung von Maßnahmen im Falle der Hinterziehung von Sozialabgaben. Wenn jemand Sozialabgaben nicht weiterleitet, dann ist das für mich genauso ein unredlicher und krimineller Akt wie Steuerhinterziehung. Dieser Tatbestand muss also auch berücksichtigt werden. Wir tun dies in unserem Antrag. Auch die Effizienz der Arbeit der Vollzugsbehörden ist zu prüfen. Auch das ist im Antrag sehr deutlich dargestellt. Aus der Praxis weiß ich, dass wir zum Beispiel in Hamburg 13 und in anderen Gebietskörperschaften auch mindestens zehn verschiedene Behörden haben, die nebeneinander her kontrollieren. Der Gesetzgeber spricht lediglich davon, dass sie die Informationen austauschen sollen. Wenn also eine Behörde Missstände festgestellt hat, die nicht in ihre Kompetenz fallen, dann muss sie selbst entscheiden, ob sie der zuständigen Behörde Bescheid sagt oder nicht. Das führt in der Regel dazu, dass nicht Bescheid gesagt wird. Der Zustand, dass viele Missstände bei Kontrollen aufgedeckt werden, aber nicht an die zuständige Behörde weitergeleitet werden, muss beendet werden. Wir brauchen eine Verknüpfung der Kompetenzen. Die zuständigen Vollzugsbehörden müssen zur Zusammenarbeit verbindlich veranlasst werden. ({9}) Wir müssen bestehende Gesetze wie das Arbeitnehmerentsendegesetz integrieren; wir müssen die Zusammenarbeit der Behörden auch in dieser Frage besser koordinieren. Es kann ja nicht sein, dass ein Steuerbeamter, der ein Unternehmen prüft und der dabei eine illegale Beschäftigung feststellt, sich nicht zuständig fühlt - er denkt sich vielleicht: Es ist Freitag, 13 Uhr, jetzt müsste ich eigentlich noch einen Bericht schreiben und diesen den Kollegen in der zuständigen Behörde schicken; das muss ich aber nicht unbedingt tun - und dementsprechend die Information nicht weitergibt. Ich bin dem Beamten gar nicht böse, wenn er so denkt; denn der Bericht könnte ja umfangreich ausfallen und der Vorgesetzte könnte nachfragen. Wir müssen davon wegkommen, dass es auf Freiwilligkeit beruht, Verstöße gegen Gesetze den zuständigen Behörden zu melden. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass dies verbindlich geschieht. Einen weiteren Punkt halte ich ebenfalls für sehr wichtig. Hinsichtlich der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen - ich habe diesen Punkt vorhin schon angesprochen - gibt es noch ein ganz besonderes Problem. Wenn sich Menschen, die hier illegal beschäftigt werden, dem Zugriff durch Flucht über die Grenze entziehen können, dann haben wir keine Chance mehr, sie zu belangen. Im Sozialversicherungsbereich gibt es nämlich nur ein entsprechendes Abkommen mit Österreich. Mit allen anderen Ländern wäre es aber durchaus möglich.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie Ihre Redezeit erheblich überzogen haben.

Klaus Wiesehügel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003263, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme sofort zum Schluss. - Diejenigen, die sich als Schlepper betätigen - ich will sie einmal als Lumpenpack bezeichnen -, sind durchaus in der Lage, über die Grenze zu entkommen. ({0}) Wir können ihrer dann nicht mehr habhaft werden. Wir brauchen eine Ausweitung des dinglichen Arrestes. Das versetzt uns zumindest in die Lage, harte Maßnahmen zu ergreifen, damit diejenigen, die sich auf kriminelle Weise in unserem Land betätigen, zur Rechenschaft gezogen werden. ({1}) Es gäbe noch viel zu sagen, auch auf das, was Sie gerade völlig falsch einwerfen, aber meine Redezeit ist leider zu Ende. Ich hoffe, wir werden die Schwarzarbeit und die Illegalität erfolgreich bekämpfen. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/5270 und 14/5245 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Einverstanden? - Dann verfahren wir so. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Fischer ({0}), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Dr. Klaus W. Lippold ({1}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Konzept für die zukünftige Finanzierung der Bundesverkehrswege - Drucksache 14/5317 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({2}) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Eduard Oswald.

Eduard Oswald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001663, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Leistungsfähige Verkehrswege sind die Grundvoraussetzung für ein Verkehrssystem, das in der Lage sein muss, auch künftigen Verkehrszuwachs reibungslos, sicher und umweltschonend zu bewältigen. Ganz sicher sind wir gemeinsam der Meinung, dass die Qualität unseres Verkehrssystems auch in den kommenden Jahrzehnten ein maßgeblicher Faktor für Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum sein wird. Wir müssen jetzt die notwendigen Weichen stellen, damit Erhalt sowie Aus- und Neubau der Verkehrsinfrastruktur in unserem Land auch in der Zukunft auf einer ökonomisch und ökologisch tragfähigen Basis den steigenden Mobilitätsansprüchen von Gesellschaft und Wirtschaft gerecht werden. ({0}) Gemeinsam wissen wir, dass sich die Haushaltsfinanzierung in mancherlei Hinsicht als investitionshemmend erwiesen hat. Mit dem vorgelegten Bericht der Kommission „Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ sind konkrete Empfehlungen für die künftige Finanzierung der Verkehrswege erarbeitet worden. Mein Dank gilt dem Vorsitzenden der Kommission, Dr. Wilhelm Pällmann, für seine Offenheit und seinen Mut zur Klarheit, die sich in dem in dieser schwierigen Situation unter seiner Verantwortung entstandenen Bericht widerspiegeln. Nach unserer Auffassung sind die Empfehlungen der Kommission eine gute und geeignete Grundlage für die notwendigen weiteren Beratungen und für unsere gemeinsame Suche nach neuen, zukunftsorientierten Finanzierungsmöglichkeiten für die Bundesverkehrswege. Es geht natürlich nicht, dass man sich nur einzelne Punkte, die einem möglicherweise politisch gefallen, aus dem Bericht herausholt und diese dann realisiert, ohne das Gesamtpaket einer intensiven Diskussion zu unterziehen. Den Bericht nur als Argumentationshilfe für die Höhe der LKW-Maut zu nutzen, wäre der falsche Weg. Wir wollen erreichen, dass Sie auf der Grundlage des Berichtes ein Konzept für eine zukunftsorientierte Gestaltung der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen vorlegen. ({1}) Dies ist deswegen so notwendig, weil sich der Verkehr in erheblichem Maße anders entwickelt hat, als dies der Bundesverkehrswegeplan prognostiziert: Erstens. Insbesondere die schnelle Entwicklung nach der Öffnung zu den mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten hat im Personen- und vor allem im Güterverkehr zu beträchtlichen Veränderungen gegenüber den bisherigen Voraussetzungen geführt. Zweitens. Der Straßengüterverkehr hat überproportional zugenommen. Drittens. Der Schienengüterverkehr liegt dagegen nur bei der Hälfte des vorausgesagten Wertes. Aus der Erkenntnis, dass die Schiene weiter Anteile an die Straße verlieren wird, sind die verkehrs- und umweltpolitisch notwendigen Folgerungen zu ziehen. Für uns gilt unverändert, dass Eisenbahnen und Binnenschifffahrt in unserem Verkehrssystem auch zukünftig unverzichtbar sind. Sie müssen aber in Zukunft mehr als nur eine Ergänzungsfunktion erfüllen. Sie müssen ihre systemtypischen Stärken besser zur Geltung bringen und wir müssen sie dabei weiter in besonderer Weise unterstützen. Wenn die Kommission betont, dass es nach ihrer Überzeugung nicht nur darum gehen kann, nach zusätzlichen Möglichkeiten der Mobilisierung privaten Kapitals für die Finanzierung der Bundesverkehrswege zu suchen, dann ist dies richtig. Die Kommission hat für die zukünftige Finanzierung der Bundesverkehrswege daher weiter gehende Überlegungen angestellt. Dazu gehören erstens eine Umstellung auf Nutzerfinanzierung, zweitens die Anwendung des Verursacherprinzips, drittens die Ausgliederung der Bundesverkehrswege aus der Bundesverwaltung, viertens eine Überprüfung der Abgrenzung der Bundesverkehrswege, fünftens die Erweiterung der Möglichkeiten der Privatfinanzierung und sechstens die Beteiligung Dritter an der Finanzierung der Bundesverkehrswege. Weil wir in die Infrastruktur investieren müssen, müssen wir auch neue Wege gehen. Es geht um unseren Wirtschaftsstandort, es geht um Ökologie und es geht auch um unsere individuellen Bewegungsmöglichkeiten sowie um die Verkehrssicherheit. Wir fordern Sie also auf, ein Konzept vorzulegen. Dies ist Ihre Aufgabe, Herr Kollege Schmidt. Ihren Zwischenruf habe ich sehr wohl aufgenommen. Es ist Aufgabe der Regierung, nicht Aufgabe der Opposition, auf der Grundlage des Kommissionsberichts ein Konzept zu erstellen und diesem Hause vorzulegen. Das ist unsere unmissverständliche Forderung. Sie können sich hier nicht aus der Verantwortung herausstehlen. ({2}) - Es ist ja gut, wenn es jetzt ein bisschen lebhaft wird. Die Unruhe zeigt mir nur, dass Sie in einigen Punkten ein schlechtes Gewissen haben. Anders kann man diese Unruhe überhaupt nicht werten. ({3}) Für ein solches Konzept gilt Folgendes: Erstens. Die verkehrspolitischen Probleme in unserem Lande dulden keinen Aufschub. Zweitens. Legen Sie Ihre Positionen auf den Tisch. Die Verkehrsinfrastruktur braucht den Aus- und Neubau und nicht Erklärungen. Drittens. Treffen Sie Entscheidungen in der Frage der Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn. Viertens. Sagen Sie den Speditionen, was auf sie zukommt, mit welcher Mauthöhe sie zu rechnen haben und wie die Kompensation aussieht. Schieben Sie dieses Thema nicht vor sich her. Der Pällmann-Bericht ist eine große Chance, die Verkehrsinfrastruktur nach vorne zu bringen. Wir sind hier gern zur Zusammenarbeit bereit. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhard Weis.

Reinhard Weis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Antrag, der künftige Finanzierungskonzepte für Bundesverkehrswege verheißt, klingt auf jeden Fall interessant. Er klingt nicht nur nach viel Geld, sondern ist auch millionenschwer. Umso enttäuschender ist es, wenn der vorliegende Antrag der CDU/CSU diesem Anspruch nicht gerecht wird. Wir können in ihm nicht einen einzigen Anflug eines eigenen Gedankens erkennen, wohin ein solches künftiges Finanzierungskonzept nach Meinung der CDU/CSU-Fraktion gehen könnte. ({0}) Es gibt keinen Hinweis darauf, mit welchen Kriterien die CDU/CSU-Fraktion an die Prüfung eines solchen Konzeptes herangehen würde. Dabei gibt es dafür Stoff genug. Vor einem halben Jahr hat die Pällmann-Kommission, deren Bericht unser Ausschussvorsitzender eben vorgestellt hat, neue Vorschläge zur Finanzierung von Bundesverkehrswegen gemacht. Sie folgte damit einer Einladung unseres ehemaligen Bundesverkehrsministers Müntefering, der früh erkannt hatte, dass die vorige Bundesregierung im Verkehrshaushalt Schlaglöcher in Millionenhöhe - bei Löchern muss man eigentlich „Tiefe“ sagen - hinterlassen hatte, ({1}) die aus normalen Haushaltsmitteln nicht zu stopfen sind. Die Pällmann-Kommission hat nach erstaunlich kurzer Zeit mutige Vorschläge mit zum Teil auch spektakulären Auswirkungen gemacht. Diese Feststellung ist keine Kritik von mir; es ist das gute Recht einer jeden Expertenkommission, ja, es ist ihre Aufgabe, sich auch mit radikalen Vorschlägen zu Wort zu melden. Es ist aber auch das gute Recht und die Aufgabe der Politiker, eine sorgfältige Auswahl zu treffen, welche dieser Vorschläge weiterverfolgt werden sollen und können, welche sinnvoll umgesetzt werden können und welche eher als abwegig erscheinen. Der Antrag der CDU/CSU, der nichts von einer solchen Differenzierung enthält, ist als bloße Aufforderung zur Auswertung deshalb nach unserer Meinung ziemlich überflüssig. ({2}) Es ist natürlich auch das gute Recht der Oppositionsparteien, in Sachen Vorschläge Blindekuh zu spielen. So ein Antrag kostet nichts, man kann nichts falsch machen, das ist bequem und es lenkt davon ab, dass die PällmannKommission den ehemaligen Regierungsparteien, der heutigen Opposition, nicht nur Freundlichkeiten ins Stammbuch geschrieben hat. ({3}) Jedenfalls beschreibt die Pällmann-Kommission ausführlich die Instandhaltungskrise des Bundesverkehrswegenetzes, die sich seit Beginn der 90er-Jahre mit jährlichen Unterhaltungsrückständen von 7,5 Milliarden DM aufgebaut hat und die Sie zu verantworten haben. ({4}) - Hören Sie zu; ich komme auf diesen Einwand noch zu sprechen. Aus der Vielzahl der Kommissionsvorschläge und den dortigen Bewertungen möchte ich im Folgenden beispielhaft einige herausgreifen. Erstens möchte ich gleich auf Ihren Einwurf eingehen. Die Koalitionsparteien haben nämlich bereits Konsequenzen aus der geschilderten Instandhaltungskrise gezogen. ({5}) Im laufenden Jahr, also 2001, werden wir die Rekordsumme von 10,8 Milliarden DM in das Straßennetz stecken, und zwar für die Schwerpunkte Engpassbeseitigung und Bestandserhaltung. ({6}) Zu einer solchen Leistung waren Sie nicht fähig. Wir machen das, ohne dabei die Schiene zu vernachlässigen. Zusätzlich gibt es in den nächsten drei Jahren 6 Milliarden DM für den Schienenausbau. ({7}) Das leider heute reparaturanfällige Schienennetz wollen wir mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen an die Anforderungen des modernen Personen- und Güterverkehrs anpassen. ({8}) Zweitens. Durch das starke Plädoyer von Pällmann für die möglichst rasche Einführung einer entfernungsabhängigen LKW-Gebühr fühlen wir uns kräftig unterstützt. Wir werden diese LKW-Maut pünktlich zum Jahr 2003 einführen und damit in der EU technologisches Neuland betreten. Eine ganze Reihe von Nachbarstaaten sind interessiert, sich an diesem System zu beteiligen. Interessant ist nun die Herleitung der von der Pällmann-Kommission vorgeschlagenen Gebührenhöhe von 25 Pfennig pro Kilometer. Diese Höhe orientiert sich an den tatsächlichen Wegekosten und bleibt im gängigen europäischen Rahmen. Das muss aber nicht das letzte Wort sein, denn Sie wissen, dass für die EU-Genehmigung der Gebühr eine Wegekostenanalyse erarbeitet werden muss, die so von der Kommission nicht vorgelegt werden konnte. Wir warten gespannt auf die Ergebnisse dieser Analyse und die daraus abgeleitete tatsächliche Gebührenhöhe. Entnehmen Sie bitte diesen Sätzen, dass die Gebühr nicht politisch, sondern entsprechend EU-Recht durch die tatsächlichen Wegekosten bestimmt wird. Mehr ist bei allen Begehrlichkeiten, von denen hier und da zu hören ist, auch gar nicht genehmigungsfähig. ({9}) Wir werden aus dem Gebührenaufkommen dann zum Beispiel das Anti-Stau-Programm finanzieren. Wir werden Langsamfahrstrecken und Engpässe auf Autobahnen, Schienenwegen und Wasserstraßen beseitigen. ({10}) - Für das Anti-Stau-Programm haben wir einen Terminplan vorgelegt. Diese Frage kann mit Jahreszahl beantwortet werden. ({11}) Drittens. In einem anderen Punkt kann man der Pällmann-Kommission nur widersprechen. Eine Reservierung der LKW-Maut nur für Investitionen in die Straße ist nicht zwingend. Dies wäre zum Beispiel eine reichlich verkürzte Sicht von Güterverkehrspolitik. ({12}) Wir wollen den Güterverkehr auf der Schiene von jetzt bis zum Jahre 2015 verdoppeln. Unser Ausschussvorsitzender hat die Erreichung dieses Ziels auch als notwendig beschrieben. ({13}) Das geht nur, wenn wir auch mutig in das Schienennetz investieren. Generell gilt: Jede Tonne, die zusätzlich auf der Schiene transportiert wird, entlastet die Straße, und das kann ein effektiverer Mitteleinsatz sein. Viertens. Auch dem Vorschlag einer PKW-Maut werden wir nicht folgen. Es hätte mich im Zusammenhang mit diesem Antrag der CDU/CSU-Fraktion schon interessiert, ob der Vorschlag der Landesregierungen von BadenWürttemberg und Bayern aus dem Jahr 1967, ({14}) eine PKW-Maut einzuführen, nun durch die Feststellungen der Pällmann-Kommission in den Forderungskatalog der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Eingang gefunden hat. Ich denke, dass ist eine für die Öffentlichkeit interessante Frage. ({15}) Wir wollen das nicht. Aus dem Großversuch auf der A 555 wissen wir, dass eine elektronische Mauterhebung in jedem PKW zur Totalüberwachung eines jeden Autofahrers werden würde. Das lehnen wir ab. Wir halten es auch für vernünftig, uns bei der Erhebung der Straßenbenutzungsgebühr auf den Hauptkostenverursacher, nämlich den schweren LKW, zu konzentrieren. Insofern sehen wir auch die generelle Nutzerfinanzierung der Verkehrswege, wie von der Pällmann-Kommission vorgeschlagen, als problematisch an. Das Prinzip werden wir aber für den Hauptkostenverursacher übernehmen. Fünftens. Überhaupt sollte man die Vorstellung von der Nutzerfinanzierung aller Verkehrswege nicht überstrapazieren. Meines Erachtens ist zum Beispiel die Idee von der Privatisierung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen reichlich abenteuerlich. Hier sind wirklich Differenzierungen angesagt. ({16}) Sechstens. Positiv bewerten wir die Vorschläge zur weiteren Anwendung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes. Dieses dürfte ein sinnvoller Weg sein, um gezielt zusätzliches Kapital außerhalb der Haushaltsfinanzierung zu mobilisieren. Siebtens. Was die Bahnstruktur betrifft, so werden wir sehr sorgfältig prüfen, wie das Verhältnis zwischen Schienennetz und -betrieb zukunftsfähig gestaltet werden kann. Diese Entscheidung dürfen wir nicht übers Knie brechen. Es gibt bisher nur schlechte Beispiele für Versuche dieser Art. Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, Chancen und Risiken unterschiedlicher Organisationsformen umfassend zu bewerten. Dabei werden natürlich auch die Vorschläge der Pällmann-Kommission einzubeziehen sein. Auf der Basis dieser Bewertungen werden wir als Parlament dann entscheiden müssen. Dieser Weg ist übrigens nicht spektakulär und neu, sondern schon durch die Bahnreform, die wir gemeinsam beschlossen haben, so vorgezeichnet. Ich fasse zusammen: Meines Erachtens müssen wir die Gemeinwohlverpflichtung sehr ernst nehmen. Das heißt, die Infrastrukturverantwortung für das gesamte Verkehrswegenetz muss bei den politisch Verantwortlichen bleiben. Dies ist die Voraussetzung für eine Infrastruktur aus einem Guss. Die Entscheidungen über die Struktur der Verkehrswege, über die Mittelverteilung, über den Ausbaustandard aller Verkehrswege und über regionale Schwerpunkte gehören in staatliche Verantwortung. ({17}) Ansonsten werden wir unser Ziel, das integrierte Verkehrsnetz, in dem alle Verkehrsträger entsprechend ihren jeweiligen Vorzügen aufeinander bezogen sind, nicht erreichen. Die Vorschläge der Pällmann-Kommission zur künftigen Finanzierung der Bundesverkehrswege sind ein außerordentlich interessanter Beitrag in der politischen Meinungsbildung. Ich freue mich schon auf die Diskussion mit dem Vorsitzenden der Kommission, der in der kommenden Woche Gast im Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen sein wird. Es wird auch eine sehr spannende Aufgabe sein, in der parlamentarischen Arbeit zielstrebig Schlussfolgerungen und Konsequenzen zu ziehen. Ich habe dargelegt, in welcher Richtung wir von vornherein für diese Vorschläge offen und bei welchen Reinhard Weis ({18}) Akzenten wir eher skeptisch sind. Auf jeden Fall werden wir uns - dies hätten wir auch ohne Ihren Antrag getan vorurteilsfrei mit den Aussagen der Kommission beschäftigen. Von dieser Stelle aus richte ich deshalb einen herzlichen Dank an die Kommission für ihre umfassende Arbeit und die Grundlagen, die sie uns dadurch gegeben hat. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({19})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Weis, wenn ich Ihren Schlusssatz, dass Sie sich vorurteilsfrei mit dem befassen, was Herr Pällmann und seine Kommission vorgelegt haben, als Maßstab nehme und das Revue passieren lasse, was Sie in Ihrer Rede gesagt haben, dann stelle ich im Ergebnis fest, dass Sie sich mit Herrn Pällmann nur in der Höhe der entfernungsbezogenen Maut für LKW identifizieren. Alles andere haben Sie in Ihrer Rede eigentlich bereits im Vorfeld abgelehnt. ({0}) Das Schlimme daran ist: Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland hätte tatsächlich etwas Besseres verdient, nämlich dass man sich mit dem, was die Pällmann-Kommission vorschlägt, intensiv befasst. ({1}) Dass die F.D.P. diejenige Fraktion ist, die mit diesen Vorschlägen die wenigsten Probleme hat, überrascht eigentlich niemanden. ({2}) Denn bereits vor Einsetzung der Pällmann-Kommission haben wir das angesprochen, was jetzt die Union in ihrem Antrag fordert. Unser Programm „Straßenbau statt Autostau“ beinhaltet im Wesentlichen genau die Elemente, die auch Pällmann für wichtig erachtet. Überraschenderweise ist es von Ihnen abgelehnt worden. - Sie wollten ja vorurteilsfrei prüfen! - Bezeichnenderweise hat auch die Union dieses Programm, das wir im Rahmen eines Antrages eingebracht haben, nicht mitgetragen. Dazu komme ich aber noch später. In einem Land, in dem zwei Drittel des gesamten EU-Verkehrs stattfinden, in dem sich das Verkehrsaufkommen seit 1960 um 900 Prozent erhöht hat, während der Verkehrsinfrastrukturausbau lediglich um 50 Prozent zugenommen hat, sollte man eigentlich erkennen, dass die klassische Form der Haushaltsfinanzierung offensichtlich an Grenzen gestoßen ist. ({3}) Die Segnungen einer zusätzlichen Finanzierung durch die Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen und durch Privatisierungen, die Sie eigentlich gar nicht mitgetragen haben und deren Erfolge Sie jetzt verwerten, ({4}) sind einmalig und können nicht auf Dauer eingerechnet werden. Ich bin gespannt, was in den Haushaltsansätzen des Jahres 2002, die keine UMTS-Lizenzerlöse mehr enthalten, steht. Eines, Herr Kollege Schmidt, ist absehbar: Die erste Rate von 2 Milliarden DM, die die Bahn erhält, ist in diesem Jahr wahrscheinlich nicht verwendbar. Es ist ein offenes Geheimnis, dass frühestens im Herbst dieses Jahres mit Ausschreibungen begonnen werden kann. ({5}) Schauen wir also einmal, wie es weitergeht. ({6}) Auch im letzten Jahr hat die Bahn 1,1 Milliarden DM nicht verbauen können. Ich bin auf die weitere Entwicklung gespannt. Als der Antrag mit der Überschrift „Konzept für die zukünftige Finanzierung der Bundesverkehrswege“ von der Union vorgelegt wurde, dachte ich, man könne dort erfahren, welche Vorstellungen die Union hat. ({7}) Ich bin schon einigermaßen erstaunt, dass Sie lediglich darstellen, was Herr Pällmann vorgeschlagen hat, und die Bundesregierung auffordern, ein Konzept vorzulegen. Interessant wäre zu erfahren, welche Vorstellungen Sie selbst haben. ({8}) Denn es hilft natürlich nicht, zu verlangen, es müsse sich etwas ändern, aber selbst nicht zu sagen, was man politisch mitträgt. Wir sind da ein bisschen weiter. Wir haben Anträge zu den entscheidenden Verkehrsträgern vorgelegt. Wir tragen die Ergebnisse der Pällmann-Kommission mit. ({9}) Wir sind für eine tatsächliche Umstellung der Finanzierung - und das, Herr Kollege Weis, ohne dass die hoheitlichen Aufgaben dem Staat abgenommen werden. Wir wollen - auch das ist eine klare Aussage; das will ich hier wiederholen, damit das nicht untergeht - die PrivatfinanReinhard Weis ({10}) zierung nicht auf die jetzige Belastung der Autofahrer draufsetzen. Es muss zu einer Gesamtlösung kommen, mit der die bisherigen Belastungen reduziert werden und die Finanzierung umgestellt wird. Eine Lösung in der Form, dass diese Finanzierung zusätzlich auf den deutschen Autofahrer umgelegt wird, tragen wir nicht mit. Darüber müssen wir ernsthaft diskutieren. ({11}) Zum Abschluss möchte ich feststellen: Der Bericht der Kommission hat mehr verdient als lediglich das Führen einer Diskussion über das enge Fenster, wie eine LKWGebühr ausgestaltet sein kann und wie hoch sie sein müsste. In diesem Bericht sind sehr viele bedenkenswerte Ansätze enthalten, die wir gezwungenermaßen umsetzen sollten, wenn wir bei der Verkehrsinfrastruktur nicht andauernd den Entwicklungen hinterherlaufen wollen, sondern endlich auch einmal in der Lage sein wollen, vorausschauend zu planen. Dabei geht es selbstverständlich auch um das immer größer werdende Problem des Erhalts der Infrastruktur. Insofern freue ich mich auf die offene Diskussion über den Bericht der Kommission. Ich bin allerdings gespannt, was die Union selbst nach dieser Diskussion politisch will und erklärt. ({12}) Das würde mich schon interessieren. Der vorliegende Antrag hilft uns in der jetzigen Situation nicht weiter. Danke sehr. ({13})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat der Kollege Albert Schmidt das Wort.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines vorweg: Die Koalition hat es nicht nötig, über Finanzkonzepte im Verkehrswegebau ausgerechnet von denen belehrt zu werden, die über Jahre die Verkehrsinvestitionen zusammengestrichen bzw. gekürzt haben. ({0}) Ich kann es Ihnen als Einstieg nicht ersparen, einige Zahlen zu nennen: Die Investitionen im Straßenbau betrugen 1998 unter Waigel und Wissmann 8,5 Milliarden DM. Heute sind es 9,1 Milliarden DM und 2003, wenn das Anti-Stau-Programm greift, werden es 9,6 Milliarden DM sein. Das ist eine Steigerung um 1,1 Milliarden DM innerhalb von vier Jahren. ({1}) Wenn Sie das nur ein einziges Mal geschafft hätten, hätten Sie sich die Finger geleckt. Die Bahninvestitionen betrugen 1998, als wir die Regierung übernommen haben, nur noch 5,8 Milliarden DM. Heute sind es 8,8 Milliarden DM und im Jahr 2003, wenn das Anti-Stau-Programm greift, werden es 9,2 Milliarden DM, zusammen mit den Schieneninvestitionen nach dem GVFG sogar 9,7 Milliarden DM sein. Das heißt, wir haben innerhalb von drei Jahren die Schieneninvestitionen real um über 50 Prozent gesteigert. Davon konnten Sie nur träumen. ({2}) Wir haben mit dem Anti-Stau-Programm und mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm durchfinanzierte Infrastrukturprogramme aufgelegt, und dies - das ist der entscheidende Punkt - trotz Sparhaushalten, bei gleichzeitiger Steuersenkung und gleichzeitigem Schuldenabbau. Das ist der eigentliche qualitative Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik. ({3}) Dennoch steckt hinter Ihrem Antrag ein ernstes Anliegen; das will ich gar nicht in Abrede stellen. ({4}) - Verehrter Herr Kollege Oswald, ich habe Ihren Antrag mit Interesse gelesen und darin gesucht, was die Union nun eigentlich will. Ich habe sogar auf der Rückseite nachgeschaut. Auf der Rückseite stand es auch nicht. Sie referieren nur, was wir alle schon im Bericht der Pällmann-Kommission lesen konnten. Wo steht denn eigentlich, was Sie wollen? Worauf wollen Sie hinaus? Es ist doch billig, nur das abzuschreiben, was Pällmann viel besser dargelegt hat. Ein bisschen Oppositionsseriosität wünsche ich mir schon. ({5}) Der Kern Ihres Anliegens ist doch folgender - das müssen wir alle gemeinsam feststellen -: Erstens. Wir haben es mit erheblichen Investitionsrückständen, mit einem Investitionsnachholbedarf zu tun, und zwar insbesondere im Schienennetz. Ich glaube, das ist unstrittig. Zweitens gibt es unabweisbare Sparzwänge in allen öffentlichen Haushalten, von den kommunalen Haushalten bis zum Bundeshaushalt. Drittens haben wir zunehmend höhere Kosten für die bloße Instandhaltung von Verkehrswegen - das gilt gleichermaßen für Straße wie für Schiene -, Horst Friedrich ({6}) schon allein dadurch, dass wir große Verkehrsnetze haben und dass Kunstbauwerke wie Tunnel und Brücken allmählich in ein kritisches Alter kommen und sanierungsbedürftig werden. Das heißt, wir stehen vor der Situation, trotz der Verknappung öffentlicher Mittel den erhöhten Ansprüchen für die Unterhaltung von Verkehrswegen gerecht werden zu müssen. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesverkehrsminister der Pällmann-Kommission den Auftrag erteilt, einmal zu prüfen, inwieweit andere Finanzierungsmodelle geeignet sind, dieses Dilemma aufzulösen. Die Grundidee der Pällmann-Kommission ist doch, zumindest bei der Unterhaltung der Verkehrswege schrittweise von der Steuerfinanzierung auf eine Nutzerfinanzierung überzugehen. Dieser Kerngedanke ist richtig, ({7}) und zwar deshalb - dazu bekennen wir uns im Gegensatz zu Ihnen, Herr Oswald - weil es ein verursachergerechter Ansatz ist. Wir werden ab 2003 die LKW-Maut entfernungs- und gewichtsbezogen einführen, um die verursachergerechte Anlastung der Wegekosten im Verhältnis 1:1 umzusetzen. ({8}) Das ist auch deshalb notwendig, weil wir faktisch schon eine Schienenmaut haben; denn schon heute wird für jeden Güterzug Kilometer für Kilometer ein Trassenpreis bezahlt. Diese Schieflage müssen wir beseitigen. Zum Thema „LKW-Maut“ füge ich hinzu, dass wir Grünen davon ausgehen, dass in einem zweiten Schritt auch im nachgeordneten Straßennetz diese Gebührenpflicht bestehen muss; ({9}) denn wir wollen keine Verdrängung von der gebührenpflichtigen Autobahn auf die gebührenfreie Bundesstraße und Ortsdurchfahrt. Das kann letztlich nicht die Perspektive sein. ({10}) Nun zur PKW-Maut. Auch um dieses Thema drücken Sie sich herum, Herr Kollege Oswald. Was ist denn mit der PKW-Maut? Wiesheu sagt es heute so, Waigel sagte früher etwas anderes. Was sagt Oswald? ({11}) Die PKW-Maut ist nach Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen vom Prinzip her ein richtiger Ansatz; aber es gibt aus unserer Sicht eine Reihe ungeklärter, offener Fragen: Die technische Funktionsfähigkeit eines solchen Systems ist aus unserer Sicht nicht ausreichend erprobt. Es gibt auch noch Datenschutzprobleme. Ich jedenfalls möchte nicht, dass Bewegungsprofile eines gläsernen Autofahrers erstellt werden, die nachher missbräuchlich genutzt werden könnten. ({12}) Aber wenn irgendwann - nicht in nächster Zeit - eine Nutzerfinanzierung des Autobahnnetzes auch für PKW Platz greifen soll, dann geht das nach unserer Einschätzung nur unter zwei Bedingungen - beide Bedingungen hat übrigens auch die Pällmann-Kommission formuliert -: Erstens. Die Planungshoheit, also die Entscheidungsgewalt darüber, wer wo Straßen baut und welche Straßen vorrangig zu realisieren sind, muss ebenso wie das Eigentum in öffentlicher Hand bleiben. ({13}) - Da sind wir uns einig, wunderbar. - Das bedeutet, dass die Entscheidungsbefugnis über Aus- und Neubau von Straßen ebenso wie das Eigentum dauerhaft in öffentlicher Hand bleiben sollen. Zweitens. Die Gesamtbelastung für den Autofahrer darf sich unterm Strich nicht erhöhen. ({14}) Auch das hat die Pällmann-Kommission mit Recht festgehalten. Man müsste dann an anderer Stelle, etwa bei den Verkehrsteuern, nachgeben. ({15}) Es darf unterm Strich zu keiner Mehrbelastung für den PKW-Fahrer kommen. Das heißt, dass nach unserer Einschätzung das Zukunftsmodell ein Mischsystem aus öffentlicher Zuständigkeit und privater Refinanzierung in Bezug auf die Unterhaltung dieser Verkehrswege ist. ({16}) Dies setzt eine klare Aufgabenverteilung voraus: Eigentümer, Aufgabenträger ist die öffentliche Hand. Sie hat auch die Planungshoheit. Die Infrastrukturgesellschaften könnten hingegen Aufgabenmanager sein, die die Infrastruktur unterhalten, bewirtschaften und Maßnahmen umsetzen. Zu Ende gedacht, muss am Ende natürlich auch für die Schiene ein vergleichbares Modell kommen. ({17}) Es ist nicht notwendig, noch zusätzliche Gründe anzuführen. Natürlich ist auch bei der Bahn eine bilanzielle und unternehmerische Entflechtung von Netz und Betrieb in puncto diskriminierungsfreier Wettbewerb besser. ({18}) Natürlich ist es auch besser für die Bilanz eines Unternehmens, wenn die öffentliche Infrastruktur nicht brutal dem Diktat der Eigenwirtschaftlichkeit unterworfen wird, was wir heute bei der Schiene faktisch tun, bei der Straße Albert Schmidt ({19}) aber nicht. Das kann nicht aufgehen. Diese Asymmetrie muss über kurz oder lang beseitigt werden. Ich freue mich auf eine qualifizierte und lebhafte Beratung der, wie ich finde, nicht nur höchst interessanten, sondern wegweisenden Vorschläge der Pällmann-Kommission. Wir sollten dieses Gutachten nicht in den Papierkorb werfen, sonst müssen wir es eines Tages mit den Zähnen wieder herausholen. Ich danke Ihnen. ({20})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Winfried Wolf.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Werte Präsidentin! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Ich glaube, man kann sagen, dass wir momentan einen Wettstreit darüber erleben, wie weiße Salbe in den parlamentarischen Betrieb eingebracht werden kann. Wir haben dies gestern Abend beim Thema Euro-Führerschein erlebt und erleben es heute bei dem Antrag für ein „Konzept für die zukünftige Finanzierung der Bundesverkehrswege“. Hier wird referiert, was die Pällmann-Kommission sagte. Wir werden aufgefordert, das zu tun, was sie sagt, was im Prinzip auch die Bundesregierung sagt, tun zu wollen. Wir können hier eine Art pikfeine Volksfront erreichen nach dem Motto: Alle sind einverstanden, aber nichts passiert. ({0}) Ich glaube, dass wir tiefer ansetzen müssen, und zwar bei der Geschichte, bei den realen Kosten und bei dem Thema „Markt und Plan“. Erstens zur Geschichte. Ich glaube, dass die einzelnen Verkehrsträger extrem ungleiche Ausgangsbedingungen haben. Die Eisenbahn hat zunächst 130 Jahre lang Gewinne gemacht. Verkehrswege und Betrieb waren dabei immer vereint und die Gewinne wurden abgeschöpft. In den letzten 40 Jahren hat die Bahn Verluste gemacht, wohingegen die anderen Verkehrsträger stark subventioniert wurden. Umgekehrt waren Straßen, Wasserwege und Flughäfen immer staatlich. Über 100 Jahre lang wurde dort immer hineingebuttert. Jetzt sind sie vielleicht unter ganz bestimmten Bedingungen gewinnbringend. Diese Unterschiede wären anzurechnen. Zweitens zu den realen Kosten. CDU/CSU und die Pällmann-Kommission sagen, dass man auf eine Nutzerfinanzierung und auf das Verursacherprinzip umstellen soll. Die Frage ist nur, was dabei mit einbezogen wird. Dazu ein Zitat: Als Faustregel für den Straßenfraß durch LKW gilt das Gesetz der vierten Potenz. Danach zerstört ein einziger LKW mit 40 Tonnen und zehn Rädern so viel Straßenbelag wie 163 840 vierrädrige Mittelklassewagen von je 1 Tonne Gewicht. Cambridge University, 1990. - Ist dies sowie die Frage der Umweltzerstörung durch Flugverkehr konkret eingerechnet? Sind die 2 Milliarden DM an Steuersubventionen für den A 380 eingerechnet? ({1}) Drittens: Markt und Plan. Pällmann und die CDU/CSU sind der Auffassung, dass die Verkehrswege aus der Bundesverwaltung generell ausgegliedert werden und sich selbst finanzieren sollten. Das klingt gut. Die PDS ist grundsätzlich dafür. Aber: Soll dies ohne jede Vorgabe, ohne jede Planung und ohne jegliche Priorität stattfinden? Dabei frage ich mich: Was bedeutet das zum Beispiel in Bezug auf die Wasserwege? Der Rhein-MainDonau-Kanal - Ihre wunderschöne Landschaft in Bayern, Herr Kollege Oswald - läuft sozusagen aus, wenn Sie ihn an die Börse bringen. Sie sagen, die Verkehrswege sollen sich selbst finanzieren. Aber wenn 95 Prozent des RheinMain-Donau-Kanals subventioniert werden, dann wissen wir, dass nur 5 Prozent durch den Verkehr gedeckt werden. Wollen wir das? Im Interesse der Freunde der Binnenschifffahrt im Parlament sage ich: Trotz dieser Kosten soll die Binnenschifffahrt insgesamt erhalten bleiben, weil sie zum größten Teil umweltfreundlich ist. Zum Schluss: Sozialismus, ja oder nein? Ein bisschen Planung muss sein, bei Verkehrswegen sogar sehr viel Planung. Dies muss, Kollege Oswald, aus Verantwortung gegenüber folgenden Generationen, aus umweltpolitischer Sicht und für die Grundvorsorge geschehen. Ich bin für schwarzen Sozialismus, wie uns vorgestern der Tenor aus Bayreuth, der Kollege Friedrich, mit Blick auf den Interregio-Antrag von Bayern und Baden-Württemberg gesagt hat. Es kann sinnvoll sein, schwarzen Sozialismus anzuwenden, wenn „schwarz“ „konservativ“ meint, und zwar im ursprünglichen Sinne von „conservare“, naturerhaltend, und damit eine lebenswerte Umwelt erhaltend. Danke schön. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dirk Fischer.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der deutsche Autofahrer steht im Stau. Der Bahnkunde wartet viel zu oft auf unpünktliche Züge. Tiefe Schlaglöcher und ein marodes Schienennetz bergen erhebliche Sicherheitsrisiken. ({0}) Im Luftverkehr werden die Kapazitäten knapp. Auf Deutschlands Rollfeldern droht der Kollaps. Auch der desolate Zustand unserer Kanäle, insbesondere in den neuen Bundesländern, ist besorgniserregend. ({1}) Albert Schmidt ({2}) Die Koalition versucht, statt als Regierung zu handeln, mit der Vergangenheit zu argumentieren und uns Vorwürfe zu machen. ({3}) Das ist völlig unbegründet, weil Sie, gemessen am Haushalt 1998 und der mittelfristigen Finanzplanung des Finanzministers Waigel und des Verkehrsministers Wissmann, die Investitionen 1999 massiv - auch mittelfristig - zurückgefahren haben. ({4}) Nachdem Sie die Mittel für den Straßenbau bei der mittelfristigen Finanzplanung um 5 Milliarden gekürzt haben, versuchen Sie jetzt den Trick, durch eine kleine Erhöhung prozentuale Zuwächse zu suggerieren, die es gar nicht gibt. Das Niveau ist gegenüber 1998 dramatisch abgefallen. ({5}) Herr Schmidt, ich habe Ihnen das Zahlenwerk schon drei- oder viermal vorgetragen. ({6}) Ich habe keine Lust, dies am Freitagmorgen ein weiteres Mal zu tun, um das, was ich eben gesagt habe, zu belegen. Das Niveau der Investitionen ist gesunken. Deswegen hat das Infrastruktursystem in Deutschland mit der jetzigen, rot-grünen Koalition qualitativ einen deutlichen Abstieg erfahren. Das muss man zur Kenntnis nehmen. ({7}) Wenn Sie, Herr Schmidt, zu verantwortlichem Handeln unfähig sind, dann bedeutet dies in einer Demokratie: Wenn ich meine Aufgabe nicht richtig erfüllen kann, gebe ich das Mandat an den Wähler zurück. In dem Fall müssen dann andere her, die es besser machen. ({8}) Die Schwachstellen sind vielfältig. Die Behandlung dieser Probleme aber ist für unser Land und für Europa richtungsweisend. Deutschland und Europa brauchen eine leistungsfähige Infrastruktur; ({9}) denn nur gut ausgebaute Verkehrswege, die eine gut vernetzte, zuverlässige und kostengünstige Mobilität von Personen und Gütern ermöglichen, stärken den Standort im internationalen Wettbewerb. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind Investitionen in die Wirtschaft mit positiven Impulsen für den Arbeitsmarkt; denn wir wissen, dass jeder fünfte Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Verkehrswirtschaft in unserem Lande abhängig ist. ({10}) Diese Bundesregierung stochert aber völlig orientierungslos im Nebel herum. ({11}) Der Beitrag vom Kollegen Schmidt hat dies deutlich gemacht. ({12}) Er hat nichts zur Zukunft, zu Konzeptionen, Entscheidungen oder Tatsachen gesagt, ({13}) sondern er hat im Grunde genommen eine wüste Anklagerede gehalten. Aber eine Regierungskonzeption war in keinem Satz Ihrer Ausführungen erkennbar. ({14}) Herr Schmidt, statt ein schlüssiges Konzept zur Finanzierung der Bundesverkehrswege vorzulegen, verstrickt sich diese Bundesregierung in immer neuen Ankündigungen und Programmen, ({15}) bei denen immerhin ein roter Faden zu erkennen ist: Nur einmal vorhandene Mittel werden Land und Leuten in immer veränderter Verpackung und Benennung als neue Investitionen verkauft. ({16}) Das bedeutet, dass das gleiche Geld das eine Mal so und das andere Mal so zusammengepackt und mit anderen Überschriften versehen wird, ({17}) um den Leuten weiszumachen, es käme insgesamt mehr Geld. Es kommt aber nicht mehr Geld und das ist das Traurige an dieser Strategie. ({18}) Ihre Strategie setzt nicht auf Sachleistung, sondern auf Propaganda. ({19}) Dirk Fischer ({20}) Deswegen ist diese Regierung Schröder nur dabei, ihre verantwortungslosen Kürzungen bei den Investitionen geschickt zu verschleiern. Aber eine solche Politik richtet sich selbst. ({21}) Es ist Deutschland und Europa eigentlich nur zu wünschen, dass dieses sehr bald geschieht, damit wir im Niveau nicht immer weiter zurückfallen. Denn hinterher wird der Aufholprozess für die künftig Verantwortlichen umso schwieriger zu bewältigen sein. ({22}) Wann begreift Rot-Grün, dass nur nachhaltige Lösungen dem Problem Rechnung tragen können? ({23}) Wir fordern die Bundesregierung auf, den Bundesverkehrswegeplan zügig zu überarbeiten - das steht doch auch in der Koalitionsvereinbarung - und die Fortschreibung mit den entsprechenden Gesetzesänderungen für den notwendigen Ausbau von Straße und Schiene uns jetzt endlich auf den Tisch zu legen. Die bisherigen gesetzlichen Grundlagen sind im Jahre 2000 ausgelaufen; entgegen dem gesetzlichen Auftrag schreibt diese Regierung das nicht fort und legt dem Parlament das nicht pünktlich vor. Das ist ein übles, gesetzwidriges Verhalten dieser Bundesregierung. ({24}) Der Gesetzgeber muss noch in dieser Wahlperiode Gelegenheit haben, den Menschen im Lande im Hinblick auf die Wahl 2002 deutlich zu sagen, was Sache ist. Sie wollen sich aber daran vorbeimogeln. ({25}) Nach dem Motto „Immer davon reden, nie daran denken!“ wollen Sie die Fantasie der Leute beflügeln, legen dem Parlament aber nichts vor, sodass der Wähler auch keine demokratische Kontrolle ausüben kann. Das ist Ihr Umgang mit den wahlberechtigten Bürgern. ({26}) Meine Damen und Herren, Sie müssen das frühzeitig tun. Das Parlament braucht für die Behandlung von etwa 7 500 Einzelprojekten eine ausreichende Beratungszeit, die nach früheren Erfahrungen mehrere Monate beträgt. Die Länder brauchen Klarheit für ihre Projekte im Bundesfernstraßenbau. Die Bahn braucht einen gesicherten Planungsrahmen, ({27}) und zwar etwa bis 2015. Der Luftverkehr muss in den Bundesverkehrswegeplan einbezogen werden, um die Kapazitäten der dynamischen Entwicklung am Luftverkehrsmarkt besser anpassen zu können. Wir haben im Bereich des Luftverkehrs in den nächsten 10 bis 15 Jahren ein prognostiziertes Wachstum von etwa 5 bis 6 Prozent jährlich. Das ist eine gewaltige Steigerung und damit eine Herausforderung. ({28}) Auch für die Binnenschifffahrt ist eine aktuelle objektive Bedarfsermittlung wichtig, um Strukturengpässe in diesem Sektor beseitigen und den Gütertransport von anderen Verkehrsträgern auf die Wasserstraße verlagern zu können. Unser Verkehrssystem muss für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts ertüchtigt werden. Ohne eine zielführende Engpassbeseitigung zu Lande, zu Wasser und in der Luft sind künftige Verkehrszuwächse unbeherrschbar. Die Verweigerung zukunftsorientierter Investitionen behindert das Wirtschaftswachstum und vernichtet Arbeitsplätze. Der Wohlstand der Menschen wird gefährdet. Der ökonomisch und ökologisch ausgewogene Neu- und Ausbau der Bundesfernstraßen ist dringend geboten. ({29}) In der Zukunft ist die Mineralölsteuer teilweise, die elektronische, nutzungsabhängige LKW-Maut vollständig zweckgebunden für den Straßenbau aufzuwenden. Die Leistungsfähigkeit der Schienenwege sichern heißt in Wahrheit, Personennah-, Personenfern- und Güterverkehr zumindest in den Ballungsräumen und auf hoch belasteten Strecken zu entmischen. Das sind Investitionen, die getätigt werden müssen. ({30}) Die Wachstumsbranche Luftverkehr verlangt zu Recht, die Qualität deutscher Flughäfen den internationalen Erfordernissen zeitnah anzupassen und Kapazitätsengpässe abzubauen. Die Experten sagen, dass wir in den nächsten zehn Jahren in Deutschland vier interkontfähige Startund Landebahnen brauchen, um dem Wachstum im Luftverkehr entsprechen und gerecht werden zu können. ({31}) Damit die Binnenschifffahrt mehr als nur eine Ergänzungsfunktion erfüllen kann, müssen das bestehende Wasserstraßennetz saniert und die Ost-West-Verbindung sowie die Binnenhäfen ausgebaut werden. Zur Bewältigung dieser finanziellen Herausforderungen, die man sich einmal verdeutlichen muss, sind die konkreten Empfehlungen der Pällmann-Kommission eine solide und hilfreiche Beratungsgrundlage. Wir werden das in der nächsten Woche anpacken und die Regierung zwingen, Ross und Reiter zu nennen, sich zu den Dirk Fischer ({32}) Notwendigkeiten zu bekennen und nicht nur mit solchen Berichten zu spielen. Sie sollte sie nutzen und ihre Erkenntnisse sinnvoll umsetzen. ({33}) Die speziellen Lösungskonzepte der Kommission für die Bundesfernstraßen, die Bundesschienenwege und die Bundeswasserstraßen entsprechen in vielen grundsätzlichen Punkten unseren Überzeugungen und unseren früheren Forderungen. Dies betrifft zum Beispiel die Gründung von Finanzierungs- und Managementgesellschaften für die Verkehrswege. Die Ausgliederung der DB Netz AG aus der DB Holding AG - Kollege Horst Friedrich hat dies in einem Zwischenruf angesprochen - bedeutet eine Verselbstständigung des Netzes und die Überführung in staatliche Verantwortung. Das ist eine Voraussetzung für einen ungehinderten Wettbewerb im Schienenverkehr. Ich will an dieser Stelle sagen: Wenn der Wechsel von Herrn Vogel zu Herrn Frenzel im Vorsitz des Aufsichtsrates der DB AG die Absage der DB AG und des Bundesministers Bodewig - entgegen seinem Bekenntnis im Plenum - an eine Trennung von Netz und Betrieb bedeutet, dann werden Sie mit Ihrer Schienenverkehrspolitik nachhaltig scheitern. ({34}) Ich sage Ihnen voraus: Es wird in der Zukunft keine Börsenfähigkeit der DB Holding AG, zu der noch die Netz AG gehört, geben. Dies wird nach meiner Überzeugung völlig unmöglich sein. ({35}) Die Erhebung streckenbezogener und belastungsabhängiger Gebühren für den LKW-Verkehr und die erweiterte Privatfinanzierung sind ergebnisorientierte Ansätze und als solche zu begrüßen. Wir fordern die Bundesregierung mit unserem Antrag auf, umgehend auf der Grundlage des Berichtes der Pällmann-Kommission ein brauchbares langfristiges Konzept für die Finanzierung der Bundesverkehrswege vorzulegen. Die Tatsache, dass Bundesverkehrsminister Bodewig nicht da ist, obwohl es seiner Pflicht als Bundestagsabgeordneter und Fachminister entsprechen würde, ist nach unserer Auffassung ein Beweis dafür, dass er mit dem Thema und mit dem Parlament ausgesprochen desinteressiert und lax umgeht. Wir werden das als Opposition bei jeder sich bietenden Gelegenheit nachhaltig kritisieren. So behandelt man das Parlament nicht. ({36}) Ihre Zustimmung zu unserem Antrag wäre ein Bekenntnis zu einem qualifizierten und qualitativ hochwertigen Verkehrssystem, und damit zu wirtschaftlichem Wachstum und dauerhaftem Wohlstand in Deutschland und Europa. ({37}) Deshalb müssen Sie zustimmen. ({38})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt erhält der Abgeordnete Klaus Hasenfratz das Wort.

Klaus Hasenfratz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000822, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, wie man in einer solchen Lautstärke so viel Unsinn erzählen kann. Dazu gehört sicherlich viel Mut. ({0}) Ich möchte eines deutlich machen, um einer Legendenbildung vorzubeugen: Sie sagen, wir hätten den Verkehrshaushalt heruntergefahren. Ich nehme einfach mal die alte Gleichung Ihres ehemaligen Bundesministers Dr. Norbert Blüm, der gefragt hat: Sind 8,7 Milliarden DM für die Schiene mehr als 6 Milliarden DM? Man braucht nicht lange nachzurechnen. Sie haben den Schienenhaushalt in Ihrer Zeit auf knapp 6 Milliarden DM heruntergefahren. ({1}) Wir fahren ihn jetzt kontinuierlich Jahr für Jahr auf insgesamt 8,7 Milliarden DM hoch. Ich weiß nicht, wo Sie in diesem Konzept Luftbuchungen festgestellt haben wollen. ({2}) Sie müssen einmal die Konzepte lesen und sich die Planungen vergegenwärtigen. Wir fahren den Straßenhaushalt auf den höchsten Stand der letzten zehn Jahre hoch. Davon konnten Sie doch nur träumen. Wir haben mit dem Anti-Stau-Programm ein Konzept vorgelegt, das Planungssicherheit gibt. Wir haben daneben das Investitionsprogramm und das ZIP vorgelegt. Ich weiß nicht, warum Sie diese Konzepte nicht lesen. ({3}) Sie stellen sich hin und spucken Rotz und Galle, ohne überhaupt - wie Sie das im Ausschuss immer ankündigen - eine Vorlage zu haben. Ich weiß nicht, woher Sie den Mut dazu nehmen. Das nimmt Ihnen doch kein Mensch mehr ab. ({4}) Sie haben während Ihrer Regierungszeit Luftbuchungen in den Bundesverkehrswegeplan eingestellt. ({5}) Jeder Sachverständige wird Ihnen dokumentarisch belegen können, dass der Bundesverkehrswegeplan - - Aber Dirk Fischer ({6}) ich kenne ja Ihre Antwort schon: Der Bundesverkehrswegeplan ist kein Investitionsplan. ({7}) Aber in Ihrer Planung fehlten 80 Milliarden bis 120 Milliarden DM, um die entsprechenden Projekte zu finanzieren. ({8}) Wenn jemand angesichts dieser Planung von Seriosität, Planungssicherheit und Zukunftssicherheit spricht, dann weiß ich nicht, auf welchem Stern der lebt. ({9}) Herr Fischer, wir haben ein Programm vorgelegt, das der Bauwirtschaft, insbesondere der Straßenbauwirtschaft, den Ländern und den Kommunen für die Zukunft Planungssicherheit auf sehr hohem Niveau gibt. Davon können Sie nur träumen. Sie werden sich noch wundern, welche Investitionen die Bundesregierung für die Verkehrswege noch möglich machen wird. ({10})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/5317 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer Brüderle, Marita Sehn, Ina Albowitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. Steuerrecht vereinfachen - Schaumweinsteuer abschaffen - Drucksache 14/5337 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({0}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuss für Tourismus Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die F.D.P. fünf Minuten erhalten soll. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als Erste hat die Abgeordnete Marita Sehn das Wort.

Marita Sehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002146, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die marinen Großmachtsträume sind ausgeträumt. Die preußische Monarchie gibt es nicht mehr. Nur die Sektsteuer hat überlebt. Diese Steuer ist für uns ein Musterbeispiel für die Überlebensfähigkeit von Steuern. Unterstellt man einmal der Bundesregierung, dass sie keine Flottenpolitik mehr betreiben möchte, dann fragt sich doch jeder: Warum gibt es diese Steuer noch? Haben Sie eine Antwort darauf? ({0}) Ich finde es sehr interessant, dass eine Regierung, die sich mit dem Pazifismus schmückt, bei ihrer Mittelbeschaffung gerne auf die Relikte des preußischen Militarismus zurückgreift. Aber wie heißt es doch so schön: Zuerst kommt das Fressen und dann die Moral! ({1}) Was, bitte schön, bezwecken Sie mit der Sektsteuer? Wollen Sie die Leute vom Sektkonsum abhalten, oder was? - Ich denke, wir alle kennen die Antwort. Wir haben die Sektsteuer, ({2}) - Herr Herzog, weil es sie nun einmal gibt und weil sie so einen schönen, stetigen Finanzfluss in die chronisch klammen Kassen von Herrn Eichel bewirkt. Rund 1 Milliarde DM, Herr Herzog, sind ja auch alles andere als ein Pappenstiel. Darüber sind wir uns einig. Aber reicht dies denn wirklich, um die Existenz dieser Steuer zu rechtfertigen? Die Antwort der F.D.P. lautet: Nein! Der Staat sollte den Mut haben, eine Steuer, die sich historisch überlebt hat und keinerlei Lenkungsfunktion mehr erfüllt, abzuschaffen. ({3}) Die F.D.P. hat diese Entwicklung schon immer kritisch beobachtet: Da werden Steuern eingeführt und später, wenn sie sich historisch längst überlebt haben, beibehalten. Man braucht ja schließlich das Geld. Der Solidaritätsbeitrag droht in diesem Sinne zur Sektsteuer der Zukunft zu werden. Warum auch abschaffen, wo der Rubel doch so schön rollt? Aber darf ein demokratischer Staat auf solche fragwürdigen Finanzierungstricks zurückgreifen? Die F.D.P. hat schon frühzeitig eine kritische Diskussion über den Sinn des Solidaritätsbeitrags gefordert. Wir werden auch in Zukunft genauestens darauf achten, dass Steuern und Abgaben nur dort erhoben werden, wo es auch Sinn macht. ({4}) Die Bundesregierung rühmt sich ihrer Steuerreform als großen Schritt. Aber warum hat sie denn nicht mit den ganzen steuerpolitischen Anachronismen aufgeräumt? Eine Steuerreform, die diesen Namen wirklich verdient, hätte mit diesen Relikten aus der Zeit deutscher Großmachtsträume aufgeräumt. Die F.D.P. hat sich schon immer für eine Vereinfachung unseres Steuersystems eingesetzt. Es geht uns bei unserem Antrag auf Abschaffung der Sektsteuer deshalb nicht nur darum, eine überflüssige Steuer zu beseitigen. Es geht uns um mehr: Wir Liberalen sind für Steuerehrlichkeit und für steuerliche Transparenz. Nur ein transparentes und einfaches Steuersystem wird als gerecht empfunden. Die Abschaffung einer Steuerart wie der Sektsteuer ist dazu ein - wenn auch kleiner - Beitrag. ({5}) Der Staat muss viele Aufgaben übernehmen. Dafür braucht er entsprechende Finanzmittel. Diese muss er sich beschaffen. Aber die Beschaffung der Finanzmittel muss für die Bürger nachvollziehbar sein. Der Staat darf sich der Kontrolle durch die Bürger nicht entziehen. Eine Finanzbeschaffung nach dem Motto „Ein bisschen hier, ein bisschen dort und hoffentlich merkt es keiner“ ist demokratiefeindlich und unwürdig. Mit welchem Recht fordert der Finanzminister eine Steuermoral bei unseren Bürgerinnen und Bürgern ein, wenn er sich gleichzeitig gegen den Blick in seine Kassenbücher wehrt? Machen wir uns nichts vor: Steuern werden immer als lästig empfunden. Umso wichtiger ist es deshalb, dass der Bürger auch weiß, wofür er an welcher Stelle Steuern bezahlen muss. Die Abschaffung der Sektsteuer wäre immerhin ein erstes Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass der Staat auch seine Finanzierung kritisch hinterfragt und bereit ist, auf steuerliche Anachronismen zu verzichten. Wir Liberalen fordern, dass alle Steuern und Abgaben regelmäßig auf den Prüfstand müssen; denn nur ein offener und ehrlicher Staat darf auch von seinen Bürgern Ehrlichkeit und Offenheit erwarten. Danke. ({6})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Schild.

Horst Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002775, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dieser Gelegenheit hätte sich vielleicht auch ein Gläschen Schaumwein angeboten. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die Zeiten sind vorbei, Herr Abgeordneter.

Horst Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002775, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Karnevalszeit ist leider vorbei, Kollege Seiffert. Aber ich habe schon den Eindruck, dass wir das Thema nicht losgelöst vom Landtagswahlkampf in Rheinland-Pfalz behandeln können. ({0}) Die F.D.P. hat festgestellt, dass es die kaiserliche Flotte nicht mehr gibt. ({1}) Dafür haben Sie lange gebraucht; denn es gibt sie bekanntlich schon seit einigen Jahren nicht mehr. Wenn Sie dieses Thema für so bedeutsam halten, hätte es sich sicherlich angeboten, dass Sie über dieses Thema bereits während der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung einmal ernsthaft nachgedacht hätten. Stattdessen haben Sie auf die Oppositionszeit gewartet, um all das zu fordern, wozu Sie in der Regierungsverantwortung nicht bereit waren. ({2}) - Sie hören das nicht gerne. Aber es stellt sich doch für jeden Betrachter die Frage, wieso man, wenn die Abschaffung der kaiserlichen Marine der Grund dafür ist, dass man heute die Abschaffung der Schaumweinsteuer für geboten hält, nicht eher auf den Trichter kam. ({3}) Was im Übrigen die Historie von Steuern anlangt, so gibt es ja dieses Bändchen „Unsere Steuern“, das Theo Waigel wohl letztmalig herausgegeben hat. Das ist eine interessante Quelle. Er hat nämlich verheimlicht, dass es da einen Zusammenhang gibt. Er hat schlichtweg gesagt, das sei 1902 als Banderolensteuer eingeführt worden. Vielleicht haben Sie deswegen nicht wahrgenommen, dass das etwas mit der kaiserlichen Marine zu tun hat. Wie gesagt, die närrische Zeit ist vorbei. Der Antrag hätte besser in diese Zeit gepasst. ({4}) Aber vielleicht haben Sie dabei auch den heimlichen Ganzjahreskarnevalisten im Auge. Ich stelle mir vor, Sie hätten das in Ihrer Regierungszeit gemacht - das wäre auch viel amüsanter gewesen und der damalige Kollege Kleinert hätte die Chance gehabt, diesen Antrag vor dem Hohen Hause zu begründen. ({5}) Ich denke, da hätten wir alle an diesem Antrag auf Abschaffung der Schaumweinsteuer großen Spaß gehabt. Aber auf eines hätte der Kollege Kleinert sicherlich auch großen Wert gelegt, nämlich dass diese Forderung dann auch mit der Forderung nach Abschaffung der Biersteuer verbunden worden wäre. Diese Konsequenz geht Ihrem Antrag ab. Nur Sekttrinker zu fördern ist natürlich eine grobe Missachtung und Diskriminierung der Biertrinker in diesem Lande. ({6}) - Marita Sehn [F.D.P.]: Sie ha- ben nicht verstanden, um was es uns wirklich geht!) - Doch, das haben wir schon verstanden. Deswegen stelle ich mich ungefähr auf das ein, was ernsthafterweise dahinter steckt. Vor einer Abschaffung der Biersteuer schrecken Sie möglicherweise deshalb zurück, weil sich bereits im 15. Jahrhundert - auch das ist der Broschüre „Unsere Steuern“ zu entnehmen - die Landesfürsten der Biersteuer bemächtigt haben. Landesfürsten gibt es bekanntlich heute noch. Man könnte auch überlegen, ob vielleicht auch ein tieferer gesundheitspolitischer Gesichtspunkt dahinter steht. ({7}) - Ich sage nur einmal eines: Wo sind denn eigentlich die Finanzpolitiker Ihrer Fraktion? Ich habe sie bei den in Ihrem Antrag aufgeführten Namen vermisst. ({8}) - Das war ein anderer Abgeordneter, der diesem Hause mittlerweile nicht mehr angehört. Der Hintergrund dieses Antrags könnte gesundheitspolitischer Art sein; Sie kennen vielleicht den so genannten Snobeffekt. Wenn man diesen Effekt zugrunde legen würde, dann würde das bedeuten, dass die Senkung der Sektpreise dazu führt, dass der Sektverbrauch zurückgeht. ({9}) Die Abschaffung der Schaumweinsteuer wäre dann in der Tat ein Akt, sich um die Volksgesundheit verdient zu machen. Um noch ein bisschen ernster zu werden: ({10}) Der Kollege Thiele - er ist im Moment nicht anwesend; er hat den Antrag auch nicht unterschrieben ({11}) - ja, Sie kennen ihn, Herr Seiffert - hat in der letzten Sitzung des Finanzausschusses die Konsolidierung des Bundeshaushaltes durch die Politik des Bundesministers Eichel begrüßt. Wenn das die Auffassung Ihrer Fraktion ist, dann hätten Sie in den Antrag vielleicht einmal ein paar Worte zur Gegenfinanzierung hineinschreiben können. Es geht um Steuerausfälle durch die Abschaffung der Schaumweinsteuer. Würde man auch die Biersteuer abschaffen, dann käme es zu Ausfällen bei der Umsatzsteuer. Sie sollten sich in Ihrer Hoffnung nicht entmutigen lassen, eines Tages wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen. Sie werden feststellen, dass wir zwar keine kaiserliche Marine mehr haben, ({12}) wohl aber eine Bundesmarine, deren chronische Unterfinanzierung Sie in den letzten Tagen vehement beklagt haben. Danke schön. ({13})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat der Abgeordnete Norbert Schindler zehneinhalb Minuten Gelegenheit, zu diesem Thema zu sprechen.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Besuchertribüne dieses Plenarsaals! Die Sektsteuer - ein Relikt von 1902 - gehört abgeschafft. Das muss man einfach nüchtern feststellen. Frau Staatssekretärin Hendricks kann bestätigen, dass ich mich in Briefen vom Mai 1999 und vom Mai 2000 vehement dafür eingesetzt habe, dieses Relikt endlich aus der Steuergesetzgebung zu entfernen. Ein erster Schritt, Steuervereinfachungen vorzunehmen, war, dass die alte Koalition 1992/1993 die Abschaffung der Zuckersteuer, der Teesteuer, der Leuchtmittelsteuer - Lichtsteuer, Fensterbeleuchtung und alles, was damit zusammenhing - und der berühmten alten Salzsteuer auf den Weg gebracht hat. ({0}) Deswegen ist diese Idee der F.D.P. nicht neu. Die SPD hätte diese Idee vielleicht gerne vorgetragen, auch wenn sie sie aus den verschiedensten Gründen zurückweisen wird. Bestimmte Genussmittel wie Sekt sind heute kein Luxusartikel mehr, wie der Kaiser und das Parlament damals meinten; vielmehr sind sie allgemeine Gebrauchsgüter geworden. Nebenbei gesagt - das sagen auch die Ärzte -: Sekt dient, in Maßen genossen, eindeutig der Gesundheit. ({1}) Auch das muss man heute einmal feststellen. Bei einer Abschaffung der Schaumweinsteuer hätten wir, so lautet die Schätzung, in diesem Jahr Steuerausfälle in Höhe von 700 Millionen DM zu verzeichnen. Im Jahre 1998 hätten die Steuerausfälle bei rund 1 Milliarde DM gelegen. Frau Staatssekretärin Hendricks - Sie werden später darauf eingehen -, ich könnte den Brief vorlesen, den Sie mir in dieser Sache vor einem Jahr geschrieben haben. Die Höhe der UMTS-Erlöse liegt bei 99 Milliarden DM. Im Zuge der europäischen Steuergleichstellung hat man in Deutschland neue Sondersteuerarten eingeführt. Die Sektsteuer ist in Deutschland eine Sondersteuer. In einer EU-Vorschrift wird ausdrücklich festgelegt, dass Weinund Alkoholsteuern abzuschaffen sind. Von daher haben wir innerhalb der Europäischen Union die Möglichkeit, dies zu tun. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Steuersätze in den Staaten der Europäischen Union bedeutet die Ökosteuer eine zusätzliche Belastung für die deutsche Landwirtschaft. ({2}) Das ist nicht gut. Deswegen soll man wenigstens hier den Versuch unternehmen, eine Steuerangleichung auf europäischem Niveau vorzunehmen. Die Belastung pro Liter Sekt inklusive Mehrwertsteuer beträgt - das geht in der Regel unter - 2,60 DM. Damit liegen wir europaweit an der Spitze. Man muss einmal kundtun, wie hoch die Verbraucher durch eine Sondersteuer belastet werden, die mit dazu dient, den Staatshaushalt zu finanzieren. Die Steuererhebung läuft folgendermaßen ab: Die Winzer, auch die in Rheinland-Pfalz, und alle anderen in der Sektwirtschaft Tätigen sind dann, wenn der Sekt das Steuerlager verlässt, zur Steuerzahlung verpflichtet. Sie müssen also in Vorleistung für ein Produkt treten, für das vielleicht erst zwei oder drei Jahre später ein Verkaufserlös erzielt wird. So lange kann die Refinanzierung dauern. Der Wettbewerb gegenüber Prosecco und Perlweinen ist dadurch deutlich verzerrt. Man kann feststellen, dass die Einnahmen aus der Sektsteuer Jahr für Jahr kontinuierlich zurückgehen, weil man auf ähnliche Produkte des europäischen Binnenmarktes ausweicht. Diese Tatsache macht mir Sorge. Bleiben wir in Deutschland stur bei der hohen steuerlichen Hürde, werden wir vielleicht, ob wir das wollen oder nicht, die Sektsteuer quasi selbst abschaffen. Die Frage der Abschaffung der Sektsteuer sollte man sowohl vor dem Hintergrund des Ziels der Steuervereinfachung und der Tatsache der zurückgehenden Steuereinnahmen als auch vor dem Hintergrund des europaweiten Wettbewerbs sehen. ({3}) Jeder versucht ja, seinen Weg zu gehen. Die Italiener machen uns vor, wie es erfolgreich geht; auch die deutsche Weinwirtschaft hat davon einiges übernommen. Im Vergleich stehen Rheinland-Pfalz, Bayern und BadenWürttemberg ja nicht schlecht da. Gerade vor diesem Hintergrund sollten wir nicht stur an einer veralteten Regelung festhalten, sondern sie beseitigen. Ich möchte aber auch, Kollegin Sehn, ein ernstes Wort an unsere F.D.P. richten. ({4}) - Natürlich, wir haben ja momentan Wahlkampf in Rheinland-Pfalz. Da ich aus Rheinland-Pfalz komme, sage ich das ganz bewusst. Ich hätte mir gewünscht, dass die Initiative der F.D.P., mit der meine Partei und auch ich schon seit Jahren übereinstimmen, auch von einer Bundesratsinitiative, die unsere sozial-liberal geführte Regierung in Mainz auf den Weg hätte bringen müssen, begleitet worden wäre. ({5}) Das jetzige Verhalten erinnert mich schon ein wenig an den Begriff der Doppelzüngigkeit, den wir ja alle von Karl Mays Winnetou kennen: Hier wird mit gespaltener Zunge gesprochen. ({6}) Dies sage ich mit vollem Ernst. Wir können dieses Thema bei der Beratung des Antrages heute zwar publizistisch besetzen, um es aber auf Dauer mit Inhalten zu erfüllen, wäre es schon sehr hilfreich, wenn auch Rheinland-Pfalz Flagge zeigte. ({7}) Ich fordere unsere Regierung in Mainz auf, dieses vor der Wahl zu tun und nicht erst nach dem 25. März gemäß dem Motto: Wir gehen dann wieder zur normalen Tagesordnung über. Meine Damen und Herren, die Steuerungerechtigkeiten in diesem Land - das wurde auch in der Aktuellen Stunde vorgestern in Bezug auf die Ökosteuer noch einmal angesprochen - sind symptomatisch für den Umgang des Staates mit seinen Bürgern: Bestimmte Klientelen werden abgestraft, seien es die Kraftfahrzeugindustrie oder die Bauwirtschaft, die ja auch von der Ökosteuer bei ihren Transporten betroffen ist, sei es die deutsche Landwirtschaft, die vor dem Problem steht, wie mit den Folgekosten von BSE umgegangen wird. 2 Milliarden DM werden hierfür benötigt. Gestern stritt man sich über die Finanzierung, kam zu keinem Ergebnis und vertagte sich auf Ende April. Weiterhin frage ich: Wie geht es mit der deutschen Fleischwirtschaft weiter, welche Zukunft haben die Schlachthöfe, auch die in Rheinland-Pfalz? Was Sie machen, kann man nicht als verantwortungsvolle Politik bezeichnen. Ich bin tief enttäuscht über die Äußerungen des Bundesfinanzministers, der vor zwei Tagen im Finanzausschuss auf meine Frage, wie denn die Kosten zugeordnet werden sollen, locker vom Hocker und schnoddrig antwortete: Das geht uns eigentlich nichts an; was die Länder vorgelegt haben, akzeptiere ich nicht. - Gesundheitsvorsorge ist eine allgemeine Aufgabe und Verpflichtung sowohl des Bundes - diesen nenne ich an erster Stelle als auch der Länder. Was hier an Zeit vertan wurde - das gilt mittlerweile auch für die neue Verbraucherschutzministerin -, ist nicht mehr zu verantworten. ({8}) Dass wir heute die Abschaffung der Sektsteuer diskutieren, kann ich für die CDU/CSU nur ausdrücklich begrüßen. Ich hoffe darauf, dass wir dieses gesunde Produkt weiteren Verbraucherschichten öffnen können, indem wir der Weinwirtschaft die Möglichkeit geben, mit dem eingesparten Steuergeld günstigere Angebote auf den Markt zu bringen. ({9}) Ich hoffe auf die Einsicht der Regierungskoalition, vielleicht nicht heute und morgen, aber im Laufe der Beratung dieses Antrages. Mit der Abschaffung dieser Steuer tun wir etwas Gutes für die Steuervereinfachung in Deutschland und für die Steuerangleichung in Europa. Vielen Dank. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Kollegin Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen, hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.1) - Ich sehe Einverständnis im ge- samten Hause. 1) Anlage 3 Nächster Redner ist der Kollege Dr. Dietmar Bartsch für die PDS-Fraktion.

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Thema sollte eine halbtrockene Rede angemessen sein, so wie sie Herr Schild gehalten hat. ({0}) Die Erkenntnis der F.D.P. nach ewiger Regierungszeit kommt zwar etwas spät. Aber die Abgeordneten der PDS, die „Rotkäppchen“ im Deutschen Bundestag, unterstützen die Initiative zur Abschaffung der Sektsteuer. ({1}) Die Liberalen muten uns zugegebenermaßen keinen übertrieben großen Schritt zu. Sie wollen den Menschen eine Last nehmen, von deren Existenz bislang wohl nur die Wenigsten wussten. ({2}) Von Massenpetitionen oder von Großdemonstrationen ist zumindest uns nichts bekannt. Ich glaube auch nicht, dass sofort die Korken knallen, wenn die Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger um etwas mehr als 12 DM im Jahr - statistisch gesehen; wir wissen ja, wie das mit dem Durchschnitt ist - entlastet werden. Allerdings möchte ich Sie angesichts der großzügig gefassten Begründung Ihres Antrages beim Wort nehmen. Sie wissen ja: Im Wein liegt die Wahrheit. In Ihrem Bestreben, das Steuerrecht zu vereinfachen, werden Sie stets unsere Unterstützung finden. Eine radikale Vereinfachung, Transparenz und Entbürokratisierung des Steuerrechts sind die Voraussetzungen für mehr Demokratie und Gerechtigkeit. Wir wurden auch auf die verfassungsrechtliche Dimension der zu behandelnden Fragen hingewiesen. Mit großem Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, dass die F.D.P. der Spaltung unserer Gesellschaft in Arm und Reich zu Leibe rücken will. Zu Beginn des neuen Jahrtausends könnte die Prosecco/Champagner-Trennlinie fallen und wir sind dabei gewesen. ({3}) „Sekt für alle“ ist sicherlich eine gute Devise. Nur müssen die Menschen in diesem Land mehr Gründe zum Anstoßen haben. Ich bin deshalb gespannt, welche weiteren Initiativen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit Sie nun auf den Weg bringen werden. Gerade hier gilt doch: Manchmal muss Mumm sein. Wenn Steuern und Abgaben in diesem Land so reformiert werden, dass die Massenerwerbslosigkeit wirksam bekämpft, soziale Sicherheit gewährleistet, reale Gleichstellung der Geschlechter unterstützt und eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsentwicklung gefördert werden, dann können sich die Menschen über den Wegfall der Alternative „Sekt oder Selters“ freuen. Dann werden wir uns gern dieser Debatte erinnern und gemeinsam mit der Fraktion der F.D.P. in den Ruf einstimmen: Trink, Brüderle, trink! ({4})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man könnte ja versucht sein, in den Ruf einzustimmen: Sekttrinker aller Länder, vereinigt euch hinter der blau-gelben Fahne des Liberalismus! ({0}) Werft die Ketten der Ausbeutung ab, damit ihr die 2 DM pro Flasche, die ihr seit 1902 bezahlen müsst, endlich loswerdet! ({1}) Damit haben wir dann auch noch die Vereinfachung des Steuerrechts erreicht. ({2}) Wenn man es sich so einfach macht, das Steuerrecht durch die Abschaffung von ganzen Steuerarten reformieren zu wollen, dann ist das leider ein bisschen fantasielos. ({3}) Man wird sich schon sozusagen um die innere Struktur der jeweiligen Steuer kümmern müssen, so wie wir das zum Beispiel gerade bei der Körperschaftsteuer mit einem wesentlichen Vereinfachungsschritt gemacht haben. Steuern einfach abzuschaffen ist keine Steuervereinfachung. ({4}) Ich will Ihnen einmal sagen, wie die Situation bei der Sektsteuer ist: Wir haben im letzten Jahr 930 Millionen DM Einnahmen gehabt. Die Bearbeitung bei den 5 500 Steuerpflichtigen wurde bundesweit von 56 Zöllnern durchgeführt, deren Besoldung rund 6 Millionen DM kostet. Das ist also gerade etwas mehr als ein halbes Prozent des Ertrages, den wir bei den 5 500 Steuerpflichtigen einnehmen können, die naturgemäß die Steuer auf den Verbraucher abwälzen. Es ist so ungefähr die einfachste Steuer, die man sich vorstellen kann. Mit 56 Leuten bei 5 500 Steuerpflichtigen rund 1 Milliarde DM einholen, das ist ein vernünftiger Ertrag. ({5}) Vizepräsidentin Petra Bläss Es wäre schön, wenn alle Steuern so einfach zu handhaben wären. Natürlich haben wir keine kaiserliche Flotte mehr; das ist völlig klar. Aber wir haben eine republikanische, demokratisch legitimierte Flotte, die ebenfalls Geld braucht. Erst gestern, auf Ihren Antrag hin, haben Sie hier eine Stunde lang die angebliche Unterfinanzierung der Bundeswehr beklagt. Natürlich ist die Sektsteuer nicht zweckgebunden zur Finanzierung der Bundeswehr; ({6}) sie würde leider auch nicht ausreichen, weil die Bundeswehr ungefähr 44 Milliarden DM im Jahr und nicht nur 1 Milliarde DM braucht. Aber ich möchte wenigstens den Versuch machen, eine allererste Einführung in die Grundzüge des Steuerrechts, sozusagen privatissime et gratis für die F.D.P.Fraktion, zu geben. ({7}) Es gibt so genannte direkte Steuern; sie werden auf Gewinn und Einkommen erhoben, progressiv, jeweils abhängig von der Höhe des Gewinns und des Einkommens. Dann gibt es indirekte Steuern, hier insbesondere die Verbrauchsteuern - die wesentlichste von diesen ist die Umsatzsteuer - und die speziellen Verbrauchsteuern; dazu gehört die Sektsteuer. ({8}) Sie wird nach Verbrauch erhoben, wie der Name schon sagt, in diesem Fall 2 DM auf 0,75 Liter einer normalen Sektflasche. Das ist auch nicht verschleiert. Da hat Minister Eichel nicht irgendwie seine Bücher zugehalten, wie Sie das behaupten. Die Sektsteuer ist nun fast 100 Jahre alt und hat sich im Prinzip kaum geändert, ({9}) außer dass sie in der Höhe differiert hat. Jetzt liegt sie seit ungefähr 20 Jahren auf derselben Höhe. Was also soll daran verschleiert sein? Jeder Bürger weiß das oder kann es zumindest wissen. Was haben Sie davon, wenn die Flasche jetzt 2 DM billiger wird? Es war von gesundem Verbrauch, „in Maßen genossen“, die Rede, lieber Kollege Schindler. Du als Winzer hast natürlich ein spezielles Interesse; das muss man den Bürgerinnen und Bürgern auf der Tribüne vielleicht einmal sagen. ({10}) Was heißt, „in Maßen“? Bezieht sich das vielleicht auf den durchschnittlichen Verbrauch pro Kopf, also etwa sechs Flaschen im Jahr? Sonst kämen die vom Kollegen Bartsch genannten 12 DM pro Jahr ja nicht zustande. Was soll daran entscheidend sein, dass der Mensch sechsmal im Jahr 2 DM spart oder nicht? ({11}) - Doch, darum geht es wohl. ({12}) Steuern sind allgemeine Deckungsmittel für die Deckung der Bedürfnisse des gesamten Haushaltes. Sie, Kollege Schindler, haben am Ende Ihrer Rede lautstark beklagt, was im Zusammenhang mit BSE alles noch passieren muss, dass es allein in diesem Jahr ein Risiko von über 2 Milliarden DM gibt. ({13}) - Ja, natürlich! Allein wegen der BSE-Krise haben wir in diesem Jahr ein Haushaltsrisiko von mindestens 2 Milliarden DM. - Aber im selben Atemzug sagen Sie, wir sollten leichthin auf die 1 Milliarde DM aus der Sektsteuer verzichten. ({14}) - Die Einnahmen aus den UMTS-Erlösen haben wir zum Schuldenabbau gebraucht, und zwar zum Abbau der Schulden, die Sie uns hinterlassen haben. Mit den 100 Milliarden DM konnten wir natürlich nur einen kleinen Teil davon abbauen. ({15}) 14 mal 100 Milliarden DM sind es dann immer noch an Schulden. Auch die müssen wir irgendwann noch tilgen. Das ist die tatsächliche „Erblast“. Ich will dieses Wort ja eigentlich nicht benutzen, aber wenn Sie mich herausfordern, muss ich es doch einmal sagen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Aber klar.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Hendricks, Gott sei Dank können wir persönlich eigentlich gut miteinander. ({0}) Dann werden Sie mir in Bezug auf die Schulden in Höhe von 1,4 Billionen DM, die Sie jetzt wieder genüsslich vorführen, doch zugestehen: Dabei ging es um die beste Investition in Deutschlands Zukunft, nämlich darum, die Wiederherstellung der deutschen Einheit auch finanziell zu gewährleisten. Ich bin auf diese Schulden ausdrücklich stolz. Das sollte man in diesem Zusammenhang doch wirklich in allem Ernst feststellen. Oder ist es anders?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Schindler, da will ich Ihnen gerne zustimmen. Ich sehe durchaus die Tatsache, dass etwa die Hälfte dieses hohen Schuldenberges ({0}) dadurch entstanden ist, dass wir das finanzielle Problem der deutschen Einheit schultern mussten; wir müssen es auch weiter schultern. Deswegen gibt es auch keinen Anlass, sich zurückzulehnen und zu sagen, die Sache sei jetzt erledigt. Sie wissen, dass wir in Verhandlungen über den Solidarpakt II eintreten. Sie wissen, dass wir eine besondere Finanzierung zur Entwicklung der neuen Länder auch in der Zukunft brauchen werden. Darum ist es nicht so einfach, hier oder da auf Einnahmen zu verzichten. Sie haben den Solidaritätszuschlag angesprochen. Den werden wir auch in Zukunft brauchen, solange wir die besondere finanzielle Belastung, die im Gefolge der deutschen Einheit entstanden ist, noch haben. ({1}) Darum ist es eben nicht verantwortlich, einfach so zu tun, als könnten wir leichthin auf 1 Milliarde DM verzichten. Noch einmal: Die UMTS-Erlöse in Höhe von 100 Milliarden DM haben wir tatsächlich zum Schuldentilgen verwandt, das wissen Sie. Das sind 100 Milliarden DM von 15 mal 100 Milliarden DM gewesen. 14 mal 100 Milliarden DM bleiben bestehen und müssen mit Zinsen in Höhe von jährlich 80 Milliarden DM bedient werden. Auch das muss man sich vergegenwärtigen. Das bekommen wir nicht von heute auf morgen weg, Kollege Schindler. Deswegen bitte ich Sie, mir zuzugestehen, dass wir die Milliarden nicht einfach so verschenken können, wenn wir verantwortungsbewusst handeln, zumal es offenbar ist, dass die Menschen durch die Sektsteuer eine tatsächliche Belastung weder erfahren noch spüren. ({2}) Herr Kollege Schindler, obwohl Sie mir durch Ihre Zwischenfrage Gelegenheit gegeben haben, meine Redezeit auszudehnen, will ich davon keinen Gebrauch machen. Die Argumente liegen auf der Hand. Man sollte es sich nicht so einfach machen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., sondern man muss sich zum Thema Steuervereinfachungen schon ein paar Gedanken machen. Erlauben Sie mir eine Bemerkung zum Schluss: Im Antrag der F.D.P. heißt es, die Bundesregierung möge „einen Gesetzentwurf über die Abschaffung der Sektsteuer“ vorlegen. Ich erkläre für die Bundesregierung, dass wir das nicht tun. Aber was mich bei diesem Antrag gewundert hat, ist folgender Tatbestand: Die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs zur Abschaffung der Sektsteuer, dem ich, wie gesagt, inhaltlich nicht zustimme, ist ein ausgesprochen einfacher gesetzestechnischer Vorgang. Ihre Fraktion, die etwa zur Hälfte aus ehemaligen Regierungsmitgliedern besteht, hätte diesen Gesetzentwurf zumindest selber formulieren können. Herzlichen Dank. ({3})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/5337 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 14. März 2001, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.