Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Frau Kollegin, leider
muss ich Sie auf die Zeit aufmerksam machen.
Auch dies ist dringend notwendig, weil
wir wissen, dass sich 50 Prozent des Fachkräftebedarfs
auf Fachkräfte mit einer akademischen Ausbildung beziehen. In den entsprechenden Studiengängen haben wir einen Anstieg zu verzeichnen, und zwar von über einem
Drittel bei Informatik und einem Viertel bei Maschinenbau sowie auch in der Elektrotechnik.
Ich will aber deutlich darauf hinweisen, dass dies nicht
ausreicht. Wir müssen diese Entwicklung weiter unterstützen und verstärken, weil es nicht ausreicht, wenn dieser Wandel bei den beruflichen Entscheidungen nur für
zwei oder drei Jahre trägt. Sowohl die Jugendlichen als
auch die Unternehmen sind aufgefordert, auch in den
kommenden Jahren den Richtungswandel aufrechtzuerhalten. Davon hängen sowohl die individuellen Berufschancen als auch unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sehr stark ab.
Kommen Sie bitte
zum Schluss.
Last not least: Es ist richtig, dass wir auf
die Verwertung von Forschungsergebnissen ein hohes Augenmerk legen. Ich werde in der nächsten Woche gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsminister ein Konzept
vorstellen.
Frau Ministerin, ich
bitte Sie, nun zum Schluss zu kommen.
Ich bin fertig.
({0})
Ich möchte, dass die
Spielregeln eingehalten werden. Deshalb muss ich aufpassen.
Ich bitte zunächst, Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den eben berichtet wurde. Ich nehme an, Herr
Kollege Hauser, darauf bezieht sich Ihre Wortmeldung. Bitte sehr.
Frau Ministerin, der Beifall der Kollegen war so rauschend und so
stark wie das Interesse der Journalisten an Ihrer heutigen
Pressekonferenz. Sie haben es tatsächlich geschafft, dass
Ihnen zwei Fragen gestellt worden sind; so inhaltsreich
war Ihr Vortrag in der Pressekonferenz wie auch der, den
Sie gerade gehalten haben. Sie haben zwar viel angekündigt, aber eigentlich war es mehr heiße Luft als sonst was.
Ich möchte gerne von Ihnen wissen, wie Sie das Aktionsprogramm „Wissen schafft Märkte“, das eigentlich
schon Ende 2000 vorgestellt werden sollte und das dem
dienen sollte, was Sie gerade wieder postuliert haben, umBundesministerin Edelgard Bulmahn
setzen wollen. Sie haben in der Pressekonferenz erklärt,
es gebe diesbezüglich noch Bedarf an Abstimmung mit
dem BMWi und dem BMF. Könnten Sie einmal sagen,
was Sie konkret tun wollen und wann wir konkrete Ergebnisse erwarten können? Bleiben Sie dabei bitte nicht
so unverbindlich; denn bisher haben Sie uns immer nur
Dinge angekündigt.
Frau Ministerin, bitte
sehr.
Herr Hauser, in der Pressekonferenz sind
Nachfragen gestellt worden. Aber die Zahl der Nachfragen war vielleicht deshalb so gering, weil die Informationen sehr präzise und sehr detailliert waren. Dann muss
man auch nicht so viel nachfragen.
({0})
Auch Sie haben jetzt nur eine Frage zu einem Programm gestellt, das wir erst in der nächsten Woche vorstellen werden. Das alleine macht schon deutlich, dass die
Abstimmung bereits gelaufen ist, Herr Hauser; denn sonst
könnten wir es ja nicht in der nächsten Woche vorstellen.
Daher kann ich Ihnen nur zusichern: Die Abstimmung ist
erfolgt, und zwar erfolgreich. Das Programm wird, wie
gesagt, in der nächsten Woche vorgestellt werden.
Herr Hauser hat noch
eine Nachfrage. - Bitte sehr.
Frau Ministerin, Sie hatten die Pharmaindustrie der Autoindustrie im
Hinblick darauf gegenübergestellt, wie viele Patente beantragt werden und inwieweit Forschungsleistungen erbracht werden. Welche Schritte wird die Bundesregierung
unternehmen, um das Umfeld für die Pharmaindustrie so
zu verbessern, dass Patente in der Bundesrepublik und in
Europa leichter beantragt werden können, und was wird
die Bundesregierung unternehmen, um insbesondere das
schlechte Umfeld, das gerade die Grünen, aber auch die
SPD mit ihrer Skepsis gegenüber der Gentechnologie und
der Biotechnologie geschaffen haben, zu verbessern und
so zu gestalten, dass Forschung am Standort Deutschland
auch unter Wettbewerbsbedingungen möglich ist?
Herr Hauser, die jetzige Bundesregierung
hat die öffentliche Forschungsförderung, das heißt die
Mittel der Forschungsförderung für die Genomforschung,
allein um 200 Prozent im Vergleich zu den Mitteln erhöht,
die Ihre Regierung damals bereitgestellt hat.
({0})
Das ist deshalb eine wichtige Entscheidung, weil die Zukunft der Pharmaindustrie - darauf habe ich hingewiesen;
das wird auch in dem Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2000 sehr deutlich - davon
abhängt, in welchem Umfang und mit welcher Geschwindigkeit die Pharmaindustrie die neuen Methoden
der biotechnologischen Genomforschung einsetzt und
nutzt. Deshalb war die Entscheidung, die die Bundesregierung getroffen hat, richtig.
Im Übrigen gibt es inzwischen eine sehr positive Entwicklung in der Biotechnologie. Deutschland ist bezüglich der Zahl der Biotechnikunternehmen und der Zahl der
Unternehmensgründungen in diesem Bereich europaweit
an der Spitze. Die Patente spielen bei der Nutzung der Ergebnisse der biotechnologischen Forschung eine wichtige
Rolle. Wir haben deshalb ein umfangreiches Netz von Patentberatungsstellen aufgebaut, um die Unternehmen zu
unterstützen. Deutschland hat bei der Anzahl der aus dem
Bereich der Forschungseinrichtungen und vor allen Dingen der Hochschulen gemeldeten Patente sehr stark aufgeholt. Deutschland ist jetzt genauso gut wie die USA, die
jahrelang weltweit an der Spitze waren.
Wir setzen uns gleichzeitig auf europäischer Ebene für
die Einführung einer Neuheitsschonfrist ein, weil dies
eine wichtige Änderung des europäischen Patentrechts
sein wird. Die Justizministerin und ich sind hier einer
Meinung. Die Bundesregierung vertritt diese Position im
europäischen Kontext.
Ich habe mit den Ländern die Änderung des Hochschullehrerprivilegs vereinbart. Auch das ist auf den Weg
gebracht, damit die Hochschulen und die Universitäten
selber ein größeres Interesse an der Patentierung ihrer
wissenschaftlichen Forschungsergebnisse und deren Verwertung haben.
Nun lasse ich weitere
Fragen zu. Frau Ilse Aigner, bitte sehr.
Frau Ministerin, Sie haben
auf der heutigen Pressekonferenz erklärt, dass die Schulbildung in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern verstärkt werden soll. Mich würde natürlich interessieren, wie Sie das bewerkstelligen wollen. Bedeutet das
eigentlich auch ein Überdenken der bisherigen sozialdemokratischen Positionen - Stichwort: Gesamtschulen bzw. würden Sie sich eventuell für einen verbindlichen
Fächerkanon mit einem Grundkanon im Abitur einsetzen?
Zunächst einmal bitte ich darum, einfach
einmal die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Kenntnis
zu nehmen.
({0})
Die TIMS-Studie macht sehr deutlich, dass die Schulart
keine Auskunft über die Qualität des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts gibt. Vielmehr weist sie darauf hin, dass keine Unterschiede zwischen den Schularten
bestehen. Das ist das Ergebnis der TIMS-Studie.
({1})
Norbert Hauser ({2})
- Sie müssen sie lesen, Herr Hauser. Es tut mir Leid, das
müssen Sie schon machen.
({3})
Der entscheidende Unterschied liegt in der Methodik,
die eingesetzt wird. Deshalb führe ich gemeinsam mit den
Ländern, zu 50 Prozent aus meinem Ministerium finanziert, ein Programm durch, mit dem wir die Methode des
naturwissenschaftlich-mathematischen Unterrichts verbessern wollen. An dem Programm nehmen im Übrigen
über 500 Schulen teil, sodass wir damit wirklich eine
Breitenwirkung erreichen können. Sie sehen also, wir
führen nicht nur Untersuchungen zur Feststellung durch,
sondern wir entwickeln auch Instrumentenprogramme,
mit denen wir genau die Defizite und Schwächen überwinden wollen.
Ich habe darüber hinaus gemeinsam mit den Forschungsorganisationen die Initiative „Wissenschaft im
Dialog“ gegründet, die als eine wichtige Zielgruppe die
Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrerinnen und
Lehrer hat. Diese Initiative beinhaltet sowohl die öffentliche Darstellung von Forschung und Wissenschaft. Sie
beinhaltet aber auch das Entstehen von Partnerschaften
zwischen Forschungsinstituten und Schulen, zwischen
Unternehmen und Schulen mit der Zielsetzung, den Stellenwert von Wissenschaft und Forschung nicht nur abstrakt zu vermitteln, sondern Kindern und Jugendlichen
auch schon sehr früh zum Beispiel Experimentiermöglichkeiten zu geben; denn das ist sicherlich ein wichtiger
Weg, um das Interesse und die Neugier von Kindern und
Jugendlichen zu wecken oder auch zu erhalten.
Wir als Präsidium haben beschlossen: Eine Zusatzfrage lassen wir zu. - Bitte
sehr.
Ich möchte noch etwas konkreter nachfragen. Befürworten Sie den Grundsatz, dass
Mathematik und mindestens ein naturwissenschaftliches
Fach bis zum Abitur nicht abgewählt werden dürfen?
An jeder Schule muss bereits heute ein
naturwissenschaftliches Fach sowie Mathematik bis zum
Abitur belegt werden. Diese Fächer können nicht abgewählt werden. Das würde ich auch für völlig absurd halten. Das muss so bleiben.
Jetzt folgt die Frage
der Kollegin Ulrike Flach.
Frau Ministerin, Sie wissen,
dass die F.D.P.-Fraktion immer sehr auf Ihrer Seite ist,
wenn Sie zu einer Förderung der Bio- und Gentechnologie in diesem Lande beitragen. Nichtsdestoweniger waren
wir schon sehr erstaunt, als die Kanzlergespräche mit der
beteiligten Wirtschaft ausgesetzt wurden.
Wir hatten große Hoffnungen auf eine Anhörung gesetzt, die am nächsten Montag zum Thema grüne Gentechnik durchgeführt werden sollte. Nun hören wir erneut - wir
nehmen das mit größter Irritation zur Kenntnis; denn das
verträgt sich aus unserer Sicht nicht mit Ihrem starken Engagement -, dass die Anhörung auf Betreiben der Bundesregierung ausgesetzt worden ist.
({0})
Könnten Sie mir bitte sagen, welche höheren Fügungen
Sie dazu bewegt haben, dieses zu tun?
Das ist die Entscheidung des Parlaments.
Ich denke, wir alle sind lange genug Parlamentarier, um
zu wissen, dass dies vom Parlament entschieden wird. Ich
werde als Ministerin dem Parlament nicht vorschreiben,
wie es entscheidet; vielmehr liegt das in der Souveränität
des Parlaments.
Wollen Sie noch
nachfragen? - Bitte sehr.
Ich möchte zumindest ein gewisses Bedauern von Ihnen hören. Oder ist auch dieses
nicht vorhanden?
Frau Flach, meine Kolleginnen und Kollegen werden Ihnen bestätigen, dass ich mich ihnen gegenüber natürlich sehr engagiert für die Biotechnologie
einsetze. Nicht umsonst hat das Parlament diesen Haushalt mit den wirklich spürbaren, sehr erfreulichen Steigerungsraten bewilligt, die ich vorhin genannt habe.
Es ist richtig, dass die Bundesregierung vorgeschlagen
hat, die Gespräche mit der Wirtschaft über die kommerzielle Freisetzung - es geht nicht um Forschung - von
gentechnisch veränderten Pflanzen zunächst auszusetzen,
bis wir die Neuorientierung in der Verbraucherpolitik erreicht haben. Das ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung getroffen hat. Das Parlament hat seine Entscheidung getroffen. Entscheidungen des Parlaments
habe ich nicht zu kommentieren. Die Entscheidung der
Bundesregierung habe ich Ihnen geschildert.
Das Wort für die
nächste Frage erhält der Kollege Dr. Martin Mayer.
Frau
Ministerin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass
die von Ihnen geschilderten Erfolge bei den Start-ups im
Informations- und Kommunikationssektor in Deutschland im Wesentlichen ein Ergebnis der Liberalisierung
des Telekommunikationsmarktes, die zum Teil gegen den
Widerstand der SPD durchgesetzt worden ist, und der Veränderungen der Finanzmarktordnung in Deutschland, die
noch von der früheren Koalition durchgeführt wurden,
sind? Das gilt ebenso für die Erleichterungen bei der Bereitstellung von Risikokapital.
Ich darf noch anfügen, dass die alte Bundesregierung
im IT-Bereich vier neue Ausbildungsgänge geschaffen
und andere in den Inhalten wesentlich modernisiert hat.
Meine Frage lautet: Was wird diese Bundesregierung tun,
damit endlich modulare Elemente in der beruflichen Bildung Einzug halten? Hierdurch könnte man den unterschiedlichen Anforderungen von Hochtechnologie und
anderen Berufen auch im Hinblick auf die Ausbildungszeiten und das Ausbildungsergebnis gerecht werden.
Herr Mayer, wenn Sie sich die Neuordnungen der Ausbildungsberufe ansehen, die wir in den
letzten Jahren auf den Weg gebracht haben - ich will nur
die Laborberufe nennen, die ja denen der Informationstechnik ähneln -, werden Sie feststellen, dass wir dabei
genau diese Möglichkeiten geschaffen haben. So besteht
die Möglichkeit, neue zusätzliche und ergänzende Qualifikationen zu erreichen. Damit können den Jugendlichen
auch entsprechende Variationsmöglichkeiten je nach
ihrem Leistungsstand, aber auch nach dem Anforderungsgrad der Unternehmen angeboten werden. Das
heißt, bei allen neu geordneten Berufen - ich will noch
einmal darauf hinweisen, dass wir inzwischen mehr als
ein Drittel aller Berufe neu geordnet haben - sind genau
diese Spielräume geschaffen worden. Wir werden das
auch bei den Berufen, deren Neuordnung noch ansteht,
entsprechend umsetzen. Ich bin nämlich schon der Auffassung, dass es sowohl von dem Anspruch und der Zielsetzung der Berufsfähigkeit wie auch von dem Anspruch,
dass die Jugendlichen nach ihrer Berufsausbildung natürlich optimale Beschäftigungschancen haben sollen, sinnvoll ist.
Kurz gesagt: Ihrem Anliegen wurde bereits Rechnung
getragen.
Nun hat das Wort der
Kollege Jörg Tauss.
({0})
Da Sie Jubel erhoffen, lassen Sie
mich sagen: Es war, Frau Ministerin, in der Tat ein beeindruckender Bericht.
({0})
Die von der Frau Präsidentin eingeräumte Zeitspanne hat
ja auch kaum ausgereicht, um die Erfolge der Bundesregierung darzustellen.
({1})
Meine Frage, Frau Ministerin, geht in eine Ihrem Vortrag entsprechende Richtung und bezieht sich auf den
Technologiebericht: Wie verknüpfen wir Forschung mit
wirtschaftlichem Erfolg? Ich nenne als Stichwort die
Frage des Technologietransfers. Es würde mich interessieren, ob Sie sich weitere Verbesserungen in diesem Bereich vorstellen könnten.
In dem Bericht wird darauf hingewiesen,
dass es drei Wege für einen erfolgreichen Technologietransfer gibt:
Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen sind ein
sehr effizienter und erfolgreicher Weg des Technologietransfers. Ich habe im Übrigen deshalb mit den Forschungsorganisationen bereits 1999 bzw. 2000 Vereinbarungen getroffen, durch die Ausgründungen erheblich
stärker unterstützt werden, zum Beispiel dadurch, dass bei
der Fraunhofer-Gesellschaft nicht nur die eingeworbenen
Drittmittel als Erfolgsindikator gewertet werden, sondern
auch die Ausgründungen. Die Helmholtz-Gemeinschaft
hat sehr große Möglichkeiten erhalten, Ausgründungen zu
unterstützen. All das sind notwendige Schritte, um diesen
wichtigen und Erfolg versprechenden Weg des Technologietransfers zu unterstützen.
Es gibt einen zweiten Erfolg versprechenden Weg des
Technologietransfers, nämlich den der engen Kooperation derjenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in den Forschungseinrichtungen arbeiten, mit
Unternehmen. Wir unterstützen dies durch den Ansatz der
Verbundforschung. Es handelt sich dabei um Forschungsprogramme, um die sich Forschungseinrichtungen, Wissenschaftler und Unternehmen gemeinsam bewerben
können, sodass von Anfang an eine enge Zusammenarbeit
zwischen Unternehmen und Forschung gewährleistet ist.
Der dritte Weg - auch die Autoren der Studie mahnen
ihn an - wird in der nächsten Woche vorgestellt werden.
Die Autoren weisen ausdrücklich darauf hin, dass die
Technologietransferstellen an den Hochschulen die Aufgabe nicht erfüllen können; vielmehr brauchten wir Strukturen, an denen sich mehrere Forschungseinrichtungen
beteiligen und die stärker auf das jeweilige Forschungsfeld bzw. auf die jeweilige Branche ausgerichtet sind. Der
Grund dafür ist, dass das Detailwissen, das man braucht,
um zum Beispiel ein Forschungsergebnis aus der Genomforschung oder aus der Biotechnologie zu vermarkten, ein
ganz anderes ist als das, was man braucht, um beispielsweise ein Forschungsergebnis aus dem Bereich Maschinenbau zu verwerten. Genau diesen Ansatz werden wir in
dem neuen Konzept „Wissen schafft Märkte“, das wir in
der nächsten Woche vorstellen werden, aufgreifen, um einen entsprechenden Vorschlag zu machen.
Danke schön.
Nun hat Frau Kollegin Volquartz das Wort. - Bitte sehr.
Im Namen meiner
Kollegin Ilse Aigner möchte ich eine kurze Klarstellung
vornehmen: Es ging natürlich um Prüfungsfächer und
nicht allgemein um Fächer, die bis zum Abitur durchgeführt werden. Dazu interessiert uns Ihre Meinung.
Dr. Martin Mayer ({0})
Im Bundesbildungsbericht wird die große Akademikerarbeitslosigkeit genannt. Außerdem wird die hohe
Zahl der Studienabbrecher als kritisch hervorgehoben.
Wenn ich richtig zugehört habe, dann haben Sie dieses
Thema, wie schon vor einem Jahr, auch heute ausgeklammert. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um dieses Problem gemeinsam mit den Ländern
zu lösen?
Zunächst möchte ich etwas zu Ihrer ersten Anmerkung sagen. Entscheidend wird sein, dass wir
mehr Kinder und Jugendliche erreichen, die in der Sekundarstufe I sind, damit sie in der Sekundarstufe II die
entsprechenden Leistungskurse wählen. Untersuchungen
des Hochschul-Informations-Systems, HIS, stellen eine
starke Korrelation zwischen Leistungskurswahl und
anschließender Studienfachwahl fest. Deshalb richten
sich unsere Anstrengungen - es geht um die von mir vorhin genannten Initiativen - genau auf diese Gruppe; denn
es ist erheblich schwieriger, hinterher Korrekturen vorzunehmen. Wir müssen erreichen, dass mehr Jugendliche
Interesse an Naturwissenschaften entwickeln und sich für
Leistungskurse in einem naturwissenschaftlichen Fach
entscheiden.
Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich Folgendes sagen:
Frau Volquartz, Sie wissen genauso gut wie ich, dass dies
vonseiten der Länder entschieden wird. Ich kann Ihnen
aber zusichern, dass ich in allen Kommissionen, in denen
ich gemeinsam mit den Ländern diskutiere, nachdrücklich
darauf hinweise, dass die Zukunft unseres Landes davon
abhängt, ob es uns gelingt, mehr Kinder und Jugendliche
dazu zu bewegen, diese Fächer zu wählen und ihre anschließende Berufsentscheidung entsprechend zu treffen.
Was die Studienabbrüche angeht: Wir haben - um nur
ein Beispiel zu nennen - im letzten Jahr das „Sofortprogramm zur Weiterentwicklung des Informatikstudiums an
den Hochschulen in Deutschland“ gestartet. Ich habe dieses Programm damals mit der expliziten Zielsetzung vorgestellt, dass ein wichtiges Ziel des Programms darin besteht, die Zahl der Studienabbrecher zu verringern. Das
soll dadurch geschehen, dass eine bessere Studienbetreuung und eine bessere Studienberatung gewährleistet werden. Parallel dazu erreiche ich mit der Dienstrechtsreform
wichtige Ziele, weil wir damit zum ersten Mal eine regelmäßige Bewertung der Lehrleistung einführen werden.
Dies wird sicherlich zu einer anderen Kultur an den Hochschulen führen, weil dadurch der Stellenwert der Lehre
steigt. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die
Zahl der Studienabbrecher sinkt.
Außerdem bieten wir durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen - wie Sie wissen, werden sie durch mein Ministerium finanziell sehr stark unterstützt - Studierenden mehr Alternativen an. Das heißt,
sie können sich zwischen einem stärker am Beruf orientierten Studium und einem stärker an der Wissenschaft
orientierten Studium entscheiden.
Ich bin davon überzeugt, dass dieses Angebot im Ergebnis dazu führen wird, dass die Zahl der Studienabbrecher deutlich sinkt; denn ein Teil der Studierenden bricht
heute deshalb das Studium ab, weil sie ein gutes Jobangebot bekommen und eher dieses Angebot annehmen, als
das Studium abzuschließen. Wenn die Studierenden aber
die Möglichkeit haben, einen Abschluss nach sechs oder
acht Semestern zu erreichen, dann wird dadurch - davon
bin ich überzeugt - die Quote der Studienabbrecher erheblich verringert werden.
Eine Nachfrage der
Kollegin Volquartz, bitte sehr.
Ihre Antwort ist im
Wesentlichen akzeptabel. Trotzdem habe ich eine Nachfrage. Sie sagen, dass Sie mit den Ländern sprechen. Können Sie uns die Antwort der Länder mitteilen? Wie
beurteilen Sie die Tatsache - unabhängig von den Studienabbrechern -, dass so viele junge Menschen gar nicht
mehr studieren wollen?
Im Gegensatz zu der alten Bundesregierung, die ja leider immer wieder die Auffassung vertreten
hat, dass es zu viele Studierende in diesem Land gibt,
({0})
habe ich von Anfang an die Position klar vertreten, dass
wir zu wenige Studierende haben und dass wir einen
höheren Anteil von akademisch ausgebildeten Menschen
brauchen. Glücklicherweise hören die Jugendlichen auf
das klare Signal, das sowohl von der Bundesregierung als
auch von der Wirtschaft - es ist wichtig, dass das Signal
von beiden Seiten kommt - ausgesandt wird. Ich habe
schon darauf hingewiesen, dass die Zahl der Studienanfänger in den letzten anderthalb bis zwei Jahren gerade in
den Fächern, in denen wir einen Mangel hatten, sehr stark
gestiegen ist.
({1})
- Sie sollten nicht mit dem Kopf schütteln. Die um mehr
als ein Drittel gestiegene Zahl der Studienanfänger im
Fach Informatik zeigt aus meiner Sicht sehr deutlich,
({2})
dass die Jugendlichen reagieren, wenn ihnen von Wirtschaft und Politik klar signalisiert wird, dass sie gute Berufsaussichten haben.
({3})
Dieses klare Signal, das von der Bundesregierung ausgesandt wird, ist ein ganz wichtiger Punkt.
Sie wissen, dass ich die Bundesausgaben für die Hochschulen - wiederum im Gegensatz zur alten Bundesregierung - erheblich gesteigert habe. Die Zielsetzung dabei
ist, dass wir die Ausbildungschancen für die Jugendlichen
in Deutschland deutlich verbessern. Diese Maßnahme
zeigt schon Wirkung.
Ich nenne weiterhin die Reformen, die ich auf den Weg
gebracht habe: beispielsweise die Dienstrechtsreform
- das ist eine der Strukturreformen -, die Internationalisierung unserer Hochschulen und die Erhöhung des
BAföG. Das ist ein Schritt, um wieder mehr Jugendliche
aus einkommensschwächeren Familien und aus Familien
mit mittlerem Einkommen zu einem Studium zu motivieren. Wir wissen nämlich, dass in den 90er-Jahren gerade
diese Jugendlichen aus finanziellen Gründen leider auf
ein Studium verzichtet haben. Mit unseren Reformen haben wir einen Richtungswechsel vorgenommen.
Ich sage allerdings auch ganz klar: Diese Bundesregierung kann in zwei Jahren nicht all das aufholen - ich
könnte auch sagen: wieder gutmachen -, was Sie in
16 Jahren versäumt haben.
({4})
Wir sind auf dem richtigen Weg. Man kann sehen, dass die
von uns getroffenen Entscheidungen Wirkung zeigen. Ich
kann Ihnen zusichern, dass wir diese Politik fortsetzen.
Insgesamt sind die
Studierendenzahlen zurückgegangen, Frau Ministerin.
Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Aber nicht in den letzten zwei Jahren; das
wissen auch Sie.
Insgesamt.
Wir wollen jetzt keinen Streit darüber anfangen. - Das Wort hat der Kollege
Dr. Rossmann.
({0})
Frau Ministerin,
Sie haben in Ihrem Eingangsstatement die technologische
Innovationsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen besonders angesprochen. Welche Maßnahmen von
öffentlicher Seite haben sich nach Ihrer Einschätzung in
der Vergangenheit besonders bewährt? Können Sie ein
paar Akzente nennen, die Sie für die Zukunft noch setzen
wollen?
Es haben sich zum einen die Maßnahmen
zur Unterstützung von Existenzgründungen und von Ausgründungen besonders bewährt. Wir werden diese Maßnahmen fortsetzen.
Es haben sich zum anderen aber auch spezielle Forschungsprogramme für kleine und mittlere Unternehmen
bewährt. Ich habe ein Programm „Produktionstechnik“
aufgelegt, das ich in sehr enger Kooperation mit den Verbänden der kleinen und mittleren Unternehmen entwickelt habe. Dieses Programm hat eine sehr große Akzeptanz und Unterstützung vonseiten der kleinen und
mittleren Unternehmen bekommen: Der Anteil der
KMUs, die sich an diesem Forschungsprogramm beteiligen, liegt bei ungefähr zwei Drittel. Das zeigt: Wenn man
solche speziellen Instrumente für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt, wirken sie auch. Auch das werden
wir fortführen.
Eine konstruktive, positive Rolle spielt ebenfalls das
Programm für die Fachhochschulen; denn die Fachhochschulen sind eigentlich ein geborener Partner kleiner und
mittlerer Unternehmen. Auch dieses Programm werden
wir fortsetzen.
Ganz sicherlich werden auch die Dienstrechtsreform
und die anderen Initiativen, die ich im Hochschulbereich
gestartet habe, bei der Zusammenarbeit mit kleinen und
mittleren Unternehmen eine positive Rolle spielen. Auch
die kleinen und mittleren Unternehmen - das will ich
noch einmal deutlich machen - sind in zunehmendem
Maße darauf angewiesen, in sehr kurzen Zeiträumen ihre
Produkte zu verbessern, zu erneuern, zu verändern, neue
technologische Entwicklungen in ihre Produkte zu integrieren. Deshalb ist auch für die kleinen und mittleren Unternehmen eine gute Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Vielen Dank, Frau
Ministerin. Da Ihr Geburtstag erst einige Tage her ist,
möchte ich Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzlich
gratulieren und Ihnen alles Gute wünschen.
({0})
Gibt es zu diesem Bereich weitere Fragen an die Bundesregierung? - Nein. Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Auch das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Fragestunde
- Drucksachen 14/5414, 14/5444 Wir kommen zunächst zu den dringlichen Fragen.
Diese beziehen sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger zur
Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Peter
Harry Carstensen auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Maulund Klauenseuche ({1}) in Argentinien, die laut „Süddeutsche
Zeitung“ vom 3./4. März 2001 vor einigen Tagen von der dortigen
Regierung auf „inzwischen 300 Farmen geortet worden ist“?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, ich beantworte die Frage
im Namen der Bundesregierung wie folgt: Bisher sind die
Ausbrüche von MKS in Argentinien von den dortigen
Behörden nicht offiziell bestätigt worden. Nach Mitteilung der Botschaft in Buenos Aires beabsichtigt man in
Argentinien aber, Impfungen gegen MKS wieder aufzunehmen.
Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, hat die Botschaft Ihnen denn auch mitgeteilt, warum man die Impfungen gegen MKS wieder aufnehmen will?
Man hat uns vonseiten der Botschaft mitgeteilt, dass die Gründe jedenfalls nicht darin lägen, dass
die argentinische Regierung offiziell bestätigt habe, dass
es wieder Fälle von MKS gebe.
Zweite Frage, bitte
sehr.
Herr
Staatssekretär, vertrauen Sie diesen Meldungen oder bewerten Sie sie ähnlich wie die Meldung, die der ehemalige Landwirtschaftsminister Funke in den letzten Jahren
in die Öffentlichkeit gebracht hat, nämlich dass Deutschland BSE-frei sei? Ist es nicht notwendig, solchen Meldungen - 300 Farmen mit Maul- und Klauenseuche -, die
auch von anderen Stellen, von regionalen Stellen offiziell
gemacht worden sind, anders nachzugehen als auf die von
Ihnen eben geschilderte Weise?
Herr Vorsitzender, nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Europäische Kommission ist
aufmerksam geworden, nachdem das Thema Impfungen
in Argentinien eine Rolle gespielt hat. Vor diesem Hintergrund nehmen wir das ausgesprochen ernst. Einen Vergleich mit BSE kann man meiner Einschätzung nach so
nicht ziehen.
Die Tatsache, dass man über Impfungen spricht, hat
uns zwar auf das Thema aufmerksam gemacht. Aber Sie
wissen auch, dass die Maul- und Klauenseuche in vielen
Ländern der Welt - nicht nur in England - eine permanente Verbreitung hat. Es gibt beispielsweise seit Jahren
Maul- und Klauenseuche in der Türkei und ständige Maßnahmen gegen die Einschleppung von Erregern aus der
Türkei. Vor dem Hintergrund sind wir bei diesem Thema
sehr aufmerksam.
Ich kann aber nicht ändern, dass die argentinische Regierung den Ausbruch von Maul- und Klauenseuche in
Argentinien offiziell nicht bestätigt hat. Insofern können
wir auch vonseiten der Botschaft keine anderen Informationen bekommen.
Herr Kollege
Ronsöhr, Sie wollten eine Zusatzfrage stellen. Bitte sehr.
Ich möchte
die Bundesregierung Folgendes fragen. Wenn ich richtig
informiert bin,
({0})
darf ein Land der Europäischen Union, das gegen MKS
impft, kein Fleisch mehr in ein anderes Land liefern.
Würde diese Regelung von der Europäischen Union und
von der Bundesregierung auch gegenüber Argentinien angewandt werden?
Herr Kollege, es bestehen in Bezug auf
Argentinien schon heute Einfuhrbeschränkungen. Beispielsweise darf Fleisch aus bestimmten Regionen nur
entbeint in den Export gelangen, aus anderen aber auch
komplett, also mit Knochen. Darüber hinaus muss und
wird die Europäische Kommission handeln, wenn sich bestätigen sollte, dass man in Argentinien gegen Maul- und
Klauenseuche impft.
Nun kommt die
dringliche Frage 2 des Kollegen Peter Harry Carstensen:
Was hat die Bundesregierung unternommen und was wird sie
in den nächsten Tagen unternehmen, damit Tiere und Fleisch von
Tieren aus Argentinien nicht auf den deutschen Markt kommen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Die Frage 2 schließt unmittelbar an das
an, was ich eben schon gesagt habe. Ich beantworte sie
also wie folgt: Aufgrund der EU-rechtlichen Vorgaben ist
die Einfuhr von Fleisch aus bestimmten Gebieten zulässig, aus anderen Gebieten Argentiniens, wie gesagt, nicht.
Die Europäische Kommission prüft die Situation in Argentinien sehr ernsthaft. Die Einfuhr von lebenden Klauentieren aus Argentinien in die EU ist nicht zulässig.
Zusatzfrage? - Bitte
sehr.
Gerne, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, auf die
erste Frage haben Sie geantwortet, dass Sie im Moment
noch keine Erkenntnisse aus Argentinien haben. Wir
mussten auch feststellen, dass der Ausbruch der Maulund Klauenseuche in Großbritannien - durch aus welchem Land auch immer - eingeführte Nahrungsmittel
verursacht wurde. Ist es dann nicht notwendig, sich darüber Gedanken zu machen, wie an den Grenzen der Europäischen Gemeinschaft eine bessere Kontrolle erfolgen
kann, damit wir in eine ähnliche Situation wie in den Vereinigten Staaten von Amerika kommen, wo es seit 60 Jahren keine Fälle von Maul- und Klauenseuche mehr gegeben hat?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Kollege, zunächst einmal reduziert
sich die Gefahr, dass in Fleisch aus Argentinien Erreger
der Maul- und Klauenseuche enthalten sind, dadurch,
dass sich mit der Dauer der Lagerung der pH-Wert so verändert, dass der Erreger abstirbt. Im Übrigen sind wir
durch die Meldungen sensibilisiert, dass zurzeit in Argentinien die Notwendigkeit von MKS-Impfungen geprüft
wird. Die entstehenden Probleme wären also nicht mit den
Problemen vergleichbar, die wir aufgrund des unkontrollierten MKS-Ausbruchs in Großbritannien haben, da
diese dadurch entstanden sind, dass in großem Umfange
Lebendtiere, vor allem Schafe, über den europäischen
Kontinent transportiert worden sind. Diese Risiken sind
um einiges höher als jene Risiken zu bewerten, die wir
aufgrund der genannten Meldungen aus Argentinien zu
erwarten hätten. Richtig ist aber - das habe ich am Beispiel der Türkei dargestellt -, dass die Europäische Union
ihre Außengrenzen gegen die Einschleppung von MKSErregern zu sichern sucht, wo immer sie es für nötig erachtet.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, wenn dies ein Problem ist - es ist ja offensichtlich ein Problem -, warum hat dann ein stärkerer
Außenschutz im Hinblick auf Fleischimporte - ob aus Argentinien oder anderswo her - nicht auf der Tagesordnung
des Agrarministerrats am letzten Montag gestanden und
ist diskutiert worden?
Die Tagesordnung des Agrarministerrats
der letzten Woche liegt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich. Aber ich kann Sie gerne informieren, dass dort
vor allem das Thema BSE und der Sieben-Punkte-Plan
auf der Tagesordnung waren. Der Ausbruch der Maulund Klauenseuche fiel zeitlich mit dieser seit längerem
vorbereiteten Konferenz zusammen.
Der entscheidende Punkt ist aber, dass man auf europäischer Ebene schnell gehandelt hat, sobald Informationen aus Großbritannien vorlagen. Ebenso hat die Bundesregierung schnell die Länder informiert und umgehend
den Krisenstab zusammengerufen. Daher ist aus der Tatsache, dass die Maul- und Klauenseuche nicht auf der Tagesordnung des Ministerrats stand, keineswegs abzuleiten, dass man vonseiten der Europäischen Union und der
Bundesrepublik Deutschland nicht umgehend gehandelt
hätte.
Nun hat Kollege
Ronsöhr das Wort. Bitte sehr.
Herr
Staatssekretär, können Sie mir die Frage beantworten,
warum in der Europäischen Gemeinschaft Importverbote
für Teile von Fleisch aus Argentinien bestehen?
Ich kann Ihnen die Frage insoweit beantworten, dass wir auch in früheren Jahren schon aus solchen rechtlichen Gründen bestimmte Importe aus vielen
Ländern reduziert bzw. bestimmte Importe nicht zugelassen haben. Das gibt es in vielen Ländern. Es trifft auch auf
Argentinien zu, dass es dort bestimmte Regionen gibt, aus
denen wir gar nichts importieren, und andere Regionen,
aus denen wir nur bestimmte Teile des Fleisches importieren.
({0})
Wir können ja auch
einmal eine Ausnahme zulassen.
War das jetzt eine Nachfrage? Ich habe
sie leider nicht gehört.
Herr Kollege, weil
Sie die Frage schon begonnen haben, lasse ich sie ausnahmsweise noch zu. Bitte sehr.
Frau Präsidentin, ich bin Ihnen auch sehr dankbar. - Ich wollte fragen, Herr Staatssekretär, ob demzufolge in bestimmten
Regionen Argentiniens die Seuche existiert.
Herr Kollege, es ist weder Aufgabe noch
liegt es im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung,
Feststellungen zu treffen, die im Aufgabenbereich der argentinischen Regierung liegen.
({0})
Nun hat Kollege
Hornung das Wort. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
können Sie mir bestätigen, dass Sie soeben Kollegen Peter
Harry Carstensen eine falsche Information vermittelt haben? Im Interesse des Schutzes unserer Verbraucher, dem
wir höchste Priorität zumessen, stelle ich fest, dass Sie
Folgendes gesagt haben: Fleisch, das liegen bleibt, verliert dann MKS-Viren. - Fleisch, das liegen bleibt, geht
kaputt. Das will ich einmal ganz deutlich sagen.
Der Erreger der Maul- und Klauenseuche, der sich gerade bei Kälte sehr gut hält, kann in Fleisch, das nun einParl. Staatssekretär Matthias Berninger
mal tiefgekühlt aus diesen Ländern zu uns kommt, zu uns
übertragen werden. Können Sie das bestätigen?
Herr Kollege Hornung, ich kann Ihnen
ausdrücklich nicht bestätigen, dass ich meinen Kollegen
Carstensen falsch informiert habe, im Gegenteil. Ich habe
vom pH-Wert, also vom Säuregehalt des Fleisches gesprochen. Die Überlebensfähigkeit des Erregers hängt
von verschiedenen Faktoren ab. Durch die Fleischreifung
verändert sich der pH-Wert dahin gehend, dass der Erreger geringere Überlebenschancen hat.
Darüber hinaus will ich Ihnen gern bestätigen - das ist
auch eines der Probleme, das wir zurzeit bei der Verbreitung des Erregers in Großbritannien haben -, dass der Erreger von MKS außerordentlich kälteresistent ist. Das
steht überhaupt nicht infrage. Vor dem Hintergrund ist die
Kälteresistenz eines unserer Probleme. Optimal wäre es,
wenn alles auf über 72 Grad erhitzt werden würde, denn
dann könnte der Erreger in den jeweiligen Fleischprodukten nicht mehr überleben. Ich hatte mich auch nicht auf
die Kälte bezogen, sondern auf den pH-Wert, der von der
Einlagerung oder der Fleischreife abhängt.
({0})
Nun hat Kollege
Straubinger das Wort.
Herr Staatssekretär,
haben Sie Erkenntnisse, ob und gegebenenfalls warum
andere Länder, die bisher argentinisches Rindfleisch eingeführt haben, zum Beispiel die USA oder Kanada, aufgrund der Meldungen, dass in Argentinien MKS herrschen soll, bereits Einfuhrbeschränkungen vorgenommen
haben?
Mir sind keine derartigen Einfuhrbeschränkungen bekannt, ausgenommen diejenigen, von denen ich gesagt habe, dass sie schon lange bestehen. Ich
kann mir gut vorstellen, dass es auch in anderen Ländern
vergleichbare Regelungen gibt.
Einen Überblick kann ich Ihnen aber jetzt hier mündlich nicht geben. Ich würde Ihnen diesen gern schriftlich
nachreichen.
Damit sind die dringlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft abgearbeitet. Ich danke Herrn Staatssekretär
Berninger für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Detlef Parr auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die gegen den Lüdger Allgemeinmediziner Dr. Bertel Berendes erlassene Ordnungsverfügung wegen der Weitergabe von nicht vollzählig verbrauchten
Medikamenten an die Patientinnen und Patienten seiner Praxis vor
dem Hintergrund der damit verbundenen Konsequenzen auf die
Verhaltensweise vieler seiner Kolleginnen und Kollegen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Parr, die Bundesregierung nimmt keine Bewertung von Gerichtsentscheidungen vor, zumal es sich hier anscheinend auch um
ein noch nicht rechtskräftiges Urteil handelt.
Ohne speziell auf den hier angesprochenen Fall einzugehen, weist die Bundesregierung zur Frage der Weitergabe von bereits in den Verkehr gebrachten Arzneimitteln
auf Folgendes hin.
Im Falle einer Rücknahme von Arzneimitteln kann
nicht ausgeschlossen werden, dass durch eine gegebenenfalls unbeabsichtigte unsachgemäße Lagerung von Arzneimitteln im Haushalt oder auch während des Transports
Beeinträchtigungen der Qualität eintreten können, die
äußerlich nicht erkennbar sind. Diese Beeinträchtigungen
können zum Beispiel durch Wärme, Feuchtigkeit oder
auch durch Licht verursacht werden. Auch ist nicht auszuschließen, dass Infektionen von Patienten auf andere
übertragen werden.
Aus diesen Gründen sehen die Betriebsverordnungen
für den Hersteller, den Pharmagroßhandel und die Apotheken für die Lagerung und auch für den Transport von
Arzneimitteln spezielle Regelungen vor. Beeinträchtigungen der Qualität von Arzneimitteln können zum Beispiel
Wirkungsänderungen oder auch Wirkungsverluste zur
Folge haben. Solche Beeinträchtigungen können auch bedrohliche Zustände auslösen.
Bei einer Wiederverwendung von bereits abgegebenen
Arzneimitteln durch andere Patienten können weder der
Arzt noch der Apotheker, noch der Hersteller die Verantwortung für die ordnungsgemäße Qualität übernehmen.
Es besteht also auch das Problem der Haftung. Aus diesen
Gründen sind die Verbotsregelungen des Arzneimittelrechts im Sinne des Patientenschutzes berechtigt und sollten von den Ärzten befolgt werden.
Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.
Frau Staatssekretärin, die Rechtslage ist so, wie Sie sie beschrieben haben. Wir stimmen einerseits in der Einschätzung überein, dass die Arzneimittelsicherheit an absolut erster Stelle zu stehen hat.
Andererseits ist eine Medikamentenverschwendung nicht
zu leugnen. Frau Ministerin Schmidt hat heute Morgen im
Ausschuss sehr zu Recht darauf hingewiesen, dass im
Arzneimittelbereich Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen seien und die Ärzte zu wirtschaftlichem
Umgang mit den Geldern der Versicherten angehalten
werden sollten. Gehören Verhaltensweisen wie die von
Dr. Berendes und die der Mehrheit der Kolleginnen und
Kollegen von Herrn Dr. Berendes - sie tun nämlich das
Gleiche - nicht zu den Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und zu Einsparungen im
System führen?
Herr Parr, ich bin
ganz Ihrer Meinung. Wie ich schon sagte, die Arzneimittelsicherheit steht bei allen Einsparbemühungen in unserem Gesundheitssystem, die wir unternehmen müssen, an
erster Stelle unserer Prioritätenliste.
Der zweite Punkt ist - hier stimme ich Ihnen ebenfalls
zu -, dass auf dem Arzneimittelsektor durchaus Einsparpotenziale bestehen. Aber wir sind der Überzeugung, dass
diese am besten realisiert werden könnten, wenn es bei der
Verschreibung von Arzneimitteln zu einer positiven Veränderung der jetzigen Situation käme, indem zum Beispiel die Weiterbildung der Ärzte im Bereich der Pharmakotherapie verbessert würde. Der Lösung dieser Aufgabe
müsste die Selbstverwaltung gerecht werden.
Darüber hinaus sollte bei der Verordnung von Arzneimitteln stärker darauf geachtet werden, ob es zum Beispiel Generika mit gleich guter Qualität gibt, ob also
preiswertere Präparate als die Originalpräparate abgegeben werden können. Ferner sollte man darauf achten,
dass die Packungsgröße eine wichtige Rolle spielt und
dass in dieser Hinsicht zu Einsparungen beigetragen
werden kann. - Das sind die Punkte, die wir bevorzugen
würden.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, was halten
Sie von dem Versuch - wir wollen das Dispensierrecht der
Apotheken nicht antasten, das ist klar; das sollte unsere allererste Forderung sein -, eine Regelung anzustreben, die
den Ärzten ein ähnliches Handeln wie bei der kostenlosen
Weitergabe von Arzneimittelmustern erlaubt und sie damit entkriminalisiert? Denn sie sind strafbewehrt, wenn
sie so handeln, wie es viele tun, nämlich wenn sie nicht
verbrauchte Medikamente weitergeben. Das ist gängige
Praxis. Das können wir nicht leugnen. Dem müssen wir
uns stellen. Deswegen also meine Frage: Wäre es ein
Weg, wenn man so wie bei der Weitergabe von Arzneimittelmustern auch bei der Weitergabe von nicht verbrauchten Arzneimitteln, und zwar unter dem Aspekt der
Arzneimittelsicherheit und in eng beschriebener und definierter Art und Weise, verfahren würde?
Da ich davon ausgehe, dass wir in der nächsten Legislaturperiode mit Sicherheit weitere Diskussionen über den Arzneimittelsektor führen werden, könnte das ein Punkt sein, den wir in
einer Anhörung behandeln sollten.
Nun möchte der Kollege Niebel eine Frage stellen. - Bitte sehr.
({0})
Frau Staatssekretärin, hat die
Bundesregierung Erkenntnisse über die Kosten, die den
Krankenkassen durch das Wegwerfen von Arzneimitteln
und durch die Entsorgung weggeworfener Arzneimittel
entstehen?
Die Kosten liegen
in einer Milliardengrößenordnung. Sie schwanken zwischen 3 und 5 Milliarden DM.
({0})
- Für Arzneimittel, die verordnet, aber letztendlich nicht
eingenommen worden sind. Das hat aber nicht nur damit
etwas zu tun, dass die Mengen nicht immer sachgerecht
waren, sondern häufig auch damit, dass die Akzeptanz der
Arzneimittel so ist, dass Patientinnen und Patienten die
Arzneimittel nicht so einnehmen, wie es ursprünglich vorgesehen ist. Das wiederum hat etwas mit der Beratung der
Patientinnen und Patienten in der Praxis über die Notwendigkeit und die Regeln zur Einnahme von Arzneimitteln zu tun.
({1})
- Hinsichtlich der Entsorgung kann ich Ihnen leider keinen Betrag nennen.
Vielen Dank. Damit
ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit abgehandelt. Ich danke der Frau Staatssekretärin
für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung auf. Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Joachim Tappe
auf:
In welchen Schritten ist die Realisierung der Initiative der
Bundesregierung „Anschluss statt Ausschluss“ zur Ausrüstung
aller Klassenräume mit PCs und darüber hinaus bis zum Jahr 2006
die Ausstattung aller Schüler mit Laptops geplant und wie verteilt
sich die Umsetzung auf Schulstufen bzw. Schulformen?
Kollege Tappe, auf Ihre Frage möchte ich Ihnen antworten:
Der Bundesregierung sind hinsichtlich der Finanzierung
von Schulen enge rechtliche Grenzen gesetzt. Die Zuständigkeit liegt auf der Ebene der Länder. Die Finanzierung der Ausstattung der Schulen mit informationstechnischen Geräten obliegt den Sachaufwandsträgern. Diese
sind in der Regel die Kommunen.
Die Bundesregierung hat im Übrigen in dem zitierten
Handlungskonzept „Anschluss statt Ausschluss“ deutlich
gemacht, dass eine angemessene flächendeckende Ausstattung der Schulen ohne privates Engagement, zum Beispiel auch durch das Sponsoring der Wirtschaft, kaum realisierbar ist. Public-Private-Partnerships wie „D 21“,
„Marktplatz für Schulen“, „Schulaktiv“ und andere Initiativen werden daher von der Bundesregierung intensiv
unterstützt. Zudem ist die Bundesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden im Gespräch, um Konzepte
für finanzierbare Lösungen der IT-Einführung an Schulen
zu entwickeln.
Die Bundesregierung ist grundsätzlich auch bereit,
dazu flankierend Piloterprobungen zu finanzieren. Die
unterschiedlichen Schulstufen und Schulformen sollen
hierbei berücksichtigt werden.
Zusatzfrage, Herr
Kollege.
Ich würde gerne noch wissen,
inwieweit man - trotz der von Ihnen dargestellten
Schwierigkeiten bezüglich der unterschiedlichen Zuständigkeiten - daran denkt, innerhalb dieses Programms
mitzuhelfen, entsprechende Standardgeräte sowie die dazugehörige Software zu entwickeln, und wie man die
Lehrerfortbildung einbeziehen will. Denn ich habe den
Eindruck, dass die Schüler im Umgang mit den Geräten
manchmal schon sehr viel weiter sind als die Lehrer.
Die
Bundesregierung und insbesondere unser Ressort ist in
Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden mit
dem Ziel, kostengünstige Lösungen zu entwickeln, vor allem in der Richtung, dass künftig nicht mehr eine vollständige Vernetzung der Schulen - was ja mit erheblichen
Aufwendungen verbunden ist - erforderlich wird. So
könnte zum Beispiel eine gleichwertige Infrastruktur an
den Schulen durch funkgesteuerte Laptops sichergestellt
werden.
Darüber hinaus sind wir seit längerem in Gesprächen
mit der informationstechnischen Industrie hinsichtlich der
Konfiguration eines geeigneten Schülerlaptops. Wir müssen allerdings feststellen, dass die Industrie in Deutschland bis heute ausgesprochen zurückhaltend ist gegenüber
unseren Vorstößen, ein speziell auf die Erfordernisse von
jungen Menschen in Ausbildung zielendes Angebot zu
machen. Wir fördern zudem mit einem umfangreichen
Programm die Entwicklung von Lernsoftware für den
schulischen Bereich mit einer dreistelligen Millionensumme. Dies gilt für alle Schulformen in dem dualen System, also auch für die berufliche Ausbildung. - Dies sind
unsere Beiträge.
Ich möchte abschließend noch darauf hinweisen, dass
unser Haus in diesem und im nächsten Jahr im Rahmen
der Sondermittel aus den UMTS-Erlösen finanzielle Zuschüsse in Höhe von 255 Millionen DM zur IT-Ausstattung der Berufsschulen leistet, was für uns hart am Rande
des verfassungsrechtlich Möglichen ist. Aber da der Bund
im Bereich der beruflichen Bildung eine bestimmte Mitkompetenz hat - im Unterschied zum Bereich der allgemeinen Bildung -, sind wir hier tätig geworden. Was wir
aufgrund der Zuständigkeitsverteilung allerdings nicht
tun werden, ist, uns als Bund direkt im umfassenden Sinne
an Maßnahmen der Lehrerfortbildung zu beteiligen. Dies
muss weiterhin in der Zuständigkeit und Verantwortung
der Länder realisiert werden.
Jetzt hat das Wort der
Kollege Dr. Seifert.
Herr Staatssekretär, sicher stimmen wir darin überein, dass „Anschluss statt Ausschluss“
besonders auch für gehandicapte Schülerinnen und
Schüler gelten muss, zum Beispiel für blinde. Es gibt in
der Bundesrepublik verschiedene Blindenstudienanstalten, zum Beispiel in Marburg oder in Königs Wusterhausen, die bis zum Abitur führen. Blinde Menschen brauchen die Braillezeile, um mit dem Computer umgehen zu
können. Sie kostet ungefähr 30 000 DM. Wie will das
Bundesministerium diese Schulen unterstützen - jeder
Schüler braucht eben eine Braillezeile -, damit die Ausstattung möglichst bald erfolgen kann? Dass die Kosten
von den Kreisen nicht allein getragen werden können,
liegt auf der Hand.
Ich
weise darauf hin, dass die Beschaffung von Lehrmitteln
im Bereich des allgemeinen Schulsystems nach wie vor
Ländersache ist und dass wir davon ausgehen, dass die
dafür notwendigen Investitionen von den Ländern und
den Schulträgern selbst finanziert werden.
Nun rufe ich die
Frage 3 des Abgeordneten Joachim Tappe auf:
Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung durch
das im Rahmen der Umstrukturierung der Landwirtschaft aufgelegte Forschungsprogramm auf solche Universitäten, an denen
ökologischer Landbau und artgerechte Tierhaltung schon heute
Forschungs- und Lehrschwerpunkte sind, wie zum Beispiel die
Gesamthochschule Kassel, an der am Standort Witzenhausen bereits vor 20 Jahren der europaweit erste Lehrstuhl für ökologischen Landbau eingerichtet worden ist?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr
Tappe, auf Ihre Frage, welche Auswirkungen die Bundesregierung durch das im Rahmen der Umstrukturierung der
Landwirtschaft aufgelegte Forschungsprogramm beispielsweise auf die Gesamthochschule Kassel erwartet, möchte
ich Ihnen antworten, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass die Umorientierung der Agrarproduktion natürlich auch für relevante Forschungs- und Ausbildungsfragen - selbst wenn es gegenwärtig auf Bundesebene kein
spezielles Förderprogramm dafür gibt, wie Sie es in Ihrer
Frage unterstellen - dazu führen wird, dass Hochschulen
wie Witzenhausen eine steigende Bedeutung erhalten.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Bereits im Jahre
1999 hat das Bundesministerium für Bildung und ForParl. Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen
schung einen neuen Förderschwerpunkt „Agrartechnik,
integrierter Umweltschutz in der Landwirtschaft“ formuliert und veröffentlicht. Dafür werden allein in diesem
Jahr 22,4 Millionen DM bereitgestellt. Die Ziele sind die
Reduzierung von nachteiligen Einflüssen der landwirtschaftlichen Produktion auf die Umwelt, die Verbesserung der ökologischen Situation in Agrarlandschaften
durch nachhaltige Landnutzungspraktiken, die Verbesserung der Produktqualität, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beteiligter Wirtschaftszweige und natürlich die
Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger auf dem Gebiet der Landwirtschaft.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sagen, die Bundesregierung verfolge erklärtermaßen das
Ziel, den Anteil ökologisch arbeitender landwirtschaftlicher Betriebe auszuweiten. Wäre es nicht im Sinne der
Bundesregierung, zum Beispiel Forschungsinstitute oder
solche Einrichtungen an Universitäten, die bereits in dieser Richtung arbeiten, zusätzlich zu unterstützen, um ihre
Forschungsanstrengungen zu verstärken?
Der
Staatsminister im Bundeskanzleramt, Herr Bury, hat in
der Veranstaltung „Zukunft sichern - Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland“ am 20. Februar dieses Jahres
als eines der ersten Handlungsfelder, das im Rahmen der
Nachhaltigkeit angegangen werden soll, das Programm
„Umwelt, Landwirtschaft und Gesundheit“ bezeichnet.
Ich denke, ich nehme meinem Kollegen Berninger, der für
das Landwirtschaftsministerium hier sitzt und der, falls
Sie noch Zusatzfragen speziell an den Landwirtschaftsbereich haben, diese beantworten könnte, nichts vorweg.
In Auswertung der strategischen Entscheidungen laufen zum Beispiel im Ministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft die Vorbereitungen für den
Forschungsrahmenplan für die Jahre 2001 bis 2004, durch
den die politischen Zielsetzungen und Maßnahmen des
Ressorts mit den Arbeitsschwerpunkten der Forschung in
den Bundesanstalten und bedingt den der Agrarforschung
zuzuordnenden Einrichtungen der Blauen Liste verbunden werden.
Ich gehe also davon aus, dass durch die politische
Schwerpunktsetzung, die jetzt in der Ressortforschung
des BML umgesetzt wird, und durch die Förderaktivitäten, die unser Haus in Fortsetzung dessen, was ich
soeben dargestellt habe, entwickelt, natürlich auch zusätzliche Fördermöglichkeiten für Projekte, die die wissenschaftliche Bearbeitung von Grundsatzfragen des
ökologischen Landbaus betreffen, geschaffen werden.
Aber ein Universitätslehrstuhl wie der in Witzenhausen wird von uns nicht institutionell gefördert. Es ist die
Chance gegeben, sich für Forschungsprojekte zu bewerben, die in diesem Bereich mit Sicherheit in den nächsten
Jahren zusätzlich angeboten werden. In diesem Sinne hat
ein Lehrstuhl für ökologischen Landbau erheblich verbesserte Möglichkeiten, sich um Förderprojekte des Bundes zu bewerben.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr.
Bedeutet das konkret, dass es
im Moment und für einen absehbaren Zeitraum hier keine
genaueren Planungen gibt, zum Beispiel ein umfangreiches Forschungsprogramm aufzulegen?
Das
sind Überlegungen, die im Raum stehen, zu denen es aber
noch keine konkreten Entscheidungen gibt, vor allem
keine Entscheidungen, ob es ein eigenständiges Forschungsprogramm dafür gibt oder ob Ressortforschungsanstrengungen des BMVEL und Förderprogramme, die
wir unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ im Bereich des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf diesem Gebiet schon entwickelt haben und entwickeln, sozusagen als Teile das Versprechen einlösen, hier zu einer
konzentrierten Forschungsanstrengung zu kommen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass auch im Rahmen
der Forschungsschwerpunkte der Ressortforschungseinrichtungen des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft diese Frage jetzt
angegangen wird, um die Forschungsschwerpunkte der
Ressortforschungseinrichtungen sehr viel stärker auf die
Ziele der Agrarwende auszurichten.
Vielen Dank. - Damit
ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung abgearbeitet. Ich danke dem Herrn
Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf
Körper zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Siemann auf:
Liegen der Bundesregierung Informationen vor, wonach ausländischen Geheimdiensten Erkenntnisse über die militante Vergangenheit des Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer,
vorliegen, und wenn nein, ist die Bundesregierung Vermutungen
nachgegangen, wonach ausländischen Geheimdiensten Erkenntnisse über die militante Vergangenheit des Bundesministers des
Auswärtigen, Joseph Fischer, vorliegen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Kollege Siemann, ich darf
Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Bundesregierung
hat keine Informationen, dass ausländischen Geheimdiensten die angesprochenen Erkenntnisse vorliegen. Sie sieht
keinen Anlass, Vermutungen, die in Pressemeldungen
geäußert werden, nachzugehen.
Zusatzfrage, bitte
sehr.
Herr Staatssekretär,
ein kurzer Vorspann: Wolfgang Schwiedrzik, der neben
dem heutigen Außenminister Joseph Fischer ein weiterer
Teilnehmer der PLO-Solidaritätsveranstaltung 1969 in
Algier war, hat den „Spiegel“ laut Ausgabe vom 19. Februar wissen lassen, dass er wegen seiner Kongressteilnahme noch 1984, also viele Jahre danach, Schwierigkeiten hatte, ein US-Visum zu bekommen, weil der
amerikanische Konsularbeamte offenbar aufgrund von
Geheimdienstberichten über Details dieser PLO-Reise informiert war.
Deshalb folgende anschließende Frage: Hat Herr
Außenminister Fischer bei vergleichbaren oder anderen
Gelegenheiten auch erfahren können oder Hinweise bekommen, dass ausländische Geheimdienste über Erkenntnisse seine Person betreffend verfügen?
Herr Kollege Siemann, diese
Frage kann ich Ihnen nur dahin gehend beantworten, wie
schon im ersten Teil gesagt, dass der Bundesregierung
keinerlei Informationen vorliegen, dass ausländischen
Geheimdiensten die von Ihnen angesprochenen Erkenntnisse vorliegen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich
meine, es ist auch richtig so, dass wir keinen Anlass sehen, Vermutungen nachzugehen, die in Pressemeldungen
geäußert werden.
Zusatzfrage, bitte
sehr.
Herr Staatssekretär,
haben Sie Kenntnis davon bzw. hat die Bundesregierung
Kenntnis davon, dass ausländische Geheimdienste möglicherweise sogar an den heutigen Außenminister Fischer
herangetreten sind?
Am heutigen Tage?
({0})
Nein, nicht am heutigen Tage, sondern ob Sie am heutigen Tage Kenntnis haben.
Ich habe am heutigen Tage davon
keine Kenntnis.
({0})
Herr Kollege von
Klaeden.
Herr Staatssekretär, der allwissenden Bundesregierung werden sicherlich
Presseberichte nicht verborgen geblieben sein, dass sich
im Bundesamt für Verfassungsschutz sowohl Sachakten
zur so genannten Frankfurter Stadtguerilla oder zur so genannten Putzgruppe als auch eine oder mehrere Personenakten zur damaligen Tätigkeit des heutigen Außenministers befinden sollen. Ich möchte Sie fragen, ob es
derartige oder andere Akten gibt.
Ich weiß nicht, woher Sie Ihre
Kenntnis haben, welche Akten wo und in welcher Form
vorhanden sind. Nur, lieber Kollege von Klaeden, ich
habe schon mehrmals an dieser Stelle zu verschiedensten
Gelegenheiten deutlich gemacht, wie der Umgang mit
diesen Akten geregelt ist, beispielsweise was Löschungsfristen angeht, die übrigens über das Vorhandensein von
Akten sehr gut Auskunft geben. Ich meine, das sind ganz
wichtige Dinge. Ich kann Ihre Frage nicht bejahen.
({0})
- Das war nicht geeiert.
({1})
- Auch nicht ein bisschen.
Das Wort hat der Kollege Dr. Lippelt.
Herr Staatssekretär, der Bundesminister hat in vielerlei
Veröffentlichungen nie ein Geheimnis daraus gemacht,
dass er in seiner Jugend militant gewesen ist. Glauben Sie
da nicht auch, dass sämtliche Geheimdienste in aller Welt
wissen, dass unser Außenminister in seiner Jugend zeitweise militant war? Können Sie sich vorstellen, welcher
Sinn hinter diesen Fragen steht?
Lieber Kollege Lippelt, es steht
mir nicht an, über den Sinn dieser Frage zu spekulieren.
Ich glaube, dies ist auch nicht der richtige Ort, Auskünfte
darüber zu geben, welche Erkenntnisse welcher ausländischen Geheimdienste wir über die Person, die hier angesprochen wird, haben. Wichtig ist - das wiederhole ich
noch einmal -, dass die Bundesregierung keinerlei Informationen darüber hat, dass ausländischen Geheimdiensten die angesprochenen Erkenntnisse vorliegen. Sie sieht
auch keinen Anlass - das unterstreiche ich noch einmal
deutlich -, Vermutungen, die in Pressemeldungen geäußert werden, nachzugehen. Das ist unsere Haltung.
Nun hat der Kollege
Koppelin das Wort.
Herr Staatssekretär, wir
konnten eben feststellen - dies ist auch veröffentlicht worden -, dass ein Teilnehmer dieser PLO-Konferenz bei der
Einreise nach Amerika Schwierigkeiten hatte, weil die
Amerikaner Kenntnis von seiner Teilnahme hatten. Kann
ich Ihre Antwort so verstehen, dass die Amerikaner anscheinend nur diese eine Person auf dem PLO-Kongress
beobachtet haben?
Wie Sie das verstehen, überlasse
ich Ihnen. Darüber werde ich mich nicht auslassen.
({0})
Nun hat die Kollegin
Bonitz das Wort.
Herr Staatssekretär, ich
wundere mich ein wenig über die etwas laxe Umgangsweise der Bundesregierung. Ich habe hier eine „Focus“Veröffentlichung vom 24. Februar 2001:
Der US-Geheimdienst CIA registrierte in Frankfurt
jede Bewegung von Fischer und seinen Freunden.
Verantwortlich für die „professionelle Aufklärung“,
so ein früherer CIA-Offizier zu Focus, war ein Spezialtrupp im Regional Operations Center im Frankfurter US-Generalkonsulat. Die CIA platzierte zudem einen ständigen Verbindungsmann in der für die
Terroristenjagd zuständigen Polizei-Sonderkommission in Hessen. Der CIA-Experte vom Joint Intelligence Service ... war ein Mr. Mortensen.
- Er wird also sogar namentlich benannt. Über jeden einzelnen Radikalen legte Mortensen Dossiers an, jede einzelne Straßenschlacht filmte die CIA.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Stimmen Sie mir
zu, dass sich der Eindruck aufdrängen könnte, dass die
Handlungsfähigkeit des Außenministers allein schon
durch die Tatsache, dass ein anderes Land geheimdienstliche Erkenntnisse über den heutigen Außenminister besitzt, beeinträchtigt sein könnte?
({0})
Ich wage in diesem Zusammenhang gar nicht daran zu
denken, ob der deutsche Außenminister hierdurch gar erpressbar sein könnte. Aber wir haben es bei unseren amerikanischen Freunden ja mit kultivierten Leuten zu tun,
({1})
die diese Unterlagen sicher nicht als Erpressungspotenzial nutzen würden.
Frau Kollegin, ich
möchte an dieser Stelle, bevor der Herr Staatssekretär antwortet, einmal unsere Geschäftsordnung zitieren. In den
Richtlinien für die Fragestunde heißt es:
Die Fragen müssen kurz gefasst sein und eine kurze
Beantwortung ermöglichen. Sie dürfen keine unsachlichen Feststellungen oder Wertungen enthalten.
Ich sage dies generell, weil wir diese Diskussion noch ein
wenig fortsetzen und man sich vielleicht darauf verständigt, auch diesen Teil unserer Geschäftsordnung einzuhalten.
Jetzt hat der Herr Staatssekretär das Wort zur Beantwortung.
Frau Präsidentin, ich will mich
daran halten: Ich stimme Ihnen nicht zu.
Jetzt hat der Kollege
Niebel das Wort.
Herr Staatssekretär, die Frage
des Kollegen Lippelt motiviert mich, zu fragen, ob die
Bundesregierung Erkenntnisse dahin gehend hat, bis zu
welchem Lebensalter jemand als „jugendlich“ zu bezeichnen ist.
({0})
Nein.
Jetzt hat der Kollege
Gehrcke das Wort.
Herr Staatssekretär, können Sie verstehen, dass sich der Eindruck aufdrängt, dass
dann, wenn auf die Tätigkeit ausländischer Geheimdienste in der Bundesrepublik Deutschland Bezug genommen
wird, weniger ein Licht auf die Vergangenheit des Außenministers als vielmehr auf die Tätigkeit und den Zustand
des Landes zur damaligen Zeit geworfen werden soll?
({0})
Herr Kollege, die Interpretation,
die Ihrer Frage zugrunde liegt, überlasse ich Ihnen.
({0})
Jetzt rufe ich die
Frage 5 der Kollegin Vera Lengsfeld auf. Sie wird schriftlich beantwortet. - Dann danke ich dem Herrn Staatssekretär Körper für die Beantwortung der Fragen.
Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär
Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Dr. Andreas
Schockenhoff auf:
Ist die Bundesregierung mit Blick auf die amerikanisch-britischen Luftschläge auf Ziele im Irak der Auffassung, dass jede militärische Auseinandersetzung falsch und vermeidbar ist?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Kollege Schockenhoff, Sie haben nach dem
Irak gefragt. Die Bundesregierung hat stets betont, dass
Maßnahmen der zivilen Konfliktprävention und politische Konfliktlösungen Vorrang vor jedem militärischen
Eingreifen haben und dies außerdem grundsätzlich nur in
engen völkerrechtlichen Grenzen zulässig ist. Soweit die
jüngsten amerikanisch-britischen Luftschläge auf Ziele
im Irak angesprochen sind, hat die Bundesregierung den
bisherigen Äußerungen ihrer Vertreter nichts hinzuzufügen.
({0})
Erste Zusatzfrage,
bitte sehr.
Herr
Staatsminister, haben sich Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt einerseits und der Bundespräsident andererseits denn abgestimmt, bevor der Bundespräsident
geäußert hat, jede militärische Auseinandersetzung sei
falsch und vermeidbar?
Herr Kollege, ich darf
darauf hinweisen, dass Äußerungen des Bundespräsidenten nicht Gegenstand von Fragestunden sind.
({0})
Frau Präsidentin, ich darf dann meine zweite Zusatzfrage stellen.
Wie bewerten Sie, Herr Staatsminister, die Äußerung von
Bundeskanzler Schröder in einem Fernsehinterview vom
27. Februar dieses Jahres, in dem er sagt: Ich sehe da
nicht, wo der Bundespräsident anderer Auffassung wäre,
dass die Bundesregierung der Meinung sei, jede militärische Auseinandersetzung sei falsch und vermeidbar?
Ich sehe keinen Widerspruch zwischen der Haltung
der Bundesregierung und der des Bundespräsidenten. Die
Haltungen wurden im Vorhinein nicht abgesprochen. Das
war nicht notwendig, da sich sowohl das Präsidialamt als
auch die Bundesregierung im gleichen gedanklichen und
politischen Kontinuum bewegen. Im Nachhinein haben
wir uns die Äußerungen genau angeschaut und nicht den
geringsten Widerspruch entdeckt.
Ich sehe zu diesem
Bereich keine weiteren Fragen.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Norbert Hauser
auf:
Hat die Redaktion des „Spiegel“ dem Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, das mit ihm geführte Interview, das in der
Ausgabe vom 8. Januar 2001 als „Spiegel-Gespräch“ erschienen
ist, zur Prüfung vor Veröffentlichung vorgelegt, und trifft es zu,
dass der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, nachdem er es selbst korrigiert hat, dieses Interview autorisiert hat?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Hauser, das Interview wurde nach Rücksprache mit dem Bundesminister durch den Sprecher des Auswärtigen Amtes freigegeben.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Kann ich davon
ausgehen, dass sich der Sprecher des Auswärtigen Amtes,
bevor er das Interview freigegeben hat, mit dem Bundesaußenminister über den Inhalt der von ihm gemachten
Aussagen abgestimmt hat, oder müssen wir davon ausgehen, dass das Interview freigegeben wurde, ohne dass eine
solche Abstimmung stattgefunden hat?
Ich habe gerade in meiner Antwort zum Ausdruck
gebracht, dass die „Freigabe nach Rücksprache mit dem
Bundesminister“ erfolgte.
Zweite Zusatzfrage.
Wenn eine solche Absprache und Abklärung stattgefunden haben, wie
ist dann zu erklären, dass Sie, Herr Staatsminister, in der
letzten Fragestunde auf die Fragen zum Inhalt erklärt haben, dass man den Inhalt dieses „Spiegel“-Berichtes nicht
so genau nehmen könne, weil der „Spiegel“ „das Gesagte
anschließend unter den Aspekten des Wahrheitsgehalts,
aber auch der griffigen und prägnanten Formulierungen
zusammenfasst?“ Das heißt: Sie haben den Eindruck erweckt, das im „Spiegel“ Wiedergegebene stimme nicht
mit dem überein, was im „Spiegel“-Artikel hätte stehen
müssen. Nun haben Sie gerade erklärt, dieser Artikel sei
vom Sprecher des Auswärtigen Amtes freigegeben worden. Was stimmt denn nun? Stimmte der Inhalt oder hat
der Sprecher des Auswärtigen Amtes den Artikel freigegeben, ohne dass der Inhalt stimmte?
Diese beiden Aussagen widersprechen sich nicht.
Es ist üblich, dass lange „Spiegel“-Gespräche zusammengefasst und dann zur Autorisierung vorgelegt werden. Die Variante des Gesprächs, die im „Spiegel“ veröffentlicht wurde, war autorisiert worden. Das wiederum
heißt nicht, dass das Gespräch nicht länger war, sondern
nur, dass es in einer autorisiert gekürzten Fassung abgedruckt wurde.
({0})
Ich rufe die Frage 8
des Kollegen Koppelin auf:
Von wem hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt,
Dr. Ludger Volmer, die Auskunft oder Information zum PLOKongress 1969 in Algerien erhalten, die er dann in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 14. Februar 2001 weitergegeben hat, der heutige Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, hat „diese Veranstaltung nach circa einer Stunde verlassen, weil sie ihm zu langweilig war“, und bleibt die Bundesregierung bei dieser Darstellung?
({0})
Herr Koppelin, hinsichtlich der Informationsquelle
verweise ich auf meine Auskunft in der Fragestunde des
Bundestages am 14. Februar 2001, Plenarprokoll 14/151.
Meine Aussage in der letzten Fragestunde war selbstverständlich nicht wörtlich, sondern illustrativ gemeint.
({0})
Genauso wenig sollte sie ausschließen, dass der jetzige
Bundesminister auch im weiteren Verlauf der Konferenz
möglicherweise sporadisch anwesend war. Eine präzise
Rekonstruktion der Präsenzen während dieser Konferenz
ist der Bundesregierung nach über 30 Jahren weder möglich noch ist das ihre Aufgabe.
Die Zusatzfrage, Herr
Kollege, bitte.
Herr Staatsminister, finden Sie es nicht merkwürdig, dass Sie als Mitglied der
Bundesregierung - egal, ob Ihnen die Frage passt oder
nicht - konkret antworten, der Bundesminister sei nur
eine Stunde anwesend gewesen? Sie müssen sich doch die
entsprechenden Informationen irgendwo beschafft haben.
Meine Frage war - Sie haben sie wiederum nicht präzise beantwortet -: Woher hatten Sie die Information, die
Sie uns weitergegeben haben, der jetzige Bundesminister
sei nur eine Stunde anwesend gewesen? Sie müssen doch
irgendjemanden gefragt haben, da Sie selber - ich vermute das, aber man wundert sich über gar nichts mehr wohl nicht auf dem PLO-Kongress waren.
Herr Koppelin, ich habe mit dem Bundesminister
über den Kongress gesprochen. Dabei stand für uns die
Substanz der Frage, die damals gestellt worden war - es
war eine Frage nach der Nahostpolitik -, im Vordergrund.
Ich habe dieses Thema mit dem Minister in der Substanz
besprochen. Über die Rahmenbedingungen der Konferenz wurde am Rande geredet.
({0})
Dies habe ich in der Form wiedergegeben, wie ich das getan habe; illustrierend, dass der Bundesminister in der
Praxis ein recht geringes Interesse an dieser Konferenz
hatte.
Im Übrigen wird diese Sicht der Dinge durch ein Interview mit einem weiteren Teilnehmer der Konferenz,
Herrn Udo Knapp, das einen Tag später in der „FAZ“ veröffentlicht wurde, bestätigt. Auch dieser bestätigt, dass
die Delegation nur sporadisch anwesend war.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie
muten uns viel zu, weil Sie plötzlich zu Veröffentlichungen anderer Personen Stellung nehmen, obwohl Sie als
Staatsminister im Plenum Rede und Antwort stehen müssten, wenn wir Fragen stellen.
({0})
Das ist das Entscheidende.
Herr Kollege, entsprechend der Geschäftsordnung wollten wir Wertungen
unterlassen.
Frau Präsidentin, dann
bitte ich Sie, mir zu helfen, dass die Regierung konkret
antwortet, wenn wir konkrete Fragen stellen.
Jetzt frage ich Sie, Herr Staatsminister, weiter konkret:
Sie haben in der gleichen Fragestunde, nachdem Sie über
die Teilnehmer gefragt wurden - das hat mit diesem
Thema zu tun -, gesagt, Sie wollten nachfragen und zu
recherchieren versuchen, wer sonst noch bei dieser SDSReise dabei war. Können wir heute erfahren was Ihre Recherchen erbracht haben?
Zwei weitere Teilnehmer sind öffentlich bekannt geworden, zum einen Herr Udo Knapp, den ich gerade zitiert habe, und ein weiterer Teilnehmer, dessen Name gerade genannt wurde; ich habe ihn nicht im Kopf behalten.
Insoweit wissen wir so viel wie Sie auch. Ansonsten sieht
es die Bundesregierung nicht als ihre Aufgabe an, nachzurecherchieren, was vor 30 Jahren auf beliebigen Konferenzen stattgefunden hat.
({0})
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Göring-Eckardt.
({0})
Herr Staatsminister, können Sie eine Aussage darüber machen, inwieweit die Frage, wie lange der jetzige
Außenminister der Bundesrepublik Deutschland 1969 auf
einer Konferenz anwesend war, für die Beurteilung, wie
die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland heute
zu bewerten ist, Erhellung bringt?
({0})
Ich kann in der Tat überhaupt keinen Zusammenhang sehen. Die Bundesregierung hätte sich sehr gerne einer grundsätzlichen Diskussion zur Nahostpolitik gestellt.
Wir haben eine solche Diskussion sowohl im Auswärtigen
Ausschuss als auch im Plenum mehrfach geführt. Dabei
hat sich im Übrigen ergeben, dass die Debatte von allen
Seiten von sehr großer Ernsthaftigkeit getragen war und
die Unterschiede zwischen den Parteien gar nicht groß
sind. Ich nehme an, dass die Opposition nach anderen
Möglichkeiten sucht, nachdem sie keine Möglichkeit sah,
den Außenminister auf der inhaltlichen Ebene in Bezug
auf die Nahostpolitik anzugreifen.
({0})
Nun hat Herr von
Klaeden eine Zusatzfrage.
({0})
Herr Staatsminister, Sie haben Ihre Antwort mit „illustrativer“ Beschreibung begründet. Ich darf fragen: Ist die illustrative Kreativität, die Frage nach der Aufenthaltsdauer mit der
präzisen Angabe „eine Stunde“ zu versehen, bei Ihnen
entstanden oder geht diese Kreativität auf den Außenminister zurück?
Zum Zweiten: Können wir damit rechnen, dass Sie bei
der weiteren Beantwortung der Fragen deutlich machen,
wann die Antworten Ihrer eigenen Fantasie entspringen
und wann das uns Vorgetragene den Tatsachen entspricht?
Herr Klaeden, wenn Sie präzise nach Zeiten gefragt
hätten, hätte ich Ihnen eine präzise Antwort dahin gehend
geben können, dass wir dazu nichts sagen können.
({0})
Wenn Sie eine illustrierende Antwort nicht akzeptieren,
bitte ich Sie, auf Ihre eigene Rhetorik zu achten.
({1})
Es gehört zum politischen Sprachgebrauch, dass man vor
dem Parlament nicht in physikalisch-exakten, sondern in
politischen Kategorien redet.
Jetzt hat der Kollege
Niebel das Wort zu einer Zusatzfrage.
({0})
Herr Staatssekretär, die Frau Präsidentin hat gerade aus der Geschäftsordnung zitiert, in
der zur Fragestunde unter anderem „Beantwortung“ der
Fragen steht. Ich werde mich an meinen Teil halten - ich
hoffe, auch Sie tun das bei Ihrem Teil - und werde kurz
und knapp fragen: Wenn Sie dem Plenum des Deutschen
Bundestages in der Befragung der Bundesregierung oder
in der Fragestunde eine Zusage geben, müssen wir dann
damit rechnen, dass Sie dies nur als illustrative Politlyrik
meinen, oder können wir uns auf die Zusagen der Bundesregierung verlassen?
Sie können sich selbstverständlich auf die Zusagen
der Bundesregierung verlassen. Ich halte sie auch ein.
({0})
Nun hat die Kollegin
Bonitz eine Zusatzfrage. Bitte sehr.
Herr Staatsminister, Sie
haben in der Fragestunde vom 14. Februar neben der Aussage, dass Herr Fischer lediglich eine Stunde teilgenommen hat, Folgendes zur Ausschmückung gesagt:
Nach dem, was ich in Erfahrung gebracht habe, hat
Fischer mit einigen Freunden des SDS diese Sitzung
wegen erwiesener Langweiligkeit verlassen und sich
stattdessen Algier angeschaut.
Das ist also eine weitere Ausschmückung gewesen.
({0})
Ich möchte wissen, von wem Sie das in Erfahrung gebracht haben oder ob das allein Ihrer Fantasie entsprungen ist.
Wenn Herr Fischer damals das Kongressgebäude
verlassen hat, um vor die Tür zu gehen und sich die Gegend anzuschauen, dann möchte ich keine geographische
Diskussion darüber führen, ob das schon ein Teil Algiers
war, ob das ganz Algier umfasst oder ob das ein Stadtteil
war usw.
({0})
Jetzt hat der Kollege
Hauser das Wort, bitte sehr.
Herr Staatsminister, gerade ist eine Antwort, die Sie auf eine Frage im
Parlament gegeben haben, zitiert worden. Ich wäre Ihnen
dankbar, wenn Sie mir nun folgende Frage beantworten
würden: War Ihre Antwort, die die Kollegin Bonitz zitiert
hat, zutreffend oder war es die Lyrik, von der Sie eben gesprochen haben? Wenn es die Lyrik war, dann müssen wir
- das wäre letztlich die Folge - davon ausgehen, dass Ihre
Antworten, die Sie in diesem Parlament geben, nicht mit
der Wahrheit übereinstimmen.
({0})
Sie können davon ausgehen, Herr Hauser, dass
meine Antworten in der Substanz immer auf die Substanz
Ihrer Fragen reagieren.
({0})
Ich rufe nun Frage 9
des Kollegen Hauser ({0}) auf:
Wie erklärt der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, dass er der Öffentlichkeit am 16. Februar 2001 durch seinen Sprecher mitteilen ließ, der Staatsminister beim Auswärtigen
Amt, Dr. Ludger Volmer, habe seine Äußerung über die PLO-Solidaritätsveranstaltung in Algier, die dieser im Deutschen Bundestag für die Bundesregierung abgab, angeblich doch nicht mit ihm
abgesprochen, wenn der Staatsminister beim Auswärtigen Amt,
Dr. Ludger Volmer, und der Bundesminister des Auswärtigen,
Joseph Fischer, vor Beginn der Bundestagsfragestunde am 14. Februar 2001 noch miteinander über den Algerien-Aufenthalt wegen
der bevorstehenden Fragestunde gesprochen haben - wie dies
Staatsminister Dr. Ludger Volmer vor dem Deutschen Bundestag
erklärt hat -, und wie erklärt der Bundesminister des Auswärtigen,
Joseph Fischer, die Antwort seines Staatsministers, er, Bundesminister Fischer, habe die Veranstaltung nach einer Stunde aus Langeweile verlassen und sei deshalb nicht dabei gewesen, als die
Schlussresolution mit der Forderung nach einem „Endsieg” über
Israel verabschiedet wurde?
Herr Staatsminister.
Zum ersten Teil Ihrer Frage, Herr Hauser: Der Sprecher des Auswärtigen Amtes hat eine solche Aussage, wie
sie in der Frage unterstellt wird, nicht gemacht.
Zum Rest verweise ich auf meine Antwort auf die vorausgegangene Frage 8 des Kollegen Koppelin zum gleichen Komplex.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ich möchte es trotzdem noch einmal versuchen:
Wie lange hat sich Herr Fischer seinerzeit auf der PLOKonferenz aufgehalten? Wenn Sie so freundlich wären
- Sie verfügen offensichtlich über entsprechende Erkenntnisse -, die Zeiten, in denen er vor die Tür getreten
ist, dabei nicht zu berücksichtigen.
Herr Hauser, die Bundesregierung sieht es nicht als
ihre Aufgabe an und sieht sich auch nicht in der Lage,
nachzurecherchieren, was einzelne Mitglieder, die der
heutigen Bundesregierung angehören, vor 30 Jahren auf
Kongressen gemacht haben.
({0})
Haben Sie noch eine
Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Hat der heutige Bundesaußenminister seinerzeit auf der PLO-Konferenz das Wort ergriffen oder sich dort sonst politisch
geäußert?
Darüber haben wir keine Erkenntnisse. Falls Sie andere haben, wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie sie uns zur
Verfügung stellen würden.
Nun hat der Kollege
Niebel eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, war der heutige Bundesaußenminister der Bundesrepublik Deutschland bei der PLO-Konferenz anwesend, als über die
Schlussresolution mit der Forderung nach einem „Endsieg“ über Israel abgestimmt wurde, oder nicht?
Auch das hat die Bundesregierung nicht nachrecherchiert. Wir haben wie Sie einzelne Fernsehausschnitte gesehen, in denen Joschka Fischer dargestellt
wurde. Um welche Ausschnitte es sich präzise handelte,
haben wir ebenfalls nicht recherchiert.
({0})
Jetzt hat der Kollege
Tauss das Wort.
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, ob zum Zeitpunkt des Aufenthaltes des Bundesaußenministers in Algier Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang war? Wie lange hat die Mittagspause gedauert und
wurde zum Tee Gebäck gereicht?
({0})
Herr Kollege.
Herr Kollege Tauss, Ihre Frage macht deutlich, in
welche Randbereiche der eigentlich substanziellen Problematik wir abgeschweift sind.
({0})
Die Bundesregierung ist gern bereit, zur Substanz
selbst, nämlich zur Nahostpolitik, ausführlich Auskunft
zu geben,
({1})
auch darüber, ob irgendwelche Zusammenhänge zwischen dem Auftreten auf einer Konferenz vor 30 Jahren
und der heutigen Außenpolitik von Außenminister
Fischer bestehen, die wohl über jeder Kritik steht.
({2})
Jetzt hat die Kollegin
Bonitz das Wort.
Herr Staatsminister, in
Anbetracht der Wichtigkeit dieses Themas, auch was die
Frage des Umgangs mit der Wahrheit angeht, möchte ich
Sie bitten, uns noch einmal darzulegen, wie die aktuelle
und vollständige bzw. von Ihnen inzwischen recherchierte
Version des Auswärtigen Amtes zu Art, Dauer und Motivation hinsichtlich der Teilnahme des heutigen Bundesaußenministers Joseph Fischer an der PLO-Konferenz 1969 lautet.
Ich kann nur erneut wiederholen, dass die Bundesregierung es nicht als ihre Aufgabe ansieht, hier Geschichtsforschung zu betreiben.
({0})
Nun hat der Kollege
Koppelin das Wort.
Herr Staatsminister, da
erst später bekannt wurde, dass der jetzige Bundesaußenminister an diesem PLO-Kongress teilgenommen hat, obwohl er vorher im „Spiegel“-Interview etwas anderes gesagt hat, was die arabischen Staaten betrifft, darf ich Sie
fragen: Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass
der jetzige Außenminister - ich nenne einmal einen Zeitraum, damit wir es konkret fassen - in dem Zeitraum von
1969 bis 1983 Reisen in andere arabische Staaten unternommen hat?
Ich kann Ihnen sagen, Herr Koppelin, dass der jetzige Außenminister zumindest in seiner Zeit als Abgeordneter der Grünen bzw. von Bündnis 90/Die Grünen öfter
in dieser Region war. Über weitere Reisen, die vor seinem
Eintritt in die Bundespolitik lagen, kann ich Ihnen im Moment keine Auskunft geben.
({0})
Jetzt hat die Kollegin
Grießhaber das Wort.
Herr Staatsminister, wie relevant ist die Anwesenheit des
damaligen Studenten und heutigen Außenministers
Fischer bei der Konferenz in Algier für die Formulierung
der heutigen Nahostpolitik?
({0})
Frau Kollegin, wie viele andere damalige Mitglieder der Studentenbewegung, der APO und des SDS hat
sich Joschka Fischer um die Frage gekümmert, welches
Schicksal dem palästinensischen Volke beschieden sei
und inwieweit dessen Schicksal verbessert werden könne.
({0})
Kollege Fischer hat - wie viele andere - damals intensive Diskussions-, Lern- und Bewusstseinsbildungsprozesse durchlaufen. Er hat 1983, als er in die Bundestagsfraktion der Grünen eintrat, eine völlig eindeutige
Haltung gehabt, die von drei Kriterien gekennzeichnet
war, nämlich erstens dem Wissen und dem Bewusstsein
um die besondere deutsche Verantwortung für Israel in Erinnerung und in der Konsequenz des Holocaust, zweitens
dem Eintreten für einen Verhandlungsfrieden zwischen
Israel und den Palästinensern und drittens dem Eintreten
für ein Staatenbildungsrecht der Palästinenser. Dies sind
im Übrigen auch die Grundlinien der heutigen Bundespolitik.
({1})
Jetzt hat der Kollege
Christian Schmidt das Wort.
Herr Staatsminister, halten Sie es - dies frage ich im Nachgang zu der
soeben gestellten Frage - für irrelevant, ob der amtierende
deutsche Außenminister möglicherweise eine Erklärung
mitgetragen hat, in der das - insbesondere im Hinblick auf
die deutsche Geschichte - besonders belastete Wort vom
Endsieg, noch dazu über Israel, verwendet wird, oder
nicht,
({0})
oder kann ich die Äußerung der Bundesregierung so verstehen, dass alle politischen Äußerungen - gleich, von
welcher Seite -, die vor 1975 gemacht worden sind, politisch nicht mehr relevant sind?
({1})
Herr Kollege, die Relevanz kann man am besten daran ablesen, dass man sich die Reaktion der israelischen
Seite auf diese Diskussion vor Augen führt.
({0})
Sowohl die gerade abgewählte israelische Regierung als
auch die neue israelische Regierung haben dem Außenminister gegenüber öffentlich und im direkten Gespräch
Dank und Anerkennung für sein engagiertes Eintreten für
die israelischen Interessen ausgedrückt.
({1})
Nun hat das Wort die
Kollegin Vollmer.
Herr Staatsminister, könnte es vielleicht sein, dass das
große Interesse, das insbesondere die Abgeordneten der
Freien Demokraten an diesem Thema haben,
({0})
der Tatsache geschuldet ist, dass es in der Tradition der
Bundesrepublik bisher in der Regel so war, dass der
Außenminister den Freien Demokraten angehörte,
({1})
und man gekränkt ist, dass dieses Amt jetzt einmal in andere Hände gefallen ist - obwohl das doch parlamentarische und demokratische Normalität darstellt?
Frau Kollegin, wenn Sie dieses Motiv annehmen
möchten, so ist das Ihre Schlussfolgerung aus dieser Diskussion. Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass sich
der Außenminister jederzeit im Plenum oder in den zuständigen Ausschüssen der Diskussion über seine heutige
Nahostpolitik stellt.
({0})
Er hat das viele Male gemacht. Die Diskussion war von
großem Ernst getragen. Deshalb ist aus Sicht der Bundesregierung das Niveau ein bisschen verwunderlich,
mit dem wir in dieser Diskussion jetzt konfrontiert werden.
({1})
Jetzt hat der Kollege
Götzer das Wort.
Herr Staatsminister, könnten Sie kurz erklären oder darstellen, was die
PLO unter dem Endsieg über Israel verstanden hat, den sie
damals auf der Konferenz, auf der Herr Fischer anwesend
war, gefordert hat?
Ich kann Ihnen das nicht sagen; ich kann Ihnen nur
sagen, dass ein wichtiger Teilnehmer der damaligen Konferenz - wenn er nicht sogar der Leiter der Konferenz
war -, nämlich Yassir Arafat, für die Politik, die er seit
dem Ausgang der 60er-Jahre bis heute, zumindest bis zum
vorletzten Jahr, mit der PLO betrieben hat, den Friedensnobelpreis bekommen hat.
({0})
Dessen Lebensleistung wollen Sie ja wohl nicht infrage
stellen.
({1})
Nun rufe ich die
Frage 10 der Kollegin Sylvia Bonitz auf:
Bestreitet der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, dass er auf der gegen Israel gerichteten PLO-Solidaritätskonferenz in Algier während der Schlussresolution mit dem Aufruf zum „Endsieg“ über Israel anwesend war?
Herr Staatsminister, bitte.
Frau Präsidentin, mit Ihrer Zustimmung würde ich
die Fragen 10 und 11 gerne zusammenziehen.
Frau Kollegin, sind
Sie einverstanden, dass die Fragen 10 und 11 im Zusammenhang beantwortet werden?
Ich hätte sie lieber einzeln
beantwortet.
Dann beantworte ich sie selbstverständlich einzeln.
Bezogen auf die Frage 10 verweise ich auf meine Antwort zur Frage 8 des Herrn Kollegen Koppelin. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zur Frage 1 der Kleinen
Anfrage der Abgeordneten Jürgen Koppelin und anderer
sowie der Fraktion der F.D.P. auf Bundestagsdrucksache
14/5303 mit dem Titel: „ ,Absurde Vorwürfe’ gegen den
jetzigen Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer ...“.
Erste Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Da mir diese Antworten
bekannt sind - die Drucksache liegt vor -, habe ich folgende Zusatzfragen: Herr Fischer war damals 21 Jahre alt,
als er an dieser Veranstaltung teilnahm. Ist ihm damals bewusst gewesen, da wir inzwischen ja wissen - ({0})
- Ich weiß gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind; hier
geht es um ein sachliches Thema.
({1})
Meine Damen und
Herren, Frau Kollegin Bonitz hat das Wort.
Da inzwischen aus dem
Munde anderer Kongressteilnehmer bekannt ist, dass
Herr Fischer damals an dieser PLO-Konferenz nicht nur
teilgenommen hat, sondern auch bei der Schlussresolution mit dem Aufruf zum Endsieg über Israel anwesend
war, frage ich Sie: Ist Herr Fischer damals im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte gewesen und hat er mit 21 Jahren die Tragweite dieser Resolution erkannt?
({0})
Frau Kollegin, diese
Frage lasse ich nicht zu.
({0})
Ich glaube, es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung,
eine derartige Frage zu beantworten. Das können wir in
einer parlamentarischen Debatte tun. Aber bitte missbrauchen Sie nicht die Fragestunde!
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
({1})
Ich bitte im Übrigen um etwas Ruhe, die Kollegin hat
das Wort zu ihrer zweiten Zusatzfrage.
Danke. - Ich frage, ob
Herr Fischer der Aussage der deutschen Kongressteilnehmerin Inge Presser, in der sie sich daran erinnert,
dass Herrn Fischer damals die so genannte „Wutrede“
Arafats zu gemäßigt erschien und er eher mit der terroristischen PFLP sympathisiert hat, zustimmt oder widerspricht.
({0})
Frau Kollegin, zu derart kolportierten Gerüchten
nimmt die Bundesregierung nicht Stellung.
({0})
Jetzt hat die Kollegin
Grießhaber eine Frage.
Herr Staatsminister, sind Sie wie ich der Auffassung, dass
die Erklärung der PLO, die auf dem damaligen Kongress
verabschiedet wurde - ({0})
- Ich habe überhaupt keinen Zettel. Zu beurteilen, welcher Zettel für mich richtig ist, steht nicht in Ihrem Ermessen.
({1})
Sind Sie der Auffassung, dass die damals verabschiedete Resolution für die heutige Palästinapolitik keine Bedeutung mehr hat und deswegen im Zusammenhang mit
der Politik der Bundesregierung irrelevant ist?
In der Tat, die damalige Resolution scheint für die
palästinensische Seite heute keine Relevanz mehr zu haben; denn die palästinensische Seite machte eine verständigungsorientierte Politik gegenüber Israel,
({0})
genauso wie umgekehrt. Vertreter beider Seiten haben daher völlig zu Recht den Friedensnobelpreis bekommen.
Jetzt hat der Kollege
Niebel eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie haben
soeben festgestellt, dass diese Resolution für die palästinensische Seite und für die Palästina-Israel-Politik der
Palästinenser keine Bedeutung mehr habe. Beziehen Sie
in diese Aussage Organisationen wie die Hamas, die offenkundig palästinensisch ist, ein oder hegen Sie Befürchtungen, dass es einzelne Gruppierungen gibt, die
doch noch auf die Vernichtung der Existenz des Staates
Israel hinarbeiten?
Herr Niebel, das sind Fragen, mit denen man sich
im Rahmen der Nahostpolitik intensiv befasst. Es ist bekannt, dass verschiedene palästinensische Fraktionen
- nicht alle - dem gemäßigten Kurs von Yassir Arafat gefolgt sind. Ich habe von Ihren Kolleginnen und Kollegen
soeben gehört, dass Yassir Arafat offensichtlich der Urheber dieser Resolution war. Da er bis heute eine
führende Figur ist und diese Führungskraft meines Wissens zwischenzeitlich nicht aus der Hand gegeben hat, erkenne ich an, dass die palästinensische Seite von ihren
Positionen Ende der 60er-Jahre abgerückt ist und eine andere Haltung eingenommen hat. Das gilt zumindest
für die PLO, also für den Kern der palästinensischen Bewegung.
Ich rufe die Frage 11
der Kollegin Sylvia Bonitz auf.
Hat sich beim Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, das Erinnerungsvermögen über die Finanzierung der Algier-Reise 1969 wieder eingestellt - der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Dr. Ludger Volmer, hatte ein solches Erinnern gegenüber dem Deutschen Bundestag für möglich gehalten - und
welche Erklärung hat Bundesminister Fischer, wie die damaligen
Veranstalter der PLO-Konferenz auf den Namen des heutigen
Bundesministers Joseph Fischer gekommen sind?
Herr Staatsminister, bitte.
Frau Bonitz, ich verweise auf meine Antwort auf
Frage 8 des Kollegen Koppelin. Im Übrigen verweise ich
auf die Antwort auf Frage 1 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Jörg van Essen, Dr. Wolfgang
Gerhardt und der Fraktion der F.D.P., Bundestagsdrucksache 14/5303, Titel „ ,Absurde Vorwürfe‘ gegen den jetzigen
Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, und ,Behauptungen‘ über den Mitarbeiter des Auswärtigen Amts,
Hans-Gerhart Schmierer“.
Erste Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, gestatten Sie, dass ich zumindest eine kurze Passage der
Antwort, auf die Sie jetzt immer wieder verweisen, vorlese, um darauf meine Frage aufzubauen? Zitat:
Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, sich darüber hinaus zu Ereignissen zu äußern, die weit vor der
erstmaligen Übernahme eines öffentlichen Amts
durch Bundesminister Fischer liegen und in keinem
Zusammenhang mit der aktuellen Politik der Bundesregierung stehen.
({0})
Stimmen Sie mit mir darin überein, dass Ereignisse, die
vor der Amtsübernahme durch Herrn Fischer liegen, dennoch Einfluss auf seine heutige Tätigkeit als Regierungsmitglied haben können?
So etwas kann natürlich theoretisch der Fall sein.
({0})
Außer einigen Verschwörungstheorien, die hier per Zwischenruf geäußert werden, gibt es aber nicht den geringsten Hinweis, dass das tatsächlich der Fall ist.
Zweite Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Da Sie grundsätzlich bejahen, dass solche Ereignisse Einfluss haben könnten,
verstehe ich wahrlich nicht, warum Sie Ihre Antworten so
spärlich aufbauen. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie:
Hatte Herr Fischer Kontakt zu anderen Palästinensern in
Deutschland oder fungierte er gegebenenfalls sogar als
Anlaufstelle bzw. als Ansprechpartner für Palästinenser in
Deutschland? Wenn ja, welche politischen Ziele ergaben
sich daraus?
Frau Bonitz, ich habe in einer der letzten Fragestunden schon einmal deutlich gemacht, dass fast alle Mitglieder der grünen Partei, die heute etwa im Alter von
Joschka Fischer oder von mir sind, in der Studentenbewegung - zu Zeiten der APO und danach - ständig zahlreiche Kontakte zu Palästinensern wie auch zu Vertretern
jüdischer Organisationen hatten und dass wir alle dazu
beigetragen haben, in Deutschland eine Außenpolitik zu
kreieren, die den Versöhnungsprozess zwischen Juden
und Palästinensern fördert.
({0})
Jetzt hat der Kollege
Koppelin das Wort.
Herr Staatsminister, da in
der Frage 11 nach der Finanzierung der Reise gefragt
wurde und da es in der letzten Woche verschiedene Presseberichte in Baden-Württemberg dazu gegeben hat,
möchte ich fragen: Wovon hat der jetzige Bundesaußenminister damals gelebt?
({0})
Stimmt es tatsächlich, was wir in diesen Tagen in den Zeitungen lesen konnten: dass er vom Bücherklau im großen
Stil gelebt haben soll? Es gibt auch Buchhändler aus der
linken Szene, die dies in vielen Artikeln der letzten Woche bestätigt haben, welche dem Auswärtigen Amt sehr
wahrscheinlich vorliegen.
({1})
Herr Kollege
Koppelin, bei allem Sinn für Humor: Auch diese Frage
lasse ich nicht zu.
({0})
Ich glaube nicht, dass die Bundesregierung die Frage beantworten muss, wie Herr Fischer im Jahre 1970 seinen
Lebensunterhalt finanziert hat.
({1})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.
Herr Fischer ist in einem relativ
jungen Alter - wenn auch nicht in einem jugendlichen Alter; denn mit 21 Jahren ist man nicht mehr jugendlich nach Algier gereist. Offenkundig ist dies eine teure Reise
Vizepräsidentin Anke Fuchs
gewesen. Wie wurde diese Reise für die gesamte Delegation finanziert? Wurde die Delegation eingeladen? Wurde
die Reise von Sponsoren oder aus eigenen Mitteln bezahlt?
Wir müssen auch
noch erfahren, ob es Trockenverpflegung gab, damit die
Leute nicht hungerten.
({0})
Frau Präsidentin, es interessiert
mich weniger, ob es Trockenverpflegung gab.
Darauf habe ich gewartet.
Herr Staatsminister, Ihre Antwort bitte.
Herr Niebel, ich kann nur wiederholen, dass es die
Bundesregierung nicht als ihre Aufgabe ansieht, in diesem
Sinne Geschichtsforschung zu betreiben.
Ich nehme meine Bemerkung zurück. Sie sagen zu Recht, dass mir eine Bemerkung dieser Art nicht zusteht. Ich bitte um Nachsicht,
dass ich diese Bemerkung gemacht habe.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass eine
Fragestunde nicht unterbrochen werden kann - es gab die
Absicht, dies zu beantragen -, weil dann die anderen Fragesteller benachteiligt wären.
Ich rufe nun die Frage 12 des Abgeordneten Werner
Siemann auf:
Wie begründet der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, seine in der Fragestunde vom 17. Januar 2001 aufgestellte
Behauptung, damals, 1985, habe die Union Franz Josef Jung nach
Karlsruhe zur Akteneinsicht bei der Bundesanwaltschaft geschickt, und er, Jung, sei über alles ({0}) unterrichtet?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Herr Siemann, die Bundesregierung sieht keinen
Anlass, in Bundestagsprotokollen nachlesbare Aussagen
im Nachhinein zu interpretieren.
Es wird keine Zusatzfrage gewünscht.
Ich rufe jetzt die Frage 13 des Abgeordneten Eckart
von Klaeden auf:
Bei welcher Gelegenheit hatte der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, seit seiner Ernennung zum Bundesminister Kontakt zu J. d. H., die von der Frankfurter Staatsanwaltschaft angeblich verdächtigt wird, als Mitglied der „Putzgruppe“
am 10. Mai 1976 einen Brandsatz auf den Polizisten J. W. geworfen zu haben, und ist Bundesminister Joseph Fischer mit ihr persönlich zusammengetroffen?
Herr von Klaeden, der Bundesregierung liegen
keine Hinweise hierzu vor. Im Übrigen sieht die Bundesregierung grundsätzlich keine Veranlassung, nichtdienstliche Kontakte ihrer Mitglieder zu recherchieren oder zu
kommentieren.
Erste Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, hat der Bundesaußenminister bei seiner Südamerikareise, in deren Verlauf er Straßenkinderprojekte in Brasilien besuchte, auch solche Projekte besucht - er hat sich
ja immerhin in derselben Stadt aufgehalten -, für die sich
auch Frau de Hohenstein einsetzt?
Herr von Klaeden, ich will Ihre Frage gerne beantworten. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn ich diese
Frage im Zusammenhang mit der Frage 15 des Abgeordneten Carl-Dieter Spranger, in der ebenfalls danach gefragt wird, beantworten könnte. Ich werde sehr präzise auf
diese Frage antworten.
({0})
Herr Kollege, wenn
die Frage 15 Ihrer Meinung nach nicht ausreichend beantwortet wird, dann können Sie nachfragen.
Gut, dann beantworten Sie diese Frage im Zusammenhang mit der
Frage 15.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Meine zweite Zusatzfrage lautet: Ist die Aussage von Frau de Hohenstein
richtig, dass sie - so hat sie sich 1999 in einer Illustrierten bezeichnet - eine Vertraute des Außenministers
ist?
Ich kann nicht beurteilen, ob diese Aussage richtig
ist. Ich weiß auch nicht, was Frau de Hohenstein damit gemeint haben könnte.
Nun rufe ich die
Frage 14 des Kollegen Eckart von Klaeden auf:
Wie ist der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
an einen Briefwechsel gelangt, von dem er vor dem Deutschen
Bundestag am 17. Januar 2001 berichtete, dieser Briefwechsel
zeige, wie man mit viel Geld die Erinnerungsfähigkeit von Zeugen beeinflusse, und welches Ereignis liegt diesen Andeutungen
einschließlich des von ihm angesprochenen Briefwechsels zugrunde?
Herr Staatsminister, bitte.
Herr von Klaeden, die Bundesregierung sieht keine
Veranlassung, zu recherchieren oder Stellung zu nehmen,
welche Briefe ein Mitglied der Bundesregierung als Privatmann und Abgeordneter wie erhalten hat.
({0})
Zusatzfrage eins.
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Herr
Bundesminister Fischer hier in der Fragestunde nicht als
Privatmann, sondern als Bundesminister geantwortet hat,
dass er diese Aussage als Bundesminister getan hat und
dass wir einen Anspruch darauf haben, den Wahrheitsgehalt seiner Antworten und seiner Ausführungen durch solche Fragen zu verifizieren?
({0})
Herr von Klaeden, den Wahrheitsgehalt des Briefes
können Sie verifizieren, indem Sie ihn in der Ausgabe der
„Süddeutschen Zeitung“ zwei Tage nach der Aussage
nachlesen. Dort ist er zitiert.
Frau Bonitz möchte
noch eine Zusatzfrage stellen. Bitte sehr.
Der Sachverhalt, der der
Frage des Kollegen von Klaeden zugrunde liegt, geht auf
eine Aussage von Herrn Fischer in der erwähnten Fragestunde im Januar zurück, die den Eindruck erweckt hat,
dass hier möglicherweise Zeugen gekauft worden sind.
Ich habe zwischenzeitlich Gelegenheit gehabt, in dieser
Angelegenheit mit der betreffenden Journalistin Kontakt
aufzunehmen. Sie bestreitet nachdrücklich, dass hier Geld
geflossen ist. Haben Sie konkrete Hinweise, dass hier irgendjemand in irgendeiner Weise bestochen worden ist,
um eine bestimmte Aussage gegen Herrn Fischer zu tätigen?
({0})
Ich habe keinen Anlass, die Aussage, die der Herr
Bundesminister selbst hier vor dem Plenum gemacht hat,
zu interpretieren.
({0})
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat jetzt der Kollege Hauser das Wort.
Herr Staatsminister, dieses Parlament muss ein Interesse daran haben,
festzustellen,
({0})
ob es Bestrebungen gibt, Aussagen gegen Mitglieder dieses Parlamentes oder dieser Bundesregierung einzukaufen und mit Geld bestimmen zu lassen. Insofern frage ich
Sie: Wie können Sie diesem Parlament die Antwort geben,
dass das eigentlich von untergeordnetem Interesse oder
ohne Interesse sei? Glauben Sie nicht, dass gerade eine
solche Antwort dazu beiträgt, Spekulationen Tür und Tor
zu öffnen, die es ansonsten eigentlich nicht geben müsste
und auch nicht geben sollte?
({1})
Herr Hauser, Sie haben nach der Herkunft dieses
Briefes gefragt.
({0})
- Den Inhalt hat der Bundesminister hier dargestellt. Er ist
im Nachhinein auch veröffentlicht worden.
Was die Herkunft angeht, kann ich nur noch einmal
betonen, dass es nicht Aufgabe der Bundesregierung ist,
zu recherchieren, wie Abgeordnete an ihre Informationen
kommen.
({1})
Nun rufe ich die
Frage 15 des Kollegen Carl-Dieter Spranger auf:
Welche Straßenkinderprojekte werden in Brasilien von
Deutschland unterstützt und welche Projekte hat der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, 1999 in Brasilien auf seiner Reise besichtigt?
Herr Staatsminister, bitte.
Herr Spranger, im Rahmen der technischen Zusammenarbeit im weiteren Sinne hat das BMZ Förderzuschüsse für zwei Vorhaben kirchlicher Träger bereitgestellt, die sich überwiegend mit Straßenkindern befassen.
Darüber hinaus kommen EZ-Projekte, die die Sozialstruktur in benachteiligten Wohngegenden, den so genannten
Favelas, fördern, indirekt Straßenkindern zugute.
Bei den beiden Programmen kirchlicher Träger handelt
es sich um ein Förderprogramm der Katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe im Bereich Berufsausbildung und einkommensschaffende Maßnahmen für
Frauen und Jugendliche in Natal - das ist in Rio Grande
del Norte - und um berufsbildende Kurse des gleichen
Trägers für Jugendliche in Nova Iguacu in Rio de Janeiro.
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Der Bundesminister des Auswärtigen besichtigte auf
seiner Brasilienreise am 26. Juni 1999 ein Projekt der
Organisation CEDECA in der brasilianischen Stadt Salvador de Bahia. CEDECA steht für Zentrum zur Verteidigung der Rechte von Kindern und Jugendlichen.
Das besuchte Hilfsprojekt „Pro Direitos“ in Salvador
de Bahia dient der Aufklärung benachteiligter Bevölkerungsgruppen über ihre politischen und juristischen
Rechte. Dies umfasst zum Beispiel die Beratung, wie
Straßenkinder Ausweise und andere Dokumente beantragen können.
CEDECA widmet sich daneben auch dem Kampf gegen Kinderpornographie und hat zur Unterstützung dieses
Projekts im Jahr 2000 aus Mitteln deutscher Entwicklungshilfe 9 301,22 DM für die Anschaffung von Computern erhalten.
({0})
Zusatzfrage, Herr
Kollege Spranger.
Herr Staatssekretär, kann es sein, dass die von Ihnen genannten Projekte in
irgendeiner Form auch von Frau de Hohenstein betreut
werden oder dass sich Frau de Hohenstein in irgendeiner
Form in diesen Projekten engagiert?
Herr Spranger, dazu kann ich keine Aussagen
machen. Da ich aber weiß, worauf Sie oder Herr von
Klaeden hinaus wollen, kann ich Ihnen sagen, dass Frau
de Hohenstein,
({0})
die offensichtlich in der Region ansässig ist, nicht in die
Vorbereitung dieses Besuchs einbezogen war, der auf dem
üblichen Wege organisiert wurde, also durch das Protokoll nach Absprache mit unseren dortigen Honorar- und
Generalkonsulaten.
Zweite Zusatzfrage,
Herr Kollege Spranger.
Würden Sie
bitte zur Kenntnis nehmen, dass ich nicht nach der
Vorbereitung des Besuches und der Beteiligung von Frau
de Hohenstein an der Organisation des Besuches, sondern
nach dem Engagement der Frau de Hohenstein in den von
Ihnen genannten Projekten gefragt habe?
({0})
Würden Sie bitte zu der von mir gestellten Frage Stellung
nehmen?
Herr Spranger, wenn ich dies beantworten könnte,
täte ich es gerne; denn es handelt sich um ein gutes und
positives Projekt. Wenn jemand in ihm mitarbeitet, tut er
mit Sicherheit Gutes.
({0})
Zusatzfrage, Herr
Kollege von Klaeden.
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, dass Frau
de Hohenstein verdächtigt wird, den Brandsatz geworfen
zu haben, der den Polizisten Weber lebensgefährlich verletzt hat, und ist der Bundesaußenminister auf seiner
Südamerikareise mit Frau de Hohenstein zusammengetroffen?
Zum ersten Teil Ja, zum zweiten Teil Nein.
Weitere Zusatzfragen? - Herr Gehrcke.
Herr Staatsminister, können Sie sich vorstellen, dass bei dem furchtbaren Schicksal von Straßenkindern, die von Not, Elend, Krankheit
und sogar Mord bedroht sind, jeder, der hilft, gefragt ist
und ein anständiges Werk tut? Können Sie sich ferner
vorstellen, dass ein Verdacht immer noch kein Beweis
ist?
Herr Kollege, ich kann Ihnen bestätigen, dass ein
Verdacht kein Beweis ist. Ich bestätige Ihnen auch, dass
es immer hilfreich ist, wenn sich Menschen für solche
Projekte engagieren. Dies wäre auch dann wichtig und
notwendig, wenn es sich um Personen handelte, die gerade dabei sind, sich zu rehabilitieren.
({0})
Jetzt kommt die
Frage 16 des Kollegen Spranger:
Hat die Bundesregierung seit 1998 direkt oder indirekt das
Bert-Brecht-Institut in Montevideo finanziert und, wenn ja, mit
welchen Beträgen?
Bitte sehr.
Herr Kollege Spranger, ich gehe davon aus, dass mit
dem „Bert-Brecht-Institut“, nach dem Sie fragten, das im
Jahr 1964 von deutschen Emigranten in Montevideo gegründete Bert-Brecht-Haus gemeint ist, das es sich zur
Aufgabe gemacht hat, im sozialen und kulturellen Bereich
Verbindungen zwischen deutschen und uruguayischen
Bürgern und Institutionen zu fördern.
({0})
Das Bert-Brecht-Haus erhielt in dem hier relevanten
Zeitraum einen Zuschuss von 500 DM für ein Bach-Konzert aus Mitteln des Kulturfonds der Botschaft in Montevideo; die Zuwendung wurde am 13. September 2000
geleistet. Aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde ein kommunalpolitisches Seminar der Rosa-Luxemburg-Stiftung, das vom
23. September bis zum 21. Oktober in Montevideo stattfand, mit 46 000 DM unterstützt. Örtlicher Partner der
Rosa-Luxemburg-Stiftung war das Bert-Brecht-Haus, das
20 000 DM für Leistungen im Rahmen der Durchführung
dieses Seminars erhielt.
Herr Kollege Spranger, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, dass dort Frau
Margrit Schiller als Sprachlehrerin tätig ist?
Der Bundesregierung ist bekannt, dass Frau Schiller
dort hin und wieder als Sprachlehrerin tätig ist.
Zweite
Zusatzfrage, Herr Kollege Spranger.
Können Sie die
Formulierung „hin und wieder“ vielleicht in Wochenstunden konkretisieren?
Ich kann - darauf wollen Sie hinaus, Herr Kollege
Spranger - auf jeden Fall sagen, dass Frau Schiller an diesen beiden von der Bundesregierung über Stiftungen und
NGOs mitfinanzierten Projekten nicht beteiligt war.
Weitere
Zusatzfragen dazu gibt es nicht.
Dann rufe ich Frage 17 des Kollegen Hans-Peter Uhl
auf:
Hat der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
Kenntnis, wie der Kontakt von Margrit Schiller zu Hans-Joachim
Klein zustande gekommen ist?
Herr Uhl, die Bundesregierung verweist auf die Antwort auf Frage 1 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten
Jürgen Koppelin und andere und der Fraktion der F.D.P.,
Bundestagsdrucksache 14/5303, mit dem Titel „’Absurde
Vorwürfe‘ gegen den jetzigen Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer ...“.
Zusatzfrage, Herr Kollege Uhl, bitte schön.
Herr Staatsminister,
da ich diese Erklärung hier in Händen halte und nachdem
zu der von mir gestellten Frage dazu keine Ausführungen
gemacht worden sind, frage ich Sie jetzt präziser: Ist es
richtig, dass Hans-Joachim Klein für die RAF im Rahmen
des Aufenthaltes von Margrit Schiller bei Fischer und
Cohn-Bendit rekrutiert wurde, wie „Focus“ in seiner Ausgabe vom 5. Februar 2001 berichtete?
Herr Kollege Uhl, da dies alles Gegenstände eines
Gerichtsverfahrens gegen Herrn Klein waren, möchte ich
das nicht kommentieren.
Weitere
Zusatzfrage, Herr Kollege Uhl.
Herr Staatsminister,
wir wissen, dass Joschka Fischer zum einen immer das
Vorbild des Terroristen Hans-Joachim Klein war.
({0})
- Das hat er selbst gesagt. - Zum anderen fühlt er sich
noch heute für den terroristischen Werdegang von
Hans-Joachim Klein verantwortlich. Könnten Sie sich
vorstellen, dass Fischers schlechtes Gewissen in Bezug
auf Hans-Joachim Klein daher rührt, dass dieser durch
seine Vermittlung zum Terroristen geworben wurde?
({1})
Herr Uhl, wenn Herr Fischer tatsächlich Vorbild von
Herrn Klein gewesen wäre, dann wäre Herr Klein nicht
auf diese Abwege geraten.
({0})
Zusatzfrage, Kollegin Bonitz.
Herr Staatsminister, räumen Sie ein, dass die Frage früherer Kontakte zwischen
Herrn Fischer und Terroristen oder im Umfeld des Terrorismus agierenden Personen auch für den heutigen Bundesaußenminister im Hinblick auf seine Biografie und
seine Vorbildfunktion eine Relevanz haben kann?
Beantworten Sie bitte in diesem Zusammenhang auch
die Frage, zu welchen weiteren Terroristen bzw. Mitgliedern der RAF, der Bewegung des 2. Juni oder der Revolutionären Zellen Herr Fischer früher Kontakt hatte.
Diese Frage ist bislang nicht beantwortet worden. Ich
hatte sie schon einmal schriftlich gestellt und immer wieder wurde lediglich auf die von Ihnen zitierte Antwort
verwiesen.
({0})
Frau Kollegin, da müssten Sie schon definieren,
welche Personen Sie meinen und was Sie unter „Kontakt“
verstehen.
({0})
Herr Kollege Koppelin, zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wollen wir es doch einmal konkreter machen.
({0})
- Er weicht ja immer aus. Dabei müssen wir uns doch darüber unterhalten. - Herr Staatsminister, also konkret gefragt: Es gibt Informationen, dass eventuell der jetzige
Außenminister Kontakt- und Gesprächsperson für den
Kreis der Palästinenser, die zu der damaligen Zeit, als
Herr Fischer militant war, in Deutschland gelebt haben,
gewesen ist. Haben Sie davon Kenntnis? Gibt es darüber
Informationen, oder können Sie uns hierüber Auskünfte
geben? Oder sind Sie bereit, uns darüber schriftliche Auskünfte zu geben?
Herr Koppelin, wie ich vorhin schon einige Male
sagte, ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, nachzurecherchieren, mit wem Mitglieder der Bundesregierung
vor ihrem Eintritt in die Bundespolitik im Einzelnen Kontakte hatten. Darüber hinaus sage ich: Wir alle hatten diese
Kontakte, und wir alle haben insoweit davon profitiert,
dass wir heute an einer Nahostpolitik mitarbeiten, die allgemein anerkannt ist.
({0})
Zusatzfrage, Kollegin Grießhaber.
Herr Staatsminister, finden Sie es nicht auch äußerst
merkwürdig, von welcher Art Überwachungsstaat die
F.D.P., eine liberale Partei, ausgeht?
({0})
Sie glaubt, dass Personen für den Zeitraum, in dem sie
kein Regierungsamt hatten und ihr Leben ganz normal
gelebt haben, also über 20, 30 Jahre zurück, einen
lückenlosen Nachweis darüber liefern können, wen sie
angeschaut, mit wem sie gefrühstückt und wen sie getroffen haben, bzw. protokolliert haben, wann mit wem
was passiert ist. Ist es nicht unglaublich, dass eine liberale Partei eine solche Überwachung fordert bzw. für
möglich hält?
({1})
Frau Kollegin, als Vertreter der Bundesregierung
muss ich mir hier Adjektive wie „merkwürdig“ verkneifen.
Zusatzfrage des Kollegen Hauser.
Herr Staatsminister, da Ihnen, wie Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Koppelin deutlich machte, der Inhalt des Begriffes
„Kontakte“ durchaus geläufig ist, möchte ich Sie fragen,
ob Sie aufgrund dessen vielleicht doch bereit wären, die
Frage der Kollegin Bonitz zu beantworten, die nach den
Kontakten zur RAF fragte, was Sie mit der Gegenfrage,
was sie unter Kontakte verstehe, beantwortet haben.
Solange ich Herrn Fischer kenne - das ist seit 1983
der Fall -, hat er sich in allen Diskussionen, die in der Partei und in der Fraktion der Grünen über das Thema RAFTerrorismus stattgefunden haben, ganz eindeutig
geäußert.
({0})
Er hat erstens den Terrorismus in jeder Hinsicht, also sowohl was die Begründung als auch was die Auswirkungen
angeht, klar verurteilt und er hat zweitens an der Beantwortung der Frage mitgearbeitet, wie man verhindern
könne, dass noch mehr Menschen in diese grausame
Sackgasse laufen.
({1})
Zusatzfrage, Kollege Niebel.
Herr Staatsminister, Sie haben
mehrfach geäußert, dass es nicht Aufgabe der Bundesregierung ist, zu eventuellen Kontakten des Außenministers
zu Palästinensern oder zu PLO-Aktivisten bzw. PLOTerroristen Stellung zu nehmen. Da Sie gesagt haben, Sie
alle hätten Kontakte zu Palästinensern gehabt, die Sie sehr
befruchtet hätten, würde mich interessieren, ob Sie persönlich Kontakte zu palästinensischen Extremisten hatten, die eventuell an Straftaten gegen Israel beteiligt gewesen sind.
Ich kann Ihnen bestätigen, dass ich während meiner
Studienzeit jede Menge Kontakte zu Palästinensern hatte.
Was die im Einzelnen getrieben haben - außer dass sie mit
mir an der Universität diskutiert haben -, darüber kann ich
Ihnen keine Auskunft geben.
Dann
kommen wir zur Frage 18 des Kollegen Jürgen Koppelin:
Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Antwort auf die Kleine
Anfrage der F.D.P.-Fraktion auf Bundestagsdrucksache 14/5303,
dass die Frage, ob der jetzige Bundesminister des Auswärtigen,
Joseph Fischer, Teilnehmer einer Gruppe war, die sich unter Bewaffnung mit Molotowcocktails am 19. September 1975 zum
Spanischen Generalkonsulat in Frankfurt begeben hat, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 17. Januar 2001 beantwortet worden ist, und wenn ja, wo ist diese Antwort im Protokoll
des Deutschen Bundestages zu finden?
Herr Koppelin, die Bundesregierung verweist auf
die Seiten 13 892, 13 898, 13 900 und 13 902 des Protokolls 14/142 der Fragestunde des Deutschen Bundestages
am 17. Januar 2001, auf denen einschlägige Äußerungen
des Bundesministers zu diesem Fragekomplex zu finden
sind. Die Bundesregierung hat den Äußerungen des Bundesministers in dem Interview im „Spiegel“ 2/2001, das
bereits in der diesbezüglichen Kleinen Anfrage der Abgeordneten Jürgen Koppelin und anderer und der Fraktion
der F.D.P.-Bundestagsfraktion auf Bundestagsdrucksache
14/5303 mit dem Titel „’Absurde Vorwürfe‘ gegen den jetzigen Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer ...“
zitiert wird, nichts hinzuzufügen.
Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zur Frage 1
der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Jürgen Koppelin
und anderer und der Fraktion der F.D.P. auf Bundestagsdrucksache 14/5303 mit dem Titel „’Absurde Vorwürfe‘
gegen den jetzigen Bundesminister des Auswärtigen,
Joseph Fischer ...“.
Zusatzfrage, Kollege Koppelin.
Da Ihnen der Vorspann zu
unserer Anfrage anscheinend so gut gefällt, dass Sie ihn
mehrfach wiederholt haben, frage ich Sie, aus welchen
Gründen Sie bei der Zitierung die Anführungszeichen
weglassen. Sie wissen, dass das Zitierte ein wörtliches Zitat des Außenministers selbst ist.
Herr Staatsminister, Sie machen auch jetzt, im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Spanische Generalkonsulat, genau das, was wir Ihnen vorwerfen - deswegen
finden ja diese Fragestunden statt, wenn ich das bemerken
darf -: Sie verweisen auf etwas, was so in dem Interview
und auch in den Protokollen überhaupt nicht zu finden ist.
Aber da Sie auf den „Spiegel“ Bezug genommen haben
- das entsprechende Exemplar habe natürlich auch ich
hier -, darf ich Sie noch etwas fragen.
Der Minister ist im „Spiegel“-Interview gefragt worden,
ob er beim Sturm auf das Spanische Generalkonsulat, bei
dem 45 Molotowcocktails geworfen worden seien, dabei
gewesen sei. Darauf Fischer: „Ich war bei den meisten
Demos dabei. Allerdings halte ich Ihre Zahlen“ - ich vermute, es geht hier um die Molotowcocktails - „für ziemlich
abenteuerlich.“ Das heißt, er ist dabei gewesen.
({0})
- Entschuldigung, das lese ich daraus. Ich habe darauf
noch keine vernünftige Antwort. Wie können Sie „Nein!“
sagen? Wahrscheinlich sind Sie dabei gewesen.
Ich frage - mit der Bitte um eine klare Antwort -: Ist er
dabei gewesen? Und wenn er dabei gewesen ist: Wie kann
er beurteilen, wie viele Molotowcocktails geflogen sind?
Herr Koppelin, leider haben Sie die Zitierung zum
falschen Zeitpunkt abgebrochen. Hätten Sie weiter zitiert,
dann hätten Sie vorlesen müssen: „Fischer: ... Ich hatte
weder Steine noch Molotowcocktails dabei.“
({0})
Herr Kollege Koppelin, Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Wollen Sie diese stellen? - Bitte schön.
Ich stelle erst einmal fest:
Danach habe ich überhaupt nicht gefragt. Herr Staatsminister, Sie müssen zuhören, wenn man hier fragt. Das ist
ja das Problem, das wir hier mit Ihnen haben.
Ich frage also noch einmal: Ist er bei diesem Sturm auf
das Spanische Generalkonsulat dabei gewesen? Ich habe
nicht behauptet, dass er Steine oder Molotowcocktails
geworfen hat. Aber zumindest muss er doch im Umfeld
erfahren haben, dass Steine und Molotowcocktails
geworfen worden sind. Ich frage Sie also: Ist er dabei
gewesen?
Ich lese Fischers Aussage: „Ich war bei den meisten
Demos dabei.“ Diese Aussage muss ich nicht weiter interpretieren.
({0})
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, Sie haben das Recht, Fragen
zu stellen, und der Herr Staatsminister hat die Pflicht,
diese Fragen zu beantworten - beides kurz und präzise.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Bonitz. Bitte schön.
Herr Staatsminister,
räumt die Bundesregierung ein
({0})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
- wir sind hier nicht im Hühnerstall, sondern im Deutschen Bundestag, und ich habe momentan das Wort -,
({1})
dass die präzise Aufklärung der Frage, wer am Vorbereitungstreffen zum Sturm auf das Spanische Generalkonsulat oder an diesem Protesttreffen selbst teilgenommen hat,
bei dem es zum Einsatz von Molotowcocktails kam, im
Rahmen der Aufklärung des Mordanschlages auf den Polizisten Jürgen Weber von besonderer Bedeutung ist, und
bejaht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
das Interesse der Bundesrepublik Deutschland , dass deswegen alles verfügbare Material, das zur Aufklärung beitragen kann, auch hinzugezogen werden muss?
({2})
Die Bundesregierung befürwortet mit Nachdruck,
dass sich die zuständigen Justizbehörden - das sind wohl
die des Landes Hessen - um die Aufklärung dieser Ereignisse bemühen. Sobald vom hessischen Justizministerium
entsprechende Anfragen nach Amtshilfe an die Bundesregierung gerichtet werden, wird die Bundesregierung
selbstverständlich darauf eingehen.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Hohmann.
Herr Staatsminister,
gehen wir noch einmal auf das „Spiegel“-Interview ein: Daraus ergibt sich doch sehr genau, dass Herr Bundesaußenminister Fischer damals mit dabei gewesen sein muss. Denn
er sagt: „Ich war bei den meisten Demos dabei.“ Es wäre ein
Leichtes gewesen, zu sagen: „Ich war nicht dabei.“ Das hat
er nicht gesagt. Weiter heißt es dann von ihm: „Auch diese
Aktion war spontan. Ich hatte weder Steine noch Molotowcocktails dabei.“ Letzteres ist doch sehr konkret. Das heißt,
er war dabei, wenn auch - das ist ja schon einmal schön ohne Steine und Molotowcocktails.
({0})
Nun frage ich ({1})
Herr Kollege Hohmann, Sie haben das Wort. Lassen Sie sich nicht
unterbrechen.
Was muss man sich
denn unter einer spontanen Aktion vorstellen,
({0})
wenn bei dieser Aktion ganz plötzlich und von irgendwoher Molotowcocktails auftauchen? Wahrscheinlich haben
diejenigen, die hier so ausgiebig lachen, bei ihren Demonstrationen immer Molotowcocktails in der Tasche gehabt; anders kann ich es mir nicht vorstellen.
({1})
Was heißt „spontan“?
({2})
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, durch Ihre Lautstärke verlängern Sie die Fragen, die Sie gar nicht verlängert haben
möchten. Deswegen möchte ich Sie bitten, sich etwas ruhiger zu verhalten. So erhält der Herr Staatsminister die
Chance, die Frage akustisch zu verstehen.
Sie, Herr Hohmann, möchte ich auffordern, die Frage
kurz und präzise zu stellen, damit sie auch präzise beantwortet werden kann.
Ich frage: Was ist unter einer spontanen Aktion zu verstehen, bei der ganz
plötzlich und aus dem Nichts heraus Molotowcocktails
auftauchen? Jeder weiß: Sie erfordern eine lange Vorbereitung und müssen transportiert werden. Wie ist das also
zu verstehen?
({0})
Herr Hohmann, ich selber bin kein Experte für die
Herstellung von Molotowcocktails. Ich weiß nicht, wie
lange man dafür braucht. Ich kann Ihnen nur sagen: Der
heutige Bundesaußenminister hat in diversen Interviews,
öffentlich und auch hier mit aller Deutlichkeit erklärt,
dass er die Herstellung und Nutzung von Molotowcocktails abgelehnt hat und heute noch selbstverständlich
ablehnt.
({0})
Im Übrigen möchte ich sagen: Es war damals absolut
nicht ehrenrührig, gegen das Franco-Regime zu demonstrieren.
({1})
Ich würde mir eher wünschen, Herr Hohmann, Sie hätten
damals mitdemonstriert.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Hauser.
Herr Staatsminister, über die Spontaneität von Herrn Scharping wissen
wir alle Bescheid; da sind wir schon etwas spontaner. Herr
Staatsminister, wir wissen, dass Sie nicht dazu da sind,
Exegese zu betreiben. Deshalb stelle ich präzise die
Frage: War Herr Fischer bei der Demonstration am
19. September 1975 oder war er nicht dort?
Da der Minister von mehreren Demonstrationen gesprochen hat,
({0})
an denen er teilgenommen hat, ist nicht auszuschließen,
dass er auch bei dieser dabei war. Das heißt aber nicht,
dass er in den Zusammenhang gerückt werden kann, in
den Sie ihn rücken. Die Motivation damals, an Demonstrationen gegen das Franco-Regime teilzunehmen, war
außerordentlich ehrenhaft.
({1})
Ich weiß noch, dass es darum ging, Todesurteile gegen
spanische Oppositionelle, die vom Franco-Regime verhängt worden waren, möglichst durch öffentlichen internationalen Druck zu verhindern. Wenn etwas außer der
Gewaltanwendung, die geschehen ist, zu bedauern ist,
({2})
dann ist es die Tatsache, dass dieser öffentliche Druck
nicht den erwünschten Erfolg hatte und die fünf Oppositionellen vom Franco-Regime hingerichtet wurden.
({3})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Uhl.
Nachdem wir in
Bezug auf die Demonstration, bei der 45 Molotowcocktails geworfen und zwei Polizisten schwer verletzt wurden, der Wahrheit näher kommen, frage ich noch einmal
- Sie sprachen davon, es sei nicht auszuschließen, dass er
dabei war -: Wenn Fischer selbst sagt: „Ich hatte weder
Steine noch Molotowcocktails bei dieser Demonstration
dabei“, ist es dann auszuschließen, dass er dabei war?
Heißt das nicht, dass er dabei gewesen sein muss?
Herr Uhl, viele, die dabei waren, haben sich friedlich verhalten. Es ist absolut nicht akzeptabel, dass Menschen, die aus ehrenwerten Gründen und mit einer absolut berechtigten Zielsetzung gegen das Franco-Regime
demonstriert haben, in den Zusammenhang mit Gewalttätern gerückt werden.
({0})
Zusatzfrage der Kollegin Göring-Eckardt.
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung,
dass die Fragen nach der Beantwortung von Fragen in den
vergangenen Fragestunden und auch die Art und Weise
der Textexegese, die uns heute beschäftigen, möglicherweise Ausdruck der politischen Handlungsunfähigkeit der
Opposition in der Gegenwart sind?
({0})
Frau Kollegin, es steht mir als Sprecher der Bundesregierung nicht zu, ein solches Urteil abzugeben. Aber
wenn Sie das so empfinden und ausdrücken, kann ich das
nachempfinden.
({0})
Zusatzfrage des Kollegen Niebel.
Herr Staatsminister, Sie haben
mehrfach zum Ausdruck gebracht, wie ehrenwert es war,
an dieser Demonstration vor dem Spanischen Generalkonsulat teilzunehmen, bei der 45 Molotowcocktails geworfen und zwei Polizisten schwer verletzt wurden.
({0})
Wenn es denn so ehrenwert war, an dieser Demonstration
teilzunehmen, aus welchem Grund traut sich der Bundesaußenminister nicht, zu sagen: „Ich habe daran teilgenommen“?
({1})
Herr Kollege, Sie haben mich gerade falsch zitiert.
Ich habe gesagt, dass es ehrenwert war, gegen Franco zu
demonstrieren.
({0})
Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
({0})
Herr Staatsminister, wir stimmen überein, dass es ehrenwert ist, gegen
Norbert Hauser ({0})
Franco demonstriert zu haben. Der damaligen Berichterstattung entnehmen wir, dass es an diesem Tag zwei Demonstrationen gegeben hat, und zwar eine friedfertige,
die die Polizeikräfte gebunden hat, und eine andere vor
dem Spanischen Generalkonsulat, die konspirativ organisiert worden ist und aus der heraus Gewalttätigkeit stattgefunden hat, also das Werfen von Molotowcocktails und
von Steinen, von denen die Rede war. Ich frage Sie: Wenn
wir jetzt schon festgestellt haben, dass der Herr Minister
an dieser Demonstration teilgenommen hat, an welchem
Teil der Demonstration hat er teilgenommen?
Wir haben nicht ausgeschlossen, Herr Klaeden, dass
der Herr Minister an diesem Tag demonstriert hat; das haben wir festgestellt. Im Übrigen bleibe ich bei dieser Wertung. Soweit an diesem Tag Gewalttaten verübt worden
sind, ermitteln meines Wissens die hessischen Justizbehörden. Wenn die hessischen Justizbehörden die Bundesregierung um Amtshilfe bitten, wird die Bundesregierung dem nachkommen. Die Bundesregierung betreibt
aber keine Geschichtsforschung.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
({0})
Herr
Tauss, es freut mich, dass Sie begrüßen, dass auch ich eine
Frage stelle.
Herr Staatsminister, Sie haben vorhin dargestellt, dass
der Bundesaußenminister Wert darauf legt, dass er zu dieser Demonstration keine Molotowcocktails und auch
keine Steine mitgenommen hat. Können Sie denn ausschließen, dass er welche geworfen hat?
({0})
Nun, Herr Kollege, wenn er ausgeschlossen hat,
welche gehabt zu haben, kann er nach den Regeln der Logik auch keine geworfen haben.
({0})
Frau Kollegin Bonitz, Sie hatten bereits eine Zusatzfrage in diesem
Zusammenhang. Deswegen steht Ihnen eine weitere nicht
zu.
Wir kommen damit zur Frage 19 des Kollegen Uhl:
Trifft es zu, dass der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, an einem Treffen am Nachmittag des 19. September 1975
im Frankfurter Westend zusammen mit Daniel Cohn-Bendit,
Georg Dick und Matthias Beltz und anderen teilgenommen hat,
bei dem die Attacke auf das Spanische Generalkonsulat vorbereitet wurde, wie der „Spiegel“ in seiner Ausgabe 6/2001 vom 5. Februar 2001 berichtet?
Herr Uhl, die Bundesregierung verweist auf die Antwort zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten
Jürgen Koppelin und andere und der Fraktion der F.D.P.,
Bundestagsdrucksache 14/5303 mit dem Titel „Absurde
Vorwürfe“ gegen den jetzigen Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer...“.
({0})
Herr Kollege Uhl, Zusatzfrage.
Herr Staatsminister,
in meiner Frage, die Sie gerade nicht beantwortet haben,
ging es darum, dass diese sehr gewalttätige Demonstration vor dem Spanischen Generalkonsulat mit den bekannten Folgen natürlich keine Spontanversammlung,
sondern eine lang vorbereitete Versammlung war, an der
laut „Spiegel“ 6/2001 nach Verfassungsschutzberichten
Joschka Fischer teilgenommen hat.
Halten Sie es für denkmöglich, dass Herr Fischer die
Wahrheit sagt, wenn er sagt, dass diese Versammlung
spontan gewesen sei?
Herr Kollege Uhl, ich halte es immer für denkmöglich, dass Herr Minister Fischer die Wahrheit sagt, wenn
er sich zu etwas äußert. Ganz generell darf ich Ihnen sagen: Die Bundesregierung ist nicht berechtigt, personenbezogene Daten aus Verfassungsschutzberichten öffentlich zu kommentieren.
({0})
Weitere
Zusatzfrage? - Bitte schön.
Herr Staatsminister,
ich frage Sie, ob Sie mir hinsichtlich der Einschätzung
dieser Demonstration vor dem Spanischen Generalkonsulat dahin gehend Recht geben, dass dies eine geplante Demonstration gewesen sein muss und keine Spontanversammlung gewesen sein kann?
Herr Uhl, darüber, inwieweit Spontaneität auch ein
Mindestmaß an Planung voraussetzt, kann man lange diskutieren.
({0})
Ich glaube, es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, zu
recherchieren, wie Demonstrationen organisiert werden.
({1})
Zusatzfrage des Kollegen Gehrcke.
({0})
Herr Staatsminister, mein
Eindruck ist, dass durch die Art und Weise, mit der Mitglieder dieses Hauses hier aus Verfassungsschutzberichten, die nicht öffentlich zugängig sind, zitieren und sie so
in das parlamentarische Verfahren einführen, das politische Klima etwas vergiftet und das Bild geweckt wird
- das ich nicht teile -, als ob wir in der Bundesrepublik alt
in einem Polizei- und Verfassungsschutzstaat gelebt hätten. Ich möchte gern wissen, ob Sie das ähnlich sehen.
Diese Art, aus nicht veröffentlichten Berichten zu zitieren,
finde ich schon bemerkenswert.
({0})
Herr Gehrcke, die Bundesregierung wird diese
Dinge deshalb nicht mitmachen. - Ich möchte der Klarheit halber eines richtig stellen, damit hier keine falschen
Gerüchte im Raum wabern, Herr Uhl: Es gibt beim Verfassungsschutz keine Personenakte Joschka Fischer, sondern offenbar nur eine Sachakte.
({0})
Zusatzfrage, Kollege Koppelin.
Herr Staatsminister, nun
will auch ich mich einmal in der Art äußern, wie Sie teilweise geantwortet haben. Sind Sie bereit, den Dank der
F.D.P.-Fraktion dafür entgegenzunehmen, dass Sie so oft
unsere Kleine Anfrage erwähnt haben? Ich höre aus unseren Fraktionsräumen, dass viele Journalisten anrufen und
diese Anfrage sowie die Antworten darauf haben möchten. Sind Sie bereit, unseren Dank dafür entgegenzunehmen, dass Sie solche Werbung dafür gemacht haben?
({0})
Herr Koppelin, wir tun gern vieles, um der F.D.P.
wieder auf die Beine zu helfen.
({0})
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Bonitz.
Herr Fischer hat sich bei
seiner Aussage vor dem Frankfurter Landgericht Mitte Januar dieses Jahres auf Erinnerungslücken berufen. Er
sagte, nach seiner Erinnerung wisse er nicht mehr genau,
ob er an dem in der hier aufgerufenen Frage erwähnten
Vorbereitungstreffen teilgenommen habe. Ich frage, ob
sich in Anbetracht der inzwischen erfolgten Presseberichterstattung, nach der sich Zeugen erinnern können,
dass Herr Fischer an diesem Vorbereitungstreffen teilgenommen hat, bei dem eindeutig darüber gesprochen worden sein soll, dass am nächsten Tag Molotowcocktails
eingesetzt werden sollten, das Erinnerungsvermögen von
Herrn Fischer hierzu zwischenzeitlich wieder eingestellt
hat bzw. ob Sie inzwischen präzisere Aussagen zu einer
Teilnahme von Herrn Fischer an diesem Vorbereitungstreffen machen können.
Frau Kollegin Bonitz, ich habe vorhin die Aufgabe
der Bundesregierung in diesem Zusammenhang sehr genau und präzise beschrieben: Sollten die hessischen Justizbehörden Anfragen an die Bundesregierung richten,
wird die Bundesregierung kooperieren; sie reagiert aber
nicht länger auf Kolportage.
({0})
Die Fragen 20 und 21 des Kollegen Koschyk sollen schriftlich beantwortet werden. Deswegen sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatsminister, ich bedanke mich für
die Beantwortung.
Auch die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen sollen schriftlich beantwortet
werden.
Deswegen kommen wir zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Wie
ich sehe und höre, ist die Frau Staatssekretärin Margareta
Wolf nicht mehr anwesend. Sie hat den Saal vor Beendigung der Fragestunde verlassen. Deswegen gilt für diesen
Fragekomplex die Regelung aus Anlage 4 Nr. 11 unserer
Geschäftsordnung, dass diese Fragen zu Beginn der nächsten Fragestunde mit Vorrang gestellt werden können.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Die Fragen 30 bis 33 sollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten HeinrichWilhelm Ronsöhr auf:
Haben die deutschen Landwirte nicht dadurch, dass sie produktbezogene Rinderprämien für nur 1,6 Millionen Rinder in Anspruch genommen haben, verantwortlicher und vernünftiger gehandelt als Bundeskanzler Gerhard Schröder, der bei den
Beschlüssen zur Agenda 2000 Schlachtprämien für 1,782 Millionen Rinder ausgehandelt hat, und wird den Landwirten daher
nicht von der Bundesregierung zu Unrecht eine Überproduktion
vorgeworfen, die wesentlich größer gewesen wäre, wenn die
Landwirte die ausgehandelten Prämien ausgeschöpft hätten?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.
Herr Kollege Ronsöhr, die Bundesregierung hat im Rahmen der Agenda-2000-Verhandlungen erreicht, dass der seit 1996 geltende nationale Plafond für Sonderprämien für Rinder in Höhe von
1,782 Millionen Prämienrechten erhalten werden konnte.
Dies gab den deutschen Rindermästern die Möglichkeit,
im Rahmen der bestehenden Besatzdichteregelung von
zwei Großvieheinheiten pro Hektar gewisse Aufstockungen vorzunehmen, wenn die Marktlage dies zuließ. Eine
Reihe von Rindermästern hat im Jahre 2000 von dieser
Möglichkeit Gebrauch gemacht, da sich der Rindfleischmarkt zunächst sehr gut entwickelte. Der Plafond wurde
jedoch nicht in voller Höhe ausgeschöpft.
Vor dem Hintergrund der BSE-Krise wirft die Bundesregierung den Landwirten keine Überproduktion vor, da
bis November 2000 der Markt in einem Gleichgewicht
war.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Ronsöhr.
Herr Staatssekretär, schließen Sie für die Zukunft aus, dass die Verbraucherministerin Renate Künast den Bauern erneut vorwirft, sie hätten beim Rindfleisch am Markt vorbei
produziert, obwohl die Bundesregierung bei den Verhandlungen zur Agenda 2000 eine produktionsbezogene
Quote von 1,8 Millionen für Rinder ausgehandelt hat und
die Bauern, wie ich jetzt erfahren habe, nur eine Quote
von 1,5 Millionen durch ihre Produktion ausgeschöpft haben? Ich habe Sie bewusst gefragt, ob sich die Bauern vernünftiger als der Bundeskanzler verhalten haben, der
diese produktionsbezogenen Quoten ausgehandelt hat.
Herr Kollege, zunächst einmal gibt es in
verschiedenen Bereichen eine Überproduktion. Wir werden in den nächsten Monaten vor dem Riesenproblem stehen, dass der Rindfleischkonsum im Gegensatz zum
Milchkonsum massiv zurückgegangen ist. Damit sind
auch die Landwirte in Deutschland als Unternehmerinnen
und Unternehmer gefragt, zu prüfen, inwieweit sie im Bereich der Rindermast für eine Überproduktion verantwortlich sind.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Ministerin
geäußert. Sie hat gesagt, dass sich in Anbetracht der Krise,
die jetzt eingetreten ist, alle Beteiligten - das schließt auch
die Landwirte ein - überlegen müssen, ob sie entsprechend den Bedürfnissen des Marktes produzieren oder
nicht. Was nicht in unserem Sinne ist, wäre beispielsweise
ein weiteres Programm zur Tötung von Rindern oder der
französische Weg, der die Tötung von Kälbern - Stichwort Herodesprämie - vorsieht.
Ihre zweite Frage zielt ja auf die Milchproduktion. Wir
werden gemeinsam mit den Landwirten darüber zu reden
haben, wie man die Milch- und Rindfleischproduktion auf
dem Markt wieder in ein Gleichgewicht bringt.
Zur Kritik am Bundeskanzler: Er hat bei den AgendaVerhandlungen im Sinne der deutschen Landwirte Prämienrechte auf einem Niveau ausgehandelt, das mit dem
der alten Bundesregierung von 1996 übereinstimmt. Insofern träfe Ihre Unterstellung genauso auf den Vorgänger
von Herrn Schröder zu.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, es geht doch hierbei insbesondere darum,
dass sich die Rindermäster der Marktlage anpassen müssen. Ich glaube, das ist jedem klar. Aber als in Deutschland nach einem Schnelltest der erste BSE-Fall bekannt
wurde, konnten sie sich nicht von heute auf morgen anpassen. Noch nicht einmal in der Automobilindustrie wäre
eine solche Absatzkrise im Umfang von 60 Prozent - obwohl das in diesem Fall ganz anders zu handeln wäre - zu
bewältigen. Hier handelt es sich doch um lebende Tiere,
die schon im Stall stehen. Zu dem Vorwurf von Frau Ministerin Künast, die Landwirte produzierten zurzeit am
Markt vorbei, frage ich Sie deshalb noch einmal: Halten
Sie diesen Vorwurf aufrecht?
Herr Kollege Ronsöhr, der Vergleich mit
der Automobilindustrie hinkt an mehreren Stellen.
({0})
Mir ist nicht bekannt, dass in Fällen einer Überproduktion
im Bereich der Automobilindustrie, wie wir sie in der Vergangenheit schon hatten, die Bundesregierung oder die
Europäische Union etwa im Rahmen einer Aufkaufaktion
deren Halden aufkauft. Insofern hinkt der Vergleich.
Es ist völlig unstrittig, dass die BSE-Krise auch über
die Landwirte überraschend hereinbrach und dass der
Markteinbruch, so wie er im November und Dezember
des vergangenen und im Januar dieses Jahres stattgefunden hat, letztlich von niemandem prognostiziert werden
konnte. Insofern geht es nicht um Schuldzuweisungen an
die Landwirte.
Frau Ministerin Künast hat in ihrer Regierungserklärung ausgeführt, dass es für eine Produktion, die allein auf
Masse setzt, künftig keine Planungssicherheit mehr geben
wird. In diesem Sinne sind auch ihre Aussagen zu verstehen; sie sind keine Schuldzuweisungen. Sie unterstellen
hier etwas, was die Ministerin weder meint noch gesagt
hat.
Ich rufe
die Frage 35 des Abgeordneten Ronsöhr auf:
Teilt die Bundesregierung mittlerweile die Kritik der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion an der im Rahmen der Agenda
2000 beschlossenen Ausweitung der Milchproduktion in der EU,
nachdem dies auch von der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, bei der
Vorstellung des Agrarberichtes 2001 als negativ beurteilt wurde?
Dies ist die letzte Frage in dieser Fragestunde. Dann ist
die Zeit abgelaufen.
Herr Kollege Ronsöhr, die Bundesregierung hat sich bereits in den Agenda-Verhandlungen gegen
eine Ausweitung der EU-Milchmengengarantie ausgesprochen. Eine Aufstockung dieser Garantiemengen war
jedoch die Voraussetzung für einen Kompromiss bei den
Agenda-Verhandlungen und für eine Einigung bei der
Milchquotenregelung.
Gleichwohl - ich habe das schon in meiner Antwort zur
vorigen Frage angedeutet - sehen wir auf europäischer
Ebene Handlungs- und Gesprächsbedarf hinsichtlich der
zukünftigen Ausgestaltung der Milchproduktion. Vor diesem Hintergrund haben wir auch mit verschiedenen anderen Mitgliedsländern sowie im Ministerrat Gespräche darüber geführt, ob man nicht künftig die verschiedenen
Prämiensysteme - Milchquote, Schlachtquote und Tierprämien als solche - zu einer einfacher verwaltbaren und
ökologisch sinnvolleren Grünlandprämie zusammenfassen sollte. Die Diskussionen darüber sind aber noch nicht
abgeschlossen.
Herr Kollege Ronsöhr, eine Zusatzfrage. Ich bitte Sie aber, sich
kurz zu fassen, da die Zeit abgelaufen ist.
Herr Präsident, ich komme Ihrer Aufforderung gerne nach. - Bedeuten Ihre Ausführungen, dass Sie die Milchquotenregelung in das System einer Grünlandprämie einbeziehen
wollen? Die Milchquotenregelung hat im Grunde genommen nichts mit einer Prämienregelung zu tun. Ich glaube,
Herr Staatssekretär, Sie sind dabei etwas einem Irrtum
aufgesessen.
Herr Kollege Ronsöhr, ich muss Ihren
Vorwurf zurückweisen. Was ich gesagt habe, ist, dass wir
die verschiedenen Subventionssysteme - dazu zähle ich
auch die Milchquotenregelung -, die auf europäischer
Ebene vorhanden sind, gerne zu einer einheitlichen Grünlandprämie zusammenfassen wollen. Mir ist sehr wohl
bekannt, dass sich die Milchquotenregelung in der Sache
beispielsweise von der Schlacht- oder Tierprämie unterscheidet. Was ich sagen möchte, ist, dass die Bundesregierung im Rahmen der Neuorientierung der Agrarpolitik
das höchst komplizierte und komplexe Subventionsgeflecht, das wegen des hohen bürokratischen Aufwands
auch bei den Landwirten nicht besonders beliebt ist, gerne
entflechten und in Zukunft an einfache und transparente,
ökologische Kriterien binden würde.
Damit
sind wir am Ende der Fragestunde. Die nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Absichten der Koalition, Mineralöl- und
Stromsteuer weiter zu erhöhen
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für den Antragsteller hat der Kollege Norbert Barthle von der CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor
Sie gleich wieder mit dem Vorwurf kommen, der Opposition falle nichts Neues ein, weil wir zum x-ten Male über
die Ökosteuer reden,
({0})
sage ich Ihnen klipp und klar: Diese Diskussion haben
nicht wir, die haben Sie heraufbeschworen;
({1})
denn die Kakophonie, die aus der Regierungskoalition
oder - besser gesagt - aus der rot-grünen Sponti-ChaosTruppe zu diesem Thema zu hören ist, ist an Vielstimmigkeit nicht mehr zu überbieten.
({2})
Bundeskanzler Schröder will die Ökosteuer ab 2003
angeblich nicht weiter erhöhen. Wer ihm glaubt, ist angesichts des schon einmal gebrochenen Kanzlerwortes
- „6 Pfennig sind das Ende der Fahnenstange!“ ({3})
selbst schuld. Der angeschlagene Vizekanzler Fischer will
wie sein Kollege Trittin die Ökosteuer erhalten und ihre
Geltungsdauer verlängern. Bundesfinanzminister Eichel
nennt sie ein instabiles Instrument und denkt heimlich an
eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, um dadurch eine sichere Finanzbasis für die Rentenversicherung zu bekommen.
({4})
Der Grünen-Chef Fritz Kuhn will die Ökosteuer nach
2003 weiter erhöhen, will Ausnahmen abbauen und die
Einnahmen anders verwenden.
({5})
SPD-Fraktionschef Struck ist gegen solche Vorschläge
und nennt sie wörtlich „neue Folterinstrumente“. Ja, damit gibt der Kollege Struck doch zu, dass die Ökosteuer
schon heute nichts anderes als ein Folterinstrument ist.
({6})
Das rot-grüne - so heißt es immer - Vorzeigeprojekt
weist so viele Schwachstellen auf, dass inzwischen niemand mehr weiß, wo man eigentlich mit den Reparaturen
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
beginnen soll. Ganz langsam lichtet sich auch der mühsam aufgebaute Wortnebel - es war ja immer von doppelter Dividende die Rede - und die logische Widersinnigkeit der Ökosteuer tritt deutlich zutage; denn bis heute ist
es Ihnen nicht gelungen, den Bürgerinnen und Bürgern zu
erklären, weshalb eine Verteuerung der Energie mit einer
Senkung der Lohnnebenkosten verknüpft werden muss.
Ihre Ökosteuer - ich wiederhole das - ist weder ökologisch noch logisch und auch nicht gerecht.
({7})
Wie soll ich einer Mutter im Flächenland Baden-Württemberg, die jeden Tag eines ihrer Kinder von der Schule
zum Sportverein, zur Musikschule und gelegentlich auch
noch zum Kindergeburtstag chauffiert, die Erhöhung der
Mineralölsteuer erklären?
({8})
Wie wollen Sie dieser Frau die doppelte Dividende vermitteln? Rentnern, Studenten und sozial Schwachen geht
es genauso. Sie begünstigen die großen Energieverbraucher und bestrafen die kleinen.
({9})
Wie soll ich einem schwäbischen Häuslebauer in meinem Wahlkreis, der, um die Umwelt zu schonen, sogar Solarzellen auf seinem hoch verschuldeten Dach installiert,
denn klarmachen, dass er ab dem Jahr 2003 für jede Kilowattstunde Strom 4 Pfennig mehr an Steuern zahlen soll?
Das ist widersinnig.
({10})
Während die Kollegen von der SPD uns noch vor wenigen Monaten, als die Mineralölpreise plötzlich gestiegen waren, davon überzeugen wollten, dass dies mit der
Ökosteuer eigentlich gar nichts zu tun habe - der Kollege
Binding hat ja sogar zersägte Baumstämme hier hergeschleppt -,
({11})
erklären uns die Grünen heute, dass der zurückgegangene
Benzinverbrauch ein Erfolgsbeweis für die Ökosteuer sei.
Wo bleibt da die Logik?
({12})
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie sollten sich
endlich einmal darüber einigen, was Sie eigentlich wollen:
spürbare Energieverteuerung und dann zurückgehende
Steuereinnahmen oder eine kräftig sprudelnde Steuerquelle, die dann zur Sanierung der maroden Rentenkasse
dienen kann. Beides zusammen geht nicht.
({13})
Diesen Grundwiderspruch werden Sie niemals lösen;
denn dieser ist schlicht und einfach nicht lösbar.
Oswald Metzger, der grüne Finanzexperte, rechnet uns
vor, dass der Bund im Jahre 2003 mit 33 Milliarden DM
Einnahmen aus der Ökosteuer rechne. Falls diese entfallen würden, müsste die Mehrwertsteuer um 4 Prozentpunkte erhöht werden. Bravo! Darüber möchte ich gar
nicht diskutieren, ich möchte nur sagen: Endlich wissen
die Menschen, in welchem Maße sie durch die Ökosteuer
abgezockt werden. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
um satte 4 Prozentpunkte, also statt 16 Prozent 20 Prozent
auf jede Ware und jede Dienstleistung, entspricht dem Betrag, den Rot-Grün allein im Jahr 2003 über die Ökosteuer
abzocken möchte.
({14})
Deshalb hat der jetzige und - ich betone - künftige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel,
({15})
Recht, wenn er im Bundesrat die ersatzlose Abschaffung
der Ökosteuer fordert.
({16})
Ich schließe mich im Namen meiner Fraktion dieser
Forderung an.
Sagen Sie den Menschen draußen im Lande doch endlich ehrlich, was Sie mit der Ökosteuer vorhaben, und
zwar noch vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz und vor der nächsten
Bundestagswahl. Schenken Sie den Leuten reinen Wein
ein; denn das, was Sie den Leuten einschenken, ist Ökowein mit Etikettenschwindel.
({17})
Als
nächster Redner hat der Kollege Reinhard Schultz von der
SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
empfinde es als sehr wohltuend, dass sich die Opposition
Gedanken darüber macht, was die Koalition nach 2003 alles vorhat. Das ist ein gutes Zeichen;
({0})
denn es zeugt von schwachem Selbstvertrauen, wenn Sie
davon ausgehen, dass Sie auch dann noch in der Opposition sind und wir in dieser Konstellation weiter regieren.
Das ist die gute Botschaft der heutigen Aktuellen Stunde.
({1})
Die heutige Debatte hat ein bisschen etwas mit den
„großen“ Ereignissen zu tun, die Ende März in zwei wichtigen Bundesländern stattfinden.
({2})
- Wir wollen einmal sehen, ob wichtige Bundesländer
wieder zum Teufel oder anderswohin gehen.
({3})
Das wird man im Einzelnen Ende März beobachten können.
Die öffentliche Diskussion über die Ökosteuer - wie
viel Ökosteuer, ob weniger Ökosteuer, ob eine andere
Ökosteuer - hat etwas mit diesen Wahlen zu tun. Dass
man sich mit seiner ursprünglichen Programmatik in
Szene setzt, halte ich für völlig legitim; das ist verständlich. Ich bin auch davon überzeugt, das spätestens ab
1. April an dieser Front wieder Ruhe herrschen wird.
({4})
Unsere Partner von den Grünen neigen etwas mehr
dazu - aus der Erfahrung heraus sage ich das jetzt etwas
ironisch -, die Belastbarkeit von Bürgern und Wirtschaft
durch Umweltabgaben etwas höher einzuschätzen. Das
korrespondiert mit ihren traditionell etwas niedrigeren
Wahlergebnissen. Bei der SPD ist es umgekehrt.
({5})
Das erklärt ein bisschen den latenten Konflikt.
Wir haben eine Ökosteuer in zwei Gesetzen auf den
Weg gebracht, durch die in insgesamt fünf Stufen planbar
und vorhersehbar die Kosten für Benzinverbrauch, für
Kraftstoff bzw. in vier Stufen für Strom erhöht werden.
Wir sind mit der Belastung des produzierenden Gewerbes
vernünftig umgegangen ebenso wie mit der zusätzlichen
Belastung des öffentlichen Personennahverkehrs. Wir haben sensibel darauf reagiert, dass aufgrund der Nettoölpreisentwicklung die Zumutbarkeitsgrenzen überschritten wurden, indem wir die Entfernungspauschale eingeführt haben, wodurch wir im Vergleich zur bisherigen Kilometerpauschale für mehr Entlastung gesorgt haben. Wir
werden ebenfalls eine Entlastung für die Landwirte schaffen.
Alles in allem handelt es sich um ein vernünftiges Programm, das darauf abzielt, umzusteuern, das heißt weg
vom ständig steigenden Energieverbrauch und hin zu
Energie sparenden Techniken und zum individuellen Energiesparen. Als Zweites soll durch das Programm die Belastung des Faktors Arbeit heruntergefahren und dafür der
Faktor Natur etwas stärker belastet werden.
Die Rechnung ist aufgegangen. Alle Institute sagen
uns, dass von der Ökosteuer eine erhebliche Beschäftigungswirksamkeit ausgegangen ist. Die Verbraucher, die
Arbeitnehmer bedanken sich dafür, dass sie entlastet worden sind, was sich in Form von höheren Nettoeinkommen
auswirkt.
Die Diskussion darüber, was über 2003 hinaus notwendig ist, kommt vielleicht ein wenig früh. Aber man
wird sie sicherlich irgendwann führen müssen.
Eines ist klar - da gibt es manche Missverständnisse -:
Das, was an Energiepreisbelastung durch diese Ökosteuer
bis 2003 erreicht sein wird, bleibt bestehen. Es geht nicht
darum, die Ökosteuer abzuschaffen; vielmehr bleibt das
dann aufgelaufene Volumen erhalten. Es wird weiterhin
- das ist genauso wichtig - der Finanzierung der Rentenversicherung zugute kommen und zu einer Entlastung der
Rentenversicherungsbeiträge über 2003 hinaus führen.
Das ist übrigens auch im Finanzierungsplafond für das
Rentenreformgesetz, was die Sozialrente angeht, ein entscheidender Baustein. Davon wird in der Koalition niemand abweichen wollen. Überlegungen, von diesem Geld
etwas für andere Zwecke abzuzweigen, verbieten sich,
weil die Gesetzeslage schlicht und einfach eine andere ist.
({6})
Die Frage des Abschaffens stellt sich also nicht und damit auch nicht die Frage, das Volumen der Ökosteuer
durch irgendeine andere Steuer zu erwirtschaften, zum
Beispiel durch die Mehrwertsteuer. Da niemand in der
Koalition die aufgelaufene Ökosteuer abschaffen will, besteht auch keine Notwendigkeit, die Mehrwertsteuer entsprechend zu erhöhen.
({7})
Das hat kein Mensch vor.
({8})
Die Rechnung des Kollegen Metzger ist zwar rechnerisch richtig, aber politisch insofern abwegig, als niemand
die Ökosteuer abschaffen will. Da kann ich auch die Kollegen bei den Grünen beruhigen. Was beschlossen wurde,
bleibt bestehen.
Was darüber hinaus geschieht, hängt auch ein bisschen
davon ab, wie sich die Kulisse der Energiepreise zu dem
Zeitpunkt insgesamt darstellt. Haben wir im Bereich der
Kraftstoffe eine Situation wie vor einem halben Jahr, wird
niemand zusätzliche Belastungen wollen. Haben wir eine
Dumpingsituation bei den Strompreisen, wie möglicherweise jetzt, wird man vielleicht in diesem Bereich ein
bisschen mehr tun. Da müssen wir differenzieren.
({9})
- Das ist doch eine Frage der praktischen Vernunft. Von
dem ökologischen Ansatz, über Preise zum Energiesparen
anzuregen, werden wir nicht abweichen.
({10})
Man muss zeitnah beobachten, was der Markt selbst
macht, und dann über die notwendige Steuergesetzgebung
entscheiden. Man kann jetzt noch nicht sagen, was im
Jahre 2004 letztendlich der Fall ist.
Reinhard Schultz ({11})
Ich glaube, man kann die ganze Diskussion sehr entkrampft angehen. Wir haben zwei Jahre Zeit, uns innerhalb der einzelnen Parteien sowie der Koalition darauf zu
verständigen, welche Differenzierungen über den Tag hinaus notwendig sind.
({12})
Jetzt ist es zu früh, darüber zu diskutieren.
Eins ist aber auch klar: Die vorhandene Ökosteuer wird
nicht zurückgenommen und auch nicht durch andere Steuern ersetzt.
Vielen Dank.
({13})
Als
nächster Redner hat der Kollege Carl-Ludwig Thiele von
der F.D.P.-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr
Kollege Schultz, Sie haben gerade die Frage der praktischen Vernunft in den Raum gestellt.
({0})
Ich erinnere mich noch: Als dieser Jahrhundertbaustein
Ökosteuer von der deutschen Bevölkerung mit Dankeshymnen entgegengenommen wurde, haben Sie gesagt:
Solange Energie billig ist, können wir sie verteuern. Ich
habe jedoch nicht erlebt, dass im letzten Jahr, als Energie
teurer geworden war, diese von Ihnen verbilligt worden
wäre. Das geschieht nicht.
({1})
Das ganze Geeiere der Koalition um Ökosteuer und
Mehrwertsteuererhöhungen kann einen Punkt nicht überdecken: Unter dem Deckmantel des Umweltschutzes werden die Bürger von Rot-Grün gnadenlos abkassiert. Das
wollen Sie, das ist Ihre Absicht.
({2})
Wir brauchen in unserem Lande aber keine Steuererhöhungen. Wir brauchen Steuersenkungen.
({3})
Hierfür wird sich die F.D.P. weiter einsetzen, ob es den
Grünen nun passt oder nicht.
Die Bürger nehmen es Rot-Grün auch nicht ab, dass sie
tatsächlich steuerlich entlastet werden. Und die Bürger haben Recht. Die Entlastungen, die Sie mit der linken Hand im
Bereich der Einkommensteuer gewähren, nehmen Sie mit
der rechten Hand im Bereich der Ökosteuer wieder weg.
({4})
Die Praxis „von der linken Tasche in die rechte Tasche“
löst die Probleme in unserem Lande aber nicht. Dadurch
werden die Bürger nicht entlastet und dadurch wird keine
zusätzliche Nachfrage in unserem Land geschaffen.
({5})
Dass das Thema Ökosteuer zum derzeitigen Zeitpunkt von den Grünen in die Diskussion gebracht wurde,
überrascht natürlich überhaupt nicht. Die Grünen haben
sich von ihren Zielen und Programmen während der
Regierungszeit weit entfernt. Die ehemalige Partei der
Friedensbewegung bezieht durch ihren Außenminister
weder zu den vollstreckten Todesurteilen in Palästina
noch zum Angriff der Amerikaner auf den Irak und dazu
Stellung, dass die Verbündeten überhaupt nicht informiert wurden.
Als Oppositionspolitiker durfte Jürgen Trittin noch gegen Castortransporte demonstrieren. Jetzt erhalten die
Grünen das Verbot, gegen die Castortransporte zu demonstrieren, weil es jetzt grüne Castortransporte sind.
({6})
Angesichts der Ökosteuer retten sich jetzt möglichst viele
Abgeordnete der Grünen in die Dienstwagen, weil das der
einzige Weg ist, der Ökosteuer zu entgehen.
({7})
Zwei neue Parlamentarische Staatssekretäre der Grünen
haben gerade ihr Amt angetreten.
Die Grünen haben ihre politische Identität und ihre politischen Ziele verloren. Deshalb wird krampfhaft nach einem Thema gesucht, bei dem zumindest Öko draufsteht.
({8})
Aber nicht überall, wo Öko draufsteht, ist auch Öko
tatsächlich drin.
({9})
Was ist an der Ökosteuer überhaupt ökologisch?
({10})
Das Verbrennen von Gas wird besteuert, während das Verbrennen von Steinkohle und von Braunkohle überhaupt
nicht besteuert wird, obwohl dabei mehr als doppelt so
viele Emissionen entstehen.
({11})
Wer viel Energie verbraucht, wird überhaupt nicht besteuert. Daher entfaltet die Ökosteuer auch keine Lenkungswirkung. Die Pendler werden durch eine Entfernungspauschale entlastet, damit auch in diesem Bereich
keine ökologische Wende eintritt. Die Grünen haben die
Ökologie zum Instrument der Finanzpolitik gemacht und
Reinhard Schultz ({12})
damit ist der ökologische Gedanke unter Rot-Grün vor die
Hunde gegangen.
({13})
Die Ökosteuer ist nämlich kein Erfolgsmodell; sie ist
eine einzige Krücke. Sie hat mehrere Grundfehler.
Erstens: der nationale Alleingang.
({14})
Wie kann man die Umwelt verbessern, wenn man national Regelungen trifft, die im europäischen Kontext umgesetzt werden müssten, aber nicht umgesetzt werden?
Zweitens. Sie haben versprochen, dass jede Mark, die
durch die Ökosteuer eingenommen wird, in die Rentenversicherung fließt, um die Rentenversicherungsbeiträge
zu senken. Das geschieht aber nicht.
({15})
Sie sanieren mit Teilen der Ökosteuer Ihren Haushalt.
Wenn Sie so vorgehen, dann erklären Sie das auch so!
({16})
Drittens. Die Rücknahme der Strukturreform in der
Rentenversicherung war ein Kardinalfehler zu Beginn
dieser Legislaturperiode. Sich selbst und der Öffentlichkeit glauben zu machen, man könne eine Strukturreform
dadurch erreichen, dass man die vorherige Strukturreform
abschafft, die Ökosteuer einführt und die Einnahmen aus
der Ökosteuer in die Rentenversicherung fließen lässt, um
dadurch die Rentenversicherungsbeiträge zu senken, das
kann nicht funktionieren und es funktioniert auch nicht.
({17})
Viertens. Die F.D.P. hat im Deutschen Bundestag gefordert, die Kfz-Steuer abzuschaffen. Die Grünen haben
es abgelehnt. Die Grünen sind eine staatsorientierte Partei. Sie wollen mehr Staatsknete, also mehr Staatseinnahmen, damit über mehr Staatsausgaben die Forderungen der grünen Klientel befriedigt werden können. Kaum
haben sie die Ökosteuer erhöht, schon wollen sie das Geld
für mehrere Zwecke ausgeben: zur Sanierung der Rentenversicherung und zur Haushaltskonsolidierung. Die Grünen wollen zusätzliche Ausgaben unter dem Deckmantel
des Umweltschutzes beschließen.
Fazit: Zwei Jahre Ökosteuer gleich zwei Jahre Ärger;
ein Ende ist nicht absehbar. In der Sache gibt es mehr Fragen als Antworten, aber nicht mehr Ökologie. Die Ideologen unter den Grünen bekommen schon heute den Hals
nicht voll. Wer Steuererhöhungen heute offen das Wort redet, hat nichts verstanden. Wir brauchen nicht mehr
Staatseinnahmen, sondern weniger Staatsausgaben. Wir
brauchen keine Steuererhöhungen, sondern Steuersenkungen. Dafür wird sich die F.D.P. weiterhin einsetzen.
({18})
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Christine Scheel von
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir
haben 16 Jahre lang eine Regierung aus CDU/CSU und
F.D.P. erlebt, die nichts anderes gemacht hat, als permanent die Steuern und zusätzlich die Sozialabgaben zu erhöhen.
({0})
Leider ist es so, dass weder von der CDU/CSU noch
von der F.D.P. zum Thema Klimaschutz, zum Thema
Steuersenkung und zum Thema Senkung der Sozialabgaben konkrete Vorschläge gemacht werden, wie eine solche
Finanzierung vorgenommen werden kann.
({1})
Was Sie hier permanent vorbringen, ist pure Polemik, gekoppelt mit der Verbreitung von Unwahrheiten.
Für uns ist wichtig, die Problematik des Klimaschutzes
in den Griff zu bekommen. Die Wirtschaft hat den
CO2-Ausstoß seit 1990 um 25 Prozent gesenkt.
({2})
Der CO2-Ausstoß der Haushalte dagegen ist um 6 Prozent
und der des Verkehrs ist um 11 Prozent gestiegen.
({3})
Das heißt, dass alle Komponenten - zum Beispiel Förderprogramme und Anschubprogramme im Hinblick auf eine
Verbesserung des Klimaschutzes - hinsichtlich ihrer Wirkung noch effizienter gestaltet werden müssen. Dazu
gehört etwa die verbesserte Wärmedämmung. Es geht
auch darum, zu überlegen, wie das Verkehrsaufkommen
umstrukturiert werden kann.Auch hier hat die Regierung
Vorschläge gemacht. Sie aber haben sich diesen Vorschlägen permanent verweigert.
({4})
Wir haben 2001 eine Steuersenkung von 45 Milliarden DM
({5})
und eine Senkung des Rentenversicherungsbeitrages auf
19,1 Prozent. Als wir die Regierung von Ihnen übernommen haben, lag der Rentenversicherungsbeitrag bei
20,3 Prozent.
({6})
Das heißt, die Kopplung von ökologischen und sozialen
Komponenten mit ökonomischem Sachverstand hat zum
Erfolg geführt.
({7})
Wir stehen dafür, dass diese Kombination von Ökonomie,
Ökologie und Sozialpolitik weiter nach vorne gebracht
wird.
({8})
Zur Stabilität der Einnahmen: Es wird von Ihrer Seite
immer wieder behauptet, es sei überhaupt nicht wahr, dass
die Einnahmen aus der Ökosteuer in die Rentenkasse
fließen würden;
({9})
man habe ja in diesem Zusammenhang einen Rückgang
zu verzeichnen. Dazu muss man ganz klar sagen: Wir haben 1999 im Rahmen der Finanzplanung Einnahmen aus
der Ökosteuer in Höhe von 8,4 Milliarden DM eingeplant.
Es sind im Jahre 1999 100 Millionen DM mehr eingenommen worden. Für das Jahr 2000 haben wir einen SollStand von 17,4 Prozent prognostiziert.
({10})
- 17,4 Milliarden DM. - Der Ist-Stand beträgt 17,2 Milliarden DM.
({11})
Das heißt, dass die Einnahmen aus der Ökosteuer im
Voraus gut berechenbar gewesen sind und dass die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge, wie vorgesehen,
erfolgen konnte.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf folgende
Zahlen hinweisen: Wir haben die Rentenversicherungsbeiträge 1999 um 0,8 Prozentpunkte, 2000 um 1,1 Prozentpunkte und 2001 um 1,2 Prozentpunkte gesenkt. Im
Jahre 2002 werden es 1,6 Prozentpunkte sein.
({12})
Im Jahre 2003 werden die Beiträge zur Rentenversicherung sogar um 1,9 Prozentpunkte gesenkt werden.
({13})
Das wäre ohne die Ökosteuer nicht möglich gewesen.
({14})
Ansonsten hätten wir eine Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge um 2 Prozentpunkte.
Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir, dass auch
vonseiten der Opposition endlich einmal konkrete Vorschläge zum Thema Klimaschutz und zum Thema Senkung
der Sozialversicherungsbeiträge gemacht werden und dass
auch die Frage beantwortet wird, wie man mit dieser gesamten Problematik in Zukunft umzugehen gedenkt. Man
muss ganz klar sagen: Die pure Ablehnungshaltung, die
von Ihrer Seite eingenommen wird, verschlechtert die Situation.
Ich bin Herrn Norbert Walter, dem Chefvolkswirt der
Deutschen Bank, sehr dankbar. Er hat nämlich unmissverständlich bestätigt: Solange es keine besseren Instrumente gibt, Umweltschutz und ökonomisch sinnvolles
Wirtschaften zusammenzubringen, ist die Ökosteuer ein
sinnvoller Weg.
({15})
Wir sehen das genauso und werden das auch über das Jahr
2003 hinaus so sehen.
Danke schön.
({16})
Als nächste
Rednerin hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter von der
PDS-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde, beantragt von der CDU/CSU, ist dem Wahlkampf geschuldet.
Sie versuchen, mit diesem Thema Punkte zu machen. Ich
glaube aber nicht, dass es Ihnen gelingen wird; denn die
Wähler sind nicht so dumm, wie Sie denken.
({0})
Wer diese Aktuelle Stunde verfolgt, der kommt zu dem
Schluss, dass Sie nicht einmal in der Lage sind, die Fragen, die Sie selbst stellen, zu beantworten.
Ich komme zur Ökosteuer. Es gibt viel Kritik an der
Ökosteuer. Auch Sie selbst, meine Damen und Herren von
der SPD und den Grünen, liefern die Munition gegen eine
gute und notwendige Sache. Es sind nicht nur die Unbelehrbaren, die Kritik daran üben. Inzwischen hagelt es aus
Ihren eigenen Reihen genauso viel Kritik wie vonseiten
der Wirtschaftswissenschaften.
Ich fasse diese Kritik zusammen: Eine Schwachstelle
der jetzigen Regelung sei auch die Begünstigung der
energieintensiven Branchen, hört man von Michael Müller,
und die Einnahmen aus der Steuer sollten künftig stärker in
Ökoprojekte fließen.
Neuausrichtung auch bei den Grünen: Claudia Roth
meint, ein Teil der Erlöse der Ökosteuer nach 2003 sollte
in ökologische Investitionen umgelenkt werden.
Geändert werden müssten auf jeden Fall zwei Regelungen, fordert Kollege Fell: Für Strom aus erneuerbaren
Energien sollten Verbraucher künftig keine Ökosteuer
mehr zahlen müssen
(Beifall bei Abgeordneten der PDS
und auch moderne Treibstoffe aus Biomasse sollten von
der Steuer befreit werden.
({1})
Ebenso wie Fritz Kuhn spricht er sich aber dafür aus, die
Erhöhung von Benzinpreisen sozialverträglich zu halten.
Kuhn meint, manche Ausnahmen, die die Ökosteuer heute
aus Rücksichtnahme auf die Wirtschaft noch hat, sollten
wieder entfallen. - Das alles sind Forderungen, die die
PDS seit jeher erhoben hat.
({2})
Für die Grünen sei die Ökosteuer kein Ziel an sich; ihr
Kern sei vielmehr die Lenkungswirkung, die zu Einsparungen beim Verbrauch fossiler Brennstoffe führen
solle, so Fritz Kuhn. - Hervorragend, kann ich da nur sagen. Bloß, warum traut sich diese Regierung nicht, schon
jetzt einen Schnitt zu machen? Ich meine jetzt nicht den
Schnitt, den die Unternehmen einkassieren, indem ihnen
durch die unsoziale Konstruktion der Ökosteuer netto
2 Milliarden DM in die Kassen fließen. Ich meine einen
Schnitt, der mit diesem absurden Konstrukt Schluss
macht, und zwar heute und nicht erst in drei Jahren.
({3})
Machen Sie eine neue Ökosteuer, nicht eine zusätzliche, sondern eine wirkliche! Es wäre für das Ansehen der
Ökosteuer gar nicht so verkehrt, wenn sie tatsächlich eine
ökologische und nicht nur eine fiskalische Lenkungswirkung hätte, wenn die niedrigen und nicht die hohen Einkommen einen Ausgleich erhielten und wenn die
Großverbraucher in der Industrie be- und nicht entlastet
würden.
({4})
Der Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen hatte
sich ähnlich kritisch wie das DIW über die Senkung der
Lohnnebenkosten geäußert. Auch wenn sie bei Anhörungen sehr vorsichtig agiert haben, bleibt, was in den Gutachten geschrieben steht: Wer mehr verdient, bekommt
mehr zurück, für den ökologischen Umbau bleibt kaum
Geld und das alles macht einfach wenig Sinn.
({5})
Die Bundesregierung braucht aber Geld, beispielsweise um im Klimaschutz endlich einen Zahn zulegen zu
können. Sie wollten letztens unsere Argumentation nicht
wahrhaben, aber die Einsparpotenziale der bisherigen
Klimapolitik sind ausgelutscht. Die Hälfte der CO2-Einsparungen fand in den ersten zwei Jahren nach der Einheit
statt - wir wissen alle, warum. Nun sind die Emissionen
wieder gestiegen. Fast gleichzeitig mit dem neuen, dramatischen IPPC-Bericht muss die Bundesregierung ihren
klimapolitischen Bankrott erklären.
Anstatt heute über weitere Erhöhungen der Ökosteuer
zu philosophieren, sollte Rot-Grün lieber das ganze Projekt vom Kopf auf die Füße stellen. Soziale Gerechtigkeit
im ökologischen Umbau - diese Einheit ist für uns moderne Politik.
({6})
Nur so kann man um gesellschaftliche Mehrheiten für
eine weitere Stufe zur Verteuerung des Naturverbrauchs
kämpfen.
Ohne diese Mehrheiten dürfte wohl nicht nur dieses
Projekt beendet werden, wie Sie an den permanenten Diskussionen vonseiten der CDU/CSU und der F.D.P. zur
Ökosteuer sehen. Sie wollen nämlich keine andere, sie
wollen überhaupt keine; das sagen sie immer wieder.
Viele Wählerinnen und Wähler wollen aber den ökologischen Umbau, sie denken in die Zukunft, sie wollen Leben für ihre Kinder. Deshalb müssen wir jetzt etwas dafür
tun.
Danke.
({7})
Als
nächster Redner hat der Kollege Hans Jochen Henke von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine
Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von Rot-Grün!
Wir haben mit dieser Aktuellen Stunde in der Tat den von
Ihnen vorgelegten Ball der Ökosteuer aufgenommen, aber
anders, als Sie vielleicht denken. Wir machen nämlich an
dieser Stelle den Menschen klar, was da wirklich abgeht:
({0})
ein vordergründig inszenierter Wahlzirkus, ein Ökozirkus
um Ihren „alten, holpernden Zirkusgaul“.
({1})
So hat sich nämlich der Kanzler vor wenigen Tagen selbst
bezeichnet.
({2})
Schlimm ist nur, dass die Ökosteuer als Teil der historisch höchsten Steuer- und Abgabenlast für den von Ihnen
inszenierten Wahlzirkus ausgesprochen ungeeignet ist,
genauso ungeeignet wie die Arbeitslosigkeit, die Bundeskanzler Schröder am Sonntag zunächst auf unter 3 Millionen und danach auf 3,5 Millionen bis Ende 2002 tagespolitisch und „Basta!“-ähnlich festgelegt hat.
({3})
Nachhaltigkeit und Werthaltigkeit von Rot-Grün sind
dabei schon besonders eindrucksvoll: Trotz prosperierender Weltwirtschaft, Anrechnung von 630-Mark-Jobs und
veränderter Statistik gehen in diesem mildesten Januar
seit Jahrzehnten 4,1 Millionen Erwerbslose, im Februar
sogar noch mehr Arbeitslose auf Ihr politisches Konto.
({4})
Nochmals zur Verdeutlichung: Im Oktober 1998 waren es
3,9 Millionen, und das waren schon entschieden zu viele.
Sie haben 200 000 daraufgesattelt, wahrscheinlich „ökologisch“ gesteuert.
({5})
Im Oktober 1998 betrug das Wirtschaftswachstum
2,8 Prozent, jetzt liegen wir abgeschlagen auf dem vorletzten Platz in der Europäischen Union. Noch dramatischer ist die Inflation: damals 0,5 Prozent, jetzt 2,4 Prozent mit steigender Tendenz. Das ist neben der
drückenden Steuer- und Abgabenlast die unsozialste Dimension von zweieinhalb Jahren Rot-Grün.
({6})
Zurück zum Arbeitsmarkt: Der Bundeskanzler selbst
hat den nachhaltigen Abbau der Arbeitslosigkeit zum
Prüfstein von Rot-Grün erklärt. Da hat - wie im Zirkus der alte Zirkusgaul die Messlatte zunächst hoch und dann
wieder ganz niedrig gelegt.
({7})
Übrigens hat sich das Urheberrecht für den Begriff „alter
Zirkusgaul“ Helmut Kohl nach 16 Jahren erworben. Wenn
Herr Schröder ihn bereits nach zweieinhalb Jahren für
sich reklamiert, dann mag das jeder so interpretieren, wie
er will.
({8})
Jetzt wissen wir: Der Abbau der Arbeitslosenzahl von
3,9 Millionen im Jahre 1998 auf 3,5 Millionen DM Ende
2002 ist ein absolut niedrig gestecktes Ziel. Dieser Abbau
ist aber ausschließlich der boomenden Wirtschaft im Süden Deutschlands, in Baden-Württemberg, Bayern und
Hessen, und zuallerletzt Ihrer Politik zuzuschreiben.
({9})
Übrigens bin ich mir gar nicht sicher, ob der Zirkusgaul
wirklich gestolpert ist oder ob es nicht ein genialer medialer Trick ist, um die Messlatte für Ende 2002 ganz
niedrig hängen zu können.
({10})
Diese negativen „Erfolgszahlen“ haben schon mit der
Nachhaltigkeit Ihrer Politik zu tun. Ihre so genannte
größte Steuerentlastungsreform in der Geschichte der Republik - das Entlastungsvolumen beträgt tatsächlich, Kollege Diller, 93 Milliarden DM - mit der Ökosteuer als
zentralem Element führt vorübergehend zu einer kleinen
Steuerdelle. Danach aber wird nach Hans Eichels genau
kalkulierter Einnahmenentwicklung bis 2005 trotz der
Entlastung von 93 Milliarden DM eine netto um 260 Milliarden DM höhere Gesamtsteuerbelastung auf die Bürger
und die Wirtschaft zukommen. Das jedenfalls ist die einhellige Beurteilung der Sachverständigen einschließlich
des Bundes der Steuerzahler.
({11})
Es zeigt sich immer klarer, dass die Ökosteuer in Ihrer
Regierungszeit zum nachhaltigsten und wirksamsten Instrument rot-grüner Haushaltsfinanzierung geworden
ist: 34 Milliarden DM pro Jahr ohne ökologische Lenkungswirkung, aber mit sozialer und ökonomischer
Schieflage.
Mit der aktuellen Diskussion wollen die Grünen doch
nur im Hinblick auf ihren Parteitag am Samstag in Stuttgart und Rot-Grün auf die Wahlen in Hessen am Wochenende danach sowie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nochmals acht Tage später die Öffentlichkeit
beglücken. Ich wünsche Ihnen dazu viel Erfolg.
({12})
Wir werden uns den Blick nicht verstellen lassen. In
Wahrheit soll mit dem, was Sie hier inszenieren, ausschließlich der Weg für weitere Steuererhöhungen bereitet werden: nach grüner Lesart durch zusätzliche Ökosteuerstufen, nach roter Lesart über nachhaltige Mehrwertsteuererhöhungen. Eichel und Metzger haben die
Zwickmühle erkannt, in die sie zunehmend geraten.
Die Bürger müssen wissen, dass mit dieser Art von
Steuer- und Finanzpolitik weder Arbeitsplätze geschaffen
werden noch eine ökologische Lenkungswirkung erzielt
wird, sondern ausschließlich die ungebremste Ausgabendynamik der eichelschen Haushaltspolitik gedeckt werden soll. Noch nie waren Einnahmen und Ausgaben des
Bundes so hoch wie im letzten Jahr. Noch nie war die
Steuerlast höher.
({13})
Sie wird - so sagen alle Steuerexperten - auch in den
nächsten fünf Jahren nicht sinken. Wer in dieser Situation
auf dem falschen Fuß der Ökosteuer noch höhere und weitere Sprünge plant, handelt unsozial, schadet der Wirtschaft und raubt den allerletzten Spielraum für wirklich
nachhaltige ökologische Steuerungsmaßnahmen.
({14})
Als nächster Redner hat der Kollege Bernd Scheelen von der SPDFraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! 53 Prozent der Bundesbürger - Herr Kollege Henke, hören Sie jetzt einmal genau
zu - sagen auf die Frage von Emnid, für wen die politische Stimmung in der Bundesrepublik besonders günstig
sei,
({0})
SPD, nur 18 Prozent sagen CDU.
({1})
Wenn Sie das nachlesen wollen, dann gucken Sie einmal
in den „Spiegel“. Ich habe Ihnen das, damit Sie es nachvollziehen können, einmal vergrößert.
({2})
Das sind möglicherweise die Wunschvorstellungen von
CDU und F.D.P., 53 Prozent und 18 Prozent; aber 53 Prozent der Menschen glauben, dass die Situation für die
SPD besonders günstig ist, und 18 Prozent glauben, sie sei
für Sie günstig.
({3})
Wenn Sie sich das anschauen,
({4})
dann werden Sie feststellen: Das ist seit Mai 2000 so. Im
Mai 2000, im November 2000 und im Februar dieses Jahres sind die Erhebungen gemacht worden. Das heißt, Sie
sind seit einem Jahr stabil labil, ziemlich weit unten, und
die SPD ist seit einem Jahr stabil oben,
({5})
und das, obwohl Sie in dieser Zeit mindestens fünfmal beantragt haben, hier Aktuelle Stunden zum Thema Ökosteuer durchzuführen.
({6})
Sie haben diese Aktuellen Stunden nur deshalb permanent
angesetzt, um zu versuchen, an diesen Kurven etwas zu
ändern. Dieser Versuch ist komplett in die Hose gegangen.
Das kann ich Ihnen hiermit bescheinigen.
({7})
Er geht unter anderem deswegen in die Hose, weil Sie
natürlich mit solchen Aktuellen Stunden immer auch uns
die Gelegenheit geben,
({8})
noch einmal zu erklären, was mit der Ökosteuer sinnvollerweise gemacht wird und welche Ideen dahinter
stecken. Dazu werde ich auch gleich kommen.
({9})
Ich will nur noch sagen: Es ist ja sicherlich kein Zufall,
dass die beiden ersten Redner der CDU/CSU-Fraktion aus
Baden-Württemberg gewesen sind.
({10})
Sie haben diesen Zirkus veranstaltet, Herr Henke, um hier
Wahlkampf zu machen.
({11})
Dieser Schuss geht nach hinten los,
({12})
denn der Titel, den Sie gewählt haben, lautet ja: „Absichten der Koalition, Mineralöl- und Stromsteuer weiter zu
erhöhen“. Nun wissen Sie genau, dass wir mit den beschlossenen Gesetzen zur Ökosteuer die Zeitperspektive
bis 2003 abgedeckt haben. Die Bundestagswahl ist nach
allen Erkenntnissen, die mir vorliegen, vermutlich im
Herbst 2002.
({13})
Das heißt, es geht bei Ihrem Antrag um die Frage: Was
macht denn die nächste Regierung? Dabei nehmen Sie das
Ergebnis schon vorweg, denn Sie haben offensichtlich
keinen Einfluss auf die Regierung nach 2002.
({14})
Jetzt komme ich zu der Frage, welche Wirkungen die
Ökosteuer haben soll. Da will ich gerade einmal den Kollegen der CDU/CSU eines sagen, was aus meiner Sicht in
der Debatte um die Ökosteuer immer etwas zu kurz
kommt: Die Ökosteuer - das wissen Sie auch - dient der
Finanzierung der deutschen Einheit. Sie ist Finanzierung
der deutschen Einheit in dem Maße, wie mit den Einnahmen aus der Ökosteuer die Leistungen in der Rentenversicherung abgedeckt werden, die Sie zu Ihrer Zeit als Bestandteile der Kosten der deutschen Einheit in die
Rentenversicherungssysteme abgeschoben haben, damit
es nicht auffällt,
({15})
denn Sie hatten Steuern zu erhöhen.
({16})
Damit haben Sie diese Kosten, die in der Rentenversicherung enthalten waren und auch immer noch enthalten
sind, die Folge der deutschen Einheit sind, versteckt. Das
sind beispielsweise die Auffüllbeträge der Renten im
Osten. Ich will für die Zuschauer erläutern, was das ist:
Die Arbeitnehmer im Osten erwirtschaften Rentenversicherungsbeiträge, die aber nicht ausreichen, um die
Renten der Ostrentner zu bezahlen. Also muss aus dem
System zugeschossen werden. Dasselbe gilt für die Fremdrenten, das heißt für die Renten derjenigen, die nach dem
Fall der Mauer aus den osteuropäischen Staaten zu uns kamen und einen Rentenanspruch haben.
({17})
Das haben Sie zu Ihrer Regierungszeit komplett den
Arbeitnehmern und den Unternehmen aufgebürdet, die
die Arbeitnehmer beschäftigen. Wir haben gesagt, das ist
ungerecht; denn dieser Teil der Finanzierung der deutschen Einheit kann nicht nur Sache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Unternehmen sein. Dies
muss vielmehr Anliegen jedes Deutschen sein.
({18})
Deswegen haben wir gesagt: Diese Kosten müssen anders finanziert werden, nämlich über eine Steuer, die alle
zahlen. Diesen Weg sind doch auch Sie gegangen. Aus
meiner Sicht waren wir auch noch, ehrlich gesagt, so verrückt und haben das zusammen mit Ihnen gemacht. Sie
haben nämlich mit unserer Unterstützung die Mehrwertsteuer zum 1. April 1998 um 1 Prozentpunkt angehoben,
weil wir der Meinung waren: Das ist der richtige Weg, um
diese Leistungen zu finanzieren. - Sie haben dieses Problem also über die Mehrwertsteuer gelöst; wir tun dies aus
ökologischen Gründen über die Energiesteuer. Das ist genau dasselbe System; es ist nur eine andere Steuer.
({19})
- Das haben wir doch getan, Herr Fromme. Sie sollten
einmal ein bisschen aufpassen, wenn Sie im Finanzausschuss bzw. hier im Plenum sitzen.
({20})
Sie sind ja neu im Bundestag. Sie waren in der letzten Legislaturperiode noch nicht dabei. Ich war dabei und ich
weiß, dass damals, im Jahre 1998, der Rentenversicherungsbeitrag von 20,3 auf 21 Prozent anzusteigen drohte.
Der letzte Rentenversicherungsbeitrag unter Ihrer Verantwortung betrug 20,3 Prozent; es drohte eine Anhebung auf
21 Prozent. Da sind Sie mit der Idee gekommen: Lasst uns
das über die Mehrwertsteuer regeln. Wir haben das mitgemacht, weil wir gesagt haben: Der Weg ist richtig. - Aber
es gibt auch andere Möglichkeiten, eine Steuerart heranzuziehen, die alle zahlen.
Herr Kollege Scheelen, kommen Sie bitte zum Schluss.
({0})
Ja, sofort. - Wir haben den
Beitrag, der zurzeit der Regierungsübernahme 20,3 Prozent betrug, auf jetzt 19,2 Prozent gesenkt. Wir werden
ihn weiter auf unter 19 Prozent senken.
Zum Schluss möchte ich Ihnen einen Zeitungsartikel
nicht vorenthalten. Zeitungsartikel spielen ja in Debatten
immer eine Rolle.
({0})
Dort steht: „Teures Autofahren - Benzinpreis steigt ab
1. Januar um 18 Pfennig“. Das habe ich Ende letzten Jahres immer mit großem Erfolg in Vorträgen über die Rente
und die Ökosteuer hoch gehalten und den Zuhörern gesagt: Schaut einmal auf das Datum. Dort steht: 31. Dezember 1993.
({1})
Herr Thiele, auch Sie waren da schon im Bundestag. Sie
haben dafür gesorgt, dass der Benzinpreis zu Ihrer Regierungszeit
Herr
Scheelen, bitte!
- um 50 Pfennig gestiegen
ist. Deswegen sind Sie der falsche Anwalt, um eine Abschaffung der Ökosteuer zu fordern.
Vielen Dank.
({0})
Als
nächster Redner hat der Kollege Werner Wittlich von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Seit ihrer Einführung am 1. April 1999 befindet sich die Ökosteuer im Kreuzfeuer der Kritik. Meist geht es dabei um
finanzielle Aspekte. Doch auch unter ökologischen Gesichtspunkten macht diese Steuer ihrem Namen keine
Ehre. Denn sie ist weder öko noch logisch.
({0})
Öko ist sie deswegen nicht, weil sie uns zum weltweit
ersten Land macht, in dem Rentenbeiträge an der Tankstelle gezahlt werden.
({1})
Nur so erklärt sich, warum kein Geld in die Förderung erneuerbarer Energien fließt.
({2})
Denn die regenerativen Energieträger - Herr Kollege Eich,
aufpassen! - müssen im Endeffekt ihr Förderprogramm
selbst finanzieren, weil sie zur Ökosteuer herangezogen
werden. Nur so erklärt sich, warum auch für Busse und
Bahnen die volle Ökosteuer gezahlt werden muss.
({3})
Nur so erklärt sich, warum die Bundesregierung der sinnlosen Energieverschwendung in den tagtäglichen Staus
zusieht.
Um es auf den Punkt zu bringen: Jeder sinnlos verheizte Liter Öl, jeder unnötig im Stau verbrannte Liter
Benzin lässt Eichels Kasse klingeln. Darum geht es Ihnen!
({4})
An Logik fehlt es der K.-o.-Steuer, weil sie schlichtweg
untauglich ist. Denn entweder fließen die Einnahmen wie
erwartet; dann bleibt der erhoffte Energiespareffekt aus.
Oder sie entfaltet die erhoffte Lenkungswirkung und die
Menschen gehen bewusster mit Energie um; dann bleiben
aber die erwarteten Einnahmen aus. Als Schulkindern
wurde uns an ähnlichen Beispielen die Quadratur des
Kreises erklärt.
Nun scheint der Energieverbrauch tatsächlich zu stagnieren. Das Steueraufkommen aus der Ökosteuer bleibt
damit hinter den Erwartungen zurück. Entgegen der
Kanzleraussage von vor wenigen Wochen dachte RotGrün plötzlich laut über eine Fortsetzung der Ökosteuer
über das Jahr 2003 hinaus nach. Herr Eichel schlug dann
scheinheilig Steuererhöhungen an anderer Stelle vor,
nämlich bei der Mehrwertsteuer.
Aber, meine Damen und Herren aus der rot-grünen Regierungskoalition, in Wirklichkeit kreisen all diese Vorschläge doch nur um ein einziges Problem: Trotz aller Appelle zur sparsamen Haushaltsführung, trotz aller
Versprechen, die Schwachen in Deutschland zu schützen,
trotz der vollmundigen Behauptungen, die Sorgen und
Nöte der kleinen Leute zu kennen, sind Sie bankrott und
müssen den finanzpolitischen Offenbarungseid leisten.
({5})
Die Menschen draußen im Land haben dies verstanden
und werden Ihnen bei den bevorstehenden Wahlen in
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg dafür die Quittung erteilen. Die SPD-geführte Landesregierung in
Rheinland-Pfalz hat nämlich die Ökosteuer bislang immer verteidigt.
Außer den Studenten, Rentnern, Familien, Mietern und
Unternehmen wird noch jemand anderem das Lachen vergehen, nämlich unserer Umwelt. Die Klimaschutzziele
rücken in immer weitere Ferne
({6})
- Sie können mich ja für sich engagieren; ich mache es
kostenlos -,
({7})
erneuerbare Energien vegetieren kränklich vor sich hin
und zukunftsweisende Fortbewegungsmittel made in Germany muss man zwischenzeitlich in China besichtigen.
Die umweltpolitische Luft, die Herr Trittin ablässt, ist
nicht nur heiß, sondern auch hochgiftig.
({8})
Anstatt sich mit Vertretern seiner eigenen Partei über Sinn
oder Unsinn der Castortransporte zu zerfleischen oder
Endlosdebatten über die Einführung eines Dosenpfandes
zu führen, sollte er endlich zu einer vernünftigen Umweltpolitik zurückkehren.
({9})
Es wird höchste Zeit, meine Damen und Herren! Der
Weg ist weit. Ein erster Schritt hieße: weg mit dieser
K.-o.-Steuer! Legen Sie den Deckmantel des Umweltschutzes ab und packen Sie das Problem wirklich an der
Wurzel. Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben in der
Rentenpolitik, dann wäre das Abkassieren mit der Ökosteuer überflüssig.
Auch wenn der Kanzler in den letzten Wochen eine
gottähnliche Aura um sich aufgebaut hat und unsere
Landwirte stets mit Floskeln wie „Kinners, jetzt habe ich
keine Zeit!“ oder „Kinners, so geht das nicht!“ abspeist,
muss Rot-Grün endlich lernen, die einfache Wahrheit zu
akzeptieren:
({10})
Umweltschutz zum Nulltarif gibt es nur im Fabelreich.
({11})
- Hören Sie doch zu! - Umweltschutz als Goldesel für
leere Staatskassen aber wirkt selbst dort unglaubwürdig.
Denn Umweltschutz kostet zunächst einmal Geld. Zwar
kann man schon heute mit einem Dreiliterauto fahren; das
kann sich aber noch niemand leisten. Zwar könnten wir
mit einem gezielten Ausbau des Straßennetzes viele Staus
vermeiden und damit unzählige Tonnen Sprit einsparen;
aber auch das kostet Geld.
Kollege
Wittlich, kommen Sie zum Schluss!
Ja, komme ich. - All
dies liefe dem finanziellen Aspekt der Ökosteuer entgegen. Denn die funktioniert ja nur, wenn möglichst viel
Energie verbraucht wird.
Meine Damen und Herren, auf mich als Umweltpolitiker wirkt das Wort „Ökosteuer“ wie das Wort „freisetzen“
auf einen Arbeitslosen. Aber es bleibt die Hoffnung, dass
die Bürgerinnen und Bürger bei der nächsten Wahl diese
Bundesregierung freisetzen - nicht nur mit Blick auf ihren
Geldbeutel, sondern vor allem mit Blick auf ihre Umwelt.
Danke.
({0})
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Reinhard Loske
von Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
({0})
Der CDU-Abgeordnete Henke aus Baden-Württemberg
und der CDU-Abgeordnete Wittlich aus Rheinland-Pfalz
haben gerade zur Ökosteuer gesprochen. Ich kann nur sagen: Das waren echte Wahlkampfknaller. Wenn das der
Stand der Diskussion ist, dann brauchen wir uns weder in
Baden-Württemberg noch in Rheinland-Pfalz Sorgen zu
machen.
({1})
Ich möchte die Gelegenheit beim Schopfe packen, um
darauf hinzuweisen, dass vor wenigen Wochen - ich
glaube, es war vor vier Wochen - der neue Bericht des
Klimagremiums der Vereinten Nationen erschienen ist.
Ich weiß nicht, ob es der eine oder andere gehört hat.
({2})
In diesem Bericht ist nachzulesen, dass die Grenze der Belastbarkeit des Klimas erreicht ist. Wenn das, was in dem
Bericht steht, auch nur einigermaßen zutreffend ist, kann
man sagen: All das, was wir in den Industrieländern tun,
ist so weit vom Notwendigen entfernt, dass wir besser
schweigen sollten.
({3})
In der letzten Woche ist der dritte Klimaschutzbericht
der Vereinten Nationen erschienen, der sich mit den Instrumenten des Klimaschutzes beschäftigt. Aus diesem
Bericht sind im Wesentlichen zwei Aussagen festzuhalten: Die erste ist die, dass schon heute etwa 10 Prozent bis
20 Prozent der CO2-Emissionen wirtschaftlich, das heißt
mit Gewinn - die Ökonomen nennen das „mit negativen
Kosten“ -, vermieden werden können. Wir müssen uns
also aufmachen, um die Energieeinsparpotenziale zu erschließen.
Daneben steht in diesem Bericht - das ist herausgehoben -, dass die Umschichtung der Steuerlast vom Faktor
Arbeit und damit vom Einkommen auf der einen Seite
zum Faktor Energie- und Ressourcenverbrauch auf der
anderen Seite ein ganz wichtiges Instrument für den Klimaschutz ist. Dadurch fühlen wir uns in unserer Politik
bekräftigt.
({4})
Ich komme jetzt auf die Zahlen zu sprechen. Ich
glaube, es ist sinnvoll, die Zahlen noch einmal zu nennen.
Was können wir - teilweise als Folge der Ökosteuer, teilweise aber auch als Folge der gestiegenen Energiepreise,
die im letzten Jahr auf uns zugekommen sind - wirklich
beobachten? Im vergangenen Jahr ist der Absatz von Mineralölprodukten in Deutschland um 4,3 Prozent zurückgegangen. Der öffentliche Personennahverkehr verzeichnet ein Wachstum von 1,5 Prozent, der Fernverkehr
der Bahn ein Wachstum von 4 Prozent und der Güterverkehr der Bahn ein Wachstum von 13 Prozent.
Wir stellen fest, dass sowohl die Automobilkonzerne
als auch die Heizungsanlagenbauer zunehmend mit energieeffizienten Modellen Werbung betreiben. Das ist genau das, was wir wollen.
({5})
Des Weiteren stellen wir als Ergebnis der Ökosteuer
fest, dass der Rentenversicherungsbeitrag von 20,3 Prozentpunkten auf 19,1 Prozentpunkte gesenkt wurde und
der Teil des Ökosteueraufkommens, der für die Finanzierung der erneuerbaren Energien verwendet wird, unter anderem zum Boom bei den erneuerbaren Energien beigetragen hat. Auch das sind positive Effekte, die es
hervorzuheben gilt.
Wie sieht es mit der CDU/CSU aus? Der Blick zurück
ist wirklich langweilig, aber man muss es immer wieder
machen. Die CDU/CSU und die F.D.P. haben während ihrer Regierungszeit die Mineralölsteuer kräftig erhöht. Die
Lohnnebenkosten sind explodiert. Sie haben die Mehrwertsteuer erhöht, um die Rentenversicherungsbeiträge
stabil zu halten.
({6})
Sie haben nichts für den Klimaschutz getan.
({7})
Diese Damen und Herren haben kein Recht, die Ökosteuer zu kritisieren.
({8})
Zum Schluss möchte ich die Frage stellen: Wie soll es mit
der Ökosteuer weitergehen? Herr Kollege Schultz, die etwas
hochnäsige Attitüde nach dem Motto „Die Grünen sind nun
einmal die Steuererhöhungspartei“ hat mir nicht gefallen.
({9})
Die Kollegin Scheel steht dafür, dass wir eine andere
Linie verfolgen. Die Kollegin Scheel und der Kollege
Metzger haben zusammen mit Finanzminister Eichel für
eine Finanzpolitik gesorgt, die sich international sehen
lassen kann und die für den Standort und für die Wettbewerbsfähigkeit dieses Standorts sehr gut war.
Was die grüne Fraktion betrifft, kann ich sagen: Wir
sind in der Tat der Meinung, dass wir aus Gründen des
Klimaschutzes und aus Gründen der Modernisierung unserer Volkswirtschaft daran festhalten sollten, die Steuerund Abgabenlast vom Faktor Arbeit und damit vom Einkommen schrittweise zurückzunehmen und im Gegenzug
die Steuer- und Abgabenlast auf den Faktor Energie- und
Ressourcenverbrauch zu erhöhen, sodass wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können: Wir geben damit
Anreize zum Energieeinsparen und zur Beschäftigung.
Das ist eine vernünftige Strategie und wir tun gut daran,
an dieser Strategie festzuhalten.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({10})
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Elke Wülfing
von der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines verstehe ich
nicht: Sie inszenieren in der Öffentlichkeit einen Riesenstreit: innerhalb der Regierung und in jeder Zeitung, Herr
Schultz gegen Herrn Loske, wie wir gerade wieder gehört
haben. Herr Trittin, Herr Riester und viele andere äußern
sich zu allen möglichen Dingen. Ich denke, Sie sind jetzt
an der Regierung. Anscheinend haben Sie das noch nicht
bemerkt.
({0})
Sie führen sich so vor wie schon beim Betriebsverfassungsgesetz, als Herr Müller und Herr Riester in der Öffentlichkeit unterschiedliche Meinungen vertraten.
Warum wohl? Merken Sie gar nicht, Herr Loske - Sie
meinen es ja ernst -, dass Sie von Herrn Schröder instrumentalisiert werden? Sie sollen sich vor den Landtagswahlen so hinstellen dürfen, um Ihre grüne Klientel zu bedienen.
({1})
Und Herr Schröder darf sich als Autofetischist darstellen.
Ich sage Ihnen heute schon eines auf den Kopf zu:
Wenn die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und
Rheinland-Pfalz sowie die Kommunalwahlen in Hessen
vorbei sind, wird die Inszenierung dieses Kammerspiels
plötzlich wieder vorbei sein.
({2})
Denn Sie möchten die grüne Klientel, die Ihnen dort verloren geht, die Atomenergiegegner, die Gruppen, mit denen Sie nicht mehr richtig klarkommen, wieder hinter sich
bringen. Und nach der Wahl möchten Sie wieder regieren;
darauf sind Sie nämlich ganz scharf.
({3})
Dann wird das Thema, das hier so aufbereitet worden ist,
wieder in sich zusammenfallen.
Dabei hätten wir nun wirklich genügend Gründe - Herr
Loske, Herr Schultz, Sie wissen es alle -, diese Ökosteuer
tatsächlich mit kritischen Augen zu betrachten. Sie tun das
ja auch selber. Ständig kritisieren Sie Ihre eigene Ökosteuer. Warum denn? - Weil sie für die Umwelt nichts
bringt.
({4})
Herr Trittin sagt, der Energie- und Benzinverbrauch sei
rückläufig. Aber der Benzinverbrauch ging schon vor der
Ökosteuer zurück, weil die Autoindustrie so vernünftig
war
({5})
- jawohl, fragen Sie doch den ADAC, der wird es ja wissen -, Autos zu bauen, die weniger verbrauchen. Dagegen
haben wir doch überhaupt nichts.
Hätten Sie sich bei der Einführung dieser Steuer nicht
nach Ihrer eigenen Koalitionsvereinbarung richten können - ich glaube, Herr Loske wäre sehr froh, wenn es so
wäre - oder, wie Frau Merkel sagt, eine europäisch harmonisierte Energiebesteuerung nach Schadstoffausstoß
festlegen können? Tun Sie das doch endlich und unterlassen Sie den Blödsinn, die Rentenfinanzierung damit in
Zusammenhang zu bringen! Herr Eichel - ich meine, das
kann man mit Fug und Recht sagen - ist auch nicht gerade
begeistert von den schwankenden Ökosteuereinnahmen.
Er hätte gerne eine etwas sicherere Einnahmenquelle.
Herr Scheelen, Herr Kalb wird sicher gleich noch auf
Sie eingehen. Aber eines möchte ich Ihnen sagen: Sie sollten sich, da Sie aus Nordrhein-Westfalen kommen, an
Herrn Rau ein Beispiel nehmen. Er sprach von Versöhnen
statt Spalten. Es kann nicht angehen, dass zwischen Ost
und West ein Keil getrieben wird, wie Sie es tun.
({6})
- Die Wahrheit ist, dass der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung unter Norbert Blüm kontinuierlich gestiegen
ist und dass Sie den Bundeszuschuss jetzt gekürzt haben.
Das wissen Sie ganz genau.
({7})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, da es ein Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Ökosteuer geben wird,
wird die Ökosteuer sowieso nicht so bleiben, wie sie jetzt
ist. Das Gleichbehandlungsprinzip ist durch die Ökosteuer mehr als verletzt. Was sollen die Spediteure sagen,
was soll das Handwerk, was sollen die kleinen und mittleren Betriebe sagen? Die gibt es bei Ihnen nicht mehr; der
Mittelstand ist bei Ihnen vollkommen ausgeblendet.
({8})
Das Bundesverfassungsgericht wird im nächsten Jahr
sein Urteil fällen. Dann werden Sie die Ökosteuer, von der
zumindest der eine oder andere bei Ihnen noch immer begeistert ist, sowieso verändern müssen. Also können Sie
doch jetzt mit uns einer Meinung sein, dass wir mit einer
vernünftigen Regelung gemeinsam in eine Richtung gehen könnten. Was Sie hier machen - der eine ist dafür, der
andere dagegen, die Regierung ist gespalten -, ist eine
reine Inszenierung für den Landtagswahlkampf. Lassen
Sie das doch sein!
({9})
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer
von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich habe mir zu Anfang dieser Aktuellen Stunde zwei Fragen gestellt. Die erste Frage war:
Haben Sie für Ihre Landtagswahlkämpfe eigentlich vor
Ort keine Themen?
({0})
Die zweite Frage war: Warum redet hier angesichts des
Kommunalwahlkampfs in Hessen kein hessischer Abgeordneter aus Ihren Reihen? Aber vielleicht machen Sie
das nächste Woche.
Ich habe eigentlich gedacht, dass zum Thema Ökosteuer schon alles gesagt worden ist. Ich musste aber erkennen, dass dies wirklich noch nicht der Fall ist. Es gibt
bei Ihnen grobe Missverständnisse, die ich heute kurz ansprechen möchte.
Herr Barthle hat hier behauptet bzw. hat es uns so verkauft, dass mit Solaranlagen auf verschuldeten Dächern
oder wo auch immer selbst erzeugter Strom mit Ökosteuer
belastet wird. Das ist natürlich nicht so. Beruhigen Sie
bitte Ihre Leute vor Ort. Den selbst erzeugten und selbst
genutzten Strom kann man natürlich unversteuert einspeisen.
Herr Thiele sagte, wir kassierten gnadenlos ab. Herr
Wittlich ergänzte noch, auch der ÖPNV werde gnadenlos
mit der Steuer belegt. Auch das stimmt natürlich nicht. Sie
wissen, es gibt Ausnahmen. Sie wissen, der ÖPNV wird
nur mit dem halben Steuersatz belegt. Der Kohlestrom
wird übrigens auch als Strom versteuert. - Dies zur Klarstellung, weil anscheinend doch noch nicht alles gesagt
worden ist.
({1})
Ich persönlich rede gerne zum Thema Ökosteuer. Zu
Hause im Münsterland - das wird Frau Wülfing bestätigen - ist dies kein Thema mehr.
({2})
Die Leute haben es akzeptiert und haben gemerkt, dass
wir damit zwei gute Dinge tun. Diese möchte ich noch
einmal kurz ansprechen. Zum einen wird der Zuschuss
zur Rentenkasse - das ist schon oft gesagt worden, aber
man kann es nicht oft genug sagen -, der in der Vergangenheit gerne mit Mehrwertsteuererhöhungen kompensiert wurde, anders finanziert. Der zweite und für mich
auch sehr wichtige Punkt ist das Umsteuern bei der Umweltpolitik. Wir wollen die Ressourcen, die nicht unbegrenzt vorhanden sind - Sie wissen selber, dass wir Öl leider noch nicht produzieren, sondern nur ausnutzen
können -, ein bisschen vernünftiger ausnutzen.
({3})
Die Industrie kommt uns da sehr entgegen. Sie entwickelt plötzlich spritsparende Autos. Die Heizindustrie
entwickelt plötzlich Heizungsanlagen, die nur noch ein
Drittel der bisher benötigten Energie brauchen.
({4})
Dies sind sehr gute Zeichen. Das zeigt uns auch, dass wir
in die richtige Richtung gehen und uns viele Leute folgen.
({5})
- Ich denke, auch in einem Flächenland wie Baden-Württemberg wird man mit Dreiliterautos fahren können.
Natürlich ist es grundsätzlich so, dass 30 Pfennig Ökosteuer innerhalb von fünf Jahren nicht den kompletten
Umschwung bedeuten können.
({6})
Aber es führt dazu, dass sich die Leute dann, wenn sie sich
ein neues Auto kaufen, überlegen, ob sie nicht ein sparsames kaufen sollen, und sie sich dann, wenn sie sich eine
neue Heizungsanlage einbauen lassen, wirklich Gedanken über den Verbrauch machen. Ich denke, hier sind wir
auf dem richtigen Weg, auch in Richtung Klimaschutz.
({7})
Ich denke, auch in Baden-Württemberg musste noch
kein Licht wegen unserer Stromsteuer ausgeschaltet werden.
({8})
Aber vielleicht wurde die eine oder andere Energiesparbirne hineingedreht. Ich denke, dies ist ein schöner Erfolg,
über den wir uns freuen können.
Von Ihnen wird immer wieder gesagt, wir müssten die
Finanzierung der Rente endlich einmal anders regeln. Ich
habe dazu aber von Ihnen noch keinen prickelnden Vorschlag gehört. Wir stehen einem solchen offen gegenüber.
({9})
Rentenversicherungsbeiträge senken wir immer gerne.
Wenn Sie einmal eine Idee haben, nennen Sie sie uns ruhig. Es ist immer einfach, sich an eine Tankstelle zu stellen, vor allen Dingen, wenn man eine kleine Partei ist, von
18 Prozent träumt, vielleicht 5 Prozent hat,
({10})
und dann zu sagen: Wir tanken hier gegen die Rentner.
({11})
- Nein, ich hatte eine andere Partei gemeint. - Aber wenn
diese große Klientel nicht zu den Wählern gehört, kann
man gut gegen Rentenfinanzierung mobil machen.
Ich denke, in nächster Zeit werden noch viele Probleme auf uns zukommen, die wir lösen werden.
({12})
- Nein, Sie wissen genau, welche Probleme ich meine. Ich
rede zum Beispiel vom Verbraucherschutz,
({13})
von Umorientierung in der Landwirtschaft. Unser Problem besteht darin, dieses Land trotz dieser Opposition
vernünftig zu regieren.
({14})
Ich denke, das werden wir schaffen. Hier bin ich guter
Hoffnung und wünsche uns alles Gute.
({15})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Bartholomäus Kalb von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin wirklich
darüber bedrückt, was der Kollege Scheelen zum Thema
Rente gesagt hat. Es ist schlimm und geradezu infam - ich
habe diese Version noch nie gehört -, dass als Begründung
für die Einführung der Ökosteuer die Rentner in den
neuen Bundesländern herhalten müssen.
({0})
Es ist der Versuch, zu spalten und wieder zu teilen.
({1})
Ich hatte gedacht, mit dem Rückzug von Herrn Lafontaine
aus der Bundespolitik seien die Zeiten des billigen Populismus zulasten der Menschen vorbei.
({2})
Auch in der Sache ist es falsch. Als lang gedienter
Haushälter habe ich die Zahlen noch einigermaßen in Erinnerung: Es ist richtig, dass wir gleich nach der Wende
bei den Rentenkassen einen Transfer von West nach Ost
gehabt haben. Das war für uns aber der Grund, Mitte der
90er-Jahre die Zuschüsse an die gesetzliche Rentenversicherung sehr stark zu erhöhen. Wir waren bereits 1997
- nicht 1998, 1999 oder 2000 - beim Bundeszuschuss zur
gesetzlichen Rentenversicherung bei einer Größenordnung von 92 Milliarden DM angelangt. Bei der Knappschaft kamen 14 Milliarden und bei der Landwirtschaft
4 Milliarden DM hinzu. Wenn Sie die gesamten Aufwendungen zum gesetzlichen Alterssicherungssystem zusammenrechnen, ergibt sich für den Bund eine Summe
von 110 Milliarden DM bei einem Gesamtkostenblock
von etwa 400 Milliarden DM. Niemand kann und konnte
sagen, dass damit die so genannten Fremdleistungen
nicht mehr als überkompensiert und abgedeckt gewesen
wären.
({3})
Ich habe den Eindruck, beim Thema Ökosteuer erleben
wir die Wiederholung eines schlechten Schauspiels, das
wir schon 1998 und 1999 gesehen haben.
({4})
- Schauen Sie doch in die Haushaltspläne! Auch der Bundesfinanzminister und der Staatssekretär können Ihnen
das sagen.
({5})
Ich habe hier das „Spiegel“-Interview mit Bundeskanzler Schröder vorliegen, in dem er gesagt hat: Bei
6 Pfennig ist das Ende der Fahnenstange erreicht.
({6})
- Das war am 26. Oktober 1998.
({7})
- Sie ist in der Tat unendlich lang.
Er hat weiter gesagt, die Energiebesteuerung dürfe
nicht mehr im nationalen Alleingang geschehen. Aus den
6 Pfennig sind dann fünfmal 6 Pfennig plus Mehrwertsteuer geworden, was 35 Pfennig macht.
Bei all diesen Spielchen hat auch der stellvertretende
Fraktionsvorsitzende Müller mitgemacht, der auch jetzt
wieder dabei ist, wie man der Zeitung entnehmen kann. Er
hat sich auf die Seite der Grünen geschlagen und spricht
sich ebenfalls für die Fortsetzung der Ökosteuer nach der
Wahl aus.
Daraus ziehe ich den Schluss: Die nächste Ökosteuererhöhung kommt bestimmt. Das ist so sicher wie das
Amen in der Kirche. Der Bundeskanzler will wie damals
den starken Mann spielen und verkündet: Schluss mit der
Debatte. Damals kam es anders und auch heute wird es
anders kommen. Dazu wird er dann sicherlich wieder
„Basta!“ sagen.
Das Entscheidende ist: Sie betätigen sich als Preistreiber. Wenn Sie großen Volkwirtschaften wie der der Bundesrepublik Deutschland und der Großbritanniens unendlich viele Lasten aufbürden, dann betätigen Sie sich auf
dem internationalen Energiemarkt zulasten der Verbraucher als Preistreiber.
Auch verwenden Sie die Mittel nicht so, wie Sie sagen.
({8})
Mir liegt hier eine Antwort der Bundesregierung auf eine
Anfrage von der ganz linken Seite dieses Hauses vor, in
der sie zugeben muss, dass sie 5,7 Milliarden DM für andere Zwecke abzweigt, also nicht für die Rente. Auch
Herr Gabriel - seines Zeichens Ministerpräsident - sagt,
dass die Ökosteuer zweckentfremdet eingesetzt wird. Das
müssen wir natürlich kritisieren: Sie verwirklichen keines
Ihrer Ziele.
({9})
- Das müssen Sie dem Herrn Gabriel sagen.
Sie erzielen entgegen Ihren Vorgaben auch keine Lenkungswirkung. Wenn Sie das wollten, müssten Sie einmal
feststellen, bei welcher Höhe der Energiepreise die erwartete und erwünschte Lenkungswirkung erzielt werden
kann. Sie haben in Ihrem Modell jede Menge Strukturfehler, auf die ich leider nicht mehr eingehen kann.
Wenn ich mit dem Klientel der Grünen spreche - sie
sind schon aufgestiegen und gehören nicht mehr zu den
unteren soziologischen Schichten -,
({10})
habe ich den Eindruck, dass die Gier, die sie nach noch
mehr Verteuerung von Energie geradezu entwickeln, einer
ausgeprägten elitären und arroganten Gesinnung mancher
Besserverdienender entspringt, bei denen der Schnittpunkt zwischen verfügbarem Einkommen und verfügbarer Freizeit genau richtig ist, um das Leben entsprechend
genießen zu können. Man will vermeiden, dass alle die
gleichen Segnungen des Wohlstands erleben. Sie neiden
den anderen die Mobilität, um besser unter sich bleiben zu
können. Neulich hat ein Verfassungsrechtler die Situation
so umschrieben, dass das freie Fahrt für Betuchte auf
deutschen Autobahnen bedeute.
({11})
Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat der Kollege
Michael Müller von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Ökosteuer
zurückkommen und darauf hinweisen, dass das, was Sie,
meine Damen und Herren von der Opposition, hier sagen,
schlicht und ergreifend mit den Tatsachen nicht übereinstimmt. Nimmt man eine Auswertung der bisherigen
Auswirkungen der Ökosteuer vor, stellt man eindeutig
fest, dass es positive Ergebnisse gibt, und zwar - das muss
man hinzufügen - positivere, als wir geglaubt haben:
({0})
Erstens. Wir haben durch die Ökosteuer nach den bisher vorliegenden Bewertungen einen Zuwachs an Arbeitsplätzen von etwa 75 000.
Zweitens. Wir hätten nach den Untersuchungen des
RWI im Falle der Abschaffung der Ökosteuer einen
Verlust an Arbeitsplätzen im Umfang von 100 000 bis
150 000 zu verzeichnen. Die Ökosteuer trägt also schon
heute im Wesentlichen zur Sicherung von Arbeitsplätzen
bei.
({1})
- Ich habe bei Ihnen sowieso den Eindruck, wenn ich die
Debatte verfolge, dass Sie nicht richtig lesen. Sie sind
nicht auf dem Stand der Debatte. Das muss man Ihnen einmal deutlich sagen.
({2})
- Die wollen das auch nicht. Das muss man hinzufügen.
Drittens,. Es ist richtig, dass wir im letzten Jahr zum
ersten Mal einen deutlichen Rückgang des Mineralölverbrauchs hatten, und zwar um fast 4,5 Prozent. Das beruhte
nicht allein auf der Ökosteuer, aber eben auch auf der
Ökosteuer. Man kann diese Tatsache nicht außer Acht lassen oder auf andere Ereignisse beziehen.
({3})
- Warten Sie! Ich komme noch dazu.
Viertens. Wir hatten im letzten Jahr erstmals eine Steigerung der Energieproduktivität, nachdem wir über Jahre
hinweg eine Senkung der Energieproduktivität hatten.
Zum ersten Mal wird wieder deutlich mehr in Energieeinsparung und rationelle Verwendung von Energie investiert. Auch das ist ein positiver Punkt.
Fünftens. Zudem trägt die Ökosteuer in einem Umfang
von etwa 8 bis 10 Millionen Tonnen zur Reduktion von
Kohlendioxid bei.
Ich will Sie an dieser Stelle an Ihre eigenen Beschlüsse
erinnern: Sie haben 1990 im Parlament - auch die damalige Bundesregierung hat das getan - für eine ökologische
Steuerreform plädiert, um die Klimaproblematik zu lösen.
({4})
- Genau, Herr Henke, das ist das Unehrliche in Ihrer Argumentation. Sie haben Modelle vorgelegt, die fast genauso aussahen, wie die Ökosteuer heute ausgestaltet ist.
Das ist die Wahrheit. Nur, jetzt wollen Sie das nicht hören.
({5})
Alle, Herr Schäuble, auch Herr Rexrodt, haben sogar
vom nationalen Alleingang gesprochen. Sie haben alle
von einer unterschiedlichen Behandlung von Verbrauchern und Industrie bei der Steuer gesprochen. Sie haben
im Wesentlichen das Modell entworfen, das heute umgesetzt worden ist. Es besteht nur ein entscheidender
Unterschied: Sie haben sich nie getraut, das durchzusetzen.
({6})
Das ist der eigentliche Unterschied.
({7})
Ich kann ja einmal etwas Wunderschönes von Herrn
Schäuble zur ökologischen Steuerreform vorlesen:
Ob sie nur im europäischen Kontext zwingend ist,
wage ich zu bezweifeln. Gerade der nationale Alleingang bringt ja die Vorteile, wie wir bei den hohen
deutschen Umweltschutzanforderungen gesehen haben.
({8})
Ich möchte, Herr Thiele, auch aus den „Sieben Schritten von der Gefälligkeitsdemokratie zur Verantwortungsgesellschaft“ von der F.D.P. zitieren:
Dazu bedarf es auch einer Reform des Steuersystems, in der die Belastung von Arbeitsplätzen abgebaut und dafür die steuerliche Belastung umweltschädlichen Verbrauchs erhöht wird.
Ich frage Sie: Was machen wir denn anderes?
({9})
Sie sind in dieser Debatte ebenso unehrlich wie verantwortungslos. Der Hintergrund dieses Verhaltens ist
auch klar: Es ist der Wahlkampf, nichts anderes bewegt
Sie.
Ich möchte auch noch auf den Punkt eingehen, den Herr
Kalb gerade angesprochen hat. Im letzten Jahr betrugen die
Einnahmen aus der Ökosteuer 17,2 Milliarden DM. Davon
sind 16,6 Milliarden DM in die Rentenversicherung geflossen. In diesem Jahr werden die Einnahmen laut Prognose bei 22,3 Milliarden DM liegen, 22,4 Milliarden DM
sollen in die Rentenversicherung fließen. Was reden Sie
also eigentlich von „Abzocken“? Sie verdummen die Öffentlichkeit, und zwar ganz bewusst.
({10})
- Die Zahlen der Bundesregierung sind richtig. Ich kann
sie Ihnen gerne geben. Sie wollen die Wahrheit nicht zur
Kenntnis nehmen.
Vor einigen Tagen gab es alarmierende Meldungen zum
Thema Klimaveränderung. Nach dem, was wir aus Schanghai vom IPCC gehört haben, ist die momentane Tendenz
der Erwärmung viermal höher, als es überhaupt verkraftbar
wäre. Viermal höher! Dagegen - das habe ich schon öffentlich gesagt - ist der BSE-Skandal, über den wir uns zu
Recht sehr aufregen, eine Kleinigkeit. Ich sage Ihnen: Wir
alle werden daran gemessen, welche Antworten wir auf die
Frage der Klimaerwärmung geben. Hören Sie mit Ihrer Parteitaktik auf! Übernehmen Sie Verantwortung!
({11})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 8. März 2001, 9 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.