Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/14/2001

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Laumann, es ging zunächst einmal darum, im Vorfeld Überlegungen zu entwickeln. Zu diesem Zweck sind natürlich sowohl die Vertreter der Wirtschaft als auch die Vertreter der Gewerkschaften einbezogen worden. Die Entscheidungen über die Gesetzesänderung fallen aber - das wissen Sie genauso gut wie ich - zuerst im Kabinett und dann im Parlament, nicht jedoch im Bündnis für Arbeit. Das soll aber nicht heißen, dass nicht Teilbereiche des Gesamtvorhabens im Bündnis für Arbeit erörtert werden. Über diese Frage wird man sprechen müssen. Sie haben Recht, dass man sich über dieses Thema offen unterhalten muss; wenn aber in Teilbereichen Auffassungen strittig bleiben, wird darüber der Gesetzgeber entscheiden müssen. Das ist letztlich seine Aufgabe.

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich noch eine Nachfrage stellen?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Als erstem Fragesteller gebe ich Ihnen die Möglichkeit zu einer kurzen Nachfrage.

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bedeutet das, was Sie eben gesagt haben, dass die Bundesregierung dieses Thema im Bündnis für Arbeit besprechen wird, bevor darüber im Parlament entschieden wird?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Bevor darüber im Parlament entschieden wird, wird es weitere Besprechungen - nicht nur formelle Anhörungen - mit den beiden Sozialpartnern geben. Ob das Thema konkret im Bündnis für Arbeit besprochen wird, wird bei dem Treffen am 4. März erörtert werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen Brandner.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, das Institut der deutschen Wirtschaft hat in einer Umfrage unter Arbeitgebern ermittelt, dass 70 Prozent der befragten Arbeitgeber dem System der betrieblichen Mitbestimmung die Noten „gut“ bis „sehr gut“ geben. Zudem ist bekannt, dass wir im Vergleich zu anderen Ländern die wenigsten Streiktage haben und Konflikte auf der betrieblichen Ebene ganz selten zu Verfahren vor Arbeitsgerichten oder vor Einigungsstellen führen. Können Sie sich erklären, warum die Arbeitgeber dem Konzept der betrieblichen Mitbestimmung trotzdem eine so deutliche Absage erteilt haben?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich kann es mir dadurch erklären, dass teilweise keine betriebliche Mitbestimmung vorhanden ist. Wenn man sich vor Augen führt, dass man in Teilbereichen über die betriebliche Mitbestimmung zu wenig weiß und gerade in Kleinbetrieben die Wahl von Betriebsräten der Ausnahmefall ist, kann man darin eine der Ursachen sehen. Ich baue sehr darauf, dass wir die Fragen der Mitwirkung, der Information und der Mitbestimmung - ich möchte alle drei Komplexe ausdrücklich betonen zukünftig auch in Klein- und Mittelbetrieben vorteilhaft und effizient beantworten können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage der Kollegin Kumpf.

Ute Kumpf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003166, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, im Vorfeld der Auseinandersetzung um die Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes wurden im Hinblick auf die Frauenförderung durch die Betriebsverfassung sehr kritische Stimmen laut. Wie sehen Ihre konkreten Überlegungen und Pläne aus, Gleichstellungspolitik auch in der Betriebsverfassung zu verankern, um den Frauen damit eine Chance zu geben, ihren Platz in der Gesellschaft und im Beruf zu finden?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Wir sehen in dem Gesetzentwurf erstmals vor, dass nicht nur eine Soll-, sondern eine Mussbestimmung sicherstellt, dass die beiden Geschlechter entsprechend ihrer Stärke in den Belegschaften in den Betriebsräten vertreten sind. Ich meine persönlich, dass der Schritt, den wir in dieser Frage gehen, ein sehr mutiger ist. Wir sehen darüber hinaus durch Sollvorschriften vor, dass beide Geschlechter bei der Besetzung von Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat entsprechend vertreten werden. Ich denke, dadurch werden wir eine wesentlich stärkere Vertretung von Frauen, die bisher unterrepräsentiert sind, im Betriebsrat haben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister Riester, es gab in den letzten Tagen nicht wenige Stimmen, die äußerten, der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf sei mittelstandsfeindlich. Der Wirtschaftsminister Ihrer RegieKarl-Josef Laumann rung hat sich diese Meinung zu Eigen gemacht und in 26 Punkten nachhaltig auf Änderung gedrungen. Können Sie kurz darstellen, in welchen Punkten Sie auf den Wirtschaftsminister zugegangen sind und weshalb Sie glauben, dass der Vorwurf der Mittelstandsfeindlichkeit jetzt entkräftet ist?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Zuerst einmal muss man sich kritisch damit auseinander setzen, ob der generelle Vorwurf der Mittelstandsfeindlichkeit berechtigt ist. Ich weiß natürlich, dass die Kostenfrage differenziert betrachtet werden muss. Deswegen möchte ich Ihnen an einigen Punkten aufzeigen, inwiefern wir den Einwänden entgegengekommen sind. Erster Punkt. Wir sind der Meinung, dass Sachverständige bei Änderungen im Betrieb - es geht insbesondere um Betriebsschließungen, Teilbetriebsschließungen und Verlagerungen - nur in Betrieben mit über 300 Beschäftigten hinzugezogen werden sollen, weil dies Kosten verursacht. Das ist ein wichtiger Punkt. Zweiter Punkt. Die ursprünglich im Referentenentwurf vorgesehene Bildung von Ausschüssen, unabhängig von der Größe der Betriebe, haben wir auf Betriebe mit über 100 Beschäftigten begrenzt. Auch dies wird sich kostenmäßig sofort auswirken. Dritter Punkt. Wir haben die Freistellungsansprüche neu geregelt. Wir haben zwar die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung, Mitglieder von Betriebsräten in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten freizustellen, beibehalten. Aber wir haben die Freistellungsgrenze auf Betriebe mit bis zu 2 000 Beschäftigten gestreckt. Auch dadurch werden die Betriebe geringer belastet werden. Das waren beispielhaft drei Punkte, in denen wir auf die Einwände eingegangen sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen Dr. Grehn.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, in der Pressekonferenz wurde gesagt, dass die Verfahren bei den Einigungsstellen beschleunigt werden sollen. Das ist von enormer Bedeutung; denn wenn die Frist abläuft, endet auch das Verfahren. Mich interessiert, wie das Verfahren beschleunigt werden soll.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Es geht nicht nur um eine Beschleunigung. Wir möchten auch dafür sorgen, dass die Verfahren bei den Einigungsstellen mit geringeren Kosten durchgeführt werden. Dazu wird die Regierung die Sozialpartner einladen und mit ihnen über ihre Vorstellungen diskutieren. Wir wollen auch erreichen, dass die gerichtlichen Bestellungsverfahren abgekürzt werden und dass versucht wird, die Kosten der Einigungsstellen zu verringern - eine Überlegung, über die schon Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte diskutiert wird. Leider ist in dieser Frage bisher nichts erreicht worden. Wir werden die Lösung dieses Problems zügig angehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage der Kollegin Dr. Dückert.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, können Sie noch einmal genau erläutern, wie die Mitbestimmung hinsichtlich der Änderung von Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen, die in § 91 des Betriebsverfassungsgesetzes geregelt ist, künftig aussehen wird?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

§ 91 sieht vor, dass der Betriebsrat dann, wenn Änderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsplätze erfolgen und gegen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse verstoßen, sodass diese Änderungen die Beschäftigten in besonderer Weise belasten, das Recht hat, Maßnahmen zum Ausgleich dieser Belastungen zu verlangen. Wir haben ursprünglich die in § 91 vorhandenen Begriffe „in besonderer Weise“ und „offensichtlich“ herausgenommen. Das hat insbesondere bei der Wirtschaft zu der Sorge geführt, dass den Betriebsräten damit eine Möglichkeit zur ständigen Intervention gegen Investitionsentscheidungen gegeben wird. Ich habe diese Einschätzung nie geteilt. Ich bin auch nicht der Auffassung, dass die Begriffe „in besonderer Weise“ und „offensichtlich“ eine solche Kernbedeutung haben. Dies haben wir trotzdem korrigiert, um die zumindest aus meiner Sicht missverständliche und ungerechtfertigte Kritik an den Betriebsräten zu entkräften.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, wenn Sie gestatten, frage ich Herrn Minister Müller, der heute an der Entscheidung des Kabinetts beteiligt war und sicherlich ebenfalls zu Wort kommen möchte. Herr Bundesminister Müller, konnten Sie heute Morgen in den Spiegel schauen? ({0}) Sie sind doch der große Verlierer. Sie haben vollmundig 26 verschiedene Punkte angekündigt und müssen heute kleinlaut beigeben, denn Sie konnten nur einen Bruchteil dieser Punkte umsetzen. Ihre Aussagen bei der jüngsten Pressekonferenz zeigen, ({1}) dass Sie nur vermelden können, ganz wenige Veränderungen erreicht zu haben. Es bleibt doch dabei, dass erstens die Schwelle für die Freistellung von Betriebsräten wie geplant sinkt ({2}) und zweitens die Zahl der Betriebsräte und weiterer Gremien gerade in kleineren Betrieben steigt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Hinsken, ich bitte Sie, auf die anderen Kollegen, die noch fragen wollen, Rücksicht zu nehmen. Ich glaube, Sie haben eine klare Frage gestellt, und nun hat der Herr Bundesminister das Wort zur Beantwortung.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deshalb nochmals: Was haben Sie von dem, was Sie versprochen hatten, im Sinne der Wirtschaft wirklich erreicht? ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Bundesminister, bitte.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Lieber Herr Hinsken, die erste Frage kann ich ganz einfach beantworten: Ich habe mich heute Morgen wohlgemut im Spiegel gesehen. ({0}) Muss ich die zweite Frage auch beantworten?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Bitte sehr.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Ihre zweite Frage, Herr Hinsken, beantworte ich sehr gerne. Der wichtigste Punkt für BDA, BDI und die anderen Verbände der Wirtschaft war die Änderung des § 91. Herr Kollege Riester hat gerade gesagt, dass die zunächst geplanten Änderungen nicht stattfinden; § 91 bleibt in der alten Fassung bestehen. Für größere Unternehmen war die zwangsweise Bildung eines Konzernbetriebsrates störend; ich kann das nachvollziehen. Es bleibt bei der alten Regelung: Ein Konzernbetriebsrat wird nur fakultativ gebildet. Es ist also eine Kannbestimmung nach dem alten Recht. Dann war ein konzerninterner Wirtschaftsausschuss vorgesehen. Dessen Einführung ist jetzt nicht mehr geplant. Etliche Regelungen, die insbesondere für mittelständische Betriebe von 100 bis 300 Beschäftigten störend sind, weil dort nicht unbedingt schon ein Personaldirektor arbeitet, gelten künftig erst für Betriebe über 100 bzw. 300 Beschäftigte. - So könnte ich Ihnen noch einige Punkte mehr nennen. Ich bitte Sie, freundlicherweise nicht davon auszugehen, dass der Wirtschaftsminister der Meinung war, er könne alle 26 teils nicht so wichtigen, teils wichtigeren Punkte durchsetzen. Aber das, was aus meiner Sicht im Interesse der Wirtschaft zu berücksichtigen war, ist berücksichtigt worden. Deswegen komme ich auf die erste Frage zurück: Ich kann wohlgemut in den Spiegel schauen. - Das wird sich, Herr Hinsken, auch in Ihrem Betrieb positiv bemerkbar machen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Frage des Kollegen Brandner.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe noch eine Frage an Bundesarbeitsminister Riester: Ich entnehme Pressemitteilungen, dass große Unternehmen das geltende Betriebsverfassungsgesetz loben. Insbesondere weisen sie darauf hin, dass technologische Veränderungen mithilfe von Betriebsräten schneller umgesetzt und mit einer größeren Akzeptanz durchgesetzt werden können. In kleineren Unternehmen - Sie haben selbst darauf hingewiesen - fehlen die Erfahrungen mit der Betriebsverfassung. Ist es unter diesem Gesichtspunkt nicht sinnvoll, dass die Bundesregierung ein öffentlich gefördertes Informationsund Qualifizierungsprogramm zur Aufklärung über Mitbestimmung und deren Wirkung in Gang setzt, damit diese positiven Wirkungen der Betriebsverfassung in der Fläche eine größere Wirkung erlangen?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Darüber muss man nachdenken. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Programm zur Humanisierung der Arbeitswelt. Ein ähnliches Programm könnte man auch hier vorsehen. Allerdings sollte die Information über Mitbestimmung und Zusammenarbeit natürlich nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch von den Sozialparteien, die dafür ja unmittelbar zuständig sind, in entsprechendem Maße angegangen werden. Gleichwohl nehme ich Ihre Anregung gerne auf.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen Koppelin. Ich mache auf Folgendes aufmerksam: Ich verstehe den Wunsch nach Zusatzfragen. Man muss nur wissen, dass nicht mehr alle Kollegen an die Reihe kommen können. Eine Zusatzfrage aus derselben Fraktion geht zulasten eines anderen Fragestellers. Das muss die Fraktion dann aber selbst klären. Das Wort hat Herr Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Frage richtet sich ebenfalls an den Wirtschaftsminister Müller. Herr Minister, haben Sie nach der getroffenen Entscheidung schon einmal durchrechnen lassen, in welcher Größenordnung Mehrbelastungen auf die Betriebe zukommen? Schließlich haben Sie immer verkündet, dass Sie die Belastungen der Betriebe, vor allem die Personalkosten, senken wollen; jetzt kommen wieder höhere Kosten auf die Betriebe zu. Müsste es Sie nicht auch nachdenklich stimmen, dass bei dieser Befragung der Bundesregierung vonseiten der SPD nur Gewerkschaftssekretäre und keine Vertreter anderer Gruppierungen Fragen stellen? ({0}) - Ich höre gerade, dass es keine anderen bei der SPD gibt. Okay, dann muss ich das akzeptieren.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Zu Ihrer letzten Frage kann ich nichts sagen, weil ich bisher noch keine Qualitätsunterschiede habe feststellen können, die etwas damit zu tun hatten, ob jemand ein Gewerkschaftsbuch hat oder nicht. ({0}) Zu der vielleicht etwas wichtigeren Frage: Das Institut der deutschen Wirtschaft hat die Größenordnung der Kosten, die durch die Reform des Mitbestimmungsgesetzes in der zunächst beabsichtigten Form eventuell entstehen, ermittelt. Dieser Wert mag - Pi mal Daumen - stimmen, immer unter der Voraussetzung, dass sich die Zahl der Betriebe mit Betriebsräten deutlich erhöht; diese Annahme ist aber noch nicht gesichert. Wenn Sie diese Kostenrechnung betrachten, dann werden Sie feststellen, dass die Position „Freistellungen“ mit den höchsten Kosten verbunden ist. Vor dem Hintergrund, dass eine Entscheidung darüber zu treffen war, ob wir den von Herrn Riester geplanten Anstieg der Betriebsratsgrößen plus den von Herrn Riester geplanten Umfang der Freistellungen akzeptieren - beides zusammen hätte meiner Meinung nach zu viel Belastung bedeutet -, haben wir uns darauf verständigt, das zu verringern, was wirklich Kosten verursacht. Deswegen wird, wie Herr Riester gerade sagte, die Zahl der Freistellungen in Betrieben mit 200 bis 2 000 Beschäftigten nicht viel anders als heute sein; allerdings wird die Untergrenze bei 200 liegen. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat für diesen Fall deutlich gemacht, dass hierbei nicht die vollen Kosten anfallen, weil ein Betriebsrat in einem solchen Betrieb durch das bestehende Betriebsverfassungsgesetz mindestens zur Hälfte implizit freigestellt ist. Wenn man diesen ganzen Kostenblock aus den Berechnungen herausnimmt, dann zeigt sich, dass nicht mehr sehr viel an Mehrkosten bleibt. Am 7. Februar habe ich in diesem Hause gesagt: Am Ende wird etwas herauskommen, was eine gewisse Zusatzbelastung der Wirtschaft darstellt; diese Zusatzbelastung muss aus meiner Sicht zumutbar sein. Was bei den Kostenrechnungen nie beachtet wird, ist der Gewinn auf der anderen Seite; denn die Mitbestimmung führt auch zu unmittelbar besseren Betriebsergebnissen. ({1}) - Aber Herr Kolb, darüber kann man doch nicht ernsthaft diskutieren. Unser Land hat in der Welt die geringsten Streiktage; das muss doch seinen Grund haben. Wir sind ein Land, das ohne jeden ernsten gesellschaftspolitischen Disput die Anpassung an die Globalisierung bewältigt. ({2}) Ich möchte erleben, wie die deutsche Wirtschaft in diesem Land Geschäfte macht, wenn es hier gesellschaftspolitisch bedingte Unruhen gäbe. Solche Unruhen haben wir nicht. In Friedenszeiten lassen sich sehr schön Geschäfte machen. Bewerten Sie das einmal! Bewerten Sie einmal, dass 70 Prozent der Unternehmen sagen: Wir sind mit der Mitbestimmung sehr zufrieden. Das wird leider nie in Mark und Pfennig ausgedrückt. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen Gerald Weiß.

Gerald Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Riester, ich habe eine Frage zu der skandalösen Verletzung des Minderheitenschutzes in Ihrem Gesetzentwurf. ({0}) Im Rahmen des vereinfachten Wahlverfahrens - Übergang zum Mehrheitswahlsystem in kleinen Betrieben kann es geschehen, dass 49,9 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer qua Wahl nicht im Betriebsrat vertreten sind, sondern dass dieser von einer Gruppe einseitig beherrscht wird. Es kann sein, dass eine Abstimmungsmehrheit von 51 Prozent dazu führt, dass eine Gruppierung 100 Prozent der Betriebsausschussmandate erhält. Dasselbe gilt für die zu Recht als wichtig bezeichneten Freistellungen. Wie können Sie es verantworten, dass durch solch einen Gesetzentwurf die Rechte von kleineren Gewerkschaftsgruppierungen und unabhängigen Betriebsräten elementar verletzt werden?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Kollege Weiß, ich kann Sie bezüglich des von Ihnen angesprochenen Mehrheitswahlrechts sehr leicht beruhigen: Bei Kleinbetrieben mit bis zu 50 Beschäftigten wird all das nicht auftreten, was Sie gesagt haben. Da gibt es weder Ausschüsse noch Freistellungen. Jetzt schauen wir uns einmal das Mehrheitswahlrecht an: Es handelt sich dabei um ein Persönlichkeitswahlrecht. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die im Betrieb die Mehrheit bekommen, dann auch als Persönlichkeiten gewählt werden. Ich bin nicht interessiert daran, dass wir Proporzverteilungen vornehmen. Damit haben wir Erfahrungen gemacht. Ich kann Sie deshalb völlig beruhigen: Bei Betrieben bis zu 50 Beschäftigten gibt es ausschließlich das Mehrheitswahlrecht und dort tritt all das, was Sie gesagt haben, überhaupt nicht auf und kann auch nicht auftreten, weil es dort keine Ausschüsse und keine Freistellungen gibt. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen Staffelt.

Dr. Ditmar Staffelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003239, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Müller, ich darf Sie bitten, mir zuzuhören. Ich kann zwar verstehen, dass Sie gerne mit Frau Künast reden, möchte aber Ihr Gespräch trotzdem ganz kurz unterbrechen und Sie fragen, ob Sie vor dem Hintergrund des Beschlusses des Kabinetts zum Betriebsverfassungsgesetz irgendwelche Einschränkungen für den Investitionsstandort Deutschland sehen. Diesbezüglich hat es ja vielfältige Spekulationen gegeben. Gibt es irgendwelche substanziellen Veränderungen, die darauf hinweisen, dass etwa Investitionen, die in Deutschland realisiert werden sollten, vor dem Hintergrund dieser Maßnahmen nicht getätigt werden?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Herr Kollege Staffelt, zunächst freue ich mich, dass gerade Sie Verständnis dafür haben, dass ich gerne mit Frau Künast rede. ({0}) Auf Ihre Frage kann ich Ihnen zwei Antworten geben: Das Ausland sieht in der Tat die deutsche Form der Mitbestimmung manchmal kritisch. Das ändert sich sofort, wenn Sie mit ausländischen Investoren reden, die schon zwei oder drei Jahre in diesem Lande tätig sind. Diese wissen das dann zu schätzen. Ich sagte ja, es gab in dem Entwurf einige kritische Punkte, die mir insbesondere von der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer und der Handelskammer Deutschland-Schweiz mitgeteilt wurden. Das wurde berücksichtigt. Ich erwarte keine negativen Auswirkungen auf den Investitionsstandort Deutschland.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Bezüglich des zeitlichen Ablaufes würde ich vorschlagen, dass ich noch zwei Fragen aus den Reihen der CDU/CSU, zwei aus den Reihen der SPD und jeweils eine Frage vonseiten der PDS und der F.D.P. zulasse. Falls die Grünen noch eine Frage stellen wollen, so ist auch das möglich. - Gut, Frau Dückert. Danach beende ich die Befragung der Bundesregierung. Jetzt Herr Kollege Dr. Grehn, bitte.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister Riester, welchen zusätzlichen Sachaufwand können Betriebsräte für ihre Arbeit nach dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf geltend machen? Inwieweit hat die Rechtsprechung schon zugunsten dieses Mehraufwandes entschieden?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Das bezieht sich insbesondere auf die technischen Geräte. Wir hatten häufig das Problem, dass den Betriebsräten entsprechende Informations- und Kommunikationsmittel sowie Software nicht zur Verfügung gestellt wurden. Das schließt aber Fortschritte in diesem Bereich nicht aus. Wichtig ist für uns, dass der Betriebsrat die Ausstattung bekommt, die für die Durchführung seiner Arbeit wichtig ist. Wir möchten dafür sorgen, dass die Dinge, die - darauf weisen Sie zu Recht hin - häufig in der Rechtsprechung streitig waren, künftig problemlos bewilligt werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage der Kollegin Baumeister.

Brigitte Baumeister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Müller, stimmt es Sie eigentlich fröhlich, wenn Ihnen Ihr Ministerkollege Riester sagt, über die Kosten könne man nur spekulieren, man bewege sich da auf dünnem Eis? Können Sie mir speziell sagen, wie hoch Sie die Kosten schätzen, die auf den Mittelstand zukommen, und wie hoch Sie umgekehrt die Vorteile für den Mittelstand einschätzen?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Es handelt sich hier nicht um so klare Sachverhalte wie bei der Aufstellung von Kassenbüchern. Das sind spekulative Größenordnungen. Ich habe doch gesagt, das Institut der deutschen Wirtschaft unterstellt einfach, es gebe 50 Prozent mehr Betriebsräte bezogen auf alle Betriebe. Auf einer solchen Basis kommt man zu einer Schätzung der durch das neue Gesetz verursachten Kosten, die irgendwo bei 2 Milliarden DM liegen. Aber es ist die Frage, ob sich die Zahl der Betriebsräte tatsächlich in dem Umfang erhöht. Ich kann nur anhand des Gesetzes vorgehen, wie es jetzt vorliegt. Da könnte ich viele Dinge anführen. Ich will aber nur ein Beispiel nennen, weil Herr Riester schon etliche Dinge gesagt hat - ich auch -, die für Betriebe mit 100 bis 300 Beschäftigten nicht gelten. Ich nehme nur einmal den Punkt, dass der Betriebsrat - das ist sinnvoll - Vorschläge zur Beschäftigungssicherung machen soll. Da gibt es nun eine Beratungspflicht. Wenn der Arbeitgeber die Vorschläge ablehnt, dann soll er das schriftlich begründen. Das gilt aber nicht für Betriebe mit weniger als 100 Beschäftigten. Da entfällt dieser Kostenblock und die Notwendigkeit, einen Schriftsatz zu fertigen etc. Es sind Betriebe mit weniger als 100 oder mit weniger als 300 Beschäftigten von vielen Bestimmungen ausgenommen. Deswegen wage ich die These: Ich sehe in diesem Gesetz - mit einer Ausnahme, nämlich dass die Zahl der Arbeitnehmer, die maßgeblich für eine Freistellung ist, von 300 auf 200 herabgesetzt wird; dafür ist in etwa ein halbes Gehalt anzusetzen - nichts, was sich auf den Mittelstand, wenn ich ihn einmal bei 250 bis 300 Beschäftigten ansetze, besonders kostenbelastend auswirkt. Sonst hätte ich mit Herrn Riester noch länger verhandelt. Wir haben uns so verständigt, dass meine Bedenken, die teilweise nicht von der Hand zu weisen waren, wirklich berücksichtigt worden sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen von Larcher.

Detlev Larcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001290, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe eine Frage an Herrn Minister Riester. Herr Minister, können Sie sich und vielleicht auch mir erklären, warum der Führer der größten Oppositionspartei heute in einem Rundfunkinterview einerseits sagte, dass seine Fraktion unseren Gesetzentwurf ablehnen werde, andererseits aber sagte, dass die Betriebsverfassung natürlich reformiert und modernisiert werden müsse, allerdings auf mehrfache Nachfragen keinen einzigen Punkt nennen konnte, den er reformieren möchte? ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Kollege Larcher, ich kann die Frage nicht beantworten. Aber es wird noch Gelegenheit geben, den Oppositionsführer zu fragen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen Brüderle.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister Riester, Sie haben eben die Formulierung gewählt - ich habe es mir notiert -, dass Sie den Vorstellungen von Herrn Bundesminister Müller entgegengetreten sind. Das ist auch mein Eindruck. Herr Müller hat, nachdem er immer wieder demontiert wurde - das letzte Mal durch die Wegnahme der Zuständigkeit für die Verbraucherpolitik -, eine Art ordnungspolitische Torschlusspanik gehabt und seine 26 Essentials über die Presse veröffentlicht. Kann ich Ihre Ausführungen so verstehen, dass er in dreien seiner 26 Punkte ein Stückchen Erfolg hatte?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Nein, das können Sie nicht so interpretieren. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass ich wesentlich mehr aufgeführt habe. Ich kann es Ihnen, wenn das für Sie wichtig ist, auch von der Quantität her sagen. Wir haben uns nicht nur in elf Punkten, in denen wir unterschiedlicher Auffassung waren, auf einen Kompromiss verständigt, sondern haben in anderen Punkten kreativ eine Verbesserung entwickelt, beispielsweise was das verkürzte Wahlverfahren angeht, von dem ich sage, dass das jetzt Entwickelte der Sache wesentlich gerechter wird. Es können die Vorwürfe, die immer wieder öffentlich erhoben worden sind, nämlich es wäre ein Hauruck-Verfahren, eigentlich nicht mehr angeführt werden. Ich kann nur sagen: Es war eine sehr konstruktive Debatte, die wir gemeinsam geführt haben. Der Gesetzentwurf, der uns jetzt vorliegt, ist besser als der Referentenentwurf. Das war das Ziel.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage der Kollegin Dückert.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Riester, können Sie uns eine Einschätzung darüber geben, wie sich dieses neue Gesetz auf die Entwicklung und auf die Durchsetzung des betrieblichen Umweltschutzes in der deutschen Wirtschaft auswirken wird?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Es wird sich insofern auswirken, als dass der betriebliche Umweltschutz ein Thema ist, über das nicht nur der Betriebsrat - das ist schon jetzt in vielen Betrieben die selbstverständliche Praxis - informiert wird, sondern worüber auch im Wirtschaftsausschuss gesprochen wird. Der Wirtschaftsausschuss ist das Gremium in Unternehmen mit über 100 Beschäftigten, in dem über wirtschaftliche Fragen des Unternehmens und auch über Fragen des betrieblichen Umweltschutzes gesprochen wird. Ursprünglich sollte, was die Zuständigkeit des Wirtschaftsausschusses betrifft, der Umweltschutz allgemein aufgenommen werden. Wir haben das korrigiert, um Missverständnissen entgegenzutreten. Es geht jetzt um den betrieblichen Umweltschutz, der in den Betrieben natürlich eine große Bedeutung hat. Die Information der Betriebsräte im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz muss der Bedeutung dieses Themas angemessen sein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage der Kollegin Wöhrl.

Dagmar G. Wöhrl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002829, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ein Gesetz, das auf Konsens angelegt sein sollte - so war es bisher immer -, wird im Dissens verabschiedet. ({0}) Sie wissen genau, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit immer ein wichtiges Fundament in diesem Bereich gewesen ist. Es wäre für Notsituationen, die immer wieder auftreten können - beispielsweise drohende Insolvenzen -, wichtig gewesen, flexible Regelungen zu schaffen, ({1}) die es den Betrieben ermöglichen zu überleben und damit die Arbeitsplätze zu sichern. Es gibt in den Betrieben schon zahlreiche Beispiele für diese Handhabung. Aber die Praxis steht nicht immer mit dem geltenden Recht oder mit den tarifvertraglichen Vereinbarungen im Einklang. Warum wurde bei der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht eine Regelung geschaffen, mit der man derartige betriebliche Bündnisse auf eine einwandfreie rechtliche Grundlage hätte stellen können? Herr Minister Müller scheint sich in diesem Punkt nicht durchgesetzt zu haben.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich will zunächst auf Ihre Bemerkung eingehen und dann Ihre Frage beantworten. Mit Ihrer Bemerkung, dass das Betriebsverfassungsgesetz in seinem Kern auf Konsens angelegt ist, haben Sie völlig Recht. Wenn Ihre Bemerkung darauf abzielt, uns ein Angebot zu unterbreiten, dieses Gesetz im Konsens im Parlament zu verabschieden, dann lade ich Sie gerne dazu ein. Mich hat aber die Erklärung der Opposition - noch bevor wir das Gesetz eingebracht haben -, dagegen stimmen zu wollen, etwas irritiert. Zu Ihrer Frage, Frau Kollegin Wöhrl. Die Mitbestimmung hat nicht nur in Einzelfällen, sondern in Zehntausenden Fällen gegen drohende Insolvenz gewirkt. Mit der Arbeit der Betriebsräte kann einer drohenden Insolvenz entgegengewirkt werden. Die Arbeit für Beschäftigungssicherung und für die Abwehr von Insolvenzen mittels mehr Information im Vorfeld zu verbessern - ich habe vorhin ausgeführt, um was es geht: um Qualifikation - ist ein Bestandteil dieses Gesetzes. Ich habe Ihnen darüber hinaus aufgezeigt, welche sehr krisenhaften Entwicklungen gerade in den 90er-Jahren durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Belegschaftsvertretungen und Geschäftsleitungen abgewehrt werden konnten. Das Betriebsverfassungsgesetz ist die wichtige Grundlage, um die von Ihnen zu Recht aufgeführten Punkte zu erfüllen. Ich vermute, dass Sie mit Ihrer Frage auf tarifliche Lösungen abgezielt haben. ({0}) - Dann ist die Frage damit beantwortet.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zum Abschluss eine Frage des Kollegen Scholz.

Olaf Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003231, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte den Minister Müller fragen: Glauben Sie, dass mit der verstärkten Beschäftigung der Betriebsparteien mit der betrieblichen Berufsbildung eine deutliche Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland einhergehen wird? ({0})

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Ich glaube, dass man diese Frage eindeutig bejahen kann. Wenn ich richtig informiert bin, Herr Scholz, dann ist es ja so, dass die CDU unlängst - ich glaube, es war gestern - eigene Vorstellungen zum Betriebsverfassungsgesetz entwickelt hat. Eine Reform ist nach Aussage der CDU notwendig. Es ist bemerkenswert, dass die CDU auch einen Punkt aufgreift, den die Wirtschaft gar nicht so gerne sieht, und zwar die wirkliche, qualifizierte Mitbestimmung bei den Themen der beruflichen Fortbildung. Das heißt, dieses Thema ist überparteilich als eine der notwendigen Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Betriebe anerkannt. ({0}) Ich glaube auch, dass das so ist. Deswegen möchte ich Ihre Frage tatsächlich rundum bejahen. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke den Fragestellern und den Kollegen der Bundesregierung und beende die Regierungsbefragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 14/5269, 14/5308 Wir kommen zunächst zu den dringlichen Fragen. Sie beziehen sich auf den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen ist Staatsminister Dr. Ludger Volmer anwesend. Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Wer hat die Reise finanziert, mit der der heutige Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, entgegen seiner bisherigen Aussage nach Angaben des ARD-Magazins „Report“ ({0}) 1969 in Algerien an einer gegen Israel gerichteten Propagandakonferenz der PLO teilgenommen hat, auf der Palästinenserführer Yassir Arafat zum Kampf gegen Israel bis zum „Endsieg“ aufrief? ({1})

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Herr Kollege Klaeden, es handelte sich damals um eine Reise des SDS. Über die Finanzierung ist nichts bekannt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zunächst einmal möchte ich meine weiteren Fragen und auch die Zusatzfragen mit der Erwartung verbinden, dass uns, wenn sich das Erinnerungsvermögen beim Außenminister wieder einstellt oder die Bundesregierung eine neue Erkenntnis gewinnt, schriftlich auf die Fragen geantwortet wird. Falls Sie also die Gelegenheit haben, den Herrn Außenminister zu fragen, ob er sich an die Finanzierung erinnern kann, erwarte ich, dass uns, falls eine entsprechende Antwort von ihm kommt, vernünftig geantwortet wird. Meine erste Zusatzfrage bezieht sich auf das „Spiegel“-Interview mit Außenminister Fischer, das in der Ausgabe vom 8. Januar dieses Jahres erschienen ist. Darin hat er auf die Frage nach einem Aufenthalt 1970 in einem PLO-Camp in Jordanien geantwortet: Oh, ja! Sonst noch was? Ich war 1966 auf einer völlig unpolitischen Tramp-Tour im Nahen Osten. Erst in den Neunzigerjahren bin ich wieder nach Israel und in die arabischen Länder gekommen: als Außenminister. Meine Frage ist: Warum hat Herr Bundesminister Fischer nicht seinen Aufenthalt in Algerien erwähnt und für wie beschädigt hält die Bundesregierung das Erinnerungsvermögen des Außenministers? ({0})

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Zu Ihrer Eingangsbemerkung, Herr von Klaeden: Ich habe gerade selber noch mit dem Außenminister darüber sprechen können. Er erinnert sich in der Tat nicht an die Finanzierung. Sollte sie noch bekannt werden, bekommen Sie das schriftlich nachgereicht. Zu dem „Spiegel“-Zitat. Nicht zum Duktus der Antwort, aber zum Gehalt des Gesprächs und zum Kern der Frage des „Spiegel“, nämlich ob Herr Fischer in dem PLO-Trainingscamp gewesen sei, kann ich eindeutig sagen: Nein. ({0}) Sie wissen doch, wie „Spiegel“-Gespräche verlaufen. Da zählt manchmal auch die Unterhaltsamkeit.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich schlage vor, dass man der Wahrheit den Vorzug vor der Unterhaltung gibt. Ich darf aber trotzdem eine weitere Frage stellen. Sie wissen, dass auf dieser Konferenz, an die sich der Außenminister neuerdings erinnern kann, eine Resolution verabschiedet wurde. In der Resolution heißt es: Die Versammlung vertraut darauf, dass der Endsieg dem palästinensischen Volk gehören wird und es ihm gelingen wird, ganz Palästina zu befreien. Meine Frage ist: Hat der heutige Außenminister damals dieser Resolution zugestimmt?

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Nein, der Außenminister hat diese Veranstaltung nach circa einer Stunde verlassen, weil sie ihm zu langweilig war. ({0}) Seine politische Haltung zur Nahostpolitik ist ja wohl völlig eindeutig. Eindeutiger könnte sie nicht sein, wie sich auch an der heutigen Politik des Außenministers erweist. Die Grundlinie des Außenministers gegenüber Israel und in Bezug auf die Nahost-Politik lautet: ({1}) Erstens. Deutschland hat wegen der historischen Belastung im Zusammenhang mit dem Holocaust eine dauerhafte Verantwortung. ({2}) Zweitens. Deutschland übernimmt Mitgarantien für das Existenzrecht Israels. Drittens. Deutschland beteiligt sich daran, dass zwischen Israel und Palästina ein Frieden auf der Basis von Verständigung entsteht. Dafür steht Joschka Fischer - wer ihn kennt, weiß das - seit mindestens 20 Jahren und auch heute als Außenminister. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, da Sie früher einmal mit mir zusammen im Vorstand derselben Partei waren und wir zu vielen Parteikongressen Gäste aus aller Welt eingeladen haben und CDU und F.D.P. und andere Parteien es genauso gemacht haben: Ist Ihnen irgendein Fall bekannt, in dem ein geladener Gast mit dem Unsinn identifiziert wurde, den die Delegierten einer Partei beschlossen? ({0}) So haben wir beispielsweise auch bei Veranstaltungen der CDU gesessen und ich denke, wir haben uns nicht mit dem identifiziert, was die CDU damals beschlossen hat. ({1})

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Herr Kollege Lippelt, es werden ständig Resolutionen verabschiedet, bei denen man 20 Jahre später kaum noch nachvollziehen kann, inwiefern sie triftig gewesen sein sollen. Seitdem Joschka Fischer als politischer Akteur auf der Bundesebene tätig ist, ist seine Haltung so eindeutig, wie man dies nur bei wenigen Kolleginnen und Kollegen finden wird. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich darf zuvor zur Geschäftsordnung fragen: Da der Staatsminister zwei dringliche Fragen beantwortet hat, gehe ich davon aus, dass ich auch zweimal die Möglichkeit habe zu fragen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Frage 2 des Kollegen von Klaeden ist noch nicht aufgerufen. Bei dieser Frage können Sie eine Zusatzfrage stellen.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, können Sie sich vorstellen, dass man ganz nachdenklich wird, wenn man weiß, dass der jetzige Außenminister damals zu dieser Tagung - mit diesen Beschlüssen - in Algerien gewesen ist, und zur Kenntnis nehmen muss, dass sich Minister Fischer heute zu den Hinrichtungen in Palästina in keiner Weise geäußert hat, obwohl wir doch auch in diesem Hause alle immer der Auffassung gewesen sind, dass wir uns gegen Todesstrafe und Hinrichtungen aussprechen, und obwohl sich auch das Außenministerium bei vielen Gelegenheiten dankenswerterweise geäußert hat? Nun äußert es sich erstaunlicherweise bei dieser Frage überhaupt nicht. ({0})

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Herr Koppelin, Sie sprechen ein grundsätzliches Problem an, nämlich in welcher Tonlage und in welcher Form die Menschenrechtsverletzungen, die im NahostProzess von verschiedenen Seiten begangen wurden, angesprochen werden sollen. Ich kann Ihnen versichern, dass alle diese schrecklichen Ereignisse in Gesprächen, die wir mit beiden Seiten auf unterschiedlichsten Ebenen führen, sehr deutlich angesprochen werden. Im Moment ist es aber nicht der richtige Stil, große öffentliche Erklärungen seitens der Bundesregierung abzugeben. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass wir genau dieses Thema heute Morgen im Auswärtigen Ausschuss intensiv besprochen haben. Ich kann mich nicht erinnern, dass ein F.D.P.-Abgeordneter dort das Wort ergriffen hat. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schockenhoff.

Dr. Andreas Schockenhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002053, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Bundesminister Fischer hat als Delegationsmitglied des Sozialistischen Deutschen Hochschulbundes - ({0}) - Sozialistischer Deutscher Studentenbund. Sie kennen sich in einschlägigen Kreisen besser aus, Herr Stiegler. ({1}) Ich möchte die Frage aber gerne dem Herrn Staatsminister stellen. Nachdem es dem Bundesminister nach einer Stunde zu langweilig geworden ist, wurde eine Resolution verabschiedet, die zum „Endsieg gegen Israel“ auffordert. ({2}) Hat sich denn der Bundesminister im Nachhinein von dieser nationalsozialistischen Wortwahl distanziert oder was hat er unternommen, um diesen Sprachgebrauch zu verhindern? ({3})

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Sehen Sie, die Diskussion verläuft immer nach derselben Methode: Der Außenminister wird in einen Topf geworfen, in den er nicht hineingehört, und dann wird von ihm gefordert, sich zu distanzieren. Der Außenminister hat sowohl in seiner formellen Funktion als auch früher als Privatmann nicht die geringste Tendenz gezeigt, das Existenzrecht Israels in Zweifel zu ziehen. ({0}) Diese Reisen hat er damals übrigens zusammen mit seinem engsten Freund Daniel Cohn-Bendit gemacht, ({1}) der, wie Sie wissen, jüdischer Herkunft ist, weshalb wohl auszuschließen ist, dass dort ein prinzipiell antiisraelischer Duktus vertreten wurde. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, würden Sie bitte einmal kommentieren, was geschehen würde, wenn wir hier oder etwa die Kollegen im Bayerischen Landtag an den Herrn Ministerpräsidenten Stoiber die Frage stellen würden, was er in jener Zeit, zum Beispiel in den 60er-Jahren, als er Franz Josef Strauß direkt zugearbeitet hat und Franz Josef Strauß enge Kontakte zu bestimmten Rechtsdiktatoren gepflegt hat, ({0}) getan hat. Ist es sinnvoll, solche Fragen heute in unseren Parlamenten zu debattieren?

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Herr Weisskirchen, Sie haben jetzt einen Extremtyp der Kooperation genannt, der in früherer Zeit gang und gäbe war. Sicherlich ist es sinnvoll, auch dies historisch aufzuarbeiten. Bezogen auf die arabische Welt kann man allerdings sagen, dass wir damals und auch heute vor der schwierigen Aufgabe stehen, unsere besondere Verantwortung, die wir Israel gegenüber haben, mit den berechtigten Interessen, die wir gegenüber dem arabischen Raum haben und die dieser uns gegenüber hat, auszubalancieren. Das ist eine nicht immer ganz einfach zu gestaltende Politik. Deshalb läuft das meiste davon nicht öffentlich und in lauten Tonlagen ab.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hauser.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, meine Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass ich gerade vom Kollegen Lippelt lernen konnte, dass er sich in Zukunft problemlos auch von der NPD einladen lassen darf, ({0}) da er sich, wenn er einer solchen Einladung folgt, nicht unbedingt mit den Inhalten der NPD identifizieren muss. So hat Herr Lippelt es gerade ausgedrückt. Meine Damen und Herren, Sie werden dies dem Protokoll entnehmen können. Angesichts dessen, dass hier gesagt wird: „Wenn ich irgendwohin eingeladen bin, gehe ich da zwar hin, identifiziere mich aber nicht mit den Inhalten“ - das war die Aussage des Kollegen Lippelt, die mich zu dieser Nachfrage veranlasst hat -, ({1}) frage ich Sie, Herr Staatsminister, ob Sie die Einschätzung teilen können, dass man sich, wenn man zu einer Veranstaltung geht, von der man erwarten muss, dass dabei etwas herauskommt - zum Beispiel, dass eine Resolution verabschiedet wird, ({2}) in der es wörtlich heißt, Frau Kollegin: „Die Versammlung vertraut darauf, dass der Endsieg dem palästinensischen Volk gehören wird und es ihm gelingen wird, ganz Palästina zu befreien“ -, auch Gedanken darüber machen muss, wer einlädt, welcher Einladung man folgt und zu welchen möglichen Ergebnissen eine Veranstaltung führt.

Not found (Gast)

Herr Hauser, wir sprechen über Ereignisse, die vor 32 Jahren stattgefunden haben. Damals hat die gesamte deutsche Politik darum gerungen, ihr Verhältnis zu Israel richtig zu gestalten und das Dreiecksverhältnis zu Israel und zur arabischen Welt auszutarieren. Dabei wurde vieles experimentell durchgespielt. Es wurden zahlreiche Gespräche geführt. Ich erinnere mich zum Beispiel lebhaft an die vielen Reisen des Abgeordneten Möllemann in diese Region. ({0}) Aus all dem hat sich ein Verständnis von Nahostpolitik geformt, das heute sehr genau definierbar ist, das im europäischen Kontext angesehen ist und für das der Außenminister mit seiner ganzen Persönlichkeit einsteht. Das ist überhaupt nicht zweifelhaft. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Noch eine Zusatzfrage und dann kommen wir zur zweiten dringlichen Frage. - Frau Kollegin Bonitz, bitte.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich möchte auf das Zitat zurückkommen, das der Kollege von Klaeden dem „Spiegel“ vom Januar entnommen hat. Stimmen Sie mir zu, dass zwischen dem Zitat - ich nenne es hier noch einmal -: Fischer: Ich war 1966 auf einer völlig unpolitischen Tramp-Tour im Nahen Osten. Erst in den Neunzigerjahren bin ich wieder nach Israel und in die arabischen Länder gekommen: als Außenminister und dem späteren Eingeständnis des Außenministers, dass er 1969 in Algerien doch an einer PLO-Konferenz teilgenommen hat, ein Widerspruch liegt, den man gemeinhin so deuten würde, dass der Außenminister in dem „Spiegel“-Interview die Unwahrheit gesagt hat?

Not found (Gast)

Frau Bonitz, ich weiß nicht, ob der „Spiegel“ Sie schon jemals zu einem Redaktionsgespräch eingeladen hat. ({0}) Sonst wüssten Sie, dass man dort nicht die Möglichkeit hat, den „Spiegel“-Redakteuren die eigene Lebensgeschichte zu erzählen, sondern dass der „Spiegel“ das Gesagte anschließend unter den Aspekten des Wahrheitsgehalts, aber auch der griffigen und prägnanten Formulierung zusammenfasst. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe nunmehr die dringliche Frage 2 des Kollegen von Klaeden auf: Kann Bundesminister Joseph Fischer ausschließen, dass er in dieser Zeit die damalige militante und für ihre Flugzeugentführungen berüchtigte Organisation PFLP des Arztes Dr. G. H. zumindest verbal unterstützt hat? Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Not found (Gast)

Da die Bundesregierung nicht über Wortprotokolle aus den Jugendjahren von Bundesminister Fischer verfügt und Fragen wie diese nicht ernsthaft auf die tatsächliche Haltung von Bundesminister Fischer zu Israel und Palästina zielen, wie ich gerade erläutert habe, kann die Bundesregierung dazu keine Stellung nehmen. Im Übrigen, wenn ich mir die Frage noch einmal genau anschaue, sehe ich: Es gibt darin einen inhaltlichen Widerspruch zu den Vorwürfen, die Sie gerade erhoben haben. Sie können Herrn Fischer unterstellen, er habe entweden mit der PLO oder aber mit Habasch sympathisiert. Beides gleichzeitig geht aber nicht, da sie untereinander erheblich verfeindet waren. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da ich zunächst keine Vorwürfe erhebe, sondern Fragen stelle und Sie gerade mitgeteilt haben, dass die Tatsache, dass Daniel Cohn-Bendit 1969 an einer PLOKonferenz teilgenommen hat, dazu geführt haben muss, dass es auf dieser Konferenz keine antiisraelischen oder antizionistischen Äußerungen gab, würde ich sagen: Es ist bei der Logik, die Sie anwenden, durchaus angebracht, auch diese zweite Frage gestellt zu haben. ({0}) Jetzt zu meiner Zusatzfrage. Ist Ihnen bekannt oder kann sich der Außenminister noch daran erinnern, wie die damaligen Veranstalter dieser PLO-Unterstützerkonferenz in Algier auf den Namen des heutigen Bundesministers Joseph Fischer gekommen sind und wie damals die Ansprache und die Organisation der Reise erfolgten? ({1})

Not found (Gast)

Es war, wie gesagt, eine Reise des SDS. Der SDS hat die Delegation zusammengestellt. Wie das Prozedere war, weiß ich nicht. Ich weiß im Moment übrigens auch nicht, wer außer Fischer dabei war. Cohn-Bendit habe ich vorhin als Indiz dafür genannt, dass Fischer, der damals schon mit Cohn-Bendit befreundet war, mit Sicherheit nicht antijüdisch eingestellt war. Ob Cohn-Bendit an dieser Reise teilgenommen hat, entzieht sich im Moment meiner Kenntnis.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es wird immer verwirrender. Trotzdem will ich die zweite Frage stellen: Herr Staatsminister, gab es nach der Unterstützungskonferenz in Algier Kontakte des heutigen Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer, zu palästinensischen Organisationen, die zum bewaffneten Kampf gegen Israel aufgerufen oder ihn durchgeführt haben? Oder gab es Kontakte zu Personen, die solchen Organisationen angehört haben? Und wie waren diese Kontakte gestaltet?

Not found (Gast)

Die Frage, welche Kontakte Joschka Fischer damals, in seiner Jugend, hatte, kann ich Ihnen nicht präzise beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass fast alle, die damals an den Universitäten oppositionelle Politik betrieben und sich dabei insbesondere um internationale Solidarität bemühten, engste Kontakte sowohl zu jüdischen als auch zu palästinensischen Bürgern und Organisationen hatten. Aus diesen Kontakten, die teilweise heute noch bestehen, erwuchsen fruchtbare Dialoge, die in eine Politik der Bundesregierung einmündeten, die heute von allen Seiten als konstruktiv empfunden wird. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage des Kollegen Koppelin. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, da hier verschiedene Beschlüsse angesprochen wurden, die damals in Algerien gefasst wurden, und Sie immer wieder ausweichen und sagen, das seien Jugendsünden - so will ich es einmal formulieren -, möchte ich fragen: Wie erklären Sie sich, dass jemand vom Bundesaußenminister im Planungsstab des Auswärtigen Amtes eingestellt wurde, nämlich Joscha Schmierer - „Joscha“ ist wohl ein erfundener Vorname -, ({0}) der erst 1997 in der berühmten Zeitschrift „Kommune“, die Ihnen nicht unbekannt sein sollte, zu Kambodscha und Pol Pot sagte: Pol Pot kann sich sagen, dass die Vorsicht noch lange nicht ausreichend war; Hun Sen - das ist der jetzige Präsident in Kambodscha - und seine Anhänger hätten unschädlich gemacht werden müssen? - Finden Sie das richtig? Das passt doch zu dieser Geisteshaltung. Finden Sie es richtig, dass solche Leute erst vor zwei Jahren im Auswärtigen Amt eingestellt wurden?

Not found (Gast)

Herr Koppelin, Sie haben genau zu diesem Komplex zwei ordentliche Fragen gestellt. Jetzt weiß ich nicht, ob ich das als Zusatzfrage zu dieser Frage auffassen oder im Zusammenhang mit dem eigentlichen Komplex beantworten soll. ({0}) In der Tat: Im Auswärtigen Amt - das ist die Antwort auf Ihre Frage 41 - wurde Hans-Gerhart Schmierer eingestellt. Dieser ist als Europaexperte im Auswärtigen Amt aktiv und sehr angesehen. ({1}) Wenn der Außenminister in Frankreich als Europäer des Jahres geehrt wird und der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Karl Lamers, die Fairness und den Anstand besitzt, dem Außenminister dafür öffentlich zu gratulieren, dann erstreckt sich diese Gratulation auch auf Herrn Schmierer, der zum großen Teil die theoretische Konzeption erarbeitet hat.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schockenhoff.

Dr. Andreas Schockenhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002053, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben auf die erste Frage des Kollegen von Klaeden geantwortet, es sei bekannt, dass Bundesminister Fischer mit seinem Freund Cohn-Bendit zu dieser Konferenz gefahren sei. Auf die zweite Frage haben Sie geantwortet, es entziehe sich Ihrer Kenntnis, ob er mit seinem Freund Cohn-Bendit gereist sei. Welche von Ihren beiden Antworten war richtig und welche falsch? Können Sie ausschließen, dass Bundesminister Fischer auf dieser Konferenz das Wort ergriffen hat? Was hat er dort gesagt? ({0}) Können Sie ausschließen, dass sich Bundesminister Fischer nicht daran erinnern kann, wer die anderen Teilnehmer in der Delegation des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes waren?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich bitte darum, dass jetzt wirklich kurze Fragen gestellt werden.

Not found (Gast)

Ich habe vorhin versucht, deutlich zu machen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Reise stattfand, Joschka Fischer bereits mit Daniel Cohn-Bendit befreundet war und aufgrund der ständigen Diskussionen mit Cohn-Bendit, der jüdischer Herkunft ist, nie in die Gefahr geriet, sich grundsätzlich antijüdisch oder antiisraelisch zu positionieren. Ob Cohn-Bendit bei dieser Reise dabei war, weiß ich nicht. Ich kann das nicht ausschließen. Ich werde nachfragen und zu recherchieren versuchen, wer sonst noch bei dieser SDS-Reise dabei war. ({0}) Ansonsten gibt es über die Diskussion meines Wissens keine Protokolle. Wir jedenfalls haben keine Protokolle darüber, wie palästinensische Kongresse 1969 im Einzelnen diskutierten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen van Essen.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, könnten Sie, nachdem Sie bisher die klaren Fragen 41 und 42 des Kollegen Koppelin nicht beantwortet haben, bitte so freundlich sein, das jetzt zu tun?

Not found (Gast)

Herr van Essen, wenn der Herr Präsident diese Fragen aufruft, werde ich sie sofort beantworten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es liegt im Ermessen des Staatsministers, ob er eine nicht als dringlich bezeichnete Frage jetzt oder später beantwortet. Der Staatsminister hat darauf geantwortet. Eine Zusatzfrage des Kollegen Uhl, und dann müssen wir gleich zu der Beantwortung der regulären Fragen überleiten. ({0}) - Ich kann es nicht ändern, aber wir müssen auch Rücksicht auf die anderen Kollegen nehmen. Auch sie haben ein Anrecht darauf, hier noch zu Wort zu kommen. ({1}) Ich lasse noch eine Frage zu: Kollege Uhl. ({2}) - Kollege Uhl zieht seine Frage zurück. Dann kann Kollege Ramsauer noch eine Frage stellen. Das ist dann der Schlusspunkt, es sei denn, jemand aus der sozialdemokratischen Fraktion möchte noch eine Frage stellen.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, dass Fischer die Konferenz nach einer Stunde verlassen hat. ({0}) Können Sie ausschließen, dass Fischer in der einen Stunde, die er teilgenommen hat - wenn auch vielleicht gelangweilt -, ({1}) selbst das Wort ergriffen hat? ({2})

Not found (Gast)

Nach dem, was ich in Erfahrung gebracht habe, hat Fischer mit einigen Freunden des SDS diese Sitzung wegen erwiesener Langweiligkeit verlassen und sich stattdessen Algier angeschaut. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Damit verlassen wir den Komplex der dringlichen Fragen und damit zunächst auch Ihren Geschäftsbereich, Herr Staatsminister. Ich danke Ihnen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf: Wie sind die öffentlichen Äußerungen der Bundesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt, über die Öffnung von Möglichkeiten für Gentests im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik ({0}) vor dem Hintergrund zu bewerten, dass die Bundesregierung in absehbarer Zeit offenbar keine neuen Gesetze zur Gentechnik erlassen will, und welcher Zeitraum ist mit dem Begriff „absehbare Zeit“ gemeint ({1})?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Herr Kollege Seifert, ich möchte die Frage 1 und die Frage 2 gern gemeinsam beantworten, weil es meiner Meinung nach zwischen diesen beiden Fragen einen Sachzusammenhang gibt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich auch die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert auf: Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung in ihren Überlegungen zur Präimplantationsdiagnostik - und im weiteren Sinne zur Fortpflanzungsmedizin - den vom Deutschen Behindertenrat ({0}) am 4. Dezember 2000 und von Experten bei einer Anhörung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Recht und Ethik der modernen Medizin“ am 13. November 2000 gegen die PID geäußerten Bedenken bei?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Vor der Entscheidung über gesetzliche Regelungen in diesem Bereich sollte nach Auffassung der Bundesregierung die begonnene Debatte über die Fortpflanzungsmedizin und damit auch über die Präimplantationsdiagnostik nunmehr im Bundestag intensiv fortgesetzt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Diskussionsprozess interdisziplinär und fraktionsübergreifend erfolgt und angesichts der grundlegenden Bedeutung der zu treffenden Entscheidung für verschiedene Grundrechtspositionen der Betroffenen, wie zum Beispiel den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, Menschenwürde und Freiheit der Forschung, aber auch für die Gesellschaft insgesamt eine sorgfältige und eingehende Diskussion geboten ist. Die Bundesregierung will den Ergebnissen dieser Diskussion nicht vorgreifen. Die Einbringung eines Gesetzentwurfs kann erst am Ende dieser Diskussion stehen. Mit dieser Form des Arbeitens haben wir auch beim Transplantationsgesetz sehr gute Erfahrungen gemacht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich gehe davon aus, dass auch der Bundesregierung nicht entgangen ist, dass die Diskussion zu diesen Themen seit langem in vollem Gange ist. Insofern verstehe ich nicht ganz, warum Sie jetzt eine Diskussion beginnen wollen. Aber erlauben Sie mir doch bitte eine präzise Nachfrage zu meiner Frage: Sind nicht auch Sie der Meinung, dass bestimmte Äußerungen von Ihnen oder von der Ministerin - gerade dann, wenn sie neu ins Amt gekommen ist - eine Richtung vorgeben, nämlich dahin gehend, wie Sie die Debatte gern führen würden und mit welchem Ergebnis Sie gern herausgingen?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Es gibt dazu bis jetzt keine abgeschlossene Haltung der Bundesregierung. Ich hatte Ihnen gesagt, dass die Regierung der Überzeugung ist, dass diese Debatte breiter geführt werden müsste, als dies im Augenblick der Fall ist. Wir hatten zwar einen Kongress seitens des Bundesgesundheitsministeriums, dieser jedoch hatte einleitenden Charakter. Die Diskussion sollte breiter geführt werden und auch über die eingerichtete Enquete-Kommission hinausreichen. Zudem sollten, bevor ein Gesetzentwurf erarbeitet wird, die Diskussionen und die Auswertung der Arbeit der Enquete-Kommission abgewartet werden. Erst dann, glaube ich, wird es die Möglichkeit einer Bewertung geben, und wird Einigung darüber zu erzielen sein, mit welchen Elementen, mit welch einem Ansatz eines Gesetzentwurfes man starten kann und ob ein solcher Gesetzentwurf überhaupt notwendig wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich finde es sehr erfreulich, dass Sie dies ausführlich und breit diskutieren wollen. Sie haben leider nicht darauf geantwortet, ob auch Sie es als eine gewisse Präjudizierung werten, wenn der nahezu erste Satz der Gesundheitsministerin in ihrem neuen Amt lautet, sie könne sich vorstellen, dass Gentests im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik zugelassen werden können. Ich möchte noch einmal auf die von Ihnen angesprochene Breite der Diskussionen eingehen und nachfragen: Dass Sie diesen Kongress zur Fortpflanzungsmedizin als Start betrachten, ist akzeptabel, wenngleich ich der Meinung bin, dass es schon lange vorher etwas gab. Welche Formen wollen Sie finanziell, personell und auch strukturell ausbilden, damit es zu einer - wie Sie sagen - so breiten Diskussion kommt, dass sie weit über die Regierung, die Enquete-Kommission des Bundestages und sonstige, bereits jetzt involvierte Menschen hinausgeht?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Die Bundesregierung geht davon aus - wie ich vorhin schon ausgeführt habe -, dass es jetzt zu Diskussionsprozessen kommt, die über mehrere Ausschüsse und die Fraktionen hinwegreichen. Ich erinnere mich, dass der Diskussionsprozess zum Transplantationsgesetz seinerzeit nahezu über zwei Legislaturperioden ging. An seinem Ende stand die Klärung einiger grundsätzlicher Positionen. Schließlich konnten die Abgeordneten frei entscheiden, welcher Lösung sie zum Beispiel hinsichtlich der Frage, wann das Leben eines Menschen endet, wann der Tod eingetreten ist, folgen wollten. Hierüber wurde sehr kontrovers diskutiert und in unterschiedlichen Anträgen abgestimmt. Einen derartigen Prozess stellen wir uns auch zu dieser Frage vor. Wir wollen ihn seitens der Bundesregierung begleiten, glauben aber, dass der Prozess der Meinungsbildung in erster Linie im Parlament, unter den Repräsentanten unserer Gesellschaft stattfinden muss. Wir sehen Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters auch, dass bereits jetzt ein breiter Diskussionsprozess an den verschiedenen Stellen im Gange ist, dem sich natürlich die Parlamentarier und auch die Bundesregierung stellen werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Es freut mich, Frau Staatssekretärin, dass Sie dem Parlament und den Querschnittaufgaben in diesem Zusammenhang eine so hohe Bedeutung beimessen. Aber dennoch: Die Gesellschaft ist doch mehr als dieses Parlament. Meine Frage zielte darauf ab, wie Sie den außerhalb des Parlaments stattfindenden gesellschaftlichen Diskussionsprozess in Kooperation mit uns Parlamentariern unterstützen wollen. Ich habe in meiner zweiten Frage ausdrücklich auf eine sehr deutliche Stellungnahme des Deutschen Behindertenrates Bezug genommen - immerhin ein Gremium, das nur einstimmige Beschlüsse fassen kann -, der sehr deutlich gesagt hat, welche Befürchtungen damit verbunden sind. Wenn Sie den Diskussionsprozess dort fördern wollten, könnten Sie dies im Wege von finanzieller oder sonstiger Unterstützung tun.

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Darüber, in welcher Form wir mit all diesen Gruppen, die es über den Behindertenrat hinaus gibt, diskutieren werden, haben wir noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zu einer Zusatzfrage hat der Kollege Aribert Wolf das Wort.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Ihre Ausführungen, dass Sie einen Diskussionsprozess abwarten wollen und derzeit noch keine abgeschlossene Meinung zu diesem Themenfeld haben, veranlassen mich zu einer Nachfrage: Heute gibt es eine Agenturmeldung des Inhalts, dass geplant sei, in der nächsten Legislaturperiode eine radikale Gesundheitsreform durchzuführen. Wir führen hier im Parlament bereits seit zwei Jahren Diskussionen über eine Gesundheitsreform; dieser Prozess wäre jetzt eigentlich entscheidungsreif. Wenn Sie schon bei der Präimplantationsdiagnostik erst einen Diskussionsprozess abwarten wollen, könnten Sie jetzt als neue Staatssekretärin doch wenigstens sagen, ob Sie in den Fragen der Gesundheitspolitik entscheidungsfähig sind oder ob das, was der Bundeskanzler nach diesen „Stern“-Vorabmeldungen sagt, stimmt, nämlich dass es erst in der nächsten Legislaturperiode eine radikale Gesundheitsreform geben soll.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Entfernung von dem eigentlichen Thema ist deutlich erkennbar. Möchten Sie, Frau Staatssekretärin, dennoch darauf antworten?

Gudrun Schaich-Walch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001939

Ich habe kein dringendes Bedürfnis, darauf zu antworten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung. Die Frage 3 der Kollegin Vera Lengsfeld wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Annette WidmannMauz auf: Welche inhaltliche und gestalterische Verbindung sieht die Bundesregierung zwischen ihrem neuen Klimaschutzprogramm und den Darstellungen auf der Seite 16 sowie der Seite 28 der Broschüre „Damit weniger in die Luft geht“, herausgegeben vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom Dezember 2000?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sehr geehrte Kollegin, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Ziel der vom Bundesumweltministerium herausgegebenen Broschüre mit dem Titel „Damit weniger in die Luft geht“ ist es, auf verständliche und ansprechende Weise über das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vom 18. Oktober 2000 zu informieren, zugleich aber auch den europäischen und internationalen Kontext zu erläutern, der durch die 6. Weltklimakonferenz vom November 2000 in Den Haag eine besondere Aktualität erlangte. Die Broschüre möchte aufzeigen, dass die Klimaziele der Bundesregierung realistisch sind, dass Klimaschutz nicht nur der Katastrophenabwehr dient, sondern eine chancenreiche Zukunftsaufgabe ist, und soll die Leserinnen und Leser für aktives Mitmachen gewinnen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Kollegin Widmann-Mauz.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie bislang ausschließlich auf die Frage des Inhalts dieser Broschüre geantwortet haben, aber den Bezug zu den gestalterischen Elementen dieser Broschüre noch nicht dargelegt haben, möchte ich Sie konkret fragen, welche Aussage das Ministerium mit dieser doppelseitigen Darstellung des Hinterns einer nach vorne gebeugten Frau zum Thema internationale und europäische Dimension des Klimaschutzes treffen wollte. Könnten Sie dazu ein paar konkrete Aussagen machen?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie Sie auf dem Bild erkennen können, handelt es sich um eine Frau, die sich, auf der Ladefläche eines typisch amerikanischen Pick-ups stehend, nach vorne beugt. Grundsätzlich geht es uns darum, neue gestalterische Wege zu beschreiten, die zum einen die Phantasie wecken und zum anderen zum Nachdenken anregen. ({0}) Vor allen Dingen aber soll das Foto zuversichtlich stimmen. Mit diesem Bild soll die Weite Amerikas und damit die internationale Dimension assoziiert werden. Es verweist auf die Schlüsselrolle des Menschen in den Industrienationen für den Klimaschutz vor allen Dingen auf die Schlüsselrolle der Vereinigten Staaten. Zudem orientiert es sich sehr stark an dem nachfolgenden Text. Ich denke, dass gerade die Haltung dieser Frau, wenn Sie sie genau betrachten, zum Ausdruck bringt: Ich suche mir meinen eigenen Weg. Das Foto strahlt Selbstbewusstsein und Optimismus aus. Damit personifiziert die Frau in gewisser Weise - auch nach dem Scheitern der Verhandlungen zum Klimagipfel in Den Haag - die deutsche Position zum Klimaschutz. Deutschland wird beim Klimaschutz weiterhin Vorreiter bleiben und seine anspruchsvollen Reduktionsziele beharrlich und mit dem Pioniergeist, der aus diesem Foto spricht, durch nationale Maßnahmen verwirklichen. Ich kann Ihnen sagen: Mir gefällt das Foto. Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, dass es in der Broschüre Berücksichtigung findet.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schlage vor, dass Sie das Foto gleich dem Präsidium zur Verfügung stellen. ({0}) Ich gebe nun der Kollegin Widmann-Mauz das Wort zu einer zweiten Zusatzfrage.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, das werde ich im Anschluss an die Fragestunde gerne tun. Frau Staatssekretärin, nachdem Sie in Ihrer Antwort deutlich gemacht haben, dass Sie sich persönlich für die Abbildung dieses Fotos eingesetzt haben: Darf ich dieses Bild dann als einen aktiven Beitrag zu Gender Mainstreaming in der Bundesregierung - unter frauenspezifischen Aspekten - auffassen? Wie viele Steuergelder sind denn für diese Broschüre mit den sehr einschlägigen Darstellungen von Frauen verwendet worden?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Das Umweltministerium bemüht sich, bei den Darstellungen in den Broschüren und überhaupt in unseren gesamten Publikationen auf ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter zu achten. Wenn ich Ihre Frage dahin gehend verstehe, dass Sie in unseren Broschüren einen höheren Anteil attraktiver Männer vermissen, werde ich dies gerne als Anregung aufnehmen und versuchen, Abhilfe zu schaffen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, in dieser Broschüre findet sich unter anderem auch ein Foto, das das Dekolleté zweier Teenagerinnen zeigt. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Foto hätten wir auch gerne. ({0})

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Es geht mir bei meiner Frage weniger um das Dekolleté der Teenagerinnen als vielmehr darum, zu welchem Zweck diese Abbildung erfolgt ist, nämlich, inwiefern es dazu dient, die Erfolge des Klimaschutzes zu demonstrieren. Deshalb ist meine Frage: Ist Ihnen die angewandte Messtechnik, die Erfolge des Klimaschutzes anhand des Dekolletés der beiden Teenagerinnen zu beweisen, von wissenschaftlicher Seite empfohlen worden?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr Kollege, ich glaube, dass Sie den Zusammenhang, mit gestalterischen Elementen in der Werbung Inhalte zu vermitteln, etwas unterschätzen. Wenn Sie die Unterschrift auf diesem Bild „Perspektive 2020 - langfristiger Klimaschutz bringt messbaren Erfolg“ sehen, werden Sie erkennen, dass die dargestellte Badeszene im Meer ein Bild weiter Perspektive vermitteln will. ({0}) Mir gefällt das Foto daher noch besser als das erste, da es eine Faszination intakter Natur vermitteln will. Ich denke, dass die Unterschrift des Bildes „Perspektive 2020 - langfristiger Klimaschutz bringt messbaren Erfolg“ einen engen Zusammenhang zu der Zukunftsaufgabe der Menschheit, eine intakte Natur auch für künftige Generationen zu bewahren, bildet. Wenn man das Bild im Zusammenhang mit dem Klimaschutz sieht, wird man nachvollziehen können, dass, sollte der Meeresspiegel durch unterlassenen Klimaschutz weiter steigen, nicht nur Überflutungen drohen, sondern ein Großteil der weltweit attraktivsten Badestrände verloren geht. Insofern glaube ich, dass das ein gutes Bild in der richtigen Broschüre ist. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Barthle.

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da Sie sich gerade über die Wirksamkeit von Werbebotschaften geäußert haben und die Frage, wie viel diese Broschüre gekostet hat, noch unbeantwortet blieb, möchte ich Sie jetzt fragen: Können Sie uns wenigstens sagen, welche Werbeagentur diese Broschüre verfasst hat? Handelte es sich dabei zufällig um dieselbe Werbeagentur, die die baden-württembergischen Grünen bei ihrer Postkartenaktion - Stichwort: „Grün fickt besser“ - beraten hat?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Ich habe die Zahlen über die Kosten der Kampagne zurzeit nicht vorliegen. Insofern kann ich auch nicht sagen, wie viel diese Broschüre gekostet hat. Ich werde Ihnen die Antwort dazu gerne nachreichen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass uns die starke - vor allen Dingen internationale - Resonanz auf die neueren Veröffentlichungen des Bundesumweltministeriums im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit ermutigt und uns gezeigt hat, dass gerade eine gelockerte, ansprechende und zur Diskussion anregende Darstellung dazu beiträgt, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den behandelten Themen zu unterstützen und vor allen Dingen in konstruktive Bahnen zu lenken. Es wird daher weiter das Anliegen des Umweltministeriums sein, sich darum zu bemühen, Informationen über umweltpolitische Ziele in seiner Öffentlichkeitsarbeit mit einer Bild- und Sprachenwelt, die gerade die jüngere Generation anspricht, zu vermitteln. Ich denke, die gute Resonanz auf die Broschüre bestätigt uns darin, die Frage des Klimaschutzes auf diese Art und Weise in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Frage der Kollegin Kopp.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben gesagt, Sie hätten das entsprechende Zahlenmaterial im Augenblick nicht zur Hand. Eine Bilanz über die Wirksamkeit kann man jedoch erst ziehen, wenn man dem Nutzen die Kosten gegenüberstellen kann. Von daher bitte ich Sie - Sie haben es eben nur zart angedeutet -, uns die Zahlen auf jeden Fall nachzuliefern.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Frau Kollegin, Sie wissen, dass wir als Bundesregierung nichts „zart andeuten“, sondern das, was wir sagen, auch in die Tat umsetzen. Deshalb hätte es Ihrer Nachfrage nicht bedurft. Sie können sicher sein, dass ich tun werde, was ich andeute. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine letzte Zusatzfrage des Kollegen Hohmann.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem wir jetzt von Ihnen erfahren haben, dass Sie durch starken persönlichen Einsatz dafür gesorgt haben, dass die dargestellten Fotos ausgewählt wurden, und nachdem Sie sich diesbezüglich geradezu enthusiastisch geäußert haben: Könnten Sie sich vorstellen, dass demnächst auch Staatssekretärinnen als Models auftreten?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wohl weniger. Das ist auch nicht Sache der Bundesregierung. Das Einzige, was ich als Anregung aus der in der Fragestunde geäußerten Kritik mitnehme, ist, dass uns attraktive Männer bei der jetzt angestoßenen Diskussion vielleicht auch helfen könnten. Mein Wunsch ist, dass sich auch die Männer um den Klimaschutz kümmern. Ich hatte zu Beginn meiner Antworten darauf hingewiesen, dass die vorliegende Broschüre nicht nur Phantasie wecken und zum Nachdenken anregen, sondern auch zum Mitmachen animieren soll. Vielleicht müssen wir die Zielgruppe „Männer“ noch etwas stärker ansprechen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Staatssekretärin, ich danke Ihnen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär WolfMichael Catenhusen zur Verfügung. Ich rufe Frage 5 der Kollegin Angelika Volquartz auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass durch die Regelung des § 57 c Abs. 2 Hochschulrahmengesetz, der eine längstmögliche Befristung von Arbeitsverträgen bestimmter Gruppierungen des Hochschulpersonals von fünf Jahren vorsieht, viele Forschungseinrichtungen gezwungen sind, bei Ablauf dieser Frist für Forschungsprojekte nach fünf Jahren neues Personal einzustellen, auch wenn das entsprechende Forschungsprojekt noch nicht abgeschlossen ist, und beabsichtigt die Bundesregierung eine Veränderung dieser Vorschrift zum Beispiel im Rahmen der Hochschuldienstrechtsreform?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Ich frage mich natürlich, ob ich für das Thema „attraktive Männer“ stehe. ({0}) - Richtig, das ist das Selbstbewusstsein der Bundesregierung. Frau Kollegin Volquartz, auf Ihre Frage möchte ich Ihnen Folgendes antworten: Die Zeitvertragsregelungen des Hochschulrahmengesetzes verfolgen zum einen das Ziel, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu stärken und ihnen die unentbehrliche personelle Erneuerungsfähigkeit zu sichern. Zum anderen zielen die Befristungsregelungen darauf ab, die Chancen des wissenschaftlichen Nachwuchses, für eine begrenzte Zeit im Hochschul- bzw. Forschungsbereich tätig zu sein, zu wahren. Insgesamt sind die Regelungen das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Anforderungen, die sich aus der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur Bereitstellung funktionsfähiger Einrichtungen für den freien Wissenschaftsbetrieb einerseits und aus dem Sozialstaatsgebot andererseits ergeben. Die nach § 57 c des Hochschulrahmengesetzes bestehenden Höchstgrenzen sollen dabei verhindern, dass eine wissenschaftliche Nachwuchskraft zu lange in befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt wird. Zeitverträge sind insbesondere nicht dazu da, „wissenschaftliche Projektkarrieren“ mit erhöhter beruflicher und sozialer Unsicherheit dauerhaft zu ermöglichen. Eine befristete Beschäftigung soll vielmehr grundsätzlich nur so lange erfolgen, bis eine abschließende Beurteilung der Qualifikation möglich ist. Gleichzeitig soll die zeitliche Begrenzung dieser Qualifizierungsphase einen Wechsel in andere Bereiche, insbesondere in die Wirtschaft, gewährleisten und nicht daran scheitern lassen, dass er im Hinblick auf das Lebensalter der Betroffenen zu lange hinausgezögert wird. Die bislang geltenden Befristungsregelungen haben sich jedoch als für die Praxis bisweilen sehr schwer handhabbar und zu wenig flexibel erwiesen. Die Bundesregierung beabsichtigt daher im Rahmen der Hochschuldienstrechtsreform, die für Hochschulen sowie für staatliche und institutionell geförderte Forschungseinrichtungen geltenden Zeitvertragsregelungen grundlegend neu zu gestalten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Angelika Volquartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Dienstrechtsreformkommission - Sie haben eben darauf hingewiesen - wird sich mit möglichen Änderungen des bisherigen Regelungsrahmens befassen. Wie sollen nach Meinung der Bundesregierung bzw. Ihres Ministeriums die Befristungsregelungen geändert werden?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Wir arbeiten noch daran. Wir hielten nach den von der Dienstrechtsreformkommission vorgelegten Ergebnissen ein Rechtsgutachten für notwendig, weil sich die Kommission mit diesen Fragen nicht in der für die Vorbereitung einer gesetzlichen Neuregelung notwendigen Tiefe und Intensität befasst hatte. Bei der vorgesehenen Neufassung der §§ 57 a bis 57 f gehen wir davon aus, dass für einen bestimmten, eng begrenzten Zeitraum aufgrund des verfassungsrechtlichen Erfordernisses der Sicherung der Funktions- und Innovationsfähigkeit der Hochschulen und insbesondere der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses befristete Arbeitsverträge das gebotene vertragliche Gestaltungsmittel sind. Grundprinzip der beabsichtigten Neuregelung ist, dass die Befristungslegitimation künftig nicht mehr über einzelne Sachgründe erfolgt, sondern über Befristungsgrenzen, denen die Vorstellung von einer „typisierten Qualifikationsphase“, die für viele zutrifft, zugrunde liegt. Die zukünftigen Befristungsgrenzen sollen sich an den für die Juniorprofessur vorgesehenen Zeitraum von maximal zwölf Jahren anlehnen, also drei plus drei Jahre Juniorprofessur im Anschluss an maximal sechs Jahre Promotions- und Post-Doc-Phase. Dementsprechend soll die Befristung der Verträge von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie von wissenschaftlichen Hilfskräften künftig ohne Promotion bis zu sechs Jahren möglich sein. Nach abgeschlossener Promotion kann eine weitere Befristung bis zu sechs Jahren erfolgen. Wurde der Zeitraum in der ersten Phase nicht ausgeschöpft, können die nicht genutzten Zeiten an die zweite Phase angehängt werden. Die Möglichkeit, Nachwuchskräfte im Rahmen von befristeten Zeitverträgen bis zu zwölf Jahren im Hochschulbereich arbeiten zu lassen, stellt aus unserer Sicht eine angemessene Regelung und einen erheblichen Fortschritt im Vergleich zu den jetzigen starreren Fristenregelungen dar.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Angelika Volquartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist damit die mir bekannte Überlegung vom Tisch, dass ein Eingangsvertrag mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren und dann ein Post-Doc-Vertrag mit einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren geschlossen werden sollten sowie eventuell eine Anschlussbeschäftigung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz von bis zu zwei Jahren erfolgen sollte?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Ich weiß nicht, von welchem Tisch Sie sprechen. Auf unserem Tisch lag das nicht. Ich kann Ihnen daher nur den jetzigen Stand der Überlegungen der Bundesregierung vortragen. ({0}) - Ich kann Sie, wie gesagt, nur über den heutigen Beratungsstand informieren. Es ist allerdings richtig, dass nach Vorlage der Ergebnisse der Reformkommission unsere sehr intensiven Beratungen dazu geführt haben, dass wir Rechtsgutachten erstellen lassen, weil wir eine abgesicherte Position finden wollen. Wir haben nach ersten Gesprächen den Eindruck, dass das, was ich Ihnen heute vorgetragen habe, sowohl von der Hochschulseite als auch - so hoffen wir von der Gewerkschaftsseite als Fortschritt gegenüber dem jetzigen Status betrachtet wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann danke ich Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Wir kommen zunächst zur Frage 6 der Kollegin Gudrun Kopp: Hat die Bundesregierung Kenntnis von einer Aufforderung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2000, ihr wissenschaftliches Beweismaterial vorzulegen, das ihrer Ansicht nach ein Einfuhrverbot für Staffordshire Bullterrier, Pitbull Terrier und American Staffordshire Terrier rechtfertigen könnte, und wenn ja, in welcher Weise ist die Bundesregierung dieser Aufforderung nachgekommen? Die Frage beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Kopp, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Kampfhunde im Rahmen des üblichen Verfahrens nach der Richtlinie 98/34/EG der Europäischen Kommission notifiziert. Innerhalb der dort vorgesehenen dreimonatigen Stillhaltefrist hat die Kommission keinerlei Bemerkungen zu dem Gesetzentwurf abgegeben. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2000 - darauf beziehen Sie sich wohl - und mit inhaltsgleichem Schreiben vom 8. Januar 2001 hat die Kommission darum gebeten, ihr die wissenschaftlichen Unterlagen zukommen zu lassen, die dem Einfuhr- und Verbringungsverbot der in Art. 1 § 1 des notifizierten Entwurfs genannten Hunderassen zugrunde liegen. Diese Unterlagen werden in Kürze der Kommission zugeleitet.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, rechnen Sie damit, dass möglicherweise ein Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU angestrengt werden könnte?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Kopp, es wäre spekulativ, darauf zu antworten. Ich kann mich nur an den Text der Briefe vom 29. Dezember 2000 und vom 8. Januar 2001 halten. Anhand dieser Unterlagen lässt sich Ihre Frage nicht beantworten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist Ihnen bewusst, Herr Staatssekretär, dass sich, legt man die Rasseliste des Bundes und die Rasselisten der Länder über so genannte Kampfhunde zugrunde, bis zu 50 verschiedene Hunderassen auf der so genannten Liste der gefährlichen Hunde befinden und halten Sie dies für verhältnismäßig?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Kopp, Ihre Frage zielte in erster Linie darauf ab, wie sich die Kommission zu unserem Gesetzentwurf und den mit ihm verbundenen Folgewirkungen verhält. Derzeit kann ich Ihnen darauf nur antworten, dass dies im Zuge des Verfahrens - ich denke hier etwa an eine Reaktion der Kommission innerhalb der so genannten Stillhaltefrist - nicht thematisiert wurde. Nicht mehr, aber auch nicht weniger kann ich Ihnen zu diesem Thema mitteilen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich die Frage 7 der Kollegin Kopp auf: Trifft es zu, dass die Europäische Kommission darüber hinaus die Bundesregierung darum gebeten hat, nach dem Vorbild von Frankreich und Großbritannien die Annahme von weniger drastischen Maßnahmen - als beispielsweise ein Einfuhrverbot - zu erwägen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Kopp, diese Frage kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Die der Bundesregierung vorliegenden Schreiben der Kommission vom 29. Dezember 2000 und vom 8. Januar 2001 enthalten keinerlei Hinweis darauf. Es liegen auch keine sonstigen Schreiben dieses Inhalts vor.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe auf meine persönliche Frage an EU-Kommissar Byrne die Antwort bekommen, dass die Bundesregierung gebeten wurde, zu klären, ob es im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung möglich sei, weniger drastische Maßnahmen zu verhängen. Dazu gehören das Importverbot und natürlich auch die zuletzt im Grundgesetz vorgenommene Einschränkung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Von Herrn Byrne wird das als eine unverhältnismäßige Maßnahme eingestuft. Er bittet auch in dieser Angelegenheit die Bundesregierung um Stellungnahme. Es handelt sich also um keine Bagatelle; vielmehr hat es schon eine bestimmte Qualität. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Liebe Frau Kollegin Kopp, ich kann mich nur an das halten, was uns von dem zuständigen EU-Kommissar zugeleitet worden ist. Es gibt - das habe ich Ihnen mitgeteilt - die beiden Schreiben aus zwei Bereichen. Im Übrigen stelle ich Ihnen diese Schreiben gern zur Verfügung; das ist alles andere als ein Geheimakt. Das, was diesen Briefen zu entnehmen ist, ist nicht ganz deckungsgleich mit dem, was Sie aus dem Gespräch mit dem EU-Kommissar zitiert haben. In diesen Schreiben geht es im Wesentlichen darum, dass man diese Unterlagen von uns noch fordert. Dieser Bitte werden wir nachkommen. Diese Unterlagen werden in unserem Haus zurzeit zusammengestellt und dann entsprechend weitergeleitet.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die angebotenen Kopien dieser Schreiben möchte ich gerne haben. Für die Zur-Verfügung-Stellung bedanke ich mich vorab. Herr Staatssekretär, finden Sie nicht auch, dass eine Expertenanhörung zu diesem Thema angesichts dieser Maßnahmen und dessen, was im Bundestag und im Bundesrat zuletzt entschieden wurde, die Sachlage völlig geklärt hätte und die Fragen, die die EU-Kommission der Bundesregierung stellt, eigentlich überflüssig gemacht Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters hätte? Können Sie sich erklären, warum die Bundesregierung eine Expertenanhörung gescheut hat?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich weiß nicht, ob man irgendetwas gescheut hat; das Ganze ist kein Thema, bei dem man mit irgendetwas hinter dem Berg halten sollte. Sie wissen, dass uns dieses Thema noch vor wenigen Tagen im Vermittlungsausschuss beschäftigt hat. Herr Kollege van Essen war dabei und hat sich zu diesem Thema verhalten. ({0}) Ich glaube, mehr darf ich dazu nicht sagen. Das täte auch nichts zur Sache. ({1}) An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Diskussionsprozess schwierig ist. Frau Kollegin Kopp, ich will Ihre Frage zum Anlass nehmen, um auf Folgendes hinzuweisen: Einer „Spiegel“Meldung vom 12. Februar konnte man entnehmen, dass uns der zuständige EU-Kommissar angeblich aufgefordert habe, nach dem Vorbild von Frankreich und Großbritannien die Annahme von weniger drastischen Maßnahmen zu erwägen. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Dies konnte ich den Unterlagen nicht entnehmen. Es gibt mit bestimmten Verbänden wohl einen Briefwechsel über dieses Thema. Ich kann Ihnen nur mit aller Klarheit sagen: Dem Briefwechsel zwischen der Kommission und der Bundesregierung ist das nicht zu entnehmen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen 8 und 9 des Kollegen Michelbach werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Rossmanith auf: Welches Ergebnis brachte die „Nachbereitung des Entwurfs“ Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium der Verteidigung, Walter Kolbow, am 30. Januar 2001 in der „Augsburger Allgemeinen“ - über die Feinausplanung und Stationierung der Bundeswehr für die Standorte in Bayern und im Besonderen im Regierungsbezirk Schwaben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Präsident! Das langjährige Haushaltsausschussmitglied des Deutschen Bundestages fragt diesmal nicht nach Geld, sondern nach den Gesprächen, die der Bundesminister Scharping mit den Ministerpräsidenten der Länder führt. Es ist so, dass er sie führt, Herr Kollege. Er beabsichtigt, nach diesen Gesprächen die abschließende Entscheidung über die künftigen Standorte der Bundeswehr zu treffen. Der bayerische Ministerpräsident Stoiber wird im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen allerdings erst morgen mit dem Bundesverteidigungsminister in Berlin zusammentreffen. ({0})

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Staatssekretärin, da ich Sie sehr schätze, würde ich jetzt die sonst eigentlich angebrachte Bemerkung, dass Sie mit Ihren Ausführungen meine Frage natürlich nicht beantwortet haben, gerne unterlassen. Stattdessen frage ich Sie jetzt noch einmal: Steht fest, dass am Freitag der angebliche Entwurf der Feinausplanung ein völlig anderes Aussehen haben wird als - ({0}) - Nein, ich habe gefragt, wie das aussieht. Ich erläutere es Ihnen, liebe Frau Kollegin Kastner, gerne noch einmal. Also: Wird die Feinausplanung, die uns am 29. Januar im Verteidigungsausschuss und dann anschließend auch der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist, am kommenden Freitag, wenn der Herr Bundesminister Scharping das endgültige Konzept vorstellt, ein völlig anderes Gesicht haben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Dass sie ein völlig anderes Gesicht haben wird, habe ich nirgendwo gehört und das auch nicht Ihrer Frage entnommen. Ich habe Ihnen nur erklärt, dass über die Feinausplanung, die der Bundesverteidigungsminister, wie Sie wissen, erst dem Verteidigungsausschuss und dann parallel den Ministerpräsidenten vorgestellt hat, Gespräche mit den Ministerpräsidenten geführt werden sollten, in denen diese ihre Einwände vorbringen konnten. Ich führe aber, wie die meisten anderen Mitglieder unseres Kollegiums und des Ministeriums, zurzeit auch Gespräche mit den Kommunen, deren Vertreter zu uns kommen, um ihre Argumente vorzutragen. Bundesminister Scharping, der die Verantwortung für dieses Konzept trägt, will nach den Gesprächen mit den Ministerpräsidenten, den Abgeordneten und dem morgigen Gespräch mit Herrn Stoiber die künftige Ausgestaltung der Stationierung der Bundeswehr abschließend am Donnerstagabend festlegen. Er wird sie am Freitagmorgen der Öffentlichkeit und vor allen Dingen den Abgeordneten zur Kenntnis geben. Morgen hat der bayerische Ministerpräsident noch einmal die Gelegenheit, die Bedenken des Landes Bayern natürlich auch bezüglich der Feinausplanung im Bereich der Standorte im Regierungsbezirk Schwaben vorzutragen. Ich wundere mich, dass er diese Gelegenheit nicht schon vorher wahrgenommen hat.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist Ihnen, Frau Staatssekretärin, bekannt, dass der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, es nicht für notwendig erachtet hat, vor der Vorstellung seiner Feinausplanung, die die Schließung von annähernd 100 Standorten vorsieht - 59 ganz und fast die gleiche Anzahl, bei denen es sich um eine De-facto-Schließung handelt -, mit den kommunalen Mandatsträgern oder den Verantwortlichen vor Ort zu sprechen, und dass der bayerische Ministerpräsident, Edmund Stoiber, dies in der relativ kurzen Zeit vom 29. Januar bis heute gemacht hat, weil er es für erforderlich hielt, um mit dem Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, am Donnerstagabend das endgültige Gespräch in der Erwartung zu führen, dass „das Endkonzept eindeutig anders aussehen wird“, wie es der Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow am 30. Januar in der „Augsburger Allgemeinen“ behauptet hat?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich selbst weiß ebenso wie der Kollege Kolbow und Minister Scharping, dass diese Vorschläge, die natürlich keiner der betroffenen Gemeinden und Landesregierungen besonders gefallen - das ist doch völlig klar -, unter dem Gesichtspunkt einer Modernisierung der Bundeswehr erarbeitet wurden. In einigen Bereichen wurden Vorschläge und Alternativen benannt, die natürlich von den dadurch betroffenen anderen Ministerpräsidenten sofort abgelehnt wurden. Deswegen wage ich vorauszusagen, dass die Standorteplanung bezüglich Schließung und Reduzierung - man kann nun wirklich nicht von einer De-facto-Schließung sprechen, wenn von über 4 000 Dienstposten 1 300 entfallen sollen - sich nicht groß ändern wird. Wir alle sind uns ja darüber einig und kommen im weiteren Verlauf der Fragestunde darauf zu sprechen, dass der Umfang der bisherigen Strukturen nicht mehr beibehalten werden kann. Auf der einen Seite hat zwar jede betroffene Kommune Argumente vorgetragen, warum gerade ihr Standort erhalten bleiben muss, auf der anderen Seite muss aber die Grundlage für die Entscheidungen des Verteidigungsministers eine leistungsfähige und einsatzfähige Bundeswehr sein. Wieweit es da Veränderungen geben wird, wage ich, selbst nachdem ich die Argumentationen sämtlicher Ministerpräsidenten gelesen habe, sie natürlich auch in der Öffentlichkeit vorgetragen habe, heute nicht zu prognostizieren. Aber dass eine große, totale Veränderung kommen wird, glaube ich nicht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Kollegin Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, da Sie gesagt haben, am Donnerstagabend werde das Konzept vorgestellt, frage ich Sie, ob auch über die Schließung oder den Erhalt der Kaserne in Dörverden im Landkreis Verden, Niedersachsen, entschieden werden wird. Wenn ich gleich eine zweite Frage anschließen darf.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eigentlich dürfen Sie das nicht, Frau Kollegin.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich nicht. Gut, dann stelle ich das zurück.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

In Bezug auf Dörverden wird, nachdem das Land Niedersachsen seine Bedenken vorgetragen hat, wie bei allen anderen Punkten noch einmal eine Abwägung durchgeführt werden. Aber der Bundesverteidigungsminister wird nicht mehr Standorte erhalten können. Er muss die wirtschaftliche Entwicklung berücksichtigen. Sie wissen, Dörverden ist einer jener Standorte, die in Alternative zu dem nordrhein-westfälischen Standort Lippstadt stehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Adam.

Ulrich Adam (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000005, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie sprachen eben die Kontakte zwischen dem Bundesminister der Verteidigung, Scharping, und den Ministerpräsidenten an. Wie erklären Sie sich, dass erwiesenermaßen die SPD-Kollegen schon am 28. Januar, also einen Tag vor der Sitzung des Verteidigungsausschusses, über die geplanten Schließungen informiert wurden, aber der SPD-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern nach seiner Aussage erst am 29. Januar dieses Jahres informiert worden ist? Worin liegen Ihrer Ansicht nach die Ursachen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Worin die Ursache liegt, kann ich deshalb nicht sagen, weil wir als erstes am Montagmorgen in einer Sondersitzung - Herr Kollege Adam, ich glaube, Sie sind da gewesen - den Verteidigungsausschuss als den für uns zuständigen Ausschuss unterrichtet haben. Zeitgleich sind die Ministerpräsidenten davon unterrichtet worden. Minister Scharping hat im Vorfeld Gespräche mit den Ländern geführt und ihnen gesagt, was er vorhat, nach welchen Kriterien er dabei vorgeht und dass sich alle darauf einzustellen haben, dass bestimmte Standorte in der zuvor bestehenden Größenordnung nicht mehr da sein werden. Ich konnte zur Kenntnis nehmen, dass Herr Stoiber, Herr Ringstorff, Herr Gabriel und alle anderen dies zwar damals wahrgenommen haben und dass sie zwar die Auffassung von Minister Scharping hinsichtlich der Notwendigkeit, die Bundeswehr zu reformieren, akzeptiert haben, jeder aber im konkreten Fall natürlich in seinem eigenen Land Beschwernisse hat. Wir sind, wie gesagt, so vorgegangen, dass wir am 29. Januar morgens den Verteidigungsausschuss unterrichtet haben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen van Essen.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, nachdem Minister Scharping erklärt hat, er wolle wegen der Schließung des Standortes Dörverden mit Abgeordneten über diese Schließung sprechen, und dies jedenfalls bisher mit der Kollegin Lenke nicht geschehen ist, frage ich Sie: Können Sie mir eine Auskunft dazu geben, ob ein solches Gespräch noch gesucht wird, bevor die endgültige Entscheidung über Dörverden getroffen wird?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege, das ist sehr unterschiedlich gehandhabt worden. Es gab Standorte, bei denen Bundestagskollegen, nachdem erst einmal bekannt war, welche geschlossen werden sollten - bei der beabsichtigten Auflösung von acht der zehn Transportgeschwader konnte man sich denken, bei welchen das der Fall sein würde -, gemeinsam ihre Bedenken vorgetragen haben. Auch die Gemeinde Dörverden hat ihre Bedenken übrigens vorher vorgetragen. Ich bin zu einem Besuch dort gewesen. Sie hat sie auch bei anderen Anlässen vorgetragen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass das natürlich auch eine Frage der Kollegen selbst ist. Der Bundesverteidigungsminister hat Gespräche angeboten. ({0}) Ich pflege sie ständig. Ich werde anschließend mit der Stadt Bayreuth reden. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Frau Kollegin Lenke sich gemeldet hat und gesagt hat, sie möchte mit uns ein Gespräch führen. ({1}) - Frau Lenke, ich muss Ihnen sagen: Das ist entweder eine Panne gewesen oder - ich habe das mit der Gemeinde verabredet - ich habe das nicht wirklich wahrgenommen. Ich pflege das eigentlich zu tun; das muss ich wirklich sagen. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Rossmanith auf: Verbleibt das Jagdbombergeschwader 34 „Allgäu“ am Standort Memmingerberg, und falls nein, für welchen Zeitrahmen ist die Auflösung vorgesehen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Rossmanith, es ist beabsichtigt, das Jagdbombergeschwader 34 in Memmingen aufzulösen. Der zeitliche Rahmen für die Realisierung dieser Entscheidung wird derzeit untersucht. In Bayern bleiben aber noch immer drei fliegende Geschwader, nämlich die Tornadogeschwader in Lechfeld und in Neuburg sowie das Transportgeschwader in Landsberg, und fünf andere große Luftwaffenstandorte, nämlich Fürstenfeldbruck, Kaufbeuren, Erding, Manching und Leipheim, erhalten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist damit der Tagesbefehl des Inspekteurs der Luftwaffe, General Portz, vom 29. Januar außer Kraft gesetzt, in dem er expressis verbis zum Ausdruck bringt, dass mit der Auflösung des Jagdbombergeschwaders 34 „Allgäu“ noch im Jahr 2001 zu beginnen und die Auflösung im Jahre 2003 zu beenden sei?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich habe diese Nachfrage vermutet. Sie betrifft die Vorstellung des Inspekteurs der Luftwaffe, der den Personalbestand, den Materialeinsatz und das Funktionieren der logistischen Bereiche sicherstellen muss. Wir werden sehen, ob es gelingt, beginnend mit dem Jahr 2001, diese Auflösung zu erreichen. Sie hängt davon ab, wie aufnahmefähig die anderen Standorte sind und wie viele Maschinen wir für kommende Einsätze behalten werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zweite Zusatzfrage.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es geht doch um die Auflösung und nicht um die Verschiebung des Jagdbombergeschwaders an einen anderen Standort.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege, Ihre Frage passt gut in diesen Zusammenhang. Die Zahl der Maschinen, die wir vorgefunden haben, war nur auf dem Papier groß. Die Bundesrepublik Deutschland war nämlich 1999 im Kosovo nur in der Lage, sich mit 14 Flugzeugen an diesem internationalen Einsatz zu beteiligen, weil die anderen Flugzeuge weder hinsichtlich ihrer elektronischen Ausstattung noch hinsichtlich der vorhandenen Waffensysteme für diesen Einsatz geeignet waren. Wir finden also in der Luftwaffe wie in vielen anderen Bereichen sozusagen hohle Strukturen vor. Die Fragen des Kollegen Nolting befassen sich mit der Personalsituation; ich werde dann auf diesen Punkt noch näher eingehen. Ich kann aber schon jetzt sagen, dass keiner der Zeitund Berufssoldaten seinen Arbeitsplatz verliert. Die betreffenden Soldatinnen und Soldaten werden an anderer Stelle dringend gebraucht. Ich gehe davon aus, dass wir für die zivilen Mitarbeiter, die auf den Truppenübungsplätzen und auf den Fliegerhorsten eine große Rolle spielen, eine angemessene anderweitige Verwendung finden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf: Welche Alternativen sieht die Bundesregierung zur angekündigten Schließung des Bundeswehrstandortes Schneeberg in Sachsen vor dem Hintergrund, dass aufgrund von Wismutaltlasten diese EU-Grenzregion besonders hart betroffen ist und seit 1990 circa 110 Millionen DM in die Infrastruktur des Standortes investiert worden sind?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Dehnel, der Bundesminister der Verteidigung hat im Anschluss an die Vorstellung des Entwurfs des Ressortkonzepts zur grundlegenden Neustrukturierung der Bundeswehr angekündigt, dass er alle Alternativen für Standorte sorgfältig prüfen wird. Dies gilt natürlich auch für Schneeberg. - Die Beantwortung der nächsten Frage würde gut in diesen Zusammenhang passen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe also auch noch die Frage 13 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf: Sieht die Bundesregierung eine Alternative, aus dem Standort Leipzig, wo noch circa 3 000 Soldaten stationiert bleiben sollen, der aber ein wesentlich besseres wirtschaftliches Umfeld als die Region um Schneeberg aufweist, circa 1 000 Soldaten im Standort Schneeberg zu stationieren, damit der für die Region Südwestsachsen wichtige Standort erhalten bleibt?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Die Verlegung von Truppenteilen aus Leipzig nach Schneeberg ist nicht zweckmäßig. Das Stabsfernmeldebataillon 701 sollte in räumlicher Nähe zum Kommando der 13. Panzergrenadierdivision stationiert bleiben. Auch das Verteidigungsbezirkskommando und die in Leipzig stationierten Feldjägerkräfte sind durch ihre Aufgaben an den Standort Leipzig gebunden, so die Aussage der Militärs.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Dehnel, Sie haben jetzt vier Zusatzfragen.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich verstehe ja, dass die Bundesregierung an einer Strukturreform arbeitet, um die Zukunft der Bundeswehr zu sichern. Aber es muss auch an die Zukunft der betreffenden Region gedacht werden. Vor diesem Hintergrund möchte ich meine erste Zusatzfrage stellen. In den Standort Schneeberg wurden in den letzten zehn Jahren circa 110 Millionen DM investiert. Es wurden sieben Kompaniegebäude saniert. Vor kurzem wurde eine Großküche eingeweiht. Es gibt ein Feldwebelwohnheim mit etwa 50 Zimmern, zwei Kfz-Werkstätten und einen Saal mit gastronomischen Einrichtungen. Wie stellen Sie sich vor, diese Immobilien in der Zukunft für die Region bereitzustellen, wenn Sie jetzt den Standort schließen wollen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich kenne den Standort. Ich war im Mai 1998 da und habe mich gefragt, warum die alte Bundesregierung dort ausgerechnet ein Gebirgsjägerbataillon aufgestellt hat. ({0}) - Da fallen mir auch das Sauerland oder das Weserbergland ein, Herr Kollege Breuer. ({1}) Ich muss Ihnen wirklich sagen: Wir haben die drei Gebirgsjägerbataillone in Bad Reichenhall, Mittenwald und Bischofswiesen, die auch schon damals da waren. Dann sind, aus mir völlig unverständlichen Gründen, in Schneeberg Gebirgsjäger stationiert worden. Dass der Standort erhalten werden soll, ist mir verständlich, aber die Stationierung damals war meines Erachtens ein Fehler. Ich sage Ihnen - das sage ich auch im Westen -: Mir tut jeder Standort in den neuen Bundesländern Leid, der geschlossen werden soll ({2}) - darauf kommen wir noch; dazu gibt es auch eine Frage -, weil ich meine, dass da die Identifikation mit der Bundeswehr erfolgt ist. Aber wir brauchen nur drei Gebirgsjägerbataillone und die sind - da können Sie Ihre bayerischen Kollegen fragen - aufgrund ihres Übungsprofils in den Alpen besser aufgehoben. ({3})

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben gerade die Gebirgsjägerbataillone angesprochen und gesagt, dass Sie für das in Schneeberg keine Verwendung haben. Ich habe aber nach Alternativen gefragt. Sieht denn die Bundesregierung keine Möglichkeit, von einem anderen Standort entsprechende Leute bereitzustellen, die dort stationiert werden? Es ist ja verständlich, dass sich der Oberbürgermeister von München, Herr Ude, am Montag in einem Interview im Deutschlandfunk glücklich gepriesen und gesagt hat, er freue sich, dass zum Beispiel der Standort Schneeberg geschlossen werde, weil er selber dann entsprechend investieren könne. Es ist verständlich, dass in München die Freude groß ist. Aber die Schließung des Standortes Schneeberg betrifft eine ganze Region und hat, glaube ich, einschneidende Wirkungen. Vielleicht wäre es möglich, dass Leute von einem anderen Standort nach Schneeberg kommen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wir sind aber in der Situation, dass wir fast nur Gemeinden treffen - natürlich noch stärker in den neuen Bundesländern -, bei denen sowohl die Identifikation zwischen der Bundeswehr und der Bevölkerung als auch die wirtschaftliche Bedeutung der Bundeswehr für die jeweilige Region groß ist. Wenn wir die Standorte erhalten, sind wir jedoch nicht in der Lage, eine leistungsfähige Bundeswehr zu schaffen. Wir müssen die Strukturen auf den Einsatz hin orientiert organisieren. Das ist unser Problem. Es nützt uns nichts, hohle Strukturen zu haben. Ich wünschte mir, für Schneeberg hätten wir eine Alternative. Ich habe Ihnen schon vorgetragen, dass wir Leipzig geprüft haben. Sie sehen an der Frage, die mir am Anfang gestellt wurde, bezüglich der Bereitschaft zu Alternativen: Jeder möchte gern etwas aus einem anderen Bundesland haben; aber keiner ist bereit, aus seinem eigenen Bundesland etwas abzugeben. ({0}) - Das wollen wir auch.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich sage das vor dem Hintergrund, dass Sachsen hinsichtlich der Standorte besonders benachteiligt ist. In Sachsen werden nur 8 000 Soldaten stationiert. In Schleswig-Holstein zum Beispiel sind es 39 000, und zwar bei einer viel geringeren Bevölkerungszahl, in Rheinland-Pfalz sind es circa 36 000, obwohl Rheinland-Pfalz ungefähr die gleiche Bevölkerungszahl wie Sachsen hat. Deshalb ist meine Frage: Werden Sie, wenn die Schließung wirklich beschlossen werden sollte - was ich noch immer nicht glaube -, die Region und die Kommunen bei der Vermarktung der Immobilien unterstützen und Unterstützung auch von anderen Ministerien einfordern, die für Ersatzstandorte - ich denke zum Beispiel an Zoll, Bundesgrenzschutz - sorgen können?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sie wissen doch, welche Diskussionen wir in den letzten Jahren um den Bundesgrenzschutz und die Schließung von Kasernen gehabt haben. Das ist vielleicht bei Ihnen im Grenzbereich noch eine andere Situation. Behilflich sein wollen wir auf jeden Fall. Aber ich vermute, dass man, wenn man 1991 in Schneeberg eine Alternative zum Beispiel durch den Bundesgrenzschutz gehabt hätte, diese wahrgenommen hätte. Mich tröstet nur eines, Herr Dehnel: Wenn mehr Leute aus Westdeutschland wüssten, wie schön das Erzgebirge ist, ({0}) und wenn sie wüssten, welch eine Lebensqualität es hat - ich habe damals in Aue gewohnt -, dann würden wir diesen Standort vielleicht relativ bald für Tourismus und Weiterbildungsmaßnahmen nutzen können. ({1}) - Nicht überall ist es aber in hohem Maße zutreffend, lieber Herr Kollege. In Bayern sind Sie natürlich der gleichen Meinung. Aber das Erzgebirge ist in der Tat ein attraktives Gebiet. Ich habe bei meinem Besuch dort allerdings nur relativ wenige Touristen aus Bayern und relativ viele aus Nordrhein-Westfalen getroffen. Wenn wir vielleicht noch ein paar Leute mehr aus dem Westen gewinnen könnten, auch diese Region zu besuchen, wäre es leichter. ({2}) Ich sage Ihnen: Es tut mir sehr Leid. - Aus dem Einzelplan 14 sind wir natürlich mitnichten in der Lage - wir wollen ja auch noch bei Betrieb und Unterhalt zusätzlich Geld sparen -, die Kommunen und die Länder zu unterstützen.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine Frage noch. Bei der letzten Debatte hat mir der SPD-Sprecher, Herr Zumkley, geantwortet, dass noch eine Alternative bestünde. Wenn der Ministerpräsident von Sachsen, Herr Biedenkopf, einen entsprechenden Vorschlag machte, könnten Sie sich möglicherweise erkenntlich zeigen. Sehen Sie Chancen oder sind die Messen für Schneeberg schon gelesen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das werden wir morgen Abend sehen. Herr Biedenkopf war auch letzte Woche schon bei Herrn Scharping und hat ihm die Probleme noch einmal mit großer Dringlichkeit geschildert. Er hat, wie ich erfahren habe, auch ausdrücklich auf das Ungleichgewicht der Stationierung in Ost und in West aufmerksam gemacht. ({0}) Der Kollege Rossmanith hat vergessen, dass wir ja noch an 47 Standorten einen Abbau aufgrund vorangegangener Planungen überwiegend in den neuen Bundesländern durchzuführen haben und die Begeisterung auch diesbezüglich nicht sonderlich ausgeprägt ist. ({1}) Ich kann Ihnen nur sagen: Es wird schwierig werden. - Zu meinem großen Bedauern sehe ich gerade, dass der Kollege Nolting nicht anwesend ist. Ich hätte nämlich noch etwas zu den Zahlen, also darüber, wie viele Soldaten uns zur Verfügung stehen, sagen können. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zu Frage 13 möchte jetzt der Kollege Adam eine Frage stellen. - Bitte sehr.

Ulrich Adam (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000005, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben in Ihren Darlegungen unter anderem festgestellt, dass die Standortschließungen für die neuen Länder besonders schwer sind. Ich weiß aus gemeinsamen Reisen, dass Sie die Situation vor Ort sehr gut kennen. Wie erklären Sie es sich dann, dass der Minister der Verteidigung Kriterien aufgestellt hat, die, wenn man sie genau nimmt, dazu geführt hätten, dass bei den Vorschlägen zur Schließung von Standorten die neuen Bundesländer außen vor geblieben wären? Warum ist es dazu nicht gekommen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Weil die Bataillone oder die Flugabwehrregimenter in dieser Form für eine neue, am Einsatz orientierte Bundeswehr zum Teil wirklich nicht mehr notwendig waren. Unser Problem besteht darin, dass man zum Beispiel Feldjäger in Leipzig hat, dass man sie dort aber auch für vielfältige Aufgaben und mehr als in Schneeberg braucht. Man müsste sie sonst ständig herantransportieren, um sie dort für entsprechende Aufgaben einzusetzen. Herr Kollege Adam, vielleicht hatten wir am Anfang der Stationierung - 1991 - alle nicht den Mut, mehr Verbände in den Osten zu legen. Es gab allerdings damals auch das Ansinnen der früheren Warschauer-PaktStaaten, die das damals eher noch als eine Bedrohung angesehen hätten. Wäre es uns damals gelungen, mehr Soldaten in die neuen Bundesländer zu verlegen und das Geschrei der westdeutschen Bundesländer zu ertragen, wäre heute manches leichter. Wir lösen Verbände auf, die wir für die Zukunft im Grunde nicht brauchen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Janovsky.

Georg Janovsky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001017, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich habe zu Schneeberg noch eine Zusatzfrage. Sie hatten sinngemäß geantwortet, dass aus militärischen Überlegungen heraus eine Verlegung von Leipzig nach Schneeberg nicht infrage komme. Halten Sie es aus strukturpolitischen Überlegungen heraus für möglich, eine solche Entscheidung zu treffen? Aus strukturpolitischen Überlegungen heraus muss ja manchmal etwas gegen die Vernunft entschieden werden, um auch in Grenznähe oder in strukturschwachen Regionen Einrichtungen anzusiedeln.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Aber das Leid ist, dass wir diesen Bedarf dort wirklich nicht haben. Denn die Gebirgsjägerbataillone haben natürlich Kontakt zu Bad Reichenhall, zu der Gebirgsjägerbrigade. Unser Nachbarland dort ist unser Partner im Bündnis. Die Tschechische Republik ist Mitglied der NATO, also hat in diesem Fall die Grenzregion nur eine Bedeutung, indem man sich austauscht und zusammenarbeitet. Im Moment haben wir - es geht uns ja in einigen Teilen so - einfach keinen Bedarf für die Nutzung dieser Kasernenanlagen. Die Wirtschaftlichkeit ganz außer Acht zu lassen ist nicht im Interesse der Soldaten. Dies ist entscheidend, wenn sie sagen sollen: Jawohl, wir sind mit der militärischen Dislozierung einverstanden. Zu einigen weiteren Standorten haben die Militärs andere Empfehlungen gegeben. Wir haben dazu gesagt: Nein, so viele Soldaten können wir nicht verlegen. Nach deren Vorschlägen hätten wir fast die Hälfte der Verbände in den neuen Bundesländern wieder verlegen müssen. Das kam nicht infrage.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir sind noch bei Frage 13. Eine Zusatzfrage hat jetzt der Kollege Rossmanith. Bitte sehr.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, trifft es zu, dass es sich bei den von Ihnen soeben ins Gespräch gebrachten 47 Standorten, nach denen nicht gefragt wurde und die gemäß der letzten Reform von Ihnen noch geschlossen werden sollen, um Abwicklungen handelt und dass an diesen Standorten nur noch die Soldaten vorhanden sind, die diese Endabwicklung vornehmen müssen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das sind ganz gravierende Bereiche. Zum Beispiel werden aus Oldenburg umfangreiche Verbände nach Bad Sülze verlegt. Aus Wunstorf bei Hannover wird als Letztes das Transportgeschwader in die Nähe von Berlin verlegt. Das wurde damals beschlossen und ist bis jetzt nicht geschehen. Wir haben im Rahmen dieser Abwicklung gesagt: Wir werden keine Transallmaschinen mehr verlegen, sondern werden das neue Transportflugzeug der Zukunft dort hinverlegen. Das wird dann als Letztes geschehen. Dazu, dass dies bisher nicht geschehen ist, haben sachliche Fragen geführt. Zum Beispiel war die erforderliche Infrastruktur noch nicht vorhanden. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie zuerst an dieser Stelle und nicht an vielen anderen Orten aufzubauen. Es bleibt natürlich die Tatsache bestehen, dass wir all das, was jetzt im Bereich der Bundeswehr existiert, nicht mehr brauchen. Das, was gebraucht wird, wird im Rahmen der Notwendigkeiten verlegt. ({0}) - Ja, natürlich. Aber das wirkt sich auf die Soldaten dort aus.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Fragen 14 und 15 werden schriftlich beantwort. Nun rufe ich die Frage 16 der Abgeordneten Irmgard Karwatzki auf: Aus welchen Gründen werden die im November 2000 noch in Erarbeitung befindlichen Verteilungskriterien und die Prioritätenliste für die Ausgabe der eingeplanten 1 Milliarde DM Mehrerlöse im Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung ({0}) nicht dem Deutschen Bundestag vorgelegt? Frau Staatssekretärin, bitte.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin Karwatzki, über die Verwendung der sich aus Einsparungen im Betrieb der Bundeswehr ergebenden Verstärkungsmöglichkeiten für den Einzelplan 14 - zum Beispiel aus Effizienzgewinnen, Wechsel der Finanzierungsart und Mehreinnahmen aus der Verwertung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen - werden der Verteidigungsausschuss und der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vom Bundesminister der Verteidigung informiert werden. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Irmgard Karwatzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001068, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Unabhängig von der Tatsache, dass wir diese Antwort im Ausschuss schon einige Male gehört haben, frage ich: Gibt es denn zum jetzigen Zeitpunkt zumindest in Ansätzen ein Einsparpotenzial?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, bei denen Einsparpotenziale bestehen. ({0}) - Dies können wir im Moment aus guten Gründen nicht tun. Stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde, wenn wir aufschreiben würden, welche Erwartungshaltung wir gegenüber einer bestimmten Liegenschaft haben. Dann würden die Gemeinden alles tun, Ideen zu entwickeln, warum sie für die Zahlungen nicht aufkommen müssen. Die Modernisierung hängt davon ab, Frau Kollegin Karwatzki, wie parallel zur Feinstruktur der Verbände die Ausrüstung der Verbände ist. Darauf werde ich in meiner Antwort auf Frage 17 näher eingehen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es eine ganze Reihe von Überlegungen, was wir in diesem Zusammenhang tun können. Aber eine Realisierung ist am 14. Februar 2001 nicht ernsthaft zu leisten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Irmgard Karwatzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001068, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, irgendwann einmal muss ja ein Anfang gemacht werden. Sie vertrösten uns nun schon seit mehreren Monaten. Nennen Sie einmal ein konkretes Beispiel einer Veräußerung, von dem Sie bereits jetzt sagen können: Das ist der Weg.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wir haben in den letzten Monaten einige Veräußerungen durchgeführt. Wenn Sie mich danach gefragt hätten, hätte ich die entsprechenden Daten mitgebracht. Umfangreiche Sparmaßnahmen werden durch Modernisierungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung, durch die Entscheidung über ein Ausrüstungskonzept und durch die Veräußerung verschiedener Liegenschaften durchgeführt. Eine Reihe von Liegenschaften haben wir schon klassifiziert, auch untersuchen lassen. Aber Details dazu werde ich hier nicht vorab nennen. Deswegen sprach ich vorhin vom Haushaltsausschuss. Ich habe den Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes 2001 in der Hand. Hier steht, dass wir den Haushaltsausschuss informieren werden. Der Bundesverteidigungsminister hat hinzugefügt, dass er, wenn er den Haushaltsausschuss informiert, auch den Verteidigungsausschuss informieren wird. Hier steht nicht, dass wir öffentliche Debatten über Immobiliengeschäfte zu führen haben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 17 der Kollegin Irmgard Kawatzki auf. Ist es zutreffend, dass aufgrund der mangelnden Finanzausstattung des Haushalts des BMVg im laufenden Haushaltsjahr keine neuen Beschaffungsvorlagen, so genannten 50-MillionenVorlagen, dem Deutschen Bundestag mehr vorgelegt werden können und damit dringend notwendige neue Beschaffungsprojekte zur Modernisierung der Bundeswehr im laufenden Haushaltsjahr nicht finanziert werden können? Frau Staatssekretärin.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Kollegin, der Entscheidungsprozess, welche Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr mit Volumina von über 50 Millionen DM den Ausschüssen vorgelegt werden, ist im Bundesministerium der Verteidigung noch nicht abgeschlossen. Wir haben eine ganze Liste von Vorhaben, aber wir wollen zunächst ein Ausrüstungskonzept haben, auf dem wir dann aufbauen und entscheiden. Was wir an Beschaffungen bzw. an Verkäufen - auch damit kann man Erlöse erzielen - vorhaben, werden wir in der Öffentlichkeit nicht vorab darstellen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin, bitte sehr.

Irmgard Karwatzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001068, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Vizepräsidentin, Sie sind ja unsere Anwältin. Ich habe auch schon in anderer Funktion hier gestanden. Dann haben die amtierenden Präsidenten aber zumindest den Fragestellern, also uns, den Abgeordneten, die Chance eingeräumt, eine Antwort zu erhalten. ({0}) Wir haben ja das Frageinstrument. Ich bin der Meinung, dass die Frau Kollegin uns zumindest in Ansätzen etwas sagen muss. Wir argumentieren doch in den Wind hinein. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich verfolge mit Spannung die Debatte und kann eigentlich nur sagen: Ich folge der Linie der Staatssekretärin, die sagt, das könne man nicht in der Öffentlichkeit diskutieren, das gehöre in die Ausschüsse. Deswegen habe ich nicht interveniert. Aber Sie haben jetzt eine Zusatzfrage.

Irmgard Karwatzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001068, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich bedanke mich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 18 des Abgeordneten Werner Siemann auf. Treffen Medienberichte, zuletzt im „Spiegel“ vom 5. Februar 2001, zu, wonach sich aus einer Vorlage der Haushaltsabteilung des Bundesministeriums der Verteidigung ({0}) ergebe, dass der Haushalt des BMVg für das Jahr 2001 mit so genannten Überkippern und wegen unbezahlter Rechnungen aus dem Haushaltsjahr 2000 in Höhe bis circa 800 Millionen DM vorbelastet sei, falls nein, wie hoch sind die Vorbelastungen aus dem Haushaltsjahr 2000 für den laufenden Verteidigungsetat tatsächlich? Frau Staatssekretärin.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Siemann, eine Vorlage der Haushaltsabteilung des Bundesministeriums der Verteidigung mit dem von Ihnen vorbezeichneten Inhalt gibt es nicht. Zur Vorbelastung in Form von so genannten Rechnungsüberkippern habe ich übrigens bereits in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 24. Januar 2001 geantwortet. Ich kann Ihnen das Plenarprotokoll nennen. Soweit unter Vorbelastung ein nicht veranschlagter Haushaltsmittelbedarf zu Beginn eines Haushaltsjahres verstanden wird, zu dessen Deckung bei anderen Haushaltsstellen eingespart werden muss, sind zurzeit rund 455 Millionen DM aufgrund nicht veranschlagter Lohnund Gehaltsverbesserungen verifizierbar und absetzbar. Wir haben von der alten Regierung das Instrument übernommen, dass wir diese Lohn- und Gehaltsverbesserungen nicht etatisieren dürfen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wollen Sie uns dann sagen, dass Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium keine Kenntnis davon haben, in welcher Höhe, in welcher Form und in welchen Bereichen so genannte Überkipper aus dem Haushalt 2000 vorhanden sind?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Siemann, ich weiß nur, dass wir das Thema der so genannten Überkipper seit 1981 behandeln. ({0}) Die erste Aufgabe, die wir hatten, als wir in das Bundesministerium der Verteidigung kamen, war, zu schauen, inwieweit wir Überkipper von der alten Regierung, die nicht abgearbeitet waren, zu übernehmen hatten. Dabei gab es zwei Dinge. Wir haben immer einen Investitionsbedarf für Instandsetzungen. Diese Instandsetzungen verschieben sich in das nächste Jahr oder werden - auch das gehört zu dem Konzept, das wir überprüfen zum Teil in der Zukunft nicht mehr ausgeführt werden. Wenn wir nicht mehr so viel Gerät brauchen, uns von Gerät trennen und wenn wir auch nicht mehr die Langzeitlagerung haben, werden geringere Kosten entstehen. Daher kenne ich diese Debatte, wie Sie sich gut vorstellen können. Ich lese auch die Zeitung und höre das Gewispere darum, dass sich dies im Moment im Rahmen hält - trotz aller anders lautender Behauptungen in der Öffentlichkeit.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist denn die Zahl - die ich in meiner Frage genannt habe von 800 Millionen DM aus der Luft gegriffen, halten Sie sie für aus der Luft gegriffen und nicht realistisch?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Als anständige Kollegin habe ich Ihnen das verifiziert, was ich heute sagen kann, weil es die Berechnungen nach den Tariferhöhungen und den Verbesserungen bei den Beamten darstellt. Dies ist die Zahl, die ich Ihnen nennen kann. Aber wir haben im letzten Jahr diese Steigerung bei Löhnen und Gehältern und bei den Beamteneinkommen auch einsparen müssen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommen wir zur Frage 19 des Kollegen Siemann: Wie wirken sich die Vorbelastungen aus dem Haushaltsjahr 2000 im laufenden Haushalt des BMVg 2001 auf Vorhaben in der Materialverantwortung der Inspekteure des Heeres, der Luftwaffe, Marine und der Streitkräftebasis aus? Frau Staatssekretärin.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege, die Erwirtschaftung der Mittel für Vorbelastungen ist Aufgabe des Haushaltsvollzugs des gesamten Haushaltsjahres 2001. Inwieweit sich Auswirkungen auf einzelne Vorhaben ergeben können, lässt sich erst im Verlauf des Haushaltsjahres feststellen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, trifft es zu, dass die Mittel für die dringend notwendigen Bedarfsinstandsetzungen für dieses Jahr bereits ausgegeben sind und dass in diesem Bereich jetzt schon - nach anderthalb Monaten - ein Loch von 80 Millionen DM bis 130 Millionen DM besteht, die dringend benötigt werden, um diese Bedarfsinstandsetzungen durchzuführen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich habe natürlich die ganze Zeit darauf gewartet, dass Sie diese Frage stellen. Es trifft in dieser Form nicht zu. Es trifft zu, dass wir eine ganze Reihe von Rechnungen aus dem letzten Jahr - wie jedes Jahr - zu Beginn dieses Jahres bezahlen müssen. Es gibt bei bestimmten Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen auch Preissteigerungsraten. Uns fehlt zurzeit aber ein Plan, was in Zukunft wirklich instand gesetzt werden muss und was wir vordringlich brauchen. Diesen fordern wir in der politischen Leitung von den Teilstreitkräften über den Generalinspekteur und über Herrn Staatssekretär Dr. Stützle an. Dann werden wir damit ins Parlament kommen. Ich sage Ihnen: Ein Haushalt in einer Größenordnung von 47 Milliarden DM erfährt im Laufe eines Jahres immer wieder Änderungen. Das werden Sie sehen, wenn Sie die Haushaltsrechnung des Jahres 2000 vorgelegt bekommen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 20 des Kollegen Paul Breuer auf: Ist es zutreffend, dass die vom Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, behauptete Mehrausgabemöglichkeit im Haushalt des BMVg 1999 in Höhe von 1 Milliarde DM hauptsächlich aus den beschlossenen Verstärkungen aus dem Einzelplan 60 für den Einsatz der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien sowie aus den schon von der ehemaligen Bundesregierung beschlossenen Einnahmevermerken im Kapitel 14 12 und 14 15, zum Beispiel Einnahmen aus Verkäufen von Liegenschaften und Rüstungsmaterial, für die Jahre 1998 und die Folgejahre bestehen? Frau Staatssekretärin, bitte.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Breuer, der Verteidigungshaushalt 1999 schloss mit Mehrausgaben in Höhe von rund 1,022 Milliarden DM ab. Diese waren durch Einnahmen aus Veräußerung, Vermietung und Verpachtung in Höhe von 250 Millionen DM, die Verstärkung im Zusammenhang mit internationalen Einsätzen in Höhe von 666 Millionen DM und sonstige Einnahmen und Verstärkungen in Höhe von rund 106 Millionen DM gedeckt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage Nummer eins, bitte.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, in welcher Höhe sind die Mehrausgabemöglichkeiten, wie vom Bundesminister der Verteidigung behauptet, tatsächlich in Investitionen und die Modernisierung der Bundeswehr geflossen und nicht nur in die Begleichung von laufenden Betriebsausgaben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege, das habe ich sehr sauber dargestellt. Am 17. November 2000 hat es mit der Drucksache 14/4863 eine Darstellung der Einnahmen im Einzelplan 14 zur Verstärkung von Ausgaben im Haushaltsjahr 1999 gegeben. Es wurde untergliedert in Einnahmen aus Veräußerung, Vermietung und Verpachtung, in Verstärkung im Zusammenhang mit internationalen Einsätzen und sonstige Einnahmen/Verstärkungen. Auf der Ausgabenseite gab es eine entsprechende Aufstellung. Manches verändert sich bei einem so großen Haushaltsvolumen im Laufe eines jeden Jahres. Am Ende kommt dann die Summe von 1 021 598 927,25 DM zustande.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich habe die Liste dabei. ({0}) Sind Sie bereit und in der Lage ({1}) - das ist im Übrigen so, Herr Kollege, Sie sollten sich etwas mehr darum kümmern -, deutlich zu machen und zu belegen - das muss nicht heute sein -, für welche Investitionsgüter, also für welche Großgeräte und Infrastruktur zur Modernisierung der Bundeswehr, die Mehreinnahmemöglichkeiten eingesetzt wurden? Denn das ergibt sich aus der Drucksache, die Sie soeben angesprochen haben, natürlich nicht. Ich verlange das von Ihnen nicht am heutigen Tag, sondern ich verlange, dass Sie sich bereit erklären, das grundsätzlich zu tun.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich bin ausdrücklich bereit, Ihnen das noch stärker aufzuschlüsseln. Ich biete Ihnen sogar ein entsprechendes Gespräch darüber an. Ich fand aber, dass wir es außerordentlich sorgfältig dargestellt haben. Das muss ich ehrlich gestehen. ({0}) Ich wollte damals die Transparenz mit hineinnehmen, damit das Parlament darüber Bescheid weiß. Wir haben das geprüft. Dass wir die Beschaffung oder Bezahlung von verschiedenem Gerät nicht noch stärker differenzieren, ist doch natürlich, das gehört nicht in eine öffentliche Darstellung. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege? Sonst kommt die Frage 21. ({0}) - Ist gut, dann können Sie noch eine Frage stellen, weil die Pfennigbeträge nicht ganz deutlich ausgewiesen worden sind.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, da bitte ich um Verzeihung. Man sollte normalerweise den Präsidenten oder die Präsidentin hier nicht rügen, aber ich muss deutlich sagen, dass ich diese Bemerkung für eine Unverschämtheit halte. ({0}) Das ist eine Wertung, Frau Präsidentin.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie sind dabei, eine Zusatzfrage zu stellen. ({0})

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hier geht es um den Verteidigungsetat, und hier geht es um die Fragestellung, ob denn die Auskünfte des Bundesministers der Verteidigung der Wahrheit entsprechen. ({0}) Jetzt stelle ich eine weitere Frage, die Sie mir dankenswerterweise zugestanden haben. Frau Staatssekretärin, können Sie denn ausschließen, - ({1}) - Frau Präsidentin, ist das eigentlich zulässig, was der Kollege hier macht?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Im Moment wollte ich Ihnen eigentlich die Gelegenheit zu einer Zusatzfrage geben und ich wollte das ein bisschen entspannen.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich für die Gelegenheit, würde aber darum bitten, dass diese Störungen hier unterbleiben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt lassen Sie uns nicht in einen Dialog eintreten. Zwischenrufe sind auch während einer Fragestunde gestattet. Nun stellen Sie bitte Ihre weitere Zusatzfrage. ({0}) Da müssen Sie sich jetzt mit Ihrer Stimme durchsetzen. Bitte sehr, Sie haben jetzt das Wort zu einer Zusatzfrage zur Frage 20.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie kann ich der Aufstellung vom November 2000, die Sie eben ansprachen, entnehmen, ob die dort dargestellten Zweckbestimmungen nicht aus dem allgemeinen Verteidigungshaushalt, sondern aus den Mehrerlösen, von denen Sie hier gesprochen haben, finanziert sind? Ich denke, das ist hier die grundsätzliche Frage. Ich habe den Eindruck, dass von Mehrerlösen gesprochen wird, die den Investitionshaushalt verstärken sollen, aber die Finanzierung nicht aus den Mehrerlösen stammt, sondern aus dem allgemeinen Haushalt und insofern auch keine Verstärkung der Investitionsmittel erfolgt.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Jetzt muss ich sagen, das ist ein tolles Ding, Herr Kollege. Den Haushalt 1997 - 1997 war das letzte Jahr Ihrer Regierungsverantwortung - haben wir mit 46,244 Milliarden DM abgeschlossen; jetzt lasse ich die Pfennigbeträge einmal beiseite. Den Haushalt 1998, den wir übernommen haben, haben wir mit 46,8 Milliarden DM abgeschlossen und den Haushalt 1999 mit 47,046 Milliarden DM. Dabei haben wir Folgendes getan. Es ist uns im Haushalt 1999 das erste Mal gelungen, für die internationalen Einsätze Geld zur Verfügung zu stellen. Auch das können Sie daraus erkennen. Jetzt komme ich nämlich wieder zur Drucksache 14/4863, in der zum Beispiel steht, dass wir für die Gemeinschaftsverpflegung 6 Millionen DM und für den Unterhalt von Grundstücken und die großen Neubaumaßnahmen 65 Millionen DM mehr brauchten. Aber, Herr Kollege Breuer, wir haben 44,6 Millionen DM für Beschaffung von Fahrzeugen der Streitkräfte, rund 19,8 Millionen DM für die Beschaffung von Quartiermaterial bereitgestellt. Es geht weiter mit der Beschaffung von Schiffen und von Kampffahrzeugen. Das sind überplanmäßige Titel über die Einsätze hinaus, sonst würden sie hier nicht auftauchen; denn das Parlament ist verpflichtet, über überplanmäßige Ausgaben zu befinden. Allerdings haben wir auch 665 Millionen DM - oder, genauer gesagt: 666 Millionen DM - für die internationalen Einsätze gehabt, die wir früher immer erwirtschaften mussten. Da wurden auch Investitionen getätigt. Die anderen Verstärkungsmittel kommen hinzu. Ich sage Ihnen zu, dass wir Ihnen die Investitionsausgaben zusammentragen, damit Sie ersehen, was aus dem laufenden Haushalt und was mit zusätzlichem Geld finanziert wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich Frage 21 des Kollegen Paul Breuer auf. Aus welchen Gründen legt der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, die von ihm zugesagte und über den normalen Abschlussbericht zum Haushalt des BMVg 2000 hinausgehende Erläuterung zur von ihm auch für das Haushaltsjahr 2000 behaupteten 1 Milliarde DM Mehrausgabemöglichkeit für den Haushalt des BMVg 2000 nicht vor? Frau Staatssekretärin, bitte.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Breuer, die Unterrichtung des Bundestages über den Abschluss des Haushaltes 2000 erfolgt in Form der Haushaltsrechnung, die das Bundesministerium der Finanzen für den gesamten Bundeshaushalt vorlegen wird. Im Vorgriff darauf kann ich Ihnen heute mitteilen, dass im Haushaltsjahr 2000 Einnahmen und sonstige Verstärkungsmöglichkeiten in Höhe von insgesamt rund 232 Millionen DM für zusätzliche Aufgaben des Verteidigungshaushaltes genutzt wurden. Der Einzelplan 14 schließt mit rund 45,56 Milliarden DM ab. Darüber hinaus wurden die im Einzelplan 60 für Einsätze der Bundeswehr in Südosteuropa bereitgestellten Mittel in Höhe von 2 Milliarden DM verausgabt. Unter Einschluss dieser Mittel standen der Bundeswehr insgesamt 47,56 Milliarden DM zur Verfügung.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege. ({0})

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie ausschließen, dass die von Ihnen eben bezifferten Mittel lediglich zur Deckung von Betriebsausgaben ausgegeben werden und nicht - so wie es eigentlich von der Zweckbestimmung her vorgesehen ist - für Investitionsgüter?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Unser Problem, welches wir immer noch haben und womit wir uns auch in diesem Jahr wieder herumplagen, sind Entscheidungen früherer Regierungen dahin gehend, dass wir die Haushaltsmittel, die wir zum Beispiel für den Ausgleich von Tarifsteigerungen und ähnlichem brauchen, nicht etatisieren. In früheren Zeiten wurden diese Mittel am Ende aus dem Einzelplan 60 des Bundesfinanzministers zur Verfügung gestellt. Das haben wir nicht mehr. Deswegen werden wir auch für das Jahr 2000 überplanmäßige Ausgaben für die tariflichen Verbesserungen haben. Ansonsten haben wir eine große Zahl von Beschaffungsmaßnahmen durchgeführt, von denen nicht wenige auch für internationale Einsätze zur Verfügung standen. Hier rede ich von den 2 Milliarden DM. Die Erläuterungen dazu werden Sie bekommen, wenn wir so weit sind. Wenn der Finanzminister uns dies vorgelegt hat, wird es dem Parlament vorgelegt werden. Ich kenne ja die Zeitungen und die Spekulationen. Lassen Sie uns dies ganz gelassen abwarten, denn es muss auf jeden Fall mit dem Haushaltsrecht vereinbar sein.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich Frage 22 des Kollegen Dr. Müller auf: Welches Standortfolgekonzept für die Nutzung der Liegenschaft in Sonthofen und neue Investitionen hat die Bundesregierung nach der Verlegung der Schule für Feldjäger und Stabsdienste aus der Generaloberst-Beck-Kaserne Sonthofen nach Hannover? Frau Staatssekretärin, bitte.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Müller, in der Fragestunde vom 7. Februar 2001, also vor einer Woche, habe ich versucht, zu verdeutlichen, dass alle Vorschläge für Alternativen zu Standorten sorgfältig geprüft werden. Diese generelle Verfahrensweise gilt auch für Sonthofen. Nach dem derzeitigen Planungsstand wird die Jägerkaserne in Sonthofen künftig weiter genutzt. Wenn Sie wollen, kann ich gern auch die nächste Frage beantworten, ehe Zusatzfragen gestellt werden, da sie in direktem Zusammenhang zur ersten steht.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Gut. Herr Kollege Müller, dann können Sie gleich vier Zusatzfragen stellen. Ich rufe also auch die Frage 23 des Kollegen Dr. Müller auf: Hat die Bundesregierung zwischenzeitlich das vorgelegte Einsparkonzept zur Reduzierung der geplanten Infrastrukturkosten von 75 Millionen auf 40 Millionen DM zur Kenntnis genommen, und besteht auf dieser Basis eine Chance, die Entscheidung der Verlegung der Feldjäger und Stabsdienste von Sonthofen nach Hannover zu revidieren? Frau Staatssekretärin, bitte sehr.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wie auch bereits in der letzten Woche ausgeführt, würden umfangreiche Sanierungsmaßnahmen in Sonthofen den Ausbildungsbetrieb über einen langen Zeitraum einschränken. Dies gilt auch, wenn die Infrastrukturkosten von 75 Millionen auf 40 Millionen DM abgesenkt würden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage eins.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass beim derzeitigen Lehrgangsbetrieb in Sonthofen für die Lehrgangsteilnehmer hervorragende Bedingungen herrschen und dass eine mögliche zusätzliche Umbaumaßnahme, womit Sie erhebliche Schwierigkeiten begründen, überhaupt nicht notwendig ist, da durch den zukünftigen Abzug des ABC-Abwehr-Lehrbataillons aus der Grünten-Kaserne Lehrgangsgebäude und Unterkünfte frei werden? Ihre Argumentation ist deshalb faktisch falsch.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Es ist manchmal gut, die Region, über die man spricht, zu kennen. Ich bin dort gewesen. Das Haus hatte mir sogar empfohlen, zu sagen, dass sie so sehr dezentral liegen. Deshalb sollte man die Feldjägerausbildung, die jetzt über die ganze Bundesrepublik verteilt ist, nicht dorthin legen. Ich habe gesagt: Das werde ich hier nicht erklären, denn dann hätte es keinen Grund gegeben, die Offiziersschule von Hannover nach Dresden zu verlegen. Die Verkehrsanbindungen dort sind wahrscheinlich in weiten Teilen ungleich schwieriger. Wir haben ausdrücklich gesagt: Wir wollen uns von Kosten trennen. Wir haben zu viele schulische Einrichtungen - das wird nachher auch noch eine Rolle spielen und zu viel Infrastruktur. Wir haben in Hannover eine komplett ausgestattete Offiziersschule des Heeres, die in den 70er-Jahren gebaut worden ist. Sonthofen ist eine Einrichtung, die mit großem Aufwand zurzeit des Nationalsozialismus gebaut worden ist. Dies würde mich nicht stören, weil im Moment dort die demokratische Bundeswehr untergebracht ist. Sie ist aber in den Kosten zu hoch, was auch in der Vergangenheit schon viele gesagt haben. Kollege Müller, dies ist der Hauptgrund dafür, dass man gesagt hat: Sonthofen ist als Schule für Feldjäger der gesamten Bundesrepublik zu weit und zu teuer in der Unterhaltung.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage zwei.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass die militärische Führung der Feldjäger in Deutschland diese Einschätzung nicht teilt und mit dem Standort Sonthofen hochzufrieden ist? Sie hat sich für den Erhalt des Standortes ausgesprochen. Können Sie mir auf der Basis der wirtschaftlichen Kriterien begründen, ob diese bei diesem Standort im südlichsten Teil Deutschlands überhaupt eine Rolle gespielt haben? Bei diesem Standort in peripherer Lage handelt es sich um eine denkmalgeschützte Kaserne, die erhebliche Folgekosten nach sich ziehen wird. Sie können sie nicht als Kaserne stehen lassen. Wie soll Ihr Konzept, die Schule für Feldjäger aus der denkmalgeschützten Ruine in Sonthofen nach Hannover zu verlegen, an einen Standort in einer boomenden Wirtschaftsregion, wirtschaftlich, betriebswirtschaftlich aufgehen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Natürlich geht es auf. Die Generaloberst-Beck-Kaserne ist wahrscheinlich von der bayerischen Landesregierung unter Denkmalschutz gestellt worden. Das fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung. Die Landesregierung wird sich jetzt darum kümmern müssen, dass für diese denkmalgeschützte Kasernenanlage eine sinnvolle Nutzung gefunden wird. Ich habe übrigens noch Kostenberechnungen in Höhe von 100 Millionen DM vorliegen. Diese werde ich jedoch genauso wie Ihre 40 Millionen DM infrage stellen. Deswegen habe ich wahrscheinlich die 70 Millionen DM, die in der Mitte liegen, akzeptiert. Für die verbleibenden vier ABC-Abwehrbataillone bestehen gute Voraussetzungen für eine flächendeckende Zusammenarbeit mit anderen Truppengattungen. Also wird ein ABC-Abwehrbataillon aufgelöst. Der Standort Sonthofen bleibt aber als ABC-Schule erhalten. Damit behält er eine wichtige Aufgabe. Dies halte ich für richtig. Ihr Argument hinsichtlich der guten Infrastruktur, die der Bundeswehr natürlich sehr willkommen ist - darin stimme ich Ihnen ausdrücklich zu; das gilt auch für Sonthofen -, scheitert wie jedes andere Argument an der Tatsache, dass wir einen solchen Umfang an Infrastruktur und Liegenschaften nicht mehr brauchen. Wir haben prinzipiell nichts dagegen. Auch will ich nicht bestreiten, dass es viele Menschen gibt, die dort ihre Ausbildung gemacht haben - in meinem Büro arbeiten einige davon -, die von der Schule sehr angetan waren und die, als die Schließung bevorstand, spontan gesagt haben: Das kann nicht sein. Aber mein Regierungsdirektor, der für die Finanzen zuständig ist, hat erklärt, dass die Aufwendungen hierfür sehr hoch seien. Jetzt ist die Entscheidung gefallen. Sie wird vom Inspekteur des Heeres und den Teilstreitkräften insgesamt mitgetragen. Herr Stoiber müsste schon gute Argumente anführen, damit eine entsprechende Alternative realisiert wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre Zusatzfrage drei.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich bin nach wie vor der Meinung, dass nicht die richtigen betriebswirtschaftlichen Zahlen genannt wurden, und bedaure sehr, dass es mit dem Verteidigungsminister zu keinem Gespräch zur Erörterung dieser Fragen kam. Sonthofen ist ein Sonderfall. Es geht nicht um Truppenreduzierungen, sondern es ist eine rein politische Entscheidung, die bestehenden Strukturen von Sonthofen in ein leeres Gebäude in Hannover zu verlagern, das man wirtschaftlich auch anders hätte nutzen können. Ich habe die konkrete Frage an Sie: Wären Sie bereit, den Vorschlag zu prüfen, den Frau Anker, Stadträtin, in Vertretung des Oberbürgermeisters von München, vorgestern beim Bundeswehrempfang in München in die Diskussion gebracht hat, die Sanitätsakademie in München nach Sonthofen zu verlagern? Sie hat wörtlich gesagt: Eine Großstadt wie München ist auf die Bundeswehr nicht angewiesen. Im Gegenteil: Wir können die Grundstücke zur Wohnungsbebauung gut gebrauchen. - Sie würden München, möglicherweise dem dortigen Oberbürgermeister und vor allem uns, den Menschen in der Region Sonthofen, nutzen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich habe nachgeschaut. Die Kasernenanlage ist zwischen 1934 und 1942 gebaut worden. Sie wurde damals zum Großstandort gemacht. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wer dafür verantwortlich war. Die Burgsiedlung, die sich dort befindet, wird in jedem Fall - egal, welche Einrichtung dort sein wird - für die Bundesrepublik Deutschland ein hoher Kostenfaktor sein. Dafür ist die Bundeswehr nicht verantwortlich, schon gar nicht, wenn es sich um ein solches Denkmal handelt. Aber auch wenn es um die Geschichte der Demokratie in Bayern gegangen wäre, wäre es nicht möglich gewesen. Hinsichtlich der Sanitätsakademie in München war es der ausdrückliche Wunsch, dass sie in München bleibt. Man hätte 1991 fragen können - das lag damals nahe -, warum sie nicht nach Berlin verlagert wird, zumal das Gebäude in Berlin noch steht, in dem sich früher die Sanitätsakademie befand. Kollege Müller, ich verstehe Sie gut. Als Abgeordneter dieser Region ist es Ihre Aufgabe, sich für sie einzusetzen. Aber wir schaffen es nicht, diese Liegenschaft weiter zu nutzen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage vier.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich kämpfe aus wirtschaftlichen und traditionellen, aber auch aus historischen Gründen für den Erhalt des Standortes. Die Kaserne ist mit dem Namen von Generaloberst Beck, einem der großen Männer des deutschen Widerstandes - Stichwort 20. Juli -, verbunden. Sie sagen, das habe mit der Entscheidung über den Bundeswehrstandort nichts zu tun. Ich stelle die Frage an Sie - nach der Entscheidung, die Bundeswehr teilweise aus dieser Liegenschaft mit dem traditionsgebundenen Namen abzuziehen -: Welches Standortkonzept haben Sie zur weiteren Verwendung dieser Kaserne, die den Namen eines großen Mannes des deutschen Widerstandes trägt? Mit welchen Investitionen und welchem Folgekonzept kann die Region rechnen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Die Region kann nicht mit Bundesmitteln aus dem Verteidigungshaushalt rechnen. Die Bundeswehr hat in den letzten zehn Jahren mehrfach ihre Friedensdividende erbracht und muss nun endlich eine Struktur bekommen, mit der sie die Aufgaben der internationalen Sicherheit leisten kann. Wir sind dabei, ihr diese Struktur zu geben, und deswegen haben wir diese schmerzlichen und notwendigen Eingriffe vorgenommen. Im Hinblick auf die Möglichkeiten einer anderen Verwendung der Liegenschaft ist jetzt die bayerische Landesregierung gefragt. Ich teile Ihre Meinung, dass die Region Sonthofen alleine überfordert ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat Kollege Rossmanith eine Zusatzfrage. Danach haben wir das Ende der Fragestunde erreicht.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie den finanziellen Aspekt hinsichtlich der Investitionen so in den Vordergrund gestellt haben, muss ich Sie fragen: Haben Sie, das heißt hat Ihr Haus, Überlegungen dahin gehend angestellt, das Gelände in Hannover, auf das die Feldjägerschule verlegt werden soll, zu veräußern? Denn mit dieser Veräußerung würden Sie mit Sicherheit einen höheren Erlös erzielen als an Investitionen in Sonthofen erforderlich wäre.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Die Stadt Hannover hat in den vergangenen Jahren im militärischen Bereich einen erheblichen Abbau erlebt und ist daran interessiert, die Bundeswehr in der Stadt zu halten. Sie hat sich damals -, anders als andere; ich erinnere an die Sanitätsakademie bereit erklärt, die Offiziersschule, wenn auch schweren Herzens, als Leistung für die neuen Bundesländer herzugeben. Die Liegenschaft in Hannover ist vorhanden, wir können sie nutzen und die Bundeswehr würde sie gerne nutzen. Ich glaube, es gibt für die Ansiedlung einer solchen Einrichtung kaum eine zentralere Stadt als Hannover. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie haben nur eine Zusatzfrage. ({0}) - Sie haben Recht. Sie haben noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie ausschließen, dass die Schüler der Schule für Feldjäger und Stabsdienste im zivilen Bereich üben sollen, sprich: die Verlegung deshalb erfolgt, um den Soldaten praktische Übungseinheiten bei den Chaostagen in Hannover zu ermöglichen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Diese Frage ist - Entschuldigung, Frau Präsidentin - unter Ihrem Niveau.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich danke der Frau Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen. Ich finde, Sie hat das ausführlich und gut gemacht. ({0}) Wenn sie im Einzelfall Fragen nicht beantwortet hat, so mag das Gründe haben. Ich glaube, es war richtig, nicht einzuschreiten. Damit ist die Fragestunde beendet. - Frau Kollegin, Sie blicken irritiert, weil Sie mit der nächsten Frage an der Reihe wären. Ich muss die Geschäftsordnung beachten und entsprechend der Geschäftsordnung ist die Zeit für die Fragestunde abgelaufen. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Bundespolitische Auswirkungen neu bekannt gewordener Verstöße gegen das Parteiengesetz Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion.

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Mitte letzten Jahres möchte uns die CDU-Führung glauben machen, dass die Skandale der schwarzen Kassen, der Schweizer Konten, der regierungsamtlichen Lügen des Noch-Ministerpräsidenten Koch und der vorgeschobenen Ehrenwörter ausgestanden seien. ({0}) Es sei alles aufgeklärt, tönt es aus der CDU. Alles andere sei eine miese Kampagne der Linken. Dass dem nicht so ist, haben die jüngsten Vorfälle in Berlin wieder einmal gezeigt. Ausgerechnet die Berliner CDU, die immer so getan hat, als hätte sie mit alledem nichts zu tun, muss noch Stück für Stück zugeben, dass sich ihre Finanzpraktiken nicht wesentlich von denen der restlichen CDU unterscheiden. ({1}) Auch in Berlin gibt es eine bislang unzertrennliche politische Männerfreundschaft. Eberhard Diepgen und Klaus-Rüdiger Landowsky haben gemeinsam Jura studiert, haben sich in schlagenden Studentenverbindungen herumgetrieben, ({2}) haben gemeinsam die Junge Union dominiert und haben nun seit 18 Jahren die Berliner CDU fest im Griff. ({3}) Der eine, Diepgen, ist der Regierungschef, der andere „nur“ Fraktionschef. In Wirklichkeit ist er der große Strippenzieher. Jener Klaus-Rüdiger Landowsky ist der Inbegriff des Filzes in Berlin, immer mit den richtigen Leuten zusammen und immer mit der richtigen Nebenbeschäftigung, ob im Lotto-Stiftungsrat, wovon schon einmal der eigene Tennisklub im Grunewald profitiert, oder auf den Chefsesseln landeseigener Bankgesellschaften. Wie in Hessen so wurden auch in Berlin erste Meldungen über nicht verbuchte Barspenden und Schwarzgeldkonten als Kampagne der Linken gegen einen verdienten Ehrenmann der Berliner Gesellschaft abqualifiziert. ({4}) Als dann nichts mehr zu verheimlichen war, wurde scheibchenweise zugegeben, was andere längst herausgefunden hatten. Auch die Sprachregelung entspricht den bundespolitischen und hessischen Vorbildern. Der Berliner CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt möchte nicht von einem Schwarzkonto sprechen, sondern von einem Konto „außerhalb des offiziellen Rechenwerks der Berliner CDU“. Diese Umschreibung muss man sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen. ({5}) Ich möchte noch ein paar andere Zusammenhänge aufzeigen. In Hessen zahlte die Firma Ferrero großzügig Spenden in eine schwarze Kasse der CDU. Rein zufällig nahm es der CDU-Bürgermeister Vollmer in Stadtallendorf - das ist der Sitz von Ferrero - dann auch mit der Festlegung der Gewerbesteuervorauszahlung nicht so genau. Das strafrechtliche Verfahren gegen ihn wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Wunschgemäß hat die örtliche CDU dem Sohn des Geschäftsführers von Ferrero neben seiner Villa in Neu-Isenburg ein Baugebiet für Normalverdiener in der Nachbarschaft erspart. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt! In Berlin verhält es sich kaum anders. Herr Landowsky erhält von zwei Vertretern der Baubranche, beide CDUMitglieder und nicht gerade wegen ihrer Seriosität bekannt, 40 000 DM in bar diskret in Kuverts. Zufällig, natürlich rein zufällig, entscheidet Herr Landowsky in der Chefetage der Berlin Hyp gerade zu dieser Zeit über einen Kredit in dreistelliger Millionenhöhe an die Firma dieser Herren. Jetzt möchte man der Öffentlichkeit weismachen, dass das alles nicht miteinander zusammenhängt. Warum, frage ich Sie, hat dann Herr Landowsky seinen Job bei der Berlin Hyp am letzten Montag an den Nagel hängen müssen? Nach hessischem Vorbild wurden die 40 000 DM nicht der offiziellen Parteikasse zugeführt, sondern landeten nach Abzügen durch Gratifizierung nach eigenem Gutdünken über den Kollegen Buwitt auf einem Schwarzkonto, von dem aus dann die Anschaffung von Computern finanziert wurden. Um ganz korrekt zu sein: Von den 40 000 DM sind immerhin 679,10 DM dann tatsächlich in der Parteikasse gelandet. Wie in Hessen hat natürlich niemand etwas gewusst -, Herr Diepgen nicht, der seit 18 Jahren Vorsitzender der Berliner CDU ist, Herr Landowsky nicht, der ansonsten seine Partei absolut im Griff hat. Wird die Berliner CDU also auch von ahnungslosen Stümpern regiert? ({6}) Das Schema ist immer das gleiche, ob bei der BundesCDU, der CDU Hessen oder der Berliner CDU: Barspenden werden nach Gutsherrenart an den Parteimitgliedern, den Rechenschaftsberichten und dem Fiskus vorbeigeschmuggelt. Schwarze Konten werden eingerichtet und niemand will etwas gewusst haben. Wer ernsthaft glaubt, dass dies Zufall ist, und wer ernsthaft glaubt, dass das, was in Berlin jetzt herausgekommen ist, ein Einzelfall gewesen ist, der muss schon sehr naiv sein. Wir werden sehen, was die Zeitungen morgen zu berichten haben und ob der Landesverband der CDU dann auch betroffen sein wird. Meine Damen und Herren, es gibt aber doch einen gewichtigen Unterschied zwischen Hessen und Berlin: In Hessen stützt sich die CDU-Regierung auf eine kleine, an ihren Posten klebende F.D.P. In Berlin regiert seit über zehn Jahren eine Koalition aus CDU und SPD, ({7}) auch wenn diese bei der Bevölkerung - um es vorsichtig zu formulieren -, wenig Begeisterung auslöst. Ich möchte hier die Genossinnen und Genossen der Berliner SPD herzlich bitten, sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, einem Koalitionspartner die Stange zu halten, der nicht alles daransetzt, die dubiosen Finanzmachenschaften in seinen eigenen Reihen rückhaltlos aufzuklären. Macht den ehrenwerten Herren Dampf! Vielen Dank. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile dem Kollegen Professor Dr. Rupert Scholz, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Prof. Dr. Rupert Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002063, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über welchen Sachverhalt reden wir? Einen Sachverhalt aus dem Jahr 1995, der in der Tat ({0}) einige Probleme aufwirft, zu denen auch Gesetzesverstöße gehören. ({1}) Aber wir wollen uns zunächst einmal ansehen, was wirklich passiert ist. Es gab zwei Barspenden über jeweils 20 000 DM, gegeben von CDU-Mitgliedern, die nur in dieser Form - die CDU ist hier einmalig ({2}) mit ihren internen Richtlinien - ({3}) - Herr Stiegler, würden Sie mich reden lassen? ({4}) - Das ist sehr liebenswürdig. Ich sagte einmalig; denn bei uns sind Barspenden über 1 000 DM unstatthaft. Dagegen ist verstoßen worden. Wir haben solche Richtlinien. Weiterhin ist zugegebenermaßen in der Rechnungsführung ebenfalls nicht richtig verfahren worden. Aber sofort nachdem der Sachverhalt bekannt geworden ist, hat der Landesvorsitzende, der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, einen unabhängigen Rechtsanwalt und Notar beauftragt, den Sachverhalt aufzuklären. Der Bericht liegt vor. Danach ergibt sich klar und lückenlos: Kein Pfennig des Geldes ist für Zwecke außerhalb der Partei ausgegeben worden. ({5}) Das ist ganz entscheidend. Alle weiter gehenden Spekulationen liegen neben der Sache. Dazu gehört vor allem das, was Sie, Frau Lambrecht, hier angedeutet haben, dass nämlich ein Zusammenhang mit einer Darlehensentscheidung der Berliner Hyp-Bank bestehen könnte. Das ist ausgeschlossen und geklärt. ({6}) Würden Sie die Strukturen der Berliner Bankgesellschaft kennen, wüssten Sie, das dies gar nicht möglich ist, selbst wenn es jemand gewollt hätte. Meine Damen und Herren, es ist nach Auskunft aller Beteiligten klar festgestellt worden, dass weitere Barspenden von den beiden Spender nicht gegeben worden sind. Im Rahmen der Aufklärung ist hinzugekommen, dass beide Spender 1995 noch Beträge in Höhe von 1 650 DM und 2 800 DM im ordnungsgemäßen Verfahren an ihre Kreisverbände gegeben haben, was dazu führt ({7}) - das räume ich hier offen ein: diese Beträge müssen mit den 20 000 DM addiert werden -, dass die Deklarierungspflicht insofern nicht eingehalten worden ist. Auch dies gilt es zu reparieren und auch dies wird geschehen. ({8}) Im Übrigen liegt kein strafrechtlich relevantes Verhalten vor. Es ist allein gegen innerparteiliche und parteiengesetzliche Vorschriften verstoßen worden. ({9}) Das möchte ich Ihnen hier sehr deutlich sagen, meine Damen und Herren. Nun schauen wir einmal etwas weiter: Sie interessieren sich ja liebenswürdigerweise für Berlin. Das finde ich schön. Auch nehme ich an, dass sich der Untersuchungsausschuss mit dieser Frage befassen wird. Das mag er tun. Aber der Auftrag des Untersuchungsausschusses reicht weiter: Ich warte darauf, dass Sie sich einmal mit der Berliner SPD befassen. ({10}) Was ist denn 1998/99 in Zehlendorf passiert? 86 000 DM sind veruntreut worden, ein Schaden von 50 000 DM ist entstanden. 200 Fehlbuchungen sind bis heute festgestellt worden. Da haben sich Funktionäre der SPD Quittungen für Spenden, die sie sich selber gegeben haben, selbst erteilt. ({11}) - Das ist ein Sachverhalt, Herr Staffelt, der vor den Untersuchungsausschuss gehört, ({12}) wie überhaupt das Verhalten der SPD vor diesen Untersuchungsausschuss gehört. Nach wie vor warten wir darauf, dass endlich jene nebulösen Manöver mit Ihren Unternehmensbeteiligungen und Ihren merkwürdigen Verrechnungspraktiken, die illegal sind, von diesem Untersuchungsausschuss untersucht werden. Es geht um alle Parteien. Jeder hat bei sich für Ordnung zu sorgen. ({13}) - Abwarten und Tee trinken! ({14}) Verstöße gegen das Parteiengesetz sind bei keiner Partei zu tolerieren. Darüber besteht Konsens. ({15}) Wo Verstöße sind, ist ohne Ansehen der Person und vor allem ohne Ansehen der betroffenen Partei zu untersuchen und aufzuklären. Das gilt vor allem für Sie, meine Damen und Herren von Grün-Rot. ({16})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile jetzt dem Kollegen Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. ({0})

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Scholz, Gesetzesverstöße sind schlimm genug. Verstöße gegen Richtlinien der CDU sind auch schlimm. Aber viel schlimmer sind die Verstöße gegen das Grundgesetz. ({0}) Art. 21 des Grundgesetzes - das müssten Sie als Verfassungsrechtler wissen -, verpflichtet die Parteien -, auch die in Berlin -, gegenüber den Bürgern die Herkunft ihrer Gelder offen zu legen. ({1}) Das haben weder Herr Landowsky noch Herr Buwitt getan. Wir beschäftigen uns seit mehr als einem Jahr mit der CDU-Spendenaffäre. Wir hören immer wieder die Bekenntnisse, es solle aufgeklärt werden. ({2}) Ich frage mich, was der Kollege Buwitt wohl gedacht hat, als Herr Schäuble oder Frau Merkel von diesem Podium aus im letzten Jahr angekündigt haben, es werde umfassend und schonungslos aufgeklärt. Der Kollege Buwitt ist nicht an dieses Rednerpult getreten -, was er eigentlich hätte tun sollen -, um zu sagen: Auch ich bin vom Stamme Nimm; auch ich habe von Herrn Landowsky 25 000 DM genommen, die ich nicht in die Parteikasse getan habe - dies hat uns Herr Landowsky erzählt -, sondern damit habe ich mich zunächst einmal gegenüber meiner Mitarbeiterin ehrlich gemacht; ich habe erst einmal 4 000 DM an sie gezahlt, weil sie mich im Wahlkampf unterstützt und mir meine Termine geordnet hat; dann habe ich das übrig gebliebene Geld nicht in die offizielle Parteikasse, sondern in eine Schwarzgeldkasse getan, durch die CDU-Bedürfnisse - wir hören von immer neuen Verbrauchszwecken - befriedigt worden sind. ({3}) Derselbe, der diese 40 000 DM in Empfang genommen hat, hat im Abgeordnetenhaus von Berlin vollmundig erklärt: Dort, wo Verwahrlosung herrscht, ist Gesindel. Das muss in der Stadt beseitigt werden. In der Zeit, als er das sagte, hat dieser Herr die 40 000 DM entgegengenommen, womit er erst einmal Herrn Kauffmann, seinen Wahlkampfhelfer in der CDU, bezahlt hat, bevor er das Geld an seine Parteikollegen weiterverteilt hat. ({4}) Ist das die Offenlegung der Herkunft, die nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorgeschrieben ist? Das ist das Gegenteil davon. Wir haben in dem Untersuchungsausschuss, der sich mit diesem Thema beschäftigen muss, die bundespolitischen Konsequenzen zu klären. In diesen Berliner Skandal sind die CDU-Politiker Neuling - ehemaliger Kollege im Deutschen Bundestag - und Buwitt - noch Kollege im Deutschen Bundestag - verwickelt. Der Rechenschaftsbericht der Bundes-CDU ist falsch und muss korrigiert werden. Das wird für die CDU auch finanzielle Konsequenzen haben müssen. Ein Verstoß gegen das Parteiengesetz und gegen das Grundgesetz liegt vor. Auch vom Untersuchungsausschuss müssen die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Wir müssen alles wissen, etwa wer eigentlich Max Schwendke ist, der an die CDU ebenfalls 10 000 DM gespendet haben soll. ({5}) Als man nachgesehen hat, hat man festgestellt, dass dort, wo er eigentlich wohnen soll, ein leeres Haus steht. Aber das Grundstück, auf dem nur ein leeres Haus steht, soll den Kollegen Neuling und Wienhold gehören; diese wiederum sind Geschäftsführer von Aubis. Nun wehrt sich der Herr Scholz dagegen, dass wir behaupten, da gebe es einen Zusammenhang. Herr Scholz, was würden Sie denn als Richter - zu Ihnen passt vielleicht besser die Rolle des Staatsanwaltes ({6}) sagen, wenn Sie erfahren, dass jemand, der einen Kredit von über 600 Millionen DM haben will, den Kredit anmahnt und sagt: „Wann kommt ihr endlich damit rüber?“, der Kredit aber nicht bereitgestellt wird, ({7}) er dann 40 000 DM gibt und in denselben Vermerk, mit dem er die Auszahlung des Kredits forcieren will, von 40 000 DM schreibt, die K. L. gegeben werden sollen? Wenn dann die 40 000 DM gegeben werden und der Kredit fließt, liegt da nicht, ({8}) Herr Scholz, ein dringender Verdacht nahe? Ich denke, dem kann man sich nicht entziehen. Ich will Ihnen abschließend etwas sagen: Zurzeit diskutieren wir ja sehr viel über die 68er. 1968 haben wir durch Analysen weitgehend theoretisch herausbekommen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem großen Kapital, den Waffenunternehmen, den großen Energieunternehmen und der Politik in der Bundesrepublik Deutschland gibt. So banal, wie Sie uns den Zusammenhang jetzt erklären, haben wir uns das Funktionieren des Kapitalismus nicht vorgestellt, nämlich dass da ein ausgewachsener Bundeskanzler im Bundeskanzleramt sitzt,

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- der mit der einen Hand Gesetze in seiner Funktion als Regierungschef unterschreibt, die andere Hand aber aufhält und dicke Pakete von der Industrie annimmt. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Genau dieses System Kohl hat auch Herr Landowsky praktiziert. Das muss ein Ende haben. Deshalb gibt es uns im Bundestag und im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass wir uns in einer Aktuellen Stunde befinden und die Redezeit fünf Minuten beträgt. Das Wort hat für die F.D.P. Dr. Max Stadler. Bitte sehr.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war natürlich zu erwarten, dass insbesondere der Kollege Ströbele diese Vorlage ausnutzen würde, um den Vorgang Landowsky hier im Bundestag und im Untersuchungsausschuss zur Sprache zu bringen. Es ist aber in erster Linie Aufgabe der Berliner Politik und des Berliner Abgeordnetenhauses, diese Angelegenheit aufzuklären. ({0}) Natürlich ist es formal in Ordnung, zu konstatieren, dass es einen gewissen Bezug zur Bundespolitik gibt. ({1}) Dem wird man nichts entgegnen können. Ich habe nur eine Sorge: Unser Untersuchungsausschuss hat noch den sehr komplizierten und umfangreichen Komplex Leuna/ Minol aufzuklären. Ich bin der Meinung, dass sich der Untersuchungsausschuss des Bundestages endlich dieser Materie zuwenden sollte, ({2}) damit die Zeitschiene eingehalten, also bis zum Jahresende die umfängliche Beweisaufnahme abgeschlossen werden kann. Denn nach meiner Meinung sollte im nächsten Jahr der Wettbewerb der Parteien um die besseren Konzepte zur Bewältigung der wirklichen Probleme unseres Landes im Vordergrund stehen: Sicherung des Standortes Deutschland, Sicherung der sozialen Sicherungssysteme und dergleichen mehr. Ich meine, dass wir mit diesen Themen allmählich zu einem Ende kommen müssen. Parteipolitischer Vorteil kann aus solchen Sachen ohnehin nur sehr begrenzt gezogen werden. Ich habe es mir genauso vorgestellt: Erst gibt es hier eine Attacke gegen die CDU - die Kollegen von der CDU machen es einem ja auch schwer; ihre Verstöße gegen das Parteiengesetz nehmen kein Ende, weil immer wieder etwas Neues auftaucht -; ({3}) dann gibt es eine Gegenattacke vom Kollegen Professor Scholz. ({4}) Ich fürchte, dass dies insgesamt zu einem Ansehensverlust aller Parteien führt, auch derer, die gar nicht betroffen sind. Das ist die Gefahr dabei. ({5}) Meine Damen und Herren, das heißt nicht, dass die Vorgänge nicht aufgeklärt werden müssen. Wir sollten uns aber auf die zwei Grundprobleme konzentrieren, um die es eigentlich geht und die auch am Vorgang Landowsky jetzt wieder sichtbar werden: den Filz, ({6}) der immer wieder zutage tritt, und die Frage, wie die Parteienfinanzierung künftig aussehen soll. Als Nichtberliner möchte ich mich jetzt nicht zu sehr über den sprichwörtlichen Berliner Filz auslassen. Aber ich sage - ausdrücklich auch im Namen und auf Bitten meines Berliner Kollegen Günter Rexrodt, der leider verhindert ist, an der heutigen Debatte teilzunehmen -: Es ist schon so, dass gerade durch die langjährige große Koalition das eingetreten ist, was bei großen Koalitionen immer die Folge ist: ({7}) Verfilzung auf allen Ebenen. ({8}) Der Fall Landowsky hat seine Dimension darin, dass es eine Interessensverquickung von Politik und Wirtschaft gibt. Es mag der konkrete Vorgang, die Kreditvergabe, damit nichts zu tun zu haben. Aber der Anschein ist doch schon ziemlich deutlich. Nicht nur große Koalitionen sind der Nährboden dafür, sondern natürlich auch absolute Mehrheiten - jetzt spreche ich aus eigener Kenntnis - , wie man es in Bayern gesehen hat, wo wir längst unsere Amigo-Affäre gehabt haben. ({9}) Das zweite Grundproblem, um das es geht, liegt darin, zu klären, wie die Parteienfinanzierung künftig aussehen soll. Es ist offenkundig, dass der derzeitige Zustand unbefriedigend ist. Aber wir stoßen bei den Veränderungsmöglichkeiten auch rasch an Grenzen; denn es besteht doch weithin Einigkeit darüber, dass die drei Säulen der Finanzierung der Parteien bestehen bleiben sollen, und zwar die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge, über Spenden und über staatliche Parteienfinanzierung. ({10}) Nun ist man bei den Spenden in der schwierigen Abgrenzungssituation, dass es offenkundig erlaubt sein muss, mit Spenden die allgemeine politische Richtung einer Partei zu fördern, dass es aber nicht angehen kann, dass konkrete politische Entscheidungen - ich sage es so deutlich - gekauft oder belohnt werden. Hier das richtige Abgrenzungskriterium zu finden, das scheint mir eine recht schwierige Aufgabe zu sein. Wahrscheinlich führt kein Weg daran vorbei, eine Lösung über noch mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung zu suchen, damit die Bürgerinnen und Bürger sich selbst ein Urteil bilden können. ({11}) Die F.D.P. wird, sobald die Kommission, die beim Bundespräsidenten angesiedelt ist, ihre Vorschläge vorgelegt hat, was in etwa zwei Monaten der Fall sein soll, eigene Reformvorschläge dazu vorlegen. Ich glaube, dabei sollten wir auch aus dem Fall Landowsky Lehren ziehen. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Für die PDS-Fraktion spricht nun die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 1997 erschien bei Knaur ein Buch. Ich empfehle es allen, nicht nur den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, die sich zur jüngsten Spendenaffäre der CDU, diesmal der Berliner, äußern wollen. Der Titel des Buches lautet: „Berlin, Hauptstadt von Filz und Korruption“. Dort wird auf 300 Seiten sehr plastisch und übrigens nicht nur für Krimileser durchaus gruselig beschrieben, wie - ich zitiere - „eine Clique von Funktionären, Parteifreunden und Geschäftsleuten die Hauptstadt mit einem Netz persönlicher Beziehungen überzogen hat“. Es ging durchweg um die CDU, wobei der Autor anmerkte, was den Filz betrifft, sei die Berliner SPD keineswegs blütenrein. In einem Punkt allerdings irrte der Autor in seiner Einschätzung mit Gewissheit. Sie erinnern sich vielleicht: Mitte der 80er-Jahre gab es die Berliner Antes-Affäre. Sie galt als bislang größter politischer Skandal im einstigen West-Berlin. Seither, so schrieb der Autor, habe sich „besonders die CDU als lernfähig gezeigt“ und „die direkte Annahme von Umschlägen voller Geldscheine von dankbaren Unternehmern abgeschafft“. Heute wissen wir: Selbst dieses Lob war fehl am Platze. Die CDU war nicht lernfähig, offensichtlich auch nicht die Berliner. ({0}) Es wurden Kuverts gehandelt, Gelder verteilt und es wurde ein Schwarzkonto eingerichtet. Zumindest so viel ist bisher bekannt. Ob es sich nun um 40 000, 45 000 DM oder noch andere regelwidrige Summen handelt, wird sich zeigen. Nach Lage der Dinge ist die zweite Seite des Berliner CDU-Skandals ohnehin umfassender; denn es geht ja nicht nur um Parteispenden. Es geht auch um zweifelhafte Kreditgeschäfte der Berliner Hyp unter CDU-Freunden. Dabei geht es möglicherweise um Milliardenverluste und damit auch um Steuerverluste für das Land Berlin, und das in Zeiten, in denen Schulen darben, Kultureinrichtungen austrocknen und - wie der Kollege Thierse zu Recht meint - der Osten auf der Kippe steht. Das sind keine Peanuts. ({1}) Auch das wird mit dem Namen Landowsky und mit der Berliner CDU verbunden. Ich empfehle Ihnen, allein die Ereignisse der letzten Woche nachzuvollziehen. Nachdem bis zum Wochenende offenbar wurde, dass auch die Berliner CDU mit dem Parteiengesetz auf Kriegsfuß stand, wurde am Montag zur Krisensitzung geblasen. Danach folgten Pressekonferenzen. Berlins Regierender Bürgermeister, Eberhard Diepgen, bekräftigte „einmütige Solidarität“ mit seinem Weggefährten Landowsky. Landowsky räumte zwar Stockfehler ein. Er erklärte sich aber selbstverständlich für „unschuldig“. Berlins CDU-Sprecher Kaufmann setzte noch eins drauf: Er pries Landowsky als „lobenswert“; schließlich habe er doch Spenden heimgeholt. Wissen Sie, wonach das alles klingt? - Nach dem, was wir hier seit über einem Jahr hören, nämlich nach „brutalstmöglicher Aufklärung“. ({2}) Landowsky kündigte dann an, er wolle Ende Mai seinen Chefposten räumen - aber nicht etwa den FraktionsChefposten. Dass er überhaupt die Doppelrolle „Fraktion und Bank“ spielen konnte, ist übrigens ein Ding aus dem Tollhaus Berlin. ({3}) Aber eine Lex Landowsky der großen CDU-SPD-Koalition macht dies möglich. Nun fragt man sich natürlich: Warum gibt Landowsky den lukrativen Bankjob und nicht den Fraktionsvorsitz auf? Richtig ist sicher, dass die Bank sehr unruhig wurde; sie ist ins Trudeln geraten. Die anhaltenden Negativschlagzeilen über Landowsky sind nun einmal geschäftsschädigend. So weit, so schlecht. Ich frage mich allerdings, wie jemand, der für das Bankgeschäft nicht mehr vertrauenswürdig ist, für das CDU-Politikgeschäft, wie in „einmütiger Solidarität“ gesagt wird, in lobenswerter Weise tätig werden kann. Das müssen Sie mir einmal erklären. ({4}) Zum Schluss möchte ich noch einmal unmittelbar auf die Parteispendenaffäre zu sprechen kommen. Vor Jahresfrist wurden Klaus-Rüdiger Landowsky und Eberhard Diepgen im Berliner Abgeordnetenhaus aus nahe liegendem Anlass - Hessen - gefragt, ob auch die Berliner CDU Spendenleichen im Keller habe. Diepgen sagte damals vorsichtig: „Nach meiner Kenntnis nicht.“ Landowsky sagte seinerzeit forsch: „Ich ziehe kein Jackett an, das mir nicht passt.“ Nunmehr meint Diepgen, er sei so überrascht, als habe ihn ein Pferd getreten. Landowsky äußert, CDU-Parteisachen seien nicht sein Ding; dafür gebe es zuständige Schatzmeister und Geschäftsführer. Fällt Ihnen eigentlich auf, dass der CDU-Landesvorsitzende Diepgen entweder nichts weiß oder überrascht getreten wird? Fällt Ihnen nicht ferner auf, dass selbst sein Fraktionschef Landowsky Erinnerungslücken hat? Denn in seiner Aufzählung vermeintlich Zuständiger fallen ihm viele ein, nur einer nicht: der Landesvorsitzende der Berliner CDU, der zugleich Regierender Bürgermeister, also sozusagen Ministerpräsident von Berlin ist. Es geht somit nicht um einen mehr oder weniger großen Fehler von Landowsky.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Es geht auch nicht allein darum, was Diepgen weniger wusste, als er hätte wissen sollen. Es geht vielmehr darum, dass das System des Filzes, das System Westberlins, nun endlich, wenn auch zehn Jahre verspätet, zu Grabe getragen werden muss.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, bitte beenden Sie Ihre Rede.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Es hätte schon 1990 im Zuge der Wiedervereinigung auf dem Müllhaufen der Geschichte landen müssen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat das Wort die Kollegin Siegrun Klemmer, SPD-Fraktion.

Siegrun Klemmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001125, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erwähnt worden: Auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre der Bundes-CDU vor gut einem Jahr, als täglich neue Ungereimtheiten über Konten im In- und Ausland, über erlogene Vermächtnisse und widersprüchliche Reisetätigkeiten zwar bekannt, aber bis heute keineswegs aufgeklärt wurden, brüstete sich ein CDU-Landesverband ganz besonders seiner weißen Weste und seiner tadellosen Kontoführung. Es war der Landesverband der Berliner CDU. Die Berliner CDU legte größten Wert darauf, nicht mit der Mutterpartei in Zusammenhang gebracht zu werden, um keinen Imageschaden zu erleiden. Klaus Landowsky tönte damals vollmundig: Wir gucken von außen in den Ring. Nun ist Klaus Landowsky auf der Matte gelandet. 15 Jahre ist der Bauskandal um den korrupten Charlottenburger Baustadtrat Wolfgang Antes her. Er hätte der Berliner CDU wahrlich in warnender Erinnerung bleiben sollen. ({0}) Aber offensichtlich hat der damalige schwere Absturz als Lehrstück nicht ausgereicht, ({1}) obwohl sowohl Klaus Landowsky als auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen schon damals im Zentrum politischer Entscheidungen in Berlin standen. ({2}) Von einem Politprofi wie Klaus Landowsky musste nach dieser Affäre, die 1986 monatelang die Stadt innerhalb und außerhalb der Politik beherrschte, erwartet werden, dass bei ihm sämtliche Alarmglocken klingeln, wenn Kreditnehmer der Bank, deren Vorstandssprecher er ist und die seine engen Parteifreunde sind, eine Parteispende über 40 000 DM in bar bei ihm abliefern. Doch weder die rechtlichen noch die moralischen Aspekte fochten Klaus Landowsky an. Heute zögert er nicht, dreist zu begründen: „Aber das waren 1995 doch unproblematische Zeiten.“ Welches verquere Verständnis politischer Möglichkeiten verbirgt sich hinter dieser Aussage! ({3}) Das soll doch wohl heißen: Man musste es 1995 gar nicht so genau mit Spenden und ihrem Nachweis nehmen. ({4}) In diesem Zusammenhang, werter Herr Kollege Scholz, entpuppen sich die so genannten politischen Selbstverpflichtungen der Berliner CDU zum Umgang mit Spenden schnell als reine Luftnummern. Mandatsträger durften danach keine Barspenden über 1 000 DM annehmen. Spenden über 5 000 DM, wo immer sie ankamen, waren nach Ihren eigenen Selbstverpflichtungen umgehend an die Landesebene weiterzureichen. ({5}) Besonders pikant: In Zeiten, da jede Omi über ein Konto für ihre Mindestrente verfügt, übernimmt der Bankvorstand in den Räumen seiner Bank Bares, bestellt den Schatzmeister ein, um Bares weiterzureichen, und sieht seine Aufgabe damit als erledigt an. Verehrter Herr Kollege Scholz, der Hinweis auf die Zehlendorfer SPD, der doch wohl nur als Ablenkungsmanöver zu verstehen ist, zieht hier natürlich überhaupt nicht. ({6}) Die Zehlendorfer Unregelmäßigkeiten sind von der Zehlendorfer SPD selber sofort nach Aufdecken aufgeklärt worden ({7}) - natürlich -, bis auf den letzten Pfennig. ({8}) Alle Konsequenzen sind gezogen worden. ({9}) Die veruntreuten 5 000 DM sind zurückerstattet worden, der Kassierer hat seine Konsequenzen gezogen. ({10}) In den Zusammenhang, gegen das Parteiengesetz verstoßen zu haben, passt dieser Vergleich vorne und hinten nicht. ({11}) Das Wichtigste, was die Berliner CDU jetzt leisten muss, ist nicht nur, um die hessische Vokabel zu benutzen, „brutalstmögliche“, sondern auch schnellstmögliche Aufklärung. Denn hier ist die Berliner CDU ganz dicht bei ihrer Mutter-CDU, nach dem Motto: Zugegeben wird nur, was sich sowieso nicht mehr verheimlichen lässt. ({12}) Das hat fatale Auswirkungen im Hinblick auf die politische Glaubwürdigkeit allgemein. Daher ist es natürlich nicht akzeptabel, wenn die Berliner CDU-Führung mit dem Hinweis, es handele sich nur um Fehlbuchungen des Landesgeschäftsführers, versucht, sich aus der politischen Verantwortung zu stehlen. Selbstverständlich sind die schwarzen Kassen und die außerhalb des Parteiengesetzes vollzogene Art, nach der Barspenden in Berlin an verdiente Nahestehende verteilt werden und daher die Partei im vorgeschriebenen Sinne gar nicht erreichen, ein originäres Problem der CDU. Doch neben dem finanziellen Schaden, der den Bürgerinnen und Bürgern Berlins durch die schief gelaufenen Kredit- und Immobiliengeschäfte der Bankgesellschaft, zu denen Finanzsenator Kurth zur Stunde vor dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Rede und Antwort stehen muss, entstanden ist, besteht die Gefahr, dass der Stadt nach der Melodie „Berlin bleibt doch Berlin“ - in diesem Fall Westberlin - nachhaltiger Ansehensverlust entsteht. Das ist ganz besonders gefährlich. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit! Sie ist überschritten.

Siegrun Klemmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001125, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. - Auch aus diesem Grund und in seiner Verantwortung als erster Repräsentant der Stadt hat Eberhard Diepgen sofort offen zu legen, was er weiß, ({0}) und hat als Landesvorsitzender der Berliner CDU alles zur Transparenz und Aufklärung beizutragen, damit er und Klaus Landowsky für Berlin nicht das werden, was Kanther und Prinz Wittgenstein für Hessen sind. Da sich nach der mangelhaften Beantwortung der Fragen und aufgrund der noch vielen offenen Fragen mit Sicherheit ein Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus damit beschäftigen wird, ({1}) wird natürlich auch die Frage nach möglichen Verbindungen zur Bundes-CDU, die der Untersuchungsausschuss des Bundestages zu stellen hat, von Ihnen zu beantworten sein. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie müssen mir zugestehen, dass ich diese letzten Sätze, die immer so lang sind, schlecht unterbrechen kann. - Ich weise nochmals darauf hin, dass wir uns in der Aktuellen Stunde befinden, und erteile nun für die CDU/CSU-Fraktion dem Abgeordneten Andreas Schmidt das Wort.

Andreas Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001999, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ströbele, Sie sind vom Bundesgerichtshof wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung rechtskräftig verurteilt worden. ({0}) Sie sind der Letzte, der hier über Gesetzestreue und Grundgesetz reden und lamentieren sollte, der Allerletzte! ({1}) Meine Damen und Herren, die CDU Berlin wird die offenen Fragen, die sich stellen, schnell aufklären. ({2}) Wir erwarten die vollständige Aufklärung. Ich bin sicher, dass die Union alles tun wird, um diese offenen Fragen schnell zu beantworten. ({3}) Meine Damen und Herren, das Ziel der SPD und der Grünen in dieser Debatte ist es nicht, einen objektiven Sachverhalt aufzuklären. Sie verfolgen mit dieser Debatte zwei Ziele. Das erste Ziel: Einige von Ihnen sind unterwegs, um in Berlin eine andere Regierung zu installieren, um die PDS in Berlin in die Regierung zu holen, und dieses Thema soll als Vehikel für dieses Ziel dienen. ({4}) Das zweite Ziel, das Sie mit dieser Debatte verfolgen, ist ein großes Ablenkungsmanöver, meine Damen und Herren. Sie wollen mit dieser Debatte von Ihrem rot-grünen Desaster im Untersuchungsausschuss ablenken. ({5}) Diese Debatte ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung für Ihre Verleumdungs- und Diffamierungsstrategie im Untersuchungsausschuss. ({6}) Meine Damen und Herren, Sie wollen davon ablenken, dass Sie jetzt im Untersuchungsausschuss zugestehen müssen, ({7}) dass es keinen einzigen Beleg dafür gibt, dass Entscheidungen der Regierung Helmut Kohl käuflich gewesen sind. ({8}) Sie wollen davon ablenken, meine Damen und Herren, dass der Ausschussvorsitzende, Herr Neumann, ein Sozialdemokrat, bestätigt hat, dass es kein Indiz und keinen Beweis dafür gibt, dass die Regierung Helmut Kohl käuflich gewesen ist. ({9}) - Meine Damen und Herren von der SPD, hören Sie zu! ({10}) Sie wollen davon ablenken, dass die Büroräume des Obmanns der SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss von der Staatsanwaltschaft München ({11}) mit Zustimmung des Bundestagspräsidenten durchsucht worden sind, und zwar wegen des Verdachts, dass Sie geheime Unterlagen an die Presse gegeben haben. ({12}) - Nein, Herr Hofmann, es ist richtig! Es sind Ihre Büroräume, die untersucht worden sind. Deswegen musste der Bundestagspräsident zustimmen, und er hat zugestimmt. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie heute ans Rednerpult treten. Offensichtlich hat man Sie von der Rednerliste genommen, um Sie aus dem Verkehr zu ziehen. ({13}) Wir treten Ihnen fünf Minuten Redezeit ab. Gehen Sie ans Rednerpult und klären Sie den Verdacht auf! Denn Sie tragen die politische Verantwortung, und es ist schäbig, diesen Verdacht auf einen Mitarbeiter abzuschieben. ({14}) Meine Damen und Herren, Sie wollen mit dieser Debatte von offenen Fragen ablenken, die wir an die Bundesjustizministerin haben. Frau Herta Däubler-Gmelin hat als Abgeordnete in den Jahren 1998 und 1999 angeblich an die SPD eine Summe von 178 521 DM gespendet. ({15}) Ich halte diese Summe, wenn ich sehe, wie hoch die Diäten sind, für lebensfremd. Ich habe Zweifel, ob dies zutreffend ist. ({16}) Der objektive Verstoß gegen das Parteiengesetz - darüber wollen wir ja sprechen - ist auch gegeben, meine Damen und Herren. Der objektive Verstoß liegt vor, weil diese Spende im Rechenschaftsbericht des Jahres 1998 nicht aufgeführt war. Sie hätte dort ausgewiesen sein müssen. Es ist objektiv gegen das Parteiengesetz verstoßen worden. Auch hier erwarten wir Aufklärung. ({17}) Deswegen haben wir beantragt, dass Frau DäublerGmelin als Zeugin im Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen wird. ({18}) Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, Sie wollen davon ablenken, ({19}) dass Sie über Jahrzehnte vor der deutschen Öffentlichkeit ein riesiges Finanz- und Beteiligungsvermögen verschleiert haben ({20}) und dass Sie damit die deutsche Öffentlichkeit über Ihre wahre Vermögenslage bewusst und vorsätzlich getäuscht haben. ({21}) Die SPD verfügt nach Angaben von Frau WettigDanielmeier über ein Beteiligungsvermögen von 750 Millionen DM. Es gibt Fachleute, die dieses Vermögen auf mindestens 1 Milliarde DM schätzen. ({22}) Aber wenn man im Rechenschaftsbericht der SPD nachliest, dann stellt man fest, dass dort lediglich eine Summe von 245 Millionen DM steht. Das ist das Gegenteil von Transparenz. Das ist Täuschen, Tricksen und Verschleiern. Deswegen sind Sie aufgefordert, von der Doppelmoral, immer nur auf die anderen zu zeigen, wegzugehen. Kehren Sie vor der eigenen Haustür und klären Sie Ihre eigenen Unregelmäßigkeiten auf! ({23}) Ich finde es schon wirklich mutig von Ihnen, Frau Klemmer, die CDU in Berlin ins Visier zu nehmen und kein Wort über die Probleme der SPD in Berlin zu sagen. ({24}) Frau Klemmer, das ist wirklich schon tollkühn. Diesen Punkt muss man hier einmal zur Sprache bringen. Sie haben - der Kollege Scholz hat es schon angesprochen - in einem internen Finanzbericht festgestellt, dass es zu 200 Falschbuchungen gekommen ist. Sie haben für Mandatsträger Spendenquittungen ausgestellt, obwohl dieses Geld nie an die Partei geflossen ist, sondern auf ein illegales Konto. Auch dies muss aufgeklärt werden. ({25}) Andreas Schmidt ({26}) Hören Sie auf mit der Doppelmoral, immer nur auf uns zu zeigen! Herr Böger hat gesagt: Was dort bei der SPD passiert ist, ist ein Tollhaus. - Wer im Tollhaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen, schon gar nicht auf andere Fraktionen. Vielen Dank. ({27})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Dreßen, dass Sie in einem Zuruf das Wort „Lügner“ verwendet haben, wollen wir im Moment nicht weiterverfolgen. ({0}) Trotz der Lebhaftigkeit der Debatte sollten wir aber ein bisschen an die Spielregeln denken. Herr Schmidt, ich möchte auf Folgendes hinweisen: Auch wenn die CDU/CSU auf einen Redner verzichtet, kann sie diesen nicht der SPD in dieser Aktuellen Stunde andienen. Wenn eine Fraktion einen Redner weniger meldet, heißt das nicht, dass eine andere Fraktion einen Redner mehr sprechen lassen kann. ({1}) Aber Ihr Angebot war wohl auch nicht ganz ernst gemeint. Nun hat für das Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig das Wort.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kollegen von der CDU/CSU - es sind überwiegend Herren anwesend; ich sehe nur eine Kollegin -, ({0}) Ihre Art der Politik des Weißwaschens, die Sie hier betreiben, raubt mir regelrecht den Atem. Sie meinen ständig, Sie müssten Mitglieder der Regierungskoalition kriminalisieren. Dies haben Sie bei Fischer, Trittin und Schröder versucht. Jetzt versuchen Sie es bei Ströbele und bei der SPD insgesamt. Sie kriminalisieren und kümmern sich nicht um die eigenen Probleme, um den Dreck, den Sie vor Ihrer Tür haben. Das finde ich unmöglich. ({1}) Herr Scholz und Herr Schmidt haben soeben eine Rede in diesem Sinne gehalten. Laurenz Meyer hat eine Presseerklärung abgegeben, in der er zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich nicht mehr in der Lage sieht, die Rechenschaftsberichte seiner Kreisverbände unter Kontrolle zu halten. Ich muss schon fragen: Was ist eigentlich in der CDU los? Sie sollten sich wirklich einmal mit den eigenen Problemen befassen. ({2}) Ich möchte ein paar Takte zu Berlin sagen; denn ich glaube, dass das Problem tiefer geht. Die Berliner Landespolitik hat - auch nach der Wende - zu lange im eigenen Saft geschmort. Die Verflechtung, die Verfilzung der Politik gerade mit der Immobilienwirtschaft ist in Berlin zu stark kultiviert worden. Eines möchte ich hinzufügen - das erwähne ich, um auch den allgemein-politischen Bereich anzusprechen -: Ein wesentlicher Nährboden ist das Berlinförderungsgesetz, das von der CDU-Regierung - ich bin mir in diesem Fall nicht ganz sicher; möglicherweise war es auch die SPD ({3}) beschlossen worden ist. Die unangemessenen Steuervorteile, die es früher im Rahmen des Berlinförderungsgesetzes und die es dann in ganz irrsinniger und aberwitziger Form im Rahmen der Sonderabschreibungen Ost gegeben hat, sind ein wesentlicher Nährboden für die Verfilzung von Politik und Wirtschaftskreisen. Sie haben zu wirklich zweifelhaften Investitionen geführt. Sie verderben teilweise die Wirtschaft und die politische Kultur. Deswegen finde ich es wichtig, dass wir darüber ernsthaft diskutieren und dass hier nicht nur ein Pingpongspiel stattfindet. Wir sollten aus der Geschichte um Landowsky die Lehre ziehen: Eine Bank hat nach parteipolitischen Erwägungen Kredite vergeben und dabei immobilienwirtschaftliche Risiken grob missachtet. Die wirtschaftliche Pleite haben wir, die Aubis-Pleite. Frau Kollegin Pau hat es schon gesagt: Das Ergebnis ist eine Pleite, die Millionen von Steuergeldern kostet. ({4}) Das allein ist schon ein ziemlicher Schaden. Das Kernproblem aber, das wir heute diskutieren, ist, dass der Politiker Landowsky als Banker dafür das Bakschisch kassiert hat, und zwar nach nunmehr für die CDU sattsam bekannten Regeln: ({5}) Das Erste ist: Man nimmt das Geld per Briefumschlag und Handschlag, als ob ein Banker nicht wüsste, was ein Überweisungsträger ist. Das haben wir von Ihrer Partei schon sehr oft gehört. Ihr Briefumschlagvorrat muss wirklich unermesslich sein. ({6}) Das Zweite ist: Die Sache wird nicht korrekt verbucht, sondern gleich per Handschlag weitergeleitet. Der „Tagesspiegel“ hat heute eine große Grafik veröffentlicht, um uns beizubringen, wie die 25 000 DM umverteilt worden sind. Das Dritte ist: Auf einmal weiß man, dass es doch Konten gibt, und überweist das Geld auf ein Schwarzkonto. Danach wird die Methode angewandt, die Spuren zu verwischen, die Sache zu vertuschen. Das Bündnis aus Spendern, die ganz genau wissen, warum sie keinen Steuerbescheid und keine Quittung für dieses gegebene Geld haben wollen, und Empfängern, die ebenso gut wissen, warum sie keine Quittung und keinen Steuerbeleg dafür Andreas Schmidt ({7}) geben wollen, weil sie das Geld entsprechend weiterverteilen wollen, funktioniert offenbar immer wieder. Last but not least wird nur das zugegeben, was in der Zeitung steht, und die Angelegenheit schöngeredet, was auch heute hier getan wird. Das Dreisteste kommt vom Regierenden Bürgermeister, der das quasi als Kavaliersdelikt abgetan und behauptet hat, das sei eben nur eine Dummheit. So kann es nicht gehen! Von daher, so meine ich, ist es der nächste große Skandal, dass Herr Landowsky nun zwar sein Amt als Banker niederlegt, weil er offenbar für die Bank nicht mehr zumutbar ist, aber als Politiker meint das Thema aussitzen zu können. Dass er uns sowie den Wählern und Bürgern in diesem Land das zumutet, ist eine so unerträgliche, zynische Missachtung von politischer Moral und politischen Grundregeln, dass es wirklich schlimmer nicht geht. ({8}) Mit dieser Haltung schadet Landowsky erstens sich selbst, zweitens der CDU und drittens unserer Hauptstadt. Er schadet der Glaubwürdigkeit von Politik allgemein, und dies, nachdem das Vertrauen der Bürger in die Politik ohnehin schon erschüttert ist. Deswegen meine ich, dass dies nicht nur ein Thema für den Parteienstreit ist, sondern eines, das uns alle angeht. Die Bürger Berlins und auch die Bundesbürger haben ein Recht auf glaubwürdige und unbestechliche Politiker und auf klare politische Maßstäbe. Deswegen müssten Konsequenzen gezogen werden: Erstens. Herr Landowsky ist als Politiker und Fraktionsvorsitzender der größten Fraktion der Hauptstadt wirklich nicht mehr tragbar. Er sollte schnell zurücktreten, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtet. Zweitens. Der Herr Regierende Bürgermeister muss entweder dafür sorgen, dass die große Koalition wirklich nach moralischen Maßstäben weiter regiert, oder er ist auch selbst nicht mehr tragbar. Die SPD, bitte ich, sich darum zu kümmern, dass sie nicht in diese Auseinandersetzung hineingezogen wird. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Peter Danckert, SPD-Fraktion.

Dr. Peter Danckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003066, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ehe ich zu dem eigentlichen Thema der Aktuellen Stunde Stellung nehme, möchte ich mich kurz an die Damen und Herren von der PDS wenden. Ich finde es etwas merkwürdig, dass Sie sich über Dinge erregen, die sich in den 80er-Jahren ereignet haben. Sie sollten erst einmal vor Ihrer eigenen Tür kehren. Ich möchte nicht wissen, was in Ost-Berlin in den 80er-Jahren an krummen Geschäften, verantwortet durch Ihre Partei, gelaufen ist. Klären Sie das erst einmal auf, dann können Sie sich an dieser Debatte beteiligen! ({0}) Ich verstehe die Erregung der CDU völlig. Herr Landowsky ist der stärkste Mann, er hat über 20 Jahre die Politik der CDU in Berlin mitbestimmt, er hat den Regierenden Bürgermeister aus allen kritischen Situationen gerettet und die innerparteilichen Kritiker ruhig gehalten. Der ist nun, nachdem er vor einem Jahr vollmundig erklärt hat, er sehe sich von außen die Sache im Ring an, auf einmal angezählt, ja, man könnte fast sagen, k. o. gegangen. So ist die Situation heute. Wenn er sagt, er ziehe sich diese Jacke nicht an, ist ganz offensichtlich diese Jacke für ihn inzwischen zu einer Zwangsjacke geworden, und diese Jacke passt. Er kommt aus der Geschichte nicht mehr raus. Diejenigen, die in Berlin gelebt haben, wissen, dass wir in den 80er-Jahren - das ist schon von Frau Klemmer angesprochen worden - die Antes-Affäre hatten. Wer die Details darüber ein bisschen näher kennt, weiß, dass die CDU damals an komplizierten Untersuchungen vorbeigeschliddert oder - ich könnte auch sagen - vorbeigeschreddert ist. Wir wissen doch alle, was sich am Vorabend und in der Nacht, bevor die Soko Lietze tätig wurde, im CDU-Parteihaus in der Lietzenburger Straße abgespielt hat. Die haben einen Tipp bekommen und erst einmal kräftig Akten vernichtet. Um Aktenvernichtung geht es übrigens auch im aktuellen Untersuchungsausschuss. ({1}) Im Antes-Komplex ging es um Bargeld und im darauf eingesetzten Untersuchungsausschuss wurde bekannt, dass der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen von einem Unternehmer der Stadt dreimal 25 000 DM in bar erhalten hat. Auch dies taucht hier wieder auf. - All das hatten wir schon einmal. Das Déjà-vu ist ganz eindeutig. Nun befinden wir uns in der Situation, dass Sie - oder besser gesagt: Herr Landowsky - uns weismachen wollen, das alles hätte mit seinem Amt als Banker überhaupt nichts zu tun. Für wie blöd hält man eigentlich die Öffentlichkeit? Da sind zwei Parteifreunde - die kommen doch nicht zufällig zusammen -, die zur gleichen Zeit Geschäftsführer der Firma Aubis sind, die einen Bankkredit braucht. Sie braucht keinen kleinen Gründungskredit über 50 000 DM oder 100 000 DM, nein, es soll sich richtig lohnen, sie braucht 600 Millionen DM. ({2}) Und in dieser Bank bekommt der Vorstandsvorsitzende der Berlin Hyp zwei Umschläge mit Bargeld - 40 000 DM in die Hand gedrückt. Da soll noch jemand an einen Zufall glauben? Wem will man das denn plausibel machen? ({3}) Wenn sie sich irgendwo in einer Kneipe getroffen hätten, aber sie haben sich ausgerechnet in der Bank getroffen, für die er verantwortlich ist. Außerdem geht es immer wieder um das Thema Bargeld. Die CDU sollte endlich bereit sein, hier in vollem Umfang, auch in Berlin - das geht immer nur scheibchenweise -, die Hose herunterzulassen und zu sagen: Wir haben aus der Antes-Affäre, aus dieser Korruption, nichts gelernt. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. ({4}) - Das Bild von der runtergelassenen Hose gefällt euch, ja? Ich möchte jetzt auf das Parteiengesetz und den Untersuchungsausschuss zurückkommen. Wir müssen endlich einmal klarstellen, wann Bargeld eine ordentliche Spende und wann Bargeld eine Schmiergeldzahlung ist. Um diese Abgrenzung geht es doch. Solange uns Herr Kohl und Herr Landowsky in dieser Sache nicht weiterhelfen und alles nur bestritten wird, bis die Wahrheit an den Tag kommt, haben wir ein echtes Problem und vor allen Dingen kommen Sie an dieser Stelle nicht weiter. Ich meine, dass sich Kohl und Landowsky, die beide Bargeld in Empfang genommen haben ({5}) und uns den Zweck dieser Bargeldzahlung nicht plausibel machen können, nicht wundern müssen, wenn wir an dieser Stelle Fragen stellen und uns um Aufklärung bemühen; denn solange diese Fragen nicht beantwortet sind, ist der Fall nicht geklärt. Fragen werden wir doch wohl noch stellen dürfen. Das ist mit der Unschuldsvermutung noch vereinbar, ({6}) die Sie, Herr Kollege Schmidt, in wirklich dramatischer Weise verletzt haben. ({7}) Über Herrn Kohl, der für die Veruntreuung von 2 Millionen DM ein lächerliches Bußgeld in Höhe von 300 000 DM zahlen muss, verlieren Sie kein Wort, aber jemanden, der vor 20 Jahren zu einer Strafe verurteilt worden ist, zerren Sie hier vors Podium. Das ist wirklich eine ganz seltene Art von Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit. Vielen Dank. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat das Wort der Kollege Detlef Dzembritzki.

Detlef Dzembritzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003109, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Was mich am Anfang am meisten erstaunt hat, war die Überraschung bei allen, dass sich das Modell der Doppelkonstellation Fraktionsvorsitzender der CDU und Vorstandschef der Berlin Hyp, verkörpert durch Herrn Landowsky, so lange halten konnte. Die enge Verbindung von parlamentarischem Mandat und Bankjob begleitet die Karriere von Herrn Landowsky seit den späten 70er-Jahren und ist zumindest den Kennern der Berliner Politszene als strukturelles Problem bekannt. Fraktionsvorsitzender und Bankenchef einer Quasi-Landesbank bei dieser Konstruktion stellt sich folgende Frage von selbst: Wer kontrolliert hier wen? Mich verwundert, dass ein Mann wie Landowsky es nicht als eine Zumutung erachtet hat, dass im Aufsichtsrat der Berlin Hyp auch der Finanzsenator saß, der in seiner politischen Funktion, wie wir alle wissen, doch vom Fraktionsvorsitzenden abhängig ist. Wie kann der Finanzsenator also im Aufsichtsrat frei und objektiv seine Funktion ausüben, wenn der mächtige Fraktionsvorsitzende - das war Landowsky bislang ja - dort seinen eigenen Finanzsenator kontrolliert? ({0}) Eine solche Konstellation ist ausschließlich der Macht und nicht den politischen, den demokratischen Spielregeln geschuldet. Es kommt noch besser: Es wurde sogar eine Lex Landowsky geschaffen. Damit er sein Parlamentsmandat behalten konnte, wurde die Konstruktion geschaffen, dass das Land Berlin an der Berlin Hyp weniger als 50 Prozent besaß, nämlich genau 49,9 Prozent. 0,1 Prozent mehr und er hätte sein Mandat niederlegen müssen. ({1}) Eine solche Konstruktion entsteht aber nicht aus dem Nichts, Herr Kollege Scholz. Hier kommt die Rolle des Regierenden Bürgermeisters Diepgen ins Spiel. Er hat diese Konstruktion nicht nur gewollt, sondern er hat sie abgesegnet. Seine momentan zur Schau gestellte Ahnungslosigkeit nimmt ihm keiner ab. ({2}) Allerdings - das verwundert uns ja nicht mehr - scheint es bei der CDU ein beliebtes und wiederkehrendes Muster zu sein, dass der CDU-Vorsitzende von den Machenschaften unter ihm nichts mehr weiß. ({3}) Wie bei Kohl und Koch sind es immer ein paar böse Buben, die ohne Wissen des allmächtigen Vorsitzenden irgendwelche Gelder annehmen und in irgendwelchen dunklen Kanälen verschwinden lassen. Diese Ausflüchte sind nicht mehr lachhaft; sie sind nur noch bitter zur Kenntnis zu nehmen. Die Art von politischer Verantwortung, die Vorsitzende aufgrund ihrer Funktion nun einmal zu übernehmen haben, scheint der CDU allerdings komplett abhanden gekommen zu sein. Wenn wir schon von der CDU reden: Mir drängt sich die Ähnlichkeit der Mentalität von Herrn Landowsky und von Helmut Kohl auf. Sie ist von einer mangelnden Sensibilität und einer fast majestätischen Selbstherrlichkeit geprägt, die es scheinbar erlaubt, sich nach eigenem Gutdünken über geltendes Recht hinwegzusetzen und Gelder nach Gutsherrenart zu verteilen. Herr Kollege Schmidt, ich muss Sie hier mit einbeziehen. Sie haben heute wieder ein Beispiel für die brutalstmögliche Aufklärung geliefert, das geradezu faszinierend ist. Über Pfahls, der auf der Flucht ist, über Kohl, der 300 000 DM zahlt, um einer Verurteilung zu entgehen, fiel nicht ein einziges Wort. Sie sprechen hier Probleme, die intern von der SPD in Berlin geklärt worden sind, die aufgearbeitet worden sind, die öffentlich sind, an und vergleichen sie mit diesen Machenschaften. Es ist schon skandalös, wie Sie in diese Diskussion einsteigen. ({4}) Es geht um die Art und Weise, die eigene politische Macht mit allen Mitteln und vor allem mit Geld zu verteidigen. Das ist in diesem Fall auch in Berlin passiert. Die Transparenz, die in der Politik und - das will ich einmal hinzufügen - auch in öffentlichen Banken notwendig ist, wurde ad absurdum geführt. ({5}) Meine Damen und Herren, Herr Landowsky, Herr Kohl und Herr Koch und alle anderen haben geglaubt, dass ihre Machenschaften nie herauskommen oder - was mich noch mehr irritiert - dass das ja alles nicht so schlimm sei und dass man darum überhaupt kein Aufhebens machen solle. Lieber Kollege Danckert, ich habe nicht den Eindruck, dass Landowsky jetzt außerhalb des Ringes steht. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass er mitten im Ring steht und dass wir Fragen zu stellen haben: Was kommt noch im Zusammenhang mit der Vergabe des Kredites von 600 Millionen DM an die Aubis und mit Schwarzkonten heraus? Was ist noch alles im Hintergrund? Gab es wirklich nur eine Spende? Gab es tatsächlich nur ein Schwarzkonto? Muss die Rolle des ehemaligen Kollegen Neuling in diesem Zusammenhang neu bewertet werden? Wie alle altgedienten Kollegen wissen, war er einmal Vorsitzender des Unterausschusses Treuhandanstalt. - All das sind Fragen, die hier diskutiert werden müssen. Aber die Wahrheit wird bei der CDU nur scheibchenweise ans Licht kommen. Die Presse liest sich heute schon wie ein Nachruf auf Herrn Landowsky. Die Spender und Kreditnehmer Wienhold und Neuling distanzierten sich bereits am Montag von ihm, und die Jungen der Berliner CDU - das ist ja nicht verwunderlich - stehen schon in den Startlöchern. Für Herrn Landowsky wird es eng; aber auch der Regierende Bürgermeister steht immer mehr in Erklärungsnot. Meine Damen und Herren, erneut wurde und wird die politische Kultur beschädigt, egal, ob im Bund, im Land oder in den Kommunen. Menschen wie Herr Landowsky, wie Kohl, Kiep, Koch und wie sie alle heißen, untergraben mit ihrer Vetternwirtschaft die Glaubwürdigkeit in unserem Gemeinwesen,

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Detlef Dzembritzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003109, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- und das nur wegen ihres eigenen Machtanspruchs. Dies verbittert mich, weil dieser Stil den Bürgerinnen und Bürgern das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat nimmt. Daher mein Appell an die CDU: Sorgen Sie nicht für eine brutalstmögliche Aufklärung, - davon haben wir die Nase voll -, sondern sorgen Sie für eine transparente Aufklärung! Machen Sie klar Schiff! ({0}) Damit ist uns allen geholfen. Damit können wir es möglicherweise schaffen, Glaubwürdigkeit in der Politik zurückzugewinnen. Vielen Dank. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile dem Kollegen Eckart von Klaeden das Wort.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich glaube, trotz all der Aufregung gibt uns diese Aktuelle Stunde auch die Gelegenheit, eine Zwischenbilanz der Arbeit des Untersuchungsausschusses zu ziehen. ({0}) Die bisherige Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses zu den CDU-Parteifinanzen hat bestätigt, dass die CDU alles in ihrer Macht Stehende unternommen hat, um Verstöße gegen das Parteiengesetz in den eigenen Reihen aufzuklären. ({1}) Die CDU hat mithilfe von Wirtschaftsprüfern intensiv ermittelt und die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind dem Untersuchungsausschuss und den ermittelnden Staatsanwaltschaften zur Verfügung gestellt worden. ({2}) Selbst der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Herr Neumann, hat mittlerweile festgestellt, dass in dem einzigen bisher vollständig behandelten Komplex, nämlich der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien, keinerlei politische Käuflichkeit vorgelegen hat, ({3}) sondern allein außen- und sicherheitspolitische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben. Der Arme ist jetzt allerdings kaum noch mit einer heilen Anzughose ausgestattet, weil sich die Terrier aus den eigenen Reihen ständig in seinen Waden verbeißen. ({4}) Der Kollege Hofmann darf noch nicht einmal mehr hier im Parlament sprechen. Unser großzügiges Angebot, ihm interfraktionell Redezeit von uns zur Verfügung zu stellen, wird von der SPD zurückgewiesen. Derweil ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrat in der SPD-Bundestagsfraktion. Und von dem Kollegen Ströbele werden uns hier vulgär-marxistische Schauergeschichten ({5}) über den bösen Zusammenhang zwischen Wirtschaft, Politik und Kapital erzählt. Herr Ströbele, vielleicht haben wir Sie ja mit Ihrem zugegebenermaßen etwas verqueren Weltbild an unserer Seite, wenn es jetzt darum geht, tatsächlich Konsequenzen aus der Parteispendenaffäre der CDU, aber auch aus dem von der SPD betriebenen System der Vermögensverschleierung zu ziehen. Vielleicht ist die Tatsache, dass sich dort mittlerweile eine Arbeiterpartei ihr Kapital und sich das Kapital eine eigene Arbeiterpartei hält, etwas, was in Ihr vulgär-marxistisches Weltbild passt. ({6}) - Das war ein abgewandeltes Tucholsky-Zitat, Herr Kollege Stiegler, das Sie vielleicht kennen mögen. Lassen Sie uns einmal die Vorschläge, die wir als CDU vorgelegt haben und von denen wir hoffen, dass sie vielleicht auch Ihre Unterstützung finden, gemeinsam durchgehen. Da ist zunächst die Durchsetzung einer klaren und nachvollziehbaren Rechnungslegung, unter anderem das Verbot der Quersaldierung, die unbestreitbar gegen das Transparenzgebot des Grundgesetzes verstößt und nach nahezu einhelliger Auffassung schon heute nicht mit den Regeln des Parteiengesetzes vereinbar ist. Leisten Sie einen Beitrag dazu, damit es dazu nicht mehr kommt, auch wenn Ihre Bundesgeschäftsstelle auf diese Weise finanziert worden ist! Sorgen Sie mit einer Änderung im Parteiengesetz dafür, dass Vermögenswerte der Parteien nicht mit dem Buchwert, sondern mit dem Verkehrswert angegeben werden müssen. ({7}) Dann ist eine wundersame Geldvermehrung wie die bei der sozialdemokratischen Partei, wo sich in weniger als einem Jahrzehnt das Vermögen um 50 Prozent, nämlich von 500 Millionen auf über 750 Millionen DM erhöht haben soll, ({8}) vielleicht auch in den Rechenschaftsberichten nachvollziehbar dargelegt. Sorgen Sie dafür, dass im Parteiengesetz endlich das Verbot des Besitzes, des Betreibens und der Beteiligung an erwerbswirtschaftlichen Tendenzbetrieben festgeschrieben wird! Denn das wirtschaftliche Engagement von Parteien in Tendenzbetrieben, insbesondere in Medienunternehmen, eröffnet die Möglichkeit, indirekt und vom Wähler und politischen Gegner unbemerkt auf die politische Willensbildung und auch auf die Medienstruktur in unserem Land Einfluss zu nehmen. Sie haben doch in Ihren Reihen einen ähnlichen Fall, nämlich den des NDRIntendanten Plog, der über die Aufsichtsratstätigkeit in Ihrer Beteiligungsgesellschaft seine privaten Konkurrenten, Medienunternehmen in Niedersachsen, kontrolliert. ({9}) Sorgen Sie mit uns für ein Verbot der Annahme von Direktspenden! Lassen Sie uns das Abgeordnetengesetz in entsprechender Weise ändern. ({10}) Sorgen Sie schließlich dafür, dass die Berichte, die dem Bundestagspräsidenten vorgelegt werden, von Wirtschaftsprüfern verfasst werden, die tatsächlich unabhängig sind! ({11}) Wie wäre es denn, wenn die Partei, die von einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen kontrolliert wird, an diesem Wirtschaftsprüfungsunternehmen nicht beteiligt sein darf? ({12}) Das alles sind Dinge, bei denen wir auf die Unterstützung und Zusammenarbeit der Sozialdemokraten hoffen. Der Kollege Wend als ehemaliger Geschäftsführer eines sozialdemokratischen Unternehmens wird dazu gleich vielleicht einige Vorschläge machen können. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte uns alle darauf aufmerksam machen, dass das Thema der Aktuellen Stunde lautet: „Bundespolitische Auswirkungen neu bekannt gewordener Verstöße gegen das Parteiengesetz“. ({0}) Ich sage das deswegen, weil ich als Präsidentin nach § 36 der Geschäftsordnung den Redner, „der vom Verhandlungsgegenstand abschweift“ - so heißt es dort -, „zur Sache verweisen“ kann. Das habe ich nicht getan. Aber ich möchte allen sagen: In einer Aktuellen Stunde sollten wir bei dem Verhandlungsgegenstand bleiben. ({1}) Jetzt hat der Kollege Dr. Rainer Wend für die SPDFraktion das Wort. ({2})

Dr. Rainer Wend (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schmidt, Sie haben zunächst das Beteiligungsvermögen der SPD angesprochen und das mit der Parteispendenaffäre und den Vorgängen bei der CDU verglichen. ({0}) Das Parteivermögen der SPD entstand durch die Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich seit über 100 Jahren für uns einsetzen. Dies ist eine Tradition, auf die wir Sozialdemokraten stolz sind. ({1}) Wenn Sie die Geschichte des Vermögens der SPD damit vergleichen, dass Herr Kiep in der Schweiz von Herrn Schreiber 1 Million DM in bar auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums erhalten hat, dann ist das infam. Das weisen wir an dieser Stelle mit Empörung zurück. ({2}) Herr von Klaeden, ich habe Sie verstanden. Sie haben ein begehrliches Auge auf die Verlagsbeteiligungen der Sozialdemokraten geworfen. ({3}) Ich sage Ihnen mit allem Ernst und Nachdruck: Das erste Mal waren es die Nazis, die uns enteignet haben. ({4}) Dann waren es die Kommunisten, die uns alles genommen haben. Aber dieser Rechtsstaat wird dafür sorgen, dass die Verlagsbeteiligungen im Eigentum der sozialdemokratischen Partei verbleiben. Auch Sie werden das nicht ändern können! ({5}) Lassen Sie mich noch etwas zu einem Punkt sagen, Herr Schmidt, den Sie genannt haben. ({6}) Sie sprachen unseren Obmann Frank Hofmann an. Wahrheitswidrig haben Sie hier erklärt, seine Räume seien durchsucht worden. ({7}) Sie gehen nach dem Motto vor: Ich stelle irgendeine Behauptung auf, irgendetwas wird schon hängen bleiben. Wir stehen hinter unserem Obmann und sind stolz darauf, dass er unser Obmann ist. Er wird selbstverständlich in dieser Funktion bleiben. ({8}) Sie haben heute angeboten, unserem Obmann fünf Minuten von Ihrer Redezeit zu überlassen. Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Sie haben doch unter Ihren 245 Bundestagsabgeordneten keinen vierten Redner gefunden, der auf Ihrem Niveau hier am Rednerpult sprechen will. Deswegen machen Sie uns dieses Angebot. ({9}) Ich will zu dem kommen, was in Berlin passiert ist. Herr Professor Scholz meinte, in Berlin sei nur gegen innerparteiliche Richtlinien verstoßen worden. Was ist passiert? Ein Kredit von gut 600 Millionen DM wurde gewährt. In einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang - von Kausalität kann ich nicht sprechen - ist an die Entscheidungsperson Landowsky eine CDU-Spende über 40 000 DM geflossen. ({10}) Fazit: In einem engen zeitlichen Zusammenhang hat derjenige Geld gespendet, der durch eine politische Entscheidung begünstigt wurde. ({11}) Herr Schmidt, kommt uns beiden das nach den letzten eineinviertel Jahren im Untersuchungsausschuss nicht verdammt bekannt vor? ({12}) Wie war es denn mit der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien? ({13}) In direktem zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung über die Lieferung der Spürpanzer bekam nicht nur der CDU-Staatssekretär 3,8 Millionen DM, sondern aus den Schmiergeldern von Thyssen für diesen Deal ging auf dem eben von mir erwähnten Parkplatz des Einkaufszentrums 1 Million DM in bar an die CDU. Oder wie war es bei der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen? Es flossen 5,9 Millionen DM in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung, dass die Spender die Eisenbahnerwohnungen bekommen sollten. - Deswegen ist Berlin typisch für das, was sich in den letzten eineinviertel Jahren offenbart hat. ({14}) Ich komme zu Helmut Kohl: Ich verstehe jetzt auch, warum Helmut Kohl schweigt bzw. sich weigert, die Namen der Spender zu nennen. Ich weiß genau, warum er das tut. Wenn er nämlich die Geldgeber - wenn es sie denn gibt ({15}) nennen würde, wüsste die Öffentlichkeit, dass auch in diesem Fall, ebenso wie in den anderen Fällen, ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Geldgaben und großzügigen politischen Entscheidungen zugunsten der Geldgeber vorhanden war. Diese Tatsache zu vertuschen ist der wahre und bittere Grund, warum Helmut Kohl heute noch die Namen der Spender verschweigt. ({16}) Ich sage Ihnen eines zum Abschluss: ({17}) Solange Frau Merkel und Herr Merz nicht jede Chance - einschließlich der Inanspruchnahme von Gerichten nutzen, von Kohl die Namen der Geldgeber zu erfahren, so lange wird der Geruch der politischen Korruption in den Kleidern der CDU hängen bleiben. Befreien Sie sich davon! ({18})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr von Klaeden, natürlich wiederhole ich an dieser Stelle meine Ausführungen bezüglich des Abschweifens vom Verhandlungsgegenstand, damit Sie nicht meinen, ich würde in dieser Frage einseitig urteilen. ({0}) Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. Februar 2001, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.