Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Laumann, es ging zunächst einmal darum, im Vorfeld Überlegungen zu entwickeln. Zu diesem
Zweck sind natürlich sowohl die Vertreter der Wirtschaft
als auch die Vertreter der Gewerkschaften einbezogen
worden. Die Entscheidungen über die Gesetzesänderung
fallen aber - das wissen Sie genauso gut wie ich - zuerst
im Kabinett und dann im Parlament, nicht jedoch im
Bündnis für Arbeit.
Das soll aber nicht heißen, dass nicht Teilbereiche des
Gesamtvorhabens im Bündnis für Arbeit erörtert werden.
Über diese Frage wird man sprechen müssen. Sie haben
Recht, dass man sich über dieses Thema offen unterhalten
muss; wenn aber in Teilbereichen Auffassungen strittig
bleiben, wird darüber der Gesetzgeber entscheiden müssen. Das ist letztlich seine Aufgabe.
Kann ich noch
eine Nachfrage stellen?
Als erstem
Fragesteller gebe ich Ihnen die Möglichkeit zu einer kurzen Nachfrage.
Bedeutet das,
was Sie eben gesagt haben, dass die Bundesregierung dieses Thema im Bündnis für Arbeit besprechen wird, bevor
darüber im Parlament entschieden wird?
Bevor darüber im Parlament entschieden
wird, wird es weitere Besprechungen - nicht nur formelle
Anhörungen - mit den beiden Sozialpartnern geben. Ob
das Thema konkret im Bündnis für Arbeit besprochen
wird, wird bei dem Treffen am 4. März erörtert werden.
Eine Frage
des Kollegen Brandner.
Herr Minister, das Institut
der deutschen Wirtschaft hat in einer Umfrage unter Arbeitgebern ermittelt, dass 70 Prozent der befragten Arbeitgeber dem System der betrieblichen Mitbestimmung
die Noten „gut“ bis „sehr gut“ geben. Zudem ist bekannt,
dass wir im Vergleich zu anderen Ländern die wenigsten
Streiktage haben und Konflikte auf der betrieblichen
Ebene ganz selten zu Verfahren vor Arbeitsgerichten oder
vor Einigungsstellen führen.
Können Sie sich erklären, warum die Arbeitgeber dem
Konzept der betrieblichen Mitbestimmung trotzdem eine
so deutliche Absage erteilt haben?
Ich kann es mir dadurch erklären, dass teilweise keine betriebliche Mitbestimmung vorhanden ist.
Wenn man sich vor Augen führt, dass man in Teilbereichen über die betriebliche Mitbestimmung zu wenig weiß
und gerade in Kleinbetrieben die Wahl von Betriebsräten
der Ausnahmefall ist, kann man darin eine der Ursachen
sehen. Ich baue sehr darauf, dass wir die Fragen der Mitwirkung, der Information und der Mitbestimmung - ich
möchte alle drei Komplexe ausdrücklich betonen zukünftig auch in Klein- und Mittelbetrieben vorteilhaft
und effizient beantworten können.
Eine Frage
der Kollegin Kumpf.
Herr Minister, im Vorfeld der Auseinandersetzung um die Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes wurden im Hinblick auf die Frauenförderung durch die Betriebsverfassung sehr kritische Stimmen
laut. Wie sehen Ihre konkreten Überlegungen und Pläne
aus, Gleichstellungspolitik auch in der Betriebsverfassung zu verankern, um den Frauen damit eine Chance zu
geben, ihren Platz in der Gesellschaft und im Beruf zu finden?
Wir sehen in dem Gesetzentwurf erstmals
vor, dass nicht nur eine Soll-, sondern eine Mussbestimmung sicherstellt, dass die beiden Geschlechter entsprechend ihrer Stärke in den Belegschaften in den Betriebsräten vertreten sind. Ich meine persönlich, dass der
Schritt, den wir in dieser Frage gehen, ein sehr mutiger ist.
Wir sehen darüber hinaus durch Sollvorschriften vor,
dass beide Geschlechter bei der Besetzung von Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat entsprechend vertreten werden. Ich denke, dadurch werden wir eine wesentlich stärkere Vertretung von Frauen, die bisher unterrepräsentiert sind, im Betriebsrat haben.
Eine Frage
des Kollegen Kolb.
Herr Minister Riester,
es gab in den letzten Tagen nicht wenige Stimmen, die
äußerten, der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf sei mittelstandsfeindlich. Der Wirtschaftsminister Ihrer RegieKarl-Josef Laumann
rung hat sich diese Meinung zu Eigen gemacht und in
26 Punkten nachhaltig auf Änderung gedrungen. Können
Sie kurz darstellen, in welchen Punkten Sie auf den Wirtschaftsminister zugegangen sind und weshalb Sie glauben, dass der Vorwurf der Mittelstandsfeindlichkeit jetzt
entkräftet ist?
Zuerst einmal muss man sich kritisch damit auseinander setzen, ob der generelle Vorwurf der Mittelstandsfeindlichkeit berechtigt ist. Ich weiß natürlich, dass
die Kostenfrage differenziert betrachtet werden muss. Deswegen möchte ich Ihnen an einigen Punkten aufzeigen, inwiefern wir den Einwänden entgegengekommen sind.
Erster Punkt. Wir sind der Meinung, dass Sachverständige bei Änderungen im Betrieb - es geht insbesondere
um Betriebsschließungen, Teilbetriebsschließungen und
Verlagerungen - nur in Betrieben mit über 300 Beschäftigten hinzugezogen werden sollen, weil dies Kosten verursacht. Das ist ein wichtiger Punkt.
Zweiter Punkt. Die ursprünglich im Referentenentwurf
vorgesehene Bildung von Ausschüssen, unabhängig von
der Größe der Betriebe, haben wir auf Betriebe mit über
100 Beschäftigten begrenzt. Auch dies wird sich kostenmäßig sofort auswirken.
Dritter Punkt. Wir haben die Freistellungsansprüche
neu geregelt. Wir haben zwar die im Referentenentwurf
vorgesehene Regelung, Mitglieder von Betriebsräten in
Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten freizustellen,
beibehalten. Aber wir haben die Freistellungsgrenze auf
Betriebe mit bis zu 2 000 Beschäftigten gestreckt. Auch
dadurch werden die Betriebe geringer belastet werden.
Das waren beispielhaft drei Punkte, in denen wir auf
die Einwände eingegangen sind.
Eine Frage
des Kollegen Dr. Grehn.
Herr Minister, in der Pressekonferenz wurde gesagt, dass die Verfahren bei den Einigungsstellen beschleunigt werden sollen. Das ist von
enormer Bedeutung; denn wenn die Frist abläuft, endet
auch das Verfahren. Mich interessiert, wie das Verfahren
beschleunigt werden soll.
Es geht nicht nur um eine Beschleunigung.
Wir möchten auch dafür sorgen, dass die Verfahren bei
den Einigungsstellen mit geringeren Kosten durchgeführt
werden. Dazu wird die Regierung die Sozialpartner einladen und mit ihnen über ihre Vorstellungen diskutieren.
Wir wollen auch erreichen, dass die gerichtlichen Bestellungsverfahren abgekürzt werden und dass versucht wird,
die Kosten der Einigungsstellen zu verringern - eine
Überlegung, über die schon Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte diskutiert wird. Leider ist in dieser Frage bisher
nichts erreicht worden. Wir werden die Lösung dieses
Problems zügig angehen.
Eine Frage
der Kollegin Dr. Dückert.
Herr Minister, können Sie noch einmal genau erläutern,
wie die Mitbestimmung hinsichtlich der Änderung von
Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen, die in § 91 des
Betriebsverfassungsgesetzes geregelt ist, künftig aussehen wird?
§ 91 sieht vor, dass der Betriebsrat dann,
wenn Änderungen der Arbeitsorganisation oder der
Arbeitsplätze erfolgen und gegen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse verstoßen, sodass diese Änderungen die Beschäftigten in besonderer Weise belasten,
das Recht hat, Maßnahmen zum Ausgleich dieser Belastungen zu verlangen.
Wir haben ursprünglich die in § 91 vorhandenen Begriffe „in besonderer Weise“ und „offensichtlich“ herausgenommen. Das hat insbesondere bei der Wirtschaft zu
der Sorge geführt, dass den Betriebsräten damit eine Möglichkeit zur ständigen Intervention gegen Investitionsentscheidungen gegeben wird. Ich habe diese Einschätzung
nie geteilt. Ich bin auch nicht der Auffassung, dass die Begriffe „in besonderer Weise“ und „offensichtlich“ eine
solche Kernbedeutung haben. Dies haben wir trotzdem
korrigiert, um die zumindest aus meiner Sicht missverständliche und ungerechtfertigte Kritik an den Betriebsräten zu entkräften.
Eine Frage
des Kollegen Hinsken.
Herr Präsident, wenn
Sie gestatten, frage ich Herrn Minister Müller, der heute
an der Entscheidung des Kabinetts beteiligt war und sicherlich ebenfalls zu Wort kommen möchte.
Herr Bundesminister Müller, konnten Sie heute Morgen in den Spiegel schauen?
({0})
Sie sind doch der große Verlierer. Sie haben vollmundig
26 verschiedene Punkte angekündigt und müssen heute
kleinlaut beigeben, denn Sie konnten nur einen Bruchteil
dieser Punkte umsetzen. Ihre Aussagen bei der jüngsten
Pressekonferenz zeigen,
({1})
dass Sie nur vermelden können, ganz wenige Veränderungen erreicht zu haben. Es bleibt doch dabei, dass erstens die Schwelle für die Freistellung von Betriebsräten
wie geplant sinkt
({2})
und zweitens die Zahl der Betriebsräte und weiterer Gremien gerade in kleineren Betrieben steigt.
Herr Kollege Hinsken, ich bitte Sie, auf die anderen Kollegen, die
noch fragen wollen, Rücksicht zu nehmen. Ich glaube, Sie
haben eine klare Frage gestellt, und nun hat der Herr Bundesminister das Wort zur Beantwortung.
Deshalb nochmals: Was
haben Sie von dem, was Sie versprochen hatten, im Sinne
der Wirtschaft wirklich erreicht?
({0})
Herr Bundesminister, bitte.
Lieber Herr Hinsken, die erste Frage
kann ich ganz einfach beantworten: Ich habe mich heute
Morgen wohlgemut im Spiegel gesehen.
({0})
Muss ich die zweite Frage auch beantworten?
Bitte sehr.
Ihre zweite Frage, Herr Hinsken, beantworte ich sehr gerne. Der wichtigste Punkt für BDA, BDI
und die anderen Verbände der Wirtschaft war die Änderung des § 91. Herr Kollege Riester hat gerade gesagt,
dass die zunächst geplanten Änderungen nicht stattfinden; § 91 bleibt in der alten Fassung bestehen.
Für größere Unternehmen war die zwangsweise Bildung eines Konzernbetriebsrates störend; ich kann das
nachvollziehen. Es bleibt bei der alten Regelung: Ein
Konzernbetriebsrat wird nur fakultativ gebildet. Es ist
also eine Kannbestimmung nach dem alten Recht.
Dann war ein konzerninterner Wirtschaftsausschuss
vorgesehen. Dessen Einführung ist jetzt nicht mehr geplant. Etliche Regelungen, die insbesondere für mittelständische Betriebe von 100 bis 300 Beschäftigten
störend sind, weil dort nicht unbedingt schon ein Personaldirektor arbeitet, gelten künftig erst für Betriebe über
100 bzw. 300 Beschäftigte. - So könnte ich Ihnen noch einige Punkte mehr nennen.
Ich bitte Sie, freundlicherweise nicht davon auszugehen, dass der Wirtschaftsminister der Meinung war, er
könne alle 26 teils nicht so wichtigen, teils wichtigeren
Punkte durchsetzen. Aber das, was aus meiner Sicht im
Interesse der Wirtschaft zu berücksichtigen war, ist
berücksichtigt worden. Deswegen komme ich auf die
erste Frage zurück: Ich kann wohlgemut in den Spiegel
schauen. - Das wird sich, Herr Hinsken, auch in Ihrem
Betrieb positiv bemerkbar machen.
Eine zweite
Frage des Kollegen Brandner.
Ich habe noch eine Frage an
Bundesarbeitsminister Riester: Ich entnehme Pressemitteilungen, dass große Unternehmen das geltende Betriebsverfassungsgesetz loben. Insbesondere weisen sie
darauf hin, dass technologische Veränderungen mithilfe
von Betriebsräten schneller umgesetzt und mit einer
größeren Akzeptanz durchgesetzt werden können. In kleineren Unternehmen - Sie haben selbst darauf hingewiesen - fehlen die Erfahrungen mit der Betriebsverfassung.
Ist es unter diesem Gesichtspunkt nicht sinnvoll, dass die
Bundesregierung ein öffentlich gefördertes Informationsund Qualifizierungsprogramm zur Aufklärung über Mitbestimmung und deren Wirkung in Gang setzt, damit
diese positiven Wirkungen der Betriebsverfassung in der
Fläche eine größere Wirkung erlangen?
Darüber muss man nachdenken. Ich erinnere
in diesem Zusammenhang an das Programm zur Humanisierung der Arbeitswelt. Ein ähnliches Programm könnte
man auch hier vorsehen. Allerdings sollte die Information
über Mitbestimmung und Zusammenarbeit natürlich nicht
nur von der Bundesregierung, sondern auch von den Sozialparteien, die dafür ja unmittelbar zuständig sind, in
entsprechendem Maße angegangen werden. Gleichwohl
nehme ich Ihre Anregung gerne auf.
Eine Frage
des Kollegen Koppelin.
Ich mache auf Folgendes aufmerksam: Ich verstehe
den Wunsch nach Zusatzfragen. Man muss nur wissen,
dass nicht mehr alle Kollegen an die Reihe kommen können. Eine Zusatzfrage aus derselben Fraktion geht zulasten eines anderen Fragestellers. Das muss die Fraktion
dann aber selbst klären.
Das Wort hat Herr Koppelin.
Meine Frage richtet sich
ebenfalls an den Wirtschaftsminister Müller. Herr Minister, haben Sie nach der getroffenen Entscheidung schon
einmal durchrechnen lassen, in welcher Größenordnung
Mehrbelastungen auf die Betriebe zukommen? Schließlich haben Sie immer verkündet, dass Sie die Belastungen
der Betriebe, vor allem die Personalkosten, senken wollen; jetzt kommen wieder höhere Kosten auf die Betriebe
zu. Müsste es Sie nicht auch nachdenklich stimmen, dass
bei dieser Befragung der Bundesregierung vonseiten der
SPD nur Gewerkschaftssekretäre und keine Vertreter anderer Gruppierungen Fragen stellen?
({0})
- Ich höre gerade, dass es keine anderen bei der SPD gibt.
Okay, dann muss ich das akzeptieren.
Zu Ihrer letzten Frage kann ich nichts
sagen, weil ich bisher noch keine Qualitätsunterschiede
habe feststellen können, die etwas damit zu tun hatten, ob
jemand ein Gewerkschaftsbuch hat oder nicht.
({0})
Zu der vielleicht etwas wichtigeren Frage: Das Institut
der deutschen Wirtschaft hat die Größenordnung der Kosten, die durch die Reform des Mitbestimmungsgesetzes in
der zunächst beabsichtigten Form eventuell entstehen, ermittelt. Dieser Wert mag - Pi mal Daumen - stimmen, immer unter der Voraussetzung, dass sich die Zahl der Betriebe mit Betriebsräten deutlich erhöht; diese Annahme
ist aber noch nicht gesichert.
Wenn Sie diese Kostenrechnung betrachten, dann
werden Sie feststellen, dass die Position „Freistellungen“
mit den höchsten Kosten verbunden ist. Vor dem Hintergrund, dass eine Entscheidung darüber zu treffen war, ob
wir den von Herrn Riester geplanten Anstieg der Betriebsratsgrößen plus den von Herrn Riester geplanten
Umfang der Freistellungen akzeptieren - beides zusammen hätte meiner Meinung nach zu viel Belastung bedeutet -, haben wir uns darauf verständigt, das zu verringern, was wirklich Kosten verursacht. Deswegen wird,
wie Herr Riester gerade sagte, die Zahl der Freistellungen in Betrieben mit 200 bis 2 000 Beschäftigten nicht
viel anders als heute sein; allerdings wird die Untergrenze bei 200 liegen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat für diesen
Fall deutlich gemacht, dass hierbei nicht die vollen Kosten anfallen, weil ein Betriebsrat in einem solchen Betrieb
durch das bestehende Betriebsverfassungsgesetz mindestens zur Hälfte implizit freigestellt ist. Wenn man diesen
ganzen Kostenblock aus den Berechnungen herausnimmt,
dann zeigt sich, dass nicht mehr sehr viel an Mehrkosten
bleibt.
Am 7. Februar habe ich in diesem Hause gesagt: Am
Ende wird etwas herauskommen, was eine gewisse Zusatzbelastung der Wirtschaft darstellt; diese Zusatzbelastung muss aus meiner Sicht zumutbar sein. Was bei den
Kostenrechnungen nie beachtet wird, ist der Gewinn auf
der anderen Seite; denn die Mitbestimmung führt auch zu
unmittelbar besseren Betriebsergebnissen.
({1})
- Aber Herr Kolb, darüber kann man doch nicht ernsthaft
diskutieren. Unser Land hat in der Welt die geringsten
Streiktage; das muss doch seinen Grund haben. Wir sind
ein Land, das ohne jeden ernsten gesellschaftspolitischen
Disput die Anpassung an die Globalisierung bewältigt.
({2})
Ich möchte erleben, wie die deutsche Wirtschaft in diesem
Land Geschäfte macht, wenn es hier gesellschaftspolitisch bedingte Unruhen gäbe. Solche Unruhen haben wir
nicht. In Friedenszeiten lassen sich sehr schön Geschäfte
machen. Bewerten Sie das einmal! Bewerten Sie einmal,
dass 70 Prozent der Unternehmen sagen: Wir sind mit der
Mitbestimmung sehr zufrieden. Das wird leider nie in
Mark und Pfennig ausgedrückt.
({3})
Eine Frage
des Kollegen Gerald Weiß.
Herr
Riester, ich habe eine Frage zu der skandalösen Verletzung des Minderheitenschutzes in Ihrem Gesetzentwurf.
({0})
Im Rahmen des vereinfachten Wahlverfahrens - Übergang zum Mehrheitswahlsystem in kleinen Betrieben kann es geschehen, dass 49,9 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer qua Wahl nicht im Betriebsrat
vertreten sind, sondern dass dieser von einer Gruppe einseitig beherrscht wird. Es kann sein, dass eine Abstimmungsmehrheit von 51 Prozent dazu führt, dass eine
Gruppierung 100 Prozent der Betriebsausschussmandate
erhält. Dasselbe gilt für die zu Recht als wichtig bezeichneten Freistellungen.
Wie können Sie es verantworten, dass durch solch einen Gesetzentwurf die Rechte von kleineren Gewerkschaftsgruppierungen und unabhängigen Betriebsräten
elementar verletzt werden?
Herr Kollege Weiß, ich kann Sie bezüglich
des von Ihnen angesprochenen Mehrheitswahlrechts
sehr leicht beruhigen: Bei Kleinbetrieben mit bis zu
50 Beschäftigten wird all das nicht auftreten, was Sie gesagt haben. Da gibt es weder Ausschüsse noch Freistellungen.
Jetzt schauen wir uns einmal das Mehrheitswahlrecht
an: Es handelt sich dabei um ein Persönlichkeitswahlrecht. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die im Betrieb
die Mehrheit bekommen, dann auch als Persönlichkeiten
gewählt werden. Ich bin nicht interessiert daran, dass wir
Proporzverteilungen vornehmen. Damit haben wir Erfahrungen gemacht.
Ich kann Sie deshalb völlig beruhigen: Bei Betrieben
bis zu 50 Beschäftigten gibt es ausschließlich das Mehrheitswahlrecht und dort tritt all das, was Sie gesagt haben, überhaupt nicht auf und kann auch nicht auftreten,
weil es dort keine Ausschüsse und keine Freistellungen
gibt.
({0})
Eine Frage
des Kollegen Staffelt.
Herr Minister Müller, ich
darf Sie bitten, mir zuzuhören. Ich kann zwar verstehen,
dass Sie gerne mit Frau Künast reden, möchte aber Ihr
Gespräch trotzdem ganz kurz unterbrechen und Sie fragen, ob Sie vor dem Hintergrund des Beschlusses des
Kabinetts zum Betriebsverfassungsgesetz irgendwelche
Einschränkungen für den Investitionsstandort Deutschland sehen. Diesbezüglich hat es ja vielfältige Spekulationen gegeben. Gibt es irgendwelche substanziellen
Veränderungen, die darauf hinweisen, dass etwa Investitionen, die in Deutschland realisiert werden sollten, vor
dem Hintergrund dieser Maßnahmen nicht getätigt werden?
Herr Kollege Staffelt, zunächst freue
ich mich, dass gerade Sie Verständnis dafür haben, dass
ich gerne mit Frau Künast rede.
({0})
Auf Ihre Frage kann ich Ihnen zwei Antworten geben:
Das Ausland sieht in der Tat die deutsche Form der Mitbestimmung manchmal kritisch. Das ändert sich sofort,
wenn Sie mit ausländischen Investoren reden, die schon
zwei oder drei Jahre in diesem Lande tätig sind. Diese
wissen das dann zu schätzen. Ich sagte ja, es gab in dem
Entwurf einige kritische Punkte, die mir insbesondere von
der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer und der
Handelskammer Deutschland-Schweiz mitgeteilt wurden. Das wurde berücksichtigt. Ich erwarte keine negativen Auswirkungen auf den Investitionsstandort Deutschland.
Bezüglich
des zeitlichen Ablaufes würde ich vorschlagen, dass ich
noch zwei Fragen aus den Reihen der CDU/CSU, zwei
aus den Reihen der SPD und jeweils eine Frage vonseiten
der PDS und der F.D.P. zulasse. Falls die Grünen noch
eine Frage stellen wollen, so ist auch das möglich. - Gut,
Frau Dückert. Danach beende ich die Befragung der Bundesregierung.
Jetzt Herr Kollege Dr. Grehn, bitte.
Herr Minister Riester, welchen zusätzlichen Sachaufwand können Betriebsräte für
ihre Arbeit nach dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf geltend machen? Inwieweit hat die Rechtsprechung
schon zugunsten dieses Mehraufwandes entschieden?
Das bezieht sich insbesondere auf die technischen Geräte. Wir hatten häufig das Problem, dass den
Betriebsräten entsprechende Informations- und Kommunikationsmittel sowie Software nicht zur Verfügung gestellt wurden. Das schließt aber Fortschritte in diesem Bereich nicht aus. Wichtig ist für uns, dass der Betriebsrat
die Ausstattung bekommt, die für die Durchführung seiner Arbeit wichtig ist. Wir möchten dafür sorgen, dass die
Dinge, die - darauf weisen Sie zu Recht hin - häufig in
der Rechtsprechung streitig waren, künftig problemlos
bewilligt werden.
Eine Frage
der Kollegin Baumeister.
Herr Minister
Müller, stimmt es Sie eigentlich fröhlich, wenn Ihnen Ihr
Ministerkollege Riester sagt, über die Kosten könne man
nur spekulieren, man bewege sich da auf dünnem Eis?
Können Sie mir speziell sagen, wie hoch Sie die Kosten
schätzen, die auf den Mittelstand zukommen, und wie
hoch Sie umgekehrt die Vorteile für den Mittelstand
einschätzen?
Es handelt sich hier nicht um so klare
Sachverhalte wie bei der Aufstellung von Kassenbüchern. Das sind spekulative Größenordnungen. Ich
habe doch gesagt, das Institut der deutschen Wirtschaft
unterstellt einfach, es gebe 50 Prozent mehr Betriebsräte
bezogen auf alle Betriebe. Auf einer solchen Basis
kommt man zu einer Schätzung der durch das neue
Gesetz verursachten Kosten, die irgendwo bei 2 Milliarden DM liegen. Aber es ist die Frage, ob sich die Zahl der
Betriebsräte tatsächlich in dem Umfang erhöht. Ich kann
nur anhand des Gesetzes vorgehen, wie es jetzt vorliegt.
Da könnte ich viele Dinge anführen. Ich will aber nur
ein Beispiel nennen, weil Herr Riester schon etliche
Dinge gesagt hat - ich auch -, die für Betriebe mit
100 bis 300 Beschäftigten nicht gelten.
Ich nehme nur einmal den Punkt, dass der Betriebsrat
- das ist sinnvoll - Vorschläge zur Beschäftigungssicherung machen soll. Da gibt es nun eine Beratungspflicht.
Wenn der Arbeitgeber die Vorschläge ablehnt, dann soll er
das schriftlich begründen. Das gilt aber nicht für Betriebe
mit weniger als 100 Beschäftigten. Da entfällt dieser Kostenblock und die Notwendigkeit, einen Schriftsatz zu fertigen etc. Es sind Betriebe mit weniger als 100 oder mit
weniger als 300 Beschäftigten von vielen Bestimmungen
ausgenommen.
Deswegen wage ich die These: Ich sehe in diesem Gesetz - mit einer Ausnahme, nämlich dass die Zahl der Arbeitnehmer, die maßgeblich für eine Freistellung ist, von
300 auf 200 herabgesetzt wird; dafür ist in etwa ein halbes Gehalt anzusetzen - nichts, was sich auf den Mittelstand, wenn ich ihn einmal bei 250 bis 300 Beschäftigten
ansetze, besonders kostenbelastend auswirkt. Sonst hätte
ich mit Herrn Riester noch länger verhandelt. Wir haben
uns so verständigt, dass meine Bedenken, die teilweise
nicht von der Hand zu weisen waren, wirklich berücksichtigt worden sind.
Eine Frage
des Kollegen von Larcher.
Ich habe eine Frage an
Herrn Minister Riester. Herr Minister, können Sie sich
und vielleicht auch mir erklären, warum der Führer der
größten Oppositionspartei heute in einem Rundfunkinterview einerseits sagte, dass seine Fraktion unseren Gesetzentwurf ablehnen werde, andererseits aber sagte, dass die
Betriebsverfassung natürlich reformiert und modernisiert
werden müsse, allerdings auf mehrfache Nachfragen keinen einzigen Punkt nennen konnte, den er reformieren
möchte?
({0})
Herr Kollege Larcher, ich kann die Frage
nicht beantworten. Aber es wird noch Gelegenheit geben,
den Oppositionsführer zu fragen.
Eine Frage
des Kollegen Brüderle.
Herr Minister Riester, Sie
haben eben die Formulierung gewählt - ich habe es mir
notiert -, dass Sie den Vorstellungen von Herrn Bundesminister Müller entgegengetreten sind. Das ist auch mein
Eindruck. Herr Müller hat, nachdem er immer wieder demontiert wurde - das letzte Mal durch die Wegnahme der
Zuständigkeit für die Verbraucherpolitik -, eine Art ordnungspolitische Torschlusspanik gehabt und seine 26 Essentials über die Presse veröffentlicht. Kann ich Ihre Ausführungen so verstehen, dass er in dreien seiner 26 Punkte
ein Stückchen Erfolg hatte?
Nein, das können Sie nicht so interpretieren.
Wenn Sie mir zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass ich
wesentlich mehr aufgeführt habe. Ich kann es Ihnen, wenn
das für Sie wichtig ist, auch von der Quantität her sagen.
Wir haben uns nicht nur in elf Punkten, in denen wir unterschiedlicher Auffassung waren, auf einen Kompromiss
verständigt, sondern haben in anderen Punkten kreativ
eine Verbesserung entwickelt, beispielsweise was das
verkürzte Wahlverfahren angeht, von dem ich sage, dass
das jetzt Entwickelte der Sache wesentlich gerechter wird.
Es können die Vorwürfe, die immer wieder öffentlich erhoben worden sind, nämlich es wäre ein Hauruck-Verfahren, eigentlich nicht mehr angeführt werden. Ich kann nur
sagen: Es war eine sehr konstruktive Debatte, die wir gemeinsam geführt haben. Der Gesetzentwurf, der uns jetzt
vorliegt, ist besser als der Referentenentwurf. Das war das
Ziel.
Eine Frage
der Kollegin Dückert.
Herr Minister Riester, können Sie uns eine Einschätzung
darüber geben, wie sich dieses neue Gesetz auf die Entwicklung und auf die Durchsetzung des betrieblichen
Umweltschutzes in der deutschen Wirtschaft auswirken
wird?
Es wird sich insofern auswirken, als dass
der betriebliche Umweltschutz ein Thema ist, über das
nicht nur der Betriebsrat - das ist schon jetzt in vielen Betrieben die selbstverständliche Praxis - informiert wird,
sondern worüber auch im Wirtschaftsausschuss gesprochen wird. Der Wirtschaftsausschuss ist das Gremium in
Unternehmen mit über 100 Beschäftigten, in dem über
wirtschaftliche Fragen des Unternehmens und auch über
Fragen des betrieblichen Umweltschutzes gesprochen
wird.
Ursprünglich sollte, was die Zuständigkeit des
Wirtschaftsausschusses betrifft, der Umweltschutz allgemein aufgenommen werden. Wir haben das korrigiert, um
Missverständnissen entgegenzutreten. Es geht jetzt um
den betrieblichen Umweltschutz, der in den Betrieben
natürlich eine große Bedeutung hat. Die Information der
Betriebsräte im Zusammenhang mit dem betrieblichen
Umweltschutz muss der Bedeutung dieses Themas angemessen sein.
Eine Frage
der Kollegin Wöhrl.
Herr Minister, ein Gesetz, das auf Konsens angelegt sein sollte - so war es bisher immer -, wird im Dissens verabschiedet.
({0})
Sie wissen genau, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit immer ein wichtiges Fundament in diesem Bereich gewesen ist. Es wäre für Notsituationen, die immer
wieder auftreten können - beispielsweise drohende Insolvenzen -, wichtig gewesen, flexible Regelungen zu schaffen,
({1})
die es den Betrieben ermöglichen zu überleben und damit
die Arbeitsplätze zu sichern.
Es gibt in den Betrieben schon zahlreiche Beispiele für
diese Handhabung. Aber die Praxis steht nicht immer mit
dem geltenden Recht oder mit den tarifvertraglichen Vereinbarungen im Einklang. Warum wurde bei der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht eine Regelung geschaffen, mit der man derartige betriebliche
Bündnisse auf eine einwandfreie rechtliche Grundlage
hätte stellen können? Herr Minister Müller scheint sich in
diesem Punkt nicht durchgesetzt zu haben.
Ich will zunächst auf Ihre Bemerkung eingehen und dann Ihre Frage beantworten.
Mit Ihrer Bemerkung, dass das Betriebsverfassungsgesetz in seinem Kern auf Konsens angelegt ist, haben Sie
völlig Recht. Wenn Ihre Bemerkung darauf abzielt, uns
ein Angebot zu unterbreiten, dieses Gesetz im Konsens im
Parlament zu verabschieden, dann lade ich Sie gerne dazu
ein. Mich hat aber die Erklärung der Opposition - noch
bevor wir das Gesetz eingebracht haben -, dagegen stimmen zu wollen, etwas irritiert.
Zu Ihrer Frage, Frau Kollegin Wöhrl. Die Mitbestimmung hat nicht nur in Einzelfällen, sondern in Zehntausenden Fällen gegen drohende Insolvenz gewirkt. Mit der
Arbeit der Betriebsräte kann einer drohenden Insolvenz
entgegengewirkt werden. Die Arbeit für Beschäftigungssicherung und für die Abwehr von Insolvenzen mittels
mehr Information im Vorfeld zu verbessern - ich habe
vorhin ausgeführt, um was es geht: um Qualifikation - ist
ein Bestandteil dieses Gesetzes.
Ich habe Ihnen darüber hinaus aufgezeigt, welche sehr
krisenhaften Entwicklungen gerade in den 90er-Jahren
durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Belegschaftsvertretungen und Geschäftsleitungen abgewehrt
werden konnten. Das Betriebsverfassungsgesetz ist die
wichtige Grundlage, um die von Ihnen zu Recht aufgeführten Punkte zu erfüllen.
Ich vermute, dass Sie mit Ihrer Frage auf tarifliche Lösungen abgezielt haben.
({0})
- Dann ist die Frage damit beantwortet.
Zum Abschluss eine Frage des Kollegen Scholz.
Ich möchte den Minister Müller
fragen: Glauben Sie, dass mit der verstärkten Beschäftigung der Betriebsparteien mit der betrieblichen Berufsbildung eine deutliche Stärkung des Wirtschaftsstandorts
Deutschland einhergehen wird?
({0})
Ich glaube, dass man diese Frage eindeutig bejahen kann.
Wenn ich richtig informiert bin, Herr Scholz, dann ist
es ja so, dass die CDU unlängst - ich glaube, es war gestern - eigene Vorstellungen zum Betriebsverfassungsgesetz entwickelt hat. Eine Reform ist nach Aussage der
CDU notwendig. Es ist bemerkenswert, dass die CDU
auch einen Punkt aufgreift, den die Wirtschaft gar nicht
so gerne sieht, und zwar die wirkliche, qualifizierte Mitbestimmung bei den Themen der beruflichen Fortbildung.
Das heißt, dieses Thema ist überparteilich als eine der
notwendigen Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Betriebe anerkannt.
({0})
Ich glaube auch, dass das so ist. Deswegen möchte ich
Ihre Frage tatsächlich rundum bejahen.
({1})
Ich danke
den Fragestellern und den Kollegen der Bundesregierung
und beende die Regierungsbefragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 14/5269, 14/5308 Wir kommen zunächst zu den dringlichen Fragen. Sie
beziehen sich auf den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung der Fragen ist Staatsminister
Dr. Ludger Volmer anwesend.
Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Eckart von
Klaeden auf:
Wer hat die Reise finanziert, mit der der heutige Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, entgegen seiner bisherigen Aussage nach Angaben des ARD-Magazins „Report“ ({0}) 1969 in Algerien an einer gegen Israel gerichteten
Propagandakonferenz der PLO teilgenommen hat, auf der Palästinenserführer Yassir Arafat zum Kampf gegen Israel bis zum
„Endsieg“ aufrief?
({1})
Herr Kollege Klaeden, es handelte sich damals um
eine Reise des SDS. Über die Finanzierung ist nichts bekannt.
Eine Zusatzfrage.
Zunächst einmal
möchte ich meine weiteren Fragen und auch die Zusatzfragen mit der Erwartung verbinden, dass uns, wenn sich
das Erinnerungsvermögen beim Außenminister wieder
einstellt oder die Bundesregierung eine neue Erkenntnis
gewinnt, schriftlich auf die Fragen geantwortet wird. Falls
Sie also die Gelegenheit haben, den Herrn Außenminister
zu fragen, ob er sich an die Finanzierung erinnern kann,
erwarte ich, dass uns, falls eine entsprechende Antwort
von ihm kommt, vernünftig geantwortet wird.
Meine erste Zusatzfrage bezieht sich auf das „Spiegel“-Interview mit Außenminister Fischer, das in der Ausgabe vom 8. Januar dieses Jahres erschienen ist. Darin hat
er auf die Frage nach einem Aufenthalt 1970 in einem
PLO-Camp in Jordanien geantwortet:
Oh, ja! Sonst noch was? Ich war 1966 auf einer völlig unpolitischen Tramp-Tour im Nahen Osten. Erst
in den Neunzigerjahren bin ich wieder nach Israel
und in die arabischen Länder gekommen: als Außenminister.
Meine Frage ist: Warum hat Herr Bundesminister
Fischer nicht seinen Aufenthalt in Algerien erwähnt und
für wie beschädigt hält die Bundesregierung das Erinnerungsvermögen des Außenministers?
({0})
Zu Ihrer Eingangsbemerkung, Herr von Klaeden:
Ich habe gerade selber noch mit dem Außenminister darüber sprechen können. Er erinnert sich in der Tat nicht an
die Finanzierung. Sollte sie noch bekannt werden, bekommen Sie das schriftlich nachgereicht.
Zu dem „Spiegel“-Zitat. Nicht zum Duktus der Antwort, aber zum Gehalt des Gesprächs und zum Kern der
Frage des „Spiegel“, nämlich ob Herr Fischer in dem
PLO-Trainingscamp gewesen sei, kann ich eindeutig sagen: Nein.
({0})
Sie wissen doch, wie „Spiegel“-Gespräche verlaufen. Da
zählt manchmal auch die Unterhaltsamkeit.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Ich schlage vor,
dass man der Wahrheit den Vorzug vor der Unterhaltung
gibt.
Ich darf aber trotzdem eine weitere Frage stellen. Sie
wissen, dass auf dieser Konferenz, an die sich der Außenminister neuerdings erinnern kann, eine Resolution verabschiedet wurde. In der Resolution heißt es:
Die Versammlung vertraut darauf, dass der Endsieg
dem palästinensischen Volk gehören wird und es ihm
gelingen wird, ganz Palästina zu befreien.
Meine Frage ist: Hat der heutige Außenminister damals
dieser Resolution zugestimmt?
Nein, der Außenminister hat diese Veranstaltung
nach circa einer Stunde verlassen, weil sie ihm zu langweilig war.
({0})
Seine politische Haltung zur Nahostpolitik ist ja wohl völlig eindeutig. Eindeutiger könnte sie nicht sein, wie sich
auch an der heutigen Politik des Außenministers erweist.
Die Grundlinie des Außenministers gegenüber Israel
und in Bezug auf die Nahost-Politik lautet:
({1})
Erstens. Deutschland hat wegen der historischen Belastung im Zusammenhang mit dem Holocaust eine dauerhafte Verantwortung.
({2})
Zweitens. Deutschland übernimmt Mitgarantien für
das Existenzrecht Israels.
Drittens. Deutschland beteiligt sich daran, dass zwischen Israel und Palästina ein Frieden auf der Basis von
Verständigung entsteht. Dafür steht Joschka Fischer - wer
ihn kennt, weiß das - seit mindestens 20 Jahren und auch
heute als Außenminister.
({3})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Lippelt.
Herr Staatsminister, da Sie früher einmal mit mir zusammen im Vorstand derselben Partei waren und wir zu vielen Parteikongressen Gäste aus aller Welt eingeladen haben und CDU und F.D.P. und andere Parteien es genauso
gemacht haben: Ist Ihnen irgendein Fall bekannt, in dem
ein geladener Gast mit dem Unsinn identifiziert wurde,
den die Delegierten einer Partei beschlossen?
({0})
So haben wir beispielsweise auch bei Veranstaltungen der
CDU gesessen und ich denke, wir haben uns nicht mit
dem identifiziert, was die CDU damals beschlossen hat.
({1})
Herr Kollege Lippelt, es werden ständig Resolutionen verabschiedet, bei denen man 20 Jahre später kaum
noch nachvollziehen kann, inwiefern sie triftig gewesen
sein sollen.
Seitdem Joschka Fischer als politischer Akteur auf der
Bundesebene tätig ist, ist seine Haltung so eindeutig, wie
man dies nur bei wenigen Kolleginnen und Kollegen finden wird.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.
Herr Präsident, ich darf
zuvor zur Geschäftsordnung fragen: Da der Staatsminister zwei dringliche Fragen beantwortet hat, gehe ich davon aus, dass ich auch zweimal die Möglichkeit habe zu
fragen.
Die Frage 2
des Kollegen von Klaeden ist noch nicht aufgerufen. Bei
dieser Frage können Sie eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatsminister, können Sie sich vorstellen, dass man ganz nachdenklich wird,
wenn man weiß, dass der jetzige Außenminister damals zu
dieser Tagung - mit diesen Beschlüssen - in Algerien
gewesen ist, und zur Kenntnis nehmen muss, dass sich
Minister Fischer heute zu den Hinrichtungen in Palästina
in keiner Weise geäußert hat, obwohl wir doch auch in
diesem Hause alle immer der Auffassung gewesen sind,
dass wir uns gegen Todesstrafe und Hinrichtungen aussprechen, und obwohl sich auch das Außenministerium
bei vielen Gelegenheiten dankenswerterweise geäußert
hat? Nun äußert es sich erstaunlicherweise bei dieser
Frage überhaupt nicht.
({0})
Herr Koppelin, Sie sprechen ein grundsätzliches
Problem an, nämlich in welcher Tonlage und in welcher
Form die Menschenrechtsverletzungen, die im NahostProzess von verschiedenen Seiten begangen wurden, angesprochen werden sollen. Ich kann Ihnen versichern,
dass alle diese schrecklichen Ereignisse in Gesprächen,
die wir mit beiden Seiten auf unterschiedlichsten Ebenen
führen, sehr deutlich angesprochen werden. Im Moment
ist es aber nicht der richtige Stil, große öffentliche Erklärungen seitens der Bundesregierung abzugeben.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass wir genau dieses Thema heute Morgen im Auswärtigen Ausschuss intensiv besprochen haben. Ich kann mich nicht erinnern, dass ein F.D.P.-Abgeordneter dort das Wort
ergriffen hat.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schockenhoff.
Herr
Staatsminister, Bundesminister Fischer hat als Delegationsmitglied des Sozialistischen Deutschen Hochschulbundes - ({0})
- Sozialistischer Deutscher Studentenbund. Sie kennen
sich in einschlägigen Kreisen besser aus, Herr Stiegler.
({1})
Ich möchte die Frage aber gerne dem Herrn Staatsminister stellen.
Nachdem es dem Bundesminister nach einer Stunde zu
langweilig geworden ist, wurde eine Resolution verabschiedet, die zum „Endsieg gegen Israel“ auffordert.
({2})
Hat sich denn der Bundesminister im Nachhinein von dieser nationalsozialistischen Wortwahl distanziert oder was
hat er unternommen, um diesen Sprachgebrauch zu verhindern?
({3})
Sehen Sie, die Diskussion verläuft immer nach derselben Methode: Der Außenminister wird in einen Topf
geworfen, in den er nicht hineingehört, und dann wird von
ihm gefordert, sich zu distanzieren.
Der Außenminister hat sowohl in seiner formellen
Funktion als auch früher als Privatmann nicht die geringste Tendenz gezeigt, das Existenzrecht Israels in Zweifel
zu ziehen.
({0})
Diese Reisen hat er damals übrigens zusammen mit seinem engsten Freund Daniel Cohn-Bendit gemacht,
({1})
der, wie Sie wissen, jüdischer Herkunft ist, weshalb wohl
auszuschließen ist, dass dort ein prinzipiell antiisraelischer Duktus vertreten wurde.
({2})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Weisskirchen.
Herr Staatsminister, würden Sie bitte einmal kommentieren, was geschehen würde, wenn wir hier oder etwa die Kollegen im
Bayerischen Landtag an den Herrn Ministerpräsidenten
Stoiber die Frage stellen würden, was er in jener Zeit, zum
Beispiel in den 60er-Jahren, als er Franz Josef Strauß direkt zugearbeitet hat und Franz Josef Strauß enge Kontakte zu bestimmten Rechtsdiktatoren gepflegt hat,
({0})
getan hat. Ist es sinnvoll, solche Fragen heute in unseren
Parlamenten zu debattieren?
Herr Weisskirchen, Sie haben jetzt einen Extremtyp
der Kooperation genannt, der in früherer Zeit gang und
gäbe war. Sicherlich ist es sinnvoll, auch dies historisch
aufzuarbeiten.
Bezogen auf die arabische Welt kann man allerdings
sagen, dass wir damals und auch heute vor der schwierigen Aufgabe stehen, unsere besondere Verantwortung, die
wir Israel gegenüber haben, mit den berechtigten Interessen, die wir gegenüber dem arabischen Raum haben
und die dieser uns gegenüber hat, auszubalancieren. Das
ist eine nicht immer ganz einfach zu gestaltende Politik.
Deshalb läuft das meiste davon nicht öffentlich und in lauten Tonlagen ab.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Hauser.
Herr Staatsminister, meine Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass
ich gerade vom Kollegen Lippelt lernen konnte, dass er
sich in Zukunft problemlos auch von der NPD einladen
lassen darf,
({0})
da er sich, wenn er einer solchen Einladung folgt, nicht
unbedingt mit den Inhalten der NPD identifizieren muss.
So hat Herr Lippelt es gerade ausgedrückt. Meine Damen
und Herren, Sie werden dies dem Protokoll entnehmen
können.
Angesichts dessen, dass hier gesagt wird: „Wenn ich irgendwohin eingeladen bin, gehe ich da zwar hin, identifiziere mich aber nicht mit den Inhalten“ - das war die Aussage des Kollegen Lippelt, die mich zu dieser Nachfrage
veranlasst hat -,
({1})
frage ich Sie, Herr Staatsminister, ob Sie die Einschätzung
teilen können, dass man sich, wenn man zu einer Veranstaltung geht, von der man erwarten muss, dass dabei etwas herauskommt - zum Beispiel, dass eine Resolution
verabschiedet wird,
({2})
in der es wörtlich heißt, Frau Kollegin: „Die Versammlung vertraut darauf, dass der Endsieg dem palästinensischen Volk gehören wird und es ihm gelingen wird, ganz
Palästina zu befreien“ -, auch Gedanken darüber machen
muss, wer einlädt, welcher Einladung man folgt und zu
welchen möglichen Ergebnissen eine Veranstaltung führt.
Herr Hauser, wir sprechen über Ereignisse, die vor
32 Jahren stattgefunden haben. Damals hat die gesamte
deutsche Politik darum gerungen, ihr Verhältnis zu Israel
richtig zu gestalten und das Dreiecksverhältnis zu Israel
und zur arabischen Welt auszutarieren. Dabei wurde vieles experimentell durchgespielt. Es wurden zahlreiche
Gespräche geführt. Ich erinnere mich zum Beispiel lebhaft an die vielen Reisen des Abgeordneten Möllemann in
diese Region.
({0})
Aus all dem hat sich ein Verständnis von Nahostpolitik
geformt, das heute sehr genau definierbar ist, das im europäischen Kontext angesehen ist und für das der Außenminister mit seiner ganzen Persönlichkeit einsteht. Das ist
überhaupt nicht zweifelhaft.
({1})
Noch eine
Zusatzfrage und dann kommen wir zur zweiten dringlichen Frage. - Frau Kollegin Bonitz, bitte.
Herr Staatsminister, ich
möchte auf das Zitat zurückkommen, das der Kollege von
Klaeden dem „Spiegel“ vom Januar entnommen hat.
Stimmen Sie mir zu, dass zwischen dem Zitat - ich nenne
es hier noch einmal -:
Fischer: Ich war 1966 auf einer völlig unpolitischen
Tramp-Tour im Nahen Osten. Erst in den Neunzigerjahren bin ich wieder nach Israel und in die arabischen Länder gekommen: als Außenminister
und dem späteren Eingeständnis des Außenministers, dass
er 1969 in Algerien doch an einer PLO-Konferenz teilgenommen hat, ein Widerspruch liegt, den man gemeinhin
so deuten würde, dass der Außenminister in dem „Spiegel“-Interview die Unwahrheit gesagt hat?
Frau Bonitz, ich weiß nicht, ob der „Spiegel“ Sie
schon jemals zu einem Redaktionsgespräch eingeladen
hat.
({0})
Sonst wüssten Sie, dass man dort nicht die Möglichkeit
hat, den „Spiegel“-Redakteuren die eigene Lebensgeschichte zu erzählen, sondern dass der „Spiegel“ das
Gesagte anschließend unter den Aspekten des Wahrheitsgehalts, aber auch der griffigen und prägnanten
Formulierung zusammenfasst.
({1})
Ich rufe
nunmehr die dringliche Frage 2 des Kollegen von
Klaeden auf:
Kann Bundesminister Joseph Fischer ausschließen, dass er in
dieser Zeit die damalige militante und für ihre Flugzeugentführungen berüchtigte Organisation PFLP des Arztes Dr. G. H. zumindest verbal unterstützt hat?
Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
Da die Bundesregierung nicht über Wortprotokolle
aus den Jugendjahren von Bundesminister Fischer verfügt
und Fragen wie diese nicht ernsthaft auf die tatsächliche
Haltung von Bundesminister Fischer zu Israel und Palästina zielen, wie ich gerade erläutert habe, kann die Bundesregierung dazu keine Stellung nehmen.
Im Übrigen, wenn ich mir die Frage noch einmal genau
anschaue, sehe ich: Es gibt darin einen inhaltlichen Widerspruch zu den Vorwürfen, die Sie gerade erhoben haben. Sie können Herrn Fischer unterstellen, er habe entweden mit der PLO oder aber mit Habasch sympathisiert.
Beides gleichzeitig geht aber nicht, da sie untereinander
erheblich verfeindet waren.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatsminister, da ich zunächst keine Vorwürfe erhebe, sondern Fragen stelle und Sie gerade mitgeteilt haben, dass die Tatsache, dass Daniel Cohn-Bendit 1969 an einer PLOKonferenz teilgenommen hat, dazu geführt haben muss,
dass es auf dieser Konferenz keine antiisraelischen oder
antizionistischen Äußerungen gab, würde ich sagen: Es ist
bei der Logik, die Sie anwenden, durchaus angebracht,
auch diese zweite Frage gestellt zu haben.
({0})
Jetzt zu meiner Zusatzfrage. Ist Ihnen bekannt oder
kann sich der Außenminister noch daran erinnern, wie die
damaligen Veranstalter dieser PLO-Unterstützerkonferenz in Algier auf den Namen des heutigen Bundesministers Joseph Fischer gekommen sind und wie damals die
Ansprache und die Organisation der Reise erfolgten?
({1})
Es war, wie gesagt, eine Reise des SDS. Der SDS
hat die Delegation zusammengestellt. Wie das Prozedere
war, weiß ich nicht. Ich weiß im Moment übrigens auch
nicht, wer außer Fischer dabei war. Cohn-Bendit habe ich
vorhin als Indiz dafür genannt, dass Fischer, der damals
schon mit Cohn-Bendit befreundet war, mit Sicherheit
nicht antijüdisch eingestellt war. Ob Cohn-Bendit an dieser Reise teilgenommen hat, entzieht sich im Moment
meiner Kenntnis.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Es wird immer
verwirrender. Trotzdem will ich die zweite Frage stellen:
Herr Staatsminister, gab es nach der Unterstützungskonferenz in Algier Kontakte des heutigen Bundesministers
des Auswärtigen, Joseph Fischer, zu palästinensischen
Organisationen, die zum bewaffneten Kampf gegen Israel
aufgerufen oder ihn durchgeführt haben? Oder gab es
Kontakte zu Personen, die solchen Organisationen angehört haben? Und wie waren diese Kontakte gestaltet?
Die Frage, welche Kontakte Joschka Fischer damals, in seiner Jugend, hatte, kann ich Ihnen nicht präzise
beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass fast alle, die
damals an den Universitäten oppositionelle Politik betrieben und sich dabei insbesondere um internationale Solidarität bemühten, engste Kontakte sowohl zu jüdischen
als auch zu palästinensischen Bürgern und Organisationen hatten. Aus diesen Kontakten, die teilweise heute
noch bestehen, erwuchsen fruchtbare Dialoge, die in eine
Politik der Bundesregierung einmündeten, die heute von
allen Seiten als konstruktiv empfunden wird.
({0})
Eine Frage
des Kollegen Koppelin.
({0})
Herr Staatsminister, da
hier verschiedene Beschlüsse angesprochen wurden, die
damals in Algerien gefasst wurden, und Sie immer wieder
ausweichen und sagen, das seien Jugendsünden - so will
ich es einmal formulieren -, möchte ich fragen: Wie erklären Sie sich, dass jemand vom Bundesaußenminister
im Planungsstab des Auswärtigen Amtes eingestellt
wurde, nämlich Joscha Schmierer - „Joscha“ ist wohl ein
erfundener Vorname -,
({0})
der erst 1997 in der berühmten Zeitschrift „Kommune“,
die Ihnen nicht unbekannt sein sollte, zu Kambodscha und
Pol Pot sagte: Pol Pot kann sich sagen, dass die Vorsicht
noch lange nicht ausreichend war; Hun Sen - das ist der
jetzige Präsident in Kambodscha - und seine Anhänger
hätten unschädlich gemacht werden müssen? - Finden Sie
das richtig? Das passt doch zu dieser Geisteshaltung. Finden Sie es richtig, dass solche Leute erst vor zwei Jahren
im Auswärtigen Amt eingestellt wurden?
Herr Koppelin, Sie haben genau zu diesem Komplex
zwei ordentliche Fragen gestellt. Jetzt weiß ich nicht, ob
ich das als Zusatzfrage zu dieser Frage auffassen oder im
Zusammenhang mit dem eigentlichen Komplex beantworten soll.
({0})
In der Tat: Im Auswärtigen Amt - das ist die Antwort
auf Ihre Frage 41 - wurde Hans-Gerhart Schmierer eingestellt. Dieser ist als Europaexperte im Auswärtigen Amt
aktiv und sehr angesehen.
({1})
Wenn der Außenminister in Frankreich als Europäer des
Jahres geehrt wird und der außenpolitische Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion, Karl Lamers, die Fairness und den
Anstand besitzt, dem Außenminister dafür öffentlich zu
gratulieren, dann erstreckt sich diese Gratulation auch auf
Herrn Schmierer, der zum großen Teil die theoretische
Konzeption erarbeitet hat.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schockenhoff.
Herr
Staatsminister, Sie haben auf die erste Frage des Kollegen
von Klaeden geantwortet, es sei bekannt, dass Bundesminister Fischer mit seinem Freund Cohn-Bendit zu dieser
Konferenz gefahren sei. Auf die zweite Frage haben Sie
geantwortet, es entziehe sich Ihrer Kenntnis, ob er mit seinem Freund Cohn-Bendit gereist sei. Welche von Ihren
beiden Antworten war richtig und welche falsch? Können
Sie ausschließen, dass Bundesminister Fischer auf dieser
Konferenz das Wort ergriffen hat? Was hat er dort gesagt?
({0})
Können Sie ausschließen, dass sich Bundesminister
Fischer nicht daran erinnern kann, wer die anderen Teilnehmer in der Delegation des Sozialistischen Deutschen
Studentenbundes waren?
Ich bitte darum, dass jetzt wirklich kurze Fragen gestellt werden.
Ich habe vorhin versucht, deutlich zu machen, dass
zu dem Zeitpunkt, zu dem die Reise stattfand, Joschka
Fischer bereits mit Daniel Cohn-Bendit befreundet war
und aufgrund der ständigen Diskussionen mit Cohn-Bendit,
der jüdischer Herkunft ist, nie in die Gefahr geriet, sich
grundsätzlich antijüdisch oder antiisraelisch zu positionieren. Ob Cohn-Bendit bei dieser Reise dabei war,
weiß ich nicht. Ich kann das nicht ausschließen. Ich werde
nachfragen und zu recherchieren versuchen, wer sonst
noch bei dieser SDS-Reise dabei war.
({0})
Ansonsten gibt es über die Diskussion meines Wissens
keine Protokolle. Wir jedenfalls haben keine Protokolle
darüber, wie palästinensische Kongresse 1969 im Einzelnen diskutierten.
Eine Zusatzfrage des Kollegen van Essen.
Herr Staatsminister, könnten Sie, nachdem Sie bisher die klaren Fragen 41 und 42
des Kollegen Koppelin nicht beantwortet haben, bitte so
freundlich sein, das jetzt zu tun?
Herr van Essen, wenn der Herr Präsident diese Fragen aufruft, werde ich sie sofort beantworten.
Es liegt im
Ermessen des Staatsministers, ob er eine nicht als dringlich bezeichnete Frage jetzt oder später beantwortet. Der
Staatsminister hat darauf geantwortet.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Uhl, und dann müssen
wir gleich zu der Beantwortung der regulären Fragen
überleiten.
({0})
- Ich kann es nicht ändern, aber wir müssen auch Rücksicht auf die anderen Kollegen nehmen. Auch sie haben
ein Anrecht darauf, hier noch zu Wort zu kommen.
({1})
Ich lasse noch eine Frage zu: Kollege Uhl.
({2})
- Kollege Uhl zieht seine Frage zurück. Dann kann Kollege Ramsauer noch eine Frage stellen. Das ist dann der
Schlusspunkt, es sei denn, jemand aus der sozialdemokratischen Fraktion möchte noch eine Frage stellen.
Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, dass Fischer die Konferenz nach einer Stunde verlassen hat.
({0})
Können Sie ausschließen, dass Fischer in der einen
Stunde, die er teilgenommen hat - wenn auch vielleicht
gelangweilt -,
({1})
selbst das Wort ergriffen hat?
({2})
Nach dem, was ich in Erfahrung gebracht habe, hat
Fischer mit einigen Freunden des SDS diese Sitzung wegen erwiesener Langweiligkeit verlassen und sich stattdessen Algier angeschaut.
({0})
Damit verlassen wir den Komplex der dringlichen Fragen und damit zunächst auch Ihren Geschäftsbereich, Herr Staatsminister. Ich danke Ihnen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf:
Wie sind die öffentlichen Äußerungen der Bundesministerin
für Gesundheit, Ulla Schmidt, über die Öffnung von Möglichkeiten für Gentests im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik ({0})
vor dem Hintergrund zu bewerten, dass die Bundesregierung in absehbarer Zeit offenbar keine neuen Gesetze zur Gentechnik erlassen will, und welcher Zeitraum ist mit dem Begriff „absehbare
Zeit“ gemeint ({1})?
Herr Kollege Seifert, ich
möchte die Frage 1 und die Frage 2 gern gemeinsam beantworten, weil es meiner Meinung nach zwischen diesen
beiden Fragen einen Sachzusammenhang gibt.
Dann rufe
ich auch die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert auf:
Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung in ihren Überlegungen zur Präimplantationsdiagnostik - und im weiteren Sinne
zur Fortpflanzungsmedizin - den vom Deutschen Behindertenrat
({0}) am 4. Dezember 2000 und von Experten bei einer Anhörung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages
„Recht und Ethik der modernen Medizin“ am 13. November 2000
gegen die PID geäußerten Bedenken bei?
Vor der Entscheidung
über gesetzliche Regelungen in diesem Bereich sollte nach
Auffassung der Bundesregierung die begonnene Debatte
über die Fortpflanzungsmedizin und damit auch über die
Präimplantationsdiagnostik nunmehr im Bundestag intensiv fortgesetzt werden.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Diskussionsprozess interdisziplinär und fraktionsübergreifend
erfolgt und angesichts der grundlegenden Bedeutung der
zu treffenden Entscheidung für verschiedene Grundrechtspositionen der Betroffenen, wie zum Beispiel den
Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit,
Menschenwürde und Freiheit der Forschung, aber auch
für die Gesellschaft insgesamt eine sorgfältige und eingehende Diskussion geboten ist. Die Bundesregierung will
den Ergebnissen dieser Diskussion nicht vorgreifen.
Die Einbringung eines Gesetzentwurfs kann erst am
Ende dieser Diskussion stehen. Mit dieser Form des Arbeitens haben wir auch beim Transplantationsgesetz sehr
gute Erfahrungen gemacht.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich gehe
davon aus, dass auch der Bundesregierung nicht entgangen ist, dass die Diskussion zu diesen Themen seit langem
in vollem Gange ist. Insofern verstehe ich nicht ganz, warum Sie jetzt eine Diskussion beginnen wollen.
Aber erlauben Sie mir doch bitte eine präzise Nachfrage zu meiner Frage: Sind nicht auch Sie der Meinung,
dass bestimmte Äußerungen von Ihnen oder von der Ministerin - gerade dann, wenn sie neu ins Amt gekommen
ist - eine Richtung vorgeben, nämlich dahin gehend, wie
Sie die Debatte gern führen würden und mit welchem Ergebnis Sie gern herausgingen?
Es gibt dazu bis
jetzt keine abgeschlossene Haltung der Bundesregierung.
Ich hatte Ihnen gesagt, dass die Regierung der Überzeugung ist, dass diese Debatte breiter geführt werden
müsste, als dies im Augenblick der Fall ist.
Wir hatten zwar einen Kongress seitens des
Bundesgesundheitsministeriums, dieser jedoch hatte einleitenden Charakter. Die Diskussion sollte breiter geführt
werden und auch über die eingerichtete Enquete-Kommission hinausreichen. Zudem sollten, bevor ein Gesetzentwurf erarbeitet wird, die Diskussionen und die Auswertung der Arbeit der Enquete-Kommission abgewartet
werden. Erst dann, glaube ich, wird es die Möglichkeit einer Bewertung geben, und wird Einigung darüber zu erzielen sein, mit welchen Elementen, mit welch einem Ansatz eines Gesetzentwurfes man starten kann und ob ein
solcher Gesetzentwurf überhaupt notwendig wird.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich finde
es sehr erfreulich, dass Sie dies ausführlich und breit diskutieren wollen. Sie haben leider nicht darauf geantwortet, ob auch Sie es als eine gewisse Präjudizierung werten,
wenn der nahezu erste Satz der Gesundheitsministerin in
ihrem neuen Amt lautet, sie könne sich vorstellen, dass
Gentests im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik zugelassen werden können.
Ich möchte noch einmal auf die von Ihnen angesprochene Breite der Diskussionen eingehen und nachfragen:
Dass Sie diesen Kongress zur Fortpflanzungsmedizin als
Start betrachten, ist akzeptabel, wenngleich ich der Meinung bin, dass es schon lange vorher etwas gab. Welche
Formen wollen Sie finanziell, personell und auch strukturell ausbilden, damit es zu einer - wie Sie sagen - so breiten Diskussion kommt, dass sie weit über die Regierung,
die Enquete-Kommission des Bundestages und sonstige,
bereits jetzt involvierte Menschen hinausgeht?
Die Bundesregierung geht davon aus - wie ich vorhin schon ausgeführt
habe -, dass es jetzt zu Diskussionsprozessen kommt, die
über mehrere Ausschüsse und die Fraktionen hinwegreichen. Ich erinnere mich, dass der Diskussionsprozess zum
Transplantationsgesetz seinerzeit nahezu über zwei Legislaturperioden ging. An seinem Ende stand die Klärung
einiger grundsätzlicher Positionen. Schließlich konnten
die Abgeordneten frei entscheiden, welcher Lösung sie
zum Beispiel hinsichtlich der Frage, wann das Leben eines Menschen endet, wann der Tod eingetreten ist, folgen
wollten. Hierüber wurde sehr kontrovers diskutiert und in
unterschiedlichen Anträgen abgestimmt.
Einen derartigen Prozess stellen wir uns auch zu dieser
Frage vor. Wir wollen ihn seitens der Bundesregierung begleiten, glauben aber, dass der Prozess der Meinungsbildung in erster Linie im Parlament, unter den Repräsentanten unserer Gesellschaft stattfinden muss. Wir sehen
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
auch, dass bereits jetzt ein breiter Diskussionsprozess an
den verschiedenen Stellen im Gange ist, dem sich natürlich die Parlamentarier und auch die Bundesregierung
stellen werden.
Eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen Seifert.
Es freut mich, Frau Staatssekretärin, dass Sie dem Parlament und den Querschnittaufgaben
in diesem Zusammenhang eine so hohe Bedeutung beimessen. Aber dennoch: Die Gesellschaft ist doch mehr als
dieses Parlament. Meine Frage zielte darauf ab, wie Sie den
außerhalb des Parlaments stattfindenden gesellschaftlichen
Diskussionsprozess in Kooperation mit uns Parlamentariern unterstützen wollen. Ich habe in meiner zweiten Frage
ausdrücklich auf eine sehr deutliche Stellungnahme des
Deutschen Behindertenrates Bezug genommen - immerhin
ein Gremium, das nur einstimmige Beschlüsse fassen
kann -, der sehr deutlich gesagt hat, welche Befürchtungen
damit verbunden sind. Wenn Sie den Diskussionsprozess
dort fördern wollten, könnten Sie dies im Wege von finanzieller oder sonstiger Unterstützung tun.
Darüber, in welcher
Form wir mit all diesen Gruppen, die es über den Behindertenrat hinaus gibt, diskutieren werden, haben wir noch
keine endgültige Entscheidung getroffen.
Zu einer Zusatzfrage hat der Kollege Aribert Wolf das Wort.
Frau Staatssekretärin, Ihre
Ausführungen, dass Sie einen Diskussionsprozess abwarten wollen und derzeit noch keine abgeschlossene Meinung zu diesem Themenfeld haben, veranlassen mich zu
einer Nachfrage: Heute gibt es eine Agenturmeldung des
Inhalts, dass geplant sei, in der nächsten Legislaturperiode
eine radikale Gesundheitsreform durchzuführen. Wir
führen hier im Parlament bereits seit zwei Jahren Diskussionen über eine Gesundheitsreform; dieser Prozess wäre
jetzt eigentlich entscheidungsreif. Wenn Sie schon bei der
Präimplantationsdiagnostik erst einen Diskussionsprozess
abwarten wollen, könnten Sie jetzt als neue Staatssekretärin doch wenigstens sagen, ob Sie in den Fragen der Gesundheitspolitik entscheidungsfähig sind oder ob das, was
der Bundeskanzler nach diesen „Stern“-Vorabmeldungen
sagt, stimmt, nämlich dass es erst in der nächsten Legislaturperiode eine radikale Gesundheitsreform geben soll.
Die Entfernung von dem eigentlichen Thema ist deutlich erkennbar.
Möchten Sie, Frau Staatssekretärin, dennoch darauf antworten?
Ich habe kein dringendes Bedürfnis, darauf zu antworten.
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur
Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Simone Probst zur Verfügung.
Die Frage 3 der Kollegin Vera Lengsfeld wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Annette WidmannMauz auf:
Welche inhaltliche und gestalterische Verbindung sieht die
Bundesregierung zwischen ihrem neuen Klimaschutzprogramm
und den Darstellungen auf der Seite 16 sowie der Seite 28 der Broschüre „Damit weniger in die Luft geht“, herausgegeben vom
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom Dezember 2000?
Sehr geehrte Kollegin, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Ziel der vom Bundesumweltministerium herausgegebenen Broschüre mit dem Titel „Damit weniger in die
Luft geht“ ist es, auf verständliche und ansprechende
Weise über das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vom 18. Oktober 2000 zu informieren, zugleich aber
auch den europäischen und internationalen Kontext zu erläutern, der durch die 6. Weltklimakonferenz vom November 2000 in Den Haag eine besondere Aktualität erlangte.
Die Broschüre möchte aufzeigen, dass die Klimaziele
der Bundesregierung realistisch sind, dass Klimaschutz
nicht nur der Katastrophenabwehr dient, sondern eine
chancenreiche Zukunftsaufgabe ist, und soll die Leserinnen und Leser für aktives Mitmachen gewinnen.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Widmann-Mauz.
Frau Staatssekretärin, nachdem Sie bislang ausschließlich auf die
Frage des Inhalts dieser Broschüre geantwortet haben,
aber den Bezug zu den gestalterischen Elementen dieser
Broschüre noch nicht dargelegt haben, möchte ich Sie
konkret fragen, welche Aussage das Ministerium mit dieser doppelseitigen Darstellung des Hinterns einer nach
vorne gebeugten Frau zum Thema internationale und europäische Dimension des Klimaschutzes treffen wollte.
Könnten Sie dazu ein paar konkrete Aussagen machen?
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie Sie auf dem
Bild erkennen können, handelt es sich um eine Frau, die
sich, auf der Ladefläche eines typisch amerikanischen
Pick-ups stehend, nach vorne beugt. Grundsätzlich geht
es uns darum, neue gestalterische Wege zu beschreiten,
die zum einen die Phantasie wecken und zum anderen
zum Nachdenken anregen.
({0})
Vor allen Dingen aber soll das Foto zuversichtlich stimmen.
Mit diesem Bild soll die Weite Amerikas und damit die
internationale Dimension assoziiert werden. Es verweist
auf die Schlüsselrolle des Menschen in den Industrienationen für den Klimaschutz vor allen Dingen auf die
Schlüsselrolle der Vereinigten Staaten. Zudem orientiert
es sich sehr stark an dem nachfolgenden Text.
Ich denke, dass gerade die Haltung dieser Frau, wenn
Sie sie genau betrachten, zum Ausdruck bringt: Ich suche
mir meinen eigenen Weg. Das Foto strahlt Selbstbewusstsein und Optimismus aus. Damit personifiziert die Frau in
gewisser Weise - auch nach dem Scheitern der Verhandlungen zum Klimagipfel in Den Haag - die deutsche Position zum Klimaschutz.
Deutschland wird beim Klimaschutz weiterhin Vorreiter bleiben und seine anspruchsvollen Reduktionsziele
beharrlich und mit dem Pioniergeist, der aus diesem Foto
spricht, durch nationale Maßnahmen verwirklichen.
Ich kann Ihnen sagen: Mir gefällt das Foto. Ich habe
mich sehr dafür eingesetzt, dass es in der Broschüre
Berücksichtigung findet.
Ich schlage
vor, dass Sie das Foto gleich dem Präsidium zur Verfügung stellen.
({0})
Ich gebe nun der Kollegin Widmann-Mauz das Wort zu
einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Präsident, das werde ich im Anschluss an die Fragestunde
gerne tun.
Frau Staatssekretärin, nachdem Sie in Ihrer Antwort
deutlich gemacht haben, dass Sie sich persönlich für die
Abbildung dieses Fotos eingesetzt haben: Darf ich dieses
Bild dann als einen aktiven Beitrag zu Gender Mainstreaming in der Bundesregierung - unter frauenspezifischen
Aspekten - auffassen? Wie viele Steuergelder sind denn
für diese Broschüre mit den sehr einschlägigen Darstellungen von Frauen verwendet worden?
Das Umweltministerium bemüht sich, bei den Darstellungen in den Broschüren und überhaupt in unseren gesamten Publikationen auf ein ausgewogenes Verhältnis der
Geschlechter zu achten.
Wenn ich Ihre Frage dahin gehend verstehe, dass Sie in
unseren Broschüren einen höheren Anteil attraktiver
Männer vermissen, werde ich dies gerne als Anregung
aufnehmen und versuchen, Abhilfe zu schaffen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Weiß.
Frau
Staatssekretärin, in dieser Broschüre findet sich unter anderem auch ein Foto, das das Dekolleté zweier Teenagerinnen zeigt.
({0})
Das Foto
hätten wir auch gerne.
({0})
Herr Präsident! Es geht mir bei meiner Frage weniger um das Dekolleté der Teenagerinnen als vielmehr darum, zu welchem Zweck diese Abbildung erfolgt ist, nämlich, inwiefern es dazu dient, die Erfolge des Klimaschutzes zu
demonstrieren.
Deshalb ist meine Frage: Ist Ihnen die angewandte
Messtechnik, die Erfolge des Klimaschutzes anhand des
Dekolletés der beiden Teenagerinnen zu beweisen, von
wissenschaftlicher Seite empfohlen worden?
Herr Kollege, ich glaube, dass Sie den Zusammenhang,
mit gestalterischen Elementen in der Werbung Inhalte zu
vermitteln, etwas unterschätzen. Wenn Sie die Unterschrift auf diesem Bild „Perspektive 2020 - langfristiger
Klimaschutz bringt messbaren Erfolg“ sehen, werden Sie
erkennen, dass die dargestellte Badeszene im Meer ein
Bild weiter Perspektive vermitteln will.
({0})
Mir gefällt das Foto daher noch besser als das erste, da es
eine Faszination intakter Natur vermitteln will. Ich denke,
dass die Unterschrift des Bildes „Perspektive 2020 - langfristiger Klimaschutz bringt messbaren Erfolg“ einen engen Zusammenhang zu der Zukunftsaufgabe der Menschheit, eine intakte Natur auch für künftige Generationen zu
bewahren, bildet. Wenn man das Bild im Zusammenhang
mit dem Klimaschutz sieht, wird man nachvollziehen
können, dass, sollte der Meeresspiegel durch unterlassenen Klimaschutz weiter steigen, nicht nur Überflutungen
drohen, sondern ein Großteil der weltweit attraktivsten
Badestrände verloren geht.
Insofern glaube ich, dass das ein gutes Bild in der richtigen Broschüre ist.
({1})
Eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen Barthle.
Frau Staatssekretärin,
da Sie sich gerade über die Wirksamkeit von Werbebotschaften geäußert haben und die Frage, wie viel diese Broschüre gekostet hat, noch unbeantwortet blieb, möchte ich
Sie jetzt fragen: Können Sie uns wenigstens sagen, welche Werbeagentur diese Broschüre verfasst hat? Handelte
es sich dabei zufällig um dieselbe Werbeagentur, die die
baden-württembergischen Grünen bei ihrer Postkartenaktion - Stichwort: „Grün fickt besser“ - beraten hat?
Ich habe die Zahlen über die Kosten der Kampagne zurzeit nicht vorliegen. Insofern kann ich auch nicht sagen,
wie viel diese Broschüre gekostet hat. Ich werde Ihnen die
Antwort dazu gerne nachreichen.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass uns die starke - vor allen Dingen internationale - Resonanz auf die neueren Veröffentlichungen des Bundesumweltministeriums im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit ermutigt und uns gezeigt hat, dass gerade eine gelockerte, ansprechende und
zur Diskussion anregende Darstellung dazu beiträgt, eine
inhaltliche Auseinandersetzung mit den behandelten Themen zu unterstützen und vor allen Dingen in konstruktive
Bahnen zu lenken. Es wird daher weiter das Anliegen des
Umweltministeriums sein, sich darum zu bemühen, Informationen über umweltpolitische Ziele in seiner Öffentlichkeitsarbeit mit einer Bild- und Sprachenwelt, die
gerade die jüngere Generation anspricht, zu vermitteln.
Ich denke, die gute Resonanz auf die Broschüre bestätigt uns darin, die Frage des Klimaschutzes auf diese
Art und Weise in der Öffentlichkeit zu diskutieren.
Eine Frage
der Kollegin Kopp.
Frau Staatssekretärin, Sie haben eben gesagt, Sie hätten das entsprechende Zahlenmaterial im Augenblick nicht zur Hand. Eine Bilanz über die
Wirksamkeit kann man jedoch erst ziehen, wenn man dem
Nutzen die Kosten gegenüberstellen kann. Von daher bitte
ich Sie - Sie haben es eben nur zart angedeutet -, uns die
Zahlen auf jeden Fall nachzuliefern.
Frau Kollegin, Sie wissen, dass wir als Bundesregierung
nichts „zart andeuten“, sondern das, was wir sagen, auch
in die Tat umsetzen. Deshalb hätte es Ihrer Nachfrage
nicht bedurft. Sie können sicher sein, dass ich tun werde,
was ich andeute.
({0})
Eine letzte
Zusatzfrage des Kollegen Hohmann.
Frau Staatssekretärin,
nachdem wir jetzt von Ihnen erfahren haben, dass Sie
durch starken persönlichen Einsatz dafür gesorgt haben,
dass die dargestellten Fotos ausgewählt wurden, und
nachdem Sie sich diesbezüglich geradezu enthusiastisch
geäußert haben: Könnten Sie sich vorstellen, dass demnächst auch Staatssekretärinnen als Models auftreten?
Wohl weniger. Das ist auch nicht Sache der Bundesregierung. Das Einzige, was ich als Anregung aus der in der
Fragestunde geäußerten Kritik mitnehme, ist, dass uns attraktive Männer bei der jetzt angestoßenen Diskussion
vielleicht auch helfen könnten. Mein Wunsch ist, dass
sich auch die Männer um den Klimaschutz kümmern. Ich
hatte zu Beginn meiner Antworten darauf hingewiesen,
dass die vorliegende Broschüre nicht nur Phantasie
wecken und zum Nachdenken anregen, sondern auch zum
Mitmachen animieren soll. Vielleicht müssen wir die
Zielgruppe „Männer“ noch etwas stärker ansprechen.
Frau Staatssekretärin, ich danke Ihnen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär WolfMichael Catenhusen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 5 der Kollegin Angelika Volquartz auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass durch die Regelung des
§ 57 c Abs. 2 Hochschulrahmengesetz, der eine längstmögliche
Befristung von Arbeitsverträgen bestimmter Gruppierungen des
Hochschulpersonals von fünf Jahren vorsieht, viele Forschungseinrichtungen gezwungen sind, bei Ablauf dieser Frist für Forschungsprojekte nach fünf Jahren neues Personal einzustellen,
auch wenn das entsprechende Forschungsprojekt noch nicht abgeschlossen ist, und beabsichtigt die Bundesregierung eine Veränderung dieser Vorschrift zum Beispiel im Rahmen der Hochschuldienstrechtsreform?
Ich
frage mich natürlich, ob ich für das Thema „attraktive
Männer“ stehe.
({0})
- Richtig, das ist das Selbstbewusstsein der Bundesregierung.
Frau Kollegin Volquartz, auf Ihre Frage möchte ich
Ihnen Folgendes antworten: Die Zeitvertragsregelungen
des Hochschulrahmengesetzes verfolgen zum einen das
Ziel, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu stärken und
ihnen die unentbehrliche personelle Erneuerungsfähigkeit
zu sichern. Zum anderen zielen die Befristungsregelungen
darauf ab, die Chancen des wissenschaftlichen Nachwuchses, für eine begrenzte Zeit im Hochschul- bzw. Forschungsbereich tätig zu sein, zu wahren. Insgesamt sind die
Regelungen das Ergebnis einer Abwägung zwischen den
Anforderungen, die sich aus der verfassungsrechtlichen
Pflicht des Staates zur Bereitstellung funktionsfähiger Einrichtungen für den freien Wissenschaftsbetrieb einerseits
und aus dem Sozialstaatsgebot andererseits ergeben.
Die nach § 57 c des Hochschulrahmengesetzes bestehenden Höchstgrenzen sollen dabei verhindern, dass eine
wissenschaftliche Nachwuchskraft zu lange in befristeten
Arbeitsverhältnissen beschäftigt wird. Zeitverträge sind
insbesondere nicht dazu da, „wissenschaftliche Projektkarrieren“ mit erhöhter beruflicher und sozialer Unsicherheit dauerhaft zu ermöglichen. Eine befristete Beschäftigung soll vielmehr grundsätzlich nur so lange
erfolgen, bis eine abschließende Beurteilung der Qualifikation möglich ist. Gleichzeitig soll die zeitliche Begrenzung dieser Qualifizierungsphase einen Wechsel in andere Bereiche, insbesondere in die Wirtschaft, gewährleisten und nicht daran scheitern lassen, dass er im
Hinblick auf das Lebensalter der Betroffenen zu lange
hinausgezögert wird.
Die bislang geltenden Befristungsregelungen haben
sich jedoch als für die Praxis bisweilen sehr schwer handhabbar und zu wenig flexibel erwiesen. Die Bundesregierung beabsichtigt daher im Rahmen der Hochschuldienstrechtsreform, die für Hochschulen sowie für staatliche
und institutionell geförderte Forschungseinrichtungen
geltenden Zeitvertragsregelungen grundlegend neu zu gestalten.
Eine Zusatzfrage.
Die Dienstrechtsreformkommission - Sie haben eben darauf hingewiesen - wird sich mit möglichen Änderungen des bisherigen
Regelungsrahmens befassen. Wie sollen nach Meinung
der Bundesregierung bzw. Ihres Ministeriums die Befristungsregelungen geändert werden?
Wir arbeiten noch daran. Wir hielten nach den von der Dienstrechtsreformkommission vorgelegten Ergebnissen ein
Rechtsgutachten für notwendig, weil sich die Kommission mit diesen Fragen nicht in der für die Vorbereitung
einer gesetzlichen Neuregelung notwendigen Tiefe und
Intensität befasst hatte. Bei der vorgesehenen Neufassung
der §§ 57 a bis 57 f gehen wir davon aus, dass für einen
bestimmten, eng begrenzten Zeitraum aufgrund des verfassungsrechtlichen Erfordernisses der Sicherung der
Funktions- und Innovationsfähigkeit der Hochschulen
und insbesondere der Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses befristete Arbeitsverträge das gebotene vertragliche Gestaltungsmittel sind. Grundprinzip der beabsichtigten Neuregelung ist, dass die Befristungslegitimation künftig nicht mehr über einzelne Sachgründe erfolgt,
sondern über Befristungsgrenzen, denen die Vorstellung
von einer „typisierten Qualifikationsphase“, die für viele
zutrifft, zugrunde liegt.
Die zukünftigen Befristungsgrenzen sollen sich an den
für die Juniorprofessur vorgesehenen Zeitraum von maximal zwölf Jahren anlehnen, also drei plus drei Jahre Juniorprofessur im Anschluss an maximal sechs Jahre Promotions- und Post-Doc-Phase. Dementsprechend soll die
Befristung der Verträge von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie von wissenschaftlichen
Hilfskräften künftig ohne Promotion bis zu sechs Jahren
möglich sein. Nach abgeschlossener Promotion kann eine
weitere Befristung bis zu sechs Jahren erfolgen. Wurde
der Zeitraum in der ersten Phase nicht ausgeschöpft, können die nicht genutzten Zeiten an die zweite Phase angehängt werden. Die Möglichkeit, Nachwuchskräfte im
Rahmen von befristeten Zeitverträgen bis zu zwölf Jahren
im Hochschulbereich arbeiten zu lassen, stellt aus unserer
Sicht eine angemessene Regelung und einen erheblichen
Fortschritt im Vergleich zu den jetzigen starreren Fristenregelungen dar.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Ist damit die mir
bekannte Überlegung vom Tisch, dass ein Eingangsvertrag mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren und dann
ein Post-Doc-Vertrag mit einer Laufzeit von bis zu fünf
Jahren geschlossen werden sollten sowie eventuell eine
Anschlussbeschäftigung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz von bis zu zwei Jahren erfolgen sollte?
Ich
weiß nicht, von welchem Tisch Sie sprechen. Auf unserem Tisch lag das nicht. Ich kann Ihnen daher nur den jetzigen Stand der Überlegungen der Bundesregierung vortragen.
({0})
- Ich kann Sie, wie gesagt, nur über den heutigen Beratungsstand informieren.
Es ist allerdings richtig, dass nach Vorlage der Ergebnisse der Reformkommission unsere sehr intensiven Beratungen dazu geführt haben, dass wir Rechtsgutachten
erstellen lassen, weil wir eine abgesicherte Position finden wollen. Wir haben nach ersten Gesprächen den Eindruck, dass das, was ich Ihnen heute vorgetragen habe, sowohl von der Hochschulseite als auch - so hoffen wir von der Gewerkschaftsseite als Fortschritt gegenüber dem
jetzigen Status betrachtet wird.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann danke ich Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern auf.
Wir kommen zunächst zur Frage 6 der Kollegin Gudrun
Kopp:
Hat die Bundesregierung Kenntnis von einer Aufforderung der
Europäischen Kommission aus dem Jahr 2000, ihr wissenschaftliches Beweismaterial vorzulegen, das ihrer Ansicht nach ein Einfuhrverbot für Staffordshire Bullterrier, Pitbull Terrier und American Staffordshire Terrier rechtfertigen könnte, und wenn ja, in
welcher Weise ist die Bundesregierung dieser Aufforderung nachgekommen?
Die Frage beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper.
Frau Kollegin Kopp, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat den
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher
Kampfhunde im Rahmen des üblichen Verfahrens nach
der Richtlinie 98/34/EG der Europäischen Kommission
notifiziert. Innerhalb der dort vorgesehenen dreimonatigen Stillhaltefrist hat die Kommission keinerlei Bemerkungen zu dem Gesetzentwurf abgegeben. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2000 - darauf beziehen Sie sich
wohl - und mit inhaltsgleichem Schreiben vom 8. Januar
2001 hat die Kommission darum gebeten, ihr die wissenschaftlichen Unterlagen zukommen zu lassen, die dem
Einfuhr- und Verbringungsverbot der in Art. 1 § 1 des notifizierten Entwurfs genannten Hunderassen zugrunde liegen. Diese Unterlagen werden in Kürze der Kommission
zugeleitet.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, rechnen
Sie damit, dass möglicherweise ein Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU angestrengt werden könnte?
Frau Kollegin Kopp, es wäre spekulativ, darauf zu antworten. Ich kann mich nur an den
Text der Briefe vom 29. Dezember 2000 und vom 8. Januar 2001 halten. Anhand dieser Unterlagen lässt sich Ihre
Frage nicht beantworten.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Ist Ihnen bewusst, Herr Staatssekretär, dass sich, legt man die Rasseliste des Bundes und
die Rasselisten der Länder über so genannte Kampfhunde
zugrunde, bis zu 50 verschiedene Hunderassen auf der so
genannten Liste der gefährlichen Hunde befinden und halten Sie dies für verhältnismäßig?
Frau Kollegin Kopp, Ihre Frage
zielte in erster Linie darauf ab, wie sich die Kommission
zu unserem Gesetzentwurf und den mit ihm verbundenen
Folgewirkungen verhält. Derzeit kann ich Ihnen darauf
nur antworten, dass dies im Zuge des Verfahrens - ich
denke hier etwa an eine Reaktion der Kommission innerhalb der so genannten Stillhaltefrist - nicht thematisiert
wurde. Nicht mehr, aber auch nicht weniger kann ich Ihnen zu diesem Thema mitteilen.
Dann rufe
ich die Frage 7 der Kollegin Kopp auf:
Trifft es zu, dass die Europäische Kommission darüber hinaus
die Bundesregierung darum gebeten hat, nach dem Vorbild von
Frankreich und Großbritannien die Annahme von weniger drastischen Maßnahmen - als beispielsweise ein Einfuhrverbot - zu erwägen?
Frau Kollegin Kopp, diese Frage
kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Die der Bundesregierung vorliegenden Schreiben der Kommission
vom 29. Dezember 2000 und vom 8. Januar 2001 enthalten keinerlei Hinweis darauf. Es liegen auch keine sonstigen Schreiben dieses Inhalts vor.
Eine Zusatzfrage.
Ich habe auf meine persönliche Frage an EU-Kommissar Byrne die Antwort bekommen, dass die Bundesregierung gebeten wurde, zu
klären, ob es im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung
möglich sei, weniger drastische Maßnahmen zu verhängen. Dazu gehören das Importverbot und natürlich auch
die zuletzt im Grundgesetz vorgenommene Einschränkung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung.
Von Herrn Byrne wird das als eine unverhältnismäßige
Maßnahme eingestuft. Er bittet auch in dieser Angelegenheit die Bundesregierung um Stellungnahme. Es
handelt sich also um keine Bagatelle; vielmehr hat es
schon eine bestimmte Qualität. Wie steht die Bundesregierung dazu?
Liebe Frau Kollegin Kopp, ich
kann mich nur an das halten, was uns von dem zuständigen EU-Kommissar zugeleitet worden ist. Es gibt - das
habe ich Ihnen mitgeteilt - die beiden Schreiben aus zwei
Bereichen. Im Übrigen stelle ich Ihnen diese Schreiben
gern zur Verfügung; das ist alles andere als ein Geheimakt. Das, was diesen Briefen zu entnehmen ist, ist nicht
ganz deckungsgleich mit dem, was Sie aus dem Gespräch
mit dem EU-Kommissar zitiert haben. In diesen Schreiben geht es im Wesentlichen darum, dass man diese Unterlagen von uns noch fordert. Dieser Bitte werden wir
nachkommen. Diese Unterlagen werden in unserem Haus
zurzeit zusammengestellt und dann entsprechend weitergeleitet.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Die angebotenen Kopien dieser Schreiben möchte ich gerne haben. Für die Zur-Verfügung-Stellung bedanke ich mich vorab.
Herr Staatssekretär, finden Sie nicht auch, dass eine
Expertenanhörung zu diesem Thema angesichts dieser
Maßnahmen und dessen, was im Bundestag und im Bundesrat zuletzt entschieden wurde, die Sachlage völlig geklärt hätte und die Fragen, die die EU-Kommission der
Bundesregierung stellt, eigentlich überflüssig gemacht
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
hätte? Können Sie sich erklären, warum die Bundesregierung eine Expertenanhörung gescheut hat?
Ich weiß nicht, ob man irgendetwas gescheut hat; das Ganze ist kein Thema, bei dem
man mit irgendetwas hinter dem Berg halten sollte. Sie
wissen, dass uns dieses Thema noch vor wenigen Tagen
im Vermittlungsausschuss beschäftigt hat. Herr Kollege
van Essen war dabei und hat sich zu diesem Thema verhalten.
({0})
Ich glaube, mehr darf ich dazu nicht sagen. Das täte auch
nichts zur Sache.
({1})
An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Diskussionsprozess schwierig ist.
Frau Kollegin Kopp, ich will Ihre Frage zum Anlass
nehmen, um auf Folgendes hinzuweisen: Einer „Spiegel“Meldung vom 12. Februar konnte man entnehmen, dass
uns der zuständige EU-Kommissar angeblich aufgefordert habe, nach dem Vorbild von Frankreich und Großbritannien die Annahme von weniger drastischen Maßnahmen zu erwägen. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Dies
konnte ich den Unterlagen nicht entnehmen. Es gibt mit
bestimmten Verbänden wohl einen Briefwechsel über dieses Thema. Ich kann Ihnen nur mit aller Klarheit sagen:
Dem Briefwechsel zwischen der Kommission und der
Bundesregierung ist das nicht zu entnehmen.
Es gibt
keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr
Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen.
Die Fragen 8 und 9 des Kollegen Michelbach werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte
Schulte zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Rossmanith auf:
Welches Ergebnis brachte die „Nachbereitung des Entwurfs“ Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium der
Verteidigung, Walter Kolbow, am 30. Januar 2001 in der „Augsburger Allgemeinen“ - über die Feinausplanung und Stationierung
der Bundeswehr für die Standorte in Bayern und im Besonderen im
Regierungsbezirk Schwaben?
Herr Präsident! Das langjährige Haushaltsausschussmitglied des Deutschen Bundestages fragt diesmal nicht nach Geld, sondern nach den
Gesprächen, die der Bundesminister Scharping mit den
Ministerpräsidenten der Länder führt. Es ist so, dass er sie
führt, Herr Kollege. Er beabsichtigt, nach diesen Gesprächen die abschließende Entscheidung über die künftigen Standorte der Bundeswehr zu treffen. Der bayerische Ministerpräsident Stoiber wird im Gegensatz zu den
meisten seiner Kollegen allerdings erst morgen mit dem
Bundesverteidigungsminister in Berlin zusammentreffen.
({0})
Verehrte Frau
Staatssekretärin, da ich Sie sehr schätze, würde ich jetzt
die sonst eigentlich angebrachte Bemerkung, dass Sie mit
Ihren Ausführungen meine Frage natürlich nicht beantwortet haben, gerne unterlassen. Stattdessen frage ich Sie
jetzt noch einmal: Steht fest, dass am Freitag der angebliche Entwurf der Feinausplanung ein völlig anderes Aussehen haben wird als - ({0})
- Nein, ich habe gefragt, wie das aussieht. Ich erläutere es
Ihnen, liebe Frau Kollegin Kastner, gerne noch einmal.
Also: Wird die Feinausplanung, die uns am 29. Januar
im Verteidigungsausschuss und dann anschließend auch
der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist, am kommenden
Freitag, wenn der Herr Bundesminister Scharping das
endgültige Konzept vorstellt, ein völlig anderes Gesicht
haben?
Dass sie ein völlig anderes Gesicht haben wird, habe ich nirgendwo gehört und das auch
nicht Ihrer Frage entnommen. Ich habe Ihnen nur erklärt,
dass über die Feinausplanung, die der Bundesverteidigungsminister, wie Sie wissen, erst dem Verteidigungsausschuss und dann parallel den Ministerpräsidenten vorgestellt hat, Gespräche mit den Ministerpräsidenten
geführt werden sollten, in denen diese ihre Einwände vorbringen konnten. Ich führe aber, wie die meisten anderen
Mitglieder unseres Kollegiums und des Ministeriums,
zurzeit auch Gespräche mit den Kommunen, deren Vertreter zu uns kommen, um ihre Argumente vorzutragen.
Bundesminister Scharping, der die Verantwortung für
dieses Konzept trägt, will nach den Gesprächen mit den
Ministerpräsidenten, den Abgeordneten und dem morgigen Gespräch mit Herrn Stoiber die künftige Ausgestaltung der Stationierung der Bundeswehr abschließend am
Donnerstagabend festlegen. Er wird sie am Freitagmorgen der Öffentlichkeit und vor allen Dingen den Abgeordneten zur Kenntnis geben. Morgen hat der bayerische
Ministerpräsident noch einmal die Gelegenheit, die Bedenken des Landes Bayern natürlich auch bezüglich der
Feinausplanung im Bereich der Standorte im Regierungsbezirk Schwaben vorzutragen. Ich wundere mich, dass er
diese Gelegenheit nicht schon vorher wahrgenommen hat.
Ist Ihnen, Frau
Staatssekretärin, bekannt, dass der Bundesminister der
Verteidigung, Rudolf Scharping, es nicht für notwendig
erachtet hat, vor der Vorstellung seiner Feinausplanung,
die die Schließung von annähernd 100 Standorten vorsieht - 59 ganz und fast die gleiche Anzahl, bei denen es
sich um eine De-facto-Schließung handelt -, mit den
kommunalen Mandatsträgern oder den Verantwortlichen
vor Ort zu sprechen, und dass der bayerische Ministerpräsident, Edmund Stoiber, dies in der relativ kurzen Zeit vom
29. Januar bis heute gemacht hat, weil er es für erforderlich hielt, um mit dem Bundesminister der Verteidigung,
Rudolf Scharping, am Donnerstagabend das endgültige
Gespräch in der Erwartung zu führen, dass „das Endkonzept eindeutig anders aussehen wird“, wie es der Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow am 30. Januar
in der „Augsburger Allgemeinen“ behauptet hat?
Ich selbst weiß ebenso wie der
Kollege Kolbow und Minister Scharping, dass diese Vorschläge, die natürlich keiner der betroffenen Gemeinden
und Landesregierungen besonders gefallen - das ist doch
völlig klar -, unter dem Gesichtspunkt einer Modernisierung der Bundeswehr erarbeitet wurden. In einigen Bereichen wurden Vorschläge und Alternativen benannt, die
natürlich von den dadurch betroffenen anderen Ministerpräsidenten sofort abgelehnt wurden. Deswegen wage ich
vorauszusagen, dass die Standorteplanung bezüglich
Schließung und Reduzierung - man kann nun wirklich
nicht von einer De-facto-Schließung sprechen, wenn von
über 4 000 Dienstposten 1 300 entfallen sollen - sich nicht
groß ändern wird. Wir alle sind uns ja darüber einig und
kommen im weiteren Verlauf der Fragestunde darauf zu
sprechen, dass der Umfang der bisherigen Strukturen
nicht mehr beibehalten werden kann. Auf der einen Seite
hat zwar jede betroffene Kommune Argumente vorgetragen, warum gerade ihr Standort erhalten bleiben muss, auf
der anderen Seite muss aber die Grundlage für die Entscheidungen des Verteidigungsministers eine leistungsfähige und einsatzfähige Bundeswehr sein.
Wieweit es da Veränderungen geben wird, wage ich,
selbst nachdem ich die Argumentationen sämtlicher Ministerpräsidenten gelesen habe, sie natürlich auch in der
Öffentlichkeit vorgetragen habe, heute nicht zu prognostizieren. Aber dass eine große, totale Veränderung kommen wird, glaube ich nicht.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Lenke.
Frau Staatssekretärin, da Sie gesagt haben, am Donnerstagabend werde das Konzept vorgestellt, frage ich Sie, ob auch über die Schließung oder
den Erhalt der Kaserne in Dörverden im Landkreis Verden, Niedersachsen, entschieden werden wird.
Wenn ich gleich eine zweite Frage anschließen darf.
Eigentlich
dürfen Sie das nicht, Frau Kollegin.
Darf ich nicht. Gut, dann stelle ich
das zurück.
In Bezug auf Dörverden wird,
nachdem das Land Niedersachsen seine Bedenken vorgetragen hat, wie bei allen anderen Punkten noch einmal
eine Abwägung durchgeführt werden. Aber der Bundesverteidigungsminister wird nicht mehr Standorte erhalten
können. Er muss die wirtschaftliche Entwicklung berücksichtigen. Sie wissen, Dörverden ist einer jener Standorte,
die in Alternative zu dem nordrhein-westfälischen Standort Lippstadt stehen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Adam.
Frau Staatssekretärin, Sie
sprachen eben die Kontakte zwischen dem Bundesminister der Verteidigung, Scharping, und den Ministerpräsidenten an. Wie erklären Sie sich, dass erwiesenermaßen
die SPD-Kollegen schon am 28. Januar, also einen Tag
vor der Sitzung des Verteidigungsausschusses, über die
geplanten Schließungen informiert wurden, aber der
SPD-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern
nach seiner Aussage erst am 29. Januar dieses Jahres informiert worden ist? Worin liegen Ihrer Ansicht nach die
Ursachen?
Worin die Ursache liegt, kann
ich deshalb nicht sagen, weil wir als erstes am Montagmorgen in einer Sondersitzung - Herr Kollege Adam, ich
glaube, Sie sind da gewesen - den Verteidigungsausschuss als den für uns zuständigen Ausschuss unterrichtet
haben. Zeitgleich sind die Ministerpräsidenten davon unterrichtet worden. Minister Scharping hat im Vorfeld Gespräche mit den Ländern geführt und ihnen gesagt, was er
vorhat, nach welchen Kriterien er dabei vorgeht und dass
sich alle darauf einzustellen haben, dass bestimmte Standorte in der zuvor bestehenden Größenordnung nicht mehr
da sein werden.
Ich konnte zur Kenntnis nehmen, dass Herr Stoiber,
Herr Ringstorff, Herr Gabriel und alle anderen dies zwar
damals wahrgenommen haben und dass sie zwar die Auffassung von Minister Scharping hinsichtlich der Notwendigkeit, die Bundeswehr zu reformieren, akzeptiert haben,
jeder aber im konkreten Fall natürlich in seinem eigenen
Land Beschwernisse hat.
Wir sind, wie gesagt, so vorgegangen, dass wir am
29. Januar morgens den Verteidigungsausschuss unterrichtet haben.
Eine Zusatzfrage des Kollegen van Essen.
Frau Staatssekretärin, nachdem Minister Scharping erklärt hat, er wolle wegen der
Schließung des Standortes Dörverden mit Abgeordneten
über diese Schließung sprechen, und dies jedenfalls bisher mit der Kollegin Lenke nicht geschehen ist, frage ich
Sie: Können Sie mir eine Auskunft dazu geben, ob ein solches Gespräch noch gesucht wird, bevor die endgültige
Entscheidung über Dörverden getroffen wird?
Herr Kollege, das ist sehr unterschiedlich gehandhabt worden. Es gab Standorte, bei
denen Bundestagskollegen, nachdem erst einmal bekannt
war, welche geschlossen werden sollten - bei der beabsichtigten Auflösung von acht der zehn Transportgeschwader konnte man sich denken, bei welchen das der
Fall sein würde -, gemeinsam ihre Bedenken vorgetragen
haben. Auch die Gemeinde Dörverden hat ihre Bedenken
übrigens vorher vorgetragen. Ich bin zu einem Besuch
dort gewesen. Sie hat sie auch bei anderen Anlässen vorgetragen.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass das natürlich auch eine
Frage der Kollegen selbst ist. Der Bundesverteidigungsminister hat Gespräche angeboten.
({0})
Ich pflege sie ständig. Ich werde anschließend mit der
Stadt Bayreuth reden. Ich kann mich nicht erinnern, dass
die Frau Kollegin Lenke sich gemeldet hat und gesagt hat,
sie möchte mit uns ein Gespräch führen.
({1})
- Frau Lenke, ich muss Ihnen sagen: Das ist entweder eine
Panne gewesen oder - ich habe das mit der Gemeinde verabredet - ich habe das nicht wirklich wahrgenommen. Ich
pflege das eigentlich zu tun; das muss ich wirklich sagen.
({2})
Ich rufe die
Frage 11 des Kollegen Rossmanith auf:
Verbleibt das Jagdbombergeschwader 34 „Allgäu“ am Standort Memmingerberg, und falls nein, für welchen Zeitrahmen ist
die Auflösung vorgesehen?
Herr Kollege Rossmanith, es
ist beabsichtigt, das Jagdbombergeschwader 34 in Memmingen aufzulösen. Der zeitliche Rahmen für die Realisierung dieser Entscheidung wird derzeit untersucht. In
Bayern bleiben aber noch immer drei fliegende Geschwader, nämlich die Tornadogeschwader in Lechfeld und in
Neuburg sowie das Transportgeschwader in Landsberg,
und fünf andere große Luftwaffenstandorte, nämlich
Fürstenfeldbruck, Kaufbeuren, Erding, Manching und
Leipheim, erhalten.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist damit der Tagesbefehl des Inspekteurs der Luftwaffe, General Portz, vom 29. Januar außer Kraft gesetzt,
in dem er expressis verbis zum Ausdruck bringt, dass mit
der Auflösung des Jagdbombergeschwaders 34 „Allgäu“
noch im Jahr 2001 zu beginnen und die Auflösung im
Jahre 2003 zu beenden sei?
Ich habe diese Nachfrage vermutet. Sie betrifft die Vorstellung des Inspekteurs der
Luftwaffe, der den Personalbestand, den Materialeinsatz
und das Funktionieren der logistischen Bereiche sicherstellen muss. Wir werden sehen, ob es gelingt, beginnend
mit dem Jahr 2001, diese Auflösung zu erreichen. Sie
hängt davon ab, wie aufnahmefähig die anderen Standorte
sind und wie viele Maschinen wir für kommende Einsätze
behalten werden.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, es geht doch um die Auflösung und nicht um die
Verschiebung des Jagdbombergeschwaders an einen anderen Standort.
Herr Kollege, Ihre Frage passt
gut in diesen Zusammenhang. Die Zahl der Maschinen,
die wir vorgefunden haben, war nur auf dem Papier groß.
Die Bundesrepublik Deutschland war nämlich 1999 im
Kosovo nur in der Lage, sich mit 14 Flugzeugen an diesem internationalen Einsatz zu beteiligen, weil die anderen Flugzeuge weder hinsichtlich ihrer elektronischen
Ausstattung noch hinsichtlich der vorhandenen Waffensysteme für diesen Einsatz geeignet waren.
Wir finden also in der Luftwaffe wie in vielen anderen
Bereichen sozusagen hohle Strukturen vor. Die Fragen
des Kollegen Nolting befassen sich mit der Personalsituation; ich werde dann auf diesen Punkt noch näher eingehen. Ich kann aber schon jetzt sagen, dass keiner der Zeitund Berufssoldaten seinen Arbeitsplatz verliert. Die betreffenden Soldatinnen und Soldaten werden an anderer
Stelle dringend gebraucht. Ich gehe davon aus, dass wir
für die zivilen Mitarbeiter, die auf den Truppenübungsplätzen und auf den Fliegerhorsten eine große Rolle spielen, eine angemessene anderweitige Verwendung finden.
Ich rufe die
Frage 12 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf:
Welche Alternativen sieht die Bundesregierung zur angekündigten Schließung des Bundeswehrstandortes Schneeberg in
Sachsen vor dem Hintergrund, dass aufgrund von Wismutaltlasten
diese EU-Grenzregion besonders hart betroffen ist und seit 1990
circa 110 Millionen DM in die Infrastruktur des Standortes investiert worden sind?
Herr Kollege Dehnel, der
Bundesminister der Verteidigung hat im Anschluss an die
Vorstellung des Entwurfs des Ressortkonzepts zur grundlegenden Neustrukturierung der Bundeswehr angekündigt, dass er alle Alternativen für Standorte sorgfältig prüfen wird. Dies gilt natürlich auch für Schneeberg. - Die
Beantwortung der nächsten Frage würde gut in diesen Zusammenhang passen.
({0})
Ich rufe also
auch noch die Frage 13 des Kollegen Wolfgang Dehnel
auf:
Sieht die Bundesregierung eine Alternative, aus dem Standort
Leipzig, wo noch circa 3 000 Soldaten stationiert bleiben sollen,
der aber ein wesentlich besseres wirtschaftliches Umfeld als die
Region um Schneeberg aufweist, circa 1 000 Soldaten im Standort Schneeberg zu stationieren, damit der für die Region Südwestsachsen wichtige Standort erhalten bleibt?
Die Verlegung von Truppenteilen aus Leipzig nach Schneeberg ist nicht zweckmäßig.
Das Stabsfernmeldebataillon 701 sollte in räumlicher
Nähe zum Kommando der 13. Panzergrenadierdivision
stationiert bleiben. Auch das Verteidigungsbezirkskommando und die in Leipzig stationierten Feldjägerkräfte sind durch ihre Aufgaben an den Standort Leipzig
gebunden, so die Aussage der Militärs.
Herr Kollege Dehnel, Sie haben jetzt vier Zusatzfragen.
Frau Staatssekretärin, ich verstehe ja, dass die Bundesregierung an einer
Strukturreform arbeitet, um die Zukunft der Bundeswehr
zu sichern. Aber es muss auch an die Zukunft der betreffenden Region gedacht werden. Vor diesem Hintergrund
möchte ich meine erste Zusatzfrage stellen.
In den Standort Schneeberg wurden in den letzten zehn
Jahren circa 110 Millionen DM investiert. Es wurden sieben Kompaniegebäude saniert. Vor kurzem wurde eine
Großküche eingeweiht. Es gibt ein Feldwebelwohnheim
mit etwa 50 Zimmern, zwei Kfz-Werkstätten und einen
Saal mit gastronomischen Einrichtungen. Wie stellen Sie
sich vor, diese Immobilien in der Zukunft für die Region
bereitzustellen, wenn Sie jetzt den Standort schließen
wollen?
Ich kenne den Standort. Ich
war im Mai 1998 da und habe mich gefragt, warum die
alte Bundesregierung dort ausgerechnet ein Gebirgsjägerbataillon aufgestellt hat.
({0})
- Da fallen mir auch das Sauerland oder das Weserbergland ein, Herr Kollege Breuer.
({1})
Ich muss Ihnen wirklich sagen: Wir haben die drei Gebirgsjägerbataillone in Bad Reichenhall, Mittenwald und
Bischofswiesen, die auch schon damals da waren. Dann
sind, aus mir völlig unverständlichen Gründen, in Schneeberg Gebirgsjäger stationiert worden. Dass der Standort
erhalten werden soll, ist mir verständlich, aber die Stationierung damals war meines Erachtens ein Fehler.
Ich sage Ihnen - das sage ich auch im Westen -: Mir tut
jeder Standort in den neuen Bundesländern Leid, der geschlossen werden soll
({2})
- darauf kommen wir noch; dazu gibt es auch eine Frage -,
weil ich meine, dass da die Identifikation mit der Bundeswehr erfolgt ist. Aber wir brauchen nur drei Gebirgsjägerbataillone und die sind - da können Sie Ihre bayerischen
Kollegen fragen - aufgrund ihres Übungsprofils in den Alpen besser aufgehoben.
({3})
Sie haben gerade die
Gebirgsjägerbataillone angesprochen und gesagt, dass Sie
für das in Schneeberg keine Verwendung haben. Ich habe
aber nach Alternativen gefragt. Sieht denn die Bundesregierung keine Möglichkeit, von einem anderen Standort
entsprechende Leute bereitzustellen, die dort stationiert
werden? Es ist ja verständlich, dass sich der Oberbürgermeister von München, Herr Ude, am Montag in einem Interview im Deutschlandfunk glücklich gepriesen und gesagt hat, er freue sich, dass zum Beispiel der Standort
Schneeberg geschlossen werde, weil er selber dann entsprechend investieren könne. Es ist verständlich, dass in
München die Freude groß ist. Aber die Schließung des
Standortes Schneeberg betrifft eine ganze Region und hat,
glaube ich, einschneidende Wirkungen. Vielleicht wäre es
möglich, dass Leute von einem anderen Standort nach
Schneeberg kommen.
Wir sind aber in der Situation,
dass wir fast nur Gemeinden treffen - natürlich noch stärker in den neuen Bundesländern -, bei denen sowohl die
Identifikation zwischen der Bundeswehr und der Bevölkerung als auch die wirtschaftliche Bedeutung der Bundeswehr für die jeweilige Region groß ist. Wenn wir die
Standorte erhalten, sind wir jedoch nicht in der Lage, eine
leistungsfähige Bundeswehr zu schaffen. Wir müssen die
Strukturen auf den Einsatz hin orientiert organisieren. Das
ist unser Problem. Es nützt uns nichts, hohle Strukturen zu
haben.
Ich wünschte mir, für Schneeberg hätten wir eine Alternative. Ich habe Ihnen schon vorgetragen, dass wir
Leipzig geprüft haben. Sie sehen an der Frage, die mir am
Anfang gestellt wurde, bezüglich der Bereitschaft zu Alternativen: Jeder möchte gern etwas aus einem anderen
Bundesland haben; aber keiner ist bereit, aus seinem eigenen Bundesland etwas abzugeben.
({0})
- Das wollen wir auch.
Ich sage das vor
dem Hintergrund, dass Sachsen hinsichtlich der Standorte
besonders benachteiligt ist. In Sachsen werden nur
8 000 Soldaten stationiert. In Schleswig-Holstein zum
Beispiel sind es 39 000, und zwar bei einer viel geringeren Bevölkerungszahl, in Rheinland-Pfalz sind es circa
36 000, obwohl Rheinland-Pfalz ungefähr die gleiche Bevölkerungszahl wie Sachsen hat. Deshalb ist meine Frage:
Werden Sie, wenn die Schließung wirklich beschlossen
werden sollte - was ich noch immer nicht glaube -, die
Region und die Kommunen bei der Vermarktung der Immobilien unterstützen und Unterstützung auch von anderen Ministerien einfordern, die für Ersatzstandorte - ich
denke zum Beispiel an Zoll, Bundesgrenzschutz - sorgen
können?
Sie wissen doch, welche Diskussionen wir in den letzten Jahren um den Bundesgrenzschutz und die Schließung von Kasernen gehabt haben.
Das ist vielleicht bei Ihnen im Grenzbereich noch eine andere Situation.
Behilflich sein wollen wir auf jeden Fall. Aber ich vermute, dass man, wenn man 1991 in Schneeberg eine Alternative zum Beispiel durch den Bundesgrenzschutz gehabt hätte, diese wahrgenommen hätte. Mich tröstet nur
eines, Herr Dehnel: Wenn mehr Leute aus Westdeutschland wüssten, wie schön das Erzgebirge ist,
({0})
und wenn sie wüssten, welch eine Lebensqualität es hat
- ich habe damals in Aue gewohnt -, dann würden wir diesen Standort vielleicht relativ bald für Tourismus und
Weiterbildungsmaßnahmen nutzen können.
({1})
- Nicht überall ist es aber in hohem Maße zutreffend, lieber Herr Kollege. In Bayern sind Sie natürlich der gleichen Meinung. Aber das Erzgebirge ist in der Tat ein attraktives Gebiet. Ich habe bei meinem Besuch dort
allerdings nur relativ wenige Touristen aus Bayern und relativ viele aus Nordrhein-Westfalen getroffen. Wenn wir
vielleicht noch ein paar Leute mehr aus dem Westen gewinnen könnten, auch diese Region zu besuchen, wäre es
leichter.
({2})
Ich sage Ihnen: Es tut mir sehr Leid. - Aus dem Einzelplan 14 sind wir natürlich mitnichten in der Lage - wir
wollen ja auch noch bei Betrieb und Unterhalt zusätzlich
Geld sparen -, die Kommunen und die Länder zu unterstützen.
Eine Frage noch. Bei
der letzten Debatte hat mir der SPD-Sprecher, Herr
Zumkley, geantwortet, dass noch eine Alternative bestünde. Wenn der Ministerpräsident von Sachsen, Herr
Biedenkopf, einen entsprechenden Vorschlag machte,
könnten Sie sich möglicherweise erkenntlich zeigen. Sehen Sie Chancen oder sind die Messen für Schneeberg
schon gelesen?
Das werden wir morgen Abend
sehen. Herr Biedenkopf war auch letzte Woche schon bei
Herrn Scharping und hat ihm die Probleme noch einmal
mit großer Dringlichkeit geschildert. Er hat, wie ich erfahren habe, auch ausdrücklich auf das Ungleichgewicht
der Stationierung in Ost und in West aufmerksam gemacht.
({0})
Der Kollege Rossmanith hat vergessen, dass wir ja
noch an 47 Standorten einen Abbau aufgrund vorangegangener Planungen überwiegend in den neuen Bundesländern durchzuführen haben und die Begeisterung auch
diesbezüglich nicht sonderlich ausgeprägt ist.
({1})
Ich kann Ihnen nur sagen: Es wird schwierig werden. - Zu
meinem großen Bedauern sehe ich gerade, dass der Kollege Nolting nicht anwesend ist. Ich hätte nämlich noch etwas zu den Zahlen, also darüber, wie viele Soldaten uns
zur Verfügung stehen, sagen können.
({2})
Zu Frage 13 möchte
jetzt der Kollege Adam eine Frage stellen. - Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, Sie
haben in Ihren Darlegungen unter anderem festgestellt,
dass die Standortschließungen für die neuen Länder besonders schwer sind. Ich weiß aus gemeinsamen Reisen,
dass Sie die Situation vor Ort sehr gut kennen. Wie erklären Sie es sich dann, dass der Minister der Verteidigung Kriterien aufgestellt hat, die, wenn man sie genau
nimmt, dazu geführt hätten, dass bei den Vorschlägen zur
Schließung von Standorten die neuen Bundesländer
außen vor geblieben wären? Warum ist es dazu nicht gekommen?
Weil die Bataillone oder die
Flugabwehrregimenter in dieser Form für eine neue, am
Einsatz orientierte Bundeswehr zum Teil wirklich nicht
mehr notwendig waren. Unser Problem besteht darin,
dass man zum Beispiel Feldjäger in Leipzig hat, dass man
sie dort aber auch für vielfältige Aufgaben und mehr als
in Schneeberg braucht. Man müsste sie sonst ständig herantransportieren, um sie dort für entsprechende Aufgaben einzusetzen. Herr Kollege Adam, vielleicht hatten wir
am Anfang der Stationierung - 1991 - alle nicht den Mut,
mehr Verbände in den Osten zu legen. Es gab allerdings
damals auch das Ansinnen der früheren Warschauer-PaktStaaten, die das damals eher noch als eine Bedrohung angesehen hätten. Wäre es uns damals gelungen, mehr Soldaten in die neuen Bundesländer zu verlegen und das
Geschrei der westdeutschen Bundesländer zu ertragen,
wäre heute manches leichter. Wir lösen Verbände auf, die
wir für die Zukunft im Grunde nicht brauchen.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Janovsky.
Frau Staatssekretärin,
ich habe zu Schneeberg noch eine Zusatzfrage. Sie hatten
sinngemäß geantwortet, dass aus militärischen Überlegungen heraus eine Verlegung von Leipzig nach Schneeberg nicht infrage komme. Halten Sie es aus strukturpolitischen Überlegungen heraus für möglich, eine solche
Entscheidung zu treffen? Aus strukturpolitischen Überlegungen heraus muss ja manchmal etwas gegen die Vernunft entschieden werden, um auch in Grenznähe oder in
strukturschwachen Regionen Einrichtungen anzusiedeln.
Aber das Leid ist, dass wir
diesen Bedarf dort wirklich nicht haben. Denn die Gebirgsjägerbataillone haben natürlich Kontakt zu Bad Reichenhall, zu der Gebirgsjägerbrigade. Unser Nachbarland
dort ist unser Partner im Bündnis. Die Tschechische Republik ist Mitglied der NATO, also hat in diesem Fall die
Grenzregion nur eine Bedeutung, indem man sich austauscht und zusammenarbeitet. Im Moment haben wir
- es geht uns ja in einigen Teilen so - einfach keinen Bedarf für die Nutzung dieser Kasernenanlagen. Die Wirtschaftlichkeit ganz außer Acht zu lassen ist nicht im Interesse der Soldaten. Dies ist entscheidend, wenn sie sagen
sollen: Jawohl, wir sind mit der militärischen Dislozierung einverstanden.
Zu einigen weiteren Standorten haben die Militärs andere Empfehlungen gegeben. Wir haben dazu gesagt:
Nein, so viele Soldaten können wir nicht verlegen. Nach
deren Vorschlägen hätten wir fast die Hälfte der Verbände
in den neuen Bundesländern wieder verlegen müssen. Das
kam nicht infrage.
Wir sind noch bei
Frage 13. Eine Zusatzfrage hat jetzt der Kollege
Rossmanith. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, trifft es zu, dass es sich bei den von Ihnen soeben ins
Gespräch gebrachten 47 Standorten, nach denen nicht gefragt wurde und die gemäß der letzten Reform von Ihnen
noch geschlossen werden sollen, um Abwicklungen handelt und dass an diesen Standorten nur noch die Soldaten
vorhanden sind, die diese Endabwicklung vornehmen
müssen?
Das sind ganz gravierende Bereiche. Zum Beispiel werden aus Oldenburg umfangreiche
Verbände nach Bad Sülze verlegt. Aus Wunstorf bei
Hannover wird als Letztes das Transportgeschwader in die
Nähe von Berlin verlegt. Das wurde damals beschlossen
und ist bis jetzt nicht geschehen. Wir haben im Rahmen
dieser Abwicklung gesagt: Wir werden keine Transallmaschinen mehr verlegen, sondern werden das neue Transportflugzeug der Zukunft dort hinverlegen. Das wird dann
als Letztes geschehen.
Dazu, dass dies bisher nicht geschehen ist, haben sachliche Fragen geführt. Zum Beispiel war die erforderliche
Infrastruktur noch nicht vorhanden. Vielleicht wäre es
besser gewesen, sie zuerst an dieser Stelle und nicht an
vielen anderen Orten aufzubauen. Es bleibt natürlich die
Tatsache bestehen, dass wir all das, was jetzt im Bereich
der Bundeswehr existiert, nicht mehr brauchen. Das, was
gebraucht wird, wird im Rahmen der Notwendigkeiten
verlegt.
({0})
- Ja, natürlich. Aber das wirkt sich auf die Soldaten dort
aus.
Die Fragen 14 und 15
werden schriftlich beantwort.
Nun rufe ich die Frage 16 der Abgeordneten Irmgard
Karwatzki auf:
Aus welchen Gründen werden die im November 2000 noch in
Erarbeitung befindlichen Verteilungskriterien und die Prioritätenliste für die Ausgabe der eingeplanten 1 Milliarde DM Mehrerlöse
im Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung ({0})
nicht dem Deutschen Bundestag vorgelegt?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Kollegin Karwatzki, über
die Verwendung der sich aus Einsparungen im Betrieb der
Bundeswehr ergebenden Verstärkungsmöglichkeiten für
den Einzelplan 14 - zum Beispiel aus Effizienzgewinnen,
Wechsel der Finanzierungsart und Mehreinnahmen aus
der Verwertung von beweglichem und unbeweglichem
Vermögen - werden der Verteidigungsausschuss und der
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vom
Bundesminister der Verteidigung informiert werden.
({0})
Ihre Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Unabhängig von der
Tatsache, dass wir diese Antwort im Ausschuss schon einige Male gehört haben, frage ich: Gibt es denn zum jetzigen Zeitpunkt zumindest in Ansätzen ein Einsparpotenzial?
Es gibt eine ganze Reihe von
Möglichkeiten, bei denen Einsparpotenziale bestehen.
({0})
- Dies können wir im Moment aus guten Gründen nicht
tun. Stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde,
wenn wir aufschreiben würden, welche Erwartungshaltung wir gegenüber einer bestimmten Liegenschaft haben. Dann würden die Gemeinden alles tun, Ideen zu entwickeln, warum sie für die Zahlungen nicht aufkommen
müssen.
Die Modernisierung hängt davon ab, Frau Kollegin
Karwatzki, wie parallel zur Feinstruktur der Verbände die
Ausrüstung der Verbände ist. Darauf werde ich in meiner
Antwort auf Frage 17 näher eingehen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es eine ganze Reihe von Überlegungen, was wir
in diesem Zusammenhang tun können. Aber eine Realisierung ist am 14. Februar 2001 nicht ernsthaft zu leisten.
Ihre zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin, irgendwann einmal muss ja ein Anfang gemacht werden. Sie vertrösten uns nun schon seit mehreren Monaten.
Nennen Sie einmal ein konkretes Beispiel einer Veräußerung, von dem Sie bereits jetzt sagen können: Das ist der
Weg.
Wir haben in den letzten Monaten einige Veräußerungen durchgeführt. Wenn Sie mich danach gefragt hätten, hätte ich die entsprechenden Daten
mitgebracht. Umfangreiche Sparmaßnahmen werden durch
Modernisierungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung,
durch die Entscheidung über ein Ausrüstungskonzept
und durch die Veräußerung verschiedener Liegenschaften
durchgeführt. Eine Reihe von Liegenschaften haben wir
schon klassifiziert, auch untersuchen lassen. Aber Details
dazu werde ich hier nicht vorab nennen. Deswegen sprach
ich vorhin vom Haushaltsausschuss.
Ich habe den Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes 2001
in der Hand. Hier steht, dass wir den Haushaltsausschuss
informieren werden. Der Bundesverteidigungsminister
hat hinzugefügt, dass er, wenn er den Haushaltsausschuss
informiert, auch den Verteidigungsausschuss informieren
wird. Hier steht nicht, dass wir öffentliche Debatten über
Immobiliengeschäfte zu führen haben.
Nun rufe ich die
Frage 17 der Kollegin Irmgard Kawatzki auf.
Ist es zutreffend, dass aufgrund der mangelnden Finanzausstattung des Haushalts des BMVg im laufenden Haushaltsjahr
keine neuen Beschaffungsvorlagen, so genannten 50-MillionenVorlagen, dem Deutschen Bundestag mehr vorgelegt werden können und damit dringend notwendige neue Beschaffungsprojekte
zur Modernisierung der Bundeswehr im laufenden Haushaltsjahr
nicht finanziert werden können?
Frau Staatssekretärin.
Frau Kollegin, der Entscheidungsprozess, welche Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr mit Volumina von über 50 Millionen DM den
Ausschüssen vorgelegt werden, ist im Bundesministerium der Verteidigung noch nicht abgeschlossen. Wir haben eine ganze Liste von Vorhaben, aber wir wollen
zunächst ein Ausrüstungskonzept haben, auf dem wir
dann aufbauen und entscheiden. Was wir an Beschaffungen bzw. an Verkäufen - auch damit kann man Erlöse erzielen - vorhaben, werden wir in der Öffentlichkeit nicht
vorab darstellen.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin, bitte sehr.
Frau Vizepräsidentin, Sie sind ja unsere Anwältin. Ich habe auch schon in
anderer Funktion hier gestanden. Dann haben die amtierenden Präsidenten aber zumindest den Fragestellern, also
uns, den Abgeordneten, die Chance eingeräumt, eine Antwort zu erhalten.
({0})
Wir haben ja das Frageinstrument. Ich bin der Meinung,
dass die Frau Kollegin uns zumindest in Ansätzen etwas
sagen muss. Wir argumentieren doch in den Wind hinein.
({1})
Ich verfolge mit
Spannung die Debatte und kann eigentlich nur sagen: Ich
folge der Linie der Staatssekretärin, die sagt, das könne
man nicht in der Öffentlichkeit diskutieren, das gehöre in
die Ausschüsse. Deswegen habe ich nicht interveniert.
Aber Sie haben jetzt eine Zusatzfrage.
Nein, ich bedanke
mich.
Nun rufe ich die
Frage 18 des Abgeordneten Werner Siemann auf.
Treffen Medienberichte, zuletzt im „Spiegel“ vom 5. Februar 2001, zu, wonach sich aus einer Vorlage der Haushaltsabteilung
des Bundesministeriums der Verteidigung ({0}) ergebe, dass
der Haushalt des BMVg für das Jahr 2001 mit so genannten Überkippern und wegen unbezahlter Rechnungen aus dem Haushaltsjahr 2000 in Höhe bis circa 800 Millionen DM vorbelastet sei,
falls nein, wie hoch sind die Vorbelastungen aus dem Haushaltsjahr 2000 für den laufenden Verteidigungsetat tatsächlich?
Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Siemann, eine
Vorlage der Haushaltsabteilung des Bundesministeriums
der Verteidigung mit dem von Ihnen vorbezeichneten Inhalt gibt es nicht.
Zur Vorbelastung in Form von so genannten Rechnungsüberkippern habe ich übrigens bereits in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 24. Januar 2001
geantwortet. Ich kann Ihnen das Plenarprotokoll nennen.
Soweit unter Vorbelastung ein nicht veranschlagter
Haushaltsmittelbedarf zu Beginn eines Haushaltsjahres
verstanden wird, zu dessen Deckung bei anderen Haushaltsstellen eingespart werden muss, sind zurzeit rund
455 Millionen DM aufgrund nicht veranschlagter Lohnund Gehaltsverbesserungen verifizierbar und absetzbar.
Wir haben von der alten Regierung das Instrument übernommen, dass wir diese Lohn- und Gehaltsverbesserungen nicht etatisieren dürfen.
Zusatzfrage, Herr
Kollege, bitte.
Frau Staatssekretärin,
wollen Sie uns dann sagen, dass Sie zum gegenwärtigen
Zeitpunkt als Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium keine Kenntnis davon haben, in welcher
Höhe, in welcher Form und in welchen Bereichen so genannte Überkipper aus dem Haushalt 2000 vorhanden
sind?
Herr Kollege Siemann, ich
weiß nur, dass wir das Thema der so genannten Überkipper seit 1981 behandeln.
({0})
Die erste Aufgabe, die wir hatten, als wir in das Bundesministerium der Verteidigung kamen, war, zu schauen, inwieweit wir Überkipper von der alten Regierung, die nicht
abgearbeitet waren, zu übernehmen hatten.
Dabei gab es zwei Dinge. Wir haben immer einen Investitionsbedarf für Instandsetzungen. Diese Instandsetzungen verschieben sich in das nächste Jahr oder werden
- auch das gehört zu dem Konzept, das wir überprüfen zum Teil in der Zukunft nicht mehr ausgeführt werden.
Wenn wir nicht mehr so viel Gerät brauchen, uns von Gerät
trennen und wenn wir auch nicht mehr die Langzeitlagerung haben, werden geringere Kosten entstehen. Daher
kenne ich diese Debatte, wie Sie sich gut vorstellen können. Ich lese auch die Zeitung und höre das Gewispere darum, dass sich dies im Moment im Rahmen hält - trotz
aller anders lautender Behauptungen in der Öffentlichkeit.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin,
ist denn die Zahl - die ich in meiner Frage genannt habe von 800 Millionen DM aus der Luft gegriffen, halten Sie
sie für aus der Luft gegriffen und nicht realistisch?
Als anständige Kollegin habe
ich Ihnen das verifiziert, was ich heute sagen kann, weil
es die Berechnungen nach den Tariferhöhungen und den
Verbesserungen bei den Beamten darstellt. Dies ist die
Zahl, die ich Ihnen nennen kann. Aber wir haben im letzten Jahr diese Steigerung bei Löhnen und Gehältern und
bei den Beamteneinkommen auch einsparen müssen.
Nun kommen wir zur
Frage 19 des Kollegen Siemann:
Wie wirken sich die Vorbelastungen aus dem Haushaltsjahr
2000 im laufenden Haushalt des BMVg 2001 auf Vorhaben in der
Materialverantwortung der Inspekteure des Heeres, der Luftwaffe, Marine und der Streitkräftebasis aus?
Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege, die Erwirtschaftung der Mittel für Vorbelastungen ist Aufgabe des
Haushaltsvollzugs des gesamten Haushaltsjahres 2001. Inwieweit sich Auswirkungen auf einzelne Vorhaben ergeben
können, lässt sich erst im Verlauf des Haushaltsjahres feststellen.
Zusatzfrage, Herr
Kollege.
Frau Staatssekretärin,
trifft es zu, dass die Mittel für die dringend notwendigen
Bedarfsinstandsetzungen für dieses Jahr bereits ausgegeben sind und dass in diesem Bereich jetzt schon - nach anderthalb Monaten - ein Loch von 80 Millionen DM bis
130 Millionen DM besteht, die dringend benötigt werden,
um diese Bedarfsinstandsetzungen durchzuführen?
Ich habe natürlich die ganze
Zeit darauf gewartet, dass Sie diese Frage stellen. Es trifft
in dieser Form nicht zu. Es trifft zu, dass wir eine ganze
Reihe von Rechnungen aus dem letzten Jahr - wie jedes
Jahr - zu Beginn dieses Jahres bezahlen müssen. Es gibt
bei bestimmten Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen auch Preissteigerungsraten.
Uns fehlt zurzeit aber ein Plan, was in Zukunft wirklich instand gesetzt werden muss und was wir vordringlich brauchen. Diesen fordern wir in der politischen Leitung von den Teilstreitkräften über den Generalinspekteur
und über Herrn Staatssekretär Dr. Stützle an. Dann werden wir damit ins Parlament kommen.
Ich sage Ihnen: Ein Haushalt in einer Größenordnung
von 47 Milliarden DM erfährt im Laufe eines Jahres immer
wieder Änderungen. Das werden Sie sehen, wenn Sie die
Haushaltsrechnung des Jahres 2000 vorgelegt bekommen.
Nun rufe ich die
Frage 20 des Kollegen Paul Breuer auf:
Ist es zutreffend, dass die vom Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, behauptete Mehrausgabemöglichkeit im
Haushalt des BMVg 1999 in Höhe von 1 Milliarde DM hauptsächlich aus den beschlossenen Verstärkungen aus dem Einzelplan 60
für den Einsatz der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien sowie
aus den schon von der ehemaligen Bundesregierung beschlossenen
Einnahmevermerken im Kapitel 14 12 und 14 15, zum Beispiel
Einnahmen aus Verkäufen von Liegenschaften und Rüstungsmaterial, für die Jahre 1998 und die Folgejahre bestehen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Breuer, der
Verteidigungshaushalt 1999 schloss mit Mehrausgaben in
Höhe von rund 1,022 Milliarden DM ab. Diese waren
durch Einnahmen aus Veräußerung, Vermietung und Verpachtung in Höhe von 250 Millionen DM, die Verstärkung im Zusammenhang mit internationalen Einsätzen in
Höhe von 666 Millionen DM und sonstige Einnahmen
und Verstärkungen in Höhe von rund 106 Millionen DM
gedeckt.
Zusatzfrage Nummer
eins, bitte.
Frau Staatssekretärin, in
welcher Höhe sind die Mehrausgabemöglichkeiten, wie
vom Bundesminister der Verteidigung behauptet, tatsächlich in Investitionen und die Modernisierung der
Bundeswehr geflossen und nicht nur in die Begleichung
von laufenden Betriebsausgaben?
Herr Kollege, das habe ich
sehr sauber dargestellt. Am 17. November 2000 hat es
mit der Drucksache 14/4863 eine Darstellung der Einnahmen im Einzelplan 14 zur Verstärkung von Ausgaben
im Haushaltsjahr 1999 gegeben. Es wurde untergliedert
in Einnahmen aus Veräußerung, Vermietung und Verpachtung, in Verstärkung im Zusammenhang mit
internationalen Einsätzen und sonstige Einnahmen/Verstärkungen. Auf der Ausgabenseite gab es eine entsprechende Aufstellung. Manches verändert sich bei einem
so großen Haushaltsvolumen im Laufe eines jeden
Jahres. Am Ende kommt dann die Summe von
1 021 598 927,25 DM zustande.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich
habe die Liste dabei.
({0})
Sind Sie bereit und in der Lage
({1})
- das ist im Übrigen so, Herr Kollege, Sie sollten sich etwas mehr darum kümmern -, deutlich zu machen und zu
belegen - das muss nicht heute sein -, für welche Investitionsgüter, also für welche Großgeräte und Infrastruktur
zur Modernisierung der Bundeswehr, die Mehreinnahmemöglichkeiten eingesetzt wurden? Denn das ergibt
sich aus der Drucksache, die Sie soeben angesprochen haben, natürlich nicht. Ich verlange das von Ihnen nicht am
heutigen Tag, sondern ich verlange, dass Sie sich bereit erklären, das grundsätzlich zu tun.
Ich bin ausdrücklich bereit, Ihnen das noch stärker aufzuschlüsseln. Ich biete Ihnen sogar ein entsprechendes Gespräch darüber an. Ich fand
aber, dass wir es außerordentlich sorgfältig dargestellt haben. Das muss ich ehrlich gestehen.
({0})
Ich wollte damals die Transparenz mit hineinnehmen,
damit das Parlament darüber Bescheid weiß. Wir haben
das geprüft. Dass wir die Beschaffung oder Bezahlung
von verschiedenem Gerät nicht noch stärker differenzieren, ist doch natürlich, das gehört nicht in eine öffentliche
Darstellung.
({1})
Haben Sie noch eine
Zusatzfrage, Herr Kollege? Sonst kommt die Frage 21.
({0})
- Ist gut, dann können Sie noch eine Frage stellen, weil
die Pfennigbeträge nicht ganz deutlich ausgewiesen worden sind.
Frau Präsidentin, da bitte
ich um Verzeihung. Man sollte normalerweise den Präsidenten oder die Präsidentin hier nicht rügen, aber ich muss
deutlich sagen, dass ich diese Bemerkung für eine Unverschämtheit halte.
({0})
Das ist eine Wertung, Frau Präsidentin.
Sie sind dabei, eine
Zusatzfrage zu stellen.
({0})
Hier geht es um den
Verteidigungsetat, und hier geht es um die Fragestellung,
ob denn die Auskünfte des Bundesministers der Verteidigung der Wahrheit entsprechen.
({0})
Jetzt stelle ich eine weitere Frage, die Sie mir dankenswerterweise zugestanden haben. Frau Staatssekretärin, können Sie denn ausschließen, - ({1})
- Frau Präsidentin, ist das eigentlich zulässig, was der
Kollege hier macht?
Im Moment wollte
ich Ihnen eigentlich die Gelegenheit zu einer Zusatzfrage
geben und ich wollte das ein bisschen entspannen.
Ich bedanke mich für die
Gelegenheit, würde aber darum bitten, dass diese Störungen hier unterbleiben.
Jetzt lassen Sie uns
nicht in einen Dialog eintreten. Zwischenrufe sind auch
während einer Fragestunde gestattet. Nun stellen Sie bitte
Ihre weitere Zusatzfrage.
({0})
Da müssen Sie sich jetzt mit Ihrer Stimme durchsetzen.
Bitte sehr, Sie haben jetzt das Wort zu einer Zusatzfrage
zur Frage 20.
Frau Staatssekretärin, wie
kann ich der Aufstellung vom November 2000, die Sie
eben ansprachen, entnehmen, ob die dort dargestellten
Zweckbestimmungen nicht aus dem allgemeinen Verteidigungshaushalt, sondern aus den Mehrerlösen, von denen Sie hier gesprochen haben, finanziert sind?
Ich denke, das ist hier die grundsätzliche Frage. Ich
habe den Eindruck, dass von Mehrerlösen gesprochen
wird, die den Investitionshaushalt verstärken sollen, aber
die Finanzierung nicht aus den Mehrerlösen stammt, sondern aus dem allgemeinen Haushalt und insofern auch
keine Verstärkung der Investitionsmittel erfolgt.
Jetzt muss ich sagen, das ist ein
tolles Ding, Herr Kollege.
Den Haushalt 1997 - 1997 war das letzte Jahr Ihrer
Regierungsverantwortung - haben wir mit 46,244 Milliarden DM abgeschlossen; jetzt lasse ich die Pfennigbeträge einmal beiseite. Den Haushalt 1998, den wir übernommen haben, haben wir mit 46,8 Milliarden DM
abgeschlossen und den Haushalt 1999 mit 47,046 Milliarden DM.
Dabei haben wir Folgendes getan. Es ist uns im Haushalt 1999 das erste Mal gelungen, für die internationalen
Einsätze Geld zur Verfügung zu stellen. Auch das können
Sie daraus erkennen. Jetzt komme ich nämlich wieder zur
Drucksache 14/4863, in der zum Beispiel steht, dass wir
für die Gemeinschaftsverpflegung 6 Millionen DM und
für den Unterhalt von Grundstücken und die großen Neubaumaßnahmen 65 Millionen DM mehr brauchten.
Aber, Herr Kollege Breuer, wir haben 44,6 Millionen DM für Beschaffung von Fahrzeugen der Streitkräfte, rund 19,8 Millionen DM für die Beschaffung von
Quartiermaterial bereitgestellt. Es geht weiter mit der Beschaffung von Schiffen und von Kampffahrzeugen. Das
sind überplanmäßige Titel über die Einsätze hinaus, sonst
würden sie hier nicht auftauchen; denn das Parlament ist
verpflichtet, über überplanmäßige Ausgaben zu befinden.
Allerdings haben wir auch 665 Millionen DM - oder,
genauer gesagt: 666 Millionen DM - für die internationalen Einsätze gehabt, die wir früher immer erwirtschaften
mussten. Da wurden auch Investitionen getätigt. Die anderen Verstärkungsmittel kommen hinzu.
Ich sage Ihnen zu, dass wir Ihnen die Investitionsausgaben zusammentragen, damit Sie ersehen, was aus dem
laufenden Haushalt und was mit zusätzlichem Geld finanziert wird.
Nun rufe ich Frage 21
des Kollegen Paul Breuer auf.
Aus welchen Gründen legt der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, die von ihm zugesagte und über den normalen Abschlussbericht zum Haushalt des BMVg 2000 hinausgehende Erläuterung zur von ihm auch für das Haushaltsjahr 2000
behaupteten 1 Milliarde DM Mehrausgabemöglichkeit für den
Haushalt des BMVg 2000 nicht vor?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Breuer, die Unterrichtung des Bundestages über den Abschluss des
Haushaltes 2000 erfolgt in Form der Haushaltsrechnung,
die das Bundesministerium der Finanzen für den gesamten Bundeshaushalt vorlegen wird.
Im Vorgriff darauf kann ich Ihnen heute mitteilen, dass
im Haushaltsjahr 2000 Einnahmen und sonstige Verstärkungsmöglichkeiten in Höhe von insgesamt rund
232 Millionen DM für zusätzliche Aufgaben des Verteidigungshaushaltes genutzt wurden. Der Einzelplan 14
schließt mit rund 45,56 Milliarden DM ab. Darüber hinaus wurden die im Einzelplan 60 für Einsätze der Bundeswehr in Südosteuropa bereitgestellten Mittel in Höhe
von 2 Milliarden DM verausgabt. Unter Einschluss dieser
Mittel standen der Bundeswehr insgesamt 47,56 Milliarden DM zur Verfügung.
Zusatzfrage, Herr
Kollege.
({0})
Frau Staatssekretärin, können Sie ausschließen, dass die von Ihnen eben bezifferten
Mittel lediglich zur Deckung von Betriebsausgaben ausgegeben werden und nicht - so wie es eigentlich von der
Zweckbestimmung her vorgesehen ist - für Investitionsgüter?
Unser Problem, welches wir
immer noch haben und womit wir uns auch in diesem Jahr
wieder herumplagen, sind Entscheidungen früherer Regierungen dahin gehend, dass wir die Haushaltsmittel, die
wir zum Beispiel für den Ausgleich von Tarifsteigerungen
und ähnlichem brauchen, nicht etatisieren. In früheren
Zeiten wurden diese Mittel am Ende aus dem Einzelplan 60 des Bundesfinanzministers zur Verfügung gestellt. Das haben wir nicht mehr. Deswegen werden wir
auch für das Jahr 2000 überplanmäßige Ausgaben für die
tariflichen Verbesserungen haben.
Ansonsten haben wir eine große Zahl von Beschaffungsmaßnahmen durchgeführt, von denen nicht wenige
auch für internationale Einsätze zur Verfügung standen.
Hier rede ich von den 2 Milliarden DM. Die Erläuterungen dazu werden Sie bekommen, wenn wir so weit sind.
Wenn der Finanzminister uns dies vorgelegt hat, wird es
dem Parlament vorgelegt werden. Ich kenne ja die Zeitungen und die Spekulationen. Lassen Sie uns dies ganz
gelassen abwarten, denn es muss auf jeden Fall mit dem
Haushaltsrecht vereinbar sein.
Nun rufe ich Frage 22
des Kollegen Dr. Müller auf:
Welches Standortfolgekonzept für die Nutzung der Liegenschaft in Sonthofen und neue Investitionen hat die Bundesregierung nach der Verlegung der Schule für Feldjäger und Stabsdienste aus der Generaloberst-Beck-Kaserne Sonthofen nach
Hannover?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Müller, in der
Fragestunde vom 7. Februar 2001, also vor einer Woche,
habe ich versucht, zu verdeutlichen, dass alle Vorschläge
für Alternativen zu Standorten sorgfältig geprüft werden.
Diese generelle Verfahrensweise gilt auch für Sonthofen.
Nach dem derzeitigen Planungsstand wird die Jägerkaserne in Sonthofen künftig weiter genutzt.
Wenn Sie wollen, kann ich gern auch die nächste Frage
beantworten, ehe Zusatzfragen gestellt werden, da sie in
direktem Zusammenhang zur ersten steht.
Gut. Herr Kollege
Müller, dann können Sie gleich vier Zusatzfragen stellen.
Ich rufe also auch die Frage 23 des Kollegen Dr. Müller
auf:
Hat die Bundesregierung zwischenzeitlich das vorgelegte
Einsparkonzept zur Reduzierung der geplanten Infrastrukturkosten von 75 Millionen auf 40 Millionen DM zur Kenntnis genommen, und besteht auf dieser Basis eine Chance, die Entscheidung
der Verlegung der Feldjäger und Stabsdienste von Sonthofen nach
Hannover zu revidieren?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Wie auch bereits in der letzten
Woche ausgeführt, würden umfangreiche Sanierungsmaßnahmen in Sonthofen den Ausbildungsbetrieb über
einen langen Zeitraum einschränken. Dies gilt auch, wenn
die Infrastrukturkosten von 75 Millionen auf 40 Millionen DM abgesenkt würden.
Zusatzfrage eins.
Frau Staatssekretärin,
sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass beim derzeitigen Lehrgangsbetrieb in Sonthofen für die Lehrgangsteilnehmer hervorragende Bedingungen herrschen und
dass eine mögliche zusätzliche Umbaumaßnahme, womit
Sie erhebliche Schwierigkeiten begründen, überhaupt
nicht notwendig ist, da durch den zukünftigen Abzug des
ABC-Abwehr-Lehrbataillons aus der Grünten-Kaserne
Lehrgangsgebäude und Unterkünfte frei werden? Ihre Argumentation ist deshalb faktisch falsch.
Es ist manchmal gut, die Region, über die man spricht, zu kennen. Ich bin dort gewesen. Das Haus hatte mir sogar empfohlen, zu sagen, dass
sie so sehr dezentral liegen. Deshalb sollte man die Feldjägerausbildung, die jetzt über die ganze Bundesrepublik
verteilt ist, nicht dorthin legen. Ich habe gesagt: Das
werde ich hier nicht erklären, denn dann hätte es keinen
Grund gegeben, die Offiziersschule von Hannover nach
Dresden zu verlegen. Die Verkehrsanbindungen dort sind
wahrscheinlich in weiten Teilen ungleich schwieriger.
Wir haben ausdrücklich gesagt: Wir wollen uns von
Kosten trennen. Wir haben zu viele schulische Einrichtungen - das wird nachher auch noch eine Rolle spielen und zu viel Infrastruktur. Wir haben in Hannover eine
komplett ausgestattete Offiziersschule des Heeres, die in
den 70er-Jahren gebaut worden ist. Sonthofen ist eine
Einrichtung, die mit großem Aufwand zurzeit des Nationalsozialismus gebaut worden ist. Dies würde mich nicht
stören, weil im Moment dort die demokratische Bundeswehr untergebracht ist. Sie ist aber in den Kosten zu hoch,
was auch in der Vergangenheit schon viele gesagt haben.
Kollege Müller, dies ist der Hauptgrund dafür, dass man
gesagt hat: Sonthofen ist als Schule für Feldjäger der gesamten Bundesrepublik zu weit und zu teuer in der Unterhaltung.
Zusatzfrage zwei.
Frau Staatssekretärin,
ist Ihnen bekannt, dass die militärische Führung der Feldjäger in Deutschland diese Einschätzung nicht teilt und mit
dem Standort Sonthofen hochzufrieden ist? Sie hat sich für
den Erhalt des Standortes ausgesprochen. Können Sie mir
auf der Basis der wirtschaftlichen Kriterien begründen, ob
diese bei diesem Standort im südlichsten Teil Deutschlands überhaupt eine Rolle gespielt haben? Bei diesem
Standort in peripherer Lage handelt es sich um eine denkmalgeschützte Kaserne, die erhebliche Folgekosten nach
sich ziehen wird. Sie können sie nicht als Kaserne stehen
lassen. Wie soll Ihr Konzept, die Schule für Feldjäger aus
der denkmalgeschützten Ruine in Sonthofen nach Hannover zu verlegen, an einen Standort in einer boomenden
Wirtschaftsregion, wirtschaftlich, betriebswirtschaftlich
aufgehen?
Natürlich geht es auf. Die Generaloberst-Beck-Kaserne ist wahrscheinlich von der
bayerischen Landesregierung unter Denkmalschutz gestellt worden. Das fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich
der Bundesregierung. Die Landesregierung wird sich jetzt
darum kümmern müssen, dass für diese denkmalgeschützte Kasernenanlage eine sinnvolle Nutzung gefunden
wird.
Ich habe übrigens noch Kostenberechnungen in Höhe
von 100 Millionen DM vorliegen. Diese werde ich jedoch
genauso wie Ihre 40 Millionen DM infrage stellen. Deswegen habe ich wahrscheinlich die 70 Millionen DM, die
in der Mitte liegen, akzeptiert.
Für die verbleibenden vier ABC-Abwehrbataillone bestehen gute Voraussetzungen für eine flächendeckende
Zusammenarbeit mit anderen Truppengattungen. Also
wird ein ABC-Abwehrbataillon aufgelöst. Der Standort
Sonthofen bleibt aber als ABC-Schule erhalten. Damit
behält er eine wichtige Aufgabe. Dies halte ich für richtig.
Ihr Argument hinsichtlich der guten Infrastruktur, die
der Bundeswehr natürlich sehr willkommen ist - darin
stimme ich Ihnen ausdrücklich zu; das gilt auch für Sonthofen -, scheitert wie jedes andere Argument an der Tatsache, dass wir einen solchen Umfang an Infrastruktur
und Liegenschaften nicht mehr brauchen. Wir haben prinzipiell nichts dagegen. Auch will ich nicht bestreiten, dass
es viele Menschen gibt, die dort ihre Ausbildung gemacht
haben - in meinem Büro arbeiten einige davon -, die von
der Schule sehr angetan waren und die, als die Schließung
bevorstand, spontan gesagt haben: Das kann nicht sein.
Aber mein Regierungsdirektor, der für die Finanzen zuständig ist, hat erklärt, dass die Aufwendungen hierfür
sehr hoch seien.
Jetzt ist die Entscheidung gefallen. Sie wird vom Inspekteur des Heeres und den Teilstreitkräften insgesamt
mitgetragen. Herr Stoiber müsste schon gute Argumente
anführen, damit eine entsprechende Alternative realisiert
wird.
Ihre Zusatzfrage drei.
Frau Staatssekretärin,
ich bin nach wie vor der Meinung, dass nicht die richtigen
betriebswirtschaftlichen Zahlen genannt wurden, und bedaure sehr, dass es mit dem Verteidigungsminister zu keinem Gespräch zur Erörterung dieser Fragen kam. Sonthofen ist ein Sonderfall. Es geht nicht um Truppenreduzierungen, sondern es ist eine rein politische Entscheidung, die bestehenden Strukturen von Sonthofen in
ein leeres Gebäude in Hannover zu verlagern, das man
wirtschaftlich auch anders hätte nutzen können.
Ich habe die konkrete Frage an Sie: Wären Sie bereit,
den Vorschlag zu prüfen, den Frau Anker, Stadträtin, in
Vertretung des Oberbürgermeisters von München, vorgestern beim Bundeswehrempfang in München in die
Diskussion gebracht hat, die Sanitätsakademie in München nach Sonthofen zu verlagern? Sie hat wörtlich gesagt: Eine Großstadt wie München ist auf die Bundeswehr
nicht angewiesen. Im Gegenteil: Wir können die Grundstücke zur Wohnungsbebauung gut gebrauchen. - Sie
würden München, möglicherweise dem dortigen Oberbürgermeister und vor allem uns, den Menschen in der
Region Sonthofen, nutzen.
Ich habe nachgeschaut. Die
Kasernenanlage ist zwischen 1934 und 1942 gebaut worden. Sie wurde damals zum Großstandort gemacht. Ich
brauche Ihnen nicht zu sagen, wer dafür verantwortlich
war. Die Burgsiedlung, die sich dort befindet, wird in jedem Fall - egal, welche Einrichtung dort sein wird - für
die Bundesrepublik Deutschland ein hoher Kostenfaktor
sein. Dafür ist die Bundeswehr nicht verantwortlich,
schon gar nicht, wenn es sich um ein solches Denkmal
handelt. Aber auch wenn es um die Geschichte der Demokratie in Bayern gegangen wäre, wäre es nicht möglich
gewesen.
Hinsichtlich der Sanitätsakademie in München war es
der ausdrückliche Wunsch, dass sie in München bleibt.
Man hätte 1991 fragen können - das lag damals nahe -,
warum sie nicht nach Berlin verlagert wird, zumal das Gebäude in Berlin noch steht, in dem sich früher die Sanitätsakademie befand. Kollege Müller, ich verstehe Sie gut.
Als Abgeordneter dieser Region ist es Ihre Aufgabe, sich
für sie einzusetzen. Aber wir schaffen es nicht, diese Liegenschaft weiter zu nutzen.
Zusatzfrage vier.
Frau Staatssekretärin,
ich kämpfe aus wirtschaftlichen und traditionellen, aber
auch aus historischen Gründen für den Erhalt des Standortes. Die Kaserne ist mit dem Namen von Generaloberst Beck, einem der großen Männer des deutschen
Widerstandes - Stichwort 20. Juli -, verbunden. Sie sagen, das habe mit der Entscheidung über den Bundeswehrstandort nichts zu tun. Ich stelle die Frage an
Sie - nach der Entscheidung, die Bundeswehr teilweise
aus dieser Liegenschaft mit dem traditionsgebundenen
Namen abzuziehen -: Welches Standortkonzept haben
Sie zur weiteren Verwendung dieser Kaserne, die den
Namen eines großen Mannes des deutschen Widerstandes trägt? Mit welchen Investitionen und welchem
Folgekonzept kann die Region rechnen?
Die Region kann nicht mit
Bundesmitteln aus dem Verteidigungshaushalt rechnen.
Die Bundeswehr hat in den letzten zehn Jahren mehrfach
ihre Friedensdividende erbracht und muss nun endlich
eine Struktur bekommen, mit der sie die Aufgaben der internationalen Sicherheit leisten kann. Wir sind dabei, ihr
diese Struktur zu geben, und deswegen haben wir diese
schmerzlichen und notwendigen Eingriffe vorgenommen.
Im Hinblick auf die Möglichkeiten einer anderen Verwendung der Liegenschaft ist jetzt die bayerische Landesregierung gefragt. Ich teile Ihre Meinung, dass die Region Sonthofen alleine überfordert ist.
Nun hat Kollege
Rossmanith eine Zusatzfrage. Danach haben wir das Ende
der Fragestunde erreicht.
Frau Staatssekretärin, nachdem Sie den finanziellen Aspekt hinsichtlich
der Investitionen so in den Vordergrund gestellt haben,
muss ich Sie fragen: Haben Sie, das heißt hat Ihr Haus,
Überlegungen dahin gehend angestellt, das Gelände in
Hannover, auf das die Feldjägerschule verlegt werden
soll, zu veräußern? Denn mit dieser Veräußerung würden
Sie mit Sicherheit einen höheren Erlös erzielen als an
Investitionen in Sonthofen erforderlich wäre.
Die Stadt Hannover hat in den
vergangenen Jahren im militärischen Bereich einen erheblichen Abbau erlebt und ist daran interessiert, die Bundeswehr in der Stadt zu halten. Sie hat sich damals -, anders als andere; ich erinnere an die Sanitätsakademie bereit erklärt, die Offiziersschule, wenn auch schweren
Herzens, als Leistung für die neuen Bundesländer herzugeben. Die Liegenschaft in Hannover ist vorhanden, wir
können sie nutzen und die Bundeswehr würde sie gerne
nutzen. Ich glaube, es gibt für die Ansiedlung einer solchen
Einrichtung kaum eine zentralere Stadt als Hannover.
({0})
Sie haben nur eine
Zusatzfrage.
({0})
- Sie haben Recht. Sie haben noch eine Zusatzfrage, bitte
sehr.
Frau Staatssekretärin, können Sie ausschließen, dass die Schüler der
Schule für Feldjäger und Stabsdienste im zivilen Bereich
üben sollen, sprich: die Verlegung deshalb erfolgt, um den
Soldaten praktische Übungseinheiten bei den Chaostagen
in Hannover zu ermöglichen?
Diese Frage ist - Entschuldigung, Frau Präsidentin - unter Ihrem Niveau.
Ich danke der Frau
Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen. Ich
finde, Sie hat das ausführlich und gut gemacht.
({0})
Wenn sie im Einzelfall Fragen nicht beantwortet hat, so
mag das Gründe haben. Ich glaube, es war richtig, nicht
einzuschreiten.
Damit ist die Fragestunde beendet. - Frau Kollegin, Sie
blicken irritiert, weil Sie mit der nächsten Frage an der
Reihe wären. Ich muss die Geschäftsordnung beachten
und entsprechend der Geschäftsordnung ist die Zeit für
die Fragestunde abgelaufen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Bundespolitische Auswirkungen neu bekannt
gewordener Verstöße gegen das Parteiengesetz
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin
Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Mitte letzten Jahres möchte uns die CDU-Führung glauben machen, dass die Skandale der schwarzen Kassen, der
Schweizer Konten, der regierungsamtlichen Lügen des
Noch-Ministerpräsidenten Koch und der vorgeschobenen
Ehrenwörter ausgestanden seien.
({0})
Es sei alles aufgeklärt, tönt es aus der CDU. Alles andere
sei eine miese Kampagne der Linken. Dass dem nicht so
ist, haben die jüngsten Vorfälle in Berlin wieder einmal
gezeigt. Ausgerechnet die Berliner CDU, die immer so
getan hat, als hätte sie mit alledem nichts zu tun, muss
noch Stück für Stück zugeben, dass sich ihre Finanzpraktiken nicht wesentlich von denen der restlichen CDU unterscheiden.
({1})
Auch in Berlin gibt es eine bislang unzertrennliche politische Männerfreundschaft. Eberhard Diepgen und
Klaus-Rüdiger Landowsky haben gemeinsam Jura studiert, haben sich in schlagenden Studentenverbindungen
herumgetrieben,
({2})
haben gemeinsam die Junge Union dominiert und haben
nun seit 18 Jahren die Berliner CDU fest im Griff.
({3})
Der eine, Diepgen, ist der Regierungschef, der andere
„nur“ Fraktionschef. In Wirklichkeit ist er der große Strippenzieher.
Jener Klaus-Rüdiger Landowsky ist der Inbegriff des
Filzes in Berlin, immer mit den richtigen Leuten zusammen und immer mit der richtigen Nebenbeschäftigung, ob
im Lotto-Stiftungsrat, wovon schon einmal der eigene
Tennisklub im Grunewald profitiert, oder auf den Chefsesseln landeseigener Bankgesellschaften.
Wie in Hessen so wurden auch in Berlin erste Meldungen über nicht verbuchte Barspenden und Schwarzgeldkonten als Kampagne der Linken gegen einen verdienten
Ehrenmann der Berliner Gesellschaft abqualifiziert.
({4})
Als dann nichts mehr zu verheimlichen war, wurde
scheibchenweise zugegeben, was andere längst herausgefunden hatten. Auch die Sprachregelung entspricht den
bundespolitischen und hessischen Vorbildern. Der Berliner CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt möchte nicht von
einem Schwarzkonto sprechen, sondern von einem Konto
„außerhalb des offiziellen Rechenwerks der Berliner
CDU“. Diese Umschreibung muss man sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
({5})
Ich möchte noch ein paar andere Zusammenhänge aufzeigen. In Hessen zahlte die Firma Ferrero großzügig
Spenden in eine schwarze Kasse der CDU. Rein zufällig
nahm es der CDU-Bürgermeister Vollmer in Stadtallendorf - das ist der Sitz von Ferrero - dann auch mit der
Festlegung der Gewerbesteuervorauszahlung nicht so genau. Das strafrechtliche Verfahren gegen ihn wurde gegen
Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Wunschgemäß hat
die örtliche CDU dem Sohn des Geschäftsführers von
Ferrero neben seiner Villa in Neu-Isenburg ein Baugebiet
für Normalverdiener in der Nachbarschaft erspart. Ein
Schelm, der Schlechtes dabei denkt!
In Berlin verhält es sich kaum anders. Herr Landowsky
erhält von zwei Vertretern der Baubranche, beide CDUMitglieder und nicht gerade wegen ihrer Seriosität bekannt, 40 000 DM in bar diskret in Kuverts. Zufällig,
natürlich rein zufällig, entscheidet Herr Landowsky in der
Chefetage der Berlin Hyp gerade zu dieser Zeit über einen
Kredit in dreistelliger Millionenhöhe an die Firma dieser
Herren. Jetzt möchte man der Öffentlichkeit weismachen,
dass das alles nicht miteinander zusammenhängt. Warum,
frage ich Sie, hat dann Herr Landowsky seinen Job bei der
Berlin Hyp am letzten Montag an den Nagel hängen müssen?
Nach hessischem Vorbild wurden die 40 000 DM nicht
der offiziellen Parteikasse zugeführt, sondern landeten
nach Abzügen durch Gratifizierung nach eigenem Gutdünken über den Kollegen Buwitt auf einem Schwarzkonto,
von dem aus dann die Anschaffung von Computern finanziert wurden. Um ganz korrekt zu sein: Von den 40 000 DM
sind immerhin 679,10 DM dann tatsächlich in der Parteikasse gelandet. Wie in Hessen hat natürlich niemand etwas
gewusst -, Herr Diepgen nicht, der seit 18 Jahren Vorsitzender der Berliner CDU ist, Herr Landowsky nicht, der
ansonsten seine Partei absolut im Griff hat. Wird die Berliner CDU also auch von ahnungslosen Stümpern regiert?
({6})
Das Schema ist immer das gleiche, ob bei der BundesCDU, der CDU Hessen oder der Berliner CDU: Barspenden werden nach Gutsherrenart an den Parteimitgliedern,
den Rechenschaftsberichten und dem Fiskus vorbeigeschmuggelt. Schwarze Konten werden eingerichtet und
niemand will etwas gewusst haben. Wer ernsthaft glaubt,
dass dies Zufall ist, und wer ernsthaft glaubt, dass das, was
in Berlin jetzt herausgekommen ist, ein Einzelfall gewesen
ist, der muss schon sehr naiv sein. Wir werden sehen, was
die Zeitungen morgen zu berichten haben und ob der Landesverband der CDU dann auch betroffen sein wird.
Meine Damen und Herren, es gibt aber doch einen gewichtigen Unterschied zwischen Hessen und Berlin: In
Hessen stützt sich die CDU-Regierung auf eine kleine, an
ihren Posten klebende F.D.P. In Berlin regiert seit über
zehn Jahren eine Koalition aus CDU und SPD,
({7})
auch wenn diese bei der Bevölkerung - um es vorsichtig
zu formulieren -, wenig Begeisterung auslöst. Ich möchte
hier die Genossinnen und Genossen der Berliner SPD
herzlich bitten, sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, einem Koalitionspartner die Stange zu halten, der nicht alles daransetzt, die dubiosen Finanzmachenschaften in seinen eigenen Reihen rückhaltlos aufzuklären. Macht den
ehrenwerten Herren Dampf!
Vielen Dank.
({8})
Ich erteile dem Kollegen Professor Dr. Rupert Scholz, CDU/CSU-Fraktion,
das Wort.
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über welchen
Sachverhalt reden wir? Einen Sachverhalt aus dem Jahr
1995, der in der Tat
({0})
einige Probleme aufwirft, zu denen auch Gesetzesverstöße gehören.
({1})
Aber wir wollen uns zunächst einmal ansehen, was wirklich passiert ist.
Es gab zwei Barspenden über jeweils 20 000 DM, gegeben von CDU-Mitgliedern, die nur in dieser Form - die
CDU ist hier einmalig
({2})
mit ihren internen Richtlinien - ({3})
- Herr Stiegler, würden Sie mich reden lassen?
({4})
- Das ist sehr liebenswürdig.
Ich sagte einmalig; denn bei uns sind Barspenden über
1 000 DM unstatthaft. Dagegen ist verstoßen worden. Wir
haben solche Richtlinien. Weiterhin ist zugegebenermaßen in der Rechnungsführung ebenfalls nicht richtig
verfahren worden.
Aber sofort nachdem der Sachverhalt bekannt geworden ist, hat der Landesvorsitzende, der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, einen unabhängigen
Rechtsanwalt und Notar beauftragt, den Sachverhalt aufzuklären. Der Bericht liegt vor. Danach ergibt sich klar
und lückenlos: Kein Pfennig des Geldes ist für Zwecke
außerhalb der Partei ausgegeben worden.
({5})
Das ist ganz entscheidend. Alle weiter gehenden Spekulationen liegen neben der Sache. Dazu gehört vor allem
das, was Sie, Frau Lambrecht, hier angedeutet haben, dass
nämlich ein Zusammenhang mit einer Darlehensentscheidung der Berliner Hyp-Bank bestehen könnte. Das ist ausgeschlossen und geklärt.
({6})
Würden Sie die Strukturen der Berliner Bankgesellschaft
kennen, wüssten Sie, das dies gar nicht möglich ist, selbst
wenn es jemand gewollt hätte.
Meine Damen und Herren, es ist nach Auskunft aller
Beteiligten klar festgestellt worden, dass weitere Barspenden von den beiden Spender nicht gegeben worden
sind. Im Rahmen der Aufklärung ist hinzugekommen,
dass beide Spender 1995 noch Beträge in Höhe von
1 650 DM und 2 800 DM im ordnungsgemäßen Verfahren
an ihre Kreisverbände gegeben haben, was dazu führt
({7})
- das räume ich hier offen ein: diese Beträge müssen mit
den 20 000 DM addiert werden -, dass die Deklarierungspflicht insofern nicht eingehalten worden ist. Auch
dies gilt es zu reparieren und auch dies wird geschehen.
({8})
Im Übrigen liegt kein strafrechtlich relevantes Verhalten vor. Es ist allein gegen innerparteiliche und parteiengesetzliche Vorschriften verstoßen worden.
({9})
Das möchte ich Ihnen hier sehr deutlich sagen, meine Damen und Herren.
Nun schauen wir einmal etwas weiter: Sie interessieren
sich ja liebenswürdigerweise für Berlin. Das finde ich
schön. Auch nehme ich an, dass sich der Untersuchungsausschuss mit dieser Frage befassen wird. Das mag er tun.
Aber der Auftrag des Untersuchungsausschusses reicht
weiter: Ich warte darauf, dass Sie sich einmal mit der Berliner SPD befassen.
({10})
Was ist denn 1998/99 in Zehlendorf passiert? 86 000 DM
sind veruntreut worden, ein Schaden von 50 000 DM ist entstanden. 200 Fehlbuchungen sind bis heute festgestellt worden. Da haben sich Funktionäre der SPD Quittungen für
Spenden, die sie sich selber gegeben haben, selbst erteilt.
({11})
- Das ist ein Sachverhalt, Herr Staffelt, der vor den Untersuchungsausschuss gehört,
({12})
wie überhaupt das Verhalten der SPD vor diesen Untersuchungsausschuss gehört. Nach wie vor warten wir darauf,
dass endlich jene nebulösen Manöver mit Ihren Unternehmensbeteiligungen und Ihren merkwürdigen Verrechnungspraktiken, die illegal sind, von diesem Untersuchungsausschuss untersucht werden.
Es geht um alle Parteien. Jeder hat bei sich für Ordnung
zu sorgen.
({13})
- Abwarten und Tee trinken! ({14})
Verstöße gegen das Parteiengesetz sind bei keiner Partei
zu tolerieren. Darüber besteht Konsens.
({15})
Wo Verstöße sind, ist ohne Ansehen der Person und vor allem ohne Ansehen der betroffenen Partei zu untersuchen
und aufzuklären. Das gilt vor allem für Sie, meine Damen
und Herren von Grün-Rot.
({16})
Ich erteile jetzt dem
Kollegen Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Scholz, Gesetzesverstöße sind schlimm genug. Verstöße gegen Richtlinien der CDU sind auch
schlimm. Aber viel schlimmer sind die Verstöße gegen
das Grundgesetz.
({0})
Art. 21 des Grundgesetzes - das müssten Sie als Verfassungsrechtler wissen -, verpflichtet die Parteien -, auch
die in Berlin -, gegenüber den Bürgern die Herkunft ihrer
Gelder offen zu legen.
({1})
Das haben weder Herr Landowsky noch Herr Buwitt getan.
Wir beschäftigen uns seit mehr als einem Jahr mit der
CDU-Spendenaffäre. Wir hören immer wieder die Bekenntnisse, es solle aufgeklärt werden.
({2})
Ich frage mich, was der Kollege Buwitt wohl gedacht hat,
als Herr Schäuble oder Frau Merkel von diesem Podium
aus im letzten Jahr angekündigt haben, es werde umfassend und schonungslos aufgeklärt. Der Kollege Buwitt ist
nicht an dieses Rednerpult getreten -, was er eigentlich
hätte tun sollen -, um zu sagen: Auch ich bin vom Stamme
Nimm; auch ich habe von Herrn Landowsky 25 000 DM
genommen, die ich nicht in die Parteikasse getan habe
- dies hat uns Herr Landowsky erzählt -, sondern damit
habe ich mich zunächst einmal gegenüber meiner Mitarbeiterin ehrlich gemacht; ich habe erst einmal 4 000 DM
an sie gezahlt, weil sie mich im Wahlkampf unterstützt
und mir meine Termine geordnet hat; dann habe ich das
übrig gebliebene Geld nicht in die offizielle Parteikasse,
sondern in eine Schwarzgeldkasse getan, durch die
CDU-Bedürfnisse - wir hören von immer neuen Verbrauchszwecken - befriedigt worden sind.
({3})
Derselbe, der diese 40 000 DM in Empfang genommen
hat, hat im Abgeordnetenhaus von Berlin vollmundig erklärt:
Dort, wo Verwahrlosung herrscht, ist Gesindel. Das
muss in der Stadt beseitigt werden.
In der Zeit, als er das sagte, hat dieser Herr die
40 000 DM entgegengenommen, womit er erst einmal
Herrn Kauffmann, seinen Wahlkampfhelfer in der CDU,
bezahlt hat, bevor er das Geld an seine Parteikollegen
weiterverteilt hat.
({4})
Ist das die Offenlegung der Herkunft, die nach dem
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorgeschrieben ist? Das ist das Gegenteil davon. Wir haben in
dem Untersuchungsausschuss, der sich mit diesem Thema
beschäftigen muss, die bundespolitischen Konsequenzen
zu klären. In diesen Berliner Skandal sind die CDU-Politiker Neuling - ehemaliger Kollege im Deutschen Bundestag - und Buwitt - noch Kollege im Deutschen Bundestag - verwickelt.
Der Rechenschaftsbericht der Bundes-CDU ist falsch
und muss korrigiert werden. Das wird für die CDU auch
finanzielle Konsequenzen haben müssen. Ein Verstoß gegen das Parteiengesetz und gegen das Grundgesetz liegt
vor.
Auch vom Untersuchungsausschuss müssen die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Wir müssen
alles wissen, etwa wer eigentlich Max Schwendke ist, der
an die CDU ebenfalls 10 000 DM gespendet haben soll.
({5})
Als man nachgesehen hat, hat man festgestellt, dass dort,
wo er eigentlich wohnen soll, ein leeres Haus steht. Aber
das Grundstück, auf dem nur ein leeres Haus steht, soll
den Kollegen Neuling und Wienhold gehören; diese wiederum sind Geschäftsführer von Aubis.
Nun wehrt sich der Herr Scholz dagegen, dass wir behaupten, da gebe es einen Zusammenhang. Herr Scholz,
was würden Sie denn als Richter - zu Ihnen passt vielleicht besser die Rolle des Staatsanwaltes ({6})
sagen, wenn Sie erfahren, dass jemand, der einen Kredit
von über 600 Millionen DM haben will, den Kredit anmahnt und sagt: „Wann kommt ihr endlich damit rüber?“,
der Kredit aber nicht bereitgestellt wird,
({7})
er dann 40 000 DM gibt und in denselben Vermerk, mit
dem er die Auszahlung des Kredits forcieren will, von
40 000 DM schreibt, die K. L. gegeben werden sollen?
Wenn dann die 40 000 DM gegeben werden und der Kredit fließt, liegt da nicht,
({8})
Herr Scholz, ein dringender Verdacht nahe? Ich denke,
dem kann man sich nicht entziehen.
Ich will Ihnen abschließend etwas sagen: Zurzeit diskutieren wir ja sehr viel über die 68er. 1968 haben wir
durch Analysen weitgehend theoretisch herausbekommen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem großen
Kapital, den Waffenunternehmen, den großen Energieunternehmen und der Politik in der Bundesrepublik
Deutschland gibt. So banal, wie Sie uns den Zusammenhang jetzt erklären, haben wir uns das Funktionieren des
Kapitalismus nicht vorgestellt, nämlich dass da ein ausgewachsener Bundeskanzler im Bundeskanzleramt sitzt,
Herr Kollege, denken
Sie bitte an die Redezeit.
- der mit der einen Hand Gesetze in seiner Funktion als Regierungschef unterschreibt, die andere Hand
aber aufhält und dicke Pakete von der Industrie annimmt.
({0})
Herr Kollege, Sie
müssen bitte zum Schluss kommen.
Genau dieses System Kohl hat auch Herr
Landowsky praktiziert. Das muss ein Ende haben. Deshalb gibt es uns im Bundestag und im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.
({0})
Ich darf noch einmal
darauf hinweisen, dass wir uns in einer Aktuellen Stunde
befinden und die Redezeit fünf Minuten beträgt.
Das Wort hat für die F.D.P. Dr. Max Stadler. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Es war natürlich zu erwarten, dass insbesondere der Kollege Ströbele diese Vorlage ausnutzen würde, um den Vorgang Landowsky hier
im Bundestag und im Untersuchungsausschuss zur Sprache zu bringen. Es ist aber in erster Linie Aufgabe der Berliner Politik und des Berliner Abgeordnetenhauses, diese
Angelegenheit aufzuklären.
({0})
Natürlich ist es formal in Ordnung, zu konstatieren,
dass es einen gewissen Bezug zur Bundespolitik gibt.
({1})
Dem wird man nichts entgegnen können. Ich habe nur
eine Sorge: Unser Untersuchungsausschuss hat noch den
sehr komplizierten und umfangreichen Komplex Leuna/
Minol aufzuklären. Ich bin der Meinung, dass sich der
Untersuchungsausschuss des Bundestages endlich dieser
Materie zuwenden sollte,
({2})
damit die Zeitschiene eingehalten, also bis zum Jahresende die umfängliche Beweisaufnahme abgeschlossen
werden kann. Denn nach meiner Meinung sollte im nächsten Jahr der Wettbewerb der Parteien um die besseren
Konzepte zur Bewältigung der wirklichen Probleme unseres Landes im Vordergrund stehen: Sicherung des Standortes Deutschland, Sicherung der sozialen Sicherungssysteme und dergleichen mehr. Ich meine, dass wir mit
diesen Themen allmählich zu einem Ende kommen müssen. Parteipolitischer Vorteil kann aus solchen Sachen ohnehin nur sehr begrenzt gezogen werden.
Ich habe es mir genauso vorgestellt: Erst gibt es hier
eine Attacke gegen die CDU - die Kollegen von der CDU
machen es einem ja auch schwer; ihre Verstöße gegen das
Parteiengesetz nehmen kein Ende, weil immer wieder etwas Neues auftaucht -;
({3})
dann gibt es eine Gegenattacke vom Kollegen Professor
Scholz.
({4})
Ich fürchte, dass dies insgesamt zu einem Ansehensverlust aller Parteien führt, auch derer, die gar nicht betroffen
sind. Das ist die Gefahr dabei.
({5})
Meine Damen und Herren, das heißt nicht, dass die
Vorgänge nicht aufgeklärt werden müssen. Wir sollten uns
aber auf die zwei Grundprobleme konzentrieren, um die
es eigentlich geht und die auch am Vorgang Landowsky
jetzt wieder sichtbar werden: den Filz,
({6})
der immer wieder zutage tritt, und die Frage, wie die Parteienfinanzierung künftig aussehen soll.
Als Nichtberliner möchte ich mich jetzt nicht zu sehr
über den sprichwörtlichen Berliner Filz auslassen. Aber
ich sage - ausdrücklich auch im Namen und auf Bitten
meines Berliner Kollegen Günter Rexrodt, der leider verhindert ist, an der heutigen Debatte teilzunehmen -: Es ist
schon so, dass gerade durch die langjährige große Koalition das eingetreten ist, was bei großen Koalitionen immer
die Folge ist:
({7})
Verfilzung auf allen Ebenen.
({8})
Der Fall Landowsky hat seine Dimension darin, dass es
eine Interessensverquickung von Politik und Wirtschaft
gibt. Es mag der konkrete Vorgang, die Kreditvergabe, damit nichts zu tun zu haben. Aber der Anschein ist doch
schon ziemlich deutlich.
Nicht nur große Koalitionen sind der Nährboden dafür,
sondern natürlich auch absolute Mehrheiten - jetzt spreche ich aus eigener Kenntnis - , wie man es in Bayern gesehen hat, wo wir längst unsere Amigo-Affäre gehabt haben.
({9})
Das zweite Grundproblem, um das es geht, liegt darin,
zu klären, wie die Parteienfinanzierung künftig aussehen
soll. Es ist offenkundig, dass der derzeitige Zustand unbefriedigend ist. Aber wir stoßen bei den Veränderungsmöglichkeiten auch rasch an Grenzen; denn es besteht
doch weithin Einigkeit darüber, dass die drei Säulen der
Finanzierung der Parteien bestehen bleiben sollen, und
zwar die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge, über Spenden und über staatliche Parteienfinanzierung.
({10})
Nun ist man bei den Spenden in der schwierigen Abgrenzungssituation, dass es offenkundig erlaubt sein
muss, mit Spenden die allgemeine politische Richtung einer Partei zu fördern, dass es aber nicht angehen kann,
dass konkrete politische Entscheidungen - ich sage es so
deutlich - gekauft oder belohnt werden. Hier das richtige
Abgrenzungskriterium zu finden, das scheint mir eine
recht schwierige Aufgabe zu sein. Wahrscheinlich führt
kein Weg daran vorbei, eine Lösung über noch mehr
Transparenz bei der Parteienfinanzierung zu suchen, damit die Bürgerinnen und Bürger sich selbst ein Urteil bilden können.
({11})
Die F.D.P. wird, sobald die Kommission, die beim
Bundespräsidenten angesiedelt ist, ihre Vorschläge vorgelegt hat, was in etwa zwei Monaten der Fall sein soll, eigene Reformvorschläge dazu vorlegen. Ich glaube, dabei
sollten wir auch aus dem Fall Landowsky Lehren ziehen.
({12})
Für die PDS-Fraktion
spricht nun die Kollegin Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! 1997 erschien bei Knaur ein Buch. Ich empfehle es allen, nicht nur den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, die sich zur jüngsten Spendenaffäre der
CDU, diesmal der Berliner, äußern wollen. Der Titel des Buches lautet: „Berlin, Hauptstadt von Filz und Korruption“.
Dort wird auf 300 Seiten sehr plastisch und übrigens nicht
nur für Krimileser durchaus gruselig beschrieben, wie - ich
zitiere - „eine Clique von Funktionären, Parteifreunden und
Geschäftsleuten die Hauptstadt mit einem Netz persönlicher
Beziehungen überzogen hat“. Es ging durchweg um die
CDU, wobei der Autor anmerkte, was den Filz betrifft, sei
die Berliner SPD keineswegs blütenrein.
In einem Punkt allerdings irrte der Autor in seiner Einschätzung mit Gewissheit. Sie erinnern sich vielleicht:
Mitte der 80er-Jahre gab es die Berliner Antes-Affäre. Sie
galt als bislang größter politischer Skandal im einstigen
West-Berlin. Seither, so schrieb der Autor, habe sich „besonders die CDU als lernfähig gezeigt“ und „die direkte
Annahme von Umschlägen voller Geldscheine von dankbaren Unternehmern abgeschafft“.
Heute wissen wir: Selbst dieses Lob war fehl am
Platze. Die CDU war nicht lernfähig, offensichtlich auch
nicht die Berliner.
({0})
Es wurden Kuverts gehandelt, Gelder verteilt und es
wurde ein Schwarzkonto eingerichtet. Zumindest so viel
ist bisher bekannt. Ob es sich nun um 40 000, 45 000 DM
oder noch andere regelwidrige Summen handelt, wird
sich zeigen.
Nach Lage der Dinge ist die zweite Seite des Berliner
CDU-Skandals ohnehin umfassender; denn es geht ja
nicht nur um Parteispenden. Es geht auch um zweifelhafte
Kreditgeschäfte der Berliner Hyp unter CDU-Freunden.
Dabei geht es möglicherweise um Milliardenverluste und
damit auch um Steuerverluste für das Land Berlin, und
das in Zeiten, in denen Schulen darben, Kultureinrichtungen austrocknen und - wie der Kollege Thierse zu Recht
meint - der Osten auf der Kippe steht. Das sind keine Peanuts.
({1})
Auch das wird mit dem Namen Landowsky und mit der
Berliner CDU verbunden.
Ich empfehle Ihnen, allein die Ereignisse der letzten
Woche nachzuvollziehen. Nachdem bis zum Wochenende
offenbar wurde, dass auch die Berliner CDU mit dem Parteiengesetz auf Kriegsfuß stand, wurde am Montag zur
Krisensitzung geblasen. Danach folgten Pressekonferenzen. Berlins Regierender Bürgermeister, Eberhard
Diepgen, bekräftigte „einmütige Solidarität“ mit seinem
Weggefährten Landowsky. Landowsky räumte zwar
Stockfehler ein. Er erklärte sich aber selbstverständlich
für „unschuldig“. Berlins CDU-Sprecher Kaufmann
setzte noch eins drauf: Er pries Landowsky als „lobenswert“; schließlich habe er doch Spenden heimgeholt. Wissen Sie, wonach das alles klingt? - Nach dem, was wir
hier seit über einem Jahr hören, nämlich nach „brutalstmöglicher Aufklärung“.
({2})
Landowsky kündigte dann an, er wolle Ende Mai seinen Chefposten räumen - aber nicht etwa den FraktionsChefposten. Dass er überhaupt die Doppelrolle „Fraktion
und Bank“ spielen konnte, ist übrigens ein Ding aus dem
Tollhaus Berlin.
({3})
Aber eine Lex Landowsky der großen CDU-SPD-Koalition macht dies möglich.
Nun fragt man sich natürlich: Warum gibt Landowsky
den lukrativen Bankjob und nicht den Fraktionsvorsitz auf?
Richtig ist sicher, dass die Bank sehr unruhig wurde; sie ist
ins Trudeln geraten. Die anhaltenden Negativschlagzeilen
über Landowsky sind nun einmal geschäftsschädigend. So
weit, so schlecht. Ich frage mich allerdings, wie jemand, der
für das Bankgeschäft nicht mehr vertrauenswürdig ist, für
das CDU-Politikgeschäft, wie in „einmütiger Solidarität“
gesagt wird, in lobenswerter Weise tätig werden kann. Das
müssen Sie mir einmal erklären.
({4})
Zum Schluss möchte ich noch einmal unmittelbar auf
die Parteispendenaffäre zu sprechen kommen. Vor Jahresfrist wurden Klaus-Rüdiger Landowsky und Eberhard
Diepgen im Berliner Abgeordnetenhaus aus nahe liegendem Anlass - Hessen - gefragt, ob auch die Berliner CDU
Spendenleichen im Keller habe. Diepgen sagte damals
vorsichtig: „Nach meiner Kenntnis nicht.“ Landowsky
sagte seinerzeit forsch: „Ich ziehe kein Jackett an, das mir
nicht passt.“ Nunmehr meint Diepgen, er sei so überrascht, als habe ihn ein Pferd getreten. Landowsky äußert,
CDU-Parteisachen seien nicht sein Ding; dafür gebe es
zuständige Schatzmeister und Geschäftsführer.
Fällt Ihnen eigentlich auf, dass der CDU-Landesvorsitzende Diepgen entweder nichts weiß oder überrascht
getreten wird? Fällt Ihnen nicht ferner auf, dass selbst sein
Fraktionschef Landowsky Erinnerungslücken hat? Denn
in seiner Aufzählung vermeintlich Zuständiger fallen ihm
viele ein, nur einer nicht: der Landesvorsitzende der Berliner CDU, der zugleich Regierender Bürgermeister, also
sozusagen Ministerpräsident von Berlin ist.
Es geht somit nicht um einen mehr oder weniger
großen Fehler von Landowsky.
Frau Kollegin, Sie
müssen bitte zum Schluss kommen.
Es geht auch nicht allein darum, was
Diepgen weniger wusste, als er hätte wissen sollen. Es
geht vielmehr darum, dass das System des Filzes, das System Westberlins, nun endlich, wenn auch zehn Jahre verspätet, zu Grabe getragen werden muss.
Frau Kollegin, bitte
beenden Sie Ihre Rede.
Es hätte schon 1990 im Zuge der
Wiedervereinigung auf dem Müllhaufen der Geschichte
landen müssen.
({0})
Jetzt hat das Wort die
Kollegin Siegrun Klemmer, SPD-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erwähnt
worden: Auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre der Bundes-CDU vor gut einem Jahr, als täglich neue Ungereimtheiten über Konten im In- und Ausland, über erlogene
Vermächtnisse und widersprüchliche Reisetätigkeiten
zwar bekannt, aber bis heute keineswegs aufgeklärt wurden, brüstete sich ein CDU-Landesverband ganz besonders seiner weißen Weste und seiner tadellosen Kontoführung. Es war der Landesverband der Berliner CDU.
Die Berliner CDU legte größten Wert darauf, nicht mit der
Mutterpartei in Zusammenhang gebracht zu werden, um
keinen Imageschaden zu erleiden. Klaus Landowsky tönte
damals vollmundig: Wir gucken von außen in den Ring.
Nun ist Klaus Landowsky auf der Matte gelandet.
15 Jahre ist der Bauskandal um den korrupten Charlottenburger Baustadtrat Wolfgang Antes her. Er hätte der
Berliner CDU wahrlich in warnender Erinnerung bleiben
sollen.
({0})
Aber offensichtlich hat der damalige schwere Absturz als
Lehrstück nicht ausgereicht,
({1})
obwohl sowohl Klaus Landowsky als auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen schon damals im
Zentrum politischer Entscheidungen in Berlin standen.
({2})
Von einem Politprofi wie Klaus Landowsky musste nach
dieser Affäre, die 1986 monatelang die Stadt innerhalb
und außerhalb der Politik beherrschte, erwartet werden,
dass bei ihm sämtliche Alarmglocken klingeln, wenn Kreditnehmer der Bank, deren Vorstandssprecher er ist und
die seine engen Parteifreunde sind, eine Parteispende über
40 000 DM in bar bei ihm abliefern.
Doch weder die rechtlichen noch die moralischen
Aspekte fochten Klaus Landowsky an. Heute zögert er
nicht, dreist zu begründen: „Aber das waren 1995 doch unproblematische Zeiten.“ Welches verquere Verständnis politischer Möglichkeiten verbirgt sich hinter dieser Aussage!
({3})
Das soll doch wohl heißen: Man musste es 1995 gar nicht
so genau mit Spenden und ihrem Nachweis nehmen.
({4})
In diesem Zusammenhang, werter Herr Kollege
Scholz, entpuppen sich die so genannten politischen
Selbstverpflichtungen der Berliner CDU zum Umgang
mit Spenden schnell als reine Luftnummern. Mandatsträger durften danach keine Barspenden über 1 000 DM annehmen. Spenden über 5 000 DM, wo immer sie ankamen, waren nach Ihren eigenen Selbstverpflichtungen
umgehend an die Landesebene weiterzureichen.
({5})
Besonders pikant: In Zeiten, da jede Omi über ein
Konto für ihre Mindestrente verfügt, übernimmt der
Bankvorstand in den Räumen seiner Bank Bares, bestellt
den Schatzmeister ein, um Bares weiterzureichen, und
sieht seine Aufgabe damit als erledigt an.
Verehrter Herr Kollege Scholz, der Hinweis auf die
Zehlendorfer SPD, der doch wohl nur als Ablenkungsmanöver zu verstehen ist, zieht hier natürlich überhaupt
nicht.
({6})
Die Zehlendorfer Unregelmäßigkeiten sind von der Zehlendorfer SPD selber sofort nach Aufdecken aufgeklärt
worden
({7})
- natürlich -, bis auf den letzten Pfennig.
({8})
Alle Konsequenzen sind gezogen worden.
({9})
Die veruntreuten 5 000 DM sind zurückerstattet worden,
der Kassierer hat seine Konsequenzen gezogen.
({10})
In den Zusammenhang, gegen das Parteiengesetz verstoßen zu haben, passt dieser Vergleich vorne und hinten
nicht.
({11})
Das Wichtigste, was die Berliner CDU jetzt leisten
muss, ist nicht nur, um die hessische Vokabel zu benutzen,
„brutalstmögliche“, sondern auch schnellstmögliche Aufklärung. Denn hier ist die Berliner CDU ganz dicht bei ihrer Mutter-CDU, nach dem Motto: Zugegeben wird nur,
was sich sowieso nicht mehr verheimlichen lässt.
({12})
Das hat fatale Auswirkungen im Hinblick auf die politische Glaubwürdigkeit allgemein. Daher ist es natürlich
nicht akzeptabel, wenn die Berliner CDU-Führung mit
dem Hinweis, es handele sich nur um Fehlbuchungen des
Landesgeschäftsführers, versucht, sich aus der politischen
Verantwortung zu stehlen.
Selbstverständlich sind die schwarzen Kassen und die
außerhalb des Parteiengesetzes vollzogene Art, nach der
Barspenden in Berlin an verdiente Nahestehende verteilt
werden und daher die Partei im vorgeschriebenen Sinne
gar nicht erreichen, ein originäres Problem der CDU.
Doch neben dem finanziellen Schaden, der den Bürgerinnen und Bürgern Berlins durch die schief gelaufenen Kredit- und Immobiliengeschäfte der Bankgesellschaft, zu
denen Finanzsenator Kurth zur Stunde vor dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Rede und Antwort stehen muss, entstanden ist, besteht die Gefahr, dass der
Stadt nach der Melodie „Berlin bleibt doch Berlin“ - in
diesem Fall Westberlin - nachhaltiger Ansehensverlust
entsteht. Das ist ganz besonders gefährlich.
({13})
Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit! Sie ist überschritten.
Ja. - Auch aus diesem
Grund und in seiner Verantwortung als erster Repräsentant der Stadt hat Eberhard Diepgen sofort offen zu legen,
was er weiß,
({0})
und hat als Landesvorsitzender der Berliner CDU alles
zur Transparenz und Aufklärung beizutragen, damit er
und Klaus Landowsky für Berlin nicht das werden, was
Kanther und Prinz Wittgenstein für Hessen sind.
Da sich nach der mangelhaften Beantwortung der Fragen und aufgrund der noch vielen offenen Fragen mit Sicherheit ein Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus damit beschäftigen wird,
({1})
wird natürlich auch die Frage nach möglichen Verbindungen zur Bundes-CDU, die der Untersuchungsausschuss des Bundestages zu stellen hat, von Ihnen zu beantworten sein.
({2})
Sie müssen mir zugestehen, dass ich diese letzten Sätze, die immer so lang
sind, schlecht unterbrechen kann. - Ich weise nochmals
darauf hin, dass wir uns in der Aktuellen Stunde befinden,
und erteile nun für die CDU/CSU-Fraktion dem Abgeordneten Andreas Schmidt das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr
Ströbele, Sie sind vom Bundesgerichtshof wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung rechtskräftig
verurteilt worden.
({0})
Sie sind der Letzte, der hier über Gesetzestreue und
Grundgesetz reden und lamentieren sollte, der Allerletzte!
({1})
Meine Damen und Herren, die CDU Berlin wird die offenen Fragen, die sich stellen, schnell aufklären.
({2})
Wir erwarten die vollständige Aufklärung. Ich bin sicher,
dass die Union alles tun wird, um diese offenen Fragen
schnell zu beantworten.
({3})
Meine Damen und Herren, das Ziel der SPD und der Grünen in dieser Debatte ist es nicht, einen objektiven Sachverhalt aufzuklären. Sie verfolgen mit dieser Debatte zwei
Ziele. Das erste Ziel: Einige von Ihnen sind unterwegs,
um in Berlin eine andere Regierung zu installieren, um die
PDS in Berlin in die Regierung zu holen, und dieses
Thema soll als Vehikel für dieses Ziel dienen.
({4})
Das zweite Ziel, das Sie mit dieser Debatte verfolgen,
ist ein großes Ablenkungsmanöver, meine Damen und
Herren. Sie wollen mit dieser Debatte von Ihrem rot-grünen Desaster im Untersuchungsausschuss ablenken.
({5})
Diese Debatte ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung für Ihre Verleumdungs- und Diffamierungsstrategie im Untersuchungsausschuss.
({6})
Meine Damen und Herren, Sie wollen davon ablenken,
dass Sie jetzt im Untersuchungsausschuss zugestehen
müssen,
({7})
dass es keinen einzigen Beleg dafür gibt, dass Entscheidungen der Regierung Helmut Kohl käuflich gewesen sind.
({8})
Sie wollen davon ablenken, meine Damen und Herren,
dass der Ausschussvorsitzende, Herr Neumann, ein Sozialdemokrat, bestätigt hat, dass es kein Indiz und keinen
Beweis dafür gibt, dass die Regierung Helmut Kohl käuflich gewesen ist.
({9})
- Meine Damen und Herren von der SPD, hören Sie zu!
({10})
Sie wollen davon ablenken, dass die Büroräume des Obmanns der SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss von
der Staatsanwaltschaft München
({11})
mit Zustimmung des Bundestagspräsidenten durchsucht
worden sind, und zwar wegen des Verdachts, dass Sie geheime Unterlagen an die Presse gegeben haben.
({12})
- Nein, Herr Hofmann, es ist richtig! Es sind Ihre
Büroräume, die untersucht worden sind. Deswegen musste
der Bundestagspräsident zustimmen, und er hat zugestimmt. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie heute ans Rednerpult treten. Offensichtlich hat man Sie von der Rednerliste
genommen, um Sie aus dem Verkehr zu ziehen.
({13})
Wir treten Ihnen fünf Minuten Redezeit ab. Gehen Sie ans
Rednerpult und klären Sie den Verdacht auf! Denn Sie
tragen die politische Verantwortung, und es ist schäbig,
diesen Verdacht auf einen Mitarbeiter abzuschieben.
({14})
Meine Damen und Herren, Sie wollen mit dieser Debatte von offenen Fragen ablenken, die wir an die Bundesjustizministerin haben. Frau Herta Däubler-Gmelin hat
als Abgeordnete in den Jahren 1998 und 1999 angeblich
an die SPD eine Summe von 178 521 DM gespendet.
({15})
Ich halte diese Summe, wenn ich sehe, wie hoch die Diäten sind, für lebensfremd. Ich habe Zweifel, ob dies zutreffend ist.
({16})
Der objektive Verstoß gegen das Parteiengesetz - darüber wollen wir ja sprechen - ist auch gegeben, meine
Damen und Herren. Der objektive Verstoß liegt vor, weil
diese Spende im Rechenschaftsbericht des Jahres 1998
nicht aufgeführt war. Sie hätte dort ausgewiesen sein müssen. Es ist objektiv gegen das Parteiengesetz verstoßen
worden. Auch hier erwarten wir Aufklärung.
({17})
Deswegen haben wir beantragt, dass Frau DäublerGmelin als Zeugin im Untersuchungsausschuss Rede und
Antwort stehen wird.
({18})
Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten,
Sie wollen davon ablenken,
({19})
dass Sie über Jahrzehnte vor der deutschen Öffentlichkeit
ein riesiges Finanz- und Beteiligungsvermögen verschleiert haben
({20})
und dass Sie damit die deutsche Öffentlichkeit über Ihre
wahre Vermögenslage bewusst und vorsätzlich getäuscht
haben.
({21})
Die SPD verfügt nach Angaben von Frau WettigDanielmeier über ein Beteiligungsvermögen von 750 Millionen DM. Es gibt Fachleute, die dieses Vermögen auf
mindestens 1 Milliarde DM schätzen.
({22})
Aber wenn man im Rechenschaftsbericht der SPD nachliest, dann stellt man fest, dass dort lediglich eine Summe
von 245 Millionen DM steht.
Das ist das Gegenteil von Transparenz. Das ist Täuschen, Tricksen und Verschleiern. Deswegen sind Sie aufgefordert, von der Doppelmoral, immer nur auf die anderen zu zeigen, wegzugehen. Kehren Sie vor der eigenen
Haustür und klären Sie Ihre eigenen Unregelmäßigkeiten
auf!
({23})
Ich finde es schon wirklich mutig von Ihnen, Frau
Klemmer, die CDU in Berlin ins Visier zu nehmen und
kein Wort über die Probleme der SPD in Berlin zu sagen.
({24})
Frau Klemmer, das ist wirklich schon tollkühn. Diesen
Punkt muss man hier einmal zur Sprache bringen. Sie haben - der Kollege Scholz hat es schon angesprochen - in
einem internen Finanzbericht festgestellt, dass es zu
200 Falschbuchungen gekommen ist. Sie haben für Mandatsträger Spendenquittungen ausgestellt, obwohl dieses
Geld nie an die Partei geflossen ist, sondern auf ein illegales Konto. Auch dies muss aufgeklärt werden.
({25})
Andreas Schmidt ({26})
Hören Sie auf mit der Doppelmoral, immer nur auf uns zu
zeigen! Herr Böger hat gesagt: Was dort bei der SPD passiert ist, ist ein Tollhaus. - Wer im Tollhaus sitzt, soll nicht
mit Steinen werfen, schon gar nicht auf andere Fraktionen.
Vielen Dank.
({27})
Herr Kollege Dreßen,
dass Sie in einem Zuruf das Wort „Lügner“ verwendet haben, wollen wir im Moment nicht weiterverfolgen.
({0})
Trotz der Lebhaftigkeit der Debatte sollten wir aber ein
bisschen an die Spielregeln denken.
Herr Schmidt, ich möchte auf Folgendes hinweisen:
Auch wenn die CDU/CSU auf einen Redner verzichtet,
kann sie diesen nicht der SPD in dieser Aktuellen Stunde
andienen. Wenn eine Fraktion einen Redner weniger meldet, heißt das nicht, dass eine andere Fraktion einen Redner mehr sprechen lassen kann.
({1})
Aber Ihr Angebot war wohl auch nicht ganz ernst gemeint.
Nun hat für das Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin
Franziska Eichstädt-Bohlig das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Kollegen von der CDU/CSU
- es sind überwiegend Herren anwesend; ich sehe nur eine
Kollegin -,
({0})
Ihre Art der Politik des Weißwaschens, die Sie hier betreiben, raubt mir regelrecht den Atem. Sie meinen ständig, Sie müssten Mitglieder der Regierungskoalition kriminalisieren. Dies haben Sie bei Fischer, Trittin und
Schröder versucht. Jetzt versuchen Sie es bei Ströbele und
bei der SPD insgesamt. Sie kriminalisieren und kümmern
sich nicht um die eigenen Probleme, um den Dreck, den
Sie vor Ihrer Tür haben. Das finde ich unmöglich.
({1})
Herr Scholz und Herr Schmidt haben soeben eine Rede
in diesem Sinne gehalten. Laurenz Meyer hat eine Presseerklärung abgegeben, in der er zum Ausdruck gebracht
hat, dass er sich nicht mehr in der Lage sieht, die Rechenschaftsberichte seiner Kreisverbände unter Kontrolle zu
halten. Ich muss schon fragen: Was ist eigentlich in der
CDU los? Sie sollten sich wirklich einmal mit den eigenen Problemen befassen.
({2})
Ich möchte ein paar Takte zu Berlin sagen; denn ich
glaube, dass das Problem tiefer geht. Die Berliner Landespolitik hat - auch nach der Wende - zu lange im eigenen Saft geschmort. Die Verflechtung, die Verfilzung der
Politik gerade mit der Immobilienwirtschaft ist in Berlin
zu stark kultiviert worden.
Eines möchte ich hinzufügen - das erwähne ich, um
auch den allgemein-politischen Bereich anzusprechen -:
Ein wesentlicher Nährboden ist das Berlinförderungsgesetz, das von der CDU-Regierung - ich bin mir in diesem Fall nicht ganz sicher; möglicherweise war es auch
die SPD ({3})
beschlossen worden ist. Die unangemessenen Steuervorteile, die es früher im Rahmen des Berlinförderungsgesetzes und die es dann in ganz irrsinniger und aberwitziger
Form im Rahmen der Sonderabschreibungen Ost gegeben
hat, sind ein wesentlicher Nährboden für die Verfilzung
von Politik und Wirtschaftskreisen. Sie haben zu wirklich
zweifelhaften Investitionen geführt. Sie verderben teilweise die Wirtschaft und die politische Kultur. Deswegen
finde ich es wichtig, dass wir darüber ernsthaft diskutieren
und dass hier nicht nur ein Pingpongspiel stattfindet.
Wir sollten aus der Geschichte um Landowsky die
Lehre ziehen: Eine Bank hat nach parteipolitischen Erwägungen Kredite vergeben und dabei immobilienwirtschaftliche Risiken grob missachtet. Die wirtschaftliche Pleite haben wir, die Aubis-Pleite. Frau Kollegin Pau
hat es schon gesagt: Das Ergebnis ist eine Pleite, die
Millionen von Steuergeldern kostet.
({4})
Das allein ist schon ein ziemlicher Schaden.
Das Kernproblem aber, das wir heute diskutieren, ist,
dass der Politiker Landowsky als Banker dafür das Bakschisch kassiert hat, und zwar nach nunmehr für die CDU
sattsam bekannten Regeln:
({5})
Das Erste ist: Man nimmt das Geld per Briefumschlag und
Handschlag, als ob ein Banker nicht wüsste, was ein
Überweisungsträger ist. Das haben wir von Ihrer Partei
schon sehr oft gehört. Ihr Briefumschlagvorrat muss wirklich unermesslich sein.
({6})
Das Zweite ist: Die Sache wird nicht korrekt verbucht,
sondern gleich per Handschlag weitergeleitet. Der „Tagesspiegel“ hat heute eine große Grafik veröffentlicht, um uns
beizubringen, wie die 25 000 DM umverteilt worden sind.
Das Dritte ist: Auf einmal weiß man, dass es doch Konten gibt, und überweist das Geld auf ein Schwarzkonto.
Danach wird die Methode angewandt, die Spuren zu verwischen, die Sache zu vertuschen. Das Bündnis aus Spendern, die ganz genau wissen, warum sie keinen Steuerbescheid und keine Quittung für dieses gegebene Geld
haben wollen, und Empfängern, die ebenso gut wissen,
warum sie keine Quittung und keinen Steuerbeleg dafür
Andreas Schmidt ({7})
geben wollen, weil sie das Geld entsprechend weiterverteilen wollen, funktioniert offenbar immer wieder. Last
but not least wird nur das zugegeben, was in der Zeitung
steht, und die Angelegenheit schöngeredet, was auch
heute hier getan wird.
Das Dreisteste kommt vom Regierenden Bürgermeister,
der das quasi als Kavaliersdelikt abgetan und behauptet
hat, das sei eben nur eine Dummheit. So kann es nicht gehen! Von daher, so meine ich, ist es der nächste große
Skandal, dass Herr Landowsky nun zwar sein Amt als
Banker niederlegt, weil er offenbar für die Bank nicht
mehr zumutbar ist, aber als Politiker meint das Thema aussitzen zu können. Dass er uns sowie den Wählern und Bürgern in diesem Land das zumutet, ist eine so unerträgliche,
zynische Missachtung von politischer Moral und politischen Grundregeln, dass es wirklich schlimmer nicht geht.
({8})
Mit dieser Haltung schadet Landowsky erstens sich
selbst, zweitens der CDU und drittens unserer Hauptstadt.
Er schadet der Glaubwürdigkeit von Politik allgemein, und
dies, nachdem das Vertrauen der Bürger in die Politik ohnehin schon erschüttert ist. Deswegen meine ich, dass dies
nicht nur ein Thema für den Parteienstreit ist, sondern eines, das uns alle angeht. Die Bürger Berlins und auch die
Bundesbürger haben ein Recht auf glaubwürdige und unbestechliche Politiker und auf klare politische Maßstäbe.
Deswegen müssten Konsequenzen gezogen werden:
Erstens. Herr Landowsky ist als Politiker und Fraktionsvorsitzender der größten Fraktion der Hauptstadt
wirklich nicht mehr tragbar. Er sollte schnell zurücktreten, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtet.
Zweitens. Der Herr Regierende Bürgermeister muss
entweder dafür sorgen, dass die große Koalition wirklich
nach moralischen Maßstäben weiter regiert, oder er ist
auch selbst nicht mehr tragbar.
Die SPD, bitte ich, sich darum zu kümmern, dass sie
nicht in diese Auseinandersetzung hineingezogen wird.
({9})
Das Wort hat nun der
Kollege Dr. Peter Danckert, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ehe ich zu dem eigentlichen Thema der Aktuellen Stunde Stellung nehme,
möchte ich mich kurz an die Damen und Herren von der
PDS wenden. Ich finde es etwas merkwürdig, dass Sie
sich über Dinge erregen, die sich in den 80er-Jahren ereignet haben. Sie sollten erst einmal vor Ihrer eigenen Tür
kehren. Ich möchte nicht wissen, was in Ost-Berlin in den
80er-Jahren an krummen Geschäften, verantwortet durch
Ihre Partei, gelaufen ist. Klären Sie das erst einmal auf,
dann können Sie sich an dieser Debatte beteiligen!
({0})
Ich verstehe die Erregung der CDU völlig. Herr
Landowsky ist der stärkste Mann, er hat über 20 Jahre die
Politik der CDU in Berlin mitbestimmt, er hat den Regierenden Bürgermeister aus allen kritischen Situationen gerettet und die innerparteilichen Kritiker ruhig gehalten.
Der ist nun, nachdem er vor einem Jahr vollmundig erklärt
hat, er sehe sich von außen die Sache im Ring an, auf einmal angezählt, ja, man könnte fast sagen, k. o. gegangen.
So ist die Situation heute. Wenn er sagt, er ziehe sich diese
Jacke nicht an, ist ganz offensichtlich diese Jacke für ihn
inzwischen zu einer Zwangsjacke geworden, und diese
Jacke passt. Er kommt aus der Geschichte nicht mehr raus.
Diejenigen, die in Berlin gelebt haben, wissen, dass wir
in den 80er-Jahren - das ist schon von Frau Klemmer angesprochen worden - die Antes-Affäre hatten. Wer die Details darüber ein bisschen näher kennt, weiß, dass die CDU
damals an komplizierten Untersuchungen vorbeigeschliddert oder - ich könnte auch sagen - vorbeigeschreddert ist.
Wir wissen doch alle, was sich am Vorabend und in der
Nacht, bevor die Soko Lietze tätig wurde, im CDU-Parteihaus in der Lietzenburger Straße abgespielt hat. Die haben
einen Tipp bekommen und erst einmal kräftig Akten vernichtet. Um Aktenvernichtung geht es übrigens auch im
aktuellen Untersuchungsausschuss.
({1})
Im Antes-Komplex ging es um Bargeld und im darauf
eingesetzten Untersuchungsausschuss wurde bekannt,
dass der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen
von einem Unternehmer der Stadt dreimal 25 000 DM in
bar erhalten hat. Auch dies taucht hier wieder auf. - All
das hatten wir schon einmal. Das Déjà-vu ist ganz eindeutig.
Nun befinden wir uns in der Situation, dass Sie - oder
besser gesagt: Herr Landowsky - uns weismachen wollen, das alles hätte mit seinem Amt als Banker überhaupt
nichts zu tun. Für wie blöd hält man eigentlich die Öffentlichkeit? Da sind zwei Parteifreunde - die kommen
doch nicht zufällig zusammen -, die zur gleichen Zeit Geschäftsführer der Firma Aubis sind, die einen Bankkredit
braucht. Sie braucht keinen kleinen Gründungskredit über
50 000 DM oder 100 000 DM, nein, es soll sich richtig
lohnen, sie braucht 600 Millionen DM.
({2})
Und in dieser Bank bekommt der Vorstandsvorsitzende der
Berlin Hyp zwei Umschläge mit Bargeld - 40 000 DM in die Hand gedrückt. Da soll noch jemand an einen Zufall glauben? Wem will man das denn plausibel machen?
({3})
Wenn sie sich irgendwo in einer Kneipe getroffen hätten,
aber sie haben sich ausgerechnet in der Bank getroffen,
für die er verantwortlich ist.
Außerdem geht es immer wieder um das Thema Bargeld. Die CDU sollte endlich bereit sein, hier in vollem
Umfang, auch in Berlin - das geht immer nur scheibchenweise -, die Hose herunterzulassen und zu sagen: Wir
haben aus der Antes-Affäre, aus dieser Korruption, nichts
gelernt. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
({4})
- Das Bild von der runtergelassenen Hose gefällt euch, ja?
Ich möchte jetzt auf das Parteiengesetz und den
Untersuchungsausschuss zurückkommen. Wir müssen
endlich einmal klarstellen, wann Bargeld eine ordentliche
Spende und wann Bargeld eine Schmiergeldzahlung ist.
Um diese Abgrenzung geht es doch. Solange uns Herr
Kohl und Herr Landowsky in dieser Sache nicht weiterhelfen und alles nur bestritten wird, bis die Wahrheit an
den Tag kommt, haben wir ein echtes Problem und vor allen Dingen kommen Sie an dieser Stelle nicht weiter.
Ich meine, dass sich Kohl und Landowsky, die beide
Bargeld in Empfang genommen haben
({5})
und uns den Zweck dieser Bargeldzahlung nicht plausibel
machen können, nicht wundern müssen, wenn wir an dieser Stelle Fragen stellen und uns um Aufklärung
bemühen; denn solange diese Fragen nicht beantwortet
sind, ist der Fall nicht geklärt. Fragen werden wir doch
wohl noch stellen dürfen. Das ist mit der Unschuldsvermutung noch vereinbar,
({6})
die Sie, Herr Kollege Schmidt, in wirklich dramatischer
Weise verletzt haben.
({7})
Über Herrn Kohl, der für die Veruntreuung von 2 Millionen DM ein lächerliches Bußgeld in Höhe von
300 000 DM zahlen muss, verlieren Sie kein Wort, aber jemanden, der vor 20 Jahren zu einer Strafe verurteilt worden ist, zerren Sie hier vors Podium. Das ist wirklich eine
ganz seltene Art von Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit.
Vielen Dank.
({8})
Jetzt hat das Wort der
Kollege Detlef Dzembritzki.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Was mich am Anfang am meisten erstaunt hat, war die Überraschung bei allen, dass sich das
Modell der Doppelkonstellation Fraktionsvorsitzender der
CDU und Vorstandschef der Berlin Hyp, verkörpert durch
Herrn Landowsky, so lange halten konnte. Die enge Verbindung von parlamentarischem Mandat und Bankjob begleitet die Karriere von Herrn Landowsky seit den späten
70er-Jahren und ist zumindest den Kennern der Berliner
Politszene als strukturelles Problem bekannt. Fraktionsvorsitzender und Bankenchef einer Quasi-Landesbank bei dieser Konstruktion stellt sich folgende Frage von
selbst: Wer kontrolliert hier wen?
Mich verwundert, dass ein Mann wie Landowsky es
nicht als eine Zumutung erachtet hat, dass im Aufsichtsrat der Berlin Hyp auch der Finanzsenator saß, der in seiner politischen Funktion, wie wir alle wissen, doch vom
Fraktionsvorsitzenden abhängig ist. Wie kann der Finanzsenator also im Aufsichtsrat frei und objektiv seine Funktion ausüben, wenn der mächtige Fraktionsvorsitzende
- das war Landowsky bislang ja - dort seinen eigenen
Finanzsenator kontrolliert?
({0})
Eine solche Konstellation ist ausschließlich der Macht
und nicht den politischen, den demokratischen Spielregeln geschuldet.
Es kommt noch besser: Es wurde sogar eine Lex
Landowsky geschaffen. Damit er sein Parlamentsmandat
behalten konnte, wurde die Konstruktion geschaffen, dass
das Land Berlin an der Berlin Hyp weniger als 50 Prozent
besaß, nämlich genau 49,9 Prozent. 0,1 Prozent mehr und
er hätte sein Mandat niederlegen müssen.
({1})
Eine solche Konstruktion entsteht aber nicht aus dem
Nichts, Herr Kollege Scholz. Hier kommt die Rolle des
Regierenden Bürgermeisters Diepgen ins Spiel. Er hat
diese Konstruktion nicht nur gewollt, sondern er hat sie
abgesegnet. Seine momentan zur Schau gestellte Ahnungslosigkeit nimmt ihm keiner ab.
({2})
Allerdings - das verwundert uns ja nicht mehr - scheint
es bei der CDU ein beliebtes und wiederkehrendes Muster zu sein, dass der CDU-Vorsitzende von den Machenschaften unter ihm nichts mehr weiß.
({3})
Wie bei Kohl und Koch sind es immer ein paar böse Buben, die ohne Wissen des allmächtigen Vorsitzenden irgendwelche Gelder annehmen und in irgendwelchen
dunklen Kanälen verschwinden lassen. Diese Ausflüchte
sind nicht mehr lachhaft; sie sind nur noch bitter zur
Kenntnis zu nehmen. Die Art von politischer Verantwortung, die Vorsitzende aufgrund ihrer Funktion nun einmal
zu übernehmen haben, scheint der CDU allerdings komplett abhanden gekommen zu sein.
Wenn wir schon von der CDU reden: Mir drängt sich
die Ähnlichkeit der Mentalität von Herrn Landowsky und
von Helmut Kohl auf. Sie ist von einer mangelnden Sensibilität und einer fast majestätischen Selbstherrlichkeit
geprägt, die es scheinbar erlaubt, sich nach eigenem Gutdünken über geltendes Recht hinwegzusetzen und Gelder
nach Gutsherrenart zu verteilen.
Herr Kollege Schmidt, ich muss Sie hier mit einbeziehen. Sie haben heute wieder ein Beispiel für die brutalstmögliche Aufklärung geliefert, das geradezu faszinierend
ist. Über Pfahls, der auf der Flucht ist, über Kohl, der
300 000 DM zahlt, um einer Verurteilung zu entgehen, fiel
nicht ein einziges Wort. Sie sprechen hier Probleme, die
intern von der SPD in Berlin geklärt worden sind, die aufgearbeitet worden sind, die öffentlich sind, an und vergleichen sie mit diesen Machenschaften. Es ist schon
skandalös, wie Sie in diese Diskussion einsteigen.
({4})
Es geht um die Art und Weise, die eigene politische
Macht mit allen Mitteln und vor allem mit Geld zu verteidigen. Das ist in diesem Fall auch in Berlin passiert. Die
Transparenz, die in der Politik und - das will ich einmal
hinzufügen - auch in öffentlichen Banken notwendig ist,
wurde ad absurdum geführt.
({5})
Meine Damen und Herren, Herr Landowsky, Herr
Kohl und Herr Koch und alle anderen haben geglaubt,
dass ihre Machenschaften nie herauskommen oder - was
mich noch mehr irritiert - dass das ja alles nicht so
schlimm sei und dass man darum überhaupt kein Aufhebens machen solle.
Lieber Kollege Danckert, ich habe nicht den Eindruck,
dass Landowsky jetzt außerhalb des Ringes steht. Ich habe
vielmehr den Eindruck, dass er mitten im Ring steht und
dass wir Fragen zu stellen haben: Was kommt noch im Zusammenhang mit der Vergabe des Kredites von 600 Millionen DM an die Aubis und mit Schwarzkonten heraus?
Was ist noch alles im Hintergrund? Gab es wirklich nur
eine Spende? Gab es tatsächlich nur ein Schwarzkonto?
Muss die Rolle des ehemaligen Kollegen Neuling in diesem Zusammenhang neu bewertet werden? Wie alle altgedienten Kollegen wissen, war er einmal Vorsitzender des
Unterausschusses Treuhandanstalt. - All das sind Fragen,
die hier diskutiert werden müssen. Aber die Wahrheit wird
bei der CDU nur scheibchenweise ans Licht kommen.
Die Presse liest sich heute schon wie ein Nachruf auf
Herrn Landowsky. Die Spender und Kreditnehmer
Wienhold und Neuling distanzierten sich bereits am
Montag von ihm, und die Jungen der Berliner CDU - das
ist ja nicht verwunderlich - stehen schon in den Startlöchern. Für Herrn Landowsky wird es eng; aber auch der
Regierende Bürgermeister steht immer mehr in Erklärungsnot.
Meine Damen und Herren, erneut wurde und wird die
politische Kultur beschädigt, egal, ob im Bund, im Land
oder in den Kommunen. Menschen wie Herr Landowsky,
wie Kohl, Kiep, Koch und wie sie alle heißen, untergraben mit ihrer Vetternwirtschaft die Glaubwürdigkeit in
unserem Gemeinwesen,
Herr Kollege, denken
Sie bitte an die Redezeit.
- und das nur wegen ihres
eigenen Machtanspruchs. Dies verbittert mich, weil dieser Stil den Bürgerinnen und Bürgern das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat nimmt.
Daher mein Appell an die CDU: Sorgen Sie nicht für
eine brutalstmögliche Aufklärung, - davon haben wir die
Nase voll -, sondern sorgen Sie für eine transparente Aufklärung! Machen Sie klar Schiff!
({0})
Damit ist uns allen geholfen. Damit können wir es möglicherweise schaffen, Glaubwürdigkeit in der Politik
zurückzugewinnen.
Vielen Dank.
({1})
Ich erteile dem Kollegen Eckart von Klaeden das Wort.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren Kollegen! Ich glaube, trotz all
der Aufregung gibt uns diese Aktuelle Stunde auch die
Gelegenheit, eine Zwischenbilanz der Arbeit des Untersuchungsausschusses zu ziehen.
({0})
Die bisherige Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses zu den CDU-Parteifinanzen hat bestätigt,
dass die CDU alles in ihrer Macht Stehende unternommen
hat, um Verstöße gegen das Parteiengesetz in den eigenen
Reihen aufzuklären.
({1})
Die CDU hat mithilfe von Wirtschaftsprüfern intensiv ermittelt und die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind dem
Untersuchungsausschuss und den ermittelnden Staatsanwaltschaften zur Verfügung gestellt worden.
({2})
Selbst der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses,
Herr Neumann, hat mittlerweile festgestellt, dass in dem
einzigen bisher vollständig behandelten Komplex, nämlich der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien, keinerlei
politische Käuflichkeit vorgelegen hat,
({3})
sondern allein außen- und sicherheitspolitische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben. Der Arme ist jetzt allerdings kaum noch mit einer heilen Anzughose ausgestattet,
weil sich die Terrier aus den eigenen Reihen ständig in seinen Waden verbeißen.
({4})
Der Kollege Hofmann darf noch nicht einmal mehr
hier im Parlament sprechen. Unser großzügiges Angebot,
ihm interfraktionell Redezeit von uns zur Verfügung zu
stellen, wird von der SPD zurückgewiesen. Derweil ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrat in
der SPD-Bundestagsfraktion.
Und von dem Kollegen Ströbele werden uns hier vulgär-marxistische Schauergeschichten
({5})
über den bösen Zusammenhang zwischen Wirtschaft, Politik und Kapital erzählt. Herr Ströbele, vielleicht haben
wir Sie ja mit Ihrem zugegebenermaßen etwas verqueren
Weltbild an unserer Seite, wenn es jetzt darum geht,
tatsächlich Konsequenzen aus der Parteispendenaffäre
der CDU, aber auch aus dem von der SPD betriebenen
System der Vermögensverschleierung zu ziehen. Vielleicht ist die Tatsache, dass sich dort mittlerweile eine Arbeiterpartei ihr Kapital und sich das Kapital eine eigene
Arbeiterpartei hält, etwas, was in Ihr vulgär-marxistisches
Weltbild passt.
({6})
- Das war ein abgewandeltes Tucholsky-Zitat, Herr Kollege Stiegler, das Sie vielleicht kennen mögen.
Lassen Sie uns einmal die Vorschläge, die wir als CDU
vorgelegt haben und von denen wir hoffen, dass sie vielleicht auch Ihre Unterstützung finden, gemeinsam durchgehen. Da ist zunächst die Durchsetzung einer klaren und
nachvollziehbaren Rechnungslegung, unter anderem das
Verbot der Quersaldierung, die unbestreitbar gegen das
Transparenzgebot des Grundgesetzes verstößt und nach
nahezu einhelliger Auffassung schon heute nicht mit den
Regeln des Parteiengesetzes vereinbar ist. Leisten Sie einen Beitrag dazu, damit es dazu nicht mehr kommt, auch
wenn Ihre Bundesgeschäftsstelle auf diese Weise finanziert worden ist! Sorgen Sie mit einer Änderung im Parteiengesetz dafür, dass Vermögenswerte der Parteien nicht
mit dem Buchwert, sondern mit dem Verkehrswert angegeben werden müssen.
({7})
Dann ist eine wundersame Geldvermehrung wie die bei
der sozialdemokratischen Partei, wo sich in weniger als
einem Jahrzehnt das Vermögen um 50 Prozent, nämlich
von 500 Millionen auf über 750 Millionen DM erhöht haben soll,
({8})
vielleicht auch in den Rechenschaftsberichten nachvollziehbar dargelegt.
Sorgen Sie dafür, dass im Parteiengesetz endlich das
Verbot des Besitzes, des Betreibens und der Beteiligung an
erwerbswirtschaftlichen Tendenzbetrieben festgeschrieben wird! Denn das wirtschaftliche Engagement von Parteien in Tendenzbetrieben, insbesondere in Medienunternehmen, eröffnet die Möglichkeit, indirekt und vom
Wähler und politischen Gegner unbemerkt auf die politische Willensbildung und auch auf die Medienstruktur in
unserem Land Einfluss zu nehmen. Sie haben doch in
Ihren Reihen einen ähnlichen Fall, nämlich den des NDRIntendanten Plog, der über die Aufsichtsratstätigkeit in Ihrer Beteiligungsgesellschaft seine privaten Konkurrenten,
Medienunternehmen in Niedersachsen, kontrolliert.
({9})
Sorgen Sie mit uns für ein Verbot der Annahme von Direktspenden! Lassen Sie uns das Abgeordnetengesetz in
entsprechender Weise ändern.
({10})
Sorgen Sie schließlich dafür, dass die Berichte, die dem
Bundestagspräsidenten vorgelegt werden, von Wirtschaftsprüfern verfasst werden, die tatsächlich unabhängig sind!
({11})
Wie wäre es denn, wenn die Partei, die von einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen kontrolliert wird, an diesem
Wirtschaftsprüfungsunternehmen nicht beteiligt sein darf?
({12})
Das alles sind Dinge, bei denen wir auf die Unterstützung und Zusammenarbeit der Sozialdemokraten hoffen.
Der Kollege Wend als ehemaliger Geschäftsführer eines
sozialdemokratischen Unternehmens wird dazu gleich
vielleicht einige Vorschläge machen können.
({13})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich möchte uns alle darauf aufmerksam
machen, dass das Thema der Aktuellen Stunde lautet:
„Bundespolitische Auswirkungen neu bekannt gewordener Verstöße gegen das Parteiengesetz“.
({0})
Ich sage das deswegen, weil ich als Präsidentin nach § 36
der Geschäftsordnung den Redner, „der vom Verhandlungsgegenstand abschweift“ - so heißt es dort -, „zur Sache verweisen“ kann. Das habe ich nicht getan. Aber ich
möchte allen sagen: In einer Aktuellen Stunde sollten wir
bei dem Verhandlungsgegenstand bleiben.
({1})
Jetzt hat der Kollege Dr. Rainer Wend für die SPDFraktion das Wort.
({2})
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schmidt, Sie haben zunächst das Beteiligungsvermögen der SPD angesprochen und das mit der Parteispendenaffäre und den
Vorgängen bei der CDU verglichen.
({0})
Das Parteivermögen der SPD entstand durch die Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich seit über 100 Jahren für uns
einsetzen. Dies ist eine Tradition, auf die wir Sozialdemokraten stolz sind.
({1})
Wenn Sie die Geschichte des Vermögens der SPD damit
vergleichen, dass Herr Kiep in der Schweiz von Herrn
Schreiber 1 Million DM in bar auf dem Parkplatz eines
Einkaufszentrums erhalten hat, dann ist das infam. Das
weisen wir an dieser Stelle mit Empörung zurück.
({2})
Herr von Klaeden, ich habe Sie verstanden. Sie haben
ein begehrliches Auge auf die Verlagsbeteiligungen der
Sozialdemokraten geworfen.
({3})
Ich sage Ihnen mit allem Ernst und Nachdruck: Das erste
Mal waren es die Nazis, die uns enteignet haben.
({4})
Dann waren es die Kommunisten, die uns alles genommen haben. Aber dieser Rechtsstaat wird dafür sorgen,
dass die Verlagsbeteiligungen im Eigentum der sozialdemokratischen Partei verbleiben. Auch Sie werden das
nicht ändern können!
({5})
Lassen Sie mich noch etwas zu einem Punkt sagen,
Herr Schmidt, den Sie genannt haben.
({6})
Sie sprachen unseren Obmann Frank Hofmann an.
Wahrheitswidrig haben Sie hier erklärt, seine Räume
seien durchsucht worden.
({7})
Sie gehen nach dem Motto vor: Ich stelle irgendeine Behauptung auf, irgendetwas wird schon hängen bleiben. Wir stehen hinter unserem Obmann und sind stolz darauf,
dass er unser Obmann ist. Er wird selbstverständlich in
dieser Funktion bleiben.
({8})
Sie haben heute angeboten, unserem Obmann fünf Minuten von Ihrer Redezeit zu überlassen. Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Sie haben doch unter Ihren
245 Bundestagsabgeordneten keinen vierten Redner gefunden, der auf Ihrem Niveau hier am Rednerpult sprechen will. Deswegen machen Sie uns dieses Angebot.
({9})
Ich will zu dem kommen, was in Berlin passiert ist. Herr
Professor Scholz meinte, in Berlin sei nur gegen innerparteiliche Richtlinien verstoßen worden. Was ist passiert?
Ein Kredit von gut 600 Millionen DM wurde gewährt. In
einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang - von
Kausalität kann ich nicht sprechen - ist an die Entscheidungsperson Landowsky eine CDU-Spende über
40 000 DM geflossen.
({10})
Fazit: In einem engen zeitlichen Zusammenhang hat derjenige Geld gespendet, der durch eine politische Entscheidung begünstigt wurde.
({11})
Herr Schmidt, kommt uns beiden das nach den letzten eineinviertel Jahren im Untersuchungsausschuss nicht verdammt bekannt vor?
({12})
Wie war es denn mit der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien?
({13})
In direktem zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung über die Lieferung der Spürpanzer bekam nicht nur
der CDU-Staatssekretär 3,8 Millionen DM, sondern aus
den Schmiergeldern von Thyssen für diesen Deal ging auf
dem eben von mir erwähnten Parkplatz des Einkaufszentrums 1 Million DM in bar an die CDU.
Oder wie war es bei der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen? Es flossen 5,9 Millionen DM in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung, dass die Spender die Eisenbahnerwohnungen
bekommen sollten. - Deswegen ist Berlin typisch für
das, was sich in den letzten eineinviertel Jahren offenbart hat.
({14})
Ich komme zu Helmut Kohl: Ich verstehe jetzt auch,
warum Helmut Kohl schweigt bzw. sich weigert, die Namen der Spender zu nennen. Ich weiß genau, warum er
das tut. Wenn er nämlich die Geldgeber - wenn es sie denn
gibt ({15})
nennen würde, wüsste die Öffentlichkeit, dass auch in diesem Fall, ebenso wie in den anderen Fällen, ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Geldgaben und
großzügigen politischen Entscheidungen zugunsten der
Geldgeber vorhanden war. Diese Tatsache zu vertuschen
ist der wahre und bittere Grund, warum Helmut Kohl
heute noch die Namen der Spender verschweigt.
({16})
Ich sage Ihnen eines zum Abschluss:
({17})
Solange Frau Merkel und Herr Merz nicht jede Chance
- einschließlich der Inanspruchnahme von Gerichten nutzen, von Kohl die Namen der Geldgeber zu erfahren,
so lange wird der Geruch der politischen Korruption in
den Kleidern der CDU hängen bleiben. Befreien Sie sich
davon!
({18})
Herr von Klaeden,
natürlich wiederhole ich an dieser Stelle meine Ausführungen bezüglich des Abschweifens vom Verhandlungsgegenstand, damit Sie nicht meinen, ich würde in
dieser Frage einseitig urteilen.
({0})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. Februar 2001,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.