Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich bitte darum, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen,
über den die Frau Bundesministerin berichtet hat. - Als
erster hat sich der Kollege Parr gemeldet.
Frau Ministerin, zunächst einmal
begrüßen wir es, dass das Jahr der Lebenswissenschaften
stattfindet und dass Sie in diesem sehr schwierigen und
diffizilen Bereich einen Dialog führen wollen.
Ein Teilaspekt, der aus der Sicht meiner Fraktion eine
große Bedeutung hat, ist die Präimplantationsdiagnostik.
Wir haben den Antrag gestellt, die Präimplantationsdiagnostik rechtlich abzusichern. Es geht darum, dass wir
den wenigen Paaren in Deutschland, die durch schwere
genetische Schäden in der Familie vorbelastet sind und
damit vor der Frage stehen, entweder keine Kinder zu haben oder welche zu adoptieren, die Möglichkeit geben
wollen, über die Präimplantationsdiagnostik zu einem gesunden Kind zu kommen.
Ihre Kollegin aus dem Gesundheitsministerium hat in
mehreren öffentlichen Erklärungen deutlich gemacht,
dass die Bundesregierung diese Frage diskutiert und
hier einen neuen Weg gehen will, um deutschen Paaren
auf diesem Wege zu helfen. Es handelt sich um etwa
100 Paare jährlich, die bisher noch ins Ausland gehen
müssen.
Ich möchte Sie fragen, wie Sie das Problem der
Präimplantationsdiagnostik in das Jahr der Lebenswissenschaften einbetten wollen und ob Sie mit uns gemeinsam das Ziel verfolgen, eine rechtliche Absicherung dieses Verfahrens hinzubekommen?
Die Politik hat grundsätzlich die Aufgabe,
die Grundlagen ihres Handelns zu formulieren und mit
den Menschen zu diskutieren. Genau das wollen wir auch
im Jahr der Lebenswissenschaften leisten. Dazu wird sicherlich auch die PID gehören. Ich finde es daher richtig,
dass dieses Thema im Ausschuss erörtert wird. Wir sollten im Rahmen von Diskussionen mit der Bevölkerung im
Parlament eine Position dazu entwickeln. Das Ergebnis
dieser Debatte will ich nicht vorwegnehmen. Ich habe zu
diesem Thema eine persönliche Meinung, die Sie sicherlich schon zur Kenntnis genommen haben. Ich finde aber,
die endgültige Positionsbestimmung sollte durch das Parlament vorgenommen werden.
Eine weitere
Frage des Kollegen Parr.
Frau Ministerin, ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die Ethikkommission des Landes Rheinland-Pfalz zu der PID Stellung
genommen hat und notwendige Regelungen fordert und
dass auch die Ärztekammer hierzu einen Richtlinienentwurf vorgelegt hat. Kann ich davon ausgehen, dass Sie
dem Parlament noch in diesem Jahr eine entsprechende
Vorlage unterbreiten werden, die eine Entscheidung in
dieser Frage zulässt?
Sie können davon ausgehen, dass die Positionen der Expertengruppe aus Rheinland-Pfalz - sie
geht davon aus, dass die Arbeit mit pluripotenten Zellen
als eine Analysemethode bei der PID im Rahmen unseres
Embryonenschutzgesetzes möglich ist; es gibt aber auch
andere rechtliche Auffassungen - vonseiten der Bundesregierung abgewogen werden. Ich gehe davon aus, dass
das auch für das Parlament und die zuständigen Ausschüsse gilt.
Eine Frage
des Kollegen Wiese ({0}).
Frau Ministerin, Sie haben auf die große Anzahl von Veranstaltungen
hingewiesen, die dazu dienen sollen, in einen breiten Dialog mit der Bevölkerung einzutreten. Es stellt sich dabei
die Frage nach der Finanzierung. Sie haben eine neue
GmbH, die gemeinnützige GmbH „Wissenschaft im Dialog“, erwähnt. Ich denke, dass auch durch diese Gesellschaft die Finanzierung in gewissem Umfang gesichert
werden kann. Haben Sie weitere Sponsoren an der Hand
bzw. ist daran gedacht, die geplanten Vorhaben über
Haushaltsplanmittel hinaus durch Sponsoring voranzutreiben?
Wir haben seitens meines Ministeriums
für das Jahr der Lebenswissenschaften einen Betrag von
4,2 Millionen DM vorgesehen. Die Forschungsorganisationen - die Max-Planck-Gesellschaft, die FraunhoferGesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz beteiligen sich ihrerseits an dieser Initiative. Sie führen
große Veranstaltungen durch und finanzieren diese auch
selbst. Es handelt sich von daher um eine gemeinsame
Initiative des BMBF und der großen Forschungsorganisationen, von denen jeder seinen Teil der Finanzierung übernimmt.
Die vier großen Veranstaltungen, die ich eben genannt
habe, finanzieren wir seitens des BMBF.
Vielen Dank.
Eine Frage
des Kollegen Tauss.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir
begrüßen Ihre Initiative zum Jahr der Lebenswissenschaften sehr. Ich denke, nach dem erfolgreich abgeschlossenen Jahr der Physik haben wir hier eine hervorragende Chance, zum richtigen Zeitpunkt einen gesellschaftlichen Dialog zu führen, den wir sehr begrüßen
- der Kollege Parr von der F.D.P. ist leider schon weg -,
weil nicht mit fertigen Antworten an derart wichtige
Fragestellungen herangegangen wird.
Ergänzend zu dem, was Sie angesprochen haben, dass
neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit gewählt werden
müssen, dass man dorthin gehen muss, wo die Menschen
sind, auf Märkte und Plätze, und nicht darauf warten darf,
dass die Menschen auf die Wissenschaft, die sich im Elfenbeinturm versammelt hat, zugehen, würde mich interessieren, auf welche Weise die Schulen einbezogen sind.
Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt. Im Jahr der
Physik haben wir sehr viel für die Physik tun können. Ich
glaube, die spannende Diskussion, die gerade angeklungen ist, betrifft ein Thema, mit dem sich junge Menschen
beschäftigen müssten und könnten. Mich würde interessieren, was hier konzeptionell vorgesehen ist.
Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass
wir mehrere große Veranstaltungen durchführen und dass
es auch sehr viele regionale Initiativen gibt. Die Schulen
sind in beide Sparten einbezogen.
Die Veranstaltung „Kosmos Gehirn“ zum Beispiel, die
vom 7. bis 10. Juni in Göttingen stattfinden soll, beinhaltet Filmvorführungen, Autorenlesungen, eine Ausstellung
und eine Fortbildungsveranstaltung für Lehrer und für
Schülerinnen und Schüler und richtet sich daher sowohl
an ein allgemeines Publikum, aber mit ihren speziellen
Angeboten an Schulen eben auch an Schülerinnen und
Schüler. In dieser Art und Weise geschieht das im Übrigen
bei einer ganzen Reihe von größeren Veranstaltungen.
Gleichzeitig haben wir aber die regionalen Initiativen,
bei denen der Anstoß häufig von einer Hochschule oder
von einem Forschungsinstitut, zum Beispiel einem MaxPlanck-Institut oder einem Fraunhofer-Institut in der
Stadt oder in der Region, ausgeht, die dann auch die Schulen einbeziehen.
Umgekehrt hatten wir im letzten Jahr regionale Initiativen, die von den Schulen selber ergriffen wurden. Auch
das halte ich von der Sache her für notwendig und richtig.
Diese Initiativen haben im Übrigen teilweise aus unserem
Haus, aus dem BMBF, eine kleine finanzielle Förderung
erhalten. Das wird auch in diesem Jahr wieder so sein.
Eine Frage
der Kollegin Böttcher.
Frau Ministerin, der zweite
Teil meiner Frage, die ich stellen wollte, ist soeben beantwortet worden. Ich möchte deshalb nur auf den ersten Teil
meiner Frage abheben.
Offiziell, zum Beispiel im Lenkungsausschuss der
GmbH, sind alternative sozialökologisch orientierte
Wissenschaftseinrichtungen sowie gesellschaftliche Organisationen, wissenschaftskritische Initiativen in Hochschulen und Gesellschaft und die Öffentlichkeit im
Allgemeinen nicht beteiligt. Können Sie noch etwas dazu
sagen, wie unter diesen Umständen eben dieser kritische
Dialog, von dem Sie gesprochen haben, in der Gesellschaft zustande kommen soll und in welcher Weise diese
gesellschaftlich relevanten Gruppen und wissenschaftskritischen Dialogpartner in die Projekte im Rahmen des
Jahres der Lebenswissenschaften einbezogen werden
können?
Wir haben diese Organisationen mit einbezogen; in dem mir vorliegenden Faltblatt werden auch
die Internet-Adressen angegeben werden. Ich will nur einige nennen: logischerweise das Ministerium für Bildung
und Forschung, aber auch das deutsche Humangenomprojekt, das Informationssekretariat Biotechnologien, das
Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften, das Gen-ethische Netzwerk, das Internet-Magazin „Life Science“ und „Wissenschaft im Dialog“. Das
macht sehr deutlich, dass wir hier wirklich eine sehr große
Pluralität und Breite haben. Das ist mir auch ein wichtiges Anliegen.
Wir haben auch Organisationen einbezogen, die vielleicht eher eine skeptische Haltung haben. Wir beziehen
auch ethische Fragestellungen in die Diskussion ein. Das
Heinz Wiese ({0})
ist schon in der Eröffnungsveranstaltung deutlich geworden. Dort haben wir die Fragestellungen, die sich mit den
Lebenswissenschaften verbinden, mit den Hoffnungen
und Ängsten, in einem breiten Kontext diskutiert und
zwar sowohl unter ethischen Fragestellungen als auch unter naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Fragestellungen. Das ist die rote Linie, die sich
durch alle Veranstaltungen zieht, die wir im Jahr der Lebenswissenschaften durchführen.
Um es ganz klar zu sagen: Das Jahr der Lebenswissenschaften ist keine Akzeptanzkampagne, sondern hat das
Ziel, dass ein großer Teil der Menschen, die sich nicht gut
informiert fühlen, die Chance hat, sich eine eigene Meinung zu bilden. Sie sollen die Chance haben, mit Forscherinnen und Forschern direkte Gespräche zu führen,
und zwar nicht nur Fragen zu stellen - auch diese Chance
müssen sie haben -, sondern auch Meinungen zu äußern
und Gegenmeinungen zu hören und damit vielleicht - das
ist im Übrigen eine Erfahrung aus dem Jahr der Physik wieder Denkanstöße in Richtung Wissenschaft zu geben.
Ein Frage
des Kollegen Röspel.
Frau Ministerin, die wissenschaftliche Entwicklung im Bereich der Bio- und Gentechnologie ist ja sehr rasant. Häufig verläuft sie schneller, als wir in der Lage sind, gesellschaftliche und ethische
Fragen vernünftig zu diskutieren. Herr Parr, der Kollege
von der F.D.P., der leider wieder gegangen ist, nachdem er
seine Frage gestellt hat, hat ein Thema angesprochen, das
die F.D.P. gerne sehr schnell entschieden hätte, nämlich
die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik. Frau Ministerin, sind Sie, anders als die Vorgängerregierung, bereit, auf Basis einer breiten Diskussion die gesellschaftlichen und ethischen Konsequenzen neuer Technologien zu
bewerten, und gibt es seitens des Bildungs- und Forschungsministeriums eine verstärkte Förderung der Forschung an ethischen und gesellschaftlichen Fragen?
Herr Röspel, ich bin nicht nur willens,
diese Debatte zu führen, sondern ich führe sie genau mit
diesem Jahr der Lebenswissenschaften, weil ich diese Debatte für notwendig und wichtig halte und der Auffassung
bin, dass das, was alle Menschen berührt, auch von allen
Menschen gekannt und mitentschieden werden sollte. Genau deshalb haben wir das Jahr der Lebenswissenschaften
gestartet.
Im Übrigen fördern wir Forschungsprogramme, in denen den von Ihnen angesprochenen Fragestellungen nachgegangen wird, aus dem Ministerium für Bildung und
Forschung durchaus sehr stark. Wir entwickeln zurzeit ein
Programm, in dem wir unter dem Titel „Vorsorgebegleitforschung“ Fragestellungen nachgehen, die sowohl der
grünen Gentechnik als auch der Anwendung der Gentechnik am Menschen zuzuordnen sind. Allein für dieses
geplante Programm haben wir ein Volumen von 26 Millionen DM vorgesehen. Ich kann Ihnen jetzt leider nicht die
Projektförderliste vorlesen, weil dies zu lange dauerte. Es
sind zig Seiten mit jeweils 15 Einzelprojekten. Daher
kann ich Sie nur bitten, sie sich bei uns im Internet anzuschauen. Dort wird deutlich, dass wir ein ganz breites
Spektrum von naturwissenschaftlichen wie auch ethischen Fragestellungen bearbeiten. Auch auf diesem Wege
wollen wir dazu beitragen, eine fundierte und wirklich
vernünftige Meinungsbildung und Entscheidungsfindung
vorzubereiten und zu unterstützen.
Danke schön.
Eine Frage
des Kollegen Dr. Rossmann.
Frau Ministerin,
mir geht es noch einmal um die Breite des Ansatzes, über
Jahre der Wissenschaften den Dialog in der Gesellschaft
zu befördern. Deshalb die erste Teilfrage: Wie weit sind
Organisationen, die in Deutschland im Weiterbildungsbereich - ich denke hier an den Volkshochschulverband und
andere - tätig sind, in die Vorbereitung und Vermittlung
einbezogen? Zweite Teilfrage: Wissenschaftsrezeption erfolgt auch über Journalismus, über Zeitungen. Gibt es systematische Ansätze, den Wissenschaftsjournalismus generell zu beleben und ihn auf das zu orientieren, was in
den jeweiligen Jahren der Wissenschaften gemacht wird,
und in welcher Weise ist diese Vermittlungsquelle in die
Vorbereitung und Durchführung solcher Kampagnen einbezogen?
Auch Wissenschaftsjournalisten sind einbezogen. Zum einen berichten sie über diese Kampagne.
Zum anderen sind sie ständiger Partner sowohl der Forschungs- und Wissenschaftsorganisationen als auch meines Ministeriums. Auch die Weiterbildungsorganisationen und Volkshochschulen sind im Rahmen der
regionalen Initiativen einbezogen.
All das kann und soll allerdings nicht zentral über mein
Ministerium gesteuert werden; dies hielte ich für falsch.
Vielmehr setzen wir einen Rahmen: Ich habe das Jahr der
Lebenswissenschaften vorgeschlagen und wir führen
diese Initiative gemeinsam mit den großen Forschungsorganisationen und dem Stifterverband durch. Wir setzen
dabei den Rahmen und unterstützen auch regionale Initiativen. Das Jahr der Physik hat gezeigt, dass die damit verbundenen Chancen breit wahrgenommen werden, und
zwar sowohl von den Hochschulen und Fachhochschulen
als auch den Volkshochschulen, also den traditionellen
Weiterbildungsanbietern.
Ich gehe davon aus, dass das auch im Jahr der Lebenswissenschaften so sein wird. Deshalb haben wir gerade
bei der Planung des Rahmens der großen Veranstaltungen
die Zielperspektive ganz klar entwickelt, uns nicht nur mit
den traditionellen Formen, zum Beispiel mit Vorlesungen
in Hochschulen, an die Menschen zu wenden; vielmehr
wollen wir ganz unterschiedliche Darstellungsformen wie
Theateraufführungen, Filme und Diskussionsveranstaltungen anbieten. Es soll unter anderem eine ScienceBundesministerin Edelgard Bulmahn
Street - das ist eine Art Talkrunde - stattfinden. Die überraschende Erfahrung des letzten Jahres, dass diese Möglichkeit von sehr vielen Menschen aufgegriffen wird, war
positiv.
Herr Kollege Hauser, mir wurde mitgeteilt, dass Sie eine Frage zu
einem anderen Themenbereich stellen wollen.
({0})
- Dann bekommen Sie gleich das Wort.
({1})
Frau Kollegin Volquartz hat zunächst eine Frage.
Frau Ministerin,
ich habe eine Frage zur kommerziellen Nutzung von Genmais. Sie haben im Zusammenhang mit dem Jahr der Lebenswissenschaften ein neues Biotechnologieforschungsprogramm aufgelegt. Warum wurde in diesem Programm
die Förderung der Begleitforschung auf dem Gebiet der
kommerziellen Nutzung von Genmais in letzter Minute
gestrichen? Warum hat der Bundeskanzler seine im letzten Jahr angekündigten Gespräche mit den betroffenen
Firmen über einen erweiterten Freilandanbau und die damit verbundene Begleitforschung nicht geführt? Welche
Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Saatgutzüchter sind dadurch zu erwarten?
Zu Ihrer Frage nach der Forschung im Bereich gentechnisch veränderten Saatgutes für Mais
möchte ich Folgendes sagen: Es ist nicht richtig, dass wir
die Begleitforschung eingestellt haben. Ich will nur folgendes Forschungsprojekt - für einige ist es leider etwas
schwierig, zu verstehen; ich versuche, es zu erklären nennen - ich habe vorhin gesagt, dass mir eine lange Liste
laufender Vorhaben auf dem Gebiet der Sicherheitsforschung vorliegt -: In diesem Projekt werden die ökologischen Auswirkungen insektenresistenter Kulturpflanzen
mit rekombinanten Bacillus-thuringiensis-Toxin-Genen
- das betrifft den gentechnisch veränderten Mais, über
den wir häufig diskutieren - untersucht. Dabei geht es
auch um die Auswirkungen auf den Maiszünsler, also auf
das Insekt. Behandelt wird ebenfalls, in welchem Umfang
es einen nicht beabsichtigten Gentransfer gibt.
In einem weiteren Forschungsprojekt - dies wird erst
noch starten - geht es um die Entwicklung einer besseren
Methodik, um DNA zurückzuverfolgen. Beispiel: Eine
Pflanze mit einer bestimmten genetischen Veränderung
- solche Pflanzen gibt es in unserem Land - wird von einem Tier gefressen, das dann von Menschen gegessen
wird. Es soll erforscht werden, ob man genetische Änderungen der Pflanze auch am Ende der Nahrungskette noch
feststellen kann. Bisher liegt keine ausgeklügelte Methodik vor; daran arbeiten wir noch. Die Erforschung dieser
Fragestellung ist von der alten Regierung nicht verfolgt
worden; wir tun dies.
Das macht deutlich, dass wir wirklich ein ganz breites
Spektrum von Forschungsansätzen verfolgen. Wir
bemühen uns, in einem sehr breiten Diskurs mit vielen
Wissenschaftlern ganz unterschiedlicher Disziplinen sowohl mit Wissenschaftlern, die in der Genomforschung
tätig sind, als auch mit Wissenschaftlern, die sich stärker
auf ökologische Fragestellungen, zum Beispiel auf Probleme der Biosphäre, konzentrieren - alle relevanten Forschungsaspekte zu bearbeiten.
Was ist mit der
zweiten und der dritten von mir in diesem Zusammenhang
gestellten Frage, die jeweils den Bundeskanzler betrifft?
Das war die Frage nach der kommerziellen Freisetzung?
Ja.
Die Gespräche mit den Unternehmen, die
im Bereich der Pflanzenzüchtung tätig sind, sind ausgesetzt worden. In diesen Gesprächen ging es um die
Rahmenbedingungen für kommerzielle Freisetzungen.
({0})
Unser Anliegen war es, die Unternehmen dazu zu motivieren, selbst auf kommerzielle Freisetzungen zu verzichten. Freisetzungen im Rahmen von Forschungsvorhaben
finden statt; sie müssen auch stattfinden, damit wir durch
diese Forschungsarbeiten besseres Wissen über langfristiges Verhalten, aber auch über die langfristigen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen in unserer
Umwelt erhalten. Deshalb muss man unterscheiden zwischen kommerzieller Freisetzung, die ja nicht zum Ziel
hat, mehr Wissen zu erhalten, sondern bei der es darum
geht,
({1})
beispielsweise eine bestimmte angebaute Maissorte anschließend zu verkaufen, und Freisetzungen zu Forschungszwecken. Freisetzungen im Rahmen von Forschungsprojekten finden statt und werden durchgeführt, um durch
mehr Wissen bessere Grundlagen für unsere Entscheidungen zu erhalten. In der öffentlichen Debatte sind die
Freisetzungen zu Forschungszwecken gelegentlich mit
anderen durcheinander gebracht worden. Ich habe ja vorhin auf die lange Liste laufender und auch geplanter Vorhaben hingewiesen.
Zwei Fragen
liegen noch vor: eine vom Kollegen Hauser und eine vom
Kollegen Koppelin.
Frau Minister,
wir haben heute - das klang auch in der Frage meines Kollegen Parr an - im Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung die Frage der Präimplantationsdiagnostik diskutiert. In diesem Zusammenhang hielt
Staatssekretär Catenhusen es für möglich oder denkbar
- um es vorsichtiger zu formulieren -, dass im Embryonenschutzgesetz geregelt wird, dass Präimplantationsdiagnostik dann zulässig ist, wenn sie auf die Herbeiführung
einer Schwangerschaft zielt und nicht allein Forschungszwecken dient. Würden Sie diese Meinung teilen?
Dieses ist die Rechtsauffassung mehrerer
Rechtswissenschaftler. Ich habe ja vorhin darauf hingewiesen, dass ich davon ausgehe, dass diese Frage auch im
Parlament erörtert wird. Es gibt unterschiedliche Rechtsauffassungen. Die Rechtsauffassung durchaus maßgeblicher Rechtswissenschaftler entspricht genau derjenigen,
die Sie jetzt geschildert haben.
Darf ich eine
Nachfrage stellen, Herr Präsident?
Ja, bitte
schön.
Frau Minister,
ich hatte Sie nicht danach gefragt, ob es Rechtsauffassungen gibt, die das besagen, sondern ich hatte Sie gefragt, ob
Sie persönlich diese Rechtsauffassung teilen.
Ich bin Ministerin und vertrete hier von
daher auch die Bundesregierung. Diese Frage wird nicht
allein von der Forschungsministerin entschieden, sondern
sie muss sowohl von der Kollegin Justizministerin wie
auch von der gesamten Bundesregierung bewertet werden.
Kann ich daraus schließen -
Herr Kollege Hauser, mit Blick auf die Zeit müssen zwei Fragen
genug sein. Diese waren schon ganz gut, die Antworten
übrigens auch.
({0})
Ich bin der Auffassung, dass es einer soliden Analyse und Betrachtung der unterschiedlichen
Rechtsauffassungen bedarf. Genau diese wird die Bundesregierung auch durchführen.
Herr
Koppelin.
Frau Ministerin, nachdem
zweimal von Mitgliedern der sozialdemokratischen Fraktion kritisiert wurde, dass mein Kollege Parr nicht anwesend ist,
({0})
möchte ich Sie fragen: Teilen Sie meine Auffassung, dass
er vorhin zwei vernünftige Fragen gestellt hat? Geht es Ihnen auch so wie dem Kollegen Parr, dass Sie zum Beispiel
um diese Zeit eigentlich an drei verschiedenen Orten sein
müssten? Der Kollege Parr ist im Augenblick in einem
Ausschuss. Können Sie das nachvollziehen?
({1})
Können Sie weiterhin nachvollziehen, dass wir als Opposition, wenn solche Fragen vonseiten der Sozialdemokraten kommen, demnächst einmal fragen, wo welche
Minister zu welchen Zeitpunkten jeweils sind?
Ich kann vieles nachvollziehen; wie ich es
bewerte, ist eine ganz andere Frage.
({0})
Es liegen
jetzt noch zu einem anderen Themenbereich zwei Fragen
vor, einmal vom Kollegen Hauser und einmal vom Kollegen von Klaeden. Sind diese Fragen auch an die Ministerin gerichtet? - Nein, dann danke ich der Frau Ministerin.
Herr von Klaeden.
Zunächst, Herr
Präsident, darf ich die anwesenden Kabinettsmitglieder
bitten, dem Herrn Bundeskanzler die besten Genesungswünsche auszurichten.
({0})
Wir vermissen ihn sehr.
Ich frage, ob sich das Kabinett, das ohne den Bundeskanzler und seine Richtlinienkompetenz auskommen
musste, heute mit der Frage der Auslieferung von Herrn
Sirven beschäftigt hat und warum die Bundesjustizministerin, die nach der einschlägigen Bund-Länder-Zuständigkeitsvereinbarung die Auslieferung jedenfalls so weit
hätte verzögern können, dass eine vernünftige Zeugenvernehmung durch den Untersuchungsausschuss möglich
gewesen wäre - die ja auch parteiübergreifend gewünscht
war -, nicht dem Wunsch des Untersuchungsausschusses
nachgekommen ist und nicht von der Möglichkeit einer
Verzögerung der Auslieferung Gebrauch gemacht hat.
({1})
Möchte der
Vertreter des Kanzleramtes oder der Vertreter des Bundesjustizministeriums sprechen? - Herr Staatssekretär Pick,
bitte schön.
Norbert Hauser ({0})
Nach meiner Kenntnis, Herr von
Klaeden, hat die Bundesjustizministerin unter anderem
dieses Thema angesprochen.
Zur Sache darf ich Ihnen sagen, dass die Bundesjustizministerin bzw. das Bundesjustizministerium keinerlei
Rechtsgrundlage gesehen haben, um eine Auslieferung
des betreffenden Herrn zu verzögern.
({0})
Kollege
Hauser, Bonn.
Die juristische
Belehrung, Herr Kollege, könnten wir weiterführen. Wir
hätten Ihnen schon Wege aufzeigen können. Aber da Herr
Sirven uns nun Richtung Frankreich verlassen hat und wir
ihn vorerst nicht befragen können, die Frau Ministerin
gestern aber mitgeteilt hat, sie habe mit ihrer französischen Kollegin darüber gesprochen, wann der Untersuchungsausschuss Herrn Sirven in Frankreich befragen
könnte, frage ich Sie, ob das Kabinett darüber gesprochen
hat und, wenn ja, welche Schritte Sie einleiten wollen, damit der Untersuchungsausschuss diese Frage möglichst
schnell klären kann, deren Klärung durchaus im nationalen Interesse ist.
Herr Kollege, mir ist nicht im Einzelnen bekannt, ob diese Details besprochen worden sind.
Aber Sie wissen, dass die Bundesjustizministerin erklärt
hat, dass sie gestern mit ihrer Kollegin gesprochen hat und
dass vonseiten der französischen Justiz die Bereitschaft
besteht, dem Ausschuss die Gelegenheit zu geben, Herrn
Sirven zu befragen.
Eine weitere
Zusatzfrage.
Über Schritte,
die die Bundesregierung einleiten wird, können Sie also
nichts sagen. Es hat jedoch wenig Sinn, ihn im Oktober
2002 zu befragen; denn dann haben wir keinen Untersuchungsausschuss mehr, weil wir in einer neuen Legislaturperiode sind. Es müsste also schon sehr bald geschehen.
Ich sagte Ihnen bereits, dass die
Bundesjustizministerin keine rechtliche Grundlage hatte,
die Auslieferung zu verzögern. Ich glaube, das ist unabhängig von jeder parteipolitischen Sicht festzustellen;
denn es bedarf natürlich eines entsprechenden Grundes,
um tätig werden zu können. Der Generalbundesanwalt ist
hier nicht zuständig, sondern es sind die Landesjustizbehörden.
Unabhängig davon hat die Bundesjustizministerin erklärt, dass sie alles tun wird, was in ihren Möglichkeiten
steht, um die französische Justiz zu veranlassen, dem Untersuchungsausschuss die Gelegenheit zu geben, Herrn
Sirven ausführlich zu befragen - sofern er das will.
Sie würden uns
bald über die Schritte unterrichten, die Sie unternehmen?
Ich sagte Ihnen: Wir werden alles
tun, was im Rahmen unserer Möglichkeiten liegt. Wir
werden Sie dann gegebenenfalls über diese Schritte informieren. Ich gehe davon aus, dass wir auch dem Untersuchungsausschuss entsprechend Mitteilung machen werden.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Bonitz.
Mich würde doch interessieren, welche konkreten rechtlichen Möglichkeiten die
Bundesjustizministerin überhaupt geprüft hat, um dieses
Verfahren an sich zu ziehen. Das Interesse - das haben
meine Kollegen beschrieben - daran war überparteilich.
Da Sie sagen, es gibt keine rechtlichen Möglichkeiten,
bitte ich Sie, hier die einzelnen rechtlichen Prüfgrundlagen zu erläutern. Sie haben ja eine andere juristische Auffassung.
Sehr verehrte Kollegin, Sie können
davon ausgehen, dass das Bundesjustizministerium die in
Betracht kommenden Möglichkeiten geprüft hat, aber
keine rechtliche Grundlage gesehen hat, hier tätig zu werden. Sie wissen, dass der Generalbundesanwalt nur in
ganz besonderen Ausnahmefällen ein Verfahren an sich
ziehen kann. Zunächst einmal sind die Landesjustizbehörden zuständig.
({0})
Sie wissen auch, dass es in diesem Gesamtkomplex
ausgesprochen schwierig ist, eine Behörde der Länder zu
finden, die sich in diesem Verfahren für zuständig hält. Insofern sind der Bundesjustizministerin die Hände gebunden gewesen.
Ich beende
die Regierungsbefragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/5203 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun SchaichWalch zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, Mittel zur Entschädigung
von Catgut-Herstellern bereitzustellen, die durch das angekündigte Herstellungsverbot besonders betroffen sind?
Herr Kollege
Dehnel, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat vor dem Hintergrund der neuen Entwicklung
bezüglich BSE die Risiken von Catgut als nicht mehr vertretbar beurteilt und den zuständigen Landesbehörden
empfohlen, das In-den-Verkehr-Bringen und die Anwendung zu untersagen.
Allerdings sieht die Bundesregierung bei dieser Sachlage derzeit keine Möglichkeit für eine Entschädigung
von Catgut-Herstellern. Inwieweit eine finanzielle Unterstützung seitens der Länder möglich ist, konnten wir von
hier aus nicht beurteilen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, können Sie sich vorstellen, dass wir gemeinsam mit
den Bundesländern, besonders mit dem Bundesland
Sachsen, eine Lösung finden, damit beispielsweise den
beiden betroffenen Firmen in meinem Wahlkreis in Sachsen geholfen werden kann? Denn es geht hier um
Millionenverluste und um die Verluste von Arbeitsplätzen
in einer Grenzregion mit einer Arbeitslosenquote von circa
20 Prozent.
Wir sehen natürlich, dass Arbeitsplätze gefährdet werden. Aber spätestens
seit dem Bericht des Scientific Committee for Medical
Products and Medical Devices der Europäischen Kommission zu Catgut vom 16. September 1998 war damit zu
rechnen, dass im Lichte der BSE-Erkenntnisse, die wir
haben, Maßnahmen gegen die Anwendung getroffen werden müssen und dass das wirtschaftliche Risiko - wir bedauern das sehr - von den Unternehmen getragen werden
muss. Vonseiten der Bundesregierung gibt es keine Möglichkeit, einen besonderen Fonds zu bilden. Ich sehe auch
nicht die Möglichkeit, dieses für ein bestimmtes Bundesland zu tun.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Sie sagten gerade, es
gebe keine Möglichkeit. Wieso aber werden landwirtschaftliche Betriebe durch EU-Mittel unterstützt, während die Catgut-Hersteller, die von der Nachfrage abhängig sind, die ihre Produktion ebenfalls umstellen und die
dafür neue Investitionen tätigen müssen, nicht unterstützt
werden? Wieso können Sie nicht ein Programm auflegen,
um auch diese Unternehmen zu unterstützen?
Die EU-Mittel werden ausschließlich zweckgebunden für Maßnahmen zur
Stützung des Rindfleischmarktes und in geringem Umfang auch für die Finanzierung der BSE-Tests zur Verfügung gestellt. Eine anderweitige Möglichkeit der Mittelvergabe sehen wir nicht.
Die Bundesregierung wird sich allerdings an der Vernichtung von Altbeständen an Tiermehlen in einer
Größenordnung von 60 Millionen DM beteiligen. Das ist
ein Drittel der Gesamtkosten. Sie betreffen den Bereich
Tiermehlvernichtung, Tierfette und Futtermittel. Darüber
hinaus sehen wir aber keine Möglichkeiten für weitere
Entschädigungsmaßnahmen.
Ich rufe die
Frage 2 des Kollegen Dehnel auf:
Plant die Bundesregierung, diese Unternehmen gegebenenfalls mit EU-Mitteln zu unterstützen, wie dies bei BSE-betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben geschieht?
Ich habe vorhin
ausgeführt, dass diese EU-Mittel zweckgebundene Mittel
sind. Wir können sie nicht zur Unterstützung von anderen
Industriezweigen zur Verfügung stellen. Wir können damit ausschließlich den Landwirtschaftsbereich fördern.
Damit ist
dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Ich danke Ihnen,
Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Beantwortung der Fragen übernimmt die Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann.
Ich rufe die Frage 3 der Abgeordneten Vera Lengsfeld
auf:
Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Parlamentarische
Staatssekretärin beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Gila Altmann, 1996 oder 1997 einen Aufruf der niedersächsischen Grünen oder einer anderen
Gruppierung unterschrieben, in dem zur Beschädigung von Bahnanlagen aufgerufen wurde, um die Castortransporte so teuer wie
möglich zu machen und schließlich zum Erliegen zu bringen?
Verehrte Kollegin Lengsfeld, die Bundesregierung beantwortet die Frage mit Nein.
({0})
Zusatzfrage?
Sind Sie da ganz sicher?
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Ich habe meiner Antwort nichts hinzuzufügen.
Dann rufe
ich die Frage 4 der Abgeordneten Vera Lengsfeld auf:
Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Gila Altmann, ihre damalige Haltung mit der Tatsache vereinbaren, dass sie heute politisch
mitverantwortlich für die nächsten Castortransporte ist?
Mit der Antwort auf Ihre erste Frage entfällt eine Antwort
auf Ihre zweite Frage, da sie suggestiv ist.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
ich hätte, da Sie bekanntermaßen eine Befürworterin der
Blockaden waren - Sie waren ja selbst anwesend -, gerne
gewusst, wie Sie heute glaubhaft dafür sorgen wollen,
dass solche Blockierungen nicht stattfinden.
Verehrte Frau Kollegin, ich beantworte die Fragen hier im
Namen der Bundesregierung.
({0})
In diesem Rahmen beantworte ich Ihre Frage nach den
Transporten so, dass die Bundesregierung die Transporte
für notwendig hält und sie rechtlich unabweisbar sind. Ich
persönlich habe dem nichts hinzuzufügen.
({1})
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Frau Staatssekretärin, haben Sie damals einen solchen Aufruf unterschrieben oder nicht?
({0})
Zunächst einmal war die Frage an die Bundesregierung
gerichtet.
({0})
Ich stehe hier als Vertreterin der Bundesregierung und
habe diese Frage mit einem klaren Nein beantwortet. Das
ist Punkt eins.
Zum Zweiten müssen Sie schon etwas konkreter werden, wenn Sie von mir persönlich eine Antwort haben
wollen.
({1})
- Herr von Klaeden, der Form halber muss ich jetzt die
erste Frage an mich kurz zitieren, damit Sie mein Problem
mit Ihrer Frage verstehen. Dort heißt es nämlich:
Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Gila
Altmann,
- das bin ich 1996 und 1997
({2})
- im Gegensatz zu einigen anderen kann ich lesen;
({3})
in meiner Unterlage steht „1996 und 1997“ ({4})
einen Aufruf der niedersächsischen Grünen oder einer anderen Gruppierung unterschrieben, in dem zur
Beschädigung von Bahnanlagen aufgerufen wurde,
um die Castortransporte so teuer wie möglich zu machen und schließlich zum Erliegen zu bringen?
Das heißt, selbst wenn zwischen 1996 und 1997 „oder“
stehen sollte, heißt es hier: „Aufruf der niedersächsischen
Grünen oder einer anderen Gruppierung unterschrieben“.
Es sind zwei Jahreszahlen angegeben. Deshalb kann ich
auf diese Frage nur mit Nein antworten.
({5})
Nur, damit
alle Kolleginnen und Kollegen vom richtigen Sachverhalt
ausgehen: In der Frage steht in der Tat „oder“. - Das ist
keine Bewertung, sondern lediglich eine Feststellung.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden,
haben Sie nicht. Aber die Kollegin Bonitz hat eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
dann frage ich, ob Sie persönlich seit 1996 - als Mitglied
der Bundesregierung oder in der Zeit davor - einen solchen Aufruf unterschrieben haben.
Ich habe bereits gesagt, dass ich hier als Vertreterin der
Bundesregierung Fragen beantworte und diese Frage mit
Nein beantworte. Es geht hier nicht um eine persönliche
Talkshow, sondern um Fragen an die Bundesregierung.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fischer.
Frau
Staatssekretärin, ich frage Sie: Kann die Bundesregierung
ausschließen, dass Sie einen solchen Aufruf unterschrieben haben?
Ja,
das kann sie.
Damit sind
die Fragen zu diesem Geschäftsbereich beantwortet. Ich
danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael
Catenhusen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Norbert Hauser
({0}) auf:
Kann die Bundesregierung beziffern, wie hoch die Kosten für
die betroffenen Unternehmer wären, wenn man die durch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, in
einem Interview in der „Welt“ vom 30. Januar 2001 aufgestellte
Forderung nach einem Recht auf Weiterbildung in die Tat umsetzte, und wäre die Bundesregierung bereit, dann auch flächendeckend angelegte Unterstützungen zumindest für kleine und mittelständische Unternehmen zu leisten, damit die entstehenden
finanziellen Lasten ausgeglichen werden?
Herr
Kollege Hauser, auf Ihre Frage, wie hoch die Kosten für
betroffene Unternehmer wären, wenn man die durch
meine Ministerin aufgestellte Forderung nach einem
Recht auf Weiterbildung in die Tat umsetzte, möchte ich
wie folgt antworten.
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Edelgard Bulmahn, hat in dem angesprochenen Interview
mit der „Welt“ ausgeführt, dass sie eine Verankerung des
Rechts auf Weiterbildung in den Tarifverträgen befürworte. Diese Vereinbarungen unterlägen damit der Tarifautonomie der Sozialpartner und könnten unter spezifischer Berücksichtigung der Fortbildungserfordernisse
einzelner Branchen die für deren internationale Wettbewerbsfähigkeit immer bedeutsamer werdende Fortbildung im Sinne des lebenslangen Lernens flankieren. Auch
vonseiten der Unternehmen wird der lebenslangen Weiterqualifikation ein wachsend hoher Stellenwert beigemessen.
Soweit solche Regelungen über Weiterbildung in Tarifverträge aufgenommen werden, sind natürlich kurzfristig
zusätzliche Kosten für die Unternehmen nicht auszuschließen. Zugleich muss aber beachtet werden, dass
besser ausgebildete Mitarbeiter auch zu einer größeren
Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens
beitragen. Insofern ist es aufgrund der Tarifautonomie der
Sozialpartner kaum möglich, die tatsächlich entstehenden
Kosten abzuschätzen; denn darüber würden sie verhandeln. Es ist ebenso kaum möglich, abzuschätzen, ob über
die Laufzeit entsprechender Tarifvereinbarungen für die
einzelnen Unternehmen netto mehr Kosten oder netto
mehr Erträge aus solchen Weiterbildungsmaßnahmen
entstehen.
Ich glaube, wir sind uns einig, dass die Finanzierung
von Weiterbildungsanstrengungen für die Belegschaften
auch Zukunftsinvestitionen von Unternehmen darstellt.
Eine Zusatzfrage.
Vielen Dank,
Herr Staatssekretär. Sie sind Ihrem Stil treu geblieben. Sie
wissen, dass ich diesen zu schätzen weiß. - Das bedeutet
aber gleichzeitig, dass es, soweit keine Tarifgebundenheit
vorliegt, für die Mitarbeiter eine zwingende, flächendeckende Weiterbildung nicht gibt, oder ist daran gedacht,
solche Tarifverträge allgemeinverbindlich zu machen?
Erstens
stellt sich auch dann die Frage von Betriebsvereinbarungen. Das wissen auch Sie als sachkundiger Jurist. Zweitens ist natürlich klar: Wenn die Ministerin sagt, dass wir
eine Lösung über Tarifverträge befürworten, denken wir
nicht daran, solchen Tarifvereinbarungen gesetzlich eine
andere Rechtsqualität zu verleihen, als sie sie durch den
Tarifvertrag haben.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Ministerin hat auch angedeutet, dass sie es für
sinnvoll halte, im Betriebsverfassungsgesetz zusätzliche
Möglichkeiten für die Betriebsräte zu verankern, um bei
Fragen der Weiterbildung im Unternehmen mitzubestimmen und mitzuberaten. Ist ein solcher Gedanke mit Herrn
Müller, der ja zurzeit mit Herrn Riester im Clinch liegt,
abgesprochen oder gibt es insofern die nächsten Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen zwischen zwei Bundesministern?
Es ist
ein normaler Vorgang, dass in Vorbereitung einer Kabinettsentscheidung unterschiedliche Sichtweisen verschiedener Ressorts diskutiert und erörtert werden. Meine
Ministerin, Frau Bulmahn, hat von Anfang an keinen
Hehl daraus gemacht, dass wir als zuständiges Bundesministerium für Bildung und Forschung insbesondere die
Initiativrechte von Betriebsräten bei der betrieblichen
Weiterbildung stärken wollen. Wie weit dies konkret ausgestaltet wird, ist eine Frage, die, so vermute ich, bei Vorlage des Gesetzentwurfes in völligem Einvernehmen
sachgerecht gelöst sein wird.
Ich danke
Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Es antwortet der Parlamentarische
Staatssekretär Prof. Dr. Eckhart Pick.
Ich rufe auf die Frage 6 des Kollegen Dr. Heinrich
Kolb:
Wie beurteilt die Bundesregierung die im Strafrecht vorgesehene Mindeststrafe für sexuelle Übergriffe auf eine widerstandsunfähige Person, wie zum Beispiel Behinderte, von einem halben
Jahr Freiheitsstrafe im Gegensatz zur Mindeststrafe für sexuelle
Übergriffe auf eine widerstandsfähige Person von einem Jahr
Freiheitsstrafe vor dem Hintergrund des Art. 3 des Grundgesetzes
und wie rechtfertigt sie diese Unterscheidung?
Herr Kollege Dr. Kolb, in Beantwortung Ihrer Frage darf ich ausführen:
Sexuelle Übergriffe gegen behinderte Menschen werden in gleicher Weise bestraft wie Übergriffe gegen nicht
behinderte Menschen. Die sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung eines behinderten Menschen ist wie die eines
nicht behinderten Menschen nach § 177 StGB strafbar.
Durch das Dreiunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz wurde der Schutz behinderter Menschen durch
§ 177 StGB sogar noch erweitert. Neben der Anwendung
der Nötigungsmittel „Gewalt“ und „Drohung mit Gefahr
für Leib und Leben“ wurde auch das „Ausnutzen einer
hilflosen Lage“ unter Strafe gestellt. Damit wurde vor
allem der Schutz körperlich und geistig behinderter Menschen mit eingeschränkter Widerstandsfähigkeit gegen
erzwungene sexuelle Übergriffe verbessert.
In § 179 StGB wird behinderten Menschen ein zusätzlicher Schutz gegen sexuelle Übergriffe gewährt. Nach
dieser Vorschrift ist bereits die bloße Vornahme einer sexuellen Handlung strafbar, wenn das Opfer wegen einer
Krankheit, Behinderung, tief greifenden Bewusstseinsstörung oder seiner körperlichen Verfassung widerstandsunfähig ist. Ob der Täter mit Gewalt oder Drohung gehandelt oder die hilflose Lage des Opfers ausgenutzt hat, ist
im Rahmen des § 179 StGB unerheblich. Dies rechtfertigt
auch die im Vergleich zu § 177 StGB niedrigere Strafdrohung.
Die Bundesregierung hat sich in einem Bericht an den
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ausführlich
zur Strafvorschrift des § 179 StGB geäußert. Ich bin gerne
bereit, Ihnen im Anschluss an Ihre Frage diesen Bericht
persönlich zur Verfügung zu stellen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Kolb.
Herr Staatssekretär,
vielen Dank für dieses Angebot, das ich natürlich sehr
gerne annehme.
Sie haben sich in Ihrer Antwort auf die Strafbarkeit
konzentriert und am Schluss in einem Halbsatz gesagt,
dass ein unterschiedliches Strafmaß gerechtfertigt sei. In
meiner Funktion als behindertenpolitischer Sprecher der
F.D.P.-Fraktion erreichen mich viele Zuschriften von Angehörigen behinderter Menschen, in denen die Befürchtung zum Ausdruck kommt, dass dieses unterschiedliche
Strafmaß beim Täter dazu führen kann, dass er sich auf
bestimmte Opfergruppen konzentriert, was aus ihrer Sicht
nicht akzeptabel ist. Wir haben 1994 im Deutschen Bundestag gemeinsam eine Grundgesetzänderung beschlossen, und zwar in Art. 3 Abs. 3: „Niemand darf wegen
seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Sehen Sie
nicht eine Benachteiligung behinderter Menschen darin,
dass beim Strafmaß mit zweierlei Maß gemessen wird und
sich von daher eine besondere Gefährdung dieser Menschen ergibt?
Herr Dr. Kolb, Ihre Auffassung beruht auf einem Irrtum. Ich hatte Ihnen gesagt: Wenn eine
Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Form einer Nötigung oder einer Vergewaltigung vorliegt, ist die
Strafbarkeit genau die gleiche, unabhängig davon, ob die
betroffene Person körperlich oder in anderer Form behindert ist. Als 1997 § 179 StGB geändert worden ist, haben
wir in dem entsprechenden Bericht des Rechtsausschusses gesagt, dass § 179 - das war in diesem Hause allgemeine Auffassung - einen Auffangtatbestand für die Fälle
darstellt, in denen der Wille des Opfers nicht gebeugt oder
gebrochen werden kann, weil es wegen seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht in der Lage ist, einen
entgegenstehenden Willen zu äußern. Für diese Fälle haben wir damals § 179 eingeführt.
In dem erwähnten Bericht der Bundesregierung steht
auch, dass diese Vorschrift vom Bundesgerichtshof in
seiner letzten in diesem Zusammenhang getroffenen
Entscheidung vom Oktober 1999 genauso gesehen wird.
Die Rechtsprechung ist mit diesem Auffangtatbestand
einverstanden. Er ist nach unserer Kenntnis innerhalb von
knapp anderthalb Jahren immerhin 15-mal im Falle von
hilflosen Personen zur Anwendung gekommen.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie
beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die aktuellen
- nicht nur in Einzelfällen, sondern in vielen Zuschriften vorgetragenen Bedenken der Angehörigen behinderter
Menschen?
Zur Aufklärung ist zu sagen, was der
damals gemeinsam geäußerte Wille des Bundestages gerade in diesen Fällen war. Was wäre denn die Konsequenz
gewesen, wenn wir hier keine Strafbarkeit eingeführt hätten? Möglicherweise wäre es ein Beleidigungsdelikt, weil
nach Auffassung der Rechtsprechung bei behinderten
Menschen nicht der Wille gebrochen wird und für den Täter kein entgegenstehender Wille erkennbar ist. Insofern
ist dies eine Auffangvorschrift, die letztlich dazu dient,
gerade behinderte Menschen, aber auch Personen, die
zum Beispiel infolge von Drogen- oder Alkoholgenuss
widerstandsunfähig sind, zu schützen.
Insofern betrifft es nicht nur Personen, die eine entsprechende Behinderung haben, sondern auch Menschen,
die zum Beispiel infolge von Alkoholgenuss oder anderen
Umständen widerstandsunfähig sind. Es handelt sich also
wirklich nicht um eine Diskriminierung; das wird auch im
Bericht deutlich. Ihre Fragestellung sollte aber Anlass
sein, diese Auffassung einmal den entsprechenden Verbänden mitzuteilen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Seifert.
Herr Staatssekretär, Sie haben
sehr ausführlich geschildert, dass die Regelung aus Sicht
des Justizministeriums relativ problemlos ist. Dennoch
muss man das, was Herr Kolb geschildert hat, dass zum
Beispiel die Behindertenbeauftragten der Fraktionen verstärkt über diesbezügliche Ängste informiert werden,
ernst nehmen. Ich nehme an, das tun Sie auch. Kann es
nicht sein, dass die Vorschrift, die eine verminderte Strafandrohung vorsieht, ein Fehler war und es daher sinnvoll
wäre, das Strafmaß diesbezüglich anzugleichen? Muss
man nicht, wann immer es sich um sexuelle Betätigungen
handelt, die nicht in beiderseitigem Einverständnis stattfinden, klipp und klar sagen: gleiche Strafe für gleiche
Tatbestände?
Herr Seifert, ich will wiederholen:
Wir haben, was Vergewaltigungen und andere Straftaten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung betrifft, den gleichen Strafrahmen unabhängig davon, ob Menschen mit
oder ohne Behinderung betroffen sind. Es gibt auch keinen Grund, hier zu differenzieren. Es war der Wille des
gesamten Parlaments, einen Auffangtatbestand für solche
Fälle zu schaffen, in denen der Wille des Opfers nicht gebrochen wird. Wir haben damals eine Regelung formuliert, die nicht nur Menschen mit Behinderungen betrifft,
sondern auch Menschen, die durch Alkohol- oder Drogenkonsum oder durch andere Umstände nicht fähig sind,
ihren entgegenstehenden Willen zu äußern.
Dass dieser Tatbestand durchaus auch praktische Bedeutung hat, wird einerseits dadurch deutlich, dass der
Bundesgerichtshof diese Auffassung des Gesetzgebers in
einem Urteil bestätigt hat, und andererseits dadurch, dass
wir innerhalb eines überschaubaren Zeitraums 15 Fälle
hatten, in denen sich die Gerichte dieses Tatbestands bedient haben.
Anderenfalls gäbe es eine schmerzhafte Strafbarkeitslücke. In solchen Fällen nur mit dem Beleidigungstatbestand zu arbeiten und dafür Sanktionen vorzusehen wäre
zu wenig.
Ich rufe die
Frage 7 des Abgeordneten Dr. Kolb auf:
Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass zum Beispiel behinderte Mädchen und Frauen für Sexualstraftäter zur bevorzugten Opfergruppe werden könnten, und beabsichtigt die Bundesregierung, diese Vorschriften im Mindeststrafmaß anzugleichen?
Herr Dr. Kolb, die Bundesregierung
sieht nicht die Gefahr, dass behinderte Mädchen und
Frauen zu einer bevorzugten Opfergruppe für Sexualstraftäter werden. Ich hatte Ihnen bereits ausführlich dargelegt,
dass diese Mädchen und Frauen durch das geltende Strafrecht besonders geschützt werden. § 179 StGB ist im Verhältnis zu § 177 StGB nur ein Auffangtatbestand, der geringere Anforderungen an die Strafbarkeit stellt. Es ist
deshalb nicht beabsichtigt, das Mindeststrafmaß der beiden Vorschriften anzugleichen. Ich füge ergänzend hinzu:
Der Strafrahmen umfasst immerhin sechs Monate bis
zehn Jahre Freiheitsentzug.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie
haben, wenn ich mich recht erinnere, von 15 Fällen gesprochen, in denen der Auffangtatbestand von Gerichten
zur Aburteilung herangezogen wurde. Haben Sie Erkenntnisse, in welchem Rahmen sich das Strafmaß
tatsächlich bewegt hat, sodass belegbar ist, dass die von
mir oder den Petenten, die sich an mich gewandt haben,
befürchtete Sanktionslücke auch faktisch geschlossen ist?
Ich beziehe die Sanktionslücke nicht auf die Strafbarkeit,
sondern auf das Strafmaß.
Ich habe die Einzelfälle jetzt nicht
im Kopf, aber ich werde Ihnen eine entsprechende Auflistung gerne nachreichen. Nach meiner Erinnerung ist das
Strafmaß weitgehend - Freiheitsstrafe bis zu einigen Jahren - ausgeschöpft worden, ist von diesen Möglichkeiten
also doch recht umfangreicher Gebrauch gemacht worden. Aber ich werde Ihnen die genauen Daten gerne nachliefern.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, für
diese umfangreiche Beantwortung möchte ich mich wirklich bedanken. Nur noch zur Klarstellung: Die Bundesregierung sieht also derzeit keinen Handlungsbedarf in diesem Bereich?
Nein, den sehen wir nicht. Wir werParl. Staatssekretär Dr. Eckhart Pick
den allerdings, wenn der Rechtsausschuss das will, über
diesen Bericht diskutieren. Er ist ihm zugeleitet, ist dort
aber noch nicht diskutiert worden. Im Übrigen wird die
Bundesregierung die Entwicklung auf diesem Gebiete
sehr sorgfältig verfolgen und den Rechtsausschuss, wenn
wir über neuere Entwicklungen besorgt sein sollten, entsprechend informieren.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Seifert.
Herr Staatssekretär, auch ich
möchte Ihnen für die ausführliche und detaillierte Beantwortung danken. Aber eine Frage schließt sich für mich
an: Da die Betroffenen offensichtlich, im Gegensatz zu
dem, was Sie hier dargestellt haben, befürchten, dass das
Strafmaß weitgehend nicht ausgeschöpft wird, frage ich,
ob Sie als Bundesregierung nicht die Notwendigkeit
sehen, Betroffeneninitiativen - zum Beispiel von behinderten Frauen und Mädchen -, aber auch andere Selbsthilfeorganisationen so zu unterstützen, dass sie Aufklärungsarbeit leisten können, damit beispielsweise
behinderte Mädchen nicht Angst haben müssen, überhaupt keine sexuellen Kontakte mehr haben zu können,
weil man die Befürchtung hat, sich strafbar zu machen.
Liebes- und sonstige Beziehungen müssen also einerseits
möglich sein - ich habe Sie auch so verstanden -, ohne
dass dabei eine Strafe droht, andererseits aber besteht
diese Gefahr. Sind Sie nicht der Meinung, dass da Aufklärungsarbeit geleistet werden müsste, zum Beispiel
durch Betroffene selbst, die finanziell oder organisatorisch unterstützt werden müssten?
Herr Dr. Seifert, ich hatte schon vorher gesagt, dass das Bundesjustizministerium gerne bereit
ist, entsprechenden Verbänden Informationen zukommen
zu lassen. Ich werde in unserem Hause empfehlen, zu dieser Frage einige Informationen ins Internet zu stellen, damit entsprechende Organisationen diese dort abrufen können. Wir sind der Meinung, es ist wichtig und richtig, dass
die Betroffenen darüber informiert werden, dass sie in der
Tat nicht diskriminiert werden, sondern dass hinter dieser
Vorschrift ein besonderer Schutzgedanke steht, mit dem,
so denken wir, dem Willen des Hauses entsprochen
wurde. Wir werden diese Entwicklung der Strafbarkeit in
der Praxis allerdings, wie schon gesagt, beobachten, entsprechende Konsequenzen ziehen und Vorschläge machen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann danke ich Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 8 und 9 der Kollegin Dr. Leonhard aus dem
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Technologie werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
auf. Es antwortet der Parlamentarische Staatssekretär
Matthias Berninger auf die Frage 10 des Kollegen Ernst
Hinsken:
Was tut die Bundesregierung, um dem durch die BSE-Krise
und den Schweinemastskandal stark in Mitleidenschaft gezogenen Metzgerhandwerk sowie der Fleischindustrie sowohl ideell
als auch finanziell zu helfen, um Konkurse abzuwenden, Existenzen zu sichern und den Absatz von Fleischwaren wieder zu fördern?
Herr Kollege Hinsken, die Bundesregierung ergreift im Zuge der Agrarwende umfangreiche
Maßnahmen. Zum Ersten geben wir über 900 Millionen DM direkt für die BSE-Bekämpfung aus.
Zum Zweiten reagieren wir auf den Schweinemastskandal, der immer größere Ausmaße hat - inzwischen
sind 3 000 bis 4 000 Betriebe betroffen -, indem wir mit
den Ländern umfangreiche Kontrollmaßnahmen in Gang
setzen und auch so das Vertrauen der Deutschen in
Fleischprodukte wieder erhöhen.
Zum Dritten hat die Ministerin mit der Lebensmittelindustrie, den Landwirten und den Verbrauchern umfangreiche Gespräche begonnen mit der Zielsetzung, über entsprechende Qualitätslabels wieder Fleischprodukte auf
den Markt zu bringen, in die die Leute so viel Vertrauen
haben, dass sie diese dann auch kaufen und konsumieren.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär
Berninger, die von Ihnen getroffenen Aussagen sind sehr
allgemein. Sie berühren nicht den Kern der von mir gestellten Frage. Deshalb habe ich mich zu dieser Zusatzfrage gemeldet: Ist Ihnen bekannt, dass von den 205 000
Beschäftigten im Metzgerhandwerk 5 000 Arbeitsplätze
akut gefährdet sind, erstmals Kurzarbeit angemeldet
wurde, darüber hinaus Entlassungen vorgenommen wurden, Betriebsschließungen um Jahre vorgezogen werden
sowie junge und neue Betriebe, vor allem Neugründer,
größte Probleme haben, weil die Umsatzeinbrüche beim
Rindfleisch bis zu 80 Prozent und beim Fleisch allgemein
circa 20 Prozent betragen und die Versicherungen bisher
nicht bereit sind, Metzger gegen BSE-bedingte Schließungen zu versichern? Warum hat Ihre Ministerin, Frau
Künast, mit allen möglichen Leuten gesprochen, aber mit
dem Deutschen Fleischer-Verband bisher kein einziges
Gespräch geführt? Dies ist ein Skandal ohnegleichen.
Herr Kollege Hinsken, Sie haben verschiedene Fragen gestellt. Zum ersten Punkt: Selbstverständlich ist der Bundesregierung bekannt, dass eine
Reihe von Arbeitsplätzen im Metzgerhandwerk und im
ländlichen Raum insgesamt infolge der BSE-Krise und
des Schweinedopingskandals in Bayern gefährdet sind.
Selbstverständlich ist die Bundesregierung über diese
Entwicklung besorgt und unternimmt Schritte, um diese
Arbeitsplatzgefährdung in den Griff zu bekommen.
Zum zweiten Punkt: Die Ministerin hat mit einer Reihe
von Leuten Gespräche geführt. Sie ist noch nicht so lange
im Amt, dass sie mit all denen in dieser Republik, die unmittelbar von diesen Problemen betroffen sind, gesprochen hat. Zu viele Verbände und Interessengruppen sind
davon betroffen, als dass man alle innerhalb von drei Wochen zu Gesprächen hätte bitten können. Es fand aber
etwa zu der Frage, wie wir mit den zur Schlachtung anstehenden 400 000 Rindern umgehen, eine umfangreiche
Gesprächsrunde statt, zu der auch Vertreterinnen und Vertreter der Fleischindustrie geladen waren. Insofern hat
sich die Bundesregierung umfassend beraten.
Der Abgeordnete Ernst Hinsken hat eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es
ist löblich, wenn man mit den betroffenen Verbänden
spricht. Mich berührt aber vor allem, dass man dem Deutschen Fleischer-Verband nicht die ihm gebührende Bedeutung beimisst. Dieser ist die Dachorganisation aller
Metzgereibetriebe in der Bundesrepublik Deutschland,
um das nur nebenbei zu erwähnen. Dieser Verband hat
sich schon mit vielen Schreiben an Ihr Ministerium gewandt, die zum Teil nicht - oder erst, nachdem sie hin und
her gegangen sind - beantwortet wurden. Aber die Ministerin, die dafür die Verantwortung trägt, ist bislang zu einem Gespräch nicht bereit gewesen. Deshalb habe ich
meine erste Zusatzfrage gestellt.
Nun meine zweite Zusatzfrage, Herr Staatssekretär: Ist
die Bundesregierung bereit, um Kostenreduzierung bei
den betroffenen Betrieben bemüht zu sein, wie zum Beispiel BSE-Tests zu bezahlen, die Mehrkosten für die Verbrennung von Konfiskaten zu tragen, die Erstattung des
Erlösausfalls wegen der Nicht-mehr-Herstellung von
Tiermehl vorzunehmen und zinsgünstige Überbrückungsdarlehen über eine bundeseinheitliche Lösung auflegen zu
lassen? Bislang hat sich nach meinen Informationen nur
das Land Rheinland-Pfalz dazu bereit erklärt. Dort sind
demnächst Wahlen, vielleicht hat das damit zu tun.
({0})
Diese Maßnahmen können unter Umständen in einem
halben Jahr wieder eingestellt werden. Dies ist aber nicht
die bundeseinheitliche Lösung, von der ich spreche. Ich
meine, der Metzgermeister im Norden der Republik, in
Schleswig-Holstein, ist genauso viel wert wie der Metzgermeister im fernen Bayern oder in Rheinland-Pfalz.
Deshalb bitte ich Sie, mir zu sagen, was die Bundesregierung zu tun gedenkt bzw. was sie schon unternommen hat,
abgesehen davon, dass man eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat, die sich damit beschäftigten soll. Arbeitsgruppen gibt es viele. Es kommt aber immer darauf an, was dabei herauskommt und dass ein Ergebnis möglichst bald
und nicht erst dann erzielt wird, wenn viele Betriebe vor
die Hunde gegangen sind.
({1})
Herr
Staatssekretär, möchten Sie diesen Fragenkatalog beantworten?
Selbstverständlich, Herr Präsident. Zum Ersten: Herr Abgeordneter Hinsken, die Bundesregierung übernimmt die Kosten für den Aufkauf der
400 000 Rinder im Zuge der Aufkaufaktion über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Wir sind
das einzige Land innerhalb der Europäischen Union, das
diese Rinder testet, und infolgedessen auch das einzige
Land, das die Kosten übernimmt.
Die Bundesregierung ist nicht bereit, generell die
durch BSE-Tests entstehenden Kosten zu übernehmen,
sondern ist der Meinung, dass diese von den übrigen Betroffenen zu tragen sind.
Zum Zweiten: Wir richten nicht nur Arbeitsgruppen
ein, sondern geben auch konkrete Handlungsanleitungen
an die Länder, zum Beispiel zum Thema Schlachtung. Es
gibt einen konkreten Katalog, wie die Schlachtung in Zukunft zu erfolgen hat, sodass die BSE-Risiken minimiert
werden. Im Zuge des Agrarministerrates Anfang letzter
Woche in Brüssel hat sich die Ministerin mit ihren europäischen Amtskollegen darauf verständigt, eine Reihe
von Risikomaterialien künftig nicht mehr in den Nahrungsmittelkreislauf gelangen zu lassen und bei der
Schlachtung dafür Sorge zu tragen, dass das Risiko der
Kontaminierung mit Prionen oder anderen potenziellen
BSE-Erregern - etwa aus der Wirbelsäule - minimiert
wird.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.
Herr Staatssekretär, Sie haben zu
Beginn Ihrer Antwort gesagt: Die Bundesregierung übernimmt die Kosten für den Aufkauf der 400 000 Rinder. Ist
die Antwort so zu verstehen, dass Sie auf eine Beteiligung
der Länder verzichten?
Die Bundesregierung übernimmt die
Kosten der Aufkaufaktion, und zwar sowohl den Anteil
von 70 Prozent - das sind 500 Millionen DM -, den die
Europäische Union zu erbringen hat, als auch den 30-prozentigen Anteil, der national erbracht werden muss.
Hieran sind die Länder nicht beteiligt.
Herr von
Klaeden hat eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn es der Terminplan der Ministerin nicht zulässt,
sich mit dem Deutschen Fleischer-Verband zu treffen,
wären Sie bereit, sich für einen solchen Gesprächstermin
zur Verfügung zu stellen?
Herr Kollege von Klaeden, ich bin selbstverständlich bereit, mit allen Betroffenen zu reden. Sofern
es mein Terminkalender zulässt, mache ich das gern.
({0})
- Das dachte ich mir.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Girisch.
Herr Staatssekretär, Sie
sagten soeben, dass die Bundesregierung nicht bereit ist,
die BSE-Tests zu bezahlen. Ist Ihnen bekannt, dass der
Bundeskanzler in der nächsten Woche, in den nächsten
Tagen ein Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder führen und gerade über dieses Thema sprechen wird?
Mir ist das sehr wohl bekannt. Am heutigen Tag bereiten die Agrarminister von Bund und Ländern
das Gespräch des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der Länder am 16. Februar vor. Die Haltung der
Bundesregierung ist aber: Die laufenden Kosten, sowohl
für BSE-Tests als auch für die Tierkörperbeseitigung, sind
nicht Sache des Bundes. Wir haben eine föderale Finanzzuständigkeit. Da hat der Bund bestimmte Aufgaben zu
erfüllen; ich habe schon angedeutet, welche. Die Länder
müssen ihren Anteil ebenfalls erbringen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Niebel auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit der
Bundesanstalt für Arbeit mit den wissenschaftlichen Forschungsinstituten bei der Evaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen
vor dem Hintergrund, dass die Herausgabe von Daten verweigert
und dadurch ein unabhängiges wissenschaftliches Gutachten verhindert wird ({0})?
Herr Kollege Niebel, es
ist nicht zutreffend, dass die Bundesanstalt für Arbeit sich
weigert, grundlegende Daten zugänglich zu machen. Die
Bundesanstalt ist vielmehr mit hohem Arbeitseinsatz
bemüht, Datenmaterial aufzuarbeiten und bereitzustellen.
Richtig ist, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen in Bezug darauf, Daten von der Bundesanstalt zu
erhalten, und die Kooperationsbereitschaft der BA bisher
nur begrenzt in Anspruch genommen worden sind. Trotz
anhaltender Kritik einiger Wissenschaftler sind in den
vergangenen Jahren nur wenige Anträge auf Herausgabe
personenbezogener Daten - um die geht es - für die Evaluation arbeitsmarktpolitischer Instrumente gestellt worden. Derzeit liegt kein ausreichend präzisierter Antrag auf
Herausgabe personenbezogener Daten für den entsprechenden Zweck vor. Insoweit muss die Behauptung, ein
unabhängiges wissenschaftliches Gutachten werde durch
diese Weigerung einer Herausgabe von Daten verhindert,
als gegenstandslos zurückgewiesen werden.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der
Bundesanstalt hat im Übrigen mehrere Kooperationsverträge mit Wissenschaftlern zur Evaluation bestimmter Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik abgeschlossen.
Gegenstand dieser Verträge ist auch der Datenaustausch.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie werden
mir wahrscheinlich zustimmen, dass man einen und denselben Menschen nicht zweimal gleichzeitig leben lassen
kann. Von daher ist es sehr wichtig, die Effizienz arbeitsmarktpolitischer Instrumentarien dadurch zu überprüfen,
dass man Lebensverläufe Arbeitsloser, die einander bis
auf die Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gleichen, miteinander vergleicht. Dafür braucht man
personenbezogene Daten. Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, dass einem entsprechenden Antrag eines wissenschaftlichen Forschungsinstitutes Rechnung getragen
würde?
Herr Abgeordneter
Niebel, ich will Ihnen zunächst mitteilen, dass in den vergangenen Jahren das dafür zuständige BMA alle derartigen Anträge positiv beschieden hat. Ich weiß, auf welchen
Vorgang sich Ihre Frage bezieht. Die beteiligten Wissenschaftler, die sich öffentlich geäußert haben - insbesondere einer aus Mannheim -, haben keine Anträge gestellt.
Das will ich einmal klarstellen. Werden Anträge gestellt,
muss das BMA sie entsprechend prüfen. Ich gehe davon
aus: Wenn das wissenschaftlich fundiert ist, wird dem Antrag stattgegeben werden.
Mit meiner Antwort zu dem ersten Teil Ihrer Frage will
ich ein Missverständnis ausräumen, das Ihnen allerdings
bekannt ist: Vor dem Hintergrund zunehmender Forderungen nach den Daten der Bundesanstalt durch externe
Wissenschaftler ist bereits im Vorfeld erkennbar geworden, dass einigen Wissenschaftlern der Unterschied zwischen der amtlichen Statistik - die Statistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder - und den
Geschäftsstatistiken - dabei handelt es sich um die Statistiken der Sozialversicherungsträger, zum Beispiel der
Bundesanstalt - nicht geläufig ist. Bei den gewünschten
Daten handelt es sich um Geschäftsstatistiken der Bundesanstalt, die in der Regel dem Sozialdatenschutz unterliegen. Damit ist ein Zugriff durch Dritte nur mit ausdrücklicher Genehmigung möglich.
Zu diesem Zweck hat das jeweilige Forschungsinstitut
einen spezifischen Antrag beim BMA zu stellen. Ich habe
das schon zu Beginn meiner Antwort auf Ihre Frage erläutert. Das Genehmigungsverfahren erfolgt auf der
Grundlage des § 75 des X. Sozialgesetzbuches. In den
letzten Jahren wurde den Anträgen regelmäßig stattgegeben.
Eine zweite
Zusatzfrage des Kollegen Niebel.
Herr Staatssekretär, vielen Dank
für die Antwort.
Stimmen Sie mir darin zu, dass es bei 43,4 Milliarden DM, die dieses Jahr für die aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben werden - trotz sinkender Arbeitslosenzahlen sind es 1 Milliarde DM mehr als im letzen Jahr -, Sinn
macht, die Effizienz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente zu überprüfen?
Ich kann zunächst bestätigen, dass in diesem Jahr 1 Milliarde DM mehr für die
aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben wird. Das ist ein
besonderes Verdienst dieser Bundesregierung.
({0})
- Wenn er das so sagt, kann ich ihn nur bestätigen. Gleichzeitig will ich herausstellen, was die Bundesregierung
Gutes tut. Das habe ich hiermit getan.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ich bin selbstverständlich Ihrer Meinung, dass die Evaluation, also die Überprüfung dieser Maßnahmen, zeitnah und unmittelbar zu
erfolgen hat. Deswegen will ich Ihnen sagen - das wissen
Sie auch -, dass bei allen Programmen, die die neue Bundesregierung aufgelegt hat - ob es sich um das Jugendsofortprogramm oder um Programme zur Förderung der Integration von Sozialhilfeempfängern in Arbeit handelt,
sehr penibel darauf geachtet wird, dass eine Evaluation
stattfindet.
Ich will Sie im Übrigen darauf hinweisen, dass die alte
Bundesregierung dies über Jahre hinweg versäumt hat.
Das war ein Fehler. Wir lassen über die Bundesanstalt sogar Sonderprogramme evaluieren, die die alte Bundesregierung aufgelegt hat, weil bisher keine Evaluation
stattgefunden hat. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass
man sehr genau schauen muss: Welche Mittel werden eingesetzt? Wie ist die Wirkungsweise dieser Mittel? Es
macht keinen Sinn, für Maßnahmen Geld auszugeben, die
keinen Erfolg erzielen. Insofern kann ich Ihnen in diesem
Zusammenhang völlig zustimmen.
Ich danke
Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen jetzt zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen. Zur Beantwortung steht die Frau Staatssekretärin Angelika Mertens zur Verfügung.
Die Fragen 12 und 13 des Kollegen Wolfgang
Weiermann werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Ernst Hinsken auf:
Was hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Kurt Bodewig, aufgrund meiner brieflichen Anfrage
vom 12. Dezember 2000 bislang an Einwirkung auf die Deutsche
Bahn AG unternommen, damit der IR 25 nicht aus dem Verkehr
gezogen wird, für dessen weiteren Einsatz die Bayerische Staatsregierung sogar bereit ist, das Defizit zu tragen?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Herr
Kollege Hinsken, die Gestaltung des Schienenfernverkehrsangebotes der Deutschen Bahn AG gehört seit der
Bahnreform zum eigenverantwortlichen unternehmerischen Bereich der im Verkehrsmarkt tätigen Aktiengesellschaft. Die DB AG richtet zum Fahrplanwechsel im
Juni 2001 ihren Personenfernverkehr neu aus. Ab diesem
Zeitpunkt entfallen dann eine Reihe von schwach ausgelasteten Zügen, um die Wirtschaftlichkeit dieses Bereichs
langfristig zu sichern. Auf Vorstandsebene führt die
DB AG derzeit mit den Bundesländern Gespräche über
ein nachfragegerechtes Ersatzangebot für künftig entfallende Züge.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Hinsken.
Frau Staatssekretärin,
pflichten Sie mir bei, wenn ich feststelle, dass ich mich als
Parlamentarier total frustriert sehe, wenn ich auf einen
Brief vom 12. Dezember des letzten Jahres erst acht Wochen später eine lapidare Antwort bekomme? Muss es
nicht als ungehörig bezeichnet werden, wie man seitens
Ihres Ministeriums mit uns umgeht?
({0})
Herr
Hinsken, ich glaube, ganz oft wird vergessen - Sie sind ja
schon etwas länger dabei -, dass wir im Jahre 1994 eine
Bahnreform gemacht haben. Man kann nicht eine Bahnreform machen und dann alles vergessen, was bei dieser
Reform vereinbart wurde. Die Bahnreform hatte drei
Hauptziele: mehr Verkehr auf die Schiene, Schaffung eines eigenverantwortlichen Bereichs für den Personenverkehr und Entlastung des Bundeshaushalts. Ich denke, dass
wir uns diesen Gegebenheiten beugen müssen.
Sie können von uns nicht erwarten, dass wir jede Verkehrsverbindung kommentieren. Sie können sicher sein,
dass es regelmäßig informelle Gespräche gibt; aber darüber hinaus ist diese Bahnreform für uns als Parlament eine
gute Grundlage dafür, dass die Bahn eigenwirtschaftlich
handeln kann. Die Frage, die Sie ansprechen, gehört zum
operativen Bereich und fällt nicht in die Verantwortlichkeit der Bundesregierung. Das innerhalb der
Bundesregierung betroffene Ministerium - der Einzelplan
weist das entsprechend aus - ist für die Infrastruktur zuständig. Das müssen wir so hinnehmen. Es wäre gut,
wenn wir das ein bisschen verinnerlichen würden.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
ich gehe davon aus, dass Sie meine Frage genau gelesen
haben. Sie hat sich nämlich auf einen Punkt bezogen, zu
dem ich keine Antwort bekommen habe. Ich brauche nicht
darüber belehrt zu werden, was Inhalt der Bahnreform ist,
der ich damals zugestimmt habe. Ich habe mich beschwert, weil ich es einfach nicht einsehe, dass Parlamentarier acht Wochen lang hingehalten werden, ohne
dass eine Antwort erfolgt.
({0})
Ein Zweites: Wie bewerten Sie, dass der bayerische
Wirtschaftsminister Dr. Otto Wiesheu bereit ist, das Defizit für die angesprochene Linie zu tragen, und die Bahn
trotzdem keine Bereitschaft erklärt, den IR 25 am Leben
zu erhalten?
Vielleicht mag es mit dem Ministerwechsel, den es gegeben
hat, zusammenhängen, dass die Antwort acht Wochen gedauert hat. Ansonsten gebe ich Ihnen darin Recht, dass
acht Wochen zu lange sind.
Zum zweiten Punkt: Sie wissen, dass wir uns immer
darüber freuen, wenn die Bayerische Staatsregierung aus
ihren Regionalisierungsmitteln Züge bestellt. Ich gehe davon aus - das ist zumindest meine Information -, dass die
DB AG und die Bayerische Staatsregierung in Verhandlungen sind und wir irgendwann ein Ergebnis sehen werden. Es verbietet sich für uns als Bund, in diese Verhandlungen einzutreten.
Eine Zusatzfrage, Herr Girisch.
Frau Staatssekretärin,
das Unternehmen Deutsche Bundesbahn ist zwar eine Aktiengesellschaft, aber da der Bund ja zu 100 Prozent Eigentümer ist, hat die Bundesregierung eine gewisse Aufsichtspflicht. Was die Streckenstilllegung beim Interregio
25 betrifft, so muss man anmerken, dass der Fernverkehr
immer noch ein grundgesetzlicher Auftrag des Bundes ist.
({0})
Der Bund kann sich daher aus dem Fernverkehr nicht so
schnell zurückziehen.
Teilen Sie die Auffassung der bayerischen SPD-Abgeordneten, dass die Strecke des Interregio 25 nicht stillgelegt werden darf?
Ich
möchte zunächst zwei Korrekturen anbringen: Zum einen
reden Sie von der „Deutschen Bundesbahn“. Sie heißt
jetzt Deutsche Bahn AG.
({0})
Zum Zweiten habe ich die nochmalige Bitte an Sie, zu
verinnerlichen, dass wir eine Bahnreform gemacht haben.
Der Bund tritt für die Infrastruktur ein, damit die DB AG
ein ordentliches Fernverkehrsnetz aufrechterhalten kann.
Nur auf diese Weise macht das Vorgehen Sinn. Es macht
keinen Sinn, einzelne Strecken herauszugreifen und dafür
zu bezahlen. Auch das war Inhalt der Bahnreform und an
die Ergebnisse dieser Reform sollten wir uns auch halten.
Was den dritten Teil Ihrer Frage angeht: Ich freue mich
über jede Verbindung bei der DB AG, die zustande kommt
und die auch einigermaßen ausgelastet ist.
({1})
Ich denke aber, wir müssen genau darauf achten, wie stark
das Verkehrsaufkommen auf den einzelnen Strecken ist, in
welchen Relationen der Betrieb durchgeführt wird und wie
lang die befahrenen Strecken sind. Die Länder bekommen
für den Nahverkehr Regionalisierungsmittel. Es ist weder
ökonomisch noch ökologisch, warme Luft zu transportieren; für den Betrieb einer Strecke muss eine entsprechende
Anzahl an Kunden vorhanden sein. Ich gehe davon aus,
dass die DB AG so schlau ist, dann Angebote vorzuhalten,
wenn eine entsprechende Nachfrage besteht.
({2})
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Zur Beantwortung der restlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bauund Wohnungswesen steht der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Ina Lenke auf:
Plant die Bundesregierung eine Änderung des bestehenden
Systems der staatlichen Eigenheimzulage im Sinne einer Senkung
der Eigenheimzulage für Neubauten im ländlichen Raum bei
gleichzeitig höherer Förderung von Ballungsgebieten und Altbauten, und wenn ja, welche Auswirkungen haben diese Änderungen?
Vielen
Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Lenke, wegen des
Sachzusammenhanges möchte ich Ihre Fragen 15 und 16
zusammen beantworten.
Ich rufe die
Frage 16 der Kollegin Lenke auf:
Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass eine
Reduzierung der Eigenheimzulage im ländlichen Raum für junge
Familien, die sich städtisches Bauland nicht leisten können, zur
Folge hat, dass durch die niedrigere staatliche Förderung für Neubauten im ländlichen Raum für viele Familien - nicht nur in Ballungsgebieten, sondern dann auch im ländlichen Raum - der Bau
der eigenen vier Wände unfinanzierbar wird?
Eine
bundesweite Änderung der Eigenheimzulage ist nicht beabsichtigt, sodass sich dementsprechend auch keine
Auswirkungen auf die Wohneigentumsbildung im ländlichen Raum ergeben werden.
Eine Zusatzfrage.
Wie können Sie sich erklären, dass
die wohnungsbaupolitische Sprecherin der Grünen in einem Interview und in Meldungen an die Presse sagt, dass
die Bundesregierung darüber nachdenkt? Sagen Sie mir,
dass die wohnungsbaupolitische Sprecherin der Grünen
möglicherweise die Unwahrheit sagt?
Ich würde
in diesem Fall empfehlen, die wohnungsbaupolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen selbst zu fragen. Sie
kann Ihnen sicherlich eine kompetentere Antwort auf die
Frage geben als ich. Ich kann Ihnen nur sagen, was die
Bundesregierung plant oder nicht plant. Danach haben Sie
gefragt und diese Frage habe ich beantwortet.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Ihre Antwort sagt mir, dass Sie
nicht wollen, dass die Eigenheimzulage für Familien im
ländlichen Raum geringer ausfällt als für solche in der
Stadt. Das heißt, diese Bundesregierung wird in dieser Legislaturperiode die Eigenheimzulage nicht regional gewichten. Ist das richtig?
Sie präzisieren die Frage, die Sie anfangs gestellt haben. Änderungen bei der Neubauzulage im gesamten Bundesgebiet
sind nicht geplant.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Goldmann.
Herr Staatssekretär, Sie haben von bundeseinheitlicher Regelung gesprochen und eben noch einmal eine Formulierung benutzt,
die sich auf das gesamte Bundesgebiet bezog.
Ist der Umkehrschluss richtig, dass Sie eventuell regionale Regelungen wollen, die zu einer Verlagerung der
Eigenheimzulage führen? Ganz konkret gefragt: Werden
Sie den Vorstellungen der Lehmann-Grube-Kommission
folgen, die den Vorschlag gemacht hat, die Eigenheimzulage in den neuen Ländern zu verändern: weg vom Eigenheim im Grünen Richtung Innenstadt? Werden Sie
diesen Gedanken weiter verfolgen?
Der Vorschlag der Lehmann-Grube-Kommission, Herr Abgeordneter Goldmann, betraf eine Senkung der Neubauzulage.
Diese habe ich für die Bundesregierung gerade ausgeschlossen.
Haben Sie
weitere Zusatzfragen? - Keine. Herr Staatssekretär, ich
danke Ihnen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des
Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht
der Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.
Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Monika
Brudlewsky, die Frage 19 des Kollegen Niebel und die Fragen 20 und 21 des Kollegen van Essen werden schriftlich
beantwortet.
Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Sylvia Bonitz auf:
Was wusste der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, zu der Zeit, als er in seiner Frankfurter Wohngemeinschaft mit Daniel Cohn-Bendit nach eigener Aussage gemeinsam
mit der Ex-Terroristin Margrit Schiller 1973 frühstückte, über ihre
Person und ihre Motive, und wie lange hat der Kontakt zu Margrit
Schiller bestanden?
Die Frage beantworte ich wie folgt: Das Auswärtige
Amt hat in einer Presseerklärung vom 23. Januar 2001
hierzu Stellung genommen. Die Bundesregierung hat dem
nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage.
Derweil die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes ausgesprochen dünn war
und es hier um den Komplex geht, wieweit der Kontakt
des jetzigen Bundesaußenministers Joschka Fischer zur
früheren Terroristin Margrit Schiller doch etwas intensiver war als bislang bekannt, stelle ich folgende Frage: Ist
es nicht vielmehr zutreffend, dass in den Gesprächen mit
Margrit Schiller konkret über die logistische Unterstützung der RAF durch den Revolutionären Kampf gesprochen wurde - ich verweise auf den „Focus“-Bericht vom
5. Februar 2001 - und dass der heutige Bundesaußenminister von den terroristischen Aktivitäten von Frau
Schiller damals somit Kenntnis gehabt haben muss, zumal
Schiller seinerzeit gerade erst aus ihrer zweijährigen Haft
entlassen worden war? Sie war zuvor wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe
von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden, war
kaum aus dem Gefängnis entlassen, kam dann auf der Suche nach einem Unterschlupf und nach neuen Unterstützern für die RAF im Frühjahr 1973 nach Frankfurt, ist
dann im Haus Bornheimer Landstraße 64, in dem die heutigen Politiker Fischer und Cohn-Bendit wohnten, gelandet und hat dort offensichtlich ganz gezielt Kontakt gesucht. Im „Focus“ heißt es dazu:
({0})
Sie wollte wissen, ob der „Revolutionäre Kampf“
mit der RAF kooperieren will.
Vor diesem Hintergrund frage ich, welcher Kontakt
zwischen Herrn Fischer und Frau Schiller bestanden hat.
Frau Bonitz, wenn es Ihnen wirklich um Erkenntnis
ginge, hätten Sie auch den nächsten Satz aus dem „Focus“-Artikel zitiert. Dort heißt es nämlich, dass Fischer
solche Ansinnen rundheraus abgelehnt hat.
({0})
Eine weitere
Zusatzfrage.
Das beantwortet nicht die
Frage nach der Art und Dauer des Kontaktes. Ich stelle
eine weitere Zusatzfrage. Der Herr Außenminister will
zurzeit offensichtlich nicht zugeben, dass er in dem Prozess vor dem Frankfurter Landgericht am 16. Januar dieses Jahres eine Falschaussage getätigt haben könnte.
({0})
Warum wird dann im Auswärtigen Amt eine Expertise in
Auftrag gegeben, die sich mit genau diesem Falle einer
möglichen Strafbarkeit wegen einer Falschaussage beschäftigt?
Indem Sie die Worte benutzen, Außenminister
Fischer wolle etwas nicht zugeben, insinuieren Sie eine
Straftat. Das weise ich auf das Schärfste zurück.
({0})
Ich rufe die
Frage 23 der Kollegin Bonitz auf:
Wird vom Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
der sowohl in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am
17. Januar 2001 als auch im Prozess gegen den Ex-Terroristen
Hans-Joachim Klein vor dem Frankfurter Landgericht am 16. Januar 2001 ausgesagt hat, dass er sich 1977 von der Gewalt abgewandt habe, ausgeschlossen, nach 1977 Gewalttaten begangen zu
haben oder Gewalt - sei es durch Worte, sei es durch aktives Tun
oder Unterlassen - nach diesem Zeitpunkt noch gutgeheißen zu
haben?
Die Frage beantworte ich wie folgt: Bundesminister
Fischer hat in der Fragestunde vom 17. Januar 2001
hierzu umfassend Stellung genommen. Dem hat die Bundesregierung nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage.
Ich frage noch einmal
ganz konkret danach, inwieweit nach 1977 weitere Aussagen von Herrn Fischer getätigt sein könnten, die nicht
zu seiner Aussage passen, dass er sich nach diesem Zeitpunkt konsequent von der Gewalt gelöst habe. Ich stelle
diese Frage vor dem Hintergrund folgender Zitate bzw.
Handlungen von Herrn Fischer: Er hat in einem in der
Zeitschrift „Kursbuch“ 1979 veröffentlichen Gespräch
- es ging um das so genannte Darmwickeln: Die Vietcong
hatten damals einem Dorfoberen den Bauch aufgeschlitzt,
die Därme herausgerissen und da hängen lassen - Folgendes gesagt:
Da gab es einen ... Streit über das Prinzip des revolutionären Terrors mit einer humanistischen Fraktion, ... während die andere, mehr politische Seite, zu
der ich gehörte, gesagt hat, ja, das ist zwar unmenschlich, aber wenn’s der Sache dient, dann muss
das wohl sein.
({0})
Ein weiteres Zitat stammt aus einem Telefonat mit dem
Buchautor Christian Schmidt: Fischer soll 1983 in einer
Bonner Kneipe einem Fotografen ein Glas Bier ins Gesicht geschüttet haben. Dabei reagierte er allein darauf,
dass dieser versucht hatte, ihn zu fotografieren, wie er sich
eine Zigarre anzündete. Daneben hat Fischer 1983 - zu
der Zeit war er bereits Mitglied im Bundestag - Folgendes gesagt - ich zitiere aus der „Wirtschaftswoche“ - ({1})
- Nein, es reicht noch nicht; ich habe noch einiges. - In
der „Wirtschaftswoche“ vom 18. Januar 2001 heißt es,
Fischer habe noch 1983 erklärt:
Ich werde weiterhin Rechtsbrüche in Kauf nehmen,
um menschliche Verhältnisse zu schaffen.
Des Weiteren hat er 1983, wie wir jetzt von mehreren
Fraktionsmitarbeitern wissen -
Frau Kollegin Bonitz, Sie sollten uns alle jetzt nicht mit zu vielen Zitaten überstrapazieren. Der Gesamtzusammenhang ist
deutlich geworden. Nach der Geschäftsordnung muss ich
auf kurze Fragen drängen. Außerdem haben Sie gleich
noch eine weitere Zusatzfrage.
Dann möchte ich nur
noch ein letztes Zitat, das die Bundesregierung trotz zweifacher Nachfrage bisher nicht dementiert hat, von 1998
vortragen. Herr Fischer sagte 1998:
Ich war nie gewaltfrei. Ich bin es heute noch nicht in
meinen Überzeugungen.
({0})
Die Bundesregierung kann nicht zu jeder Kolportage Stellung nehmen. Die Gesinnung und die politische
Überzeugung des Herrn Bundesaußenministers sind, was
die Gewaltfrage angeht, völlig eindeutig und bedürfen
keiner weiteren Kommentierung.
({0})
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie
haben gesagt, Fischer Haltung sei völlig eindeutig. Zwischen den von mir vorher genannten Zitaten und den Aussagen von Herrn Fischers sowohl im Prozess als auch vor
dem Deutschen Bundestag in der Fragestunde am 17. Januar, dass er sich seit 1977 von der Gewalt konsequent
losgesagt habe, besteht ein Widerspruch. Darf ich die
Schlussfolgerung ziehen, dass Sie diesen Widerspruch offensichtlich nicht erkennen?
Das dürfen Sie daraus nicht schließen
Es gibt
keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr
Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur
Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 24 des Kollegen Hartmut
Koschyk auf:
Welche Auswirkungen haben nach Ansicht der Bundesregierung die noch nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Oktober 2000 auf die Prüfung des
Bestätigungsmerkmales Sprache im Rahmen des Aufnahmeverfahrens für Spätaussiedler und beabsichtigt die Bundesregierung
aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes eine
Initiative zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes?
Herr Kollege Koschyk, ich
beantworte Ihre Frage wie folgt: Mit der Zielsetzung, Verwaltungsgrundsätze im Lichte der angesprochenen Rechtsprechung zu § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bundesvertriebenengesetz - Sie wissen, worum es geht - zu entwickeln,
traf sich am 5. Februar 2001 erstmals die unter Vorsitz des
Bundes mit Vertretern aus Hessen, Nordrhein-Westfalen
und Bayern gebildete Arbeitsgruppe. Eine klarstellende
Änderung des Bundesvertriebenengesetzes zur Fortsetzung der bisherigen, bis jetzt höchstrichterlich bestätigten
Verwaltungspraxis ist, wie Sie wissen, vom Aussiedlerbeauftragten, Jochen Welt, bereits öffentlich gefordert worden und wird von der Bundesregierung vorbereitet.
Eine Zusatzfrage.
In welche Richtung
soll die von der Bundesregierung vorbereitete Gesetzesänderung gehen?
Herr Kollege Koschyk, die beabsichtigte Gesetzesänderung geht wohl in die Richtung,
das bisherige Verfahren weitgehend einer gesetzlichen
Grundlage zu unterziehen.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
in einer der tragenden Säulen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts heißt es - ich darf daraus zitieren -, dass
es ausreichend ist, wenn das Kind die deutsche Sprache
und die Landessprache im Elternhaus erlernt und gesprochen hat, also mehrsprachig aufgewachsen ist. Das heißt,
dass das Bundesverwaltungsgericht dem Kriterium der
Sprache nicht mehr die zentrale Bedeutung beimisst, wie
dies zum Beispiel durch die bisherige Anerkennungspraxis der Bundesregierung, durch das Verfahren des Bundesverwaltungsamtes und der Länder geschehen ist. Plant
die Bundesregierung, diesem Urteil Rechnung zu tragen,
oder will sie die Anerkennungstatbestände verschärfen?
Die Bundesregierung hat diese
Arbeitsgruppe eingesetzt, an der - das ist gar nicht unwichtig - insbesondere die betroffenen Länder Hessen,
Nordrhein-Westfalen und Bayern beteiligt sind, die für
den Vollzug in der Praxis verantwortlich sind. Es geht vor
allem um die Frage, wie dieses Urteil umzusetzen ist.
Wenn wir das alles schon wüssten, dann hätten wir diese
Arbeitsgruppe nicht einzusetzen brauchen. Ich spreche an
Sie, der sich in der Materie gut auskennt, die Einladung
aus, dort mitzuarbeiten. Diese Arbeitsgruppe soll die Voraussetzungen dafür schaffen, gegebenenfalls - ich habe
darauf hingewiesen - auf gesetzlicher Grundlage reagieren zu können.
Die
Fragen 25 und 26 des Kollegen Erwin Marschewski werden schriftlich beantwortet. Herr Parlamentarischer
Staatssekretär, damit können Sie sich wieder Ihren übrigen Tätigkeiten zuwenden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
zur Verfügung.
Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Martin Hohmann
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Hans Michelbach
auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ergebnisse des Gutachtens von dem Verfassungsrechtler Stefan Korioth - vergleiche „Die
Welt“ vom 31. Januar 2001 - zur Beteiligung der Bundesländer an
den UMTS-Lizenz-Einnahmen und wird die Bundesregierung die
Bundesländer nun doch anteilig an den genannten Einnahmen beteiligen, um einer verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzung
vorzubeugen?
Lieber Kollege Michelbach,
ich weiß nicht, was das Haus tun sollte, wenn wir Ihre
wöchentlichen Fragen nicht zu beantworten hätten.
({0})
Der baden-württembergische Finanzminister Stratthaus
hat mit Schreiben vom 30. Januar 2001 auch im Namen der
Länder Bayern und Hessen den Bund aufgefordert, bis
zum 14. Februar 2001 ihrer Forderung nach hälftiger Beteiligung an den UMTS-Erlösen nachzukommen. Derzeit
wird das Gutachten im BMF geprüft. Die Prüfung ist noch
nicht abgeschlossen. Bisher sieht das BMF keine Veranlassung, von seiner bestehenden Haltung abzuweichen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich, dass Sie meinen Fleiß loben. - Ich
darf die ergänzende Zusatzfrage stellen: Ist hier nicht Eile
angesichts der Situation geboten, dass bis zum 19. Februar dieses Jahres eine Normenkontrollklage erhoben
werden muss, um angesichts des vorliegenden Gutachtens
zu einer Lösung zu kommen?
Außerdem möchte ich Sie fragen: Ist es nicht einfach
notwendig, zu grundsätzlich gleichen Teilen Länder und
Kommunen zu beteiligen?
Herr Kollege, das Betreiben
von Übertragungswegen für Mobilfunkdienstleistungen
ist an eine staatliche Erlaubnis in Form einer Lizenz geknüpft. Die Lizenzvergabe ist Teil der Regulierung der Telekommunikation und der Frequenzordnung und wird als
hoheitliche Aufgabe des Bundes durch die Regulierungsbehörde in bundeseigener Verwaltung durchgeführt. Die
Lizenzerteilung erfolgt gemäß § 16 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz gegen Gebühr. Im Falle einer Beschränkung
der Anzahl der Lizenzen, wie bei den UMTS-Lizenzen
gegeben, kann die Vergabe in einem Versteigerungsverfahren erfolgen. Gebühren nach § 16 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz werden nur insoweit erhoben, als die
Kosten den Versteigerungserlös übersteigen. Die Erlöse
stehen der staatlichen Ebene zu, die die Verwaltungskompetenz für die Regulierung der Telekommunikationsdienstleistungen besitzt. Die Verwaltungskompetenz für
diesen Aufgabenbereich besitzt gemäß Art. 87 f Abs. 2
Satz 2 des Grundgesetzes der Bund.
Auch aus der Deckungsquotenrechnung ergibt sich
kein gesonderter Anspruch der Länder. Bei den Einnahmen aus der UMTS-Versteigerung handelt es sich unter
anderem aufgrund ihres singulären Charakters nicht um
laufende Einnahmen im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Grundgesetz. Die Umsatzsteuerverteilung dient außerdem nicht
einer jährlichen kurzfristigen Spitzabrechnung, sondern
korrigiert dauerhaft unterschiedliche Finanzentwicklungen zwischen Bund und Ländern. Seit 1995 besteht eine
dauerhafte Schieflage zulasten des Bundes, die die Länder allerdings nie zum Anlass genommen haben, eine Umsatzsteuerneuverteilung zugunsten des Bundes in Erwägung zu ziehen.
Auch wenn das von den drei genannten Ländern in
Auftrag gegebene Gutachten zu anderen Ergebnissen
kommt - ich sagte Ihnen, dass wir noch nicht die Gelegenheit hatten, das Gutachten abschließend zu prüfen -,
ist aus Sicht des Bundes keinerlei Eile geboten; denn sofern diese drei Länder klagen wollen, sind sie an diese
Frist gebunden, wir allerdings nicht. Wir würden einer
Klage mit Gelassenheit entgegensehen.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, sehen Sie es nicht doch, im Sinne der Herbeiführung
eines Konsenses beim Länderfinanzausgleich - daran
muss ja dem Bund besonders gelegen sein -, für notwendig an, dass die Länder und Kommunen für die Steuerausfälle, die sie aufgrund der Vergabe der UMTS-Lizenzen zu verzeichnen haben werden, einen gewissen fairen
Ausgleich erhalten? Diese Steuerausfälle entstehen dadurch, dass die Lizenznehmer die Kosten für die Lizenzen
als Betriebskosten abschreiben können. Sollte im Sinne
eines Interessenausgleiches nicht dafür gesorgt werden,
dass dieses insbesondere bei Ländern und Kommunen
nicht in dieser Weise negativ zu Buche schlägt?
In der Tat können die Erwerber der UMTS-Lizenzen die Kosten, die für deren Erwerb angefallen sind, über einen Zeitraum von 20 Jahren
zu gleichen Teilen abschreiben. Die in Ihrer Frage enthaltene Unterstellung, dass dies dauerhaft zu Mindereinnahmen führen würde, muss ich zurückweisen. Sie legen hier
eine sehr statische Betrachtungsweise an den Tag. Damit
dauerhafte Einnahmeausfälle des Staates entstehen,
müsste ja eine dauerhafte Minderung der Gewinne eintreten, was ja die Ersteigerung von UMTS-Lizenzen völlig
sinnlos machen würde. Die Unternehmen haben die
UMTS-Lizenzen natürlich nur deswegen erworben, weil
sie hierdurch mittel- und langfristig eine Steigerung ihrer
Gewinne erwarten. Sonst hätten sie aus ökonomischer
Sicht nicht sinnvoll gehandelt. Insofern kann ich diese statische Betrachtungsweise nicht akzeptieren.
Ich rufe die
Frage 30 des Kollegen Michelbach auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des
Bundesfinanzhofes, in dem die Begrenzung des Vorsteuerabzugs
auf 50 v. H. für privat mitgenutzte Firmenwagen in Zweifel gezogen wurde, und wird die Bundesregierung vor einem Urteil des
Europäischen Gerichtshofes kurzfristig eine gesetzliche Regelung
erwirken, die den vollen oder anteiligen Vorsteuerabzug zulässt?
Die von der Bundesregierung in der Antwort auf die schriftliche Frage
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Nummer 230 für den Monat August 2000 vertretene Auffassung zur EU-rechtlichen Absicherung der Beschränkung des Vorsteuerabzuges für gemischt genutzte Fahrzeuge bleibt unverändert bestehen. Die Bundesregierung
hält im Übrigen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder an den entsprechenden Vorschriften fest.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über
die in dem Vorlagebeschluss aufgeworfenen Fragen zur
Gültigkeit der rückwirkenden Ratsermächtigung für die
Bundesrepublik Deutschland zum Erlass des § 15 Abs. 1 b
Umsatzsteuergesetz bleibt abzuwarten.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Frau Staatssekretärin, sehen Sie denn überhaupt noch eine Basis für den
Steuerzahler, Ihrer Steuerpolitik zu vertrauen, wenn entsprechende Regelungen immer wieder durch höchste Gerichte, wie hier durch den Bundesfinanzhof, aufgehoben
werden? Haben Sie nicht die Begründung verinnerlicht,
dass mit der Pauschale, die auch bei geringer privater Nutzung einen 50-prozentigen Abzug vorsieht, die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf den Steuerzahler weit überschritten ist? Vor allem bitte ich Sie, mir die Frage zu
beantworten, warum dies rückwirkend gelten soll, obwohl der Europäische Rat dies erst rund ein Jahr, nachdem
Sie mit dem Steuerentlastungsgesetz eine entsprechende
Regelung getroffen haben, die am 1. April 1999 in Kraft
getreten ist, genehmigt hat.
Herr Kollege, meiner Ansicht nach entsteht kein Vertrauensschaden dadurch, dass
höchste Gerichte zu Rechtsauslegungen kommen, die der
Gesetzgeber so zunächst nicht gesehen hat. Aufgrund der
Gewaltenteilung kann es durchaus sein, dass Gerichte zu
anderen Auffassungen gelangen als der Gesetzgeber. Welche Wirkungen solche Gerichtsentscheidungen haben, ist
vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Nicht jedes Urteil ist
unmittelbar geltendes Recht.
In diesem Fall hat der BFH einen Vorlagebeschluss gegenüber dem Europäischen Gerichtshof gemacht, in dem
er lediglich Zweifel - das ist also sehr vorsichtig formuliert - an der Vereinbarkeit der Ratsentscheidung mit dem
Gemeinschaftsrecht geäußert hat, weil dem deutschen
Gesetzgeber durch die Ratsentscheidung eine rückwirkende Genehmigung gegeben worden ist. Daran, wie gesagt, bestehen Zweifel. Der BFH hat in diesem Zusammenhang überhaupt nicht von Unverhältnismäßigkeit
gesprochen, die Sie in Ihrer Frage thematisiert haben;
vielmehr geht es lediglich um den Zeitpunkt der Ratsentscheidung.
Eine weitere
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, widerspricht es nicht auch Ihrem Empfinden für eine
gerechte und einfache Steuerpolitik, wenn selbst bei einer
sehr geringen privaten PKW-Nutzung pauschal 50 Prozent Vorsteuerabzug gestrichen werden, also eine sehr tief
greifende Pauschale erhoben wird, die 50 Prozent ausschließt? Führt dies letzten Endes nicht von vornherein zu
einem Unverständnis beim Steuerzahler und wird dadurch
das Gerechtigkeitsempfinden nicht mit Füßen getreten?
Herr Kollege Michelbach,
Sie unterstellen in Ihrer Frage, dass der Ausschluss der
50-prozentigen Abzugsfähigkeit in jedem Falle gilt. Dies
ist jedoch nicht der Fall; vielmehr haben wir festgelegt
- ich sage das einmal aus dem Kopf -, dass eine sehr geringe private Nutzung gleichwohl zu einer hundertprozentigen Abzugsfähigkeit führen kann und umgekehrt.
Ich will einmal ein Beispiel für eine sehr geringe private
Nutzung anführen: Angenommen, ein Taxifahrer fährt mit
seinem ihm selbst gehörenden Taxi von seiner Wohnung
zum Halteplatz, von wo aus er zum ersten Mal Taxifahrten unternimmt. Er kann auch in Zukunft 100 Prozent geltend machen, obwohl er in geringfügigem Umfang eine
private Nutzung hatte, da er erst die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte unternommen hat. Das, was Sie unterstellt haben, ist also nicht richtig.
Im Übrigen - das ist fast eine rechtsphilosophische
Frage - birgt jede Grenzziehung, jede Pauschalisierung
eine Ungerechtigkeit in sich. Auf andere Weise aber sind
Pauschalisierungen und Grenzziehungen nicht möglich.
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf. Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte wird die Fragen beantworten.
Zunächst rufe ich die Frage 31 des Kollegen Hartmut
Koschyk auf:
Plant der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping,
dass die drastische Reduzierung des Bundeswehrstandortes Bayreuth um das II./LwAusbRgt 3 durch Verlegung an den Regimentssitz nach Roth oder durch Auflösung des Bataillons erfolgen
soll, und warum sieht er nicht die Auflösung eines der ebenfalls
zum Luftwaffenregiment 3 gehörenden Luftwaffenausbildungsbataillone in Germersheim, Rheinland-Pfalz, oder Mengen, Baden-Württemberg, vor?
Herr Kollege Koschyk, aufgrund der künftig geringeren Personalumfänge für die
Luftwaffe wird die Zahl der Wehrpflichtigen von derzeit
20 269 auf künftig 10 700 reduziert werden. Deshalb wird
auch die Luftwaffe einen geringeren Bedarf an Ausbildungsplätzen im Rahmen der Grundausbildung haben.
Deshalb musste zumindest erst einmal eines der acht Luftwaffenausbildungsbataillone aufgelöst werden.
Die Absicht, das zweite Luftwaffenausbildungsregiment 3 in Bayreuth aufzulösen, wurde nach einem umfassenden Vergleich aller acht Grundausbildungsstandorte
der Luftwaffe entwickelt. Grundlage für die Auswahl war
natürlich der vom Bundesminister der Verteidigung,
Rudolf Scharping, vorgegebene Kriterienkatalog zur
Stationierung.
Die Luftwaffe plant keine Verlegung des Bataillons
nach Roth. Vielmehr plant sie aufgrund der gesunkenen
Zahl der Wehrpflichtigen dessen Auflösung. Dies schließt
allerdings nicht aus, dass im Zusammenhang mit der
Personalsteuerungsmaßnahme einzelne Zeit- und Berufssoldaten später von Bayreuth nach Roth versetzt werden,
um dort ihren Dienst zu leisten.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, kann denn die vom Bundesverteidigungsministerium
vorgesehene Auflösung des Ausbildungsbataillons in
Bayreuth nicht auch damit zusammenhängen, dass der
Standort Roth, an dem das zuständige Regiment sitzt,
durch die Ausgliederung der Sanitätstruppe ein Sanitätsausbildungsbataillon verliert und dass für das nicht mehr
in Roth stationierte Sanitätsausbildungsbataillon des
Regimentes das Bayreuther Bataillon, auch wenn es vorher aufgelöst werden sollte, in einer anderen organisatorischen Form in Roth wieder aufgebaut werden soll? Die
für diesen Wahlkreis zuständige Kollegin Wohlleben hat
daher davon gesprochen, dass es in Roth einen Zuwachs
durch das in Bayreuth aufzulösende Bataillon geben soll.
Sie haben mich nach dem
Luftwaffenausbildungsregiment gefragt. Ich kann Ihre
Frage gut verstehen, Herr Kollege Koschyk. Es gibt viele
betroffene Kolleginnen und Kollegen, in deren Wahlkreisen Standorte reduziert oder aufgelöst werden sollen. Klar
ist aber - ich habe mir die aktuellen Zahlen herausgesucht -: Die Zahl von 20 269 zur Luftwaffe einberufenen
Wehrpflichtigen - nicht alle sind zur gleichen Zeit in der
Ausbildung; viele leisten natürlich schon in den Verbänden ihren Dienst - wird auf rund 10 000 halbiert. Diese
Zahl der Einberufungen bedingt natürlich, dass wir nicht
mehr so viele Ausbildungsplätze brauchen. Da Roth und
Bayreuth nur 80 Kilometer von einander entfernt sind,
gab es die Entscheidung, einen der Standorte zu schließen.
Ich habe erfahren, dass aus wirtschaftlicher und infrastruktureller Sicht Roth eindeutige Vorteile hat und deswegen die Liegenschaft dort weiter genutzt wird. Das ist
für einen Bayreuther Kollegen sicherlich keine befriedigende Antwort. Aber diese Antwort ist sachlich begründet
und Sachargumente sollten wir in der Diskussion bedenken.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie haben mehrfach ausgeführt, dass die Luftwaffe im
Bereich der Ausbildung Konzentrationen vornehmen
will. Der Inspekteur der Luftwaffe hat in dem Tagesbefehl
nach Bekanntgabe der Feinsteuerung zur Stationierung
gesagt, dass dafür ein Bataillon - in diesem Fall das Bayreuther Ausbildungsbataillon - aufgelöst werden solle.
Warum ist man nicht der Überlegung näher getreten,
das 4. Bataillon des Luftwaffenausbildungsregimentes in
Holzdorf aufzulösen, das nach mir zugänglichen Informationen nach Wittstock zu dem in der Öffentlichkeit
umstrittenen Übungs- und Bombenabwurfplatz der Luftwaffe verlegt werden soll? Ist das Bayreuther Bataillon
dafür nicht das Bauernopfer? Denn ein Luftwaffenübungsplatz ohne ein eigenes Bataillon - um das zu verhindern,
verlegt man jetzt das Bataillon von Holzdorf nach Wittstock - würde ja die Argumentation zur Erhaltung dieses
umstrittenen Übungsplatzes Wittstock schwächen. Kann
das nicht ein Grund für diese Entscheidung gewesen sein?
Herr Kollege, Sie wissen ganz
genau, dass das nicht stimmt. Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie sich in der Vergangenheit immer sehr für
Standorte im östlichen Teil Deutschlands engagiert. Sie
glauben doch nicht im Ernst, dass wir ohne besondere
Veranlassung einen ostdeutschen Standort für die Erhaltung von zwei bayerischen Standorten infrage stellen.
Dass in Zukunft die Wunstorfer Transportgeschwader in
Holzdorf stationiert sein werden, ist übrigens eine Entscheidung der alten Regierung, die ich zwar bedauert
habe, aber nachvollziehen konnte.
Herr Koschyk, ich muss Ihnen sagen, dass Ihr Vorschlag, ein Ausbildungsregiment im Osten aufzulösen, einen faden Beigeschmack hat.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Friedrich.
Frau Staatssekretärin, die Besonderheit des Luftwaffenausbildungsregimentes 3 in Roth ist ja, dass es mit insgesamt vier Bataillonen auf drei Bundesländer verstreut ist. Wenn es
denn schon Sinn macht, bei der Dislozierung eines Regimentes ein Bataillon aufzulösen, dann sollte es
- davon bin ich immer ausgegangen - das Bataillon sein,
das am weitesten vom Regimentssitz entfernt ist, weil es
von der Führung und den sonstigen Bedingungen her am
schwierigsten zu steuern ist. Wie erklären Sie einem vernünftig nachrechnenden Menschen, dass nun ausgerechnet die beiden Standorte, die vom Regimentssitz in Roth
fast dreimal so weit wie Bayreuth entfernt sind, nämlich
Germersheim und Mengen, bestehen bleiben, während
der am nächsten am Regimentssitz Roth liegende Standort, nämlich Bayreuth, also der Standort, der vom Regimentssitz aus am einfachsten zu steuern ist, aufgelöst
wird?
({0})
Offensichtlich ist Ihnen nicht
bewusst, was in den Bataillonen stattfindet.
({0})
Es ist sehr bezeichnend, was die Kollegen zum Teil in der
Öffentlichkeit sagen.
In diesen Ausbildungsbataillonen werden die jungen
Wehrpflichtigen in den ersten drei Monaten - so wird es
zumindest in Zukunft wieder sein; das ist eine unserer
Überlegungen - zusammengefügt. Das macht die Luftwaffe in meinen Augen sehr gut. Es ist zugegebenermaßen ein für einen Bayern verständliches Interesse, die
Standorte in der Fläche zu schließen und den Standort
Bayreuth zu belassen. Aber es ist selbstverständlich, dass
wir möglichst die Fläche abdecken. Insoweit halte ich die
Entscheidung zwar für bedauerlich für Bayreuth - das
will ich überhaupt nicht bestreiten; so empfinde ich bei
der Schließung jedes Standortes -, aber in der Sache für
korrekt. Ich glaube, dass wir sie mit gutem Gewissen verantworten können.
Herr Kollege von
Klaeden hat eine Frage.
Frau Staatssekretärin, mir liegt hier ein Brief der Kollegin Sylvia Voß, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, vor, in dem sie sich wie
folgt zu dem Standort Wittstock äußert. Ich möchte zwei
Absätze aus dem Schreiben zitieren. Das erste Zitat ist der
zweite Absatz:
Ehrlicherweise müsste das Verteidigungsministerium eine vierte Kategorie von Standorten angeben,
nämlich die „aufzubauenden Standorte“.
({0})
In Wittstock jedenfalls müssen nach Angaben der
Bundeswehr erst 500 Mio. DM investiert werden,
({1})
um ein Luftwaffenausbildungsbataillon von 1 200 Soldaten ({2}) in
Wittstock funktionsfähig stationieren zu können.
({3})
Als Zweites möchte ich den vorletzten Absatz dieses
Schreibens zitieren:
Die Landesregierung Brandenburg, der Landrat der
Region, diverse Gemeinden, bundesdeutsche Friedensinitiativen u. v. m. setzen sich für eine zivile
Nutzung des durch Besatzungsrecht ({4})
geschaffenen Bombenabwurfplatzes ein. Sollte der
Flugbetrieb wieder aufgenommen werden, würde es
sich um eine erhebliche Beeinträchtigung einer der
schönsten Ferienregionen Deutschlands handeln.
Wenn solche Kritik aus der Koalition kommt, frage ich
mich, ob die Entscheidung für Wittstock und gegen Bayreuth tatsächlich sachgerecht sein kann.
Herr Kollege von Klaeden, es
wird mir ein besonderes Vergnügen bereiten, bei den Antworten, die ich anschließend Herrn Gehrcke zu den Fragen zur Nutzung des Standortes Wittstock gebe, darauf
hinzuweisen, wer die Entscheidungen sowohl hinsichtlich
der Nutzung dieses Bombenabwurfplatzes wie auch hinsichtlich dessen, dass dort stationiert werden soll - dass
der Standort also in der Zukunft nicht nur als Bombenabwurfplatz genutzt werden soll, sondern selbstverständlich
auch zur Stationierung der Truppe; denn das war natürlich
die Forderung, die die Brandenburger gestellt haben -, getroffen hat. Die Entscheidungen sind im Jahre 1992 erfolgt.
({0})
Bekanntermaßen war daran kein sozialdemokratischer Verteidigungsminister beteiligt. Ob Frau Kollegin Voß
- die damals in der Opposition war, jetzt allerdings das
Vergnügen hat, einer Regierungspartei anzugehören - Zahlen genannt hat, die nichts mit der Realität zu tun haben
- denn wir haben von 214 Millionen DM gesprochen -,
muss natürlich ebenfalls in der Zukunft überprüft werden.
Ihre Frage war also, glaube ich, nicht ganz so pfiffig.
({1})
Wir setzen diese Entscheidung um.
Ich stelle fest, dass es auf jeden Fall bei einem ostdeutschen Standort bleibt. Dass, lieber Herr von Klaeden,
die alten Bundesländer einen Standort aufgeben müssen,
damit in den neuen Bundesländern einer erhalten werden
kann, halte ich im Sinne der deutschen Einheit, aber auch
angesichts des Aufkommens für gerechtfertigt.
({2})
- Danke.
Nun hat der Herr Kollege Zumkley das Wort zu einer Zusatzfrage. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, können
Sie bestätigen, dass neben den von Ihnen bereits genannten Gründen auch das Aufkommen von jungen Wehrpflichtigen und jungen Soldaten eine Rolle spielt und dass
es deswegen richtig ist, die Dislozierung beispielsweise
des Luftwaffenausbildungsregimentes eben nicht zu zentralisieren, sondern so vorzugehen, wie im Falle von Germersheim, Wengen und anderswo entschieden wurde?
Lieber Herr Kollege Zumkley,
das kann ich Ihnen ausdrücklich bestätigen. Auf der anderen Seite will ich nicht bestreiten, dass Bayern natürlich
ein flächenmäßig großes Land ist. Aber angesichts der
Entfernungen in Bayern hätte man schon in der Vergangenheit darüber nachdenken können, dass das zweite Bataillon wahrscheinlich an anderer Stelle richtiger wäre. So
ist es eine gerechte Entscheidung.
({0})
Es wäre ein Bärendienst an den neuen Bundesländern,
wenn wir dort ausgerechnet ein Ausbildungszentrum
wegnähmen.
Nun rufe ich die Fragen 32 und 33 des Kollegen Gehrcke auf, die ja schon angekündigt wurden:
Hält die Bundesregierung weiterhin an einer militärischen
Nutzung des Boden-Luft-Schießplatzes Kyritz-Ruppiner Heide
fest, auch wenn das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil
vom 14. Dezember 2000 zumindest derzeitig eine militärische
Nutzung des Platzes untersagt?
Welche Gründe bewegen die Bundesregierung zu einem Festhalten an diesem Truppenübungsplatz, der in großen Teilen der
dort ansässigen Bevölkerung auf Widerstand stößt, wenn in anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland bestehende Standorte
geschlossen werden?
Frau Staatssekretärin.
Sehr geehrter Herr Kollege
Gehrcke, vielleicht erinnern Sie sich, dass ich vor Weihnachten eine Kleine Anfrage der PDS sorgfältig beantwortet habe. Dennoch will ich ausdrücklich noch einmal
darauf hinweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht am
14. Dezember entschieden hat, dass der Truppenübungsplatz Wittstock, der auf der Grundlage des Verteidigungsgesetzes der DDR Volkseigentum war und den sowjetischen Streitkräften zu militärischen Zwecken zur
Verfügung gestellt wurde, nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 in
Verbindung mit Art. 19 des Einigungsvertrages Eigentum
des Bundes geworden ist. Damit hat das Gericht die
grundsätzliche Nutzungsbefugnis des Bundesministeriums, der Bundesregierung und der Bundesrepublik
Deutschland bestätigt.
Nun zu Ihrer zweiten Frage. Der Boden-Luft-Schießplatz Wittstock bietet aufgrund seiner Ausdehnung und
Lage in vergleichsweise dünn besiedeltem Gebiet gut geeignete Ausbildungsmöglichkeiten und entlastet den
Flugbetrieb an den beiden anderen Boden-Luft-Schießplätzen Siegenburg und Nordhorn. Eine Entscheidung
über die weitere militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock ist aber noch nicht getroffen
worden.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, ich
bestätige Ihnen natürlich gerne, dass Sie die Kleine Anfrage korrekt, umfassend und gründlich beantwortet haben. Mit Ihren Antworten lässt sich übrigens in der Öffentlichkeit gut arbeiten. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür.
Sie sind in Ihren Äußerungen sehr freimütig.
Ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie eben gesagt haben, eine endgültige Entscheidung über die militärische Nutzung sei seitens der
Bundesregierung noch nicht getroffen worden. Das ist
neu. Das möchte ich ausgesprochen festgehalten wissen.
Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass eine neue
Bundesregierung, wenn eine vorangegangene Bundesregierung möglicherweise einen Fehler gemacht hat - ich
meine, sie hat 1992 mit Sicherheit einen Fehler gemacht -,
die Aufgabe hat, solche Fehler zu korrigieren?
({0})
Lieber Herr Kollege Gehrcke,
Sie haben das große Glück, dass ich manchmal in der Opposition mit der Regierung gestimmt habe. So war ich im
Gegensatz zu anderen Kolleginnen und Kollegen nicht
der Meinung, dass wir auf Wittstock verzichten sollten.
Nun geschieht genau das Gleiche, Herr Kollege
Gehrcke. Wenn wir auf der einen Seite Solidarität mit den
neuen Bundesländern einfordern und Truppen dort stationieren - auch so schöne Sachen wie zum Beispiel das
Ausbildungsregiment -, dann müssen wir auf der anderen
Seite auch erwarten, dass wir auf den vorhandenen
Flächen - Wittstock ist eine vorhandene Fläche; vielleicht
geben Sie mir durch Ihre Zusatzfragen noch die Chance,
mehr Zahlen zu nennen - in vernünftiger Weise Luft-Boden-Übungen durchführen können, allerdings nie und
nimmer in der Art und Form der alt-ehemaligen sowjetischen Streitkräfte. Wir prüfen jetzt die rechtlichen Grundlagen. Etwas muss geschehen, was damals von der alten
Regierung versäumt worden ist. Es muss ein Dialog mit
den Kommunen stattfinden, die geklagt haben. Es gibt ja
zwei verschiedene Gruppen. Die einen wollen unbedingt,
dass wir dort deswegen eine Garnison mit 1 000 Mann stationieren. Die anderen möchten, dass dort Ruhe ist. Ich
kann Ihnen das gerne aufgrund Ihrer weiteren Zusatzfragen noch näher erklären.
Weitere Zusatzfrage?
Ich habe ja noch die
Chance nachzufragen.
Bitte sehr.
Würden Sie dem Haus bestätigen, dass die Garnison in Wittstock bislang nur in
Rudimenten vorhanden ist und dass auf dem Truppenübungsplatz bislang nur Luft-Boden-Übungen stattgefunden haben, sodass Sie gar nicht davon ausgehen können,
dass Sie hier eine Garnison auflösen, da Sie eine Garnison
mit über 1 000 Soldaten erst aufbauen wollen? Ich weiß
nicht, wie Sie mir aus der Logik der Bundesregierung heraus erklären wollen - Sie werden mir sicherlich ein wenig Nachhilfeunterricht geben -, dass Sie auf der einen
Seite Garnisonen schließen, auf der anderen Seite aber gegen den Protest großer Teile der Bevölkerung und der Gemeinden mit einigen hundert Millionen DM Aufwand
eine Garnison aufbauen.
({0})
Meine Kollegin Voß hat dazugerechnet - was ich nicht
getan habe - was die Munitionsberäumung auf dem Platz
kostet. Dann sind Sie nämlich bei 500 Millionen DM.
Dieser Logik kann ich nicht folgen. Das dann noch als Solidarität mit Ostdeutschland zu bezeichnen, das ist der
Gipfel der Logik.
({1})
Wenn ich mich nach Ihrer
Grundhaltung richten würde, müsste ich sagen: Alle für
Wittstock vorgeplanten Übungen, alle Luft-Boden-Übungen, werden wir in Siegenburg durchführen. Herr
Koschyk weiß, wo das liegt. Denn es kann ja wohl nicht
ernsthaft sein, Herr Kollege Gehrcke, dass wir der Notwendigkeit, mit unseren Luftfahrzeugen zu trainieren,
nicht nachkommen können. 75 Prozent des Trainings verlegen wir schon ins Ausland. Es ist nun einmal so, dass
Besatzungen von Flugzeugen und vor allem die von
Jagdbombern üben müssen. Denn sie sollen eine Überlebenschance haben. Dem müssen wir nachkommen.
Jeder, der sich in dieser Sache auskennt, weiß, zu welchen Belastungen das führt. Wenn Sie sich das entsprechende Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes anschauen,
können Sie das nachlesen. Die alte Regierung hat es versäumt, bei den betroffenen Kommunen nachzufragen. Erst
dadurch ist nämlich dieses Rechtsproblem entstanden.
Herr Kollege Koschyk, glauben Sie bitte nicht, dass der
Kollege Siemann und ich der Meinung sind, dass Nordhorn allein die Leistungen übernehmen sollte. Ich bin der
Meinung, dass weiterhin eine Nutzung des Platzes in der
Kyritz-Ruppiner Heide erfolgen sollte.
Das, was wir räumen, sind doch keine Munitionsbestände der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland. Wer
soll denn einen solchen Platz mit einer solchen Belastung
räumen, wenn nicht die Bundeswehr? Warum haben wir
das wohl auch in Sachsen-Anhalt getan? Das war keine
besonders intelligente Frage von Ihnen.
Ich kann nachempfinden, dass es die Gemeinden gut
finden, wenn wir dort Auszubildende und Luftwaffenstrukturen hinverlegen. Denn obwohl einige Gemeinden
dagegen geklagt haben, ist die Mehrzahl für einen Aufwuchs der Bundeswehr in Wittstock.
Herr Gehrcke, Sie haben jetzt noch zwei Zusatzfragen. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, es
steht mir nicht zu, Bemerkungen zu machen. Ich habe es
als sehr charmant empfunden, wie Sie geantwortet haben.
Aber angesichts Ihrer Antwort habe ich auch den Eindruck, dass ich mit meiner Zusatzfrage ein wenig den
Nerv getroffen habe.
Zur Sache selbst: Sie irren sich, wenn Sie sagen, dass
es nur um Nachfragen bei den Gemeinden geht. Im diesbezüglichen Urteil steht, dass mit den Gemeinden ein
reguläres Anhörungsverfahren durchzuführen ist. Das ist
etwas anderes, als nur nachzufragen, ob sie eine militärische Nutzung wollen oder ob sie sie nicht wollen. Ein solches reguläres Anhörungsverfahren erfordert geraume
Zeit, in der Sie diesen Platz nicht militärisch nutzen dürfen. Daran geht erst einmal kein Weg vorbei. Würden Sie
zumindest das bestätigen, auch wenn Ihnen diese Frage
möglicherweise ebenfalls nicht als intelligent erscheint?
Ich teile Ihre Meinung. Auch
ich bin der Auffassung, dass wir bei den Gemeinden nachfragen müssen. Aber es gibt da einen Punkt, den auch Sie,
Herr Gehrcke, wissen, nämlich dass bei der Übertragung
dieses Platzes ein paar Fehler bei der Wegemarkierung erfolgt sind, die die Oberfinanzdirektion in Cottbus möglicherweise in Ordnung bringen kann. Dann sieht bei den
Kommunen das Mitspracherecht anders aus.
Dennoch bin ich folgender Meinung: Wenn man eine
so weit reichende Einrichtung wie einen Abwurfplatz
plant - wir arbeiten dort zwar nicht mit scharfer Munition,
was daher zu relativ geringem Lärm führt; aber die Flugzeuge machen natürlich Lärm -, dann muss man die Gemeinden ordnungsgemäß anhören. Das ist 1992 versäumt
worden, ganz zu schweigen davon, dass dies in der ehemaligen DDR gar nicht stattgefunden hat. Dass wir die
Gemeinden anhören müssen, will ich Ihnen ausdrücklich
dezidieren. Dass wir jetzt diesem Rechtsanspruch nachkommen, hat die neue Bundesregierung geregelt. Ich
glaube, dass wir hier zu einem vernünftigen Ergebnis
kommen werden.
Nun hat der Kollege
Gehrcke noch eine Zusatzfrage. Bitte sehr.
Das ist meine letzte
Frage. - Ich möchte festhalten, dass das nicht die neue
Bundesregierung geregelt hat, sondern dass das Bundesverwaltungsgericht das in einem Urteil festgestellt hat,
und zwar in einem Verfahren, in dem die Bundesregierung
in Revision gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Brandenburg gegangen ist. Das macht schon einen
kleinen Unterschied. Vorhin haben wir über Sache und
Sachkunde geredet.
Würden Sie mir noch eine Antwort zur militärischen
Seite geben? Diese sprechen Sie an und wissen, dass wir
dazu sehr gegensätzliche und nicht zu vereinbarende
Standpunkte haben. Könnte es sein, dass dieser Platz in
der militärischen Planung bezüglich der Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr gerade bei der Übung von LuftBoden-Einsätzen einen so zentralen Platz einnimmt, dass
die Bundeswehr aus diesem Grund nicht auf ihn verzichten will?
Nein, das trifft auch für den anderen Standort zu. Wir wollten eigentlich nur eine gleichmäßigere Verteilung vornehmen. Wir haben sie in der
alten Bundesrepublik in der Vergangenheit mit Siegenburg und Nordhorn durchgeführt. Wir haben diese Umverteilung damals ungleich stärker durch die Partnerstaaten belastet vorgenommen. Sie wissen, dass Nordhorn
lange von den Engländern genutzt wurde und erst jetzt an
die Bundesrepublik Deutschland, damit an die Bundeswehr, abgegeben wird.
Ich halte das einfach für eine gerechtere Verteilung, zumal die optimalen Bedingungen bezüglich Entfernung
und Anflug gegeben sind. Damit verbunden sind die Belastungen der Bevölkerung durch anfliegende Kampfflugzeuge auf diesem Standort relativ gering. Man kann
die Menschen, Herr Gehrcke, wegen der Munitionsreste
noch nicht auf den Truppenübungsplatz lassen. Daher
kann ich nicht verstehen, dass Sie das nicht nachvollziehen wollen.
Nun hat der Kollege
Goldmann eine Zusatzfrage. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, kann ich Ihren Antworten zum Komplex Wittstock
- so will ich es vereinfachen - und den damit verbundenen Problemstellungen entnehmen, dass der Bombenabwurfplatz Nordhorn-Range noch lange benutzt werden
muss? Halten Sie es vor diesem Hintergrund nicht für eine
besondere Härte für die Bevölkerung in der Region, dass
der Standort Lingen im Grunde genommen geschlossen
wird? Er wird zwar als bestehend weitergeführt, aber im
Kern ist ein Abbau von 755 auf 30 Plätze mit einer anschließenden Privatisierung eine Schließung.
Ist es nicht Augenwischerei, dass man, damit die Bevölkerung in Lingen weiterhin den Bombenabwurfplatz
Nordhorn-Range akzeptiert, so tut, als ob man den Standort Lingen bei zukünftigen Planungen doch noch ernsthaft
in Betracht zöge?
Wenn Sie ein wenig über den
Tellerrand schauen, werden Sie bemerken, dass im Landkreis Emsland noch ein zweiter Standort betroffen ist, der
sogar ganz aufgelöst wird: Werlte. Insofern ist das in der
Tat schwierig. Ich gehe davon aus, dass wir eine vernünftige Aufgabenteilung in der Bundesrepublik finden werden. Wir sind uns aber darüber einig, dass wir Standorte
nicht mehr erhalten können, an denen sich Truppenteile
befinden, deren Aufgaben zukünftig entfallen.
Da wir aufgrund der veränderten Bedrohungslage gerade im Transportbereich vieles nicht mehr wie bisher
selbst machen müssen, kommt diese Problematik auf uns
zu. Genauso wird die Logistik eine andere Aufgabe als
früher wahrnehmen. Dazu gehören leider die zwei Einrichtungen, die im schönen Landkreis Emsland liegen.
Ich habe großes Verständnis für die Bevölkerung.
({0})
- Ich kann Ihnen nur sagen: Wir werden sehen, was mit
Lingen passieren wird. Die Logistikbrigade soll aufgelöst
werden, aber der Standort erhalten bleiben. Lassen Sie uns
doch erst einmal in Ruhe die Feinausplanung fortsetzen.
Das war eine weitere
halbe Zusatzfrage des Kollegen Goldmann und eine halbe
Antwort der Frau Staatssekretärin.
Ich rufe die Frage 34 der Abgeordneten Angelika
Volquartz auf:
Welche Gründe waren ausschlaggebend für die Bundesregierung, den Sitz der Wehrbereichsverwaltung I nach Hannover zu
verlegen, und welche Gründe sprachen nach Ansicht der Bundesregierung im Rahmen der Entscheidungsfindung gegen einen Verbleib des Sitzes dieser Behörde in Kiel?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Präsidentin! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Volquartz, bei
der Entscheidung zur Zusammenführung der Wehrbereichsverwaltungen I und II in Hannover wurden funktionale, personelle und infrastrukturelle Gesichtspunkte gegenübergestellt und bewertet. Für Hannover als Sitz der
künftigen Wehrbereichsverwaltung sprechen unter anderem eine geeignetere Infrastruktur. Zu berücksichtigen ist
die günstigere Verkehrsanbindung Hannovers gegenüber
Kiel und die Tatsache, dass in Hannover im Gegensatz zu
Kiel eine modernere Liegenschaft vorhanden ist, die auch
noch zusätzliche Mitarbeiter aufnehmen kann.
Hinzu kommt, dass bei der Stationierung der höheren
Kommandobehörden und Dienststellen auf eine ausgewogene Verteilung geachtet wurde, sodass Kiel in Zukunft auch Sitz eines Wehrbereichskommandos bleibt,
während es Hannover nicht mehr sein wird.
Zusatzfrage, Frau
Kollegin, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, dies steht in einem krassen Widerspruch zu einer Aussage, die Sie vor einem Jahr, am 19. Januar, hier in diesem
Raum gemacht haben, fünf Wochen vor der Landtagswahl
in Schleswig-Hostein. Damals haben Sie gesagt, dass Sie
wüssten, dass Unruhe in den Wehrbereichsverwaltungen
herrsche, „aber es gibt keinerlei Absichten, die Wehrbereichsverwaltungen in Kiel und Hannover zusammenzulegen“. Auf meine Frage: „Kann ich daraus schließen,
dass der Bundeskanzler der gleichen Meinung ist wie der
Verteidigungsminister?“ führten Sie aus:
Wir haben das, was Sie vermuten, auch nicht vor;
denn unsere Vorstellung ist nicht, dass es sinnvoll ist,
die Wehrbereichsverwaltungen zu zentrieren. Sie
wissen ja selbst, wie groß der Wehrbereich I ist, der
Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und das
flächenmäßig große Schleswig-Holstein umfasst,
und Sie wissen auch, wie groß Niedersachsen und
Bremen sind.
Ich überspringe und zitiere dann weiter:
Aber es gibt keinerlei Absichten hinsichtlich einer
Zusammenlegung dieser beiden Wehrbereichsverwaltungen. Deshalb kann der Bundeskanzler gar
nicht davon sprechen.
Wie stehen Sie zu dieser klaren Aussage?
In einer weiteren Ausführung zu meinen Fragen, was
den Standort Kiel anbetrifft, haben Sie auf die Arbeit der
Kommission hingewiesen. In diesem Zusammenhang haben Sie nicht auf die Arbeit der Kommission hingewiesen.
Erlauben Sie mir die Feststellung, dass Ihre Gründe, die
Sie eben angeführt haben, überhaupt nicht stichhaltig
sind. Das ist Ihnen auch bekannt. Nun meine Frage: Wie
stehen Sie zu dieser Aussage, die Sie vor einem Jahr gemacht haben - wie gesagt, fünf Wochen vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein -, und zu dem Kaufkraftverlust von 60 Millionen DM, der infolge des Abbaues
von 900 Dienststellen eintritt?
Frau Volquartz, zu diesem
Zeitpunkt waren wir ernsthaft der Meinung, dass man auf
eine Zusammenlegung der Wehrbereiche verzichten
könne. Wir hatten aber schon lange das Gutachten des
Bundesrechnungshofes - das Sie und ich vielleicht nicht
im Auge haben - der zum Beispiel für die Zusammenlegung der Wehrbereichsverwaltungen von Stuttgart und
München plädierte. Bei der Überlegung, zwei Länder in
diesem Bereich zusammenzulegen, blieb natürlich ganz
klar die Erkenntnis, dass das dann auch für andere gilt.
Aber, Frau Volquartz, Ihre Frage gibt mir auch die
Möglichkeit - ich hätte diesen Punkt sonst im Zusammenhang mit der nächsten Frage beantwortet -, zu sagen,
dass wir ja nicht alles in Hannover zentrieren wollen. Wir
sind auch noch nicht so weit, dass wir alle einzelnen Organisationsbereiche fertig haben. Wir werden nur - wenn
Sie wollen - den Kopf statt zweimal einmal besetzen, das
heißt, was die Führung im Präsidialbereich und was bestimmte Aufgabenbereiche betrifft. Aber viele Aufgaben
sollten zunächst in der Zukunft ausdrücklich auch von
Kiel wahrgenommen werden, auch wegen der Fläche. Das
Gleiche gilt übrigens auch für München und Stuttgart, wie
Sie feststellen werden, wenn Sie sich einmal die Entfernung ansehen. Das ist einfach das Ergebnis von Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Wir kommen nicht ganz daran vorbei, wenn der Rechnungshof solche Empfehlungen
gibt.
Meine persönliche Vorstellung wird sein, weiterhin
noch möglichst viel zu dezentralisieren. Bei der Abwägung einer Zusammenlegung, hat Hannover - so viel Verständnis ich für die Argumente der Kieler habe - meiner
Meinung nach heute das Prä.
Ich entnehme jetzt
aus der Beantwortung, dass Sie die Frage 35 schon beantworten:
Beabsichtigt die Bundesregierung für den Fall, dass sie sich
endgültig für Hannover als Sitz der Wehrbereichsverwaltung I
entscheidet, den dauerhaften Erhalt der 550 Dienststellen bei dem
in Kiel verbleibenden Teil der Wehrbereichsverwaltung I, und
welche Pläne verfolgt die Bundesregierung in Bezug auf das Arsenal in Kiel?
Dann haben Sie noch drei Zusatzfragen. Bitte sehr,
Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin, Sie gestatten erneut, dass ich Ihre Erinnerung bemühe.
Der Hinweis auf den Bundesrechnungshof hat in meiner
Fragestellung und in Ihrer Antwort schon eine Rolle gespielt. Wir sind uns dieser Diskussion durchaus bewusst
gewesen. Trotz der Kenntnis der Diskussion im Bundesrechnungshof haben Sie darauf hingewiesen: Es gibt keinerlei Pläne. Das muss ich hier noch einmal feststellen.
Wie erklären Sie, dass Sie jetzt darauf hinweisen, dass wir
diese Kenntnisse nicht hatten, die doch damals schon bewusst waren, auch in meiner Frage bzw. in Ihrer Antwortgebung?
Eine weitere Zusatzfrage zu dem Punkt, den Sie gerade
angesprochen haben, was das Belassen von 550 Dienstposten in Kiel betrifft. Uns ist mitgeteilt worden - vielleicht können Sie das ja dementieren -, dass diese 550
Dienstposten mit kw-Vermerken versehen sind und dass
wir eigentlich nur davon auszugehen haben, dass es sich
um ein vorübergehendes Verbleiben in Kiel handeln
sollte.
In der letzten Woche haben wir in Kiel mit der Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein und Vertretern der kommunalen Ebenen eine Gesprächsrunde geführt. Wir waren uns einig, dass unsere Interpretation,
dass diese Dienstposten nur vorübergehend sind, nicht
verkehrt ist. Wenn Sie jetzt sagen, das sei falsch und die
Dienstposten sollen in der Anzahl, die ich eben genannt
habe, weiterhin in Kiel bleiben, würde ich Sie bitten, uns
zu sagen, wie die Perspektive von der Jahreszahl her aussieht und ob die kw-Vermerke tatsächlich nicht vorhanden
sind.
Frau Kollegin, Sie haben jetzt so viele Fragen gestellt, dass ich Sie bitte, damit
einverstanden zu sein, dass die Frau Staatssekretärin diese
noch beantwortet, Sie darüber hinaus aber keine weiteren
Fragen mehr stellen dürfen. Frau Staatssekretärin, Sie
dürfen jetzt antworten.
Aber gern, Frau Präsidentin.
Frau Kollegin Volquartz, Sie haben mit Recht auf die
Kommission hingewiesen, die damals ihren Bericht noch
nicht abgeschlossen hatte, gerade was die zivile Verwaltung betrifft. Damals - erinnern Sie sich - war von der
Kommission, die Herr von Weizsäcker geleitet hat, ein
Bundeswehrumfang von 240 000 empfohlen worden.
Dies hätte eine noch weiter gehende erhebliche Reduzierung von Standorten, Standortverwaltungen und Wehrbereichsverwaltungen bedeutet.
Weil wir mit Ihnen, der Union, bei der Wehrpflicht
bleiben wollen, wollen wir einen Umfang der Bundeswehr von 285 000 Soldaten behalten. Wir haben zurzeit
310 000.
({0})
- Darüber, dass Sie sagen, dass ein Umfang von 285 000
Soldaten nichts mit der Wehrpflicht zu tun hat, bin ich erstaunt.
({1})
Dies setzt aber voraus, dass sich anschließend die zivile
Verwaltung daran orientiert, wo die Truppe ist.
Sie stimmen sicher darin mit mir überein, dass Schleswig-Holstein auch in Zukunft ein nicht ganz unbedeutender Standort bleiben wird. Das liegt natürlich auch an der
Tatsache, dass dort Luftwaffe, Heer und Marine stationiert bleiben. Deshalb gehe ich davon aus - das ist meine
auf den heutigen Kenntnissen beruhende Vorstellung -,
dass es sinnvoll ist, auch weiterhin bestimmte Dinge dezentral zu leisten. Wie aber in Zukunft die Aufgabenteilung im Einzelnen sein wird, was zum Beispiel von den
Wehrbereichsverwaltungen, was von den Standortverwaltungen bearbeitet wird, wo wir möglicherweise Truppenund Standortverwaltung zusammenfügen, wie wir Standortverwaltung neu definieren - so weit sind wir noch
nicht.
({2})
- Wir müssen bei den Soldaten anfangen. Das ist wohl
klar. Wir werden sehen, ob es uns gelingt, diese Zahlen zu
halten. Wir haben bekanntermaßen von Ihnen schon ein
Defizit an Zeit- und Berufssoldaten übernommen
({3})
- das wissen Sie ganz genau -, das aufgrund der guten
Konjunktur nicht gerade geringer wird. Alles, was wir bei
der zivilen Verwaltung tun, hat sich daran zu orientieren,
was die Soldaten leisten. Wo sie es leisten und was möglicherweise in Zukunft zivile Mitarbeiter übernehmen
können - so weit sind wir noch nicht.
Nun kommt die Frage
36 des Abgeordneten Dr. Müller:
Welche Gründe sind für die Bundesregierung ausschlaggebend, die angekündigte Verlegung der Schule für Feldjäger und
Stabsdienste Sonthofen nach Hannover durchzusetzen?
Wenn ich es richtig sehe, empfiehlt es sich, diese Frage
zusammen mit der nächsten Frage zu beantworten. Sind
Sie damit einverstanden? - Dann rufe ich auch die Frage
37 des Abgeordneten Dr. Gerd Müller auf:
Wie lässt sich die Verlegung der Schule für Feldjäger aus einer strukturschwachen, ländlichen Region nach Hannover in ein
boomendes wirtschaftliches Ballungszentrum mit den beschlossenen Kriterien vereinbaren?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Das will ich gern machen. Herr
Kollege Müller, zu Ihrer ersten Frage: Ausschlaggebend
für die Planung, die Schule für Feldjäger und Stabsdienste von Sonthofen nach Hannover zu verlegen, ist die dringend erforderliche Sanierung der Infrastruktur der Generaloberst-Beck-Kaserne. Die Kosten dafür würden sich
auf mindestens 76 Millionen DM belaufen. Für die Instandsetzungsdauer werden bis zu zehn Jahre veranschlagt. Durch laufende Baumaßnahmen würde der Ausbildungsbetrieb doch sehr eingeschränkt werden.
In Hannover hingegen steht aufgrund einer vorangegangenen Entscheidung der alten Bundesregierung die in
den 70er-Jahren gebaute ehemalige Offiziersschule des
Heeres mit geeigneter moderner Schulinfrastruktur zur
Verfügung. Zudem ist Hannover, was die zentrale Lage
betrifft, als Schulstandort natürlich günstiger. Dies hat zu
unserer Entscheidung geführt.
Zur Ergänzung und Beantwortung der zweiten Frage:
Die sehr hohen Einsparungspotenziale sowie die Möglichkeit zur Nutzung auftragsgerechter, geeigneter Infrastruktur in Hannover sind einige der Gründe für diese zentrale
Ausbildungsstätte gewesen. Im Übrigen muss ich ausdrücklich sagen - ich bin selbst in Sonthofen gewesen -,
dass Sonthofen für mich eine attraktive Region ist, die das
Land Bayern weiterhin fördern sollte.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin,
haben Sie zur Kenntnis genommen, dass Ihnen die Bürgermeister, der Landrat und die Abgeordneten vor Ort ein
Konzept vorgelegt haben, das dieses Investitionsvolumen
genau halbiert?
Wie begründen Sie die Entscheidung, diese Schule mit
2 500 Mann aus Sonthofen, einer strukturschwachen Region an der Peripherie, in den boomenden Ballungsraum
Hannover zu verlagern? Das widerspricht allen Kriterien,
die die Bundesregierung selber verabschiedet hat. Staatssekretär Kolbow hat noch im Dezember ein klares Ja zum
Standort gesagt und eine solche Verlagerung in eine
Boomregion wie Hannover ausgeschlossen.
Wenn ich richtig unterrichtet
bin, bleibt der Standort Sonthofen als ein Standort des
Heeres bestehen. Wenn ich das richtig sehe, bleibt die
ABC-Schule erhalten und es bleiben Teile einer Standortverwaltung erhalten. Das ist angesichts der Tatsache, dass
andere Regionen alles aufgeben müssen, immerhin noch
eine relativ gute Situation.
Ich habe für jede Kommune Verständnis, die in dieser
Situation sagt: Nehmt uns nicht die Bundeswehr und die
zivilen Mitarbeiter weg! Aber in der Region Sonthofen,
die ich kenne, besteht die Möglichkeit, im Fremdenverkehr und in anderen Bereichen etwas für die Infrastruktur
zu tun.
Herr Kollege, da ich die neuen Bundesländer sehr gut
kenne, bin ich sehr vorsichtig damit, von strukturschwachen Räumen zu sprechen. Ich tue das selbst bei meiner
südniedersächsischen Heimat nicht.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
habe ich Sie richtig verstanden, dass diese Entscheidung
endgültig ist, dass keine Möglichkeit der Revidierung
bleibt? Wenn dies so ist, können Sie mir mitteilen, in welchem Ausmaß der Bund bereit ist, in Konversionsmaßnahmen zu investieren?
Auch das will ich Ihnen gern
beantworten. Wenn ich eine andere Haushaltslage des
Bundes übernommen hätte, würde ich das mit großer
Freude tun.
({0})
Aber wegen der Europäischen Währungsunion müssen
wir uns bei der Staatsverschuldung an bestimmte Stabilitätskriterien halten. Wir sind doch die Leidtragenden der
Finanzpolitik der Vergangenheit.
({1})
Leise füge ich hinzu: Auch die Kommunen und die Länder haben sich ein Stück weit daran beteiligt. Im Moment
ist die Haushaltslage des Freistaates Bayern dank der
jahrzehntelangen Unterstützung durch andere Bundesländer und den Bund günstiger als - ({2})
- Ich lache mich doch kaputt. Ich bin zu lange im Bundestag, um nicht zu wissen, wie lange Sie Ergänzungsmittel bekommen haben. Ich war im Haushaltsausschuss.
Ich kann mich wirklich nur amüsieren. Ich freue mich
aber, was Sie daraus gemacht haben.
Noch sprechen wir mit den Landesregierungen, auch
wenn die jetzige bayerische Landesregierung den Termin
am Donnerstag erst einmal abgelehnt hat, wie wir heute
den Zeitungen entnehmen. Andere Länder haben Termine
wahrgenommen, sogar früher und in den Abendstunden.
Aber selbstverständlich werden wir alle Ihre Argumente
noch einmal aufnehmen.
Lieber Herr Dr. Müller, wir sind in der Situation, dass
wir die Bundeswehr verkleinern müssen. Wir müssen mit
dem Geld des Steuerzahlers anders umgehen. Es tut mir
wirklich sowohl für Sonthofen als auch für jeden anderen
Standort persönlich Leid. Aber wir werden nicht alles erhalten können.
Wir werden abwägen. Aber wir haben in Hannover
diese Liegenschaft. Und über die Bezeichnung Boomtown wollen wir einmal bei Gelegenheit reden.
Da fragen wir einmal
Herrn von Klaeden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
habe ich Sie richtig verstanden, dass diese Entscheidung
endgültig ist?
Nein. Ich habe Ihnen ja gesagt:
Wir reden mit den Bundesländern. Der Termin am Donnerstag war von Herrn Scharping angeboten worden. Ihn
hat die Landesregierung von Bayern abgelehnt. Die anderen sind zum Teil da gewesen; heute hat Herr Scharping
zum Beispiel einen Termin mit dem Ministerpräsidenten
Clement. Sie alle werden ihre Sorgen und Bedenken auf
den Tisch legen.
Die Kommunen aus der ganzen Bundesrepublik treffen
sich am 14. Februar in Rheine, um ihre Besorgnisse noch
einmal darzustellen. Diese werden wir erneut aufnehmen
müssen. Aber Sie können sich doch vorstellen: Die Entscheidung für einen Standort bedeutet gleichzeitig ein Votum gegen einen anderen Standort. Deswegen muss sorgfältig abgewogen werden.
Es ist sehr schwierig, eine solche Entscheidung zu treffen. Wenn wir abwägen, was dabei herauskommt, dann
würde ich sagen: Die Mehrzahl der Entscheidungen werden so bleiben, wie wir sie vorgeschlagen haben. Ob das
auch für den Standort Sonthofen zutrifft, kann ich heute
nicht abschließend beurteilen.
Die Frage 38 des Kollegen Hofbauer wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 39 des Abgeordneten Georg Girisch
auf:
Welche Erkenntnisse haben die Bundesregierung dazu veranlasst, noch am 29. Januar 2001 im nicht öffentlichen Bereich
des Bundeswehrintranets weitere Auflösungen von Truppenteilen
und Verringerungen an Standorten vorzustellen, obwohl im am
selben Tag durch den Bundesminister der Verteidigung, Rudolf
Scharping, vorgelegten Entwurf des Ressortkonzepts „Die Bundeswehr der Zukunft - Feinausplanung und Stationierung” keine
Verkleinerung ersichtlich war, wie es beispielsweise beim Standort Weiden, für den im Ressortentwurf keine Verringerung ausgewiesen wurde und noch am selben Tag im Intranet die Auflösung
der 5. Kompanie des Nachschubbataillons 4 verbreitet wurde, geschehen ist?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Ich schaue mir gerade die Fragen 39 und 40 an.
Wollen Sie die Fragen 39 und 40 zusammen beantworten?
Ich will einmal sehen.
Herr Kollege Girisch, in dem Entwurf des Ressortkonzepts sind Standortverkleinerungen nur dann aufgenommen, wenn mehr als 500 Dienstposten oder mehr als die
Hälfte der bisher am Standort vorhandenen Dienstposten
entfallen. Dies bedeutet aber nicht, dass alle anderen Standorte in jeder Hinsicht unverändert bleiben. Durch Auflösung der 5. Kompanie des Nachschubbataillons 4 werden
die genannten Bedingungen nicht erfüllt. Weiden wurde daher unter den zu verbleibenden Standorten geführt.
Wir haben natürlich Alternativen geprüft, ob wir zum
Beispiel im Falle der 5. Kompanie des Nachschubbataillons 4 einen Ersatz finden können. Aber die Verlagerung
von Aufträgen der Logistiktruppen führt dazu, dass solche
Verbände aufgelöst werden. Einzelne Einheiten werden
dann wiederum zur Aufstellung neuer Kräfte eingesetzt,
weil wir ein streitkräfteübergreifendes Kommando schaffen werden. Insoweit wird darauf hingewiesen, dass die
logistische Unterstützung der Panzerbrigade 12 in der
Oberpfalz von den Einheiten in Roding, Regensburg und
Pfreimd durchgeführt werden kann.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin,
aus welchen Strukturgründen der Bundeswehr wird dieses
Nachschubbataillon verlegt?
Wenn ich richtig unterrichtet
bin, wird es aufgelöst. Es werden eine ganze Reihe von
Nachschubbataillonen aufgelöst. Wir haben uns entschieden zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit des Verteidigungshaushalts, Bereiche des Nachschubs, die früher,
Herr Kollege Girisch, darauf ausgerichtet waren, im Verteidigungsfall gerüstet zu sein, teilweise zu privatisieren
und teilweise mit eigenen Kräften fortzusetzen. Das führt
dazu, dass eine ganze Zahl von Bataillonen aufgelöst
wird. Das trifft nicht nur Bayern, sondern auch Niedersachsen. Hier ist der Standort Werlte im Emsland, den ich
schon erwähnt habe, betroffen. Dies ist zwar ein Transportbataillon, doch die dargestellte Lage gilt auch für andere Bereiche. Wir haben diese Situation an vielen Standorten.
Für die Kollegen, die diese Thematik nicht so genau
kennen: In Weiden bleiben die Heeresunteroffiziersschule 2 und mehrere Kleindienststellen. Damit bleibt ein
geplanter Umfang an zivilen und militärischen Dienstposten - darunter sind nicht wenige Zeit- und Berufssoldaten sowie auch zivile Mitarbeiter - von 470 Dienstposten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Girisch.
Frau Staatssekretärin,
halten Sie die Art und Weise, wie man in Weiden mit den
Personen umgegangen ist, für richtig, nämlich dass die
Bundeswehr aus Roding in Weiden angerufen hat, um
mitzuteilen: Schaut einmal ins Intranet; dort steht, dass ihr
aufgelöst werdet? Sollte man so mit Soldaten umgehen?
Die Soldaten wussten genau,
dass sich die Bundeswehr grundlegend verändert. Auch
den zivilen Mitarbeitern hatten wir gesagt, dass wir eine
Strukturveränderung und eine erhebliche Reduzierung
vornehmen werden. Die Pläne, die über Monate diskutiert
wurden, riefen erhebliche Sorgen und Probleme hervor.
Das wissen Sie. Ich weiß, dass es für einige Kollegen, bei
denen man wusste, dass in ihrem Wahlkreis Standorte geschlossen werden, sehr schwierig war. Die Kollegen haben zwar viele Resolutionen vorgelegt. Dennoch ist es zu
einer entsprechenden Entscheidung gekommen.
Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Die Zeit- und Berufssoldaten werden, wie häufig in ihrem beruflichen Leben,
nur eine Veränderung ihres Einsatzortes hinnehmen müssen. Wir sorgen uns um das zivile Personal. Für sie werden wir nach Alternativen suchen müssen. Die Wehrpflichtigen sind nicht das Thema, weil die Zahl der Wehrpflichtigen in Zukunft reduziert werden wird und die dort
vorhandenen Wehrpflichtigen den Dienst beendet haben
werden. Wir haben im Zusammenhang mit der Nachwuchssituation bei den Zeitsoldaten ein großes Problem.
Die Soldaten sind in diesem Fall diejenigen, die wieder
einmal eine Umstrukturierung der Bundeswehr mitmachen. Ich habe in den letzten 20 Jahren - unabhängig von
den zwei Reformen der 90er-Jahre - eine ganze Reihe an
Umstrukturierungen mitgemacht. Die Sorge, die wir alle
teilen, ist: Was geschieht mit dem zivilen Personal?
({0})
- Ich habe versucht, die zweite Frage mitzubeantworten,
weil mich die Frau Präsidentin darum gebeten hat.
Ich dachte, es bestünde ein Zusammenhang. Wenn Sie noch etwas dazu sagen wollen, bitte schön.
Ich habe versucht, den Zusammenhang zwischen beiden Fragen herzustellen.
({0})
Dann rufe ich die
Frage 40 des Abgeordneten Georg Girisch auf:
Steht der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping,
zu seiner Aussage vom 29. Januar 2001 in der Sendung „heute“,
dass er bereit wäre, Änderungen an seinem Ressortkonzept vorzunehmen, wenn ihm die Länder Alternativvorschläge machen
würden, und, falls ja, welche Bedingungen müssten diese, aufgezeigt am Beispiel der umstrittenen Auflösung der 5. Kompanie des
Nachschubbataillons 4 in Weiden, erfüllen?
Darüber habe ich Ihnen doch
wirklich Auskunft gegeben.
Wir haben Verkleinerungen bei den Standorten, bei denen über 500 Dienstposten wegfallen oder eine Reduzierung um mehr als die Hälfte der bisherigen Dienstposten
vorgenommen wird, aufgenommen. Das trifft hier aber
nicht zu. Wir haben das Intranet und das Internet im Übrigen geschaffen, damit sich unsere Mitarbeiter - zivile wie
militärische - sofort und auf der Stelle erkundigen können. Es ist aber doch wohl üblich, zunächst einmal den
Bundestag - in Form des Verteidigungsausschusses - zu
unterrichten, und das haben wir am 29. Januar getan.
({0})
Sie haben noch zwei
Zusatzfragen. Dann können wir den Komplex abschließen.
Die erste Zusatzfrage, Herr Kollege Girisch.
Frau Staatssekretärin, es
trifft nicht zu, dass irgendjemand in meinem Wahlkreis
bzw. in der gesamten Oberpfalz über die Auflösung informiert war. Ich habe mich allerdings darüber gewundert,
dass die SPD-Abgeordneten die Pläne als selbstverständlich hingenommen haben. Anscheinend waren sie vorher
informiert.
Herr Kollege, ich versuche, Ihnen das noch einmal zu erklären: Wir haben jene Kollegen zeitgleich mit dem Bundestag unterrichtet, in deren
Wahlkreis ein signifikanter Wegfall von über 500 Dienstposten oder eine Halbierung der Zahl der vorhandenen
Dienstposten vorgesehen sind. Wir haben mit Freuden erlebt, wie in der Julius-Leber-Kaserne viele Kollegen über
ihre Handys informiert wurden. Herr Kollege Breuer hat
uns extra gebeten, diese Möglichkeiten zu schaffen, damit
die Betroffenen telefonisch unterrichtet werden konnten.
Es war aber richtig, mit diesen Plänen - das hat übrigens damals Herr Stoltenberg genauso gemacht - zuerst
ins Parlament zu gehen, bevor die Öffentlichkeit unterrichtet wird. Weil wir heute das moderne Internet haben,
haben wir zeitgleich mit der Unterrichtung des Verteidigungsausschusses die Pläne ins Internet gestellt. Auch die
Mitglieder des Bundestages sind sofort darüber unterrichtet worden, dass sie die Abfrage durchführen können.
({0})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich lasse jetzt keine Zusatzfrage mehr zu.
Wir sind weit über die Zeit.
Ich darf der Frau Staatssekretärin für die Beantwortung
der Fragen sehr herzlich danken.
Die Fragestunde ist beendet. Ich rufe Zusatzpunkt 1 der
Tagesordnung auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der F.D.P.
Haltung der Bundesregierung zu den Äußerungen von Bundesminister Müller zur vorgesehenen Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Rainer Brüderle, F.D.P.-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Müller,
Ihr 26-Punkte-Papier ist eine einzige Abrechnung mit den
verfehlten, durch die IG Metall geprägten RiesterVorschlägen zur Ausdehnung der Mitbestimmung.
({0})
Die Freien Demokraten können Ihrer schonungslosen
Analyse nur zustimmen. Ihr Papier, Herr Müller, sagt
ganz deutlich: Der Gesetzentwurf aus dem Hause Riester
ist mittelstandsfeindlich, bürokratisch und kostenintensiv.
({1})
Er ist nicht nur ein Anschlag auf die unternehmerische
Freiheit, sondern ein kräftiger Schlag ins Gesicht aller Arbeitslosen. Knapp 4,1 Millionen Arbeitslose sprechen
eine deutliche Sprache zur Beschäftigungspolitik der
Bundesregierung.
({2})
Der Gesetzentwurf zementiert die Fremdbestimmung
in den Betrieben durch Gewerkschaftsfunktionäre und
schwächt das Selbstbestimmungsrecht der Mitarbeiter in
den Unternehmen vor Ort.
({3})
Er führt zu Mehrkosten von mindestens 2,7 Milliarden DM, wie das Institut der deutschen Wirtschaft gestern
feststellte.
Mitbestimmung darf nicht mehr als eine geschlossene
Veranstaltung von Gewerkschaftsfunktionären in Betrieben verstanden werden. Wir müssen heute vielmehr die
Mitarbeiterbeteiligung als moderne Form der Mitbestimmung stärken.
({4})
Mit der Beteiligung der Arbeitnehmer am Betriebsvermögen, mit Aktienoptionen als Gehaltsbestandteil werden
Verteilungskonflikte entschärft,
({5})
die Identifikation mit dem Betrieb gesteigert und die Arbeitsmotivation erhöht.
({6})
Walter Riester und seine Mannen versuchen hier jedoch, den ewiggestrigen Gegensatz zwischen Arbeit und
Kapital künstlich am Leben zu erhalten.
({7})
- Dass Gewerkschaftsfunktionäre Probleme haben, verstehe ich.
Sie wollen die Realität in ein Zwangskorsett pressen
statt zu überprüfen, ob die Mitbestimmungsrituale heute
noch zeitgemäß sind.
({8})
Das wird aber der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitswelt und dem Strukturwandel der Wirtschaft nicht
gerecht.
({9})
Herr Müller, angesichts solch wirtschaftsfeindlicher
und standortschädlicher Vorlagen ist das die letzte Chance,
in dieser Legislaturperiode wirtschaftspolitisches Profil zu
zeigen. Das ist angesichts der Betonmentalität der Regierung auch dringend notwendig. Ihre Rücktrittsdrohung
vom Montag ist dem Ernst der Lage angemessen. Herr
Müller, stehen Sie endlich einmal zu dem, was Sie sagen!
({10})
Erklären Sie sich heute eindeutig.
({11})
Nennen Sie die nicht verhandelbaren Punkte beim Namen.
({12})
Ich habe nie geglaubt, dass ich einmal zu Protokoll geben würde: Herr Müller ist der einzige Hoffnungsträger
dieser Regierung
({13})
für eine verzweifelt gegen den Riester-Unsinn kämpfende
Wirtschaft.
({14})
- Wer schreit, ist getroffen; das ist ein altes Sprichwort;
Sie als Funktionär entlarven sich hier deutlich. - Herr
Müller, Sie werden sonst Nummer acht im Rücktrittsorchester von Gerhard Schröder.
Die SPD-Fraktion - allen voran Herr Struck, der schon
viele vernünftige Dinge in dieser Periode gesagt hat -,
lässt sich ohne Not vor den Gewerkschaftskarren spannen. Die grüne Fraktionsspitze ist sich mal wieder uneinig: Herr Schlauch kündigt Änderungen an, Frau Müller
steht komplett hinter Riester.
({15})
Was Herrn Schlauchs Meinung in der grünen Fraktion
wert ist, hat man bei der Diskussion um das Günstigkeitsprinzip erfahren. Den Entschuldigungsbrief für die Gewerkschaften hat er wahrscheinlich von seinen Parteifreunden schon wieder diktiert bekommen.
Wo ist die neue Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung?
({16})
Frau Wolf bekommt mal wieder einen Maulkorb umgehängt und lässt den Mittelstand im Regen stehen.
({17})
Im Übrigen war auch nicht mehr von einer grünen Staatssekretärin zu erwarten. Die Vogel-Strauß-Politik der Grünen wird wieder offenkundig: Kopf in den Sand stecken
und mit dem Hinterteil wackeln, damit sich überhaupt etwas bewegt.
({18})
Herr Müller, ich hoffe, Ihre Position ist wirklich ernst
gemeint und keine bewusste Inszenierung zur Vorbereitung eines eleganten Querausstiegs. Ich habe von Champagner-Wetten gehört, die Sie auch gern verlieren würden. Doch bevor Sie aussteigen, machen Sie Ihren Job
endlich einmal richtig! Seien Sie ein Minister für die Wirtschaft und nicht gegen die Wirtschaft!
({19})
Die Unternehmen, die Arbeitnehmer, die auf mehr Selbstbestimmung und weniger Funktionärsfremdbestimmung
setzen, und die Arbeitslosen im Lande würden es Ihnen
danken.
({20})
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Brüderle, eben musste niemand schreien, weil Sie mit dem, was Sie vorgetragen
haben, wirklich niemanden getroffen haben.
({0})
Zu den 4,1 Millionen Arbeitslosen, die Sie jetzt bemüht
haben, verweise ich darauf, dass es noch gar keine Reform
der Betriebsverfassung gibt. Die Arbeitslosen haben wir
mit der alten Betriebsverfassung.
({1})
Aber nun zur Sache: Worum geht es? Nach 30 Jahren
ist eine Reform der Betriebsverfassung in der Tat überfällig, weil sich in den Betrieben eine ganze Menge verändert hat.
({2})
- Meine Damen und Herren von der Union, auf Ihre Zwischenrufe gehe ich ja gerne ein, denn da lohnt es sich wenigstens, wie ich Ihnen gleich noch zeigen werde.
Wir wollen für Kleinbetriebe ein vereinfachtes, unbürokratisches Wahlverfahren.
({3})
In Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten soll in einer
Wahlversammlung entschieden werden können. Nun hat
mir die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU dankenswerterweise ihre Vorstellungen zugeschickt. Dieser Gruppe
gehören immerhin 71 Parlamentsmitglieder an. Sie schreiben:
Wir treten ein für eine Vereinfachung des Wahlverfahrens in kleinen und mittleren Betrieben bis zu
100 Beschäftigten.
({4})
Hier soll die Wahl eines Betriebsrats in einer Wahlversammlung durchgeführt werden.
Hier sind wir also nicht so ganz weit auseinander, meine
Damen und Herren.
({5})
Worum geht es als Zweites? Wir wollen natürlich, dass
die Betriebsräte mit ordentlichen Mitteln ausgestattet sind
und auf gleicher Augenhöhe agieren können, und wir wollen, dass sie in ausreichender Zahl, auch was Freistellungen angeht, ihre Aufgaben erfüllen können. Was sagt uns
die Union dazu? Die Arbeitnehmervertreter der Union
wollen die Freistellung schon ab 100 Beschäftigte. Darüber kann man reden. Wir sagen: ab 200 in einem gestaffelten Verfahren.
Als Nächstes sagen wir: Weil sich in den Betrieben
eine ganze Menge verändert hat und der Betrieb heute
nicht mehr einfach wie früher der abgegrenzte Betrieb ist
- es gibt Betriebe als fraktale Fabriken; es geht bis hin zu
virtuellen Unternehmen -, wollen wir, dass sich künftig
per Tarifvertrag angemessene Strukturen entwickeln können. Auch hier habe ich dem Schreiben der Union mit
Freude entnommen, dass wir auf einer Linie sind. Dort,
wo kein Tarifvertrag besteht, soll das die Betriebsvereinbarung machen. Hier ist also ein weiterer Punkt, bei dem
wir sehr produktiv zusammenarbeiten können.
Ferner sagen wir - auch da dürfte es ein breites Einverständnis geben -: Wenn es zu Betriebsänderungen
kommt, die nachhaltig dazu führen, dass Beschäftigte ihre
erworbene Qualifikation nicht mehr einsetzen können,
soll der Betriebsrat dort natürlich eine zusätzliche Qualifizierung einfordern können. Wer kann eigentlich dagegen sein?
({6})
Wir sind also guten Mutes, dass all das, was die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU parteiübergreifend formuliert hat - ich habe dieses Papier einen Monat nachdem
wir die Eckpunkte vorgetragen haben, die die Regierung
zur Betriebsverfassung einbringt, bekommen -, eine hervorragende Grundlage dafür darstellt, hier zu einer Zusammenarbeit zu kommen.
({7})
Nun hat man mir im Ministerium gesagt, ich solle vorsichtig sein; so wie es früher die „Herz-Jesu-Marxisten“
gab, die wenig zu sagen hatten, handele es sich hier möglicherweise um eine ganz kleine Gruppe. Nachdem ich
mir das Schreiben angeschaut hatte, stellte ich fest, dass
es 71 Mitglieder der Fraktion sind. Das finde ich prima;
das ist eine gute Gruppe. Eines der 71 Mitglieder der
Fraktion heißt übrigens Angela Merkel.
({8})
Jetzt sind wir in der guten Position, davon ausgehen zu
können, dass es eine breite Unterstützung für das Reformvorhaben gibt, sodass wir, wenn wir in die Debatte
gehen, nachdem wir einen Regierungsbeschluss haben
werden, wichtige Reformschritte wohl nicht so strittig
werden diskutieren müssen, wie wir es leider bei der Reform der Rentenversicherung machen mussten.
({9})
Meine Damen und Herren, wir haben also einen guten
Ansatz, eine breite parlamentarische Mehrheit für die Reform eines Gesetzes hinzubekommen, das 1972 verabschiedet wurde und 30 Jahre lang kaum verändert worden
ist, das jetzt aber angesichts der Tatsache novelliert werden muss, dass es heute eine massive Veränderung in den
Betrieben und bei den Beschäftigten gibt. Wenn Sie von
der F.D.P. große Bedenken haben und nicht mitstimmen
wollen, dann wird das zu ertragen sein.
({10})
- Wenn Ihre Argumente gut sind, stelle ich mich ihnen
gern. Aber dann müssen sie anders als das sein, was Herr
Brüderle heute vorgetragen hat.
({11})
Ich komme zum Schluss. Der von der F.D.P. beantragten Aktuellen Stunde liegt eine ganz andere Frage zugrunde.
({12})
- Ich kann Sie beruhigen. Sie dürfen davon ausgehen,
dass es eine abgestimmte Position im Kabinett geben
wird. Sie wird darüber hinaus von einer breiten Mehrheit
getragen.
({13})
Ich werde mit allen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dazu beitragen, dass wir zu einer gemeinsamen
Position kommen, die wir Ihnen vortragen werden. Wenn
die F.D.P. sie nicht mitträgt, dann werden wir das zur
Kenntnis nehmen. Wenn Sie gute Argumente haben, dann
werden wir uns mit denen auseinander setzen.
({14})
Ich baue darauf, dass das Wort der Union, wie es in
dem Schreiben zum Ausdruck kommt, das sie mir geschickt hat, weiterhin gilt. Insofern sehe ich dieser Debatte wirklich guten Mutes entgegen.
Herzlichen Dank.
({15})
Nun hat der Kollege
Gerald Weiß, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich erst über das Verfahren und dann über die
Sache reden. Herr Minister, nach Ihrem Beitrag drehe ich
die Reihenfolge um; denn ich befürchte, dass aus Ihren
Tagträumereien über Möglichkeiten der Zusammenarbeit
mit der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU nichts wird.
Weil wir nicht wollen, dass es zu einer Legendenbildung
kommt,
({0})
möchte ich folgende Hinweise machen.
Erstens. Ein vereinfachtes Wahlverfahren ist in Ordnung. Aber für ein Wahlverfahren, das zu einem undemokratischen Haurucksystem führt und die Arbeitnehmerrechte statt sie zu stärken in Wahrheit verkürzt, gilt: Mit
uns nicht, Herr Riester!
({1})
Zweitens. In Ihrem Gesetzentwurf werden die Rechte
von Minderheiten mit einem Federstrich in brutaler Weise
abgeschafft.
({2})
Durch eine Manipulation, durch eine Neukonstruktion
des Wahlverfahrens zur Besetzung von Betriebsausschüssen
({3})
wird aus einem DGB-Stimmenanteil von 51 Prozent ein
Stimmenanteil an den übrigen Mandaten von undemokratischen 100 Prozent - das sagt jemand, der einer DGB-Gewerkschaft angehört -; daher ist das, was Sie hier vorgelegt haben, demokratisch nicht zu akzeptieren.
({4})
Was ist mit den kleineren Gewerkschaften? Was ist mit
den christlichen Gewerkschaften? Was ist mit den unabhängigen Betriebsräten? Wir wollen, dass sich die Pluralität auch in den Mitbestimmungsorganen widerspiegelt!
Ihr Tun ist massiv falsch.
({5})
Ich will auch etwas zum Unterlassen sagen: Vor Tische
las man es anders. In der Koalitionsvereinbarung von Oktober 1998 ist davon die Rede, dass die Mitbestimmung
des einzelnen Arbeitnehmers gestärkt werden soll. Dort
ist die Rede von der Aufwertung individueller Partizipationsrechte. Frau Thea Dückert von den Grünen glaubte sogar noch im Jahr 2000 an die Koalitionsvereinbarung,
({6})
als sie davon sprach, man werde einen eigenständigen
Zweig direkter Partizipation der Mitarbeiter entwickeln.
Von dem Ansatz der Stärkung personaler Rechte, die wir
für unverzichtbar halten, findet sich im Gesetzentwurf
nichts.
({7})
Herr Riester, deshalb sind wir auch in diesem Punkt nicht
mit dem einverstanden, was Sie vorgelegt haben.
({8})
In einem sind wir uns einig: Betriebliche Mitbestimmung ist wichtig. Im Übrigen ist sie in Deutschland von
Christlich-Sozialen erfunden worden, als andere noch von
Klassenkampf, von Verstaatlichung und von Planwirtschaft geträumt haben.
({9})
Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft sind auch ein
Standortfaktor. Dass Deutschland Vizeweltmeister hinsichtlich der geringsten Anzahl an Streikverlusttagen ist,
hängt mit der Sozialpartnerschaft in unserem Land zusammen.
({10})
Die Sozialpartnerschaft haben andere als diejenigen, die
den Klassenkampf gepredigt haben, geschaffen: Ludwig
Erhard - Stichwort soziale Marktwirtschaft -, Hans Katzer
und Konrad Adenauer. Das sind die Namen, die für diese
Ordnung stehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
({11})
Was wollen denn Müller oder Riester? Wer liegt denn
eigentlich unten, wer oben? Das kann man bei diesen
Schaukämpfen von außen gar nicht mehr erkennen, meistens deswegen nicht, weil der Bundeskanzler die Szene
verstellt. Viel Lärm um eine schwere Geburt! In diesem
koalitionsinternen Selbstfindungsprozess musste das
kommen, was immer kommt: das Machtwort des Kanzlers. Aber es gibt, wie wir jetzt gelernt haben, ein Leben
nach dem Machtwort Ihres Kanzlers. In diesem lebendigen Diskussionsprozess muss und wird es noch viele Auseinandersetzungen geben. Was Sie uns jetzt hier vorgelegt
haben, ist unzureichend und in zentralen Punkten bei Ihnen selbst streitig. Jetzt muss deshalb eine gründliche,
saubere, ehrliche und unideologische Diskussion geführt
werden.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({12})
Jetzt erteile ich das
Wort der Kollegin Dr. Thea Dückert für Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gerade nach
der einführenden Rede von Herrn Brüderle möchte ich
doch feststellen - ich glaube, das muss hier eingangs festgestellt werden -, dass für uns Demokratie, Partizipation
und mehr Teilhabe in den Betrieben zum demokratischen
Prozess gehören, dass Demokratie in die Betriebe hineingehört und nicht vor den Betrieben Halt machen darf.
({0})
Für uns, Herr Brüderle, gehören hierzu nicht nur kollektive Mitbestimmung und kollektive Partizipation, sondern
ebenso die Stärkung der individuellen Beteiligungsrechte
in den Betrieben.
({1})
Das, Herr Brüderle, empfinde ich nicht als einen Anschlag
auf Unternehmer ({2})
ich weiß gar nicht, was diese Kampfrhetorik aus finsteren
Zeiten hier soll -,
({3})
sondern ich halte es - das sage ich Ihnen deutlich - für
eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen, die ein Drittel ihrer Zeit in den Betrieben verbringen, die ihre soziale
Sicherheit und auch ihre Gesundheit von ihrer Arbeit in
den Betrieben abhängig machen, Mitbestimmung und
Partizipation sowie Einfluss darauf, wie sie tagsüber arbeiten, gewährt wird.
Wir wollen einen Hauch von Bürgergesellschaft auch
in den Betrieben. Das ist, meine Damen und Herren, keine
Kampfansage, sondern ein Angebot zur Kooperation.
({4})
Wer behauptet, dass das überflüssig oder gar undemokratisch ist, fällt wirklich in die verstaubten Auseinandersetzungen der 50er- und 70er-Jahre zurück.
({5})
Herr Brüderle, wir müssen darüber konstruktiv diskutieren, wir brauchen aber keine Fundamentalopposition,
keine Hahnenkämpfe zum Beispiel älterer Verbandsfürsten. So etwas gehört wirklich in die Asservatenkammer
der Geschichte.
Wir wollen nicht darüber diskutieren, ob wir mehr
Mitbestimmung brauchen; denn das ist ganz klar. Wir
wollen darüber diskutieren, wie wir diese Mitbestimmung
modernisieren können. Der Minister hat hier richtig gesagt, das Gesetz ist veraltet und kann nicht mehr angepasst
werden an die Veränderungen, die wir in dieser Gesellschaft im Arbeitsprozess, in den Betrieben und in den Unternehmensstrukturen erleben. Eines ist klar: Die Mitbestimmung hat sich in der Vergangenheit bewährt, ihre
jetzige Form gibt aber keine angemessene Antwort mehr
auf die Herausforderungen der Zukunft.
Ich halte es nicht für unmodern, wenn man über Mitbestimmung oder Partizipation diskutiert. Es ist vielmehr
zeitgemäß, wenn die Betriebe versuchen, sich zukünftig
perspektivisch an drei Kriterien auszurichten: Nötig sind
erstens moderne Managementstrukturen, das ist völlig
klar - dazu gehören auch Kooperation und Auseinandersetzung in den Betrieben -, zum Zweiten gut angepasste
und bewegliche Mitbestimmungsregeln und zum Dritten
eben eine Erweiterung individueller Mitbestimmung in
den Betrieben. Das ist ein spezifisch deutscher Weg, unser spezifisches Milieu industrieller Kooperation ist auf
dieser Basis aufgebaut worden.
({6})
Ich denke, dass wir daran sehr gut anknüpfen können.
({7})
Das ist mitnichten eine Standortgefährdung. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass durch die Mitbestimmung in Krisensituationen in kleinen und in großen Unternehmen
mehr Arbeitsplätze gesichert worden sind, als Mitbestimmung an Arbeitsplätzen kostet. Ich erinnere nur an VW
oder auch an kleinere Betriebe wie Olympia, Wilhelmshaven.
Es ist eine große Herausforderung - das ist völlig
klar -, die Mitbestimmung zu verändern, zu modernisieren, den neuen Gegebenheiten anzupassen. Das geschieht
durch flexible Regelungen, wie sie in diesem Entwurf in
Form von Experimentierklauseln, was die Anpassung der
Mitbestimmungsstrukturen angeht, vorgesehen sind.
({8})
Das geschieht aber auch durch offene Regelungen - es ist
kein Arbeitsbegriff oder Betriebsbegriff abschließend
mehr zu definieren - oder über Entschlackung, etwa durch
vereinfachte Wahlverfahren.
In dem Entwurf, der hier diskutiert wird, sind viele
Anregungen der Grünen aufgegriffen worden. Er ist - das
Gerald Weiß ({9})
sage ich deutlich - eine sehr gute Basis für das Gesetzgebungsverfahren.
({10})
Dieses Gesetzgebungsverfahren beginnt nächste Woche.
Die Diskussion ist also noch nicht abgeschlossen; vielmehr müssen wir hier - das ist selbstverständlich - eine
offene Auseinandersetzung führen. Wir müssen dabei
auch über Veränderungen und Kompromisse reden. Ich
glaube, dass es unsere Funktion ist, dabei einzelne Fragen
aufzugreifen.
Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit. Wir sind in der Aktuellen
Stunde.
Ich komme auch gleich zum Schluss.
Eine Frage ist zum Beispiel die der vereinfachten
Wahlverfahren. Dass wir solche brauchen, ist überhaupt
keine Frage; denn die Mitbestimmung muss sich ausdehnen.
({0})
Aber ich meine schon, dass man bei den Wahlverfahren,
die an einem Tag stattfinden, die Frage stellen sollte - wir
sollten dies auch diskutieren -, ob es nicht eine Mindestbeteiligung geben muss.
({1})
Die Zahl von 35 Prozent ist jedoch viel zu hoch.
Frau Kollegin, Ihre
Redezeit ist leider abgelaufen. Wir sind in der Aktuellen
Stunde.
Sie haben Recht, Frau Präsidentin. Ich komme zum
Schluss.
Fundamentalopposition hilft nicht weiter. Ich glaube,
dass es viele Punkte gibt, die wir in der Debatte aufgreifen müssen und können, und zwar auf der Basis dessen,
was hier in Form eines guten, zukunftsweisenden Entwurfs eingebracht werden wird.
({0})
Sie wissen alle, dass
in der Aktuellen Stunde die Redezeit von fünf Minuten
eingehalten werden muss. Ich wollte gleichwohl noch einmal darauf hingewiesen haben. Das tut mir manchmal
sehr Leid; aber so ist es.
Nun hat der Kollege Hiksch für die PDS das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die Eingangsrede von Herrn
Brüderle gehört hat, spürt die Unterschiede zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten auf der einen und dem
F.D.P.-Funktionär Brüderle auf der anderen Seite sehr
deutlich. Während Gewerkschaften und Betriebsräte
schon lange erkannt haben und sich immer dafür eingesetzt haben, dass eine Grundvoraussetzung dafür, dass
Betriebe sich innovativ entwickeln können, die ist, dass
unternehmerische Fehlentscheidungen korrigiert werden
können und dass vor allen Dingen eine soziale Absicherung vorhanden ist - sie haben mit dem DGB-Entwurf
deutlich gemacht, wie die betriebliche Mitbestimmung in
Zukunft weiterentwickelt werden kann -, hat sich Kollege
Brüderle dafür entschieden, nicht zu erkennen, dass das
19. Jahrhundert schon lange vorbei ist,
({0})
dass der Klassenkampf von oben, wie er ihn predigt,
schon lange vorbei ist und dass vor allem ein Teil der Demokratie darin besteht, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr als Unterdrückte in die Betriebe
gehen, dass sie auf gleicher Augenhöhe mit den Unternehmern reden dürfen und dass Demokratie im Betrieb
eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass sich Demokratie
überhaupt entwickeln kann.
({1})
Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, muss man in doppelter Hinsicht dankbar für diese Aktuelle Stunde sein:
erstens weil sie zeigt, dass die F.D.P. auf den Müllhaufen
der Geschichte des 19. Jahrhunderts gehört. Zweitens hat
die F.D.P. die Möglichkeit gegeben, deutlich zu machen,
dass die Auseinandersetzungen, das, was in der Bundesregierung inszeniert wurde, nicht mehr als ein Schauspiel
sind, ein Schauspiel deshalb, Kolleginnen und Kollegen,
weil nicht glaubhaft ist, dass es wirklich fundamentale
Auseinandersetzungen zwischen denen, die im Wirtschaftsministerium einen Entwurf vorgelegt haben, und
denen gibt, die den Entwurf erarbeitet haben, der derzeit
von Walter Riester als so genannter Riester-Entwurf vertreten wird.
Das, was die SPD noch in der Opposition, im Wahlprogramm und später in der Koalitionsvereinbarung zugesagt hatte - nämlich Demokratie und weitere Mitbestimmungsmöglichkeiten voranzubringen, wie es im
DGB-Entwurf deutlich dargelegt wurde -, findet man im
Riester-Entwurf nicht. Fehlanzeige! Weder ist es gelungen, einen neuen Arbeitnehmerbegriff zu definieren, der
den betrieblichen Realitäten endlich Rechnung trägt und
der dafür sorgt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitarbeiten können, auch wenn sie nicht Arbeitnehmer in traditioneller Form sind, noch ist es gelungen,
einen neuen Betriebsbegriff einzuführen, wie er beispielsweise im DGB-Entwurf vorgeschlagen wurde und wie ihn
die PDS unterstützt.
Aufgrund der betrieblichen Realität von heute darf
man nicht nur die räumliche Verbundenheit sehen, sondern man muss räumliche Verbundenheit auf der einen
Seite vor allen Dingen mit den Arbeitsabläufen auf der
anderen Seite verknüpfen. Es kann nicht mehr alleine darum gehen, Betriebe traditioneller Prägung wie im
Riester-Entwurf zu definieren. Man muss vielmehr von
Arbeits-abläufen ausgehen. Die Mitbestimmung muss
sich auch dann auf einen einheitlichen Betrieb beziehen,
wenn er in unterschiedlichen Unternehmen oder Rechtsformen angelegt ist. Auch da gilt für den Riester-Entwurf:
Fehlanzeige.
Wir als PDS-Bundestagsfraktion sehen das große Problem darin, dass dieses Schauspiel zum einen die Gewerkschaften disziplinieren soll
({2})
und zum anderen davon ablenken soll, dass mit dem jetzigen Entwurf von Riester für ein Betriebsverfassungsgesetz der nächste Bruch mit Vorstellungen eingeleitet wird,
die die Sozialdemokratie als Oppositionspartei noch für
richtig gehalten hat.
Warum spreche ich vom Disziplinieren der Gewerkschaften? Herr Riester und die Partei der neuen Mitte, die
SPD, versuchen mit dem jetzigen Entwurf - gemessen an
den Ansprüchen, auf die sich Gewerkschaften und die Sozialdemokratie in der Oppositionszeit verständigt hatten,
geht er nicht weit genug; nein, er stellt in weiten Bereichen sogar ein Placebo dar -, Folgendes zu signalisieren:
Liebe Gewerkschaften, bitte schimpft nicht zu sehr auf
diesen schlechten Entwurf! Wir könnten nämlich noch
ganz anders.
({3})
Dieses Schauspiel wird durch diese Aktuelle Stunde endlich offen gelegt.
Es ist schon geradezu peinlich, wenn von 26 Kritikpunkten, die der Bundeswirtschaftsminister Müller in
seiner Stellungnahme aufzählt, 25 mit Positionen der
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
identisch sind. Wenn man die Stellungnahme des
Bundeswirtschaftsministers liest, dann kann man erkennen, dass in weiten Teilen Formulierungen von Arbeitgeberfunktionären, die hinter die Regelung von 1972
zurück wollen, wörtlich übernommen wurden.
({4})
Es kann nicht angehen, dass der Bundeswirtschaftsminister die Mitbestimmung infrage stellt, sie zurückschrauben
will und eine Position bezieht, die in unserem Land schon
seit langem der Vergangenheit angehören sollte.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fordere Sie auf:
Lasst uns gemeinsam über den DGB-Entwurf diskutieren! Lassen Sie uns über den Entwurf der PDS-Bundestagsfraktion für eine wirkliche und fortschrittliche Mitbestimmung im Betrieb diskutieren! Lassen Sie uns den
Beitrag von Herrn Brüderle als einen Beitrag zum Fasching abhaken und endlich zu einer zukunftsorientierten
und tatsächlichen Mitbestimmung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen.
Danke schön.
({6})
Ich erteile das Wort
dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie,
Werner Müller.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Was ist eigentlich die Sachlage? Erstens. Geplant
ist, dass sich das Kabinett am 14. Februar mit dem
Betriebsverfassungsgesetz befasst.
({0})
Zweitens. Der Entwurf einer Novelle aus dem Arbeitsministerium liegt vor. Drittens. Ich habe gesagt, dass ich dem
sehr umfangreichen Entwurf so nicht in allen Punkten zustimmen kann.
({1})
Viertens. Es gilt die Geschäftsordnung der Bundesregierung.
Das ist die Sachlage.
({2})
Nirgendwo steht geschrieben, dass die Kabinettsmitglieder ihre Ressortabstimmung auf Antrag der F.D.P. im Plenum durchzuführen haben.
({3})
Da ich noch ausreichend Redezeit habe, will ich einige
Anmerkungen zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes machen, obwohl im Grunde alles schon gesagt ist. Die
Reform an sich ist, wie ich gestern der Presse entnehmen
konnte, auch aus Sicht der Unionsfraktion notwendig.
({4})
Ich gestehe: Ich bin ausweislich dessen, was ich in den
Zeitungen lese, wohl nicht der Wunschwirtschaftsminister von Herrn Zwickel. Aber das ist auch nicht sehr
schlimm; ich bin ja in diesem Hause nicht auf das Wohl
der IG Metall vereidigt worden.
({5})
Ich bin allerdings auch nicht auf das Wohl der BDA
oder des BDI vereidigt und ich bin sicherlich nicht der
Wirtschaftsminister, den Herr Hundt sich immer wünscht;
denn ich werde und will seinem Wunsch nicht entsprechen, diese Reform generell zu verhindern.
({6})
Ich bin ein überzeugter Anhänger der Mitbestimmung
und ich habe sie vor 20 Jahren zu lernen begonnen, geprägt beispielsweise von den Herren Adolf Schmidt und
Hermann Rappe. Im Gegensatz zu manchem Funktionär,
der heute mitdiskutiert, habe ich 20 Jahre Erfahrung in der
alltäglichen Zusammenarbeit mit Betriebsräten.
({7})
Sicher habe ich mein Berufsleben überwiegend in
großen Unternehmen verbracht. An die Adresse der
Großindustrie gerichtet will ich sagen: Ohne die Mitbestimmung hätte die Großindustrie den Strukturwandel mit
Rationalisierungen, Fusionen, Ab- und Aufgabe von Betriebsteilen in den letzten 15 Jahren schlicht nicht geschafft.
({8})
Für die Großindustrie ist der Betriebsrat heute unter anderem ein unverzichtbares Element der strategischen Unternehmensführung.
({9})
Eines werden wir immer zu bedenken haben: Ist eine
Entscheidung gefallen, geht der Unternehmer nach Hause.
Der Betriebsrat aber muss dann die Entscheidung seiner
Belegschaft vermitteln. Ich weiß aus unzähligen Gesprächen mit mittelständischen Unternehmern, wie sehr sie die
Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat schätzen.
Das Betriebsverfassungsgesetz ist eines der zentralen
Elemente, den immer dynamischeren Wirtschaftsablauf
gesellschaftspolitisch friedlich zu gestalten. Eine solche
Grundvoraussetzung kostet etwas; das steht außer Frage.
Ich will hinzufügen: Gesellschaftspolitischer Unfriede
geht zulasten der Wirtschaft, der Gewinne und der Einkommen und schlussendlich zulasten der Arbeitsplätze.
({10})
Ich sehe meine Aufgabe darin, diese gesellschaftspolitische Grundfunktion des Betriebsverfassungsgesetzes
auch in Zukunft wirkungsvoll zu erhalten.
({11})
Dieses Ziel erfordert, dass ich einige Punkte des BMAEntwurfes kritisch hinterfrage;
({12})
denn sie könnten kontraproduktiv wirken.
Damit bin ich dann wieder am Ausgangspunkt meiner
Ausführungen angelangt; denn die kritischen Fragen der
Ressortabstimmung finden eben nicht hier im Plenum,
sondern erst einmal woanders statt.
({13})
Aber eines kann ich Ihnen prognostizieren: Es wird im
Ergebnis eine Reform geben, die die Unternehmen nicht
unzumutbar belasten wird. Darin sehe ich meine Aufgabe.
Ich sage jedoch auch: Die Unternehmen sind gefordert,
den Kabinettsbeschluss, den wir für den 14. Februar geplant haben, dann konstruktiv aufzugreifen.
({14})
Die Fundamentalopposition, mit der einzelne Verbände
der Wirtschaft die Diskussion ursprünglich begonnen haben, hilft nicht weiter. Im Gegenteil, sie ist kontraproduktiv.
({15})
Ich werde auch die Gewerkschaften bitten, den Kompromiss, den wir im Kabinett beschließen werden, konstruktiv aufzugreifen und sich insofern, wie ich hoffe, der
vorbildlichen Haltung der Arbeitgeberverbände anzuschließen.
({16})
In Richtung F.D.P. erlaube ich mir noch eine Bemerkung: Sie haben durchaus die Möglichkeit, die Reform,
die wir jetzt vorhaben, genauso mitzutragen, wie Sie die
Reform 1972 mitgetragen haben.
({17})
Vielen Dank.
({18})
Nun erteile ich für die
CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen Gunnar Uldall das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Dieser symbolische Handschlag zwischen Ihnen, Herr Minister Müller, und Ihnen, Herr
Minister Riester, zeigt gerade, wie gespannt die Situation
zwischen Ihnen beiden ist.
({0})
Dadurch haben Sie nichts geheilt, sondern dadurch haben
Sie im Grunde genommen nur Auskunft darüber gegeben,
wie angespannt die Lage zwischen Ihren beiden Häusern ist.
({1})
Selten hat es in den letzten Jahrzehnten eine derart große
Diskrepanz zwischen einem Wirtschaftsminister und einem Arbeits- und Sozialminister gegeben, wie sie heute
zwischen Minister Müller und Minister Riester deutlich
geworden ist.
({2})
Selten hat es in den letzten Jahrzehnten ein Papier eines
Ministers gegeben, das den Gesetzentwurf eines anderen
Ministers derart zerpflückt hat wie das sehr ausführliche
und sehr konzentrierte Papier, mit dem Sie, Herr Minister
Müller, gegenüber Herrn Minister Riester Ihren Widerspruch deutlich gemacht haben. Und selten, Herr Minister Riester, hat es - trotz des Handschlages eben - einen
Minister gegeben, der einem anderen Minister das Gespräch verweigert hat, mit dem zu einem gemeinsamen
und sachlich fundierten weiteren Vorgehen gelangt werden könnte.
Herr Minister Müller will sich durchsetzen und sagt im
„Focus“, er sei nicht gewillt, in dieser Sache wirkungslos
zu bleiben.
({3})
Minister Riester will seine Konzeption auch durchsetzen.
Was machen Sie, Herr Minister Müller,
({4})
wenn Sie in dieser Sache doch wirkungslos bleiben?
({5})
Die Fälle, in denen Sie und Ihre Vorstellungen vom Kabinett übergangen wurden, sind vielfältig. Deswegen ist es
nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Sie auch dieses
Mal wirkungslos bleiben werden. Ist danach dann Business as usual angesagt? Oder welche Konsequenzen wollen Sie dann ziehen? Nur drohen, aber nicht handeln
schwächt die Position des Wirtschaftsministers.
Es ist ja interessant, Herr Minister, dass Sie nicht nur
im Widerstreit mit Minister Riester stehen, sondern auch
im Widerstreit zur Fraktion der SPD, die Ihnen eben gar
nicht die gebührende Aufmerksamkeit gezollt und nicht
entsprechend geklatscht hat.
({6})
Auch ist es interessant, dass die Wirtschaftspolitiker, die
Sozialpolitiker, die Finanzpolitiker der Fraktion der Grünen in dieser Frage hinter Müller stehen und dass auch
Frau Dückert eben nicht die gebührende Aufmerksamkeit
von ihren Koalitionskollegen bekommen hat.
Dieses Thema geht also tiefer an die sachliche Auseinandersetzung innerhalb der Koalition, als es der Handschlag zwischen Müller und Riester eben hätte zeigen
können.
({7})
Meine Damen und Herren, die weltweite Öffnung der
Märkte, ein härterer internationaler Wettbewerb, eine
schnellere Entwicklung neuer Produkte und neuer Technologien, all das erfordert eine schnellere Handlungsfähigkeit der Unternehmen.
({8})
Deswegen ist nicht mehr Regulierung, sondern mehr Freiraum für die Unternehmen erforderlich.
({9})
Arbeitsplätze entstehen nicht dadurch, dass man mehr
Vorschriften erlässt, sondern sie entstehen durch mehr unternehmerischen Wagemut.
({10})
Aus diesem Grunde sagt Minister Müller in seiner kritischen Stellungnahme zu Recht, dieses Gesetz habe erhebliche negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und Auswirkungen auf die Standortwahl. Richtig, Herr Minister Müller! Deswegen
müssen Sie sich durchsetzen.
Jetzt fragen wir uns einmal: Was bedeutet dieses Gesetz eigentlich für die Arbeitnehmer im Betrieb? Zunächst
kann man feststellen: Zukünftig muss ein Betrieb ab
100 Arbeitnehmern statt fünf Arbeitnehmer sieben Arbeitnehmer in den Betriebsrat entsenden.
({11})
Nun frage ich mich: Was haben die Arbeitnehmer in diesem Betrieb davon, wenn sich statt fünf Arbeitnehmern
sieben Arbeitnehmer zu den Betriebsratssitzungen treffen? Dies bedeutet keinerlei qualitative Verbesserung.
({12})
Dann geht es weiter: Die Betriebe mit 200 Arbeitnehmern müssen zukünftig einen Arbeitnehmer freistellen.
Nun sind nicht alle Unternehmen kapitalintensiv und haben Vollzeitkräfte. Ich möchte in diesem Zusammenhang
das Modell eines Betriebes, eines Reinigungsunternehmens, ansprechen, dessen 200 Arbeitnehmer fast ausschließlich Teilzeitkräfte sind. Dieses Unternehmen hat
eine Gewinnsituation in der Größenordnung von
150 000 DM, weil die Arbeitnehmer ja nur Teilzeitkräfte
sind und deswegen nicht sehr viel Umsatz machen. Ein
zusätzlicher Vollzeitbetriebsrat frisst den Gewinn in diesem Betrieb fast vollständig auf. Das ist die Realität in den
kleinen und mittelständischen Betrieben.
({13})
Deswegen sage ich abschließend: Die vorgesehene
Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes ist ein Schlag
gegen den Mittelstand, gegen die Teilzeitarbeit und gegen
den Wirtschaftsstandort Deutschland. Deswegen muss
diese Änderung im Kabinett gestoppt werden.
({14})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Werner Schulz, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege Uldall, es ist schon verblüffend, wie Sie hier versuchen, einen freundlichen Händedruck im Plenum in
Handgreiflichkeiten umzudeuten.
({0})
Es ist genauso verblüffend - auch das muss ich Ihnen sagen -, dass man das gute und wichtige Thema der betrieblichen Mitbestimmung zum Inhalt einer solchen Aktuellen Stunde macht.
Herr Kollege Brüderle, Ihnen geht es doch gar nicht um
Kosten, um Mitgestaltung und um Inhalte.
({1})
Bei Ihnen kommt langsam die möllemannsche Sucht zum
Ausdruck, Sachfragen in Personalkonflikte zu verwandeln.
({2})
Ihnen geht es nicht um die Anzahl der Betriebsräte, sondern um die Zahl der zurückgetretenen Minister; das ist
hier deutlich geworden.
({3})
Dass sich diese Zahl erhöht, das möchten Sie erreichen.
Aber diesen Spalt werden Sie nicht in die Koalition
treiben. Denn beide Minister haben hier deutlich gesagt:
Die Koalitionsfraktionen gehen mit einer abgestimmten
Vorlage ins Kabinett. - Dort wird sie beraten. Dann beginnt die Stunde des Parlaments. Dann können wir das
Ganze beraten. Wir sind offen für Veränderungen, Korrekturen, Verbesserungsvorschläge und dergleichen mehr.
So ist normalerweise das parlamentarische Verfahren.
So war das immer und so werden wir das auch jetzt tun.
Das sei auch an alle Interessenverbände gesagt, die sich
jetzt lautstark melden. Noch steht die Mitbestimmung der
Abgeordneten, die der Fraktionen und selbstverständlich
die der Minister,
({4})
bevor die Gesamtberatung abgeschlossen ist. Das jetzt
Geplante kann im Laufe der Beratungen, wie das häufig
geschehen ist, verbessert werden. Da sind natürlich substanzielle Vorschläge von Ihnen gefragt. Dazu habe ich
nicht viel gehört.
Eines muss man doch feststellen: Das Betriebsverfassungsgesetz hat sich bewährt. Es hat die Tarifpartnerschaft verstärkt, das Betriebsklima verbessert und den Betriebsfrieden erhalten. Dieses Betriebsverfassungsgesetz
ist für unser Land zu einem Standortvorteil geworden.
({5})
Das sollten wir jetzt nicht, wie das in früheren Jahren passiert ist, wieder herunterreden. Auch sollten wir nicht wieder die ganzen alten Kämpfe aufnehmen. Ich habe ja Verständnis für die aktuelle 68er-Debatte. Die ist
bildungspolitisch sehr wichtig.
({6})
- Herr Brüderle, ich weiß darüber vielleicht mehr als Sie.
Aber das ist ein anderes Thema. - Ich glaube bloß, dass
uns dieses Polit-Revival im Hinblick auf die alten Kämpfe
der Bundesrepublik von 1952 und von 1972, als im
Zusammenhang mit der Mitbestimmung schon der Untergang des Abendlandes und der Einbruch des Sozialismus
auf westdeutschem Boden befürchtet worden sind, nicht
einen Deut weiter bringt.
({7})
Wir befinden uns heute in der Situation, dass die Mitbestimmung der betrieblichen und der gesellschaftlichen
Wirklichkeit angepasst werden muss. Das heißt, die Mitbestimmung muss auf der einen Seite - das ist uns wichtig - qualitativ verbessert werden. In den Betrieben
kommt es heute angesichts der Globalisierung bzw. des
Strukturwandels zu strukturellen Veränderungen. Das betrifft den gesamten Bereich des Outsourcings, neue Organisationsformen wie zum Beispiel Netzwerke, neue Beschäftigungsformen und dergleichen mehr. Wir müssen
dem gerecht werden.
({8})
Denn machen wir uns nichts vor: Viele der kleinen und
mittelständischen Betriebe sind eigentlich outgesourcte
Großindustrien.
({9})
Wenn die Tendenz zu kleinen und mittelständischen
Betrieben geht, dann sollte die Mitbestimmung mitgehen.
Auch das ist wichtig.
({10})
Denn nicht mit Konfrontation, sondern nur mit Kooperation kommen wir in diesem Bereich weiter.
Wir wollen die Mitbestimmung auf der anderen Seite
als ein Instrument im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit
stärken. Wenn es stimmt - empirische Untersuchungen
belegen das -, dass Unternehmenskrisen zum überwiegenden Teil auf Managementfehler zurückzuführen sind,
dann frage ich Sie: Warum beziehen wir nicht rechtzeitig
das Wissen, die Erfahrung und die Kenntnisse der Betriebsräte ein?
({11})
Das ist wichtig und wir können uns noch im Detail darüber streiten. Wie gesagt: Das Verfahren ist offen.
Ich möchte betonen, dass wir den Wirtschaftsminister
ausdrücklich in seinen Bemühungen stärken, Anregungen, Verbesserungen und Kritik aus der Wirtschaft einzubringen. Es spricht auch überhaupt nichts dagegen, wenn
dieses Vorhaben im Bündnis für Arbeit behandelt wird.
Wenn es dort Verbesserungen gibt, sind wir dafür offen,
diese aufzunehmen. Es wird in dieser Situation hilfreich
sein, denn eines sollte uns bewusst sein: Wir dürfen den
Standort nie wieder so herunterreden, wie das in den
90er-Jahren passiert ist; denn nur in der gemeinsamen
Ausgestaltung der Mitbestimmung besteht ein Standortvorteil, den wir nutzen sollten.
({12})
Das Wort hat für die
F.D.P. der Kollege Dr. Heinrich Kolb.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Müller,
ich muss mich zunächst an Sie wenden. Wenn Ihre heutige
Rede für das steht, was Sie in den nächsten Tagen an Kampfesgeist zeigen wollen, dann ist das kein gutes Ohmen.
({0})
Sie haben um den heißen Brei herumgeredet und sich im
Kreis gedreht. Am Schluss haben Sie symbolisch Ihre
Zelte abgebaut. Ich kann Ihnen, Herr Minister, nur sagen:
Wenn Sie in dieser Frage einknicken und umfallen, haben
Sie jede Glaubwürdigkeit beim deutschen Mittelstand
verloren.
({1})
Sie haben als Minister jederzeit die Gelegenheit, nochmals an das Rednerpult zu treten und mir zu antworten.
({2})
Ich frage Sie: Stehen Sie zu Ihren klaren Aussagen in
Ihrem Schreiben an Bundesminister Riester? Darin stehen
26 Punkte, von denen ich Ihnen fünf nennen will. Zu Ziffer 3 - aktives Wahlrecht für Leiharbeitnehmer - haben
Sie ganz klar gesagt: Lehne ich ab. Zu Ziffer 4 - Absenkung des Schwellenwertes für die betriebliche Mitbestimmung - haben Sie eine klare Aussage gemacht: Lehne
ich ab. Zu Ziffer 5 - keine Wahl im Hauruckverfahren frage ich Sie: Stehen Sie dazu? Zu Ziffer 10 - Freistellungen, Absenkung der Schwellenwerte - haben Sie gesagt: Lehne ich ab. Stehen Sie auch dazu, Herr Minister
Müller? In Ziffer 12 heißt es: kein obligatorischer Konzernbetriebsrat.
({3})
Das sind die Fragen, die wir heute von Ihnen beantwortet
haben wollen. Ich fordere Sie auf: Schweigen Sie nicht!
Kommen Sie her und stellen Sie die Dinge klar!
({4})
Ich fordere Sie wirklich dringend auf, mit der Formulierung, es gebe einen Modernisierungsbedarf im Betriebsverfassungsgesetz, nicht einfach den Sprachgebrauch der Gewerkschaften nachzubeten.
({5})
Ein Wirtschaftsminister, der ständig im Mittelstand und
bei den Unternehmen unterwegs ist, müsste es eigentlich
besser wissen.
Herr Minister Riester, natürlich hat sich in den letzten
30 Jahren etwas verändert.
({6})
Diese Veränderungen lassen sich mit den Stichworten Individualisierung, Flexibilisierung, Entbürokratisierung,
mehr Betriebsautonomie und betriebliche Bündnisse für
Arbeit beschreiben.
({7})
Sie, Herr Riester, versuchen, diese Entwicklungen zu konterkarieren und die Mitbestimmung alter Art, die eher durch
den Amboss als durch das Internet gekennzeichnet ist,
({8})
in die Zukunft zu prolongieren. Das kann doch wohl nicht
sein.
({9})
Ich möchte - Frau Dückert hat in das gleiche Horn geblasen - den Mittelstand gegen Vorwürfe, es gäbe ein Demokratiedefizit - so sagt es Frau Engelen-Kefer - oder
man brauche mehr Demokratie - so Dieter Schulte heute
in der „Welt“ -, was impliziert, es gebe ein undemokratisches Verhalten im Mittelstand, in Schutz nehmen.
({10})
Dazu will ich, auch wenn das einige von Ihnen anders sehen, klar sagen: Unternehmer, insbesondere mittelständische Unternehmer, sind besonders wertvolle Mitglieder
unserer Gesellschaft, weil sie eine überpersönliche
Verantwortung wahrnehmen und das wichtigste soziale
Gut für die Menschen in unserem Lande schaffen: Arbeitsplätze.
({11})
Werner Schulz ({12})
Wie ist das denn in anderen Ländern, in denen man Mitbestimmung nach dem deutschen Muster nicht kennt? Ist
das alles undemokratisches Gebaren, so beispielsweise in
den Vereinigten Staaten oder in England, um nur zwei
Länder zu nennen? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst
sein.
({13})
Nehmen Sie, Herr Hiksch, bitte zur Kenntnis: Die
Menschen, die in kleinen oder mittleren Unternehmen arbeiten, sind keine entrechteten Sklaven, sondern selbstbewusste Leistungsträger, die sehr oft auf eine langjährige
Betriebszugehörigkeit zurückblicken können. Das wäre
doch wohl kaum der Fall, wenn sie so geknechtet würden,
wie Sie es hier behauptet haben.
({14})
Es gibt aber einen Unterschied: In kleinen und mittleren Unternehmen funktioniert die direkte Kommunikation zwischen dem Unternehmer und dem Arbeitnehmer
in der Regel noch anders als in den großen Unternehmen,
in denen Manager dann, wenn sie Fehler machen, mit Millionenabfindungen auf den nächsten Posten geschoben
werden. Im Mittelstand steht der Unternehmer mit seinem
persönlichen Hab und Gut für die Richtigkeit seiner Entscheidungen gerade. Diese Unternehmer haben in der Regel immer auch das Wohl der Arbeitnehmer im Blick.
({15})
Ich habe, liebe Kolleginnen und Kollegen, nur noch sehr
wenig Zeit. Deswegen will ich symbolisch auf einen Punkt
eingehen. Es sind das neue Wahlverfahren in § 14 a Betriebsverfassungsgesetz und die Erweiterung des Kündigungsschutzes in § 15 Kündigungsschutzgesetz, die im
Mittelstand wirklich die Alarmglocken läuten lassen. Das
sieht dann doch so aus, Herr Riester: Wer als Arbeitnehmer Probleme im Unternehmen hat und mit einer Kündigung rechnen muss, der ruft dann künftig zur Gründung
eines Betriebsrates auf.
({16})
Das Ergebnis ist sofortiger Kündigungsschutz, mindestens bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses, aber als
Mindestgröße dann noch drei Monate. Das wird von Ihnen nicht limitiert, sondern kann beliebig oft geschehen.
Es kann also nach drei Monaten durchaus noch einmal zur
Wahl eines Betriebsrates aufgerufen werden. Das, Herr
Minister Riester, kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein.
({17})
Wenn Sie den Mittelstand stärker als bisher mit Mitbestimmung überziehen wollen, dann werden wir versuchen, Ihnen das auszureden. Allein, wir haben nicht die
Mehrheit, das zu verhindern. Herr Minister Müller könnte
das verhindern durch sein Veto.
Herr Kollege, Sie
müssen an Ihre Redezeit denken, bitte.
Ich komme zum
Schluss.
({0})
Sie, Herr Minister Müller, sollten wenigstens an dieser
Stelle die Bedenken des Mittelstandes im Auge behalten.
Insgesamt ist der Entwurf, so wie wir ihn jetzt kennen, extrem mittelstandsfeindlich. Deswegen ist es an Ihnen zu
handeln: Lehnen Sie diesen Entwurf ab!
({1})
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Dr. Ditmar Staffelt.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, dass diese
Debatte in dieser Polemik, in dieser hektischen, überzogenen Art und Weise weder unserem Land noch den Arbeitgebern und Arbeitnehmern helfen kann.
({0})
Sie sollten auf den Boden der Realität zurückfinden.
({1})
Das sage ich einmal in Richtung der F.D.P., die 1972 in einer sozialliberalen Koalition - offensichtlich waren das
aber F.D.P.-Politiker, die noch etwas andere Wertvorstellungen für unsere Gesellschaft hatten ({2})
mit uns gemeinsam dieses Mitbestimmungsgesetz verabschiedet hat. Dies sage ich aber auch in Richtung der
CDU/CSU. Wir haben ja ein modernes Gemeinwesen. Ich
habe einmal im Internet unter „CDU, Politik A bis Z, Parteizentrale“ nachgeschaut. Dort steht:
Mitbestimmung und Mitwirkung der Arbeitnehmer
in Betrieben und Unternehmen sind für uns eine unverzichtbare Grundlage unserer Wirtschafts- und Sozialordnung.
({3})
Die Würde des arbeitenden Menschen verlangt seine
Teilhabe an Entscheidungen, die die Bedingungen für
seine Arbeitswelt setzen.
({4})
Merken Sie denn nicht, dass Sie schon wieder auf einem
politischen Irrweg ins Abseits dieser Gesellschaft sind?
({5})
Sie stehen ja nicht einmal zu dem, was schwarz auf weiß
in Ihren Programmen steht. Also kommen Sie doch zu einer sachgerechten Diskussion zurück!
Ich habe mit vielen Unternehmerinnen und Unternehmern geredet. Darunter sind übrigens sehr vernünftige, die
wissen, dass eine vernünftige Zusammenarbeit mit den
Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitnehmerschaft insbesondere in schwierigen Situationen der Unternehmen
außerordentlich hilfreich ist. Daran gibt es doch gar keinen Zweifel.
({6})
Ich selbst habe in meiner beruflichen Tätigkeit erlebt, wie
wichtig dieses Zusammenwirken in kritischen Situationen
war und ist.
Ich füge noch eines hinzu: Wir leben in Deutschland in
einer auf Konsens ausgerichteten Gesellschaft. Sie sagen,
Sie seien es, die die soziale Marktwirtschaft in diesem
Lande wesentlich geprägt haben. Warum bekennen Sie
sich dann aber nicht zu diesem Konsensmodell, zu dem
auch eine ordentliche Mitbestimmung gehört?
({7})
Herr Uldall, Sie haben gesagt: Noch nie haben Arbeitsminister und Wirtschaftsminister so weit auseinander
gestanden. Ich erinnere mich noch an Diskussionen zwischen Herrn Rexrodt
({8})
und Herrn Blüm: Steuerreform, Rente, nicht einmal das
popelige Ladenschlussgesetz haben sie in ihrer Zeit auf
die Reihe gekriegt. Seien Sie daher mal ganz ruhig und
zurückhaltend!
({9})
Ich bin ganz sicher, dass diese Regierung in der nächsten Woche einen Beschluss fassen wird, der sich sehen
lassen kann und den wir gemeinsam sachlich diskutieren.
Ich weiß sehr genau, dass Sie am Ende dieser Auseinandersetzung, die Sie jetzt führen, in der Sache einschwenken müssen, weil es letztlich auch darum geht, dass Reden und Handeln in Übereinstimmung bleiben.
({10})
Sie sagen hier: Wir brauchen nicht mehr Regulierung,
sondern mehr Wagemut. Ich weiß gar nicht, warum Sie
das alternativ zueinander diskutieren. Ein Unternehmer
kann wagemutig sein, kann Fantasie entwickeln, Ideen
haben und wird dafür die Unterstützung seiner Betriebsräte haben. Warum rücken Sie immer das Gegeneinander
und nicht das Miteinander in den Mittelpunkt Ihrer Betrachtung?
({11})
Ich füge noch eines hinzu, womit wir aufräumen sollten - das gilt für das neue wie für das alte Gesetz -: Niemand wird gezwungen, einen Betriebsrat zu wählen.
Wenn er in einem Unternehmen nicht gewollt wird, dann
gibt es auch keinen. Es gibt keinen entsprechenden Druck.
({12})
- Nein, daran ändert sich nichts.
Ich füge hinzu: Schauen Sie sich an, was die Vertreter
von Stiftungen, was bedeutende Leute der Wirtschaft zu
diesem Thema gesagt haben:
({13})
Der Kooperationsgedanke auf der einen Seite und die effektive Unternehmensführung auf der anderen Seite müssen und werden nicht gegeneinander stehen. Beispiele
dafür gibt es viele. Ich bin sicher, dass Detailfragen, die
zwischen den Häusern und auch innerhalb der Koalition
in Rede gestanden haben, am Ende in befriedigender
Weise gelöst werden,
({14})
letztlich für mehr Mitbestimmung in dieser Gesellschaft,
für ein Stück mehr Demokratie, aber auch für eine
effizientere Wirtschaft in unserem Lande.
({15})
Jetzt hat der Kollege
Johannes Singhammer für die CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr
Kollege Staffelt, eine moderne Betriebsverfassung nutzt
den Arbeitnehmern, den Arbeitgebern und dem Standort
Deutschland.
({0})
Aber die Pläne, die Sie hier vorgelegt haben, haben überhaupt keinen Nutzen. Sie nutzen nicht dem einzelnen Arbeitnehmer, nicht der Belegschaft,
({1})
nicht dem Betrieb, nicht den Gewerkschaften, nicht den
Gewerkschaftsmitgliedern. Sie nutzen einzig und allein
dem Monopol der größten und stärksten Gewerkschaft,
dem DGB. So ist es auch beabsichtigt.
({2})
Dieser Entwurf ist in der DGB-Zentrale geschrieben
worden und Herr Riester ist mit dem Föhn darüber gegangen.
({3})
Jetzt muss der Bundeskanzler die Zeche für die Unterstützung seitens des DGB im Wahlkampf mit mindestens
8 Millionen DM zahlen.
({4})
Ich sage noch etwas: Demokratie heißt Herrschaft der
Mehrheit und Schutz der Minderheit - auch im Betrieb.
Das, was Sie hier vorlegen, würde zu einer DiskriminieDr. Ditmar Staffelt
rung und Ausgrenzung kleinerer Arbeitnehmervertretungen führen. Ich lese Ihnen einmal vor, was Ihr Entwurf in
seiner Konsequenz bedeutet: Das Einreichen von Wahlvorschlägen für kleine Gewerkschaften und Gruppen soll
verhindert werden. Die Verhältniswahl/Listenwahl soll
als Regelwahl abgeschafft werden. Die Freistellung von
Betriebsräten soll künftig mit einfacher Mehrheit zugunsten einer Fraktion erfolgen können. Die Besetzung von
Ausschüssen und Arbeitsgruppen soll künftig mit einfacher Stimmenmehrheit erfolgen können. Der Wahlvorstand soll künftig wieder nur nach Gutdünken einer Mehrheitsfraktion zusammengestellt werden.
Alle Maßnahmen haben zur Folge, dass sich 51 Prozent gegen 49 Prozent durchsetzen. Das ist das Gegenteil
von Minderheitenschutz. Wenn wir dieses Prinzip auf den
Deutschen Bundestag übertragen würden, dann wäre die
Opposition in keinem Ausschuss vertreten und stellte keinen Ausschussvorsitzenden. Wenn es nach Ihnen ginge,
hätten wir wahrscheinlich nicht einmal Rederecht hier im
Deutschen Bundestag.
({5})
Dem Betriebsrat werden Aufgaben übertragen, die er
nicht erledigen kann. Die Bekämpfung von Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit wird zum Thema von Betriebsund Betriebsräteversammlungen und zu einer Aufgabe
des Betriebsrats gemacht. Das ist ein gefährlicher Schritt
hin zu einem allgemeinen politischen Mandat, der den Betriebsfrieden empfindlich stören wird.
({6})
Denn die Realität in den Betrieben sieht doch ganz anders
aus.
({7})
Fremdenfeindlichkeit hat in den meisten Betrieben keine
Chance, weil das Prinzip „Kollegialität“ die Realität ist.
({8})
Die Betriebe brauchen auch keinen Betriebsrat, der letztlich zu einer Art Betriebspolizei verbogen werden soll.
({9})
Sie versäumen, mit Ihrem Entwurf auf die neuen Entwicklungen und die Globalisierung einzugehen, die natürlich neue Herausforderungen mit sich bringen. Ich nenne
das Verhältnis des Betriebsrates zu einem runden Tisch
und das Verhältnis einer Partnerschaft von Arbeitnehmern
und Arbeitgebern in einem Betrieb zum Tarifvertrag. Da
lohnt es sich, Regelungen zu diskutieren und die richtige
Balance zu finden. Das spielt in der Praxis der Betriebe
derzeit eine entscheidende Rolle. Wie sieht es mit dem
Günstigkeitsprinzip aus?
({10})
Welche Regelungen können hier gefunden werden, um
den Tarifvertrag nicht auszuhöhlen, aber den einzelnen
Betrieben die notwendige Flexibilität zu geben? Das ist
ein spannendes Thema. Aber dazu lesen wir nichts.
Jetzt noch zu Ihnen, Herr Wirtschaftsminister Müller.
Ihre Aufgabe in der Bundesregierung ist es wohl, als politischer Urwalddoktor weiße Salbe an die Arbeitgeber zu
verteilen. Dann kokettieren Sie noch mit dem Rücktritt.
Ich lese, ein Rücktritt werde nicht ausgeschlossen. Da
kriegt man eine richtige politische Gänsehaut.
({11})
Ich sage beiden Ministern: Die Betriebsverfassung ist
auf Konsens angelegt. Mit einem Dissens wird sie nicht
zum gewünschten Erfolg führen.
({12})
Jetzt hat der Kollege
Franz Thönnes, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Es ist schon merkwürdig,
wenn ein Ministerialrat uns hier die betriebliche Alltagswelt erklären will und dann voll daneben liegt.
({0})
Sie sollten sich damit abfinden: Reform besteht nicht nur
darin, dass Steuern und Lohnnebenkosten reduziert werden und dass man Wirtschaftsförderprogramme neu organisiert. Nein, Reform ist auch ein qualitativer Prozess,
wenn es um die Erweiterung der demokratischen und sozialen Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
geht.
({1})
Das heißt in unserer Demokratie Teilhabe und Verantwortung.
1980 fielen noch gut 50,6 Prozent der Beschäftigten
unter die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes.
1998 waren es nur noch circa 36 Prozent. Das hat etwas
mit der veränderten Wirtschaftsstruktur und den veränderten Organisationseinheiten in den Unternehmen zu
tun. Unsere Absicht ist es, diese Zahl wieder zu erhöhen.
Das ist nicht nur unsere Absicht, sondern auch die der
CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe, die in ihrem Positionspapier schreibt:
Wir wollen mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes erreichen, dass wieder mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Betriebsräte vertreten werden.
Das machen wir. Das setzen wir jetzt um. Dies bedeutet
Teilhabe und Verantwortung.
({2})
Wir haben 1972 gut 29 300 Betriebsratsgremien
gewählt. 1998 betrug die Zahl 38 000. Das ist eine Steigerung um 30 Prozent. Dies war nicht der Untergang
des Abendlandes. Das konnte diese Wirtschaft nicht
nur verkraften. Ich glaube, sie ist dadurch sogar stark geworden.
({3})
Herr Brüderle, das war das Resultat der Koalition, die
damals regiert hat und dieses Gesetz gegen die Stimmen
der Opposition, die dieses Gesetz damals nicht unterstützt
hat, beschlossen hat.
({4})
Sie haben heute hier erklärt, die Umsetzung dieses Gesetzentwurfes brächte Kosten von 2,7 Milliarden DM mit
sich. Für diese Zahl haben Sie überhaupt keine empirischen Grundlagen.
({5})
- Nein, das haben Sie nicht. Sie bauen einen Popanz auf,
indem Sie den Betriebsrat mit einem Kostenfaktor gleichsetzen wollen. Das wird ihm nicht gerecht.
({6})
220 000 Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben
haben das Vertrauen ihrer Wählerinnen und Wähler bei
den Betriebsratswahlen gefunden. Das sind keine ferngesteuerten Funktionäre, wie Sie es hier darstellen wollen.
Das sind Menschen, die bereit sind, sich für andere einzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Ich denke,
im Internationalen Jahr der Freiwilligen - Sie reden doch
so viel über das Ehrenamt - sollten wir diesen Menschen
erst einmal herzlich für ihr Engagement danken.
({7})
Was wir jetzt brauchen, ist eine nüchterne Aufklärung.
Wir brauchen eine Aufklärung über die Praxis und nicht
die ideologischen Nebelschwaden, die Sie von unten
langsam aufsteigen lassen.
({8})
Ich zitiere Ihnen einmal Herrn Niedenhoff. Er kommt in
einer Untersuchung für das Institut der deutschen Wirtschaft im Sommer 1999 zu folgendem Ergebnis:
Der Betriebsrat ist durch seine Mitwirkungs- und
Mitbestimmungsrechte ein Produktionsfaktor. Dies
ist so und sollte von keiner Seite beklagt werden. In
der überwiegenden Mehrzahl der Betriebe in der
Bundesrepublik Deutschland trägt die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Betriebsrat und Betriebsleitung dazu bei, das Betriebsklima zu verbessern
und den Betriebsfrieden zu erhalten. Gäbe es kein
Betriebsverfassungsgesetz, müssten dennoch die
Mitarbeiter in irgendeiner Weise am Entscheidungsprozess im Betrieb beteiligt sein, um diesen Betriebsfrieden zu erhalten.
({9})
- Ich kenne Ihre Zwischenrufe. Behalten Sie Ihre Meinung, Herr Brüderle, sie passt zu Ihnen!
({10})
Wir werden das Gesetz verändern, damit es den neuen
Anforderungen und Bedingungen entspricht. Wir lassen
uns nicht auf die Auseinandersetzung ein, die von draußen
als Getöse in das Haus hineingetragen wird und die Sie
fortsetzen wollen. Die BDA spricht von „radikal“, „dichtes Geflecht“, „Explosion der Kosten“, „standortschädlich“ und dass die Mitbestimmung die Spitzenstellung in
der ganzen Welt gefährde. Das Getöse ist uns nicht neu.
Das gab es schon 1920, 1952 und 1972. Drei Jahre danach, 1975, hat der Personalchef von Henkel eingesehen:
Das Betriebsverfassungsgesetz müsste erfunden werden,
wenn es nicht schon existieren würde.
({11})
Ich will Ihnen etwas sagen, was mich bedenklich
stimmt. - Auf diese Spur werden Sie uns nicht bringen .Der Präsident des BDI, Michael Rogowski, hat am
27. November 2000 erklärt:
Ich finde auch, dass die Mitbestimmung im Aufsichtsrat eingeschränkt werden sollte und Arbeitnehmer dort nicht vertreten sein müssen. Aber dafür
sollte es in den Unternehmen starke Wirtschaftsausschüsse geben. Die Betriebsräte müssen die Möglichkeit haben, mit den Firmenleitungen über ihre
Planung und die Folgen, auch für die Beschäftigten,
zu reden.
Was wollen Sie denn nun? Ich will Ihnen sagen, was dahinter steckt: eine Kampagne, die die Rechte der Arbeitnehmer in dieser Gesellschaft einschränken soll. Das wird
mit dieser Regierung nicht zu machen sein.
({12})
Herr Kollege, bitte
denken Sie an Ihre Redezeit.
Begreifen Sie - das sage ich
dem Kollegen Uldall -, dass der Mensch im Betrieb nicht
auf eine Kostenstelle reduziert werden darf. Er ist wie unsere Mitbestimmung ein Produktivitätsfaktor.
Herr Kollege, Sie
müssen bitte zum Schluss kommen.
Mein letzter Satz: Dass Teilhabe und Verantwortung ernst genommen werden, zeigt
sich daran, dass nur 0,3 Prozent aller Streitfälle vor Gericht und 0,1 Prozent in der Einigungsstelle ausgetragen
werden. Teilhabe wird jetzt mit Verantwortung beantwortet. Wir sind bereit, Verantwortung mit Teilhabe zu
beantworten. Die CDU/CSU sollte einmal in ihren eigenen Reihen die Frage nach dem Betriebsklima stellen.
Vielleicht brauchen Sie mehr als manch anderer einen Betriebsrat.
({0})
Als letztem Redner
erteile ich dem Kollegen Karl-Josef Laumann für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die
Debatte des letzten Vierteljahres über das Betriebsverfassungsgesetz in Deutschland verfolgt hat, wenn man die
Debatte innerhalb der Bundesregierung sowie die heutige
Debatte im Bundestag verfolgt hat, muss man feststellen,
dass ein paar Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein
sollten, völlig aus dem Blickwinkel gerückt sind.
Erstens. Ich kenne niemanden in der Bundesrepublik
Deutschland, der das bestehende Betriebsverfassungsgesetz nicht akzeptiert bzw. verinnerlicht hat und die betriebliche Partnerschaft nicht für richtig hält. Warum haben wir nun auf einmal eine derart emotionsgeladene
Debatte über das Betriebsverfassungsgesetz? Das liegt
daran, dass wir eine Bundesregierung haben, die nicht die
Weiterentwicklung des jetzigen Betriebsverfassungsgesetzes im Auge hat, sondern dabei ist, das Betriebsverfassungsgesetz in wesentlichen Punkten zu überfrachten,
({0})
und damit eine grundsätzliche Auseinandersetzung über
dieses Thema heraufbeschworen hat.
({1})
Jetzt frage ich Sie: Warum belasten Sie denn die Debatte zum Betriebsverfassungsgesetz mit dem Vorhaben,
den Minderheitenschutz in den Wahlverfahren abzuschaffen?
({2})
Die Grünen verstehe ich in diesem Punkt überhaupt nicht.
Ich weiß noch nicht einmal, warum die DGB-Gewerkschaftler das eigentlich wollen. Habt ihr Angst vor diesen
Wahlen? Wenn eine Wahl mit einem Ergebnis endet, das
dem DGB nicht gefällt, dann ist das dennoch zu akzeptieren, weil es die Belegschaft so gewollt hat.
({3})
Sie haben damit eine Diskussion begonnen, die Sie sich
dadurch hätten ersparen können, dass Sie souverän über
der Sache gestanden hätten.
In keinem einzigen von Hunderten von Briefen, die in
unseren Fraktionsbüros zum Betriebsverfassungsgesetz
eingegangen sind, wird eine Abschaffung des Minderheitenrechtes bei Wahlverfahren gefordert, auch nicht vonseiten des DGB. Ich habe auch keinen einzigen Brief erhalten, in dem sich Betriebsräte für eine Änderung der
Schwellenwerte ausgesprochen hätten. Das ist doch irgendwie komisch. Warum machen Sie an diesen Ecken
Fässer auf, die Sie gar nicht brauchen? Vielleicht tun Sie
dies, weil ein paar Gewerkschaftsfunktionäre denken, es
wäre ganz schön, damit den einen oder anderen zu bedienen. Damit aber werden Sie die soziale Partnerschaft in
den Betrieben nicht verstärken können.
({4})
Wichtiger ist, im Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungsgesetz zu bedenken, dass 80 Prozent aller
Beschäftigten in Kleinbetrieben arbeiten, dass es also für
80 Prozent aller Beschäftigten darauf ankommt, soziale
Partnerschaft in kleinen, überschaubaren Betrieben gelebt
zu sehen. Es geht hier nicht um die BASF, die ich am
Dienstag in Ludwigshafen besucht habe und die einen
mächtigen Betriebsrat hat, was in einem so großen Betrieb
ja auch in Ordnung ist.
Man muss anerkennen, dass es soziale Partnerschaften
auch in Betrieben gibt, die keinen Betriebsrat haben.
({5})
- Doch, die gibt es schon, nämlich dort, wo man sich jeden Morgen sieht, das heißt in Kleinstbetrieben mit fünf,
sechs oder sieben Leuten. Das müssen Sie einfach mal zur
Kenntnis nehmen.
Zweitens. Natürlich müssen wir für eine Vereinfachung von Wahlverfahren sein. Es ist falsch, dass es
schwieriger ist, einen Betriebsrat zu wählen, als einen
Bundestagsabgeordneten in einem Direktwahlkreis aufzustellen. Es muss sichergestellt sein, dass derjenige, der
eine Betriebsratswahl anstößt, nicht entlassen wird. Wenn
so etwas geschieht, ist das eine Sauerei. Davor müssen wir
die Leute schützen.
({6})
Aber anders herum hält die betriebliche Partnerschaft
nur, wenn Änderungen nicht in einem Ad-hoc-Verfahren
vorgenommen werden, bei dem unter Umständen nicht sichergestellt ist, dass alle im Betrieb an diesem Verfahren
beteiligt werden.
({7})
Deswegen ist neben dem, was wir heute für Kleinbetriebe
haben, dem, was man sich vorstellen könnte, und dem,
was Sie vorschlagen, eine Lösung möglich, mit der man
beidem Rechnung tragen kann, damit Ad-hoc-Entscheidungen nicht möglich sind.
({8})
Vielmehr sollten alle beteiligt werden und es sollte gut
überlegt werden, wer als Betriebsrat auch gewählt wird.
({9})
Ich möchte für meine Fraktion ausdrücklich sagen: Herr
Riester, wenn Sie die Überfrachtung der Zuständigkeiten
14507 der Betriebsräte - Umweltschutz, Radikalismus, Minderheitenwahlverfahren ({10})
in Ihrem Gesetzentwurf zur Disposition stellen, kann man
mit uns über alles reden. Wir sind die Partei der sozialen
Partnerschaft in Deutschland.
({11})
Das haben wir immer bewiesen. Die Union ist mit Personen wie Konrad Adenauer, Karl Arnold, Norbert Blüm,
Hans Katzer die Partei gewesen, die Betriebsverfassung
und Mitbestimmung vorangebracht hat. Die Union ist
Vater und Mutter der betrieblichen Partnerschaft.
({12})
Aber die wollen wir auf die Betriebsräte konzentrieren,
möglichst ohne Einfluss von außen.
Schönen Dank.
({13})
Die Aktuelle Stunde
ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen
Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 8. Februar
2001, 9 Uhr, ein
Die Sitzung ist geschlossen.