Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Vielen
Dank, Herr Bundesminister. - Wir kommen zunächst zu
den Fragen, die sich mit diesem Themenbereich beschäftigen. Ich darf Sie bitten, Ihre Fragen zu stellen. Der Kollege Horst Friedrich von der F.D.P.-Fraktion meldet sich
zu Wort.
Bitte schön, Herr Friedrich.
Herr Minister,
Sie gehen mit diesem Gesetzentwurf einen Schritt in die
richtige Richtung. Das Ziel ist die Herstellung gleicher
Beschäftigungsbedingungen. Ob und vor allen Dingen
wann diese Gesetzesvorlage Wirkung zeigt, insbesondere
unter Berücksichtigung der europäischen Dimension, ist
fraglich.
Sie lassen allerdings eine andere Flanke offen. Darauf
bezieht sich meine Frage: Ist es zur Verbesserung der
Wettbewerbssituation in Deutschland nicht möglich, das,
was bereits elf EU-Länder insbesondere im Hinblick auf
die enorm gestiegenen Kraftstoffpreise für ihr Gewerbe
machen, nämlich Kfz-Steuerermäßigungen, Mineralölsteuerermäßigungen oder Lohnkostenzuschüsse - wie in
Frankreich - zu gewähren, auch dem deutschen Gewerbe
zuzugestehen? Die Betankung eines LKW kostet in
Deutschland durch die Ökosteuer und andere Komponenten mittlerweile bis zu 200 DM mehr als bei den
Konkurrenten in Europa. Dieses Problem haben Sie bisher nicht berücksichtigt.
Herr Eichel ging mit stark aufgeblähten Backen nach
Brüssel. Er wollte dort die ganzen Ausnahmegenehmigungen aufheben lassen, die mit Zustimmung der deutschen Bundesregierung erteilt worden sind. Der Presse ist
zu entnehmen - mein Stand ist vom 19. Januar dieses Jahres -, dass er mit weniger stark aufgeblasenen Backen
zurückgekommen ist. Offensichtlich war die EU der Meinung: Wenn sich Deutschland hier durchsetzen will, dann
können auch die Sonder- und Ausnahmegenehmigungen
bei der Ökosteuer, die Deutschland eingeführt hat, nicht
mehr gewährleistet werden.
Wann kommt flankierend zu den jetzt von Ihnen angesprochenen Maßnahmen eine Entscheidung, die dem
deutschen Gewerbe aus unserer Sicht über die von Ihnen
geplanten gesetzlichen Maßnahmen hinaus hilft?
In meinen einführenden Bemerkungen
habe ich darauf hingewiesen, dass sich die Harmonisierung im Sommer 1998 auf die Freigabe der Kabotage
beschränkte und in anderen Bereichen, unter anderem im
Steuerbereich, nicht erfolgte. Wie Sie wissen, sind im
Ecofin-Rat, also im Europäischen Rat der Finanzminister,
die unterschiedlichen Steuervergünstigungen im Kraftverkehrsgewerbe angesprochen worden. Die schwedische
Ratspräsidentschaft hat einen umfassenden Vorschlag
vorgelegt, der berücksichtigt, dass wir zurzeit 100 unterschiedliche Ausnahmeregelungen haben; darüber haben
wir im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
schon sprechen können. Es geht also darum, eine Lösung
zu finden, wie diese 100 Ausnahmeregelungen auf ein
Mindestmaß reduziert werden können.
Lassen Sie mich Ihnen kurz einige Zahlen nennen: Die
aktuellen Preise in der Bundesrepublik Deutschland sind
im Vergleich zu anderen Ländern wie Frankreich und
Großbritannien relativ niedrig. Auch können Sie erkennen, dass die Preise aufgrund der Veränderung der Rohölpreise abgesenkt worden sind. Berücksichtigen wir die
Steuervergünstigungen, die in den Niederlanden, in
Frankreich und in Italien gewährt werden, beim Vergleich
der Tankstellenpreise und ziehen die steuerliche Belastung ab, so hatten wir in Deutschland im Jahr 2000 eine
Realbelastung - Preis ohne Mehrwertsteuer und Mineralölsteuerbegünstigung - von 1,43 DM, in den Niederlanden von 1,33 DM, in Frankreich von 1,38 DM und in
Italien von 1,44 DM. Sie erkennen, dass sich die Preisentwicklungen in Europa nicht sehr unterscheiden.
Rechne ich diese Zahlen auf das Jahr 2001 mit den jetzt
gültigen Regelungen hoch, dann nähern sie sich noch weiter an. Die realen Marktpreise sind wie folgt: in Deutschland 1,38 DM, in den Niederlanden 1,33 DM, in Frankreich 1,36 DM und in Italien 1,41 DM.
Angesichts der Mineralölpreisschwankungen ist das
von Ihnen beschriebene Problem also nicht das zentrale
Problem des Gewerbes. Zentrales Problem ist ein Lohndumping aufgrund des illegalen oder zumindest deutlich
missbräuchlichen Einsatzes von „Billigfahrern“. Dem
helfen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ab. Ich
freue mich auch über die signalisierte Unterstützung. Für
das deutsche Speditionsgewerbe ist dies der entscheidende Schritt, der ja auch schon zu Zeiten der alten Regierung in der Diskussion war. Wir legen den Gesetzentwurf jetzt auf den Tisch und ich bitte hierfür im Parlament
um breite Unterstützung.
Nächste
Frage von dem Kollegen Peter Dreßen von der SPD-Fraktion.
Herr Minister, es wundert mich
natürlich schon, dass die F.D.P., die sonst immer gegen
Subventionen ist, hier plötzlich für Subventionen eintritt,
und es würde mich interessieren, was Sie davon halten.
Aber ich habe noch eine zweite Frage: Würden Sie
bitte ganz konkret ausführen, wie das Lohndumping verhindert werden soll? Welche Voraussetzung muss jemand
erfüllen, damit er eine Fahrbescheinigung bekommt?
Sie gestatten mir, dass ich auf die Frage
der vielleicht in sich nicht schlüssigen Haltung der F.D.P.
nicht eingehe, sondern mich auf Ihre Sachfrage konzentriere.
Die entscheidende Voraussetzung ist die Arbeitsgenehmigung im Staat des Unternehmenssitzes. Entscheidend
ist ferner, dass diese Arbeitsgenehmigung im Original sowie in einer von dem jeweiligen Land beglaubigten Abschrift mitgeführt werden muss. Zudem bauen wir beim
Bundesamt für Güterverkehr eine Kontrollgruppe deutlich aus, mit der wir sicherstellen werden, dass dieses Gesetz umgesetzt wird. Im Regelfall soll die Stilllegung des
betroffenen Fahrzeuges erfolgen. Damit ist hier ein enormer Druck gewährleistet, wodurch Missbrauch und Dumping für die Zukunft verhindert werden. Dies ist für die
allgemeine Situation am Arbeitsmarkt auch gut. Wir haben auch für diesen Bereich eine Angleichung des Bußgeldrahmens im Hinblick auf andere Formen illegaler Beschäftigung vorgesehen. Ich glaube, dass dies gute,
konsequente und in sich schlüssige Maßnahmen sind.
Die
nächste Frage hat der Kollege Dr. Klaus Grehn von der
PDS-Fraktion.
Herr Minister, es ist ja nicht
unbekannt, dass ein großer Teil des gewerblichen Güterverkehrs auf die Bauwirtschaft entfällt. Der Bundesrat hat
einen Gesetzentwurf zur Eindämmung illegaler Beschäftigung im Baugewerbe vorgelegt. Mich interessiert:
Welche Erkenntnisse liegen über den Anteil illegaler Beschäftigung, der in dem von Ihnen genannten Bereich des
gewerblichen Güterverkehrs auf das Baugewerbe entfällt,
vor?
Weiter habe ich die Frage: Beabsichtigen Sie eine Abstimmung im Hinblick auf die beiden Gesetzentwürfe?
Die Abstimmung erfolgt in der realen
Praxis. Wir sehen die Bekämpfung illegaler Beschäftigung vor allem als eine Angelegenheit der Länder an. Mit
der Kontrollerweiterung, die wir vornehmen wollen, wollen wir die Kompetenzen des Bundesamtes für Güterverkehr stärken, weil wir die spezifischen Probleme, die wir
erkannt haben, durch verstärkten Einsatz lösen wollen.
Mir liegen die von Ihnen erbetenen Zahlen nicht vor,
ich bin aber gerne bereit, sie zu recherchieren und sie dann
gegebenenfalls zur Verfügung zu stellen. Ich sage Ihnen
aber auch: Ich möchte keine Verknüpfung der beiden Themen, weil ich glaube, dass es sich um getrennte Vorgänge
handelt. Gerade die Situation im Speditionsgewerbe ist
sehr eklatant. Wir haben Erkenntnisse darüber, dass es interessanterweise deutsche Unternehmen oder Unternehmen, die sich als internationale Unternehmen verstehen,
zum Teil aber den Sitz in Deutschland haben, sind, die
dies praktiziert haben, weil es gesetzlich nicht sanktioniert wurde. Dagegen werden wir jetzt vorgehen. Deshalb
möchte ich gerne den Blick auf die Erkenntnisse fokussieren, dass wir nicht zwei Vorgänge miteinander vermengen dürfen, damit wir eine reale Problemsituation relativieren.
Ich weiß, dass das Ausmaß illegaler Beschäftigung auf
dem Bau dramatisch ist. Dieser Umstand wird auch von
der Bundesregierung berücksichtigt. Ich glaube aber, dass
für diese Fragen das Bundesministerium für Arbeit und
Sozialordnung der richtige Ansprechpartner ist.
Die
nächste Frage hat der Kollege Wilhelm Sebastian von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Minister,
Sie haben insofern Recht, als wir mit dem geplanten
Gesetz ein Defizit im Bereich der Harmonisierung beseitigen. Ich frage: Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung konkret ergriffen, um die Harmonisierungsdefizite im europäischen Wettbewerb zugunsten unseres
Transportgewerbes zu überwinden?
Gestatten Sie mir die Wiederholung
dessen, was ich bereits am Ende meiner einleitenden Ausführungen unterstrichen habe: Unser Vorhaben ist der entscheidende Schritt dafür, den ruinösen Wettbewerb im
Speditionsgewerbe zu bekämpfen. Darüber hinaus hatte
ich ausgeführt, dass auf der Ecofin-Sitzung über den Vorschlag der schwedischen Ratspräsidentschaft gesprochen
wurde. Sie wissen, dass es sich hierbei um erteilte
Ausnahmegenehmigungen handelt. Die deutsche Delegation hat im Ständigen Ausschuss der Kommission und im
Ministerrat deutlich gemacht, dass sie eine Ausweitung
nicht mittragen will. Zurzeit haben wir die Situation, dass
die neue schwedische Ratspräsidentschaft einen Vorschlag vorgelegt hat, der die bestehenden 100 Ausnahmevorschriften auf ein Minimum reduzieren wird. Wir werden gemeinsam auf europäischer Ebene arbeiten.
Unsere Vorstellungen sind klar: Wir wollen keine Subventionierung und werden deshalb mit dazu beitragen, die
Regelungen europaweit zu harmonisieren. Ich glaube,
dass dies der richtige Schritt ist. Dieser Gesetzentwurf
wird der Durchbruch sein und deswegen freue ich mich,
dass auch Sie in Ihren Worten hierfür Unterstützung bekundet haben. Ich würde mich freuen, wenn das gesamte
Parlament diesen wichtigen Schritt gemeinsam machen
würde. Wir - das betrifft die Zeit vor unserer Regierungsübernahme - haben viel Zeit dafür verwandt, um zu diesem Punkt zu kommen. Unsere Regierung hat es zügig
angepackt und legt jetzt einen realistischen Lösungsvorschlag vor. Das freut mich in besonderem Maße.
Die
nächste Frage hat der Kollege Dirk Niebel von der
F.D.P.-Fraktion.
Herr Minister, Sie haben eben
auf die Frage des Kollegen Grehn geantwortet, es gebe
keine Verknüpfung mit illegaler Beschäftigung am Bau.
Da illegale Beschäftigung den Bereich der Schattenwirtschaft betrifft, interessiert mich: In welchen Zeitabständen - mit Blick auf die sich langsam dem Ende zuneigende Legislaturperiode - hat die Bundesregierung vor,
gegen illegale Beschäftigung und Schattenwirtschaft in
allen anderen Bereichen des Wirtschaftslebens vorzugehen? Außerdem würde mich interessieren, ob Sie das Gesetz, das Sie heute beraten haben, als ersten Schritt auf
diesem Wege sehen und welche konkreten Folgeschritte
geplant sind.
Ich glaube, ich muss jetzt das wiederholen, was ich vorhin gesagt habe. Ich beziehe mich auf
das heute im Kabinett beschlossene Gesetz, das - ich sage
das noch einmal ausdrücklich - ein ganz entscheidender
Schritt im Kampf gegen den ruinösen Wettbewerb ist und
womit ein Durchbruch erfolgt. Ihre Frage richtet sich
nicht an mein Ressort, sondern an das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, wofür Sie die Fragestunde ebenfalls nutzen können.
Uns geht es darum, den Blick auf ein spezifisches Problem des Speditionsgewerbes zu richten. Dies ist angesichts der aktuellen Debatte richtig und auch erforderlich.
Ich werbe deswegen dafür, nicht verschiedene Themen
miteinander zu verknüpfen, und versuche deutlich zu machen, dass wir im Speditionsgewerbe eine einzigartige Situation haben: Es gibt dort nämlich hohen Frachtbedarf
und hohe Nachfrage, gleichzeitig aber verfallen die
Frachtraten. Die Begründung dafür liegt aus meiner Sicht
vor allen Dingen in der Harmonisierung, die damals bei
der Freigabe der Kabotage leider nicht erfolgt und dringend erforderlich ist. Das ist, wie ich glaube, ein Defizit,
das die alte Regierung zu verantworten hat.
Wir müssen auch ein anderes Problem, das sich ebenfalls verschärft hat und im Rahmen der Erweiterung der
EU um mittel- und osteuropäische Staaten noch weiter
verschärfen wird, nämlich das Thema Billigfahrer, die
nicht über eine gültige Arbeitserlaubnis in einem Mitgliedstaat der EU verfügen, auf EU-Ebene weiter vorantreiben. Ich bin sehr zufrieden, dass wir hier bereits einen
ersten Schritt getan haben.
Die
nächste Frage hat die Kollegin Angelika Graf von der
SPD-Fraktion.
Herr Minister,
können Sie mir im Anschluss an die Antwort, die Sie gerade gegeben haben, sagen, welche Maßnahmen die Vorgängerregierung beschlossen und konkret umgesetzt hat,
um diese missbräuchlichen Praktiken zu bekämpfen?
Es ist mir keine Initiative und vor allem
kein Ergebnis bekannt. Das wissen wir alle. Deswegen ist
es richtig, dass wir dies auf die Agenda der politischen Tagesordnung gesetzt haben und zügig angegangen sind. Ich
setze auch voraus, dass Ihnen bekannt ist, dass das Gewerbe sehr lange auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung hingewiesen hat. Zumindest mir ist
diese Debatte seit Mitte der 90er-Jahre bekannt. Ich freue
mich deshalb, dass dies jetzt von uns angepackt worden
ist und die schon lange bestehenden Defizite beseitigt
werden.
Ich halte es für wichtig, dass dies im Konsens mit allen
erfolgt. Sie können daraus also ersehen, dass wir das Problem angehen, auch wenn sich in der Vergangenheit eine
andere Regierung zögerlich verhielt. Es freut mich, dass
dies auch im Interesse des Gewerbes liegt: Ich habe nämlich sehr viele Rückmeldungen bekommen, in denen begrüßt worden ist, dass wir dieses Problem anpacken. Ich
weiß, dass der BSL als einer der großen Verbände des
Speditionsgewerbes diese Initiative ausdrücklich unterstützt. Es gibt noch eine Reihe anderer Verbände, die sich
ebenfalls sehr positiv geäußert haben. Ich glaube, dass die
Speditionswirtschaft auf diese Maßnahme gewartet hat.
Deswegen freue ich mich, dass wir mit der Befragung der
Regierung durch das Parlament zu diesem Gegenstand
heute den Startschuss zur parlamentarischen Beratung geben können.
Die
nächste Frage hat der Kollege Jürgen Koppelin von der
F.D.P.-Fraktion.
Herr Minister, welche Erfahrung gibt Ihnen die Sicherheit, dass Ihre Regelung jetzt
greifen wird? Wir haben ja ähnliche Regelungen zum Beispiel im Baugewerbe, wo es nach wie vor Probleme gibt.
Auf welche Erfahrung stützen Sie sich, wenn Sie sagen,
das wird jetzt greifen?
Wir bauen auf die Erfahrung unseres
Bundesamtes für Güterverkehr, das eine gute Arbeit im
Bereich der Verkehrssicherheit und auch des Umweltschutzes leistet. Ich gehe davon aus, dass diese Kontrollerfahrungen auch in den neuen Aufgabenbereich „illegale
Beschäftigung“ einfließen werden. Wir haben dort kompetente Leute mit einer hohen Einsatzbereitschaft. An dieser Stelle möchte ich den Mitarbeitern des Bundesamtes
herzlich für ihre gute Arbeit danken. Ich bin deswegen
sehr zuversichtlich, dass es gelingt, die bestehende Kompetenz auf ein neues Feld auszudehnen. Gleichzeitig
macht der Sanktionsrahmen zum Beispiel durch einen um
den Faktor fünf erhöhten Bußgeldrahmen deutlich, dass
es uns ernst damit ist, dieses gravierende Problem anzugehen. Ich denke, das ist sehr wichtig.
Ich möchte an dieser Stelle auch, weil es ein wenig in
Ihrer Frage anklang, den Ländern dafür danken, dass sie
bereit sind, dem Bund hier eine neue Kontrollfunktion
einzuräumen. Es ist der richtige Weg, dass Bund und Länder in dieser Frage an einem Strang ziehen. Sie wissen,
dass es ein großes Problem ist, das gemeinsam angepackt
werden muss. Deswegen freue ich mich auch, dass die
Länder bereit sind, dem Bund in diesem Punkt eine wichtige Kontrollzuständigkeit zuzugestehen. Auch dies bestätigt mich in der Erwartung, dass es uns gelingt, durch
verstärkte Kontrolltätigkeit und die genannten Sanktionen
im Ergebnis das Speditionsgewerbe zu entlasten. Ich bin
da sehr optimistisch.
Die
nächste Frage hat der Kollege Dr. Klaus Grehn von der
PDS-Fraktion.
Herr Minister, ich gehe davon aus, dass Ihnen bekannt ist, dass natürlich auch unsere Fraktion gegen alle Formen der illegalen Beschäftigung und gegen ruinösen Wettbewerb ist. Deshalb denken
auch wir über diese Problematik nach.
Es ist ja wohl allgemein nicht so, dass etwa bei der
Bahn Lokomotivführer im Güterverkehr zu dem Bereich
der „Illegalen“ gehören. Deshalb lautet meine Frage
schlicht und einfach: Sehen Sie in Ihrem Hause die Möglichkeit - die illegale Beschäftigung im gewerblichen Güterverkehr bezieht sich ja auf die Straße -, durch Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Bahn
ebenfalls einen Beitrag zu leisten, um dem zu begegnen?
Das hätte also dann mehrere Effekte.
Ich muss leider gestehen, dass mir die
Programmatik der PDS nicht in allen Fragen vertraut ist.
Ich kann auch nur sagen, dass ich mich freue, wenn es im
Ausschuss, wo dies diskutiert wird, zu einer gemeinsamen Auffassung kommt. Das unterstreiche ich und werbe
noch einmal dafür, dass dieses Gesetz dann auch vom gesamten Parlament einhellig getragen wird.
Mir ist nicht bekannt - das muss ich ausdrücklich sagen -, dass es überhaupt einen Fall gegeben hat, in dem
etwa ein Lokführer der Deutschen Bahn AG ohne Arbeitsgenehmigung tätig gewesen wäre. Dies ist aber ein
zentrales Element des Gesetzentwurfs, sodass das Gesetz
auf diese Frage nach meiner Meinung nicht anwendbar
ist. Wie gesagt, mir ist kein solcher Fall bekannt. Wenn
dies der Fall sein sollte, wäre dies ein schwerer Verstoß
gegen bestehende Regelungen, der gar nicht erst durch
dieses Gesetz begründet wird. Meines Wissens gibt es einen solchen Fall aber nicht.
({0})
Bitte
schön, eine Nachfrage.
Herr Minister, ich habe eine
Nachfrage, weil Sie mich offensichtlich missverstanden
haben. Ich meinte, dass mit der Verlagerung von Güterverkehr, der zurzeit auf der Straße stattfindet, auf die
Schiene die Zahl der Gütertransporte auf der Straße verringert und damit auch die Möglichkeiten des Einsatzes illegaler Fahrer im Güterverkehr auf der Straße eingeschränkt werden würden. Nebenbei hätte das auch noch
einen ökologischen Effekt. Das meinte ich damit.
Dann habe ich Sie gründlich missverstanden. Ich bitte dafür um Entschuldigung. Ich weiß aber
nicht, ob es nicht vielleicht auch eine etwas umständliche
Ausdrucksweise war, die dazu geführt hat.
Ich unterstreiche das, was hinter Ihrer Frage liegt, nämlich die Absicht, Verkehre auf die Schiene zu verlagern,
um damit den Druck von der Straße wegzunehmen.
Wir haben in der vergangenen Woche in einer Regierungserklärung im Parlament den Verkehrsbericht 2000
erläutert. Dabei habe ich zweierlei deutlich gemacht: Es
geht vor allem um die Bewältigung zukünftiger Verkehre,
weil der Verkehrszuwachs allein im Güterverkehr bei
64 Prozent bis 2015 liegen wird. Wir werden diesen Verkehr nur bewältigen können, wenn es uns gelingt, die
Schiene viel stärker in diesen Prozess der Bewältigung
von Güterverkehren einzubeziehen. Deswegen ist es unser Ziel, den Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene,
ausgehend vom Basisjahr 1997, bis zum Jahre 2015 zu
verdoppeln. Damit werden wir das bestehende Problem
ebenfalls reduzieren.
Ich sage aber zugleich: Diese Verkehrspolitik, die wir
verfolgen, nämlich den Verkehrsträger Schiene zu stärken, geschieht unabhängig von dem bestehenden Gesetz.
Das bestehende Gesetz versucht, eine Wettbewerbsverzerrung, die zurzeit herrscht, zu beseitigen, aber auch Sicherheitsmaßstäbe höher zu setzen. Ich nehme an, dass
Sie diesen Punkt ebenfalls in die Antwort auf Ihre Frage
einbezogen wissen wollten. Wir versuchen eben, den Verkehr sicherer zu machen und gleichzeitig den ruinösen
Wettbewerb im Güterverkehr - also den völligen Verfall
von Frachtraten und damit auch einen Abzug von Verkehren
von der Schiene auf die Straße - zu vermeiden.
Insofern hat dieser Gesetzentwurf mehrere Ziele, unter
anderem auch das Ziel, den Wettbewerb nicht nur beim
Verkehrsträger Straße, sondern auch zwischen den Verkehrsträgern insgesamt deutlich fairer und transparenter
zu gestalten.
Ich beende nun die Befragung zu den Themenbereichen der heutigen Kabinettssitzung.
Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregierung? - Herr Kollege von Klaeden.
Herr Präsident, ich
möchte die Bundesregierung fragen, ob die aktuellen Berichterstattungen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“
und der „Bild“-Zeitung vom heutigen Tage eine Rolle gespielt haben, wonach sich der Verdacht erhärtet, dass Bundesminister Fischer bei seiner Zeugenvernehmung in
Frankfurt in der letzten Woche hinsichtlich der Frage, ob
die ehemalige Terroristin Margrit Schiller für wenige
Tage in seiner Wohnung Unterschlupf gefunden hat, nicht
die Wahrheit gesagt hat. Sie wissen sicherlich, dass Frau
Schiller diese Darstellung in ihrer Biographie gestern
noch einmal gegenüber der „Bild“-Zeitung bestätigt hat.
Meine weitere Frage lautet: Ist die Bundesregierung
der Ansicht, dass, wenn sich die Darstellung von Frau
Schiller bestätigt, Herr Fischer im Amt bleiben kann?
Zur Beantwortung Herr Staatsminister Bury, bitte schön.
Herr Kollege von Klaeden, dieses Thema ist heute
nicht im Bundeskabinett erörtert worden. Der Bundesaußenminister hat sich in der vergangenen Woche - auch
hier - eindeutig dazu geäußert. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Eine weitere Frage des Kollegen Jürgen Koppelin.
Herr Staatsminister, da ich
schon mehrfach bei der Befragung der Bundesregierung
danach gefragt habe und Sie immer gesagt haben, dass es
keinen weiteren Parlamentarischen Staatssekretär im
Bundeswirtschaftsministerium geben wird ({0})
das war erst vor wenigen Wochen; Sie haben die gleiche
Erklärung noch Ende November im Haushaltsausschuss
gegeben -, darf ich Sie fragen: Welche Sinnesänderung
hat es bei der Bundesregierung gegeben, jetzt einen weiteren Parlamentarischen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium anzusiedeln, obwohl die Aufgaben dort weniger geworden sind?
Herr
Staatsminister Bury.
Herr Koppelin, wir haben diese Frage in der Tat in einer Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen
Bundestages miteinander besprochen. Die Frage bezog
sich damals auf eine Presseberichterstattung, die einen
Zusammenhang zwischen den Fraktionsvorstandswahlen
der SPD und der Besetzung von Staatssekretärspositionen
hergestellt hat. Ich habe diesen Pressebericht richtigerweise als Spekulation bezeichnet und darauf hingewiesen,
dass zu diesem Zeitpunkt keine konkreten Absichten bestanden haben, die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre zu erhöhen.
Nun hat es im Zusammenhang mit der BSE-Problematik eine Entwicklung gegeben, die wir zum Anlass genommen haben, Umstrukturierungen vorzunehmen. In
deren Folge, und zwar unter dem Aspekt der Stärkung
der Mittelstandspolitik, ist eine zusätzliche Position im
Bundeswirtschaftsministerium geschaffen worden; Kollegin Wolf nimmt auch die Funktion der Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung wahr. Insofern hatte sich
gegenüber unserer Diskussion im Haushaltsausschuss
eine neue Situation ergeben.
Eine
Nachfrage des Kollegen Koppelin.
Herr Staatsminister, können Sie mir näher erklären, was die BSE-Krise damit zu
tun hat, dass das Wirtschaftsministerium einen weiteren
Parlamentarischen Staatssekretär braucht, obwohl Aufgaben aus dem Wirtschaftsministerium in andere Ministerien verlagert worden sind, die Aufgaben also weniger geworden sind? Oder kann ich Ihre Aussage so verstehen,
dass zwei Jahre lang im Wirtschaftsministerium keine
Mittelstandspolitik gemacht worden ist?
({0})
Falls sich Ihre Frage, Herr Kollege Koppelin, auf die
Zeit vor 1998 bezieht, reichen zwei Jahre nicht aus. Was
die vergangenen zwei Jahre angeht, so war die Mittelstandspolitik ein wichtiger Bereich. Wir stärken ihn aber
noch mehr und haben ihn auch personell in dieser Weise
herausgehoben. Diese Entscheidung ist im zeitlichen Zusammenhang mit der Umstrukturierung, insgesamt ausgelöst durch die BSE-Problematik, getroffen worden.
Ich beende die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 14/5113, 14/5133 Wir kommen zu den dringlichen Fragen, zunächst zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 1 des Abgeordneten
Dr. Schmidt-Jortzig auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Rolle der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen
Trittin, in dem Kommunistischen Bund in Göttingen in den 70erJahren spielte, und hält sie eine Aufklärung dieser Rolle für notwendig?
Herr Kollege Schmidt-Jortzig, erneut ist darauf hinzuweisen, dass Ihnen die Bundesregierung über personenbezogene Erkenntnisse, die das Bundesamt für Verfassungsschutz gewonnen hat, keine Auskünfte geben darf, da dies die Übermittlungsvorschriften des
Bundesverfassungsschutzgesetzes nicht zulassen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidt-Jortzig.
Herr Staatssekretär, zur Verdeutlichung meiner Frage - möglicherweise haben wir unterschiedliche Vorlagen -: Ich habe
gefragt, ob es der Bundesregierung bekannt ist. Auf diese
Frage hätte ich gerne eine Antwort.
Was soll der Bundesregierung bekannt sein?
Ist der Bundesregierung bekannt - so ist es in der Frage formuliert -,
welche Rolle der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, in den 70erJahren gespielt hat?
Ich habe mich auf die Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz bezogen.
Daraus ist abzuleiten, dass der Bundesregierung diese
Rolle nicht bekannt ist.
Herr Staatssekretär, darf ich daraus schließen, dass Sie über Ihre Kollegen in der Bundesregierung grundsätzlich nur Erkenntnisse aus den Bundesverfassungsschutzberichten haben
und dass im Übrigen die Vorgeschichte Ihrer Kollegen Sie
nicht interessiert?
Was uns interessiert - deshalb antwortet auch der Vertreter des Innenministeriums auf diese
Frage -, bezieht sich auf die Erkenntnisse des Bundesverfassungsschutzes. Sie kennen die Vorschriften und die Gesetzeslage - ich erwähne § 12 und § 19 des Bundesverfassungsschutzgesetzes - und wissen daher, wie bei der
Übermittlung personenbezogener Daten zu verfahren ist.
Zusatzfrage, Herr Kollege Koppelin.
Herr Staatssekretär, der
Bundesminister Trittin ist Mitglied des Kommunistischen
Bundes in Göttingen gewesen. Ich möchte Sie deshalb
fragen: Haben Sie Erkenntnisse darüber, ob der Verfassungsschutz in Niedersachsen diese Vereinigung beobachtet hat und ob es Berichte darüber gibt? Wenn es Berichte darüber gibt: Was ist darin über den Kommunistischen Bund in Göttingen enthalten?
({0})
Ich kann Ihnen nur das mitteilen,
was das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln an Erkenntnissen hat. Aufgrund dieser Erkenntnisse muss ich
Ihre Frage mit Nein beantworten.
Zusatzfrage, Herr Kollege Niebel.
Herr Staatssekretär, muss ich
dieser Antwort entnehmen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht mit den Landesämtern für Verfassungsschutz kommuniziert, wenn es um herausgehobene
Positionen in unserem Staatswesen geht?
({0})
Das hat nichts mit Kommunikation zu tun, sondern mit der Frage, inwieweit Erkenntnisse vorhanden sind. Ich habe deutlich gemacht, dass uns
in diesem Fall keine Erkenntnisse vorliegen. Ich sage
noch einmal ganz deutlich: Aus der bestehenden Gesetzeslage wird deutlich, warum dies der Fall ist.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hirche.
Herr Staatssekretär, darf ich
Ihrer Antwort entnehmen, dass Sie sich nicht die Mühe
gemacht haben, sich die Verfassungsschutzberichte des
Landes Niedersachsen aus den 70er-Jahren anzusehen?
Die Entscheidung, wie viel Mühe
ich mir mache, können Sie ruhig mir überlassen. Tatsache
ist, dass wir diesem Vorgang im gesamten Zeitraum sehr
gewissenhaft nachgegangen sind. Ich sage Ihnen zum
wiederholten Male, dass § 12 und § 19 Vorschriften zur
Behandlung von Erkenntnissen enthalten. Was § 12 anbelangt, so ist festzustellen, dass es eine entsprechende Weisung des damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz gab, der nicht in Verdacht stand, einer
zukünftigen rot-grünen Koalition behilflich zu sein.
Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden.
Herr Staatssekretär, sind denn vielleicht dem Bundeskanzler aus seiner
Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident die Berichte
des niedersächsischen Verfassungsschutzes bekannt gewesen? Hat der Herr Bundeskanzler zum Zeitpunkt der
Ernennung Herrn Trittins zum Bundesminister von seiner
politischen Vergangenheit und von seiner Tätigkeit im
Kommunistischen Bund gewusst, in dessen Organ „Arbeiterkampf“ zur Entführung von Peter Lorenz unter anderem dieses Spottgedicht veröffentlicht wurde:
Da sitzt er nun im Keller, mit ´nem Schildchen auf
der Brust, die Bewegung 2. Juni sendet einen schönen Gruß. Sechs Genossen und ein Jumbo und ´nen
Pfaffen mit an Bord und für jeden 20 000. Sonst
bleibt der Lorenz fort ...
({0})
Herr Kollege von Klaeden, was
der Bundeskanzler in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen gewusst hat oder nicht,
kann ich Ihnen jetzt hier nicht beantworten. Ich weiß nur,
dass er lange Zeit mit Herrn Trittin eine Koalition gebildet hat und dass die Zusammenarbeit eine gute war.
Gibt es
weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Frage 2 des Kollegen
Dr. Schmidt-Jortzig:
Ist es zutreffend, dass der Kommunistische Bund in Göttingen
Gewalt im Kampf gegen das „imperialistisch herrschende System“ nicht ausschloss?
Herr Kollege Schmidt-Jortzig, der
Kommunistische Bund, KB, gründete sich 1971 und hatte
seinen Schwerpunkt in Norddeutschland. Als zentralistische Organisation, gegliedert nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus, waren Aussagen der Leitung
auch für den KB in Göttingen gültig.
Im Verfassungsschutzbericht des Bundes von 1977
heißt es, dass sich der KB kein schriftliches Programm gegeben habe. Über die Haltung dieser Organisation zur Gewaltfrage wird dort weiter ausgeführt:
Der Gewaltanwendung steht der KB nicht prinzipiell
ablehnend gegenüber, sondern betrachtet sie lediglich unter dem Gesichtspunkt der taktischen Erfordernisse.
So steht es in der Quelle vom 4. April 1977.
({0})
Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidt-Jortzig?
Zunächst
möchte ich für die ausführliche Antwort herzlich danken.
Dennoch drängt sich mir die Frage auf: Haben Sie, verehrter Herr Kollege, mit dieser Auskunft eben nicht das
Gesetz über den Bundesverfassungsschutz verletzt?
({0})
Durften Sie diese Kenntnis haben, ohne dass der Verfassungsschutz Sie dazu ermächtigt hat?
Lieber Herr Kollege SchmidtJortzig, ich hätte diese Frage ja von manchem erwartet, allerdings nicht von Ihnen. Sie wissen, dass in §19 und §12
des Bundesverfassungsschutzgesetzes die Übermittlung
personenbezogener Daten geregelt ist. Insofern, glaube
ich, ist Ihre Frage an mich, ob das hier kundgetan werden
darf, fast überflüssig. Der KB war eine Organisation. Damit ist das, was ich Ihnen hier mitgeteilt habe, von der
Übermittlung personenbezogener Daten zu unterscheiden.
({0})
Weitere
Zusatzfrage, Kollege Schmidt-Jortzig?
Lieber Herr
Kollege Körper, Ihre Unterscheidung war bemüht und
nicht überzeugend. Darf ich deswegen nachfragen: Haben
Sie eine Ahnung, wie sich eine Körperschaft, auch der
KB, der KBW oder der KHB - da gibt es alle möglichen
Formen -, ohne seine Mitglieder artikulieren kann? Würden Sie mir zustimmen, dass die Vereinigungen für den
Bundesverfassungsschutz nur im Hinblick auf die
Gewalttätigkeit oder Nichtgewalttätigkeit, die Gefährlichkeit oder Nichtgefährlichkeit ihrer Mitglieder interessant sind?
({0})
Herr Kollege Schmidt-Jortzig, ich
will es Ihnen noch einmal deutlich machen. § 12 des Bundesverfassungsschutzgesetzes trägt die Überschrift: „Berichtigung, Löschung und Sperrung“ - jetzt kommt es „personenbezogener Daten in Dateien“. § 19 trägt die
Überschrift: „Übermittlung personenbezogener Daten
durch das Bundesamt für Verfassungsschutz“. Das unterstreicht das, was ich Ihnen in der vorherigen Antwort gesagt habe. Das, was ich zu dieser Organisation vorhin ausgeführt habe, bezieht sich auf die Veröffentlichung in
einer Zeitschrift mit dem Namen „Arbeiterkampf“ vom
4. April 1977.
Zusatzfrage, Herr Kollege Kolb.
Herr Staatssekretär,
wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie vorgetragen, dass der Kommunistische Bund, dessen Mitglied der
heutige Umweltminister 1977 war, Gewalt nicht gänzlich
ausgeschlossen hat. Ist der Bundesregierung bekannt,
welches Verhältnis der Bundesumweltminister heute zum
Gewaltmonopol des Staates hat und welche Maßnahmen
er damals für legitim gehalten hat, um dem „Druck des
Staates“ zu begegnen?
({0})
Herr Kollege Kolb, mir ist die
Frage gestellt worden, was der Kommunistische Bund in
Göttingen zum Thema Gewalt im Kampf gegen das „imperialistisch herrschende System“ veröffentlicht hat. Daraufhin habe ich eine Antwort gegeben, die sich auf eine
Quelle aus dem Jahre 1977 bezieht. Wie sich einzelne
Mitglieder in dieser Organisation zu Einzelfragen verhalten haben, war nicht Gegenstand der Frage.
Zusatzfrage, Herr Kollege Koppelin.
Herr Staatssekretär, da Sie
vorhin, als wir nach dem Verfassungsschutz in Niedersachsen gefragt haben, passen mussten, bin ich natürlich
ganz erstaunt, was Sie uns jetzt hier alles vortragen. Darf
ich Sie deshalb fragen: Haben Sie dieses Material von
dem Kollegen Trittin bekommen?
({0})
Herr Koppelin, die Art und Weise,
wie Sie diese Frage stellen, macht deutlich, welche Zielrichtung Sie verfolgen.
({0})
Es geht Ihnen offensichtlich nicht darum, einen Sachverhalt sachlich aufzuklären, sondern darum, eine Person in
Misskredit zu bringen, weil es Ihnen politisch in den
Kram passt. Das sage ich hier einmal ganz deutlich.
({1})
Ich habe Ihnen kundgetan, worauf sich diese Quelle bezieht, die einmal Gegenstand eines Verfassungsschutzberichtes war. Ich habe Ihnen auch deutlich gemacht, dass
wir dieses Material nicht zu dem Material zählen müssen,
das unter § 12 und § 19 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fällt. Insofern ist dies korrekt. Ich denke auch, es ist
wichtig, dies hier deutlich kundzutun.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hirche.
Herr Staatssekretär, sind Sie
nicht der Meinung, dass nach der Geschäftsordnung des
Bundestages die Bundesregierung Auskunft zu geben hat
und dabei nicht unterscheiden darf, ob ihr die Zielrichtung
einer Frage schmeckt oder nicht?
({0})
Herr Kollege Hirche, ich bin der
Auffassung, dass die Bundesregierung bei ihren Auskünften die gesetzliche Grundlage beachten muss. Das ist der
Maßstab unserer Auskünfte. Ich denke, das ist auch gut
so.
({0})
Wir sind
damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums des Innern. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Staatsminister Hans
Martin Bury zur Verfügung.
Wir kommen zur dringlichen Frage 3 des Kollegen
Dr. Max Stadler:
Wie beurteilt die Bundesregierung das Verhalten des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen
Trittin, auf der Zugfahrt am 21. Januar 2001 gegenüber dem Sohn
des ermordeten Generalbundesanwalt Siegfried Buback?
Lieber Kollege Stadler, ich bedauere, dass das zufällige Zusammentreffen von Bundesminister Jürgen Trittin
und Herrn Professor Michael Buback auf einer Zugfahrt
am 21. Januar Anlass für die Interpretation bot, die Herr
Buback in der ARD-Sendung „Sabine Christiansen“ wiedergab.
Herr Trittin hat Herrn Buback unmittelbar nach der
Ausstrahlung der Sendung angerufen und ihm angeboten,
das Missverständnis in einem ausführlichen persönlichen
Gespräch auszuräumen. Das Gespräch zwischen Herrn
Bundesminister Trittin und Herrn Professor Buback wird
in den nächsten Tagen stattfinden.
Zusatzfrage, Kollege Stadler.
Herr Staatsminister, hat Herr
Bundeskanzler persönlich mit Herrn Trittin über diesen
Vorgang gesprochen? Wenn ja: Wie hat er aufgrund dieses Gespräches den Vorgang beurteilt?
Herr Kollege Stadler, nach meiner Kenntnis hat der
Bundeskanzler über dieses Thema mit Herrn Bundesumweltminister Trittin nicht gesprochen.
({0})
Weitere
Zusatzfrage, Kollege Stadler.
Herr Staatsminister, ich
habe noch eine Zusatzfrage. In einem Artikel in der gestrigen Ausgabe der „Berliner Zeitung“ werden Andeutungen über die Identität des bisher in der Öffentlichkeit unbekannten Verfassers des so genannten „Mescalero“-Nachrufs
gemacht. Es wird dargestellt, dass der Göttinger Szene die
Identität sehr wohl bekannt war. Ich frage Sie daher, ob
der Bundesregierung die Identität des Verfassers dieses
Nachrufs bekannt ist und ob Sie bereit sind, diese Identität
hier mitzuteilen.
Ich kann diese Frage nur für mich beantworten: Mir
ist die Identität nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatsminister, Sie haben gerade von einem Missverständnis zwischen Herrn Trittin und Herrn Professor Buback gesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass sich Herr Professor Buback
Herrn Bundesminister Trittin nicht nur vorgestellt hat,
sondern zum Ende des Gesprächs auch darauf hingewiesen hat, dass er an der Sendung „Sabine Christiansen“
teilnehmen werde, und dass Herr Trittin aufgrund dieser Information nicht bereit gewesen ist, sich vom
„Mescalero“-Aufruf zu distanzieren?
({0})
Herr Kollege von Klaeden, ich war an diesem Gespräch im Zug nicht beteiligt. Mir ist neu, dass Sie daran
beteiligt waren.
({0})
Insofern mag ich Ihre spekulative Wiedergabe des Gespräches nicht kommentieren, zumal Kollege Trittin im
Anschluss die Gelegenheit haben wird, selbst dazu Stellung zu nehmen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.
({0})
Herr Staatsminister, um
Ihnen die Möglichkeit zu geben, eine Antwort, die Sie soeben gegeben haben, zu korrigieren, frage ich Sie noch
einmal: Hat der Bundeskanzler seit der Sendung „Sabine
Christiansen“, die hier angesprochen worden ist, bis heute
nicht ein einziges Mal mit dem Bundesminister Trittin
über diese Angelegenheit gesprochen?
({0})
Herr Kollege Koppelin, ich habe diese Frage beantwortet.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.
Herr Staatsminister, Sie haben
soeben gesagt, dass Sie nur für sich persönlich antworten
können, was die Frage bezüglich der Identität des Autors
betrifft. Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Identität
des Autors Herrn Trittin bekannt ist?
({0})
Mir zumindest ist das nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Axel Berg.
Herr Staatsminister, der Verlauf
dieser Fragestunde bringt mich auf folgende Idee: Halten
Sie es für möglich, dass das Treffen zwischen dem Sohn
Bubacks und dem Umweltminister initiiert worden ist
bzw. geplant war?
({0})
Herr Kollege Berg, ich mag darüber nicht spekulieren.
Wir kommen dann zur Frage 4 des Kollegen Dr. Max Stadler:
Sind der Bundesregierung die Gründe bekannt, aus denen der
Bundesminister Trittin Nachfragen von Journalisten auf der Pressekonferenz vom 22. Januar 2001 abgelehnt hat?
Herr Kollege Stadler, Bundesminister Jürgen Trittin
hat am 22. Januar 2001 am Rande einer Parteiratssitzung
in Berlin eine kurze Presseunterrichtung vorgenommen.
Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, den Ablauf einer Presseunterrichtung, die am Rande einer Sitzung eines Parteigremiums stattgefunden hat, zu kommentieren.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Stadler.
Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Aussage von
Herrn Trittin, die in einem morgen im „Stern“ erscheinenden Interview wiedergegeben wird, nämlich dass er
seinerzeit mit anderen einen anderen Staat gewollt habe,
unter anderem mit der Begründung, dass er für Meinungsfreiheit habe kämpfen wollen? Wie beurteilen Sie
diese hehre und nachvollziehbare Zielsetzung im Zusammenhang damit, dass er es Journalisten verweigert, Nachfragen zu stellen?
({0})
Herr Kollege Stadler, ich habe Ihnen soeben gesagt,
dass ich eine Presseunterrichtung, die am Rande einer Sitzung eines Parteigremiums stattgefunden hat, nicht zu
kommentieren habe. Nach meiner Kenntnis über diese
Presseunterrichtung und nach Einschätzung des Bundeskanzlers hat Bundesumweltminister Trittin allerdings das
Notwendige gesagt.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Stadler.
Herr Staatsminister, darf ich
Ihrer Antwort entnehmen, dass, wenn das Notwendige in
Presseunterrichtungen gesagt wird, wir auch künftig damit rechnen müssen, dass Mitglieder der Bundesregierung Nachfragen von Journalisten nicht beantworten werden?
({0})
Herr Kollege Stadler, wie nicht zuletzt der Ablauf der
Fragestunden in jüngerer Zeit zeigt, bedeutet die Aussage
„Das Notwendige ist gesagt worden“ noch lange nicht,
dass es nicht noch mehrmals hinterfragt wird.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.
({0})
Herr Staatsminister, in dem eben
erwähnten „Stern“-Interview sagt Herr Minister Trittin
auch, die meisten wüssten, wer er sei und woher er
komme. Da ja die Fragen der Journalisten nicht beantwortet worden sind und unsere hier offenkundig auch
nicht, frage ich: Wäre es möglich, dass wir im Rahmen
dieser Fragestunde erfahren, wer Herr Trittin ist und woher er kommt?
({0})
Herr Kollege Niebel, wenn Sie sich bisher nicht mit
den Mitgliedern der Bundesregierung und den Kolleginnen und Kollegen im Hause beschäftigt haben, empfehle
ich Ihnen die Lektüre dieses kleinen Buches: Kürschners
Volkshandbuch „Deutscher Bundestag“,
({0})
in dem auch die biografischen Angaben des Kollegen
Trittin enthalten sind.
({1})
Eine Zusatzfrage, des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatsminister, trifft die Meldung der „Bild“-Zeitung vom 18. März
1999 zu, dass Bundesminister Trittin seinen Ministeriumssprecher angewiesen habe, jegliche Frage oder Nachfrage zu seiner kommunistischen Vergangenheit zu verweigern? Wenn das so ist: Was ist der Grund dafür?
({0})
Ich glaube, es gibt dazu eine Frage, die anschließend
beantwortet werden wird.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.
({0})
Herr Staatsminister,
nachdem Sie soeben den Kollegen Niebel auf das amtliche Handbuch des Deutschen Bundestages hingewiesen
haben, wo er nachschlagen solle, wenn er Informationen
über die politische Vergangenheit des Herrn Bundesministers Trittin erfahren wolle, möchte ich Sie fragen: Worauf führen Sie es zurück, Herr Staatsminister, dass im
amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestages kein
Wort über die Vergangenheit von Herrn Minister Trittin
im KB und seine dortigen Funktionen enthalten ist?
({0})
Das, Herr Kollege, ist weder eine veröffentlichungspflichtige Angabe, noch war es je ein Geheimnis. Insofern
konnte das jeder politisch informierte Mensch wissen.
({0})
Wir sind
am Ende des Geschäftsbereichs des Bundeskanzleramtes.
Vielen Dank, Herr Staatsminister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Zur Beantwortung steht Herr Bundesminister Jürgen
Trittin zur Verfügung.
Wir kommen zur dringlichen Frage 5 des Kollegen
Hirche:
Ist es zutreffend, dass der Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, am
6. Januar 1994 in dem NDR-Fernsehinterview „Profile“ bezüglich
des „Mescalero“-Nachrufs gesagt hat: „Da hat es Leute gegeben,
die haben gesagt: ‚Nein, wir distanzieren uns davon nicht. Zu denen habe ich gehört. Das halte ich nach wie vor für richtig.“?
Herr Kollege Hirche, der
Wortlaut des NDR-Interviews steht vielen zur Verfügung.
Sie können das nachlesen. Ich lese es hier vor:
Es ging damals um den Buback-Nachruf, wo ein
Sponti seine sehr emphatische Absage an den Terrorismus mit einigen sehr unstaatsmäßigen Gedanken
eingeleitet hat. ... Die so genannte klammheimliche
Freude, die dann zu dem Ergebnis kam, dieses mit
dem Terrorismus sei der falsche Weg, das war ein radikal-pazifistischer Aufsatz, der aber dann in einer
Weise diskutiert und verboten und kriminalisiert
worden ist. Und da hat es Leute gegeben, die haben
gesagt: „Nein, wir distanzieren uns nicht davon“. Zu
denen habe ich gehört, und das halte ich nach wie vor
für richtig. Es hat auch ein paar Professoren gegeben,
die sich davon nicht distanziert haben. Ich erinnere
an Peter Brückner hier aus Hannover.
Hinzuzufügen bleibt: Peter Brückner gehörte zu jenen
Professoren, gegen die damals das Land Niedersachsen,
- CDU-regiert - mit den Mitteln des Disziplinarrechts
vorgegangen ist. Er ist suspendiert worden, weil sie eine
Dokumentation des so genannten Buback-Nachrufs
herausgegeben hatten.
Alle diese Professoren sind rehabilitiert worden. Anders aber als seine Kollegen hat Professor Brückner seine
Rehabilitierung nicht mehr erlebt. Er starb, gebrochen
über seine Suspendierung, im Jahre 1982.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hirche.
Wie erklären Sie es, Herr
Minister Trittin, dass Sie gestern Abend in einem NDRInterview, nachdem Sie sich am Vortag offenbar von dem
Verbrechen distanziert haben,
({0})
auf die Frage des Journalisten, ob es denn nun eine Distanzierung gebe oder nicht, nur Folgendes erklärt haben:
Ich habe mir diesen Artikel nie zu Eigen gemacht
und habe immer nur für die Veröffentlichung von so
etwas gestimmt.
Herr Kollege Hirche, Sie
haben hier eben fast wörtlich die Erklärung zitiert, die ich
am Montag abgegeben habe. Deswegen verweise ich Sie
darauf.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hirche.
Dann darf ich doch noch einmal fragen, ob Ihnen bei dieser Wiederholung eigentlich
bewusst ist, dass Sie, wenn Sie das so wiederholen,
nachträglich den Vorgang vom Sonntag bestätigen?
Herr Kollege Hirche, ich
habe Ihnen, weil ich zur Kenntnis genommen habe, dass
es Ihnen um die Wahrheitsfindung und nichts als die
Wahrheitsfindung geht, anstelle einer Interpretation eben
wörtlich das vorgelesen, was ich 1994 in einem Wahlkampf, in dem wir als politische Konkurrenten auftraten - Sie haben damals übrigens den Wiedereinzug in den
Landtag verpasst, wenn ich das richtig in Erinnerung
habe -,
({0})
gesagt habe, als die F.D.P. damals in der Opposition war.
Das kann jeder selbst beurteilen. Ich glaube, es ist nicht
Aufgabe der Bundesregierung, öffentlich gesagten Worten noch Interpretationshilfen hinzuzufügen, auch wenn
wir natürlich gern der Opposition mit Dienstleistungen
zur Verfügung stehen.
({1})
Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden.
({0})
Herr Minister
Trittin, ich frage Sie, warum Sie das von der Nachrichtenagentur dpa 1994 übermittelte Zitat aus der Sendung gerade an dem Punkt abbrechen, an dem es interessant wird;
({0})
denn Sie enden mit dem Satz:
Ich erinnere an Peter Brückner hier aus Hannover.
Dann geht das Zitat von Ihnen aber weiter:
Es hat aber auch viele gegeben, die damals umgefallen sind und sich an die Seite des Staates gestellt haben und dieser ganz großen Koalition aller anderen
Parteien angehört haben, und das sind Erfahrungen,
die prägen einen.
Wenn ich dieses Zitat und den weiteren Wortlaut des
Zitats richtig interpretiere, das wirklich nicht zu lang ist,
sodass man es hier hätte vortragen können, dann wird daraus deutlich, dass Sie nicht eine dritte Stellung eingenommen haben, sondern dass Sie sich in dieser Sendung
noch damit gebrüstet haben, zu den Gegnern des Staates
gehört zu haben.
Wie stehen Sie heute dazu?
({1})
Ich wiederhole, was ich
eben zu Herrn Kollegen Hirche gesagt habe: Es ist nicht
Aufgabe der Bundesregierung, Oppositionspolitikern bei
der Interpretation öffentlich zugänglicher Texte zu helfen.
({0})
Ich bestätige Ihnen ganz offiziell, dass Sie das eben nach
meiner Erinnerung korrekt vorgelesen haben. Ich habe bewusst an der Stelle mit Peter Brückner geendet, weil ich
darauf verweisen wollte, welche Opfer Sie mit dieser Art
Politik, die Sie hier betreiben und gegenüber anderen
Menschen betrieben haben, mit produziert haben.
({1})
Zusatzfrage, Frau Kollegin Göring-Eckardt.
({0})
Herr Bundesminister, ich frage Sie, wie Sie angesichts der bisher an Sie gestellten Fragen und der Debatte
um Gewaltbereitschaft in den 70er-Jahren die gestern vorgestellte Kampagne der CDU in Bezug auf die Rentenreform und die Diffamierung des Bundeskanzlers in diesen
Veröffentlichungen bewerten.
Es ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, wenn eine Partei, die dem Deutschen
Bundestag angehört und die auch eine Reihe von Bundeskanzlern gestellt hat, sich in einer Wahlwerbung dazu
hinreißen lässt, den amtierenden Bundeskanzler als einen
Verbrecher darzustellen.
Diese Art der politischen Auseinandersetzung erzeugt
ein Klima im Lande, das mich an die Zeiten der
Jahre 1968 und anderer erinnert, als in dieser Weise - von
bestimmten Presseorganen gesponsert - ein Klima entstanden ist, das schließlich in Gewalttätigkeiten und sogar
in einem Mordattentat auf Rudi Dutschke geendet hat. Ich
finde eine solche Vorgehensweise einer Partei schlicht
und ergreifend unerträglich.
({0})
Zusatzfrage, Kollege Niebel.
({0})
Herr Minister, ich möchte gern
zur Ausgangsphrase
({0})
- Entschuldigung -, Ausgangsfrage zurückkommen.
Auch ich finde die Kampagne nicht gut, aber sie hat nichts
mit der Ausgangsfrage zu tun.
Herr Minister, wir haben vorhin gelernt, dass weder der
Staatsminister im Kanzleramt noch die breite Öffentlichkeit wissen, wer der Autor ist. Ich möchte Sie direkt fragen: Wissen Sie, wer der Autor ist?
Nein.
Zusatzfrage, Herr Kollege Sebastian Edathy.
Herr Bundesminister
Trittin, halten Sie es ebenso wie ich für bemerkenswert,
dass ein früherer Sprecher der Regierung Kohl, nämlich
Peter Boenisch, heute in der „Bild“-Zeitung von der
„Maßlosigkeit im Umgang miteinander“ und vom „Bürgerkrieg in Worten“ schreibt? Halten Sie es ebenso wie
ich für bemerkenswert, dass der frühere F.D.P.-Bundesinnenminister Baum sagt: „Ich finde, dass hier wirklich eine
Generation diffamiert wird; es ist eine Riesenheuchelei im
Gange in der Beurteilung der 68er. Es hat seitdem keine
Generation mehr gegeben, die das Land so aktiv verändert
hat“?
({0})
Finden Sie ebenso wie ich, dass, wenn wir im Zuge der
Debatte über die Bekämpfung des Rechtsextremismus
immer wieder in diesem Saal betonen, dass die Grundlage
eines anständigen Miteinanders die Achtung der Würde
des anderen ist,
({1})
dann die Achtung der Menschenwürde auch die Grundlage für das parlamentarische Miteinander sein muss und
dass man hierüber ein wenig in Sorge geraten kann?
({2})
Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, auch wenn es nur selten der Fall ist, dass ich
mit Herrn Boenisch einer Meinung bin. Ich habe an dieser Stelle allerdings noch die Anmerkung zu machen, dass
ich schon ein wenig darüber erschüttert war, dass die Partei des Herrn Baum vorhin bei den Fragestellungen nicht
mehr in der Lage war, zwischen personenbezogenen und
sonstigen Daten zu unterscheiden. Dass das rechtsstaatliche Erbe der F.D.P. und des Herrn Baum so schnell verloren geht und vergessen wird, hätte ich nicht gedacht.
({0})
Zusatzfrage, Kollege Koppelin.
Ich möchte auf das NDRFernsehinterview, das schon angesprochen wurde,
zurückkommen. Sie haben gesagt, es hat jede Menge gegeben, die damals umgefallen sind und sich auf die Seite
des Staates gestellt haben. Das sind Erfahrungen - so haben Sie weiter gesagt -, die einen prägen; wenn man damals gestanden hat, weiß man auch, was man von anderen Leuten zu halten hat.
Nun frage ich Sie aufgrund Ihrer Äußerungen in dieser
Woche und Ihrer Beurteilung von damals bei dem Interview: Sind Sie jetzt umgefallen und auf der Seite des Staates?
Ich weiß, was ich von anderen zu halten haben, aber ich muss das nicht immer sagen.
Das war ja eine tolle Antwort!
({0})
Wir kommen zur dringlichen Frage 6 des Kollegen Walter Hirche:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Aufklärung
dieser Vorgänge „niemanden etwas angehe“, wie der „Frankfurter
Allgemeinen Zeitung“ vom 22. Januar 2001 zufolge die Nachfrage eines Journalisten offenbar aus dem Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beschieden wurde?
Jürgen Trittin hat aus seiner
KB-Mitgliedschaft nie ein Geheimnis gemacht. Die
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ beruft sich in ihrem
Artikel vom 22. Januar 2001 auf den - so wörtlich die
„FAZ“ - Hofkolumnisten der „Bild“-Zeitung, Graf
Nayhauß. Die Bundesregierung sieht sich außerstande,
den Wahrheitsgehalt von Artikeln des Grafen Nayhauß zu
beurteilen.
Zusatzfrage, Kollege Hirche.
Herr Minister, darf ich davon
ausgehen, dass Sie entgegen der Auffassung, die in der
„FAZ“ wiedergegeben wurde, durchaus der Meinung
sind, dass die Aufklärung Ihrer Vergangenheit im Zusammenhang mit Ihrem Amt eine wichtige Rolle spielen
könnte?
Sehen Sie, es gab Abgeordnete des Deutschen Bundestages, die zeitweilig, auch
zu der Zeit, als ich der Landesregierung in Niedersachsen
angehörte, ein Landtagsmandat innehatten. Ich kann mich
nicht daran erinnern, dass die F.D.P. beispielsweise damals irgendeine Gelegenheit ausgelassen hätte, über
meine Vergangenheit zu sprechen. Ich erinnere mich noch
an eine Reihe entsprechender Anträge und Ähnliches. Insofern kann ich nur den Satz wiederholen: Wir haben aus
unserer Vergangenheit hier nie einen Hehl gemacht und
sie war auch bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Hirche.
Darf ich Ihr Schmunzeln eben
am Ende Ihrer Antwort
({0})
so interpretieren, Herr Kollege Trittin, dass Sie auf das
stolz sind, was Sie gemacht haben?
({1})
Herr Hirche, die Bundesregierung legt Wert auf die Feststellung, dass nicht jeder
freundliche Gesichtsausdruck ein Feixen ist.
Zusatzfrage, Kollege Koppelin.
Herr Bundesminister, da
auffällt, dass Sie, wenn die Fragen aus der SPD-Fraktion
mit Zeitungskommentaren kommen, diese ausführlich beantworten, bei uns aber, wenn wir mit Zeitungskommentaren kommen, sagen, die Bundesregierung kommentiere
das nicht, möchte ich Ihnen einen Kommentar aus der
„Neuen Zürcher Zeitung“ von gestern vorhalten. Ich wäre
für Ihre Stellungnahme dankbar. Da heißt es:
Die Vorgänge um den Außenminister und seinen Kabinettskollegen machen einmal mehr deutlich, dass
eine klare Grenzziehung zwischen dem linksextremen Milieu jener Tage und dem harten Kern des Terrorismus nicht möglich ist.
Das ist eine Einschätzung
der „Neuen Zürcher Zeitung“. Ich wiederhole: Es ist nicht
Aufgabe der Bundesregierung, Interpretationen von Zeitungsaufsätzen vorzunehmen. Sie wissen - wir streiten
gemeinsam dafür - dass in diesem Lande die Freiheit
herrscht, seine Meinung auszudrücken.
Zusatzfrage, Kollege Niebel.
Herr Bundesminister, nachdem
Sie eben - wie ich finde, zu Recht - die hervorragenden
Leistungen des Bundesinnenministers Baum in der sozialliberalen Koalition gelobt haben,
({0})
möchte ich auf das morgige „Stern“-Interview eingehen,
in dem Sie, auf die damalige Zeit zurückblickend, sagen:
Wir wollten einen anderen Staat und wir kämpften für
Meinungsfreiheit. - Deswegen möchte ich gerne von Ihnen wissen, ob Sie der Ansicht sind, dass die sozialliberale Koalition seinerzeit unter Willy Brandt einen Staat repräsentiert hat, in dem Meinungsfreiheit nicht möglich
war.
Ich muss Sie darauf verweisen, dass es zu diesem Zeitpunkt durchaus vorgekommen ist, dass Menschen, die Parolen bestimmten Inhalts
an Wände gesprüht haben
({0})
- Moment, nicht wegen Sachbeschädigung, sondern wegen Werbung für eine terroristische Vereinigung -, gelegentlich über mehrere Monate in Untersuchungshaft gingen, ohne anschließend auch verurteilt worden zu sein.
Ich verweise darauf, dass es in diesem Zusammenhang
zum Beispiel Ermittlungsverfahren gegen jene Professoren gegeben hat, die diesen Nachruf veröffentlicht haben,
dass aber diese Professoren im Übrigen im Anschluss alle
freigesprochen worden sind. Es scheint also so zu sein,
dass es zu diesem Zeitpunkt eine heftige Auseinandersetzung darüber gegeben hat, wie weit die Grenzen der Meinungsfreiheit gegangen sind. Dass hierbei, gelegentlich
vielleicht auch vonseiten des Staates, über das Ziel hinausgeschossen worden ist, das haben inzwischen eine
Reihe der dort Handelnden in vielen Gesprächen öffentlich bekannt. Vielleicht sollten Sie dieses in den Erinnerungen von Herrn Baum oder des ehemaligen Bundeskriminalamtspräsidenten Herold einmal nachlesen.
Zusatzfrage der Kollegin Rönsch.
({0})
Zuerst beantworte ich Ihre Frage: Ja, aber auf der anderen
Seite, in Frankfurt. Mich hat die Polizei geschützt.
({0})
Herr Bundesminister, könnten Sie ein Beispiel für das
geben, was Sie gerade angesprochen haben? Welche Parolen haben denn zu mehrmonatiger Haft geführt? Könnten Sie das, was an Wände gesprüht worden ist, einmal
thematisieren?
Ich habe auf diese Beispiele verwiesen, die Sie aus verschiedenen Akten kennen. Sie können sie auch entsprechend nachlesen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fromme.
Herr Minister, wenn Sie hier eine solche Behauptung aufstellen, dann
müssen Sie sie auch mit einem Namen belegen können.
Ist Ihnen das möglich? Ich meine den Namen eines Inhaftierten.
Ich kenne die Personen
nicht persönlich.
({0})
Ich will nur auf eines hinweisen.
({1})
- Nein. Erlauben Sie mir die folgende Bemerkung, mit der
ich auch etwas klarstellen möchte, was Stimmungsmache
angeht.
Ich habe in den letzten Tagen eine Reihe von Zeitungen nachgelesen. Ich will Ihnen ein Zitat vorlesen:
Obwohl, wir sind abends immer an der „SchumannKlause“ mit erhobener Faust vorbeigezogen, dem
Treff der Bonner Linken, und haben schon überlegt,
dass wir da mal reinmarschieren und einen kleinen
Bürgerkrieg mit denen anzetteln.
({2})
Der „Tagesspiegel“:
Das haben ja dann andere für Sie erledigt.
Antwort:
Das stimmt. Die Kneipe existiert heute nicht mehr,
nachdem ein paar Freunde von mir - ich schwöre, ich
war nicht dabei - einen Müllcontainer durch die
Fensterscheibe geschmissen und das Lokal in Schutt
und Asche gelegt hatten. Ich fand das zu der Zeit eine
politische Großtat, die haben wir tagelang gefeiert.
Heute würde ich so etwas nicht mehr akzeptieren.
Ich bin im Laufe der Jahre liberaler geworden. Und
ich bestehe auf dem Recht, mich verändern zu dürfen.
Ende des Zitats von Herrn Friedrich Merz.
({3})
Ich will hier mit allem Nachdruck erklären: Ich bin nie
dabei gewesen, wenn die Kneipen von politisch Andersdenkenden mithilfe von Müllcontainern in Schutt und
Asche gelegt wurden. Ich habe auch nicht im Anschluss
an eine solche Tat tagelang mit den Tätern zusammen gefeiert. Darauf lege ich Wert.
({4})
Zusatzfrage, Kollege von Klaeden.
({0})
Herr Trittin, da Sie
so viel Wert darauf legen, dass Sie sich seit den 70er-Jahren geändert haben, möchte ich Sie gerne einmal mit einem Vorgang aus den 90er-Jahren konfrontieren, aus der
Zeit, als Sie bereits Minister in Niedersachsen geworden
waren und ich selber nach meinem Studium noch in Göttingen gewohnt habe. Ist es richtig, dass Sie am 16. Juli
1994 zu einer verbotenen Demonstration aufgerufen haben, bei der der mit 800 Personen besetzte so genannte
schwarze Block selbstverständlicher Teil des Demonstrationszuges war, dass aus diesem schwarzen Block Steine,
Flaschen und Knallkörper geworfen worden sind, dass
mehrere Beamte daraufhin mit tiefen Fleischwunden im
Göttinger Klinikum behandelt werden mussten und dass
der Leiter der Göttinger Polizei, Otto Knoke, Ihnen danach heftige Vorwürfe gemacht hat, weil Sie nicht nur zu
dieser nicht angemeldeten Demonstration aufgerufen,
sondern auch an ihr teilgenommen haben, und würden Sie
wenigstens sagen, dass Sie dieses Verhalten heute, nachdem Sie ein Regierungsamt innehaben, bedauern?
Sehr geehrter Herr von
Klaeden, wenn ich mich richtig erinnere,
({0})
handelte es sich um eine gemeinsame Demonstration, zu
der Mitglieder der Sozialdemokraten, der Partei der Grünen und einer Reihe von Gewerkschaften aufgerufen haben, an der auch Autonome teilgenommen haben und bei
der es bedauerlicherweise zu strafbaren Handlungen gekommen ist.
({1})
Die Unterstellung, jene Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Grünen, die sich für diese Demonstration eingesetzt haben, die im Übrigen einen engen Zusammenhang
damit hatte, dass wir es zu dieser Zeit in Göttingen mit
dem Aufkommen eines äußerst gewalttätigen Rechtsradikalismus zu tun hatten, würden diese illegalen Akte billigen, muss ich hier in aller Deutlichkeit zurückweisen.
({2})
Zusatzfrage des Kollegen Hohmann.
Herr Trittin, Sie haben soeben gesagt, dass Sie nicht unmittelbar an Gewaltakten beteiligt gewesen seien. Können Sie ausschließen,
dass die Agitation, die Sie im Kommunistischen Bund betrieben haben, eine fast notwendige Vorstufe und Durchgangsstufe zu terroristischen Anschlägen war,
({0})
wie sie dann von der RAF bzw. den Revolutionären Zellen begangen worden sind, dass sie sozusagen das Mistbeet war, aus dem diese Giftpflanzen gesprossen sind?
({1})
Herr Kollege Hohmann,
ich glaube, die Wortwahl Ihrer Frage erübrigt jede Antwort.
({0})
Zusatzfrage des Kollegen Gehrcke.
Herr Minister, kommen
auch Sie bei diesen Fragen zu der Auffassung, es gehe immer weniger um Aufklärung - ich meine nicht „Aktenzeichen XY... ungelöst“ -, sondern immer mehr um Diffamierung und Denunziation? Unter Denunziation leidet
jedoch die Demokratie in diesem Lande. Können Sie einen solchen Eindruck verstehen?
Der Bundesregierung
drängt sich ein solcher Eindruck nachhaltig auf.
({0})
Ich rufe
die dringliche Frage 7 des Abgeordneten Eckart von
Klaeden auf:
Trifft der Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom
22. Januar 2001 zu, der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, habe während seiner Amtszeit als Bundesratsminister des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder im norddeutschen Regionalfernsehen 1993 nicht ohne Stolz bekannt, dass er zu den wenigen
Standhaften im Allgemeinen Studierendenausschuss Göttingen
gehört habe, die sich selbst unter starkem öffentlichen Druck nicht
von dem so genannten „Mescalero“-Nachruf von 1977 distanziert
hätten?
Herr Kollege von Klaeden,
ich verweise auf die Antwort, die bereits zur Frage 5 gegeben worden ist.
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Herr Minister
Trittin, ist die Darstellung, die Herr Professor Buback
über das Gespräch zwischen Ihnen beiden im Zug sowohl
in der Sendung „Sabine Christiansen“ als auch danach gegeben hat, falsch gewesen?
Herr Präsident, ich verweise darauf, dass der Inhalt dieser Frage auf den Gegenstand der Frage 8 zielt.
({0})
Ich rufe
die dringliche Frage 8 des Kollegen von Klaeden auf, damit Sie sie schon jetzt beantworten können:
Hat Bundesminister Trittin sich zwischenzeitlich von dieser
früheren Aussage öffentlich mit Bedauern distanziert und, wenn
nein, warum nicht?
Ich wollte nur um die Erlaubnis bitten.
Herr Professor Buback hat das knappe Gespräch mit
mir unvollständig wiedergegeben. Ich habe ihn deshalb
unmittelbar nach der Sendung am Sonntag angerufen. Ich
habe ihn am Sonntagnachmittag im ICE nach Berlin zweimal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich mir den
Aufsatz eines Göttinger Studenten aus dem Jahre 1977
„Buback - ein Nachruf“ nicht zu Eigen gemacht habe. Der
Mord an dem Generalbundesanwalt Buback gehört zu den
schlimmsten Verbrechen, die der Terrorismus in den 70erJahren begangen hat.
({0})
Den davon betroffenen Angehörigen gilt mein Mitgefühl.
Dies habe ich in einem Telefonat mit Herrn Buback zum
Ausdruck gebracht.
Sollte aus dem nicht einmal zweiminütigen Gespräch
beim Platznehmen bei Herrn Buback - ein für mich bis
dahin Unbekannter - ein anderer Eindruck entstanden
sein, so bedauere ich dies ausdrücklich. Ich habe ihm angeboten, über alle Fragen gemeinsam ein ausführliches
Gespräch zu führen. Ich freue mich, dass er sich hierzu bereit erklärt hat.
({1})
Da Sie damit die Frage 8 mit beantwortet haben, stehen Herrn von
Klaeden drei Zusatzfragen zu. Bitte schön, Herr von
Klaeden.
Ich habe nur die
Frage, Herr Minister, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu
nehmen, dass sich die Antwort, die Sie gegeben haben,
nicht auf meine Frage 8 bezog, weil die Frage 8 auf Ihr
heutiges Verhältnis zum „Mescalero“-Nachruf zielte und
nicht darauf, wie das Gespräch im ICE abgelaufen ist?
Können Sie lesen?
Ich kann lesen und auch
hören. Von daher verweise ich Sie auf die eben erfolgte
Antwort über den Ablauf des Gesprächs im ICE um
16.02 Uhr von Göttingen nach Berlin.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fromme.
Herr Trittin,
wie bewerten Sie die Kommentierung des Vorgangs durch
den niedersächsischen „Rundblick“: „Wer Trittin kennt,
weiß, dass Herr Buback Recht hat“?
({0})
Herr Kollege, der leitende
Redakteur des „Rundblicks“ ist mir seit längerem bekannt. Ich verweise darauf, dass es der Bundesregierung
fern liegt, Presseveröffentlichungen zu kommentieren.
Da Sie aber offensichtlich sehr nachdrücklich über Gewalt und Politik nachdenken, will ich Ihnen bei dieser Gelegenheit etwas mit auf den Weg geben. Ich rate Ihnen:
Schauen Sie sich einmal die Homepage der Jungen Union
an. Dort findet sich unter dem Link „Kult: JU-OnlineSpiel Schwarzwild“ der Verweis auf ein Spiel, das man
herunterladen kann.
Wenn man mit diesem Spiel beginnt, fliegt erst das bekannte Moorhuhn über den Bildschirm und wird abgeschossen. Dann singt Roberto Blanco, um schließlich der
Vorsitzenden Ihrer Organisation das Wort zu erteilen, die
dann eine Einführung zu diesem Spiel gibt. Bei diesem
Spiel geht es darum, dass man mit einem Holzhammer auf
vor dem Tor des Reichstages aus der Erde wachsende Politikerportraits schlägt, damit sie wieder in der Erde versinken. Wenn man einen solchen Politiker trifft, stößt er
einen Schmerzensschrei aus und verschwindet. Nun ist
die Art und Weise interessant, in der die Junge Union
diese Treffer belohnt: Trifft man einen Unionsabgeordneten, gibt es Punktabzug; trifft man ein Mitglied der Bundesregierung oder der Koalition, gibt es ein Vielfaches an
Pluspunkten. Trifft man meine Person, gibt es die Höchstzahl von 1 000 Punkten. Meine Damen und Herren, ich
finde dieses Spiel nur mittelmäßig komisch.
({0})
Spielt man dieses Spiel weiter, landet man in einem virtuellen Reichstag, wo an einer Tür mein Name steht und
daneben ein schwarzes Kreuz an die Wand gemalt ist. Auf
eine weitere Möglichkeit des Spiels weist Frau Hildegard
Müller ausdrücklich hin: Dieses Spiel geht nach Muster
des Moorhuhnschießens: Man bewegt mit dem Cursor
eine Kanzlerpuppe und muss versuchen, auftauchende Figuren meiner Person zu treffen. Schafft man es mit dem
Mauscursor in Gestalt des Kanzlers, in die Nähe des
Kopfes des Umweltministers zu kommen und klickt, dann
tritt der Bundeskanzler den Bundesumweltminister,
wofür der Spieler 200 Punkte gutgeschrieben bekommt.
({1})
Meine Damen und Herren, wenn das Ihre Vorstellung
von Gewaltfreiheit in der Politik ist, dann haben Sie sich
hier in einem Maße philisterhaft aufgeführt, das schlicht
und ergreifend unerträglich ist.
({2})
Zusatzfrage, Kollege Barthle.
({0})
Herr Bundesminister
Trittin, Sie haben vor wenigen Minuten auf die Frage, ob
Sie den Verfasser des unsäglichen „Mescalero“-Artikels
kennen, klar und deutlich mit Nein geantwortet. In der Beantwortung der Frage des Kollegen von Klaeden haben
Sie soeben gesagt, dass dieser Artikel von einem Göttinger Studenten stamme.
({0})
Auf welche Erkenntnisse gründen Sie die Behauptung,
dass der Verfasser dieses Artikels ein Göttinger Student
war?
Das kann ich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Tatsache ist aber, dass die damalige
„Bewegung Undogmatischer Frühling“, die Mitglied des
AStA war, erklärt hat, dieser Artikel sei aus ihren Reihen
gekommen. Die Mitglieder der „Bewegung Undogmatischer Frühling“ setzten sich aus Studierenden der GeorgAugust-Universität zu Göttingen zusammen.
Wir sind
damit am Ende der Beantwortung der dringlichen Fragen.
Wir kommen nun zu den weiteren Fragen, zunächst
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Frage 1 des
Abgeordneten Hinsken soll schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Frage
steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf
Körper zur Verfügung. - Ich höre nun, dass auch die
Frage 2 des Abgeordneten Girisch schriftlich beantwortet
werden soll. Herr Körper, ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit.
Auch die Frage 3 des Abgeordneten Zierer aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz soll
schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Margareta Wolf zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Klaus Hofbauer
auf:
Ist der Bundesregierung die Studie, die von der Universität
Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Unternehmens- und Arbeitgeberverband AGA erstellt wurde, bekannt, in der aufgezeigt
wird, dass kleine und mittelständische Unternehmen bei der Vergabe von Krediten durch Banken und Sparkassen benachteiligt
werden?
Herr Präsident,
ich möchte die Fragen 4 und 5 zusammen beantworten,
wenn Sie erlauben.
Dann rufe
ich auch die Frage 5 des Abgeordneten Klaus Hofbauer
auf:
Wenn ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um
im Bereich der Kreditpolitik günstige Voraussetzungen zu schaffen, damit gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, die ja
die Masse der Ausbildungsplätze in der Bundesrepublik Deutschland stellen, die Finanzmittel von Banken und Sparkassen erhalten, die für erfolgreiche Geschäftsabläufe notwendig sind?
Herr Kollege
Hofbauer, in der Presse hat es Meldungen über eine vom
Institut von Professor Dr. Hansmann von der Universität
Hamburg erstellte Studie gegeben, die auf einer Vorabpräsentation durch die AGA beruhen. Diese Präsentation
ist der Bundesregierung bekannt. Die Studie selbst ist aber
noch nicht abgeschlossen. Soweit bereits Ergebnisse in
der Präsentation veröffentlicht wurden, bieten sie keine
Überraschungen. Sie zeigen insbesondere einen deutlichen Zusammenhang zwischen einer rückläufigen Gewinnentwicklung und einer abnehmenden Bereitschaft
zur Kreditvergabe, aber auch eine Abhängigkeit von der
Unternehmensgröße und der Finanzierungsbereitschaft.
Weil sich Veränderungen in der Finanzierungslandschaft bereits seit längerem abzeichnen und nicht erst
durch die oben genannte Studie entdeckt wurden, hat das
Bundeswirtschaftsministerium bereits im letzten Frühjahr
eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Sicherstellung der Finanzierung des Mittelstandes befasst. Die dabei
erreichte gemeinsame Erklärung des Bundeswirtschaftsministeriums, der Kreditwirtschaft und der Förderbanken
wurde im letzten November präsentiert. Die gemeinsame
Erklärung wurde sowohl von den öffentlich-rechtlichen
Banken als auch von den privaten Banken unterzeichnet.
Alle Gruppen erklären darin ihr ausdrückliches Interesse
an einer gesicherten Mittelstandsfinanzierung.
Zudem sind in der Erklärung - die wir Ihnen gerne
übersenden - eine ganze Reihe von Maßnahmen genannt,
die für die Sicherstellung der Finanzierung mittelständischer Unternehmen eine Rolle spielen. Die Arbeitsgruppe
wird über deren Umsetzung weiter beraten und in ihrer
künftigen Arbeit auch die Ergebnisse der in wenigen Wochen vorliegenden Hamburger Studie mit einbeziehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hofbauer?
Frau Staatssekretärin,
es ist eine Tatsache - Sie geben das ja auch zu -, dass hinsichtlich der Kreditvergabe für den Mittelstand gewisse
Probleme auftreten. Diese Probleme sind seit einiger Zeit
bekannt. Welche konkreten Schritte - Sie können ja nicht
warten, bis die Dinge von selbst gelöst sind - sind von
Ihrem Ministerium bereits eingeleitet worden, um die Situation beim Mittelstand zu verbessern? Ihre Aufgabe besteht ja gerade darin, dem Mittelstand in besonderem
Maße zu helfen.
Herr Präsident, ich möchte gerne noch eine zweite
Frage anhängen.
Sie haben
das Recht, zwei Zusatzfragen zu stellen. Sie können sie
auch zusammen stellen.
Meine zweite Frage:
Frau Staatssekretärin, sehen Sie gewisse Probleme, wenn
es für die Banken darum geht, Immobilien zu bewerten
bzw. Immobilien als Grundlage für die Gewährung von
Darlehen einzubeziehen? Denn die Bewertung von Immobilien nimmt immer mehr ab. Dadurch entstehen
natürlich Probleme, insbesondere wenn es darum geht,
Darlehen für Investitionen zu erhalten.
Herr Kollege
Hofbauer, die Bundesregierung ist für dieses Thema seit
langem hoch sensibilisiert. Das Problem ist der Bundesregierung bekannt; sie ist von den öffentlich-rechtlichen
Sparkassen und den Raiffeisenbanken darauf aufmerksam
gemacht worden, dass sich die Privatbanken zunehmend
aus der Kreditvergabe und der Weiterleitung von Fördermitteln zurückgezogen haben. Gerade vor diesem Hintergrund bedarf es, auch seitens der Opposition, einer
entsprechenden Würdigung, dass die Bundesregierung
zusammen mit allen Instituten - explizit dem Bundesverband deutscher Banken und den öffentlich-rechtlichen
Sparkassen - eine gemeinsame Erklärung zu diesem
Thema unterschrieben und diese auch publiziert hat. Ich
glaube, dass man mit dieser Erklärung den Bankenverband und die öffentlich-rechtlichen Sparkassen zu einer
Art Selbstverpflichtung veranlasst hat. Ich halte dies von
meiner Seite für absolut unterstützenswert.
Sie haben mit dem gesamten Komplex Basel II und den
darin angelegten Rating-Verfahren einen weiteren Punkt
angesprochen, den die Bundesregierung mitnichten unterschätzt. Die Bundesregierung sorgt dafür, auch in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Binnenmarkt der
Europäischen Kommission, dass die kleineren und mittleren Institute, ausdrücklich auch die Sparkassen, keinen
größeren Unsicherheiten als die Großbanken ausgesetzt
werden. Die Bundesregierung setzt sich auf EU-Ebene,
setzt sich beim Basler Abkommen ganz maßgeblich für
die Interessen der kleineren und mittleren Unternehmen
ein.
Zu Ihrer Frage der Absicherung via Immobilien: Mir
persönlich ist bekannt, dass Immobilien keine Garantie
für Kreditgewährung bieten, zumindest bei den Großbanken die Kreditvergabe nicht erleichtern, aber man gerade
bei den Raiffeisenbanken und Sparkassen sehr geneigt ist,
diese als Sicherung anzuerkennen. Unser Haus führt Gespräche mit dem Bundesverband deutscher Banken, mit
dem Sparkassen- und Giroverband und auf EU-Ebene. Ich
denke, dass wir auf einem guten Wege sind. Wir alle wissen, dass wir einen stark mit Eigen- und Fremdkapital
ausgestatteten Mittelstand brauchen. Das ist auch ein
Grund, warum sich das Bundeswirtschaftsministerium
sehr darum bemüht, dass die Deutsche Ausgleichsbank
Beraterbank des Bundes und Ansprechbank für den deutschen Mittelstand wird.
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Gudrun Kopp auf:
Welche haftungsrechtlichen Konsequenzen und Staatshaftungsansprüche ergeben sich für die Bundesregierung aus der BSEKrise, unter anderem wegen eigener Versäumnisse und eines mangelhaften Krisenmanagements?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Herr Präsident! Die Frage von Kollegin
Gudrun Kopp beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung hat aus der BSE-Krise politische Konsequenzen gezogen. Sowohl das Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten als auch das Bundesministerium für Gesundheit sind personell und administrativ neu organisiert worden. Anknüpfungspunkte für
haftungsrechtliche Konsequenzen, also Schadensersatzoder Entschädigungsansprüche gegen die Bundesrepublik
Deutschland, sind aus der Sicht der Bundesregierung
nicht gegeben.
Zusatzfrage, Frau Kopp?
Herr Staatssekretär, es ist richtig: Es sind personelle und organisatorische Konsequenzen gezogen worden. Die Frage 6 bezieht sich aber darauf,
ob auch intern aufgearbeitet wurde, welche Versäumnisse
es in der Vergangenheit gegeben hat, und ob daraus Landwirte und möglicherweise Erkrankte - das möge hoffentlich niemals passieren - rechtlich einen Kausalzusammenhang mit späteren Haftungsansprüchen gegenüber
dem Staat herstellen können. Es wundert mich, dass Sie
das so kategorisch ausschließen. Ich frage noch einmal:
Ist intern und auch inhaltlich aufbereitet worden, welche
Fehlentscheidungen und Versäumnisse es gegeben hat?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Frau Kollegin Kopp, zur Beantwortung
dieser Frage müssen wir ins Detail gehen und das Wissen
über BSE mit in Rechnung stellen. Der Bundesregierung
und dem Gesetzgeber ist ebenfalls vorzuwerfen, dass
nicht früher als im November bzw. Anfang Dezember ein
generelles Verfütterungsverbot für Tiermehl beschlossen
wurde. Insofern haben sowohl die Bundesministerin
Andrea Fischer als auch der Bundesminister Karl-Heinz
Funke die Verantwortung für diese Fehleinschätzung mit
übernommen.
Wenn wir jetzt aber unter dem Gesichtspunkt haftungsrechtlicher Fragen das aktuelle BSE-Geschehen anschauen, dann kommen wir zum Schluss, dass aufgrund
der langen Inkubationszeit das aktuelle Tiermehlverfütterungsverbot eine eher vorsorgende Entscheidung ist. Die
Tiere, die jetzt befallen sind, wurden um das Jahr 1995
geboren. Es liegt nahe, dass mit infiziertem Tiermehl vermischtes Futter, das kurz nach der Geburt verfüttert
wurde, der Ausgangspunkt für die aktuellen Erkrankungen ist. Insofern ist nicht die jetzige Bundesregierung
der Adressat von Haftungsansprüchen, sondern es geht
um Entscheidungen, die früher gefallen sind.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gerade die
Überprüfung der Einhaltung des Verfütterungsverbotes
von Tiermehl an Wiederkäuer zu 100 Prozent den Ländern obliegt und am ehesten die Frage zu stellen ist, ob
sich gegenüber diesen aufgrund mangelhafter Kontrolle
hinsichtlich des Verfütterungsverbotes von Tiermehl an
Wiederkäuer haftungsrechtliche Ansprüche ergeben.
Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kopp.
Ist es richtig, Herr Staatssekretär, dass die Entschädigungszahlungen, die die Landwirte demnächst erhalten werden, fernab von möglichen
Schadensersatzforderungen zu sehen sind, die in der Zukunft von Landwirten gegenüber der Bundesregierung
gestellt werden könnten? Heißt das also, dass Sie intern
ein - ich nenne es einmal so - Rechtsgutachten erstellt haben und nach wie vor der Meinung sind, sich auf rechtlich
sicherem Boden zu befinden?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Mir ist nicht bekannt, dass die Bundesregierung beabsichtigt, Entschädigungszahlungen an Landwirte zu leisten. Mir ist lediglich bekannt, dass aufgrund
des Verfütterungsverbots, das der Gesetzgeber Anfang
Dezember beschlossen hat und als dessen Folge Härten
für die Landwirte eintreten können, gemeinsam mit den
Ländern, mit den Gebietskörperschaften im politischen
Raum darüber diskutiert wird, eine Hilfestellung zu leisten, aber keineswegs darüber, für Entschädigungsforderungen einzutreten.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Nolting.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, welche Kosten
aus der Tierkörperbeseitigung auf die Kreise zukommen,
und ist die Bundesregierung bereit, die Kreise von diesen
Kosten zu entlasten?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Die Bundesregierung ist nicht bereit, die
Kreise von den Kosten zu entlasten. Ich habe eben auf die
Zusatzfrage der Kollegin Kopp geantwortet, dass gegenwärtig sowohl die Kosten für die Entsorgung als auch der
Warenwert, der am Ende durch die Verbrennung verloren
geht, erfasst werden. Entsorgungskosten und Warenwert
dürften sich zusammen auf mehr als 100 Millionen DM
belaufen. Über die Übernahme der Kosten wird gegenwärtig mit den Ländern und später mit den übrigen Gebietskörperschaften diskutiert.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Scherhag.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit der
Frage einer Entschädigung, die eventuell gefordert wird,
auch darüber nachgedacht, wie die Einbußen bei den Fleischereien im Zuge der BSE-Krise gedeckt werden können
und wie möglicherweise bei Verlust von Arbeitsplätzen
Hilfe geleistet werden kann?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Über eine Entschädigung und Hilfeleistung anlässlich der möglichen Arbeitsplatzverluste in der
Fleischbranche, im Bereich der Schlachthöfe und bei den
Metzgern, ist noch nicht diskutiert und noch keine Entscheidung getroffen worden.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Heiderich.
Herr Staatssekretär,
ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Größenordnung Kosten anfallen, insbesondere bei den Landwirten,
und wann gedenkt die Bundesregierung Maßnahmen zu
ergreifen, damit sich nicht die gesamte Belastung bei der
Landwirtschaft niederschlägt?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Ich habe soeben ausgeführt, dass es derzeit nur eine konkrete - oder, um exakt zu formulieren,
konkretere - Erhebung der Entsorgungskosten gibt, auch
was das nicht mehr brauchbare, mit Tiermehl versetzte
Kraftfutter angeht.
Die übrigen Kosten im gesamten Wirtschaftsbereich
- sowohl für die Erzeuger, also in der Landwirtschaft, als
auch für den weiterverarbeitenden Bereich - sind schwer
zu beziffern, zumal sie davon abhängen, in welchem Umfang die von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen zur Sicherheit greifen werden, das heißt in welchem
Umfang sich die Verbraucher auch wieder stärker dem
Konsum von Rindfleisch zuwenden.
Damit
kommen wir zur Frage 7 der Frau Kollegin Kopp:
Welche konkreten Veränderungen beabsichtigt die Bundesregierung, um dem Verbraucherschutz in dem neuen Ministerium
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft einen
höheren Stellenwert einzuräumen, und wann will die Bundesregierung das Parlament im Detail darüber informieren?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Frau Kollegin Kopp, der Bundeskanzler
hat eine neue Gewichtung in den Aufgaben und Kompetenzen von drei Ministerien vorgenommen: Das bisherige
Landwirtschaftsministerium wird zu einem Ministerium
für Verbraucherschutz, Ernährung - mit dem Schwerpunkt Lebensmittelsicherheit - und Landwirtschaft umgebaut.
Zu diesem Zweck werden aus dem Bundesgesundheitsministerium die Zuständigkeiten für Verbraucherschutz
und Veterinärmedizin sowie aus dem Bundesministerium
für Wirtschaft die Zuständigkeit für Verbraucherpolitik,
einschließlich Stiftung Warentest, in einem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, BMVEL, zusammengeführt. Gleichzeitig wird das
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz
und Veterinärmedizin in den Geschäftsbereich des BMVEL
verlagert.
Darüber hinaus sind im Zuständigkeitsbereich des bisherigen Landwirtschaftsministeriums neue Prioritäten für
eine artgerechte, naturnahe und umweltschonende Landwirtschaft zu setzen. An dem Vollzug dieser Entscheidung
wird zurzeit innerhalb der Bundesregierung gearbeitet.
Sobald das Ergebnis vorliegt, wird das Parlament darüber
informiert.
Mit dieser Entscheidung hat die Bundesregierung auf
ihrer Ebene einen wichtigen Schritt zur Bündelung der
Kompetenzen und zur Stärkung des Verbraucherschutzes
getan. Für die Zukunft müssen aber auch die Reibungsverluste und Defizite in der Zusammenarbeit zwischen
der Europäischen Union, dem Bund und den Ländern
beseitigt werden. Hierzu wird die vom Bundeskanzler
beauftragte Präsidentin des Bundesrechnungshofes,
Frau Dr. von Wedel, ihre Schwachstellenanalyse fortsetzen.
Zusatzfrage, Frau Kopp.
Herr Staatssekretär, ist die
Bundesregierung wirklich der Meinung, dass diese Aufteilung, die im Übrigen für viele noch sehr schwammig
ist, einem umfassenden Verbraucherschutz überhaupt dienen kann? Es gibt ja auch noch Verbraucherfragen jenseits
der BSE-Problematik. Von daher ist zu fragen: Ist die
Bundesregierung der Ansicht, dass die parlamentarische
Begleitung der Arbeit ausreicht - der bestehende Ausschuss setzt sich derzeit in erster Linie aus Agrariern zusammen -, um das Miteinander zum Thema Verbraucherschutz - ich nenne einmal das Beispiel Stiftung Warentest in diesem neuen Ministerium zu gewährleisten und dem
Verbraucherschutz umfassende Zuwendung und Bedeutung zukommen zu lassen?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Frau Kopp, sofern hier meine persönliche
Meinung gefragt ist, halte ich es für die richtige Entscheidung, alle Fragen des Verbraucherschutzes zusammenzuführen. Es ist im Übrigen eine Entscheidung des Bundeskanzlers, die an der Stelle von mir nicht kommentiert
werden muss, die aber auf alle Fälle richtig ist.
Die Frage, ob der Deutsche Bundestag in der Zukunft
bei der Ausschusszusammensetzung eine Teilung vornimmt, ist vonseiten der Bundesregierung nicht zu bewerten. Es wäre aber wenig hilfreich, wenn die Tatsache,
dass wir die bislang getrennten Kompetenzen in einem
Ministerium zusammenführen, am Ende keinen Niederschlag in der Ausschusszusammensetzung finden würde.
Im Gegenteil: Es wäre sicher richtig, wenn letztendlich
alle Fragen des Verbraucherschutzes in einem gemeinsamen Ausschuss gemeinsam diskutiert würden. Es obliegt im Übrigen den Fraktionen, die Zusammensetzung
des Ausschusses in eigener Verantwortung zu bestimmen - soviel zu Ihrem Querverweis zu den Agrariern.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kopp.
Wenn ich den neuen Organisationszuschnitt in dem Landwirtschafts- und Verbraucherministerium ernst nehme, dann frage ich mich:
Weshalb hat das Thema Ladenschluss - ein typisches
Verbraucherthema - die neue Staatssekretärin Wolf aufgegriffen und mit Vorschlägen versehen? Ist denn die neue
Aufteilung auch dem Wirtschaftsministerium bekannt?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Ich habe in den zehn Jahren meiner Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag gelernt, dass das
Thema Ladenschluss zum großen Teil ein Thema der Mittelstandspolitik ist. Ich denke nur an die Debattenbeiträge
meines Vorgängers im Amt, Ernst Hinsken, der genau
diese mittelstandsrelevanten Fragen zum Thema gemacht
hat.
({0})
Insofern vermag ich den Hintergrund Ihrer Frage an der
Stelle nicht zu erkennen.
Wenn mir eine weitere Bemerkung erlaubt ist, möchte
ich sagen: Den Aspekten zum Verbraucherschutz, die in
Ihren Fragen vorhin anklangen, werden wir durch ganz
entscheidende Maßnahmen Nachdruck verleihen, sodass
sich in Zukunft nicht mehr die Frage stellen wird, ob der
Verbraucherschutz in dem neuen Ministerium richtig angesiedelt ist.
({1})
Zusatzfrage, Kollege Scherhag.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung klar, dass zum Beispiel Fragen im Zusammenhang mit TÜV-Prüfungen für Produkte
in Zukunft von diesem Ministerium bearbeitet werden
müssen, wenn der Verbraucherschutz insgesamt dort
angesiedelt wird, was im Grunde genommen das Wirtschaftsministerium überflüssig macht?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Das Wirtschaftsministerium wird dadurch natürlich nicht überflüssig. Der Bundesministerin
Künast ist selbstverständlich klar, wie breit der Geschäftsbereich ihres Ministeriums in der Zukunft sein
wird. Ich gehe davon aus, dass sie sich den anderen Bereichen mit dem gleichen Nachdruck zuwenden wird, mit
dem sie sich in den ersten Tagen ihrer Amtszeit für die Lösung der Probleme bezüglich der Lebensmittelsicherheit
und des Verbraucherschutzes eingesetzt hat.
Zusatzfrage des Kollegen Heiderich.
Herr Staatssekretär,
werden sich neben den von Ihnen eben beschriebenen
Veränderungen in den Aufgaben der Ministerin auch Veränderungen bei den verschiedenen Bundesbehörden ergeben? Wenn ja: Bei welchen Bundesbehörden wird der
Aufgabenbereich neu zugeschnitten?
Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft: Ich habe schon eben in meiner Antwort
ausgeführt, dass das Bundesinstitut für gesundheitlichen
Verbraucherschutz und Veterinärmedizin in den Geschäftsbereich des BMVEL verlagert wird.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, das sind die Fragen 8
und 9, werden schriftlich beantwortet. Ich bedanke mich
bei Ihnen, Herr Staatssekretär Andres, dass Sie trotzdem
anwesend waren.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur
Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Angelika Mertens zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Helmut
Heiderich auf:
Wann wird die Bundesregierung die bereits 1998 fest eingeplanten und 1999 vom damaligen Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
Siegfried Scheffler, fest zugesagten Investitionszuschüsse von
circa 35 Millionen DM für die Modernisierung des Rangierbahnhofs Bebra als einer von circa 12 bis 14 überregionalen Zugbildungsanlagen freigeben und wann können dann die ersten Baumaßnahmen zur Zukunftssicherung von etwa 560 Arbeitsplätzen
am Cargo-Bahnhof Bebra ausgeschrieben und an möglichst heimische Betriebe vergeben werden?
Herr
Kollege Heiderich, das „Gesamtkonzept für die Modernisierung der Zugbildungsanlagen“ der Deutschen Bahn
AG sieht Modernisierungsmaßnahmen in insgesamt
18 Zugbildungsanlagen, darunter auch in Bebra, vor. Die
in Abstimmung mit der DB AG im Investitionsprogramm
1999 bis 2002 für das Modernisierungsprogramm „Zugbildungsanlagen“ vorgesehenen Mittel reichen jedoch
nicht aus, die Modernisierungsmaßnahmen an allen Standorten im Zeitraum bis 2002 mit Bundesmitteln zu finanzieren.
Im Investitionsprogramm Schiene stehen - in Abstimmung mit der DB AG - für das Modernisierungsprogramm Zugbildungsanlagen und für das Vorhaben kombinierter Ladungsverkehr, abgekürzt KLV, in der ersten
und zweiten Stufe insgesamt 317 Millionen DM zur Verfügung. Das hat zur Folge, dass lediglich ein Teil des
ursprünglich von der DB AG mit 676,6 Millionen DM
veranschlagten Modernisierungsprogramms mit Bundesmitteln im Zeitraum 1999 bis 2002 realisiert werden kann.
In Anbetracht der bis zum Jahre 2002 nur begrenzt zur
Verfügung stehenden Bundesmittel hat die DB AG für die
zu modernisierenden Zugbildungsanlagen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Prioritätenreihung
festgelegt und für die fünf vordringlichsten Vorhaben des
Modernisierungsprogramms einen Finanzierungsantrag
gestellt, der ein Gesamtinvestitionsvolumen von 211,7 Millionen DM im Investitionszeitraum 1999 bis 2004 umfasst. Der restliche Betrag ist für den kombinierten Ladungsverkehr vorgesehen.
In der beantragten Finanzierungsvereinbarung für die
erste Realisierungsstufe des Modernisierungsprogramms
ist der Zugbildungsbahnhof Bebra nicht enthalten. Dies
bedeutet aber lediglich, dass das Vorhaben derzeit noch
nicht zur Realisierung ansteht.
Aus diesem Grunde, aber auch im Hinblick darauf,
dass die DB AG als Eigentümer, als Bauherr und als Vorhabenträger über die Vergabe der Bauleistung und damit
auch über den Baubeginn ihrer Vorhaben in eigener
unternehmerischer Verantwortung entscheidet, können
seitens der Bundesregierung sowohl zur Frage des Beginns der ersten Baumaßnahmen in Bebra als auch zur
Frage, an welche Betriebe die DB AG die Bauaufträge
vergibt, keine Angaben gemacht werden. Eine Einflussnahme des Bundes auf diese Prozesse verbietet das Aktienrecht.
Herr Kollege Heiderich, Zusatzfragen?
Frau Staatssekretärin, sind Sie denn in der Lage, mir zu erklären, warum,
wie in meiner Frage vorgetragen, der Stand in den Jahren
1998 und 1999 ein völlig anderer war, als Mittel für den
Bahnhof Bebra bereits fest eingeplant und zugesagt waren und Ihre Bundesregierung öffentlich erklärt hat, dass
diese Mittel spätestens am Ende des Jahres 1999 investiert
werden sollen? Welchen Anlass und welche Gründe hat es
gegeben, dass die Bundesregierung von dieser Planung so
eklatant, wie Sie eben vorgetragen haben, abgewichen ist?
Sie
möchten, glaube ich, jetzt gerne detailliert hören, was der
damalige Staatssekretär gesagt hat.
({0})
Der damalige Staatssekretär hat gesagt, es sollten in Bebra
35,4 Millionen DM investiert werden. Er hat damals aber
auch gesagt, realistisch gesehen komme die Investition in
dem laufenden Jahr, also 1999, nicht mehr infrage. Die
Zeitung kommentiert übrigens, man könne keine Antwort
dazu geben, wie innerhalb kürzester Zeit 35,4 Millionen
DM verbaut werden sollen.
Sie wissen, dass sich die DB AG zurzeit in einem Prozess befindet, in dessen Zuge man sich besonders die Finanzlage anschaut. Man könnte salopp sagen: Der Vorstandsvorsitzende möchte gerne auf den Boden des
Topfes gucken. Sie werden verstehen, dass angesichts dieser Tatsache keine Investitionen getätigt werden, die nicht
in das Konzept der DB AG passen. Sie hat sich entschieden, sich den Bereich der Zugbildungsanlagen noch einmal anzuschauen, und aus unternehmerischer Einsicht
beschlossen, Bebra nicht in die Prioritätenliste aufzunehmen.
Weitere
Zusatzfrage, Herr Kollege Heiderich?
Frau Staatssekretärin, diese Äußerung hat ja nicht nur Ihr damaliger Kollege getroffen, sondern ist mehrfach auch in der Presse als
Äußerung von Abgeordneten der heutigen Regierungsfraktion veröffentlicht worden. Was hat denn die Bundesregierung bewogen, diese feste Zusage zurücknehmen
und von der Einreihung des Bahnhofs Bebra in den
Investitionskatalog an vorderer Stelle - ich glaube, es war
damals Platz 3 in der Investitionsrangliste -, was sogar
bereits öffentlich erklärt wurde, in der Form abzuweichen,
dass Sie jetzt sagen, Bebra tauche in der gesamten Investitionsplanung nicht mehr auf? Dass die Bahn AG heute
neue Bedingungen stellt und Finanzprobleme hat, war ja
zur damaligen Zeit nicht bekannt.
Wir
müssen unterscheiden, was einerseits die Bundesregierung und andererseits die DB AG gemacht hat. Das sind
zwei verschiedene Prozesse, die aber in diesem Falle zusammengekommen sind.
Nach der Veranstaltung mit dem damaligen Staatssekretär wurde im Zuge der notwendigen Haushaltskonsolidierung - übrigens auch der Erarbeitung des Investitionsprogramms 1999 bis 2001, der Überprüfung des
Bundesverkehrswegeplans und der Umsetzung der Strategie Netz 21 - erkennbar, dass sich die notwendige Festlegung der Maßnahmen und deren Prioritätenreihung
auch auf den Realisierungszeitraum der gesamten Modernisierungsmaßnahme Zugbildungsanlagen und somit
auch auf deren Teilprojekte - hierzu gehört der Rangierbahnhof Bebra - auswirken könnte. Das ist so geschehen.
Damit
kommen wir zur Frage 11 des Kollegen Heiderich:
Hat die jetzige Bundesregierung in ihrer Amtszeit Vereinbarungen mit der Deutschen Bahn AG getroffen bzw. entsprechende
Gespräche geführt, die zu einer Verringerung der Anzahl oder Bedeutung der bisher vorgesehenen 12 bis 14 überregionalen Zugbildungsanlagen führen werden, und welche Rolle wird bei der Investitionsentscheidung für die zukünftigen Standorte der heutige
Stand der Technik und die heutige Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Rangierbahnhofs spielen?
Die
jetzige Bundesregierung hat mit der Deutschen Bahn AG
weder Vereinbarungen getroffen noch Gespräche geführt,
die zu einer Verringerung der Anzahl oder Bedeutung der
im Gesamtkonzept der Deutschen Bahn AG für die
Modernisierung der Zugbildungsanlagen vorgesehenen 18 Zugbildungsanlagen führen werden. Welche Rangierbahnhöfe in das Modernisierungsprogramm aufgenommen worden sind, hat die DB AG in eigener
unternehmerischer Verantwortung entschieden.
({0})
Aus haushaltsrechtlichen Gründen muss sich die Investitionsentscheidung des Bundes am Ergebnis der von der
DB AG vorgelegten bzw. vorzulegenden Wirtschaftlichkeitsrechnung orientieren.
Zu einer Zusatzfrage,
bitte, Herr Kollege Heiderich.
Frau Staatssekretärin, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben
Sie mit Ihren Ausführungen und mit den Hinweisen auf
die finanzielle Lage der Bahn AG auch deutlich gemacht,
dass es nach dem Jahr 2004 für den Ausbau dieses Rangierbahnhofes bisher keine erkennbaren Möglichkeiten
gibt.
Das
kann ich weder bestätigen noch dementieren. Sie wissen,
dass das eine hohe Priorität hat, weil damit Ernst gemacht
werden kann, einen Teil des Verkehrs von der Straße auf
die Schiene zu verlagern. Wir sind sicherlich beide der
Meinung, dass in diesem Bereich alles getan werden
muss. Aber ich kann Ihnen nicht bestätigen, wann es getan wird.
Ihre zweite Frage,
bitte, Herr Kollege.
Ich darf auf das Argument zurückkommen, das man vonseiten der DB AG
heute hört, nämlich dass man vordringlich diejenigen
Rangierbahnhöfe ausbauen will, die bereits jetzt in einem
modernisierten Zustand sind, und dass diejenigen, die gegenwärtig in einem wenig entwickelten Zustand sind, in
der Investitionsliste nach hinten geschoben werden.
Wir
müssen sehen, dass die DB AG ein eigenständiges Unternehmen ist. Wir haben uns hier im Bundestag dafür entschieden. Wir beide waren übrigens nicht dabei, aber ich
glaube, dass wir beide diese Entscheidung mittragen. Insofern verbietet es sich für die Bundesregierung, sich ins
operative Geschäft einzumischen. Ansonsten hätte man
eine andere Form wählen müssen. Man hat aber die Form
einer AG gewählt, in der der Aufsichtsrat die Aufgabe hat,
das, was der Vorstand macht, zu kontrollieren und nicht,
wie in einer GmbH, Anweisungen zu geben, wie etwas zu
geschehen hat.
Ich rufe jetzt die
Frage 12 des Abgeordneten Peter Weiß auf:
Welchen Stand haben mittlerweile die Planungen und die ersten Schritte zur Realisierung einer Verknüpfung der deutschen und
französischen Hochgeschwindigkeitsnetze der Bahn sowohl über
Saarbrücken, Nordast, als auch über Straßburg, Südast, erreicht?
Die Bauarbeiten auf dem deutschen Nordast der
Schnellbahnverbindung Paris-Ostfrankreich-Südwestdeutschland haben 1998 begonnen. In Frankreich sollen
die Arbeiten an dem Abschnitt zwischen Vaires bei Paris, so haben wir uns geeinigt, und Baudrecourt in
Lothringen in diesem Jahr aufgenommen und im
Jahre 2006 abgeschlossen werden. Spätestens dann soll
auch der deutsche Abschnitt zwischen Saarbrücken und
Mannheim fertig gestellt sein.
Der deutsche Teil des Südastes der Schnellbahnverbindung Paris-Ostfrankreich-Südwestdeutschland von Kehl
nach Appenweier ist nur 17 Kilometer lang. Sein Ausbau
ist daher nur in Verbindung mit der Fertigstellung des
französischen Schnellbahnabschnittes von Baudrecourt
nach Straßburg sinnvoll. Die Entscheidung über den Beginn dieser französischen Ausbaumaßnahme ist noch
nicht getroffen.
Eine erste Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Weiß.
Frau
Staatssekretärin, da Sie soeben ausgeführt haben, dass für
den Nordast die Vorarbeiten auf der deutschen Seite bereits begonnen haben, und Sie andererseits noch einmal
darauf hingewiesen haben, dass Sie die Aufnahme der Arbeiten für den Südast auf der deutschen Seite erst dann für
gerechtfertigt ansehen, wenn die Hochgeschwindigkeitsstrecke auf französischer Seite zwischen Baudrecourt und
Straßburg gebaut ist, frage ich Sie: Ist damit nicht ein
großes Ungleichgewicht gegeben? Ist nicht die frühere
Aussage, dass man den Südast wie den Nordast der beiden TGV-Verbindungen von Paris nach Deutschland
gleichgewichtig und mit gleicher Geschwindigkeit realisieren will, hinfällig geworden? Gibt es damit nicht eine
eindeutige Benachteiligung der Südverbindung?
Ich
hoffe, dass ich Ihnen jetzt nichts Falsches sage. Deshalb
würde ich Ihnen das gerne auch noch schriftlich nachreichen. Aber ich glaube, man kann schon heute dort mit
ziemlich hohen Geschwindigkeiten fahren. Insofern ist
die Frage, glaube ich, nicht ganz richtig gestellt.
Herr Kollege Weiß,
bitte, eine zweite Frage.
Frau
Staatssekretärin, in der Tat plant die französische SNCF,
den TGV Est - auch wenn die Strecke nur bis Baudrecourt
als Hochgeschwindigkeitsstrecke ausgebaut ist - bis nach
Straßburg fahren zu lassen. Wäre es daher nicht im Interesse der deutschen Seite, dass bereits ab dem Jahr 2006
der TGV Est nicht nur in Straßburg hält, sondern bereits
auf die deutsche Seite hinüberfahren kann und so eine
Verknüpfung zum deutschen Hochgeschwindigkeitsnetz
ab dem Jahr 2006 gewährleistet werden kann?
Um
dies zu erreichen, müsste man die Verhandlungen und die
Gespräche mit dem französischen Nachbarn in dieser
Weise führen. Ich gehe davon aus, dass sie in dieser Weise
geführt werden.
Jetzt rufe ich die
Frage 13 des Abgeordneten Peter Weiß ({0})
auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Erwin Teufel,
und des Präsidenten des Conseil Régional d’Alsace, Adrien
Zeller - vergleiche Schreiben an den Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen vom 4. Dezember 2000 -, für einen
Stufenplan, um bereits in einer ersten Ausbaustufe bis zum Jahre
2006 den französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV Est
Straßburg/Kehl mit dem deutschen Hochgeschwindigkeitsnetz zu
verknüpfen?
Der
deutsche und der französische Verkehrsminister haben
sich im April 2000 darauf verständigt, dass der vorgesehene Ausbau des Nord- und des Südastes der Schnellbahnverbindung Paris-Ostfrankreich-Südwestdeutschland innerhalb der festgelegten Fristen koordiniert
stattfinden soll. Dies betrifft insbesondere den Ausbau der
Verbindung Saarbrücken-Ludwigshafen und die Verbesserung der Kapazitäten in der Region Kehl.
Zur Umsetzung dieser Absprache wird derzeit mit
Frankreich ein Stufenprogramm für den Ausbau der
Strecke Kehl-Appenweier erörtert.
Es gibt eine erste
Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Weiß.
Frau
Staatssekretärin, bislang war es die Position der deutschen
Bundesregierung und der Deutschen Bahn AG, dass sie
eine Ertüchtigung der Rheinbrücke zwischen Straßburg
und Kehl und der Bahnverbindung Kehl-Appenweier erst
nach dem Jahre 2010 für notwendig hielt, zu dem Zeitpunkt also, zu dem der TGV auf einer dann fertig gestellten Hochgeschwindigkeitsstrecke bis Straßburg fahren kann. Bedeutet die jetzige Aussage, dass sich die
Bundesregierung vorstellen kann, bereits bis zum Jahr
2006, also zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt, den
von Herrn Ministerpräsidenten Teufel und vom Präsidenten des Regionalrates des Elsass, Adrien Zeller, vorgeschlagenen Stufenplan zu realisieren, nachdem auf deutscher Seite die Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg
und der Streckenabschnitt Kehl-Appenweier so ertüchtigt
werden, dass der TGV mit einer Geschwindigkeit von zumindest 160 Stundenkilometern durch den Bahnhof Kehl
und über die genannte Strecke fahren kann?
Die
beiden Stufenprogramme sind nicht sehr unterschiedlich,
höchstens was die Zeiten angeht.
({0})
Wir haben einen anderen als den, den Ministerpräsident
Teufel vorschlägt. Im Ergebnis sind sie übrigens beide
gleich. Wir werden abwarten müssen, zu welchem Ergebnis die Verhandlungen mit Frankreich führen werden.
Insgesamt können Sie davon ausgehen, dass solche
Vorhaben so schnell wie möglich fertig gestellt werden.
Gerade beim grenzüberschreitenden Verkehr ist dies
äußerst notwendig. Man wird sich jetzt in erster Linie darauf konzentrieren, mit der französischen Regierung eine
Einigung zu erzielen. Die französische Regierung prüft
derzeit den Vorschlag unseres Ministeriums.
Der Kollege Weiß hat
eine zweite Frage. Bitte.
Frau
Staatssekretärin, da wir auf deutscher Seite, vor allen Dingen in Süddeutschland, verständlicherweise ein großes
Interesse daran haben, möglichst schnell eine Verknüpfung zwischen dem französischen und dem deutschen
Hochgeschwindigkeitsnetz herzustellen, und Sie die
Verhandlungen über den so genannten Stufenplan zur
Verwirklichung dieses Zieles angesprochen haben,
möchte ich Sie fragen: Wird der Herr Bundeskanzler dieses Thema anlässlich seines Zusammentreffens mit dem
französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac am
31. Januar dieses Jahres in Straßburg, an dem Ort also, an
dem diese Verknüpfung stattfinden soll, ansprechen und
in die Verwirklichung dieses Stufenplanes etwas mehr
Drive bringen?
Das
kann ich Ihnen nicht beantworten. Aber ich denke, man
könnte es anregen.
({0})
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur
Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 14 des Abgeordneten
Martin Hohmann auf:
Trifft es zu, dass der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, bei einer Tagung des NATO-Ministerrates vor einem Jahr
in Brüssel von 15.00 bis 20.00 Uhr privat unterwegs war, obwohl
er den Ehrenvorsitz hatte - vergleiche „Bild“ vom 16. Januar
2001?
Herr Hohmann, den Vorsitz hat auf NATO-Ratssitzungen grundsätzlich der Generalsekretär der NATO
inne. Einen Ehrenvorsitz - nach dem fragen Sie - gibt es
nicht. Die so genannte Ehrenpräsidentschaft ist eine von
den Sitzungen unabhängige protokollarische Funktion.
Am 15. Dezember 1999 nahm der Bundesminister des
Auswärtigen, Joseph Fischer, in Brüssel am Herbsttreffen
des NATO-Rates auf Außenministerebene unter dem Vorsitz des NATO-Generalsekretärs teil. In Wahrnehmung
seiner protokollarischen Funktion als Ehrenpräsident gab
der Minister ein Abendessen für die Außenminister der
46 Staaten des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrats, an
dem insgesamt circa 200 Personen teilnahmen.
Es gibt eine erste
Nachfrage des Kollegen Hohmann. Bitte.
Herr Staatsminister,
ist bei dem Treffen des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrates, das zuletzt genannt worden ist, der Herr Bundesaußenminister die ganze Zeit da gewesen oder nicht?
Der Minister nahm, wie bereits gesagt, am Herbsttreffen persönlich teil. Bei der Sitzung der NATOUkraine-Kommission am Nachmittag war Deutschland
durch den NATO-Botschafter vertreten. Es ist üblich, dass
sich NATO-Außenminister bei den meist eineinhalb- oder
zweitägigen Tagungen zeitweise vertreten lassen.
Keine zweite Zusatzfrage.
Dann rufe ich jetzt die Frage 15, ebenfalls eine Frage
des Kollegen Martin Hohmann, auf:
In welcher Zeit war R. K. persönlicher Mitarbeiter des heutigen Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer, und hat
dieser von tätlichen Angriffen dieses Mitarbeiters - vergleiche
„Die Welt“ vom 18. Januar 2001 - gewusst?
Herr Hohmann, der von Ihnen benannte Mitarbeiter
war nicht persönlicher Mitarbeiter des damaligen Abgeordneten Fischer, sondern Angestellter der Fraktion Die
Grünen.
Hier gibt es jetzt eine
Nachfrage des Kollegen Hohmann. Bitte.
Der entscheidende
Teil der Frage bezog sich darauf, ob dem heutigen Außenminister bekannt war, dass - ich zitiere - in zwei Fällen
Menschen wüst in die Weichteile getreten worden ist bzw.
dass in einem anderen Fall im Aufzug des Hochhauses
Tulpenfeld in Bonn ein Abgeordneter zusammengeschlagen worden ist.
Herr Hohmann, das ist eine Personalangelegenheit
der Fraktion und damit eines Teils des Parlaments. Die
Bundesregierung nimmt als Exekutive grundsätzlich
nicht zur Personalpolitik von Fraktionen Stellung.
Da die Frage 16 der
Abgeordneten Sylvia Bonitz schriftlich beantwortet wird,
rufe ich jetzt die Frage 17 des Abgeordneten Hartmut
Koschyk auf:
Welche Beiträge beabsichtigt die Bundesregierung zum diesjährigen Europäischen Jahr der Sprachen für die Stärkung der
deutschen Sprache insbesondere in den mittel- und osteuropäischen Staaten zu leisten, und welche Anstrengungen unternimmt
die Bundesregierung, um innerhalb der Europäischen Union die
Regional- und Minderheitensprachen zu stärken?
({0})
Herr Kollege Küster,
jetzt hat der Herr Staatsminister im Auswärtigen Amt das
Wort.
Herr Koschyk, im Rahmen des Europäischen Jahres
der Sprachen wollen die europäischen Länder vor allem
den Sprachenunterricht im jeweils eigenen Land fördern.
Die Bundesregierung verfolgt daher gemeinsam mit den
Ländern und allen, die für das Sprachenlernen Verantwortung tragen, insbesondere folgende Ziele: Vertiefung
des Bewusstseins für die Bedeutung der sprachlichen
Vielfalt in Europa und der damit verbundenen kulturellen
Werte, Förderung des Sprachenlernens als wesentliches
Element bei der persönlichen und beruflichen Entwicklung, Förderung der Mehrsprachigkeit und des lebensbegleitenden Lernens.
Im Rahmen dieser Ziele nutzt die Bundesregierung das
Europäische Jahr der Sprachen jedoch auch, um in unseren europäischen Partnerstaaten die Stellung der deutschen Sprache zu stärken.
Das Goethe-Institut hat aus Anlass des Europäischen
Jahres der Sprachen eine Reihe von Projekten zur
Deutschförderung organisiert - davon finden viele Veranstaltungen in Mittel- und Osteuropa statt -: Tagungen,
Werbebroschüren, verstärktes Angebot von Radio- und
Fernsehsprachkursen. Die neu konzipierte Ausstellung
zur deutschen Sprache „Herzliche Grüße“ wird auch in
Mittel- und Osteuropa zu sehen sein.
Die deutschen Auslandsvertretungen sind darüber hinaus aufgerufen, die Projekte im Rahmen des Europäischen Jahres der Sprachen in ihrem Gastland zu beobachten und sie, soweit die deutsche Sprache betroffen ist,
wenn möglich zu unterstützen. Die Staaten Mittel- und
Osteuropas sind im Übrigen ein regionaler Schwerpunkt
der Deutschförderung seitens der Bundesregierung.
Die Bundesregierung tritt generell dafür ein, dass das
Recht von nationalen Minderheiten, ihre kulturelle Identität zu wahren, überall respektiert und im Rahmen des
Möglichen von der jeweiligen Regierung gefördert wird.
Hierzu zählt als integraler Bestandteil die Respektierung
und Förderung der Sprache von nationalen Minderheiten.
Die Bundesregierung begrüßt es daher, dass im Rahmen des Europäischen Jahres der Sprachen nicht nur die
Amtssprachen der EU, sondern auch Regional- und Minderheitensprachen gefördert werden können.
Es gibt eine erste
Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Koschyk.
Herr Staatsminister,
heißt denn Ihre Ankündigung, dass die Bundesregierung
in diesem Jahr, das den Sprachen in Europa besonders gewidmet ist, sich darum bemühen wird, dass die doch erheblichen Kürzungen im Haushalt des Auswärtigen Amtes für die Verstärkung der Unterstützung für die deutsche
Sprache in Mittel- und Osteuropa zurückgenommen werden, und dass eventuell mit außerplanmäßigen Haushaltsmitteln gerechnet werden kann?
Herr Kollege, Sie kennen die Gründe für die Mittelkürzungen. Darüber haben wir oft genug geredet. Sie sind
durch die Haushaltsschieflage, die wir übernommen haben, begründet.
Alle Ressorts müssen ihren Beitrag leisten, auch das
Auswärtige Amt. Dieses hat das Zusatzproblem, dass
viele Mittel durch Personal, etwa bei unseren Auslandsvertretungen, sowie durch Pflichtbeiträge gebunden sind.
Die Programmmittel, die allein disponibel sind, entfallen
im Wesentlichen auf die auswärtige Kulturpolitik. Wir bedauern, dass deshalb die Streichverpflichtungen, die das
Auswärtige Amt getroffen haben, in diesen Bereich hineinwirken. Wir haben selbst ein großes Interesse daran,
die auswärtige Kulturpolitik intensiver zu fördern. Das ist
letztlich kein konsumtiver, sondern ein investiver Titel.
Ich denke, darüber sind wir uns einig.
Was die Sprachenpolitik angeht, so gibt es verschiedene gute Gründe, sie aktiver zu betreiben, als das in der
Vergangenheit der Fall war.
Kollege Koschyk,
Ihre zweite Frage, bitte.
Dann will ich so fragen: Werden sich das Auswärtige Amt und der Bundesaußenminister innerhalb der Bundesregierung zum Beispiel im Zuge von zusätzlichen Haushaltsmitteln bei einer
günstigeren Haushaltsentwicklung dafür einsetzen, dass
im laufenden Jahr - wenn Sie hier schon einen besonderen Beitrag der Bundesregierung zum Europäischen Jahr
der Sprachen erläutern - Haushaltskürzungen zurückgenommen werden?
Stimmen Sie mir nicht zu, Herr Staatsminister, dass
dieser Einsatz etwas unglaubwürdig wird, angesichts der
Tatsache, dass die Mittel für die Förderung der deutschen
Sprache im Ausland, für Stellen von Deutschlehrern, die
an Schulen im Ausland entsandt werden, und auch die
Mittel für deutsche Auslandsschulen insgesamt gerade in
den Haushaltsjahren 2000 und 2001 gekürzt worden sind?
Vizepräsidentin Petra Bläss
Wenn sich die Haushaltslage verbessert - das haben
Sie ja hypostasiert -, dann würden wir in der Tat im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik wieder aufstocken
müssen und wollen.
Die Einsparungen insbesondere im Auslandsschulwesen konnten wir teilweise durch Einzelregelungen vor Ort
auffangen, indem die Auslandsschulen selber im Benehmen mit den anderen Kulturmittlern wie den Goethe-Instituten, aber auch mit deutschen Auslandsvereinen entsprechende Wege gefunden haben. Es gab sogar eine
Menge von interessanten, neuen Lösungen.
Aber auch ohne zusätzliche Finanzmittel gibt es Wege,
die Stellung der deutschen Sprache zu stärken. Dabei ist
es notwendig, dass der Bund, insbesondere aber auch die
Länder sich Gedanken über die Kompatibilität deutscher
Hochschulabschlüsse mit den Hochschulausbildungen in
konkurrierenden Staaten machen. Dies scheint mir insbesondere im Rahmen der Globalisierung eine wichtige
Standortfrage zu sein. Vor diesem Hintergrund hat die
Bundesregierung auch in der Diskussion zur auswärtigen
Kulturpolitik letzte Woche entsprechend Stellung genommen.
Wir kommen jetzt zur
Frage 18 des Kollegen Hartmut Koschyk:
Welche Bestimmungen enthält nach Erkenntnissen der Bundesregierung das am 11. Januar 2001 vom polnischen Parlament
verabschiedete Gesetz zur Reprivatisierung des zwischen 1944
und 1962 enteigneten Vermögens hinsichtlich der polnischen
Staatsangehörigen deutscher Nationalität, und was unternimmt
die Bundesregierung, um gegenüber der polnischen Seite auf eine
Berücksichtigung der von den Enteignungsmaßnahmen betroffenen deutschen Vertriebenen zu drängen, sofern diese durch das
Gesetz über keinen Restitutions- oder Entschädigungsanspruch
verfügen sollen?
Herr Koschyk, nach Art. 3 des vom polnischen Sejm
verabschiedeten Gesetzes hat Anspruch auf eine Reprivatisierungsleistung, wer am Tage des Verlusts des Eigentums polnischer Staatsangehöriger war und die polnische
Staatsangehörigkeit am 31. Dezember 1999 besaß. Polnische Staatsangehörige deutscher Nationalität, die zum
Zeitpunkt der Enteignung nicht im Besitz der polnischen
Staatsangehörigkeit waren, sind ebenfalls berechtigt, sofern sie die polnische Staatsangehörigkeit nach den im
Gesetz genannten Bestimmungen erworben, Polen bis
zum 8. März 1984 nicht verlassen und am 31. Dezember
1999 die polnische Staatsangehörigkeit besessen haben.
Das Gesetz ist innenpolitisch umstritten. Polnische
Emigranten und die in den ehemaligen polnischen Ostgebieten verbliebenen und dort enteigneten Angehörigen
der polnischen Minderheit werden nicht entschädigt.
Das Gesetz ist noch nicht in Kraft getreten. Es muss
erst vom Senat gebilligt und vom Staatspräsidenten gezeichnet werden. Es ist derzeit ungewiss, ob Staatspräsident Kwasniewski vor den Wahlen im Herbst dieses Jahres das Gesetz zeichnen wird. Die Bundesregierung hält
hinsichtlich der Enteignung deutscher Vertriebener an ihrer Rechtsauffassung fest. Die Bundesregierung wird die
polnische Seite aber nicht drängen; sie ist weiterhin der
Auffassung, dass die Beziehungen nicht mit politischen
und rechtlichen Fragen der Vergangenheit belastet werden
sollen.
Die erste Nachfrage,
Herr Kollege Koschyk, bitte.
Herr Staatsminister,
die Bundesregierung ist mit der polnischen Seite im
deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag im Hinblick
auf Minderheitenschutzrechte für die in Polen lebenden
Deutschen zu einer völkerrechtlichen Vereinbarung gekommen. Sind Sie nicht der Auffassung, dass dann, wenn
das Gesetz Rechtsgültigkeit erlangt hat und sich daraus
Diskriminierungsgesichtspunkte für die deutsche Minderheit in der Republik Polen ergeben, die Bundesregierung
unter Berufung auf den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag gegenüber der polnischen Seite vorstellig
werden könnte und auch müsste?
Herr Koschyk, die Bundesregierung ist mit der polnischen Seite im Gespräch über diese Fragen. Sie stehen
auch im Zusammenhang mit den EU-Beitrittsverhandlungen. Alle diese Fragen sind aber kein konkreter Gegenstand der Verhandlungen. Wir gehen davon aus, dass in
dem Moment, in dem Polen Mitglied der EU sein wird,
die Immobilienfragen betreffenden Geschäfte offen für
alle EU-Bürger sind. Das wird EU-Standard sein. Zu diesen EU-Bürgern gehören selbstverständlich auch die Vertriebenen.
Eine weitere Nachfrage, bitte, Herr Kollege Koschyk.
Herr Staatsminister, meine Frage bezog sich in erster Linie auf die in der
Republik Polen lebenden polnischen Staatsangehörigen
deutscher Abstammung. Meine Frage war, ob die Bundesregierung, wenn sie erkennt, dass das polnische Reprivatisierungsgesetz in der Republik Polen lebende
polnische Staatsangehörige deutscher Abstammung benachteiligt, auf der Grundlage des deutsch-polnischen
Nachbarschaftsvertrags mit seinen Minderheitenschutzvereinbarungen, aber auch aufgrund von Vereinbarungen, die die Republik Polen in der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihren Zusatzprotokollen
eingegangen ist, nicht die Diskriminierung polnischer
Staatsangehöriger deutscher Abstammung gegenüber
der polnischen Seite ansprechen sollte.
Ich will nicht unterstellen, dass es Diskriminierungen gibt. Sollte es in der Zukunft Anzeichen für Diskriminierungen geben, können diese zum Gegenstand von
Gesprächen werden. Ich betone noch einmal: Wir wollen
die EU-Beitrittsperspektiven Polens und damit die endgültige Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen nicht
dadurch belasten, dass wir zu sehr rechtsförmig agieren
und die notwendige Sensibilität außer Acht lassen.
Die Frage 19 des Kollegen Norbert Hauser wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 20 des Kollegen
Hinsken, die Fragen 21 und 22 des Kollegen Michelbach
und die Frage 23 des Kollegen Siemann werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der
Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Brigitte Schulte zur Verfügung.
Die Fragen 24 und 25 des Kollegen Jürgen Koppelin
werden schriftlich beantwortet. Ich rufe jetzt die Frage 26
des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting auf:
Wie ist die Aussage des Bundesministers der Verteidigung,
Rudolf Scharping, vom 14. Januar 2001 zu verstehen, dass nicht
wegen der gesundheitlichen Risiken, sondern wegen der politischen Legitimität der NATO eine genaue Untersuchung zu den
Folgen des Einsatzes von DU-Munition ({0}) im Kosovo zu erfolgen
habe?
Herr Kollege Nolting, Sie vermischen in Ihrer Frage zwei Tatbestände, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Der Bundesminister
der Verteidigung hat, wie Sie aus den Veranstaltungen des
Verteidigungsausschusses wissen, frühzeitig, also lange
vor dem 14. Januar 2001, Schutzmaßnahmen ergriffen
und medizinische Untersuchungen und Kontrollen eingeleitet. Die Fürsorge und die Verantwortung für die Gesundheit der eingesetzten Soldaten sind damit deutlich geworden.
Was aber die Frage der politischen Legitimität der
NATO betrifft, so muss das Bündnis demokratischer
Rechtsstaaten sehr sorgfältig prüfen, welche Waffen es
einsetzt.
Herr Kollege Nolting,
bitte Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, wenn die Munition so harmlos ist, wie der Bundesminister der Verteidigung ständig sagt, warum bestellte er dann den Geschäftsträger der Botschaft der
Vereinigten Staaten am 17. Januar ein und warum sieht er
die politische Legitimität der NATO in Gefahr, wie er
Mitte Januar erklärt hat, zumal man weiß, dass man die Information auch anderweitig hätte erhalten können?
Lieber Herr Kollege Nolting,
einige Jahre der Zusammenarbeit im Verteidigungsausschuss haben wir beide schon hinter uns. Es trifft sich gut,
dass die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland abgereicherte Uranmunition beschaffen soll, in der Zeit diskutiert wurde, in der ich Berichterstatterin für den gesamten
Haushalt im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages war. Wir haben damals, auch mit den Stimmen der
Kollegen aus der Union, gesagt, dass wir diese Munition
lieber nicht nehmen, das auch unter dem Gesichtspunkt,
dass der Unterschied zwischen abgereicherter und angereicherter Munition nicht vielen klar ist. Es gab ja auch
Alternativen.
Die erste Frage zu dieser Munition hier im Bundestag
- es war eine Frage der Frau Kollegin Lippmann - habe
ich am 21. April 1999 beantwortet. Seitdem haben wir uns
in regelmäßigen Abständen im Parlament immer wieder
damit befasst. Keine Regierung hat früher als die deutsche
Bundesregierung wissen wollen, ob mit dieser Munition
nicht doch Gefährdungen verbunden sind. Jetzt wissen
wir - aber erst jetzt, und das ist der Vorwurf an unsere
amerikanischen Freunde -, dass diese Munition beim Einsatz verbrennt und dabei toxischer Staub entsteht. Falls
diese DU-Munition durch Plutoniumreste verunreinigt
ist, könnte möglicherweise ein höheres gesundheitliches
Risiko bestehen. Dies hätten wir von unseren Partnern
sehr gern früher erfahren. Wir haben das meines Erachtens bis dahin als zu vernachlässigend dargestellt bekommen. Allerdings hat es auch etwas damit zu tun, dass die
Vereinigten Staaten großen Schadensersatzprozessen ihrer eigenen Streitkräfte seit 1991 gegenüberstehen und
das Thema möglicherweise deshalb relativ heruntergefahren haben. Aber ich erwarte von einem Partnerstaat - ich
werde sicher nicht verdächtigt, irgendwelche negativen
Erfahrungen mit den Amerikanern zu haben -, dass er dieses offen mit uns diskutiert.
Es gibt jetzt die zweite
Nachfrage des Kollegen Nolting und dann, bereits angemeldet, eine Nachfrage des Kollegen van Essen und der
Kollegin Lippmann. Ich hoffe, dass wir das alles noch vor
Aufruf der Aktuellen Stunde schaffen.
Bitte, Herr Kollege Nolting.
Frau Staatssekretärin, hat der Minister bei der Einbestellung - ich betone: Einbestellung - des Geschäftsträgers bedacht, dass
sich die diplomatischen Beziehungen durch diese Einbestellung verschlechtern könnten, zumal dies, glaube ich,
in der Politik ein einmaliger Vorgang ist?
Ich halte dieses wirklich für
- nehmen Sie es mir nicht übel - eine Albernheit.
({0})
Ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, das einer
der verlässlichsten Partner der Vereinigten Staaten von
Nordamerika ist - das wissen die Vereinigten Staaten -,
hätte auf diesem Gebiet eigentlich eine offenere Informationspolitik erwarten können. Ich habe nicht das geringste
Problem, zu sagen: Freunde, dieses sagt uns bitte früher
und deutlicher. - Die Diskussion ist ja nicht in Deutschland, sondern in anderen Staaten entstanden. Ich weiß,
wie zurückhaltend die Vereinigten Staaten von Nordamerika und auch andere Bündnispartner in diesen Fragen waren. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Deswegen habe ich
überhaupt keine Sorge, dass sich das amerikanisch-deutsche Verhältnis dadurch in irgendeiner Weise verschlechtern könnte.
Jetzt die Nachfrage
des Kollegen Jörg van Essen, bitte.
Frau Staatssekretärin, man
konnte der Presse heute entnehmen, dass Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt über das Vorgehen des Bundesverteidigungsministers, nämlich den amerikanischen
Geschäftsträger einzubestellen, irritiert oder vielleicht sogar befremdet gewesen sind. Wie ist die offizielle Position
der Bundesregierung in dieser Frage heute? Hält die Bundesregierung die Einbestellung des amerikanischen Geschäftsträgers weiter für berechtigt?
Ich halte das für notwendig
und sinnvoll und ich kann nicht bestätigen, was in der
„Süddeutschen Zeitung“ gestanden hat. Ich habe von
keinerlei Irritation des Bundesaußenministers oder des
Bundeskanzlers gehört. Ich könnte mir vorstellen, Herr
Kollege van Essen - Sie sind ja lange im Parlament -, dass
es möglicherweise in der Administration Leute gab, die
meinten, man müsse bestimmte Dienstwege einhalten,
und deswegen ihr Erstaunen kundgetan haben.
Bei einer so wichtigen Frage wie der des abgereicherten Urans, zu der auch der Bundeskanzler Stellung genommen hat, ist es, denke ich, selbstverständlich, dass der
deutsche Verteidigungsminister Auskunft verlangen kann
und dass er diese Auskunft bekommt. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass der Außenminister und der
Bundeskanzler damit Probleme hätten.
Frau Kollegin
Lippmann, auch Sie haben eine Zusatzfrage. Bitte.
Frau Staatssekretärin, können Sie uns erklären, weshalb nicht bereits nach dem
15. April 1999, als sich die Verdachtsmomente, dass die
amerikanischen Soldaten seinerzeit mit den A-10-Bombern DU-Munition über dem Kosovo oder auch über anderen Teilen Jugoslawiens verschossen haben, verdichteten, der US-Botschafter einbestellt wurde, um Aufklärung
über den Wahrheitsgehalt dieses Verdachts zu erhalten?
Liebe Frau Kollegin Lippmann,
weil Sie, wie ich gesagt habe, die Erste waren, die in diesem Parlament danach gefragt hat, habe ich meine Antwort
noch einmal auf Richtigkeit untersucht. Das war ja am
21. April 1999, also einen Monat nachdem wir in eine militärische Auseinandersetzung mit Jugoslawien eingetreten waren. In der Tat wurde zu diesem Zeitpunkt von unseren amerikanischen Freunden, wie wir nachträglich
wissen, diese Munition bereits eingesetzt, ohne dass wir
darüber offiziell informiert worden sind.
Es ist schade, dass der Kollege Koppelin nicht mehr da
ist; sonst hätte ich dazu auch noch etwas sagen können.
Das spielte nämlich bei seiner Frage eine Rolle.
Ich habe mich gefragt: Habt ihr mich beschwindelt und
habe ich der Kollegin Lippmann eine falsche Auskunft
gegeben? In der Tat haben wir festgestellt, dass diese Munition - allerdings erst seit Anfang April - verwandt
wurde, aber wir noch nicht über den Einsatz dieser Munition unterrichtet waren. Ich denke, da muss sich in den
Spielregeln etwas ändern. Mit einer Einbestellung des
amerikanischen Botschafters wäre ich in dieser Zeit und
in dieser Situation etwas zurückhaltender gewesen. Aber
dass sich die Fachleute nicht darüber informiert haben,
welche Munition jeweils eingesetzt wurde, war eine
interessante Erfahrung für uns. Ich denke, die wird sich
nicht wiederholen.
Als letzte Frage rufe
ich jetzt die Frage 27 des Kollegen Günther Friedrich
Nolting auf:
Warum informierte der Bundesminister der Verteidigung,
Rudolf Scharping, erst am 30. September 1999 die Mitglieder des
Verteidigungsausschusses über eine bereits am 30. Juni 1999 eingegangene Warnung der NATO bezüglich des Einsatzes von DUMunition im Kosovo?
Herr Kollege Nolting, das
Thema DU-Munition hat, wie ich Ihnen bereits sagte, zum
ersten Mal im April 1999 und dann ab Mai 1999 mehrmals
den Verteidigungsausschuss, aber auch den Bundestag beschäftigt. Wir haben es hier behandelt. Es begann im
Frühjahr 1999 mit der Diskussion im Bundestag. Es setzte
sich im Herbst 1999 fort. Dann gab es wieder eine ruhigere Zeit. Im Frühjahr 2000 ging es weiter; die Angelegenheit ist dann wieder im Ausschuss behandelt worden.
Nun haben wir, was die meisten in der Öffentlichkeit
vergessen haben, das Thema erst wieder auf der Tagesordnung, nachdem in Italien eine Diskussion darüber begonnen wurde, ob Soldaten, die im Bosnieneinsatz waren
und mit dieser Munition in Berührung gekommen sind,
eventuell deswegen an Krebs erkrankt sind.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Einsatz dieser Munition dann gekannt. Wir selbst besitzen sie
nicht. Das Bundesministerium der Verteidigung, das Heeresführungskommando und die Truppe vor Ort haben
schon vor den offiziellen Informationen der NATO, die
wir erst am 1. Juli bekommen haben, ausreichende
Schutzmaßnahmen für den Umgang mit allen möglichen
Arten zu findender Munition getroffen.
Vor dem Hintergrund der Unterrichtung des Verteidigungsausschusses am 12. und 19. Mai 1999 und dieser
zahlreichen mündlichen und schriftlichen Fragen sowie
Kleinen Anfragen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages vor der Sommerpause sowie der Antwort auf die
Kleine Anfrage der PDS-Fraktion vom 24. Juni 1999 und
eines Berichts an den Unterausschuss für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung vom 22. Juni 1999
- alle nachlesbar in den Unterrichtungen des Parlaments - war meines Erachtens eine Information der
Öffentlichkeit vorhanden. Sie wurde nach der SommerParl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
pause fortgesetzt. Ich könnte die Daten im September und
November nennen. Auch da gab es Kleine Anfragen, in
deren Beantwortung übrigens nicht nur das Verteidigungsministerium, sondern auch die Ministerien für Umwelt sowie Forschung und Technologie eingeschaltet
wurden.
Ich erteile dem Kollegen Nolting das Wort, bitte ihn aber, sich kurz zu fassen.
Sie haben selbstverständlich das Recht zu fragen. Danach
hat sich die Kollegin Lippmann zu einer Frage gemeldet.
Ich muss dann aber die Fragestunde beenden, damit wir
rechtzeitig mit der Aktuellen Stunde anfangen können.
Herr Nolting, bitte.
Frau Präsidentin, ich mache es kurz.
- Frau Staatssekretärin, welche Erkenntnisse sind die
Grundlage der Behauptung des Bundesministers der Verteidigung, dass es in Deutschland zu neuen Unfällen mit
uranhaltiger Munition gekommen sei, wobei die US-Armee dem heute widersprochen hat?
Das ist eine berechtigte Frage,
der wir noch nachgehen.
({0})
- Ich habe nicht das Recht, festzustellen, ob eine Frage berechtigt oder unberechtigt ist. Ich danke für Ihren Hinweis.
Herr Kollege Nolting, wir sind zu dieser Überzeugung
aufgrund unserer Erkenntnisse gekommen, die wir zusammengestellt haben und die auch aus amerikanischen
Quellen stammen. Da nun auf einmal die amerikanische
Armee sagt, es gebe nur drei solcher Vorfälle - deshalb
auch die „Einbestellung“; ich möchte es jetzt freundlicher
formulieren -, haben wir die Bitte an die amerikanische
Botschaft gerichtet, uns über diese Vorfälle aufzuklären
und uns zu sagen, wie es zu diesem Missverständnis kam.
Leider ist in der Vergangenheit nur sehr zögerlich etwas zugegeben worden. Deshalb gab es bei uns ein längeres Nachforschen, um diese Vorfälle zu überprüfen.
Leider gibt es auf den Truppenübungsplätzen, die in der
Verwaltungszuständigkeit unserer Partner stehen, immer
noch keinen deutschen Standortältesten. Sonst würde bei
der Weitergabe von Informationen manches sicherlich
besser funktionieren.
Eine letzte Zusatzfrage des Kollegen Nolting.
Frau Staatssekretärin, wie können Sie sich erklären, dass Befehle und
Weisungen - ich sage auch einmal: Informationen -, die
bezüglich des Umgangs mit DU-Munition gegeben wurden, offensichtlich bei vielen Soldaten vor Ort, die im Kosovo im Einsatz sind bzw. waren oder auch in Bosnien im
Einsatz sind bzw. waren, nicht angekommen sind?
Ihre Frage würde ich gern mit
dem Hinweis auf Ihren Fraktionskollegen Braun - er hat
einen pfiffigen Vergleich angestellt - beantworten. Er hat
darauf hingewiesen, dass wir oft im Flugzeug sitzen und
uns immer der Hinweis gegeben wird, wie man sich im
Fall eines Druckabfalls zu verhalten hat. Wir alle hören
nicht zu.
Unsere Soldaten haben beim Betreten von Gebieten,
die sie nicht kennen - viele von Ihnen sind selbst einmal
bei der Bundeswehr gewesen -, Sicherheitsmaßnahmen
sorgfältig vorzunehmen, weil dort Munition von unseren
früheren Gegnern liegen könnte, deren Handhabung wir
nicht kennen. Deshalb ist die Behauptung, sie seien nicht
vor den Risiken gewarnt worden, die ihnen bei einem Einzug in den Kosovo drohten, falsch.
({0})
- Wir können nachweisen, was alles an Informationen
durchgeführt wurde. Auch kann es passieren, dass manche vergessen, was sie in all den Jahren gelernt haben. Es
soll auch bei Parlamentariern vorkommen, dass sie vergessen, woher sie Informationen erhalten haben.
({1})
Es ist wirklich so, dass die Bundeswehr vor solchen Risiken immer wieder gewarnt wird.
Herr Kollege Nolting, wir haben uns in der Öffentlichkeit viel zu lang mit Minen und ihren Gefahren beschäftigt. Aber wir haben vieles andere bedacht. Deswegen gab
es Gott sei Dank auch nur überschaubare Risiken.
Die letzte Zusatzfrage
der Kollegin Lippmann mit der Bitte, darauf kurz zu antworten.
({0})
Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie die Aussage des Verteidigungsministers in dem
ZDF-Interview mit Eser vom 14. Januar dieses Jahres,
wonach er bereits im Mai 1999 im Verteidigungsausschuss den Einsatz von DU-Munition bestätigt - ich betone: bestätigt - hat? Wie beurteilen Sie dies angesichts
der Befehle, die in den letzten Tagen quasi aus der Tasche
gezaubert wurden, und insbesondere angesichts der Aussage des damaligen Kommandeurs, General a. D. Harff,
wonach dies weder vor, während noch nach dem Einmarsch in den Kosovo Kommandeurssache gewesen sei?
Den letzten Punkt kann ich
nicht bestätigen. Das wundert mich bei einem so erfahrenen Offizier. Er hat mir das übrigens selbst gesagt. Ich
habe bei dieser Sache arge Zweifel, weil ich weiß, wie
man damit umgeht.
Die Aussage im Verteidigungsausschuss kann ich nur
deshalb bestätigen, weil ich mir heute die Protokolle des
Verteidigungsausschusses vorgenommen habe. Offiziell
sind wir von der NATO erst am 1. Juli 1999 darüber unterrichtet worden, welche Munitionsarten verwendet worden sind. Wir wussten jedoch inoffiziell, dass solche Munition von unseren Partnern eingesetzt worden war - daher
die Aussage des Verteidigungsministers, dass wir davon
auszugehen haben, dass unsere Partner diese Munition eingesetzt hatten.
Die Fragestunde ist
beendet. Die noch ausstehenden Fragen werden, wie es im
Hause üblich ist, schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Bundespolitische Auswirkungen des aktuellen
Schweinemastskandals in Bayern
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPDFraktion hat die Kollegin Heide Wright.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ein Unglück kommt selten allein.
Dass aber ein Unglück das andere jagt und dass gleich so
gehäuft via Bayern jeder Ansatz der Rückgewinnung von
Vertrauen bei Bürgerinnen und Bürgern, die notgedrungen alle Verbraucherinnen und Verbraucher sind, zunichte
gemacht wird, ist hart bis deprimierend. Die Landwirtschaft steht an der Wand. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen nicht mehr, was sie der Politik glauben
sollen.
Wenn ich hier stehe und mit dem Finger Richtung
München zeige,
({0})
dann nützt das auch nur begrenzt. Dennoch müssen wir
dahin schauen, wo der Skandal sein Zentrum hat. Die
bayerische Idylle wurde zur Farce. Mir san mir - nach diesem Motto lief es in Bayern zu lange wie geschmiert; im
wahrsten Sinne des Wortes: geschmiert von hinten bis
vorne, von BSE bis zum Schweinemastskandal. Bayern,
skandalumwoben!
Das Zentrum der Landwirtschaftsskandale liegt in
Bayern, und zwar mitten in der Staatskanzlei.
({1})
Hier jedoch wie auch in den Bauernzirkeln ist die eigene
Verantwortlichkeit recht schwach ausgeprägt. So hat doch
der unterfränkische Bauernverbandsvertreter noch am
Samstag, dem 20. Januar, also im vollen Bewusstsein aller
bayerischen Missstände, die bayerischen Qualitätskontrollen gelobt und gar die Neuwahl der Berliner Regierung gefordert. Schlimmer, frecher, dreister kann man
nicht mehr von sich weg und auf andere zeigen.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, irgendwann ist es
doch so weit,
({3})
dann geht es auf keine Kuhhaut mehr, was an Großsprecherei, Augenwischerei und Verharmlosung geboten
wurde. Irgendwann lässt sich die Vielzahl der Skandale
nicht mehr schönreden, wegdrücken oder gar auf andere
schieben. Man fragt sich, ob der Mehrzahl der sauber arbeitenden landwirtschaftlichen Betriebe und den zutiefst
verunsicherten Verbrauchern wirklich noch mehr zuzumuten ist. Ist die Bewältigung der BSE-Krise, der Zusammenbruch des Rindfleischmarktes, die Angst um
Fleisch- und Wurstkonsum wegen BSE nicht genug?
Nein, nach dem Motto, der nächste Skandal kommt bestimmt, ist es jetzt der breite Missbrauch in den Schweinemastbetrieben.
Dann muss man sich wirklich nicht über den Verlust
jeglichen Glaubens an all die schönen Reden und prallen
weiß-blauen Broschüren, die tollen weiß-blauen Siegel
und die Goldbanderolen um das „Stück Lebenskraft“
wundern. Der Skandal ist nicht mehr zu toppen. Deshalb
ist es nicht mehr als recht und billig, dass endlich auch im
Skandalkartell der Bayerischen Staatsregierung personelle Konsequenzen gezogen wurden. Das macht den
Weg für Aufräumungs- und Aufbauarbeiten etwas freier;
denn es muss weiter aufgeräumt werden: in Ministerien,
Behörden, Verbänden und Tierarztpraxen sowie auf Bauernhöfen. Wer hat denn nicht alles mitgemacht? Wer hat
denn nicht alles Schuld und Mitschuld? Wer hat denn die
Anträge der SPD in Bayern jahrelang ignoriert? Wer leistet es sich denn, dass in Bayern Tierarztpraxen nur alle
drei Jahre kontrolliert werden? Es wird schon nichts passieren, gell?
Es ist schon erstaunlich, wie lange und hinter wie vielen Rücken alles Mögliche geschehen konnte. Was ist denn
von einem Landwirtschaftsminister Miller zu halten?
({4})
Hat er nichts gewusst? Ja, was ist er denn für ein Minister?
({5})
Oder hat er etwas gewusst? In beiden Fällen ist er, denke
ich, nicht mehr tragbar. Mein „Main-Echo“ titelt heute:
„Der Miller fällt nicht weit vom Stamm“.
({6})
Es muss jedem ganz klar sein: Dieser Schweinemastskandal ist kein Kavaliersdelikt, er ist kein kleiner Unterschleif oder gar eine freundliche Dienstleistung des Tierarztes.
({7})
- Herr Heinrich, ich danke Ihnen; es ist kriminelles Handeln. - Es ist auch nichts, was gerade einmal so passiert,
ohne dass es jemand bemerkt hätte. Man hat vonseiten der
Staatskanzlei zugeschaut. Der Arzneimittelmissbrauch
muss bereits über Jahre angedauert haben und seit Jahren
haben Verantwortliche in der bayerischen Politik und in
der Bauernlobby die Bekämpfung des Missbrauchs bewusst unterlassen bzw. verhindert. Die Funktionalität im
Mastbetrieb war wichtiger als der Gesundheitsschutz der
Verbraucher. Zynischer und schlimmer kann man vermeintliche Bauerninteressen gegen Verbraucherinteressen
nicht ausspielen. Die Verlierer sind jetzt auf allen Seiten.
In Bayern muss aufgeräumt werden.
({8})
Für die Bayerische
Staatsregierung spricht jetzt der Staatsminister Reinhold
Bocklet.
({0})
Reinhold Bocklet, Staatsminister ({1}): Frau
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Nach dem Auftreten von BSE in Deutschland zum Ende
des vergangenen Jahres sind die Menschen in unserem
Land erneut mit Sorge erfüllt.
({2})
Doch anders als bei der BSE-Seuche, über die wir alle
noch zu wenig wissen, handelt es sich im Fall des Arzneimittelmissbrauchs in der Schweinemast um skrupellose
und kriminelle Machenschaften Einzelner.
({3})
Die Sache ist freilich zu ernst für eine billige parteipolitische Polemik, sehr verehrte Frau Wright.
({4})
Ihre aufgesetzte, zum Teil kabarettistische Erregung führt
nicht weiter.
({5})
Es geht um die Gesundheit unserer Bürger
({6})
und das Vertrauen der Verbraucher, das einmal mehr erschüttert worden ist. Das verdient, Frau Wright, eine seriöse
Behandlung und nicht das, was Sie hier geboten haben.
Was sind die bisher bekannten Fakten? Leider kam
dazu gar nichts von Ihnen. Nach umfangreichen Vorermittlungen, die bis in den Januar des vergangenen Jahres
zurückreichen, wurden am 18. Januar breit angelegte
Durchsuchungen an 19 Orten erfolgreich durchgeführt.
Es konnte dabei umfangreiches Material sichergestellt
werden: 600 Aktenordner, umetikettierte Arzneimittel,
lange abgelaufene Arzneimittel und nicht zugelassene
österreichische und amerikanische Arzneimittel sowie
eine Vielzahl von unetikettierten Flaschen, deren Inhalt
auf Antibiotika hindeutet.
({7})
Die Untersuchungen dazu laufen gegenwärtig auf Hochtouren. Bayern hat zudem beim Landeskriminalamt eine
Sonderkommission mit 10 Beamten gebildet.
({8})
Ausgangspunkt der jetzigen Aktion war ein Verfahren
in Kempten, das auch in Regensburg, Krefeld und Düsseldorf zu staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen führte. In Krefeld wurde das Verfahren zwischenzeitlich eingestellt, in Düsseldorf ist es noch anhängig.
Es könnte sein - ich drücke mich bewusst vorsichtig
aus -, dass Bayern ein wichtiger Schlag gegen den illegalen Tierarzneimitteleinsatz gelungen ist;
({9})
denn zeitgleich wurden auch Objekte in Nieder- und
Oberösterreich durchsucht. Dies zeigt die grenzüberschreitende Dimension der aufgedeckten kriminellen Machenschaften.
({10})
Der Antrag der SPD zu dieser Aktuellen Stunde zeigt
ein merkwürdiges Rechtsverständnis.
({11})
Es wird nicht der Erfolg der bayerischen Polizei und Justiz hervorgehoben, sondern es wird versucht, Bayern und
seine Landwirtschaft in ein schiefes Licht zu rücken, und
das ausgerechnet von Abgeordneten, die in Bayern gewählt worden sind.
({12})
Ich kann nur davor warnen, aus dem Schweinemastskandal kurzfristiges politisches Kapital schlagen zu wollen.
({13})
Es ist doch ziemlich einsichtig: So wie überall in Deutschland BSE auftreten kann, gibt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ähnliche Machenschaften
auch anderswo in Deutschland.
({14})
Kriminelle Energie kann jedes Land treffen. Niemand ist
davor gefeit. Ich darf zum Beispiel nur an den Kälbermastskandal von 1988 in Nordrhein-Westfalen erinnern.
Ich bin dankbar für die ehrlichen und realistischen Aussagen von Herrn Staatssekretär Thalheim und von Frau Ministerin Höhn, dass die missbräuchliche Verwendung von
nicht zugelassenen Medikamenten in der Tierzucht ein
bundesweites Problem sei
({15})
und im jetzigen Schweinemastskandal nur die „Spitze eines Eisbergs“ sichtbar werde.
({16})
Bayern wird unnachsichtig vorgehen. Wir werden
diese kriminellen Machenschaften nicht hinnehmen und
den Sumpf austrocknen. Es geht dabei natürlich um den
Schutz der Verbraucher. Es geht aber auch um den Schutz
der Veterinäre und der Bauern selbst.
({17})
Einige schwarze Schafe bringen durch skrupellose Handlungen ganze Berufsgruppen in Verruf, einige schwarze
Schafe verunsichern Millionen von Verbrauchern und einige schwarze Schafe ruinieren einen ganzen Markt.
({18})
Es genügt natürlich nicht, nur diese Machenschaften zu
unterbinden; wir müssen tiefer schürfen. Wir müssen uns
fragen, ob wir insgesamt mit Tierarzneimitteln verantwortlich genug umgehen. Der restriktive Einsatz von
Antibiotika sowie der sorgfältige Umgang mit antimikrobiell wirksamen Arzneimitteln muss ganz oben auf unserer Agenda stehen. Bayern hat dazu bereits in den letzten
Jahren gemeinsam mit den anderen Ländern und mit der
Tierärztekammer auf Bundesebene zwei wegweisende
Empfehlungen erarbeitet. Die Einhaltung dieser Leitlinien bedarf selbstverständlich einer möglichst effektiven Kontrolle seitens der Veterinärverwaltung. Das Landesamt für Lebensmittelsicherheit, das wir in Bayern neu
errichten, wird diese Kontrollen künftig noch wesentlich
verstärken.
({19})
Daneben ist es eine unserer zentralen Forderungen, das
Tierarzneimittelrecht auf Bundesebene wie auf europäischer Ebene zu verschärfen. Bayern fordert ein europaweites Verbot für antibiotische und hormonelle Wachstums- und Leistungsförderer. Ich hoffe sehr, dass die
Bundesregierung unsere Forderungen unterstützen wird.
In diesem Zusammenhang darf ich daran erinnern, dass
nicht zuletzt aufgrund der Initiative der Bayerischen
Staatsregierung in den letzten Jahren die Zahl der in der
Fütterung zugelassenen Antibiotika bereits von zehn auf
vier reduziert worden ist.
Die Bundesregierung ist schnell mit Anklagen, aber
zögerlich bei der Umsetzung dringend notwendiger Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher.
({20})
Es genügt nicht, gegen Agrarfabriken zu schwadronieren;
es muss gehandelt werden.
({21})
Wo bleiben die Konzepte der Bundesregierung gegen
BSE?
({22})
Bayern hat auf die Krise mit einem klaren Viersäulenmodell geantwortet, das verschärfte Kontrollen, verstärkte
Forschung, Einrichtung eines neuen Ministeriums einschließlich des schon erwähnten Landesamts für Lebensmittelsicherheit und konkrete Hilfen für unsere Bauern
umfasst.
({23})
Der Bundesregierung liegen viele Fragen vor, die Bayern und die übrigen Länder eingebracht haben. Wie sieht
es zum Beispiel mit der Kohortenkeulung aus? Die Länder haben zudem gemeinsam festgestellt, dass es erhebliche Rechtsetzungsdefizite gibt. Es fehlt zum Beispiel
eine konkrete Entschädigungsregelung. Es fehlt eine
Regelung zur Verbrennungspflicht von Tiermehl. Es stehen die Forderung der Länder nach einer offenen Deklaration bei Futtermitteln und die Erstellung einer Positivliste im Raum. Die Bundesregierung gibt sich offenbar
auch mit einem auf sechs Monate beschränkten Verbot der
Tiermehlverfütterung auf EU-Ebene zufrieden.
({24})
Wir warten hier auf Antworten, die der alte Minister nicht
geben wollte und die die neue Ministerin bislang nicht gegeben hat.
Es ist erstaunlich, dass die SPD im Deutschen Bundestag allein aus Anlass des Durchgreifens der bayerischen
Behörden gegenüber illegalem Tierarzneimitteleinsatz in
Niederbayern eine Aktuelle Stunde beantragt.
({25})
Immerhin gibt mir dies die Gelegenheit, in gedrängter
Form die bayerischen Forderungen, Maßnahmen und Vorgehensweisen darzustellen. Herzlichen Dank für diese
Gelegenheit.
({26})
Sie von der SPD verfolgen freilich damit eine leicht zu
durchschauende Absicht; nämlich die, den Bayern mal
schnell eins auszuwischen.
({27})
Staatsminister Reinhold Bocklet ({28})
Aber für diesen Hickhack haben unsere Verbraucher in
Deutschland nun wirklich kein Verständnis.
({29})
Die Bundesregierung hat offensichtlich den Ernst der
Lage immer noch nicht erkannt.
({30})
Es geht doch darum, wie wir alle gemeinsam in allen Landesteilen dem Missbrauch von Tierarzneimitteln durch
gewissenlose Tierärzte und Händler wie auch durch skrupellos handelnde Landwirte am besten vorbeugen können. Dazu bedarf es mit Sicherheit auch schärferer Strafbestimmungen und es muss ernsthaft überprüft werden,
ob es bei der bisherigen Regelung bleiben kann, dass ein
Tierarzt gleichzeitig Arzneimittel verordnen und vertreiben darf.
({31})
Dies ist das Einfallstor für den Missbrauch, den wir jetzt
beklagen. Es handelt sich um eine Bundesregelung, die zu
ändern ist. Nicht jeder Tierarzt ist so charakterstark, dass
er der Versuchung zu leicht verdientem Geld widerstehen
kann,
({32})
und nicht jeder Landwirt ist gegen die Versuchung gefeit,
durch den illegalen Einsatz von Tierarzneimitteln bessere
Produktionsergebnisse zu erzielen.
({33})
Hier müssen wir ansetzen. Hier haben Sie, Frau Künast,
eine lohnende Aufgabe. Ein Umsteuern in der Landwirtschaftspolitik kann und muss auch hier ansetzen.
({34})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Kollegin Ulrike Höfken.
Sehr
geehrte Frau Vizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir haben hier gerade eben etwas erlebt: Da
wird der „Bock“-let zum Gärtner!
({0})
Inwieweit Sie, Herr Staatsminister Bocklet, wirklich
dazu beitragen, mit ihrer Regierung Qualität aus Bayern
zu befördern und den Verbrauchern guten Appetit zu machen, würde ich der Beurteilung durch die Verbraucherinnen und Verbraucher überlassen. Sicher ist aber: Es müssen Konsequenzen gezogen werden und das heißt
sicherlich nicht nur Rücktritt von Frau Stamm, sondern
auch eine Neuorganisation und wohl ebenso die Wahrnehmung der Verantwortung des Herrn Landwirtschaftsministers Miller.
({1})
Mit anderen Worten: Wir warten darauf, dass neue Strukturen den angekündigten Vorrang des Verbraucherschutzes
auch realisieren. Das brauchen wir, denn die Konsequenzen solcher Skandale müssen die Verbraucher und die
Landwirte bundesweit tragen.
Der illegale Einsatz von Medikamenten in der Tierzucht muss endlich unterbunden werden. Mit dieser Zielsetzung wollen wir das Futtermittel- und Tierarzneimittelrecht auch im Hinblick auf die bisherigen Regelungen
zur Abgabe von Tierarzneimitteln überprüfen. Das ist
natürlich ein Problem. Man spricht immer von den
schwarzen Schafen, aber nicht von dem System, das die
Möglichkeiten und die Einfallstore für solche Praktiken
im Grunde schafft.
Die Verbraucher haben die Nase voll. Illegaler Einsatz
von Antibiotika, Hormonen und Medikamenten in der
Tierzucht gefährdet auf kriminelle Weise die Gesundheit
der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das Strafrecht ist
in diesem Punkt zu verschärfen. Die Bundesländer - also
natürlich auch Bayern - sind aufgefordert, diese Praktiken
endlich effektiv zu unterbinden und ihrer Verpflichtung
zur lückenlosen Kontrolle nachzukommen. Die verantwortlichen Dienste und gerade das Personal in diesem Bereich sind seit Jahren völlig vernachlässigt worden. Nur
NRW hat hierfür mehr Finanzen zur Verfügung gestellt.
({2})
Der grundsätzliche Fehler liegt allerdings im System
der Tierproduktion und bei Teilen der Veterinäre und der
Futtermittelproduzenten, die Verbraucherschutz und Qualität vernachlässigt haben. Erst wenn - wie wir es seit Jahren fordern - auch alle leistungsfördernden Antibiotika
aus den Futtermitteln verbannt sind und die prophylaktischen Medikamentengaben eingestellt werden, gibt es
keine Grauzone mehr, in der die illegalen, lukrativen Geschäfte gemacht werden könnten.
({3})
Es gibt schon lange eindeutige Hinweise darauf, dass
die Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung zur
Entstehung von Antibiotikaresistenzen in der Darmflora
des Menschen beiträgt und auch das Problem der Kreuzund Multiresistenz - die Mikroorganismen entwickeln
eine Resistenz anhand eines Antibiotikums und werden
gleichzeitig gegen andere Antibiotika resistent - ist wesentlich größer, als man angenommen hat.
Wir unterstützen unsere Verbraucherschutzministerin,
Renate Künast, dabei, die Verwendung der Antibiotika im
Staatsminister Reinhold Bocklet ({4})
Tierfutter national zu unterbinden und eine Initiative zum
EU-weiten Verbot zu starten.
({5})
Antibiotika sollen nur noch zu therapeutischen Zwecken
eingesetzt werden dürfen. Das Gute ist: Wir erwarten dabei auch die Unterstützung der schwedischen Präsidentschaft und der EU-Kommission. Zu den vielen Punkten
aus den Diskussionen der letzten Jahre, die wir gemeinsam geführt haben, gibt es bereits Vorstellungen, die Ihnen Frau Künast aber selbst vorstellen wird.
Im Übrigen habe ich dabei Bayern nicht als Vorreiter
der Bekämpfung der illegalen Praktiken und der Herausnahme der Antibiotika aus der Futtermittelkette empfunden.
({6})
Diese Bemühungen werden dazu führen, dass es vielleicht endlich ein nationales Monitoring und ein Referenzüberwachungsprogramm geben wird und dass die Zulassungen auch im Bereich der Humanmedizin überprüft
werden.
Mit der Schaffung des neuen Ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wird eine
Neuorientierung auf eine artgerechte Tierhaltung eingeleitet, die unverantwortliche Praktiken des Arzneimitteleinsatzes in der Tiermast ins Abseits stellen soll.
Danke.
({7})
Für die F.D.P.-Fraktion spricht jetzt der Kollege Ulrich Heinrich.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube nicht, dass sich
dieser Skandal, der jetzt öffentlich geworden ist, dazu eignet, dass wir uns hier im Haus streiten; er hat auch keine
parteipolitische Relevanz.
({0})
Ich bin der Meinung, dass wir keine pauschalen Verurteilungen vornehmen dürfen. Ich bin aber genauso der
Meinung, dass dort, wo mit kriminellen Machenschaften
gegen das Gesetz verstoßen worden ist, mit aller Härte
durchgegriffen werden muss. Das kann gar nicht anders
sein.
({1})
Der illegale Einsatz von Medikamenten ist verboten.
Wir sollten uns als Parlament darüber Gedanken machen,
ob wir nicht auch den legalen Einsatz reduzieren müssen.
({2})
Göttinger Wissenschaftler haben zwischen Dänemark
und einer Region Norddeutschlands Vergleiche gezogen:
In Dänemark werden 20 Millionen Schweine gemästet
und man hat in Dünger und Boden hochgerechnet 31 Tonnen Antibiotikarückstände festgestellt. Wenn bei uns bei
6,5 Millionen Schweinen 54 Tonnen Rückstände nachgewiesen wurden, dann setzen wir in Deutschland zu viele
Medikamente ein. Das ist der Punkt.
({3})
Im Blick auf die Dänen, die auf dem Markt mit ihrer Qualität und mit ihrem Angebot sehr erfolgreich sind, müssen
wir uns fragen, ob unsere Produktionsmethoden in dem
Fall richtig sind.
({4})
Wir müssen über Verschiedenes nachdenken, auch
über Forderungen nach einer weiteren Zertifizierung und
nach Markenfleischprogrammen mit höherer Verbrauchersicherheit. Diese Markenfleischprogramme haben
zudem den Vorteil, dass sie zusätzliche Qualitätskontrollen beinhalten, sodass kein Fleisch mit zu hohen Rückständen auf den Markt kommt.
Wir müssen die vier Antibiotikaleistungsförderer, die
heute noch zugelassen sind - hierin sind wir uns völlig einig, Herr Bocklet -, in Zukunft europaweit abschaffen.
Ich bin aber auch bereit, hier national voranzugehen. Wir
müssen außerdem die Tierarzneimittelrichtlinie endlich
umsetzen; das ist das allererste, was wir national tun müssen. Wir müssen die Stallbuchführung einführen. Es dürfen Medikamente nur bei entsprechenden Krankheitsverläufen zum Einsatz kommen, wobei der Landwirt
Rechenschaft ablegen muss, und zwar über jeden einzelnen Einsatz.
({5})
Ich habe es eingangs gesagt: In Deutschland werden zu
viele Medikamente verschrieben bzw. in den Ställen eingesetzt. Wir müssen uns überlegen, ob wir mit dem Dispensierrecht der Tierärzte noch richtig liegen. Wir müssen
auch prüfen, ob wir noch richtig liegen - das muss mit einem großen Fragezeichen versehen werden -, wenn die
Tierärzte selber noch Medikamente in Form von Mischungen und auch in anderer Form herstellen dürfen, die
dann nicht kontrolliert auf den Markt kommen und von
denen wir nicht wissen, wie sie letztendlich wirken.
Genauso müssen wir prüfen, ob wir den Tierärzten in
Zukunft noch den Vertrieb von Arzneimitteln erlauben
sollten.
({6})
Denn wer an jeder Mark Umsatz für Arzneimittel verdient - das ist ja legal; es ist bis heute erlaubt -, der befindet sich natürlich in einem Interessenkonflikt, wenn es
um das Ausstellen von Verordnungen geht. Ich möchte
diesen Interessenkonflikt von vornherein auflösen und zu
bedenken geben, ob wir mit der Abschaffung des Dispensierrechtes das Übel nicht effektiver an der Wurzel packen
können, als dies der Fall wäre, wenn wir nur oberflächlich
handelten.
Herzlichen Dank.
({7})
Für die PDS-Fraktion
spricht jetzt die Kollegin Kersten Naumann.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Das haben sich die Bayern immer
schon gewünscht: Sie stehen im Mittelpunkt - aber leider
mit Negativschlagzeilen.
({0})
Man könnte meinen, dass sich die in punkto Lebensmittelhygiene und umweltfreundliche Idylle sonst so sicher und so sauber gebärdende CSU-Politik nicht nur jahrelang auf dem Glatteis befunden hat, sondern sich nun
selbst von einem Dilemma in das andere katapultiert.
({1})
Frau Stamm wird sicher nicht das letzte Opfer sein.
Ich zitiere aus dem „Donau-Kurier“ in Ingolstadt
({2})
vom 19. Januar 2001. Dort heißt es in einer Antwort auf
einen kritischen Leserbrief meiner Kollegin Eva BullingSchröter:
Alle in Bayern gehaltenen Schweine sind aufgrund
von hervorragender Zuchtarbeit in den letzten Jahren
stressstabil und widerstandsfähig. Es kommt doch
kein Bauer auf die Idee, gesunde Tiere mit Antibiotika zu füttern.
({3})
Inzwischen sind diese Aussagen wohl überholt. Warum
ermittelt sonst das LKA?
Schweinefleisch ist sicher, so lautete jahrelang der Slogan. Nun ist sicher, dass nichts mehr sicher ist. Jetzt wird
auch dem letzten Verbraucher bewusst, dass es nur ein Sicherheitsmythos war, dem er ständig, nicht nur in Bayern,
ausgesetzt war. Was nützt es den Verbrauchern, wenn sie
von Lobbyistenvereinen - gerade wieder zur Grünen Woche - mit Unbedenklichkeitsreden überschüttet werden?
Unser heutiges Lebensmittelangebot ist hochwertig und
sicher,
({4})
so tönt es da. Diese Platte kann der Verbraucher bestimmt
nicht mehr hören, noch dazu, wenn sie einen Sprung hat.
Unsere Lebensmittel genügen höchsten Sicherheitsund Hygienestandards, heißt es immer wieder. Ich denke,
diese Aussage ist widerlegt. Es häufen sich sehr viele Fragen, wie zum Beispiel: Wo sind die Kontrollen in der Erzeugerkette, bei den Veterinären und bei den Lebensmittelkonzernen? Sicherlich gibt es auch schwarze Schafe
unter den Bauern. Aber man muss fragen, warum die Bauern und nicht die wahren Drahtzieher beschuldigt werden.
({5})
Wo ist die Transparenz bei der Herstellung der Lebensmittel? Ist das Strafrecht im Lebensmittelrecht nicht umfassender zu gestalten? Ich bin der Meinung, dass Futtermittelpanscherei als krimineller Tatbestand eingestuft
werden muss.
({6})
Angesichts der Tatsache, dass der gebeutelte Verbraucher zur Kenntnis nehmen muss, dass sich Verbraucherschutz und grüne Gentechnik unter einem Dach zusammenfinden sollen, frage ich: Wie eigenständig, wie
unabhängig, mit welchen Weisungsrechten und mit welchen Kontrollfunktionen ist die Abteilung für Verbraucherschutz im Ministerium für Landwirtschaft denn wirklich ausgestaltet? Warum erfolgt keine strikte Trennung
zwischen Agrarpolitik und Verbraucherpolitik wie in anderen Ländern oder wie in Brüssel? Wir sind ebenfalls
nicht für riesige Verwaltungsapparate in der Politik. Wir
müssen aber feststellen, dass der Verbraucherschutz in
den Haushalten Jahr um Jahr zurückgefahren wird. Was
muss eigentlich noch alles passieren, um wirklich zu einer Wende in der Verbraucherschutz- und der Agrarpolitik zu kommen?
Der jüngste kriminelle Arzneimittelskandal in der
Schweinemast ist einer der Auswüchse des gnadenlosen
Konkurrenzkampfes.
({7})
Futtermittelrationen mit Eiweißen, Fetten, Mineralien,
aber auch mit verbotenen Antibiotika und Hormonen aufzupeppen erfolgt doch nicht zur Qualitätssteigerung von
Naturprodukten und Lebensmitteln. Vielmehr sind Landwirte aus einem Leistungssteigerungswahn und durch
Kostendruck zunehmend gezwungen, nicht nur billige
Abfälle zu verwerten, sondern auch noch fragwürdige
Leistungsförderer anzuwenden. Diese stehen seitens der
Ernährungsphysiologen, Wissenschaftler, Verbraucherverbände und Umweltorganisationen schon lange in der
Kritik. Antibiotika in der Tierhaltung können aber auch
die Umwelt belasten. Bei Untersuchungen in der Region
Weser-Ems hatten Wissenschaftler bedenklich hohe
Werte von antibiotisch wirkenden so genannten Tetrazyklinen gefunden.
({8})
Franz Josef Strauß ließ einmal verlauten, Marxwirtschaft sei Murkswirtschaft.
({9})
Heute bewahrheitet sich aber: Kapitalistische Marktwirtschaft ist Mordwirtschaft für Landwirte und Verbraucher,
wie ein Verbraucher gestern Abend auf Phoenix richtig
einschätzte.
({10})
Die Entscheidungen der Bundesregierung laufen in der
Agrarpolitik an der Grenzlinie zwischen den Interessen
der Pharma- und Ernährungsindustrie und den Interessen
der Verbraucher. Frau Künast, verbieten Sie den legalen
Einsatz von zugelassenen Antibiotika als Leistungsförderern!
({11})
Im Ernährungsbericht heißt es dazu:
Der vorbeugende Gesundheitsschutz des Verbrauchers wird durch die rechtlichen Vorgaben umfassend gewährleistet.
Und weiter:
Generell geben die Rückstandsbefunde ... keinen
Hinweis auf akute Verbraucherrisiken.
Wo ist hier das Vorsorgeprinzip? Dies zeugt doch eher von
leichtfertiger Selbstzufriedenheit. Oder wurden diese
Aussagen mit Rücksicht auf die Pharmakonzerne und den
Markt für Leistungsförderer getroffen? Auch das bedarf
einer Antwort.
Wie sagte Frau Professor Edda Müller vom Bundesverband für Verbraucherschutz in einer Talkrunde in
Phoenix: „Wir müssen endlich von der Nachsorge zur
Vorsorge kommen.“
Ich hoffe, dass Bundeskanzler Schröder hinsichtlich
des von ihm angekündigten Entzugs der Unterstützung einer Produktion gentechnisch veränderter Pflanzen auch
Wort halten wird.
({12})
Das wäre zumindest ein richtiger Schritt zur Verwirklichung der angemahnten Vorsorge.
({13})
In diesem Sinne sollten alle Fraktionen an einem
Strang ziehen und so das Vertrauen der Landwirte und der
Verbraucher zurückgewinnen.
Danke.
({14})
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Wodarg.
Frau Präsidentin! Sehr
geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor etwa fünf Jahren
ist in Bayern etwas passiert, was sehr viel mit diesem
Thema zu tun hat. Damals sind sieben Kinder gestorben.
Auch in dieser Sache hat Frau Stamm damals die Verantwortung getragen.
({0})
Damals gab es eine EHEC-Epidemie, die über 1 000 Fälle
betraf; sieben Kinder sind daran gestorben.
({1})
EHEC ist ein Koli-Erreger, der wahrscheinlich im
Darm von Rindern entstanden ist und der toxische Eigenschaften hat. Das ist passiert, weil in der Tiermast immer
wieder Antibiotika eingesetzt werden, weil das Milieu im
Darm der Tiere verändert wurde und weil dadurch Platz
für solche gefährlichen Erreger geschaffen wurde. Der Erreger ist entstanden, weil wir mit den Tieren bisher so umgegangen sind.
Das war damals ein großer Skandal in Bayern. Umso
bedauerlicher ist es, dass dieselbe Ministerin jetzt nicht
vorbildlich vorgegangen ist, sondern dass gerade in Bayern unter ihrer Verantwortung so lange geschlafen wurde
und dass sie zum Jagen getragen werden musste. Genauso
mussten wir übrigens die vorige Bundesregierung aus der
Opposition heraus - ich habe das noch einmal herausgesucht; ich habe einen Meter Akten zum Thema Antibiotikaeinsatz in der Tiermast - immer wieder zum Jagen tragen, etwa wenn es um das Chloramphenicol ging.
({2})
Da war es schon längst verboten, aber es war immer noch
nicht aus den Ställen heraus. Es gab Abverkaufsmöglichkeiten für die Industrie. Es gab das Metronidazol, welches
bei Frauen Brustkrebs hervorruft. Die Nitroimidazole
sind Mittel, die bei der Hühneraufzucht eingesetzt werden. Erst durch unsere Aktivitäten aus der Opposition heraus hat sich die Regierung endlich dafür eingesetzt, dass
diese Mittel auf EU-Ebene verboten wurden.
Es gibt weitere Beispiele, bei denen wir mühsam ein
Verbot erreichen konnten. Wir haben es geschafft, dass die
meisten Antibiotika - ich meine, es waren vier - in der
letzten Legislaturperiode aus der Tiermast herausgenommen wurden. Das ist aus der Opposition heraus geschehen
und nicht durch die Aktivität der Regierung. Wir haben
die Regierung mithilfe der Medien zum Jagen tragen müssen.
({3})
Jetzt ist es so, dass, wenn ich das richtig gehört habe,
die bayerische Landesregierung und das zuständige
bayerische Ministerium schon längere Zeit von dem Verdacht gegenüber diesen Tierärzten gewusst haben. Für
mich ist es völlig unverständlich, dass da nicht die Alarmglocken geläutet haben, nachdem in Bayern schon solche
schlimmen Erfahrungen gemacht worden sind. Ich halte
das wirklich für unverantwortlich.
({4})
Deshalb denke ich, dass endlich Schluss sein muss mit
der falschen Rücksichtnahme. Wir sollten die Länder von
Bundesseite her ermutigen, mehr für den Verbraucherschutz zu tun, indem sie die Kontrollen verstärken. Bayern hat den Mechanismus, dass die Tierärzte sich selbst
kontrollieren. Das kann nicht angehen; das darf nicht sein.
Da ist Vertrauen fehl am Platze. Ebenso muss beim Vertrieb von Arzneimitteln eine Regelung gefunden werden,
die verhindert, dass Tierärzte daran verdienen, dass sie
möglichst viele Arzneimittel verkaufen. Genauso müssen
wir erreichen, dass sich die Tierärzte nicht selbst
kontrollieren, sondern hier eine staatliche Kontrolle eingerichtet wird.
Dazu gehört aber auch, dass die Aufzeichnungspflichten verändert werden. Das heißt, es darf nur ein Arzneimittelbuch auf dem Hofe geben. Das muss versiegelt sein,
das muss nummeriert sein, das darf nicht gefälscht werden können, es muss also leicht zu kontrollieren sein.
Dann muss die Abgabe von Arzneimitteln durch die
Hersteller, die legal direkt an die Tierärzte erfolgt, besser
aufgezeichnet werden. Sie muss klarer sein und sie muss
damit für die zuständigen Landesbehörden auch leichter
kontrollierbar sein. Hier gibt es also etwas zu tun, besonders für die Länder. Ich denke, dass das ein Anlass ist, jetzt
noch einmal nachzuschauen, was verbessert werden kann.
Es kann doch nicht angehen, dass eine Firma Privatdetektive ansetzt, weil sie Angst um ihr patentgeschütztes
Arzneimittel hat, und dadurch herausbekommt, wo die
Quellen für illegale Arzneimittelimporte sind. In diesem
Falle war Bayer besser als Bayern. Solche Maßnahmen
kann natürlich ein Staat leisten, und wenn man es will,
dann ist hier einiges an Verbesserungen möglich.
Ich habe in Schleswig-Holstein einmal gefragt, wie das
in der täglichen Praxis bei mir im Lande aussieht. Es sind
im letzten Jahr 2 700 Proben genommen worden.
({5})
Wir haben die alten Zahlen, da ist es erheblich schlechter
gewesen. Jetzt sind nur noch sieben Auffälligkeiten gewesen. Siebenmal ist bei den Rückstandskontrollen etwas
gefunden worden, nur ein einziges Mal ein Antibiotikum.
({6})
Das heißt, wenn man vernünftig nachschaut und genau
nachsieht, dann kann man hier einiges erreichen.
({7})
- Es ist ein einziges Antibiotikum gefunden worden.
Die Empfehlung, die hier gegeben wurde, nämlich dass
man als Zwischenruf von unserer Seite gesagt hat, bei
Lungenentzündung sollte man bayerisches Schweinefleisch essen, kann ich als Lungenarzt nicht unterstützen.
({8})
Denn gegen die Antibiotika, die im Schweinefleisch sind,
sind die Menschen schon längst resistent.
({9})
Als nächster Redner
hat das Wort der Kollege Max Straubinger für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Verehrte Damen und Herren! Herr Dr. Wodarg, Sie haben
vielleicht sachlich begonnen, aber am Schluss die Polemik doch nicht lassen können. Ich glaube, es zeigt sich
deshalb auch sehr deutlich, worum es der SPD geht. Der
SPD geht es nicht um Verbraucheraufklärung
({0})
- auch nicht um Verbraucherschutz, sondern der SPD geht
es heute um billige parteipolitische Polemik,
({1})
um einseitig auf Bayern zu zeigen. In Wirklichkeit wird
der Bock zum Gärtner gemacht.
Bayern hat verantwortungsvoll gehandelt. Bayern hat
mit seinen Behörden massiv Ermittlungen angestellt und
Bayern hat jetzt möglicherweise einen der größten Tierarzneimittelskandale aufgedeckt. Ich glaube, hierfür
gebührt der Bayerischen Staatsregierung und den bayerischen Behörden ein Dank für dieses massive Durchgreifen, meine Damen und Herren.
({2})
Wir sind uns, verehrte Damen und Herren, in diesem
Hohen Hause überall einig, dass es Verstöße gegen Tierarzneimittelgesetze und insgesamt gegen die Arzneimittelgesetze gibt und dass natürlich gegen den Besitz von
nicht zugelassenen Arzneien durchgegriffen werden und
entsprechend gehandelt werden muss. Das tun in Bayern
die zuständigen Behörden und die Staatsanwaltschaften.
Sie haben die Ermittlungen hier sehr intensiv aufgenommen. Wenn jetzt, das sage ich auch ganz offen, einseitig Vorwürfe wegen der Zeitschiene kommen, so frage
ich insbesondere auch, wieso der Präsident der Landestierärztekammer Bayern die ihm offensichtlich bekannten Unzulänglichkeiten nicht selbst zur Anzeige gebracht hat. Es ist wohl doch wichtiger, zuerst ein paar
umfangreiche Recherchen anzustellen.
Aber, verehrte Damen und Herren, werte Kollegen, es
ist meines Erachtens, weil hier natürlich suggeriert wird,
dass der Verbraucher einen Schaden erlitten hätte,
({3})
auch wichtig, heute festzuhalten, dass wir natürlich wiederum einen Vertrauensschaden zu verzeichnen haben.
Das ist völlig klar. Aber ich möchte, weil Herr Dr. Wodarg
zum Schluss seiner Rede einige Zahlen bezüglich der Untersuchungen der schleswig-holsteinischen Behörden genannt hat
({4})
- der Verharmloser bin doch nicht ich, sondern ist Herr
Dr. Wodarg -, in diesem Zusammenhang darlegen, dass in
Bayern im Rahmen des nationalen Rückstandskontrollplanes ebenfalls Untersuchungen des Fleisches auf pharmakologische Stoffe, Schwermetalle, Pestizide und verbotene Stoffe, und zwar stichprobenweise und zielorientiert, durchgeführt werden. Diese Kontrollen erfolgen an lebenden Tieren und an Schlachttieren. Dieser
Plan - auch das ist bemerkenswert - wird vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin jährlich, also unter Ihrer Verantwortung,
aufgestellt. Sie werden doch nicht an Ihren Vorgaben
zweifeln, die Sie über die Länder hinweg gemacht haben!
Dieser Plan wird dann auch noch der EU notifiziert.
Interessant ist, dass in Bayern 1999 - andere Zahlen lagen mir nicht vor - 8 739 Untersuchungen auf pharmakologisch wirksame Substanzen getätigt wurden. Von diesen
8 739 Proben waren insgesamt 38 Proben positiv: 26 wiesen Hemmstoffe und 12 pharmakologische Stoffe auf. Zusätzlich ist auf Folgendes hinzuweisen - dies ist ein eindeutiger Vertrauensbeweis für in Bayern produziertes
Fleisch -: Insgesamt wurden 19 885 Untersuchungen auf
Hemmstoffe durchgeführt, davon 16 882 bei Schweinen.
Davon waren insgesamt 52 positiv, bei den Schweinetestungen 36. Dies ist ein sehr deutliches Zeichen dafür, dass
sich der bayerische bzw. der deutsche Verbraucher auf
bayerisches Schweinefleisch verlassen kann.
Auch nach Aussagen des Professors Karl Heinritzi, die
man in einer heutigen Zeitung nachlesen kann, und des
Professors Hermann Wagner leistet Schweinefleisch aus
Bayern höchsten Ansprüchen Genüge.
({5})
Trotz des ganzen parteipolitischen Wettbewerbs und
der derzeit bestehenden Betroffenheit halte ich es eher mit
der von der ehemaligen Bundesgesundheitsministerin an
den Tag gelegten Handlungsweise: Sie hatte in letzter Zeit
tagtäglich ihrer großen Betroffenheit ob BSE und sonstiger Vorfälle Ausdruck verliehen. Aber sie hat gleichzeitig
für sich und ihre Freunde zu Weihnachten - richtigerweise - zweieinhalb Kilo Rindfleisch eingekauft, weil
deutsches Rindfleisch sehr köstlich schmeckt, wie sie gesagt hat. Dem kann ich nur beipflichten.
Wir müssen alles daransetzen, das Vertrauen der
Verbraucherinnen und Verbraucher zurückzugewinnen.
Mit einer solchen parteipolitischen Veranstaltung werden
wir dies garantiert nicht schaffen.
({6})
Das Wort hat die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft, Renate Künast.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung vorab an
Herrn Straubinger und an Herrn Bocklet: Eine gemeinsame Aussage in Ihren Reden war mehr oder weniger die:
Bayern hat jetzt aufgeklärt und dafür gebührt Bayern
Dank.
({0})
Ich setze Folgendes dagegen: Laut den Akten der
Verbraucherschutzabteilung, die durch einen Organisationserlass nunmehr zu meinem Ministerium gehört, weiß
Bayern spätestens seit November 1995 von illegalen
grenzüberschreitenden Praktiken zwischen Bayern und
Österreich. Dass erst jetzt aufgeklärt wurde, dafür gebührt
Bayern kein Dank.
({1})
Stattdessen wurde 1997 das Verfahren eingestellt. Mich
interessiert noch, wie und warum.
({2})
Das ist die eine Erwiderung auf Ihre Dankesrede.
Die zweite ist: Landwirtschaftsminister war zu diesem
Zeitpunkt Herr Bocklet.
({3})
Ich hoffe, Sie werden die Sätze, die Sie hier gesprochen
haben, nicht zutiefst bereuen, wenn in den nächsten Wochen und Monaten weiter aufgeklärt wird.
Ich möchte nun zu drei Punkten etwas sagen: zum illegalen Einsatz von Tierarzneimitteln und antibiotischen
Futtermittelzusatzstoffen, kurz etwas zu Bayern und zu
der Frage, welche Konsequenzen wir daraus ziehen müssen.
Eines ist grundsätzlich klar: Jeglicher illegale Einsatz
von Tierarzneimitteln und antibiotischen Futtermittelzusatzstoffen ist kein Kavaliersdelikt; das ist hier schon festgestellt worden. Die strafrechtlichen Ermittlungen sind
Ländersache. Es ist durchsucht worden. Es ist im Augenblick offensichtlich richtig agiert worden, Herr Bocklet.
Ich hoffe, dass das mit Nachdruck weiter betrieben wird.
Ich hoffe auch, dass der Fehler der 90er-Jahre nicht noch
einmal gemacht wird, sondern hier sofort dafür Sorge getragen wird, dass die Approbationen ruhen und diese Personen nicht mehr als Tierärzte tätig werden dürfen.
({4})
- Ja, so ist das. Man darf das mit Anklageerhebung. Ich
glaube, die Tierärzte und auch die Verbraucher und Verbraucherinnen haben darauf ein Recht. Das ist natürlich
ein schwebendes Verfahren, aber Ärzte, Anwälte, Apotheker haben einen Vertrauensjob, und die berufsständischen Ordnungen sehen vor, dass man, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht - und nur dann gibt es eine
Anklageschrift -, die Zulassung ruhen lassen kann.
({5})
Darauf haben Tierärzte, Tiere und Verbraucher einen Anspruch.
({6})
Zu den Gefahren bei nicht sachgerechter Anwendung:
Es gibt erhebliche Gesundheitsgefahren, auch wenn manche hier etwas anderes gesagt haben. Es gibt zum einen
die direkte Wirkung über Rückstände, die allerdings regelmäßig kontrolliert wird. Soweit ich weiß, sinken diese
Rückstände. Aber das ist ja nicht alles. Sorge bereitet uns
auch die Bildung von Resistenzen. Denn die Mittel, die
die Tiere erhalten, die ihre Magen-Darm-Flora verändern,
sorgen dafür, dass es am Ende multiresistente Salmonellen gibt. Wenn später ein Mensch an Salmonellen erkrankt, dann hat er das Problem, dass die Antibiotika, die
er bekommt, nicht mehr wirken, weil diese Salmonellen
durch diese Medikamente multiresistent sind. Also hat es
doch etwas mit dem Menschen zu tun und hat Wirkung
auf den Menschen. Lassen Sie uns die Gesundheitsgefahren nicht herunterspielen!
Der illegale Bereich wird im Wesentlichen dargestellt
durch Autobahnen, Tierärzte, Großpraxen, die Mengenrabatte erhalten und die, wie hier schon gesagt wurde, illegal aufkaufen. Da kostet dann ein Kilogramm eines Stoffes 5 DM. Das muss man sich einmal überlegen! So
preiswert wird das hinterhergeworfen. Je mehr der Arzt
kauft, desto billiger wird es, desto billiger kann er, wenn
er die landwirtschaftlichen Betriebe und die Ställe abfährt, diese Stoffe an die Bauern verkaufen.
({7})
Das ist nur der eine Bereich, den jetzt die Länder aufklären müssen.
Das legale Geschehen, meine Damen und Herren, ist
aber etwas, was auch unserer Analyse und der Veränderung bedarf. Da können wir nicht einfach zusehen. Futtermittelzusatzstoffe sind laut Futtermittelgesetz zulässig.
Das sind Stoffe, die wir geben, ohne dass es eine Indikation, eine Krankheit gibt. Das sind Stoffe, die leistungsfördernde Wirkungen haben, die bessere Futterverwertung bewirken und ein wenig den allgemeinen Gesundheitszustand heben. Das sind Stoffe, die zur Mast,
damit der Ertrag größer wird, genutzt werden. Das ist der
legale Bereich.
Wir hatten acht Stoffe. 1998 sind vier EU-weit verboten worden, weil man den dringenden Verdacht hatte, dass
sie am Resistenzgeschehen beim Menschen beteiligt sind.
Es ging da um ähnliche Wirkstoffe, wie sie beim Menschen eingesetzt werden. Das war 1998 das Allernötigste.
Jetzt ist eines klar: Die Prüfung bei den noch verbleibenden vier Stoffen auf EU-Ebene muss vorangetrieben
werden und darf nicht länger verbummelt werden.
({8})
Deshalb werde ich am 29. Januar - langsam habe ich das
Gefühl, der 29. Januar ist gar nicht lang genug für die
Agrarratssitzung in der nächsten Woche in Brüssel Druck machen, dass die anderen vier Stoffe jetzt auch verboten und vom Markt genommen werden. Das ist die eine
Maßnahme.
({9})
- Erniedrigen Sie sich doch nicht durch solche Zwischenrufe.
({10})
Die zweite Maßnahme: Ich habe gestern die Anweisung gegeben, dass mir bis Anfang der nächsten Woche
ein Referentenentwurf für eine Verordnung über das
Führen eines Bestandsbuches vorgelegt wird. Ich werde
ihn Anfang der Woche bekommen. Darin wird es dann
heißen, dass die Landwirte verpflichtet sind, detailliert die
Anwendung und Dosierung in diesem Bestandsbuch darzulegen, das wir dann auch kontrollieren können.
({11})
Ich werde Ihnen den Entwurf natürlich vorlegen, damit
ich dazu auch Ihren fachlichen Rat hören kann.
Drittens. Wir werden uns mit umweltpolitischen Fragen beschäftigen müssen. Diese sind hier schon angesprochen worden, zum Beispiel in der Studie aus Göttingen. Es ist tatsächlich so, dass das BMU Recht hatte.
Entscheidend ist, was hinten rauskommt, hat mal einer
von der CDU gesagt. Bei den Schweinen kommt hinten
raus eine massive Umweltbelastung der Böden und des
Wassers und im Zweifelsfall auch des Trinkwassers. Auch
deshalb werden wir uns um dieses Thema kümmern müssen.
({12})
Was ist das Ziel unserer Bemühungen? - Wir wollen,
dass es zukünftig einen gezielten und richtig dosierten
Einsatz dieser Stoffe bei Krankheiten gibt und nicht einfach mit der Gießkanne durch die Ställe und durch die
Futtertröge gegangen wird, dass wir Verfahren finden, die
eine jederzeitige Kontrolle ermöglichen, und dass wir bei
den schwarzen Schafen die Strafrahmen tatsächlich ausschöpfen. Diese Strafrahmen sind vor einigen Jahren erhöht worden; für besonders schwere Fälle auf zehn Jahre.
({13})
Es ist offensichtlich so, dass nur in wenigen Fällen dieser
Strafrahmen von zehn Jahren Freiheitsstrafe wirklich ausgeschöpft worden ist.
Unser größtes Ziel, das über diesen engen Bereich der
Kontrolle der Arzneimittelvergabe hinausgeht, muss eigentlich sein: Es muss Schluss sein mit dem Schweinedoping.
({14})
Doping verdirbt all denen, die gern Sport gucken, den
Spaß am Sport und Doping verdirbt all denen, die gern
essen und essen müssen - das sind wir alle -, den Spaß am
Essen auf dem Teller.
Wegen des Binnenmarktes kann dieser gesamte Bereich des Tierarzneimittelrechts nur auf EU-Ebene wirksam verändert werden. Eine deutsche Initiative dazu ist in
Arbeit, aber ich will Ihnen gleich eines sagen: Durch die
Schweizer Fälle fühle ich mich darin bestärkt, dass wir
eine Wende in der Landwirtschaftspolitik brauchen. Die
Tiere müssen so gehalten werden, dass nicht grundsätzlich Futtermittelzusatzstoffe notwendig sind.
({15})
Es darf nicht sein, dass Tiere so gehalten werden, dass sie
beispielsweise dann, wenn sie aus verschiedenen Ställen
in eine Box kommen, zwingend mit Zusatzstoffen behandelt werden müssen, weil sie sich sonst auf engem Raum
alle gegenseitig anstecken.
({16})
Es darf nicht sein, dass Tiere unter so schlechten Bedingungen gehalten werden, dass dann, wenn eines krank
wird, gleich alle behandelt werden müssen. Unsere Zielvorstellung ist, das zu verhindern.
Ich stelle mir vor, dass Prophylaxe in Zukunft im Praktizieren einer artgerechteren Haltung besteht.
({17})
Das heißt eine andere Hygiene, nämlich nach dem ReinRaus-Prinzip erst alle Tiere aus dem Stall zu nehmen,
dann die Ställe zu säubern und dann die Tiere wieder
hineinzubringen, das heißt, die Tiere einem anderen
Klima auszusetzen, das heißt eine andere Luftzufuhr, das
heißt andere Bewegungsmöglichkeiten.
({18})
- Ja, Sie werden lachen, selbst ganz konservative Mitarbeiter aus meinem Ministerium sagen, dass es so geht und
dass dies genau die Art ist, wie man die Gesundheit von
Tieren, aber auch von Verbrauchern schützt.
({19})
- Sie sagen, ich kenne keinen Stall von innen.
({20})
- Gern.
Können Sie mir erklären, wie es kommt, dass all die,
die Ställe von innen kennen, nicht das Entstehen des Problems verhindert haben, das wir heute haben?
({21})
Daran kann es nicht liegen.
({22})
Die Tierärzte werden sich nach ihrer Berufsethik fragen lassen müssen. Da geht es nicht nur um schwarze
Schafe. Die Landwirte werden sich fragen lassen müssen,
ob sie mit uns gemeinsam für eine artgerechte Tierhaltung
Sorge tragen, die tatsächlich verhindert, dass in Zukunft
Doping beim Aufwachsen von Tieren sozusagen der Normalfall ist.
({23})
Ich weiß, es gibt eine Menge von aktuellen Dingen zur
Sicherheit zu tun. Ich weiß auch: Eine bessere Begründung
als diesen Skandal gibt es nicht dafür, dass wir die Landwirtschaftspolitik umsteuern müssen.
({24})
Nächste Rednerin in
der Debatte ist die Kollegin Jella Teuchner für die SPDFraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gerade war sich die Bayerische Staatsregierung noch sicher, mit der Bildung eines
neuen Ministeriums für Verbraucherschutz die Probleme
mit den sich häufenden BSE-Fällen in den Griff zu bekommen. Jetzt zeigt der in Bayern und Österreich bekannt
gewordene und im großen Stil durchgeführte illegale Einsatz von Medikamenten in der Schweinezucht, dass es
noch wesentlich mehr aufzuräumen gibt.
Der Rücktritt der bayerischen Gesundheitsministerin
Barbara Stamm war längst überfällig. Hinweise auf die
Ereignisse, mit denen die Verbraucherinnen und Verbraucher am vergangenen Wochenende konfrontiert wurden,
waren im zuständigen Ministerium schon seit Jahren bekannt. Bereits in einem Gespräch im Dezember 1998
machte der Präsident der Bayerischen Landestierärztekammer auf den illegalen Handel aufmerksam. Der
schriftliche Bericht der Tierärztekammer vom August
1999 hätte sehr ernst genommen werden müssen, und es
hätten umgehend entsprechende Maßnahmen eingeleitet
werden müssen.
({0})
In diesem Bericht wurde unter anderem auf zahlreiche
Schwachpunkte bei der Kontrolle von Tierarzneimitteln
hingewiesen. Es wurden detaillierte Vorschläge zur
Bekämpfung des Handels mit verbotenen Arzneimitteln
unterbreitet. Nachdem nichts geschehen ist, müssen jetzt
einige Fragen dringend beantwortet werden, zum Beispiel: Ist überhaupt bekannt, um welche Substanzen es
sich bei den illegal eingesetzten Arzneimitteln handelt?
Gibt es bereits Erkenntnisse über das Herkunftsland dieser Medikamente? Ist inzwischen bekannt, ob in der Republik Österreich Verteilerstellen eingerichtet wurden,
von welchen aus der illegale Handel betrieben wurde?
Wird es zukünftig bei solchen Verdachtsfällen verschärfte
Zollkontrollen geben?
Wenn es im Zusammenhang mit BSE noch eine Reihe
von ungeklärten Fragen gibt, weil gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse noch nicht in allen Bereichen
vorliegen, so liegen die Verhältnisse bei durch Medikamente verseuchten Schweinen anders. Hier gibt es klare
Grundlagen und Strafgesetze, nach denen zu urteilen ist,
wenn die Gesundheit der Bevölkerung durch illegalen
Einsatz von Antibiotika, Hormonen und anderen Substanzen gefährdet ist.
Offensichtlich haben diese Kontrollen in den Programmen „Qualität aus Bayern“ und „Offene Stalltür“ versagt.
Sie müssen deshalb diese Programme bis zur vollständigen Klärung aller Unstimmigkeiten aussetzen. Bayern
und auch die übrigen Länder sind dringend aufgefordert,
intensiver zu kontrollieren, alle Verdächtigungen ernst zu
nehmen und ihnen nachzugehen.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher drehen sich
nach allen Seiten. Was finden sie? - Ratlosigkeit, seit gestern kein Rindfleisch mehr, seit heute kein Schweinefleisch mehr. Vielleicht ab morgen kein Huhn mehr? Die
Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Sicherheit
beim Genuss von Lebensmitteln. Vertrauen kann jetzt nur
durch zügige und durchgreifende Maßnahmen zurückgewonnen werden. Dazu gehören sowohl die Überprüfung
der Vertriebswege und der Anwendung von Tierarzneimitteln als auch das Verbot der noch EU-weit zugelassenen antibiotischen Futtermittelzusatzstoffe.
Bei Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz muss
gründlich ermittelt und der Strafrahmen ausgeschöpft
werden. Illegale Handlungen Einzelner schädigen nicht
nur die Verbraucherinnen und Verbraucher, sie treffen am
Ende die Landwirte, die mit Absatzproblemen zu kämpfen haben. Verbraucher und Landwirte müssen deshalb
wieder zusammenfinden.
Die Verbraucher wollen wohlschmeckende und gesunde Lebensmittel. Wenn die Bauern diese in gesicherter
Qualität herstellen, wird es einen ausreichenden Absatz
geben. Alle Anstrengungen auf dem Weg dorthin müssen
deshalb gebündelt und gegen anders gerichtete Interessen
verteidigt werden. In erster Linie geht es um sichere Lebensmittel für die Verbraucherinnen und Verbraucher und
um das Überleben der Landwirte. Erst in zweiter Linie
geht es um die Pharma- und Futtermittelindustrie.
({1})
Das Wort hat der Kollege Helmut Heiderich für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Immer wenn
ein Skandal durch die Gazetten geht, ist der Aufschrei
nach Konsequenzen groß. Im Grundsatz ist es auch richtig, dass man über Konsequenzen nachdenkt.
Frau Ministerin, ich freue mich, dass Sie so engagiert
in Ihr neues Amt gehen. Diese Aussage muss man als Mitglied des zuständigen Fachausschusses sicherlich treffen.
({0})
Es ist auch bemerkenswert, was Sie sich in so kurzer Zeit
an Fachwissen angelesen haben. Das aber, was Sie gerade
hier vorgetragen haben, ruft nach einer Kommentierung
und ein paar Bemerkungen.
({1})
- Ich bin sicher mehr Bauer als Sie. Ich habe ein paar
Jahre länger in der Branche gearbeitet. Ich weiß nicht, wie
lange Sie dort tätig waren. Davon abgesehen habe ich immer noch meinen eigenen Betrieb, betreibe aber keine
Schweinemast.
({2})
Lassen Sie mich zur Sache kommen: Frau Ministerin,
Sie haben gerade einen Ausdruck gebraucht, den ich so
nicht stehen lassen kann. Sie sprachen vom Schweinedoping. Ich glaube, wenn man als oberster Vertreter des
Verbraucherschutzes und der Landwirtschaft in einer solchen Weise argumentiert, verunsichert man die Bevölkerung mehr, als man der Sache dient.
Wenn Sie meinen, dass die bisherige Praxis Schweinedoping war, frage ich zurück - Sie persönlich kann ich
natürlich nicht fragen, Sie sind erst wenige Tage im
Amt -: Wie lange kennen die SPD-Fraktion und die Grünen-Fraktion bereits die Praxis des Schweinedopings? Sie
sind seit zweieinhalb Jahren im Amt. Warum haben Sie
das Schweinedoping bisher nicht unterbunden?
({3})
Wir sind uns alle darüber einig, dass es jetzt Konsequenzen geben muss, und zwar in der Form, dass die
schwarzen Schafe, die nun entdeckt worden sind, ihr
Handwerk künftig nicht mehr ausüben können. Ich
glaube, wir brauchen an erster Stelle eine verschärfte
Kontrolle. Aus meiner Sicht benötigen wir eine unabhängige Kontrollbehörde, die die Möglichkeit hat, all diesen
Dingen unbeeinflusst nachzugehen, und die auch in der
Lage ist, entsprechende Sanktionen zu verhängen. Diese
Sanktionen - das ist völlig richtig - dürfen nicht nur in
Bußgeldern bestehen, sondern sie müssen so sein, dass
derjenige, der erwischt wird, entsprechend hart von ihnen
getroffen wird.
Es ist sicherlich darüber nachzudenken - das ist eben
auch schon gesagt worden -, ob man die Dokumentation
der Arzneimittelanwendungen in der Praxis nicht verbessert und verstärkt. Aber - darauf weise ich auch hin - das
trifft mit den ganzen bürokratischen Nebenwirkungen
natürlich auch all die Landwirte, die bisher nach guter
fachlicher Praxis sauber und vernünftig gearbeitet haben,
und belastet sie mit zusätzlichen Aufwendungen. Auch
diesen Punkt darf man nicht außer Acht lassen.
Lassen Sie mich noch zu ein paar weiteren Punkten
kommen. Das Verabreichen von Antibiotika muss man
sehr differenziert beurteilen: Auf der einen Seite sind Antibiotika bei der Therapie, auch hinsichtlich der Gesunderhaltung im Bestand, unverzichtbar. Ich glaube, das ist
unstreitig. Aber auf der anderen Seite - und in der Hinsicht ist schon Vorsorge getroffen worden - gibt es entsprechende Wartezeiten. Die Tiere dürfen nicht verkauft
und nicht zur Schlachtung gebracht werden, ehe diese
Wartezeiten abgelaufen sind. Die Anwendung von Antibiotika in der Schweinezucht ist weder verboten noch
kann man sie außer Acht lassen oder künftig völlig verbieten. Deswegen, Frau Ministerin, bin ich so gegen den
Begriff des Schweinedopings.
Aber wir alle gemeinsam müssen - da haben Sie
ebenso wie die Vorredner Recht - bei der ständigen, in
niedriger Dosis stattfindenden Verfütterung im Rahmen
von Futtermittelmischungen ansetzen. Hier liegt das
Hauptproblem; denn gerade bei langfristigen niedrigen
Dosierungen besteht die Gefahr der Resistenzbildung.
Deswegen müssen wir an dieser Stelle ansetzen, müssen
wir das Futtermittelrecht ändern. Ich glaube, das werden
wir gemeinsam tun. Aber das muss dann auch - Frau Ministerin, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen - europaweit geschehen; denn sonst wird es wieder unterschiedliche Verhältnisse in den einzelnen Ländern geben.
Das kann nicht das Ziel unserer Arbeit sein.
Ich will noch eine Bemerkung zu dem machen, was Sie
zur Haltungsform der Schweine in den entsprechenden
Betrieben gesagt haben. Ich glaube, zukunftsorientierte
Landwirte tun längst das, was Sie vorgeschlagen haben.
Sie tun nämlich alles dafür, die Hygiene in ihrem Betrieb
möglichst zu verbessern. Dafür gibt es eine Menge von Investitionen: Hygieneschleusen, Abluftführung, Zuluftführung usw. An dieser Stelle möchte ich aber darauf aufmerksam machen, dass alle diese Investitionen viel
Kapital erfordern. Dieser Kapitaleinsatz, diese Investitionen lohnen sich nur bei einer entsprechenden Bestandsgröße. Das heißt, je höher wir unsere Anforderungen an
Hygiene und andere Standards schrauben, desto mehr
müssen wir akzeptieren, dass der Landwirt eine größere
Bestandsgröße braucht. Herr Wodarg, bei einem Bestand
von 50 Schweinen kann man weder Hygieneschleusen
noch Verladeschleusen und alle diese Dinge machen. Das
kann niemand umsetzen und das kann sich auch niemals
rechnen. Deswegen müssen Sie an dieser Stelle auch bereit sein, dem Verbraucher ehrlich zu sagen: Wenn wir das
alles umsetzen wollen, dann brauchen wir größere Tierbestände.
({4})
Und diese größeren Tierbestände - keine Agrarfabriken sind die Folge der Anforderungen, die Sie an die deutschen Landwirte stellen.
Schönen Dank.
({5})
Jetzt spricht der Kollege Karsten Schönfeld für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute hier im Bundestag nicht zum ersten Mal über Lebensmittelskandale.
Herr Kollege Straubinger, es ist schon verwunderlich,
wenn Sie die Folgen hier auf einen Vertrauensschaden reduzieren wollen. Nein, es geht nicht um einen Vertrauensschaden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind
verunsichert hinsichtlich der Folgen für ihre Gesundheit.
Das muss man ganz klar benennen.
Schuld haben sicherlich schwarze Schafe unter den
Produzenten. Schuld haben aber auch Landesbehörden,
die ihren gesetzlichen Aufsichts- und Kontrollpflichten
nicht nachgekommen sind. Das hat der jüngste Skandal in
Bayern noch einmal in aller Deutlichkeit gezeigt.
({0})
Das Zusammentreffen gewissenloser Geschäftemacher
und untätiger Behörden schadet der Landwirtschaft mehr,
als heute schon abzusehen ist.
Mit dem Rücktritt von Frau Stamm gestern gab es ein
erstes Bauernopfer. Aber bekanntlich fängt der Fisch vom
Kopf zu stinken an. Herr Stoiber hat beim illegalen Einsatz von Antibiotika in der bayerischen Landwirtschaft
ebenso fahrlässig und unverantwortlich gehandelt wie bereits in der BSE-Krise.
({1})
Verharmlosen und vertuschen ist die Taktik. Das haben
wir vorhin wieder gehört. Doch diese Taktik geht hier
nicht auf.
Den Schaden tragen jetzt Bäuerinnen und Bauern, als
deren oberster Schutzherr sich Herr Stoiber in Sonntagsreden immer wieder gern preist. Ich denke, einige Verbandsfunktionäre sollten einmal darüber nachdenken, ob
sie sich nicht andere Partner suchen sollten.
Seit mehr als zwei Jahren war das bayerische Sozialministerium über den illegalen Antibiotikaeinsatz informiert, ohne gehandelt zu haben. Das allein ist schon ein
Skandal. Frau Stamm wurde noch vor wenigen Tagen von
Herrn Huber, dem Chef der bayerischen Staatskanzlei, als
„ein Eckstein der Regierung“ - man muss es sich auf der
Zunge zergehen lassen - bezeichnet.
({2})
Es ist zu fragen, wie es nach dem Wegbrechen dieses
„Ecksteines“ um die Statik der Bayerischen Staatsregierung bestellt ist.
({3})
Man kann auch sagen - um das Zitat, das Kollegin Wright
gebracht hat, etwas abzuwandeln -: Der Stoiber fällt nicht
weit vom Stamm.
Nicht die Landwirtschaft und ihre Produktionsmethoden sind das Problem. Das Problem sind in erster Linie
gewissenlose Straftäter, Behörden und Landesregierungen, die bestehende Gesetze ignorieren und missachten.
({4})
Die große Masse der anständigen Landwirte in Deutschland muss jetzt ökonomisch ausbaden, was unverantwortliche und untätige Behörden ihnen eingebrockt haben.
Besonders beim Einsatz von Antibiotika zu Mastzwecken sollte die Sensibilität der zuständigen Behörden
und Politiker größer sein, als es der aktuelle Skandal in
Bayern gezeigt hat. Schon seit vielen Jahren weisen besorgte Mediziner auf eine starke Ausbreitung antibiotikaresistenter Erreger hin. Herr Kollege Wodarg hat dazu
vorhin ausführlich Stellung genommen. Ich habe mich
gestern mit einem Arzt unterhalten, der mir bestätigte,
dass besonders bei Kindern eine immer stärkere Resistenz
festzustellen ist.
({5})
Hier muss es zu einem Umdenken kommen. Wir als SPDFraktion unterstützen ausdrücklich Frau Bundesministerin Künast bei ihrer Initiative, mit der sie sich für ein vollständiges Verbot antibiotischer Leistungsförderer in ganz
Europa einsetzt.
({6})
Alle Maßnahmen verfolgen ein Ziel: das Vertrauen der
Verbraucherinnen und Verbraucher in die Produkte, die
von unseren Bäuerinnen und Bauern produziert werden,
wiederherzustellen. Denn das ist das größte Kapital, das
die Landwirte besitzen.
Vielen Dank.
({7})
Jetzt spricht der Kollege Albert Deß für die CDU/CSU-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist schon nicht mehr nachvollziehbar
gewesen, was hier diskutiert wird. Ich bin überzeugt, lieber Kollege Karsten Schönfeld: Wenn wir noch in der
Regierungsverantwortung wären, dann wäre jetzt nach Ihrer Auffassung wahrscheinlich der Bundeskanzler für den
Fall Niederbayern verantwortlich gewesen. Aber ein solcher Zusammenhang wäre doch sehr weit hergeholt.
Ich muss zu einigen Aussagen, die hier gemacht worden sind, Stellung nehmen. Ich finde es schon makaber,
dass die Vertreterin einer SED-Nachfolgepartei den Satz
ausspricht: Marktwirtschaft ist Mordwirtschaft. Denn unter welchem politischen System sind an der Grenze und
im Land Menschen ermordet worden?
({0})
Ich verbitte mir daher solche Sätze von dieser Seite.
({1})
Auf Vorwürfe von dieser Seite möchte ich mit einem
Zitat aus der „Thüringer Allgemeinen Zeitung“ vom
23. Januar dieses Jahres antworten. Dort heißt es:
Früher wurde Hühnermist an Bullen verfüttert und
das Ganze ging als gutes Fleisch zum Export in den
Westen ... Das war so. Es gab auch Spindelpressen,
mit denen Gülle ausgepresst und anschließend die
Pellets an Bullen verfüttert wurden.
({2})
Mit diesem politischen System von früher möchte ich
nicht werben. Die Bürger dürfen schon froh sein, dass die
Tiere heute solches Futter nicht mehr in den Futtertrog bekommen.
({3})
Der Kollege Wodarg, der manchmal ganz sachlich ist,
ist heute hier leider in einer sehr polemischen Art und
Weise aufgetreten.
({4})
Ich finde es unverantwortlich, die bayerische Staatsministerin für die EHEC-Fälle, die dort einmal aufgetreten
sind, verantwortlich zu machen. Damals ist sofort gehandelt worden. Die Bayerische Staatsregierung ist an das
Robert Koch-Institut herangetreten und hat das Institut
beauftragt, diese EHEC-Fälle näher zu untersuchen. Hier
wurde sehr wohl verantwortlich gehandelt. Eines möchte
ich noch sagen, weil Sie heute schon polemisch waren: Im
Gegensatz zu Schleswig-Holstein, wo einmal über längere Zeit ein Postbote als Arzt beschäftigt wurde, ist mir
in Bayern kein solcher Fall bekannt. Die Kontrollen in
Schleswig-Holstein waren anscheinend nicht in allen Bereichen gegeben.
({5})
Ich möchte an die Bundesregierung und an die Regierungskoalition einige Fragen stellen. Es gibt auf Bundesebene einen interministeriellen Ausschuss für Verbraucherfragen. Dieser ist beim Bundeswirtschaftsministerium
angesiedelt. Ebenso gibt es einen Verbraucherbeirat des
BMWi. Ich frage Sie, ob diese beiden Gremien während
Ihrer zweijährigen Regierungszeit aktiviert worden sind.
Ich habe in der Öffentlichkeit nichts darüber vernommen,
dass diese Ausschüsse in diesen zwei Jahren jemals getagt
hätten.
({6})
Auch gibt es einen Verbraucherausschuss beim Bundeslandwirtschaftsministerium. Von diesem habe ich in der
Öffentlichkeit ebenfalls sehr wenig gehört. Wer selbst im
Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen auf andere werfen.
Vielmehr sollte man Verantwortung für die eigene Tätigkeit übernehmen. Bayern hat verantwortlich gehandelt.
({7})
Ich bin gespannt, was herauskommt, wenn die bayerischen Ermittlungsbehörden ihre gesammelten Unterlagen
an die Behörden der anderen Bundesländer weitergeben.
Es wird interessant sein, zu sehen, welche Ergebnisse in
der nächsten Zeit dabei herauskommen.
Noch einige Aussagen zu dem, was die Frau Bundesministerin gesagt hat: Frau Bundesministerin, wir sind bereit, eine Wende in der Agrarpolitik mitzutragen. Wir haben die Agenda 2000 in ihrer vorliegenden Form nicht
mitgetragen.
({8})
Was war denn die Agenda 2000? Die Agenda 2000 war
ein Abschluss, der damals vom Bundeskanzler übereilt
durchgeboxt wurde und eine stärkere Orientierung am
Weltmarkt verlangte. Wenn wir in Deutschland und in Europa eine andere Landwirtschaft wollen, dann dürfen wir
diese Landwirtschaft nicht einem weltweiten Wettbewerb
aussetzen. Das ist die Konsequenz einer eigenständigen
Agrarpolitik.
Wir werden Sie an dem messen, was Sie bei der WTO
und in Brüssel durchsetzen, damit wenigstens die strengen deutschen Maßstäbe auf ganz Europa übertragen werden. Es nützt nichts, in diesem Bereich voranzugehen,
wenn dies nicht europaweit umgesetzt wird. Daran werden wir Sie messen.
Sie haben unsere volle Unterstützung, wenn es darum
geht, Tierarzneimittel europaweit prophylaktisch zu verbieten. Die F.D.P. hat zugesagt, die Union sagt zu, die
SPD und die Grünen sagen zu. Es hindert Sie niemand
mehr daran, das sehr schnell umzusetzen. Im Interesse eines verbesserten Verbraucherschutzes bitte ich Sie eindringlich, bei Ihrer nächsten Sitzung in Brüssel unsere gemeinsamen Forderungen sehr intensiv vorzutragen. Wir
werden Sie dabei begleiten.
({9})
Was die Neuorientierung der Agrarpolitik anbelangt,
müssen wir nach meiner Auffassung einen Weg beschreiten, der garantiert, dass auch kleinteilige Agrarstrukturen
noch eine Zukunft haben. Was haben sich bestimmte Politiker der SPD in der Vergangenheit schon über bayerische Agrarstrukturen lustig gemacht und jetzt fordert der
Bundeskanzler diese Agrarstrukturen! Hier geben wir Ihnen von Bayern aus volle Rückendeckung; das kann ich
Ihnen versprechen.
Vielen Dank.
Letzter Redner in der
Aktuellen Stunde ist der Kollege Heino Wiese, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dieser Skandal in
Bayern hat zwei Komponenten: Die eine ist die kriminelle
Energie, die von Tierärzten eingesetzt wurde.
({0})
- Von einigen; das will ich gerne zugeben.
({1})
- Ja, die zweite Komponente ist eine Staatsregierung, die
in der Angelegenheit nicht nur geduldig ist, sondern verharmlost und vertuscht. Wir haben heute Morgen im Fernsehen erleben können, wie Herr Goppel gesagt hat, Ihr
Kollege Miller sei als Landwirtschaftsminister nicht für
die Schweinemast zuständig und daher brauche er auch
keine Konsequenzen zu ziehen.
({2})
Das ist eine sehr einfache Art und Weise, mit dieser Problematik umzugehen. Lieber Albert, auch du hast eben
nicht gerade dazu beigetragen, den Fall wirklich ernsthaft
darzustellen.
Nachbarn, die erstaunt waren, dass ich für das Weihnachtsessen gutes Rindfleisch eingekauft habe, und mir
mitteilten, sie seien auf Schweinefleisch umgestiegen,
habe ich damals widersprochen. Ich habe ihnen gesagt,
dass Rinder in der Regel durchaus gesünder ernährt würden als Schweine. Schweine wurden bis zum Verbot überAlbert Deß
wiegend mit Tiermehl ernährt, was ich schon damals als
nicht in Ordnung empfand.
({3})
- Ja, gut, trotzdem empfinde ich es als absolut Übelkeit
erregend und widerlich, dieses Fleisch essen zu müssen,
wenn ich weiß, was alles an die Schweine verfüttert worden ist.
({4})
Die neuerlichen Enthüllungen aus dem bayerischen
Schweineskandal überbieten dies noch. Es gibt jetzt drei
Kategorien von Schweinen: die illegal mit Medikamenten
gemästeten Dopingschweine, die legal als Billigfleischlieferanten gezogenen Turboschweine und die Schweine,
die in einem Extrastall stehen und die der Bauer für den
Eigenbedarf mästet.
({5})
Der Bauer weiß also ganz genau, was gut ist.
Leider ist ein so gemästetes Schwein für die Einkäufer
der Supermärkte zu teuer. Hier müssen wir ansetzen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen deutlich machen,
dass sie Billigfleisch, das mit Schweinedoping erzeugt
worden ist, nicht mehr wollen und dafür lieber auf den
Verzehr von Schweinefleisch verzichten. Fleischverzehr
sollte, wie es zu Zeiten, als die Entfremdung zum Nutztier
noch nicht so weit fortgeschritten war, wieder etwas Besonderes sein. Das müssen wir durch Werbung und Aufklärung deutlich machen. Verbraucherverbände und Tierschützer müssen uns dabei helfen. Wir müssen den
Verbraucherinnen und Verbrauchern auch deutlich machen, dass sie eine gute Qualität nur zu einem angemessenen Preis erhalten können.
({6})
Die Qualität muss durch ein Gütesiegel garantiert werden und vor allen Dingen muss die Produkthaftung der
Händler und Erzeuger gewährleistet sein. Wir können es
nicht weiter zulassen, dass für derartige Dinge letztlich
niemand haftbar gemacht wird. Schließlich muss es
selbstverständlich sein, dass Verstöße nicht nur mit kleinen Geldbußen belegt, sondern als Straftaten geahndet
werden.
({7})
Kollege Albert Deß, ich spreche Sie noch einmal an:
Der bayerische Musterbauer, der uns ja in den letzten Sitzungen immer wieder das Hohelied der bayerischen
Agrarpolitik gesungen hat und der nicht müde wird, auf
die dortigen hohen Standards zu verweisen, hat mir in den
letzten Tagen durchaus sehr Leid getan. Für ihn muss es
schon tragisch sein - ich spreche deine Konfrontationen
mit Bauern in der Region und mit Erzeugern an -, wie
sehr das von ihm verbreitete Bild durch die Realitäten entstellt würde.
({8})
Vielleicht hilft ihm der Skandal aber dabei, von dem hohen Ross zu steigen, von dem aus er immer auf andere
herabgeblickt hat.
Wir sollten ehrlich miteinander umgehen und zur
Kenntnis nehmen, dass Doping und Panschereien in allen
Bundesländern passieren können, und aufhören, uns gegenseitig zu Buhmännern zu machen. Dies sage ich am
heutigen Tag ganz besonders in Richtung der CDU/CSU:
Die von Ihnen praktizierte Buhmannstrategie hilft uns
nicht weiter und schadet allen Politikern.
({9})
- Sehen Sie sich einmal die Plakate an, die draußen hängen!
({10})
- Herr Ronsöhr, der Meister der Sprechblasen.
({11})
- Frau Präsidentin, darf ich weiterreden!
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, der Kollege ist fast am Ende seiner Redezeit. Ich bitte Sie, ihm noch die entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen. Wir sind gleich auch am Ende der
Aktuellen Stunde. Dann können Sie weiterstreiten, aber
draußen.
Es muss uns allen
darum gehen, für die Verbraucher und auch für die Erzeuger einen Weg zu finden, um in Zukunft für alle die
Fleischqualität zu bekommen, die der Bauer für seinen
Eigenverbrauch erreicht.
Letztlich müssen wir uns gemeinsam gegen die Herren
von der Fleischindustrie zur Wehr setzen, die das gegenwärtige Absatzproblem wie folgt begründen. Ich zitiere
- mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin - aus einem
Schreiben der Firma Böklunder.
Das ist aus Zeitgründen eigentlich ein Problem.
Heino Wiese ({0})
14241 Heino Wiese ({1}) ({2}): Es ist nur ein Satz:
Durch Verlautbarungen von hoch gestellten politischen Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit wurde
Fleisch in der Form verunglimpft, dass bei den Verbrauchern ein Restrisiko bewusst gemacht wurde.
Ich halte das schon für sehr entlarvend. So geht es nicht,
meine Herren! Wir sollten aufhören, Verharmlosung zu
betreiben.
Vielen Dank.
({3})
Die Aktuelle Stunde
ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 25. Januar 2001, 9 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.