Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich danke
Ihnen, Herr Bundesfinanzminister. Sie haben für Ihre
Ausführungen eine längere Zeit in Anspruch genommen.
Das ist in Ordnung. Ich will nur darauf hinweisen, dass die
Befragungszeit nicht gekürzt wird, sondern insofern die
Fragestunde wahrscheinlich etwas später aufgerufen
wird.
({0})
- Das hängt davon ab, ob die Fraktionen noch Fragebedarf haben oder nicht. Die CDU/CSU-Fraktion hat schon
einige Fragesteller benannt. Es wäre ganz schön, wenn
auch von der SPD rechtzeitig mitgeteilt würde, wer den
Bundesfinanzminister befragen möchte.
Ich gebe das Wort zu einer Frage dem Kollegen
Michelbach.
Herr Bundesfinanzminister, bei uns Kaufleuten heißt es: Jeder Kaufmann
lobt seine Ware. Ich gestehe Ihnen natürlich zu, dass auch
Sie Ihre Ware loben. Sie tun das in den höchsten Tönen.
Meine Frage ist: Ist es nach dem Sachverständigengutachten nicht eher so, dass die Steuerquote seit dem Antritt
der rot-grünen Bundesregierung von 23,0 Prozent auf
24,5 Prozent gestiegen und damit natürlich der Anteil der
Steuern am Bruttoinlandsprodukt wesentlich erhöht worden ist und dadurch Ihr Hinweis auf die Preispolitik der
OECD relativiert wird? Das Problem ist, dass unsere Bürger zu wenig entlastet werden. Auch die Abgabenquote ist
in Ihrer Regierungszeit von 42,3 Prozent auf 43,1 Prozent
gestiegen.
Herr Bundesfinanzminister, zahlreiche Vertreter aus
Wissenschaft und Praxis haben auch auf die Mittelstandsfeindlichkeit Ihrer Steuerreform hingewiesen. Können
Sie die Diskriminierung des Mittelstandes beim Steuertarif und bei der Besteuerung der Gewinne aus Anteilsveräußerungen nachvollziehen, wenn Sie bedenken, dass
Kapitalgesellschaften den gesunkenen Körperschaftsteuersatz schon 2001 in Anspruch nehmen können,
während die Personengesellschaften ihre Steuerlast erst
im Jahre 2005 auf 42 Prozent verringern können bei
gleichzeitiger Geltung der Maßnahmen zur Gegenfinanzierung?
Herr Kollege Michelbach, ich glaube, die Frage ist klar gestellt.
Vielen Dank.
Bitte schön.
Herr Kollege Michelbach, ich werde Ihnen die Zahlen bezüglich
der Entwicklung der Steuerquote und der Abgabenquote
gerne einmal schriftlich zustellen lassen. Sie werden dann
sehen, dass das, was Sie gerade behauptet haben, nicht
stimmt. Mit Adam Riese lässt sich das ganz einfach belegen: Nächstes Jahr beträgt die steuerliche Entlastung
45 Milliarden DM netto. Das sind 1,1 Prozent vom
Bruttoinlandsprodukt. Damit ist klar, dass die Steuerquote
sinkt. Das ändert sich auch nicht durch die Ökosteuer, deren Aufkommen bei 5 Milliarden DM liegen wird. Zwar
sinkt dadurch die Steuerentlastungsquote von 1,1 Prozent
auf 1 Prozent. Da aber die 5 Milliarden DM zur Senkung
der Rentenversicherungsbeiträge verwandt werden, sinken die Steuern und Abgaben insgesamt um 45 Milliarden DM netto. Wie gesagt, ich werde Ihnen die Zahlen
zugänglich machen, inklusive derer, die wir der Europäischen Kommission zugeleitet haben. Die Europäische
Kommission hat bestätigt, dass die Staatsquote sowie die
Steuer- und Abgabenquote gesenkt werden.
Das wird übrigens auch an einem anderen Punkt sichtbar. Ich wiederhole gern das, was ich schon am vergangenen Freitag deutlich gemacht habe; denn Sie behaupten
noch immer, der Steueranteil am Einkommen würde sich
erhöhen. Ich möchte Ihnen am Fall eines Arbeitnehmerhaushaltes mit zwei Kindern und einem Bruttoverdienst
von 60 000 DM bei einer angenommenen jährlichen
Steigerung, Herr Rauen, von 2,5 Prozent des Einkommens vorrechnen, dass das nicht stimmt. 1998 hat dieser
Haushalt 6 290 DM an Lohnsteuern gezahlt und einen
Nettoverdienst von über 46 000 DM gehabt. 2005 verfügt
dieser Haushalt bei der angenommenen Steigerung über
ein Bruttoeinkommen von rund 71 300 DM. Er zahlt eine
Lohnsteuer in Höhe von 6 540 DM, also - das ist ganz
spannend - gerade einmal 250 DM mehr. Das heißt, dass
die Steigerung des Bruttoeinkommens von rund
11 000 DM quasi steuerfrei geblieben ist. Der Nettoverdienst liegt dann bei 56 575 DM. Das bedeutet, dass der
Bruttoverdienst zwischen 1998 und 2005 um 18,9 Prozent
und der Nettoverdienst sogar um 22,6 Prozent gestiegen
sind. Anders ausgedrückt: Der Anteil der Steuern am Einkommen sinkt, und zwar nicht nur absolut, sondern auch
- das ist entscheidend - relativ. Ohne unsere Steuerreform
würde der Bruttoverdienst um 18,9 Prozent und der Nettoverdienst nur um 11 Prozent steigen. Dann wäre der Effekt der kalten Progression eingetreten, und zwar massiv.
Durch die Reform ist es genau umgekehrt.
({0})
Nächster Punkt: Diskriminierung des Mittelstands.
Das stimmt nicht. Herr Michelbach, Sie wissen das doch
auch. Dadurch, dass Sie das immer wieder behaupten,
wird es nicht richtiger. Wenn Sie die Debatte um das
Steuerentlastungsgesetz - das haben Sie übrigens selber
gesagt; ich weiß nicht mehr genau, ob Sie als Person; ich
habe nur noch die Debattenbeiträge von Herrn Merz im
Gedächtnis - im Zusammenhang mit der Debatte um das
Steuersenkungsgesetz sehen, dann wissen Sie, was der
Sachverhalt ist, nämlich dass die Großen per saldo aus
Steuerentlastungsgesetz und Steuersenkungsgesetz keine
Entlastung haben. Das wissen Sie doch. Deswegen ist
auch der Sachverhalt der Absenkung der Körperschaftsteuer im Jahre 2005 ein gänzlich anderer als beim
Mittelstand, der eine nachhaltige Nettoentlastung erfährt,
die allerdings, da es sich um 30 Milliarden DM handelt,
nicht auf einen Schlag realisiert werden kann, jedenfalls
dann nicht, wenn man das mit unserer Strategie der Haushaltskonsolidierung zusammenbringen will. Der Mittelstand ist der Nettogewinner der Reform.
({1})
- Ja, ja, natürlich, 30 Milliarden DM. Wissen Sie was? Sie
haben ja Pech; denn inzwischen haben dies bereits die
Steuerberater auf ihrem Kongress hier in Berlin deutlich
gemacht.
({2})
- Verehrter Herr Hauser, der Herr Vorsitzende hat in seinem Eröffnungsreferat genau dies gesagt. Am Tag darauf
haben Sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die
Überschrift lesen können, dass die Steuerberater nunmehr
den Entlastungseffekt bestätigen. Ich schicke Ihnen diesen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gerne
zu, lieber Herr Hauser; ich hatte diesen Presseauszug seinerzeit im Bundestag schon dabei.
Infolge dessen ist die Sache ganz einfach: Der Mittelstand bekommt eine Nettoentlastung in Höhe von 30 Milliarden DM, die sich in Stufen aufbaut und im Jahre 2005
vollständig zum Tragen kommen wird. Die Kapitalgesellschaften haben wegen ihrer Steuerbelastung aus dem
Steuerentlastungsgesetz bei der Senkung der Körperschaftsteuer per saldo keine Entlastung; sie brauchen sie
im Übrigen auch nicht.
Ich erlaube
mir den Hinweis: Je kürzer die Fragen, desto größer ist die
Chance, dass der Bundesfinanzminister auch kurz antwortet.
({0})
Ich gebe nun dem Kollegen Spiller das Wort.
Herr Minister, teilen Sie die
Auffassung der wirtschaftswissenschaftlichen Institute,
die in ihrem Herbstgutachten kürzlich die Annahme vertreten haben, dank der Steuerreform werde der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland im kommenden
Jahr wesentlich an Breite gewinnen, weil nicht mehr alleine die ausländische Nachfrage die Konjunktur belebt,
sondern auch die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmungen und die gestiegene Konsumnachfrage von breiten Schichten der Bevölkerung, die sich daraus ergibt,
dass im kommenden Jahr zum ersten Mal seit langem die
Nettolöhne und -gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erheblich kräftiger als die Bruttolöhne ansteigen werden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das kann man sehr
kurz und klar beantworten: Erstens. Alle Institute einschließlich IWF und Kommission sind sich einig, dass die
Steuerreform genau diesen Effekt hat. Sie alle haben sie
deswegen auch positiv bewertet. Es hat lediglich in Brüssel kurzzeitig eine Diskussion darüber gegeben - darauf
möchte ich in diesem Hause hinweisen -, ob die Steuerreform nicht prozyklisch sei, das heißt, ob wir sie überhaupt in diesem Maße und zu diesem Zeitpunkt machen
dürften. Diese Diskussion haben wir hinter uns, nicht zuletzt wegen der Ölpreisverteuerung. Jetzt sieht auch die
Kommission, dass es gut ist, diese Steuerreform zu diesem Zeitpunkt zu machen.
Zweitens. Die Zahlen bestätigen ausdrücklich, was Sie
zu den Ausrüstungsinvestitionen gesagt haben. Hinsichtlich der Nachfrage muss man zwei Dinge unterscheiden.
Objektiv werden wir eine starke Steigerung der Einkommen der privaten Haushalte aufgrund der Steuerpolitik
haben, wovon wieder etwas wegen der Ölpreissteigerung
abgeht. Von dieser Seite tun wir also alles, um die Nachfrage im Binnenmarkt ordentlich zu stützen. Aber dies ist
in besonderem Maße auch eine Frage der Psychologie: Es
kommt darauf an, dass es Zukunftsvertrauen gibt, damit
sich die Einkommenssteigerungen in Nachfrageerhöhungen und nicht in eine höhere Sparrate umsetzen. An dieser Aufgabe müssen wir alle wirken. Ich habe übrigens geBundesminister Hans Eichel
rade bei führenden Vertretern der Wirtschaftsverbände
mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass sie auf
diesen Sachverhalt selbst hinweisen und sich entsprechend verhalten. Wir müssen also deutlich machen, welche Entlastung es hier gibt, dass Zukunftsvertrauen gerechtfertigt ist und dass es deswegen keinen Grund gibt,
die Sparrate zu erhöhen, eher im Gegenteil.
Herr Kollege Thiele.
Herr Minister, Sie haben gerade wieder ausgeführt, dass sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt hat, die Rahmenbedingungen für
Wachstum und Beschäftigung zu verbessern und dazu die
Investitionskraft der Unternehmen zu stärken.
Nun können wir feststellen, dass mit der Steuerreform
die Abschreibungszeiten generell um ein Drittel gesenkt
wurden, für Gebäude in Betriebsvermögen von 4 Prozent
auf 3 Prozent; das ergibt insgesamt eine Belastung von
13,5 Milliarden DM für die Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund habe ich die Frage: Wie verträgt sich die Stärkung der Investitionskraft mit der beabsichtigten Verlängerung der Abschreibungsfristen? Wie ist der Zeitplan
dafür, wann kommt sie in welcher Form zum Tragen? Stehen Sie zu der Aussage des Bundeskanzlers, dass 3,5 Milliarden DM Mehrbelastung auf keinen Fall überschritten
werden sollen?
Die
3,5 Milliarden DM, von denen der Bundeskanzler gesprochen hat, sind ja seit dem Sommer des vergangenen
Jahres Bestandteil unseres Konzepts. Sie sind auch Bestandteil des Steuerreformkonzepts der CDU/CSU; das
möchte ich immer wieder einmal sagen, damit wir wissen,
worüber wir gemeinsam reden. Wir stehen zu den 3,5 Milliarden DM.
Im Übrigen haben wir hier die Situation - weil immer
einzelne Punkte extrapoliert werden, übrigens nach oben
wie nach unten -, dass einzelne Länder sagen, der Betrag
von 3,5 Milliarden DM werde überhaupt nicht erreicht,
einzelne Wirtschaftsverbände dagegen erklären, dieser
Betrag werde überschritten. Wir sind selbstverständlich
jederzeit zu einer Nachprüfung bereit. Wir stehen zu den
3,5 Milliarden DM, die seit einem Vierteljahr im Steuerkonzept der Regierung stehen. Die allgemeinen Abschreibungstabellen werden aller Voraussicht nach zum 1. Januar in Kraft gesetzt.
({0})
Nein, das hängt von den Steuerabteilungsleitern ab. - Ich
rate übrigens jedem, einmal darauf zu achten, wie das Verhalten der Bundesländer in dieser Frage ist.
({1})
Es gibt da eine - ich formuliere es einmal freundlich - gewisse Differenz zwischen dem Abstimmungsverhalten
der Beamten hinter verschlossenen Türen - das muss
durchaus nicht unkoordiniert sein - und den Erklärungen
mancher Landesfinanzminister in der Öffentlichkeit. Hinter verschlossenen Türen ist das Interesse an höheren Einnahmen über Parteigrenzen hinweg vorhanden: Wir stehen zu den 3,5 Milliarden DM und dabei bleibt es auch.
In der Öffentlichkeit erklären gelegentlich auch solche
Länder, sie hätten überhaupt kein Interesse an dem
Thema, die hinter verschlossenen Türen versuchen, mehr
als die 3,5 Milliarden DM hereinzubekommen.
Ich warne also Neugierige und rate dazu, sich einmal
in aller Ruhe sagen zu lassen, wie es wirklich abläuft. Die
3,5 Milliarden DM stehen.
({2})
Frau Kollegin Hasselfeldt.
Herr Minister, wie
rechtfertigen Sie denn Ihre Entscheidung, den Körperschaftsteuersatz für die Kapitalgesellschaften bereits zum
1. Januar 2001 von immerhin 40 Prozent auf 25 Prozent
zu senken, bei den Personenunternehmen aber den Grenzsteuersatz bei der Einkommensteuer nur in Trippelschritten zu senken und ihn im Jahr 2001 bei immerhin noch
48,5 Prozent zu belassen? Wenn Sie darauf mit dem Hinweis auf die Haushaltskonsolidierung antworten, wie Sie
es vorhin getan haben, dann möchte ich Sie fragen: Gilt
das Stichwort Haushaltskonsolidierung nur für die 85 Prozent Personenunternehmen? Diese Ungleichbehandlung
von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen ist
mit dem Stichwort Haushaltskonsolidierung allein nicht
gerechtfertigt.
Wie rechtfertigen Sie weiter die Ungleichbehandlung
von Kapital- und Personenunternehmen im Hinblick auf
Veräußerungsgewinnbesteuerung und Umstrukturierung?
Wir haben in den letzten Wochen - noch vor In-Kraft-Treten der Steuerreform - bereits drei Gesetze mit Änderungen dieser Steuerreform beschlossen. Wie halten Sie es
denn mit der notwendigen Änderung bei den Umstrukturierungsmaßnahmen für Personenunternehmen? Ich
nenne die Stichworte „Mitunternehmererlass - volle Umsetzung oder Realteilung“? Auch hier wären dringend Änderungen des Beschlossenen notwendig.
Frau Kollegin, es tut mir Leid, Ihre Behauptung wird ja nicht dadurch richtiger, dass Sie sie immer wiederholen. Ich habe
sie Ihnen eben schon widerlegt.
({0})
Ich sage es noch einmal: Sehen Sie bitte einfach nach, was
Ihre Fraktion im Bundestag zum Thema Steuerentlastungsgesetz im Frühjahr 1999 gesagt hat. Was Sie hier behaupten, ist der schlichte Widerspruch zu Ihren eigenen
Erklärungen.
({1})
Ich wiederhole es und stelle es anhand von ein paar
Zahlen dar: Die Kapitalgesellschaften sind diejenigen gewesen, die das große Maß der Belastungen im Steuerentlastungsgesetz getragen haben. Das war damals auch gewollt. Sie haben es kritisiert. Sie haben damals im
Deutschen Bundestag, also öffentlich, erklärt, das sei - so
Herr Merz wörtlich - ein Programm zur Vertreibung der
großen Gesellschaften aus dem Land. Wir wollten nichts
anderes - das haben wir auch gesagt -, als dass die Belastung durch die Steuersenkung zurückgenommen wird
und dass wir anschließend einen wesentlich niedrigeren
Körperschaftsteuersatz haben. Das heißt, wir haben das
international gültige Prinzip der Verbreiterung der Basis
der Gewinnermittlung mit gleichzeitig wesentlich niedrigeren Steuersätzen angewendet. Ergebnis war, dass die
Kapitalgesellschaften keine Entlastung bekommen.
Ich sage noch einmal: Das war nie das Problem der Kapitalgesellschaften. Das Problem der Kapitalgesellschaften war ein international nicht wettbewerbsfähiges Steuerrecht bzw. Steuersystem. Das Problem der kleinen und
der mittelständischen Betriebe ist, genauso wie bei den
Arbeitnehmern, die hohe Belastung. Deswegen konzentrieren wir die gesamte Nettoentlastung für die Wirtschaft
auf die kleinen und auf die mittelständischen Unternehmen.
Jetzt komme ich auf Ihr Wahrnehmungsproblem zu
sprechen. Die kleinen und die mittelständischen Unternehmen tragen den geringsten Teil der Gegenfinanzierungsmaßnahmen. Die Kapitalgesellschaften tragen
50 Prozent, die privaten Haushalte tragen 25 Prozent und
der Mittelstand trägt ebenfalls 25 Prozent. Der obere
Grenzsteuersatz ist für zwei Drittel der Personengesellschaften zunächst einmal ohne jeden Belang, weil sie
ihn gar nicht erreichen; denn sie weisen einen zu versteuernden Gewinn von weniger als 48 000 DM aus. Sie werden mir zustimmen: Wenn der Spitzensteuersatz bei
102 000 DM greift, dann ist dieser Punkt für diese Unternehmen ohne jede Relevanz.
Was Ihre Bemerkungen zum Spitzensteuersatz angeht,
weise ich wieder darauf hin, dass der Mittelstand im Rahmen dieser Steuerreform durch die Nettoentlastung von
30 Milliarden DM - sie baut sich in mehreren Stufen
auf - am meisten begünstigt wird. Das heißt, der Mittelstand erfährt durch Steuerentlastungsgesetz und Steuersenkungsgesetz zum 1. Januar 2001 anders als die Kapitalgesellschaften eine Nettoentlastung. Insofern wird der
Mittelstand nicht nur nicht benachteiligt; vielmehr befindet er sich bereits zum 1. Januar 2001 in einer besseren
Position als die Kapitalgesellschaften. Von Entlastungsstufe zu Entlastungsstufe setzt sich das fort.
({2})
Ich komme nun zum Thema Veräußerungsgewinne.
Ich hatte gelegentlich schon den Eindruck - ich weiß
nicht, wie oft man das noch erklären muss -, dass das
Thema „Vollanrechnungsverfahren und Halbeinkünfteverfahren“ in Ihren Reihen eine gewisse Verwirrung ausgelöst hat. Dafür kann ich aber nichts. Der Sachverhalt ist
ganz einfach: Es gibt keine Steuerfreiheit; vielmehr liegen
Steuerzahlungen zugrunde. Im Unterschied zum bisherigen Verfahren, in dem die Steuern, die vom Unternehmen
gezahlt worden sind, bei der Ausschüttung vollständig erstattet wurden, wird nun nichts mehr erstattet.
Das bedeutet aber auch, dass wir bei den Unternehmen
die Mehrfachbesteuerung des gleichen Sachverhaltes
nicht mehr hinnehmen können, weil sie nämlich zum Kapitalverzehr führte. Infolgedessen handelt es sich aber
überhaupt nicht um eine Steuerfreistellung.
(Lachen des Abg. Hans Michelbach ({3})
- Sehen Sie, da muss man nun einmal im System denken.
({4})
Es handelt sich ausschließlich um die Vermeidung dessen, was im Vollanrechnungsverfahren völlig unschädlich
ist, nämlich der Mehrfachbesteuerung desselben Sachverhaltes.
Beim Halbeinkünfteverfahren bleibt es dabei, dass die
25 Prozent Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer gezahlt sind und dass bei der Ausschüttung die Hälfte der
Dividende mit dem persönlichen Steuersatz besteuert
wird, damit man etwa auf dieselbe Steuerbelastung
kommt. Das ist ein anderes Verfahren. Von Steuerfreiheit
und damit von Benachteiligung bzw. Bevorteilung gegenüber dem anderen System zu reden ist aber völlig fehl am
Platze. Es sind zwei unterschiedliche Systeme. In diesem
Fall handelt es sich um die Vermeidung der Mehrfachbesteuerung.
({5})
Herr Kollege Lennartz.
Herr Minister Eichel, können
Sie uns vielleicht erklären, wieso bis Ende 1998 die Höhe
der ausländischen Investitionen in Deutschland zum Teil
rückläufig war - ihr Gesamtwert lag bei nur noch knapp
1 Milliarde DM -, während die Höhe der Investitionen
deutscher Unternehmen im Ausland - sie lag bei über
30 Milliarden DM - extrem zugenommen hat? Wie erklären Sie, dass von 1999 bis zu diesem Jahr umfangreiche
Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland
getätigt wurden und dass deutsche Unternehmen wieder
verstärkt in Deutschland investieren?
Herr Kollege Lennartz, es gibt eine einfache Erklärung. Deutschland ist als Investitionsstandort wieder interessanter geworden. Das ist so. Dazu haben die Haushalts- und die
Steuerpolitik der Bundesregierung einen maßgeblichen
Beitrag geleistet, wie Sie das übrigens bereits in der unmittelbaren Reaktion auf unser Zukunftsprogramm 2000
in ausländischen Wirtschaftszeitungen - extrem in denen,
die uns vorher immer massiv kritisiert haben -, zum Beispiel im „Wall Street Journal“, lesen konnten, nach dem
Motto: Es lohnt sich wieder, in Deutschland zu investieren. - Das ist der erste Teil meiner Antwort.
Im zweiten Teil meiner Antwort will ich das noch ein
Stückchen weitertreiben, weil wir im Grunde daran ein
gemeinsames Interesse haben müssen. Wenn das ausländische Kapital einen Bogen um Deutschland macht, ist es
auch für das inländische Kapital schlecht, denn das heißt
ja: Wir halten euer Land als Investitionsstandort für
schlecht. Das kann nicht so sein, dass das nur für die Ausländer gilt; das gilt dann auch für die Inländer.
Auch deswegen sage ich: Wir tun eine Menge, um die
Investitionsbedingungen zu verbessern.
Ich will aber auf einen anderen Sachverhalt hinweisen,
weil es dabei natürlich auch einige Schwankungen gibt.
Ich nehme den Fall Daimler-Chrysler: Auf der einen Seite
findet ein unmittelbarer massiver Kapitalabfluss aus
Deutschland statt, aber das muss nicht - einmal abgesehen von den Problemen, die dieses Unternehmen im Moment hat - eine Schwächung der deutschen Wirtschaft bedeuten, denn eine Verflechtung über den Atlantik hinweg
ist ja prinzipiell vernünftig. Entscheidend ist an dieser
Stelle nur, dass diese Verflechtung nicht einseitig ist, sondern dass sich diese Verflechtung sowohl nach der einen
wie nach der anderen Richtung erstreckt.
Dies steckt übrigens hinter den enorm gewachsenen
Kapitaltransaktionen. Wir haben es zurzeit - das hat sich
in den letzten Jahren gewaltig verstärkt - mit einer intensiven Zunahme der Verflechtung der Volkswirtschaften
diesseits und jenseits des Atlantiks und - das ist dann für
die Abflussbilanzen unschädlich - natürlich auch innerhalb der Euro-Zone zu tun. Das heißt, aus „nationalen“, in
einem Land ansässigen und schwerpunktmäßig tätigen
Unternehmen werden europäische Unternehmen. Zunehmend gibt es die Tendenz zur transatlantischen Verflechtung.
Auch aus diesem Grunde haben wir - übrigens in beiden Richtungen - eine starke Erhöhung der Kapitaltransfers.
({0})
Herr Kollege Solms, Sie haben das Wort.
Herr Minister, Sie
erklären immer wieder, dass das Aufkommen aus der
Ökosteuer voll und ganz zur Finanzierung der Rentenversicherung herangezogen wurde.
({0})
Das ist zum Gutteil richtig. Ein kleiner Teil wird ja
auch für andere Zwecke genutzt, aber darauf kommt es
mir jetzt nicht an.
Mit dieser Äußerung versuchen Sie doch den Eindruck
zu erwecken, dass damit eine entsprechende Absenkung
der Beiträge der Arbeitnehmer erreicht wird. In Wirklichkeit werden aber die Beiträge der Arbeitnehmer nur von
19,3 auf 19,1 Prozent gesenkt. Das sind etwa 3,2 Milliarden DM. Das Mehraufkommen aus der Ökosteuer beträgt
aber 7 bis 8 Milliarden DM.
({1})
- So steht es im Haushalt.
Das heißt, dass Ihre Aussage einerseits richtig ist, aber
andererseits einen völlig falschen Eindruck erweckt. Ist es
nicht so, Herr Minister, dass die Arbeitnehmer bei den
Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung eben
keine dem Mehraufkommen bei der Ökosteuer entsprechende Nettoentlastung erfahren?
Dazu kommt, dass 1 Pfennig zusätzliche Mehrwertsteuer ohnehin aus Ihrer Rechnung herausgehalten wird.
Diese Mehreinnahmen fließen dem allgemeinen Haushalt
zu.
Zunächst
einmal, Herr Kollege Solms: Es ist derselbe Sachverhalt
wie der, den Sie - mit unserer Zustimmung damals - bei
der Mehrwertsteuer in Anspruch genommen haben. Sie
würden ja auch nicht behaupten, dass Sie die Einnahmen
aus der damaligen Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt anderweitig verwendet haben. Das ist
auch nachweisbar; das ist nicht geschehen. Die rund
17 Milliarden DM sind in vollem Umfang für den vorgesehenen Zweck verwendet worden. Dasselbe gilt auch
hinsichtlich der Verwendung von 200 Millionen DM für
das Programm zur Nutzung erneuerbarer Energien.
Ich will übrigens darauf hinweisen, dass wir in der Zukunft in diesem Zusammenhang noch ein anderes Problem bekommen. Ich habe ein Haushaltsrisiko. Bis 2003
sind die Beiträge in weiteren Stufen vollständig für
die Rentenversicherungsbeiträge vorgesehen. Jedenfalls
heute gibt es keine Planung, eine weitere Erhöhung der
Ökosteuer dann vorzunehmen.
Bis auf folgenden Punkt wurde nichts in das Rentenreformkonzept eingerechnet: Der Zuschuss für die Rente
soll dynamisiert werden. Diese Überlegung ist in die mittelfristige Finanzplanung des Bundes einbezogen worden.
Der Zuschuss von etwa 33 Milliarden DM soll dynamisiert werden, indem er an die Steigerung der Lohnsumme
gekoppelt wird. Dieses Risiko soll der allgemeine Haushalt tragen. Es ist also nicht so, dass wir von der Ökosteuer
irgendetwas für den Haushalt abzweigen. Es ist vielmehr
so, dass nach dem Jahr 2003 der allgemeine Haushalt das
Risiko der Dynamisierung dieses Zuschusses trägt.
Ich gebe zu, dass ich im Moment die entsprechenden
Zahlen nicht vorliegen habe. Nach meiner Erinnerung
handelt es sich um eine Summe von 5 Milliarden DM. Sie
müssen aber beachten, dass der Zuschuss zur Rentenversicherung um die Steuerentlastung bei Agrardiesel vermindert wird, weil der Agrardiesel von der Ökosteuer ausgenommen wird.
({0})
- Das ist eines der Probleme. Steuerentlastungen mindern
natürlich das Steueraufkommen und damit den Zuschuss
für die Rentenversicherung.
({1})
- Nein, wir senken beim Agrardiesel die Steuer.
({2})
- Auch das ist falsch.
({3})
- Nein. Die Gasölbeihilfe verschwindet. Das eingesparte
Geld kommt aber dem Agrarhaushalt zugute und bewirkt
eine massive Aufstockung dieses Agrarhaushaltes. Damit
senken wir die Steuerbelastung beim Agrardiesel.
({4})
- Das ist alles falsch, was Sie sagen. Dies ist eine Minderung der Einnahmen aus der Ökosteuer.
Ich komme zur Nettoentlastung. Herr Kollege Solms,
der Sachverhalt ist der gleiche wie bei der Mehrwertsteuer, nämlich dass die Beiträge steigen müssten.
({5})
- Nein, das hat nichts mit der Rentenreform zu tun, Herr
Kollege Solms. - Sie haben nämlich mit den Mehreinnahmen aus dem Mehrwertsteueraufkommen damals
nicht die Beiträge gesenkt, sondern eine Erhöhung verhindert. Es ist so - das hängt mit dem Zahlenverhältnis
von Beitragszahlern zu Rentenempfängern zusammen -,
dass auch bei der Verwendung der Einnahmen aus der
Ökosteuer ein solches Element enthalten ist. Deswegen
spiegelt die Senkung der Beiträge um 0,2 Prozentpunkte
nicht punktgenau den vollen Umfang des Zuschusses von
etwa 5 Milliarden DM wider, sondern entspricht nur einer
Summe von 3,2 Milliarden DM.
Ohne den Zuschuss aus der Ökosteuer hätten wir einen
Beitragssatz, der um mehr als 0,2 Prozentpunkte höher
liegen würde, weil sich die Ausgaben der Rentenversicherung erhöht haben. Man kann also von einer vollständigen Übertragung der Einnahmen aus der Ökosteuer
- minus 200 Millionen DM für die Förderung von energieeinsparenden Maßnahmen - auf die Rentenversicherung sprechen.
({6})
Herr Kollege Seiffert.
Herr Minister, nach dem
Vermittlungsverfahren haben Sie § 34 des Einkommensteuergesetzes verändert. Ich möchte in diesem Zusammenhang fragen: Warum sind für Handelsvertreter und
die Abfindungen für ausscheidende Arbeitnehmer - so
weit sie über dem Freibetrag liegen - nicht mit einbezogen worden? Wieso wird nicht die Besteuerung nach dem
halben durchschnittlichen Steuersatz wie bei den Veräußerungserlösen vorgenommen? Wie rechtfertigen Sie
diese Ungleichbehandlung?
Herr Kollege, diese Situation ist dadurch entstanden, dass Landesregierungen, die sich bereit erklärten, an der Steuerreform
mitzuwirken, und die sich nicht gänzlich einer Mitwirkung verweigert haben - es gab ja eine ganze Reihe
von Landesregierungen aus Ihren Reihen, die dies getan
haben -, Bedingungen gestellt haben und an ihre konstruktive Mitwirkung Erwartungen geknüpft haben. Die
rheinland-pfälzische Landesregierung und Herr Brüderle
in Abstimmung mit der F.D.P. haben daran mitgewirkt,
dass die Wiedereinführung des halben Steuersatzes bei
Betriebsveräußerungen in dieser Form - das ist von Herrn
Brüderle ausdrücklich bestätigt worden - im Gesetz aufgenommen worden ist.
Es gab in diesem Zusammenhang keine Verabredung
hinsichtlich der Regelungen für Handelsvertreter und der
Arbeitnehmerabfindungen. Ich sage aber aufgrund meiner Kenntnis des Verfahrens, dass angesichts der Gesamtsumme, um die es dann gegangen wäre, eine Einigung
nicht zustande gekommen wäre. Die Bundesländer hätten
sich nämlich nicht in der Lage gesehen - der Bundeshaushalt befindet sich in keiner anderen Situation, auch
wenn wir manchmal etwas anders darüber reden -, weitere Einnahmeausfälle zu verkraften. Das erleben Sie im
gegenwärtigen Verhalten der Länderregierungen, für das
ich wegen ihrer Finanzlage volles Verständnis habe. Aber
als Bundesfinanzminister muss ich darauf bestehen, dass
die Finanzverfassung eingehalten wird. Was man sich
nicht leisten kann, kann man auch nicht beschließen. Man
kann aber nicht sagen: Was ich mir nicht leisten kann, sollen gefälligst andere bezahlen.
({0})
Herr Kollege von Larcher.
Herr Minister, der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in meinem
Wahlkreis sagt mir, dass er gerade als Mittelständler mit
der Steuerreform sehr einverstanden und zufrieden sei;
endlich sei der Reformstau überwunden.
({0})
- Ob Sie lachen oder nicht: Er sagt das. Ähnliches erfahre
ich bei Betriebsbesuchen bei Mittelständlern in meinem
Wahlkreis. Sind der Bundesregierung mehrere solcher
Stellungnahmen von Praktikern, von Mittelständlern bekannt, die das Gegenteil von dem beinhalten, was die
Opposition jetzt wieder so laut schreit und was Herr
Michelbach wider besseres Wissen mit konstanter Sturheit immer wieder behauptet?
Herr Kollege von Larcher, dieselben Erfahrungen mache auch ich.
Im Übrigen ist das ganz einfach zu erklären. An der Spitze
der Steuerreformkommission stand der Steuerexperte des
Deutschen Industrie- und Handelstages, Herr Kühn.
Übrigens haben alle Wirtschaftsverbände, bevor die
Brühler Kommission ihre Empfehlungen abgegeben hat,
dem ausdrücklich zugestimmt, ebenso die Steuerexperten
der Wirtschaftsverbände, die wir bei der weiteren Bearbeitung beteiligt haben. Dasselbe gilt für die Steuerexperten des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ich halte das für
ein völlig richtiges Verfahren.
Bei allen meinen Vorträgen vor Unternehmerinnen und
Unternehmern erlebe ich das, was Sie sagen. Einzelne
Kritik gibt es; das ist gar keine Frage. Es gibt auch immer
wieder zunächst die Behauptung, wie sie heute von Ihnen,
Frau Hasselfeldt, oder Ihnen, Herr Michelbach, hier aufgestellt worden ist. Aber nach einer kurzen Diskussion
sind diese Behauptungen vollständig widerlegt. Ich sage
Ihnen: Auch Ihre Propagandawelle wird immer
schwächer, vor allen Dingen deshalb, weil die Steuerberater nun gar nicht mehr anders können, als ihrer Klientel
die richtigen Konsequenzen unserer Steuerreform zu erklären. Der Kollege Müller sagt mir, er ziehe die Versammlungen immer sofort auf seine Seite, wenn er den
Teilnehmern sage, sie sollten sich, wenn sie meinten, dass
die Steuerreform für den Mittelstand nur Nachteile
bringe, doch einmal überlegen, ob sie das zurückhaben
wollten, was im letzten Jahr der Regierung Kohl gegolten
hätte. Dann sei absolute Ruhe in jeder Unternehmerversammlung.
({0})
Mir liegen
noch sieben Wortmeldungen vor; aber die Zeit ist leider
deutlich überschritten, sodass uns nur noch fünf Minuten
für Fragen aus anderen Geschäftsbereichen bleiben.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Uhl.
Herr Eichel, hat
sich das Bundeskabinett heute mit der Aussagegenehmigung für den Bundesaußenminister Joschka Fischer beschäftigt, der in dem Prozess gegen den Terroristen HansJoachim Klein als Zeuge auftreten soll? Ich frage weiter:
Sieht die Bundesregierung nicht eine große Gefahr in der
Zeugenaussage dahin gehend, dass dadurch das Ansehen
der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig beschädigt
werden kann? Denn schließlich wird dadurch einem breiten Kreis publik, welche unmittelbare Nähe zwischen
dem Außenminister und dem Terroristen Klein damals bestand. Schließlich hat der Terrorist Klein Joschka Fischer
als sein großes Vorbild bezeichnet.
Wenn er
nur diesem Vorbild nachgeeifert hätte, Herr Kollege!
Die Sache ist einfach. Erstens. Die Bundesregierung
hat sich damit nicht befasst. Zweitens. In einem rechtsstaatlichen Verfahren, in dem ein Mitglied der Bundesregierung als Zeuge auftreten soll, liegt überhaupt kein Problem für das Ansehen der Bundesrepublik. Es ist doch
völlig selbstverständlich, dass, wenn erforderlich, in einem rechtsstaatlichen Verfahren jeder von uns seinen Beitrag zur Findung der Wahrheit zu leisten hat.
({0})
Herr Minister, der „Bild“-Zeitung von heute habe ich entnommen, dass Sie sich im Kabinett mit dem erleichterten Arbeitsmarktzugang Nichtdeutscher beschäftigt haben. - Auch Staatssekretär
Andres ist ja anwesend, sodass er Ihnen vielleicht bei der
Beantwortung meiner Frage zur Seite springen kann. - Sie
erinnern sich, dass die Koalition im März dieses Jahres
den Antrag der F.D.P.-Fraktion auf Abschaffung der
Arbeitsgenehmigungspflicht abgelehnt hat. Jetzt hat die
Koalition eine Regelung getroffen, die Bürgerkriegs- und
anderen Flüchtlingen - nach einer Vorrangprüfung - einen unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt zubilligt,
Asylbewerbern allerdings weiterhin ein Arbeitsverbot
von zwölf Monaten auferlegt - dies wird hier Wartefrist
genannt -, bevor der Betroffene das Recht erwirbt, in die
Vorrangprüfung einzutreten. Der „Bild“-Zeitung entnehme ich jetzt, dass diese Änderung, die ich sehr befürworte, weil sie in die richtige Richtung geht - nach meinem Dafürhalten ist sie allerdings nicht weit genug -, in
der Zukunft bei den Gemeinden Minderausgaben von
900 Millionen DM und bei den Sozialversicherungsträgern Mehreinnahmen von ungefähr 1,3 Milliarden DM erwarten lässt.
Ich frage daher die Bundesregierung, aus welchem
Grund sie - wenn sie denn schon bei der Vorrangprüfung
bleiben will - dieses zwölfmonatige Arbeitsverbot bei
Asylbewerbern aufrechterhalten hat. Denn Sie gehen ja
richtigerweise davon aus, dass ein Mensch, der sich in unserem Land aufhalten darf, für die Dauer seines legalen
Aufenthaltes auch die Möglichkeit bekommen sollte,
selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Warum dürfen also Asylbewerber insbesondere vor dem Hintergrund
der Tatsache, dass Sie die Vorrangprüfung nicht abgeschafft haben, nicht vom ersten Tag an arbeiten?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte.
Herr Kollege Niebel,
ich versuche jetzt, einige Ihrer vielfältigen Fragen zu beantworten und auf Ihre Behauptungen einzugehen: Das
Bundeskabinett hat heute einer Ministerverordnung zugestimmt, mit der die Arbeitsgenehmigungsverordnung
geändert wird. Diese Verordnung hat zum Ersten das Ziel,
den seit 1997 bestehenden so genannten Clever-Erlass
aufzuheben. Zum Zweiten hat sie die Gleichbehandlung
aller von Ihnen genannten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt
zum Ziel, indem eine einheitliche einjährige Wartefrist
eingeführt wird. Zum Dritten wird mit ihr verwirklicht,
dass betroffene Personen, die bereits seit einem Jahr bei
einem Arbeitgeber arbeiten, nicht eine erneute Vorrangprüfung machen müssen, sondern weiter bei diesem Arbeitgeber arbeiten können. - Das enthält diese Verordnung im Wesentlichen.
Wir folgen mit dieser Verordnung mehreren Überlegungen: Zum einen reagieren wir damit auf die derzeitige
Arbeitsmarktsituation mit immerhin noch 3,65 Millionen Arbeitslosen, wie die Bundesanstalt für Arbeit erst
kürzlich mitgeteilt hat. Zum anderen wollen wir mit dieser Regelung vermeiden, dass es zusätzliche Anreize auf
Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen und Arbeitsmarktgesichtspunkten gibt. Ferner wollen wir mit dieser
Regelung notwendige Integrationsansätze umsetzen.
Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie in diesem Zusammenhang bereits im März dieses Jahres einen Antrag
gestellt haben. Aber Sie wissen, dass dieser Antrag den
Wegfall des kompletten Arbeitsgenehmigungsrechtes beinhaltete. Wir haben Ihnen schon damals gesagt, dass die
Bundesregierung ein solches Ansinnen für Unsinn hält.
Das sehen wir nach wie vor so. Wir halten das für unsinnig und das, was wir mit dieser Verordnung auf den Weg
gebracht haben, für völlig richtig.
Zu den Zahlen, die Sie genannt haben, darf ich Ihnen
sagen, dass nach Erkenntnissen der Bundesregierung
etwa 120 000 Bürgerkriegsflüchtlinge, Asylbewerber und
geduldete Ausländer unter das Arbeitsmarktzugangsverbot fallen. Diese Zahl gilt für den Zeitraum vom 15. Mai
1997 bis heute. Mit der neuen Verordnung wird es möglich sein, dass rund 85 000 dieser Personen einen unmittelbaren Arbeitsmarktzugang bekommen, weil ihre Wartefrist erfüllt ist. Unterstellt man, dass etwa 80 Prozent
dieser Personen eine Arbeit bekommen, dann würden sich
die Zahlen ergeben, die Sie einer großen Boulevardzeitung entnommen haben. Wir würden nämlich auf der
einen Seite rund 900 Millionen DM an Sozialhilfezahlungen einsparen und bei einer Beschäftigungsquote von
80 Prozent beim Bruttosozialprodukt zusätzlich 3,3 Milliarden DM erwirtschaften. Diese Personengruppe würde
rund 1,2 Milliarden DM Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Diese Zahlen unterstellen wir auch bei der Vermutung, dass nicht die vollen 100 Prozent der betroffenen
Menschen erwerbstätig sein werden - dies auch wegen
der Vorrangprüfung -, sondern nur 80 Prozent.
Danke
schön. - Es liegt eine letzte Frage des Kollegen Bleser vor.
Herr Präsident, meine
Frage betrifft einen anderen Geschäftsbereich. Ich frage
die Bundesregierung, in welchem Umfang sie bereit ist,
die Kosten der BSE-Schnelltests, für die Beseitigung von
nicht zugelassenem Tiermehl und für die Entsorgung von
Tierkadavern zu übernehmen.
Herr Staatssekretär Thalheim antwortet.
Herr Kollege Bleser, in der heutigen Kabinettsitzung hat
- so bin ich informiert worden - der Bundeslandwirtschaftsminister über die Ergebnisse des Agrarrates
berichtet. Der Herr Bundesminister hat diese Ergebnisse
bereits in der gemeinsamen Sitzung des Agrarausschusses
und des Gesundheitsausschusses dargestellt. Darüber hinaus ist im Kabinett nicht über eine mögliche Kostenübernahme diskutiert worden. Wie Sie wissen, ist eine
gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern einberufen worden, die zur Stunde in Bonn tagt, die die Voraussetzungen für eine mögliche Kostenkalkulation
schaffen soll. Wenn sie auf dem Tisch liegt, wird die Entscheidung zu treffen sein, wie hinsichtlich der Kostenübernahme im Einzelnen verfahren wird.
Damit beende ich die Regierungsbefragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/4860 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Hartmut Koschyk werden schriftlich beantwortet.
Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Christa Nickels zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Max Straubinger auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich der Bundesausschuss Kassen/Ärzte darauf geeinigt haben soll, dass zukünftig
keine Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Kinderärzte, sondern nur
noch Spezialärzte Sprachtherapien verordnen dürfen?
Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundesausschuss der
Ärzte und Krankenkassen hat dem Bundesministerium
für Gesundheit die am 16. Oktober 2000 beschlossenen
Heilmittelrichtlinien zur Prüfung nach § 94 des SGB V
vorgelegt. Ich glaube, es ist wichtig, zu wissen, dass diese
Richtlinien am 26. Oktober 2000 bei uns im Haus eingegangen sind. Deshalb ist das Fristende für die Prüfung in
unserem Haus nicht der 16.Dezember - wie manche meiner Kollegen angenommen haben -, sondern der 27. Dezember.
Zur Prüfung der Befürchtungen und Vorwürfe, die gegen die in diesen Richtlinien vorgesehen Neuregelungen
zur Verordnung von logopädischen Leistungen erhoben
werden, hat unser Haus den Bundesausschuss mit Schreiben vom 2. November um Stellungnahme gebeten. Wir
haben die Antwort am 20. November erhalten. Diese war
unseres Erachtens noch nicht ausführlich genug, damit
wir diese Sorgen und Befürchtungen mit Fug und Recht
ausräumen können.
Deshalb haben wir einen ausführlichen Fragenkatalog
erstellt. Weil wir ausreichend Zeit haben wollen, der
Sache nachzugehen, haben wir diesen mit Fax vom
1.Dezember an den Bundesausschuss gesandt und gebeten, noch einmal Stellung zu nehmen. Wir haben dabei
eine kurze Frist gesetzt; heute sollen die Antworten eingehen. Sie werden bei uns im Haus dann intensiv geprüft
werden. Ohne diese zusätzliche Stellungnahme des Bundesausschusses können wir Ihnen nicht das Ergebnis einer
sorgfältigen Prüfung vorlegen. Deshalb können wir zu
den Vorwürfen und Befürchtungen noch nicht substantiiert Stellung nehmen. Wir werden das aber alles prüfen
und Sie können sicher sein, dass keine Regelung umgesetzt wird, die die Versorgung der Versicherten beeinträchtigen würde.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Straubinger.
Frau Staatssekretärin,
zunächst möchte ich mich bedanken, dass Sie meine kurzfristig abgeänderte Frage angenommen haben. Es war in
der schriftlichen Vorlage ein Fehler enthalten.
Meine Zusatzfrage: Es gibt in ganz Deutschland ja nur
163 solcher Spezialärzte. Ist nicht zu befürchten, dass die
Sprachtherapien nicht mehr so zur Anwendung kommen
werden, wie das im Moment - und zwar aufgrund medizinischer Notwendigkeit - der Fall ist?
Herr Kollege, Sie sagen zu
Recht, dass es von diesen Spezialärzten - Phoniater und
Pädoaudiologen - nur 167 gibt. Wir haben die Richtlinien
speziell daraufhin überprüft, ob es richtig ist, dass sie so
gefasst sind, dass nur noch Phoniater und Pädoaudiologen
diese Verschreibungen vornehmen dürfen.
Hier ist klar geworden: Im Gegensatz zu den geltenden
Richtlinien werden für die Folgeverschreibungen - also
dann, wenn nach der Erstverschreibung nicht der gewünschte therapeutische Erfolg erzielt worden ist - neue
diagnostische Maßnahmen zugrunde gelegt. Das dient der
Qualitätssicherung, damit der Patient nicht nur nach der
Devise „mehr von demselben“, behandelt wird, obwohl
das vielleicht nicht hilft. Wir wollen, dass der Patient angemessen behandelt wird.
Ob die Folgeverschreibungen tatsächlich nur von Phoniatern und Pädoaudiologen durchgeführt werden können
oder auch von Kinder- oder HNO-Ärzten - Sie wissen, es
gibt 4 097 HNO-Ärzte und 6 602 Kinderärzte, die sich
durchaus weitergebildet haben bzw. weiterbilden können -, ist eine Frage der Interpretation. Vielleicht bleibt es
auch in Zukunft dabei. Welche Interpretation in diesem
speziellen Punkt die richtige ist, ist noch nicht geklärt. Wir
haben dazu vom Bundesausschuss noch keine aussagekräftige Antwort bekommen. Wir werden das noch prüfen
und dazu werden auch noch Stellungnahmen eingehen.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
Sie haben gerade die Zusatzausbildung angesprochen. Inwieweit müsste diese Zusatzausbildung möglicherweise
von HNO- bzw. Kinderärzten erbracht werden und wie
hoch ist der Aufwand?
Das kann ich nicht sagen.
In der Richtlinie sind die diagnostischen Maßnahmen, die
ergriffen werden müssen, speziell auf die Behandlungsgruppen bezogen. Daraus können Sie aber nicht ableiten,
dass eine ganz bestimmte Qualifikation und erst recht
nicht eine bestimmte Facharztqualifikation erforderlich
ist. Das müssen wir prüfen. Deshalb kann ich Ihre Frage
noch nicht beantworten.
Unser Haus prüft das, wir haben einen umfangreichen
Fragenkatalog nachgeschoben. Die nächste Stellungnahme war für heute vorgesehen. In der heutigen Sitzung
des Gesundheitsausschusses - ich sehe Ihren Kollegen
Wolf - hat unsere Fachabteilung schon mitgeteilt, dass der
Bundesausschuss gestern Abend bei uns angerufen und
erklärt hat, dass diese spezielle Frage nicht bis heute beantwortet werden kann, die Beantwortung noch ein paar
Tage brauchen wird. Das ist aber ein Punkt, auf den wir
unser besonderes Augenmerk gerichtet haben. Wir werden Sie darüber unterrichten; darum haben auch die Kollegen im Gesundheitsausschuss gebeten.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.
Frau Staatssekretärin, Sie haben
soeben richtigerweise angemerkt, dass es dann, wenn eine
Folgeverordnung nur von einem Phoniater oder Pädoaudiologen durchgeführt werden kann, zu starken Verordnungsengpässen kommen würde, was natürlich nicht nur
die ungefähr 2 500 niedergelassenen logopädischen Praxen dramatisch treffen würde, sondern insbesondere auch
die Patientinnen und Patienten, darunter vor allem die
Kinder.
Ist die Bundesregierung gewillt, wenn die Interpretation dahin gehen wird, dass nur Phoniater und Pädoaudiologen für Folgeverordnungen zuständig sein können,
die Richtlinie entsprechend abzulehnen? Ist die Bundesregierung weiterhin gewillt, die diagnostischen Erkenntnisse und Erfahrungen, die in der Berufsgruppe der Logopädinnen und Logopäden vorhanden sind, mit in ihre
Überlegungen einzubeziehen? Denn diese sind in aller
Regel bei vielen diagnostischen Verfahren weitaus kompetenter als manch ein HNO- oder Kinderarzt?
Herr Kollege Niebel, der
Gesetzgeber hat aus guten Gründen die Festlegung von
Richtlinien, die sich auf Therapie, Diagnostik und auf entsprechende Arznei- und Heilmittel beziehen, den Selbstverwaltungsgremien überlassen. Denn natürlich ist die
Politik hier noch weniger sachverständig, als die Fachleute es sind.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie als F.D.P.-Mitglied wollen, dass wir die Rechte und Pflichten der Selbstverwaltungsorgane aufheben. Wir sind gehalten, zu prüfen, ob hier die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt wurden,
ob alle Berufsgruppen ausreichend und richtig angehört
und ob die Argumente entsprechend gewürdigt wurden.
Das haben wir getan. Wir als Bundesgesetzgeber sind
natürlich gehalten, darauf zu achten, dass der Sicherstellungsauftrag gewährleistet ist und damit die Rechte der
Patienten auf angemessene Versorgung nach den §§ 12,
27, 80 und anderen im SGB V eingehalten werden. Das
machen wir selbstverständlich auch.
Ich rufe die
Frage 4 des Abgeordneten Straubinger auf:
Wird mit einer solchen Maßnahme nicht die flächendeckende
Versorgung mit Sprachtherapie gefährdet?
Die Frage 4, ob mit solchen
Maßnahmen - damit sind die Richtlinien des Bundesausschusses gemeint - nicht die flächendeckende Versorgung
mit Sprachtherapie gefährdet wird, beantworte ich wie
folgt: Die Richtlinien des Bundesausschusses - das sagte
ich schon, Herr Kollege Straubinger - sind gemäß § 94
Sozialgesetzbuch V unserem Haus vorzulegen und müssen geprüft werden. Ich habe dazu schon einiges im Rahmen der Beantwortung der Frage des Kollegen Niebel gesagt. Unser Haus, also das Gesundheitsministerium, kann
die Richtlinien innerhalb von zwei Monaten in bestimmten Punkten beanstanden. Das Gesundheitsministerium
wird im Rahmen der Überprüfung selbstverständlich beachten, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung mit Leistungen zur Stimm-,
Sprech- und Sprachtherapie gewährleistet bleibt und damit eben auch der Sicherstellungsauftrag erfüllt werden
muss.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
wird die Bundesregierung diese Verordnung nach den
jetzt vorliegenden Berichten bzw. Darlegungen des Bundesausschusses möglicherweise beanstanden?
Herr Kollege, das kann ich
Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt wirklich noch nicht sagen.
Heute haben die Kollegen im Gesundheitsausschuss darum gebeten, dass wir ihnen das zweite Schreiben, das wir
dem Bundesausschuss am 2. Dezember dieses Jahres per
Fax zugeschickt haben, übermitteln. Darin ist ein umfangreicher Fragenkatalog aufgelistet. Es geht unter anderem darum, wie diese Interpretationsspielräume, von
denen wir eben gesprochen haben, vom Bundesausschuss
gefüllt werden. Diese müssen auf jeden Fall noch spezifiziert werden, damit keine Missinterpretationen möglich
sind, die wirklich zu einer Beeinträchtigung der Versorgung führen könnten. Diese Fragen sind aber noch nicht
ausreichend beantwortet. Wir warten darauf. Vorher können wir uns kein Urteil darüber erlauben, ob diese Richtlinien so, wie sie vorgelegt worden sind, von uns beanstandet werden müssen oder ob sie zum 1. April nächsten
Jahres in Kraft treten. Das kann ich Ihnen noch nicht sagen.
Ich habe den Kollegen im Gesundheitsausschuss zugesagt, dass wir sie informieren. Ich habe übrigens gestern
eine kurze Information an alle Abgeordneten geschickt,
da zurzeit alle Abgeordneten Fragen dazu haben. Wir
werden Sie selbstverständlich informieren, wenn die Ergebnisse vorliegen. Das machen wir unaufgefordert, denn
ich weiß, dass Sie alle sich in Ihrer Bürgersprechstunde
aus guten Gründen intensiv um diese Belange kümmern.
Eine weitere
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
können Sie sich erklären, warum der Bundesausschuss zu
einer solchen Überlegung kommt? Beruht dies allein auf
qualitativen Gesichtspunkten oder könnten hier nicht
auch finanzielle Gesichtspunkte - zum Beispiel Deckelung in der Gesundheitsreform - eine Rolle spielen?
Letzteres kann man ausschließen, wenn Sie nicht dem Bundesausschuss Böswilligkeit unterstellen wollen, was ich nicht mache. Es ist so,
dass das Arznei- und Heilmittelbudget nach § 84 Sozialgesetzbuch V so geregelt ist, dass das Budget keinen
festen Deckel, sondern eine prospektive Obergrenze hat.
Es besteht also eine Öffnungsklausel.
Bei der Anpassung des Budgets müssen folgende
Aspekte berücksichtigt werden - ich lese es kurz vor -:
erstens Veränderungen der Zahl und der Altersstruktur der
Versicherten; zweitens Veränderungen der Preise der Arznei-, Verband- und Heilmittel; drittens Veränderungen der
gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenkassen und
viertens bestehende Wirtschaftlichkeitsreserven, aber
auch Innovationen.
Das heißt, dieser finanzielle Aspekt kann kein Beweggrund sein. Leitmotiv des Bundesausschusses ist, die
Qualität zu verbessern. Unter diesen Gesichtspunkten
wird es auch in unserem Haus - so, wie ich Ihnen das eben
dargelegt habe - geprüft.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Wolf.
Frau Staatssekretärin, begutachtet die Bundesregierung dieses Thema nicht ein
bisschen blauäugig? Im Bundesausschuss sitzen Vertreter
der Krankenkassen und der Ärzte. Diese wissen natürlich,
dass jetzt vielerorts in Deutschland die Budgets überschritten werden. Ist dies nicht doch ein Indiz dafür, dass
die Bundesregierung es noch ein wenig ernster nehmen
und auch über die Budgetierung nachdenken sollte? Es
kommen jetzt immer häufiger Berichte über Maßnahmen
des Bundesausschusses dahin gehend, dass die Verordnungsfähigkeit von bestimmten Therapien immer stärker
eingeschränkt wird. Ist dies nicht eigentlich ein Grund,
um über die Aufhebung der Budgetierung nachzudenken,
damit - wie Sie selbst es formuliert haben - die Erfüllung
des Sicherstellungsauftrages gewährleistet bleibt? Müssten Sie nicht ein wenig stärker über die Motive nachdenken, als Sie es derzeit tun?
Herr Kollege Wolf, erstens
gehe ich davon aus, dass Sie als Mitglied des Gesundheitsausschusses und der CDU/CSU nicht beabsichtigen,
die Zuständigkeiten und Kompetenzen, die der Gesetzgeber insgesamt den Selbstverwaltungsgremien übergeben
hat, wieder zu verstaatlichen.
Zweitens gehe ich nicht davon aus, dass die Ärzte und
Krankenkassen aus eigensüchtigen Gewinninteressen
Teile der für die Versorgung vorhandenen Mittel sachfremd umleiten wollen.
Drittens - das habe ich gerade schon Ihrem Kollegen
dargelegt und Sie müssten es als Mitglied des Gesundheitsausschusses eigentlich wissen - setzt § 84 SGB V für
das Arznei- und Heilmittelbudget ganz klar keine feste
Obergrenze.
({0})
Im Gegenteil, er enthält vier Öffnungsklauseln, die zwingend eingehalten werden müssen. Von daher gesehen
kann das nicht sein.
Ich habe mich, wie das ganze Haus, intensiv damit beschäftigt. Für das letzte Jahr haben wir mittlerweile
Kenntnis darüber, wie die Budgets gewirkt haben. Es gibt
sehr viele kassenärztliche Vereinigungen, die mit dem
Budget ausgekommen sind oder es unterschritten haben,
bei einer sehr guten Versorgung. Es gibt auch kassenärztliche Vereinigungen, die ihr Budget nicht ausgeschöpft
haben, wo aber dann die Heilmittelerbringer klagen. Da
muss man sich fragen, warum dann nicht innerhalb der
kassenärztlichen Vereinigung dafür gesorgt wurde, dass
deren Situation im Rahmen des noch nicht ausgeschöpften Budgets, wenn denn solche Klagen kommen
und sie berechtigt sind, verbessert wird.
Ich sehe für Blauäugigkeit, die Sie hier unterstellen,
überhaupt keinen Anhaltspunkt und kann die Frage insofern auch nicht nachvollziehen.
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Die Frage 5 der Kollegin Sylvia Bonitz zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes wird schriftlich
beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung steht Staatsminister Dr. Ludger
Volmer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Peter Weiß ({0}) auf:
Bedeuten die Äußerungen des Staatsministers im Auswärtigen
Amt ({1}), Dr. Ludger Volmer, in seinem Papier mit dem Titel
„Grüne Akzente in der deutschen Außenpolitik“ vom 6. November 2000, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({2}), welches trotz der gesunkenen
Entwicklungshilfe über ungleich mehr Programm- und Projektmittel als das AA verfüge, versuche, sich originäre Themen des
AA anzueignen, was die Frage provoziere, wofür man eigentlich
zwei Außenministerien brauche, dass es in der Bundesregierung
entgegen den Auskünften von Staatssekretär Erich Stather vom
BMZ und Staatsminister Dr. Ludger Volmer in der Fragestunde
vom Mittwoch, den 11. Oktober 2000 ({3}), doch Überlegungen gibt, das BMZ mit dem Auswärtigen Amt zusammenzulegen?
Herr Kollege Weiß, das in Ihrer Frage erwähnte Papier „Grüne Akzente in der deutschen Außenpolitik“
wurde von mir in meiner Eigenschaft als MdB und Abgeordneter der Partei Bündnis 90/Die Grünen veröffentlicht.
({0})
Das geht sowohl aus dem Papier selber als auch aus dem
Rahmen, in dem es präsentiert wurde, nämlich bei einer
Pressekonferenz der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, klar hervor.
Die Bundesregierung hat sich zu dieser Frage bereits in
der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 11. Oktober 2000 geäußert. Sowohl Staatssekretär Stather vom
BMZ als auch ich hatten dabei unterstrichen, dass es in
der Bundesrepublik Deutschland weiterhin, wie in der
Koalitionsvereinbarung festgelegt, ein eigenständiges
BMZ geben werde. Daran hat sich nichts geändert.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Weiß.
Herr
Staatsminister, Ihre Antwort muss mich zwingend zu folgender Zusatzfrage bewegen: Nachdem bereits der Herr
Außenminister Wert darauf gelegt hat, dass er Ansprachen
als Privatperson hält und diese nichts damit zu tun haben,
was er als Bundesaußenminister sagt, und Sie nunmehr
darlegen, dass Sie Pressekonferenzen in Ihrer Eigenschaft
als Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen geben und das nichts damit tun hat, dass Sie
Staatsminister im Auswärtigen Amt sind,
({0})
veranlasst mich das zu der Frage, ob es als Grüner nur mit
dieser Art von Persönlichkeitsspaltung auszuhalten ist,
({1})
Mitglied in dieser Bundesregierung zu sein,
({2})
und ob es Bemühungen Ihrerseits gibt, vielleicht dann
doch wieder zu einer Vereinheitlichung in Ihrem Persönlichkeitsbild zu finden.
Herr Kollege, ich habe nicht behauptet, dass das
nichts miteinander zu tun hat. Aber bestimmte Fragen
können aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet
werden. Sie werden auch Mitgliedern der Bundesregierung, die an den Acquis der Bundesregierung, den Koalitionsvertrag, gebunden sind, zubilligen, dass sie über den
Tag hinausreichende Fragen aufwerfen. Das ist das Recht
eines jeden Abgeordneten.
Eine zweite
Zusatzfrage des Kollegen Weiß.
Herr
Staatsminister, nachdem ich schon einmal zu dem Themenkomplex gefragt habe, muss ich Sie noch einmal fragen: Muss es nicht für die Öffentlichkeit und für das Parlament etwas verwunderlich sein, dass vor einiger Zeit der
beamtete Staatssekretär im Auswärtigen Amt anlässlich
der ersten deutschen Botschafterkonferenz Andeutungen
gemacht hat, eine Zusammenlegung von BMZ und Auswärtigem Amt sei vielleicht angebracht, und dass nunmehr Sie mit Ihren Äußerungen, die Sie - wohlgemerkt
nicht als Staatsminister, sondern als Bundestagsabgeordneter - gemacht haben, die Frage stellen, ob wir eigentlich zwei Außenministerien brauchen, und rechtfertigt
diese Häufung von öffentlich gewordenen und öffentlich
gemachten Anmerkungen von Mitgliedern der Bundesregierung, speziell aus dem Auswärtigen Amt, nicht doch
die Frage, ob es Überlegungen gibt, diese beiden Ministerien zusammenzulegen, und was denn ausgerechnet die
Staatssekretärs- und Staatsministerebene im Auswärtigen
Amt bewegt, sich nun mehrmals öffentlich in diese Richtung zu äußern?
Es gibt keine entsprechenden Überlegungen. Erinnern Sie sich an die Haushaltsdebatte: Meines Wissens lag
da ein Antrag der F.D.P. vor, in dem ein solcher Vorschlag
gemacht wurde. Dieser Antrag ist auf parlamentarischer
Ebene mit den Stimmen aller anderen Parteien zurückgewiesen worden. Auch die Bundesregierung denkt darüber
nicht nach.
Allerdings ist festzuhalten, dass sich die Arbeitsbereiche des Auswärtigen Amtes und des BMZ in manchen Bereichen überschneiden. Deshalb muss hin und wieder darüber gesprochen werden, wie die Arbeitsteilung definiert
werden kann. In Ihrer zweiten Frage, die ich gleich noch
beantworten werde, haben Sie genau danach gefragt. Ihre
Anfrage gab uns, also dem Auswärtigen Amt, und dem
BMZ erneut Anlass, die Arbeitsteilung einvernehmlich zu
beschreiben und zu definieren.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Helias.
Herr Staatsminister,
hat sich die so genannte gemischte Besetzung der Leitungspositionen im Auswärtigen Amt und im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - mit einem der SPD angehörenden Staatsminister im Auswärtigen Amt einerseits und einer der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angehörenden Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung andererseits als Fehlbesetzung erwiesen? Oder ist diese Besetzung eher der gegenseitigen Koordination förderlich?
Gibt es, Herr Staatsminister, Überlegungen innerhalb der
Bundesregierung, dieses so genannte gemischte Verhältnis in den Leitungspositionen der beiden Bundesministerien wieder rückgängig zu machen?
Aus dieser Über-Kreuz-Besetzung hat sich kein Problem ergeben. Im Gegenteil: Es hat sich eher als günstig
erwiesen, dass die jeweiligen Programmperspektiven der
beiden Koalitionsfraktionen in beiden Häusern zur Geltung kommen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Hedrich.
Herr Präsident,
jetzt müssen Sie mir einmal helfen. Muss ich den Kollegen Dr. Ludger Volmer, um eine präzise Antwort zu bekommen, jetzt als Abgeordneten oder als Staatsminister
ansprechen?
Sie müssen
ihn als Staatsminister ansprechen; denn als solcher steht
er zur Beantwortung der Fragen für die Bundesregierung
zur Verfügung.
Ich bedanke
mich für diesen Hinweis.
Können Sie mir eine Frage zum Themenkomplex der
„originären Aufgaben“ beantworten? Der Hintergrund ist:
Sie haben in Ihrem Papier angesprochen, dass sich das
BMZ zunehmend „originäre Aufgaben“ des Auswärtigen
Amtes aneigne. Können Sie uns einmal beschreiben, welcher Art diese Aufgaben sind? Können Sie in diesem Zusammenhang auch gleich erwähnen, ob Sie sich über die
„originären Aufgaben“ mit dem BMZ abgestimmt haben?
Herr Kollege Hedrich, das, was Sie jetzt fragen, entspricht weitestgehend der zweiten Frage des Kollegen
Weiß. Es geht dabei um einige Themenfelder, bei denen
es zu Überschneidungen kommt. Es geht auf der einen
Seite um die generelle, also übergreifende Zuständigkeit
und auf der anderen Seite um die Durchführungskompetenz etwa auf der Projektebene. Bei solchen Themen muss
die Arbeitsteilung, wie ich vorhin schon einmal ausführte,
definiert werden. Hin und wieder ist es auch ganz günstig,
wenn man nachjustiert.
Ich rufe die
Frage 7 des Kollegen Peter Weiß auf:
Welche Bundesministerien sind nach der Geschäftsordnung
der Bundesregierung federführend zuständig für die Bereiche
Kindersoldaten, Landminen, Stabilitätspakt für Südosteuropa,
Krisenpräventionen, insbesondere ziviler Friedensdienst, und in
welcher Weise sollen entsprechend den unter Frage 6 genannten
Äußerungen des Staatsministers Dr. Ludger Volmer diese Zuständigkeiten neu geordnet werden?
Herr Kollege Weiß, Sie fragen nach genau diesen
Bereichen. Darauf antworte ich wie folgt: Für die Bereiche Krisenprävention, Kindersoldaten, Landminen und
Stabilitätspakt für Südosteuropa liegt die übergreifende
Zuständigkeit beim Auswärtigen Amt. Das BMZ trägt unter anderem durch den zivilen Friedensdienst zum Abbau
der Ursachen von Konflikten sowie zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung bei. Es ist nicht geplant, diese Zuständigkeitsverteilung neu zu ordnen.
Zusatzfrage.
Herr
Staatsminister, nachdem Sie unter anderem dargelegt haben, dass die übergeordnete Zuständigkeit zum Beispiel
für den Stabilitätspakt für Südosteuropa beim Auswärtigen Amt liegt, möchte ich Sie fragen: Sind Ihre vorhin zitierten öffentlichen Äußerungen, die Sie als Bundestagsabgeordneter und nicht als Staatsminister gemacht haben,
vielleicht darauf zurückzuführen, dass Sie bedauern, dass
die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten
Mittel für den Stabilitätspakt für Südosteuropa zum
größeren Teil durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verausgabt
werden? Würden Sie es für richtiger halten, diese Zuordnung zum BMZ rückgängig zu machen und die Mittel
wieder stärker in das Auswärtige Amt zu verlagern?
Nein, ich bedauere diese Aufteilung nicht. Sie hat
sich als recht günstig erwiesen. Die Aufteilung beträgt 2:1
zugunsten des BMZ. Das macht Sinn, weil diese Mittel
zum größten Teil mittelfristigen Wiederaufbaumaßnahmen dienen, wofür das BMZ definitionsgemäß zuständig
ist. Das andere Drittel ist für Sofortmaßnahmen der unmittelbaren Katastrophen- und humanitären Hilfe vorgesehen. Dafür ist das Auswärtige Amt auch auf der Durchführungsebene zuständig. Von daher sehe ich da kein
Problem.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Herr
Staatsminister, da Sie in Ihren „Grünen Akzenten in der
deutschen Außenpolitik“ - ich wiederhole es: als Bundestagsabgeordneter, nicht als Staatsminister im Auswärtigen
Amt - unter anderem das Gesamtkonzept der Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung als ein Themenfeld gekennzeichnet haben, bei dem das Entwicklungshilfeministerium sich nach Ihrer Auffassung
originäre Themen des Auswärtigen Amtes aneignet,
möchte ich Sie fragen, ob die von Ihnen bereits erwähnte
Konzeption für den zivilen Friedensdienst mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt worden ist, wie sich das Verhältnis zwischen dem zivilen Friedensdienst in Verantwortung des BMZ einerseits und den zivilen
Friedensfachkräften in Verantwortung des Auswärtigen
Amtes andererseits bestimmt und ob sich problematische
Überschneidungen dieser beiden neuen Personalfachdienste ergeben haben.
Dies ist genau eines der Arbeitsgebiete, wo es darauf
ankommt, die Arbeitsteilung relativ präzise zu definieren.
Die Bundesregierung geht deshalb folgendermaßen damit
um: Krisenprävention ist eine Querschnittsaufgabe. Sie
erfordert eine national und international koordinierte, auf
die jeweilige Situation zugeschnittene Gesamtstrategie,
die die Instrumente der Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Finanz-, Wirtschafts-, Umwelt-, Kultur- und
Rechtspolitik verzahnt. In diesem Sinne sind mehrere Ministerien, nicht nur das AA und das BMZ, an diesem Gesamtprojekt beteiligt. Innerhalb der Bundesregierung ist
allerdings das Auswärtige Amt für die Erarbeitung von
Strategien zu drohenden internationalen Konflikten federführend, wie sich auch aus dem Gesamtkonzept zu
Krisenprävention und Konfliktbeilegung der Bundesregierung ergibt.
Die Erarbeitung dieser Strategien und die Koordinierung der konkreten Maßnahmen erfolgen in enger Abstimmung mit den Ressorts, darunter auch dem BMZ. Für
den zivilen Friedensdienst ist das BMZ zuständig. Entscheidungen über Projektanträge, die von anerkannten
Entwicklungsdiensten gestellt werden können, trifft das
BMZ nach Beteiligung des AA. Im Gegensatz dazu wird
ziviles Personal für den Einsatz in internationalen Friedensmissionen vom Auswärtigen Amt ausgebildet. Von
ihm wird auch der Einsatz in völkerrechtlich verabredeten
Missionen der Vereinten Nationen und der OSZE teilweise finanziert.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Helias.
Herr Staatsminister,
wenn nach Ihren Darlegungen die Aufgabe des Auswärtigen Amtes insbesondere auch in der Koordination der
Außenpolitik liegt, wie bestimmt sich dann die Abgrenzung zum Bundeskanzleramt? Werden nun die Außenpolitik und die Entwicklungspolitik von Ihnen koordiniert
- und der zuständige Abteilungsleiter und Kanzlerberater
Michael Steiner wirkt mit - oder ist es eher umgekehrt,
dass das Kanzleramt die Außenpolitik koordiniert?
Wir haben gerade über das Feld von Krisenprävention und ziviler Konfliktbearbeitung geredet. Dazu hat die
Bundesregierung ein Gesamtkonzept beschlossen, das
den einzelnen Ressorts Aufgaben zuweist, wie ich sie gerade beschrieben habe. Ansonsten gilt für dieses Feld wie
für alle anderen auch, dass der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt. Insoweit spielt das Bundeskanzleramt natürlich eine Rolle. Die Zusammenarbeit
zwischen dem Kanzleramt und dem Außenministerium ist
vertrauensvoll.
Noch eine
Zusatzfrage des Kollegen Hedrich.
Herr Staatsminister, sind nicht auch Sie der Auffassung, dass man Zuständigkeitsfragen und erst recht Fragen über die Zusammenlegung von Ministerien offen diskutieren sollte? Die
Kollegen der F.D.P. beispielsweise plädieren nachhaltig
für eine Zusammenlegung; man kann eine solche Auffassung teilen oder nicht, sie stellt aber eine klare Position
dar. Sollte nicht vonseiten der Bundesregierung klar erkennbar werden, dass man für eine Beibehaltung der beiden Ministerien plädiert, statt ständig die Öffentlichkeit
durch Überlegungen, wie Sie sie angestellt haben und wie
sie vorher Herr Staatssekretär Pleuger angestellt hat, zu
verunsichern? Ist es nicht insgesamt für das Ansehen der
Entwicklungspolitik schädlich, wenn ständig darüber spekuliert wird, ob diesem Politikfeld eine eigene ministerielle Zuständigkeit zugeordnet wird oder nicht?
Herr Kollege, es geht nicht um die ministerielle Zuständigkeit - diese ist völlig klar -, sondern es geht um die
Arbeitsteilung innerhalb dieser Zuständigkeit. Diese Diskussion wird meines Wissens außerhalb der Bundesregierung und von Nichtregierungsorganisationen ständig geführt und es gibt keinen Grund, warum sich nicht auch
Abgeordnete in gewissem Umfang daran beteiligen sollten.
Die Fragen
8 und 9 der Kollegin Monika Brudlewsky werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Heidi Lippmann auf:
Kann die Bundesregierung Angaben des Innenministers der
Bundesrepublik Jugoslawien vom 24. November 2000 ({0}) bestätigen, wonach zwischen dem Tag des
Einmarsches der KFOR-Truppen im Kosovo ({1}) und
dem 18. November 2000 insgesamt 1 055 Menschen, darunter
917 Serben, durch ethnisch motivierte Gewaltakte getötet worden
sind?
Frau Kollegin Lippmann, die Bundesregierung kann
die in Ihrer Frage aufgeführten Zahlenangaben nicht bestätigen. Soweit der Bundesregierung bekannt ist, sind
vom Beginn der Stationierung der KFOR-Truppen bis
zum August 2000 insgesamt 621 mutmaßliche Tötungsdelikte gemeldet worden. UNMIK vermutet als
hauptsächliche Motive die weit verbreitete Kriminalität,
Hass auf Angehörige anderer Ethnien und alte Abrechnungen zwischen verfeindeten Großfamilien.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Lippmann.
Herr Staatsminister, teilt Ihr
Amt die Einschätzung von Verteidigungsminister Rudolf
Scharping, die er in einer Plenardebatte über eine Kontingentverlängerung der Stationierung der KFOR-Truppen
abgegeben hat, wonach er etwas zynisch betonte, im Kosovo würden pro Woche nicht mehr Zivilpersonen getötet
als durchschnittlich in einer europäischen Hauptstadt, und
wenn ja, welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser
Äußerung?
Mir ist weder diese Äußerung noch der Zusammenhang, in dem sie gefallen sein könnte, bekannt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass es zu Tötungsdelikten
gekommen ist und nach wie vor eine massive Gefährdung
für bestimmte Bevölkerungsgruppen, insbesondere im
Norden des Kosovo und im Süden Serbiens, besteht und
von daher eine weitere Präsenz von KFOR notwendig ist.
Ich rufe die
Frage 11 der Kollegin Lippmann auf:
Werden auch diese Gewaltverbrechen vom International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia ({0}) untersucht und
verfolgt, und wenn nein, warum nicht?
Frau Kollegin, der Internationale Strafgerichtshof
für das ehemalige Jugoslawien hat mehrfach erklärt, dass
er im Kosovo nach allen Seiten hin ermittelt. Diese Ermittlungen werden - wie bei Strafverfolgungsbehörden
üblich - vertraulich geführt, um den gewünschten Erfolg
sicherzustellen.
Eine Zusatzfrage.
Liegen zwischenzeitlich
Ihrem Hause Ergebnisse dieser vertraulichen Ermittlungen vor? Wenn ja, können diese den Ausschüssen zur Verfügung gestellt werden?
Nach Kenntnis der Bundesregierung wird ermittelt;
bis jetzt ist aber noch keine Anklage erhoben worden. Ich
will prüfen, ob uns Zwischenergebnisse vorliegen, die wir
den entsprechenden Ausschüssen zur Verfügung stellen
können.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Vom ICTY wird im Kosovo
das zentrale Leichenschauhaus betrieben, das Mitglieder
des Verteidigungsausschusses am 22. Mai dieses Jahres
besuchen konnten. Liegen dem Auswärtigen Amt mittlerweile konkrete Zahlen vor, wie viele Menschen aus den so
genannten Massengräbern vom ICTY exhumiert wurden?
Frau Kollegin, Ich kann Ihre Frage nicht aus dem
Stand beantworten. Die Antwort müsste ich Ihnen schriftlich nachreichen.
Die
Frage 12 der Kollegin Sylvia Bonitz wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen gebe ich der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr.
Barbara Hendricks das Wort.
Ich rufe Frage 13 des Abgeordneten Meinolf Michels
auf:
Wie hoch ist der Betrag, den die Landwirtschaft für die Jahre
1999 und 2000 an Ökosteuer gezahlt hat, und wie viel wird sie
nach Schätzung der Bundesregierung in den Jahren 2001, 2002
und 2003 zahlen müssen?
Herr Kollege Michels,
nach den Berechnungen der Bundesregierung wird die
Landwirtschaft durch die ökologische Steuerreform im
Jahr 1999 mit 245 Millionen DM, im Jahr 2000 mit
504 Millionen DM, im Jahr 2001 mit 673 Millionen DM,
im Jahr 2002 mit 842 Millionen DM und im Jahr 2003 mit
1,02 Milliarden DM belastet. Berücksichtigt sind dabei
die Erhöhung der Mineralölsteuer auf Kraftstoffe um jährlich 6 Pfennig je Liter, die einmalige Erhöhung der Mineralölsteuer auf Heizöl und Gas im Jahr 1999 sowie die
Einführung und Erhöhung der Stromsteuer.
Ich weise aber darauf hin, dass der Landwirtschaft Mittel in Höhe von voraussichtlich 870 Millionen DM für das
Jahr 1999 und 375 Millionen DM für das Jahr 2000 nach
dem Landwirtschafts-Gasölverwendungsgesetz, der so
genannten Gasölverbilligung, zugewiesen werden. Nach
dem neuen Agrardieselgesetz entstehen im Jahr 2001 Vergütungsansprüche von 460 Millionen DM, im Jahr 2002
von 580 Millionen DM und im Jahr 2003 von 700 Millionen DM. Jede weitere Senkung des Agrardieselsteuersatzes um 1 Pfennig entspricht einer Entlastung von
20 Millionen DM.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Michels.
Schönen Dank, Frau
Staatssekretärin.
Können Sie uns bestätigen, dass die Beträge, die Sie
eben genannt haben, eine zusätzliche Belastung für die
Landwirtschaft seit 1998 bedeuten? Denn durch die Dieselrückvergütung - das haben Sie auch gesagt - wurde das
mit 835 Millionen DM abgefangen.
Herr Kollege, ich hatte Ihnen die entsprechenden Summen getrennt voneinander
genannt, also auch die jährlichen Belastungen durch die
Ökosteuer, wobei man im Bereich des Dieselkraftstoffs
für landwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge nicht vollständig zwischen betrieblicher und privater Nutzung unterscheiden kann. Das unterscheide ich hier nicht.
({0})
- Nein, wieso denn? Der Bauer tankt und nutzt sein beruflich genutztes Fahrzeug auch privat. Das ist doch völlig klar. Diesen privaten Anteil kann man schlecht herausrechnen. Das ist wirklich keine Unterstellung.
({1})
- Nein, Herr Kollege. Ich habe lediglich alle zusätzlichen
Kosten, die anfallen, genannt.
({2})
- Herr Ronsöhr, nun beruhigen Sie sich doch. - Den
Hauptanteil an den zusätzlichen Kosten, die anfallen, machen natürlich die 6 Pfennig pro Liter Diesel aus. Wenn
der Bauer privat ein Fahrzeug fährt, das gar keinen Diesel
braucht, dann muss er natürlich wie jeder andere Privatmann beim Tanken von Super oder bleifreiem Benzin
Ökosteuer zahlen. Das ist doch wohl klar. Wie gesagt, der
Anteil der privaten Nutzung lässt sich kaum herausrechnen. Der Bauer ist eben zeitweise auch Privatmensch und
macht Privatfahrten. Damit ist kein Vorwurf verbunden;
das möchte ich ausdrücklich sagen.
Ich habe Ihnen also die Höhe der jährlichen Belastungen und der Entlastungen genannt, die durch die Gasölverbilligung 1999 und 2000 und durch das Agrardieselgesetz ab dem Jahr 2001 wirksam werden. Das müssten Sie
noch saldieren.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
ist Ihnen eigentlich nicht bekannt, dass derjenige, der die
Dieselrückvergütung in Anspruch nimmt, die Zeiten, in
denen er sein Fahrzeug privat nutzt, angeben muss, also
wie viele Kilometer er privat gefahren ist? Denn der für
private Zwecke verbrauchte Dieselkraftstoff unterliegt
nicht der Verbilligung.
Selbstverständlich ist das
so.
Ihre Aussage von eben
ließ aber eine andere Schlussfolgerung zu.
Aber nein! Ich habe gerade
doch ausdrücklich gesagt, dass ich damit keinen Vorwurf
verbinden möchte, etwa in dem Sinne: Da hat jemand verbilligten Diesel in seinen privaten Tank gefüllt. Das habe
ich ausdrücklich nicht gesagt.
Ich rufe
Frage 14 des Kollegen Meinolf Michels auf:
Welche Anteile der von der Landwirtschaft entrichteten Ökosteuer sind in den Jahren 1999 und 2000 in die Landwirtschaft zur
Senkung der Sozialversicherungsbeiträge wieder zurückgeflossen
und wie schätzt die Bundesregierung diese Beträge für die Jahre
2001, 2002 und 2003 ein?
Die Landwirtschaft wird
durch die Senkung der Lohnnebenkosten bzw. der
Beiträge zur Alterskasse im Jahr 1999 um 35 Millionen DM, im Jahr 2000 um 44 Millionen DM, im Jahr
2001 um 53 Millionen DM, im Jahr 2002 um 62 Millionen DM und im Jahr 2003 um 70 Millionen DM entlastet. Das ergibt in diesem Bereich eine Gesamtentlastung
von 264 Millionen DM.
Dazu ist zu bemerken, dass hinsichtlich der Beiträge
zur landwirtschaftlichen Alterskasse nur mittelbar eine
Entlastungswirkung eintritt; denn der Beitrag in der Alterssicherung der Landwirte ist mit dem Beitragssatz in
der gesetzlichen Rentenversicherung verknüpft. Die Senkung und Stabilisierung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung hat deshalb in den Jahren 1999
und 2000 dämpfend auf den Beitragsanstieg in der Alterssicherung der Landwirte gewirkt. Diese Wirkung wird
auch in den kommenden Jahren eintreten.
Ich rufe die
Frage 15 der Kollegin Gerda Hasselfeldt auf:
Welche Aktivitäten wurden bisher vonseiten der Bundesregierung auf europäischer Ebene unternommen, um innerhalb der EU
die Energiesteuern zu harmonisieren und die Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen durch die im europäischen Alleingang eingeführte Ökosteuer zu beseitigen?
Frau Kollegin Hasselfeldt,
die Bundesregierung misst der Harmonisierung der Energiebesteuerung große Bedeutung bei. Deshalb hat sie die
deutsche Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1999
zum Anlass genommen, im Mai 1999 einen Kompromissvorschlag vorzulegen. Dem Vorschlag gingen intensive
Gespräche mit der Europäischen Kommission und einzelnen Mitgliedstaaten voraus. Bis auf Spanien und Irland
konnten sich alle Mitgliedstaaten mit diesem Vorschlag
einverstanden erklären. Zu Beginn der portugiesischen
Präsidentschaft hat sich Deutschland auf dem Ecofin-Rat
vom 31. Januar 2000 zum wiederholten Male für eine zügige Fortsetzung der Verhandlungen eingesetzt.
Die intensiven Bemühungen wurden auch auf bilateraler Ebene fortgeführt. Ende letzten Jahres hat Minister
Eichel das Thema der Energiesteuerharmonisierung mit
seinem niederländischen Amtskollegen Zalm und dem
portugiesischen Wirtschaftsminister Moura erörtert. Im
Februar dieses Jahres fand ein Gespräch mit dem italienischen Finanzminister Visco und im Juni dieses Jahres mit
dem spanischen Finanzminister Rato statt. Zuletzt bestand im November Gelegenheit, Energiesteuerfragen mit
dem griechischen Finanzminister Papantoniou zu erörtern. Auch der Dialog mit der Kommission wurde stetig
fortgesetzt. Wiederholt wurden Gespräche mit dem für
Steuerfragen zuständigen Kommissar Bolkestein geführt.
Im Mai dieses Jahres hat sich Minister Eichel noch einmal
schriftlich an Kommissar Bolkestein gewandt und konstruktive Vorschläge zum Fortgang der Verhandlungen
gemacht.
Trotz der zahlreichen Bemühungen der Bundesregierung scheitert eine Einigung nach wie vor an der unnachgiebigen Haltung einzelner Mitgliedstaaten. Um die Harmonisierung der Energiebesteuerung voranzubringen,
setzt sich die Bundesregierung im Rahmen der Regierungskonferenz bei den Umwelt- und Energiesteuern für
einen Übergang von der Einstimmigkeit zu Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit ein.
Im Übrigen kann bei der Ökosteuer nicht von einem
nationalen Alleingang ausgegangen werden, wie es in Ihrer Frage unterstellt wird, weil Deutschland dem Beispiel
anderer Länder, wie zum Beispiel Dänemark und den Niederlanden, gefolgt ist.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Hasselfeldt.
Frau Staatssekretärin, die Aufzählung der vielen Termine verdeutlicht noch
lange nicht, dass die Ergebnisse zufriedenstellend wären;
denn wir haben auf europäischer Ebene keine Harmonisierung. Da Sie nun mit der nationalen Entscheidung, im
Rahmen der Ökosteuer die Steuer in fünf Stufen zu erhöhen, zu einseitigen Wettbewerbsnachteilen der deutschen Wirtschaft, insbesondere des Transportgewerbes
und der Landwirtschaft, beigetragen haben, möchte ich
wissen, ob Sie bereit sind, wenigstens diese Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft durch nationale Entscheidungen, zum Beispiel durch die Rücknahme
der Ökosteuer, zu korrigieren.
({0})
Frau Kollegin Hasselfeldt,
zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass Sie in Ihrer
Frage nach den Aktivitäten der Bundesregierung gefragt
hatten. Diese habe ich Ihnen deswegen in aller Ausführlichkeit dargestellt.
({0})
- Das war aber Gegenstand Ihrer Ausgangsfrage.
Ich habe Sie auch über die Ergebnisse unterrichtet: Insbesondere Spanien zeigt sich sehr hartleibig. Möglicherweise wäre es eine Hilfestellung, wenn die Union auf der
Ebene der Europäischen Volkspartei einmal vertrauensvoll mit der spanischen Schwesterpartei spräche; denn in
Spanien gibt es eine konservative Regierung, wie wir wissen, die das von Anfang an blockiert hat. Vielleicht können Sie da einmal etwas bewegen.
({1})
Irland ist nicht mehr das Hauptproblem. Außer von Irland
und Spanien ist unser Vorschlag schon damals nicht
blockiert worden. Eine Einigung ist im Juni 1999 namentlich an Spanien gescheitert. Wie gesagt, Sie können
da vielleicht einmal initiativ werden.
Im Übrigen ist die von Ihnen behauptete Wettbewerbsverzerrung zumindest für die Landwirtschaft nicht zutreffend. Wie Sie wissen, hat der Mineralölsteuersatz im Jahr
1999, also vor der ersten Ökosteuerstufe, 62 Pfennig betragen. Jetzt senken wir mit dem Agrardieselgesetz die
Steuerbelastung für Landwirte auf 57 Pfennig. Das heißt,
der Steuersatz ist 5 Pfennig niedriger als am Ende Ihrer
Regierungszeit. In der Tat gibt es für die Landwirtschaft
keine Ökosteuerbelastung, jedenfalls nicht beim Sprit.
Das muss man einmal deutlich sagen.
Im Transportgewerbe gibt es möglicherweise Wettbewerbsverzerrungen; insbesondere im grenznahen Bereich
ist dies nicht von der Hand zu weisen. Fährt man aber weitere Strecken durch Europa, muss man immer dort tanken,
wo der Tank gerade leer ist; das ergibt sich zwangsläufig.
Es gibt Transportunternehmer, die von Deutschland nach
Frankreich, und solche, die von Frankreich nach Deutschland fahren. Man kann sich da alle Richtungen vorstellen.
Insofern gleicht sich das im grenzüberschreitenden Verkehr wieder aus.
Im inländischen Verkehr gibt es natürlich keine internationalen Wettbewerbsnachteile; das liegt auf der Hand.
Ich glaube also, dass Sie von Wettbewerbsnachteilen
durch die Ökosteuer in diesem Sinne nicht sprechen können, zumal die Benzinpreise in der Europäischen Union
auch für das Transportgewerbe durchaus unterschiedlich
sind. Es gibt zwar in einzelnen Ländern gewisse Erstattungsbeträge, aber zunächst durchaus höhere Dieselsteuersätze, sodass sich das nicht ohne weiteres vergleichen
lässt.
Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden - auch wenn Sie das
zum Schluss etwas zu relativieren versuchten -, dass Sie
sehr wohl Wettbewerbsverzerrungen zum Beispiel im
Transportgewerbe sehen, aber nicht bereit sind, diese zu
korrigieren?
Frau Kollegin Hasselfeldt,
ich hatte darauf hingewiesen, dass es in den einzelnen
Ländern natürlich unterschiedliche Belastungssituationen
gibt, dass aber eine Wettbewerbsbenachteiligung schon
durch die Art und Weise, wie sich der Gütertransportverkehr abwickelt, nur im grenznahen Bereich entstehen
kann.
({0})
Wenn man in einem Land tankt, in dem der Kraftstoff billiger ist - wie zum Beispiel in Luxemburg -, und dann von
Luxemburg aus nach Deutschland fährt, dann hat man in
der Tat einen Wettbewerbsvorteil. Wenn man aber innerhalb Deutschlands von A nach B fährt - das tun natürlich
sehr viele Unternehmer; sie fahren nur im innerdeutschen
Verkehr -, dann hat man sich auch nur mit den Konkurrenten im innerdeutschen Verkehr zu vergleichen. Für
diese Unternehmer ist es völlig gleichgültig, wie viel der
Sprit in Dänemark oder Portugal kostet. Sie müssen also
bitte die in Ihrer Frage enthaltene Behauptung relativieren. Im grenzüberschreitenden Verkehr kann es in der Tat
zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. Aber da man immer dort tanken muss, wo der Tank gerade leer ist, gleicht
sich dies im Übrigen, wenn man weiter ins Landesinnere
hineinfährt, aus.
Jetzt liegen
mir vier weitere Zusatzfragen vor: nacheinander der Kollege Ronsöhr, der Kollege Deß, die Kollegin Blank und
der Kollege Dreßen.
Frau
Staatssekretärin, sind Sie bereit, Ihre Aussage hinsichtlich
der steuerlichen Belastung beim Agrardiesel zu korrigieren? Sie haben eben von einer steuerlichen Belastung
während unserer Regierungszeit bis 1998/1999 von über
60 Pfennig gesprochen. Sind Sie bereit, zu akzeptieren,
dass es in unserer Regierungszeit aufgrund der Gasölrückvergütung eine steuerliche Belastung von 21 Pfennig
gab und dass Sie diese steuerliche Belastung jetzt für die
Landwirtschaft stärker als die Ökosteuer erhöht haben,
nämlich - wenn es bei 57 Pfennig bleibt - um 36 Pfennig
- und wenn es zu 47 Pfennig kommt - um 26 Pfennig? Ich
bitte doch, Ihre Aussagen zu korrigieren.
Ich kann jetzt allerdings verstehen, dass Sie Belastungen gegenüber der Landwirtschaft als Entlastungen bezeichnet haben. Wer Rechnungen aufmacht, die im Grunde genommen auf Missverständnissen beruhen, kommt zu
keinen anderen Ergebnissen.
Herr Kollege Ronsöhr, ich
habe eben in meiner Antwort auf die Frage der Frau Kollegin Hasselfeldt nicht gesagt, dass die Landwirte damals
62 Pfennig zahlen mussten, sondern ich habe gesagt: Der
normale Mineralölsteuersatz betrug 62 Pfennig.
({0})
Ich bitte, das im Protokoll nachzuprüfen. Ich habe nicht
gesagt: Die Landwirte mussten 62 Pfennig zahlen, sondern ich habe gesagt: Der normale Mineralölsteuersatz
betrug 62 Pfennig.
({1})
Ich habe so geantwortet, wie ich es Ihnen gerade eben
wiederholt habe.
({2})
Wir werden das hinterher im Protokoll überprüfen. Ich
habe gesagt: Der normale Mineralölsteuersatz betrug
62 Pfennig. In Zukunft wird - ab dem Jahr 2001 nach dem neuen Agrardieselgesetz die Belastung für die
Landwirtschaft bei 57 Pfennig liegen; das sind 5 Pfennig
weniger, als der normale Mineralölsteuersatz betrug.
({3})
Insofern ist da kein Anteil von Ökosteuer drin.
Sie haben gleichwohl Recht, wenn Sie sagen, dass die
Gasölverbilligung, die es zu der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung gab, das Mineralöl für die Landwirtschaft
auf 21 Pfennig verbilligt hat. Das ist richtig; das bestreite
ich nicht. Das ist der Fall.
({4})
Herr Kollege Deß.
Frau Staatssekretärin, sind
Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die deutschen
Landwirte, so wie es der Kollege Ronsöhr gesagt hat, in
unserer Regierungszeit 21 Pfennig und die Franzosen
16 Pfennig pro Liter gezahlt haben? Der Unterschied von
5 Pfennig bedeutete für die deutsche Landwirtschaft
Mehrkosten in Höhe von 100 Millionen DM.
({0})
Heute liegt der Steueranteil in Frankreich bei 5 Pfennig, während er in Deutschland bei 57 Pfennig liegt. Wenn
es dabei bleibt, werden die deutschen Bauern gegenüber
den französischen Kollegen einen Nachteil von über
1 Milliarde DM haben. Bei einer Senkung auf 47 Pfennig
wird der Nachteil bei circa 840 Millionen DM liegen.
Herr Kollege, es ist durchaus möglich, dass die von Ihnen genannten Zahlen richtig
sind. Was Sie gesagt haben, habe ich nicht im Kopf und
kann es daher jetzt nicht überprüfen. Ich will aber darauf
hinweisen, dass es im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen - das gilt auch für die Landwirtschaft - in den
einzelnen Ländern immer unterschiedliche Be- und Entlastungssituationen gibt. Zwar ist es so, dass die Landwirte in den meisten Ländern mit sehr vielen nationalen
Subventionen versehen werden; gleichwohl gibt es in anderen Bereichen unterschiedliche Bedingungen, zum Beispiel beim allgemeinen Steuerrecht. Diese Bereiche kann
man nicht ohne weiteres vergleichen.
Ich bin nicht bereit, lediglich den Mineralölsteuersatz
Frankreichs mit dem Deutschlands zu vergleichen; zumal
der Anteil des Mineralölverbrauchs an den Betriebskosten
in der Landwirtschaft im Schnitt bei rund 3 Prozent liegt.
Deswegen ist der Mineralölsteuersatz im Hinblick auf die
Kostensituation insgesamt zwar nicht irrelevant, aber von
nicht ausschlaggebender Bedeutung.
({0})
Frau Kollegin Blank.
Frau Staatssekretärin,
sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ein deutscher LKW steuerlich mit 43 000 DM belastet ist,
während ein französischer LKW mit 30 000 DM und ein
niederländischer LKW mit 28 000 DM belastet ist? Sind
Sie in Kenntnis dieser Zahlen bereit, etwas gegen die
wettbewerbsverzerrenden Bedingungen und damit für
den deutschen Transportunternehmer zu tun?
Frau Kollegin Blank, auch
in diesem Fall gilt es, zu berücksichtigen, dass zum Beispiel im Ertragsteuersystem unterschiedliche Bedingungen herrschen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir auch
zugunsten des Transportgewerbes eine umfassende Unternehmensteuerreform mit der Möglichkeit der sofortigen Verrechnung der Gewerbesteuer vornehmen.
Sie müssen das Besteuerungsrecht insgesamt betrachten. Der Spitzensteuersatz beträgt in den Niederlanden
60 Prozent. Er muss natürlich auch von Transportunternehmern, sofern sie als Personengesellschaften organisiert sind, gezahlt werden. Sie müssen solche Vergleiche
immer übergreifend anstellen. Ich darf noch einmal sagen: Eine tatsächliche Wettbewerbsverzerrung entsteht
nur im grenznahen Bereich.
Herr Kollege Dreßen.
({0})
Frau Staatssekretärin, wir haben
gerade über die Transportunternehmen gesprochen. Bei
deren Demonstrationen habe ich zur Kenntnis genommen, dass die Ökosteuer für die Spediteure eigentlich eine
untergeordnete Rolle gespielt hat. Unter den Spediteuren
spielte die Frage, ob man auf deutscher oder auf europäischer Ebene gegen das Lohndumping, das zum Teil durch
ostdeutsche Unternehmen betrieben wird, vorgeht, eine
größere Rolle.
Außerdem wurde bemängelt, dass die Sicherheitsstandards bei uns im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch
sind. Ich hoffe, die Bundesregierung will die Sicherheitsstandards von LKW nicht abschaffen, nur damit hier dieselben Voraussetzungen bestehen. Teilen Sie die Einschätzung, dass für die Transportunternehmer viele
andere Punkte - zum Beispiel die Harmonisierung in vielen anderen Bereichen; Stichwort „Kampf gegen Lohndumping“, das heißt gleicher Lohn für gleiche Leistung wichtiger als die Ökosteuer sind? Wir müssen vielleicht
eine Harmonisierung auf europäischer Ebene vornehmen.
Herr Kollege Dreßen, das
kann ich durch viele Gespräche, die ich mit Vertretern des
Transportgewerbes geführt habe, bestätigen. Das eigentliche Problem ist in der Tat das Lohndumping, die so genannte graue Kabotage, wodurch insbesondere aus dem
mittel- und osteuropäischen Ausland das deutsche Fernverkehrsgewerbe beeinträchtigt wird. Es sind garantiert
nicht die Spritkosten, die ins Gewicht fallen.
Ein Lastwagen, der seine Fahrt in Polen beginnt, tankt
in Polen, und zwar entsprechend den polnischen Spritpreisen. Das ist völlig klar. Es wird aber durch den Zoll
überprüft, dass nicht mehr als 200 Liter mitgeführt werden. Wenn der Lastwagen durch Deutschland fährt, dann
ist der Treibstoff irgendwann verbraucht, sodass das Problem wirklich nicht relevant ist. Vielmehr ist das Problem
relevant, dass auf diesen Lastwagen möglicherweise zwei
polnische oder bulgarische oder rumänische Fahrer bzw.
Beifahrer sitzen, die zu Dumpinglöhnen von unter 8 DM
pro Stunde - manchmal nur 5 DM - rund um die Uhr fahren.
Es ist ebenfalls darauf hinzuweisen - das ist vielen Vertretern des Gewerbes klar -, dass an diesem Geschäft
natürlich auch einzelne Vertreter ihres eigenen Gewerbes
aus der Bundesrepublik Deutschland in großem Umfang
beteiligt sind, was letztlich dazu führt, dass manche, die
in großem Stil gerade dieses Lohndumping von mitteloder osteuropäischen Fahrern auf deutschen Lastwagen
betreiben lassen, am Niedergang des mittelständischen
Transportgewerbes die Hauptschuld tragen.
Herr Kollege Hauser, Sie haben das Wort.
Frau Staatssekretärin, wenn ich die Diskussion über die
Heizkostenzuschüsse und über die Entfernungspauschale
sehe, dann stelle ich fest: Wir erleben zurzeit, dass die
Bundesregierung durchaus bereit ist, ihre Fehler in der
Ökosteuer ein Stück weit zu korrigieren.
Warum sind Sie nicht bereit, in einem Wirtschaftszweig, der wirklich eklatant unter den beschriebenen Belastungen und obendrein auch noch unter Wettbewerbsverzerrungen leidet, wie es beim Unterglas-Gartenbau der
Fall ist, ebenfalls entsprechende Korrekturen vorzunehmen?
Herr Kollege Hauser, ich
muss Ihre Eingangsbemerkung zurückweisen; denn es
handelt sich hier nicht um Korrekturen der Ökosteuer.
Beim Heizölkostenzuschuss ist es ganz offenbar. Im Jahr
1999 ist die Steuer auf leichtes Heizöl um 4 Pfennig erhöht worden. Danach erfolgte keine weitere Erhöhung. Es
sind auch keine weiteren Erhöhungsstufen vorgesehen.
Aber in der Heizperiode des Winters 1999/2000, also vor
genau einem Jahr, betrug der Preis für 1 Liter Heizöl nur
ungefähr 40 Prozent dessen, was er heute kostet. Das liegt
an der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt und in keiner
Weise an der Ökosteuer. Zwischen der letzten Heizperiode und dieser Heizperiode ist nun wirklich überhaupt
keine steuerliche Veränderung vorgenommen worden. Ich
bitte Sie, das einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen. Sie
müssen diese beiden Heizperioden miteinander vergleichen. Zwischen ihnen hat es überhaupt keine Änderung
im Besteuerungssystem gegeben.
Es gab bereits in den 70er-Jahren bei explodierenden
Rohölkosten einen einmaligen Heizölkostenzuschuss.
Die Bundesregierung will diesen Zuschuss gewähren,
weil die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Explosion der Heizölpreise, die nicht durch irgendwelche
steuerliche Maßnahmen, sondern durch die Weltmarktpreise verursacht waren, sich nicht in kurzer Zeit in ihrem
Budget darauf einrichten konnten, dass sie letztlich auch
Umschichtungen in ihrem Budget vorzunehmen haben.
Das Ganze ist als einmalige Hilfe konzipiert. Es tut uns
Leid, aber wir können natürlich nicht auf Dauer mit steuerlichen Maßnahmen gegen Weltmarktpreise angehen.
Die Bürgerinnen und Bürger werden im nächsten Jahr, bis
zur nächsten Heizperiode, aus ihren eigenen Mitteln Vorsorge treffen müssen. Das ist in einem marktwirtschaftlichen System nicht anders denkbar, auch wenn sich das
jetzt hart anhört. Es kann nur als einmaliger Zuschuss geleistet werden, weil nicht auf Dauer Weltmarktpreise
durch steuerliche Maßnahmen oder durch Zuschüsse ausgeglichen werden können.
Was die Unterglasbetriebe anbelangt, so ist auch da die
eigentliche Wettbewerbsverzerrung nicht durch steuerliche Maßnahmen, sondern durch eine von der EU jedenfalls nicht beanstandete Sonderpreisregelung des niederländischen Gartenbauverbandes mit der niederländischen
Gasuni NV, die bis zum Jahr 2002 genehmigt ist, bedingt.
Die Bundesregierung prüft, ob sie zugunsten des Gartenbaus für diese zwei Jahre wegen der Wettbewerbsverzerrung, die nicht auf steuerlichen Maßnahmen beruht, sondern aufgrund von Einzelpreisabsprachen zwischen den
Gaslieferanten der Niederlande - man kann eher sagen,
dem Gaslieferanten, denn er fördert das Gas aus der Nordsee und verkauft es in den ganzen Niederlanden und auch
darüber hinaus - und dem Gartenbauverband besteht,
möglicherweise eine Hilfestellung geben kann. Auch dies
hat nichts mit steuerlichen Maßnahmen zu tun. Der
Hauptkonkurrent des deutschen Gartenbaus ist zweifellos
der niederländische Gartenbau. Insofern ist an dieser
Stelle die eigentliche Vergleichsnotwendigkeit gegeben.
Wir prüfen dies zurzeit.
Was das Transportgewerbe anbelangt, so darf ich Sie
- das haben Sie in Vergleich zur Entfernungspauschale
gesetzt - darauf hinweisen, dass die Entfernungspauschale - systematisch gesehen - eine Ausweitung der
Werbungskosten der Arbeitnehmer ist. Die Werbungskosten für den Arbeitnehmer dienen dazu, dass er in die Lage
versetzt wird, seinen Beruf überhaupt auszuüben, also
auch dazu, zur Arbeitsstätte zu gelangen. Diese Kosten
sind sozusagen die Betriebsausgaben des Arbeitnehmers.
Im Transportgewerbe ist es so wie in jedem anderen
Wirtschaftszweig auch: Die steigenden Kosten werden im
steuerlichen System von vornherein berücksichtigt, weil
sie als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Herr Kollege Straubinger.
Frau Staatssekretärin,
Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Dreßen hat mich
dazu veranlasst, mich zu melden. Der Kollege Dreßen
hat gesagt, dass ostdeutsche Unternehmungen für das
Lohndumping verantwortlich sind. Sie haben aber nur
das Lohndumping osteuropäischer Unternehmungen erwähnt. Es würde mich also interessieren, ob Sie die Auffassung des Kollegen Dreßen teilen, dass auch ostdeutsche Unternehmungen für das Lohndumping
verantwortlich sind.
({0})
Darüber hinaus interessiert mich, ob nicht insbesondere
ostdeutsche Unternehmungen im Transportgewerbe von
der Ökosteuer betroffen sind.
Herr Kollege Straubinger,
ich bin davon ausgegangen, dass der Kollege Dreßen das
Lohndumping in Ost- und Mitteleuropa meinte,
({0})
das uns aus leidvoller Erfahrung bekannt ist. Häufig allerdings geht von einzelnen deutschen Unternehmen - ich
betone: von einzelnen, also nicht von der Mehrheit der
deutschen Unternehmen - dieses Lohndumping aus.
({1})
Ich glaube also, dass ich die Frage des Kollegen Dreßen
richtig beantwortet habe, indem ich auf diesen Punkt hingewiesen habe.
Wie wir wissen, gibt es im südwestdeutschen Raum ein
großes Unternehmen, das den gesamten Fuhrpark eines
ehemaligen bulgarischen Staatsbetriebes aufgekauft hat.
Wahrscheinlich fahren nicht mehr dieselben Autos, weil
sie mittlerweile verschlissen sind. Aber durch den Kauf
hat das Unternehmen Einfluss auf die Löhne der bulgarischen Fahrer gewonnen, die jetzt - sozusagen unter deutscher Flagge - deutsche LKW zu Dumpinglöhnen fahren.
Solange solche schwarzen Schafe innerhalb der Wirtschaft selber existieren - wohlgemerkt: es handelt sich um
einzelne Unternehmen -, besteht eine Gefahr aufgrund
des Lohndumpings - diese hat der Kollege Dreßen angesprochen - für diejenigen Unternehmen, die ihre Mitarbeiter tarifgerecht entlohnen.
({2})
Ich komme zum zweiten Teil Ihrer Frage. Es gibt aufgrund der Ökosteuer keine besondere Belastung der Unternehmen in den ostdeutschen Ländern. Es mag dort
Transportunternehmen geben, die keine Tariflöhne zahlen. Wir wissen ja, dass in der ostdeutschen Wirtschaft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer häufig nicht tarifgebunden entlohnt werden.
({3})
Das ist aber nicht mit dem Lohndumping vergleichbar,
das aus Ost- und Mitteleuropa zu uns nach Deutschland
herüberschwappt.
({4})
Es scheint
mir, als wenn die Frage 15 sehr beliebt ist. - Herr Kollege
Schauerte, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf den Anteil der Mehrwertsteuer an den gestiegenen Preisen bei Heiz- und Dieselöl zurückkommen. Sie haben sehr vollmundig erklärt,
dass in diesem Bereich nichts mehr passiert sei. Teilen Sie
meine Einschätzung, dass sich bei einem Anstieg des Benzinpreises um 50 Pfennig zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von 8 Pfennig ergeben? Teilen Sie ferner
meine Ansicht, dass bei einem Anstieg der Heizölkosten
von 40 auf 90 Pfennig ebenfalls zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von 8 Pfennig fließen? Ist der
Finanzminister im Prinzip nicht ein Trittbrettfahrer in Bezug auf diese Entwicklung?
Herr Kollege Schauerte, es
ist richtig, dass bei steigenden Preisen auch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer steigen. Da wir bei der Mineralölsteuer eine Mehrwertsteuer in Höhe des Normalsatzes von 16 Prozent haben, kommen auf 50 Pfennig
- ich bestätige Ihnen, dass Sie richtig gerechnet haben 8 Pfennig Mehrwertsteuer.
Diese Mehreinnahmen lassen sich aber nicht vermeiden. Was wären denn Ihre Vorstellungen, wie wir zukünftig in diesen Fällen mit der Mehrwertsteuer umgehen sollen? Sollen wir bei steigenden Preisen die Mehrwertsteuer
senken und bei sinkenden Preisen die Mehrwertsteuer bei
einzelnen Produkten erhöhen? Wir haben nur zwei Mehrwertsteuersätze, da in der Europäischen Union festgelegt
ist, dass es nicht mehr als zwei Mehrwertsteuersätze geben darf. Deshalb lässt es sich nicht vermeiden, dass in
Teilbereichen die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer aufgrund gestiegener Preise steigen, während in anderen Bereichen - siehe Lebensmittel - die Einnahmen aus der
Mehrwertsteuer aufgrund gesunkener Preise sinken.
Das ist bei einem Mehrwertsteuersystem einfach so und das wissen Sie auch - das lässt sich nicht ändern.
Eine zweite
Zusatzfrage zu dieser Frage haben Sie nicht, Herr Kollege
Schauerte.
Dann kommen wir zu der Zusatzfrage des Kollegen
Sebastian.
Frau Staatssekretärin, Sie haben eben die Nachteile des Transportgewerbes durch die erhöhten Energiekosten dargestellt. Sie
haben aber auch gesagt, dass nach Ihrer Ansicht nur im
grenznahen Raum Nachteile entstehen. Können Sie sich
vorstellen, dass unsere Transportgewerbeunternehmen
generell im internationalen Wettbewerb bestehen müssen?
Herr Kollege Sebastian,
ich habe versucht, zu erläutern, dass - das müsste doch eigentlich nachvollziehbar sein - zum Beispiel der Fahrer
eines LKW, der von Portugal nach Schweden fährt, also
im europäischen Raum unterwegs ist, zwar in Portugal
billiger tanken kann, weil der Sprit dort etwas billiger ist,
dann aber durch Frankreich fahren muss, wo er wieder,
und zwar zu französischen Preisen, tanken muss, weil er
nicht mit einer Tankfüllung durch Frankreich kommt.
Dann fährt er durch die Niederlande, wo er zu niederländischen Preisen tanken muss, die durchaus höher als bei
uns sind. Dafür erhält er auch keine Rückvergütung. Dann
kommt er durch Deutschland, wo der Sprit billiger ist,
dann durch Dänemark, wo er wieder teurer ist. Das heißt,
bei einem LKW-Fahrer, der im internationalen Raum unterwegs ist, gleicht sich das aus, weil er naturgemäß zwischendurch immer wieder tanken muss.
({0})
Im grenznahen Bereich ist es in der Tat so, dass ein
Transportunternehmer mit einer Tankfüllung, die er zu
Hause billig erworben hat - das kann eigentlich nur in Luxemburg sein, denn sonst ist es im grenznahen Bereich
nirgendwo billiger als bei uns -, zum Beispiel einem
Transportunternehmer aus Trier Konkurrenz machen
kann. Aber der Transportunternehmer aus Trier fährt vielleicht einen kleinen Umweg über Wasserbillig und tankt
in Luxemburg. Daran können wir ihn nicht hindern.
Das heißt, im grenznahen Bereich kann es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen, aber im internationalen Verkehr müssen sich die Unterschiede bei den Spritpreisen
logisch ausgleichen.
Herr Kollege Meister,
bitte sehr.
Frau Staatssekretä-
rin, ich möchte auf das Stichwort Unterglasbaubetriebe
zurückkommen, zu denen vorhin der Kollege Hauser et-
was gefragt hat. Sie haben dankenswerterweise gesagt,
dass bei der Bundesregierung geprüft wird, ob dort eine
Hilfestellung gewährt werden soll. Wir haben jetzt die
letzte Sitzungswoche dieses Jahres. Wir wissen, dass die
Unterglasbaubetriebe gerade jetzt in einer Extremsitua-
tion sind, dass ihnen das Wasser bis zum Halse steht. Des-
halb ist meine Frage: Bis wann können wir denn damit
rechnen, dass die Bundesregierung ihre Prüfung ab-
geschlossen hat und tatsächlich ein Hilfsprogramm für die
Unterglasbaubetriebe vorgelegt wird?
In dem Zusammenhang können Sie vielleicht auch eine
kurze Erläuterung geben, ob es sich dabei um eine tatsäch-
liche Hilfe handeln wird oder ob es um langfristige Maß-
nahmen geht, bei denen eine Umrüstung in Richtung öko-
logischer Verbesserung angestrebt wird, was dann keine
tatsächliche Hilfestellung in der aktuellen Notlage wäre,
sondern lediglich ein langfristiges Programm zur Steige-
rung der Energieeffizienz. Handelt es sich also um ein
Programm, das aus der aktuell schlechten Wettbewerbssi-
tuation heraushelfen soll?
Frau Staatssekretärin,
bitte.
Herr Kollege Meister, wie
Ihnen vielleicht bekannt ist, hat dieser Deutsche Bundes-
tag im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haus-
haltes in der vergangenen Woche im Rahmen des Einzel-
plans 10 Hilfen für die Unterglasbaubetriebe bereit-
gestellt, und zwar - zum Teil so, wie Sie es gerade ange-
sprochen haben - jeweils 15 Millionen DM für das
nächste und das übernächste Jahr zugunsten von Energie-
sparinvestitionen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten-
schutzes“ sowie darüber hinaus jeweils 10 Millionen DM
für das nächste und das übernächste Jahr als Zinsverbilli-
gungsprogramme für Betriebskredite, die sozusagen über
die aktuelle Not hinweghelfen sollen. Die Bedingungen
dafür werden gerade im Bundeslandwirtschaftsministe-
rium ausgearbeitet. Daneben stehen Programme der Deut-
schen Siedlungs- und Landesrentenbank zur Verfügung,
zum Beispiel für Jungbauern - wobei der Begriff des
Jungbauern in der Landwirtschaft etwas weiter gefasst ist,
als man das allgemein annimmt; das sind nicht nur die bis
25-Jährigen, sondern nach meiner Kenntnis auch noch
40-Jährige; ich weiß es nicht genau. Dies ist also schon
beschlossen und wird unmittelbar zu Beginn des Jahres
2001 wirksam.
Die Bundesregierung prüft daneben, ob noch weitere
Hilfestellungen notwendig sind. Dieser Prüfungsprozess
ist noch nicht abgeschlossen. Aber ich darf darauf hin-
weisen, dass die Maßnahmen, die ich Ihnen gerade vor-
getragen habe, schon durch den Deutschen Bundestag
verabschiedet worden sind - leider nicht mit Ihrer Zu-
stimmung; denn Sie haben dem Einzelplan 10 nicht zuge-
stimmt.
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]:Wir
hatten ja ein bisschen mehr gefordert!)
Nun rufe ich die
Frage 16 der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt auf:
Wie rechtfertigt die Bundesregierung die steigenden Belastungen durch die Ökosteuer, insbesondere für Familien im ländlichen
Raum, die im Alltag keine Alternative zum Auto haben?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Kollegin Hasselfeldt,
in der Diskussion über die ökologische Steuerreform wird
oft behauptet, die Bewohner des ländlichen Raums seien
von der Mineralölsteuererhöhung finanziell stärker betroffen als die Bewohner in städtischen Regionen, da sie
längere Fahrtwege zurückzulegen und damit höhere Kosten für den Kraftstoffverbrauch zu tragen hätten. Untersuchungen haben aber ergeben, dass höhere Fahrleistungen
weniger im ländlichen Raum, sondern eher in den Ballungsgebieten anfallen. Hier sind auch der Motorisierungsgrad und - wegen der größeren Verkehrsdichte - der
Kraftstoffverbrauch höher als in typisch ländlichen Gebieten.
Eher trifft das Argument zu, dass die im ländlichen
Raum vorherrschende Unterversorgung mit Angeboten
des öffentlichen Personennahverkehrs - kurz: ÖPNV - zu
Benachteiligungen führt, weil die ländlichen Bewohner
dadurch, anders als in städtischen Regionen, kaum Alternativen zum Auto haben. Dies gilt vor allem für Fahrten
außerhalb des Berufsverkehrs und abseits der Schienenstrecken. Damit steht die Bundesregierung vor dem Resultat der verfehlten Verkehrspolitik der Vorgängerregierung, die den motorisierten Individualverkehr völlig
einseitig bevorzugt hatte.
Für den ÖPNV sind die Länder zuständig. Diese erhalten durch das Regionalisierungsgesetz allein im Jahr 2000
rund 13 Milliarden DM aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes. Nach einem im Benehmen mit den Ländern vergebenen Gutachten der WIBERA sind die nach
diesem Gesetz geleisteten Beiträge mehr als ausreichend
bemessen. Zudem erhalten die Unternehmen des ÖPNV
eine Erstattung der Mineralölsteuer und einen ermäßigten
Stromsteuersatz. Die bevorstehende Einführung einer
verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale wird
ebenfalls dazu beitragen, die Attraktivität des ÖPNV nicht
zuletzt zugunsten der Bewohner des ländlichen Raums zu
erhöhen.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, in Ihrer Koalitionsvereinbarung ist enthalten - und
zwar ziemlich wörtlich, - dass die Entscheidungen über
die Ökosteuer immer vor dem Hintergrund der generellen
konjunkturellen Entwicklung und der Preisentwicklung
zu treffen sind. Wenn Sie nun die Entwicklung des Preises des Mineralöls und des Heizöls unabhängig von der
Steuer betrachten, dann müssten Sie eigentlich daraus die
Konsequenz ziehen, wenigstens die weiteren Stufen bei
der Ökosteuer auszusetzen. Sind Sie dazu bereit?
Frau Kollegin Hasselfeldt,
die Bundesregierung, vertreten durch unterschiedlichste
Mitglieder der Bundesregierung, hat Ihnen und Mitgliedern Ihrer Fraktion nunmehr seit mehreren Wochen versucht klarzumachen, dass dies nicht zielführend sein
kann. Dies führte nämlich dazu, dass der Spielraum für
Preiserhöhungen vonseiten der Ölkonzerne größer würde.
Wir können es ja täglich an den Tankstellen erleben: Einmal geht es 3 Pfennig hinauf und dann wieder 3 Pfennig
hinunter. Wenn wir die nächste Stufe der Ökosteuer aussetzen würden, dann wäre dies überhaupt keine Gewähr
dafür, dass nicht gleichwohl in der folgenden Woche die
Preise um 8, 10 oder 12 Pfennig steigen, vielleicht aber
auch um 7 Pfennig sinken würden. All dies ist denkbar,
weil im Rahmen der Preisentwicklung die steuerliche
Frage nur peripher ist.
Frau Staatssekretärin, gehe ich dann recht in der Annahme, dass das, was in
Ihrer Koalitionsvereinbarung steht, nur weiße Salbe ist?
Frau Kollegin Hasselfeldt,
ich glaube nicht, dass man das, was man auf Papier
druckt, als weiße Salbe bezeichnen kann.
Jetzt möchte Kollege
Ronsöhr eine Zusatzfrage stellen. Bitte sehr.
Frau
Staatssekretärin, da die Entwicklung des ländlichen
Raumes sehr stark von Unterglasbetrieben im Gartenbau
abhängt, möchte ich zum Gartenbau eine Frage stellen.
Sie haben soeben gesagt, dass sich die Regierung noch in
einem Diskussionsprozess dahin gehend befindet, ob es
weitere Hilfen für den Gartenbau geben wird. Müsste man
nicht jetzt schnell entscheiden? Denn die hohen Energiekosten für den deutschen Unterglasgartenbau entstehen
im Winter und nicht im Sommer. Wenn man den Gartenbaubetrieben helfen will, dann müsste man ihnen in diesem Winter helfen.
Könnten Sie sich die Regelung vorstellen - eine solche
ist zumindest in Gartenbaukreisen andiskutiert worden -,
den Gartenbaubetrieben eine Befreiung sowohl von der
Ökosteuer, die 4 Pfennig ausmacht, als auch von der
Steuer auf Heizöl, die noch einmal 8 Pfennig beträgt, zu
gewähren, um zumindest hier zu einer Entlastung zu kommen? Dies ist umso wichtiger, als die Niederländer zurzeit
weitere entlastende Maßnahmen für den niederländischen
Gartenbau beschlossen haben. In den Niederlanden ist sowieso schon eine Entlastung erfolgt; weitere entlastende
Maßnahmen sind jetzt hinzugekommen. Finden Sie nicht,
dass die Bundesregierung im Interesse der Erhaltung des
Unterglasgartenbaus in Deutschland jetzt umfassend und
sehr schnell handeln müsste?
Das war an sich eine
Zusatzfrage zu Frage 15, Frau Staatssekretärin.
({0})
Bitte sehr.
Sie haben den Schlenker
gut gefunden, das ist keine Frage.
Herr Kollege Ronsöhr, ich darf Sie noch einmal darauf
hinweisen, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen schon tätig geworden sind.
({0})
Im gerade für das Jahr 2001 verabschiedeten Haushalt haben wir schon Hilfen für die Unterglasbetriebe vorgesehen. An dieser Stelle ist das eigentliche Problem in der Tat
die Wettbewerbsverzerrung durch die Niederländer. Das
liegt aber, wie ich Ihnen gerade schon gesagt habe, an vergünstigten Gaspreisen.
({1})
- Nein, das ist nicht wahr. Die Preise sind so niedrig, wie
sie sind.
({2})
Sie sind nicht ausdrücklich genehmigt, aber sie sind bis
inklusive 2002 nicht durch die Europäische Kommission
beanstandet worden und betragen nach meinem Kenntnisstand umgerechnet rund 33 Pfennig pro Kilowattstunde Gas.
({3})
Darin liegt der eigentliche Wettbewerbsvorteil. Dieses
Problem greifen wir auf europäischer Ebene auf, weil wir
dafür sorgen wollen, dass dieser Wettbewerbsvorteil jedenfalls nicht über das Jahr 2002 fortbesteht.
Gleichwohl ist sich die Bundesregierung der schwierigen Lage der Unterglasbetriebe bewusst. Ich kann aber
nicht versprechen, dass wir etwa auf jegliche Besteuerung
der Heizstoffe verzichten. Ich glaube, dass Sie diese Forderung auch nicht ernsthaft aufstellen.
({4})
- Wenn Sie die ernsthaft meinen sollten, Herr Ronsöhr,
dann scheinen Sie als Abgeordneter der Bundesrepublik
Deutschland in der Tat einen Mangel an Verantwortungsbewusstsein zu pflegen.
({5})
Herr Kollege, Sie haben nicht mehr das Wort.
Jetzt hat der Kollege von Klaeden eine Zusatzfrage zur
Frage 16 der Kollegin Gerda Hasselfeldt. Bitte sehr.
Ich möchte auf das
Argument der Frau Staatssekretärin eingehen, dass ein
Aussetzen der Ökosteuer dazu führen würde, dass die Mineralölpreise steigen würden. Frau Staatssekretärin,
müssten Sie dann nicht logischerweise Mehrwertsteuer
auf Mieten erheben, damit die Mieten in Deutschland sinken?
({0})
Herr Kollege von Klaeden,
ich habe Ihnen gerade gesagt, dass sich die Preisentwicklung völlig unabhängig von der Steuerentwicklung so
oder so gestalten kann. Ich habe darauf hingewiesen, dass
es sogar sein könnte, dass nach einer Erhöhung der Ökosteuer anschließend die Preise sinken, wenn sich die Weltmarktpreise entsprechend entwickeln. Ich habe nicht gesagt, dass es auf jeden Fall zu einer Erhöhung kommen
müsste.
({0})
Vielmehr habe ich gesagt, es gebe Spielraum für zusätzliche Steuererhöhungen.
Nun hat der Kollege
Hauser eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade davon geredet,
dass der öffentliche Personennahverkehr entlastet werden
würde. Können Sie uns mitteilen, wie hoch die Belastung
durch die Stromsteuer ist, damit dem Eindruck entgegengewirkt werden kann, dass es sich um eine Entlastung
handele? Es ist nämlich vielmehr eine Belastung.
Herr Kollege Hauser, die
Frage kann ich Ihnen aus dem Kopf leider nicht beantworten; ich werde die Antwort aber nachreichen. Jedenfalls ist bei der Stromsteuer ein reduzierter Satz für den öffentlichen Personennahverkehr eingeführt worden.
Nun hat die Kollegin
Bulling-Schröter eine Zusatzfrage. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin,
wie ich mitbekommen habe, fordert die CDU/CSU die
Abschaffung der Ökosteuer, mit der die so genannten
Lohnnebenkosten gesenkt werden. Können Sie mir sagen,
in welcher Höhe die Rentenbeiträge erhöht werden müssten, wenn die Ökosteuer sofort abgeschafft würde?
Wenn die Ökosteuer sofort
abgeschafft würde, müssten die Rentenbeiträge in diesem
Jahr sofort wieder um 1 Prozentpunkt und im nächsten
Jahr um 1,2 Prozentpunkte erhöht werden. Diese Zahlen
entsprechen genau den Senkungen, die wir durch die Ökosteuer haben herbeiführen können.
Nun kommen wir zur
Frage 17 des Abgeordneten Hauser:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Verfassungsbeschwerden gegen die Ökosteuer beim Bundesverfassungsgericht
anhängig sind und welche Regelungen jeweils kritisiert werden?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Herr Kollege Hauser, der
Bundesregierung sind vom Bundesverfassungsgericht
bislang drei Verfassungsbeschwerdeverfahren zur Stellungnahme zugeleitet worden. Die Verfassungsbeschwerden wenden sich gegen die §§ 2, 25 und 25 a des Mineralölsteuergesetzes sowie gegen die §§ 3, 5 Abs. 1, 9
Abs. 3 und 10 Abs. 1 und 2 des Stromsteuergesetzes.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, ich habe die Frage deshalb gestellt,
weil mir eine Information vorliegt, in der es heißt, dass es
nach Angaben des Bundesverfassungsgerichtes derzeit
zehn Klagen gegen die Ökosteuer gibt. Ich möchte Sie
deshalb bitten, Ihre Antwort zu überprüfen. Sind Sie weiterhin in der Lage, mir zu sagen, wie viele Verfahren vor
Finanzgerichten anhängig sind?
Herr Kollege Hauser, ich
kann hier nur eine Aussage zu den Verfahren machen, zu
denen die Bundesregierung eine Stellungnahme vornehmen soll. Das sind die drei von mir genannten Verfahren.
Wenn es weitere Verfahren gäbe, würde das möglicherweise durch die Presse mitgeteilt. Ich weiß nicht, woraus
Sie zitieren.
Der Bundesregierung liegen gesicherte Erkenntnisse
über verfassungsgerichtliche Verfahren erst dann vor,
wenn sie uns vom Bundesverfassungsgericht zur Stellungnahme zugeleitet werden. Insofern kann ich Ihnen
nicht mehr sagen als das, was ich Ihnen über die drei Verfahren gesagt habe.
Ob und, wenn ja, wie viele Verfahren bei den Finanzgerichten anhängig sind, kann ich natürlich nicht sagen.
Das müsste ich über eine Erhebung in den Ländern klären
lassen. Ich weiß nicht, ob das tatsächlich Ihrer Intention
entspricht. Dazu müsste die Bundesjustizministerin ihre
Länderjustizministerkollegen darum bitten, dass diese
sich bei den Finanzgerichten erkundigen, welche Verfahren anhängig sind.
({0})
Wenn Sie als Abgeordneter darauf bestehen, müssten wir
diesen Weg beschreiten. Ich weiß nicht, ob es tunlich ist.
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Hauser.
Frau Staatssekretärin, ich habe nicht danach gefragt, wie
viele Verfahren anhängig sind, zu denen Sie eine Stellungnahme abgeben sollen, sondern danach, wie viele Verfahren es gibt. Ich frage Sie: Sind Sie bereit, sich noch einmal damit zu beschäftigen, um uns eine detaillierte
Angabe darüber zu geben, wie viele Verfahren anhängig
sind und was Gegenstand dieser Verfahren ist?
Zu den Finanzgerichten: Jedes Finanzgericht veröffentlicht die Zahl der anhängigen Verfahren. Es wäre
mit Sicherheit keine Riesenaufgabe, das entsprechend zu
eruieren. Ich frage Sie: Sind Sie bereit, diese Informationen einzuholen?
Herr Kollege Hauser, ich
habe Ihnen gerade schon gesagt: Gesicherte Erkenntnisse
über verfassungsgerichtliche Verfahren erhält die Bundesregierung erst dann, wenn ihr diese vom Bundesverfassungsgericht zur Stellungnahme zugeleitet worden
sind. Deswegen kann ich mich gesichert nur zu den drei
Verfahren äußern, die ich gerade angesprochen habe;
denn zu diesen ist die Bundesregierung zur Stellungnahme aufgefordert worden.
Sie sagen, dass es Pressemitteilungen gibt, die andere
Zahlen nennen. Vielleicht könnten Sie mir die Quelle
nennen, aus der Sie zitieren und die davon ausgeht, dass
es mittlerweile zehn Verfahren gibt. Wir können uns dann
beim Bundesverfassungsgericht sachkundig machen. Bis
jetzt haben wir eine gesicherte Erkenntnis über drei Verfahren. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Im Übrigen sind
das Verfahren, die in der Öffentlichkeit bekannt geworden
sind. Die Gegenstände habe ich Ihnen genannt.
Bezüglich der Finanzgerichte werde ich Ihre Frage
prüfen. Ich kann Ihnen keine Zusage machen, weil hier
das Bundesjustizministerium tätig werden müsste.
Wir kommen nun zur
Frage 18 des Abgeordneten Hauser:
Wurde die Bundesregierung zu den oben genannten anhängigen Verfassungsbeschwerden vom Bundesverfassungsgericht
schon um Stellungnahme gebeten und, wenn ja, wie lautet diese?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Die Bundesregierung hat
in ihren Stellungnahmen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der mit den
Verfassungsbeschwerden angegriffenen Vorschriften dargelegt.
Erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, halten Sie es für angemessen, dass
sich das Bundesfinanzministerium in der Weise über den
Bundesfinanzhof äußert, dass als Kommentar zu dem vorliegenden Schreiben des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht einfach gesagt wird: Es handelt
sich hier um eine „unmaßgebliche Meinung des Bundesfinanzhofs“?
Ich würde das Wort „unmaßgeblich“ nicht benutzen. Aber es handelt sich in der
Tat um eine Meinungsäußerung des Bundesfinanzhofs,
die keine Urteilskraft hat.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Ronsöhr auf:
Bestätigt die Bundesregierung die Aussage des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Karl-Heinz
Funke, dass Landwirte von der Ökosteuer ab kommendem Jahr
nicht mehr betroffen seien?
Ich habe den Eindruck, dass die Frage nach der Ökosteuer allmählich ausgelotet ist. Gleichwohl bitte ich Sie,
Frau Staatssekretärin, zu antworten.
Die Aussage von Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke bezog sich
ausschließlich auf den in der Land- und Forstwirtschaft
verwendeten Dieselkraftstoff. Der für Agrardiesel festgesetzte Steuersatz von 57 Pfennigen je Liter liegt 5 Pfennige je Liter unter dem Mineralölsteuersatz, der vor dem
Einstieg in die ökologische Steuerreform Anfang 1999
allgemein gegolten hat. Der Mineralölsteuersatz betrug
zum 1. Januar 1999 62 Pfennige je Liter. Mit der Festschreibung des Steuersatzes für Agrardiesel ist die Landund Forstwirtschaft daher von der Ökosteuer auf Kraftstoffe nicht betroffen.
({0})
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Frau
Staatssekretärin, sind Sie - ich frage noch einmal, weil Sie
jetzt wieder mit dem allgemeinen Steuersatz gekommen
sind - bereit, zu bestätigen, dass der Steuersatz für die
Landwirtschaft bis 1999 21 Pfennige je Liter betragen und
sich nunmehr auf 57 Pfennige je Liter erhöht hat, sodass
die Belastung für die Landwirtschaft dann, wenn es dabei
bleibt, doppelt so stark ist wie die allgemeine Belastung
durch die Ökosteuer? Wie man angesichts dessen immer
von einem „Ausstieg“ aus der Ökosteuer reden kann, kann
ich bis heute nicht nachvollziehen.
Herr Kollege Ronsöhr, wie
Sie wissen, ist die Gasölverbilligung eine Subvention gewesen, die aus dem Haushalt des Bundeslandwirtschaftsministeriums geleistet worden ist und die tatsächlich dazu
gedient hat, die Mineralölsteuer auf Dieselkraftstoffe in
der Landwirtschaft auf 21 Pfennige je Liter zu senken.
Der Steuersatz betrug damals naturgemäß 62 Pfennige je
Liter. Früher war er auch einmal niedriger; aber Sie haben
ihn während Ihrer Regierungszeit ordentlich erhöht.
({0})
In der Tat ist der Steuersatz für in der Landwirtschaft
verwendete Dieselkraftstoffe durch Subventionen wieder
gesenkt worden. Wir schaffen jetzt einen steuerlichen Tatbestand, der dazu führt, dass die Landwirtschaft - ich
räume das ein - zwar nicht 21 Pfennige je Liter, aber
57 Pfennige je Liter zahlen muss. Dieser Steuersatz ist um
5 Pfennige niedriger als der allgemeine Mineralölsteuersatz vor der Einführung der Ökosteuer.
({1})
Herr Kollege, wollen
Sie noch eine zweite Zusatzfrage stellen?
({0})
- Dann kommen wir jetzt zur Frage 20 des Kollegen
Ronsöhr:
Bei wie viel Prozent der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland wird aufgrund der Überschreitung der
Sockelbeträge bei Strom sowie bei Heizöl/Gas der Steuersatz reduziert?
Im Sektor Landwirtschaft
übersteigen circa 10 bis 12 Prozent der Betriebe die
Sockelbeträge der Ökosteuer und kommen somit in den
Genuss der reduzierten Steuersätze auf Heizöl, Gas und
Strom.
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr.
Frau
Staatssekretärin, sind Sie bereit, anzuerkennen, dass der
Steuersatz erst dann auf 20 Prozent reduziert wird, wenn
die Sockelbeträge schon zu 100 Prozent entrichtet worden
sind, und dass das insbesondere kleine strukturierte Betriebe und damit das Handwerk und die Landwirtschaft
belastet? Diese müssen erst einmal 100 Prozent zahlen
und kommen erst dann in den Genuss der Reduzierung auf
20 Prozent. Sind Sie bereit, das anzuerkennen, und können Sie die von mir gestellte Frage bitte richtig beantworten?
Herr Kollege Ronsöhr, ich
bin bereit, anzuerkennen, dass eine Sockelbetragsregelung, die der Verwaltungsvereinfachung dient und die
- ich muss die Zahl einmal nennen - zu Mehrkosten in
Höhe von maximal 2 000 DM pro Jahr führen kann, nämlich 1 000 DM für Strom und noch einmal 1 000 DM entweder für Gas oder Heizöl, in der Tat bei kleinen Betrieben zu einer Zusatzbelastung führen kann - egal ob dies
landwirtschaftliche oder andere kleine Betriebe sind und sich erst danach der reduzierte Steuersatz auswirkt.
Diese Regelung dient letztlich dazu, dies verwaltungsmäßig überhaupt noch handhaben zu können, wobei eine
Belastung in Höhe von 2 000 DM im Jahr eine durchaus
überschaubare Belastung ist. Wenn man bedenkt, dass
diese Ausgaben natürlich auch in die Betriebskostenberechnung einfließen und sich somit gewinnmindernd auswirken, sieht man, dass diese Belastung in Höhe von
2 000 DM je nach dem persönlichen Steuersatz des Betriebsinhabers gemindert wird.
({0})
Herr Kollege
Ronsöhr, Sie haben keine Zusatzfrage mehr. Ich habe genau darauf geachtet.
({0})
- Ja, Sie können dessen sicher sein.
Jetzt kann der Kollege Hirche eine Zusatzfrage stellen.
Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, welches
ist der tiefere Grund dafür, dass alle kleinen Betriebe die
Sockelbeträge erst zu 100 Prozent entrichten müssen, aber
bei den größeren Betrieben die Reduktion auf bis zu
20 Prozent des Sockelbetrages direkt vorgenommen wird,
und Sie somit den Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft begünstigen?
({0})
Herr Kollege Hirche, ich
glaube nicht, dass dies wesentlich mit dem Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft, sondern wesentlich
mit der Art und Weise der Produktion zu tun hat.
({0})
Als wir uns darüber unterhalten haben, dass es wohl notwendig wäre, auch die Landwirtschaft so wie das produzierende Gewerbe im Rahmen der Ökosteuer mit einem
reduzierten Satz zu versehen, haben alle sachkundigen
Menschen aus dem Bereich Landwirtschaft mir gesagt:
Im Wesentlichen werden davon selbstverständlich die
Gartenbaubetriebe, die eben schon genannten Unterglasbetriebe, profitieren, weil sie naturgemäß sehr hohe Energiekosten haben. Es wird möglicherweise noch bei den
Schweinezüchtern der Fall sein, weil die eben auch relativ hohe Stromkosten haben.
({1})
Im Übrigen ist es von der Produktion abhängig, wie
viel Strom, Gas oder Heizöl denn überhaupt verbraucht
wird. Sie können nicht einfach sagen: Das eine sind die
kleinen und das andere sind die großen Betriebe.
({2})
Es kommt auf die Art der Produktion innerhalb der Landwirtschaft an.
Jetzt kämen wir eigentlich zur Frage 21 der Kollegin Wöhrl. Sie telefoniert
gerade mit dem Handy, was ich schon mal nicht gut finde.
Ich habe auch irgendwo ein Handypiepen gehört. Liebe
Kolleginnen und Kollegen, wir waren uns einig, dass wir
das Handy hier nicht benutzen wollen.
({0})
Nun rufe ich die Frage 21 der Kollegin Wöhrl auf:
Hält es die Bundesregierung für vereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, dass ein Handelsunternehmen
- zum Beispiel ein Baumarkt - die Ökosteuer zu 100 Prozent zahlen muss, obwohl es zum Teil dieselben Produkte herstellt wie ein
Industriebetrieb, der nur 20 Prozent der Ökosteuer zahlen muss?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Die Bundesregierung hält
es mit dem Gleichheitsgrundsatz für vereinbar, dass Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Gegensatz
zu Handelsunternehmen einem ermäßigten Ökosteuersatz
unterliegen. Bei Unternehmen, die körperliche Waren
herstellen, besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass
die Erhöhung der Energiesteuern zu höheren Produktionskosten und damit zu einer Verschlechterung der internationalen Wettbewerbssituation führt.
Einem vergleichbaren, durch Energiesteuern verursachten Wettbewerbsdruck unterliegen Handelsunternehmen in der Regel nicht. Die Unterscheidung zwischen
Unternehmen, die Güter produzieren, und anderen Unternehmen ist nur auf der Grundlage einer generalisierenden
und typisierenden Betrachtungsweise durchführbar. Der
Gesetzgeber durfte daher für die Anwendung der Steuerbegünstigung auf den Schwerpunkt der wirtschaftlichen
Tätigkeit des Unternehmens abstellen und solche Bereiche unberücksichtigt lassen, die nur eine untergeordnete
Bedeutung haben.
Die Zulässigkeit von generalisierenden, typisierenden
und pauschalierenden Regelungen hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen anerkannt.
Erste Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin,
dass die Ökosteuer weder öko noch logisch ist, ist nicht
nur meine Auffassung. Ich glaube, da bin ich nicht die
Einzige. Teilen Sie die Auffassung, dass das vorgeschobene ökologische Motiv, nämlich die Menschen durch die
Energieverteuerung zum sparsamen Umgang mit Energie
zu erziehen, durch die Ermäßigungsregelung ad absurdum geführt wird?
Frau Kollegin Wöhrl, ich
teile diese Auffassung nicht.
Zweite Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin,
die erste Korrektur, die Sie an Ihrem ursprünglichen Ökosteuerkonzept vorgenommen haben, war die Ermäßigungsregelung. Die zweite Korrektur soll jetzt in Form einer komplizierten, nach Entfernung und Verkehrsmitteln
differenzierten Entfernungspauschale kommen. Das alles
sind Maßnahmen von Ihrer Seite aus, um nur die Ökosteuer nicht zurücknehmen zu müssen.
({0})
Es stellt sich die Frage, ob Ihr steuerpolitisches Motto
ist, je komplizierter, desto besser, oder meinen Sie nicht
auch, dass unser gemeinsames Ziel ein einfacheres Steuerrecht ist?
Frau Kollegin Wöhrl, das,
was Sie als erste Korrektur bezeichnet haben, ist von Anfang an integraler Bestandteil des Ökosteuergesetzes gewesen.
({0})
Wir haben von Anfang an das produzierende Gewerbe
von den größten Teilen der Belastung ausnehmen wollen,
weil es in besonderer Weise dem internationalen Wettbewerb unterliegt. Das ist keine irgendwie geartete Korrektur.
Ich darf auch zurückweisen, dass das, was wir im Zusammenhang mit der Entfernungspauschale und dem einmaligen Heizölkostenzuschuss nunmehr zugunsten der
Bürgerinnen und Bürger tun, im Kern etwas mit der Ökosteuer zu tun hätte. Im Kern hat es mit den explodierten
Preisen zu tun. Ich habe das eben diesem Hohen Hause am
Beispiel der Heizölbesteuerung schon einmal klargemacht.
Es geht in dem Zusammenhang nicht um die Ökosteuer, sondern es geht darum, die Menschen, die sich
nicht haben vorbereiten können auf die so explodierten
Preise, wenigstens für ein Jahr in gewisser Weise von
diesen hohen Preisen zu entlasten. Natürlich nicht vollständig; das wäre auch unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten und unter den Gesichtspunkten der haushaltswirtschaftlichen Notwendigkeiten und der haushaltswirtschaftlichen Vernunft nicht möglich. Insofern glaube
ich nicht, dass Sie etwa der Steuerpolitik der Bundesregierung vorwerfen könnten, sie sei nicht stringent.
Nun kommt die
Frage 22 der Kollegin Dagmar Wöhrl:
Ist die Bundesregierung der Meinung, dass es bei Dienstleistungen, wie zum Beispiel Verkehr, Handel, Beherbergungsgewerbe, keinen internationalen Wettbewerb gibt, vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung die Ermäßigungsregelung für
das produzierende Gewerbe damit begründet, dass diese Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Die Bundesregierung bestreitet nicht, dass es in einzelnen Bereichen der genannten Wirtschaftszweige einen internationalen Wettbewerb
geben kann. Die Energiesteuern auf Heizstoffe und Strom
dürften die Wettbewerbssituation dieser Sektoren in aller
Regel jedoch nicht wesentlich beeinflussen.
Erste Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin,
ich bin froh, dass Sie anerkennen, dass es hier zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Es liegt auch auf der Hand
und es ist Tatsache, dass Gütertransporte immer mehr von
ausländischen Firmen anstelle von deutschen Unternehmen durchgeführt werden. Sie aber glauben, dass hohe
Kraftstoffpreise und die hohe Steuerlast dazu führen werden, dass zukünftig immer mehr Transporte von der
Straße auf die Schiene verlagert werden. Frage: Glauben
Sie wirklich daran? Haben Sie einen konkreten Nachweis
dafür, dass die Nachfrage nach Gütertransporten auf der
Schiene aufgrund dieser Tatsache in den letzten Monaten
zugenommen hat?
Frau Kollegin Wöhrl, ich
bin über die aktuelle Güterverkehrsstatistik nicht informiert. Ich werde aber dafür Sorge tragen, dass Ihnen das
Bundesverkehrsministerium diese Frage nachträglich beantwortet.
Zweite Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Die Dienstleistungswirtschaft ist sehr stark durch die Ökosteuer belastet,
aber auch die privaten Haushalte müssen die Ökosteuer
größtenteils in vollem Umfang zahlen. Die Ökosteuer ist
als Verbrauchsteuer unabhängig vom Einkommen, wie
Sie wissen, und Familien mit Kindern verbrauchen mehr
Energie als Familien ohne Kinder. Würden Sie mir vor
diesem Hintergrund zugestehen, dass die Ökosteuer extrem unsozial ist?
Frau Kollegin Wöhrl, alle
Verbrauchsteuern haben wie der Name schon sagt, die
Tendenz, beim Verbrauch anzusetzen. Das ist zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer nicht anders; das wissen Sie.
Da waren Sie zu Ihrer Regierungszeit immer recht schnell
bei der Hand, für Erhöhungen zu sorgen. Weil die Mehrwertsteuer auf alle Produkte erhoben wird, hat das natürlich das Leben insbesondere für Familien deutlich mehr
beeinflusst, also teurer gemacht, als es durch die zusätzliche Belastung aufgrund der Ökoölsteuer geschieht.
({0})
Es ist natürlich auch nicht so, dass mit der Zahl der
Kinder der Energieverbrauch exponentiell steigt. Bei einer Familie mit, sagen wir, einem, zwei oder drei Kindern
werden Sie davon ausgehen können, dass sie in der Regel
alle mit einem Elternteil oder mit beiden Elternteilen in einem Auto unterwegs sind. Sie sind nicht in zwei Autos unterwegs.
Was die Heizenergie angeht, ist es zweifellos anders.
Bei einer größeren Wohnfläche muss man natürlich mehr
heizen. Aber ich hatte Sie darauf hingewiesen, dass wir
die Ökosteuer auf leichtes Heizöl im Jahr 1999 nur ein
einziges Mal mit 4 Pfennig erhoben haben. Seither hat es
in dem Bereich keine Erhöhungsstufen gegeben.
Die Fragen 23 bis 27
werden schriftlich beantwortet.
({0})
Deswegen kommt jetzt die Frage 28 des Kollegen
Janovsky:
Hält die Bundesregierung es im Rahmen der EU-Osterweiterung für sinnvoll, die Grenzübergänge nach Polen generell zu verbessern, und trifft es in diesem Zusammenhang zu, dass zum Beispiel am Autobahngrenzübergang Ludwigsdorf für ein- und
ausreisende Fahrzeuge eine weitere Abfertigungsspur geschaffen
werden soll?
Herr Kollege Janovsky, die
Bundesregierung sieht sich einerseits in der Pflicht, den
Warenverkehr über die deutschen Ostgrenzen zugunsten
der nationalen Wirtschaft möglichst reibungslos zu gestalten, andererseits aber an diesen Grenzen angesichts
des herannahenden Beitritts unserer östlichen Nachbarländer zur EU nur noch die zwingend erforderlichen
Haushaltsmittel einzusetzen. Die Bundesregierung beabsichtigt daher, an der Grenze zu Polen nur noch solche
Grenzübergänge für den Warenverkehr zu errichten, die
bereits völkerrechtlich vereinbart sind.
Zur Bewältigung des weiterhin ansteigenden Güterverkehrs sind allerdings die Erweiterung und Modernisierung bestehender Grenzübergänge erforderlich, was unter
Einsatz relativ begrenzter Mittel erfolgen kann. Eine solche durch den Verkehrszuwachs erforderlich gewordene
Erweiterungsmaßnahme ist die Errichtung je einer weiteren Einlassspur im Eingangsbereich des Autobahngrenzzollamtes Ludwigsdorf in beide Fahrtrichtungen. Deren
Errichtung ist im kommenden Jahr vorgesehen.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin,
ist die Fertigstellung dieser Maßnahme auch im nächsten
Jahr vorgesehen?
Ich habe von Errichtung
gesprochen. Normalerweise bedeutet Errichtung auch
Fertigstellung. Gleichwohl will ich mich nicht für den
Baufortschritt verbürgen.
Herr Janovsky, Sie
möchten keine Zusatzfrage mehr stellen?
Dann kommt die ebenfalls von Ihnen gestellte
Frage 29:
Welche Fahrzeug- und Güterarten stehen bei der Verbesserung
der Grenzübergänge ggf. im Vordergrund, und für welche Fahrzeug- und Güterarten soll dies zum Beispiel am Grenzübergang
Ludwigsdorf gelten?
Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Janovsky, die
Notwendigkeit von Verbesserungen an den Grenzübergängen besteht insbesondere im Warenverkehr. Auch die
Errichtung einer weiteren Zulaufspur auf jeder Eingangsseite am Grenzübergang Ludwigsdorf Autobahn/Jedrzychowice dient einer verbesserten Abfertigung des Warenverkehrs. Die neuen Spuren sind für alle Güter- und
Fahrzeugarten, auch für überbreite Schwerlasttransporte,
vorgesehen und dienen dazu, stauende LKW schnellstmöglich von der Autobahn auf den Vorstauraum leiten zu
können.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? - Keine Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 30 der Kollegin Eva BullingSchröter auf:
Welche Anweisung hat die Bundesregierung dem deutschen
Vertreter in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ({0}) zur gestrigen und heutigen Sitzung der EBWE
mit auf den Weg gegeben, damit der Beschluss des Deutschen
Bundestages vom 17. Juni 1999, mit dem die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Bundestagsdrucksache 14/1143 angenommen wurde,
keine Unterstützung zum Bau der Atomkraftwerke in der Ukraine
zu leisten, erfüllt wird?
Es klappt also doch noch, Frau Kollegin. Es geht
schneller, als wir gedacht haben. Die Frau Staatssekretärin antwortet. Bitte sehr.
Frau Kollegin BullingSchröter, das Direktorium der EBWE wird auf Vorschlag
des Managements der Bank am 7. Dezember 2000 einen
Beschluss zur Finanzierung der beiden ukrainischen
Kernkraftwerke K 2 und R 4 fassen. Die Bundesregierung
hat den deutschen Vertreter im Direktorium angewiesen,
dem Vorschlag des Managements nicht zuzustimmen.
Zusatzfrage, Frau
Kollegin, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin,
hat die Bundesregierung das Gutachten der US-amerikanischen Consulting-Firma Stone & Webster, das für die
Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung die
Grundlage für die Entscheidung über die Kreditvergabe
für K 2 und R 4 darstellt, auf sachliche Richtigkeit geprüft?
Frau Kollegin BullingSchröter, das kann ich aus eigener Kenntnis nicht beantworten. Ich gehe davon aus, dass es so ist. Aber es ist jedenfalls nicht bis zu meiner Ebene gekommen. Ich wäre
auch für eine solche sachliche Prüfung nicht zuständig.
Ich nehme an, dass das Gutachten, wenn es dem Bundesfinanzministerium, dem Bundesumweltministerium oder
beiden vorliegt, auch auf sachliche Richtigkeit geprüft
worden ist. Aber ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen.
Zweite Zusatzfrage,
bitte sehr.
Das ist natürlich sehr
schade. Ich wollte Sie jetzt fragen, wie die Bundesregierung die Tatsache beurteilt, dass innerhalb des Wirtschaftlichkeitsgutachtens die Auswirkungen des Kursverfalls der ukrainischen Währung für K 2 und R 4 für einen
längeren Zeitraum berücksichtigt wurden als für die nicht
nuklearen Alternativen zu K 2 und R 4, und wie Sie dazu
stehen. Aber gut, Sie kennen das Gutachten nicht.
Frau Kollegin BullingSchröter, anhand Ihrer Fragestellung war nicht erkennbar,
dass Sie so in die Einzelheiten eines Gutachtens eindringen wollten. Es wäre vielleicht tunlich gewesen, wenn Sie
in Ihrer Fragestellung einen kleinen Hinweis darauf gegeben hätten.
Vielleicht schreibt sie
noch einen Brief an das Ministerium; dann bekommt sie
eine genaue Antwort.
Das machen wir natürlich.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Hirche.
Frau Staatssekretärin, wenn
morgen - das ist ja der 7. Dezember - die Gremien anders
entscheiden, als die Bundesregierung möchte, wird die
Bundesregierung dann den Beschluss dieses internationalen Gremiums akzeptieren?
Herr Kollege Hirche, die
Bundesregierung hat gar keine andere Möglichkeit, als
den Beschluss eines solchen internationalen Gremiums zu
akzeptieren. Es gibt nämlich in diesem Gremium kein Vetorecht. Vielmehr verfügt Deutschland analog zu seinem
Kapitalanteil an der Bank lediglich über 8,52 Prozent der
Stimmen. Insofern kann kein Veto ausgeübt werden.
({0})
Nun rufe ich die
Frage 31 der Kollegin Eva-Maria Bulling-Schröter auf:
Was hat die Bundesregierung unternommen, um weitere Finanzquellen wie etwa Hermes-Bürgschaften und Euratom-Mittel
zum Bau der ukrainischen Atomkraftwerke K 2 und R 4 zu verweigern?
Das ist die letzte Frage für Sie, Frau Staatssekretärin.
Die kriegen wir auch noch hin. Jetzt haben Sie die Gelegenheit zur Antwort.
Frau Kollegin BullingSchröter, Hermes-Bürgschaften werden für die Ukraine
nicht zur Verfügung gestellt. Die Vergabe von EuratomMitteln liegt in der Kompetenz der EU-Kommission. Die
Darlehen werden auf dem Kapitalmarkt aufgenommen.
Es handelt sich somit nicht um Gelder aus dem EU-Haushalt oder den Haushalten der Mitgliedstaaten.
Eine Zusatzfrage? Keine Zusatzfragen mehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, wie
schwierig es ist, eine solche Fragestunde durchzustehen.
Ich glaube, wir sollten der Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen herzlich danken.
({0})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Die Fragen
werden alle schriftlich beantwortet.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Auch da werden alle Fragen schriftlich beantwortet.
Nun komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung.
Die Fragen 46 und 47 werden schriftlich beantwortet.
Ist der Kollege Nolting da?
({1})
- Wunderbar. Dann rufe ich seine Frage 48 auf:
Auf welcher Rechtsgrundlage basiert die Handlungsweise der
Bundesregierung, bei Auslandseinsätzen des Kommandos Spezialkräfte ({2}) auf die vorherige, bzw. in begründeten Ausnahmefällen, auf die nachträgliche Zustimmung des Deutschen Bundestages zu verzichten, und teilt die Bundesregierung meine
Befürchtung, dass eine derartige Handlungsweise die Parlamentsarmee Bundeswehr in eine Regierungsarmee verwandelt?
Zur Beantwortung steht Frau Staatssekretärin Brigitte
Schulte zur Verfügung. Bitte sehr.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Nolting, jeder Einsatz bewaffneter
deutscher Streitkräfte im Ausland bedarf nach dem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 1994 der
grundsätzlich vorherigen Zustimmung des Deutschen
Bundestages. Das gilt damit auch für Einsätze des Kommandos Spezialkräfte, kurz KSK.
Die Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom
19. Juni 1998 und vom 8. Juni 2000 in Verbindung mit
dem Beschluss vom 11. Juni 1999 sind nach Auffassung
der Bundesregierung die Rechtsgrundlage für den Einsatz
von KSK-Kräften in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. In diesen Bundestagsbeschlüssen werden einzelne
Kräfte mit bestimmten Fähigkeiten - zum Beispiel Infanterie, Führungs-, Aufklärungs- und Sicherungskräfte sowie mögliche Beiträge zur Einsatzunterstützung definiert, es werden jedoch nicht die einzelnen militärischen
Verbände benannt, die in Bosnien-Herzegowina oder im
Kosovo eingesetzt werden sollen. KSK-Kräfte mit den
entsprechenden Fähigkeiten wurden in der Vergangenheit
eingesetzt.
Da der Deutsche Bundestag die deutsche Beteiligung
an SFOR- und KFOR-Operationen bereits gebilligt hat,
muss nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor
bzw. nach jedem KSK-Einsatz um seine erneute konstitutive Zustimmung zu einem solchen Einsatz gebeten werden, denn die KSK-Einsätze finden im Rahmen der völkerrechtlich durch VN-Mandat und verfassungsrechtlich
durch die genannten Bundestagsbeschlüsse abgesicherten
internationalen Friedensmissionen SFOR und KFOR
statt. Eine besondere Unterrichtung der Ausschüsse bzw.
des Plenums des Deutschen Bundestages war aus rechtlicher Sicht nicht geboten, weil die Operationen von Soldaten der SFOR- und KFOR-Truppen im Rahmen der jeweils gültigen Rechtsgrundlagen durchgeführt wurden
und deshalb rechtlich keine Besonderheiten darstellten.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege Nolting?
Frau Staatssekretärin, wenn wir von einer Parlamentsarmee sprechen,
wäre es dann nicht angebracht, wieder zu Verfahren
zurückzukehren, die die letzte Regierung praktiziert hatte,
dass zum Beispiel die Sprecher des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses zeitnah informiert werden, wie das beispielweise im Fall des Einsatzes
von Soldaten in Tirana geschehen ist?
({0})
Herr Kollege Nolting, wir haben über dieses Thema schon einmal gesprochen.
({0})
In besonders sensiblen oder wichtigen Bereichen werden
die Fraktionsvorsitzenden oder die von den Fraktionsvorsitzenden benannten Vertrauensleute unterrichtet. Dass
darüber hinaus der Kreis der Informationsempfänger
klein gehalten werden muss, weil sonst bestimmte Zugriffsmöglichkeiten nicht genutzt werden könnten, ist
selbstverständlich. Nach Durchführung der Maßnahmen
wird bekanntermaßen der Verteidigungsausschuss unterrichtet, der ja ein geschlossener Ausschuss ist. Ich kann
deswegen keinen Verstoß erkennen.
Zweite Zusatzfrage,
Herr Kollege Nolting? - Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, halten Sie es für richtig, dass die Mitglieder des
Verteidigungsausschusses erst nach einer Woche durch
das Ministerium informiert wurden, und zwar auf schriftlichem Weg und zudem in einer nichts sagenden Art und
Weise? Halten Sie es weiter für richtig, das Abgeordnete,
die wenige Tage nach diesem Einsatz im Ministerium
nachfragten, keine Antwort bekommen haben?
Ich habe in diesem Fall mein
Verständnis vom Umgang mit dem Parlament nicht verwirklicht gesehen,
({0})
habe Ihnen aber damals schon erklärt: Wir waren an dem
Tag, an dem sich die genannten Vorfälle ereigneten, mit
Kolleginnen und Kollegen aus demHaushaltsausschuss
zusammen. Der Minister hat sofort - ich war bei den Berichterstattergesprächen anwesend - die Kollegen im
Haushaltsausschuss von der Zugreifaktion unterrichtet.
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Wir waren dabei in der Phase der Berichterstattung über
den Haushalt, sodass der Minister und ich - ich weiß
nicht, wem wir dafür die Schuld geben sollten - wohl davon ausgingen, das Parlament würde entsprechend unterrichtet. Wir haben Ihnen versprochen, hier für die Zukunft
- ich verspreche Ihnen das auch hier vor dem Parlament Verbesserungen vorzunehmen.
({1})
Ich rufe die Frage 49
des Kollegen Nolting auf:
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben im In- und Ausland nicht Teil des
Auftrages der Bundeswehr ist, und wie begründet sie dann die
Festnahme von per Haftbefehl gesuchten Verbrechern auf dem
Balkan durch das Kommando Spezialkräfte ({0}) anstelle der
Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes GSG 9?
Was haben Sie denn jetzt zu versprechen, Frau Staatssekretärin?
Frau Vizepräsidentin, ich
würde vieles versprechen wollen, aber in diesem Falle ist
es natürlich so, dass wir nur gegenüber dem Parlament
Verpflichtungen, es zu unterrichten, eingehen.
Ja, Herr Kollege Nolting, die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch Angehörige deutscher Streitkräfte
auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ist
aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Das
Grundgesetz sieht eine strikte funktionale Trennung zwischen Polizei- und Streitkräfteaufgaben auf dem Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland vor. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe wird von der Bundesregierung selbstverständlich beachtet.
Polizeiliche Aufgaben können allerdings im Rahmen
von Friedensmissionen sehr wohl durch die Streitkräfte
wahrgenommen werden, wie insbesondere das Beispiel
der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zeigt.
Die Wahrnehmung solcher Aufgaben im Rahmen von
Auslandseinsätzen gestattet das Grundgesetz in der Vorschrift des Art. 24 Abs. 2. In diesem Falle war das selbstverständlich; denn das Kommando Spezialkräfte war in
SFOR und KFOR eingeordnet.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, wäre es dann nicht angebracht - auch um Rechtssicherheit zu schaffen -, dass solche Aufgaben in die Beschlussvorlage mit aufgenommen werden, sodass auch
das Parlament im Einzelnen darüber informiert ist, was
unsere Soldaten dort zu leisten haben?
Jetzt stapeln Sie tief, um das
freundlich auszudrücken; denn Sie sind jemand, der durch
seine lange Zugehörigkeit zum Verteidigungsausschuss
eigentlich weiß, dass sich die Spektren der Aufgaben in
der aktuellen Situation verändern können, und zwar
schnell. Sie wissen natürlich auch, dass die Bundeswehr
zeitweilig sogar ein Gefängnis betreiben musste, weil
dafür niemand anders zur Verfügung stand. In dem Moment, wo die Bundeswehr in einem Land eingesetzt wird,
in dem nicht Recht und Ordnung herrschen und in dem es
nicht immer einen erkennbaren Gegner gibt, ist die Wahrnehmung solcher Aufgaben durch die entsprechenden Beschlüsse des Bundestages oder durch die Beschlüsse der
UN abgesichert. Ich meine, dass in solchen Situationen
Rechtssicherheit gegeben ist.
Noch eine Zusatzfrage? - Nein, das ist nicht der Fall. Ich danke Frau Staatssekretärin Brigitte Schulte für die Beantwortung der Fragen.
Ich möchte mitteilen, dass die Fragen 36 und 37 des
Abgeordneten Klaus Lennartz nach der Geschäftsordnung behandelt und die Fragen 38 und 39 des Kollegen
Peter Bleser und die Frage 40 des Kollegen Albert Deß
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schriftlich beantwortet werden. Auch die restlichen Fragen, also die Fragen 50 bis 72, werden schriftlich beantwortet. Damit ist
die Fragestunde beendet.
({0})
- Tut mir Leid, Herr Niebel, die Fragestunde ist genau
jetzt beendet.
({1})
- Das ist skandalös. Da bin ich Ihrer Auffassung. Aber ich
kann es nicht ändern, weil die Fragestunde, wie gesagt,
beendet ist.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der PDS
Haltung der Bundesregierung zur jüngsten
Privatisierung von über 100 000 Eisenbahnerwohnungen
Ich darf Sie alle darauf aufmerksam machen, dass die
Redezeit in der Aktuellen Stunde beschränkt ist.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Winfried
Wolf für die PDS-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man könnte
sich - oberflächlich gesehen - bei dem Thema Eisenbahnerwohnungen damit begnügen, aus der Erklärung des
Deutschen Mieterbundes zu zitieren, die die Schlagzeile
trägt, dies sei ein schwarzer Tag für die Mieter und Eisenbahner, und in der festgestellt wird, dass es hier um einen
allgemeinen Ausverkauf von preiswertem Wohnraum
geht, dass das vor dem Hintergrund der allgemeinen
Rückführung des sozialen Wohnungsbaus gesehen werden muss und dass unter anderem die Kommunen am
Ende dafür blechen werden, weil sie mehr Sozialhilfe und
mehr Wohngeld gewähren und entsprechende Belegungsrechte kaufen müssen. So könnte man sagen, dass es im
Westen und Osten nicht viel Neues gibt, dass wir es mit
einem der größten Verkäufe von Wohnungen zu tun haben, deren Mieten teurer werden, und dass davon 200 000
bis 300 000 Mieterinnen und Mieter betroffen sind, die
jetzt im wahrsten Sinne des Wortes eine neue Heimat haben, mit dem ganzen negativen Beigeschmack, den dieser
Begriff in Westdeutschland hat.
Es ist aber mehr. Es gibt bereits beim Deutschen Mieterbund eine Besonderheit: Die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, Frau Anke Fuchs, hat einerseits die
Möglichkeit, in dieser Eigenschaft zu reden, und ist andererseits Mitglied der Koalitionsparteien.
Und nun präsidiere
ich auch noch, Herr Kollege. Das habe ich mir gewünscht.
({0})
Ich habe es geahnt, Frau
Präsidentin.
({0})
Dies betrifft auch eine Reihe von SPD-Kolleginnen
und -Kollegen, unter anderem die Landesgruppe der SPD
in Bayern, die sich gegen eine solche Lösung heftig verwahrt und für eine Konsenslösung plädiert hat. Der Landesverband der SPD in Hessen hat Ähnliches gesagt usw.
Man kann hier schon das große Wort gebrauchen: Es geht
hierbei an die sozialdemokratische Ehre und Substanz.
({1})
Herr Wissmann gab Anfang 1998 bekannt, dass die Eisenbahnerwohnungen verkauft werden würden. Dagegen
haben die SPD und die damalige GdED heftig protestiert.
({2})
Im Wahlkampf ist von der SPD deutlich gesagt worden:
Wenn wir gewählt werden, wird es nicht zum Verkauf dieser Wohnungen kommen.
({3})
- Ich danke für die Bestätigung von der F.D.P. - Die SPD
hat in Briefen an die Mieterinnen und Mieter der entsprechenden Wohnungen zugesichert, dass es zu keinem Verkauf kommen werde.
({4})
Damit wurden in diesem Bereich sicherlich weit mehr als
100 000 Stimmen für die SPD gewonnen bzw. erhalten.
Nach der Wahl sieht es anders aus. Man muss nun feststellen, dass alle drei Verkehrsminister, die wir bisher von
der neuen Koalition erleben durften,
({5})
sich darin einig waren, dass die Wohnungen verkauft werden sollen,
({6})
dass also in diesem Bereich die CDU/CSU- und F.D.P.Politik fortgesetzt werden soll - trotz eines Alternativmodells, in dem aufgezeigt wurde, wie es ohne Privatisierung
gehen könnte, trotz der fortwährenden Forderungen der
Gewerkschaft Transnet und sogar angesichts der Tatsache, dass die WCM und Herr Ehlerding, wenn auch in
kleinerem Maßstab, als Teilkäufer - Herr Ehlerding wird
sich sagen, dass es sich lohnt, Schmiergeld zu zahlen, sogar noch nach einem Regierungswechsel - und die Firma
Nomura als Hauptkäuferin auftreten, obwohl SPD-Ministerpräsidenten seinerzeit gesagt haben, dass ein japanischer Käufer wegen der Krise im japanischen Versicherungsgewerbe nicht akzeptabel sei.
Wenn uns gleich die Fortschritte beim Mieterschutz
vorgeführt werden, dann kann ich schon jetzt nur sagen:
Insgesamt ist ganz eindeutig, dass der Verkauf für die
Mieterinnen und Mieter einen Negativposten darstellen
wird. Ich mache das an zwei Beispielen fest. Zum einen
wird es ohne Zweifel zu einer Erhöhung der Mieten kommen. Die „Süddeutsche Zeitung“ rechnet vor, dass es im
Extremfall eine Erhöhung von bis zu 50 Prozent in zehn
Jahren sein wird. Zum anderen - das ist ganz wichtig gelten alle Vereinbarungen nur für die aktiven oder inaktiven Eisenbahner in diesen Wohnungen, nicht aber für jenes Drittel der Mieterinnen und Mieter, die nicht früher
Eisenbahner waren oder jetzt Eisenbahner sind.
({7})
Überhaupt muss man sich klarmachen, dass das Ganze
keine Wohltätigkeitsveranstaltung ist, sondern dass privatisiert wird, um Kasse zu machen. Wenn ein Global Player
wie Nomura jetzt eine Stiftung einrichtet und an Grünanlagen und Kindergärten denkt, dann gilt das Wort: ein
Schelm, der Böses dabei denkt.
Letzter Punkt: Ich habe von Wortbruch geredet. Das
schien sich nur auf die SPD zu beziehen. Es gilt aber für
das gesamte Haus, soweit die Fraktionen für eine Privatisierung in irgendeiner Form eintreten. Als Beleg dafür
blende ich zum 2. Dezember 1993 zurück. Damals wurde
im Bundestag in Bonn nach der Abstimmung zum Eisenbahnneuordnungsgesetz eine Entschließung einstimmig
bei zwei Enthaltungen angenommen, in der unter anderem festgestellt wird:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge
zu tragen, dass die für die Wohnungsversorgung der
Mitarbeiter der Eisenbahnen des Bundes, des Bundeseisenbahnvermögens, des Eisenbahn-Bundesamtes sowie der bisher wohnberechtigten inaktiven
Eisenbahner und Eisenbahnerinnen benötigten Wohnungen nicht an Dritte veräußert werden.
Dieser Wortbruch betrifft also alle Parteien, sofern sie in
irgendeiner Form einer Privatisierung zustimmen. Man
muss sich nicht über Politikverdrossenheit wundern,
wenn so eindeutig gegen frühere Beschlüsse des Bundestages verstoßen wird.
Danke schön.
({8})
Jetzt hat der Kollege
Wolfgang Spanier für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich jetzt mit etwas belegter Stimme spreche, dann liegt das nicht an dem von
Herrn Wolf behaupteten Substanzverlust der SPD, sondern ist schlicht jahreszeitlich bedingt.
({0})
Drei Fragen standen bei der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen von Anfang an im Mittelpunkt:
Erstens. Bleibt der Charakter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften als betrieblicher Sozialeinrichtungen
erhalten oder - anders ausgedrückt - besteht die bisherige
Wohnungsfürsorge fort?
Die zweite Frage: Sind die Rechte der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der 18 Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften weiterhin gewährleistet?
Drittens - sicherlich eine besonders wichtige Frage -:
Ist der Schutz der Mieterinnen und Mieter gewährleistet?
Nach dem damaligen Stand - 1998, sozusagen Stand
Wissmann - mussten wir große Sorgen haben, dass alle
drei Fragen nicht positiv beantwortet werden könnten.
Das war damals auch die Sorge der SPD-Bundestagsfraktion. Deshalb gab es zu Recht beträchtliche Vorbehalte gegenüber dem, was bis dahin über den möglichen
Vertragsabschluss bekannt war. Ich glaube, es ist nicht zuletzt ein Verdienst der Gewerkschaften, die maßgeblich
mitgeholfen haben, dass in dem endgültigen Vertragswerk, das heute vorliegt, vieles Positive durchgesetzt werden konnte und dass die Vorbehalte, die damals auch in
der SPD bestanden haben - das will ich hier gern zugestehen -, ausgeräumt worden sind.
Ich möchte zunächst auf den Charakter der Eisenbahnerwohnungen als betrieblicher Sozialeinrichtung
eingehen; das war ja der Kernpunkt, den der Hauptpersonalrat gerichtlich geklärt wissen wollte. Das war der
Kernpunkt der Sorge des Hauptpersonalrats. Diese Sorge
ist ausgeräumt. Es gibt einen klaren, eindeutigen Bestandsschutz für die Wohnungsfürsorge, eine Bestandsgarantie sämtlicher 18 Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften durch Verbot der Verschmelzung mit anderen
Gesellschaften und - ganz besonders wichtig für die Gewerkschaften und auch für uns - die zeitlich unbefristete
Einrichtung paritätisch besetzter Aufsichtsräte mit einem
Doppelstimmrecht für einen Vertreter des Bundeseisenbahnvermögens. - Ich nenne hier nur die wichtigsten
Punkte. Ein dritter wichtiger Punkt ist das Weisungsrecht
des Bundeseisenbahnvermögens gegenüber den Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften.
Ich glaube, damit ist die erste Frage, die erste Sorge,
der erste Vorbehalt geklärt.
Zweiter Punkt: Sind die Rechte der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter gewährleistet? Auch darauf gibt es eine
klare Antwort: ja. Wir haben den notwendigen, ja sogar einen sehr guten Mitarbeiterschutz: unbefristete Beschäftigungsgarantie, unbefristete Fortführung der betrieblichen
Altersversorgung, Aufrechterhaltung aller Betriebsvereinbarungen.
Auch dies sind nur die wichtigsten Punkte. Ich denke,
dass hier im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles das, was nötig und wichtig ist, durchgesetzt werden konnte.
Zuletzt zum Mieterschutz: Wir sollten uns in der Diskussion in diesen Wochen - mögen wir auch unterschiedlicher Auffassung sein - davor hüten, die Mieterinnen und
Mieter unnötig zu verunsichern. Mit dem Vertragswerk,
das heute vorliegt, ist der Mieterschutz wirklich gewährleistet: Begrenzung der Mieterhöhungsspielräume auf
3 Prozent zuzüglich Inflationsrate. Ich denke, dass die
rein theoretische Berechnung einer Erhöhung von 50 Prozent in zehn Jahren absurdes Theater ist. Ich muss das hier
so deutlich sagen. Dann könnte man genauso gut sagen,
dass nach dem Miethöhegesetz in neun Jahren eine 90prozentige Mieterhöhung möglich ist. Hier sollte man
nicht Bilder von Entwicklungen an die Wand malen, die
fern von jeglicher Realität sind. Damit macht man den
Menschen nur Angst. Das ist hier wirklich völlig unberechtigt.
({1})
Einzelvertraglicher Ausschluss von Luxusmodernisierung, Vorzug der Mieterprivatisierung, Vorzugsbedingungen für Mieterprivatisierung 10 Prozent unter dem
Marktpreis: Ich glaube, dass hier über den normalen Mieterschutz hinaus - darüber werden wir demnächst ja noch
einmal ausdrücklich bei der Mietrechtsreform diskutieren - weit reichende Mieterschutzrechte gewährleistet
sind. Deshalb ist es mit dieser Verunsicherungskampagne
nicht weit her.
Zum Schluss eine Anmerkung zur grundsätzlichen
wohnungspolitischen Bedeutung der Privatisierung. Nach
meiner Auffassung muss man hier einen deutlichen Unterschied zwischen dem Besitz des Bundes an Geschäftsanteilen und etwa kommunalen Wohnungsunternehmen
machen.
({2})
Kommunale Wohnungsunternehmen sind ein ganz wichtiges Instrument der sozialen Wohnungspolitik vor Ort;
die Beteiligung des Bundes durch den Besitz von Anteilen an Wohnungsunternehmen hat bei weitem nicht diese
Qualität. Deswegen können wir auch aus wohnungspolitischen Gründen zu dieser Veräußerung von Geschäftsanteilen des Bundes guten Gewissens grundsätzlich Ja
sagen, erst recht Ja sagen unter den Bedingungen, die jetzt
ausgehandelt worden sind.
Herzlichen Dank.
({3})
Jetzt hat die Kollegin
Renate Blank für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Bundestagsvizepräsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir
Leid, sagen zu müssen: Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen läuft unter dem Motto „Wahlbetrug der
SPD“.
({0})
Es handelt sich um eine eiskalte Wählertäuschung der
SPD; denn noch im Wahlkampf 1998 haben Sie vollmundig getönt, dass im Fall einer Regierungsübernahme die
Eisenbahnerwohnungen nicht verkauft werden. Kurz
nach der Wahl war das Versprechen hinfällig und eine totale Kehrtwendung wurde vollzogen. Die Ängste und
Nöte der Mieter, deren Sie sich im Wahlkampf so innig
angenommen haben, spielen für Sie jetzt keine Rolle
mehr. Sie haben die Mieter der Eisenbahnerwohnungen
bewusst belogen.
({1})
Auch ist das Bedauern der SPD-Kollegen, insbesondere derjenigen vor Ort, die einen großen Bestand an
Wohnungen haben und nun erklären, dass der Verkauf
eine große, ja sogar eine schreckliche Enttäuschung für
sie sei, pure Heuchelei. Das Vergießen von Krokodilstränen
({2})
soll darüber hinwegtäuschen, dass zu keiner Zeit beabsichtigt war, den Verkauf rückgängig zu machen; denn es
war Ihnen schon in Wahlkampfzeiten bestens bekannt,
dass es vertragliche Bindungen und Vereinbarungen gibt.
Herr Kollege Spanier, Sie hätten Ihre Vorbehalte früher
äußern müssen, anstatt im Wahlkampf zu tönen.
({3})
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie hatten stets die Absicht, die Wohnungen zu verkaufen. Wie
sonst hätten SPD-Haushälter kurz nach der Wahl im Jahr
1998 auf die Frage eines CSU-Kollegen, ob der Verkauf
der Wohnungen denn nun gestoppt werde, ganz unmissverständlich antworten können: „Was soll die Frage? Die
Wohnungen werden selbstverständlich verkauft!“?
Sie brauchen die 4,6 Milliarden DM natürlich dringend
zur Abführung an das Eisenbahnvermögen. Die von Ihnen
nun ausgehandelten Mehreinnahmen von rund 500 Millionen DM, die in den Verkehrshaushalt fließen sollen, gehen eindeutig zulasten der Mieter bzw. der Käufer der Eisenbahnerwohnungen.
({4})
Zudem verschweigen Sie, dass wir in diesen drei Jahren
durchaus zusätzliche Einkommen - Zinseinnahmen, Ersparung von Zinszahlungen - gehabt hätten, deren
Summe über 500 Millionen DM liegt.
({5})
Heute Morgen hat der Verkehrsminister im Ausschuss
auf meine Fragen nach Marktpreisen, einer Einflussnahme des Hauptpersonalrats oder seitens des Bundeseisenbahnvermögens keine Antwort gegeben. Ich hoffe,
dass dies nicht der Stil des neuen Verkehrsministers ist.
Ich hoffe, dass er lernfähig ist und die Fragen der Abgeordneten in Zukunft etwas ernster nimmt und sie beantwortet.
({6})
Wir haben im Jahr 1997 mit der Deutschen Bahn AG,
den Eisenbahnergewerkschaften und dem Hauptpersonalrat beim Bundeseisenbahnvermögen und beim Gesamtbetriebsrat der Deutschen Bahn AG in einer Wohnungsfürsorgevereinbarung vorbildliche Mieter- und Mitarbeiterschutzbestimmungen durchgesetzt, die weit über die
Zusagen gegenüber den Personalvertretern hinausgingen.
Sie brüsten sich heute, Sie hätten hervorragende soziale
Bedingungen durchgesetzt. Wo sind denn Ihre angeblichen Verbesserungen? Sie bestehen doch nur für die
Mitarbeiter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften.
Die Mieter und die künftigen Käufer werden die Zeche
bezahlen müssen. Sie werden mir doch wohl nicht weismachen wollen, dass Sie bei einem höheren Verkaufserlös
bessere Bedingungen für Mieter und Käufer hätten erreichen können. Das Gegenteil ist der Fall.
({7})
Zur Erläuterung erwähne ich nur einen Punkt. Was passiert zum Beispiel nach zehn Jahren, wenn die restlichen
80 Prozent der Eisenbahnerwohnungen verkauft werden?
Darauf ist der Minister auch heute Morgen die Antwort
schuldig geblieben.
Über 50 Prozent der Wohnungen werden nun an die japanische Gruppe verkauft. Bei unseren damaligen Vorschlägen waren soziale Gesichtspunkte ein wesentliches
Kriterium für die Auswahl der Erwerber.
Ich gehe davon aus, dass die Nomura-Gruppe wirtschaftliche Erwartungen hat, die sich durch Mietsteigerungen, Einsparungen bei Instandhaltungen
und Instandsetzungen und durch höhere Verkaufspreise der Wohnungen niederschlagen könnten.
Frau Bundestagsvizepräsidentin, das sind Ihre Worte als
Vorsitzende des Mieterbundes.
Das haben Sie gut zitiert, Frau Kollegin.
Die schier unendliche
Geschichte des Verkaufs der Eisenbahnerwohnungen ist
jetzt zu Ende und ein weiterer Wahlbetrug der SPD steht
fest.
Der Bundeskanzler sollte sich, nachdem er dies bei den
Rentnern getan hat, auch bei den Mietern der Eisenbahnerwohnungen entschuldigen.
({0})
Das Wort hat jetzt
der Kollege Matthias Berninger für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Entscheidend ist doch folgender Punkt: Die Eisenbahnerwohnungen werden für 5,1 Milliarden DM netto verkauft. Das ist
eine halbe Milliarde DM mehr, als die alte Regierung ausgehandelt hat. Die Gründe, warum es eine halbe Milliarde DM mehr ist, werden wir sicher heute noch erörtern.
Dieses Geld kommt komplett der Bundesbahn zugute.
({0})
Es unterstützt die Bundesbahn bei ihrem Sanierungskurs.
Ich sage es hier ganz deutlich: Ich verstehe die Proteste
der Gewerkschaften schon aus dem Grund nicht, weil das
Geld komplett für die Frühverrentung und für die Absenkung des Defizits beim Bundeseisenbahnvermögen eingesetzt wird.
({1})
Dies führt am Ende dazu, dass die Bahn mehr investieren
kann, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn
sichere Arbeitsplätze haben.
({2})
Ich freue mich auch deshalb über diesen Abschluss, weil
dieses Geld für die Bahnreform sehr dringend nötig ist.
({3})
Ein zweiter wichtiger Punkt: Wenn Sie sich die lange
Liste der Rechte der Mieterinnen und Mieter und der
Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier ausgehandelt worden sind, ansehen, werden Sie zu dem
Schluss kommen, dass es sich eindeutig um eine Besserstellung aller Bewohner der Eisenbahnerwohnungen im
Vergleich zum normalen Mieter handelt.
({4})
Es ist insbesondere eine Besserstellung der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in den Wohnungen, und zwar unabhängig davon, in welcher Region jemand eine Wohnung gekauft hat.
({5})
- Nun wird hier dazwischengerufen, es handele sich um
eine Verschlechterung des bisherigen Zustandes. Auch
das ist nicht richtig. Würden diese Wohnungen im Besitz
des Bundes bleiben, wäre er gezwungen - schon, um die
Substanz dieser Wohnungen zu erhalten -, Mieterhöhungen vorzunehmen, so wie er das bei anderen Wohnungen
im Bundesvermögen, zum Beispiel im GAGFAH-Bereich, tut. Vor diesem Hintergrund ist die getroffene Regelung, ist dieser Verkauf für die Mieter keineswegs
schlechter. Sie betreiben hier Augenwischerei; das muss
man zurückweisen.
({6})
Nun komme ich zu den sozialen Gesichtspunkten, die
meine Vorrednerin angesprochen hat. Ich betrachte es als
ziemlich sozial von der alten Bundesregierung, dass sie
zum Beispiel der baden-württembergischen Landesentwicklungsgesellschaft die Wohnungen zu einem
Schnäppchenpreis verkauft hat. - Allein in Karlsruhe
wurden jetzt 5 Prozent der Wohnungen für 60 Millionen DM mehr verkauft, als Sie erzielen wollten. - Das
war sehr sozial, aber nicht für die Menschen, für die Mieter, sondern für diese baden-württembergischen Wohnungsgesellschaften. Darüber sollten Sie sich Gedanken
machen.
Ich denke, es war Zufall, dass der damalige Verkehrsminister und sein Staatssekretär aus Baden-Württemberg
kamen. Aber mit Sozialpolitik hatte das mit Sicherheit
nichts zu tun. Das war ein Schnäppchen, das war eine Begünstigung.
Es war sicher auch sehr sozial von einem der Käufer,
nämlich von Herrn Ehlerding, dem Mehrheitsaktionär
von WCM, dass er die Union ausgerechnet im Wahljahr
mit Spenden in Millionenhöhe bedacht hat, nachdem die
Verkaufsentscheidung feststand.
({7})
- Selbstverständlich kann ich das beweisen. Das steht in
dem Rechenschaftsbericht, den die Union abgegeben hat.
Da hat sie ausnahmsweise einmal die Wahrheit gesagt. Es
war die größte Einzelspende in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die Sie bekommen haben.
Das mag von Herrn Ehlerding sehr sozial im Sinne der
Union gewesen sein, aber die sozialen Interessen der Mieterinnen und Mieter standen bei dieser Entscheidung mit
Sicherheit nicht im Vordergrund. Auch das muss man hier
festhalten.
({8})
Die Bundesregierung hat in ihren Verhandlungen mit
dem neuen Bieterkonsortium erreicht, dass ein fairer Preis
für die Wohnungen erzielt wurde - ich habe das geschildert -, im Fall von Karlsruhe beispielsweise ist er um fast
20 Prozent höher als der, der vorher geboten wurde. Aber
auch in anderen Fällen wurden höhere Erlöse erzielt.
Diese Einnahmen brauchen wir dringend für den Bundeshaushalt.
({9})
Wir setzen sie komplett für die Bahn ein.
Die Gewerkschaften sollten die Verantwortung für das
Unternehmen Bahn endlich ernst nehmen. Wenn sie
gleichzeitig mehr Investitionen, die Absicherung ihrer
Besitzstände und gute soziale Bedingungen für den Übergang der Bahn AG in ein wirtschaftlich überlebensfähiges
Unternehmen fordern, ist es nicht redlich, sich gegen den
Verkauf der Eisenbahnerwohnungen zu stellen, zumal wir
die Rechte der Mieterinnen und Mieter komplett abgesichert haben.
Wir haben des Weiteren eine Beschäftigungsgarantie
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften vereinbart. Darüber hinaus haben wir abgesichert, dass diese Wohnungsgesellschaften eben nicht sofort völlig zerschlagen und verkauft
werden können, wie hier immer gedroht wird. Es gibt eindeutige Regelungen zum Bestandsschutz für die Nutzer
der Wohnungen, zum Beispiel, dass in den nächsten zehn
Jahren nur 20 Prozent des Wohnungsbestandes überhaupt
verkauft werden können.
Ich vertrete nach wie vor die Auffassung, dass die Interessen der Mieterinnen und Mieter durch den Verkauf
nicht verschlechtert wurden, sondern dass die Mieterinnen und Mieter am Ende besser dastehen, als wenn der
Bund - quasi als arme Verwandtschaft - die Wohnungen
weiterhin in seinem Portfolio gehalten hätte.
({10})
Jetzt hat der Kollege
Dr. Günter Rexrodt das Wort für die F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! „Versprochen - gehalten“: Mit diesem Motto ist die SPD vor kurzem an die Öffentlichkeit
getreten. Man wollte Bilanz über das ziehen, was man
versprochen und gehalten hat. Ich stelle aber fest: Ein Jahr
lang befanden Sie sich auf einem Schlingerkurs. Dann bekamen Sie durch die Steuerreform Aufwind. Jetzt schlingern Sie aber schon wieder.
({0})
An einzelnen Stellungnahmen erkennt man - das ist richtig bemerkt worden -, dass Sie schon wieder schlingern.
Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD hat vor den
Bundestagswahlen wörtlich gesagt: „Die SPD lehnt den
geplanten Verkauf“ - ich füge hinzu: der Eisenbahnerwohnungen - „entschieden ab.“
({1})
Es wurden Briefe geschrieben, Reden gehalten und
eine Aktionseinheit mit der Gewerkschaft Transnet geschmiedet. Erst wurden die Mieter verängstigt und dann
wieder hoffnungsvoll gestimmt. Es hat Prozesse gegeben.
Aber zu guter Letzt verkaufen Sie. Dies ist ein Stück aus
dem Tollhaus.
({2})
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin nicht gegen die Privatisierung; ich bin sogar sehr dafür.
({3})
Was soll denn der Bund mit einem riesigen Wohnungsbestand? Ich habe schon Vorbehalte - darüber kann man
aber unterschiedlicher Auffassung sein -, wenn das im
kommunalen Bereich der Fall ist. Wir haben einen Markt,
der durch ein Überangebot an Wohnungen gekennzeichnet ist. Ich bin der Meinung, dass die Mieter in aller Regel bei privaten Eigentümern besser aufgehoben sind,
weil diese mehr finanzielle Mittel haben und sich mehr
um die Wohnungen kümmern.
Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Es ist überhaupt
nicht falsch, was Sie da machen. Aber ich muss ebenso
deutlich sagen: Sie haben die Wähler hinters Licht geführt.
({4})
Sie haben gesagt, Sie verkaufen nicht. Jetzt aber verkaufen Sie. Immer wenn es um Privatisierungen ging, haben
Sie den Privatisierungsprozess prinzipiell infrage gestellt.
So war es bei der Privatisierung der Lufthansa, der Telekom und der gelben Post sowie bei der Liberalisierung der
Energiemärkte.
({5})
Heute profitieren Sie mächtig von den Privatisierungen,
weil dadurch Geld hereinkommt. Herr Berninger, der Verkauf der Wohnungen bringt 5,1 Milliarden DM, die man
sehr gut gebrauchen kann. Vorher aber haben Sie den
Wählern gesagt: Wir verkaufen nicht. Was für ein starkes
Stück leisten Sie sich eigentlich? Was ist mit Ihrem Motto
„versprochen - gehalten“? Das ist der entscheidende
Punkt.
({6})
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine
Bemerkung machen. Schon während unserer Regierungszeit gab es zwei Bieterkonsortien. Das eine Konsortium
würde von dem japanischen Versicherungsunternehmen
Nomura und das andere von WCM angeführt. Von der
SPD war zu hören, dass es mit Nomura als einem börsenund gewinnorientierten, verwertungsinteressierten japanischen Versicherungsunternehmen für die Mieter gefährlich werde. Für die SPD handelte es sich also um einen bösen Japaner. Ich frage mich: Wie kann man so schnell aus
einem bösen einen guten Japaner machen?
({7})
Auf der anderen Seite gab es Herrn Ehlerding, der von
Herrn Schröder und Herrn Clement hoch gelobt wurde,
({8})
er sei anständig und vertrete die Mieterinteressen. Es hieß,
in diese Richtung müsse privatisiert werden. Auf einmal
ist davon nichts mehr zu hören. Nun steht eine Spende im
Raum. Dazu muss man sagen, dass die Spende ordnungsgemäß verbucht wurde
({9})
und dass sie im Nachhinein erfolgte.
Es kann doch nicht sein, dass Entscheidungen gegen
jemanden getroffen werden, nur weil er einer Partei Spenden zukommen lässt. Dafür kann er doch nicht bestraft
werden. Nach unserer Verfassung und nach dem Parteiengesetz sind Spenden hoch willkommen; die Gesellschaft
ist froh darüber. Es kann doch nicht sein, dass man aufgrund dieser Spende an ein anderes Bieterkonsortium verkauft. Was wird da eigentlich gespielt? Ich habe den Eindruck, als wenn jemand abgestraft werden würde. Aber
nicht nur das: Es wird auf die falschen Gruppen Rücksicht
genommen. Dadurch wurden die Wähler und die gesamte
Öffentlichkeit hinters Licht geführt. So haben Sie bei Privatisierungen immer gehandelt.
({10})
Ich habe es schon einmal gesagt: Sie kassieren das
Geld und spielen sich dann als die großen Sanierer des
Haushalts auf, die hohe Schule der Finanzpolitik. Sie machen das auf eine Art und Weise, die man Ihnen nicht
durchgehen lässt. Die Leute draußen wissen, worum es
geht. Auch bei diesem Deal ist das der Fall.
({11})
Nun hat die Kollegin
Iris Gleicke, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS hat diese Aktuelle
Stunde zum Verkauf der Eisenbahnerwohnungen beantragt. Das ist ihr gutes Recht als Oppositionsfraktion; ich
finde das auch völlig in Ordnung.
({0})
Genau genommen freue ich mich über diese Aktuelle
Stunde. Ich freue mich nämlich über jede Gelegenheit, bei
der wir hier im Parlament und bei den Bürgerinnen und
Bürgern für unsere verantwortungsvolle und mieterfreundliche Wohnungspolitik werben können.
({1})
Denn eines steht fest: Die Interessen der Mieterinnen und
Mieter sind bei dieser Bundesregierung und bei meiner
Fraktion in guten Händen.
({2})
Das gilt für alle Mieterinnen und Mieter in unserem Land
und das gilt ganz besonders für die Mieter der Eisenbahnwohnungen.
Wir wissen sehr wohl, dass wir hier eine ganz besondere Verantwortung tragen; das haben wir immer gewusst.
Wir haben in der Fraktion hart mit uns gerungen. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir haben diesem Verkauf schließlich im vollen Bewusstsein
dieser Verantwortung zugestimmt.
({3})
Wir haben diesem Verkauf deshalb zustimmen können,
weil Franz Müntefering als damaliger Bundesminister
wirklich einmalige Schutzrechte für die Mieter der Eisenbahnerwohnungen ausgehandelt hat,
({4})
und zwar nicht nur für die Mieter, sondern auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei den EisenbahnerWohnungsgesellschaften.
Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Wir haben mit
großer Sorgfalt mögliche Alternativen geprüft und sind zu
guter Letzt zu der Überzeugung gelangt, dass der Verkauf
in der jetzigen Form nicht nur eine vertretbare, sondern
eine wirklich gute Lösung darstellt.
({5})
Der Deutsche Mieterbund, der dem Verkauf bekanntlich sehr kritisch gegenübersteht, hat angekündigt, dass er
die ausgehandelten Konditionen jetzt sehr sorgfältig prüfen wird. Das finde ich absolut richtig und in Ordnung. Ich
bin überzeugt davon, dass auch der Mieterbund nach dieser Überprüfung zu dem Ergebnis kommen wird, dass hier
für die Mieter der Eisenbahnerwohnungen wirklich einmalige Konditionen ausgehandelt worden sind.
Übrigens, Frau Kollegin Blank: Auch der Kollege Dirk
Fischer von der Union hat im vergangenen August zugegeben, dass die Verkaufsverträge von Franz Müntefering
nachgebessert worden sind. Ich möchte hier noch einmal
sehr deutlich sagen: Sie sind entscheidend nachgebessert
worden.
Ein Wort auch zu der Kollegin Ostrowski. Sie haben
hier jedes Recht zu sachlicher Kritik. Wenn ich aber dann
in einer Pressemitteilung von Frau Ostrowski lesen muss,
dass SPD und Bundesregierung rechtswidrig handeln,
dann kommt mir die Galle hoch. Sie wissen ganz genau,
dass die Gewerkschaft in dieser Frage alle rechtlichen
Mittel ausgeschöpft hat. Sie wissen ganz genau, dass es
dazu eine höchstrichterliche Entscheidung gibt. Sie wissen ganz genau, dass dieser Verkauf nicht rechtswidrig ist.
Solche Behauptungen müssen wir uns von Ihnen nicht
bieten lassen! So sollten wir hier nicht miteinander umgehen; das ist wirklich unanständig.
({6})
Das bin ich von Ihnen übrigens auch gar nicht gewohnt.
Wenn das nur ein sprachlicher Missgriff war, dann sollten
Sie sich hier dafür entschuldigen. Aber wenn Sie daran
festhalten, dann ist das eine wirklich ungeheuerliche
Verleumdung.
Ein Wort aber auch zur CDU und ihrem Finanzgebaren. Das Ehepaar Ehlerding gehört ja nun unstrittig zu den
ausgesprochenen Wohltätern der Menschheit. Das gilt jedenfalls für den christdemokratischen Teil der Menschheit. Erst gab es ein paar Millionen für die CDU in Mecklenburg-Vorpommern, deren Vorsitzende damals Angela
Merkel hieß, und später gab es dann noch ein paar Millionen für die Bundes-CDU.
({7})
Ich weiß nicht, ob hier jemals ein Zusammenhang mit
dem Zuschlag für Ehlerdings WCM nachgewiesen werden wird. Im Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung bis
zum Beweis des Gegenteils.
({8})
Aber das hat doch einen sehr merkwürdigen Beigeschmack.
({9})
Deshalb bin ich froh darüber, dass die Ehlerdings nicht,
wie ursprünglich vorgesehen, 30 000 Wohnungen, sondern nur 4 000 kaufen können.
({10})
Um es offen zu sagen: Noch lieber wäre mir gewesen, sie
würden keine einzige Wohnung bekommen. Aber das war
leider nicht möglich.
({11})
Eine letzte Bemerkung zu den Gewerkschaften. Ich
weiß, dass die Gewerkschaften mit dem Verkauf nicht
einverstanden sind.
({12})
Wir haben diese Haltung zu respektieren. Unser Verhältnis zu den Gewerkschaften ist und bleibt von gegenseitigem Respekt und freundschaftlichem Umgang geprägt.
({13})
Freunde können und dürfen sich auch streiten. Deshalb
bleiben sie trotzdem Freunde.
Schönen Dank.
({14})
Das Wort „verarschen“, Herr Kollege, ist nicht sehr parlamentarisch.
Nun hat der Kollege Norbert Königshofen für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein
Hinweis an die PDS: Die CDU/CSU ist und war für den
Verkauf der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften. Denn
die Deutsche Bahn AG ist ein modernes Verkehrsdienstleistungsunternehmen und kein Unternehmen in der Tradition der Deutschen Reichsbahn der ehemaligen DDR.
Bei uns hat ein solches Unternehmen andere Aufgaben als
in der früheren DDR. Deswegen ist es sinnvoll, den gesamten Ballast abzustoßen.
Der Sinn dieser Aktuellen Stunde ist, einmal mehr das
Verhalten der SPD in solchen und anderen kritischen Fragen aufzuzeigen. Frau Gleicke hat vorhin gesagt, die Mieter der Eisenbahnerwohnungen und die Wähler seien bei
der SPD in guten Händen.
({0})
Ich glaube, dass man auch bei diesem Beispiel einmal
mehr sagen muss: Die Mieter und die Wähler werden von
der SPD nach Strich und Faden betrogen.
({1})
Wenn wir einen kurzen Blick zurückwerfen, dann kann
man das sehr genau nachweisen. Am 24. Juni 1998 haben
wir den Verkauf der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften bekannt gegeben. Die SPD war voll dagegen. Es gibt
dazu eine Reihe von Zitaten. Ich möchte einmal in Erinnerung rufen, was dazu am selben Tag der wohnungspolitische Sprecher Achim Großmann, Frau Ferner, damals
verkehrspolitische Sprecherin und später beamtete Staatssekretärin, Herr Kollege Wagner und Herr Kollege
Reschke gesagt haben: Sie lehnten den geplanten Verkauf
entschieden ab, weil kein Erhalt der Gesellschaften als
Sozialeinrichtung gewährleistet sei. Nach dem Salamiprinzip würden die Wohnungen einer kapitalorientierten
Vermarktung zugeführt. Das Zweiklassenmietrecht führe
zur Verdrängung etwa jedes vierten Mieterhaushalts und
die Chance einer sowohl für den Bund als auch für die
Mieter finanziell interessanten Mieterprivatisierung werde vertan. Gewinne steckten sich jetzt andere ein. - Das
war am 24. Juni 1998.
Je näher die Bundestagswahlen kamen, umso schriller
wurden die Stimmen aus der SPD. Achim Großmann, jetziger Parlamentarischer Staatssekretär, sagte am 10. September 1998 - damals war er noch in der Opposition -:
Die von dieser Bundesregierung beabsichtigte Verschleuderung bundeseigener Wohnungen werden
wir verhindern und ihr das Konzept einer sozialverträglichen Privatisierung dieses Wohnungsbestandes
an Mieterinnen und Mieter entgegensetzen.
({2})
So lautete es vor der Wahl.
Nach der Wahl, meine Damen und Herren, sah Franz
Müntefering, der neue Verkehrsminister, sehr schnell die
Notwendigkeit des Verkaufes ein. Er sagte, es müsse noch
etwas nachgebessert werden. Dieser Verkauf wurde dann
auch von der SPD in einer Fraktionssitzung gebilligt.
Schauen wir uns einmal an, was der Mieterbund zu diesen Nachbesserungen sagt - ich zitiere hier einmal den
Direktor des Mieterbundes, Franz-Georg Rips -:
Die nachträglich ausgehandelten Schutzrechte für
die Mieter der Eisenbahnerwohnungen rechtfertigen
die Verkaufsentscheidung nicht.
Meine Damen und Herren, all das, was Sie zu den
Nachbesserungen sagen - wir würden Ihnen gerne dazu
gratulieren -, trifft nicht auf die Zustimmung der Betroffenen und nicht auf die des Mieterbundes. Im Gegenteil:
Es ist einmal mehr deutlich geworden, dass Sie sich vor
einer Wahl gerne als Anwalt der Mieter, als Anwalt der
kleinen Leute aufspielen, nach der Wahl dann aber das
machen, was aus der Sicht einer Regierung notwendig erscheint.
Fazit: Die SPD hat jetzt vollzogen, was sie vor der
Wahl bekämpft hat. Sie waren vor der Wahl auch gegen
die Beteiligung von Nomura, die ja 1 Milliarde DM mehr
geboten hat. Wir haben uns dann auf Ihren Hinweis hin für
die deutsche Bietergruppe entschieden. Jetzt übernimmt
Nomura 60 Prozent; dafür bekommen Sie 500 Millionen DM mehr. Ich bin gespannt, wie sich das auf die einzelnen Wohnungen auswirkt.
Wieder einmal wird deutlich, meine Damen und Herren von der SPD, dass man Ihnen nicht trauen kann, wenn
Sie vor der Wahl etwas versprechen. Das können wir zur
Ökosteuer nachweisen; ich darf an die Rente erinnern;
und ich darf auf diese Angelegenheit verweisen. Ich
glaube, dass Sie als SPD auf Dauer lernen müssen, dass es
sich auszahlt, den Menschen von Anfang an - und nicht
erst im Nachhinein - die Wahrheit zu sagen.
({3})
Falls Sie das nicht tun, wird es für Sie eines Tages ein böses Erwachen geben.
({4})
Für Bündnis 90/Die
Grünen hat jetzt die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig
das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das
Gefühl, wir erleben ein Stück aus dem Tollhaus, Herr Kollege Rexrodt.
({0})
Denn ich verstehe wirklich nicht, dass sich die, die diesen
Verkauf zwischen 1994 und 1998 mit aller Verve betrieben haben, jetzt hinstellen und - wie der Kollege Grund
mit seinem peinlichen Zwischenruf - sagen: „Wohnungen
verramscht, Mieter verarscht!“ Ich verstehe Ihre Argumentation überhaupt nicht und finde sie schlicht peinlich.
Wir sollten zur Sache reden.
({1})
In der Sache geht es darum, zu versuchen - und das ist
das Engagement dieser Regierung und dieser Koalition -,
in einer wirklich erstmaligen und historisch einmaligen
Form eine Privatisierung mit einem hohen Maß an Schutz
sowohl für die betroffenen Mieter und für den Erhalt der
Wohnungsfürsorge als auch für die Beschäftigten und die
mit ihnen getroffenen betrieblichen Vereinbarungen zu
verbinden.
({2})
Ich glaube, dem Zusammenführen dieser beiden Ziele
sollten wir nicht mit so peinlich-billiger Polemik begegnen. Wir sollten vielmehr darauf achten, ob es gelingen
kann - ich gehe davon aus, dass es auf der Grundlage der
abgeschlossenen Verträge auch wirklich gelingt -, diese
beiden Ziele - also soziales Engagement sowie soziale
Verantwortung für Wohnungsfürsorge und für engagierte
Wohnungsbewirtschaftung - mit einem effizienten privatwirtschaftlichen Wohnungsmanagement zu verbinden.
Ich denke, dies wird erreicht werden.
Ich möchte von dem, was ausgehandelt worden ist,
noch ein paar Punkte, die meiner Meinung nach zu wenig
betont wurden, in den Raum stellen. Denn darüber gilt
es zu diskutieren. Die Mieter bekommen ein Wohnrecht
auf Lebenszeit einzelvertraglich schriftlich zugesichert.
Mieterhöhungen sind auf 3 Prozent zuzüglich der Inflationsrate im Jahr begrenzt. Seien Sie nicht böse: Ich bin
ziemlich sicher, dass sich der Mieterbund und auch die
Präsidentin des Mieterbundes eine solche Begenzung der
Mieterhöhungen,
({3})
wie sie für die Eisenbahnerwohnungen festgelegt sind
- das ist einmalig in Deutschland, sensationell - auch für
viele andere Wohnungen wünschen würden.
({4})
Weitere Punkte sind der Ausschluss von Luxusmodernisierung; die Aufrechterhaltung der Wohnungsfürsorge
und der Wohnungsbeschaffung; die Privatisierung nur
dann, wenn mindestens zwei Drittel der Bewohner Nichteisenbahner sind und damit nicht der Wohnungsfürsorge
unterliegen,
({5})
die Privatisierung bevorzugt durch Verkauf an die Eisenbahner, und zwar mit dem Angebot, den Kaufpreis um
10 Prozent zu mindern. All das sind Punkte, die für eine
großartige Leistung stehen.
Ich möchte auch den Bereich der Wohnungsfürsorge
ansprechen, weil insoweit diejenigen betroffen sind, die
noch nicht in diesen Wohnungen wohnen, die als Beschäftigte der Bahn AG aber den Anspruch auf die
Wohnungsfürsorge weiterhin haben werden. In diesem
Sinn wird es beim betrieblichen Sondervermögen bleiben,
weil das Bundeseisenbahnvermögen 5,1 Prozent des Gesellschaftsanteils bei allen Einzelgesellschaften halten
wird.
({6})
- Moment, lassen Sie mich doch erst einmal weiterreden.
Sie hätten sich die Unterlagen genauer anschauen können,
Frau Kollegin.
({7})
Der Aufsichtsrat wird nämlich paritätisch besetzt sein;
das Bundeseisenbahnvermögen wird ein Weisungsrecht
behalten; die einheitliche Wohnungsfürsorge in der Wohnungsbeschaffung für Eisenbahnbeschäftigte, die eine
Wohnung suchen, wird aufrecht erhalten; die einzelnen
Gesellschaften dürfen nicht mit anderen Gesellschaften
der jeweiligen Eigentümer verschmolzen werden. Ich
denke, das alles sind enorme Errungenschaften, durch die
die Wohnungsfürsorge in Zukunft für die DB AG und für
die Beschäftigten der Bahn
({8})
erhalten wird. Dazu kommt, dass innerhalb von zehn Jahren maximal 20 Prozent des Wohnungsbestandes verkauft
werden dürfen.
Ich denke, das ist wirklich eine soziale Leistung, auf die
die Beteiligten stolz sein können.
({9})
Eines möchte ich noch kurz sagen: Es ist erreicht worden, dass eine unbefristete Beschäftigungsgarantie für
die Mitarbeiter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften
nach Abschluss der Verträge erhalten bleibt und sie ihre
betriebliche Altersvorsorge unbefristet bis zum Eintritt in
den Ruhestand behalten, dass die Betriebsvereinbarung
und der Erhalt der tarifvertraglichen Besitzstände der Beschäftigten für mindestens zehn Jahre weitergeführt werden - das sind Punkte, die Sie nicht ausgehandelt hatten und dass die Schulung und Weiterbildung als Angebot für
die Beschäftigten intensiviert werden. Auch das ist ein
wesentlicher Punkt.
Ich wünschte mir, in vielen anderen Fällen würde die
Privatisierung von Unternehmen mit solchen sozialen
Bindungen verknüpft. Dann könnten wir ganz anders diskutieren, als Sie es jetzt mit Ihrer Polemik hier tun.
({10})
Jetzt erteile ich dem
Kollegen Uwe Hiksch, PDS-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 24. November 1997 schrieb
Rudolf Scharping als stellvertretender Vorsitzender der
Bundes-SPD an die Mieter der Eisenbahnerwohnungen,
dass sozialer Mietwohnungsbestand nicht einfach Banken, Versicherungen und Energieunternehmen überlassen
werden darf. Das war im Wahlkampf.
({0})
Das war in der Zeit, als um Wählerinnen- und Wählerstimmen und um die Hoffnungen der Menschen, die in
diesen Wohnungen leben, gekämpft wurde. Jetzt entscheidet dieselbe Bundesregierung, eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung, genau diese Wohnungen
an den drittgrößten Versicherungskonzern, den es auf der
Welt gibt, Nomura, zu verkaufen.
Kurze Zeit später, am 4. Februar 1998, haben 100 Eisenbahner 5 000 Protestunterschriften dem damaligen
Bundesverkehrsministerium übergeben. Damals haben
beispielsweise die Kolleginnen und Kollegen Anke
Fuchs, Hans Georg Wagner, Ulrike Mascher und Hanna
Wolf zugesagt, dass dann, wenn ein Regierungswechsel
käme, der Protest der Eisenbahner gegen den Verkauf
nachhaltig unterstützt würde. Wahlversprechen gebrochen!
({1})
Ich habe manchmal den Eindruck, wenn ich mir die
Regierungspolitik der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung anschaue, dass sie sich vorgenommen hat,
ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen, und zwar
mit dem Rekord, Wahlversprechen so häufig zu brechen,
dass man darin endlich Weltmeister wird, völlig egal, was
vorher zugesagt wurde, völlig egal, welche sozialen Auswirkungen es hat, und völlig egal, was den Menschen gesagt wurde.
({2})
Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen ist ein Verbrechen.
({3})
- „Verbrechen“ wollte ich nicht sagen, Entschuldigung.
Der Verkauf von Eisenbahnerwohnungen ist ein Brechen
von Wahlversprechen, das Enttäuschungen hervorrufen
und dazu führen wird, dass die Menschen, die in Nürnberg
und München - in München beispielsweise gibt es
3 800 Wohnungen, in Nürnberg 2 300 - dazu bewegt
wurden, zur Wahl zu gehen, um für ihre Interessen abzustimmen, wieder in Wahlenthaltung, in Enttäuschung
({4})
und in Abwendung von der Politik flüchten werden.
({5})
Natürlich weiß ich, dass Sie das nicht sehr gern hören,
liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Sozialdemokratie
hat sich angewöhnt, zu vergessen, was sie bis 1998 gesagt
hat. Sie wollte nämlich die Interessenvertretung der kleinen Menschen sein.
({6})
Jetzt, angesichts der Interessen der Großen, hat sie vergessen, die Interessen der kleinen Menschen, die von uns
damals gemeinsam zur Wahl gebracht wurden, um eine
neue Politik durchzusetzen, zu vertreten.
({7})
Ich kann dem, was Georg Kronawitter, der Altoberbürgermeister von München, geschrieben hat, nur zustimmen. Georg Kronawitter schrieb damals:
Seit 1995 versuchte der frühere Finanzminister
Dr. Theo Waigel, die Eisenbahnerwohnungen zum
Stopfen von Haushaltslöchern zu verscherbeln. Er ist
am Widerstand der Eisenbahner gescheitert. Soll
jetzt die SPD als verspäteter „Erfüllungsgehilfe“ einer eiskalten Kohl/Waigel-Politik durchsetzen, was
nicht mal der CDU/CSU gelungen ist? Nein, das geht
nicht!
Es heißt weiter in dem Brief von Georg Kronawitter an
den damaligen Verkehrsminister:
Bahnbedienstete ({8}) sind die treuesten
Wähler der SPD. Ein Verkauf der 113 000 Wohnungen wäre ein Faustschlag ins Gesicht aller Eisenbahner, aber auch ein Faustschlag ins Gesicht all jener, die mit einem bescheidenen Monatssalär
auskommen müssen.
Was hier passiert, ist ein sozial- und wohnungspolitischer Skandal. Was hier passiert, ist, dass die Gewerkschaft Transnet, damals noch GdED, mitgeholfen hat,
dass ein Regierungswechsel auch mit einem Politikwechsel verbunden werden konnte und heute all das gebrochen
und verraten wird.
({9})
Deshalb kann ich dem, was die Mieterbundpräsidentin
Anke Fuchs in ihrer Pressemitteilung erklärt hat, nur zustimmen, nämlich, dass es ein schwarzer Tag für die Mieterinnen und Mieter
({10})
hier in der Bundesrepublik Deutschland sei. Der Ausverkauf von Wohnungen in öffentlichem Eigentum sei wohnungs-, fiskal- und sozialpolitisch falsch. Dies gelte auch
für den Verkauf der Bahnwohnungen. Auch hier gehe
preiswerter Wohnraum auf Dauer verloren. Dies erklärte
Anke Fuchs.
Das ist richtig und die Wahrheit. Nur, das möchte man
plötzlich nicht mehr hören, denn am einfachsten kann
man von Wahlversprechen ablenken, indem man sich an
sie schlichtweg nicht mehr erinnert.
In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Genossin
Christine Ostrowski, warum jetzt bezüglich der Eisenbahnerwohnungen nicht das Alternativmodell, das vor der
Wahl noch von der Sozialdemokratie mit vertreten wurde,
umgesetzt wird, erklärte das Wohnungsministerium ganz
deutlich: Das genannte Privatisierungsmodell ist erneut
geprüft worden. Es führt jedoch nicht zu den Einnahmen,
die das Bundeseisenbahnvermögen zur Erfüllung seiner
Verpflichtungen benötigt.
Hieran wird ganz deutlich: Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen hatte nur ein einziges Ziel, nämlich das
Stopfen von Löchern in den Kassen. Es ging nicht um die
Interessen der Mieterinnen und Mieter dieser Wohnungen.
Liebe sozialdemokratisch-liberale - wenn ich das zu
den Grünen so sagen darf - Bundesregierung,
({11})
schämen Sie sich dafür, dass Sie diese Wahlversprechen
gebrochen haben! Nehmen Sie den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen zurück! Die Menschen in diesen Wohnungen haben ein Recht darauf, dass das, was vor der
Wahl gegolten hat, auch nach der Wahl gilt und umgesetzt
wird.
Danke schön.
({12})
Und nun hat der Kollege Hans Georg Wagner für die SPD-Fraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Dies ist überhaupt kein schwerer
Gang. Ich bringe zunächst meine Bewunderung darüber
zum Ausdruck, wie man in fünf Minuten so viel Blödsinn
zusammenreden kann, wie es eben hier von jemandem gemacht wurde,
({0})
der als Hauptberichterstatter des Verkehrsausschusses die
Geschichte von Anfang an mitbekommen hat. Ich bedaure
eigentlich, dass die seinerzeitigen Berichterstatter, der
Kollege Bartholomäus Kalb, Kristin Heyne, Barbara Höll
und Jürgen Koppelin, nicht hier sind. Diese könnten nämlich etwas ganz anderes bestätigen, nämlich das, was ich
jetzt sagen werde.
({1})
- Natürlich, Herr Kollege. Sie haben die Geschichte ja
nicht gekannt. Das, was vor der Wahl vereinbart worden
ist, hat unsere Zustimmung nicht gefunden. Deswegen haben wir nachverhandelt und es verbessert und das Bombenergebnis erzielt, das jetzt vorliegt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Manfred Grund [CDU/CSU]: Von Nachverhandlung war bei der Wahl keine Rede! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Ihr wolltet nicht
verkaufen!
Herr Kollege Königshofen, immerhin haben Herr
Wissmann und Herr Carstens, der damals Staatssekretär
war, die Berichterstatter eingehend - das muss ich gestehen - über alle Wege, die gegangen worden sind, informiert. Sowohl die Kollegin Heyne als auch die Kollegin
Höll und ich haben immer gesagt: Wir tragen dies nicht
mit. Wir nehmen diese Berichte zur Kenntnis. - Trotzdem
hat Herr Wissmann am 28. Juni 1998 den Vertrag paraphiert.
Jetzt zu Nomura: Weil Personen geschädigt werden
können, will ich die Diskussion hier nicht beginnen.
({2})
- Herr Kollege, von interessierter Seite aus Deutschland
ist an die Berichterstatter herangetragen worden, wir sollten um Gottes Willen keinen japanischen Eigentümer für
die Eisenbahnerwohnungen zulassen. Wir haben uns daran gehalten, aber es ist trotzdem geklagt worden. Es waren die Landesentwicklungsgesellschaften und nicht die
Nomura, denen Herr Wissmann die Wohnungen verkaufen wollte. Das ist die geschichtliche Tatsache. Plötzlich
sollen sie wieder hinein. Es wurde bis zum Schluss geklagt.
Zusagen den Berichterstattern, Herrn Minister
Wissmann und Herrn Staatssekretär Carstens gegenüber,
dass man einverstanden sei, lagen vor. Danach hat die Gewerkschaftsführung gewechselt, Herr Kollege Hiksch. Da
sagte man: Das machen wir jetzt alles nicht mehr mit. Dabei hatten wir schon so weit verhandelt, dass man eigentlich nicht mehr zurück kann. Da Ihr eigener Minister,
Herr Wissmann, den Vertrag paraphiert hat - Herr Kollege
Rexrodt, Sie waren damals auch in der Bundesregierung
und müssten wissen, wie und was darüber im Bundeskabinett gesprochen worden ist -, besteht eine vertragliche
Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland. Die neue
Bundesregierung musste den Vertrag erfüllen. Sie musste
aber nachverhandeln. Herr Friedrich, Sie sind auch bestens informiert.
({3})
Wir mussten die Verhandlung weiterführen, wir mussten nachverhandeln und Verbesserungen für die Mieter erzielen. Diese sind erreicht worden. Der Vertrag, wie er
jetzt vorliegt, kann von uns uneingeschränkt unterschrieben und könnte auch von den Gewerkschaften mit getragen werden.
({4})
Ich bin auch sicher, dass die gewerkschaftlichen Rechte,
die Sie den Gewerkschaften immer nehmen wollen,
berücksichtigt sind. Bei den Verbesserungen im Betriebsverfassungsgesetz, die wir vornehmen wollen, schreien
Sie ja schon wieder Zeter und Mordio. Alle Verbesserungen zugunsten der Gewerkschaften haben Sie bisher abgelehnt.
({5})
Bei den Eisenbahnerwohnungen entdecken Sie jetzt
plötzlich Ihr Herz für die Gewerkschaften. Sie machen
sich lächerlich mit dieser Argumentationslinie, meine Damen und Herren.
({6})
Was Bayern angeht, Herr Hiksch: Wir hätten nicht gedacht, dass Sie das anführen. Aber wir haben Konsequenzen gezogen aus dem damaligen Verkauf der Neue-Heimat-Wohnungen in München. Wir haben der Firma diese
Eisenbahnerwohnungen nicht überlassen. Das müssen Sie
doch wissen. Lesen Sie doch einmal den Bericht von
Herrn Bodewig, in dem das ganz klar steht.
Wir haben eine völlig andere Regelung gefunden, und
ich finde, sie ist besser. Dass man die Anzahl der Wohnungen für die Familie aus Hamburg, die für die CDU gespendet hat, reduziert, ist eine gute Sache. Sie haben ja die
Spenden in der Tasche und haben sie auch im Rechenschaftsbericht ausgewiesen, dann kann ja nichts mehr passieren. 8 Millionen DM Spenden haben Sie wegen der
Wohnungen gekriegt. Jetzt kriegen die Spender nur 4 000
Wohnungen von ehemals 33 000 Wohnungen. Das müsste
auch sie doch zufrieden stellen. Sie haben Ihr Geld, Sie
haben ihre Spende kassiert, Sie haben damit Wahlkämpfe
geführt,
({7})
und wir haben die Wahl 1998 gewonnen.
({8})
Ich sage noch einmal: Wir haben uns nichts zuschulden
kommen lassen, was die Mieter angeht - die Kollegin
Fuchs nicht und auch keiner der damaligen Gesprächsteilnehmer, also auch nicht Franz Müntefering, Klimmt
und Großmann. Einen besseren Mieterschutz als in dieser
vertraglichen Regelung gibt es in ganz Deutschland nicht,
auch nicht in den christlichen Wohnungsbaugesellschaften.
({9})
Wenn Sie sich manche Gesellschaft daraufhin ansehen,
dann werden Sie wahrscheinlich verzweifeln, wenn Sie
die Ergebnisse sehen.
Ich finde, es war richtig, dass die Bundestagsfraktion
der SPD seinerzeit zugestimmt hat,
({10})
dass jetzt die Verhandlungen weitergeführt worden sind
und dass dieses Ergebnis herausgekommen ist.
Ich danke der PDS dafür, dass ich Gelegenheit hatte, in
fünf Minuten noch das eine oder andere dazu zu sagen.
Ich wundere mich nur, dass ausgerechnet die rechte Seite
des Hauses die Gelegenheit, die ihr die PDS verschafft,
wahrnimmt, um jetzt gegen die Bundesregierung und gegen die Grundlagen, die sie selbst geschaffen hat zu polemisieren.
Schönen Dank.
({11})
Jetzt hat das Wort der
Kollege Johannes Singhammer, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen, um das noch einmal
klarzustellen, ist der klassische Wahlbetrug, der in dieser
Form in diesem Hohen Hause niemals zu verzeichnen gewesen ist.
({0})
Eigentlich müsste Ihnen die Schamröte ins Gesicht steigen. Da ist gelogen worden, dass sich buchstäblich die
Balken gebogen haben. Das ist beispiellos.
({1})
Ich nenne Ihnen den ersten Akt: Die frühere unionsgeführte Bundesregierung gibt bekannt, dass die Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen geplant ist.
Zweiter Akt: Es erhebt sich ein Sturm der Entrüstung,
es gibt Protestgeschrei, die SPD macht mobil. Abordnungen von Mietersprechern kommen nach Bonn. Es werden
Versammlungen durchgeführt und es wird versprochen:
Wählt uns - die SPD ist gemeint -, dann werden die Wohnungen nicht verkauft.
({2})
Am 24. Juni 1998 - es ist schon einmal zitiert worden,
aber es muss noch einmal sein, ich kann es Ihnen nicht ersparen - hat die damalige Abgeordnete Ferner, die dann
Staatssekretärin geworden ist, sich öffentlich gegen den
Verkauf der Eisenbahnerwohnungen ausgesprochen und
dies damit begründet, das sei notwendig, weil eine Salamitaktik zu einer kapitalorientierten Vermarktung der
Eisenbahnerwohnungen und ein Zweiklassen-Mietrecht
zur Verdrängung jedes vierten Miethaushaltes führe. So
waren damals die Worte.
({3})
Der Münchener Oberbürgermeister Christian Ude um das hier auch klar zu sagen - versprach auf einer
großen Demonstration auf dem Marienplatz in München,
zu der die Mieter sternmarschartig zusammengekommen
waren, er werde dafür sorgen, dass diese Wohnungen
nicht verkauft würden,
({4})
und in einer Presseerklärung der Münchener SPD vom
21. Juni 1998 hieß es, dass die Mieter bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 entscheiden könnten, ob
sie ihre eigenen Wohnungen loswerden wollten oder die
bisherige Bundesregierung. So war es damals.
({5})
In der Folge hat eine nicht unbeträchtliche Zahl von
Mieterinnen und Mietern in München und anderswo der
SPD geglaubt und dieser Partei ihre Stimme gegeben. Das
ist die Wahrheit.
({6})
Dritter Akt: Nach der Bundestagswahl klang das Ganze
völlig anders. Da ist den Mietern von Rot-Grün plötzlich
zugerufen worden: April, April! Was gilt mein Wort vor
der Wahl noch? - Versprechungen vor der Wahl haben
eine Verfallsdauer bis zum Zeitpunkt kurz nach der Wahl.
So war es. Jetzt hat man mit aller Kraft versucht, diesen
Kauf durchzuziehen. Man hat selbst die Mühsal eines Verwaltungsgerichtsverfahrens bis zur letzten Instanz, dem
Bundesverwaltungsgericht, durchgezogen, um den Verkauf durchzusetzen.
Alle Kompromissangebote, die auch von unserer Seite
kamen, wurden abgelehnt. Es gab beispielsweise in München eine sehr intensive Debatte, weil bei uns die Mietpreise besonders hoch sind und die Problematik hier deshalb besonders schwierig ist. Man hat einen Durchgangserwerb angeboten, sodass zunächst die Kommune
und ihre Gesellschaften die Wohnungen erwerben und sie
dann an diejenigen Mieter weiterverkaufen können, die
das wünschen. Aber alles ist kompromisslos abgelehnt
worden. Man hat das von Anfang an verfolgt. Letztendlich - das sage ich Ihnen - fühlen sich viele Tausende
Mieter verraten und verkauft.
Es kommt noch hinzu: Gleichzeitig werden diese Menschen mit den Tatarenmeldungen aus der Presse konfrontiert, dass auch noch riesige Entlassungen bei der Deutsche Bahn AG bevorstehen. Wie müssen sich diese Leute
denn fühlen? Warum muss ihnen noch zusätzlich Angst
gemacht werden? Ich sage: Das ist nicht in Ordnung; das
ist nicht seriös. Es ist schlimm, was hier passiert ist.
({7})
Im Übrigen sieht das nicht nur die Opposition so.
Ich zitiere den langjährigen Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Georg Kronawitter. Er schrieb
vor wenigen Tagen einen Brief an den Bundeskanzler
Gerhard Schröder, aus dem ich jetzt einen Satz zitiere.
Georg Kronawitter - ein hoch geehrter Sozialdemokrat schreibt:
Da muss es einem Sozialdemokraten vor Scham die
Kehle zuschnüren.
({8})
Er formuliert weiter:
Ich schätze Kanzler Schröder. Aber in Sachen Bahnwohnungen bin ich bitter enttäuscht und sehr betroffen, weil ich als Bürgeranwalt ... weiß, welche Not
an bezahlbaren Wohnungen in München herrscht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie uns
schon nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens Ihrem
eigenen Genossen. Schauen Sie sich an, was Sie hier angerichtet haben: Sie haben nicht nur sich selbst geschadet
- das müssen Sie selber verantworten -, sondern Sie haben der gesamten Politik geschadet, weil die Glaubwürdigkeit dadurch schwer getroffen worden ist.
({9})
Nach dem Rentenbetrug jetzt der Mieterbetrug. Schämen Sie sich!
({10})
Das Wort hat nun der
Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann.
Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt wollen wir
einmal die Gelegenheit nutzen, das zurechtzurücken, was
hier gesagt worden ist.
({0})
Ich bin froh - das haben auch Frau Gleicke, Herr Spanier
und Herr Wagner gesagt -, dass wir die Gelegenheit dazu
haben. Es ist ja toll, vor der Öffentlichkeit noch einmal erklären und ein paar Hintergründe aufdecken zu können,
wie es zu diesem Verkauf gekommen ist.
({1})
- Ich würde wahrscheinlich noch drei Stunden reden können, ohne Sie zu überzeugen, Herr Hirche. Aber es geht
mir darum, dass es die Menschen verstehen, die uns
zuhören und uns zuschauen. Das ist mir wichtiger, als dass
es die F.D.P. begreift.
({2})
Mitte 1998, als der Verkauf ins Haus stand, haben wir
gesagt - es ist Gott sei Dank zitiert worden; ich habe die
Pressemitteilungen für den Fall, dass vielleicht falsch zitiert werden würde, mitgebracht; Herr Rexrodt hat wesentliche Bestandteile ausgelassen,
({3})
aber Herr Königshofen hat sie dankenswerterweise zitiert -: So, wie der Verkauf und die Verträge vorbereitet
wurden, können wir dem nicht zustimmen.
({4})
Warum wir nicht zustimmen konnten, haben wir in drei
Spiegelstrichen begründet; ich wiederhole das noch einmal. Der eine Spiegelstrich lautet: Der Erhalt der Gesellschaften als Sozialeinrichtungen, wie es das Gesetz vorsieht, ist nicht gewährleistet.
({5})
Das war in den letzten zwei Jahren der Hauptauseinandersetzungspunkt. Um die Wohnungen überhaupt verkaufen zu können, wollten Sie mit den Verträgen, die Sie
vorgelegt haben, die sozialen Betriebseinrichtungen zerschlagen. Wir haben es geschafft, dass sie erhalten bleiben. Das ist für die Mieterinnen und Mieter der größte Erfolg, den man erzielen konnte.
({6})
Wir haben im dritten Spiegelstrich gesagt: Die Chance
einer für den Bund wie für die Mieter finanziell interessanten Mieterprivatisierung wird vertan. Wir haben in den
neuen Verträgen sichergestellt, dass die Mieter Vorkaufsrechte haben, und zwar zu einem Preis, der 10 Prozent unter dem Marktwert liegt. Das heißt, wir haben die Mieterprivatisierung, die wir immer wollten, in den Vertrag
hineingeschrieben. Das ist der zweite große Gewinn für
die Mieterinnen und Mieter.
({7})
Als wir die Regierung übernahmen, haben wir natürlich darüber nachgedacht, ob wir von den Verträgen
zurücktreten können, die paraphiert waren, wie Herr
Wagner gesagt hat. Was haben wir vorgefunden? Wir haben völlig ruinöse Staatsfinanzen vorgefunden. Herr
Waigel hatte die 4,6 Milliarden DM bereits in den Haushaltsentwurf 1999 geschrieben.
({8})
Wir hätten also im Infrastrukturbereich, bei den Investitionen für die Schiene 4,6 Milliarden DM streichen müssen.
({9})
Das war die Ausgangslage: ruinöse Staatsfinanzen und
keine Vorsorge für die Schiene.
({10})
In den letzten Wochen ist Gott sei Dank klar geworden, in
welchem maroden Zustand Sie die Bahn in Deutschland
hinterlassen haben.
({11})
Das ist ein Scherbenhaufen, den wir aufräumen müssen.
Wir müssen das in Ordnung bringen.
({12})
Also haben wir gesagt: Es gibt paraphierte Verträge.
Wir sind in einer finanziell äußerst engen Situation.
({13})
Jetzt geht es darum, die Verträge, die auf dem Tisch liegen, so neu zu verhandeln, dass die Mieterinnen und Mieter einen echten Kündigungsschutz und Mieterschutz erhalten,
({14})
dass die Beschäftigten wieder zur Ruhe kommen können
und dass die sozialen Betriebseinrichtungen gesichert
werden. Genau das haben wir getan.
({15})
Ich will Ihnen das auch kurz erläutern.
Hinzu kam noch, dass wir neben diesen Vorstellungen,
über die wir verhandelt haben, plötzlich die Bedenken der
EU auf dem Tisch hatten. Was war passiert? Es war nicht
der Meistbietende, sondern der weniger Bietende genommen worden.
Wir haben natürlich mit dem Personalrat und der Gewerkschaft Gespräche geführt. Wir haben uns ihre Sorgen
zu Eigen gemacht, was die sozialen Betriebseinrichtungen angeht. Wir haben gesagt: Okay, wir schauen, ob wir
das nachverhandeln können.
Der äußerst schwierige Prozess, der dann gelaufen ist
- wir stellen uns hier der Debatte -, hat aus unserer Sicht
sehr gute Ergebnisse erbracht. Er hat mehrere Gewinner.
Die ersten Gewinner sind die Mieterinnen und Mieter
der Eisenbahnerwohnungen. Sie haben hervorragende
Mieter- und Kündigungsschutzklauseln. Ich will Ihnen
einmal ein paar Beispiele nennen, damit die falschen Zahlen ausgeräumt werden, die in Zeitungen gehandelt werden.
Nehmen wir einmal an, ein Mieterhaushalt zahlt zurzeit 7 DM Miete. Die ortsübliche Vergleichsmiete liegt
bei 9,10 DM. Dann hätte nach dem Gesetz zur Regelung
der Miethöhe, wie es jetzt noch Gültigkeit hat, die Miete
um 30 Prozent, also um 2,10 DM, auf die ortsübliche Vergleichsmiete angehoben werden können, auch bei den
Eisenbahner-Wohnungen. Denn auch sie müssen betriebswirtschaftlich geführt werden. Wir haben jetzt in
den Vertrag gesetzt, dass die Mieten um 3 Prozent plus Inflationsrate erhöht werden dürfen. Das wären im Moment
zusammen 4,5 Prozent, also eine Steigerung von 31 Pfennig im Jahre 2001.
({16})
31 Pfennig als Höchstmaß für Mietsteigerungen gegenüber 2,10 DM, die vorher möglich waren - wenn das kein
Erfolg für Mieterinnen und Mieter ist, dann weiß ich
nicht, was ein Erfolg ist.
({17})
Wir haben sichergestellt, dass die Beschäftigten der
Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften dort weiter arbeiten können. Wir haben eine unbefristete Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften durch Ausschluss betriebsbedingter
Kündigungen festgelegt. Vorher war sie auf fünf Jahre
befristet. Die betriebliche Altersversorgung für alle Mitarbeiter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften wird
unbefristet bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand fortgesetzt. Vorher war sie an die Kündigungsfrist gekoppelt.
Das heißt, nach fünf Jahren hätte ihnen gekündigt werden
können. Dann wäre nach fünf Jahren die betriebliche Altersvorsorge weg gewesen. Jetzt ist beides unbefristet bis
zum Eintritt in den Ruhestand gesichert. Das haben wir
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwirkt.
({18})
Wir haben einen Bestandsschutz für die Gesellschaften
vereinbart. Die 18 Gesellschaften bleiben bestehen. Der
alte Vertrag hatte vorgesehen, dass sie mit allen möglichen anderen Gesellschaften hätten verschmolzen werden
können. Wir erhalten die 18 Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften, die es jetzt gibt, unbefristet.
({19})
- „Betriebswirtschaftlicher Quatsch“? Das haben wir für
die Menschen, die dort arbeiten, und die, die dort wohnen,
verhandelt. Es ist gut, dass wir das gemacht haben.
({20})
Gewinner sind nicht nur die Mieterinnen und Mieter
und die Beschäftigten der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften, Gewinner ist auch die Gewerkschaft. Sie hat
hart gestritten und einen sehr guten Erfolg erzielt. Denn
sie hat sichergestellt, dass das, was laut Gesetz möglich
ist, ausgehandelt worden ist. Es ist erreicht worden, dass
die 18 Gesellschaften und die sozialen Betriebseinrichtungen erhalten bleiben. Deswegen ist auch die Gewerkschaft auf der Gewinnerseite, auch wenn sie das nach
außen vielleicht nicht so deutlich sagen kann, wie ich das
hier sagen kann.
({21})
Schließlich ist auch das Bundeseisenbahnvermögen
Gewinner. Denn wir haben nicht nur die 4,6 Milliarden DM erwirtschaftet, sondern 500 Millionen DM mehr,
die dem Bundeseisenbahnvermögen zur Lösung bahnspezifischer Probleme zufließen. Das war möglich, obwohl
wir mehr in den Vertrag hineinverhandelt haben, als Sie es
geschafft haben. Wir haben für die Mieterinnen und Mieter, für die Beschäftigten und für die Gewerkschaften
mehr herausverhandelt und trotzdem einen höheren Preis
bekommen. Auch das muss Ihnen zu denken geben: Sie
haben damals zu früh die Luft herausgelassen und nicht
richtig verhandelt;
({22})
und zwar weder für die Mieter noch für die Beschäftigten
und auch nicht für die Kasse, in die Sie die Einnahmen leiten wollten. Herr Berninger hat Ihnen das schon gesagt.
Ich kann hier aufrecht sagen: Wir haben in einem
äußerst schwierigen Prozess viel erreicht. Es stimmt, dass
wir mit uns gerungen und gesagt haben: Wenn möglich,
müssen wir die Verträge rückgängig machen; aber wenn
das nicht geht - ich habe geschildert, warum es nicht ging
- müssen wir sie so verhandeln, dass wir vor den Mieterinnen und Mietern bestehen können. - Das haben wir gemacht und wir werden uns auch weiter der Diskussion mit
den Mieterinnen und Mietern stellen. Wir haben Herausragendes für sie vereinbart: einen Mieter- und Kündigungsschutz, den es sonst in Deutschland kaum gibt.
({23})
Wir haben den Beschäftigten, der Gewerkschaft und dem
Bundeseisenbahnvermögen geholfen.
({24})
Wir stellen uns deswegen Ihren Vorwürfen gerne, weil wir
glauben, dagegen argumentieren zu können.
({25})
Ich will zum Schluss die zusätzlich verhandelten
Punkte nennen: Aufrechterhaltung einheitlicher Wohnungsfürsorge und Wohnungsbeschaffung durch Abschluss zeitlich unbefristeter, inhaltlich gleicher Vertragswerke mit sämtlichen Eisenbahnwohnungs-Gesellschaften und Investoren; Verpflichtung der Erwerber, innerhalb von zehn Jahren nach der Übernahme der Geschäftsanteile nicht mehr als 20 Prozent des derzeitigen
Wohnungsbestandes der Gesellschaften zu veräußern
- das vorrangig an Mieter. Das war bei Ihnen überhaupt
nicht geregelt, Frau Blank; Sie haben gefragt, was nach
zehn Jahren passiert. Wenn Ihr Vertragsentwurf in Kraft
getreten wäre, wäre der Verkauf von heute auf morgen
losgegangen; danach hätten Sie fragen müssen.
({26})
Ich nenne weiter: zeitlich unbefristete Einrichtung paritätisch besetzter Aufsichtsräte bei den EisenbahnerWohnungsgesellschaften mit weitreichenden Mitspracherechten und einem doppelten Stimmrecht für einen
Vertreter des Bundeseisenbahnvermögens und schließlich
Weisungsrecht des Bundeseisenbahnvermögens gegenüber den Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften in Wohnungsfürsorgefragen. Das heißt: Wenn jemand aus einer
Wohnungsfürsorge-Wohnung auszieht, darf ein anderer
Eisenbahner zu denselben Bedingungen dort einziehen;
das Gleiche gilt für die Witwe und die Kinder der Eisenbahner, die unter denselben Bedingungen dort wohnen
bleiben können.
Was will man unter dem Diktat der leeren Kassen, die
Sie uns hinterlassen haben, mehr?
Vielen Dank.
({27})
Als letzter Redner
dieser Debatte hat der Kollege Peter Letzgus von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir als letztem
Redner dieser Debatte noch kurze Anmerkungen. Es ist
ohnehin im Prinzip alles gesagt worden.
({0})
- Noch nicht von mir, Herr Küster, da haben Sie Recht.
Vor gut einer Woche erreichte uns die Nachricht vom
Gewerkschaftstag der Eisenbahner in Magdeburg, dass
der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen perfekt ist. Die
Nachricht wurde vom Bundesminister Kurt Bodewig von
der SPD verkündet. - Die Parteizugehörigkeit ist in diesem Zusammenhang wichtig, denn wenn man sich die
Problematik und die Chronologie der Ereignisse ansieht,
ist das nicht unbedingt selbstverständlich.
Bereits die alte Bundesregierung hatte die Privatisierung der über 112 000 Eisenbahnerwohnungen - davon
ungefähr 16 000 in den neuen Bundesländern - vorangetrieben. Im Juni 1998 gab der damalige Verkehrsminister
Matthias Wissmann den Verkauf bzw. die Privatisierung
der Wohnungen bekannt. Bei der Vergabe wurde nicht auf
das finanziell attraktivste, sondern auf das sozialste Angebot geachtet.
({1})
Außerdem - dafür waren nicht nur CDU/CSU, sondern
auch Kollegen der SPD - sollten die Wohnungen in deutscher Hand bleiben.
({2})
Damals wurden unter anderem folgende Mieterschutzbestimmungen zwischen dem BMV, der DB AG, dem
Bundeseisenbahnvermögen und den Eisenbahnergewerkschaften vereinbart: Wohnrecht auf Lebenszeit für alle
derzeitigen Mieter der Eisenbahnerwohnungen, gesichert
durch Einzelverträge - das ist identisch mit der jetzt zustande gekommenen Vereinbarung -; Begrenzung der
Mieterhöhung auf höchstens 3 Prozent pro Jahr, zuzüglich
Inflationsrate, für die nächsten zehn Jahre - auch das ist
mit dem jetzigen Vertrag identisch; nur lag damals die Inflationsrate noch ungefähr bei 1 Prozent, heute ist sie entschieden höher ({3})
und schließlich der einzelvertragliche Ausschluss von Luxussanierungen.
Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen wurde damals von der SPD abgelehnt. Die damalige verkehrspolitische Sprecherin Elke Ferner - sie ist schon mehrfach zitiert worden, vom Kollegen Königshofen und vom
Kollegen Singhammer - sprach von „Salamitaktik“. Herr
Staatssekretär Großmann, ich möchte das Zitat jetzt vollständig vortragen. Kollegin Ferner sagte damals:
Die SPD lehnt den geplanten Verkauf entschieden
ab: Der Erhalt der Gesellschaften als Sozialeinrichtung - wie das Gesetz es vorsieht - ist nicht gewährleistet. Nach dem Salamiprinzip werden die Wohnungen einer kapitalorientierten Vermarktung
zugeführt.
Wenig später heißt es - Stichwort „Nomura“ -:
Gewinne stecken sich jetzt andere ein.
Stichwort „Nomura“.
({4})
- Das ist nicht zitiert worden. Deshalb möchten wir das
festhalten.
Aber nicht nur Elke Ferner, sondern auch andere SPDPolitiker positionierten sich damals klar gegen den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen und riefen zum Politikwechsel in Bonn auf; dann werde es den Verkauf nicht
geben. Die SPD-Bundestagsfraktion forderte die damalige Bundesregierung auf, die Eisenbahnerwohnungen
nicht zu verkaufen. Mit der Zusage, nicht zu verkaufen,
wurde von der SPD massiv Wahlkampf im Herbst 1998
betrieben.
({5})
Darauf ist schon von mehreren Rednern meiner Fraktion
hingewiesen worden. Die SPD gewann - leider - den
Bundestagswahlkampf und die Eisenbahnerwohnungen
werden verkauft. Von versprochen und gehalten kann hier
nicht die Rede sein. Kollege Rexrodt hat schon eindeutig
darauf hingewiesen.
({6})
Nachdem mit der ehemaligen Bietergemeinschaft noch
1998 nachverhandelt worden war, konnten schon damals
viele Verbesserungen erreicht werden. Insofern ist der
Eindruck, der hier von der Koalition geweckt werden soll,
das alles habe erst sie zustande gebracht und sie sei für die
guten Taten verantwortlich, falsch.
({7})
- Ich habe gesagt, es sind durchaus viele Verbesserungen
erreicht worden. Auf das andere komme ich noch zu sprechen.
Im März 1999 hat sich die SPD mit diesen Nachbesserungen befasst. Als Ergebnis der Beratungen wurde die
politische Kehrtwendung vollzogen. Wir begrüßen, dass
der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen nunmehr perfekt
ist. Privatisierungen sind in Deutschland immer gut gelaufen, auch gegen den Widerstand der meisten Kollegen
aus den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen.
({8})
Wir begrüßen auch, dass noch weitere Verbesserungen für
die Mieter erreicht wurden. Ich erspare mir jetzt die Aufzählung dieser Verbesserungen; Kollege Großmann hat
schon ausdrücklich darauf hingewiesen.
({9})
Außerdem ist Ihre
Redezeit schon zu Ende.
Wenn man sich jedoch
die damalige Haltung der SPD in der Opposition betrachtet und die Rolle rückwärts sieht, die sie jetzt als Regierungspartei macht, dann ist der Eindruck wohl nicht
falsch, dass sich die Mieter der Eisenbahnerwohnungen
getäuscht fühlen.
Ich bedanke mich.
({0})
Die Aktuelle Stunde
ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 7. Dezember 2000,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.