Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/6/2000

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Bundesfinanzminister. Sie haben für Ihre Ausführungen eine längere Zeit in Anspruch genommen. Das ist in Ordnung. Ich will nur darauf hinweisen, dass die Befragungszeit nicht gekürzt wird, sondern insofern die Fragestunde wahrscheinlich etwas später aufgerufen wird. ({0}) - Das hängt davon ab, ob die Fraktionen noch Fragebedarf haben oder nicht. Die CDU/CSU-Fraktion hat schon einige Fragesteller benannt. Es wäre ganz schön, wenn auch von der SPD rechtzeitig mitgeteilt würde, wer den Bundesfinanzminister befragen möchte. Ich gebe das Wort zu einer Frage dem Kollegen Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, bei uns Kaufleuten heißt es: Jeder Kaufmann lobt seine Ware. Ich gestehe Ihnen natürlich zu, dass auch Sie Ihre Ware loben. Sie tun das in den höchsten Tönen. Meine Frage ist: Ist es nach dem Sachverständigengutachten nicht eher so, dass die Steuerquote seit dem Antritt der rot-grünen Bundesregierung von 23,0 Prozent auf 24,5 Prozent gestiegen und damit natürlich der Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt wesentlich erhöht worden ist und dadurch Ihr Hinweis auf die Preispolitik der OECD relativiert wird? Das Problem ist, dass unsere Bürger zu wenig entlastet werden. Auch die Abgabenquote ist in Ihrer Regierungszeit von 42,3 Prozent auf 43,1 Prozent gestiegen. Herr Bundesfinanzminister, zahlreiche Vertreter aus Wissenschaft und Praxis haben auch auf die Mittelstandsfeindlichkeit Ihrer Steuerreform hingewiesen. Können Sie die Diskriminierung des Mittelstandes beim Steuertarif und bei der Besteuerung der Gewinne aus Anteilsveräußerungen nachvollziehen, wenn Sie bedenken, dass Kapitalgesellschaften den gesunkenen Körperschaftsteuersatz schon 2001 in Anspruch nehmen können, während die Personengesellschaften ihre Steuerlast erst im Jahre 2005 auf 42 Prozent verringern können bei gleichzeitiger Geltung der Maßnahmen zur Gegenfinanzierung?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Michelbach, ich glaube, die Frage ist klar gestellt.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Bitte schön.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Kollege Michelbach, ich werde Ihnen die Zahlen bezüglich der Entwicklung der Steuerquote und der Abgabenquote gerne einmal schriftlich zustellen lassen. Sie werden dann sehen, dass das, was Sie gerade behauptet haben, nicht stimmt. Mit Adam Riese lässt sich das ganz einfach belegen: Nächstes Jahr beträgt die steuerliche Entlastung 45 Milliarden DM netto. Das sind 1,1 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Damit ist klar, dass die Steuerquote sinkt. Das ändert sich auch nicht durch die Ökosteuer, deren Aufkommen bei 5 Milliarden DM liegen wird. Zwar sinkt dadurch die Steuerentlastungsquote von 1,1 Prozent auf 1 Prozent. Da aber die 5 Milliarden DM zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge verwandt werden, sinken die Steuern und Abgaben insgesamt um 45 Milliarden DM netto. Wie gesagt, ich werde Ihnen die Zahlen zugänglich machen, inklusive derer, die wir der Europäischen Kommission zugeleitet haben. Die Europäische Kommission hat bestätigt, dass die Staatsquote sowie die Steuer- und Abgabenquote gesenkt werden. Das wird übrigens auch an einem anderen Punkt sichtbar. Ich wiederhole gern das, was ich schon am vergangenen Freitag deutlich gemacht habe; denn Sie behaupten noch immer, der Steueranteil am Einkommen würde sich erhöhen. Ich möchte Ihnen am Fall eines Arbeitnehmerhaushaltes mit zwei Kindern und einem Bruttoverdienst von 60 000 DM bei einer angenommenen jährlichen Steigerung, Herr Rauen, von 2,5 Prozent des Einkommens vorrechnen, dass das nicht stimmt. 1998 hat dieser Haushalt 6 290 DM an Lohnsteuern gezahlt und einen Nettoverdienst von über 46 000 DM gehabt. 2005 verfügt dieser Haushalt bei der angenommenen Steigerung über ein Bruttoeinkommen von rund 71 300 DM. Er zahlt eine Lohnsteuer in Höhe von 6 540 DM, also - das ist ganz spannend - gerade einmal 250 DM mehr. Das heißt, dass die Steigerung des Bruttoeinkommens von rund 11 000 DM quasi steuerfrei geblieben ist. Der Nettoverdienst liegt dann bei 56 575 DM. Das bedeutet, dass der Bruttoverdienst zwischen 1998 und 2005 um 18,9 Prozent und der Nettoverdienst sogar um 22,6 Prozent gestiegen sind. Anders ausgedrückt: Der Anteil der Steuern am Einkommen sinkt, und zwar nicht nur absolut, sondern auch - das ist entscheidend - relativ. Ohne unsere Steuerreform würde der Bruttoverdienst um 18,9 Prozent und der Nettoverdienst nur um 11 Prozent steigen. Dann wäre der Effekt der kalten Progression eingetreten, und zwar massiv. Durch die Reform ist es genau umgekehrt. ({0}) Nächster Punkt: Diskriminierung des Mittelstands. Das stimmt nicht. Herr Michelbach, Sie wissen das doch auch. Dadurch, dass Sie das immer wieder behaupten, wird es nicht richtiger. Wenn Sie die Debatte um das Steuerentlastungsgesetz - das haben Sie übrigens selber gesagt; ich weiß nicht mehr genau, ob Sie als Person; ich habe nur noch die Debattenbeiträge von Herrn Merz im Gedächtnis - im Zusammenhang mit der Debatte um das Steuersenkungsgesetz sehen, dann wissen Sie, was der Sachverhalt ist, nämlich dass die Großen per saldo aus Steuerentlastungsgesetz und Steuersenkungsgesetz keine Entlastung haben. Das wissen Sie doch. Deswegen ist auch der Sachverhalt der Absenkung der Körperschaftsteuer im Jahre 2005 ein gänzlich anderer als beim Mittelstand, der eine nachhaltige Nettoentlastung erfährt, die allerdings, da es sich um 30 Milliarden DM handelt, nicht auf einen Schlag realisiert werden kann, jedenfalls dann nicht, wenn man das mit unserer Strategie der Haushaltskonsolidierung zusammenbringen will. Der Mittelstand ist der Nettogewinner der Reform. ({1}) - Ja, ja, natürlich, 30 Milliarden DM. Wissen Sie was? Sie haben ja Pech; denn inzwischen haben dies bereits die Steuerberater auf ihrem Kongress hier in Berlin deutlich gemacht. ({2}) - Verehrter Herr Hauser, der Herr Vorsitzende hat in seinem Eröffnungsreferat genau dies gesagt. Am Tag darauf haben Sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die Überschrift lesen können, dass die Steuerberater nunmehr den Entlastungseffekt bestätigen. Ich schicke Ihnen diesen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gerne zu, lieber Herr Hauser; ich hatte diesen Presseauszug seinerzeit im Bundestag schon dabei. Infolge dessen ist die Sache ganz einfach: Der Mittelstand bekommt eine Nettoentlastung in Höhe von 30 Milliarden DM, die sich in Stufen aufbaut und im Jahre 2005 vollständig zum Tragen kommen wird. Die Kapitalgesellschaften haben wegen ihrer Steuerbelastung aus dem Steuerentlastungsgesetz bei der Senkung der Körperschaftsteuer per saldo keine Entlastung; sie brauchen sie im Übrigen auch nicht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erlaube mir den Hinweis: Je kürzer die Fragen, desto größer ist die Chance, dass der Bundesfinanzminister auch kurz antwortet. ({0}) Ich gebe nun dem Kollegen Spiller das Wort.

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, teilen Sie die Auffassung der wirtschaftswissenschaftlichen Institute, die in ihrem Herbstgutachten kürzlich die Annahme vertreten haben, dank der Steuerreform werde der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland im kommenden Jahr wesentlich an Breite gewinnen, weil nicht mehr alleine die ausländische Nachfrage die Konjunktur belebt, sondern auch die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmungen und die gestiegene Konsumnachfrage von breiten Schichten der Bevölkerung, die sich daraus ergibt, dass im kommenden Jahr zum ersten Mal seit langem die Nettolöhne und -gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erheblich kräftiger als die Bruttolöhne ansteigen werden?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das kann man sehr kurz und klar beantworten: Erstens. Alle Institute einschließlich IWF und Kommission sind sich einig, dass die Steuerreform genau diesen Effekt hat. Sie alle haben sie deswegen auch positiv bewertet. Es hat lediglich in Brüssel kurzzeitig eine Diskussion darüber gegeben - darauf möchte ich in diesem Hause hinweisen -, ob die Steuerreform nicht prozyklisch sei, das heißt, ob wir sie überhaupt in diesem Maße und zu diesem Zeitpunkt machen dürften. Diese Diskussion haben wir hinter uns, nicht zuletzt wegen der Ölpreisverteuerung. Jetzt sieht auch die Kommission, dass es gut ist, diese Steuerreform zu diesem Zeitpunkt zu machen. Zweitens. Die Zahlen bestätigen ausdrücklich, was Sie zu den Ausrüstungsinvestitionen gesagt haben. Hinsichtlich der Nachfrage muss man zwei Dinge unterscheiden. Objektiv werden wir eine starke Steigerung der Einkommen der privaten Haushalte aufgrund der Steuerpolitik haben, wovon wieder etwas wegen der Ölpreissteigerung abgeht. Von dieser Seite tun wir also alles, um die Nachfrage im Binnenmarkt ordentlich zu stützen. Aber dies ist in besonderem Maße auch eine Frage der Psychologie: Es kommt darauf an, dass es Zukunftsvertrauen gibt, damit sich die Einkommenssteigerungen in Nachfrageerhöhungen und nicht in eine höhere Sparrate umsetzen. An dieser Aufgabe müssen wir alle wirken. Ich habe übrigens geBundesminister Hans Eichel rade bei führenden Vertretern der Wirtschaftsverbände mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass sie auf diesen Sachverhalt selbst hinweisen und sich entsprechend verhalten. Wir müssen also deutlich machen, welche Entlastung es hier gibt, dass Zukunftsvertrauen gerechtfertigt ist und dass es deswegen keinen Grund gibt, die Sparrate zu erhöhen, eher im Gegenteil.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben gerade wieder ausgeführt, dass sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt hat, die Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung zu verbessern und dazu die Investitionskraft der Unternehmen zu stärken. Nun können wir feststellen, dass mit der Steuerreform die Abschreibungszeiten generell um ein Drittel gesenkt wurden, für Gebäude in Betriebsvermögen von 4 Prozent auf 3 Prozent; das ergibt insgesamt eine Belastung von 13,5 Milliarden DM für die Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund habe ich die Frage: Wie verträgt sich die Stärkung der Investitionskraft mit der beabsichtigten Verlängerung der Abschreibungsfristen? Wie ist der Zeitplan dafür, wann kommt sie in welcher Form zum Tragen? Stehen Sie zu der Aussage des Bundeskanzlers, dass 3,5 Milliarden DM Mehrbelastung auf keinen Fall überschritten werden sollen?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Die 3,5 Milliarden DM, von denen der Bundeskanzler gesprochen hat, sind ja seit dem Sommer des vergangenen Jahres Bestandteil unseres Konzepts. Sie sind auch Bestandteil des Steuerreformkonzepts der CDU/CSU; das möchte ich immer wieder einmal sagen, damit wir wissen, worüber wir gemeinsam reden. Wir stehen zu den 3,5 Milliarden DM. Im Übrigen haben wir hier die Situation - weil immer einzelne Punkte extrapoliert werden, übrigens nach oben wie nach unten -, dass einzelne Länder sagen, der Betrag von 3,5 Milliarden DM werde überhaupt nicht erreicht, einzelne Wirtschaftsverbände dagegen erklären, dieser Betrag werde überschritten. Wir sind selbstverständlich jederzeit zu einer Nachprüfung bereit. Wir stehen zu den 3,5 Milliarden DM, die seit einem Vierteljahr im Steuerkonzept der Regierung stehen. Die allgemeinen Abschreibungstabellen werden aller Voraussicht nach zum 1. Januar in Kraft gesetzt. ({0}) Nein, das hängt von den Steuerabteilungsleitern ab. - Ich rate übrigens jedem, einmal darauf zu achten, wie das Verhalten der Bundesländer in dieser Frage ist. ({1}) Es gibt da eine - ich formuliere es einmal freundlich - gewisse Differenz zwischen dem Abstimmungsverhalten der Beamten hinter verschlossenen Türen - das muss durchaus nicht unkoordiniert sein - und den Erklärungen mancher Landesfinanzminister in der Öffentlichkeit. Hinter verschlossenen Türen ist das Interesse an höheren Einnahmen über Parteigrenzen hinweg vorhanden: Wir stehen zu den 3,5 Milliarden DM und dabei bleibt es auch. In der Öffentlichkeit erklären gelegentlich auch solche Länder, sie hätten überhaupt kein Interesse an dem Thema, die hinter verschlossenen Türen versuchen, mehr als die 3,5 Milliarden DM hereinzubekommen. Ich warne also Neugierige und rate dazu, sich einmal in aller Ruhe sagen zu lassen, wie es wirklich abläuft. Die 3,5 Milliarden DM stehen. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Hasselfeldt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wie rechtfertigen Sie denn Ihre Entscheidung, den Körperschaftsteuersatz für die Kapitalgesellschaften bereits zum 1. Januar 2001 von immerhin 40 Prozent auf 25 Prozent zu senken, bei den Personenunternehmen aber den Grenzsteuersatz bei der Einkommensteuer nur in Trippelschritten zu senken und ihn im Jahr 2001 bei immerhin noch 48,5 Prozent zu belassen? Wenn Sie darauf mit dem Hinweis auf die Haushaltskonsolidierung antworten, wie Sie es vorhin getan haben, dann möchte ich Sie fragen: Gilt das Stichwort Haushaltskonsolidierung nur für die 85 Prozent Personenunternehmen? Diese Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen ist mit dem Stichwort Haushaltskonsolidierung allein nicht gerechtfertigt. Wie rechtfertigen Sie weiter die Ungleichbehandlung von Kapital- und Personenunternehmen im Hinblick auf Veräußerungsgewinnbesteuerung und Umstrukturierung? Wir haben in den letzten Wochen - noch vor In-Kraft-Treten der Steuerreform - bereits drei Gesetze mit Änderungen dieser Steuerreform beschlossen. Wie halten Sie es denn mit der notwendigen Änderung bei den Umstrukturierungsmaßnahmen für Personenunternehmen? Ich nenne die Stichworte „Mitunternehmererlass - volle Umsetzung oder Realteilung“? Auch hier wären dringend Änderungen des Beschlossenen notwendig.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Frau Kollegin, es tut mir Leid, Ihre Behauptung wird ja nicht dadurch richtiger, dass Sie sie immer wiederholen. Ich habe sie Ihnen eben schon widerlegt. ({0}) Ich sage es noch einmal: Sehen Sie bitte einfach nach, was Ihre Fraktion im Bundestag zum Thema Steuerentlastungsgesetz im Frühjahr 1999 gesagt hat. Was Sie hier behaupten, ist der schlichte Widerspruch zu Ihren eigenen Erklärungen. ({1}) Ich wiederhole es und stelle es anhand von ein paar Zahlen dar: Die Kapitalgesellschaften sind diejenigen gewesen, die das große Maß der Belastungen im Steuerentlastungsgesetz getragen haben. Das war damals auch gewollt. Sie haben es kritisiert. Sie haben damals im Deutschen Bundestag, also öffentlich, erklärt, das sei - so Herr Merz wörtlich - ein Programm zur Vertreibung der großen Gesellschaften aus dem Land. Wir wollten nichts anderes - das haben wir auch gesagt -, als dass die Belastung durch die Steuersenkung zurückgenommen wird und dass wir anschließend einen wesentlich niedrigeren Körperschaftsteuersatz haben. Das heißt, wir haben das international gültige Prinzip der Verbreiterung der Basis der Gewinnermittlung mit gleichzeitig wesentlich niedrigeren Steuersätzen angewendet. Ergebnis war, dass die Kapitalgesellschaften keine Entlastung bekommen. Ich sage noch einmal: Das war nie das Problem der Kapitalgesellschaften. Das Problem der Kapitalgesellschaften war ein international nicht wettbewerbsfähiges Steuerrecht bzw. Steuersystem. Das Problem der kleinen und der mittelständischen Betriebe ist, genauso wie bei den Arbeitnehmern, die hohe Belastung. Deswegen konzentrieren wir die gesamte Nettoentlastung für die Wirtschaft auf die kleinen und auf die mittelständischen Unternehmen. Jetzt komme ich auf Ihr Wahrnehmungsproblem zu sprechen. Die kleinen und die mittelständischen Unternehmen tragen den geringsten Teil der Gegenfinanzierungsmaßnahmen. Die Kapitalgesellschaften tragen 50 Prozent, die privaten Haushalte tragen 25 Prozent und der Mittelstand trägt ebenfalls 25 Prozent. Der obere Grenzsteuersatz ist für zwei Drittel der Personengesellschaften zunächst einmal ohne jeden Belang, weil sie ihn gar nicht erreichen; denn sie weisen einen zu versteuernden Gewinn von weniger als 48 000 DM aus. Sie werden mir zustimmen: Wenn der Spitzensteuersatz bei 102 000 DM greift, dann ist dieser Punkt für diese Unternehmen ohne jede Relevanz. Was Ihre Bemerkungen zum Spitzensteuersatz angeht, weise ich wieder darauf hin, dass der Mittelstand im Rahmen dieser Steuerreform durch die Nettoentlastung von 30 Milliarden DM - sie baut sich in mehreren Stufen auf - am meisten begünstigt wird. Das heißt, der Mittelstand erfährt durch Steuerentlastungsgesetz und Steuersenkungsgesetz zum 1. Januar 2001 anders als die Kapitalgesellschaften eine Nettoentlastung. Insofern wird der Mittelstand nicht nur nicht benachteiligt; vielmehr befindet er sich bereits zum 1. Januar 2001 in einer besseren Position als die Kapitalgesellschaften. Von Entlastungsstufe zu Entlastungsstufe setzt sich das fort. ({2}) Ich komme nun zum Thema Veräußerungsgewinne. Ich hatte gelegentlich schon den Eindruck - ich weiß nicht, wie oft man das noch erklären muss -, dass das Thema „Vollanrechnungsverfahren und Halbeinkünfteverfahren“ in Ihren Reihen eine gewisse Verwirrung ausgelöst hat. Dafür kann ich aber nichts. Der Sachverhalt ist ganz einfach: Es gibt keine Steuerfreiheit; vielmehr liegen Steuerzahlungen zugrunde. Im Unterschied zum bisherigen Verfahren, in dem die Steuern, die vom Unternehmen gezahlt worden sind, bei der Ausschüttung vollständig erstattet wurden, wird nun nichts mehr erstattet. Das bedeutet aber auch, dass wir bei den Unternehmen die Mehrfachbesteuerung des gleichen Sachverhaltes nicht mehr hinnehmen können, weil sie nämlich zum Kapitalverzehr führte. Infolgedessen handelt es sich aber überhaupt nicht um eine Steuerfreistellung. (Lachen des Abg. Hans Michelbach ({3}) - Sehen Sie, da muss man nun einmal im System denken. ({4}) Es handelt sich ausschließlich um die Vermeidung dessen, was im Vollanrechnungsverfahren völlig unschädlich ist, nämlich der Mehrfachbesteuerung desselben Sachverhaltes. Beim Halbeinkünfteverfahren bleibt es dabei, dass die 25 Prozent Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer gezahlt sind und dass bei der Ausschüttung die Hälfte der Dividende mit dem persönlichen Steuersatz besteuert wird, damit man etwa auf dieselbe Steuerbelastung kommt. Das ist ein anderes Verfahren. Von Steuerfreiheit und damit von Benachteiligung bzw. Bevorteilung gegenüber dem anderen System zu reden ist aber völlig fehl am Platze. Es sind zwei unterschiedliche Systeme. In diesem Fall handelt es sich um die Vermeidung der Mehrfachbesteuerung. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Lennartz.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Eichel, können Sie uns vielleicht erklären, wieso bis Ende 1998 die Höhe der ausländischen Investitionen in Deutschland zum Teil rückläufig war - ihr Gesamtwert lag bei nur noch knapp 1 Milliarde DM -, während die Höhe der Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland - sie lag bei über 30 Milliarden DM - extrem zugenommen hat? Wie erklären Sie, dass von 1999 bis zu diesem Jahr umfangreiche Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland getätigt wurden und dass deutsche Unternehmen wieder verstärkt in Deutschland investieren?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Kollege Lennartz, es gibt eine einfache Erklärung. Deutschland ist als Investitionsstandort wieder interessanter geworden. Das ist so. Dazu haben die Haushalts- und die Steuerpolitik der Bundesregierung einen maßgeblichen Beitrag geleistet, wie Sie das übrigens bereits in der unmittelbaren Reaktion auf unser Zukunftsprogramm 2000 in ausländischen Wirtschaftszeitungen - extrem in denen, die uns vorher immer massiv kritisiert haben -, zum Beispiel im „Wall Street Journal“, lesen konnten, nach dem Motto: Es lohnt sich wieder, in Deutschland zu investieren. - Das ist der erste Teil meiner Antwort. Im zweiten Teil meiner Antwort will ich das noch ein Stückchen weitertreiben, weil wir im Grunde daran ein gemeinsames Interesse haben müssen. Wenn das ausländische Kapital einen Bogen um Deutschland macht, ist es auch für das inländische Kapital schlecht, denn das heißt ja: Wir halten euer Land als Investitionsstandort für schlecht. Das kann nicht so sein, dass das nur für die Ausländer gilt; das gilt dann auch für die Inländer. Auch deswegen sage ich: Wir tun eine Menge, um die Investitionsbedingungen zu verbessern. Ich will aber auf einen anderen Sachverhalt hinweisen, weil es dabei natürlich auch einige Schwankungen gibt. Ich nehme den Fall Daimler-Chrysler: Auf der einen Seite findet ein unmittelbarer massiver Kapitalabfluss aus Deutschland statt, aber das muss nicht - einmal abgesehen von den Problemen, die dieses Unternehmen im Moment hat - eine Schwächung der deutschen Wirtschaft bedeuten, denn eine Verflechtung über den Atlantik hinweg ist ja prinzipiell vernünftig. Entscheidend ist an dieser Stelle nur, dass diese Verflechtung nicht einseitig ist, sondern dass sich diese Verflechtung sowohl nach der einen wie nach der anderen Richtung erstreckt. Dies steckt übrigens hinter den enorm gewachsenen Kapitaltransaktionen. Wir haben es zurzeit - das hat sich in den letzten Jahren gewaltig verstärkt - mit einer intensiven Zunahme der Verflechtung der Volkswirtschaften diesseits und jenseits des Atlantiks und - das ist dann für die Abflussbilanzen unschädlich - natürlich auch innerhalb der Euro-Zone zu tun. Das heißt, aus „nationalen“, in einem Land ansässigen und schwerpunktmäßig tätigen Unternehmen werden europäische Unternehmen. Zunehmend gibt es die Tendenz zur transatlantischen Verflechtung. Auch aus diesem Grunde haben wir - übrigens in beiden Richtungen - eine starke Erhöhung der Kapitaltransfers. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Solms, Sie haben das Wort.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie erklären immer wieder, dass das Aufkommen aus der Ökosteuer voll und ganz zur Finanzierung der Rentenversicherung herangezogen wurde. ({0}) Das ist zum Gutteil richtig. Ein kleiner Teil wird ja auch für andere Zwecke genutzt, aber darauf kommt es mir jetzt nicht an. Mit dieser Äußerung versuchen Sie doch den Eindruck zu erwecken, dass damit eine entsprechende Absenkung der Beiträge der Arbeitnehmer erreicht wird. In Wirklichkeit werden aber die Beiträge der Arbeitnehmer nur von 19,3 auf 19,1 Prozent gesenkt. Das sind etwa 3,2 Milliarden DM. Das Mehraufkommen aus der Ökosteuer beträgt aber 7 bis 8 Milliarden DM. ({1}) - So steht es im Haushalt. Das heißt, dass Ihre Aussage einerseits richtig ist, aber andererseits einen völlig falschen Eindruck erweckt. Ist es nicht so, Herr Minister, dass die Arbeitnehmer bei den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung eben keine dem Mehraufkommen bei der Ökosteuer entsprechende Nettoentlastung erfahren? Dazu kommt, dass 1 Pfennig zusätzliche Mehrwertsteuer ohnehin aus Ihrer Rechnung herausgehalten wird. Diese Mehreinnahmen fließen dem allgemeinen Haushalt zu.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Zunächst einmal, Herr Kollege Solms: Es ist derselbe Sachverhalt wie der, den Sie - mit unserer Zustimmung damals - bei der Mehrwertsteuer in Anspruch genommen haben. Sie würden ja auch nicht behaupten, dass Sie die Einnahmen aus der damaligen Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt anderweitig verwendet haben. Das ist auch nachweisbar; das ist nicht geschehen. Die rund 17 Milliarden DM sind in vollem Umfang für den vorgesehenen Zweck verwendet worden. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Verwendung von 200 Millionen DM für das Programm zur Nutzung erneuerbarer Energien. Ich will übrigens darauf hinweisen, dass wir in der Zukunft in diesem Zusammenhang noch ein anderes Problem bekommen. Ich habe ein Haushaltsrisiko. Bis 2003 sind die Beiträge in weiteren Stufen vollständig für die Rentenversicherungsbeiträge vorgesehen. Jedenfalls heute gibt es keine Planung, eine weitere Erhöhung der Ökosteuer dann vorzunehmen. Bis auf folgenden Punkt wurde nichts in das Rentenreformkonzept eingerechnet: Der Zuschuss für die Rente soll dynamisiert werden. Diese Überlegung ist in die mittelfristige Finanzplanung des Bundes einbezogen worden. Der Zuschuss von etwa 33 Milliarden DM soll dynamisiert werden, indem er an die Steigerung der Lohnsumme gekoppelt wird. Dieses Risiko soll der allgemeine Haushalt tragen. Es ist also nicht so, dass wir von der Ökosteuer irgendetwas für den Haushalt abzweigen. Es ist vielmehr so, dass nach dem Jahr 2003 der allgemeine Haushalt das Risiko der Dynamisierung dieses Zuschusses trägt. Ich gebe zu, dass ich im Moment die entsprechenden Zahlen nicht vorliegen habe. Nach meiner Erinnerung handelt es sich um eine Summe von 5 Milliarden DM. Sie müssen aber beachten, dass der Zuschuss zur Rentenversicherung um die Steuerentlastung bei Agrardiesel vermindert wird, weil der Agrardiesel von der Ökosteuer ausgenommen wird. ({0}) - Das ist eines der Probleme. Steuerentlastungen mindern natürlich das Steueraufkommen und damit den Zuschuss für die Rentenversicherung. ({1}) - Nein, wir senken beim Agrardiesel die Steuer. ({2}) - Auch das ist falsch. ({3}) - Nein. Die Gasölbeihilfe verschwindet. Das eingesparte Geld kommt aber dem Agrarhaushalt zugute und bewirkt eine massive Aufstockung dieses Agrarhaushaltes. Damit senken wir die Steuerbelastung beim Agrardiesel. ({4}) - Das ist alles falsch, was Sie sagen. Dies ist eine Minderung der Einnahmen aus der Ökosteuer. Ich komme zur Nettoentlastung. Herr Kollege Solms, der Sachverhalt ist der gleiche wie bei der Mehrwertsteuer, nämlich dass die Beiträge steigen müssten. ({5}) - Nein, das hat nichts mit der Rentenreform zu tun, Herr Kollege Solms. - Sie haben nämlich mit den Mehreinnahmen aus dem Mehrwertsteueraufkommen damals nicht die Beiträge gesenkt, sondern eine Erhöhung verhindert. Es ist so - das hängt mit dem Zahlenverhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern zusammen -, dass auch bei der Verwendung der Einnahmen aus der Ökosteuer ein solches Element enthalten ist. Deswegen spiegelt die Senkung der Beiträge um 0,2 Prozentpunkte nicht punktgenau den vollen Umfang des Zuschusses von etwa 5 Milliarden DM wider, sondern entspricht nur einer Summe von 3,2 Milliarden DM. Ohne den Zuschuss aus der Ökosteuer hätten wir einen Beitragssatz, der um mehr als 0,2 Prozentpunkte höher liegen würde, weil sich die Ausgaben der Rentenversicherung erhöht haben. Man kann also von einer vollständigen Übertragung der Einnahmen aus der Ökosteuer - minus 200 Millionen DM für die Förderung von energieeinsparenden Maßnahmen - auf die Rentenversicherung sprechen. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Seiffert.

Heinz Seiffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, nach dem Vermittlungsverfahren haben Sie § 34 des Einkommensteuergesetzes verändert. Ich möchte in diesem Zusammenhang fragen: Warum sind für Handelsvertreter und die Abfindungen für ausscheidende Arbeitnehmer - so weit sie über dem Freibetrag liegen - nicht mit einbezogen worden? Wieso wird nicht die Besteuerung nach dem halben durchschnittlichen Steuersatz wie bei den Veräußerungserlösen vorgenommen? Wie rechtfertigen Sie diese Ungleichbehandlung?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Kollege, diese Situation ist dadurch entstanden, dass Landesregierungen, die sich bereit erklärten, an der Steuerreform mitzuwirken, und die sich nicht gänzlich einer Mitwirkung verweigert haben - es gab ja eine ganze Reihe von Landesregierungen aus Ihren Reihen, die dies getan haben -, Bedingungen gestellt haben und an ihre konstruktive Mitwirkung Erwartungen geknüpft haben. Die rheinland-pfälzische Landesregierung und Herr Brüderle in Abstimmung mit der F.D.P. haben daran mitgewirkt, dass die Wiedereinführung des halben Steuersatzes bei Betriebsveräußerungen in dieser Form - das ist von Herrn Brüderle ausdrücklich bestätigt worden - im Gesetz aufgenommen worden ist. Es gab in diesem Zusammenhang keine Verabredung hinsichtlich der Regelungen für Handelsvertreter und der Arbeitnehmerabfindungen. Ich sage aber aufgrund meiner Kenntnis des Verfahrens, dass angesichts der Gesamtsumme, um die es dann gegangen wäre, eine Einigung nicht zustande gekommen wäre. Die Bundesländer hätten sich nämlich nicht in der Lage gesehen - der Bundeshaushalt befindet sich in keiner anderen Situation, auch wenn wir manchmal etwas anders darüber reden -, weitere Einnahmeausfälle zu verkraften. Das erleben Sie im gegenwärtigen Verhalten der Länderregierungen, für das ich wegen ihrer Finanzlage volles Verständnis habe. Aber als Bundesfinanzminister muss ich darauf bestehen, dass die Finanzverfassung eingehalten wird. Was man sich nicht leisten kann, kann man auch nicht beschließen. Man kann aber nicht sagen: Was ich mir nicht leisten kann, sollen gefälligst andere bezahlen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege von Larcher.

Detlev Larcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001290, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in meinem Wahlkreis sagt mir, dass er gerade als Mittelständler mit der Steuerreform sehr einverstanden und zufrieden sei; endlich sei der Reformstau überwunden. ({0}) - Ob Sie lachen oder nicht: Er sagt das. Ähnliches erfahre ich bei Betriebsbesuchen bei Mittelständlern in meinem Wahlkreis. Sind der Bundesregierung mehrere solcher Stellungnahmen von Praktikern, von Mittelständlern bekannt, die das Gegenteil von dem beinhalten, was die Opposition jetzt wieder so laut schreit und was Herr Michelbach wider besseres Wissen mit konstanter Sturheit immer wieder behauptet?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Kollege von Larcher, dieselben Erfahrungen mache auch ich. Im Übrigen ist das ganz einfach zu erklären. An der Spitze der Steuerreformkommission stand der Steuerexperte des Deutschen Industrie- und Handelstages, Herr Kühn. Übrigens haben alle Wirtschaftsverbände, bevor die Brühler Kommission ihre Empfehlungen abgegeben hat, dem ausdrücklich zugestimmt, ebenso die Steuerexperten der Wirtschaftsverbände, die wir bei der weiteren Bearbeitung beteiligt haben. Dasselbe gilt für die Steuerexperten des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ich halte das für ein völlig richtiges Verfahren. Bei allen meinen Vorträgen vor Unternehmerinnen und Unternehmern erlebe ich das, was Sie sagen. Einzelne Kritik gibt es; das ist gar keine Frage. Es gibt auch immer wieder zunächst die Behauptung, wie sie heute von Ihnen, Frau Hasselfeldt, oder Ihnen, Herr Michelbach, hier aufgestellt worden ist. Aber nach einer kurzen Diskussion sind diese Behauptungen vollständig widerlegt. Ich sage Ihnen: Auch Ihre Propagandawelle wird immer schwächer, vor allen Dingen deshalb, weil die Steuerberater nun gar nicht mehr anders können, als ihrer Klientel die richtigen Konsequenzen unserer Steuerreform zu erklären. Der Kollege Müller sagt mir, er ziehe die Versammlungen immer sofort auf seine Seite, wenn er den Teilnehmern sage, sie sollten sich, wenn sie meinten, dass die Steuerreform für den Mittelstand nur Nachteile bringe, doch einmal überlegen, ob sie das zurückhaben wollten, was im letzten Jahr der Regierung Kohl gegolten hätte. Dann sei absolute Ruhe in jeder Unternehmerversammlung. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Mir liegen noch sieben Wortmeldungen vor; aber die Zeit ist leider deutlich überschritten, sodass uns nur noch fünf Minuten für Fragen aus anderen Geschäftsbereichen bleiben. Ich gebe das Wort dem Kollegen Uhl.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Eichel, hat sich das Bundeskabinett heute mit der Aussagegenehmigung für den Bundesaußenminister Joschka Fischer beschäftigt, der in dem Prozess gegen den Terroristen HansJoachim Klein als Zeuge auftreten soll? Ich frage weiter: Sieht die Bundesregierung nicht eine große Gefahr in der Zeugenaussage dahin gehend, dass dadurch das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig beschädigt werden kann? Denn schließlich wird dadurch einem breiten Kreis publik, welche unmittelbare Nähe zwischen dem Außenminister und dem Terroristen Klein damals bestand. Schließlich hat der Terrorist Klein Joschka Fischer als sein großes Vorbild bezeichnet.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Wenn er nur diesem Vorbild nachgeeifert hätte, Herr Kollege! Die Sache ist einfach. Erstens. Die Bundesregierung hat sich damit nicht befasst. Zweitens. In einem rechtsstaatlichen Verfahren, in dem ein Mitglied der Bundesregierung als Zeuge auftreten soll, liegt überhaupt kein Problem für das Ansehen der Bundesrepublik. Es ist doch völlig selbstverständlich, dass, wenn erforderlich, in einem rechtsstaatlichen Verfahren jeder von uns seinen Beitrag zur Findung der Wahrheit zu leisten hat. ({0})

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, der „Bild“-Zeitung von heute habe ich entnommen, dass Sie sich im Kabinett mit dem erleichterten Arbeitsmarktzugang Nichtdeutscher beschäftigt haben. - Auch Staatssekretär Andres ist ja anwesend, sodass er Ihnen vielleicht bei der Beantwortung meiner Frage zur Seite springen kann. - Sie erinnern sich, dass die Koalition im März dieses Jahres den Antrag der F.D.P.-Fraktion auf Abschaffung der Arbeitsgenehmigungspflicht abgelehnt hat. Jetzt hat die Koalition eine Regelung getroffen, die Bürgerkriegs- und anderen Flüchtlingen - nach einer Vorrangprüfung - einen unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt zubilligt, Asylbewerbern allerdings weiterhin ein Arbeitsverbot von zwölf Monaten auferlegt - dies wird hier Wartefrist genannt -, bevor der Betroffene das Recht erwirbt, in die Vorrangprüfung einzutreten. Der „Bild“-Zeitung entnehme ich jetzt, dass diese Änderung, die ich sehr befürworte, weil sie in die richtige Richtung geht - nach meinem Dafürhalten ist sie allerdings nicht weit genug -, in der Zukunft bei den Gemeinden Minderausgaben von 900 Millionen DM und bei den Sozialversicherungsträgern Mehreinnahmen von ungefähr 1,3 Milliarden DM erwarten lässt. Ich frage daher die Bundesregierung, aus welchem Grund sie - wenn sie denn schon bei der Vorrangprüfung bleiben will - dieses zwölfmonatige Arbeitsverbot bei Asylbewerbern aufrechterhalten hat. Denn Sie gehen ja richtigerweise davon aus, dass ein Mensch, der sich in unserem Land aufhalten darf, für die Dauer seines legalen Aufenthaltes auch die Möglichkeit bekommen sollte, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Warum dürfen also Asylbewerber insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie die Vorrangprüfung nicht abgeschafft haben, nicht vom ersten Tag an arbeiten?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Kollege Niebel, ich versuche jetzt, einige Ihrer vielfältigen Fragen zu beantworten und auf Ihre Behauptungen einzugehen: Das Bundeskabinett hat heute einer Ministerverordnung zugestimmt, mit der die Arbeitsgenehmigungsverordnung geändert wird. Diese Verordnung hat zum Ersten das Ziel, den seit 1997 bestehenden so genannten Clever-Erlass aufzuheben. Zum Zweiten hat sie die Gleichbehandlung aller von Ihnen genannten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt zum Ziel, indem eine einheitliche einjährige Wartefrist eingeführt wird. Zum Dritten wird mit ihr verwirklicht, dass betroffene Personen, die bereits seit einem Jahr bei einem Arbeitgeber arbeiten, nicht eine erneute Vorrangprüfung machen müssen, sondern weiter bei diesem Arbeitgeber arbeiten können. - Das enthält diese Verordnung im Wesentlichen. Wir folgen mit dieser Verordnung mehreren Überlegungen: Zum einen reagieren wir damit auf die derzeitige Arbeitsmarktsituation mit immerhin noch 3,65 Millionen Arbeitslosen, wie die Bundesanstalt für Arbeit erst kürzlich mitgeteilt hat. Zum anderen wollen wir mit dieser Regelung vermeiden, dass es zusätzliche Anreize auf Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen und Arbeitsmarktgesichtspunkten gibt. Ferner wollen wir mit dieser Regelung notwendige Integrationsansätze umsetzen. Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie in diesem Zusammenhang bereits im März dieses Jahres einen Antrag gestellt haben. Aber Sie wissen, dass dieser Antrag den Wegfall des kompletten Arbeitsgenehmigungsrechtes beinhaltete. Wir haben Ihnen schon damals gesagt, dass die Bundesregierung ein solches Ansinnen für Unsinn hält. Das sehen wir nach wie vor so. Wir halten das für unsinnig und das, was wir mit dieser Verordnung auf den Weg gebracht haben, für völlig richtig. Zu den Zahlen, die Sie genannt haben, darf ich Ihnen sagen, dass nach Erkenntnissen der Bundesregierung etwa 120 000 Bürgerkriegsflüchtlinge, Asylbewerber und geduldete Ausländer unter das Arbeitsmarktzugangsverbot fallen. Diese Zahl gilt für den Zeitraum vom 15. Mai 1997 bis heute. Mit der neuen Verordnung wird es möglich sein, dass rund 85 000 dieser Personen einen unmittelbaren Arbeitsmarktzugang bekommen, weil ihre Wartefrist erfüllt ist. Unterstellt man, dass etwa 80 Prozent dieser Personen eine Arbeit bekommen, dann würden sich die Zahlen ergeben, die Sie einer großen Boulevardzeitung entnommen haben. Wir würden nämlich auf der einen Seite rund 900 Millionen DM an Sozialhilfezahlungen einsparen und bei einer Beschäftigungsquote von 80 Prozent beim Bruttosozialprodukt zusätzlich 3,3 Milliarden DM erwirtschaften. Diese Personengruppe würde rund 1,2 Milliarden DM Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Diese Zahlen unterstellen wir auch bei der Vermutung, dass nicht die vollen 100 Prozent der betroffenen Menschen erwerbstätig sein werden - dies auch wegen der Vorrangprüfung -, sondern nur 80 Prozent.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Danke schön. - Es liegt eine letzte Frage des Kollegen Bleser vor.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, meine Frage betrifft einen anderen Geschäftsbereich. Ich frage die Bundesregierung, in welchem Umfang sie bereit ist, die Kosten der BSE-Schnelltests, für die Beseitigung von nicht zugelassenem Tiermehl und für die Entsorgung von Tierkadavern zu übernehmen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Staatssekretär Thalheim antwortet.

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Herr Kollege Bleser, in der heutigen Kabinettsitzung hat - so bin ich informiert worden - der Bundeslandwirtschaftsminister über die Ergebnisse des Agrarrates berichtet. Der Herr Bundesminister hat diese Ergebnisse bereits in der gemeinsamen Sitzung des Agrarausschusses und des Gesundheitsausschusses dargestellt. Darüber hinaus ist im Kabinett nicht über eine mögliche Kostenübernahme diskutiert worden. Wie Sie wissen, ist eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern einberufen worden, die zur Stunde in Bonn tagt, die die Voraussetzungen für eine mögliche Kostenkalkulation schaffen soll. Wenn sie auf dem Tisch liegt, wird die Entscheidung zu treffen sein, wie hinsichtlich der Kostenübernahme im Einzelnen verfahren wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Damit beende ich die Regierungsbefragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 14/4860 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Hartmut Koschyk werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Christa Nickels zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Max Straubinger auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich der Bundesausschuss Kassen/Ärzte darauf geeinigt haben soll, dass zukünftig keine Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Kinderärzte, sondern nur noch Spezialärzte Sprachtherapien verordnen dürfen?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat dem Bundesministerium für Gesundheit die am 16. Oktober 2000 beschlossenen Heilmittelrichtlinien zur Prüfung nach § 94 des SGB V vorgelegt. Ich glaube, es ist wichtig, zu wissen, dass diese Richtlinien am 26. Oktober 2000 bei uns im Haus eingegangen sind. Deshalb ist das Fristende für die Prüfung in unserem Haus nicht der 16.Dezember - wie manche meiner Kollegen angenommen haben -, sondern der 27. Dezember. Zur Prüfung der Befürchtungen und Vorwürfe, die gegen die in diesen Richtlinien vorgesehen Neuregelungen zur Verordnung von logopädischen Leistungen erhoben werden, hat unser Haus den Bundesausschuss mit Schreiben vom 2. November um Stellungnahme gebeten. Wir haben die Antwort am 20. November erhalten. Diese war unseres Erachtens noch nicht ausführlich genug, damit wir diese Sorgen und Befürchtungen mit Fug und Recht ausräumen können. Deshalb haben wir einen ausführlichen Fragenkatalog erstellt. Weil wir ausreichend Zeit haben wollen, der Sache nachzugehen, haben wir diesen mit Fax vom 1.Dezember an den Bundesausschuss gesandt und gebeten, noch einmal Stellung zu nehmen. Wir haben dabei eine kurze Frist gesetzt; heute sollen die Antworten eingehen. Sie werden bei uns im Haus dann intensiv geprüft werden. Ohne diese zusätzliche Stellungnahme des Bundesausschusses können wir Ihnen nicht das Ergebnis einer sorgfältigen Prüfung vorlegen. Deshalb können wir zu den Vorwürfen und Befürchtungen noch nicht substantiiert Stellung nehmen. Wir werden das aber alles prüfen und Sie können sicher sein, dass keine Regelung umgesetzt wird, die die Versorgung der Versicherten beeinträchtigen würde.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Straubinger.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, zunächst möchte ich mich bedanken, dass Sie meine kurzfristig abgeänderte Frage angenommen haben. Es war in der schriftlichen Vorlage ein Fehler enthalten. Meine Zusatzfrage: Es gibt in ganz Deutschland ja nur 163 solcher Spezialärzte. Ist nicht zu befürchten, dass die Sprachtherapien nicht mehr so zur Anwendung kommen werden, wie das im Moment - und zwar aufgrund medizinischer Notwendigkeit - der Fall ist?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, Sie sagen zu Recht, dass es von diesen Spezialärzten - Phoniater und Pädoaudiologen - nur 167 gibt. Wir haben die Richtlinien speziell daraufhin überprüft, ob es richtig ist, dass sie so gefasst sind, dass nur noch Phoniater und Pädoaudiologen diese Verschreibungen vornehmen dürfen. Hier ist klar geworden: Im Gegensatz zu den geltenden Richtlinien werden für die Folgeverschreibungen - also dann, wenn nach der Erstverschreibung nicht der gewünschte therapeutische Erfolg erzielt worden ist - neue diagnostische Maßnahmen zugrunde gelegt. Das dient der Qualitätssicherung, damit der Patient nicht nur nach der Devise „mehr von demselben“, behandelt wird, obwohl das vielleicht nicht hilft. Wir wollen, dass der Patient angemessen behandelt wird. Ob die Folgeverschreibungen tatsächlich nur von Phoniatern und Pädoaudiologen durchgeführt werden können oder auch von Kinder- oder HNO-Ärzten - Sie wissen, es gibt 4 097 HNO-Ärzte und 6 602 Kinderärzte, die sich durchaus weitergebildet haben bzw. weiterbilden können -, ist eine Frage der Interpretation. Vielleicht bleibt es auch in Zukunft dabei. Welche Interpretation in diesem speziellen Punkt die richtige ist, ist noch nicht geklärt. Wir haben dazu vom Bundesausschuss noch keine aussagekräftige Antwort bekommen. Wir werden das noch prüfen und dazu werden auch noch Stellungnahmen eingehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade die Zusatzausbildung angesprochen. Inwieweit müsste diese Zusatzausbildung möglicherweise von HNO- bzw. Kinderärzten erbracht werden und wie hoch ist der Aufwand?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Das kann ich nicht sagen. In der Richtlinie sind die diagnostischen Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, speziell auf die Behandlungsgruppen bezogen. Daraus können Sie aber nicht ableiten, dass eine ganz bestimmte Qualifikation und erst recht nicht eine bestimmte Facharztqualifikation erforderlich ist. Das müssen wir prüfen. Deshalb kann ich Ihre Frage noch nicht beantworten. Unser Haus prüft das, wir haben einen umfangreichen Fragenkatalog nachgeschoben. Die nächste Stellungnahme war für heute vorgesehen. In der heutigen Sitzung des Gesundheitsausschusses - ich sehe Ihren Kollegen Wolf - hat unsere Fachabteilung schon mitgeteilt, dass der Bundesausschuss gestern Abend bei uns angerufen und erklärt hat, dass diese spezielle Frage nicht bis heute beantwortet werden kann, die Beantwortung noch ein paar Tage brauchen wird. Das ist aber ein Punkt, auf den wir unser besonderes Augenmerk gerichtet haben. Wir werden Sie darüber unterrichten; darum haben auch die Kollegen im Gesundheitsausschuss gebeten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben soeben richtigerweise angemerkt, dass es dann, wenn eine Folgeverordnung nur von einem Phoniater oder Pädoaudiologen durchgeführt werden kann, zu starken Verordnungsengpässen kommen würde, was natürlich nicht nur die ungefähr 2 500 niedergelassenen logopädischen Praxen dramatisch treffen würde, sondern insbesondere auch die Patientinnen und Patienten, darunter vor allem die Kinder. Ist die Bundesregierung gewillt, wenn die Interpretation dahin gehen wird, dass nur Phoniater und Pädoaudiologen für Folgeverordnungen zuständig sein können, die Richtlinie entsprechend abzulehnen? Ist die Bundesregierung weiterhin gewillt, die diagnostischen Erkenntnisse und Erfahrungen, die in der Berufsgruppe der Logopädinnen und Logopäden vorhanden sind, mit in ihre Überlegungen einzubeziehen? Denn diese sind in aller Regel bei vielen diagnostischen Verfahren weitaus kompetenter als manch ein HNO- oder Kinderarzt?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Niebel, der Gesetzgeber hat aus guten Gründen die Festlegung von Richtlinien, die sich auf Therapie, Diagnostik und auf entsprechende Arznei- und Heilmittel beziehen, den Selbstverwaltungsgremien überlassen. Denn natürlich ist die Politik hier noch weniger sachverständig, als die Fachleute es sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie als F.D.P.-Mitglied wollen, dass wir die Rechte und Pflichten der Selbstverwaltungsorgane aufheben. Wir sind gehalten, zu prüfen, ob hier die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt wurden, ob alle Berufsgruppen ausreichend und richtig angehört und ob die Argumente entsprechend gewürdigt wurden. Das haben wir getan. Wir als Bundesgesetzgeber sind natürlich gehalten, darauf zu achten, dass der Sicherstellungsauftrag gewährleistet ist und damit die Rechte der Patienten auf angemessene Versorgung nach den §§ 12, 27, 80 und anderen im SGB V eingehalten werden. Das machen wir selbstverständlich auch.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Straubinger auf: Wird mit einer solchen Maßnahme nicht die flächendeckende Versorgung mit Sprachtherapie gefährdet?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Die Frage 4, ob mit solchen Maßnahmen - damit sind die Richtlinien des Bundesausschusses gemeint - nicht die flächendeckende Versorgung mit Sprachtherapie gefährdet wird, beantworte ich wie folgt: Die Richtlinien des Bundesausschusses - das sagte ich schon, Herr Kollege Straubinger - sind gemäß § 94 Sozialgesetzbuch V unserem Haus vorzulegen und müssen geprüft werden. Ich habe dazu schon einiges im Rahmen der Beantwortung der Frage des Kollegen Niebel gesagt. Unser Haus, also das Gesundheitsministerium, kann die Richtlinien innerhalb von zwei Monaten in bestimmten Punkten beanstanden. Das Gesundheitsministerium wird im Rahmen der Überprüfung selbstverständlich beachten, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung mit Leistungen zur Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie gewährleistet bleibt und damit eben auch der Sicherstellungsauftrag erfüllt werden muss.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wird die Bundesregierung diese Verordnung nach den jetzt vorliegenden Berichten bzw. Darlegungen des Bundesausschusses möglicherweise beanstanden?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt wirklich noch nicht sagen. Heute haben die Kollegen im Gesundheitsausschuss darum gebeten, dass wir ihnen das zweite Schreiben, das wir dem Bundesausschuss am 2. Dezember dieses Jahres per Fax zugeschickt haben, übermitteln. Darin ist ein umfangreicher Fragenkatalog aufgelistet. Es geht unter anderem darum, wie diese Interpretationsspielräume, von denen wir eben gesprochen haben, vom Bundesausschuss gefüllt werden. Diese müssen auf jeden Fall noch spezifiziert werden, damit keine Missinterpretationen möglich sind, die wirklich zu einer Beeinträchtigung der Versorgung führen könnten. Diese Fragen sind aber noch nicht ausreichend beantwortet. Wir warten darauf. Vorher können wir uns kein Urteil darüber erlauben, ob diese Richtlinien so, wie sie vorgelegt worden sind, von uns beanstandet werden müssen oder ob sie zum 1. April nächsten Jahres in Kraft treten. Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Ich habe den Kollegen im Gesundheitsausschuss zugesagt, dass wir sie informieren. Ich habe übrigens gestern eine kurze Information an alle Abgeordneten geschickt, da zurzeit alle Abgeordneten Fragen dazu haben. Wir werden Sie selbstverständlich informieren, wenn die Ergebnisse vorliegen. Das machen wir unaufgefordert, denn ich weiß, dass Sie alle sich in Ihrer Bürgersprechstunde aus guten Gründen intensiv um diese Belange kümmern.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie sich erklären, warum der Bundesausschuss zu einer solchen Überlegung kommt? Beruht dies allein auf qualitativen Gesichtspunkten oder könnten hier nicht auch finanzielle Gesichtspunkte - zum Beispiel Deckelung in der Gesundheitsreform - eine Rolle spielen?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Letzteres kann man ausschließen, wenn Sie nicht dem Bundesausschuss Böswilligkeit unterstellen wollen, was ich nicht mache. Es ist so, dass das Arznei- und Heilmittelbudget nach § 84 Sozialgesetzbuch V so geregelt ist, dass das Budget keinen festen Deckel, sondern eine prospektive Obergrenze hat. Es besteht also eine Öffnungsklausel. Bei der Anpassung des Budgets müssen folgende Aspekte berücksichtigt werden - ich lese es kurz vor -: erstens Veränderungen der Zahl und der Altersstruktur der Versicherten; zweitens Veränderungen der Preise der Arznei-, Verband- und Heilmittel; drittens Veränderungen der gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenkassen und viertens bestehende Wirtschaftlichkeitsreserven, aber auch Innovationen. Das heißt, dieser finanzielle Aspekt kann kein Beweggrund sein. Leitmotiv des Bundesausschusses ist, die Qualität zu verbessern. Unter diesen Gesichtspunkten wird es auch in unserem Haus - so, wie ich Ihnen das eben dargelegt habe - geprüft.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Wolf.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, begutachtet die Bundesregierung dieses Thema nicht ein bisschen blauäugig? Im Bundesausschuss sitzen Vertreter der Krankenkassen und der Ärzte. Diese wissen natürlich, dass jetzt vielerorts in Deutschland die Budgets überschritten werden. Ist dies nicht doch ein Indiz dafür, dass die Bundesregierung es noch ein wenig ernster nehmen und auch über die Budgetierung nachdenken sollte? Es kommen jetzt immer häufiger Berichte über Maßnahmen des Bundesausschusses dahin gehend, dass die Verordnungsfähigkeit von bestimmten Therapien immer stärker eingeschränkt wird. Ist dies nicht eigentlich ein Grund, um über die Aufhebung der Budgetierung nachzudenken, damit - wie Sie selbst es formuliert haben - die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages gewährleistet bleibt? Müssten Sie nicht ein wenig stärker über die Motive nachdenken, als Sie es derzeit tun?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Wolf, erstens gehe ich davon aus, dass Sie als Mitglied des Gesundheitsausschusses und der CDU/CSU nicht beabsichtigen, die Zuständigkeiten und Kompetenzen, die der Gesetzgeber insgesamt den Selbstverwaltungsgremien übergeben hat, wieder zu verstaatlichen. Zweitens gehe ich nicht davon aus, dass die Ärzte und Krankenkassen aus eigensüchtigen Gewinninteressen Teile der für die Versorgung vorhandenen Mittel sachfremd umleiten wollen. Drittens - das habe ich gerade schon Ihrem Kollegen dargelegt und Sie müssten es als Mitglied des Gesundheitsausschusses eigentlich wissen - setzt § 84 SGB V für das Arznei- und Heilmittelbudget ganz klar keine feste Obergrenze. ({0}) Im Gegenteil, er enthält vier Öffnungsklauseln, die zwingend eingehalten werden müssen. Von daher gesehen kann das nicht sein. Ich habe mich, wie das ganze Haus, intensiv damit beschäftigt. Für das letzte Jahr haben wir mittlerweile Kenntnis darüber, wie die Budgets gewirkt haben. Es gibt sehr viele kassenärztliche Vereinigungen, die mit dem Budget ausgekommen sind oder es unterschritten haben, bei einer sehr guten Versorgung. Es gibt auch kassenärztliche Vereinigungen, die ihr Budget nicht ausgeschöpft haben, wo aber dann die Heilmittelerbringer klagen. Da muss man sich fragen, warum dann nicht innerhalb der kassenärztlichen Vereinigung dafür gesorgt wurde, dass deren Situation im Rahmen des noch nicht ausgeschöpften Budgets, wenn denn solche Klagen kommen und sie berechtigt sind, verbessert wird. Ich sehe für Blauäugigkeit, die Sie hier unterstellen, überhaupt keinen Anhaltspunkt und kann die Frage insofern auch nicht nachvollziehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin. Die Frage 5 der Kollegin Sylvia Bonitz zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Peter Weiß ({0}) auf: Bedeuten die Äußerungen des Staatsministers im Auswärtigen Amt ({1}), Dr. Ludger Volmer, in seinem Papier mit dem Titel „Grüne Akzente in der deutschen Außenpolitik“ vom 6. November 2000, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({2}), welches trotz der gesunkenen Entwicklungshilfe über ungleich mehr Programm- und Projektmittel als das AA verfüge, versuche, sich originäre Themen des AA anzueignen, was die Frage provoziere, wofür man eigentlich zwei Außenministerien brauche, dass es in der Bundesregierung entgegen den Auskünften von Staatssekretär Erich Stather vom BMZ und Staatsminister Dr. Ludger Volmer in der Fragestunde vom Mittwoch, den 11. Oktober 2000 ({3}), doch Überlegungen gibt, das BMZ mit dem Auswärtigen Amt zusammenzulegen?

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Herr Kollege Weiß, das in Ihrer Frage erwähnte Papier „Grüne Akzente in der deutschen Außenpolitik“ wurde von mir in meiner Eigenschaft als MdB und Abgeordneter der Partei Bündnis 90/Die Grünen veröffentlicht. ({0}) Das geht sowohl aus dem Papier selber als auch aus dem Rahmen, in dem es präsentiert wurde, nämlich bei einer Pressekonferenz der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, klar hervor. Die Bundesregierung hat sich zu dieser Frage bereits in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 11. Oktober 2000 geäußert. Sowohl Staatssekretär Stather vom BMZ als auch ich hatten dabei unterstrichen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin, wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, ein eigenständiges BMZ geben werde. Daran hat sich nichts geändert.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Ihre Antwort muss mich zwingend zu folgender Zusatzfrage bewegen: Nachdem bereits der Herr Außenminister Wert darauf gelegt hat, dass er Ansprachen als Privatperson hält und diese nichts damit zu tun haben, was er als Bundesaußenminister sagt, und Sie nunmehr darlegen, dass Sie Pressekonferenzen in Ihrer Eigenschaft als Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geben und das nichts damit tun hat, dass Sie Staatsminister im Auswärtigen Amt sind, ({0}) veranlasst mich das zu der Frage, ob es als Grüner nur mit dieser Art von Persönlichkeitsspaltung auszuhalten ist, ({1}) Mitglied in dieser Bundesregierung zu sein, ({2}) und ob es Bemühungen Ihrerseits gibt, vielleicht dann doch wieder zu einer Vereinheitlichung in Ihrem Persönlichkeitsbild zu finden.

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Herr Kollege, ich habe nicht behauptet, dass das nichts miteinander zu tun hat. Aber bestimmte Fragen können aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Sie werden auch Mitgliedern der Bundesregierung, die an den Acquis der Bundesregierung, den Koalitionsvertrag, gebunden sind, zubilligen, dass sie über den Tag hinausreichende Fragen aufwerfen. Das ist das Recht eines jeden Abgeordneten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem ich schon einmal zu dem Themenkomplex gefragt habe, muss ich Sie noch einmal fragen: Muss es nicht für die Öffentlichkeit und für das Parlament etwas verwunderlich sein, dass vor einiger Zeit der beamtete Staatssekretär im Auswärtigen Amt anlässlich der ersten deutschen Botschafterkonferenz Andeutungen gemacht hat, eine Zusammenlegung von BMZ und Auswärtigem Amt sei vielleicht angebracht, und dass nunmehr Sie mit Ihren Äußerungen, die Sie - wohlgemerkt nicht als Staatsminister, sondern als Bundestagsabgeordneter - gemacht haben, die Frage stellen, ob wir eigentlich zwei Außenministerien brauchen, und rechtfertigt diese Häufung von öffentlich gewordenen und öffentlich gemachten Anmerkungen von Mitgliedern der Bundesregierung, speziell aus dem Auswärtigen Amt, nicht doch die Frage, ob es Überlegungen gibt, diese beiden Ministerien zusammenzulegen, und was denn ausgerechnet die Staatssekretärs- und Staatsministerebene im Auswärtigen Amt bewegt, sich nun mehrmals öffentlich in diese Richtung zu äußern?

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Es gibt keine entsprechenden Überlegungen. Erinnern Sie sich an die Haushaltsdebatte: Meines Wissens lag da ein Antrag der F.D.P. vor, in dem ein solcher Vorschlag gemacht wurde. Dieser Antrag ist auf parlamentarischer Ebene mit den Stimmen aller anderen Parteien zurückgewiesen worden. Auch die Bundesregierung denkt darüber nicht nach. Allerdings ist festzuhalten, dass sich die Arbeitsbereiche des Auswärtigen Amtes und des BMZ in manchen Bereichen überschneiden. Deshalb muss hin und wieder darüber gesprochen werden, wie die Arbeitsteilung definiert werden kann. In Ihrer zweiten Frage, die ich gleich noch beantworten werde, haben Sie genau danach gefragt. Ihre Anfrage gab uns, also dem Auswärtigen Amt, und dem BMZ erneut Anlass, die Arbeitsteilung einvernehmlich zu beschreiben und zu definieren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Helias.

Siegfried Helias (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hat sich die so genannte gemischte Besetzung der Leitungspositionen im Auswärtigen Amt und im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - mit einem der SPD angehörenden Staatsminister im Auswärtigen Amt einerseits und einer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angehörenden Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung andererseits als Fehlbesetzung erwiesen? Oder ist diese Besetzung eher der gegenseitigen Koordination förderlich? Gibt es, Herr Staatsminister, Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, dieses so genannte gemischte Verhältnis in den Leitungspositionen der beiden Bundesministerien wieder rückgängig zu machen?

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Aus dieser Über-Kreuz-Besetzung hat sich kein Problem ergeben. Im Gegenteil: Es hat sich eher als günstig erwiesen, dass die jeweiligen Programmperspektiven der beiden Koalitionsfraktionen in beiden Häusern zur Geltung kommen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hedrich.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, jetzt müssen Sie mir einmal helfen. Muss ich den Kollegen Dr. Ludger Volmer, um eine präzise Antwort zu bekommen, jetzt als Abgeordneten oder als Staatsminister ansprechen?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Sie müssen ihn als Staatsminister ansprechen; denn als solcher steht er zur Beantwortung der Fragen für die Bundesregierung zur Verfügung.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich für diesen Hinweis. Können Sie mir eine Frage zum Themenkomplex der „originären Aufgaben“ beantworten? Der Hintergrund ist: Sie haben in Ihrem Papier angesprochen, dass sich das BMZ zunehmend „originäre Aufgaben“ des Auswärtigen Amtes aneigne. Können Sie uns einmal beschreiben, welcher Art diese Aufgaben sind? Können Sie in diesem Zusammenhang auch gleich erwähnen, ob Sie sich über die „originären Aufgaben“ mit dem BMZ abgestimmt haben?

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Herr Kollege Hedrich, das, was Sie jetzt fragen, entspricht weitestgehend der zweiten Frage des Kollegen Weiß. Es geht dabei um einige Themenfelder, bei denen es zu Überschneidungen kommt. Es geht auf der einen Seite um die generelle, also übergreifende Zuständigkeit und auf der anderen Seite um die Durchführungskompetenz etwa auf der Projektebene. Bei solchen Themen muss die Arbeitsteilung, wie ich vorhin schon einmal ausführte, definiert werden. Hin und wieder ist es auch ganz günstig, wenn man nachjustiert.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Peter Weiß auf: Welche Bundesministerien sind nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung federführend zuständig für die Bereiche Kindersoldaten, Landminen, Stabilitätspakt für Südosteuropa, Krisenpräventionen, insbesondere ziviler Friedensdienst, und in welcher Weise sollen entsprechend den unter Frage 6 genannten Äußerungen des Staatsministers Dr. Ludger Volmer diese Zuständigkeiten neu geordnet werden?

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Herr Kollege Weiß, Sie fragen nach genau diesen Bereichen. Darauf antworte ich wie folgt: Für die Bereiche Krisenprävention, Kindersoldaten, Landminen und Stabilitätspakt für Südosteuropa liegt die übergreifende Zuständigkeit beim Auswärtigen Amt. Das BMZ trägt unter anderem durch den zivilen Friedensdienst zum Abbau der Ursachen von Konflikten sowie zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung bei. Es ist nicht geplant, diese Zuständigkeitsverteilung neu zu ordnen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem Sie unter anderem dargelegt haben, dass die übergeordnete Zuständigkeit zum Beispiel für den Stabilitätspakt für Südosteuropa beim Auswärtigen Amt liegt, möchte ich Sie fragen: Sind Ihre vorhin zitierten öffentlichen Äußerungen, die Sie als Bundestagsabgeordneter und nicht als Staatsminister gemacht haben, vielleicht darauf zurückzuführen, dass Sie bedauern, dass die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel für den Stabilitätspakt für Südosteuropa zum größeren Teil durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verausgabt werden? Würden Sie es für richtiger halten, diese Zuordnung zum BMZ rückgängig zu machen und die Mittel wieder stärker in das Auswärtige Amt zu verlagern?

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Nein, ich bedauere diese Aufteilung nicht. Sie hat sich als recht günstig erwiesen. Die Aufteilung beträgt 2:1 zugunsten des BMZ. Das macht Sinn, weil diese Mittel zum größten Teil mittelfristigen Wiederaufbaumaßnahmen dienen, wofür das BMZ definitionsgemäß zuständig ist. Das andere Drittel ist für Sofortmaßnahmen der unmittelbaren Katastrophen- und humanitären Hilfe vorgesehen. Dafür ist das Auswärtige Amt auch auf der Durchführungsebene zuständig. Von daher sehe ich da kein Problem.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da Sie in Ihren „Grünen Akzenten in der deutschen Außenpolitik“ - ich wiederhole es: als Bundestagsabgeordneter, nicht als Staatsminister im Auswärtigen Amt - unter anderem das Gesamtkonzept der Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung als ein Themenfeld gekennzeichnet haben, bei dem das Entwicklungshilfeministerium sich nach Ihrer Auffassung originäre Themen des Auswärtigen Amtes aneignet, möchte ich Sie fragen, ob die von Ihnen bereits erwähnte Konzeption für den zivilen Friedensdienst mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt worden ist, wie sich das Verhältnis zwischen dem zivilen Friedensdienst in Verantwortung des BMZ einerseits und den zivilen Friedensfachkräften in Verantwortung des Auswärtigen Amtes andererseits bestimmt und ob sich problematische Überschneidungen dieser beiden neuen Personalfachdienste ergeben haben.

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Dies ist genau eines der Arbeitsgebiete, wo es darauf ankommt, die Arbeitsteilung relativ präzise zu definieren. Die Bundesregierung geht deshalb folgendermaßen damit um: Krisenprävention ist eine Querschnittsaufgabe. Sie erfordert eine national und international koordinierte, auf die jeweilige Situation zugeschnittene Gesamtstrategie, die die Instrumente der Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Finanz-, Wirtschafts-, Umwelt-, Kultur- und Rechtspolitik verzahnt. In diesem Sinne sind mehrere Ministerien, nicht nur das AA und das BMZ, an diesem Gesamtprojekt beteiligt. Innerhalb der Bundesregierung ist allerdings das Auswärtige Amt für die Erarbeitung von Strategien zu drohenden internationalen Konflikten federführend, wie sich auch aus dem Gesamtkonzept zu Krisenprävention und Konfliktbeilegung der Bundesregierung ergibt. Die Erarbeitung dieser Strategien und die Koordinierung der konkreten Maßnahmen erfolgen in enger Abstimmung mit den Ressorts, darunter auch dem BMZ. Für den zivilen Friedensdienst ist das BMZ zuständig. Entscheidungen über Projektanträge, die von anerkannten Entwicklungsdiensten gestellt werden können, trifft das BMZ nach Beteiligung des AA. Im Gegensatz dazu wird ziviles Personal für den Einsatz in internationalen Friedensmissionen vom Auswärtigen Amt ausgebildet. Von ihm wird auch der Einsatz in völkerrechtlich verabredeten Missionen der Vereinten Nationen und der OSZE teilweise finanziert.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Helias.

Siegfried Helias (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wenn nach Ihren Darlegungen die Aufgabe des Auswärtigen Amtes insbesondere auch in der Koordination der Außenpolitik liegt, wie bestimmt sich dann die Abgrenzung zum Bundeskanzleramt? Werden nun die Außenpolitik und die Entwicklungspolitik von Ihnen koordiniert - und der zuständige Abteilungsleiter und Kanzlerberater Michael Steiner wirkt mit - oder ist es eher umgekehrt, dass das Kanzleramt die Außenpolitik koordiniert?

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Wir haben gerade über das Feld von Krisenprävention und ziviler Konfliktbearbeitung geredet. Dazu hat die Bundesregierung ein Gesamtkonzept beschlossen, das den einzelnen Ressorts Aufgaben zuweist, wie ich sie gerade beschrieben habe. Ansonsten gilt für dieses Feld wie für alle anderen auch, dass der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt. Insoweit spielt das Bundeskanzleramt natürlich eine Rolle. Die Zusammenarbeit zwischen dem Kanzleramt und dem Außenministerium ist vertrauensvoll.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Noch eine Zusatzfrage des Kollegen Hedrich.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sind nicht auch Sie der Auffassung, dass man Zuständigkeitsfragen und erst recht Fragen über die Zusammenlegung von Ministerien offen diskutieren sollte? Die Kollegen der F.D.P. beispielsweise plädieren nachhaltig für eine Zusammenlegung; man kann eine solche Auffassung teilen oder nicht, sie stellt aber eine klare Position dar. Sollte nicht vonseiten der Bundesregierung klar erkennbar werden, dass man für eine Beibehaltung der beiden Ministerien plädiert, statt ständig die Öffentlichkeit durch Überlegungen, wie Sie sie angestellt haben und wie sie vorher Herr Staatssekretär Pleuger angestellt hat, zu verunsichern? Ist es nicht insgesamt für das Ansehen der Entwicklungspolitik schädlich, wenn ständig darüber spekuliert wird, ob diesem Politikfeld eine eigene ministerielle Zuständigkeit zugeordnet wird oder nicht?

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Herr Kollege, es geht nicht um die ministerielle Zuständigkeit - diese ist völlig klar -, sondern es geht um die Arbeitsteilung innerhalb dieser Zuständigkeit. Diese Diskussion wird meines Wissens außerhalb der Bundesregierung und von Nichtregierungsorganisationen ständig geführt und es gibt keinen Grund, warum sich nicht auch Abgeordnete in gewissem Umfang daran beteiligen sollten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Fragen 8 und 9 der Kollegin Monika Brudlewsky werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Heidi Lippmann auf: Kann die Bundesregierung Angaben des Innenministers der Bundesrepublik Jugoslawien vom 24. November 2000 ({0}) bestätigen, wonach zwischen dem Tag des Einmarsches der KFOR-Truppen im Kosovo ({1}) und dem 18. November 2000 insgesamt 1 055 Menschen, darunter 917 Serben, durch ethnisch motivierte Gewaltakte getötet worden sind?

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Frau Kollegin Lippmann, die Bundesregierung kann die in Ihrer Frage aufgeführten Zahlenangaben nicht bestätigen. Soweit der Bundesregierung bekannt ist, sind vom Beginn der Stationierung der KFOR-Truppen bis zum August 2000 insgesamt 621 mutmaßliche Tötungsdelikte gemeldet worden. UNMIK vermutet als hauptsächliche Motive die weit verbreitete Kriminalität, Hass auf Angehörige anderer Ethnien und alte Abrechnungen zwischen verfeindeten Großfamilien.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Kollegin Lippmann.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, teilt Ihr Amt die Einschätzung von Verteidigungsminister Rudolf Scharping, die er in einer Plenardebatte über eine Kontingentverlängerung der Stationierung der KFOR-Truppen abgegeben hat, wonach er etwas zynisch betonte, im Kosovo würden pro Woche nicht mehr Zivilpersonen getötet als durchschnittlich in einer europäischen Hauptstadt, und wenn ja, welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Äußerung?

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Mir ist weder diese Äußerung noch der Zusammenhang, in dem sie gefallen sein könnte, bekannt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass es zu Tötungsdelikten gekommen ist und nach wie vor eine massive Gefährdung für bestimmte Bevölkerungsgruppen, insbesondere im Norden des Kosovo und im Süden Serbiens, besteht und von daher eine weitere Präsenz von KFOR notwendig ist.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Lippmann auf: Werden auch diese Gewaltverbrechen vom International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia ({0}) untersucht und verfolgt, und wenn nein, warum nicht?

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Frau Kollegin, der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hat mehrfach erklärt, dass er im Kosovo nach allen Seiten hin ermittelt. Diese Ermittlungen werden - wie bei Strafverfolgungsbehörden üblich - vertraulich geführt, um den gewünschten Erfolg sicherzustellen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Liegen zwischenzeitlich Ihrem Hause Ergebnisse dieser vertraulichen Ermittlungen vor? Wenn ja, können diese den Ausschüssen zur Verfügung gestellt werden?

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Nach Kenntnis der Bundesregierung wird ermittelt; bis jetzt ist aber noch keine Anklage erhoben worden. Ich will prüfen, ob uns Zwischenergebnisse vorliegen, die wir den entsprechenden Ausschüssen zur Verfügung stellen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Vom ICTY wird im Kosovo das zentrale Leichenschauhaus betrieben, das Mitglieder des Verteidigungsausschusses am 22. Mai dieses Jahres besuchen konnten. Liegen dem Auswärtigen Amt mittlerweile konkrete Zahlen vor, wie viele Menschen aus den so genannten Massengräbern vom ICTY exhumiert wurden?

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Frau Kollegin, Ich kann Ihre Frage nicht aus dem Stand beantworten. Die Antwort müsste ich Ihnen schriftlich nachreichen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Frage 12 der Kollegin Sylvia Bonitz wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen gebe ich der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks das Wort. Ich rufe Frage 13 des Abgeordneten Meinolf Michels auf: Wie hoch ist der Betrag, den die Landwirtschaft für die Jahre 1999 und 2000 an Ökosteuer gezahlt hat, und wie viel wird sie nach Schätzung der Bundesregierung in den Jahren 2001, 2002 und 2003 zahlen müssen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michels, nach den Berechnungen der Bundesregierung wird die Landwirtschaft durch die ökologische Steuerreform im Jahr 1999 mit 245 Millionen DM, im Jahr 2000 mit 504 Millionen DM, im Jahr 2001 mit 673 Millionen DM, im Jahr 2002 mit 842 Millionen DM und im Jahr 2003 mit 1,02 Milliarden DM belastet. Berücksichtigt sind dabei die Erhöhung der Mineralölsteuer auf Kraftstoffe um jährlich 6 Pfennig je Liter, die einmalige Erhöhung der Mineralölsteuer auf Heizöl und Gas im Jahr 1999 sowie die Einführung und Erhöhung der Stromsteuer. Ich weise aber darauf hin, dass der Landwirtschaft Mittel in Höhe von voraussichtlich 870 Millionen DM für das Jahr 1999 und 375 Millionen DM für das Jahr 2000 nach dem Landwirtschafts-Gasölverwendungsgesetz, der so genannten Gasölverbilligung, zugewiesen werden. Nach dem neuen Agrardieselgesetz entstehen im Jahr 2001 Vergütungsansprüche von 460 Millionen DM, im Jahr 2002 von 580 Millionen DM und im Jahr 2003 von 700 Millionen DM. Jede weitere Senkung des Agrardieselsteuersatzes um 1 Pfennig entspricht einer Entlastung von 20 Millionen DM.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Michels.

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Schönen Dank, Frau Staatssekretärin. Können Sie uns bestätigen, dass die Beträge, die Sie eben genannt haben, eine zusätzliche Belastung für die Landwirtschaft seit 1998 bedeuten? Denn durch die Dieselrückvergütung - das haben Sie auch gesagt - wurde das mit 835 Millionen DM abgefangen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich hatte Ihnen die entsprechenden Summen getrennt voneinander genannt, also auch die jährlichen Belastungen durch die Ökosteuer, wobei man im Bereich des Dieselkraftstoffs für landwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge nicht vollständig zwischen betrieblicher und privater Nutzung unterscheiden kann. Das unterscheide ich hier nicht. ({0}) - Nein, wieso denn? Der Bauer tankt und nutzt sein beruflich genutztes Fahrzeug auch privat. Das ist doch völlig klar. Diesen privaten Anteil kann man schlecht herausrechnen. Das ist wirklich keine Unterstellung. ({1}) - Nein, Herr Kollege. Ich habe lediglich alle zusätzlichen Kosten, die anfallen, genannt. ({2}) - Herr Ronsöhr, nun beruhigen Sie sich doch. - Den Hauptanteil an den zusätzlichen Kosten, die anfallen, machen natürlich die 6 Pfennig pro Liter Diesel aus. Wenn der Bauer privat ein Fahrzeug fährt, das gar keinen Diesel braucht, dann muss er natürlich wie jeder andere Privatmann beim Tanken von Super oder bleifreiem Benzin Ökosteuer zahlen. Das ist doch wohl klar. Wie gesagt, der Anteil der privaten Nutzung lässt sich kaum herausrechnen. Der Bauer ist eben zeitweise auch Privatmensch und macht Privatfahrten. Damit ist kein Vorwurf verbunden; das möchte ich ausdrücklich sagen. Ich habe Ihnen also die Höhe der jährlichen Belastungen und der Entlastungen genannt, die durch die Gasölverbilligung 1999 und 2000 und durch das Agrardieselgesetz ab dem Jahr 2001 wirksam werden. Das müssten Sie noch saldieren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen eigentlich nicht bekannt, dass derjenige, der die Dieselrückvergütung in Anspruch nimmt, die Zeiten, in denen er sein Fahrzeug privat nutzt, angeben muss, also wie viele Kilometer er privat gefahren ist? Denn der für private Zwecke verbrauchte Dieselkraftstoff unterliegt nicht der Verbilligung.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Selbstverständlich ist das so.

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ihre Aussage von eben ließ aber eine andere Schlussfolgerung zu.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Aber nein! Ich habe gerade doch ausdrücklich gesagt, dass ich damit keinen Vorwurf verbinden möchte, etwa in dem Sinne: Da hat jemand verbilligten Diesel in seinen privaten Tank gefüllt. Das habe ich ausdrücklich nicht gesagt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe Frage 14 des Kollegen Meinolf Michels auf: Welche Anteile der von der Landwirtschaft entrichteten Ökosteuer sind in den Jahren 1999 und 2000 in die Landwirtschaft zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge wieder zurückgeflossen und wie schätzt die Bundesregierung diese Beträge für die Jahre 2001, 2002 und 2003 ein?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Landwirtschaft wird durch die Senkung der Lohnnebenkosten bzw. der Beiträge zur Alterskasse im Jahr 1999 um 35 Millionen DM, im Jahr 2000 um 44 Millionen DM, im Jahr 2001 um 53 Millionen DM, im Jahr 2002 um 62 Millionen DM und im Jahr 2003 um 70 Millionen DM entlastet. Das ergibt in diesem Bereich eine Gesamtentlastung von 264 Millionen DM. Dazu ist zu bemerken, dass hinsichtlich der Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse nur mittelbar eine Entlastungswirkung eintritt; denn der Beitrag in der Alterssicherung der Landwirte ist mit dem Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung verknüpft. Die Senkung und Stabilisierung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung hat deshalb in den Jahren 1999 und 2000 dämpfend auf den Beitragsanstieg in der Alterssicherung der Landwirte gewirkt. Diese Wirkung wird auch in den kommenden Jahren eintreten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Gerda Hasselfeldt auf: Welche Aktivitäten wurden bisher vonseiten der Bundesregierung auf europäischer Ebene unternommen, um innerhalb der EU die Energiesteuern zu harmonisieren und die Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen durch die im europäischen Alleingang eingeführte Ökosteuer zu beseitigen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Hasselfeldt, die Bundesregierung misst der Harmonisierung der Energiebesteuerung große Bedeutung bei. Deshalb hat sie die deutsche Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 zum Anlass genommen, im Mai 1999 einen Kompromissvorschlag vorzulegen. Dem Vorschlag gingen intensive Gespräche mit der Europäischen Kommission und einzelnen Mitgliedstaaten voraus. Bis auf Spanien und Irland konnten sich alle Mitgliedstaaten mit diesem Vorschlag einverstanden erklären. Zu Beginn der portugiesischen Präsidentschaft hat sich Deutschland auf dem Ecofin-Rat vom 31. Januar 2000 zum wiederholten Male für eine zügige Fortsetzung der Verhandlungen eingesetzt. Die intensiven Bemühungen wurden auch auf bilateraler Ebene fortgeführt. Ende letzten Jahres hat Minister Eichel das Thema der Energiesteuerharmonisierung mit seinem niederländischen Amtskollegen Zalm und dem portugiesischen Wirtschaftsminister Moura erörtert. Im Februar dieses Jahres fand ein Gespräch mit dem italienischen Finanzminister Visco und im Juni dieses Jahres mit dem spanischen Finanzminister Rato statt. Zuletzt bestand im November Gelegenheit, Energiesteuerfragen mit dem griechischen Finanzminister Papantoniou zu erörtern. Auch der Dialog mit der Kommission wurde stetig fortgesetzt. Wiederholt wurden Gespräche mit dem für Steuerfragen zuständigen Kommissar Bolkestein geführt. Im Mai dieses Jahres hat sich Minister Eichel noch einmal schriftlich an Kommissar Bolkestein gewandt und konstruktive Vorschläge zum Fortgang der Verhandlungen gemacht. Trotz der zahlreichen Bemühungen der Bundesregierung scheitert eine Einigung nach wie vor an der unnachgiebigen Haltung einzelner Mitgliedstaaten. Um die Harmonisierung der Energiebesteuerung voranzubringen, setzt sich die Bundesregierung im Rahmen der Regierungskonferenz bei den Umwelt- und Energiesteuern für einen Übergang von der Einstimmigkeit zu Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit ein. Im Übrigen kann bei der Ökosteuer nicht von einem nationalen Alleingang ausgegangen werden, wie es in Ihrer Frage unterstellt wird, weil Deutschland dem Beispiel anderer Länder, wie zum Beispiel Dänemark und den Niederlanden, gefolgt ist.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Hasselfeldt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Aufzählung der vielen Termine verdeutlicht noch lange nicht, dass die Ergebnisse zufriedenstellend wären; denn wir haben auf europäischer Ebene keine Harmonisierung. Da Sie nun mit der nationalen Entscheidung, im Rahmen der Ökosteuer die Steuer in fünf Stufen zu erhöhen, zu einseitigen Wettbewerbsnachteilen der deutschen Wirtschaft, insbesondere des Transportgewerbes und der Landwirtschaft, beigetragen haben, möchte ich wissen, ob Sie bereit sind, wenigstens diese Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft durch nationale Entscheidungen, zum Beispiel durch die Rücknahme der Ökosteuer, zu korrigieren. ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Hasselfeldt, zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass Sie in Ihrer Frage nach den Aktivitäten der Bundesregierung gefragt hatten. Diese habe ich Ihnen deswegen in aller Ausführlichkeit dargestellt. ({0}) - Das war aber Gegenstand Ihrer Ausgangsfrage. Ich habe Sie auch über die Ergebnisse unterrichtet: Insbesondere Spanien zeigt sich sehr hartleibig. Möglicherweise wäre es eine Hilfestellung, wenn die Union auf der Ebene der Europäischen Volkspartei einmal vertrauensvoll mit der spanischen Schwesterpartei spräche; denn in Spanien gibt es eine konservative Regierung, wie wir wissen, die das von Anfang an blockiert hat. Vielleicht können Sie da einmal etwas bewegen. ({1}) Irland ist nicht mehr das Hauptproblem. Außer von Irland und Spanien ist unser Vorschlag schon damals nicht blockiert worden. Eine Einigung ist im Juni 1999 namentlich an Spanien gescheitert. Wie gesagt, Sie können da vielleicht einmal initiativ werden. Im Übrigen ist die von Ihnen behauptete Wettbewerbsverzerrung zumindest für die Landwirtschaft nicht zutreffend. Wie Sie wissen, hat der Mineralölsteuersatz im Jahr 1999, also vor der ersten Ökosteuerstufe, 62 Pfennig betragen. Jetzt senken wir mit dem Agrardieselgesetz die Steuerbelastung für Landwirte auf 57 Pfennig. Das heißt, der Steuersatz ist 5 Pfennig niedriger als am Ende Ihrer Regierungszeit. In der Tat gibt es für die Landwirtschaft keine Ökosteuerbelastung, jedenfalls nicht beim Sprit. Das muss man einmal deutlich sagen. Im Transportgewerbe gibt es möglicherweise Wettbewerbsverzerrungen; insbesondere im grenznahen Bereich ist dies nicht von der Hand zu weisen. Fährt man aber weitere Strecken durch Europa, muss man immer dort tanken, wo der Tank gerade leer ist; das ergibt sich zwangsläufig. Es gibt Transportunternehmer, die von Deutschland nach Frankreich, und solche, die von Frankreich nach Deutschland fahren. Man kann sich da alle Richtungen vorstellen. Insofern gleicht sich das im grenzüberschreitenden Verkehr wieder aus. Im inländischen Verkehr gibt es natürlich keine internationalen Wettbewerbsnachteile; das liegt auf der Hand. Ich glaube also, dass Sie von Wettbewerbsnachteilen durch die Ökosteuer in diesem Sinne nicht sprechen können, zumal die Benzinpreise in der Europäischen Union auch für das Transportgewerbe durchaus unterschiedlich sind. Es gibt zwar in einzelnen Ländern gewisse Erstattungsbeträge, aber zunächst durchaus höhere Dieselsteuersätze, sodass sich das nicht ohne weiteres vergleichen lässt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden - auch wenn Sie das zum Schluss etwas zu relativieren versuchten -, dass Sie sehr wohl Wettbewerbsverzerrungen zum Beispiel im Transportgewerbe sehen, aber nicht bereit sind, diese zu korrigieren?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Hasselfeldt, ich hatte darauf hingewiesen, dass es in den einzelnen Ländern natürlich unterschiedliche Belastungssituationen gibt, dass aber eine Wettbewerbsbenachteiligung schon durch die Art und Weise, wie sich der Gütertransportverkehr abwickelt, nur im grenznahen Bereich entstehen kann. ({0}) Wenn man in einem Land tankt, in dem der Kraftstoff billiger ist - wie zum Beispiel in Luxemburg -, und dann von Luxemburg aus nach Deutschland fährt, dann hat man in der Tat einen Wettbewerbsvorteil. Wenn man aber innerhalb Deutschlands von A nach B fährt - das tun natürlich sehr viele Unternehmer; sie fahren nur im innerdeutschen Verkehr -, dann hat man sich auch nur mit den Konkurrenten im innerdeutschen Verkehr zu vergleichen. Für diese Unternehmer ist es völlig gleichgültig, wie viel der Sprit in Dänemark oder Portugal kostet. Sie müssen also bitte die in Ihrer Frage enthaltene Behauptung relativieren. Im grenzüberschreitenden Verkehr kann es in der Tat zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. Aber da man immer dort tanken muss, wo der Tank gerade leer ist, gleicht sich dies im Übrigen, wenn man weiter ins Landesinnere hineinfährt, aus.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Jetzt liegen mir vier weitere Zusatzfragen vor: nacheinander der Kollege Ronsöhr, der Kollege Deß, die Kollegin Blank und der Kollege Dreßen.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie bereit, Ihre Aussage hinsichtlich der steuerlichen Belastung beim Agrardiesel zu korrigieren? Sie haben eben von einer steuerlichen Belastung während unserer Regierungszeit bis 1998/1999 von über 60 Pfennig gesprochen. Sind Sie bereit, zu akzeptieren, dass es in unserer Regierungszeit aufgrund der Gasölrückvergütung eine steuerliche Belastung von 21 Pfennig gab und dass Sie diese steuerliche Belastung jetzt für die Landwirtschaft stärker als die Ökosteuer erhöht haben, nämlich - wenn es bei 57 Pfennig bleibt - um 36 Pfennig - und wenn es zu 47 Pfennig kommt - um 26 Pfennig? Ich bitte doch, Ihre Aussagen zu korrigieren. Ich kann jetzt allerdings verstehen, dass Sie Belastungen gegenüber der Landwirtschaft als Entlastungen bezeichnet haben. Wer Rechnungen aufmacht, die im Grunde genommen auf Missverständnissen beruhen, kommt zu keinen anderen Ergebnissen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Ronsöhr, ich habe eben in meiner Antwort auf die Frage der Frau Kollegin Hasselfeldt nicht gesagt, dass die Landwirte damals 62 Pfennig zahlen mussten, sondern ich habe gesagt: Der normale Mineralölsteuersatz betrug 62 Pfennig. ({0}) Ich bitte, das im Protokoll nachzuprüfen. Ich habe nicht gesagt: Die Landwirte mussten 62 Pfennig zahlen, sondern ich habe gesagt: Der normale Mineralölsteuersatz betrug 62 Pfennig. ({1}) Ich habe so geantwortet, wie ich es Ihnen gerade eben wiederholt habe. ({2}) Wir werden das hinterher im Protokoll überprüfen. Ich habe gesagt: Der normale Mineralölsteuersatz betrug 62 Pfennig. In Zukunft wird - ab dem Jahr 2001 nach dem neuen Agrardieselgesetz die Belastung für die Landwirtschaft bei 57 Pfennig liegen; das sind 5 Pfennig weniger, als der normale Mineralölsteuersatz betrug. ({3}) Insofern ist da kein Anteil von Ökosteuer drin. Sie haben gleichwohl Recht, wenn Sie sagen, dass die Gasölverbilligung, die es zu der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung gab, das Mineralöl für die Landwirtschaft auf 21 Pfennig verbilligt hat. Das ist richtig; das bestreite ich nicht. Das ist der Fall. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die deutschen Landwirte, so wie es der Kollege Ronsöhr gesagt hat, in unserer Regierungszeit 21 Pfennig und die Franzosen 16 Pfennig pro Liter gezahlt haben? Der Unterschied von 5 Pfennig bedeutete für die deutsche Landwirtschaft Mehrkosten in Höhe von 100 Millionen DM. ({0}) Heute liegt der Steueranteil in Frankreich bei 5 Pfennig, während er in Deutschland bei 57 Pfennig liegt. Wenn es dabei bleibt, werden die deutschen Bauern gegenüber den französischen Kollegen einen Nachteil von über 1 Milliarde DM haben. Bei einer Senkung auf 47 Pfennig wird der Nachteil bei circa 840 Millionen DM liegen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, es ist durchaus möglich, dass die von Ihnen genannten Zahlen richtig sind. Was Sie gesagt haben, habe ich nicht im Kopf und kann es daher jetzt nicht überprüfen. Ich will aber darauf hinweisen, dass es im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen - das gilt auch für die Landwirtschaft - in den einzelnen Ländern immer unterschiedliche Be- und Entlastungssituationen gibt. Zwar ist es so, dass die Landwirte in den meisten Ländern mit sehr vielen nationalen Subventionen versehen werden; gleichwohl gibt es in anderen Bereichen unterschiedliche Bedingungen, zum Beispiel beim allgemeinen Steuerrecht. Diese Bereiche kann man nicht ohne weiteres vergleichen. Ich bin nicht bereit, lediglich den Mineralölsteuersatz Frankreichs mit dem Deutschlands zu vergleichen; zumal der Anteil des Mineralölverbrauchs an den Betriebskosten in der Landwirtschaft im Schnitt bei rund 3 Prozent liegt. Deswegen ist der Mineralölsteuersatz im Hinblick auf die Kostensituation insgesamt zwar nicht irrelevant, aber von nicht ausschlaggebender Bedeutung. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Blank.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ein deutscher LKW steuerlich mit 43 000 DM belastet ist, während ein französischer LKW mit 30 000 DM und ein niederländischer LKW mit 28 000 DM belastet ist? Sind Sie in Kenntnis dieser Zahlen bereit, etwas gegen die wettbewerbsverzerrenden Bedingungen und damit für den deutschen Transportunternehmer zu tun?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Blank, auch in diesem Fall gilt es, zu berücksichtigen, dass zum Beispiel im Ertragsteuersystem unterschiedliche Bedingungen herrschen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir auch zugunsten des Transportgewerbes eine umfassende Unternehmensteuerreform mit der Möglichkeit der sofortigen Verrechnung der Gewerbesteuer vornehmen. Sie müssen das Besteuerungsrecht insgesamt betrachten. Der Spitzensteuersatz beträgt in den Niederlanden 60 Prozent. Er muss natürlich auch von Transportunternehmern, sofern sie als Personengesellschaften organisiert sind, gezahlt werden. Sie müssen solche Vergleiche immer übergreifend anstellen. Ich darf noch einmal sagen: Eine tatsächliche Wettbewerbsverzerrung entsteht nur im grenznahen Bereich.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Dreßen. ({0})

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, wir haben gerade über die Transportunternehmen gesprochen. Bei deren Demonstrationen habe ich zur Kenntnis genommen, dass die Ökosteuer für die Spediteure eigentlich eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Unter den Spediteuren spielte die Frage, ob man auf deutscher oder auf europäischer Ebene gegen das Lohndumping, das zum Teil durch ostdeutsche Unternehmen betrieben wird, vorgeht, eine größere Rolle. Außerdem wurde bemängelt, dass die Sicherheitsstandards bei uns im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch sind. Ich hoffe, die Bundesregierung will die Sicherheitsstandards von LKW nicht abschaffen, nur damit hier dieselben Voraussetzungen bestehen. Teilen Sie die Einschätzung, dass für die Transportunternehmer viele andere Punkte - zum Beispiel die Harmonisierung in vielen anderen Bereichen; Stichwort „Kampf gegen Lohndumping“, das heißt gleicher Lohn für gleiche Leistung wichtiger als die Ökosteuer sind? Wir müssen vielleicht eine Harmonisierung auf europäischer Ebene vornehmen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Dreßen, das kann ich durch viele Gespräche, die ich mit Vertretern des Transportgewerbes geführt habe, bestätigen. Das eigentliche Problem ist in der Tat das Lohndumping, die so genannte graue Kabotage, wodurch insbesondere aus dem mittel- und osteuropäischen Ausland das deutsche Fernverkehrsgewerbe beeinträchtigt wird. Es sind garantiert nicht die Spritkosten, die ins Gewicht fallen. Ein Lastwagen, der seine Fahrt in Polen beginnt, tankt in Polen, und zwar entsprechend den polnischen Spritpreisen. Das ist völlig klar. Es wird aber durch den Zoll überprüft, dass nicht mehr als 200 Liter mitgeführt werden. Wenn der Lastwagen durch Deutschland fährt, dann ist der Treibstoff irgendwann verbraucht, sodass das Problem wirklich nicht relevant ist. Vielmehr ist das Problem relevant, dass auf diesen Lastwagen möglicherweise zwei polnische oder bulgarische oder rumänische Fahrer bzw. Beifahrer sitzen, die zu Dumpinglöhnen von unter 8 DM pro Stunde - manchmal nur 5 DM - rund um die Uhr fahren. Es ist ebenfalls darauf hinzuweisen - das ist vielen Vertretern des Gewerbes klar -, dass an diesem Geschäft natürlich auch einzelne Vertreter ihres eigenen Gewerbes aus der Bundesrepublik Deutschland in großem Umfang beteiligt sind, was letztlich dazu führt, dass manche, die in großem Stil gerade dieses Lohndumping von mitteloder osteuropäischen Fahrern auf deutschen Lastwagen betreiben lassen, am Niedergang des mittelständischen Transportgewerbes die Hauptschuld tragen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Hauser, Sie haben das Wort.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn ich die Diskussion über die Heizkostenzuschüsse und über die Entfernungspauschale sehe, dann stelle ich fest: Wir erleben zurzeit, dass die Bundesregierung durchaus bereit ist, ihre Fehler in der Ökosteuer ein Stück weit zu korrigieren. Warum sind Sie nicht bereit, in einem Wirtschaftszweig, der wirklich eklatant unter den beschriebenen Belastungen und obendrein auch noch unter Wettbewerbsverzerrungen leidet, wie es beim Unterglas-Gartenbau der Fall ist, ebenfalls entsprechende Korrekturen vorzunehmen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hauser, ich muss Ihre Eingangsbemerkung zurückweisen; denn es handelt sich hier nicht um Korrekturen der Ökosteuer. Beim Heizölkostenzuschuss ist es ganz offenbar. Im Jahr 1999 ist die Steuer auf leichtes Heizöl um 4 Pfennig erhöht worden. Danach erfolgte keine weitere Erhöhung. Es sind auch keine weiteren Erhöhungsstufen vorgesehen. Aber in der Heizperiode des Winters 1999/2000, also vor genau einem Jahr, betrug der Preis für 1 Liter Heizöl nur ungefähr 40 Prozent dessen, was er heute kostet. Das liegt an der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt und in keiner Weise an der Ökosteuer. Zwischen der letzten Heizperiode und dieser Heizperiode ist nun wirklich überhaupt keine steuerliche Veränderung vorgenommen worden. Ich bitte Sie, das einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen. Sie müssen diese beiden Heizperioden miteinander vergleichen. Zwischen ihnen hat es überhaupt keine Änderung im Besteuerungssystem gegeben. Es gab bereits in den 70er-Jahren bei explodierenden Rohölkosten einen einmaligen Heizölkostenzuschuss. Die Bundesregierung will diesen Zuschuss gewähren, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Explosion der Heizölpreise, die nicht durch irgendwelche steuerliche Maßnahmen, sondern durch die Weltmarktpreise verursacht waren, sich nicht in kurzer Zeit in ihrem Budget darauf einrichten konnten, dass sie letztlich auch Umschichtungen in ihrem Budget vorzunehmen haben. Das Ganze ist als einmalige Hilfe konzipiert. Es tut uns Leid, aber wir können natürlich nicht auf Dauer mit steuerlichen Maßnahmen gegen Weltmarktpreise angehen. Die Bürgerinnen und Bürger werden im nächsten Jahr, bis zur nächsten Heizperiode, aus ihren eigenen Mitteln Vorsorge treffen müssen. Das ist in einem marktwirtschaftlichen System nicht anders denkbar, auch wenn sich das jetzt hart anhört. Es kann nur als einmaliger Zuschuss geleistet werden, weil nicht auf Dauer Weltmarktpreise durch steuerliche Maßnahmen oder durch Zuschüsse ausgeglichen werden können. Was die Unterglasbetriebe anbelangt, so ist auch da die eigentliche Wettbewerbsverzerrung nicht durch steuerliche Maßnahmen, sondern durch eine von der EU jedenfalls nicht beanstandete Sonderpreisregelung des niederländischen Gartenbauverbandes mit der niederländischen Gasuni NV, die bis zum Jahr 2002 genehmigt ist, bedingt. Die Bundesregierung prüft, ob sie zugunsten des Gartenbaus für diese zwei Jahre wegen der Wettbewerbsverzerrung, die nicht auf steuerlichen Maßnahmen beruht, sondern aufgrund von Einzelpreisabsprachen zwischen den Gaslieferanten der Niederlande - man kann eher sagen, dem Gaslieferanten, denn er fördert das Gas aus der Nordsee und verkauft es in den ganzen Niederlanden und auch darüber hinaus - und dem Gartenbauverband besteht, möglicherweise eine Hilfestellung geben kann. Auch dies hat nichts mit steuerlichen Maßnahmen zu tun. Der Hauptkonkurrent des deutschen Gartenbaus ist zweifellos der niederländische Gartenbau. Insofern ist an dieser Stelle die eigentliche Vergleichsnotwendigkeit gegeben. Wir prüfen dies zurzeit. Was das Transportgewerbe anbelangt, so darf ich Sie - das haben Sie in Vergleich zur Entfernungspauschale gesetzt - darauf hinweisen, dass die Entfernungspauschale - systematisch gesehen - eine Ausweitung der Werbungskosten der Arbeitnehmer ist. Die Werbungskosten für den Arbeitnehmer dienen dazu, dass er in die Lage versetzt wird, seinen Beruf überhaupt auszuüben, also auch dazu, zur Arbeitsstätte zu gelangen. Diese Kosten sind sozusagen die Betriebsausgaben des Arbeitnehmers. Im Transportgewerbe ist es so wie in jedem anderen Wirtschaftszweig auch: Die steigenden Kosten werden im steuerlichen System von vornherein berücksichtigt, weil sie als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Straubinger.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Dreßen hat mich dazu veranlasst, mich zu melden. Der Kollege Dreßen hat gesagt, dass ostdeutsche Unternehmungen für das Lohndumping verantwortlich sind. Sie haben aber nur das Lohndumping osteuropäischer Unternehmungen erwähnt. Es würde mich also interessieren, ob Sie die Auffassung des Kollegen Dreßen teilen, dass auch ostdeutsche Unternehmungen für das Lohndumping verantwortlich sind. ({0}) Darüber hinaus interessiert mich, ob nicht insbesondere ostdeutsche Unternehmungen im Transportgewerbe von der Ökosteuer betroffen sind.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Straubinger, ich bin davon ausgegangen, dass der Kollege Dreßen das Lohndumping in Ost- und Mitteleuropa meinte, ({0}) das uns aus leidvoller Erfahrung bekannt ist. Häufig allerdings geht von einzelnen deutschen Unternehmen - ich betone: von einzelnen, also nicht von der Mehrheit der deutschen Unternehmen - dieses Lohndumping aus. ({1}) Ich glaube also, dass ich die Frage des Kollegen Dreßen richtig beantwortet habe, indem ich auf diesen Punkt hingewiesen habe. Wie wir wissen, gibt es im südwestdeutschen Raum ein großes Unternehmen, das den gesamten Fuhrpark eines ehemaligen bulgarischen Staatsbetriebes aufgekauft hat. Wahrscheinlich fahren nicht mehr dieselben Autos, weil sie mittlerweile verschlissen sind. Aber durch den Kauf hat das Unternehmen Einfluss auf die Löhne der bulgarischen Fahrer gewonnen, die jetzt - sozusagen unter deutscher Flagge - deutsche LKW zu Dumpinglöhnen fahren. Solange solche schwarzen Schafe innerhalb der Wirtschaft selber existieren - wohlgemerkt: es handelt sich um einzelne Unternehmen -, besteht eine Gefahr aufgrund des Lohndumpings - diese hat der Kollege Dreßen angesprochen - für diejenigen Unternehmen, die ihre Mitarbeiter tarifgerecht entlohnen. ({2}) Ich komme zum zweiten Teil Ihrer Frage. Es gibt aufgrund der Ökosteuer keine besondere Belastung der Unternehmen in den ostdeutschen Ländern. Es mag dort Transportunternehmen geben, die keine Tariflöhne zahlen. Wir wissen ja, dass in der ostdeutschen Wirtschaft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer häufig nicht tarifgebunden entlohnt werden. ({3}) Das ist aber nicht mit dem Lohndumping vergleichbar, das aus Ost- und Mitteleuropa zu uns nach Deutschland herüberschwappt. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es scheint mir, als wenn die Frage 15 sehr beliebt ist. - Herr Kollege Schauerte, bitte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf den Anteil der Mehrwertsteuer an den gestiegenen Preisen bei Heiz- und Dieselöl zurückkommen. Sie haben sehr vollmundig erklärt, dass in diesem Bereich nichts mehr passiert sei. Teilen Sie meine Einschätzung, dass sich bei einem Anstieg des Benzinpreises um 50 Pfennig zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von 8 Pfennig ergeben? Teilen Sie ferner meine Ansicht, dass bei einem Anstieg der Heizölkosten von 40 auf 90 Pfennig ebenfalls zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von 8 Pfennig fließen? Ist der Finanzminister im Prinzip nicht ein Trittbrettfahrer in Bezug auf diese Entwicklung?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Schauerte, es ist richtig, dass bei steigenden Preisen auch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer steigen. Da wir bei der Mineralölsteuer eine Mehrwertsteuer in Höhe des Normalsatzes von 16 Prozent haben, kommen auf 50 Pfennig - ich bestätige Ihnen, dass Sie richtig gerechnet haben 8 Pfennig Mehrwertsteuer. Diese Mehreinnahmen lassen sich aber nicht vermeiden. Was wären denn Ihre Vorstellungen, wie wir zukünftig in diesen Fällen mit der Mehrwertsteuer umgehen sollen? Sollen wir bei steigenden Preisen die Mehrwertsteuer senken und bei sinkenden Preisen die Mehrwertsteuer bei einzelnen Produkten erhöhen? Wir haben nur zwei Mehrwertsteuersätze, da in der Europäischen Union festgelegt ist, dass es nicht mehr als zwei Mehrwertsteuersätze geben darf. Deshalb lässt es sich nicht vermeiden, dass in Teilbereichen die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer aufgrund gestiegener Preise steigen, während in anderen Bereichen - siehe Lebensmittel - die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer aufgrund gesunkener Preise sinken. Das ist bei einem Mehrwertsteuersystem einfach so und das wissen Sie auch - das lässt sich nicht ändern.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage zu dieser Frage haben Sie nicht, Herr Kollege Schauerte. Dann kommen wir zu der Zusatzfrage des Kollegen Sebastian.

Wilhelm Josef Sebastian (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben die Nachteile des Transportgewerbes durch die erhöhten Energiekosten dargestellt. Sie haben aber auch gesagt, dass nach Ihrer Ansicht nur im grenznahen Raum Nachteile entstehen. Können Sie sich vorstellen, dass unsere Transportgewerbeunternehmen generell im internationalen Wettbewerb bestehen müssen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Sebastian, ich habe versucht, zu erläutern, dass - das müsste doch eigentlich nachvollziehbar sein - zum Beispiel der Fahrer eines LKW, der von Portugal nach Schweden fährt, also im europäischen Raum unterwegs ist, zwar in Portugal billiger tanken kann, weil der Sprit dort etwas billiger ist, dann aber durch Frankreich fahren muss, wo er wieder, und zwar zu französischen Preisen, tanken muss, weil er nicht mit einer Tankfüllung durch Frankreich kommt. Dann fährt er durch die Niederlande, wo er zu niederländischen Preisen tanken muss, die durchaus höher als bei uns sind. Dafür erhält er auch keine Rückvergütung. Dann kommt er durch Deutschland, wo der Sprit billiger ist, dann durch Dänemark, wo er wieder teurer ist. Das heißt, bei einem LKW-Fahrer, der im internationalen Raum unterwegs ist, gleicht sich das aus, weil er naturgemäß zwischendurch immer wieder tanken muss. ({0}) Im grenznahen Bereich ist es in der Tat so, dass ein Transportunternehmer mit einer Tankfüllung, die er zu Hause billig erworben hat - das kann eigentlich nur in Luxemburg sein, denn sonst ist es im grenznahen Bereich nirgendwo billiger als bei uns -, zum Beispiel einem Transportunternehmer aus Trier Konkurrenz machen kann. Aber der Transportunternehmer aus Trier fährt vielleicht einen kleinen Umweg über Wasserbillig und tankt in Luxemburg. Daran können wir ihn nicht hindern. Das heißt, im grenznahen Bereich kann es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen, aber im internationalen Verkehr müssen sich die Unterschiede bei den Spritpreisen logisch ausgleichen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Meister, bitte sehr.

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretä- rin, ich möchte auf das Stichwort Unterglasbaubetriebe zurückkommen, zu denen vorhin der Kollege Hauser et- was gefragt hat. Sie haben dankenswerterweise gesagt, dass bei der Bundesregierung geprüft wird, ob dort eine Hilfestellung gewährt werden soll. Wir haben jetzt die letzte Sitzungswoche dieses Jahres. Wir wissen, dass die Unterglasbaubetriebe gerade jetzt in einer Extremsitua- tion sind, dass ihnen das Wasser bis zum Halse steht. Des- halb ist meine Frage: Bis wann können wir denn damit rechnen, dass die Bundesregierung ihre Prüfung ab- geschlossen hat und tatsächlich ein Hilfsprogramm für die Unterglasbaubetriebe vorgelegt wird? In dem Zusammenhang können Sie vielleicht auch eine kurze Erläuterung geben, ob es sich dabei um eine tatsäch- liche Hilfe handeln wird oder ob es um langfristige Maß- nahmen geht, bei denen eine Umrüstung in Richtung öko- logischer Verbesserung angestrebt wird, was dann keine tatsächliche Hilfestellung in der aktuellen Notlage wäre, sondern lediglich ein langfristiges Programm zur Steige- rung der Energieeffizienz. Handelt es sich also um ein Programm, das aus der aktuell schlechten Wettbewerbssi- tuation heraushelfen soll?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Meister, wie Ihnen vielleicht bekannt ist, hat dieser Deutsche Bundes- tag im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haus- haltes in der vergangenen Woche im Rahmen des Einzel- plans 10 Hilfen für die Unterglasbaubetriebe bereit- gestellt, und zwar - zum Teil so, wie Sie es gerade ange- sprochen haben - jeweils 15 Millionen DM für das nächste und das übernächste Jahr zugunsten von Energie- sparinvestitionen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten- schutzes“ sowie darüber hinaus jeweils 10 Millionen DM für das nächste und das übernächste Jahr als Zinsverbilli- gungsprogramme für Betriebskredite, die sozusagen über die aktuelle Not hinweghelfen sollen. Die Bedingungen dafür werden gerade im Bundeslandwirtschaftsministe- rium ausgearbeitet. Daneben stehen Programme der Deut- schen Siedlungs- und Landesrentenbank zur Verfügung, zum Beispiel für Jungbauern - wobei der Begriff des Jungbauern in der Landwirtschaft etwas weiter gefasst ist, als man das allgemein annimmt; das sind nicht nur die bis 25-Jährigen, sondern nach meiner Kenntnis auch noch 40-Jährige; ich weiß es nicht genau. Dies ist also schon beschlossen und wird unmittelbar zu Beginn des Jahres 2001 wirksam. Die Bundesregierung prüft daneben, ob noch weitere Hilfestellungen notwendig sind. Dieser Prüfungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Aber ich darf darauf hin- weisen, dass die Maßnahmen, die ich Ihnen gerade vor- getragen habe, schon durch den Deutschen Bundestag verabschiedet worden sind - leider nicht mit Ihrer Zu- stimmung; denn Sie haben dem Einzelplan 10 nicht zuge- stimmt. Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]:Wir hatten ja ein bisschen mehr gefordert!)

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 16 der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt auf: Wie rechtfertigt die Bundesregierung die steigenden Belastungen durch die Ökosteuer, insbesondere für Familien im ländlichen Raum, die im Alltag keine Alternative zum Auto haben? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Hasselfeldt, in der Diskussion über die ökologische Steuerreform wird oft behauptet, die Bewohner des ländlichen Raums seien von der Mineralölsteuererhöhung finanziell stärker betroffen als die Bewohner in städtischen Regionen, da sie längere Fahrtwege zurückzulegen und damit höhere Kosten für den Kraftstoffverbrauch zu tragen hätten. Untersuchungen haben aber ergeben, dass höhere Fahrleistungen weniger im ländlichen Raum, sondern eher in den Ballungsgebieten anfallen. Hier sind auch der Motorisierungsgrad und - wegen der größeren Verkehrsdichte - der Kraftstoffverbrauch höher als in typisch ländlichen Gebieten. Eher trifft das Argument zu, dass die im ländlichen Raum vorherrschende Unterversorgung mit Angeboten des öffentlichen Personennahverkehrs - kurz: ÖPNV - zu Benachteiligungen führt, weil die ländlichen Bewohner dadurch, anders als in städtischen Regionen, kaum Alternativen zum Auto haben. Dies gilt vor allem für Fahrten außerhalb des Berufsverkehrs und abseits der Schienenstrecken. Damit steht die Bundesregierung vor dem Resultat der verfehlten Verkehrspolitik der Vorgängerregierung, die den motorisierten Individualverkehr völlig einseitig bevorzugt hatte. Für den ÖPNV sind die Länder zuständig. Diese erhalten durch das Regionalisierungsgesetz allein im Jahr 2000 rund 13 Milliarden DM aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes. Nach einem im Benehmen mit den Ländern vergebenen Gutachten der WIBERA sind die nach diesem Gesetz geleisteten Beiträge mehr als ausreichend bemessen. Zudem erhalten die Unternehmen des ÖPNV eine Erstattung der Mineralölsteuer und einen ermäßigten Stromsteuersatz. Die bevorstehende Einführung einer verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale wird ebenfalls dazu beitragen, die Attraktivität des ÖPNV nicht zuletzt zugunsten der Bewohner des ländlichen Raums zu erhöhen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin, bitte sehr.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, in Ihrer Koalitionsvereinbarung ist enthalten - und zwar ziemlich wörtlich, - dass die Entscheidungen über die Ökosteuer immer vor dem Hintergrund der generellen konjunkturellen Entwicklung und der Preisentwicklung zu treffen sind. Wenn Sie nun die Entwicklung des Preises des Mineralöls und des Heizöls unabhängig von der Steuer betrachten, dann müssten Sie eigentlich daraus die Konsequenz ziehen, wenigstens die weiteren Stufen bei der Ökosteuer auszusetzen. Sind Sie dazu bereit?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Hasselfeldt, die Bundesregierung, vertreten durch unterschiedlichste Mitglieder der Bundesregierung, hat Ihnen und Mitgliedern Ihrer Fraktion nunmehr seit mehreren Wochen versucht klarzumachen, dass dies nicht zielführend sein kann. Dies führte nämlich dazu, dass der Spielraum für Preiserhöhungen vonseiten der Ölkonzerne größer würde. Wir können es ja täglich an den Tankstellen erleben: Einmal geht es 3 Pfennig hinauf und dann wieder 3 Pfennig hinunter. Wenn wir die nächste Stufe der Ökosteuer aussetzen würden, dann wäre dies überhaupt keine Gewähr dafür, dass nicht gleichwohl in der folgenden Woche die Preise um 8, 10 oder 12 Pfennig steigen, vielleicht aber auch um 7 Pfennig sinken würden. All dies ist denkbar, weil im Rahmen der Preisentwicklung die steuerliche Frage nur peripher ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, gehe ich dann recht in der Annahme, dass das, was in Ihrer Koalitionsvereinbarung steht, nur weiße Salbe ist?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Hasselfeldt, ich glaube nicht, dass man das, was man auf Papier druckt, als weiße Salbe bezeichnen kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt möchte Kollege Ronsöhr eine Zusatzfrage stellen. Bitte sehr.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da die Entwicklung des ländlichen Raumes sehr stark von Unterglasbetrieben im Gartenbau abhängt, möchte ich zum Gartenbau eine Frage stellen. Sie haben soeben gesagt, dass sich die Regierung noch in einem Diskussionsprozess dahin gehend befindet, ob es weitere Hilfen für den Gartenbau geben wird. Müsste man nicht jetzt schnell entscheiden? Denn die hohen Energiekosten für den deutschen Unterglasgartenbau entstehen im Winter und nicht im Sommer. Wenn man den Gartenbaubetrieben helfen will, dann müsste man ihnen in diesem Winter helfen. Könnten Sie sich die Regelung vorstellen - eine solche ist zumindest in Gartenbaukreisen andiskutiert worden -, den Gartenbaubetrieben eine Befreiung sowohl von der Ökosteuer, die 4 Pfennig ausmacht, als auch von der Steuer auf Heizöl, die noch einmal 8 Pfennig beträgt, zu gewähren, um zumindest hier zu einer Entlastung zu kommen? Dies ist umso wichtiger, als die Niederländer zurzeit weitere entlastende Maßnahmen für den niederländischen Gartenbau beschlossen haben. In den Niederlanden ist sowieso schon eine Entlastung erfolgt; weitere entlastende Maßnahmen sind jetzt hinzugekommen. Finden Sie nicht, dass die Bundesregierung im Interesse der Erhaltung des Unterglasgartenbaus in Deutschland jetzt umfassend und sehr schnell handeln müsste?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das war an sich eine Zusatzfrage zu Frage 15, Frau Staatssekretärin. ({0}) Bitte sehr.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Sie haben den Schlenker gut gefunden, das ist keine Frage. Herr Kollege Ronsöhr, ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen schon tätig geworden sind. ({0}) Im gerade für das Jahr 2001 verabschiedeten Haushalt haben wir schon Hilfen für die Unterglasbetriebe vorgesehen. An dieser Stelle ist das eigentliche Problem in der Tat die Wettbewerbsverzerrung durch die Niederländer. Das liegt aber, wie ich Ihnen gerade schon gesagt habe, an vergünstigten Gaspreisen. ({1}) - Nein, das ist nicht wahr. Die Preise sind so niedrig, wie sie sind. ({2}) Sie sind nicht ausdrücklich genehmigt, aber sie sind bis inklusive 2002 nicht durch die Europäische Kommission beanstandet worden und betragen nach meinem Kenntnisstand umgerechnet rund 33 Pfennig pro Kilowattstunde Gas. ({3}) Darin liegt der eigentliche Wettbewerbsvorteil. Dieses Problem greifen wir auf europäischer Ebene auf, weil wir dafür sorgen wollen, dass dieser Wettbewerbsvorteil jedenfalls nicht über das Jahr 2002 fortbesteht. Gleichwohl ist sich die Bundesregierung der schwierigen Lage der Unterglasbetriebe bewusst. Ich kann aber nicht versprechen, dass wir etwa auf jegliche Besteuerung der Heizstoffe verzichten. Ich glaube, dass Sie diese Forderung auch nicht ernsthaft aufstellen. ({4}) - Wenn Sie die ernsthaft meinen sollten, Herr Ronsöhr, dann scheinen Sie als Abgeordneter der Bundesrepublik Deutschland in der Tat einen Mangel an Verantwortungsbewusstsein zu pflegen. ({5})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Sie haben nicht mehr das Wort. Jetzt hat der Kollege von Klaeden eine Zusatzfrage zur Frage 16 der Kollegin Gerda Hasselfeldt. Bitte sehr.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte auf das Argument der Frau Staatssekretärin eingehen, dass ein Aussetzen der Ökosteuer dazu führen würde, dass die Mineralölpreise steigen würden. Frau Staatssekretärin, müssten Sie dann nicht logischerweise Mehrwertsteuer auf Mieten erheben, damit die Mieten in Deutschland sinken? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege von Klaeden, ich habe Ihnen gerade gesagt, dass sich die Preisentwicklung völlig unabhängig von der Steuerentwicklung so oder so gestalten kann. Ich habe darauf hingewiesen, dass es sogar sein könnte, dass nach einer Erhöhung der Ökosteuer anschließend die Preise sinken, wenn sich die Weltmarktpreise entsprechend entwickeln. Ich habe nicht gesagt, dass es auf jeden Fall zu einer Erhöhung kommen müsste. ({0}) Vielmehr habe ich gesagt, es gebe Spielraum für zusätzliche Steuererhöhungen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Hauser eine Zusatzfrage.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade davon geredet, dass der öffentliche Personennahverkehr entlastet werden würde. Können Sie uns mitteilen, wie hoch die Belastung durch die Stromsteuer ist, damit dem Eindruck entgegengewirkt werden kann, dass es sich um eine Entlastung handele? Es ist nämlich vielmehr eine Belastung.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hauser, die Frage kann ich Ihnen aus dem Kopf leider nicht beantworten; ich werde die Antwort aber nachreichen. Jedenfalls ist bei der Stromsteuer ein reduzierter Satz für den öffentlichen Personennahverkehr eingeführt worden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Bulling-Schröter eine Zusatzfrage. Bitte sehr.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, wie ich mitbekommen habe, fordert die CDU/CSU die Abschaffung der Ökosteuer, mit der die so genannten Lohnnebenkosten gesenkt werden. Können Sie mir sagen, in welcher Höhe die Rentenbeiträge erhöht werden müssten, wenn die Ökosteuer sofort abgeschafft würde?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Wenn die Ökosteuer sofort abgeschafft würde, müssten die Rentenbeiträge in diesem Jahr sofort wieder um 1 Prozentpunkt und im nächsten Jahr um 1,2 Prozentpunkte erhöht werden. Diese Zahlen entsprechen genau den Senkungen, die wir durch die Ökosteuer haben herbeiführen können.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommen wir zur Frage 17 des Abgeordneten Hauser: Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Verfassungsbeschwerden gegen die Ökosteuer beim Bundesverfassungsgericht anhängig sind und welche Regelungen jeweils kritisiert werden? Frau Staatssekretärin, bitte sehr.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hauser, der Bundesregierung sind vom Bundesverfassungsgericht bislang drei Verfassungsbeschwerdeverfahren zur Stellungnahme zugeleitet worden. Die Verfassungsbeschwerden wenden sich gegen die §§ 2, 25 und 25 a des Mineralölsteuergesetzes sowie gegen die §§ 3, 5 Abs. 1, 9 Abs. 3 und 10 Abs. 1 und 2 des Stromsteuergesetzes.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich habe die Frage deshalb gestellt, weil mir eine Information vorliegt, in der es heißt, dass es nach Angaben des Bundesverfassungsgerichtes derzeit zehn Klagen gegen die Ökosteuer gibt. Ich möchte Sie deshalb bitten, Ihre Antwort zu überprüfen. Sind Sie weiterhin in der Lage, mir zu sagen, wie viele Verfahren vor Finanzgerichten anhängig sind?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hauser, ich kann hier nur eine Aussage zu den Verfahren machen, zu denen die Bundesregierung eine Stellungnahme vornehmen soll. Das sind die drei von mir genannten Verfahren. Wenn es weitere Verfahren gäbe, würde das möglicherweise durch die Presse mitgeteilt. Ich weiß nicht, woraus Sie zitieren. Der Bundesregierung liegen gesicherte Erkenntnisse über verfassungsgerichtliche Verfahren erst dann vor, wenn sie uns vom Bundesverfassungsgericht zur Stellungnahme zugeleitet werden. Insofern kann ich Ihnen nicht mehr sagen als das, was ich Ihnen über die drei Verfahren gesagt habe. Ob und, wenn ja, wie viele Verfahren bei den Finanzgerichten anhängig sind, kann ich natürlich nicht sagen. Das müsste ich über eine Erhebung in den Ländern klären lassen. Ich weiß nicht, ob das tatsächlich Ihrer Intention entspricht. Dazu müsste die Bundesjustizministerin ihre Länderjustizministerkollegen darum bitten, dass diese sich bei den Finanzgerichten erkundigen, welche Verfahren anhängig sind. ({0}) Wenn Sie als Abgeordneter darauf bestehen, müssten wir diesen Weg beschreiten. Ich weiß nicht, ob es tunlich ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Hauser.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich habe nicht danach gefragt, wie viele Verfahren anhängig sind, zu denen Sie eine Stellungnahme abgeben sollen, sondern danach, wie viele Verfahren es gibt. Ich frage Sie: Sind Sie bereit, sich noch einmal damit zu beschäftigen, um uns eine detaillierte Angabe darüber zu geben, wie viele Verfahren anhängig sind und was Gegenstand dieser Verfahren ist? Zu den Finanzgerichten: Jedes Finanzgericht veröffentlicht die Zahl der anhängigen Verfahren. Es wäre mit Sicherheit keine Riesenaufgabe, das entsprechend zu eruieren. Ich frage Sie: Sind Sie bereit, diese Informationen einzuholen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hauser, ich habe Ihnen gerade schon gesagt: Gesicherte Erkenntnisse über verfassungsgerichtliche Verfahren erhält die Bundesregierung erst dann, wenn ihr diese vom Bundesverfassungsgericht zur Stellungnahme zugeleitet worden sind. Deswegen kann ich mich gesichert nur zu den drei Verfahren äußern, die ich gerade angesprochen habe; denn zu diesen ist die Bundesregierung zur Stellungnahme aufgefordert worden. Sie sagen, dass es Pressemitteilungen gibt, die andere Zahlen nennen. Vielleicht könnten Sie mir die Quelle nennen, aus der Sie zitieren und die davon ausgeht, dass es mittlerweile zehn Verfahren gibt. Wir können uns dann beim Bundesverfassungsgericht sachkundig machen. Bis jetzt haben wir eine gesicherte Erkenntnis über drei Verfahren. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Im Übrigen sind das Verfahren, die in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Die Gegenstände habe ich Ihnen genannt. Bezüglich der Finanzgerichte werde ich Ihre Frage prüfen. Ich kann Ihnen keine Zusage machen, weil hier das Bundesjustizministerium tätig werden müsste.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir kommen nun zur Frage 18 des Abgeordneten Hauser: Wurde die Bundesregierung zu den oben genannten anhängigen Verfassungsbeschwerden vom Bundesverfassungsgericht schon um Stellungnahme gebeten und, wenn ja, wie lautet diese? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung hat in ihren Stellungnahmen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Vorschriften dargelegt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, halten Sie es für angemessen, dass sich das Bundesfinanzministerium in der Weise über den Bundesfinanzhof äußert, dass als Kommentar zu dem vorliegenden Schreiben des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht einfach gesagt wird: Es handelt sich hier um eine „unmaßgebliche Meinung des Bundesfinanzhofs“?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich würde das Wort „unmaßgeblich“ nicht benutzen. Aber es handelt sich in der Tat um eine Meinungsäußerung des Bundesfinanzhofs, die keine Urteilskraft hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Ronsöhr auf: Bestätigt die Bundesregierung die Aussage des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Karl-Heinz Funke, dass Landwirte von der Ökosteuer ab kommendem Jahr nicht mehr betroffen seien? Ich habe den Eindruck, dass die Frage nach der Ökosteuer allmählich ausgelotet ist. Gleichwohl bitte ich Sie, Frau Staatssekretärin, zu antworten.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Aussage von Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke bezog sich ausschließlich auf den in der Land- und Forstwirtschaft verwendeten Dieselkraftstoff. Der für Agrardiesel festgesetzte Steuersatz von 57 Pfennigen je Liter liegt 5 Pfennige je Liter unter dem Mineralölsteuersatz, der vor dem Einstieg in die ökologische Steuerreform Anfang 1999 allgemein gegolten hat. Der Mineralölsteuersatz betrug zum 1. Januar 1999 62 Pfennige je Liter. Mit der Festschreibung des Steuersatzes für Agrardiesel ist die Landund Forstwirtschaft daher von der Ökosteuer auf Kraftstoffe nicht betroffen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie - ich frage noch einmal, weil Sie jetzt wieder mit dem allgemeinen Steuersatz gekommen sind - bereit, zu bestätigen, dass der Steuersatz für die Landwirtschaft bis 1999 21 Pfennige je Liter betragen und sich nunmehr auf 57 Pfennige je Liter erhöht hat, sodass die Belastung für die Landwirtschaft dann, wenn es dabei bleibt, doppelt so stark ist wie die allgemeine Belastung durch die Ökosteuer? Wie man angesichts dessen immer von einem „Ausstieg“ aus der Ökosteuer reden kann, kann ich bis heute nicht nachvollziehen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Ronsöhr, wie Sie wissen, ist die Gasölverbilligung eine Subvention gewesen, die aus dem Haushalt des Bundeslandwirtschaftsministeriums geleistet worden ist und die tatsächlich dazu gedient hat, die Mineralölsteuer auf Dieselkraftstoffe in der Landwirtschaft auf 21 Pfennige je Liter zu senken. Der Steuersatz betrug damals naturgemäß 62 Pfennige je Liter. Früher war er auch einmal niedriger; aber Sie haben ihn während Ihrer Regierungszeit ordentlich erhöht. ({0}) In der Tat ist der Steuersatz für in der Landwirtschaft verwendete Dieselkraftstoffe durch Subventionen wieder gesenkt worden. Wir schaffen jetzt einen steuerlichen Tatbestand, der dazu führt, dass die Landwirtschaft - ich räume das ein - zwar nicht 21 Pfennige je Liter, aber 57 Pfennige je Liter zahlen muss. Dieser Steuersatz ist um 5 Pfennige niedriger als der allgemeine Mineralölsteuersatz vor der Einführung der Ökosteuer. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, wollen Sie noch eine zweite Zusatzfrage stellen? ({0}) - Dann kommen wir jetzt zur Frage 20 des Kollegen Ronsöhr: Bei wie viel Prozent der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland wird aufgrund der Überschreitung der Sockelbeträge bei Strom sowie bei Heizöl/Gas der Steuersatz reduziert?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Im Sektor Landwirtschaft übersteigen circa 10 bis 12 Prozent der Betriebe die Sockelbeträge der Ökosteuer und kommen somit in den Genuss der reduzierten Steuersätze auf Heizöl, Gas und Strom.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie bereit, anzuerkennen, dass der Steuersatz erst dann auf 20 Prozent reduziert wird, wenn die Sockelbeträge schon zu 100 Prozent entrichtet worden sind, und dass das insbesondere kleine strukturierte Betriebe und damit das Handwerk und die Landwirtschaft belastet? Diese müssen erst einmal 100 Prozent zahlen und kommen erst dann in den Genuss der Reduzierung auf 20 Prozent. Sind Sie bereit, das anzuerkennen, und können Sie die von mir gestellte Frage bitte richtig beantworten?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Ronsöhr, ich bin bereit, anzuerkennen, dass eine Sockelbetragsregelung, die der Verwaltungsvereinfachung dient und die - ich muss die Zahl einmal nennen - zu Mehrkosten in Höhe von maximal 2 000 DM pro Jahr führen kann, nämlich 1 000 DM für Strom und noch einmal 1 000 DM entweder für Gas oder Heizöl, in der Tat bei kleinen Betrieben zu einer Zusatzbelastung führen kann - egal ob dies landwirtschaftliche oder andere kleine Betriebe sind und sich erst danach der reduzierte Steuersatz auswirkt. Diese Regelung dient letztlich dazu, dies verwaltungsmäßig überhaupt noch handhaben zu können, wobei eine Belastung in Höhe von 2 000 DM im Jahr eine durchaus überschaubare Belastung ist. Wenn man bedenkt, dass diese Ausgaben natürlich auch in die Betriebskostenberechnung einfließen und sich somit gewinnmindernd auswirken, sieht man, dass diese Belastung in Höhe von 2 000 DM je nach dem persönlichen Steuersatz des Betriebsinhabers gemindert wird. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Ronsöhr, Sie haben keine Zusatzfrage mehr. Ich habe genau darauf geachtet. ({0}) - Ja, Sie können dessen sicher sein. Jetzt kann der Kollege Hirche eine Zusatzfrage stellen. Bitte sehr.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, welches ist der tiefere Grund dafür, dass alle kleinen Betriebe die Sockelbeträge erst zu 100 Prozent entrichten müssen, aber bei den größeren Betrieben die Reduktion auf bis zu 20 Prozent des Sockelbetrages direkt vorgenommen wird, und Sie somit den Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft begünstigen? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hirche, ich glaube nicht, dass dies wesentlich mit dem Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft, sondern wesentlich mit der Art und Weise der Produktion zu tun hat. ({0}) Als wir uns darüber unterhalten haben, dass es wohl notwendig wäre, auch die Landwirtschaft so wie das produzierende Gewerbe im Rahmen der Ökosteuer mit einem reduzierten Satz zu versehen, haben alle sachkundigen Menschen aus dem Bereich Landwirtschaft mir gesagt: Im Wesentlichen werden davon selbstverständlich die Gartenbaubetriebe, die eben schon genannten Unterglasbetriebe, profitieren, weil sie naturgemäß sehr hohe Energiekosten haben. Es wird möglicherweise noch bei den Schweinezüchtern der Fall sein, weil die eben auch relativ hohe Stromkosten haben. ({1}) Im Übrigen ist es von der Produktion abhängig, wie viel Strom, Gas oder Heizöl denn überhaupt verbraucht wird. Sie können nicht einfach sagen: Das eine sind die kleinen und das andere sind die großen Betriebe. ({2}) Es kommt auf die Art der Produktion innerhalb der Landwirtschaft an.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt kämen wir eigentlich zur Frage 21 der Kollegin Wöhrl. Sie telefoniert gerade mit dem Handy, was ich schon mal nicht gut finde. Ich habe auch irgendwo ein Handypiepen gehört. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir waren uns einig, dass wir das Handy hier nicht benutzen wollen. ({0}) Nun rufe ich die Frage 21 der Kollegin Wöhrl auf: Hält es die Bundesregierung für vereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, dass ein Handelsunternehmen - zum Beispiel ein Baumarkt - die Ökosteuer zu 100 Prozent zahlen muss, obwohl es zum Teil dieselben Produkte herstellt wie ein Industriebetrieb, der nur 20 Prozent der Ökosteuer zahlen muss? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung hält es mit dem Gleichheitsgrundsatz für vereinbar, dass Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Gegensatz zu Handelsunternehmen einem ermäßigten Ökosteuersatz unterliegen. Bei Unternehmen, die körperliche Waren herstellen, besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass die Erhöhung der Energiesteuern zu höheren Produktionskosten und damit zu einer Verschlechterung der internationalen Wettbewerbssituation führt. Einem vergleichbaren, durch Energiesteuern verursachten Wettbewerbsdruck unterliegen Handelsunternehmen in der Regel nicht. Die Unterscheidung zwischen Unternehmen, die Güter produzieren, und anderen Unternehmen ist nur auf der Grundlage einer generalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise durchführbar. Der Gesetzgeber durfte daher für die Anwendung der Steuerbegünstigung auf den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens abstellen und solche Bereiche unberücksichtigt lassen, die nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Die Zulässigkeit von generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Regelungen hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen anerkannt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Dagmar G. Wöhrl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002829, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, dass die Ökosteuer weder öko noch logisch ist, ist nicht nur meine Auffassung. Ich glaube, da bin ich nicht die Einzige. Teilen Sie die Auffassung, dass das vorgeschobene ökologische Motiv, nämlich die Menschen durch die Energieverteuerung zum sparsamen Umgang mit Energie zu erziehen, durch die Ermäßigungsregelung ad absurdum geführt wird?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Wöhrl, ich teile diese Auffassung nicht.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Dagmar G. Wöhrl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002829, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die erste Korrektur, die Sie an Ihrem ursprünglichen Ökosteuerkonzept vorgenommen haben, war die Ermäßigungsregelung. Die zweite Korrektur soll jetzt in Form einer komplizierten, nach Entfernung und Verkehrsmitteln differenzierten Entfernungspauschale kommen. Das alles sind Maßnahmen von Ihrer Seite aus, um nur die Ökosteuer nicht zurücknehmen zu müssen. ({0}) Es stellt sich die Frage, ob Ihr steuerpolitisches Motto ist, je komplizierter, desto besser, oder meinen Sie nicht auch, dass unser gemeinsames Ziel ein einfacheres Steuerrecht ist?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Wöhrl, das, was Sie als erste Korrektur bezeichnet haben, ist von Anfang an integraler Bestandteil des Ökosteuergesetzes gewesen. ({0}) Wir haben von Anfang an das produzierende Gewerbe von den größten Teilen der Belastung ausnehmen wollen, weil es in besonderer Weise dem internationalen Wettbewerb unterliegt. Das ist keine irgendwie geartete Korrektur. Ich darf auch zurückweisen, dass das, was wir im Zusammenhang mit der Entfernungspauschale und dem einmaligen Heizölkostenzuschuss nunmehr zugunsten der Bürgerinnen und Bürger tun, im Kern etwas mit der Ökosteuer zu tun hätte. Im Kern hat es mit den explodierten Preisen zu tun. Ich habe das eben diesem Hohen Hause am Beispiel der Heizölbesteuerung schon einmal klargemacht. Es geht in dem Zusammenhang nicht um die Ökosteuer, sondern es geht darum, die Menschen, die sich nicht haben vorbereiten können auf die so explodierten Preise, wenigstens für ein Jahr in gewisser Weise von diesen hohen Preisen zu entlasten. Natürlich nicht vollständig; das wäre auch unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten und unter den Gesichtspunkten der haushaltswirtschaftlichen Notwendigkeiten und der haushaltswirtschaftlichen Vernunft nicht möglich. Insofern glaube ich nicht, dass Sie etwa der Steuerpolitik der Bundesregierung vorwerfen könnten, sie sei nicht stringent.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt die Frage 22 der Kollegin Dagmar Wöhrl: Ist die Bundesregierung der Meinung, dass es bei Dienstleistungen, wie zum Beispiel Verkehr, Handel, Beherbergungsgewerbe, keinen internationalen Wettbewerb gibt, vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung die Ermäßigungsregelung für das produzierende Gewerbe damit begründet, dass diese Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung bestreitet nicht, dass es in einzelnen Bereichen der genannten Wirtschaftszweige einen internationalen Wettbewerb geben kann. Die Energiesteuern auf Heizstoffe und Strom dürften die Wettbewerbssituation dieser Sektoren in aller Regel jedoch nicht wesentlich beeinflussen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Dagmar G. Wöhrl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002829, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich bin froh, dass Sie anerkennen, dass es hier zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Es liegt auch auf der Hand und es ist Tatsache, dass Gütertransporte immer mehr von ausländischen Firmen anstelle von deutschen Unternehmen durchgeführt werden. Sie aber glauben, dass hohe Kraftstoffpreise und die hohe Steuerlast dazu führen werden, dass zukünftig immer mehr Transporte von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Frage: Glauben Sie wirklich daran? Haben Sie einen konkreten Nachweis dafür, dass die Nachfrage nach Gütertransporten auf der Schiene aufgrund dieser Tatsache in den letzten Monaten zugenommen hat?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Wöhrl, ich bin über die aktuelle Güterverkehrsstatistik nicht informiert. Ich werde aber dafür Sorge tragen, dass Ihnen das Bundesverkehrsministerium diese Frage nachträglich beantwortet.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Dagmar G. Wöhrl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002829, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Dienstleistungswirtschaft ist sehr stark durch die Ökosteuer belastet, aber auch die privaten Haushalte müssen die Ökosteuer größtenteils in vollem Umfang zahlen. Die Ökosteuer ist als Verbrauchsteuer unabhängig vom Einkommen, wie Sie wissen, und Familien mit Kindern verbrauchen mehr Energie als Familien ohne Kinder. Würden Sie mir vor diesem Hintergrund zugestehen, dass die Ökosteuer extrem unsozial ist?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Wöhrl, alle Verbrauchsteuern haben wie der Name schon sagt, die Tendenz, beim Verbrauch anzusetzen. Das ist zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer nicht anders; das wissen Sie. Da waren Sie zu Ihrer Regierungszeit immer recht schnell bei der Hand, für Erhöhungen zu sorgen. Weil die Mehrwertsteuer auf alle Produkte erhoben wird, hat das natürlich das Leben insbesondere für Familien deutlich mehr beeinflusst, also teurer gemacht, als es durch die zusätzliche Belastung aufgrund der Ökoölsteuer geschieht. ({0}) Es ist natürlich auch nicht so, dass mit der Zahl der Kinder der Energieverbrauch exponentiell steigt. Bei einer Familie mit, sagen wir, einem, zwei oder drei Kindern werden Sie davon ausgehen können, dass sie in der Regel alle mit einem Elternteil oder mit beiden Elternteilen in einem Auto unterwegs sind. Sie sind nicht in zwei Autos unterwegs. Was die Heizenergie angeht, ist es zweifellos anders. Bei einer größeren Wohnfläche muss man natürlich mehr heizen. Aber ich hatte Sie darauf hingewiesen, dass wir die Ökosteuer auf leichtes Heizöl im Jahr 1999 nur ein einziges Mal mit 4 Pfennig erhoben haben. Seither hat es in dem Bereich keine Erhöhungsstufen gegeben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Fragen 23 bis 27 werden schriftlich beantwortet. ({0}) Deswegen kommt jetzt die Frage 28 des Kollegen Janovsky: Hält die Bundesregierung es im Rahmen der EU-Osterweiterung für sinnvoll, die Grenzübergänge nach Polen generell zu verbessern, und trifft es in diesem Zusammenhang zu, dass zum Beispiel am Autobahngrenzübergang Ludwigsdorf für ein- und ausreisende Fahrzeuge eine weitere Abfertigungsspur geschaffen werden soll?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Janovsky, die Bundesregierung sieht sich einerseits in der Pflicht, den Warenverkehr über die deutschen Ostgrenzen zugunsten der nationalen Wirtschaft möglichst reibungslos zu gestalten, andererseits aber an diesen Grenzen angesichts des herannahenden Beitritts unserer östlichen Nachbarländer zur EU nur noch die zwingend erforderlichen Haushaltsmittel einzusetzen. Die Bundesregierung beabsichtigt daher, an der Grenze zu Polen nur noch solche Grenzübergänge für den Warenverkehr zu errichten, die bereits völkerrechtlich vereinbart sind. Zur Bewältigung des weiterhin ansteigenden Güterverkehrs sind allerdings die Erweiterung und Modernisierung bestehender Grenzübergänge erforderlich, was unter Einsatz relativ begrenzter Mittel erfolgen kann. Eine solche durch den Verkehrszuwachs erforderlich gewordene Erweiterungsmaßnahme ist die Errichtung je einer weiteren Einlassspur im Eingangsbereich des Autobahngrenzzollamtes Ludwigsdorf in beide Fahrtrichtungen. Deren Errichtung ist im kommenden Jahr vorgesehen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, Herr Kollege.

Georg Janovsky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001017, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist die Fertigstellung dieser Maßnahme auch im nächsten Jahr vorgesehen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich habe von Errichtung gesprochen. Normalerweise bedeutet Errichtung auch Fertigstellung. Gleichwohl will ich mich nicht für den Baufortschritt verbürgen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Janovsky, Sie möchten keine Zusatzfrage mehr stellen? Dann kommt die ebenfalls von Ihnen gestellte Frage 29: Welche Fahrzeug- und Güterarten stehen bei der Verbesserung der Grenzübergänge ggf. im Vordergrund, und für welche Fahrzeug- und Güterarten soll dies zum Beispiel am Grenzübergang Ludwigsdorf gelten? Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Janovsky, die Notwendigkeit von Verbesserungen an den Grenzübergängen besteht insbesondere im Warenverkehr. Auch die Errichtung einer weiteren Zulaufspur auf jeder Eingangsseite am Grenzübergang Ludwigsdorf Autobahn/Jedrzychowice dient einer verbesserten Abfertigung des Warenverkehrs. Die neuen Spuren sind für alle Güter- und Fahrzeugarten, auch für überbreite Schwerlasttransporte, vorgesehen und dienen dazu, stauende LKW schnellstmöglich von der Autobahn auf den Vorstauraum leiten zu können.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Keine Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 30 der Kollegin Eva BullingSchröter auf: Welche Anweisung hat die Bundesregierung dem deutschen Vertreter in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ({0}) zur gestrigen und heutigen Sitzung der EBWE mit auf den Weg gegeben, damit der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 17. Juni 1999, mit dem die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Bundestagsdrucksache 14/1143 angenommen wurde, keine Unterstützung zum Bau der Atomkraftwerke in der Ukraine zu leisten, erfüllt wird? Es klappt also doch noch, Frau Kollegin. Es geht schneller, als wir gedacht haben. Die Frau Staatssekretärin antwortet. Bitte sehr.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin BullingSchröter, das Direktorium der EBWE wird auf Vorschlag des Managements der Bank am 7. Dezember 2000 einen Beschluss zur Finanzierung der beiden ukrainischen Kernkraftwerke K 2 und R 4 fassen. Die Bundesregierung hat den deutschen Vertreter im Direktorium angewiesen, dem Vorschlag des Managements nicht zuzustimmen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Frau Kollegin, bitte sehr.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, hat die Bundesregierung das Gutachten der US-amerikanischen Consulting-Firma Stone & Webster, das für die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung die Grundlage für die Entscheidung über die Kreditvergabe für K 2 und R 4 darstellt, auf sachliche Richtigkeit geprüft?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin BullingSchröter, das kann ich aus eigener Kenntnis nicht beantworten. Ich gehe davon aus, dass es so ist. Aber es ist jedenfalls nicht bis zu meiner Ebene gekommen. Ich wäre auch für eine solche sachliche Prüfung nicht zuständig. Ich nehme an, dass das Gutachten, wenn es dem Bundesfinanzministerium, dem Bundesumweltministerium oder beiden vorliegt, auch auf sachliche Richtigkeit geprüft worden ist. Aber ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, bitte sehr.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Das ist natürlich sehr schade. Ich wollte Sie jetzt fragen, wie die Bundesregierung die Tatsache beurteilt, dass innerhalb des Wirtschaftlichkeitsgutachtens die Auswirkungen des Kursverfalls der ukrainischen Währung für K 2 und R 4 für einen längeren Zeitraum berücksichtigt wurden als für die nicht nuklearen Alternativen zu K 2 und R 4, und wie Sie dazu stehen. Aber gut, Sie kennen das Gutachten nicht.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin BullingSchröter, anhand Ihrer Fragestellung war nicht erkennbar, dass Sie so in die Einzelheiten eines Gutachtens eindringen wollten. Es wäre vielleicht tunlich gewesen, wenn Sie in Ihrer Fragestellung einen kleinen Hinweis darauf gegeben hätten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Vielleicht schreibt sie noch einen Brief an das Ministerium; dann bekommt sie eine genaue Antwort.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Das machen wir natürlich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wenn morgen - das ist ja der 7. Dezember - die Gremien anders entscheiden, als die Bundesregierung möchte, wird die Bundesregierung dann den Beschluss dieses internationalen Gremiums akzeptieren?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hirche, die Bundesregierung hat gar keine andere Möglichkeit, als den Beschluss eines solchen internationalen Gremiums zu akzeptieren. Es gibt nämlich in diesem Gremium kein Vetorecht. Vielmehr verfügt Deutschland analog zu seinem Kapitalanteil an der Bank lediglich über 8,52 Prozent der Stimmen. Insofern kann kein Veto ausgeübt werden. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 31 der Kollegin Eva-Maria Bulling-Schröter auf: Was hat die Bundesregierung unternommen, um weitere Finanzquellen wie etwa Hermes-Bürgschaften und Euratom-Mittel zum Bau der ukrainischen Atomkraftwerke K 2 und R 4 zu verweigern? Das ist die letzte Frage für Sie, Frau Staatssekretärin. Die kriegen wir auch noch hin. Jetzt haben Sie die Gelegenheit zur Antwort.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin BullingSchröter, Hermes-Bürgschaften werden für die Ukraine nicht zur Verfügung gestellt. Die Vergabe von EuratomMitteln liegt in der Kompetenz der EU-Kommission. Die Darlehen werden auf dem Kapitalmarkt aufgenommen. Es handelt sich somit nicht um Gelder aus dem EU-Haushalt oder den Haushalten der Mitgliedstaaten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage? Keine Zusatzfragen mehr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, wie schwierig es ist, eine solche Fragestunde durchzustehen. Ich glaube, wir sollten der Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen herzlich danken. ({0}) Vizepräsidentin Anke Fuchs Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Die Fragen werden alle schriftlich beantwortet. Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Auch da werden alle Fragen schriftlich beantwortet. Nun komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen 46 und 47 werden schriftlich beantwortet. Ist der Kollege Nolting da? ({1}) - Wunderbar. Dann rufe ich seine Frage 48 auf: Auf welcher Rechtsgrundlage basiert die Handlungsweise der Bundesregierung, bei Auslandseinsätzen des Kommandos Spezialkräfte ({2}) auf die vorherige, bzw. in begründeten Ausnahmefällen, auf die nachträgliche Zustimmung des Deutschen Bundestages zu verzichten, und teilt die Bundesregierung meine Befürchtung, dass eine derartige Handlungsweise die Parlamentsarmee Bundeswehr in eine Regierungsarmee verwandelt? Zur Beantwortung steht Frau Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Bitte sehr.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Nolting, jeder Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland bedarf nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 1994 der grundsätzlich vorherigen Zustimmung des Deutschen Bundestages. Das gilt damit auch für Einsätze des Kommandos Spezialkräfte, kurz KSK. Die Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom 19. Juni 1998 und vom 8. Juni 2000 in Verbindung mit dem Beschluss vom 11. Juni 1999 sind nach Auffassung der Bundesregierung die Rechtsgrundlage für den Einsatz von KSK-Kräften in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. In diesen Bundestagsbeschlüssen werden einzelne Kräfte mit bestimmten Fähigkeiten - zum Beispiel Infanterie, Führungs-, Aufklärungs- und Sicherungskräfte sowie mögliche Beiträge zur Einsatzunterstützung definiert, es werden jedoch nicht die einzelnen militärischen Verbände benannt, die in Bosnien-Herzegowina oder im Kosovo eingesetzt werden sollen. KSK-Kräfte mit den entsprechenden Fähigkeiten wurden in der Vergangenheit eingesetzt. Da der Deutsche Bundestag die deutsche Beteiligung an SFOR- und KFOR-Operationen bereits gebilligt hat, muss nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor bzw. nach jedem KSK-Einsatz um seine erneute konstitutive Zustimmung zu einem solchen Einsatz gebeten werden, denn die KSK-Einsätze finden im Rahmen der völkerrechtlich durch VN-Mandat und verfassungsrechtlich durch die genannten Bundestagsbeschlüsse abgesicherten internationalen Friedensmissionen SFOR und KFOR statt. Eine besondere Unterrichtung der Ausschüsse bzw. des Plenums des Deutschen Bundestages war aus rechtlicher Sicht nicht geboten, weil die Operationen von Soldaten der SFOR- und KFOR-Truppen im Rahmen der jeweils gültigen Rechtsgrundlagen durchgeführt wurden und deshalb rechtlich keine Besonderheiten darstellten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, Herr Kollege Nolting?

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wenn wir von einer Parlamentsarmee sprechen, wäre es dann nicht angebracht, wieder zu Verfahren zurückzukehren, die die letzte Regierung praktiziert hatte, dass zum Beispiel die Sprecher des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses zeitnah informiert werden, wie das beispielweise im Fall des Einsatzes von Soldaten in Tirana geschehen ist? ({0})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Nolting, wir haben über dieses Thema schon einmal gesprochen. ({0}) In besonders sensiblen oder wichtigen Bereichen werden die Fraktionsvorsitzenden oder die von den Fraktionsvorsitzenden benannten Vertrauensleute unterrichtet. Dass darüber hinaus der Kreis der Informationsempfänger klein gehalten werden muss, weil sonst bestimmte Zugriffsmöglichkeiten nicht genutzt werden könnten, ist selbstverständlich. Nach Durchführung der Maßnahmen wird bekanntermaßen der Verteidigungsausschuss unterrichtet, der ja ein geschlossener Ausschuss ist. Ich kann deswegen keinen Verstoß erkennen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Nolting? - Bitte sehr.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, halten Sie es für richtig, dass die Mitglieder des Verteidigungsausschusses erst nach einer Woche durch das Ministerium informiert wurden, und zwar auf schriftlichem Weg und zudem in einer nichts sagenden Art und Weise? Halten Sie es weiter für richtig, das Abgeordnete, die wenige Tage nach diesem Einsatz im Ministerium nachfragten, keine Antwort bekommen haben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich habe in diesem Fall mein Verständnis vom Umgang mit dem Parlament nicht verwirklicht gesehen, ({0}) habe Ihnen aber damals schon erklärt: Wir waren an dem Tag, an dem sich die genannten Vorfälle ereigneten, mit Kolleginnen und Kollegen aus demHaushaltsausschuss zusammen. Der Minister hat sofort - ich war bei den Berichterstattergesprächen anwesend - die Kollegen im Haushaltsausschuss von der Zugreifaktion unterrichtet. Vizepräsidentin Anke Fuchs Wir waren dabei in der Phase der Berichterstattung über den Haushalt, sodass der Minister und ich - ich weiß nicht, wem wir dafür die Schuld geben sollten - wohl davon ausgingen, das Parlament würde entsprechend unterrichtet. Wir haben Ihnen versprochen, hier für die Zukunft - ich verspreche Ihnen das auch hier vor dem Parlament Verbesserungen vorzunehmen. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe die Frage 49 des Kollegen Nolting auf: Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben im In- und Ausland nicht Teil des Auftrages der Bundeswehr ist, und wie begründet sie dann die Festnahme von per Haftbefehl gesuchten Verbrechern auf dem Balkan durch das Kommando Spezialkräfte ({0}) anstelle der Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes GSG 9? Was haben Sie denn jetzt zu versprechen, Frau Staatssekretärin?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Vizepräsidentin, ich würde vieles versprechen wollen, aber in diesem Falle ist es natürlich so, dass wir nur gegenüber dem Parlament Verpflichtungen, es zu unterrichten, eingehen. Ja, Herr Kollege Nolting, die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch Angehörige deutscher Streitkräfte auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ist aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Das Grundgesetz sieht eine strikte funktionale Trennung zwischen Polizei- und Streitkräfteaufgaben auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vor. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe wird von der Bundesregierung selbstverständlich beachtet. Polizeiliche Aufgaben können allerdings im Rahmen von Friedensmissionen sehr wohl durch die Streitkräfte wahrgenommen werden, wie insbesondere das Beispiel der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zeigt. Die Wahrnehmung solcher Aufgaben im Rahmen von Auslandseinsätzen gestattet das Grundgesetz in der Vorschrift des Art. 24 Abs. 2. In diesem Falle war das selbstverständlich; denn das Kommando Spezialkräfte war in SFOR und KFOR eingeordnet.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte sehr.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wäre es dann nicht angebracht - auch um Rechtssicherheit zu schaffen -, dass solche Aufgaben in die Beschlussvorlage mit aufgenommen werden, sodass auch das Parlament im Einzelnen darüber informiert ist, was unsere Soldaten dort zu leisten haben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Jetzt stapeln Sie tief, um das freundlich auszudrücken; denn Sie sind jemand, der durch seine lange Zugehörigkeit zum Verteidigungsausschuss eigentlich weiß, dass sich die Spektren der Aufgaben in der aktuellen Situation verändern können, und zwar schnell. Sie wissen natürlich auch, dass die Bundeswehr zeitweilig sogar ein Gefängnis betreiben musste, weil dafür niemand anders zur Verfügung stand. In dem Moment, wo die Bundeswehr in einem Land eingesetzt wird, in dem nicht Recht und Ordnung herrschen und in dem es nicht immer einen erkennbaren Gegner gibt, ist die Wahrnehmung solcher Aufgaben durch die entsprechenden Beschlüsse des Bundestages oder durch die Beschlüsse der UN abgesichert. Ich meine, dass in solchen Situationen Rechtssicherheit gegeben ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Zusatzfrage? - Nein, das ist nicht der Fall. Ich danke Frau Staatssekretärin Brigitte Schulte für die Beantwortung der Fragen. Ich möchte mitteilen, dass die Fragen 36 und 37 des Abgeordneten Klaus Lennartz nach der Geschäftsordnung behandelt und die Fragen 38 und 39 des Kollegen Peter Bleser und die Frage 40 des Kollegen Albert Deß zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schriftlich beantwortet werden. Auch die restlichen Fragen, also die Fragen 50 bis 72, werden schriftlich beantwortet. Damit ist die Fragestunde beendet. ({0}) - Tut mir Leid, Herr Niebel, die Fragestunde ist genau jetzt beendet. ({1}) - Das ist skandalös. Da bin ich Ihrer Auffassung. Aber ich kann es nicht ändern, weil die Fragestunde, wie gesagt, beendet ist. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der PDS Haltung der Bundesregierung zur jüngsten Privatisierung von über 100 000 Eisenbahnerwohnungen Ich darf Sie alle darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit in der Aktuellen Stunde beschränkt ist. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Winfried Wolf für die PDS-Fraktion.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man könnte sich - oberflächlich gesehen - bei dem Thema Eisenbahnerwohnungen damit begnügen, aus der Erklärung des Deutschen Mieterbundes zu zitieren, die die Schlagzeile trägt, dies sei ein schwarzer Tag für die Mieter und Eisenbahner, und in der festgestellt wird, dass es hier um einen allgemeinen Ausverkauf von preiswertem Wohnraum geht, dass das vor dem Hintergrund der allgemeinen Rückführung des sozialen Wohnungsbaus gesehen werden muss und dass unter anderem die Kommunen am Ende dafür blechen werden, weil sie mehr Sozialhilfe und mehr Wohngeld gewähren und entsprechende Belegungsrechte kaufen müssen. So könnte man sagen, dass es im Westen und Osten nicht viel Neues gibt, dass wir es mit einem der größten Verkäufe von Wohnungen zu tun haben, deren Mieten teurer werden, und dass davon 200 000 bis 300 000 Mieterinnen und Mieter betroffen sind, die jetzt im wahrsten Sinne des Wortes eine neue Heimat haben, mit dem ganzen negativen Beigeschmack, den dieser Begriff in Westdeutschland hat. Es ist aber mehr. Es gibt bereits beim Deutschen Mieterbund eine Besonderheit: Die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, Frau Anke Fuchs, hat einerseits die Möglichkeit, in dieser Eigenschaft zu reden, und ist andererseits Mitglied der Koalitionsparteien.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Und nun präsidiere ich auch noch, Herr Kollege. Das habe ich mir gewünscht. ({0})

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe es geahnt, Frau Präsidentin. ({0}) Dies betrifft auch eine Reihe von SPD-Kolleginnen und -Kollegen, unter anderem die Landesgruppe der SPD in Bayern, die sich gegen eine solche Lösung heftig verwahrt und für eine Konsenslösung plädiert hat. Der Landesverband der SPD in Hessen hat Ähnliches gesagt usw. Man kann hier schon das große Wort gebrauchen: Es geht hierbei an die sozialdemokratische Ehre und Substanz. ({1}) Herr Wissmann gab Anfang 1998 bekannt, dass die Eisenbahnerwohnungen verkauft werden würden. Dagegen haben die SPD und die damalige GdED heftig protestiert. ({2}) Im Wahlkampf ist von der SPD deutlich gesagt worden: Wenn wir gewählt werden, wird es nicht zum Verkauf dieser Wohnungen kommen. ({3}) - Ich danke für die Bestätigung von der F.D.P. - Die SPD hat in Briefen an die Mieterinnen und Mieter der entsprechenden Wohnungen zugesichert, dass es zu keinem Verkauf kommen werde. ({4}) Damit wurden in diesem Bereich sicherlich weit mehr als 100 000 Stimmen für die SPD gewonnen bzw. erhalten. Nach der Wahl sieht es anders aus. Man muss nun feststellen, dass alle drei Verkehrsminister, die wir bisher von der neuen Koalition erleben durften, ({5}) sich darin einig waren, dass die Wohnungen verkauft werden sollen, ({6}) dass also in diesem Bereich die CDU/CSU- und F.D.P.Politik fortgesetzt werden soll - trotz eines Alternativmodells, in dem aufgezeigt wurde, wie es ohne Privatisierung gehen könnte, trotz der fortwährenden Forderungen der Gewerkschaft Transnet und sogar angesichts der Tatsache, dass die WCM und Herr Ehlerding, wenn auch in kleinerem Maßstab, als Teilkäufer - Herr Ehlerding wird sich sagen, dass es sich lohnt, Schmiergeld zu zahlen, sogar noch nach einem Regierungswechsel - und die Firma Nomura als Hauptkäuferin auftreten, obwohl SPD-Ministerpräsidenten seinerzeit gesagt haben, dass ein japanischer Käufer wegen der Krise im japanischen Versicherungsgewerbe nicht akzeptabel sei. Wenn uns gleich die Fortschritte beim Mieterschutz vorgeführt werden, dann kann ich schon jetzt nur sagen: Insgesamt ist ganz eindeutig, dass der Verkauf für die Mieterinnen und Mieter einen Negativposten darstellen wird. Ich mache das an zwei Beispielen fest. Zum einen wird es ohne Zweifel zu einer Erhöhung der Mieten kommen. Die „Süddeutsche Zeitung“ rechnet vor, dass es im Extremfall eine Erhöhung von bis zu 50 Prozent in zehn Jahren sein wird. Zum anderen - das ist ganz wichtig gelten alle Vereinbarungen nur für die aktiven oder inaktiven Eisenbahner in diesen Wohnungen, nicht aber für jenes Drittel der Mieterinnen und Mieter, die nicht früher Eisenbahner waren oder jetzt Eisenbahner sind. ({7}) Überhaupt muss man sich klarmachen, dass das Ganze keine Wohltätigkeitsveranstaltung ist, sondern dass privatisiert wird, um Kasse zu machen. Wenn ein Global Player wie Nomura jetzt eine Stiftung einrichtet und an Grünanlagen und Kindergärten denkt, dann gilt das Wort: ein Schelm, der Böses dabei denkt. Letzter Punkt: Ich habe von Wortbruch geredet. Das schien sich nur auf die SPD zu beziehen. Es gilt aber für das gesamte Haus, soweit die Fraktionen für eine Privatisierung in irgendeiner Form eintreten. Als Beleg dafür blende ich zum 2. Dezember 1993 zurück. Damals wurde im Bundestag in Bonn nach der Abstimmung zum Eisenbahnneuordnungsgesetz eine Entschließung einstimmig bei zwei Enthaltungen angenommen, in der unter anderem festgestellt wird: Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die für die Wohnungsversorgung der Mitarbeiter der Eisenbahnen des Bundes, des Bundeseisenbahnvermögens, des Eisenbahn-Bundesamtes sowie der bisher wohnberechtigten inaktiven Eisenbahner und Eisenbahnerinnen benötigten Wohnungen nicht an Dritte veräußert werden. Dieser Wortbruch betrifft also alle Parteien, sofern sie in irgendeiner Form einer Privatisierung zustimmen. Man muss sich nicht über Politikverdrossenheit wundern, wenn so eindeutig gegen frühere Beschlüsse des Bundestages verstoßen wird. Danke schön. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Wolfgang Spanier für die SPD-Fraktion das Wort.

Wolfgang Spanier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002803, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich jetzt mit etwas belegter Stimme spreche, dann liegt das nicht an dem von Herrn Wolf behaupteten Substanzverlust der SPD, sondern ist schlicht jahreszeitlich bedingt. ({0}) Drei Fragen standen bei der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen von Anfang an im Mittelpunkt: Erstens. Bleibt der Charakter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften als betrieblicher Sozialeinrichtungen erhalten oder - anders ausgedrückt - besteht die bisherige Wohnungsfürsorge fort? Die zweite Frage: Sind die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 18 Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften weiterhin gewährleistet? Drittens - sicherlich eine besonders wichtige Frage -: Ist der Schutz der Mieterinnen und Mieter gewährleistet? Nach dem damaligen Stand - 1998, sozusagen Stand Wissmann - mussten wir große Sorgen haben, dass alle drei Fragen nicht positiv beantwortet werden könnten. Das war damals auch die Sorge der SPD-Bundestagsfraktion. Deshalb gab es zu Recht beträchtliche Vorbehalte gegenüber dem, was bis dahin über den möglichen Vertragsabschluss bekannt war. Ich glaube, es ist nicht zuletzt ein Verdienst der Gewerkschaften, die maßgeblich mitgeholfen haben, dass in dem endgültigen Vertragswerk, das heute vorliegt, vieles Positive durchgesetzt werden konnte und dass die Vorbehalte, die damals auch in der SPD bestanden haben - das will ich hier gern zugestehen -, ausgeräumt worden sind. Ich möchte zunächst auf den Charakter der Eisenbahnerwohnungen als betrieblicher Sozialeinrichtung eingehen; das war ja der Kernpunkt, den der Hauptpersonalrat gerichtlich geklärt wissen wollte. Das war der Kernpunkt der Sorge des Hauptpersonalrats. Diese Sorge ist ausgeräumt. Es gibt einen klaren, eindeutigen Bestandsschutz für die Wohnungsfürsorge, eine Bestandsgarantie sämtlicher 18 Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften durch Verbot der Verschmelzung mit anderen Gesellschaften und - ganz besonders wichtig für die Gewerkschaften und auch für uns - die zeitlich unbefristete Einrichtung paritätisch besetzter Aufsichtsräte mit einem Doppelstimmrecht für einen Vertreter des Bundeseisenbahnvermögens. - Ich nenne hier nur die wichtigsten Punkte. Ein dritter wichtiger Punkt ist das Weisungsrecht des Bundeseisenbahnvermögens gegenüber den Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften. Ich glaube, damit ist die erste Frage, die erste Sorge, der erste Vorbehalt geklärt. Zweiter Punkt: Sind die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewährleistet? Auch darauf gibt es eine klare Antwort: ja. Wir haben den notwendigen, ja sogar einen sehr guten Mitarbeiterschutz: unbefristete Beschäftigungsgarantie, unbefristete Fortführung der betrieblichen Altersversorgung, Aufrechterhaltung aller Betriebsvereinbarungen. Auch dies sind nur die wichtigsten Punkte. Ich denke, dass hier im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles das, was nötig und wichtig ist, durchgesetzt werden konnte. Zuletzt zum Mieterschutz: Wir sollten uns in der Diskussion in diesen Wochen - mögen wir auch unterschiedlicher Auffassung sein - davor hüten, die Mieterinnen und Mieter unnötig zu verunsichern. Mit dem Vertragswerk, das heute vorliegt, ist der Mieterschutz wirklich gewährleistet: Begrenzung der Mieterhöhungsspielräume auf 3 Prozent zuzüglich Inflationsrate. Ich denke, dass die rein theoretische Berechnung einer Erhöhung von 50 Prozent in zehn Jahren absurdes Theater ist. Ich muss das hier so deutlich sagen. Dann könnte man genauso gut sagen, dass nach dem Miethöhegesetz in neun Jahren eine 90prozentige Mieterhöhung möglich ist. Hier sollte man nicht Bilder von Entwicklungen an die Wand malen, die fern von jeglicher Realität sind. Damit macht man den Menschen nur Angst. Das ist hier wirklich völlig unberechtigt. ({1}) Einzelvertraglicher Ausschluss von Luxusmodernisierung, Vorzug der Mieterprivatisierung, Vorzugsbedingungen für Mieterprivatisierung 10 Prozent unter dem Marktpreis: Ich glaube, dass hier über den normalen Mieterschutz hinaus - darüber werden wir demnächst ja noch einmal ausdrücklich bei der Mietrechtsreform diskutieren - weit reichende Mieterschutzrechte gewährleistet sind. Deshalb ist es mit dieser Verunsicherungskampagne nicht weit her. Zum Schluss eine Anmerkung zur grundsätzlichen wohnungspolitischen Bedeutung der Privatisierung. Nach meiner Auffassung muss man hier einen deutlichen Unterschied zwischen dem Besitz des Bundes an Geschäftsanteilen und etwa kommunalen Wohnungsunternehmen machen. ({2}) Kommunale Wohnungsunternehmen sind ein ganz wichtiges Instrument der sozialen Wohnungspolitik vor Ort; die Beteiligung des Bundes durch den Besitz von Anteilen an Wohnungsunternehmen hat bei weitem nicht diese Qualität. Deswegen können wir auch aus wohnungspolitischen Gründen zu dieser Veräußerung von Geschäftsanteilen des Bundes guten Gewissens grundsätzlich Ja sagen, erst recht Ja sagen unter den Bedingungen, die jetzt ausgehandelt worden sind. Herzlichen Dank. ({3})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Kollegin Renate Blank für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Bundestagsvizepräsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir Leid, sagen zu müssen: Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen läuft unter dem Motto „Wahlbetrug der SPD“. ({0}) Es handelt sich um eine eiskalte Wählertäuschung der SPD; denn noch im Wahlkampf 1998 haben Sie vollmundig getönt, dass im Fall einer Regierungsübernahme die Eisenbahnerwohnungen nicht verkauft werden. Kurz nach der Wahl war das Versprechen hinfällig und eine totale Kehrtwendung wurde vollzogen. Die Ängste und Nöte der Mieter, deren Sie sich im Wahlkampf so innig angenommen haben, spielen für Sie jetzt keine Rolle mehr. Sie haben die Mieter der Eisenbahnerwohnungen bewusst belogen. ({1}) Auch ist das Bedauern der SPD-Kollegen, insbesondere derjenigen vor Ort, die einen großen Bestand an Wohnungen haben und nun erklären, dass der Verkauf eine große, ja sogar eine schreckliche Enttäuschung für sie sei, pure Heuchelei. Das Vergießen von Krokodilstränen ({2}) soll darüber hinwegtäuschen, dass zu keiner Zeit beabsichtigt war, den Verkauf rückgängig zu machen; denn es war Ihnen schon in Wahlkampfzeiten bestens bekannt, dass es vertragliche Bindungen und Vereinbarungen gibt. Herr Kollege Spanier, Sie hätten Ihre Vorbehalte früher äußern müssen, anstatt im Wahlkampf zu tönen. ({3}) Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie hatten stets die Absicht, die Wohnungen zu verkaufen. Wie sonst hätten SPD-Haushälter kurz nach der Wahl im Jahr 1998 auf die Frage eines CSU-Kollegen, ob der Verkauf der Wohnungen denn nun gestoppt werde, ganz unmissverständlich antworten können: „Was soll die Frage? Die Wohnungen werden selbstverständlich verkauft!“? Sie brauchen die 4,6 Milliarden DM natürlich dringend zur Abführung an das Eisenbahnvermögen. Die von Ihnen nun ausgehandelten Mehreinnahmen von rund 500 Millionen DM, die in den Verkehrshaushalt fließen sollen, gehen eindeutig zulasten der Mieter bzw. der Käufer der Eisenbahnerwohnungen. ({4}) Zudem verschweigen Sie, dass wir in diesen drei Jahren durchaus zusätzliche Einkommen - Zinseinnahmen, Ersparung von Zinszahlungen - gehabt hätten, deren Summe über 500 Millionen DM liegt. ({5}) Heute Morgen hat der Verkehrsminister im Ausschuss auf meine Fragen nach Marktpreisen, einer Einflussnahme des Hauptpersonalrats oder seitens des Bundeseisenbahnvermögens keine Antwort gegeben. Ich hoffe, dass dies nicht der Stil des neuen Verkehrsministers ist. Ich hoffe, dass er lernfähig ist und die Fragen der Abgeordneten in Zukunft etwas ernster nimmt und sie beantwortet. ({6}) Wir haben im Jahr 1997 mit der Deutschen Bahn AG, den Eisenbahnergewerkschaften und dem Hauptpersonalrat beim Bundeseisenbahnvermögen und beim Gesamtbetriebsrat der Deutschen Bahn AG in einer Wohnungsfürsorgevereinbarung vorbildliche Mieter- und Mitarbeiterschutzbestimmungen durchgesetzt, die weit über die Zusagen gegenüber den Personalvertretern hinausgingen. Sie brüsten sich heute, Sie hätten hervorragende soziale Bedingungen durchgesetzt. Wo sind denn Ihre angeblichen Verbesserungen? Sie bestehen doch nur für die Mitarbeiter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften. Die Mieter und die künftigen Käufer werden die Zeche bezahlen müssen. Sie werden mir doch wohl nicht weismachen wollen, dass Sie bei einem höheren Verkaufserlös bessere Bedingungen für Mieter und Käufer hätten erreichen können. Das Gegenteil ist der Fall. ({7}) Zur Erläuterung erwähne ich nur einen Punkt. Was passiert zum Beispiel nach zehn Jahren, wenn die restlichen 80 Prozent der Eisenbahnerwohnungen verkauft werden? Darauf ist der Minister auch heute Morgen die Antwort schuldig geblieben. Über 50 Prozent der Wohnungen werden nun an die japanische Gruppe verkauft. Bei unseren damaligen Vorschlägen waren soziale Gesichtspunkte ein wesentliches Kriterium für die Auswahl der Erwerber. Ich gehe davon aus, dass die Nomura-Gruppe wirtschaftliche Erwartungen hat, die sich durch Mietsteigerungen, Einsparungen bei Instandhaltungen und Instandsetzungen und durch höhere Verkaufspreise der Wohnungen niederschlagen könnten. Frau Bundestagsvizepräsidentin, das sind Ihre Worte als Vorsitzende des Mieterbundes.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das haben Sie gut zitiert, Frau Kollegin.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die schier unendliche Geschichte des Verkaufs der Eisenbahnerwohnungen ist jetzt zu Ende und ein weiterer Wahlbetrug der SPD steht fest. Der Bundeskanzler sollte sich, nachdem er dies bei den Rentnern getan hat, auch bei den Mietern der Eisenbahnerwohnungen entschuldigen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Berninger für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Entscheidend ist doch folgender Punkt: Die Eisenbahnerwohnungen werden für 5,1 Milliarden DM netto verkauft. Das ist eine halbe Milliarde DM mehr, als die alte Regierung ausgehandelt hat. Die Gründe, warum es eine halbe Milliarde DM mehr ist, werden wir sicher heute noch erörtern. Dieses Geld kommt komplett der Bundesbahn zugute. ({0}) Es unterstützt die Bundesbahn bei ihrem Sanierungskurs. Ich sage es hier ganz deutlich: Ich verstehe die Proteste der Gewerkschaften schon aus dem Grund nicht, weil das Geld komplett für die Frühverrentung und für die Absenkung des Defizits beim Bundeseisenbahnvermögen eingesetzt wird. ({1}) Dies führt am Ende dazu, dass die Bahn mehr investieren kann, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn sichere Arbeitsplätze haben. ({2}) Ich freue mich auch deshalb über diesen Abschluss, weil dieses Geld für die Bahnreform sehr dringend nötig ist. ({3}) Ein zweiter wichtiger Punkt: Wenn Sie sich die lange Liste der Rechte der Mieterinnen und Mieter und der Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier ausgehandelt worden sind, ansehen, werden Sie zu dem Schluss kommen, dass es sich eindeutig um eine Besserstellung aller Bewohner der Eisenbahnerwohnungen im Vergleich zum normalen Mieter handelt. ({4}) Es ist insbesondere eine Besserstellung der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in den Wohnungen, und zwar unabhängig davon, in welcher Region jemand eine Wohnung gekauft hat. ({5}) - Nun wird hier dazwischengerufen, es handele sich um eine Verschlechterung des bisherigen Zustandes. Auch das ist nicht richtig. Würden diese Wohnungen im Besitz des Bundes bleiben, wäre er gezwungen - schon, um die Substanz dieser Wohnungen zu erhalten -, Mieterhöhungen vorzunehmen, so wie er das bei anderen Wohnungen im Bundesvermögen, zum Beispiel im GAGFAH-Bereich, tut. Vor diesem Hintergrund ist die getroffene Regelung, ist dieser Verkauf für die Mieter keineswegs schlechter. Sie betreiben hier Augenwischerei; das muss man zurückweisen. ({6}) Nun komme ich zu den sozialen Gesichtspunkten, die meine Vorrednerin angesprochen hat. Ich betrachte es als ziemlich sozial von der alten Bundesregierung, dass sie zum Beispiel der baden-württembergischen Landesentwicklungsgesellschaft die Wohnungen zu einem Schnäppchenpreis verkauft hat. - Allein in Karlsruhe wurden jetzt 5 Prozent der Wohnungen für 60 Millionen DM mehr verkauft, als Sie erzielen wollten. - Das war sehr sozial, aber nicht für die Menschen, für die Mieter, sondern für diese baden-württembergischen Wohnungsgesellschaften. Darüber sollten Sie sich Gedanken machen. Ich denke, es war Zufall, dass der damalige Verkehrsminister und sein Staatssekretär aus Baden-Württemberg kamen. Aber mit Sozialpolitik hatte das mit Sicherheit nichts zu tun. Das war ein Schnäppchen, das war eine Begünstigung. Es war sicher auch sehr sozial von einem der Käufer, nämlich von Herrn Ehlerding, dem Mehrheitsaktionär von WCM, dass er die Union ausgerechnet im Wahljahr mit Spenden in Millionenhöhe bedacht hat, nachdem die Verkaufsentscheidung feststand. ({7}) - Selbstverständlich kann ich das beweisen. Das steht in dem Rechenschaftsbericht, den die Union abgegeben hat. Da hat sie ausnahmsweise einmal die Wahrheit gesagt. Es war die größte Einzelspende in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die Sie bekommen haben. Das mag von Herrn Ehlerding sehr sozial im Sinne der Union gewesen sein, aber die sozialen Interessen der Mieterinnen und Mieter standen bei dieser Entscheidung mit Sicherheit nicht im Vordergrund. Auch das muss man hier festhalten. ({8}) Die Bundesregierung hat in ihren Verhandlungen mit dem neuen Bieterkonsortium erreicht, dass ein fairer Preis für die Wohnungen erzielt wurde - ich habe das geschildert -, im Fall von Karlsruhe beispielsweise ist er um fast 20 Prozent höher als der, der vorher geboten wurde. Aber auch in anderen Fällen wurden höhere Erlöse erzielt. Diese Einnahmen brauchen wir dringend für den Bundeshaushalt. ({9}) Wir setzen sie komplett für die Bahn ein. Die Gewerkschaften sollten die Verantwortung für das Unternehmen Bahn endlich ernst nehmen. Wenn sie gleichzeitig mehr Investitionen, die Absicherung ihrer Besitzstände und gute soziale Bedingungen für den Übergang der Bahn AG in ein wirtschaftlich überlebensfähiges Unternehmen fordern, ist es nicht redlich, sich gegen den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen zu stellen, zumal wir die Rechte der Mieterinnen und Mieter komplett abgesichert haben. Wir haben des Weiteren eine Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften vereinbart. Darüber hinaus haben wir abgesichert, dass diese Wohnungsgesellschaften eben nicht sofort völlig zerschlagen und verkauft werden können, wie hier immer gedroht wird. Es gibt eindeutige Regelungen zum Bestandsschutz für die Nutzer der Wohnungen, zum Beispiel, dass in den nächsten zehn Jahren nur 20 Prozent des Wohnungsbestandes überhaupt verkauft werden können. Ich vertrete nach wie vor die Auffassung, dass die Interessen der Mieterinnen und Mieter durch den Verkauf nicht verschlechtert wurden, sondern dass die Mieterinnen und Mieter am Ende besser dastehen, als wenn der Bund - quasi als arme Verwandtschaft - die Wohnungen weiterhin in seinem Portfolio gehalten hätte. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Dr. Günter Rexrodt das Wort für die F.D.P.-Fraktion.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Versprochen - gehalten“: Mit diesem Motto ist die SPD vor kurzem an die Öffentlichkeit getreten. Man wollte Bilanz über das ziehen, was man versprochen und gehalten hat. Ich stelle aber fest: Ein Jahr lang befanden Sie sich auf einem Schlingerkurs. Dann bekamen Sie durch die Steuerreform Aufwind. Jetzt schlingern Sie aber schon wieder. ({0}) An einzelnen Stellungnahmen erkennt man - das ist richtig bemerkt worden -, dass Sie schon wieder schlingern. Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD hat vor den Bundestagswahlen wörtlich gesagt: „Die SPD lehnt den geplanten Verkauf“ - ich füge hinzu: der Eisenbahnerwohnungen - „entschieden ab.“ ({1}) Es wurden Briefe geschrieben, Reden gehalten und eine Aktionseinheit mit der Gewerkschaft Transnet geschmiedet. Erst wurden die Mieter verängstigt und dann wieder hoffnungsvoll gestimmt. Es hat Prozesse gegeben. Aber zu guter Letzt verkaufen Sie. Dies ist ein Stück aus dem Tollhaus. ({2}) Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin nicht gegen die Privatisierung; ich bin sogar sehr dafür. ({3}) Was soll denn der Bund mit einem riesigen Wohnungsbestand? Ich habe schon Vorbehalte - darüber kann man aber unterschiedlicher Auffassung sein -, wenn das im kommunalen Bereich der Fall ist. Wir haben einen Markt, der durch ein Überangebot an Wohnungen gekennzeichnet ist. Ich bin der Meinung, dass die Mieter in aller Regel bei privaten Eigentümern besser aufgehoben sind, weil diese mehr finanzielle Mittel haben und sich mehr um die Wohnungen kümmern. Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Es ist überhaupt nicht falsch, was Sie da machen. Aber ich muss ebenso deutlich sagen: Sie haben die Wähler hinters Licht geführt. ({4}) Sie haben gesagt, Sie verkaufen nicht. Jetzt aber verkaufen Sie. Immer wenn es um Privatisierungen ging, haben Sie den Privatisierungsprozess prinzipiell infrage gestellt. So war es bei der Privatisierung der Lufthansa, der Telekom und der gelben Post sowie bei der Liberalisierung der Energiemärkte. ({5}) Heute profitieren Sie mächtig von den Privatisierungen, weil dadurch Geld hereinkommt. Herr Berninger, der Verkauf der Wohnungen bringt 5,1 Milliarden DM, die man sehr gut gebrauchen kann. Vorher aber haben Sie den Wählern gesagt: Wir verkaufen nicht. Was für ein starkes Stück leisten Sie sich eigentlich? Was ist mit Ihrem Motto „versprochen - gehalten“? Das ist der entscheidende Punkt. ({6}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung machen. Schon während unserer Regierungszeit gab es zwei Bieterkonsortien. Das eine Konsortium würde von dem japanischen Versicherungsunternehmen Nomura und das andere von WCM angeführt. Von der SPD war zu hören, dass es mit Nomura als einem börsenund gewinnorientierten, verwertungsinteressierten japanischen Versicherungsunternehmen für die Mieter gefährlich werde. Für die SPD handelte es sich also um einen bösen Japaner. Ich frage mich: Wie kann man so schnell aus einem bösen einen guten Japaner machen? ({7}) Auf der anderen Seite gab es Herrn Ehlerding, der von Herrn Schröder und Herrn Clement hoch gelobt wurde, ({8}) er sei anständig und vertrete die Mieterinteressen. Es hieß, in diese Richtung müsse privatisiert werden. Auf einmal ist davon nichts mehr zu hören. Nun steht eine Spende im Raum. Dazu muss man sagen, dass die Spende ordnungsgemäß verbucht wurde ({9}) und dass sie im Nachhinein erfolgte. Es kann doch nicht sein, dass Entscheidungen gegen jemanden getroffen werden, nur weil er einer Partei Spenden zukommen lässt. Dafür kann er doch nicht bestraft werden. Nach unserer Verfassung und nach dem Parteiengesetz sind Spenden hoch willkommen; die Gesellschaft ist froh darüber. Es kann doch nicht sein, dass man aufgrund dieser Spende an ein anderes Bieterkonsortium verkauft. Was wird da eigentlich gespielt? Ich habe den Eindruck, als wenn jemand abgestraft werden würde. Aber nicht nur das: Es wird auf die falschen Gruppen Rücksicht genommen. Dadurch wurden die Wähler und die gesamte Öffentlichkeit hinters Licht geführt. So haben Sie bei Privatisierungen immer gehandelt. ({10}) Ich habe es schon einmal gesagt: Sie kassieren das Geld und spielen sich dann als die großen Sanierer des Haushalts auf, die hohe Schule der Finanzpolitik. Sie machen das auf eine Art und Weise, die man Ihnen nicht durchgehen lässt. Die Leute draußen wissen, worum es geht. Auch bei diesem Deal ist das der Fall. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Iris Gleicke, SPD-Fraktion, das Wort.

Iris Gleicke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000687, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS hat diese Aktuelle Stunde zum Verkauf der Eisenbahnerwohnungen beantragt. Das ist ihr gutes Recht als Oppositionsfraktion; ich finde das auch völlig in Ordnung. ({0}) Genau genommen freue ich mich über diese Aktuelle Stunde. Ich freue mich nämlich über jede Gelegenheit, bei der wir hier im Parlament und bei den Bürgerinnen und Bürgern für unsere verantwortungsvolle und mieterfreundliche Wohnungspolitik werben können. ({1}) Denn eines steht fest: Die Interessen der Mieterinnen und Mieter sind bei dieser Bundesregierung und bei meiner Fraktion in guten Händen. ({2}) Das gilt für alle Mieterinnen und Mieter in unserem Land und das gilt ganz besonders für die Mieter der Eisenbahnwohnungen. Wir wissen sehr wohl, dass wir hier eine ganz besondere Verantwortung tragen; das haben wir immer gewusst. Wir haben in der Fraktion hart mit uns gerungen. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir haben diesem Verkauf schließlich im vollen Bewusstsein dieser Verantwortung zugestimmt. ({3}) Wir haben diesem Verkauf deshalb zustimmen können, weil Franz Müntefering als damaliger Bundesminister wirklich einmalige Schutzrechte für die Mieter der Eisenbahnerwohnungen ausgehandelt hat, ({4}) und zwar nicht nur für die Mieter, sondern auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei den EisenbahnerWohnungsgesellschaften. Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Wir haben mit großer Sorgfalt mögliche Alternativen geprüft und sind zu guter Letzt zu der Überzeugung gelangt, dass der Verkauf in der jetzigen Form nicht nur eine vertretbare, sondern eine wirklich gute Lösung darstellt. ({5}) Der Deutsche Mieterbund, der dem Verkauf bekanntlich sehr kritisch gegenübersteht, hat angekündigt, dass er die ausgehandelten Konditionen jetzt sehr sorgfältig prüfen wird. Das finde ich absolut richtig und in Ordnung. Ich bin überzeugt davon, dass auch der Mieterbund nach dieser Überprüfung zu dem Ergebnis kommen wird, dass hier für die Mieter der Eisenbahnerwohnungen wirklich einmalige Konditionen ausgehandelt worden sind. Übrigens, Frau Kollegin Blank: Auch der Kollege Dirk Fischer von der Union hat im vergangenen August zugegeben, dass die Verkaufsverträge von Franz Müntefering nachgebessert worden sind. Ich möchte hier noch einmal sehr deutlich sagen: Sie sind entscheidend nachgebessert worden. Ein Wort auch zu der Kollegin Ostrowski. Sie haben hier jedes Recht zu sachlicher Kritik. Wenn ich aber dann in einer Pressemitteilung von Frau Ostrowski lesen muss, dass SPD und Bundesregierung rechtswidrig handeln, dann kommt mir die Galle hoch. Sie wissen ganz genau, dass die Gewerkschaft in dieser Frage alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft hat. Sie wissen ganz genau, dass es dazu eine höchstrichterliche Entscheidung gibt. Sie wissen ganz genau, dass dieser Verkauf nicht rechtswidrig ist. Solche Behauptungen müssen wir uns von Ihnen nicht bieten lassen! So sollten wir hier nicht miteinander umgehen; das ist wirklich unanständig. ({6}) Das bin ich von Ihnen übrigens auch gar nicht gewohnt. Wenn das nur ein sprachlicher Missgriff war, dann sollten Sie sich hier dafür entschuldigen. Aber wenn Sie daran festhalten, dann ist das eine wirklich ungeheuerliche Verleumdung. Ein Wort aber auch zur CDU und ihrem Finanzgebaren. Das Ehepaar Ehlerding gehört ja nun unstrittig zu den ausgesprochenen Wohltätern der Menschheit. Das gilt jedenfalls für den christdemokratischen Teil der Menschheit. Erst gab es ein paar Millionen für die CDU in Mecklenburg-Vorpommern, deren Vorsitzende damals Angela Merkel hieß, und später gab es dann noch ein paar Millionen für die Bundes-CDU. ({7}) Ich weiß nicht, ob hier jemals ein Zusammenhang mit dem Zuschlag für Ehlerdings WCM nachgewiesen werden wird. Im Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. ({8}) Aber das hat doch einen sehr merkwürdigen Beigeschmack. ({9}) Deshalb bin ich froh darüber, dass die Ehlerdings nicht, wie ursprünglich vorgesehen, 30 000 Wohnungen, sondern nur 4 000 kaufen können. ({10}) Um es offen zu sagen: Noch lieber wäre mir gewesen, sie würden keine einzige Wohnung bekommen. Aber das war leider nicht möglich. ({11}) Eine letzte Bemerkung zu den Gewerkschaften. Ich weiß, dass die Gewerkschaften mit dem Verkauf nicht einverstanden sind. ({12}) Wir haben diese Haltung zu respektieren. Unser Verhältnis zu den Gewerkschaften ist und bleibt von gegenseitigem Respekt und freundschaftlichem Umgang geprägt. ({13}) Freunde können und dürfen sich auch streiten. Deshalb bleiben sie trotzdem Freunde. Schönen Dank. ({14})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort „verarschen“, Herr Kollege, ist nicht sehr parlamentarisch. Nun hat der Kollege Norbert Königshofen für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Norbert Königshofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Hinweis an die PDS: Die CDU/CSU ist und war für den Verkauf der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften. Denn die Deutsche Bahn AG ist ein modernes Verkehrsdienstleistungsunternehmen und kein Unternehmen in der Tradition der Deutschen Reichsbahn der ehemaligen DDR. Bei uns hat ein solches Unternehmen andere Aufgaben als in der früheren DDR. Deswegen ist es sinnvoll, den gesamten Ballast abzustoßen. Der Sinn dieser Aktuellen Stunde ist, einmal mehr das Verhalten der SPD in solchen und anderen kritischen Fragen aufzuzeigen. Frau Gleicke hat vorhin gesagt, die Mieter der Eisenbahnerwohnungen und die Wähler seien bei der SPD in guten Händen. ({0}) Ich glaube, dass man auch bei diesem Beispiel einmal mehr sagen muss: Die Mieter und die Wähler werden von der SPD nach Strich und Faden betrogen. ({1}) Wenn wir einen kurzen Blick zurückwerfen, dann kann man das sehr genau nachweisen. Am 24. Juni 1998 haben wir den Verkauf der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften bekannt gegeben. Die SPD war voll dagegen. Es gibt dazu eine Reihe von Zitaten. Ich möchte einmal in Erinnerung rufen, was dazu am selben Tag der wohnungspolitische Sprecher Achim Großmann, Frau Ferner, damals verkehrspolitische Sprecherin und später beamtete Staatssekretärin, Herr Kollege Wagner und Herr Kollege Reschke gesagt haben: Sie lehnten den geplanten Verkauf entschieden ab, weil kein Erhalt der Gesellschaften als Sozialeinrichtung gewährleistet sei. Nach dem Salamiprinzip würden die Wohnungen einer kapitalorientierten Vermarktung zugeführt. Das Zweiklassenmietrecht führe zur Verdrängung etwa jedes vierten Mieterhaushalts und die Chance einer sowohl für den Bund als auch für die Mieter finanziell interessanten Mieterprivatisierung werde vertan. Gewinne steckten sich jetzt andere ein. - Das war am 24. Juni 1998. Je näher die Bundestagswahlen kamen, umso schriller wurden die Stimmen aus der SPD. Achim Großmann, jetziger Parlamentarischer Staatssekretär, sagte am 10. September 1998 - damals war er noch in der Opposition -: Die von dieser Bundesregierung beabsichtigte Verschleuderung bundeseigener Wohnungen werden wir verhindern und ihr das Konzept einer sozialverträglichen Privatisierung dieses Wohnungsbestandes an Mieterinnen und Mieter entgegensetzen. ({2}) So lautete es vor der Wahl. Nach der Wahl, meine Damen und Herren, sah Franz Müntefering, der neue Verkehrsminister, sehr schnell die Notwendigkeit des Verkaufes ein. Er sagte, es müsse noch etwas nachgebessert werden. Dieser Verkauf wurde dann auch von der SPD in einer Fraktionssitzung gebilligt. Schauen wir uns einmal an, was der Mieterbund zu diesen Nachbesserungen sagt - ich zitiere hier einmal den Direktor des Mieterbundes, Franz-Georg Rips -: Die nachträglich ausgehandelten Schutzrechte für die Mieter der Eisenbahnerwohnungen rechtfertigen die Verkaufsentscheidung nicht. Meine Damen und Herren, all das, was Sie zu den Nachbesserungen sagen - wir würden Ihnen gerne dazu gratulieren -, trifft nicht auf die Zustimmung der Betroffenen und nicht auf die des Mieterbundes. Im Gegenteil: Es ist einmal mehr deutlich geworden, dass Sie sich vor einer Wahl gerne als Anwalt der Mieter, als Anwalt der kleinen Leute aufspielen, nach der Wahl dann aber das machen, was aus der Sicht einer Regierung notwendig erscheint. Fazit: Die SPD hat jetzt vollzogen, was sie vor der Wahl bekämpft hat. Sie waren vor der Wahl auch gegen die Beteiligung von Nomura, die ja 1 Milliarde DM mehr geboten hat. Wir haben uns dann auf Ihren Hinweis hin für die deutsche Bietergruppe entschieden. Jetzt übernimmt Nomura 60 Prozent; dafür bekommen Sie 500 Millionen DM mehr. Ich bin gespannt, wie sich das auf die einzelnen Wohnungen auswirkt. Wieder einmal wird deutlich, meine Damen und Herren von der SPD, dass man Ihnen nicht trauen kann, wenn Sie vor der Wahl etwas versprechen. Das können wir zur Ökosteuer nachweisen; ich darf an die Rente erinnern; und ich darf auf diese Angelegenheit verweisen. Ich glaube, dass Sie als SPD auf Dauer lernen müssen, dass es sich auszahlt, den Menschen von Anfang an - und nicht erst im Nachhinein - die Wahrheit zu sagen. ({3}) Falls Sie das nicht tun, wird es für Sie eines Tages ein böses Erwachen geben. ({4})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig das Wort.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das Gefühl, wir erleben ein Stück aus dem Tollhaus, Herr Kollege Rexrodt. ({0}) Denn ich verstehe wirklich nicht, dass sich die, die diesen Verkauf zwischen 1994 und 1998 mit aller Verve betrieben haben, jetzt hinstellen und - wie der Kollege Grund mit seinem peinlichen Zwischenruf - sagen: „Wohnungen verramscht, Mieter verarscht!“ Ich verstehe Ihre Argumentation überhaupt nicht und finde sie schlicht peinlich. Wir sollten zur Sache reden. ({1}) In der Sache geht es darum, zu versuchen - und das ist das Engagement dieser Regierung und dieser Koalition -, in einer wirklich erstmaligen und historisch einmaligen Form eine Privatisierung mit einem hohen Maß an Schutz sowohl für die betroffenen Mieter und für den Erhalt der Wohnungsfürsorge als auch für die Beschäftigten und die mit ihnen getroffenen betrieblichen Vereinbarungen zu verbinden. ({2}) Ich glaube, dem Zusammenführen dieser beiden Ziele sollten wir nicht mit so peinlich-billiger Polemik begegnen. Wir sollten vielmehr darauf achten, ob es gelingen kann - ich gehe davon aus, dass es auf der Grundlage der abgeschlossenen Verträge auch wirklich gelingt -, diese beiden Ziele - also soziales Engagement sowie soziale Verantwortung für Wohnungsfürsorge und für engagierte Wohnungsbewirtschaftung - mit einem effizienten privatwirtschaftlichen Wohnungsmanagement zu verbinden. Ich denke, dies wird erreicht werden. Ich möchte von dem, was ausgehandelt worden ist, noch ein paar Punkte, die meiner Meinung nach zu wenig betont wurden, in den Raum stellen. Denn darüber gilt es zu diskutieren. Die Mieter bekommen ein Wohnrecht auf Lebenszeit einzelvertraglich schriftlich zugesichert. Mieterhöhungen sind auf 3 Prozent zuzüglich der Inflationsrate im Jahr begrenzt. Seien Sie nicht böse: Ich bin ziemlich sicher, dass sich der Mieterbund und auch die Präsidentin des Mieterbundes eine solche Begenzung der Mieterhöhungen, ({3}) wie sie für die Eisenbahnerwohnungen festgelegt sind - das ist einmalig in Deutschland, sensationell - auch für viele andere Wohnungen wünschen würden. ({4}) Weitere Punkte sind der Ausschluss von Luxusmodernisierung; die Aufrechterhaltung der Wohnungsfürsorge und der Wohnungsbeschaffung; die Privatisierung nur dann, wenn mindestens zwei Drittel der Bewohner Nichteisenbahner sind und damit nicht der Wohnungsfürsorge unterliegen, ({5}) die Privatisierung bevorzugt durch Verkauf an die Eisenbahner, und zwar mit dem Angebot, den Kaufpreis um 10 Prozent zu mindern. All das sind Punkte, die für eine großartige Leistung stehen. Ich möchte auch den Bereich der Wohnungsfürsorge ansprechen, weil insoweit diejenigen betroffen sind, die noch nicht in diesen Wohnungen wohnen, die als Beschäftigte der Bahn AG aber den Anspruch auf die Wohnungsfürsorge weiterhin haben werden. In diesem Sinn wird es beim betrieblichen Sondervermögen bleiben, weil das Bundeseisenbahnvermögen 5,1 Prozent des Gesellschaftsanteils bei allen Einzelgesellschaften halten wird. ({6}) - Moment, lassen Sie mich doch erst einmal weiterreden. Sie hätten sich die Unterlagen genauer anschauen können, Frau Kollegin. ({7}) Der Aufsichtsrat wird nämlich paritätisch besetzt sein; das Bundeseisenbahnvermögen wird ein Weisungsrecht behalten; die einheitliche Wohnungsfürsorge in der Wohnungsbeschaffung für Eisenbahnbeschäftigte, die eine Wohnung suchen, wird aufrecht erhalten; die einzelnen Gesellschaften dürfen nicht mit anderen Gesellschaften der jeweiligen Eigentümer verschmolzen werden. Ich denke, das alles sind enorme Errungenschaften, durch die die Wohnungsfürsorge in Zukunft für die DB AG und für die Beschäftigten der Bahn ({8}) erhalten wird. Dazu kommt, dass innerhalb von zehn Jahren maximal 20 Prozent des Wohnungsbestandes verkauft werden dürfen. Ich denke, das ist wirklich eine soziale Leistung, auf die die Beteiligten stolz sein können. ({9}) Eines möchte ich noch kurz sagen: Es ist erreicht worden, dass eine unbefristete Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften nach Abschluss der Verträge erhalten bleibt und sie ihre betriebliche Altersvorsorge unbefristet bis zum Eintritt in den Ruhestand behalten, dass die Betriebsvereinbarung und der Erhalt der tarifvertraglichen Besitzstände der Beschäftigten für mindestens zehn Jahre weitergeführt werden - das sind Punkte, die Sie nicht ausgehandelt hatten und dass die Schulung und Weiterbildung als Angebot für die Beschäftigten intensiviert werden. Auch das ist ein wesentlicher Punkt. Ich wünschte mir, in vielen anderen Fällen würde die Privatisierung von Unternehmen mit solchen sozialen Bindungen verknüpft. Dann könnten wir ganz anders diskutieren, als Sie es jetzt mit Ihrer Polemik hier tun. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt erteile ich dem Kollegen Uwe Hiksch, PDS-Fraktion, das Wort.

Uwe Hiksch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002677, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 24. November 1997 schrieb Rudolf Scharping als stellvertretender Vorsitzender der Bundes-SPD an die Mieter der Eisenbahnerwohnungen, dass sozialer Mietwohnungsbestand nicht einfach Banken, Versicherungen und Energieunternehmen überlassen werden darf. Das war im Wahlkampf. ({0}) Das war in der Zeit, als um Wählerinnen- und Wählerstimmen und um die Hoffnungen der Menschen, die in diesen Wohnungen leben, gekämpft wurde. Jetzt entscheidet dieselbe Bundesregierung, eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung, genau diese Wohnungen an den drittgrößten Versicherungskonzern, den es auf der Welt gibt, Nomura, zu verkaufen. Kurze Zeit später, am 4. Februar 1998, haben 100 Eisenbahner 5 000 Protestunterschriften dem damaligen Bundesverkehrsministerium übergeben. Damals haben beispielsweise die Kolleginnen und Kollegen Anke Fuchs, Hans Georg Wagner, Ulrike Mascher und Hanna Wolf zugesagt, dass dann, wenn ein Regierungswechsel käme, der Protest der Eisenbahner gegen den Verkauf nachhaltig unterstützt würde. Wahlversprechen gebrochen! ({1}) Ich habe manchmal den Eindruck, wenn ich mir die Regierungspolitik der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung anschaue, dass sie sich vorgenommen hat, ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen, und zwar mit dem Rekord, Wahlversprechen so häufig zu brechen, dass man darin endlich Weltmeister wird, völlig egal, was vorher zugesagt wurde, völlig egal, welche sozialen Auswirkungen es hat, und völlig egal, was den Menschen gesagt wurde. ({2}) Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen ist ein Verbrechen. ({3}) - „Verbrechen“ wollte ich nicht sagen, Entschuldigung. Der Verkauf von Eisenbahnerwohnungen ist ein Brechen von Wahlversprechen, das Enttäuschungen hervorrufen und dazu führen wird, dass die Menschen, die in Nürnberg und München - in München beispielsweise gibt es 3 800 Wohnungen, in Nürnberg 2 300 - dazu bewegt wurden, zur Wahl zu gehen, um für ihre Interessen abzustimmen, wieder in Wahlenthaltung, in Enttäuschung ({4}) und in Abwendung von der Politik flüchten werden. ({5}) Natürlich weiß ich, dass Sie das nicht sehr gern hören, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Sozialdemokratie hat sich angewöhnt, zu vergessen, was sie bis 1998 gesagt hat. Sie wollte nämlich die Interessenvertretung der kleinen Menschen sein. ({6}) Jetzt, angesichts der Interessen der Großen, hat sie vergessen, die Interessen der kleinen Menschen, die von uns damals gemeinsam zur Wahl gebracht wurden, um eine neue Politik durchzusetzen, zu vertreten. ({7}) Ich kann dem, was Georg Kronawitter, der Altoberbürgermeister von München, geschrieben hat, nur zustimmen. Georg Kronawitter schrieb damals: Seit 1995 versuchte der frühere Finanzminister Dr. Theo Waigel, die Eisenbahnerwohnungen zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verscherbeln. Er ist am Widerstand der Eisenbahner gescheitert. Soll jetzt die SPD als verspäteter „Erfüllungsgehilfe“ einer eiskalten Kohl/Waigel-Politik durchsetzen, was nicht mal der CDU/CSU gelungen ist? Nein, das geht nicht! Es heißt weiter in dem Brief von Georg Kronawitter an den damaligen Verkehrsminister: Bahnbedienstete ({8}) sind die treuesten Wähler der SPD. Ein Verkauf der 113 000 Wohnungen wäre ein Faustschlag ins Gesicht aller Eisenbahner, aber auch ein Faustschlag ins Gesicht all jener, die mit einem bescheidenen Monatssalär auskommen müssen. Was hier passiert, ist ein sozial- und wohnungspolitischer Skandal. Was hier passiert, ist, dass die Gewerkschaft Transnet, damals noch GdED, mitgeholfen hat, dass ein Regierungswechsel auch mit einem Politikwechsel verbunden werden konnte und heute all das gebrochen und verraten wird. ({9}) Deshalb kann ich dem, was die Mieterbundpräsidentin Anke Fuchs in ihrer Pressemitteilung erklärt hat, nur zustimmen, nämlich, dass es ein schwarzer Tag für die Mieterinnen und Mieter ({10}) hier in der Bundesrepublik Deutschland sei. Der Ausverkauf von Wohnungen in öffentlichem Eigentum sei wohnungs-, fiskal- und sozialpolitisch falsch. Dies gelte auch für den Verkauf der Bahnwohnungen. Auch hier gehe preiswerter Wohnraum auf Dauer verloren. Dies erklärte Anke Fuchs. Das ist richtig und die Wahrheit. Nur, das möchte man plötzlich nicht mehr hören, denn am einfachsten kann man von Wahlversprechen ablenken, indem man sich an sie schlichtweg nicht mehr erinnert. In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Genossin Christine Ostrowski, warum jetzt bezüglich der Eisenbahnerwohnungen nicht das Alternativmodell, das vor der Wahl noch von der Sozialdemokratie mit vertreten wurde, umgesetzt wird, erklärte das Wohnungsministerium ganz deutlich: Das genannte Privatisierungsmodell ist erneut geprüft worden. Es führt jedoch nicht zu den Einnahmen, die das Bundeseisenbahnvermögen zur Erfüllung seiner Verpflichtungen benötigt. Hieran wird ganz deutlich: Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen hatte nur ein einziges Ziel, nämlich das Stopfen von Löchern in den Kassen. Es ging nicht um die Interessen der Mieterinnen und Mieter dieser Wohnungen. Liebe sozialdemokratisch-liberale - wenn ich das zu den Grünen so sagen darf - Bundesregierung, ({11}) schämen Sie sich dafür, dass Sie diese Wahlversprechen gebrochen haben! Nehmen Sie den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen zurück! Die Menschen in diesen Wohnungen haben ein Recht darauf, dass das, was vor der Wahl gegolten hat, auch nach der Wahl gilt und umgesetzt wird. Danke schön. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Und nun hat der Kollege Hans Georg Wagner für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Hans Georg Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002406, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies ist überhaupt kein schwerer Gang. Ich bringe zunächst meine Bewunderung darüber zum Ausdruck, wie man in fünf Minuten so viel Blödsinn zusammenreden kann, wie es eben hier von jemandem gemacht wurde, ({0}) der als Hauptberichterstatter des Verkehrsausschusses die Geschichte von Anfang an mitbekommen hat. Ich bedaure eigentlich, dass die seinerzeitigen Berichterstatter, der Kollege Bartholomäus Kalb, Kristin Heyne, Barbara Höll und Jürgen Koppelin, nicht hier sind. Diese könnten nämlich etwas ganz anderes bestätigen, nämlich das, was ich jetzt sagen werde. ({1}) - Natürlich, Herr Kollege. Sie haben die Geschichte ja nicht gekannt. Das, was vor der Wahl vereinbart worden ist, hat unsere Zustimmung nicht gefunden. Deswegen haben wir nachverhandelt und es verbessert und das Bombenergebnis erzielt, das jetzt vorliegt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Manfred Grund [CDU/CSU]: Von Nachverhandlung war bei der Wahl keine Rede! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Ihr wolltet nicht verkaufen! Herr Kollege Königshofen, immerhin haben Herr Wissmann und Herr Carstens, der damals Staatssekretär war, die Berichterstatter eingehend - das muss ich gestehen - über alle Wege, die gegangen worden sind, informiert. Sowohl die Kollegin Heyne als auch die Kollegin Höll und ich haben immer gesagt: Wir tragen dies nicht mit. Wir nehmen diese Berichte zur Kenntnis. - Trotzdem hat Herr Wissmann am 28. Juni 1998 den Vertrag paraphiert. Jetzt zu Nomura: Weil Personen geschädigt werden können, will ich die Diskussion hier nicht beginnen. ({2}) - Herr Kollege, von interessierter Seite aus Deutschland ist an die Berichterstatter herangetragen worden, wir sollten um Gottes Willen keinen japanischen Eigentümer für die Eisenbahnerwohnungen zulassen. Wir haben uns daran gehalten, aber es ist trotzdem geklagt worden. Es waren die Landesentwicklungsgesellschaften und nicht die Nomura, denen Herr Wissmann die Wohnungen verkaufen wollte. Das ist die geschichtliche Tatsache. Plötzlich sollen sie wieder hinein. Es wurde bis zum Schluss geklagt. Zusagen den Berichterstattern, Herrn Minister Wissmann und Herrn Staatssekretär Carstens gegenüber, dass man einverstanden sei, lagen vor. Danach hat die Gewerkschaftsführung gewechselt, Herr Kollege Hiksch. Da sagte man: Das machen wir jetzt alles nicht mehr mit. Dabei hatten wir schon so weit verhandelt, dass man eigentlich nicht mehr zurück kann. Da Ihr eigener Minister, Herr Wissmann, den Vertrag paraphiert hat - Herr Kollege Rexrodt, Sie waren damals auch in der Bundesregierung und müssten wissen, wie und was darüber im Bundeskabinett gesprochen worden ist -, besteht eine vertragliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland. Die neue Bundesregierung musste den Vertrag erfüllen. Sie musste aber nachverhandeln. Herr Friedrich, Sie sind auch bestens informiert. ({3}) Wir mussten die Verhandlung weiterführen, wir mussten nachverhandeln und Verbesserungen für die Mieter erzielen. Diese sind erreicht worden. Der Vertrag, wie er jetzt vorliegt, kann von uns uneingeschränkt unterschrieben und könnte auch von den Gewerkschaften mit getragen werden. ({4}) Ich bin auch sicher, dass die gewerkschaftlichen Rechte, die Sie den Gewerkschaften immer nehmen wollen, berücksichtigt sind. Bei den Verbesserungen im Betriebsverfassungsgesetz, die wir vornehmen wollen, schreien Sie ja schon wieder Zeter und Mordio. Alle Verbesserungen zugunsten der Gewerkschaften haben Sie bisher abgelehnt. ({5}) Bei den Eisenbahnerwohnungen entdecken Sie jetzt plötzlich Ihr Herz für die Gewerkschaften. Sie machen sich lächerlich mit dieser Argumentationslinie, meine Damen und Herren. ({6}) Was Bayern angeht, Herr Hiksch: Wir hätten nicht gedacht, dass Sie das anführen. Aber wir haben Konsequenzen gezogen aus dem damaligen Verkauf der Neue-Heimat-Wohnungen in München. Wir haben der Firma diese Eisenbahnerwohnungen nicht überlassen. Das müssen Sie doch wissen. Lesen Sie doch einmal den Bericht von Herrn Bodewig, in dem das ganz klar steht. Wir haben eine völlig andere Regelung gefunden, und ich finde, sie ist besser. Dass man die Anzahl der Wohnungen für die Familie aus Hamburg, die für die CDU gespendet hat, reduziert, ist eine gute Sache. Sie haben ja die Spenden in der Tasche und haben sie auch im Rechenschaftsbericht ausgewiesen, dann kann ja nichts mehr passieren. 8 Millionen DM Spenden haben Sie wegen der Wohnungen gekriegt. Jetzt kriegen die Spender nur 4 000 Wohnungen von ehemals 33 000 Wohnungen. Das müsste auch sie doch zufrieden stellen. Sie haben Ihr Geld, Sie haben ihre Spende kassiert, Sie haben damit Wahlkämpfe geführt, ({7}) und wir haben die Wahl 1998 gewonnen. ({8}) Ich sage noch einmal: Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen, was die Mieter angeht - die Kollegin Fuchs nicht und auch keiner der damaligen Gesprächsteilnehmer, also auch nicht Franz Müntefering, Klimmt und Großmann. Einen besseren Mieterschutz als in dieser vertraglichen Regelung gibt es in ganz Deutschland nicht, auch nicht in den christlichen Wohnungsbaugesellschaften. ({9}) Wenn Sie sich manche Gesellschaft daraufhin ansehen, dann werden Sie wahrscheinlich verzweifeln, wenn Sie die Ergebnisse sehen. Ich finde, es war richtig, dass die Bundestagsfraktion der SPD seinerzeit zugestimmt hat, ({10}) dass jetzt die Verhandlungen weitergeführt worden sind und dass dieses Ergebnis herausgekommen ist. Ich danke der PDS dafür, dass ich Gelegenheit hatte, in fünf Minuten noch das eine oder andere dazu zu sagen. Ich wundere mich nur, dass ausgerechnet die rechte Seite des Hauses die Gelegenheit, die ihr die PDS verschafft, wahrnimmt, um jetzt gegen die Bundesregierung und gegen die Grundlagen, die sie selbst geschaffen hat zu polemisieren. Schönen Dank. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat das Wort der Kollege Johannes Singhammer, CDU/CSU-Fraktion.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen, um das noch einmal klarzustellen, ist der klassische Wahlbetrug, der in dieser Form in diesem Hohen Hause niemals zu verzeichnen gewesen ist. ({0}) Eigentlich müsste Ihnen die Schamröte ins Gesicht steigen. Da ist gelogen worden, dass sich buchstäblich die Balken gebogen haben. Das ist beispiellos. ({1}) Ich nenne Ihnen den ersten Akt: Die frühere unionsgeführte Bundesregierung gibt bekannt, dass die Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen geplant ist. Zweiter Akt: Es erhebt sich ein Sturm der Entrüstung, es gibt Protestgeschrei, die SPD macht mobil. Abordnungen von Mietersprechern kommen nach Bonn. Es werden Versammlungen durchgeführt und es wird versprochen: Wählt uns - die SPD ist gemeint -, dann werden die Wohnungen nicht verkauft. ({2}) Am 24. Juni 1998 - es ist schon einmal zitiert worden, aber es muss noch einmal sein, ich kann es Ihnen nicht ersparen - hat die damalige Abgeordnete Ferner, die dann Staatssekretärin geworden ist, sich öffentlich gegen den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen ausgesprochen und dies damit begründet, das sei notwendig, weil eine Salamitaktik zu einer kapitalorientierten Vermarktung der Eisenbahnerwohnungen und ein Zweiklassen-Mietrecht zur Verdrängung jedes vierten Miethaushaltes führe. So waren damals die Worte. ({3}) Der Münchener Oberbürgermeister Christian Ude um das hier auch klar zu sagen - versprach auf einer großen Demonstration auf dem Marienplatz in München, zu der die Mieter sternmarschartig zusammengekommen waren, er werde dafür sorgen, dass diese Wohnungen nicht verkauft würden, ({4}) und in einer Presseerklärung der Münchener SPD vom 21. Juni 1998 hieß es, dass die Mieter bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 entscheiden könnten, ob sie ihre eigenen Wohnungen loswerden wollten oder die bisherige Bundesregierung. So war es damals. ({5}) In der Folge hat eine nicht unbeträchtliche Zahl von Mieterinnen und Mietern in München und anderswo der SPD geglaubt und dieser Partei ihre Stimme gegeben. Das ist die Wahrheit. ({6}) Dritter Akt: Nach der Bundestagswahl klang das Ganze völlig anders. Da ist den Mietern von Rot-Grün plötzlich zugerufen worden: April, April! Was gilt mein Wort vor der Wahl noch? - Versprechungen vor der Wahl haben eine Verfallsdauer bis zum Zeitpunkt kurz nach der Wahl. So war es. Jetzt hat man mit aller Kraft versucht, diesen Kauf durchzuziehen. Man hat selbst die Mühsal eines Verwaltungsgerichtsverfahrens bis zur letzten Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht, durchgezogen, um den Verkauf durchzusetzen. Alle Kompromissangebote, die auch von unserer Seite kamen, wurden abgelehnt. Es gab beispielsweise in München eine sehr intensive Debatte, weil bei uns die Mietpreise besonders hoch sind und die Problematik hier deshalb besonders schwierig ist. Man hat einen Durchgangserwerb angeboten, sodass zunächst die Kommune und ihre Gesellschaften die Wohnungen erwerben und sie dann an diejenigen Mieter weiterverkaufen können, die das wünschen. Aber alles ist kompromisslos abgelehnt worden. Man hat das von Anfang an verfolgt. Letztendlich - das sage ich Ihnen - fühlen sich viele Tausende Mieter verraten und verkauft. Es kommt noch hinzu: Gleichzeitig werden diese Menschen mit den Tatarenmeldungen aus der Presse konfrontiert, dass auch noch riesige Entlassungen bei der Deutsche Bahn AG bevorstehen. Wie müssen sich diese Leute denn fühlen? Warum muss ihnen noch zusätzlich Angst gemacht werden? Ich sage: Das ist nicht in Ordnung; das ist nicht seriös. Es ist schlimm, was hier passiert ist. ({7}) Im Übrigen sieht das nicht nur die Opposition so. Ich zitiere den langjährigen Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Georg Kronawitter. Er schrieb vor wenigen Tagen einen Brief an den Bundeskanzler Gerhard Schröder, aus dem ich jetzt einen Satz zitiere. Georg Kronawitter - ein hoch geehrter Sozialdemokrat schreibt: Da muss es einem Sozialdemokraten vor Scham die Kehle zuschnüren. ({8}) Er formuliert weiter: Ich schätze Kanzler Schröder. Aber in Sachen Bahnwohnungen bin ich bitter enttäuscht und sehr betroffen, weil ich als Bürgeranwalt ... weiß, welche Not an bezahlbaren Wohnungen in München herrscht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens Ihrem eigenen Genossen. Schauen Sie sich an, was Sie hier angerichtet haben: Sie haben nicht nur sich selbst geschadet - das müssen Sie selber verantworten -, sondern Sie haben der gesamten Politik geschadet, weil die Glaubwürdigkeit dadurch schwer getroffen worden ist. ({9}) Nach dem Rentenbetrug jetzt der Mieterbetrug. Schämen Sie sich! ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt wollen wir einmal die Gelegenheit nutzen, das zurechtzurücken, was hier gesagt worden ist. ({0}) Ich bin froh - das haben auch Frau Gleicke, Herr Spanier und Herr Wagner gesagt -, dass wir die Gelegenheit dazu haben. Es ist ja toll, vor der Öffentlichkeit noch einmal erklären und ein paar Hintergründe aufdecken zu können, wie es zu diesem Verkauf gekommen ist. ({1}) - Ich würde wahrscheinlich noch drei Stunden reden können, ohne Sie zu überzeugen, Herr Hirche. Aber es geht mir darum, dass es die Menschen verstehen, die uns zuhören und uns zuschauen. Das ist mir wichtiger, als dass es die F.D.P. begreift. ({2}) Mitte 1998, als der Verkauf ins Haus stand, haben wir gesagt - es ist Gott sei Dank zitiert worden; ich habe die Pressemitteilungen für den Fall, dass vielleicht falsch zitiert werden würde, mitgebracht; Herr Rexrodt hat wesentliche Bestandteile ausgelassen, ({3}) aber Herr Königshofen hat sie dankenswerterweise zitiert -: So, wie der Verkauf und die Verträge vorbereitet wurden, können wir dem nicht zustimmen. ({4}) Warum wir nicht zustimmen konnten, haben wir in drei Spiegelstrichen begründet; ich wiederhole das noch einmal. Der eine Spiegelstrich lautet: Der Erhalt der Gesellschaften als Sozialeinrichtungen, wie es das Gesetz vorsieht, ist nicht gewährleistet. ({5}) Das war in den letzten zwei Jahren der Hauptauseinandersetzungspunkt. Um die Wohnungen überhaupt verkaufen zu können, wollten Sie mit den Verträgen, die Sie vorgelegt haben, die sozialen Betriebseinrichtungen zerschlagen. Wir haben es geschafft, dass sie erhalten bleiben. Das ist für die Mieterinnen und Mieter der größte Erfolg, den man erzielen konnte. ({6}) Wir haben im dritten Spiegelstrich gesagt: Die Chance einer für den Bund wie für die Mieter finanziell interessanten Mieterprivatisierung wird vertan. Wir haben in den neuen Verträgen sichergestellt, dass die Mieter Vorkaufsrechte haben, und zwar zu einem Preis, der 10 Prozent unter dem Marktwert liegt. Das heißt, wir haben die Mieterprivatisierung, die wir immer wollten, in den Vertrag hineingeschrieben. Das ist der zweite große Gewinn für die Mieterinnen und Mieter. ({7}) Als wir die Regierung übernahmen, haben wir natürlich darüber nachgedacht, ob wir von den Verträgen zurücktreten können, die paraphiert waren, wie Herr Wagner gesagt hat. Was haben wir vorgefunden? Wir haben völlig ruinöse Staatsfinanzen vorgefunden. Herr Waigel hatte die 4,6 Milliarden DM bereits in den Haushaltsentwurf 1999 geschrieben. ({8}) Wir hätten also im Infrastrukturbereich, bei den Investitionen für die Schiene 4,6 Milliarden DM streichen müssen. ({9}) Das war die Ausgangslage: ruinöse Staatsfinanzen und keine Vorsorge für die Schiene. ({10}) In den letzten Wochen ist Gott sei Dank klar geworden, in welchem maroden Zustand Sie die Bahn in Deutschland hinterlassen haben. ({11}) Das ist ein Scherbenhaufen, den wir aufräumen müssen. Wir müssen das in Ordnung bringen. ({12}) Also haben wir gesagt: Es gibt paraphierte Verträge. Wir sind in einer finanziell äußerst engen Situation. ({13}) Jetzt geht es darum, die Verträge, die auf dem Tisch liegen, so neu zu verhandeln, dass die Mieterinnen und Mieter einen echten Kündigungsschutz und Mieterschutz erhalten, ({14}) dass die Beschäftigten wieder zur Ruhe kommen können und dass die sozialen Betriebseinrichtungen gesichert werden. Genau das haben wir getan. ({15}) Ich will Ihnen das auch kurz erläutern. Hinzu kam noch, dass wir neben diesen Vorstellungen, über die wir verhandelt haben, plötzlich die Bedenken der EU auf dem Tisch hatten. Was war passiert? Es war nicht der Meistbietende, sondern der weniger Bietende genommen worden. Wir haben natürlich mit dem Personalrat und der Gewerkschaft Gespräche geführt. Wir haben uns ihre Sorgen zu Eigen gemacht, was die sozialen Betriebseinrichtungen angeht. Wir haben gesagt: Okay, wir schauen, ob wir das nachverhandeln können. Der äußerst schwierige Prozess, der dann gelaufen ist - wir stellen uns hier der Debatte -, hat aus unserer Sicht sehr gute Ergebnisse erbracht. Er hat mehrere Gewinner. Die ersten Gewinner sind die Mieterinnen und Mieter der Eisenbahnerwohnungen. Sie haben hervorragende Mieter- und Kündigungsschutzklauseln. Ich will Ihnen einmal ein paar Beispiele nennen, damit die falschen Zahlen ausgeräumt werden, die in Zeitungen gehandelt werden. Nehmen wir einmal an, ein Mieterhaushalt zahlt zurzeit 7 DM Miete. Die ortsübliche Vergleichsmiete liegt bei 9,10 DM. Dann hätte nach dem Gesetz zur Regelung der Miethöhe, wie es jetzt noch Gültigkeit hat, die Miete um 30 Prozent, also um 2,10 DM, auf die ortsübliche Vergleichsmiete angehoben werden können, auch bei den Eisenbahner-Wohnungen. Denn auch sie müssen betriebswirtschaftlich geführt werden. Wir haben jetzt in den Vertrag gesetzt, dass die Mieten um 3 Prozent plus Inflationsrate erhöht werden dürfen. Das wären im Moment zusammen 4,5 Prozent, also eine Steigerung von 31 Pfennig im Jahre 2001. ({16}) 31 Pfennig als Höchstmaß für Mietsteigerungen gegenüber 2,10 DM, die vorher möglich waren - wenn das kein Erfolg für Mieterinnen und Mieter ist, dann weiß ich nicht, was ein Erfolg ist. ({17}) Wir haben sichergestellt, dass die Beschäftigten der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften dort weiter arbeiten können. Wir haben eine unbefristete Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften durch Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen festgelegt. Vorher war sie auf fünf Jahre befristet. Die betriebliche Altersversorgung für alle Mitarbeiter der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften wird unbefristet bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand fortgesetzt. Vorher war sie an die Kündigungsfrist gekoppelt. Das heißt, nach fünf Jahren hätte ihnen gekündigt werden können. Dann wäre nach fünf Jahren die betriebliche Altersvorsorge weg gewesen. Jetzt ist beides unbefristet bis zum Eintritt in den Ruhestand gesichert. Das haben wir für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwirkt. ({18}) Wir haben einen Bestandsschutz für die Gesellschaften vereinbart. Die 18 Gesellschaften bleiben bestehen. Der alte Vertrag hatte vorgesehen, dass sie mit allen möglichen anderen Gesellschaften hätten verschmolzen werden können. Wir erhalten die 18 Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften, die es jetzt gibt, unbefristet. ({19}) - „Betriebswirtschaftlicher Quatsch“? Das haben wir für die Menschen, die dort arbeiten, und die, die dort wohnen, verhandelt. Es ist gut, dass wir das gemacht haben. ({20}) Gewinner sind nicht nur die Mieterinnen und Mieter und die Beschäftigten der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften, Gewinner ist auch die Gewerkschaft. Sie hat hart gestritten und einen sehr guten Erfolg erzielt. Denn sie hat sichergestellt, dass das, was laut Gesetz möglich ist, ausgehandelt worden ist. Es ist erreicht worden, dass die 18 Gesellschaften und die sozialen Betriebseinrichtungen erhalten bleiben. Deswegen ist auch die Gewerkschaft auf der Gewinnerseite, auch wenn sie das nach außen vielleicht nicht so deutlich sagen kann, wie ich das hier sagen kann. ({21}) Schließlich ist auch das Bundeseisenbahnvermögen Gewinner. Denn wir haben nicht nur die 4,6 Milliarden DM erwirtschaftet, sondern 500 Millionen DM mehr, die dem Bundeseisenbahnvermögen zur Lösung bahnspezifischer Probleme zufließen. Das war möglich, obwohl wir mehr in den Vertrag hineinverhandelt haben, als Sie es geschafft haben. Wir haben für die Mieterinnen und Mieter, für die Beschäftigten und für die Gewerkschaften mehr herausverhandelt und trotzdem einen höheren Preis bekommen. Auch das muss Ihnen zu denken geben: Sie haben damals zu früh die Luft herausgelassen und nicht richtig verhandelt; ({22}) und zwar weder für die Mieter noch für die Beschäftigten und auch nicht für die Kasse, in die Sie die Einnahmen leiten wollten. Herr Berninger hat Ihnen das schon gesagt. Ich kann hier aufrecht sagen: Wir haben in einem äußerst schwierigen Prozess viel erreicht. Es stimmt, dass wir mit uns gerungen und gesagt haben: Wenn möglich, müssen wir die Verträge rückgängig machen; aber wenn das nicht geht - ich habe geschildert, warum es nicht ging - müssen wir sie so verhandeln, dass wir vor den Mieterinnen und Mietern bestehen können. - Das haben wir gemacht und wir werden uns auch weiter der Diskussion mit den Mieterinnen und Mietern stellen. Wir haben Herausragendes für sie vereinbart: einen Mieter- und Kündigungsschutz, den es sonst in Deutschland kaum gibt. ({23}) Wir haben den Beschäftigten, der Gewerkschaft und dem Bundeseisenbahnvermögen geholfen. ({24}) Wir stellen uns deswegen Ihren Vorwürfen gerne, weil wir glauben, dagegen argumentieren zu können. ({25}) Ich will zum Schluss die zusätzlich verhandelten Punkte nennen: Aufrechterhaltung einheitlicher Wohnungsfürsorge und Wohnungsbeschaffung durch Abschluss zeitlich unbefristeter, inhaltlich gleicher Vertragswerke mit sämtlichen Eisenbahnwohnungs-Gesellschaften und Investoren; Verpflichtung der Erwerber, innerhalb von zehn Jahren nach der Übernahme der Geschäftsanteile nicht mehr als 20 Prozent des derzeitigen Wohnungsbestandes der Gesellschaften zu veräußern - das vorrangig an Mieter. Das war bei Ihnen überhaupt nicht geregelt, Frau Blank; Sie haben gefragt, was nach zehn Jahren passiert. Wenn Ihr Vertragsentwurf in Kraft getreten wäre, wäre der Verkauf von heute auf morgen losgegangen; danach hätten Sie fragen müssen. ({26}) Ich nenne weiter: zeitlich unbefristete Einrichtung paritätisch besetzter Aufsichtsräte bei den EisenbahnerWohnungsgesellschaften mit weitreichenden Mitspracherechten und einem doppelten Stimmrecht für einen Vertreter des Bundeseisenbahnvermögens und schließlich Weisungsrecht des Bundeseisenbahnvermögens gegenüber den Eisenbahner-Wohnungsgesellschaften in Wohnungsfürsorgefragen. Das heißt: Wenn jemand aus einer Wohnungsfürsorge-Wohnung auszieht, darf ein anderer Eisenbahner zu denselben Bedingungen dort einziehen; das Gleiche gilt für die Witwe und die Kinder der Eisenbahner, die unter denselben Bedingungen dort wohnen bleiben können. Was will man unter dem Diktat der leeren Kassen, die Sie uns hinterlassen haben, mehr? Vielen Dank. ({27})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Als letzter Redner dieser Debatte hat der Kollege Peter Letzgus von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Peter Letzgus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002724, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir als letztem Redner dieser Debatte noch kurze Anmerkungen. Es ist ohnehin im Prinzip alles gesagt worden. ({0}) - Noch nicht von mir, Herr Küster, da haben Sie Recht. Vor gut einer Woche erreichte uns die Nachricht vom Gewerkschaftstag der Eisenbahner in Magdeburg, dass der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen perfekt ist. Die Nachricht wurde vom Bundesminister Kurt Bodewig von der SPD verkündet. - Die Parteizugehörigkeit ist in diesem Zusammenhang wichtig, denn wenn man sich die Problematik und die Chronologie der Ereignisse ansieht, ist das nicht unbedingt selbstverständlich. Bereits die alte Bundesregierung hatte die Privatisierung der über 112 000 Eisenbahnerwohnungen - davon ungefähr 16 000 in den neuen Bundesländern - vorangetrieben. Im Juni 1998 gab der damalige Verkehrsminister Matthias Wissmann den Verkauf bzw. die Privatisierung der Wohnungen bekannt. Bei der Vergabe wurde nicht auf das finanziell attraktivste, sondern auf das sozialste Angebot geachtet. ({1}) Außerdem - dafür waren nicht nur CDU/CSU, sondern auch Kollegen der SPD - sollten die Wohnungen in deutscher Hand bleiben. ({2}) Damals wurden unter anderem folgende Mieterschutzbestimmungen zwischen dem BMV, der DB AG, dem Bundeseisenbahnvermögen und den Eisenbahnergewerkschaften vereinbart: Wohnrecht auf Lebenszeit für alle derzeitigen Mieter der Eisenbahnerwohnungen, gesichert durch Einzelverträge - das ist identisch mit der jetzt zustande gekommenen Vereinbarung -; Begrenzung der Mieterhöhung auf höchstens 3 Prozent pro Jahr, zuzüglich Inflationsrate, für die nächsten zehn Jahre - auch das ist mit dem jetzigen Vertrag identisch; nur lag damals die Inflationsrate noch ungefähr bei 1 Prozent, heute ist sie entschieden höher ({3}) und schließlich der einzelvertragliche Ausschluss von Luxussanierungen. Der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen wurde damals von der SPD abgelehnt. Die damalige verkehrspolitische Sprecherin Elke Ferner - sie ist schon mehrfach zitiert worden, vom Kollegen Königshofen und vom Kollegen Singhammer - sprach von „Salamitaktik“. Herr Staatssekretär Großmann, ich möchte das Zitat jetzt vollständig vortragen. Kollegin Ferner sagte damals: Die SPD lehnt den geplanten Verkauf entschieden ab: Der Erhalt der Gesellschaften als Sozialeinrichtung - wie das Gesetz es vorsieht - ist nicht gewährleistet. Nach dem Salamiprinzip werden die Wohnungen einer kapitalorientierten Vermarktung zugeführt. Wenig später heißt es - Stichwort „Nomura“ -: Gewinne stecken sich jetzt andere ein. Stichwort „Nomura“. ({4}) - Das ist nicht zitiert worden. Deshalb möchten wir das festhalten. Aber nicht nur Elke Ferner, sondern auch andere SPDPolitiker positionierten sich damals klar gegen den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen und riefen zum Politikwechsel in Bonn auf; dann werde es den Verkauf nicht geben. Die SPD-Bundestagsfraktion forderte die damalige Bundesregierung auf, die Eisenbahnerwohnungen nicht zu verkaufen. Mit der Zusage, nicht zu verkaufen, wurde von der SPD massiv Wahlkampf im Herbst 1998 betrieben. ({5}) Darauf ist schon von mehreren Rednern meiner Fraktion hingewiesen worden. Die SPD gewann - leider - den Bundestagswahlkampf und die Eisenbahnerwohnungen werden verkauft. Von versprochen und gehalten kann hier nicht die Rede sein. Kollege Rexrodt hat schon eindeutig darauf hingewiesen. ({6}) Nachdem mit der ehemaligen Bietergemeinschaft noch 1998 nachverhandelt worden war, konnten schon damals viele Verbesserungen erreicht werden. Insofern ist der Eindruck, der hier von der Koalition geweckt werden soll, das alles habe erst sie zustande gebracht und sie sei für die guten Taten verantwortlich, falsch. ({7}) - Ich habe gesagt, es sind durchaus viele Verbesserungen erreicht worden. Auf das andere komme ich noch zu sprechen. Im März 1999 hat sich die SPD mit diesen Nachbesserungen befasst. Als Ergebnis der Beratungen wurde die politische Kehrtwendung vollzogen. Wir begrüßen, dass der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen nunmehr perfekt ist. Privatisierungen sind in Deutschland immer gut gelaufen, auch gegen den Widerstand der meisten Kollegen aus den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen. ({8}) Wir begrüßen auch, dass noch weitere Verbesserungen für die Mieter erreicht wurden. Ich erspare mir jetzt die Aufzählung dieser Verbesserungen; Kollege Großmann hat schon ausdrücklich darauf hingewiesen. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Außerdem ist Ihre Redezeit schon zu Ende.

Peter Letzgus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002724, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn man sich jedoch die damalige Haltung der SPD in der Opposition betrachtet und die Rolle rückwärts sieht, die sie jetzt als Regierungspartei macht, dann ist der Eindruck wohl nicht falsch, dass sich die Mieter der Eisenbahnerwohnungen getäuscht fühlen. Ich bedanke mich. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 7. Dezember 2000, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.